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German Pages 696 [684] Year 2003
SozialpsychologieLexikon Von
Univ. Prof. Dr. Günter Wiswede unter Mitarbeit von Matthias Gabriel, Franz Gresser, Alexandra Haferkamp
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2004 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-27514-3
Vorwort Während es zahlreiche Lexika der Psychologie und auch der Soziologie gibt, sind Wörterbücher der Sozialpsychologie - angesichts des Entwicklungsstandes dieser Disziplin - eher spärlich. Dabei liegt der Nutzen eines solchen Lexikons auf der Hand: schnelle und informationsdichte Darstellung zu Begriffen, Konzepten und Theorien sowie die Verdeutlichung unterschiedlicher Kontexte, in denen das Stichwort verwendet wird. Im Vergleich dazu erklären Glossare meist zu wenig und haben oft nur geringe Reichweite. Auch Stichwortverzeichnisse liefern meist nur verstreute Hinweise, so dass zahlreiche Stellen eines (Lehr-) Buches durchsucht werden müssen. Das hier vorliegende Lexikon ist zum einen für den akademischen Gebrauch (durch Kollegen und Studierende), zum anderen für angrenzende Fachbereiche (z.B. Pädagogik, Wirtschaftswissenschaft) gedacht, ferner für Praktiker (z.B. Manager, Redakteure und interessierte Laien), die auf das Anwendungspotenzial der Sozialpsychologie aufmerksam geworden sind und die Devise von KURT LEWIN beherzigen, die da lautet: Nichts ist praktischer als eine gute Theorie. Die Konzeption dieses Wörterbuches verfolgt einen Kompromiss zwischen einem reinen Begriffslexikon, das sich lediglich auf Definitionen beschränkt und einem Handwörterbuch, in dem Schlüsselkonzepte einer Wissenschaftsdisziplin extensiv dargestellt werden. Insofern enthält es drei Kategorien von Stichworten: 1. Begriffsbestimmungen und kurze Informationen über spezifische sozialpsychologische Sachverhalte (z.B. -* Hindsight-Bias, -* Intimität, Bogus-Pipeline)\ 2. etwas ausführlichere Erläuterungen von etwa 1 - 2 Spalten Länge (z.B. —• Coping, —• Rollenkonflikt, Erleichterung, soziale) sowie 3. detaillierte Ausfuhrungen über zentrale Themenbereiche (z.B. Einstellungen, -* Erwartungen, -* Stimmungen, Attributionen, Gruppenproduktivität, —> Sozialisation). Ergänzende Literaturhinweise beschränken sich vorwiegend auf Schlüsselbegriffe des letztgenannten Typs. Außerdem erfolgen sie immer dann, wenn programmatisch bestimmte Teildisziplinen vorgestellt werden, die der Sozialpsychologie nahestehen (z.B. —• Berufspsychologie, —> Marktpsychologie, Gesundheitspsychologie). Insgesamt ist der Literaturanhang eher knapp gehalten und schwankt zwischen 2 und etwa 10 Quellen. Die gegenwärtige Sozialpsychologie ist in starkem Maße durch den Ansatz der Informationsverarbeitung geprägt, mit dessen Hilfe auch klassische Themen unter neuer Perspektive reformuliert worden sind. Dabei sind vor allem im Rahmen der Kleingruppenforschung verfolgte Ansätze eher soziologischer Provenienz etwas in den Hintergrund geraten (vgl. zu dieser Thematik die Stichworte: Informationsverarbeitung sowie Kognition, soziale und —• Sozialpsychologie, Geschichte der). Das vorliegende Lexikon versucht beiden Perspektiven zu ge-
nügen, also die „neue" mit der „alten" Sozialpsychologie zu verbinden. So erfahrt der Leser unter dem Stichwort „Netzwerke" sowohl etwas über semantische -> Netzwerke als auch über soziale Netzwerke. Ebenso finden sich unter dem Begriff Kontrolle nicht nur Ausfuhrungen zu Aspekten der kognizierten Kontrolle, sondern auch zur Rubrik soziale -* Kontrolle, die Verbindungslinien zu einer eher soziologischen Sicht herstellt. Da dieses Buch in einem Verlag erscheint, dessen Schwerpunkt wirtschaftswissenschaftliche Publikationen sind, liegt es nahe, wirtschaftspsychologische Anwendungen und Querverbindungen (z.B. aus den Bereichen Marktpsychologie oder Arbeits- und Organisationspsychologie) in besonderer Weise zu berücksichtigen. So findet der Leser in diesem Lexikon auch kurze Erörterungen zu Stichworten wie: Rationalität, Behavioral Finance, -* Organizational Citizenship Behavior, —• Arbeitsgestaltung, —• Werbung oder Konsumentenverhalten. Eine solche Ausrichtung entspricht dem Wunsch vieler Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler nach einer verhaltenstheoretischen Begründung ihrer Aussagen, für die insbesondere die Sozialpsychologie fruchtbare und anwendungsorientierte Konzepte bereithält. Zur Binnengliederung der einzelnen Stichwörter ist folgendes anzumerken: Römische Ziffern signalisieren, dass der Begriff (z.B. -»Framing, -* Ähnlichkeit) in unterschiedlichen Forschungskontexten verwendet wird. Arabische Ziffern sind lediglich Gliederungspunkte, um die Übersichtlichkeit vor allem bei größeren Stichworten zu gewährleisten (z.B. in der Abfolge: Begriff, Formen, Theorien, kritische Punkte). Reine Aufzählungen sind mit kleinen Buchstaben (a, b, c...) gekennzeichnet. Mein (vermutlich etwas leichtsinniges) Vorhaben, dieses Wörterbuch als AlleinAutor zu verfassen, impliziert naturgemäß Nachteile unangemessener Selektivität. Ein möglicher Vorteil könnte jedoch dadurch erwachsen, dass die Auswahl und Behandlung der verschiedenen Stichwörter mehr innere Konsistenz aufweist. Trotz meiner weitgehenden Solisten-Rolle ist die Durchfuhrung eines fast 2 Vi Jahre andauernden Projektes nicht ohne zahlreiche Helfer möglich. Diesbezügliche Danksagungen richten sich insbesondere an die Mitarbeiter meines Instituts für Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Universität zu Köln: •
An Matthias Gabriel, der Stichworte wie -*Brainstorming sowie die einzelnen -* multivariaten Analyseverfahren verfasst hat und der ferner den gesamten Text minutiös durchgearbeitet und neben formalen Richtigstellungen auch zahlreiche inhaltliche Anregungen beisteuerte, die dieses Buch substanziell verändert haben. Nichtsdestoweniger bleibe ich selbstverständlich für Unzulänglichkeiten und Fehler allein verantwortlich.
•
An Franz Gresser, der sowohl mit inhaltlichen Überlegungen zur Entwicklung des Lexikons beigetragen hat als auch in bereits bewährter Form und mit dem
ihm eigenen Engagement die druckreife Aufbereitung und Formatierung bewältigte. •
An Alexandra Haferkamp, die den oben erwähnten Begriff des Organizational Citizenship Behavior in herausragender Weise mit Leben erfüllte, wobei sie von Beginn des Projekts an immer wieder erneut kritisch Korrektur gelesen hat und insbesondere in der Schlussphase, bei der der Teufel im Detail steckt, die Regie führte.
Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank Monika Bresemann, die den gesamten Text manchmal in der soundsovielten Fassung geschrieben und dennoch am Ende fast bedauert hat, dass das Alphabet bei Z zu Ende ist; Frank Belschak, der die Begriffe Stress und -* Coping verfasst hat; und Frau Gabriele Jacobs-Belschak, die das Steichwort —> Sozialpsychologie, interkulturelle beisteuerte. Außerdem bedanke ich mich bei Alexandra Neumann für die zusätzliche Hilfestellung beim Korrekturlesen und bei Meike Weiers, die u.a. die informationsdichten Kurzfassungen der klassischen sozialpsychologischen Experimente (s. Anhang) zusammenstellte. Ein Lexikon zur Sozialpsychologie ersetzt natürlich kein Lehrbuch, das die einzelnen Themenbereiche systematisch und im Kontext entwickelt, kann es aber in sinnvoller Weise ergänzen. Einer meiner eigenen akademischen Lehrer pflegte das so auszudrücken: Hierzu gibt es ein ganz vorzügliches Buch; die Bescheidenheit verbietet mir allerdings zu sagen, dass es von mir stammt (in diesem Falle nicht von mir allein: Lorenz Fischer und Günter Wiswede: Grundlagen der Sozialpsychologie, München/Wien, 2. Aufl. 2002, in diesem Verlag). Ich wünsche mir für das vorliegende Wörterbuch einen ähnlichen Erfolg, wie ihn das Lehrbuch bereits erzielen konnte. Köln
Günter Wiswede
P.S.: Ich möchte alle Leser einladen, sich an der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieses Lexikons aktiv und konstruktiv zu beteiligen. Dazu wurde unter www.wiso.uni-koeln.de/wisopsy/veroeffentlichungen/lexikon_sozpsy.html für das Buch eine eigene Website eingerichtet, auf der sich u.a. eine Kontaktadresse befindet sowie Weiterentwicklungen des Lexikons dokumentiert werden.
Abkürzungsverzeichnis Bsp.:
Beispiel
bspw.
beispielsweise
Exp.
Experiment
i.d.R.
in der Regel
i.e.S.
im engeren Sinne
i.R.
im Rahmen
i.S.
im Sinne
i.w.S.
im weiteren Sinne
O
Vergleichsperson bzw. Person, die Einfluss auf P ausübt
P
die fühlende, denkende bzw. handelnde Person bzw. die Person, die im Fokus der Betrachtung steht
Pn
die fühlenden, denkenden bzw. handelnden Personen
sp
sozialpsychologisch
SP
Sozialpsychologie
SPn
Sozialpsychologen
u.a.
unter anderem
u.U.
unter Umständen
v.a.
vor allem
VI
Versuchsleiter
Vp
Versuchsperson
Vpn
Versuchspersonen
wp
wirtschaftspsychologisch
WP
Wirtschaftspsychologie
z.T.
zum Teil
Das Stichwort selbst wird in der Erläuterung - unabhängig von Numerus und Kasus - mit Großbuchstaben und Punkt abgekürzt.
Abergläubisches Verhalten
Ablenkung
Ä.
Abergläubisches Verhalten Aus lerntheoretischer Sicht (SKINNER) entsteht A. aufgrund von Pseudo-Kontingenzen, d.h. P nimmt irrtümlich an, dass ein bestimmtes Ergebnis eintritt, wenn sie ein bestimmtes Verhalten zeigt. Aus kontrolltheoretischer Sicht bedeutet A. eine Kontroll-Illusion (Bsp.: der Tennisspieler, der den selben Ball wählt, der ihm zuvor einen Punkt eingebracht hat).
Aberrantes Verhalten Teilklasse -> abweichenden Verhaltens, die die Legitimität und Geltung der verletzten Norm nicht bestreitet (z.B. Diebstahl).
Abhängigkeit (I)A. als motivationales Konzept im Sinne eines Abhängigkeitsbedürfhisses (-* Affiliation). (II) A. als lerntheoretisches Konzept: P ist auf bestimmte Verstärker angewiesen; 0 kann den Verstärkungsmodus einseitig festlegen. (III) A. in Interaktionsbeziehungen: Nach EMERSON ist soziale -* Macht nicht nur eine Funktion von O's Machtmitteln, sondern auch von P's Abhängigkeiten und Alternativen: Die Macht, die O über P hat, ist gleich der Abhängigkeit P's von O. Auch THIBAUT & KELLEY (-» Austauschtheorie) stellen Verbindungslinien zwischen Macht und Abhängigkeit her. Sie unterscheiden zwischen -* Schicksalskontrolle, gegenseitiger Ergebniskontrolle und Verhaltenskontrolle. Im Falle der Schicksalskontrolle ist das Ergebnis vollkommen
von der Wahl des 0 abhängig, gleichgültig, welches Verhalten P wählt. Im Falle der Verhaltenskontrolle hängt das Ergebnis der Pn vom Verhalten beider Partner ab. Gegenseitige Verhaltenskontrolle signalisiert ein gewisses Ausmaß beiderseitiger Abhängigkeit. (IV) A. von Objekten: z.B. von Drogen, Nikotin, Alkohol. Es besteht eine Nähe zum Begriff des -*Suchtverhaltens. Für solche Formen der A. werden u.a. folgende Erklärungen geboten: Neurotizismus, geringe Selbstkontrolle und —• myopischer Effekt.
Ablehnung, soziale Zurückweisung durch wichtige Bezugspersonen oder Gruppen. A. spielt in der Affiliationstheorie (-> Affiliation)
v o n MEHRABIAN & KSIONZKY
eine zentrale Rolle. Der Ausdruck A. wird auch in der Einstellungsforschung (im Sinne von: Ablehnung einer Einstellung bzw. einer Botschaft) verwendet (-» Assimilations-KontrastEffekt).
Ablehnungsbereich I.R. des -* Assimilations-Kontrast-Effektes die Gesamtheit nicht mehr akzeptabler Positionen innerhalb eines Einstellungskontinuums. Dazwischen liegt der Zustimmungsbereich.
Ablenkung Aufmerksamkeitsverlagerung, so dass das eigentliche Wahrnehmungsobjekt nicht mehr fokussiert wird. (I) Kommunikationsforschung: Durch A. können im Prozess der Kommul
Ablenkungskonflikt
nikation größere Einstellungsänderungen erzielt werden. Offenbar wird der Rezipient während der A. daran gehindert, Gegenargumente zu überlegen. Im -> ELM ist A. einer der Faktoren, welche die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung mindern und damit die Stabilität von Einstellungen verhindern. (II) Im Zusammenhang mit der sozialen -*• Erleichterung wird die Ablenkungs-Konflikt-Theorie diskutiert. Durch die Anwesenheit anderer Personen wird die Aufmerksamkeit sowohl auf die Aufgabe wie auch auf die anderen Personen bezogen. Dies fuhrt bei schwierigen Aufgaben zu erhöhter Aktivierung und Überlastung, mithin zu einer Leistungsverschlechterung, insbesondere bei komplexen Aufgaben. (III) Bedürfnisaufschub: A. gilt in den meisten Fällen als Möglichkeit, den Aufschub einer Wunscherfullung zu erleichtern. Ablenkungskonflikt -* Ablenkung Abnormes Verhalten Verhalten, das von sozialen Normen abweicht (-• abweichendes Verhalten). Der Ausdruck A. suggeriert häufig, dass Devianz auf Persönlichkeitsstörungen beruht (-> Asozialität). ABO-Psychologie (auch AO-Psychologie) Umgreift die Bereiche -* Arbeitspsychologie, Betriebspsychologie und —• Organisationspsychologie. Vielfach wird letzteres auch als Oberbegriff verwendet.
2
Abwechslung
Abrufbarkeit Verfügbarkeit -* Zugänglichkeit Abschwächungsprinzip -» Abwertungsprinzip Absentismus Abwesenheit, insbesondere Abwesenheit vom Arbeitsplatz. Gründe für A. werden häufig in psychischen oder sozialen Problemen gesehen. In der Arbeits- und Organisationspsychologie gilt A. als Folge, mitunter auch als Indikator niedriger -* Arbeitszufriedenheit. Absonderung Bedürfiiis nach räumlicher und/oder emotionaler Distanz zur sozialen Umwelt. A. führt u.U. zur sozialen Isolation. Häufig ist A. jedoch auch die Folge sozialer Enttäuschungen. Abwärtsvergleich Ähnlichkeit, soziale -* Vergleichsprozesse Soziale Vergleichsprozesse erfolgen meist horizontal (d.h. zwischen ähnlichen Personen) oder aufwärts (insbesondere bei leistungsorientierten Personen). In seiner Theorie abwärtsgerichteter Vergleiche behauptet WlLLS, dass Pn ihr subjektives Wohlbefinden durch Vergleich mit weniger glücklichen Anderen (z.B. Leistungsschwächeren, Krankeren) steigern können. Dies kann auch in aktiver Form geschehen, z.B. durch aktive Abwertung oder Beschädigung einer anderen P. Vor allem Pn mit niedrigerem Selbstwert sind eher zu abwärtsgerichteten Vergleichen bereit. Abwechslung (I) In der Bedürfnisforschung wird A. als Gegenpol zur Gewohnheitsbildung
Abwehrmechanismen
beschrieben. A. gilt auch als Form der physiologischen -* Aktivation. In der Entscheidlingstheorie wird darauf hingewiesen, dass der Nutzen der Abwechslung den Nutzen der „richtigen Entscheidung" überlagern kann. Immer das Gleiche zu wählen, kann auf die Dauer langweilig sein. Insbesondere bei geringem Risiko wird ein Probierverhalten wahrscheinlicher. Abwehrmechanismen (I) Abwehr bezeichnet zunächst eine allgemeine behaviorale und/oder kognitive Reaktion bzw. Strategie gegen bedrohliche Sachverhalte. S. FREUD u n d A . FREUD h a b e n die A . d e s I c h i m
Rahmen der psychoanalytischen Theorie thematisiert. Danach bezeichnet man als A. alle Techniken, derer sich das Ich bedient, um Neurosen zu vermeiden (z.B. Verdrängung, Regression, Projektion, Sublimation oder Rationalisation). (II) I.R. der Überlegungen zur Kongruitätstheorie formuliert TANNENBAUM vier Mechanismen, die dazu fuhren, -» Einstellungen zu stabilisieren und gegen Überredungsversuche resistent zu machen (-» Inokulation): (a) Leugnung (Es wird angenommen, der Sender habe sich ganz anders geäußert); (b) Senderabwertung (Es wird vermutet, der Sender sei nicht glaubwürdig, sei ein notorischer Lügner); (c) Widerlegung (Die Argumente der Gegenseite sind leicht widerlegbar oder von einseitigen Interessen getragen); (d) Unterstützung (Zusätzliche Argumente sollen die Einstellung widerstandsfähiger machen).
Abweichende Meinung
men entsprechen der Inokulation bei MCGUIRE.
Abweichende Meinung -* Abweichendes Verhalten In verschiedenen Versuchsanordnungen, vor allem zur Erforschung von Konformität, werden Vpn mit vom Gruppenurteil abweichenden Standpunkten konfrontiert. Abhängige Variablen sind u.a. Ausmaß der Meinungsänderung, Einflussversuche zur Meinungsänderung sowie Redefinition der Gruppengrenzen. (I)In der Kleingruppenforschung bedeutet A. das Beharren auf einem vom Gruppenurteil abweichenden Standpunkt. Nach SCHACHTER richten sich an den Vertreter der A. zunächst in verstärktem Maße kommunikative Akte, bei weiterem Insistieren besteht die Tendenz zur Elimination des Mitglieds aus der Gruppe. Je stärker die -* Kohäsion einer Gruppe ist, desto geringer die Toleranz gegenüber dem Mitglied, eine A. zuzulassen und umso stärker die Ausschließungstendenz. (II) In der Erforschung des Minoritätseinflusses das Insistieren einer Minderheit auf einer A. Nach Moscovici kann die Minderheit die Majorität durch ihr Urteil beeinflussen, und zwar umso stärker, je konsistenter sie an ihrem Urteil festhält (Verhaltensstil) und je konzilianter sie die Beeinflussung durchfuhrt (Verhandlungsstil). (III) LR. des Assimilations-Kontrast-Effektes das Ausmaß der Urteilsdiskrepanz, die im Falle der Geringfügigkeit zur Assimilation, im Falle des Übertretens einer Akzeptanz-
Die beiden letztgenannten Mechanis3
Abweichendes Verhalten
schwelle zu verstärkten Effekten führt.
Abweichendes Verhalten
Kontrast-
Abweichendes Verhalten A. bezeichnet diejenige Teilklasse sozialen Verhaltens, die gegen normative Erwartungen verstößt. Diese Definition impliziert gewisse Schwierigkeiten, wenn mehrere normative Bezugssysteme vorhanden und wenn die Normen instabil oder diffus sind. Davon abweichende Begriffsbestimmungen entstammen dem labeling approach. Einige Vertreter dieses Ansatzes glauben (in Vermischung von Objektsprache und Metasprache) die Definition verweigern zu müssen, da A. lediglich ein Verhalten darstelle, das die soziale Umwelt so „definiere". Andere Vertreter dieses Paradigmas wählen als Definitionskriterium das Auftreten von sozialen Reaktionen, z.B. ->• Sanktionen. Diese Begriffsbestimmung hätte zur Konsequenz, dass unentdeckte Formen der Devianz (die z.B. im Dunkelzifferbereich liegen) nicht in die Definition einbezogen würden. Formen: A. verdichtet sich vielfach zu Kristallisationskernen (Verhaltenssyndromen). Als solche gelten herkömmlicherweise Kriminalität (Verhaltensweisen, die gegen das Gesetz verstoßen) mit all ihren Erscheinungsformen (Diebstahl, Mord, Vergewaltigung, Erpressung, Wirtschaftskriminalität usw.), Selbstmord, sexuelle Abweichungen, Alkoholismus oder Drogenkonsum. Neben dieser deskriptiven Klassifikation existieren Typologien, z.B. dahingehend, ob die jeweiligen Akteure Zielvorstellungen oder die legitimen Wege der Zielerreichung im Rahmen bestimmter Normen nicht ak4
zeptieren oder gar beides ablehnen. Bei unzeitgemäßen oder rigiden Normen kann A. auch im Sinne der Innovation wirken und verkrustete Strukturen überwinden. Forschung: Während die Erforschimg von -> Konformität vorwiegend im Rahmen der SP erfolgt, ist die Analyse des A. eine Domäne der Soziologie geblieben. Obgleich abweichendes und konformes Verhalten zwei Seiten derselben Medaille sind, entwickelten sich die Forschungstraditionen sehr verschieden. Der Grund ist, dass konformes Verhalten vorwiegend im Kontext der Kleingruppenforschung stand und durch das Laborexperiment dominiert wurde, während sich die soziologische Abweichungsforschung vor allem im Kontext sozialer Probleme, hier insbesondere der Bandenkriminalität in den USA entwickelte. Eine Reintegration beider Forschungsperspektiven ist gelegentlich versucht worden, jedoch weitgehend erfolglos geblieben. Die folgenden Theorieströmungen sind auszumachen: (1) Strukturbezogene Konzepte, die die Ursachen des A. in gesellschaftlichen Strukturbedingungen sehen (soziale Schicht, soziales Milieu oder desorganisierte Familien). MERTONS ^no/n/e-Konzept geht von einer sozio-kulturellen Dissoziation von kulturellen Zielen und institutionalisierten Mitteln aus. Dieses Konzept wurde später zu einer ChancenStruktur-Theorie weiterentwickelt. Dabei wird angenommen, dass nicht nur die Zugangschancen zu legitimen Mitteln (z.B. Einkommen) sozial-strukturell differieren, sondern
Abweichendes Verhalten
Abweichendes Verhalten
auch die Zugangschancen zu illegitimen Mitteln (Kommunikationsnetze der Unterwelt, unterschiedliche Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung etc.). (2) Ätiologische Konzepte, die den Akteur (Täter) und seine besonderen Merkmale in den Vordergrund stellen (z.B. Persönlichkeitsmerkmale, Sozialisationsdefizite, Zusammenbruch der „Haltstruktur", insbesondere der inneren sozialen Kontrolle durch Gewissen und Schuldgefühle (Über-Ich-Lücken). Als Persönlichkeitsmerkmale werden insbesondere diskutiert: Egoismus, fehlende Selbstkontrolle, Kontrollüberzeugungen, Gesetzestreue und „Kurzsichtigkeit" (-* myopischer Effekt). Erfolgreich sind lerntheoretische Ansätze, insbesondere auch unter dem Aspekt des -* Modell-Lernens. Die täterorientierte Sicht wird vielfach unter dem Einfluss der Viktimologie durch den besonderen Interaktionsmodus zwischen Täter und Opfer erweitert. (3) Gruppenorientierte Konzepte, in denen der Einfluss von Gruppensog und Gruppendruck thematisiert wird. Dabei wird betont, dass Pn im Gruppenkontext anders handeln und andere Motivationsstrukturen entwickeln (z.B. riskanter und aggressiver vorgehen). Insbesondere gilt dies im Zustand der -* De-Individuation, wenn also Pn glauben, sich in der Anonymität der Gruppe verstecken zu können. Gruppentheoretische Ansätze sind insbesondere auch bei der Analyse organisierter Kriminalität einzubeziehen. (4) Der sog. -* labeling approach, der
sein Forschungsinteresse auf die Reaktionsprozesse, insbesondere das Verhalten der Kontrollinstanzen verlagert. Nach diesem Ansatz ist dieses reaktive Verhalten mitbeteiligt an der Entstehung und weiteren Genese des A. Untersucht werden daher vor allem Selektionsprozesse sowie Vorgänge der Stigmatisierung (Etikettierung) samt der Zuweisung einer abweichenden Rolle, bis hin zum Selbst-Labeling. Dieser Ansatz findet in der SP eine gewisse Parallele in der Attributionsforschung, z.B. bei der Zuschreibung von Verantwortlichkeit. Eine weitere Parallele ist die Hypothese der ->• Erwartungsbestätigung („belief creates reality") im Fortlauf von Interaktionen (DARLEY & FAZIO), die den Gedanken ei-
ner sich selbst erföllenden Prophezeiung auf den Interaktionsverlauf überträgt. Auf diese Weise wird der Handlungsspielraum des Devianten geringer, weil man schon „weiß", wie dieser sich verhalten wird. Lit.: AKERS, R.L. (1984). Deviant behavior. Belmont. AMELANG, M. (1984). Sozial ab-
weichendes Verhalten. Paderborn. ARCHER, D. (31985). Social deviance. In: Aronson, E. & Lindzey, G. (eds.) Handbook of social psychology. Vol. 2, New York, 743-804. BÖHNISCH, L . ( 1 9 9 9 ) . A b w e i c h e n d e s
halten.
Weinheim/München.
Ver-
CLOWARD,
R A . & OHLIN, L . E . (1972). Delinquency
and Opportunity. A theory of delinquent gangs. New York. GOTTFREDSON, M.R. & HIRSCHI, T. (1990). A general theory of crime. Stanford/CA. LAMNEK, S. ^1996).
Theorien abweichenden Verhaltens. München. TYLER, T. (1990). Why people obey the law. New Haven, CT. WILSON, J.Q. & HERRNSTEIN, R - J . ( 1 9 8 5 ) . C r i m e a n d hu-
man nature. New York. WISWEDE, G. (21979). Soziologie abweichenden Verhaltens. Stuttgart. 5
Additions-Modell
Abweichungskredit
Abweichungskredit
ABX-Modell
(auch: Idiosynkrasiekredit). So bezeichnet HOLLANDER die Möglichkeit des Gruppenführers, von den Gruppennormen in begrenzter Form abzuweichen bzw. solche Normen neu zu definieren oder zu modifizieren. Dieser Spielraum ist im Hinblick auf die Anpassung an neue Ziele oder neue Situationen positiv funktional. Verweigert ihm jedoch die Gruppe die Gefolgschaft, so wird der A. aufgezehrt.
Variante der -*• Balancetheorie, wobei A und B Personen, X jedoch ein Objekt darstellt. Nach NEWCOMB ist allein die AB-Relation verantwortlich für die Konsistenz (Balance) oder Inkonsistenz. Bei Vorliegen einer negativen AB-Relation ist es weitgehend irrelevant, ob Einstellungsähnlichkeit (-* Ähnlichkeit, soziale) besteht oder nicht. Experimentell zeigt sich eine deutliche Tendenz, positive ABRelationen beizubehalten und negative AB-Relationen zu ändern, und zwar unabhängig von der Balanciertheit der Struktur.
Abwertungsprinzip (Abschwächungsprinzip, discounting principle). Sind mehrere plausible Ursachen fur ein Ereignis vorhanden (-» Attributionstheorie) wird jeder einzelnen Ursache weniger Gewicht beigemessen, als wenn sie allein vorhanden wäre. So wird z.B. eine positiv bewertete Ursache (etwa Freundlichkeit) abgewertet, wenn eine zweite plausible Ursache (etwa: P wird dafür bezahlt) zur Verfügung steht. Dem A. entspricht eine Subtraktionsregel: Ausmaß der attribuierten Disposition = Eindeutigkeit des Verhaltens minus situative Einflüsse (z.B. Verhaltenszwänge, Rollenvorgaben). Das A. spielt eine zentrale Rolle in der Attributionstheorie DAVIS, TROPE
und
von JONES & KELLEY
sowie in
der Theorie von DECI zur intrinsischen
-* Motivation. Nur wenn keine externen Ursachen feststellbar sind, wird nach internen Ursachen weiter gesucht. Je stärker ein Verhalten durch Situationsaspekte verursacht zu sein scheint, desto weniger wird aus dem Verhalten auf eine entsprechende Disposition (auch: intrinsische Motivation) geschlossen. 6
Adaptation -»• Anpassung Anpassung der sensorischen Empfindlichkeit gegenüber unterschiedlich intensiven Sinneseindrücken. HELSON verallgemeinert seine A.-Theorie im Sinne perzeptiv-kognitiver Wahrnehmungsklassifikationen um einen Ankerpunkt bzw. Ankerbereich. Ohne die Implikationen der A.-Theorie im Einzelnen mitzuvollziehen, spricht man von A.-Niveau auch im Sinne der -* Ankerbildung (z.B. Preisniveau: zu teuer/zu billig; oder beim Führungsstil: zu permissiv/zu restriktiv). Additions-Modell Das A. steht im Rahmen der sozialen —• Wahrnehmung und behauptet, dass das Gesamturteil im Hinblick auf eine zu beurteilende P durch die Addition der Bewertung einzelner Merkmale zustande komme. Demgegenüber steht das Durchschnittsmodell, das nach empirischen Befunden von ANDERSON favorisiert wird (-• Informationsintegration).
Ad hoc-Gruppe
Ad hoc-Gruppe Zu bestimmten Zwecken zusammengestellte oder auch freiwillig zusammengekommene Gruppe, im Gegensatz zu einer gewachsenen Gruppe, die eine gewisse Interaktionsvergangenheit aufweist. In der SP werden häufig A. als Experimentalgruppen verwendet (auch artifizielle Gruppe).
Adoleszenz Periode der Nachpubertät mit beginnender Festigung der Persönlichkeit. P befindet sich in einer marginalen Position: nicht mehr Kind, noch nicht Erwachsener. Diese Phase ist gekennzeichnet durch die Suche nach eigener personaler und sozialer -* Identität. Die A. gilt als Einbruchsteile für abweichendes Verhalten, das v.a. expressive Funktion hat (z.B. Männlichkeitsbeweise). Insbesondere bei männlichen Adoleszenten werden solche Devianzformen vielfach als vorübergehend und weitgehend entschuldbar eingestuft (-»Peers -* Sozialisation). Ähnlichkeit, soziale -»• Vergleich, sozialer Gemeint ist die Ä. einer P mit einer Vergleichsperson oder Vergleichsgruppe. Ä. spielt in der SP in folgenden Konzepten eine bedeutsame Rolle: (I) Theorie des Modell-Lernens: Ä. ist eine begünstigende Voraussetzung, damit die Modell-Person Aufmerksamkeit erfahrt. (II) Kommunikationsforschung: Meist gilt Ä. mit einer P in Bezug auf bestimmte Merkmale (z.B. Alter, Geschlecht, jedoch auch Einstellungen,
Ähnlichkeit, soziale
Werthaltungen, Lebensstil etc.) als forderlich für die persuasive Wirkung einer Kommunikation. Attributionstheoretisch gilt jedoch, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Urteil unähnlicher Personen besonderen Validierungswert hat, denn ähnliche Personen könnten dem gleichen Denkfehler unterliegen. (III) Bezugsgruppentheorie: Hier gilt Ä. (neben Attraktivität) als Voraussetzung für die Wahl einer (positiven) Bezugsgruppe. (IV) Interaktionsforschung: Hier ist insbesondere die Einstellungsähnlichkeit in ihrer Wirkung auf interpersonelle Attraktion Gegenstand zahlreicher Untersuchungen (insbesondere von BYRNE) gewesen, die den Befund
bestätigen, dass Einstellungsähnlichkeit zu vermehrter Sympathie fuhrt, wie auch umgekehrt Sympathie die perzipierte Einstellungsähnlichkeit begünstigt. Ä. gilt als begünstigende Voraussetzung für die Aufnahme und Aufrechterhaltung von Interaktionen („gleich und gleich gesellt sich gern"). Lediglich bei komplementären Eigenschaften (z.B. Dominanz und Submissivität) wird dieses Ähnlichkeitsprinzip durchbrochen („Gegensätze ziehen sich an"). (V) -* Equity-Theorie: Auch hier erfolgt ein Vergleich vorwiegend mit ähnlichen Personen (z.B. im Hinblick auf ähnliche Leistungen, -* Gerechtigkeit). (VI) Theorie sozialer -* Vergleichsprozesse: Vergleiche im Hinblick auf Leistungen und Meinungen werden bevorzugt mit ähnlichen Pn durchgeführt. Im Falle der Unähnlichkeit (z.B. 7
Ähnlichkeit, soziale
bei relativer sozialer -* Deprivation) kommt es vorübergehend zu dissonanten Vergleichen. GOETHALS & DARLEY verweisen darauf, dass die Feststellung von Ä. bereits einen Vergleich impliziert. Wenn z.B. Meinungsähnlichkeit eine Voraussetzung für die Wahl von 0 zur Vergleichsperson darstellt, wäre eine Nicht-Validierung von Meinungen aufgrund sozialer Vergleichsprozesse nicht möglich. Die genannten Autoren versuchen das Zirkularitätsproblem dadurch zu lösen, dass sie die Ä. von O mit P danach einstufen, ob P Ä. auf vorgelagerten relevanten Dimensionen perzipiert. Relevante -* Attribute sind demnach alle Faktoren, die der Vergleichende als kausal-relevant für bestimmte Fähigkeiten und Einstellungen ansieht (z.B. das Alter in Bezug auf sportliche Leistungen). (VII) Abwärts gerichtete Vergleiche: Während die Theorie sozialer Vergleichsprozesse davon ausgeht, dass Personen - insbesondere bei Leistung e n - sich aufgrund von Setzungen des Anspruchsniveaus nach oben (mit besseren) vergleichen (insbesondere bei schwach entwickeltem Selbstgefühl), kann ein Vergleich mit Schlechteren Selbstwertschäden begrenzen sowie die Zufriedenheit erhöhen (z.B. ein Vergleich mit P, die eine schlimmere Krankheit hat). (VIII) Theorie der sozialen -* Identität: Im Binnenverhältnis (in-group) werden Pn als ähnlicher wahrgenommen als sie sind; hier stellt Ä. einen positiv bewerteten Reiz dar. Im Außenverhältnis (out-group) ist Ä. ein aversiver Reiz. Zur Aufrechterhaltung der sozialen Identität bedarf es der 8
Affect-as-information
Distinktion. Diese wird hergestellt durch eine Minimierung von Ä. Lit.: BYRNE, D. (1969). Attitudes and attraction. In: Beikowitz, L. (ed.) Advances in experimental social psychology, Vol. 4, New York, London, 35-89. BYRNE, D. (1971).
The
attraction
paradigm.
New
York.
GOETHALS, G.R. & DARLEY, J . M . (1977).
Social comparison theory: An attributional approach. In: Suis, J.M. & Miller, R.L. (eds.) Social comparison processes: theoretical and empirical perspectives, 259-278, Washington D.C. FESTINGER, L. (1954). A theory of so-
cial comparison processes. Human Relations, 7, 117-140. SULS, J.M. & MILLER, R.L.
(eds.) (1977). Social comparison processes: theoretical and empirical perspectives. Washington, London. SULS, J.M. & WELLS, T.A. (eds.) (1991). Social comparison: Contemporary theory and research. Hillsdale/N.J.
Ärger Der Begriff Ä. wird in der SP eher unspezifisch verwandt und steht meist im Kontext der -»Aggression, z.B. als Vorstufe zu einer aggressiven Handlung. WEINER verwendet den Begriff Ä. in seiner Gefühlstheorie auf die folgende Weise: Wenn eine StimulusPerson ein negatives Ereignis selbst herbeiführt, so wird dies dann Ä. im Gegensatz zu Mitleid verursachen, wenn diese P das Ereignis hätte kontrollieren können (z.B. Misserfolg wegen mangelnder Anstrengung). Ärgerreaktionen werden auch in der Reaktanztheorie sowie in der -* EquityTheorie postuliert. Affect-as-information fusions-Modell
-*Affekt-In-
Dieses Modell von SCHWARZ besagt, dass die gegenwärtig gerade vorherrschende -» Stimmung als eine Information in das allgemeine Urteil mit einbezogen wird. Gefühle haben nach dieser Auffassung einen Informati-
Affiliation
Aifect-primlng
onswert, der anstelle rationalen Abwägens als -»• Heuristik dient. Affect-priming -> Affekt-InfusionsModell Positive Stimmung bedeutet die selektive -* Aktivierung sowie die erhöhte -*Zugänglichkeit stimmungskongruenter Gedächtnisinhalte. Dieses Modell erklärt z.B., warum Menschen in positiver Stimmung eher zu -> prosozialem Verhalten neigen. Affekt A. wird im Sinne von „affect" als Sammelbegriff für (nicht-kognitive) innere Zustände verstanden, von -* Stimmungen einerseits bis zu starker emotionaler Erregung andererseits (-• Emotion). Zwei Forschungsstränge sind zu unterscheiden: der Einfluss von Kognitionen auf affektive Prozesse (-» Emotionstheorien) sowie der Einfluss von A. auf kognitive Prozesse, insbesondere Vorgänge der -* Informationsverarbeitung. Dabei können A. selbst informativen Wert haben und in die Urteilsbildung eingehen. Ferner besteht die Möglichkeit der -* Ablenkung, so dass sie mit der Informationsgewinnung und -Verarbeitung interferieren; sie können des weiteren die kognitive Verfügbarkeit gespeicherter Informationen beeinflussen, die Suche nach Informationen motivieren und auf bestimmte Klassen von Informationen lenken. Durch die Dominanz kognitiver Konzepte sind A. in der SP stark vernachlässigt; ZAJONC verweist jedoch darauf, dass das Affektgeschehen ontogenetisch das Primäre sei und sich kognitive Prozesse den A. gewissermaßen „auflagern".
Affekt-Infusions-Modell (AIM) FORGAS geht davon aus, dass ->• Affekte einen doppelten Einfluss nehmen: Zum einen sorgen sie dafür, dass primär zum Affekt passende kognitive Kategorien abgerufen werden (-> Priming). So werden z.B. bei guter -»Stimmung positive Erinnerungen und Assoziationen abgerufen und vorrangig stimmungskongruente Informationen perzipiert. Zum anderen dienen Affekte als heuristische Hinweisreize (-> Heuristiken), um spezifische Stimuli zu beurteilen. Im ersten Fall sind weitere Informationsverarbeitungsprozesse notwendig; im zweiten Fall sind minimale kognitive Anstrengungen ausreichend. Parallelen zum ELM sind hierbei deutlich.
Affektstruktur A. bezeichnet das Beziehungsgefüge der -> Sympathie unter Gruppenmitgliedern. Sie wird gewöhnlich durch soziometrische Verfahren (-»• Soziometrie) ermittelt. Die soziometrische Struktur wird sodann durch ein Soziogramm dargestellt, wobei Kreise, welche die einzelnen Mitglieder der Gruppe repräsentieren, durch Pfeile verbunden sind, welche die Richtung der Sympathie von Mitglied zu Mitglied angeben. Die A. ist auch ein wichtiger Aspekt der -»Kohäsion einer Gruppe. Affiliation Tendenz, den Anschluss an andere Menschen zu suchen. Man spricht auch von A.-Bedürfnis oder A.-Motiv. Dabei geht man vielfach davon aus, dass der Mensch als soziales Wesen grundsätzlich die Nähe anderer sucht. Der Begriff A. konfundiert hier mit 9
Affiliationsmotiv einem allgemeinen Geselligkeitsbedürfnis, Bedürfnis nach Kontakt, Bindung, Sozialverhalten usw. MURRAY, der Begründer dieses Konzepts, verweist auf folgende Submotive: Freundschaftssuche, Zusammenleben, gemeinsames Arbeiten und das Bedürfnis, Gruppenmitglied zu werden. Die SP hat sich insbesondere dafür interessiert, in welchen Situationen die Anschlusstendenz in verstärktem Maße auftritt (-• Affiliationstheorien). Affiliationsmotiv -* Affiliation -* Affiliationstheorien Affiliationstheorien (l)Eine enge situationale Fassung des Anschlussmotivs liegt den Experimenten von SCHACHTER zugrunde (-> Exp. 3). Hierbei wurde zunächst getestet, ob Menschen in emotionalen Spannungszuständen die Gesellschaft anderer dem Alleinsein vorziehen. SCHACHTER konnte dies bestätigen, wobei die Affiliationstendenz nur auftritt, wenn Menschen sich in einer ähnlichen (beängstigenden) Situation befinden. Dabei werden als mögliche Gründe für dieses AfFiliationsbedürfnis diskutiert: Flucht (Entwurf gemeinsamer Pläne, um der unangenehmen Situation zu entkommen), Information (Wunsch, mehr über diese Situation zu erfahren), direkte oder indirekte Furchtreaktion (z.B. durch Überspielen der Situation) und soziale -* Vergleichsprozesse (Information darüber, ob und welches Gefühl die anderen haben). In weiteren Experimenten wurden die Kommunikationsbedingungen so variiert, dass schrittweise die unzutreffenden Ursachen eliminiert werden konnten. Die Ergebnisse 10
Afflliationstheorien stützen die Annahme, dass der Wunsch nach sozialem Vergleich die zentrale Wurzel eines (so verstandenen) Affiliationsmotivs darstellt. Zumindest scheint eine solche Tendenz zum sozialen Vergleich für angespannte und unklare Situationen zu gelten. Allerdings ist evident, dass damit nur eine Teilklasse aller möglichen Affiliationssituationen angesprochen ist. Außerdem scheint die Tendenz vor allem für Furchtsituationen zu gelten, bei objektunspezifischer Angst ist eher Vereinzelung und Einsamkeit die Folge. (2) SCHACHTER postuliert auch eine Beziehung zwischen Affiliation und Geburtenfolge. Erstgeborenen Kindern widmet man bedeutend mehr Zeit und lässt ihnen mehr Fürsorge angedeihen als den später Geborenen. Erstgeborenen gegenüber besteht daher eine elterliche Neigung, Schmerzen und Ängste ihrer Kinder zu beseitigen, so dass sich bei diesen eine Tendenz herausbildet, sich auch später in solchen Situationen an andere Menschen anzulehnen. Daher bevorzugen Erstgeborene eher soziale Techniken der Stressbewältigung. (3) Eine am Paradigma der Theorie der Leistungsmotivation angelehnte A. bieten MEHRABIAN & KSIONZKY. Das Anschlussmotiv ergibt sich danach aus den spezifischen und generalisierten Anreiz-Erwartungs-Werten, als Differenz zwischen Reinforcement-Erwartungen für Anschluss und den (negativen) ReinforcementErwartungen für Zurückweisung. Diese Theorie erklärt u.a. die Tatsache, dass manche Individuen eher anschlussmeidend sind.
Agenda-Setting
Aggression
(4) In den Studien von MCCLELLAND
wird ein hohes Maß an Affiliationsmotivation als leistungsabträglich angesehen. So korreliert wirtschaftlicher Erfolg mit hohen Werten für Leistungsmotivation und Machtmotivation sowie mit geringen Werten für Affiliationsmotivation. Ahnliche Befunde werden aus der Organisationspsychologie berichtet, bei denen ein ausgesprochenes „affiliationclimate" zu geringer Leistung, wenn auch zu hoher Zufriedenheit führte (-> Organisationsklima). Im Hinblick auf leistungssteigernde Gruppeneffekte (-» Gruppen vorteil -*• Kooperation) und auch in Bezug auf affiliationsgestützte Motivationsformen (z.B. beim japanischen Modell) sind hier allerdings Vorbehalte anzumelden. Lit.: BUUNCK, B.P. ( 4 2002). Affiliation, zwi-
schenmenschliche Anziehung und enge Beziehungen. In: Stroebe, W. et al. (Hg.) Sozialpsychologie. Berlin u.a., 415-447. MEHRABIAN, A . & KSIONZKY, S. (1974). A theory of affiliation. Lexington/MA. SCHACHTER, S. (1959). T h e psychology of affiliati-
on. Stanford/CA.
Agenda-Setting Ausdruck aus der Forschung zur -> Medienwirkung, wonach die Massenmedien die Einstellungen des Publikums nur begrenzt verändern können. Medien seien weniger erfolgreich, zu vermitteln, was das Publikum denken soll, sondern worüber es denken soll. A. wirkt daher so ähnlich wie eine vorstrukturierende Tagesordnung. Aggression ->•
Aggressionstheorien
(1) Begriff und Formen: Nach DOLLARD et al. ist A. eine Verhaltenssequenz, deren Zielreaktion die Verlet-
zung einer P ist, gegen die sie gerichtet ist (verhaltensorientierte Definition). Ungewollte Schädigung eines anderen wäre nach dieser Begriffsbestimmung als aggressive Handlung anzusehen. Nach geläufigem Verständnis impliziert aggressives Verhalten jedoch die bewusste Schädigung eines anderen, sollte also intentional verstanden werden (kognitive Definition). Dabei kann die aggressive Absicht, die man einer P unterstellt, beim Interaktionspartner Aggression auslösen, die dann zur Gegenaggression führt (-* belief creates reality). unterscheidet zwischen A. und Feindseligkeit; letzteres sei ein quasi-aggressiver Akt in einer Situation sozialen Konflikts. Eine ähnliche Unterscheidung ist die zwischen kalter und heißer (reiner) A.: kalte A. wird instrumenten verstanden. Das Individuum hat erfahren, dass aggressives Verhalten in bestimmten Situationen zu positiven Konsequenzen führt und wird dieses Verhalten auch weiterhin im Dienste der Zielerreichung einsetzen. Solche Verhaltensmuster entsprechen dem Typ des -*geplanten Verhaltens, etwa auch im Sinne einer WertErwartungs-Theorie. Heiße A. ist intrinsisch bedingt: Das Individuum erfahrt Befriedigung durch den aggressiven Akt selbst.
( 2 ) ZILLMANN
(3)A.: erlernt oder angeboren? Die -> Ethologie (hier insbesondere K. LORENZ) sowie die
Psychoanalyse
behaupten einen angeborenen Aggressionstrieb, während Sozialpsychologen
(z.B.
BERKOWITZ, SELG
oder BANDURA) betonen, dass A. durch Lernprozesse erworben wird. 11
Aggressionstheorien
Hier ist ein vermittelnder Standpunkt nötig: Zum einen steht (insbesondere durch zahlreiche Experimente von BANDURA) fest, dass aggressive Handlungen zumindest zu einem wesentlichen Anteil und vor allem in ihrer konkreten Ausrichtung durch vorausgegangene Lernprozesse inszeniert werden. Andererseits kann nicht geleugnet werden, dass auch angeborene Dispositionen an der Entstehung von Aggressionspotential beteiligt sind (Nachweisbar ist z.B., dass das Injizieren männlichen Geschlechtshormons die Aggressionsbereitschaft steigert). Zudem dürfte eine Neigung zu aggressivem Handeln (insbesondere bei Männern) in der genetischen Struktur verankert sein, da aggressives Verhalten im Evolutionsprozess Selektionsvorteile erwirkt hat. (4) Sozialer Kontext der A.: Insbesondere BANDURA und KORNADT haben darauf hingewiesen, dass A. sich lediglich in einem spezifischen Zuschreibungs- und Bewertungskontext erfassen lässt. Dies betrifft unterschiedliche Verarbeitungsmuster und auch kulturspezifische Attributionsprozesse. Die für den Westen typische Verknüpfimg: Frustration Attribution Aggression -* Ärger sei in asiatischen Kulturen durch andere Sequenzen repräsentiert. Lit.:
Aggressionstheorien
Aggressionstheorien Die folgenden A. stehen im Mittelpunkt: (1) Die —• Frustrations-AggressionsHypothese (DOLLARD et al.) behauptet (in ihrer ursprünglichen Fas12
Aggressionstheorien
sung), dass auf Frustrationen stets Aggression folge, und dass diese stets das Resultat von Frustrationen seien. Frustration wird demnach als universeller Mechanismus der Aggressionsgenese angesehen. Frustration fuhrt jedoch keineswegs immer zu aggressiven Handlungen. Non-aggressive responses sind z.B. Resignation, Hilflosigkeit oder Rückzug. Auch lässt sich zeigen, dass jenseits frustrierender Ereignisse andere Stimuli A. auslösen können (z.B. Ärger, Hass, persönlicher Angriff). (2) Ein verwandtes Konzept zur Frustration ist das der relativen sozialen -* Deprivation, das enge Bezüge zur distributiven (Un-)gerechtigkeit bzw. Fairness-Einschätzungen aufweist (-»• Gerechtigkeit). Konstituierend sind hier Diskrepanzen zwischen den Erwartungen und dem tatsächlich Erreichten. RUNCIMAN unterscheidet zwischen egoistischer und fraternalistischer Deprivation, die eine soziale Gruppe oder Kategorie betrifft. Insbesondere fraternalistische Deprivation bildet dann die Grundlage kollektiver Ärgerreaktionen, die in aggressive Handlungen münden. (3) Theorie aversiver Ereignisse: BERKOWITZ legt eine kognitiv-neo-assoziationistische Theorie vor, die Frustration als Spezialfall aversiver Ereignisse auffasst, die ihrerseits Ärger und Aggression auslösen. Die Theorie betont ferner das Vorliegen von Fluchthemmungen und Aggressionshemmungen sowie geeigneter Aggressionsziele. Ferner spielen aggressionsfördernde -»• Attributionen (z.B. unterstellte Absichten, Rechtfertigungsstrategien) sowie soziale
Aggressionstheorien
Aggressionstheorien
Unterstützung (z.B. Animation durch ein Publikum) und die Aktivierung sozialer Normen eine entscheidende Rolle. Wie auch bei BANDURA, konzentriert sich die Forschung hierbei auf aggressionsfördernde situative Bedingungen. (4) Theorie
des
Modell-Lernens:
BANDURA betont die wichtige Rolle
des Modell-Lernens für aggressive Akte. (-»Exp. 1) Die Bedingungen des Modell-Lernens müssen erfüllt sein. Auch für BANDURA ist Ärger eine von mehreren Komponenten allgemeiner Erregung, die nur dann aggressionssteigernd wirkt, wenn unter den vorliegenden situativen Bedingungen Aggression die dominante Reaktionsform ist und wenn die antizipierten Folgen per Saldo günstiger sind als non-aggressive Verhaltensoptionen. Die Theorie des ModellLernens kann beispielsweise genauere Aussagen darüber machen, unter welchen Bedingungen das Zeigen von —> Gewalt im Fernsehen zur Nachahmung führt. (5) Katharsis-Hypothese: Nach dieser Vorstellung wird das „ A u s l e b e n " der Aggression die Tendenz zu aggressivem Verhalten bei späteren Gelegenheiten verringern. Ein solches Dampfkessel-Modell wird auch durch triebdynamische Vorstellungen nahegelegt: die Triebreduktion unterdrücke (zumindest kurzzeitig) die Aggressionsbereitschaft. Diese These hat insbesondere auch in der Kommunikationsforschung Beachtung gefunden: das Zeigen von Gewalt (z.B. im Fernsehen) habe danach eine gewaltmindernde Wirkung. Eine Würdigung der diesbezüglichen Forschung zeigt, dass die
weitaus meisten empirischen Befunde die Katharsis-Hypothese nicht stützen. Sie wäre im übrigen auch im Widerspruch zu zentralen lerntheoretischen Annahmen. Werden nämlich die „ausgelebten" Aggressionen verstärkt, dann dürfte die aggressive Tendenz eher ansteigen. Zumindest gilt dies für die Verhaltensebene, während ein Katharsis-Effekt im rein emotionalen Bereich nicht auszuschließen ist. (6) Die duale A. von ZLLLMANN: Nach diesem Konzept tritt die Erregungskomponente in Wechselwirkung mit kognitiver Kontrolle. Zunächst wird das Individuum eine gewisse impulsive Aggression aufgrund gelernter Reaktionen zulassen; danach verstärken sich mit weiterer Erregung Aspekte kognitiver Vermittlung. Erst bei noch weiter wachsender Erregung dominiert impulsive, nunmehr nicht mehr kontrollierbare Aggression. Bestimmte Attributionsprozesse (z.B. die Beachtung der Intention des vermeintlichen Aggressors) setzt einen kognitiven Verarbeitungsprozess voraus, der nach diesem Modell nur im mittleren Erregungsbereich vonstatten gehen kann. Das Modell steht damit auch in Übereinstimmung mit gewissen Annahmen der Aktivationstheorie (-* Aktivation, physiologische), wonach die Informationsverarbeitung bei mittlerem Erregungsniveau optimal ist. (7) Intergruppen-Aggression: Interessenkonflikte zwischen Gruppen aktivieren häufig ein Konfliktschema, das an tatsächlicher oder vermeintlicher Ungerechtigkeit anknüpft und über Frustration/Deprivation zu ag13
Aggressionstrieb
Aggressionstheorien
gressiven Konflikten fuhren kann. Auch ohne Interessenkonflikt-Situation kann bereits über Prozesse sozialer -> Identität eine feindselige Einstellung gegenüber Fremdgruppen entstehen, samt den damit verbundenen Prozessen verzerrter Wahrnehmung, Attribution und Vorurteilsbildung (—• Vorurteil, soziales). In den Sog aggressiver Strömungen geraten besonders häufig ethnische Gruppen. Im Zusammenhang mit entsprechenden Gruppenprozessen (-» De-Individuation —• Gruppendenken und -* Risikoschub) gehen kalte (instrumenteile) und heiße Aggression eine Allianz ein und werden durch Zustimmungsprozesse in der Eigengruppe auch noch sozial abgestützt und durch entsprechende Rechtfertigungsformeln legitimiert.
(etwa die Sündenbock-Ideologie) einen fruchtbaren Nährboden für die Abwertung und Ausgrenzung der Opfer (-> Intergruppen-Konflila) mit der Folge des „moral disengagements": Verschiebimg dessen, was ihnen gegenüber als moralisch angemessen gilt. Dieser Ansatz betont auch den sequenziellen Verlauf eskalierender Gewalt, nachdem erst einmal der Anfang gemacht ist. Die Verschiebung der Hemmschwellen wird auch durch passive Zuschauer gefördert; das Ausbleiben von Sanktionen wird dann i.S. impliziter Billigung interpretiert. Lit.: BANDURA, A . (1973). Aggression: A so-
cial learning analysis. Englewood Cliffs/N.J. BANDURA, A . & WALTERS, R.H. (1959).
Adolescents aggression. New York. BERKOWITZ,
L.
(1989).
Frustration-aggression
hypothesis: Examination and reformulation:
(8) Theorien
kollektiver -* Gewalf. FELSON thematisieren die Ausübung von sozialem Druck, Zwang und Gewalt. Die Komponenten des Modells sind erfahrungs- und situationsspezifische Kosten-NutzenAbwägungen (Subvariablen: Verhaltensrepertoire, Wert des angestrebten Ziels, Erwartung der Zielerreichung) sowie Motivausprägungen (soziale Kontrolle, Sichern von Gerechtigkeit, positive Selbstdarstellung). Bemerkenswert ist, dass Pn mit hohem Selbstwertgefühl aggressiver sind, weil hier eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dieses als bedroht zu empfinden. TEDESCHI &
Extreme Formen kollektiver Gewalt (z.B. Genozid, Massenmord) untersucht STAUB. Neben bestimmten Ausgangsbedingungen (z.B. schwierige Lebensbedingungen, politische Instabilität) bilden -* Ideologien 14
Psychological Bulletin, 106, 59-73. KORNADT, HJT. (1982). Grundzüge einer
Motivationstheorie der Aggression. In: like, R. & Empf, W. (Hg.) Aggression. Bern u.a. 86-111. KRAHÉ, B. (2001). The social psy-
chology of aggression. Philadelphia. MUMMENDEY, A. & OTTEN, S. ( 4 2002). Aggres-
sives Verhalten. In: Stroebe, W. et al. (Hg.) Sozialpsychologie. Eine Einführung. Berlin u.a. 353-380. SELG, H . (Hg.) (1991). Zur
Aggression verdammt. Stuttgart. ZILLMANN, R.C.
(1979).
Hostility
and
aggression.
Hillsdale/N.J.
Aggressionstrieb Die Vorstellung, dass aggressives Handeln und Denken auf einem angeborenen Trieb beruht. Nach FREUDS dualer Trieblehre ist der A. Ausdruck des Destruktions- bzw. Todestriebes. In der Ethologie (z.B. K O N R A D L O RENZ) wird der A. als evolutionsdienlich angesehen. Experimente mit Affen (z.B. Injizieren männlichen Geschlechtshormons) lassen in der Tat
Akkommodation
auf eine genetische Grundlage des A. schließen. Nichtsdestoweniger liegen aus der SP zahlreiche Experimente vor, welche die wichtige Bedeutung von Lernprozessen vor allem für die Zielgruppenkomponente des Aggressionsmotivs unterstreichen (-» Aggression Aggressionstheorien). Akkommodation ( I ) A . bedeutet bei PIAGET, dass (im Gegensatz zur -* Assimilation) ein Schema im Wahrnehmungsprozess so verändert wird, dass es der Information angemessen ist oder nicht zu anderen Schemata in Widerspruch gerät. (II) A. bedeutet in der Interaktionstheorie von THIBAUT & KELLEY die Anpassung des eigenen Verhaltens an das des Interaktionspartners, insbesondere mit dem Ziel der (gemeinsamen) Optimierung von Interaktionsergebnissen (-»Austauschtheorie). (III) A. bedeutet bei RUSBULT et al. den besonderen Fall, dass innerhalb von Interaktionen destruktive Aktionen des Partners konstruktive Reaktionen wahrscheinlich machen. Dies gilt insbesondere bei hoher -»Bindung in sozialen -* Beziehungen (-*• Investmentmodelt). Durch die A. kann ein Eskalationsprozess (-» Konflikt, sozialer) verhindert werden. Akkulturation A. bezeichnet den Wandel der Kultur (oder einiger Elemente dieser Kultur) aufgrund nachhaltigen Kontakts zwischen kulturell verschiedenen Gruppierungen. Die A. ist zu unterscheiden von der Enkulturation, die den Prozess beschreibt, durch den Individuen
Aktivation (physiologische)
in eine bestimmte Kultur „hineinwachsen". Akquisitionsphase In der Theorie des Modell-Lernens (BANDURA) die eigentliche Lernphase, bestehend aus Aufmerksamkeitslenkung, Speicherung und Erinnerung. Der A. nachgelagert ist die Ausführungs- oder Motivationsphase, in der latente Lerninhalte in manifestes Verhalten umgesetzt werden und in der neben den Verstärker-Ereignissen -* Effizienz-Erwartungen und -> Konsequenz-Erwartungen eine auslösende Rolle spielen. Aktionsforschung In der A. geht es um die Aufhebung der Trennimg zwischen Forschung und Praxis: vorwiegend im Bereich der Praxis (z.B. bei der Implementation von Neuerungen in Organisationen) solle geforscht werden; der Forscher habe gleichzeitig Forscher und Veränderer zu sein. Nach LEWIN ist die A. gleichzeitig mit einer Erfolgskontrolle bezüglich der Verhaltensund Einstellungsänderungen verbunden. Für die Grundlagenforschung ist diese Vorgehensweise dennoch nur begrenzt tauglich, denn der hier angestrebte Zugewinn an Praxisnähe und Handlungsrelevanz wird erkauft durch die Eintrübung der kritischen Distanz, die eben erst Intersubjektivität gewährleistet. Aktivation (physiologische) Energetische Komponente des Motivationsgeschehens. Dabei geht man üblicherweise von der (problematischen) Vorstellung aus, dass es einen allgemeinen, weitgehend unspezifischen Mobilisations- bzw. Erregungs15
Aktivation (physiologische)
Aktivierung (von Gedächtnisinhalten)
grad des Organismus gibt. Die Stärke der A. ist einmal abhängig von der Reizintensität und der (dechiffrierten) Reizqualität sowie den bisherigen Erfahrungen des Individuums mit diesen oder ähnlichen Reizen.
(in einer mittleren Ausprägung) den Nährboden für effiziente -» Informationsverarbeitung.
Die entsprechenden physiologischen Prozesse werden bei HEBB & BERLYNE genauer diskutiert. BERLYNE
untersucht die Auswirkung bestimmter situativer Anregungspotentiale auf das Aktivationsniveau. -* Kollative Variablen (Neuheit, Ungewissheit, Komplexität, ÜberraschungsefFekt) resultieren aus einem Vergleichsprozess, der zu mehr oder weniger großen Inkongruenzen mit dem Vertrauten, Bewährten oder Erwarteten fuhren kann. BERLYNE und HUNT postulieren ein Motiv
der Erregungsoptimierung: Individuen vermeiden extrem hohe und extrem niedrige Erregungszustände. Im Hinblick auf die Auswirkung der A. wird eine umgekehrt u-förmige Beziehung zwischen Erregungsgrad und positiver Auswirkung angenommen. Die Auswirkungen beziehen sich (a) auf allgemeine Empfindungen: mittlere A. verschafft die positivsten Empfindungen; (b) auf das Leistungsverhalten: bei zunehmender Aktivierungsstärke steigt zunächst das Leistungsniveau; die Tendenz, Reize aus der Umwelt aufzunehmen (Sensibilisierung), ist bei mittlerem Erregungsniveau gleichfalls am höchsten; (c) auf die Lenkung der Aufmerksamkeit, (d) auf die Bereitschaft und die Fähigkeit, Informationen effizient zu verarbeiten. A. schafft demnach 16
Die Aktivierungs-Forschung konvergiert hier mit einer Reihe weiterer Konzepte, z.B. der Stress-Forschung (~+Stress), die gleichfalls von einem optimalen Pegel der Belastung ausgeht. Eine ähnliche Aussage enthält bereits die YERKES-DODSON-Kurve, die einen umgekehrt u-formigen Verlauf zwischen Motivationsstärke und Leistungseffizienz postuliert. Als intervenierende Größen funktionieren Person-Merkmale (z.B. -*Belastbarkeit, Kontrollüberzeugung) und Aufgabenmerkmale (z.B. simplexe vs. komplexe Aufgaben). ATKINSON differenziert, dass bei einfachen, routinemäßigen Aufgaben steigende A. relativ unschädlich ist. Bei hochkomplexen Aufgaben jedoch, deren Lösimg einen entspannten, nicht erregten und nicht übermotivierten Zustand voraussetzt, ist eine Linksverschiebung der YERKES-DODSON-Kurve zu erwarten.
Kreativität ist demnach eher im Bereich geringer Aktivationsstärke zu erwarten. Ein hohes Maß an Aktivierung senkt im übrigen auch die Effizienz-Erwartungen.
Aktivierung (von Gedächtnisinhalten) Abzugrenzen von -> Aktivation im Sinne physiologischer Erregung. In der SP sind relevant: (I)A. von -> Einstellungen: Einstellungen sind umso zugänglicher (-> Zugänglichkeit), je häufiger sie aktiviert worden sind (et vice versa). Zu unterscheiden ist dabei zwischen spontaner (automatischer) und kontrollierter
Aktivierung, soziale
Akzeptanz
(durch Nachdenken bewirkter) A. Je stärker die A., desto ausgeprägter wird auch die Verhaltensrelevanz der Einstellung sein. Manchmal werden Einstellungen allerdings erst durch A. in der Befragungssituation geschaffen, also Pseudo-Einstellungen gemessen. (II) A. von —• Schemata: Unter besonderen Anregungsbedingungen werden Schemata abgerufen (soweit diese verfugbar sind). Auch -»• Vorurteile können auf diese Weise aktiviert werden. Ein aktiviertes Schema hat selektive Wirkungen auf Wahrnehmungsreize. Zur Interpretation neuer Informationen werden mit höherer Wahrscheinlichkeit solche Schemata herangezogen, die in jüngster Zeit häufiger aktiviert worden sind. (III) A. von sozialen -> Normen (-»Norm-Aktivierung), d.h. bei Vorliegen bestimmter Bedingungen werden internalisierte Normen angeregt (z.B. Verpflichtung, einer verunglückten Person zu helfen, wenn sonst niemand in Reichweite ist). (IV) A. von Rollen: z.B. der Lehrerrolle (wenn es etwas zu erklären gilt), Mutterrolle (wenn ein Kind weint). Aktivierung, soziale rung, soziale
Erleichte-
Akzentuierung (I) Als Wahrnehmungs-A. wird die Überbetonung oder besondere Hervorhebung eines Objektes (oder Objektmerkmals) auf Kosten anderer Objekte/Merkmale verstanden. So wird etwa die Größe eines wertvollen Objektes (z.B. Münze) im Vergleich zu einem wertneutralen, ansonsten identischen Objekt im Wahrnehmungsurteil über-
schätzt. In sog. Münzschätzversuchen (~*Exp. 6 und Exp. 7) überschätzten Kinder aus mittellosen Familien die Münzgrößen stärker als Kinder aus wohlhabenden Familien. (II) In der Theorie stereotyper Systeme (-»Stereotyp) von TAJFEL wird als Folge der Kategorisierung gesehen, dass dies zu einem Anwachsen der Differenzen zwischen den Klassen und zu einer Abnahme der Differenzen innerhalb der Klassen fuhrt (-• Exp. 6). (III) In der Theorie der sozialen —> Identität bedeutet A., dass die Unterschiede in der In-Group eingeebnet werden, während die Unterschiede zur Out-Group überschätzt werden. Dies heißt auch, dass -»Ähnlichkeiten innerhalb der Eigengruppe überakzentuiert sind, während Ähnlichkeiten zur Fremdgruppe eher als Strafreiz gelten und daher eingeebnet werden. Akzeptanz (I)Für FESTINGER ist acceptance der Gegenbegriff zu compliance', Ersteres bedeutet „innere Konformität", d.h. die Übernahme eines Standpunktes aus innerer Überzeugung. (II) I.R. der Erforschimg von -*Innovation und —>• Diffusion bedeutet Akzeptanz die Wahrscheinlichkeit, dass eine Neuerung (z.B. eine technische Innovation, eine Mode oder ein Produkt) vom Publikum positiv bewertet und angenommen wird. Als wichtigste Bedingungen der A. diskutiert ROGERS: relative Vorteilhaftigkeit, gute Beobachtbarkeit, einfache Mitteilbarkeit, hohe Kompatibilität (z.B. mit Einstellungen, Normen oder Wertvorstellungen) und geringe Kom17
Alkoholismus
Altern
plexität. Insbesondere in Organisationen dürfte die A. von Innovationen zusätzlich von der Art und Weise der Planung und Implementierung abhängen. So wird etwa die Mitwirkung (-» Partizipation) die Akzeptanzbereitschaft erhöhen. Im betrieblichen Bereich werden Innovationen gelegentlich zwangsweise durchgesetzt, auch gegen den Widerstand der Betroffenen. Deren Reaktion wiederum hängt vom wahrgenommenen Konfliktgehalt (z.B. Befürchtungen um denen eigenen Arbeitsplatz) im Hinblick auf perzipierte und antizipierte Konsequenzen ab. (III) LR. des -* Assimilations-Kontrast-Effektes die Zone solcher Standpunkte, die der Rezipient als relativ einheitlich akzeptabel findet. Alkoholismus
Suchtverhalten
ALLAIS-Paradox Eine der -» Anomalien: Sichere Ergebnisse werden stärker gewichtet als unsichere Ergebnisse, die den gleichen (oder gar höheren) Erwartungsnutzen haben (-> Wert-Erwartungs-Theorien). KAHNEMANN & TVERSKY nennen dies „certainty effect". Allmende-Dilemma -* Dilemma, soziales Alltagstheorie tive Alter
Theorie, subjek-
Altern
(I) A. im Sinne von Lebensalter: Viele sp Befunde werden mit der Variablen Alter korreliert. Meistens sind jedoch Hintergrundvariablen erklärungsrelevanter (z.B. Reifegrad, Risikoneigung). Vielfach wird die Altersvari18
able durch das Konstrukt Lebenszyklus ersetzt (-* Lebensablauf). Darin wird ein idealtypischer Verlauf von Rollensukzessionen im Verlauf des Lebens gesehen. Angesichts der Singularisierungstendenzen sowie gebrochener Biografien hat dieses Konzept allerdings seine Erklärungskraft weitgehend eingebüßt. (II) A. im Sinne von Altersstadium: Damit beschäftigt sich die sog. Psycho-Gerontologie. Die zentralen Konzepte waren lange Zeit durch Vorstellungen einer Defizit- und Disengagement-Situation geprägt. Insbesondere auch im Hinblick auf das Leistungsverhalten älterer Menschen mussten zahlreiche Differenzierungen vorgenommen werden. Als besonders kritisches Ereignis (Rollenbruch) gilt die Pensionierung bzw. der Berufsabbruch, der eine neue Rollensituation entstehen lässt, in der Anpassungsprobleme entstehen. Frühzeitige Pensionierung, Freizeitorientierung, längeres Lebensalter sowie medizinische Fortschritte haben allerdings dazu geführt, dass viele Ältere mit ihrem Altsein keine Defizitsituation verbinden (sog. „neue Alte"). Altercasting-Technik Technik, mit deren Hilfe eine P in eine Rolle gedrängt wird, die von ihr fordert, sich auf eine Weise zu verhalten, die für den Manipulator günstig ist. Ganz allgemein wird der Ausdruck auch für alle Gelegenheiten gebraucht, in denen für andere Pn normative Zwänge geschaffen werden. Altern A. ist ein Prozess, der die gesamte Lebensspanne umfasst (vgl. SCHULZ &
Altruismus
Altern
sowie BALTES & SMITH). Wichtige Aspekte dieses Prozesses werden im Rahmen der Sozialisationsforschung behandelt, insbesondere wenn es um Erwachsenensozialisation geht (-> Entwicklungspsychologie -*Sozialisation). Diese Vorgänge können unter verschiedenen Perspektiven gesehen werden: als Reifung, als differenzielle Leistungsfähigkeit, als veränderte Lebensweisen oder als Rollensukzessionen im -* Lebensablauf. Für die Leistungsfähigkeit wird häufig ein umgekehrt u-formiger Verlauf gesehen, der allerdings gestaffelt in Erscheinung treten dürfte (am stärksten rückläufig z.B. bei physischen Leistungen). Die objektive Leistungssituation wird häufig überschattet durch attribuierte Leistungsfähigkeit, wobei die diesbezüglichen Einschätzungen meist auf bestimmten Altersstereotypen beruhen (—• Stereotyp). So wird z.B. bereits den 40-jährigen gelegentlich der effiziente Umgang mit Computern abgesprochen. Auch sind Pn jenseits der 50 in stärkerem Maße von Frühpensionierung, Arbeitslosigkeit und Schwervermittelbarkeit bedroht. Diese strukturellen Defizite werden verstärkt durch einen nach wie vor wirksamen Jugend-Kult, der durch die Medien, insbesondere auch durch die Werbung inszeniert wird. GEWEN
Aus sp Sicht ist das Alter durch die folgenden Prozesse charakterisiert: (a) Abnahme der kognizierten -*Kontrolle, d.h. mit zunehmendem Alter nimmt die Einschätzung der Selbstwirksamkeit in einigen Bereichen ab (Physis), in anderen Bereichen vorübergehend zu; (b) Nach RODIN et al. Übergang von primärer zu sekundärer Kontrolle
(-> Kontrolle, primäre/sekundäre), d.h. bei nachlassender Effizienz versucht P, das Beste aus der Situation zu machen oder andere Pn für sich zu instrumentalisieren. Die Wahrnehmimg sekundärer Kontrolle stellt eine Art Arrangement des Individuums mit der (primär) unkontrollierbaren Situation dar, um das negative Gefühl fehlender Kontrolle zu vermeiden; (c) Entwicklung domänenspezifischer Selbstwirksamkeit, indem man sich Inseln der Effizienz erhält. Nach BALTES & BALTES versuchen (alternde) Individuen, auf neue Herausforderungen durch kompensatorische Strategien zu antworten und sich auf diejenigen Bereiche zurückzuziehen, die sie beherrschen; (d) Nach ALBERT finden mit zunehmendem Alter weniger soziale Vergleichsprozesse statt, sondern eher temporale -»• Vergleichsprozesse, d.h. man vergleicht sich mit früheren Lebensphasen. Damit solche Vergleiche nicht ständig frustrierend ausfallen, werden sie durch selektive Wahrnehmung im Licht selbstwertdienlicher Kognitionen durchgeführt.
Altruismus Teilklasse prosozialen Verhaltens. Als altruistisch werden solche Verhaltensweisen bezeichnet, die vor allem dem Interaktionspartner nützen. In der Notation von M. DEUTSCH: Betrachtet A seine eigenen Erträge als a, die Erträge des B als b, so gilt für altruistisches Verhalten max. b (oder max. b minus a), während bei -> Aggression das Resultat min. b angestrebt wird. Gelegentlich wird ein eigenständiges 19
Ambiguität
Altruismus
A.-Motiv unterstellt. Häufig kann allerdings gezeigt werden, dass -> prosoziales Verhalten (auch: —> Hilfeverhalten) extrinsisch motiviert ist, z.B. durch den Beifall Dritter, durch Erwartung einer Gegenleistung oder durch Dankesbezeugungen. Viele Sozialwissenschaftler (z.B. HOMANS) sehen daher in altruistischem Handeln lediglich verkappte Formen des Egoismus. In der Tat waren Theorien und Konzepte (vor allem aus der Ökonomie und der Psychologie) erfolgreicher mit der axiomatischen Annahme eines Eigennutz-Motivs. Allerdings zeigen Befunde aus der Soziobiologie, dass ein egoistisches Verhalten lediglich auf der Ebene der Gene konstitutiv ist, während Individuen zumindest zeitweise uneigennützig (altruistisch) handeln können, sofern dies der Weitergabe der Gene dient. TRIVERS weist überdies daraufhin, dass - jenseits des A. zwischen Verwandten - auf Grund von Reziprozitätsnormen A. auftritt, wenn es dem Prinzip der Gegenseitigkeit folgt und die Kosten für den Gebenden niedriger sind als der Nutzen für den Hilfeempfanger. In der SP werden diese grundsätzlichen Erörterungen über den „wahren" Hintergrund altruistischen Verhaltens meist nicht weiter verfolgt. Unabhängig von der eher philosophischen Frage, ob durch altruistisches Handeln utilitaristische oder hedonistische Ausgangsannahmen sozialwissenschaftlicher Forschung durchbrochen werden, konzentriert man sich in der A.-Forschung vorwiegend auf Situationen, in denen eine verstärkte Neigung zu altruistischem Verhalten besteht. Wichtige Eingangsgrößen sind dabei vor al20
lem: starke soziale —• Normen (—• Norm-Aktivierung), die altruistisches Verhalten nahe legen, z.B. Normen der Verantwortung und der Nächstenliebe (-»Hilfeverhalten). Lit.: -» Hilfeverhalten
Altruistische Persönlichkeit Situationsübergreifende Persönlichkeitsdisposition, um das Wohl anderer Menschen besorgt zu sein. Die A. stellt die dispositionale Komponente des altruistischen Handelns (-> Hilfeverhalten —• prosoziales Verhalten) dar. Allerdings ist altruistisches Verhalten häufig eingeschränkt auf wenige und bestimmte Interaktionspartner, zu denen man enge, v.a. auch verwandtschaftliche Beziehungen hat. Nach PENNER & FINKELSTEIN sind die zentralen Komponenten der A.: (a) Befolgung der Norm sozialer -* Verantwortung; (b) Hohes Maß an -»Empathie und Mitgefühl; (c) Starke Kontrollüberzeugungen bei gleichzeitig geringem -*• Machiavellismus.
Altruistische Transformation In der
Austauschtheorie von KELBezeichnung für den Sachverhalt, dass ein Interaktionspartner davon profitiert, dass er Gutes für den Anderen tut. Die Gewinne des Interaktionspartners werden daher auf dem Wege der A. auch zu eigenen Interaktionsgewinnen. LEY & THIBAUT
Ambiguität Mehrdeutigkeit eines Sachverhalts (Stimulus A.), in der SP vor allem —• Rollenambiguität sowie Normambiguität A. kann für eine P einen aversi-
Ambiguitätstoleranz
ven Reiz darstellen (z.B. bedrückende Unsicherheit), für eine andere P jedoch Möglichkeiten zur Selbstgestaltung.
Ambiguitätstoleranz Die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit und Unsicherheit ertragen zu können. Sie wird u.a. als Einstellungsvariable sowie als Persönlichkeitsmerkmal angesehen. Angesichts wechselnder Bezugssysteme sowie multioptionaler Wertsysteme bildet die A. eine besondere Herausforderung in unserer Gegenwartsgesellschaft.
Ambivalenz Gleichzeitiges Bestehen entgegengesetzter Gefühle (z.B. sexuelle Anziehung und Ekel), so dass konfliktäre Verhaltenstendenzen entstehen (-»Appetenz-Aversions-Konflikt). In der Methodik stellt A. häufig ein Skalenproblem dar, weil Ambivalenz und Indifferenz im Rahmen der „flachen" Skalentechnik nicht immer getrennt werden können.
Androgynie Bezeichnet die Vorstellung, dass die prototypisch männlichen und weiblichen Charakteristika unabhängig voneinander geändert werden können (-» Geschlechtsrollen). Ein Zugewinn an Eigenschaften des jeweils anderen Geschlechts müsse nicht zwangsläufig mit einem Verlust der Merkmale des eigenen Geschlechts einhergehen.
Androzentrismus Bezeichnet die Tendenz, das gesamte Leben einseitig aus männlicher Perspektive zu sehen. Dies betrifft sowohl die Formen des Erlebens wie auch die vorherrschenden Interessen (was als
Angst/Ängstlichkeit
wichtig, was als unwichtig angesehen wird). Der Vorwurf des A. richtet sich auch gegen die Struktur der Wissenschaften und deren Theorien und Methoden, die ein vorwiegend männliches Weltverständnis reflektieren.
Anforderungsanalyse Methode der Tätigkeitsanalyse zur Ermittlung von Anforderungen hinsichtlich Qualifikation, Handlungskompetenz etc., die für die jeweilige Aufgabe funktional sind. Das hierbei entstehende Anforderungsprofil wird mit dem Eignungsprofil von Bewerbern verglichen und dient als Grundlage für die Personalauswahl (-> Eignungsdiagnostik).
Angewandte Sozialpsychologie ->• Sozialpsychologie,
angewandte
Angst/Ängstlichkeit (1) Allgemein: mit Erregung und Verzweiflung verbundenes Gefühl. A. gilt als eine der ursprünglichen Triebkräfte und dürfte (evolutionstheoretisch) als Gefahrenschutz-Instinkt entwickelt worden sein. A. ist von -> Furcht abzugrenzen; letztere wird meist als objektspezifisch angesehen (Furcht vor...). A. ist hingegen weitgehend unspezifisch (allerdings dürften unterschiedliche Grade der Spezifität vorliegen, was die Unterscheidung unscharf macht). Die psychologische Behandlung der A. ist durch einen bereichsspezifischen Zugang charakterisiert. Die jeweiligen Perspektiven lassen sich gliedern in allgemeinpsychologischexperimentelle, klinisch-psychologische sowie differentialpsychologisch-persönlichkeitstheoretische 21
Angst/Ängstlichkeit
Theorien. Letztere Theoriegruppe konzentriert sich auf „Ängstlichkeit" als Eigenschaft in mehreren bzw. vielen Verhaltensbereichen. (2) Soziale A.: Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird häufig zwischen härm anxiety und shame anxiety unterschieden. Erstere bezieht sich auf eine physische Bedrohung oder Verletzung, die letztere eher auf soziale Abwertung und Selbstwertbedrohung, Situationen der Scham, Angst vor Ausgrenzung, Blamage, Gesichtsverlust etc. Buss unterscheidet vier Formen sozialer A.: Verlegenheit, Schamgefühl, Schüchternheit und Publikumsangst. Zur sozialen A. wird auch die sog. Leistungs-A. gerechnet, die insbesondere im Zusammenhang mit Leistungsanforderungen auftritt und häufig mit herausfordernden Situationen (Prüfungs-A., Vorstellungs-A.) verbunden ist. Diese A. ist ausgeprägt bei selbstwertrelevanten Aufgaben (A., zu versagen). Bei Misserfolgsmeidern (—• Leistungsmotivation) dürfte ein mittleres Erfolgsrisiko die größte A. generieren. (3) Ängstlichkeit: A. in sozialen Situationen wird von einigen Psychologen als —> Persönlichkeitsmerkmal angesehen. Konsequenzen bestehen z.B. bei der Aufgabenwahl (niedrige Risiken), im Hinblick auf die Dominanz des Sicherheitsmotivs sowie in einer stärkeren Neigung zur -» Affiliation. Ängstlichkeit in sozialen Situationen wird häufig durch die „social anxiety scale" (DIXON et al. sowie LÜCK) gemessen, wobei den Probanden Fra22
Anker-Effekt
gen vorgelegt werden, die Verhalten und Gefühle in sozialen Situationen beschreiben (Bsp. Item: Oft muss ich mich überwinden, um jemanden um Auskunft zu fragen). Ankerbildung -*Anker-Effekt —> Anker-Heuristik Individuen versuchen, Ereignisse oder Sachverhalte an bestimmten Ankerwerten zu validieren. Manchmal ist der Anker vorgegeben oder nahe liegend; bisweilen muss er jedoch erst gesucht oder konstruiert werden. So besteht z.B. ein Ankerpreisbereich von „zu teuer" bis „zu billig" aufgrund bisheriger Preiserfahrung. Mitunter erfolgt die A. jedoch ad hoc (z.B. durch ein Preisangebot für ein Gemälde oder ein Haus), die dann zusätzlicher Validierung bedarf (z.B. Schätzung durch einen Experten). Anker-Effekt (-» Anker-Heuristik -*Ankerbildung) (I) Urteilsphänomen, das bei der Einschätzung physikalischer Größen wie Gewicht, Länge, Temperatur von Objekten auftritt (-> Adaptation). Hierbei kommt es zu einem Kontrast-Effekt, d.h. der Testreiz wird z.B. bei einem schweren Ankerreiz als leichter beurteilt als bei einem leichten Ankerreiz. (II) Nach TVERSKY & KAHNEMAN eine Urteilsverzerrung (auch: Anchoring oder Anker-Assimilation), die im Gegensatz zu (I) auf eine Assimilation des absoluten Urteils an den Anker abstellt. Die Vpn schätzen numerische Größen ein, indem sie von einem Ausgangswert (Anker) ausgehen, den sie im weiteren Verlauf des Urteilsprozesses nur zögerlich und unzureichend verändern. Werden bestimmte Anker-
Anker-Heuristik
reize vorgegeben, so wird sich die Urteilsbildung daran ausrichten (~>Anker-Heuristik). Die übliche Untersuchungsanordnung sieht folgendes vor: Die Anker-Information wird als vorgeschaltete Vergleichsfrage dargeboten („Ist der wahre Wert des Urteilsobjekts größer oder kleiner als X ?" Am Beispiel: „Ist der durchschnittliche Preis eines Autos mehr oder weniger als € 20.000,-- ?"). Das „selective accessibility model" (SAM) erklärt den A. anhand zweier kognitiver Prozesse; selektives Hypothesen-Testen (Suche nach Bestätigung des Ankers) sowie semantisches oder numerisches Priming (Zugriff auf Informationen mit hoher -* Zugänglichkeit). Der A. dient als Erklärungsgrundlage für eine Reihe von Urteilsfehlern, z.B. dem -* Hindsight bias oder —• Overconfidence.
Anker-Heuristik Eine der - neben der Verfiigbarkeits-Heuristik und der Repräsentativitäts-Heuristik meist diskutierten —• Heuristiken. Sie beruht auf dem Anker-Effekt, der aus der heuristischen Perspektive als Entscheidungshilfe genutzt wird. Auch hier gilt, dass ein anfanglich geschätzter Wahrscheinlichkeits- oder Häufigkeitswert im Laufe des Urteilsprozesses nur unzulänglich korrigiert wird, so dass das Urteil am Gravitationszentrum des Ankers haften bleibt. Bsp.: Im spontanen Urteil wird das Ergebnis des Produkts 1x2x3x4x5x6x7x8 niedriger eingeschätzt als das Produkt aus 8x7x6x5x4x3x2x1 (-> Primacy-Effekt). Bsp.: Probanden werden gebeten, Einschätzungen
Anlage vs. Umwelt
künftiger Börsenkurse vorzunehmen, wobei bestimmte DAX-Werte vorgegeben werden, an denen sich das Urteil ausrichtet. Für Verkaufsüberlegungen aller Art dürfte der (seinerzeit bezahlte) Einstandspreis einen wichtigen Anker bilden, der das Ausmaß des möglichen Gewinns/Verlustes signalisiert.
Anlage vs. Umwelt Die Frage nach der relativen Bedeutsamkeit von Anlagefaktoren (Erbfaktoren, genetische Ausstattung) und Umweltbedingungen (Milieufaktoren) bei der Herausbildung von -»Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensmustern. Während die Ethologie und die -> Soziobiologie die Bedeutung von Anlagefaktoren betonen, neigt die behavioristische Lerntheorie eher zu einer Milieutheorie (environmentalism). Obgleich die SP eher die beeinflussbaren Umweltbedingungen thematisiert, neigt sie (wie auch die moderne differentielle Psychologie) zu einem vermittelnden Standpunkt. Forschungsleitend ist hier ein interaktionistisches Modell, das einen Interaktionsprozess zwischen Anlagebedingungen und Umweltfaktoren postuliert, wobei die biologische Ausstattung des Menschen oft nur vage Konturen potentiellen Verhaltens kennzeichnet, die durch Lernprozesse erst realisiert werden müssen. In der bekannten Formulierung von REMPLEIN: Anlage potenziert, die Umwelt realisiert. Von hier aus sind auch Auslegungen des sog. Heretabilitäts-Koeffizienten (Anteil der genetischen Varianz an der phänotypischen Varianz) in Prozentwerten (z.B. 80 % der Intelligenz sei ererbt) fragwürdig und ideologieverdächtig. 23
Anomalien
Ein vermittelndes Glied zwischen Anlagefaktoren und Lernvorgängen bildet im übrigen die Vorstellung angeborener -»• Lerndispositionen. Nach dieser Konzeption sind Organismen durch evolutionäre Selektion dazu in der Lage, bestimmte Ereignisse leichter als andere zu assoziieren. Obgleich dies vor allem für simplexe Lernvorgänge gelten dürfte, zeigt das Dispositionskonzept doch auch hier die Verschränkung beider Prägekräfte. Anomalien ->• Täuschungen, kognitive Systematische Verletzung der Rationalität i.S. einer -»• Wert-Erwartungs-Theorie (SEU-Theorie). Insbesondere KAHNEMAN & TVERSKY haben diese Anomalien systematisch untersucht (-»Prospect theory). Der Ausdruck A. soll insbesondere die Abweichung von einem ansonsten als Normalfall angesehenen rationalen Kalkül charakterisieren. Die Anomalienforschung ist insbesondere für die Wirtschaftspsychologie sowie die Ökonomie bedeutsam, weil gezeigt werden kann, dass Individuen auch bei kognitiver Anstrengung systematisch solchen Urteilsfehlern unterliegen. Beispiele für solche A. sind: (a) Gamblers fallacy\ (b) Hindsight bias] (c) Sunk cost-Effekt; (d) ->• Certainty-Effekt; (e) -* Präferenz-Umkehr, (f) Endowment-Effekt; (g) Overconfldence; (h) Framing; (i) -*• Base-rate-fallacy. Die meisten dieser Entscheidungs-A. lassen sich den zentralen -» Heuristi24
Anonymität
ken (-• Repräsentativitäts-Heuristik, -* Anker-Heuristik und Verfögbarkeits-Heuristik) zuordnen. Viele A. lassen sich (meist unter anderer Bezeichnung) aus bestehenden sp Theorien (z.B. Dissonanztheorie, -* Attributionstheorie) ableiten. Insofern sind die A. im Rahmen der Wahrnehmungspsychologie gut untersuchte kognitive -* Täuschungen, die den Psychologen kaum überraschen, den Ökonomen jedoch irritieren, weil ihre Modelle plötzlich schieflagig werden. Anomie A. im Sinne von DÜRKHEIM bedeutet Normerosion bzw. Normlosigkeit (anomischer Zustand). Bei MERTON bedeutet A. konkreter die Diskrepanz zwischen Zielen und legitimen Mitteln, diese Ziele zu erreichen. Für CLOWARD & OHLIN bedeutet A. (noch differenzierter): intensive Zielvorstellungen (hohe Wunschintensität), Erosion regulierender Normen, geringe Verfügbarkeit legitimer Mittel und hohe Verfügbarkeit illegitimer Mittel zur Erreichung der Ziele. Bei ISRAEL steht A. im Kontext der Entfremdung. In der empirischen Entfremdungsforschung wird die A.-Skala von SROLE verwendet, die das Maß der Entfremdung ausdrücken soll. Innerhalb der verschiedenen A.-Konzepte spielen die Ansätze von MERTON sowie CLOWARD & OHLIN eine wichtige Rolle zur Erklärung von Devianz (-• abweichendes Verhalten), insbesondere von Eigentumsdelikten (-> Kriminalität). Anonymität Fördernde Bedingung für -* Aggression (-> De-Individuation), auch
ANOVA-Modell
Hemmnis für hilfreiches Verhalten. Unter der Bedingung der A. äußern Individuen häufig ihre wahren Ansichten, auch wenn sie radikal (-> Vorurteile, soziale) und/oder sozial nicht akzeptiert sind. Unter A.-Bedingungen kommt es in der Anonymität der Gruppe zu Polarisierungs-Effekten (-* Risikoschub). Auch im methodischen Bereich (z.B. bei Befragungen) bewirkt A. einen geringeren Bias sozialer -* Erwünschtheit und beugt zugleich vermuteten Sanktionen vor.
ANOVA-Modell Darstellung der Kovariations-Theorie von KELLEY (-»Attributionstheorien)
in Würfelform. Das Modell (analysis of variance) bezieht sich auf die Auswertungsmethode dieser Theorie.
Anpassung Der Ausdruck A. wird in verschiedenen Kontexten verwendet: (I)Ganz allgemein versteht man darunter die Orientierung der P bzw. des Verhaltens an irgendwelchen äußeren Umständen, z.B. Aspekten der Umwelt. A. wird häufig auch als sensorische -* Adaptation, nämlich als Anpassung der sensorischen Empfindlichkeit an das Intensitätsniveau von Sinneseindrücken verstanden. (II) I.R. der Urteilsbildung bezeichnet A. die Ausrichtung der Empfindungen sowie des Verhaltens an bestimmten Ankerreizen (-> Ankerbildung). (III) In der Führungspsychologie geht man häufig von bestimmten MakroVariablen aus, die der Führende nicht beeinflussen und steuern kann, an die
Anreiz-Beitrags-Theorie
er sich demnach lediglich anpassen kann. (IV) In der -» Rollentheorie, der Forschung zur -*Konformität sowie der Forschung zur -»• Sozialisation bedeutet A. die Befolgung bestimmter Normen, Zielvorstellungen und Rollenerwartungen. Allerdings ist der Anpassungsbegriff vielfach obsolet geworden, weil unter einer „gelungenen" Sozialisation weniger anpassungsmechanistische Fügsamkeit, sondern eher eine aktive und reflektive Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt verstanden wird.
Anreiz A. bezeichnet den kognitiven Aspekt eines Verstärkers (-»Lernen). A. werden als antizipierte Affekte verstanden, die bei der Zielerreichung entstehen. A. bilden die kognitiven Komponenten der -*Motivation. Sie stehen im Zentrum der sogenannten —• PullTheorien. Nach HULL ist die Reaktionsstärke eine Funktion der Habitstärke H (Lernerfahrung, wie oft ein Verhalten verstärkt wurde), multiplikativ verknüpft mit der Triebstärke D sowie der Anreizkomponente K (R = H x D x K),
während
SPENCE
eine additive (und damit kompensatorische) Verbindung zwischen D und K sieht (R = H x [D + K]). Vielfach werden Anreize (incentives) auch i.S. extrinsischer Belohnungen (-> Motivation, extrinsische) verstanden (z.B. Erfolgsprämien).
Anreiz-Beitrags-Theorie Dieses ökonomisch-psychologische Konzept von BARNARD entstammt der Organisationstheorie und bilanziert Anreize (z.B. Einkommen, Status, Pri25
Anschaulichkeit
Anthropologie
vilegien) und Beiträge (z.B. Engagement, Zeitaufwand, Arbeitsmühe, Unterordnung) von Organisationsmitgliedern. Besteht ein Gleichgewicht oder überwiegen die Anreize, so wird damit die Motivation zum Beitritt oder zum Verbleib in dieser Organisation gewährleistet. Insofern handelt es sich hierbei um ein (allerdings recht einfaches) Austauschmodell (-» Austauschtheorien). Anschaulichkeit (vividness) A. erleichtert Wahrnehmungs- und Denkprozesse. I.S. der -» Dualen Speicher-Theorie werden z.B. bildliche Darstellungen leichter kodiert und dekodiert (-> Bildkommunikation Vorstellungsbild). Bei sozialer Beeinflussung gilt ähnliches: Je größer die Anschaulichkeit einer Schilderung - sofern nicht als übertrieben empfunden - desto leichter werden Pn davon beeinflusst. Dies gilt auch, wenn die Botschaft keinen generalisierenden Stellenwert besitzt. So sind z.B. abstrakte Statistiken und die Errechnung objektiver Wahrscheinlichkeiten gelegentlich recht informativ und meist auch glaubwürdig; dennoch wirken konkrete Fallbeispiele oft beeindrukkender und überzeugender. Anschlussmotiv Anspruch
Affiliation
Anspruchsniveau
Formulierung einer Ergebniserwartung, die man für gerechtfertigt hält (-> Gerechtigkeit). Enttäuschte Erwartungen dieser Art fuhren zu In-Equity und relativer sozialer -* Deprivation. Anspruchsniveau (I) Leistungsziel, das eine P aufgrund bisheriger Leistungen künftig zu errei26
chen sucht (-» Leistungsmotivation). Insbesondere wird angenommen, dass P bei durchgängigem Erfolg das A. erhöht, wobei die dominante Verhaltenstendenz (Erfolgssuche oder Misserfolgsmeidung) eine Rolle spielt. Für die SP ist in Erweiterung des Konzepts von Bedeutung, dass bei der Setzung des A. auch soziale Komponenten einfließen, z.B. das soziale Vergleichsniveau (Leistung anderer). Auch können Aspirationen kompensatorisch in andere Bereiche verlagert werden. Das Konzept des A. ist neuerdings im Rahmen der -* Zielsetzungstheorie wieder aufgegriffen worden. Auch bestehen wichtige Bezüge zum -> Selbstkonzept einer P sowie deren -* Involvement oder Engagement. (II) Im erweiterten (und umgangssprachlichen) Sinn wird der Begriff A. auch im Sinne von Ansprüchen (z.B. materiellen Ansprüchen) verwendet. So spricht man von Ansprüchen an den Staat, Anspruchsinflation oder von „falschen" Ansprüchen. Dieses Konzept des A. spielt auch im Rahmen der Forschung zur -* Gerechtigkeit sowie im Kontext der relativen sozialen -* Deprivation eine Rolle. Anthropologie Die SP hat zahlreiche Berührungspunkte mit unterschiedlichen Spielarten der A. Die Ethologie sowie die Natur-A. beschäftigen sich mit dem Verhalten von Tieren und versuchen, Parallelen auch im menschlichen Verhalten zu finden (-> Soziobiologie Anlage vs. Umwelt). Die Kultur-A. beschäftigt sich mit dem Verhalten in unterschiedlichen Kulturkreisen und betont (im Gegensatz zur Natur-A.)
Antizipation
eher die Unterschiedlichkeit und kulturelle Plastizität menschlichen Verhaltens (-» Sozialpsychologie, interkulturelle) sowie die unterschiedliche Gestaltung kultureller Wertsysteme und Bedeutungskontexte. Die philosophische A. beschäftigt sich mit dem „Wesen" des Menschen (z.B. seiner Charakteristik als instinktverarmtes Mängelwesen), das durch kompensatorische Mechanismen zur Schaffung von Normen und Institutionen gedrängt wird. Vielfach wird auf die Rolle der -»Sprache bei der „Menschwerdung" hingewiesen. Bestimmte anthropologische Ausgangsannahmen gehen vielfach in die Axiomatik sp Theorien und Konzepte ein und bilden häufig auch die Plattform für die Zielvorstellungen der -* Humanistischen Psychologie. Antizipation —> Erwartung, antizipative Antrieb A. stellt die Push-Komponente des Motivationsgeschehens dar (-• Motivation Anreiz). Hierbei handelt es sich um den eher energetischen, auf die Ausfuhrung einer Handlung hindrängenden Aspekt eines Motivationsprozesses. HULL und SPENCE sprechen in diesem Sinne von „Drive". Die verschiedenen Antriebstheorien unterscheiden sich darin, ob Triebe, Emotionen, Bedürfnisse oder eine unspezifische physiologische -* Aktivation das Antriebsgeschehen bestimmen. Der Gegensatz zur Push-Komponente ist die sog. Pull-Komponente (-»Anreiz), oft auch als kognitive Komponente verstanden.
Arbeitsanalyse
Anzahl-Effekt ->• Bystander-Effekt -* Hilfeverhalten Appellative Funktion Die A. eines kommunikativen Aktes bezeichnet die Intention des Kommunikators, mit der Informationsvermittlung gleichzeitig das Verhalten und/oder die Einstellung des Rezipienten zu beeinflussen. Die A. steht im Vordergrund der kommunikativen Wirkungsforschung. Einen Sonderfall betrifft die A. im Hinblick auf Selbstmordabsichten. Von einem appellativen Selbstmordversuch spricht man immer dann, wenn der Akteur auf sich und seine besondere Problemlage aufmerksam machen möchte (-»Suizid). Appetenz-Aversions-Konflikt Konflikttyp der Lerntheorie (-»Entscheidungskonflikt), bei dem ein Stimulus sowohl positive Anreizqualität wie auch Strafreizcharakter hat. Nach MILLER generalisiert die AversionsTendenz später (dargestellt in Form eines Aversionsgradienten) aber steiler als der Appetenzgradient. Daher fühlt sich der Akteur zunächst stark von diesem Objekt angezogen, im weiteren Zeitverlauf jedoch abgestoßen. Ein Beispiel im sozialen Bereich wäre etwa die Anziehung durch eine attraktive Frau mit später einsetzender Blockade eines Annäherungsversuchs. Allerdings ist zweifelhaft, ob sich MILLERS Versuche mit Ratten auf menschliches Verhalten übertragen lassen. Arbeitsanalyse Die A. versucht, Arbeitsaufgaben, Arbeitsmittel, Arbeitstätigkeiten sowie 27
Arbeitsgruppe
Arbeitsbelastung
Arbeitsbedingungen systematisch zu erfassen. Sie dient in erster Linie dazu, Kriterien der -» Arbeitsgestaltung zu ermitteln, in zweiter Linie auch dazu, Qualifikationsanforderungen für Personalauswahl und Personalentwicklung zu formulieren (-> Anforderungsanalyse).
trollspielraum, Interaktionsspielraum und Tätigkeitsspielraum) entwickelt. Hierher gehört auch die Idee der teilautonomen -»• Arbeitsgruppen (-» Gruppenarbeit). Als besonders motivierend gilt auch die Veränderung von -* Arbeitsinhalten. Arbeitsgruppe
Arbeitsbelastung Überforderung am Arbeitsplatz (-• Stress), die auf längere Sicht zu sinkender Arbeitsleistung und abnehmendem Wohlbefinden führt (—> YERKES-DODSON-Kurve).
Unterschiedliche (z.B. LAZARUS, HARRISON) beschreiben
Stress-Modelle MCGRATH,
Co/wwg-Strategien. Die Belastbarkeit eines Individuums ist in hohem Maße abhängig von der -» Stresskontrolle, d.h. der subjektiven Überzeugung, die Situation zu meistern. Arbeitsbereicherung -> Arbeitsgestaltung -* Arbeitsinhalt -* Job enrichment Arbeitsgestaltung Als Gegenbewegung zum Taylorismus sind auch im Gefolge der Humanisierung der Arbeit verschiedene Konzepte diskutiert worden, die „neue Formen der A." betreffen und die Monotonie, Belastung und Routine entgegenwirken sollen. Insbesondere für HACKER bedeutet Handlungsregulation eine dreifache Zielsetzung: Effektivität, Wohlbefinden und Persönlichkeitsforderung. Im Zusammenhang mit Arbeitsstrukturierung und in Erweiterung alter Ideen (wie job enlargement und job enrichement) wurde insbesondere das Konzept des Handlungsspielraumes (mit den drei Komponenten: Entscheidungs- und Kon28
Spätestens seit dem Auftreten der -» Human-relations-Bewegmg im Gefolge der -»• Hawthorne-Experimente gilt die Problematik der A. als eines der zentralen Themen der soziologisch-sozialpsychologisch orientierten Organisationsforschung. Dies führte zu verstärkter Beachtung sozialer Beziehungen und sozialer Motive in Organisationen, zur Beachtung integrativer und desintegrativer Kräfte, die innerhalb und zwischen Gruppen Bindungen und Konflikte heraufbeschwören, zur Beachtung der -*• Gruppenarbeit unter Berücksichtigung etwaiger Leistungsvorteile der Gruppe (-> Gruppenproduktivität) und zur Beachtung neuerer gruppengeprägter Strukturkonzepte, insbesondere partizipativer und kooperativer Organisationsformen (-» Partizipation -* Kooperation). SEASHORE fand im Einklang mit Ergebnissen der Kleingruppenforschung, dass Leistungssteigerung innerhalb von Arbeitsgruppen im Ausmaß der Kohäsion gering, zwischen ihnen jedoch erheblich war. Kohäsion wirkt demnach zunächst lediglich nivellierend i.S. einer gemeinsamen Leistungsnorm mit geringer Streubreite der Leistungen. Ob sie auch zu einer durchschnittlichen Leistungserhöhimg führt, ist zusätzlich eine Frage der Zielinduktion: starke gemeinsame Ziele, die i.R. der Gruppenprozesse
Arbeitsinhalt
Arbeitsmotivation
motivierend wirken (-» Zielsetzungstheorie). Arbeitsinhalt
Arbeitsgestaltung
Art und Qualität der Arbeit, insbesondere unter den Aspekten Attraktivität, Ganzheitlichkeit, Komplexität und Herausforderungscharakter. In Konzepten zur Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit wird betont, dass vorwiegend über den A. (Kontentfaktoren im Gegensatz zu Kontextfaktoren) Möglichkeiten der intrinsischen -* Motivation erschlossen werden können. Die am häufigsten diskutierten Konzepte sind HERZBERGS duale Theorie der Arbeitszufriedenheit, Ansätze der Tätigkeits- und Handlungstheorie (z.B. HACKER) sowie das J o b - C h a r a c t e r i s t i c - M o d e l v o n HACKMAN & OLDHAM. E i n a u s d i e s e m
Konzept abgeleitetes Ermittlungsverfahren ist der JDS (Job Diagnostic Survey). Danach ergibt sich das Motivationspotential einer Aufgabe aus der Summe von Varietät (Abwechslungscharakter), Identität (Identifizierbarkeit) und Aufgabenwichtigkeit (perzipierte Bedeutsamkeit), die je zu einem Drittel zum Potential beitragen, multiplikativ verknüpft ferner mit den Größen Autonomie (-> Handlungsspielraum) und Feedback (Rückkoppelungsprozesse). Arbeitslosigkeit Bereits die Marienthal-Studie befasste sich in den 30er Jahren mit verschiedenen Erlebens- und Bewältigungsformen von A. vorwiegend unter sp Perspektive. Aktuelle Forschungen beschäftigen sich mit Bewältigung und/oder Überwindung von A. vorwiegend unter attributionstheoretischer Perspektive (-» Attribution).
diskutiert als Leithypothese, dass Arbeitslose eher externale Umstände sowie fatalistische Faktoren (Glück, Zufall, Schicksal) bei der Erklärung von A. für bedeutsam halten (interne Dispositionen, Persönlichkeitsfaktoren etc.). FURNHAM
Die ökonomischen Job-Search-Modelle gehen davon aus, dass die Suche nach Wiederbeschäftigung umso intensiver und erfolgreicher sei, je stärker der finanzielle (und soziale) Druck anwächst. PELZMANN ermittelte empirisch, dass dies nur in der Anfangszeit gilt: Arbeitssuchende werden nur in den ersten Monaten durch finanziellen, sozialen und familialen Druck positiv stimuliert. Später werden die sozialen Instanzen (auch die eigene Familie) eher als belastend empfunden. PELZMANN hat in verschiedenen Studien zur A. ferner ermittelt, dass das Merkmal der A. selbst ein Hinderungsgrund ist, wiederbeschäftigt zu werden. Ein neueres Forschungsfeld ist die subjektive Unsicherheit der Arbeitsstelle bzw. antizipierte A. Im Hinblick auf die affektive Dimension (Befürchtungen) sowie die kognitive Dimension (Bedenken) werden insbesondere die letzteren bei internalen Kontrollüberzeugungen abnehmen; bei externaler Kontrolle werden jedoch auf beiden Dimensionen höhere Werte ermittelt. Arbeitsmotivation -* Motivation Dieses Konzept thematisiert die Frage der Anstrengungsbereitschaft, Arbeitsleistungen zu erbringen. Wie in der allgemeinen Motivationsforschung werden extrinsische Motivationsfaktoren (Bezahlung, Karriere, Anerken29
Arbeitspsychologie
nung, Status usw.) und intrinsische Motivationsfaktoren (Pflichtgefühl, Erfolgserlebnisse, Freude an der Arbeit) unterschieden. In der Erforschung der A. hat sich die Einteilung in Inhaltstheorien und Prozesstheorien durchgesetzt. Die Inhaltstheorien sind thematisch (z.B. die -* Bedürfnishierarchie von MASLOW), deren abgespeckte Version, die ERG-Theorie sowie die Theorie der —• Leistungsmotivation). Die sog. Prozesstheorien sind athematisch wie z.B. die -* Instrumentalitätstheorie von VROOM (die auch als allgemeine Motivationstheorie avancierte) oder Gesamtmodelle wie die von PORTER & LAWLER u n d WISWEDE. Sp bedeutsam
ist die Einbeziehung von sozialen Variablen (z.B. Attributionsprozessen, Rollenerwartungen etc.). Neuerdings werden in starkem Maße auch volitionale Konzepte der Motivation (z.B. die Theorie der Handlungskontrolle von KÜHL oder die Zielsetzungstheorie von LOCKE) im Kontext der Ar-
beitsmotivation eingesetzt. Arbeitspsychologie Die A. beschäftigt sich mit Arbeit als einer instrumenteilen Tätigkeit, meist zu Erwerbszwecken und meist im Rahmen von Organisationen. Die Bezeichnung heißt häufig auch ,Arbeitsund Organisationspsychologie" oder auch ABO-Psychologie (B für Betriebspsychologie). Einige Bereiche der A. sind sp weniger interessant, z.B. ergonomische oder ökologische Aspekte. Andere Forschungsbereiche sind stärker an sp Fragestellungen orientiert, z.B. (a) Auswahl und Beurteilung von Mitarbeitern; 30
Arbeitsstrukturierung
(b) Psychologische Aspekte der Arbeitsgestaltung; (c) Probleme der -»• Arbeitsmotivation und der Arbeitszufriedenheit, (d) Arbeitsbelastung und -> Stress am Arbeitsplatz; (e) Thematik der -* Arbeitsgruppen und der -> Gruppenarbeit. Gerade der letztgenannte Bereich ist von sp Interesse, da hier ein erheblicher Teil der Kleingruppenforschung Anwendung findet. Lit.: FRIELING, E. & SONNTAG, K. (Hg.)
(21999). Lehrbuch Arbeitspsychologie, Bern u.a. FURNHAM, A. (1999). The psychology of behavior at work. London. FUHNHAM, A. & COLLETT P. (eds.) (1995). Social psychology at work. London. MUCHINSKY, P.M. (1990). Psychology applied to work. London. ULICH, E. (31994). Arbeitspsychologie. Zürich.
Arbeits-Selbst
Selbstkonzept
Ausdruck von MARKUS in Analogie
zum Begriff des Arbeitsspeichers (-> Gedächtnis). Er bezeichnet den Teil des Selbstbildes (Selbstkonzepts), der gerade aktiviert ist. Welche SelbstAspekte aktiviert werden, hängt neben situativen Faktoren (z.B. -* Rollenerwartungen) auch von ihrer -> Zugänglichkeit ab. Der Begriff des A. beinhaltet ein Votum für die Existenz mehrerer situations- und rollenspezifischer Selbstbilder und löst auch den Widerspruch zwischen angenommener Stabilität oder Variabilität des Selbstkonzepts auf. Arbeitsstrukturierung -*• Arbeitsgestaltung -*• Arbeitsinhalt
ARD-System
Arbeltsteilung
Arbeitsteilung A. bedeutet die fortschreitende Differenzierung und Zerlegung des Arbeitsprozesses in Einzelschritte. Diese Entwicklung ist insbesondere durch den Taylorismus im Zusammenhang mit der Massenfabrikation vorangetrieben worden. I.R. der Arbeitspsychologie wird betont, dass die Fragmentierung der Arbeitsabläufe die Ganzheitlichkeit und Sinnhaftigkeit von Arbeitsprozeduren in Frage stelle. Im Zuge der -*• Humanisierung der Arbeit sowie im Gefolge der Bemühungen um -» job enrichment ist hier vielfach versucht worden, gegenzusteuern und den Entfremdungsprozess des Menschen von seinem Arbeitsprodukt zu verhindern. Jenseits dieser normativen Überlegung ist von KERN & SCHUMANN behauptet worden, dass auch im industriellen Bereich Gegenkräfte wirksam seien, die auf ein „Ende der Arbeitsteilung" hindeuten. Neuere Studien scheinen diese Tendenzaussage jedoch nur zum Teil zu bestätigen. Arbeitszufriedenheit Zufriedenheit Lebenszufriedenheit Einstellung zur Arbeit insgesamt oder zu einzelnen Facetten der Arbeit (z.B. Bezahlung, Betriebsklima, Vorgesetztenverhalten, Gestaltungsmöglichkeit oder Aufstiegsmöglichkeiten), nach anderer Definition das Ausmaß, in dem zentrale Bedürfnisse (Motive) des Arbeitenden befriedigt werden, nach wiederum anderer Definition der Grad, in dem bestimmte Erwartungen an die Arbeit bzw. an bestimmte Aspekte der Arbeit erfüllt werden.
Leistung und Zufriedenheit haben dazu geführt, verschiedene Formen der A. zu unterscheiden. Schon HOMANS trennte zwischen statischer (behaglicher) und dynamischer Zufriedenheit; nur letztere fuhrt zu verstärkter Arbeitsleistung. Umgekehrt ist auch Leistung zufriedenheitsstiftend, insbesondere bei leistungsmotivierten Personen. Subtilere Formen der A. aufgrund veränderten Anspruchsniveaus unterscheidet BRUGGEMANN (z.B. resignative A. oder konstruktive A.), die verschiedene Formen des Erlebens repräsentieren. Bislang ist es nicht gelungen, diese differenzierte Sicht empirisch dingfest zu machen, da hierzu auch ausgedehnte Längsschnittstudien notwendig wären. HERZBERG legt ein duales Konzept vor, in dem bestimmte Aspekte der Arbeit als „Hygienefaktoren" lediglich zur Unzufriedenheit beitragen (Frustratoren, Demotivatoren), während andere Merkmale, die insbesondere im herausfordernden und attraktiven Arbeitsinhalt gesehen werden (-> Arbeitsgestaltung -> Arbeitsinhalt), eher zur positiven Ausprägung der A. führen.
ARD-System Das „Attitude-Reinforcer-Discrimative-System" (STAATS) geht davon aus, dass die Entstehung von -* Einstellungen durch lerntheoretische Prinzipien erklärt werden kann. Dabei spielt vor allem der Lernmechanismus der klassischen -* Konditionierung eine Rolle. Die diskriminative Funktion (-* Diskriminierung) wirkt dabei zielbildend.
Inkonsistenzen bei empirischen Ergebnissen zum Zusammenhang zwischen 31
Argumentationsstil
Argumentationsstil Neben der -»• Argumentqualität, die vor allem bei hohem Involvement und damit insbesondere bei der zentralen Route der Informationsverarbeitung (-»•ELM) von Bedeutung ist, kommt es bei peripherer Verarbeitung vielfach auf den A. an. Variationen sind: vorwiegend emotionaler vs. rationaler A. (insbesondere zur Aktivierung und Einstimmung ist zunächst ein emotionaler A. sinnvoll, damit der „Nährboden" einer optimalen kognitiven Verarbeitung bereitet werden kann), einseitige vs. zweiseitige -> Argumentation, bei der das Pro und Kontra zur Sprache kommt (erhöht die -* Glaubwürdigkeit des Kommunikators und beschreitet den Weg zur zentralen Informationsverarbeitung, gewissermaßen auch als kognitive Impfung (-» Inokulation), Reihenfolge der Argumente (-» Primacy-Effekt vs. Recency-Effekt), implizite vs. explizite Schlussfolgerung usw. Entsprechende Regeln (Strategien der Argumentation) sind stark abhängig vom Einstellungsgegenstand, vom sozialen Kontext und von situativen Gegebenheiten.
Argumentation, zweiseitige Argumentationsstil Auch: mehrseitige Argumentation i.S. eines Pro und Contra, d.h. auch mögliche Gegenargumente werden ins Spiel gebracht. Nach MCGUIRE ist dieses Vorgehen geeignet, Einstellungen änderungsresistent zu machen (—• Einstellungsänderungen Abwehrmechanismen), sie gewissermaßen gegen neue Argumente einwandsimmun zu machen (-+ Inokulation). Die Z. ist als Kommunikationsstrate32
Artefakt
gie auch deshalb im Vorteil, weil sie die -* Glaubwürdigkeit des Kommunikators durch (scheinbar) fehlende Interessengebundenheit erhöht und -» Reaktanz vermeidet. Allerdings kann die Z. insbesondere bei Pn mit geringer kognitiver Komplexität Konflikte oder Verwirrung stiften. Die einstellungsstabilisierende Wirkung der Z. lässt sich auch aus dem ELM ableiten, da sie eher der zentralen Route der Informationsverarbeitung entspricht.
Argumentqualität Je stärker ein Individuum in ein Einstellungsobjekt involviert ist (-» Involvement), desto eher wird der zentrale Weg der Informationsverarbeitung (-»•ELM) gewählt. In diesem Fall resultiert die Einstellung vorwiegend aus der A. (Mitteilungsqualität). Ansonsten wird man eher periphere Hinweisreize beachten (z.B. Aspekte der -»• Glaubwürdigkeit eines Kommunikators).
Artefakt Ein Untersuchungsergebnis ist dann ein A., wenn es durch den Messprozess künstlich erzeugt wird. Die A.Forschung beschäftigt sich mit der Frage, wie die messtechnisch erzeugten Kunstprodukte entstehen, welche Auswirkungen sie im Einzelnen haben und wie sie möglichst vermieden werden können. Die SP hat sich infolge der Dominanz des Laborexperiments insbesondere mit der A.-Gefahr im Rahmen solcher Experimente auseinander zu setzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der VI als Quelle für mögliche -* demand characteristics. Solche Vl-Erwartungs-Effekte sind
Askription i n s b e s o n d e r e v o n ORNE u n d ROSENTHAL untersucht worden (-» Ver-
suchsleiter-Effekt) .
Askription Zuschreibung von bestimmten Merkmalen (—• Attribution). In der Sinngebimg von LINTON bedeutet A. die Zuschreibung von Status aufgrund bestimmter Eigenschaften (z.B. Hautfarbe, Alter, Geschlecht oder Herkunft), im Gegensatz zu Leistungskriterien (ascription vs. achievement). Insbesondere Soziologen beobachten neuerdings eine Revitalisierung askriptiver Elemente.
Asozialität A. bezeichnet die Unfähigkeit von Pn, sich in soziale Situationen einzufügen (Soziopathie). Die Ursachen werden einerseits in angeborenen Defekten gesehen, zum anderen jedoch in Sozialisationsstörungen, vor allem in der frühesten Kindheit. Die Kennzeichnung eines Individuums als asozial mag in drastischen Fällen eindeutig sein. Manchmal ist es aber schwierig, ein sozial unerwünschtes Verhalten ohne vorausgehendes und vielfach problematisches normatives Werturteil als asozial oder pathologisch zu bezeichnen.
Assimilation
gaben, eine fuhrerlose Gruppendiskussion, projektive Tests, Intelligenztests, biografischer Fragebogen, Formen der Selbstbeschreibung); (b) Die Aufgabenstellungen sind mit entsprechenden Situationen verknüpft, deren Simulation in etwa den Realitätsanforderungen nahe kommen soll; (c) Zur Erhöhung der -* Reliabilität werden mehrere Beurteiler eingesetzt, die sich in ihrer Gesamtbewertung in verschiedenen Merkmalsdimensionen (z.B. Stress-Resistenz, Zielflexibilität, soziale Kompetenz, Kreativität) abzustimmen haben. et al. berichten in ihrer -> Meta-Analyse von 50 Einzelstudien über eine weite Streuung der Validitätskoeffizienten (-.25 bis +.78), was u.a. damit zusammenhängen mag, dass die zum Zeitpunkt der Einstellung relevanten Situationen im Laufe der Karriere-Entwicklung wechseln. Die prognostische Validität (festgemacht an einem Erfolgskriterium, z.B. Karriere) ist daher nach wie vor umstritten. THORNTON
Assimilation
Assessment Center
Anpassung, Angleichung, Verschmelzung.
Ein Auswahlverfahren (-* Eignungsdiagnostik), in dem mehrere Bewerber - oft mehrere Tage lang - mit unterschiedlichen Tests konfrontiert werden. Hauptmerkmale sind:
(I)In der Wahrnehmungspsychologie bezeichnet A. die Angleichung der subjektiven Empfindung bei ähnlichen Reizen (-•Assimilations-Kontrast-Effekt).
(a) die Anwendung einer Vielfalt von Techniken (ausgedehnte Interviews, mehrstufige Bearbeitung eines Postkorbs, simulierte Auf-
PIAGETS ist A .
(II) In der Entwicklungspsychologie zusammen
mit
der
-+ Akkommodation ein Teilprozess bei der Interaktion zwischen Organismus 33
Attraktionstheorien
Assimilations-Kontrast-Effekt
und Umwelt. Durch die A. wird die Tatsache erklärt, dass der Organismus die aus der Umwelt aufgenommenen Sachverhalte seinen Strukturen anpasst. (III) I.S. sozialer A. wird der Ausdruck für Angehörige von sozialen —• Minderheiten oder —• Subkulturen gebraucht, die nach der Immigration ihre alte soziale -*• Identität aufgeben und sich den Werten und Normen der neuen Kultur anpassen. Assimilations-Kontrast-Effekt SHERIF und seine Mitarbeiter untersuchten die Auswirkungen von Diskrepanzen zwischen der eigenen Einstellungsposition und der eines Kommunikators. Dem eigenen Standpunkt ähnliche Meinungen werden oftmals so verstanden, als seien sie mit dem eigenen Standpunkt identisch; man wird daher diesen Standpunkt als näher erleben, als er tatsächlich ist (Assimilations-Effekt). Dagegen wird man eine weit entfernte Position (z.B. einen politischen Standpunkt, den man als extrem empfindet) als noch weiter entfernt einstufen, als er tatsächlich ist (Kontrast-Effekt). SHERIF definiert auf einer Skala den Akzeptanzbereich (durch Assimilations-Effekte charakterisiert), den Indifferenzbereich, in dem korrekt lokalisiert wird und den Ablehnungsbereich (durch Kontrasteffekte charakterisiert). Der Akzeptanzspielraum wird umso enger, je größer die Ich-Beteiligung (-» Involvement) sowie die Vertrautheit mit dem Thema ist. Involvement wird demnach zu verstärkten Assimilations-Kontrast-Effekten fuhren. Ähnliche Urteilspolarisierungen finden sich auch in der Theorie stereoty34
per Systeme (-» Stereotyp) sowie beim Studium von -» Intergruppen-Konflikten. Assoziation Verbindimg zwischen Bewusstseinsinhalten (insbes. Wahrnehmungen, Vorstellungen, Begriffen, Gefühlen und Wissen), so dass das Auftreten des einen das Auftreten des anderen Inhalts nach sich zieht. Das Konzept der A. fungiert als Erklärungsprinzip insbesondere in der Lern-, Denk-, Gedächtnis- und Sprachpsychologie. Insbesondere in der Gedächtnispsychologie spielt der Begriff der semantischen -* Netzwerke eine wichtige Rolle. Gespeicherte Wissensinhalte sind mit bestimmten Bedeutungen verknüpft. Verbindungsbrücken und Vernetzungen führen dazu, dass bei der Aktivierung eines Elements auch damit assoziierte Inhalte angeregt werden. Attitüde
Einstellungen
Attraktion -»• Attraktivität -* Sympathie Attraktionstheorien -* Attraktivität —>Liebe -* Sympathie Die folgenden A. lassen sich unterscheiden: (1)LOTT & LOTT sowie BYRNE bieten
eine Verstärkungstheorie der Attraktion. Im Sinne der klassischen -* Konditionierung kann ein zunächst neutraler Reiz dadurch ein sekundärer Verstärker werden, dass er gemeinsam mit Verstärkern auftritt. Wenn P2 von Pi wahrgenommen wird, während Pi Verstärker erhält,
Attraktivität
Attraktionstheorien
dann erwirbt P2 sekundäre Verstärkereigenschaften, d.h. sie wird positiv bewertet (das umgekehrte gilt für aversive Reize). P2 erwirbt Sympathie von Pi dadurch, dass P2 Verstärker (Zuwendung, Lob oder Geschenke) anbietet. Einstellungsähnlichkeit erleichtert die Möglichkeit, dass P 2 Verstärkerreize darbieten kann. BYRNE kann insofern zeigen, dass die Beziehung zwischen Einstellungsähnlichkeit und Attraktion linear verläuft. (2)I.R. der -*• Balancetheorie wurde die wahrgenommene -* Ähnlichkeit von Einstellungen und die hieraus resultierende Sympathie untersucht. Einstellungsähnlichkeit liegt immer vor, wenn Pi und P2 ein Objekt O in gleicher oder ähnlicher Weise bewerten; dies führt in einer balancierten Struktur dazu, dass zwischen Pi und P2 Sympathie entsteht. Eine weitere balancetheoretische Hypothese besagt, dass die Wahrnehmung einer positiven Reaktion von Pi zu P2 zur Herstellung einer positiven Wertrelation von Pi zu P2 fuhrt („wir lieben diejenigen, die uns lieben"). Diese Tendenz wird auch als -* Reziprozität interpersoneller Bewertung bezeichnet. Die Übereinstimmungseffekte (Sympathie durch Einstellungsähnlichkeit) sind daher möglicherweise auch Reziprozitätseffekte. (3) Dissonanztheoretisch (-»Dissonanz, kognitive) gilt, dass eine freiwillige positive Handlung einer neutral oder negativ bewerteten P deren Aufwertung bewirkt. Nicht nur der Geber wird wegen seiner Gabe geschätzt, sondern: auch der Empfänger einer Wohltat wird vom Wohl-
täter geschätzt, weil sonst die Wohltat nicht anders zu rechtfertigen wäre. Entsprechend wird auch eine Gruppe (i.S. der Rechtfertigung des Aufwands) umso mehr geschätzt, je schwieriger es war, Mitglied dieser Gruppe zu werden. Lit.: BERSCHEID, E. (31985). Interpersonal attraction. In: Lindzey, G. & Aronson, E. (eds.) Handbook of social psychology. New York, 413-484. BERSCHEID, E. & WALSTER, E. (1974). Physical attractiveness. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in experimental social psychology, Vol. 7. New York, London, 157-215. CUNNINGHAM, M.R. (1986). Measuring the physical in physical attractiveness: Quasi-experiments on the sociobiology of female face beauty. In: Journal of Personality and Social Psychology, 50, 925-935. HENDRIK, S. & HEND-
RIK, C. (21992). Liking, loving, and relating. Pacific Grove/CA. LOTT, A J .
& LOTT,
B.E. (1974). The role of reward in the formation of positive interpersonal attitudes. In: Huston, T.L. (ed.) Foundations of interpersonal attraction. New York u.a., 171-192.
Attraktivität (I) Physische A. (auch Schönheit) gilt als wesentlicher Faktor der interpersonellen -> Attraktion. Die Einschätzung der A. wird durch Stereotype beeinflusst und unterliegt dem sozialen Wandel. Für die erste Kontaktaufnahme wirkt A. häufig als selektiver Filter. Schönheit sucht Schönheit: Personen mit hoher selbsteingeschätzter A. interagieren bevorzugt mit Partnern, die ebenfalls hohe A. aufweisen. Jedoch ist austauschtheoretisch (-»Austausch) denkbar, dass kompensatorisch Ressourcen (-»Ressourcentheorie der Interaktion) eingetauscht werden (z.B. Schönheit gegen Status bzw. Reichtum). Was schön ist, ist auch gut (-> Exp. 12): Nach Befunden von CUNNING35
Attraktivität
HAM existiert eine Tendenz, attraktive Menschen positiv einzuschätzen (in Bezug auf Leistung und sonstige charakterliche Merkmale). Allerdings gibt es hier ambivalente Attributionen: Obgleich das Stereotyp attraktiver Personen im allgemeinen positiv ist, können Tendenzen wirksam sein, solchen Pn weniger sozial wünschbare Eigenschaften zuzuschreiben (z.B. eitel, egoistisch, schön aber dumm, materialistisch oder oberflächlich). Auf diese Weise ist der Effekt „Schönheit ist gut" oftmals durch Ambivalenzen gekennzeichnet und daher nicht immer eindeutig. (II) Während A. i.e.S. auf äußerliche Merkmale (Schönheit Erscheinungsbild) einer Person bezogen bleibt, wird der Begriff i.w.S. auf interpersonelle Situationen bezogen, die eine große Spannbreite unterschiedlich starker gefühlsmäßiger Beteiligung der Interaktionspartner beschreiben. Dies beginnt mit der ersten Kontaktnahme, bei der die gefühlsmäßige Beteiligung noch gering ist und endet in intensiver interpersoneller Interdependenz, z.B. bei intimen Partnerschaften (-» Liebe), sog. engen Beziehungen (LEVINGER). Die Frage, ob man „interpersonelle A." als Dachbegriff für unterschiedlich enge Beziehungen aufrechterhalten will, hängt auch damit zusammen, ob die gefühlsmäßigen Bindungen bei der A. ein Kontinuum darstellen (z.B. Liebe als gesteigerte Form der Sympathie) oder ob man ganz unterschiedliche Gefühlsdimensionen bzw. Lebensformen unterstellt. LIT.
36
Attraktionstheorien -* Sympathie
Attribution
Attribute, relevante Die Neigimg zum sozialen Vergleich hängt mit der -> Ähnlichkeit der Bezugsperson zusammen. Woher weiß man jedoch, dass es sich um eine P handelt, die uns in Bezug auf Fähigkeiten oder Meinungen ähnlich ist? Offenbar nur durch einen vorausgegangenen Vergleich. GOETHALS & DARLEY versuchen, dieses Zirkularitätsproblem dadurch zu lösen, dass sie die Ähnlichkeit von O für P danach einstufen, ob O Ähnlichkeit auf vorgelagerten relevanten Dimensionen hat. Relevante A. sind dabei alle Faktoren, die der Vergleichende als kausal relevant für bestimmte Fähigkeiten und Einstellungen ansieht (z.B. das Alter, das Geschlecht oder die Parteizugehörigkeit). Die relevanten A. können dabei als Personmerkmale (z.B. Hautfarbe, Ausbildung, Geschlecht) oder als Situationsmerkmale (z.B. gemeinsames Schicksal oder gleiches Arbeitsfeld) verstanden werden. Nur wenn die relevanten A. im Hinblick auf Person und Situation konstant gehalten werden, ist ein Vergleich (z.B. im Bezug auf Leistungen) aussagekräftig (-»Ähnlichkeit -* Vergleich, sozialer). Attribution
Attributionstheorien
(l)Begriff: Zuschreibimg von Ursachen für Ereignisse, vor allem für Handlungen. Die A.-Forschung ist daher eine „Psychologie der Kausalität" aus der Sicht des naiven Individuums. Im weiteren Sinne wird auch die Zuschreibung bestimmter Merkmale (z.B. i.S. der -*impliziten Persönlichkeitstheorie) als A. bezeichnet. Auch die Rückschlüsse auf Motive, Intentionen sowie Persön-
Attribution
lichkeitsdispositionen sind Gegenstand der A.-Forschung. (2) Forschungsparadigma: Die A.-Forschung geht davon aus, dass der Alltagsmensch in vielen Situationen wie ein Wissenschaftler reagiert („der irrende Alltagswissenschaftler"). Der Akteur handelt demnach wie ein Forscher, der einleuchtende oder ausreichende Gründe für das Verhalten anderer und für sein eigenes Verhalten sucht. Dies setzt voraus, dass Individuen in der Lage sind, verschiedene Informationen rational zu verwerten und entsprechende Schlüsse zu ziehen. Verläuft diese Informationsbewertung korrekt, sind die Schlussfolgerungen zutreffend, sprechen wir von Veridikalität der A. In dem Ausmaß, in dem dies nicht der Fall ist, treten systematische -* Attributionsfehler auf. In den letzten Jahren, insbesondere unter dem Einfluss von WEINERS Studien zur -* Kontrollierbarkeit und Verantwortlichkeit, scheint sich eine Verlagerung des Paradigmas anzudeuten. Das naive Individuum agiert nicht mehr als Wissenschaftler sondern als Richter. (3) Attributionsrelevante Fragestellungen: (a) Funktion der A.: Verstehbarkeit, Voraussehbarkeit und Kontrolle von Umweltereignissen sind für das Individuum nützlich. Ein wirksames Mittel zur Förderung der Verstehbarkeit, Vorhersehbarkeit und Kontrolle besteht darin, die Ursachen eigenen Verhaltens sowie die anderer Pn herauszufinden;
Attributionsdimensionen
(b) Auslösende Bedingungen für A.: Die Tendenz zur A. von Ereignissen wächst im Ausmaß der persönlichen Bedeutsamkeit und Betroffenheit, der Abhängigkeit vom Attributionsobjekt, der Außergewöhnlichkeit von Ereignissen sowie der sozialen Erwünschtheit der Ursachenkenntnis; (c) Modus der A.: Je nach Verfügbarkeit bestimmter Informationen wird nach unterschiedlichen Prinzipien attribuiert. Dies ist das Kernthema der Attributionstheorien-, (d) Auswirkungen der A.: Je nach Ursachenzuschreibung hat die A. Auswirkungen auf Lernprozesse, auf die Persönlichkeitsstruktur, auf die —• Selbstwahrnehmung, auf die Motivation und auf die -*Interaktion. Es gibt kaum noch ein Themenfeld, in dem A.Prozesse keine Rolle spielen. Häufig wirken sie lediglich als Epiphänomen (z.B. als kognitive -* Rationalisierung eigenen Verhaltens), vielfach sind sie jedoch selbst das Agens des Handelns (z.B. einer aggressiven Motivation aufgrund der vermeintlichen Kenntnis böswilliger Absichten des Interaktionspartners).
Attributionsdimensionen Die Modi der -* Attribution werden meist dichotom erfasst. Die folgenden Dimensionen werden als zentral angesehen: (a) Internal (in der Person liegend, z.B. Fähigkeiten und Motivation), external (in den äußeren Umständen liegend, z.B. in der Aufgabenschwierigkeit, oder im Zufall); 37
Attributionsdimensionen
(b) Variabel (z.B. Anstrengung, Glück) vs. stabil (z.B. Können, Intelligenz). Die Dimensionen (a) und (b) wurden von WEINER in ei-
nem Vierfelderschema kombiniert; (c) Später hat WEINER dieses Schema durch die A. „kontrollierbar/nichtkontrollierbar" erweitert, so dass ein Achtfelder-Schema entsteht. Diese Erweiterung ist sinnvoll, weil internale Zuschreibung nicht mit internaler Kontrolle identisch ist (Beispiel: P schreibt ihr Versagen ihrer mangelnden Intelligenz zu = internale Attribution, aber keineswegs internale Kontrolle); (d) ABRAMSON hat im Rahmen seiner attributionstheoretischen Erweiterung der Theorie der gelernten Hilflosigkeit eine weitere Dimension vorgeschlagen: global vs. spezifisch. Hier kann z.B. Versagen oder Hilflosigkeit lediglich einen umgrenzten Lebensbereich erfassen (z.B. Umgang mit technischen Dingen) oder aber als global erlebt werden (P fühlt sich generell als Versager). Ein depressiver Attributionsstil wird insofern durch die Kombination internal/stabil/global/nicht-kontrollierbar repräsentiert (-»Depression)-, (e) KRUGLANSKI will die Unterscheidung in external und internal auf Ereignisse beschränkt wissen; bei Handlungen, die definitionsgemäß immer vom Handelnden verursacht sind, sollte man eher von endogenen/exogenen Attributionen sprechen. Diese Unterscheidung konvergiert mit der Trennung von intrinsischen und extrinsischen Umständen (-»Motivation, intrinsische). So ist eine 38
Attributionsfehler
Handlung endogen verursacht, wenn sie Selbstzweckcharakter hat, also nicht auf äußere Anreize zurückgeführt werden kann.
Attributionsfehler Bei Attributionsprozessen kommen eine Reihe systematischer Attributionsverzerrungen vor, die jeweils einen Bias bei der Urteilsfindung bedeuten. Die folgenden A. werden diskutiert: (1)Der fundamentale A. besteht nach ROSS darin, dass Beobachter den Situationen zu wenig und der P zu viel Gewicht beimessen. Dieser Effekt wird damit erklärt, dass das Verhalten eines Handelnden gewöhnlich auffalliger ist als die entsprechenden situativen Faktoren. Werden jedoch situationale Faktoren kognitiv zugänglich gemacht, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass solche situationalen Faktoren zur Erklärung des Verhaltens herangezogen werden. (2) Attributionsunterschiede zwischen Handelndem und Beobachter: Nach JONES & NISBET tendieren Handeln-
de dazu, ihre eigenen Handlungen auf die Situation zu attribuieren, während Beobachter (im Sinne des fundamentalen A.) die gleichen Handlungen auf stabile Persönlichkeitsdispositionen attribuieren. So attribuieren wir etwa unsere eigene Unsicherheit eher auf die Situation, während die Unsicherheit anderer als Personenmerkmal interpretiert wird. (3)-> Selbstwertdienlichkeit: Viele Attributionsforscher unterstellen einen self-serving-bias, d.h. dass Menschen beispielsweise Erfolge mit größerer Wahrscheinlichkeit auf in-
Attributionstheorien
Attributionsfehler
terne Dispositionen und Misserfolge auf externe oder situational Besonderheiten zurückführen. Auch bei sonstigen Attributionsvorgängen (z.B. bei Entschuldigungen und Rechtfertigungen) dürfte dieser Effekt auftreten. (4)Falscher -*Konsensus: aufgrund egozentrischer Neigung besteht bei vielen Individuen die Tendenz, die eigene Meinung auch bei anderen zu vermuten. (5)-* Kontroll-Ulusion'. Nach LANGER überschätzen Individuen meist ihre Möglichkeiten, eine bestimmte Situation kontrollieren zu können (overconfidence). Die Autorin demonstriert in zahlreichen Experimenten, dass viele Menschen auch in Zufallssituationen ihre Kontrollmöglichkeiten überschätzen. Ähnliches bewirkt Aberglaube oder der PlaceboEffekt, und manchmal bewirkt die Selbstsicherheit, die durch KontrollIllusion getragen wird, positive Ergebnisse, insbesondere durch eine Art self-fulfilling prophecy (-» Prophezeiung, sich selbst erfüllende). In der Attributionsforschung wird diskutiert, ob die hier aufgezählten A. (und andere) motivational erklärt werden können (z.B. durch die motivationale Tendenz der Selbstwertdienlichkeit) oder einen Mangel an korrekter Informationsverarbeitung reflektieren. Beide Erklärungen schließen sich im übrigen nicht aus. So wird z.B. eigener Erfolg internal attribuiert, Misserfolg dagegen external (z.B. der Situation angelastet). Auch wird bei Gruppenleistungen der eigene Anteil am Erfolg vielfach überschätzt. Auf kollektiver Ebene kann man auch von gruppen-
dienlicher Attribution (-> Identität, soziale).
sprechen
Attributionsstil Die Neigung einer P, im Rahmen der Attributionsdimensionen ganz bestimmte Attributionsmuster zu bevorzugen. So besteht z.B. eine Tendenz zu internen, stabilen und globalen Attributionen im Hinblick auf positive Ereignisse (starke internale Kontrolle); das gleiche Attributionsmuster fur negative Ereignisse (z.B. Arbeitslosigkeit, schwache Leistung) fuhrt eher zu gelernter -> Hilflosigkeit und zur Depression. Generell kann eine Neigung zu günstigen oder ungünstigen Attributionen bestehen, obgleich aus Gründen der Selbstwertdienlichkeit die erste Verhaltenstendenz motivational unterstützt wird. Attributionstheorien -* Attribution Attributionsdimensionen Trotz einiger Versuche zur Integration gibt es bis heute keine einheitliche A. Drei wichtige Ansätze können unterschieden werden: die naive Kausalanalyse von HEIDER (auf ihn geht das Attributionskonzept zurück), die Theorie der korrespondierenen Schlussf o l g e r u n g e n v o n JONES & DAVIS s o -
wie das Kovariationsmodell von KELLEY. Im erweiterten Sinn können auch zu den A. gezählt werden: die Gefühlstheorie von
SCHACHTER, d i e
attributionstheoretische Erweiterung der Theorie der -> Leistungsmotivation von WEINER, auch deren Ausweitung zu einer -* Emotionstheorie sowie das Prozessmodell der Motivationsattribution von DECI. Die
einflussreichste Theorie (wohl auch mit der größten Reichweite) ist die v o n KELLEY. 39
Attributionstheorien
Attributionstheorien
(1)Naive Kausalanalyse von HEIDER: Danach gibt es für den naiven Beobachter externe und interne Ursachen für wahrgenommenes Handeln. Die erstgenannten sind der Situation zuzuschreiben (person-externe Ursachen), die zweiten jedoch der Person (person-interne Ursachen). Letztere sind wiederum unterschieden in Wollen und Können. Ein bestimmtes Handlungsergebnis (z.B. Versagen) oder das Ausbleiben einer Handlung kann dann auf einen Mangel an Motivation (Bemühung, Anstrengung) oder auf einen Mangel an Fähigkeiten (Können, Begabung) zurückgeführt werden. Eine schlechte Bewertung entsteht dann, wenn ein bestimmtes Unterlassen oder Versagen auf einen Mangel an Wollen zurückgeführt wird, da das Können als relativ stabile Position anzusehen ist, die man nicht ändern kann und für die man im minderen Maße verantwortlich ist. Dieser Ansatz wurde später von WEINER weiterverfolgt
(—> Attributionsdimensionen). (2) Theorie
der
korrespondierenden
Schlussfolgerungen von JONES & DAVIS: Sie behandelt Schlüsse von
den Handlungsergebnissen auf die Absichten des Handelnden. Wann schließt man auf entsprechende Dispositionen (Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale) und wann kann man keinerlei solcher Rückschlüsse ziehen? (a) Ein erstes Kriterium ist die Wahlfreiheit des Beobachteten: Wenn der Eindruck besteht, P könnte gar nicht anders handeln (etwa aufgrund eines starken Situationsdrucks oder aufgrund einer Rollenverpflichtung), dann 40
sind keinerlei Schlüsse auf die besonderen Motive, Intentionen oder Persönlichkeitscharakteristika möglich. Erst dann, wenn P aus mehreren Handlungsalternativen wählen kann, sagt diese Wahl etwas über mögliche Beweggründe und Verhaltensdispositionen des Handelnden aus. (b) Das zweite Kriterium, das eng mit dem ersten zusammenhängt, ist die Wahrscheinlichkeit (Seltenheit) eines Handelns. Kommt ein bestimmtes Verhalten sehr häufig vor, so besagt es im allgemeinen wenig über den Akteur. Ist die Auftretenswahrscheinlichkeit jedoch gering, so sind recht spezifische Schlüsse über die Charakteristik von Pn möglich. (c) Ein drittes Kriterium sind die wahrgenommenen Konsequenzen für die beobachtete P. Besonders aussagekräftig sind spezifische Konsequenzen, deren Wert entweder als schwach positiv oder gar negativ eingestuft wird. Werden P negative Konsequenzen einer Handlung (z.B. oppositionelles Verhalten gegenüber dem Vorgesetzten oder die Berufswahl „Lehrer für Verhaltensgestörte") zugeschrieben, so werden daraus bestimmte Charaktereigenschaften abgeleitet, wie Standhaftigkeit, idealistische Einstellung. (d) Ein viertes Kriterium sind die Konsequenzen für den Beobachter (-»hedonistische Relevanz). Handlungen, deren Konsequenzen auch für den Beobachter von Bedeutung sind, werden eher beachtet und zur Urteilsbildung herangezogen (z.B. ein vom
Attributionstheorien
Attributionstheorien
Autofahrer verursachter Verkehrsunfall, bei dem der Beobachter selbst zu Schaden kam). TROPE u n t e r s c h e i d e t z u JONES &
in
Ergänzung
DAVIS z w i s c h e n
ein-
deutigen und mehrdeutigen Verhaltensweisen. Letztere werden mit Hilfe von situativen Reizen kategorisiert und interpretiert (z.B. Weinen in bestimmten Situationen). Außerdem betont TROPE, dass Dispositionszuschreibungen von früheren Informationen (Erfahrungen) beeinflusst werden, die zu ganz bestimmten Erwartungen fuhren. Dieser Einfluss von Erwartungen ist bei mehrdeutigen Verhaltensweisen bedeutsamer. (3) Kovariationstheorie
(KELLEY):
W ä h r e n d d i e T h e o r i e n v o n HEIDER u n d JONES & DAVIS e h e r d i e
Zu-
schreibung von Verantwortung bes c h r e i b e n , g e h t e s b e i KELLEY
im
engeren Sinn um Ursachen-Attribution. Die Kovariationstheorie hat die größte Reichweite und betrifft sowohl die Fremd- als auch die Selbstwahrnehmung. Auch werden nicht nur Ursachen von Handlungen thematisiert, sondern auch Ursachen von Ereignissen. Die tragenden Prinzipien der Theorie sind das Kovariationsprinzip und das Konfigurationsprinzip. Ersteres bedeutet folgendes: Ein naiver Beobachter fuhrt ein Ereignis auf die Ursache zurück, mit der das Ereignis mit der Zeit kovariiert. Der Beobachter stellt Kovariationen und Korrelationen fest und interpretiert diese als Kausalbeziehungen. Ausgangspunkt von Kausalüberlegungen sind: Beobachtungen des Verhaltens einer
bestimmten P gegenüber einem bestimmten Objekt zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein Ereignis E besteht aus einem Verhalten (Reaktion) der Person Pi gegenüber Objekt Sj zum Zeitpunkt tk (z.B. A beschimpft B). Neben dem Ereignis selbst werden drei Informationsarten zur Attribution benötigt: (a) Konsensus: Verhalten sich viele oder wenige Pn gegenüber Sj so wie P ? (hoher Konsensus, wenn B von vielen Pn beschimpft wird); (b) Distinktheit: Verhält sich Pi gegenüber vielen oder wenigen Objekten so wie bei Sj ? (hohe Distinktheit, wenn A nur B und nicht viele andere Pn beschimpft); (c) Konsistenz: Hat sich P, gegenüber Sj öfter so verhalten wie zur Zeit tk ? (hohe Konsistenz, wenn A häufig auf B schimpft). Die folgende Tabelle zeigt, welche Informationsmuster zu welchen Attributionen fuhren: Konsensus
hoch
gering
gering
Distinktheit
hoch
gering
hoch
Konsistenz
hoch
hoch
gering
Stimulus
Person Umstände
Sofern Defizite hinsichtlich der Informationen vorliegen, greift das Konfigurationsprinzip.
KELLEY
be-
hauptet, dass in diesem Falle auf kausale -*Schemata zurückgegriffen wird. Darunter versteht man gelernte Annahmen für die möglichen Ursachen eines bestimmten Ereignisses: Ergänzungs-Schemata, die der sinnvollen Ergänzung unvollständi41
Attributionstheorien
ger Informationen dienen, soweit eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Liegt z.B. neben dem Ereignis die Information „hoher Konsensus" vor, dann wird es eher zu einer Stimulus-Attribution kommen. Wenn eine Teilinformation zu mehreren Informationsmustern passt, dann kann das Ereignis gleichzeitig auf alle Ursachen zurückgeführt werden. Die betreffenden Schemata beruhen auf Lernprozessen, Meinungsbildung durch Kommunikation sowie auf früher durchgeführten vollständigen Attributionsprozessen. Die wichtigsten Prinzipien bei der Wahl kausaler Schemata sind das Aufwertungsprinzip und das -* Abwertungsprinzip.
Aufmerksamkeit (1983). Attribution - theory and research. London. JONES, E.E. & DAVIS, K.E. (1965). From acts to dispositions: The attribution process in person perception. In: Berkowitz, L. (ed.) (1965). Advances in experimental social psychology. New York, 219-266. KELLEY, H.H. (1972). Attribution in social interaction. In: Jones, E.E. et al. (eds.) Attribution: Perceiving the causes of behavior. Morristown /N.J., 1-26. KELLEY, H.H. (1972). Causal schemata and the attribution process. In: Jones, E.E. et al. (eds.) Attribution: Perceiving the causes of behavior. Morristown/N.J., 151-174. MEYER, W.U. & FÖRSTERLING, F. (32001). Die Attributionstheorie. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. 1, Bern u.a., 175-214. WEARY, G. et al. (1974). Attribution. N e w York
1989. WEINER, B. (ed.)
(1974). Achievement motivation and attribution theory. Morristown/N.J.
Aufmerksamkeit Der Hinweis auf solche kausalen Schemata, die wie -* Heuristiken wirken, bewahrt die Attributionstheorie vor dem Vorwurf, eine kognitive Theorie zu sein, die einen komplexen Informationsverarbeitungsprozess impliziert, der jedoch im Alltagshandeln selten aktiviert wird. Das Modell von KELLEY hat insofern weitgehend Idealcharakter, so dass die Mehrheit der Handlungen aus einer Mischung von Schlussfolgerungen und der Anwendung kausaler Schemata bestehen dürfte. Diesbezügliche Weiterentwicklungen stamm e n v o n HEWSTONE & JASPARS, d i e
darlegen, wie Beobachter Kovariation analysieren können, ohne im Kopf eine Varianzanalyse durchführen zu müssen. Lit.: HERKNER, W . (1980). Attribution. Psy-
chologie der Kausalität. Bern u.a. HEWSTONE, M. (1989). Causal attribution: From cognitive processes to collective beliefs. Oxford u.a. JASPARS, F.D. et al. (eds.) 42
Fähigkeit, bestimmte Ausschnitte von Stimuli zu beachten, andere jedoch nicht zu beachten (selektive Funktion), was meist mit mobilisierenden, intensivierenden Wirkungen verbunden ist (aktivierende Funktion). Anwendungen in der SP betreffen vor allem: (a) Zwei-Prozess-Theorien (z.B. -* ELM, Trennung zwischen automatischer und kontrollierter Informationsverarbeitung); (b) Hypothesengesteuerte Aufmerksamkeit (—• Hypothesentheorie der Wahrnehmung)-, (c) Schema-Theorie, wobei -»Schemata oft Leerstellen enthalten, die mit schemageleiteter Aufmerksamkeit gefüllt werden; (d) Theorie der -* Selbstaufmerksamkeit, wobei das eigene Selbst (-Konzept) Gegenstand der Reflexion wird. Auch wird das Nachdenken über bestimmte Einstellungen der Aspekte dieser Einstel-
Aufwertungsprinzip
Austausch
lungen zu differentieller A. fuhren; (e) Attributionsdifferenzen zwischen Beobachtern und Akteuren werden auch durch Aufmerksamkeitseinfliisse verursacht; (f) Modell-Lernen: in BANDURAS Theorie ist A. der wichtigste Aspekt der Betrachtung einer Modell-Person. Sie hängt u.a. ab von der Auffälligkeit, vom Grad der Sympathie, von der Komplexität des Verhaltens und von der Instrumentalität des Verhaltes für den Beobachter. Aufwertungsprinzip Vergrößerungsprinzip principle).
(augmentation
Wenn für ein Ereignis sowohl eine plausible behindernde als auch eine plausible begünstigende Bedingung vorliegt, wird die Rolle der förderlichen Ursache höher eingeschätzt (z.B. wenn ein Verhalten trotz größerer Widerstände durchgeführt wird, dann wird auf eine starke Disposition geschlossen, -> Attribution). Augmentation principle wertungsprinzip
Auf-
Ausgleichende Gerechtigkeit -> Gerechtigkeit Aushandeln Verhandlungen Der Begriff A. (negotiation, bargaining) zielt auf eine Teilklasse des -* Austauschs, wobei die Austauschergebnisse einem Verhandlungsprozess (-» Verhandlungen) unterliegen. Das Konzept ist in verschiedenen Paradigmen angesiedelt: (a) als ökonomische Variante, in der eine Art Marktmodell zur Anwen-
dung gelangt (z.B. die Bestimmung des Rollenpreises in sozialen -* Rollen oder die Beachtung bestimmter Verhandlungsstrategien zur Ergebnisoptimierung); (b) als spieltheoretische Variante, in der bestimmte Spielsequenzen zu kooperativem oder nicht-kooperativem Verhalten führen; (c) in der symbolisch-interaktionistischen Variante (-* symbolischer Interaktionismus) als „negotiated order approach", in dem weniger die Ergebnisse, sondern Normen, Regeln und Rollen ausgehandelt werden. Gemeint ist das Einspielen und Ausbalancieren von Interaktionsverhältnissen im Rahmen solcher Interaktionsbeziehungen bzw. Rollen, die nicht durch Rollenfestlegung bereits vorprogrammiert sind. Ausländer-Effekt Bezeichnet die Tendenz, die Gesichter von Pn anderer ethnischer Gruppen kaum unterscheiden zu können (z.B. das Empfinden, alle Chinesen sehen irgendwie gleich aus). Dieses Phänomen kann durch den FremdgruppenHomogenitäts-Effekt erklärt werden (Tendenz, Fremdgruppen-Angehörige als ähnlich bzw. homogen wahrzunehmen). Aussagenqualität -*• Argumentqualität Austausch Als A. wird bezeichnet: gegenseitige Darbietung von Leistungen materieller und immaterieller Art (-»Reziprozität). Insbesondere in der Soziologie SlMMELs sowie in der kulturanthropologischen Forschung (MAUSS, 43
Austauschtheorien
Austauschforschung MALINOWSKY) w u r d e die Bedeutung
von Austauschprozessen für die Stabilisierung sozialer Beziehungen nachgewiesen. Ein Netz von direkt oder indirekt miteinander verflochtenen Austauschbeziehungen wird als Austauschsystem bezeichnet. Das Austauschparadigma wird sowohl in der Soziologie, der Psychologie und der Ökonomie verwendet. In letzterem Fall beschränkt sich der Austausch auf geldwerte Güter, während die psychologischen Austauschmodelle auch den A. von Gefühlen (z.B. Liebe oder Respekt) zulassen. (-> Austauschtheorien -* Interaktionstheorien —• Ressourcentheorie der Interaktion —• Interdependenztheorie).
Austauschforschung Sammelbegriff für sozialwissenschaftliche (auch sozialpädagogische) Untersuchungen zu besserer interkultureller Kommunikation und Fremdverstehen (—• Sozialpsychologie, interkulturelle). Dieses Tätigkeitsfeld ist vor allem im Hinblick auf die Globalisierungstendenzen (z.B. internationale Kooperation, Unternehmenszusammenschlüsse) sowie die Aktivitäten des internationalen Marketing und des internationalen Managements von besonderer Bedeutung. Zentrale Untersuchungsgegenstände sind: Kommunikationsstörungen (auch z.B. durch das Zusammentreffen verschiedener Sprachen), Störungen der sozialen Identität, das Bestehen von nationalen Vorurteilen usw.; jedoch auch: die Förderung von -* Synergie-Effekten, Lern- und Reifungsgewinne, nationales Verständnis, Aufgeschlossenheit und Toleranz (world-mindedness).
44
Austauschorientierung MURSTEIN et al. postulieren eine diffe-
renzielle Neigung, Interaktionen nach dem Prinzip des -* Austauschs zu betrachten. Bei hoher A. ist die Zufriedenheit in einer sozialen -* Beziehung abhängig von der Proportionalität der Einsätze beider Beziehungspartner. Die A. kann situativ unterschiedlich sein (hoch z.B. bei Geschäftsbeziehungen, niedrig bei intimen Partnerschaften). A. kann jedoch auch als Persönlichkeitsmerkmal verstanden werden (letzteres betont MURSTEIN).
Austauschtheorien Zu unterscheiden sind inhaltsbezogene und prozessbezogene A. (1) Inhaltsbezogene A. lenken die Aufmerksamkeit auf die Inhalte des Austauschs und sich daraus ergebende Austauschwahrscheinlichkeiten. Der wichtigste diesbezügliche Ansatz ist die -* Ressourcentheorie von FOA & FOA, wobei Interaktion als Geben und/oder Vorenthalten bzw. Wegnehmen von materiellen oder symbolischen Ressourcen verstanden wird. Die sechs Ressourcenklassen (Liebe, Status, Information, Geld, Güter und Dienste) lassen sich nach ihrer Konkretheit und nach ihrer Universalität ordnen. In einem zweidimensionalen Bezugssystem bilden die einzelnen Ressourcenklassen eine kreisförmige Konfiguration. Geld und Liebe finden sich im mittleren Bereich der Konkretheitsdimension an den gegenüberliegenden Enden der Universalitätsdimension. Zentral ist nun die Annahme, dass, je näher zwei Ressourcen in der Konfiguration der Belohnungen zueinander sind, sie
Austauschtheorien
umso eher ausgetauscht werden. Geld gegen Liebe auszutauschen ist daher eher unwahrscheinlich, während Dienstleistungen mit Gütern oder Status mit höherer Wahrscheinlichkeit ausgetauscht werden. In der Wirtschaftspsychologie ist v.a. die Nähe der jeweiligen Ressourcen zum -»• Geld als symbolischem Interaktionsmedium untersucht worden. (2)Prozessbezogene A. fassen soziale Interaktion als interpersonellen Austausch von Belohnungen und Strafreizen (auch Kosten) auf. Diese Konzepte sind kompatibel oder anschlussföhig an lerntheoretische Vorstellungen, obgleich sie meist nicht explizit daraus abgeleitet sind (Ausnahme HOMANS, der sich auf SKINNER beruft). Auch ergibt sich eine gewisse Nähe zu nutzentheoretischen und spieltheoretischen Ansätzen (z.B. b e i THIBAUT & KELLEY, die
eine Art „ökonomischen" Ansatz entwickelten). (3) Die Exchange-Theorie von HOMANS ist eine (unzulängliche) Anwendimg der Theorie SKINNERS auf die Interaktionsproblematik, die zum Teil falsifizierte Hypothesen enthält und wenig über den Austauschprozess selbst aussagt. Vor allem bleibt das grundlegende Problem der Interdependenz und der Kooperation in HOMANS' Fassimg der A. ungeklärt. EMERSON sowie BLAU legen Austauschmodelle vor, die das Entstehen sozialer -* Macht erklären. Nach diesen Vorstellungen besteht Macht durch eine asymmetrische Interaktion, wobei die Macht von A über B der Abhängigkeit (dependence) des B von A entspricht. Unbalancierte
Austauschtheorien
Relationen bedeuten ungleiche Tauschbeziehungen, zu denen es immer wieder dann kommt, wenn einige Individuen (Gruppen) zunehmend abhängig von anderen werden, weil sie zur Erreichung ihrer Ziele auf die Mitwirkung anderer angewiesen sind. Jemandem, der die Mittel nicht hat, um den anderen für seine Dienste zu entschädigen, der aber auch nicht bereit ist, auf seine Wünsche zu verzichten, und zugleich nicht in der Lage ist, sie in anderen Beziehungen einzulösen, bleibt nur die Möglichkeit, sich dem anderen unterzuordnen, ihm Respekt zu erweisen, dessen Wünsche zu erfüllen usw. Diese Grundvorstellungen von BLAU und EMERSON sind insbesondere von COLEMAN im Rahmen der Soziologie weiterverfolgt worden. (4) Die sp wichtigste Austauschtheorie stammt von THIBAUT & KELLEY. Sie befasst sich mit den Austauschergebnissen von Interakteuren und deren Anstrengungen, gemeinsam mit anderen (oder auf Kosten anderer) zu maximalen oder befriedigenden Interaktionserträgen zu gelangen. Die Besonderheit dieser Theorie besteht u.a. in der Einbeziehung von Vergleichsniveaus, die einmal aus der individuellen Erfahrung resultieren, zum anderen auf andere Bezugspersonen ausgerichtet sind (-» Vergleichsniveau), sowie auf ein -* Vergleichsniveau fiir Alternativen (das die Chancen des Individuums außerhalb der fokalen Interaktionsbeziehung repräsentiert). Ein Individuum wird demnach eine soziale Beziehung (etwa ein Arbeitsverhältnis, eine Paarbeziehung) aufrechterhalten, wenn bisherige Erfahrungen in 45
Austauschtheorien
dieser Beziehung zu Netto-Belohnungen führten, wenn das Individuum perzipiert, dass relevante Vergleichspersonen auch nicht besser gestellt sind, und wenn alternative Möglichkeiten anderweitiger Interaktionen nicht in Sicht sind. Dies erklärt u.a., warum Individuen oftmals auch nicht zufriedenstellende Interaktionsbeziehungen aufrechterhalten: weil nämlich das Vergleichsniveau für Alternativen noch ungünstiger wäre. Die Handlungsmöglichkeiten der Partner sind in einer Ergebnismatrix (Auszahlungsmatrix) festgehalten, in der für jede Handlungskombination Belohnungen und Kosten der Interaktionspartner eingetragen werden. In diese Ergebnismatrix gehen ein: die individuellen Präferenzen, also das, was jeder für sich gerne tun würde, die besonderen Erträge und Kosten, die dadurch zustande kommen, dass bestimmte Aktivitäten gemeinsam unternommen werden sowie altruistische Transformation, d.h. der zusätzliche Gewinn, der daraus resultiert, dem anderen einen Gefallen zu erweisen.
Austauschtheorien
trolliert also vollkommen die Ergebnisse von P; (b) als Verhaltenskontrolle: Wenn O Alternative Oi wählt, dann erbringt Pi für P negative, P2 jedoch positive Ergebnisse. Wenn O jedoch 0 2 wählt, dann ist es umgekehrt: Pj erbringt positive, P2 negative Ergebnisse. O kann demnach das Verhalten von P kontrollieren, aber es besteht keine „Schicksalskontrolle"; (c) Ein häufiger Fall ist die gegenseitige Ergebniskontrolle, die u.U. gegenseitige Verhaltenskontrolle entstehen lässt (vgl. Abb.). 0 2 ist für P und P2 für O unangenehm; die Partner können sich gegenseitig bestrafen oder belohnen. Alternative 1 (linker Rand) ergibt für beide Partner positive Ergebnisse. Durch gegenseitige Verstärkungsprozesse oder auch durch „Aushandeln" kann es u.U. zu einer Stabilisierung der Interaktionsmuster kommen, die für beide Partner zufriedenstellend sind (jedoch nicht unbedingt für einen der Partner maximale Ergebnisse erbringen). p
D i e T h e o r i e v o n THIBAUT & KELLEY
betont die wechselseitige Abhängigkeit der Interaktionspartner. Interaktiver Einfluss kann auf dreifache Weise ausgeübt werden: (a) als -»Ergebniskontrolle: Wenn O Verhalten Oi wählt, dann ist das Ergebnis für P positiv, gleichgültig, welche Verhaltensweise P wählt. Wenn O jedoch O2 wählt, dann ist das Ergebnis für P negativ, unabhängig davon, welche Wahl P trifft. O kon46
o
1
o
Ergebniskontrolle
Austauschtheorien
Austauschtheorien
p
i
o
ein (z.B. kooperative und altruistische Transformation). Auf diese Weise wird es möglich, den Anwendungsbereich der Theorie auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen bewusst Abstriche am Eigennutzprinzip gemacht werden.
p
2
1
o
Gegenseitige Ergebniskontrolle
P
O
( 5 ) D i e A . v o n KELLEY &
THIBAUT
differenziert auch verschiedene Typen von Interaktionskonflikten: Konflikte, die aus unterschiedlichen Präferenzen (Einstellungen) der Interaktionspartner resultieren, Konflikte, die auf einem zu geringen Gemeinsamkeitsanteil der Präferenzen basieren, Konflikte, die sich aus der Unvereinbarkeit (Interferenz) von Sets (organisierte Verhaltenssequenzen) ergeben sowie Konflikte, die aus fehlender altruistischer Transformation durch die jeweiligen Interaktionspartner resultieren (-»Interdependenztheorie). Die Interdependenztheorie ist eine Weiterentwicklung dieser A. Letztere geht im Wesentlichen vom Prinzip des Eigennutzes aus, berücksichtigt demnach vorwiegend eigene Interessen (-> Reziprozität). KELLEY & THIBAUT fuhren in ihrer neuen Theorie das Prinzip der Transformation
(6) Eine weitere wichtige Ergänzung (und Vereinfachung) der hier skizzierten Theorie bietet das Investment-Modell von RUSBULT. Nach dieser Autorin hängt die Einbindung in eine soziale Beziehimg nicht nur von den augenblicklichen Kosten und Erträgen dieser Beziehung ab, sondern zusätzlich von den bisherigen Investitionen in diese Beziehung. Neben der Zufriedenheit als Differenz zwischen dem Nutzen und den Kosten der Beziehung ist die Bindimg innerhalb dieser Beziehung {-* Commitment) zusätzlich abhängig von allen bisherigen Investitionen in diese Beziehung, abzüglich des antizipierten Nutzens der besten zur Verfügung stehenden Alternative (Opportunitätskosten). Die Einbeziehung von Investitionen kann dissonanztheoretisch im Sinne einer „Rechtfertigung des Aufwandes" interpretiert werden. Lit.: BLAU, P.M. (1964).
Exchange
and
power in social life. New York. CROTT, H. (1979). Soziale Interaktion und Gruppenprozesse. Stuttgart. FOA, U.G. et al. (eds.) (1993). Resource theory. Exploration and applications. San Diego. HOMANS, G.C. (1958). Social behavior as exchange. American Journal of Sociology, 63, 597-606. KELLEY, H.H. & THIBAUT, J . W . (1978).
Interpersonal relations. A theory of interdependence. N e w York. MIKULA, G. (1985).
Psychologische Theorien des sozialen Austausches. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) (1985). Theorien der Sozialpsychologie. Bd. II, Bern u.a., 273-305. THIBAUT, J.W. & 47
Autistische Feindseligkeit KELLEY, H.H. (1959/ 2 1986).
Automatismen The social
psychology of groups. New York.
Autistische Feindseligkeit Bei verschlechterten sozialen Beziehungen sowie verstärkt kompetitiver Haltung der Interakteure werden kommunikative Prozesse verarmt oder abgebrochen; man spricht nicht mehr miteinander. Dieser Kommunikationsabbruch fuhrt zur A., indem eine Lösung von sozialen -* Konflikten nur noch durch „Stärke" möglich erscheint. Dies gilt für dyadische Beziehungen ebenso wie für -»Intergruppen-Konflikte, bis hin zur NationEbene.
Autokinetisches Phänomen Bewegungstäuschung, wobei ein stationärer Lichtpunkt in einem abgedunkelten Raum ohne jede weitere Orientierungshilfe dargeboten wird. Dieser Punkt scheint sich bei näherer Betrachtung zu bewegen. In der SP wurde das A. im Rahmen eines Konformitätsexperiments (—• Exp. 25 -* Konformität) benutzt. Die Vpn sollten schätzen, in welchem Ausmaß sich der Lichtpunkt bewegt, wobei sie im Einzelversuch sehr unterschiedliche Urteile abgaben. Anschließend hatten die Vpn ihre Urteile in Gruppen abzugeben, und zwar laut und öffentlich, so dass wechselseitig Kenntnis der anderen Urteile vorlag. Hierbei zeigte sich eine starke Tendenz zur —• Konvergenz (Unifikation) der Urteile, deren Bandbreite entsprechend enger wurde. Das Experiment gilt als Nachweis eines Konformitätseffektes. Für SHERIF stellt der Versuch eine Erklärung für das Zustandekommen sozialer -* Normen dar. Allerdings dürfte es sich hier lediglich um einen 48
bestimmten Normtyp handeln, der bei Fehlen physischer Realität gegeben ist (Orientierungsnorm im Sinne der Schaffung sozialer -»Realität). Das Verhalten der Vpn entspricht im übrigen den Voraussagen von FESTINGERS
Theorie zesse.
sozialer
-»• Vergleichspro-
Autokratie, autokratisch Auf das System bezogen bedeutet A. eine Gruppe oder Nation, in der autoritäre Haltungen in besonderer Weise ausgeprägt sind. Auf die Person bezogen: eine P (oder ein Verhaltensstil) gilt als autokratisch, wenn Anordnungsbefugnisse einerseits und Gehorsamspflichten andererseits dominieren (-> Autoritarismus).
LEWIN
unter-
suchte in seinen klassischen Studien zur Sozialisation die Auswirkungen eines autokratischen, demokratischen und „laissez-faire" -* Führungsstils. Die Ausprägung des autokratischen Verhaltensmusters war hierbei allerdings schroff-autokratisch (autoritär).
Automatismen Verkürzte Form der -* Informationsverarbeitung, die ohne bewusste Kontrolle stattfindet. Nach SCHNEIDER & SHIFFRIN kann zwischen kontrollierten und automatischen Prozessen der Informationsverarbeitung unterschieden werden. Nach BARGH unterliegt die Automatik folgenden Kriterien: Schnelligkeit des Ablaufs, wenig Aufmerksamkeit, nicht intendiert, nicht zielorientiert, nicht willkürlich, ohne Bemühung und Anstrengung, autonom und ohne Reflexion sowie ohne bewusste Zuwendung. Die Unterscheidung zwischen kontrollierten und automatischen Informationsverarbeitungsprozessen konvergiert mit ande-
Autonomie
ren Konzepten, zum Beispiel dem -* ELM von PETTY & CACIOPPO sowie der Unterscheidung zwischen aufsteigender und absteigender Informationsverarbeitung (vgl. FISKE & TAYLOR). Aufsteigende Informationsverarbeitung wird auch als datengesteuerte Informationsverarbeitung bezeichnet. Im Übrigen geht man davon aus, dass ein Großteil menschlicher Reaktionen auf A. gründet, die von kognitiver Anstrengung entlasten und damit eine positive Funktion für die Daseinsbewältigung haben. So zeigt CLALDLNI eindrucksvoll, dass viele Formen sozialen -* Einflusses auf sog. „short cuts" beruhen. Auch werden aufgrund bestimmter Reize gleichfalls automatisch bestimmte -+ Schemata aktiviert. Dies lässt sich insbesondere auch für die ersten Stadien der Eindrucksbildung zeigen. Elementare Lernprozesse, wie instrumenteile und klassische -* Konditionierung, laufen gleichfalls automatisch ab. Auch die Bildung von -*• Gewohnheiten (Habitualisierung) hat gewisse Ähnlichkeiten mit Reaktionsautomatismen.
Autonomie In der Bedürfnisforschung Bezeichnung für die Möglichkeit, eine Sache (z.B. eine Aufgabe) ohne Abhängigkeit (bzw. Fremdbestimmung) zu betreiben. Das A.-Streben spielt insbesondere in der -* Arbeitspsychologie unter den Aspekten der Handlungsautonomie sowie des -* Handlungsspielraums eine Rolle. Bei relativ selbständig und ohne hierarchische Struktur arbeitenden Gruppen spricht man auch von teilautonomen Arbeitsgruppen.
Autorität
Autonomie, funktionelle Nach ALLPORT werden Motive oder Motivsysteme im Laufe der Zeit unabhängig von dem Primär-Motiv, das sie ursprünglich entstehen ließ. Motive fuhren daher eine Art Eigenleben (-> Motiv —> Motivation).
Autopoiesis Aus
der B i o l o g i e
(MATURANA u n d
VARELA) entlehnter Begriff, der auf die Selbsterhaltung eines Systems (z.B. der menschlichen Zelle) durch Rückbezug jeder Operation auf sich selbst (Selbstreferenz) zielt. Der A.Gedanke ist insbesondere von LUHMANN (wahrscheinlich unzulässig) auf soziale Systeme übertragen worden. Gelegentlich wird dieser Gedanke auch seitens einer systemtheoretisch arbeitenden Psychologie aufgegriffen. Das Gesamtkonzept ist jedoch umstritten. Autoritäre Persönlichkeit -»• Autoritarismus
Autorität Bezeichnung für einen als rechtmäßig (legitim, legal) anerkannten Einfluss einer sozialen Instanz (Person, Gruppe, Institution). Nach MAX WEBER ist A. der Ausdruck legitimer Herrschaft (->• Macht, soziale). Es werden unterschieden: formelle und informelle A., natürliche und abstrakte A., professionelle A., funktionale A. sowie A. durch Amt bzw. Position (Amts-A. bzw. Positions-A.) oder durch Kompetenz, Wissen oder Erfahrung. Im Bereich der Führungsforschung wird häufig nach ähnlichen Kriterien unterschieden: „headship" im Sinne der formalen Positions-A. sowie „leadership"
49
Autoritätsstruktur
im Sinne der tatsächlichen Ausübung von Führungsaktivitäten.
Autoritätsstruktur Die Form der Verteilung der Anweisungsbefugnisse und Gehorsamspflichten einer Gruppe oder einer Organisation (-> Hierarchie von Positionen —>• Machtstruktur).
Autoritarismus Bezeichnet ein Persönlichkeitsmerkmal bzw. eine generalisierte Einstellung, die (nach ZICK) rigide, konservative und dogmatische Komponenten enthält. (1) Ältere Ansätze: ADORNO et al. postulieren, dass die psychischen Wurzeln des Autoritarismus in spezifischen Sozialisationsmustern der frühkindlichen Erziehung liegen. Danach haben autoritäre Pn strenge und bestrafungsorientierte Eltern, die unrealistische Forderungen stellen. In einer Umwelt, die als gefahrlich und feindlich angesehen wird, glauben sie sich lediglich sicher, wenn sie sich den Konventionen angepasst verhalten und fordern, dass die anderen dies auch tun. Normabweichende Pn werden gehasst; sie sind Objekt von sozialen Vorurteilen und — Dogmatismus. Sie unterwirft sich (durch Gehorsam und Respekt) Autoritäten oder Machthabern, übt jedoch andererseits Macht gegenüber Unterlegenen aus. Das hier vorliegende Einstellungssyndrom (Konformitätsbereitschaft, Tendenz zur Unterwerfung unter 50
Autoritarismus
Stärkere, zur Beherrschung Schwacher, Intoleranz, Dogmatismus, Ethnozentrismus etc.) korreliert mit politisch-reaktionären und konservativen Auffassungen sowie mit geringem sozio-ökonomischen Status, speziell niedrigem Bildungsgrad. Die theoretische Basis dieser Forschungsinitiative liefert die psychoanalytisch geprägte Sozialisationsforschung. Die empirische Basis stellt die sog. -> F-Skala dar (F für Faschismus), die insbesondere beim Studium sozialer —• Vorurteile verwendet wurde. Diese Ausgangskonzepte wurden heftig kritisiert (vgl. BROWN, ROGHMAN, WITTE). Auch hat sich die zentrale These, wonach sich elterliche Disziplin und Strenge auf die ethnozentrische Haltung auswirke, nicht bestätigen lassen (EPSTEIN & KOMORITA). DOTY et al.
haben übrigens aufgezeigt, dass die Wurzeln der A. in sozialen Härten begründet sein könnten, die insbesondere durch ökonomische Restriktionen entstehen (geringes Einkommen, Arbeitslosigkeit). Auch dürften Kontextfaktoren, z.B. Mitgliedschaft in autoritären Institutionen oder in Gruppierungen mit starkem ->• Gruppendenken hier eine bedeutsame Rolle spielen, so dass es angebracht ist, die Entstehung einer A. nicht lediglich auf frühkindliche Sozialisationsprozesse zurückzuführen. (2) Neuere Ansätze: ALTEMEYER entwickelt eine neue Definition des A.Konstruktes auf der Basis aufwändiger empirischer Untersuchungen. Drei Merkmale stehen im Vordergrund:
Autoritarismus (a) Autoritäre Unterwürfigkeit (unter Autoritäten, die als etabliert und legitim angesehen werden); (b) Autoritäre Aggression (wobei angenommen wird, dass bestimmte Formen und Ziele der Aggression von den Autoritäten gebilligt wird); (c) Konventionalismus (starkes Festhalten an den von den Autoritäten bejahten sozialen Konventionen). OESTERREICH ersetzt den Begriff des A. durch das Konzept der „autoritären Reaktion". Danach werden bestimmte Pn dann aggressiv, wenn Autoritäten ihnen aggressives Verhalten befehlen, wenn eine sanktionslose Bestrafung von als bedrohlich perzipierten sozialen -> Minderheiten möglich erscheint, und wenn die autoritäre Reaktion einer Flucht in die Sicherheit nicht möglich erscheint, man gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand steht. Einen weiteren neuen Ansatz zur A.Forschung bildet die Theorie der sozialen —• Dominanz. Sie beschreibt die individuelle Bewertung nichtegalitärer und hierarchisch strukturierter Beziehungen zwischen sozialen Gruppen. Gruppenbasierte Hie-
Aversiver Reiz rarchien werden durch verschiedene Diskriminierungsprozesse produziert und stabilisiert, die durch sie begleitende „Mythen" (z.B. Fundamentalismus, Vorurteile) legitimiert werden. Lit.: ALTEMEYER, B . (1996). T h e A u t o r i t a r i -
an Specter. Cambridge/MA. ADORNO, T.W. et al. (1950). The authoritarian personality. N e w Y o r k . OESTERREICH, R . (1996). F l u c h t
in die Sicherheit - Zur Theorie der autoritären Reaktion. Opladen. SIDANIUS, J. & PRATTO, F . ( 1 9 9 9 ) . Social d o m i n a n c e . C a m b r i d g e . ZICK, A . (1997). V o r u r t e i l e u n d
Rassismus. Eine sozialpsychologische Analyse. Münster.
Autostereotyp Bezeichnet die relativ starre und stark vereinfachte Form, sich selbst oder die eigene -* Bezugsgruppe einzuschätzen (-» Selbstkonzept -* Stereotyp). Aversiver Reiz Hier handelt es sich um einen Strafreiz im Sinne der Lerntheorie (instrumenteile Konditionierung). Es besteht eine Verhaltenstendenz, aversive Reize zu meiden (-» Vermeidungslernen). Die Konditionierung durch aversive Reize ist daher problematisch (-»• Bestrafung).
51
Balance-Index
Balancetheorie
B
Balance-Index Maßzahl zur Bestimmung des kognitiven Gleichgewichts eines Systems (->• Balancetheorie).
Balancetheorie Die B. von HEIDER (1946, 1959) ist
eine der Theorien kognitiven Gleichgewichts (-• Konsistenztheorien). (1) Bei der Analyse dieses Gleichgewichts sowie des Mangels an Gleichgewicht unterscheidet HEIDER zwischen zwei Arten von Beziehungen. Die einen betreffen die Bildung der Kognitionseinheiten (Einheitsrelationen), die anderen die Bildung positiver oder negativer Gefühle (Wertrelationen). Einheitsrelationen zwischen Personen oder Objekten entstehen dann, wenn diese in bestimmter Weise miteinander verbunden sind, z.B. durch Urheberschaft, Täterschaft, Ähnlichkeit, Nähe, Besitz. Wertrelationen entstehen zwischen einem Individuum und anderen Pn (oder Objekten) immer dann, wenn dieses Individuum die P oder Objekte liebt, schätzt, billigt oder nicht liebt, nicht schätzt, nicht billigt. (2) Axiome und Hypothesen der Theorie: Die grundlegende These der Theorie lautet insofern: Ein Mangel an kognitivem Gleichgewicht ruft in einer Kognitionseinheit die Tendenz hervor, das Gleichgewicht - s e i es durch die Änderung der Gefühle und Wertungen oder durch die Änderung des Bereichs der Kognitionseinheit (z.B. Distanzierung)- wiederherzustellen. Dabei hat die Wiederherstel-
52
lung des Gleichgewichts belohnenden Charakter. Die deduktive Struktur der Theorie kann wie folgt verdeutlicht werden. Bei Beziehungen zwischen zwei Kognitionen gilt folgendes Axiom: Eine Beziehung zwischen zwei Kognitionen ist balanciert (unbalanciert), wenn die Relationen gleiches (ungleiches) Vorzeichen haben. Die Hypothese lautet: Es besteht eine Verhaltenstendenz dahin, dass die zwischen zwei Kognitionen bestehenden Beziehungen gleichartig sind (gleiches Vorzeichen haben). Als (lerntheoretische) Begründung mag gelten, dass Objekte, die positive und negative Aspekte aufweisen, zu -* Appetenz-Aversions-Konflikten führen, die nach Auflösimg drängen. Eine weitere Hypothese besagt: Es besteht eine Verhaltenstendenz zur Umformung nicht-balancierter Strukturen in balancierte. Als (gestaltpsychologische) Begründung mag gelten: Balancierte Strukturen sind konfliktfrei, werden als angenehmer empfunden und besser gelernt. Balancierte Triaden (a-d)
Balancetheorie
Balancetheorie
Unbalancierte Triaden (e-h)
O
~~—+. X
O
—• X
O
—>• X
O
X
In der empirischen Forschung wurden die Verhaltenstendenzen überwiegend bestätigt; allerdings sind die Effekte unterschiedlich stark ausgeprägt (vgl. die ausfuhrliche Darstellung bei STROEBE 1980). (3) Erweiterungen der B.: Es gibt etliche Modifizierungen der B. Da die Theorie nur auf höchstens drei Relationen anwendbar ist, formulieren CARTWRIGHT & HARARY eine Theorie für mehr-elementige Kognitionen. Ermittelt wird dabei ein Balance-Index für die Gesamtstruktur. HEIDERS Theorie berücksichtigt überdies nicht die Stärke der Relationen, stellt also eine Entweder-oderKonzeption dar. Die -*• Kongruitätstheorie behandelt die Richtung und das Ausmaß von Änderungen aller beteiligten Kognitionen. Die B. behandelt ferner die Beziehung zwischen Pn (A-B) und zwischen Pn und Objekten (AX und BX). NEWCOMBS ABX-Modell behauptet die Dominanz der A-B-Relation. HEIDERS Theorie sagt im Übrigen wenig aus, in welcher Weise unbalancierte Strukturen geändert werden. Hierzu gibt es drei Vorschläge: (a) das
-* Positivitätsprinzip
von
den bevorzugt, bei denen die Anzahl der positiven Relationen erhöht wird); (b) das Ökonomie-Prinzip von ROSENBERG & ABELSON (Solche Veränderungen werden bevorzugt, die den geringsten kognitiven Aufwand erfordern); (c) das Polarisationsprinzip von TANNENBAUM
(Die
am
we-
nigsten polarisierte Relation wird geändert). (4) Anwendungen der B.: Balancetheoretische Überlegungen finden Eingang in das Studium sozialer -* Beziehungen und werden dort vor allem im Hinblick auf Entstehung und Veränderung von -»• Sympathie und Antipathie angewandt. Das Konzept kann jedoch nicht nur im Mikrobereich (z.B. in Dyaden, Triaden oder Kleingruppen) benutzt werden, sondern auch im Kollektiv-Kontext (z.B. beim Verhältnis mehrerer Nationen zueinander). Auf diese Weise macht z.B. die politologische Forschung von der B. Gebrauch. Auch Fragen der Koalitionsbildung können auf diese Weise erfasst werden. Im Übrigen spielt die B. - etwa im Vergleich zur historisch späteren -* Dissonanztheorie - trotz ihrer überzeugenden deduktiven Struktur für aktuelle Forschungsinteressen eine geringere Rolle. Lit.: HEIDER, F. (1958). The psychology of interpersonal relations. New York. JORDAN, N. (1953). Behavioural forces are a function of attitude and cognitive Organization. Human Relations, 6, 273-287. STROEBE, W. (1980). Grundlagen der Sozialpsychologie. I. Stuttgart.
ZAJONC (Solche Strukturen wer53
Bargaining
Bargaining handlungen
Bedürfnis
Aushandeln -»• Ver-
Bandwagon-Effekt Auch Mitläufer-Effekt. Bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Vp unter sozialem Einfluss von der ursprünglich vertretenen Meinung abweicht. In der Konsumforschung wird der Ausdruck im Sinne der Anpassung an bestimmte Konsumstile oder Modeströmungen verstanden. Base-rate-fallacy Eine der Anomalien: Informationen über Grundwahrscheinlichkeiten von Ereignissen werden im Vergleich zu konkreten anderen Informationen vernachlässigt. Dabei verlässt man sich auf augenfällige Merkmale (-» Repräsentativitäts-Heuristik). Auch stützt man sich eher auf leicht erinnerliche Informationen (-» VerfögbarkeitsHeuristik). Basking in reflected glory Von CIALDINI ausführlich beschriebener und experimentell erforschter Vorgang des Sich-Sonnens in dem Ansehen einer anderen P. So wird man seinen Selbstwert dadurch erhöhen, dass man mit bestimmten einflussreichen oder prominenten Pn verkehrt oder ihnen begegnet ist. Im Rahmen der Theorie der Selbstwerterhaltung ist B. eine Möglichkeit, das eigene Selbst aufzuwerten, was nach TESSER allerdings nur möglich ist, wenn man auf der entsprechenden Vergleichsdimension nicht konkurriert. Bedauern
54
Regret-Effekt
Bedeutung Zentralbegriff der psychologischen Semantik. B. entsteht auf Grund begrifflicher Assoziationen (-» Sprache -* Priming). Steht ein Sachverhalt für etwas Anderes, spricht man auch von symbolischer Bedeutung. Auf den kulturellen Kontext von B. verweist der Symbolische Interaktionismus. BAYES'-Theorem Beschreibt eine optimale (rationale) Auswertung von Wahrscheinlichkeitsinformationen. Insbesondere geht es darum, gegebene Wahrscheinlichkeiten auf Grund neu hinzukommender Informationen adaptiv zu verändern. Empirisch zeigt sich jedoch, dass Menschen Informationen nicht entsprechend dem B. verarbeiten, sondern kognitiven -* Täuschungen unterliegen, z.B. der Vernachlässigung von Grundwahrscheinlichkeiten (-» Repräsentativitäts-Heuristik -* Base-ratefallacy). Bedrohung
Drohungen
Bedürfnis Erleben eines Mangels, verbunden mit der Tendenz, diesen zu beseitigen. Die Abgrenzung gegenüber Begriffen wie -» Trieb und -> Motiv ist unscharf. In der SP besteht eine Neigung zur Vermeidung des Begriffs, da mit ihm oftmals die Annahme eines abgeschlossenen universell gültigen Bedürfnisinventars oder einer starren -* Bedürfnishierarchie verbunden ist. Ähnlich wie im Fall der Motivation werden unterschieden: primäre (physiologisch angebundene) und sekundäre (gelernte) Bedürfnisse, bewusste und unbewusste B. (entsprechend der
Bedürfnisaufschub
psychoanalytischen Vorstellung), soziale und non-soziale B. (-* Bedürfnisse, soziale), intrinsische und extrinsische B. (-> Motivation, intrinsische).
Bedürfnisaufschub Meist gleichgesetzt mit -* Belohnungsaufschub (-> delay of gratification). Während einige Bedürfnisse, zumal im physischen Bereich, sich nicht beliebig aufschieben lassen, kann im Hinblick auf die sog. höheren Bedürfnisse temporärer Verzicht geleistet werden, möglicherweise unter dem Aspekt besserer oder legitimerer Bedürfnisbefriedigung (-• Selbstkontrolle).
Bedürfaishierarchie Nach MASLOW sind Bedürfnisse in der Form einer Pyramide gestaffelt. Die folgenden Bedürfnisse stehen dabei in hierarchischer Ordnung: Existenzbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Wertschätzungsbedürfnisse, Selbstverwirklichung und Transzendenz. Übergeordnete Bedürfnisse werden nach dieser Vorstellung erst dann befriedigt, wenn die jeweiligen Basismotive saturiert sind. Die ersten vier Bedürfnisse sind sogenannte Defizitbedürfhisse, also nach dem Prinzip der Sättigung tilgbar. Lediglich die Bedürfhisse nach Selbstverwirklichung und Transzendenz seien Wachstumsbedürfhisse. Entwicklungspsychologisch besteht ein Trend zu höheren Bedürfhissen. Die in erster Linie humanistisch verstandene Theorie MASLOWS ist vor allem auch wegen ihrer schwammigen Begriffe vielfach kritisiert worden. Strikter empirischer Überprüfung hat
Beeinflussbarkeit
sie nicht standgehalten; auch ist ihre interkulturelle Evidenz zweifelhaft.
Bedürfnisse, soziale Nach MURRAYS Klassifikation gehören zu den sozialen B.: sozialer Anschluss, soziale Aggression, Widerstand, Unterwürfigkeit, Machtausübung, Fürsorglichkeit und Zurückweisung. Von anderen Autoren werden überdies genannt: Kommunikations-Bedürfhis, Kontakt-Bedürfnis, Bedürfnis nach Hautkontakt. Diese Liste wirkt beliebig und kann nach verschiedenen Richtungen hin erweitert werden. Auch haben manche physiologischen Bedürfnisse (z.B. Sexualität) eine deutliche soziale Komponente (-• Motivation).
Bedürfnisprinzip Diesem Prinzip zufolge sollen Ressourcen nach den Bedürfnissen der Menschen verteilt werden (-» Gerechtigkeitsprinzipien). Eine solche Norm ist nur im engsten verwandtschaftlichen Kontext realisierbar, die auf Identity-Beziehungen hinweisen (z.B. bei familialen Beziehungen, insbesondere im Verhältnis zwischen Eltern und Kind).
Beeinflussbarkeit Im Zusammenhang mit der Thematik der -> Konformität betonen einige Psychologen die Existenz eines übergreifenden Persönlichkeitsmerkmals B. Ähnliches behauptet CRUTCHFIELD mit seinem Konstrukt der „konformen Persönlichkeit". Die Befundlage spricht allerdings eher für das Auftreten bereichsspezifischer B.
55
Beinflussung
Beeinflussung Der Begriff B. konvergiert mit einer Reihe von Konzepten (-• Konformität, -* Einstellungsänderungen -* Macht, soziale -* Einfluss, sozialer). Ein weites Feld stellt insbesondere die persuasive B. im Rahmen von -* Kommunikationswirkungen und —• Medienwirkungen dar. Meist wird der Ausdruck B. im Sinne von Techniken, Taktiken und Strategien des Überzeugens oder Überredens verwendet. Das Modell von KELMAN konzentriert sich auf Merkmale des Beeinflussers, die eine erfolgreiche B. begünstigen, nämlich —• Glaubwürdigkeit (-* Exp. 19), Attraktivität (Identifikation) und soziale -* Macht (Verfügung über Belohnungen und Strafreize). CIALDINI formuliert „Säulen" der B., z.B. -> Reziprozität (den anderen verpflichten), Autorität (Hinweis auf Status und Kompetenz), soziale Evidenz (der Verweis auf andere, die das genauso machen), -* Sympathie (Eingehen auf den anderen, nur weil er sympathisch ist). Befragung -* Methoden (der empirischen Sozialforschung) Beharrungs-Effekt -+ Perseveranz Behavioral Finance Von THALER so genannte Forschungsrichtung, die sich mit gewissen Regelmäßigkeiten und vor allem mit Anomalien auf Finanzmärkten (z.B. der Börse) beschäftigt (-> Finanzpsychologie —• Heuristiken).
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Behaviorismus
Behaviorismus Richtung der Psychologie, die eine -» Verhaltenstheorie lediglich auf der Basis beobachtbarer Vorgänge ohne Rekurs auf innerpsychische Vorgänge (mentale Prozesse) zu etablieren versucht (Reiz-Reaktions-Modell = SRModell). Die strenge Form des B. bestreitet die Existenz kognitiver Prozesse, mildere Formen des B. erkennen das Vorhandensein mentaler Vorgänge an, bestreiten jedoch, dass diesbezügliche Begriffe (hypothetische Konstrukte) für die Erforschung des Verhaltens notwendig und fruchtbar sind. Die Erkenntnisse des B., insbesondere die elementaren Lernprozesse, wurden gewöhnlich an Versuchstieren (Ratten, Tauben) ermittelt und meist bruchlos auf menschliches Verhalten übertragen. Dies hat dem B. den Vorwurf eingetragen, eine Art „Rattenpsychologie" zu sein. Der B. war bis in die 50er Jahre das vorherrschende Paradigma der (amerikanischen) Psychologie (kognitive Wende). Er lebt jedoch weiter in verschiedenen Formen des Neo-Behaviorismus (TOLMAN, OSGOOD, HERRNSTEIN, BANDURA u.a.), der eine erhebliche Liberalisierung der ursprünglich recht radikalen Konzepte, v.a. auch durch die Einbeziehung von Erwartungen, bewirkt hat. Hier entwickelte sich eine Art „kognitiver B." (GRAUMANN), indem schrittweise kognitive Bindeglieder in die ursprünglichen SR-Konzepte einbezogen wurden. Insbesondere konnte gezeigt werden (CAMPBELL), dass auch Verhaltensdispositionen wie Einstellungen, Attributionen, Erwartungen etc. auf Lernprozessen basieren, die jedoch ihrer-
Behavior setting
Beliefstruktur
seits eine mediatorische Funktion ausüben. In der SP hat der B. eine vergleichsweise geringe Rolle gespielt; dennoch sind einige Theorien und Konzepte behavioristisch formuliert (z.B. BYRNES Konzept der Sympathie, die Theorie der -* Selbstwahrnehmung, die ursprüngliche Theorie der gelernten -* Hilflosigkeit). Durch die Dominanz der Einstellungsforschung, später der Attributionsforschung, sowie durch die neuerdings immer stärker werdende Affinität zur Psychologie der Informationsverarbeitung, hat es die SP vorwiegend mit kognitiven Konzepten und Theorien zu tun. Allerdings hat es immer wieder Versuche gegeben
(HERKNER, WISWEDE),
das
vielfach ungenutzte und höchst integrative Erklärungspotential neo-behavioristischer Theorien auch für soziale Zusammenhänge fruchtbar zu machen. Behavior setting -> Umweltpsychologie
Bekräftigung Synonym für den lerntheoretischen Begriff der Verstärkung. Der Ausdruck B. wird vielfach von Psychologen verwendet, die sich (zumindest kosmetisch) vom behavioristischen Ansatz (—• Behaviorismus) abheben möchten.
Belastbarkeit Intervenierende Variable, die zwischen objektiven Stressoren (-• Stress) und subjektivem Belastungsgefuhl vermittelt. B. kann auch i.S. eines -* Persönlichkeitsmerkmals aufgefasst werden.
Belief Überzeugung, angenommenes Ausmaß der Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt bzw. ein bestimmtes Ereignis eintritt. Der Begriff B. ist zentral für die Theorie des —• überlegten Verhaltens und der Theorie des —• geplanten Verhaltens in d e r Tradition v o n FISHBEIN u n d AJ-
ZEN. Dort werden „beliefs" mit „values" multiplikativ verknüpft, wobei B. die Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass eine bestimmte angestrebte Verhaltenskonsequenz auftritt. „Normative beliefs" sind Wahrscheinlichkeitsurteile darüber, ob bestimmte Nonnen bezüglich des betreffenden Verhaltens existieren.
Belief creates reality Meist gleichbedeutend mit einer sich selbst erföllenden -* Prophezeiung: das, woran man glaubt, tritt auch ein. DARLEY & FAZIO formulieren eine Theorie dieser Erwartungsbestätigung in Form eines Phasenmodells, dessen Kern besagt, dass Interaktionspartner sich ein „Bild" von ihrem Gegenüber machen und nur für solche Wahrnehmungsreize empfanglich sind, die diesen Erwartungen entsprechen (-* Bestätigungstendenz -* Labeling approach).
Beliefstruktur Struktur der Überzeugungen im Hinblick auf das Auftreten bestimmter Sachverhalte oder Verhaltenskonsequenzen. Die B. unterliegt dem Prinzip der -* Konsistenz, d.h. innerhalb der B. werden Widersprüchlichkeiten durch dissonanzmindernde Mechanismen (-> Dissonanztheorie) eliminiert.
57
Belohnung
Belohnung Unterschieden wird zwischen Objektbelohnung (z.B. durch Güter), sozialer Belohnung (durch die Reaktion anderer) und Selbstbelohnung (durch das Individuum selbst). Spezifischere Bedeutung hat der Begriff B. in der Lerntheorie. Wird ein Verhalten belohnt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verhaltensmuster in Zukunft wieder auftritt (-» Verstärkung -»• Effektgesetz). Vielfach wird B. im Zusammenhang mit Bedürfnisbefriedigung oder Triebreduktion gesehen. Belohnungsaufschub (delay of gratification) Die Belohnung folgt oftmals nicht unmittelbar nach einer bestimmten Handlung, sondern wird zeitlich verzögert. Allgemein gilt, dass die Wirksamkeit der Belohnung als Verstärker mit der Verzögerungsdauer abnimmt (Delay-Effekt), was eine Art „Abdiskontierung" darstellt. Insofern müssen besondere Mechanismen dafür sorgen, das „Warten" auf die Belohnung zu erleichtern. Der Kreis um MLSCHEL hat sich experimentell ausgiebig mit „delay of gratification" beschäftigt. Pn, die die Wahl der größeren, aber zeitlich ferneren Belohnung präferieren, sind durch höhere Leistungsmotivation, mehr Vertrauen und verstärkte soziale Verantwortung gekennzeichnet. HERRNSTEIN sowie GOTTFREDSON & HIRSCHI sehen in dieser Tendenz, sich nicht von sofortiger Gratifikation „verfuhren" zu lassen, den wichtigsten Aspekt der —• Selbstkontrolle. Geringe Selbstkontrolle wird auch als wichtige Ursache für —> abweichendes Verhalten (z.B. Kriminalität) angesehen. 58
Beobachtungs-Lernen
Der Effekt ist auch im Rahmen der Sozialisationsforschung (-> Sozialisation) von Bedeutung, wobei es darum geht, dass das Individuum lernen muss, auf sofort erreichbare Belohnungen und momentane Vorteile zugunsten späterer, möglicherweise größerer Vorteile, zu verzichten, also eine Art Durststrecke zu durchlaufen (z.B. Vorsorge zu betreiben oder zu sparen). In der Sozialisationsforschung spricht man von einem Verhaltensmuster der aufgeschobenen Belohnung (deferred gratification pattern), das Kindern erst anerzogen werden muss. Während die protestantische Ethik (puritanische Ethik) einen solchen Verhaltensstil fördert, schwächen hedonistische Tendenzen (genießen, hier und jetzt) ein solches Verhaltensmuster ab. Diese Fähigkeit zum B. schafft erst die Möglichkeit, in eine entfernte Zukunft hinein zu planen und Vorsorge zu treffen. Der B. ist im übrigen ein zentrales Konstrukt verschiedener lerntheoretischer Vorstellungen ( z . B . bei ROTTER, MISCHEL, BANDURA oder HERRNSTEIN).
Belohnungsmacht In der Terminologie von FRENCH & RAVEN die Möglichkeit, Personen mit solchen Ressourcen zu versorgen, bezüglich derer sie depriviert sind. Potentielle B. tritt in Form von -» Versprechungen auf. Beobachter ->• Modell-Lernen Beobachtung -* Methoden (der empirischen Sozialforschung) Beobachtungs-Lernen Lernen
Modell-
Bereichsbildung
Berufspsychologie
Bereichsbildung (compartmentalization) Versuch einer Abschottung bestimmter Persönlichkeitsbereiche. In der Rollentheorie bedeutet B. die Trennung einzelner Rollen, die eine Person übernommen hat (z.B. strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben). Die B. ist ein möglicher Weg, um Widersprüche zwischen einzelnen Persönlichkeits- oder Rollenbereichen zu minimieren. Bereichsprinzip (range-principle) Beurteiler orientieren sich an den zwei Extremwerten einer zu beurteilenden Serie von Stimuli, die als Anker dienen (-» Anker-Effekt). Wird eine Antwortmodalität vorgegeben (z.B. vier oder zehn Unterbereiche), dann wird der Gesamtbereich in vier bzw. zehn als gleich groß wahrgenommene Teilbereiche eingeteilt. Das B. ist für verschiedene Urteilstheorien von Bedeutung, z.B. für die Gummibandtheorie von VOLKMANN sowie die Perspektiventheorie von UPSHAW. Bernoulli-Prinzip tungs-Theorie
Wert-Erwar-
Berufliche Sozialisation Sozialisation Die Entwicklung psychischer Merkmale durch die Berufsrolle. B. ist schwer abzugrenzen von „Sozialisation am Arbeitsplatz" (also Sozialisationseffekten, die durch den spezifischen Arbeitsinhalt auftreten) und der Sozialisation in und durch Organisationen (die an die Charakteristik der jeweiligen Organisation anknüpfen). Ferner ist zu unterscheiden zwischen Selektionsprozessen einerseits, welche
die Auswahlentscheidung des Individuums begründen, sowie Sozialisationsprozessen andererseits. Beide Prozesse müssen strikt getrennt werden. Empirische Untersuchungen konzentrieren sich meist auf Zusammenhänge zwischen Arbeitskomplexität und der Entwicklung (oder Reduzierung) intellektueller Fähigkeiten (oder der Persönlichkeitsentwicklung überhaupt) sowie die Auswirkungen besonderer beruflicher Arbeitsbedingungen auf das psychische Befinden (z.B. -* Stress, Berufszufriedenheit). Auch werden Zusammenhänge zwischen beruflicher Arbeit und privaten Bereichen (Familie und Freizeit) hergestellt. Berufspsychologie Die B. lässt sich als eigenständige angewandte Spezialdisziplin verstehen, jedoch auch unter dem gemeinsamen Dach der —• Arbeitspsychologie und der -»Organisationspsychologie (-»ABO-Psychologie) einordnen. Für die B. besteht die Schwierigkeit, dass Berufsbezeichnungen im Zuge des sozialen und ökonomischen Wandels unscharf oder irreführend sein können. Wichtige Forschungsbereiche der B. sind die folgenden: (a) Fragen der Berufseignung und der Berufsinteressen. Hier dominieren sogenannte Fit-Modelle, d.h. die Passung zwischen Eignungs- und Anforderungsprofil; (b) Probleme der Berufsvorbereitung im Sinne der antizipativen Sozialisation; (c) Fragen der Berufswahl bzw. Berufsentscheidung, wobei vielfach die gegebene Arbeitsmarktlage sowie Rahmenbedingungen und 59
Bestätigungstendenz
Bestrafung
Ausgangssituation die Wahlfreiheit einschränken; (d) Aspekte der Laufbahnforschung, die sich hier allerdings gleichfalls mit veränderten Arbeits- und Berufsbedingungen auseinander zusetzen hat, so dass idealtypische Vorstellungen von Karriere und bruchloser Biographie aufgegeben werden müssen; (e) -* Berufliche Sozialisation, d.h. inwieweit berufliche Erfahrungen die Persönlichkeitsstruktur der jeweiligen Berufsinhaber prägen. Da das berufliche Verhalten als soziale Rolle aufgefasst werden kann (Berufsrolle), stellt die rollentheoretische Forschung ein wichtiges Bezugsfeld dar, um zentrale berufspsychologische Fragestellungen zu konzeptualisieren (->• Rollentheorie). L i t . : SUPER, D . E . & BOHN, M J .
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Bestätigungstendenz (confirmation bias) Die Neigung, bestimmte Hypothesen (Einstellungen, Vorurteile, Attributionen) durch einseitige Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen eher zu bestätigen als zu widerlegen. Die B. spielt im sp Zusammenhang insbesondere beim Interaktionsverhalten eine Rolle. Die Interakteure bilden Hypothesen über bestimmte Merkmale des Interaktionspartners (z.B. seine 60
Glaubwürdigkeit, seine Absichten, seinen Charakter, seine Fähigkeiten) und nehmen alle weiteren Interaktions-Stimuli im Lichte dieser Hypothesen wahr. Wenn P einem Individuum eine bestimmte Disposition zuschreibt, verhält P sich tendenziell gegenüber diesem Menschen so, dass die Disposition im Sinne einer sich selbst erfüllenden -* Prophezeiung bestätigt wird. SWANN & ELY haben spezifiziert, unter welchen Bedingungen dieser Effekt in besonderem Maße auftritt. DARLEY & FAZIO haben solche Prophezeiungen (-» belief creates reality) im Interaktionsverhalten mittels einer Phasentheorie der -* Erwartungsbestätigung beschrieben.
Bestrafung Die Präsentation eines aversiven Reizes oder der Entzug einer Belohnung wird als B. erlebt. Im Rahmen der Lerntheorie geht man davon aus, dass durch Strafreize die Auftretenswahrscheinlichkeit eines damit verbundenen Verhaltensmusters gesenkt wird. Auch wenn die lerntheoretischen Auffassungen über die Rolle der B. nicht ganz eindeutig sind, scheint doch festzustehen, dass B. eine Reihe verschiedenster Konsequenzen hat, von denen die Schwächung des Bestrafungsverhaltens eine mögliche, wenn auch unsichere Folge ist. sowie SOLOMON weisen auf (unerwünschte) Nebenwirkungen hin:
BANDURA
(a) Über den Mechanismus der Generalisierung werden auch solche Verhaltensweisen unterdrückt, die gar nicht reduziert werden sollten; (b) Neutrale Stimuli, die zusammen mit der B. auftreten, erhalten
Bestrafungsmacht
selbst bestrafenden Charakter; (c) Der Bestrafte wird auf dem Weg des -* Vermeidungslernens versuchen, die bestrafende P zu meiden, so dass deren Einfluss geringer wird; (d) Ferner kann das Verhalten des Bestrafers zum Modell für aggressives Verhalten des Bestraften werden (-»• Aggression). Um die Wirkung von B. vorauszusagen, müssen mehrere Variablen erhoben werden: Form der B., Umstände der B., Intensität der B., zeitliche Nähe zur bestraften Handlung, Häufigkeit der Strafe, Variabilität der B., Vorhandensein von Handlungsalternativen, Einsicht in die B., Emotionalität der B., B. nach den Folgen oder nach der Intention usw. Bestrafungsmacht (coercive power) Nach FRENCH & RAVEN die Möglichkeit von O, P zu bestrafen bzw. P zu einem Verhalten zu zwingen, das P anderweitig nicht gezeigt hätte. B. ist eine besonders kostspielige Form der Machtausübung (-» Machtkosten), weil sie für O Attraktivitätsverlust bedeutet, da O mit Gegenreaktionen (Resistenz, Reaktanz, Gegensolidarisierung) rechnen muss und hohe Kontroll- und Überwachungskosten entstehen. Eine vergleichsweise kostengünstigere Strategie ist die Anwendung potentieller Macht in Form von Drohungen, die bei hoher Glaubwürdigkeit nicht eingelöst werden müssen. Beurteilung ->• Wahrnehmung, soziale Bewältigungsreaktion -*• Coping
Beziehung, soziale
Bewertung (I) Allgemein jede Art von bewertender Stellungnahme (-» Werte -> WertErwartungs-Theorie). (II) Spezifischer (i.S. von „appraisal") eine Art Einschätzung (z.B. eine primäre und eine sekundäre B.) bei der Bewältigung von Stress (-> Coping). (III) B. im Metabereich: z.B. die Evaluation eines Trainingsprogramms. Bewertungsangst Gilt als Erklärungsmodus für das Phänomen der sozialen -* Erleichterung (social facilitation). Nur dann sei eine Beeinflussung durch die Anwesenheit anderer gegeben, wenn eine Bewertung möglich und wahrscheinlich ist. Beziehung, soziale -»• Interaktion Austausch —• Ehe -* Attraktion -> Ähnlichkeit Ganz allgemein bezeichnet man als B. jede Form permanenter Interaktion. I.e.S. werden engere (private, intime) Austauschprozesse als B. angesehen. B. haben verschiedene Wurzeln (z.B. Verwandtschaft, Zuneigung und Liebe, gemeinsamer Arbeitsplatz, Rollenkontext usw.). ( 1 9 9 0 ) unterscheidet vier Elementarformen bzw. Dimensionen von B.
(I)FISKE
(a) Communal sharing (was die Gruppenidentität fördert, Sorgeleistung und Solidarität ermöglicht); (b) Authority ranking (in dem Status und Hierarchie festgelegt werden); (c) Equality matching (wobei Reziprozität und Gleichheit vorherr61
Beziehung, soziale
sehen); (a) Market pricing (in dem soziale B. von allgemeinen Bewertungsmaßstäben, z.B. Geld, geleitet werden). versucht zu zeigen, dass für jeden Typ sozialer B. andere Interaktionsregeln gelten. CLARK & MILLS unterscheiden insbesondere zwischen Austauschbeziehungen, in denen Menschen nach Gewinn streben, und sozial motivierten Beziehungen, bei denen auch das Wohlergehen des Anderen wichtig ist (vgl. auch KELLEY & THIBAUT 1978; Interdependenztheorie). FISKE
Andere Autoren versuchen, Dimensionen der B. zu ermitteln, z.B. Bewertung, Emotionalität (Art und Intensität der Gefühle), Stabilität, Kontinuität, Zufriedenheit (Glück), -»• Intimität, -» Vertrauen, Kosten (die die Beziehung entweder belasten oder aufwerten). WISH et al. Ermitteln mit Hilfe der multidimensionalen Skalierung die folgenden wahrgenommenen Dimensionen (perzipierten Beziehungsqualitäten): (a) gleich vs. ungleich (in Bezug auf eine Vielzahl von Merkmalen); (b) kooperativ-freundlich vs. Kompetitiv und feindselig; (c) sozio-emotional und informell vs. aufgabenorientiert-formell; (d) oberflächlich vs. intensiv/tief. Ein wichtiger Unterscheidungsaspekt dürfte auch der Aspekt der Freiwilligkeit sein; entscheidend ist dabei, welche Optionen oder Alternativen bestehen. (2) Aufbau einer B.: Dieser wird vorwiegend an freiwilligen B. studiert und dort vor allem an Freundschafts62
Beziehung, soziale
und Liebesbeziehungen (-»Freundschaft -* Liebe). Die Aufnahme von B. orientiert sich zunächst an äußerlich sichtbaren Merkmalen (wie -* Attraktivität), wobei gutes Aussehen für Männer eine bedeutsamere Determinante der Anziehimg ist als für Frauen. Die Phase des Kennenlernens gleicht einem Selektionsprozess und folgt den Gesetzmäßigkeiten der sozialen -* Wahrnehmung, insbesondere auch im Hinblick auf die Bildimg des „ersten Eindrucks" (-> Primacy-Effekt). Entsprechend der -* Equity-Theorie können Individuen vom Partner nicht mehr erwarten als sie selbst anzubieten haben. Dies erklärt, dass Individuen meist eine Beziehung mit Partnern eingehen, deren Anziehung mit der eigenen verglichen werden kann (matching hypothesis). Entsprechend der -* Ressourcentheorie können Defizite der Anziehungskraft (z.B. Mangel an Attraktivität) kompensatorisch durch andere Aspekte (z.B. Reichtum, Status, Talent, Ruhm) ersetzt werden. Stadien einer B.: LEVINGER ( 1 9 8 3 ) bietet ein Phasenmodell: Kontaktaufnahme und Kennenlernen, Aufbau und Konsolidierung sowie Abbau und Beendigung der B. Mit zunehmender Konsolidierung wird die Interaktionshäufigkeit zunehmen, die B. jedoch auch eine andere Qualität gewinnen. So dürfte beispielsweise das Ausmaß der Selbstöffnung (seif disclosure) ansteigen, indem beide Interaktionspartner dem anderen Zugang zu privaten, vertrauten und intimen Dingen eröffnen. In ent-
(3)
Beziehung, soziale
sprechender Weise geht die Theorie der sozialen -* Durchdringung davon aus, dass sich Beziehungen von anfangs oberflächlichen zu immer tieferen, intimeren Formen entwickeln. Mit fortschreitender Verfestigung der B. wird auch das Ausmaß informeller Regelungsmechanismen ansteigen. Die privaten Regeln überlagern die eher formalen, allgemeingesellschaftlichen Normen, die z.B. mit unterschiedlicher Akzentuierung und unterschiedlichem Interpretationshintergrund entstehen und nach dieser Entstehung eine gewisse Bindekraft auslösen (z.B. den anderen in bestimmten Situationen nicht ansprechen, Akzeptieren der Freunde des Anderen). Ein wesentlicher Aspekt des B.Verlaufs besteht darin, dass beide Partner in die B. investieren. Aus der Sicht der Austauschtheorie bedeuten solche Investitionen Kosten. Aus dissonanztheoretischer Sicht (-* Dissonanztheorie) sowie aus der Perspektive des -* Investment-Modells bedeuten getätigte Vergangenheitsinvestitionen steigendes -* Commitment in diese B. Dieses Modell geht davon aus, dass die Verpflichtung (Selbstbindung) nicht nur von den augenblicklichen Kosten und Erträgen dieser Beziehung abhängt, sondern wesentlich auf den bisherigen Investitionen in diese B. (z.B. Zeit, Mühe, Geld, Kindererziehung) beruht, abzüglich der zur Verfugung stehenden Alternativen, deren Bedeutung jedoch durch die getätigten Investitionen geschmälert wird. Das Ausmaß der Verpflichtung dürfte auch durch soziale Normen gesteuert
Beziehung, soziale
werden, die in verschiedenen kulturellen Kontexten auch unterschiedliche normative Bindekraft haben (z.B. Heiratsversprechen, Treueschwur, religiöser Glaube, Verpflichtung zur Loyalität, Solidarität und Rücksichtnahme). Das Stadium der Auflösung oder Trennung ist in gewisser Weise das Gegenteil des Aufbaus: reduzierte Interaktionshäufigkeit, geringere emotionale Beteiligung, Auflösung von Commitment-Bindungen, wachsende Distanzierung (vgl. ARGYLE 1992). Selten kommt es zu einem abrupten Ende (z.B. durch drastische Konflikte oder das Auftauchen einer konkurrierenden Beziehung), meist eher zu einem „Auseinanderleben" in kognitiver und/oder emotionaler Hinsicht. Wenn Paare sich im Konflikt befinden, verstärken sich dysfunktionale Attributionsmuster, d.h. man versucht, sich gegenseitig dafür verantwortlich zu machen und das Verhalten des Anderen im Sinne des fundamentalen -* Attributionsfehlers nicht der Situation, sondern Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. Egoismus des Anderen) zuzuschreiben (ORVIS et al. 1975; FINCHAM & BRADBURY
1991). Scheidung bzw. Abbruch von B. ist für viele Menschen eine schmerzliche Erfahrung (Veränderung der Alltagsstruktur, Reduzierung von Kontakten, Isolierung und Einsamkeit, Probleme im Arbeitsbereich). Wie STROEBE & STROEBE (1986) sowie BUUNK & VAN DRIEL (1989) zeigen, überwinden Individuen diesen Bruch umso leichter,
63
Beziehung, soziale
(a) je weniger eng die Beziehung zum früheren Partner war; (b) wenn sie selbst die Initiative zum Abbruch ergriffen haben; (c) wenn sie in ein dichtes soziales Netz eingebunden sind und soziale Unterstützung erfahren; (d) wenn sie gegenwärtig eine neue und zufriedenstellende intime B. unterhalten. (4) Zufriedenheit in B.: Austauschtheoretisch (-> Austauschtheorie) gilt, dass es dann zu zufriedenstellenden Ergebnissen in B. kommt, wenn die Erträge die Kosten der B. aufwiegen oder übersteigen, wobei diese an persönlichen Vergleichsniveaus (frühere B.), an sozialen Vergleichsniveaus (z.B. andere Ehepaare und deren Ergebnisse) sowie an einem Vergleichsniveau für Alternativen abgeglichen werden. Eine Alternative besteht auch immer darin, die Beziehung abzubrechen und allein zu sein (allerdings sind hierbei die Abbruchkosten zu berücksichtigen). Equitytheoretisch (-* Equity-Theorie) gilt, dass B. dann nicht zufriedenstellend sind, wenn das Verhältnis von „input" und „outcome" für beide Partner ungleich ist. Dabei bestehen zwei Varianten: (a) Unzufrieden werden diejenigen Partner sein, die vergleichsweise wenig aus der Beziehung profitieren. Sie sind möglicherweise verletzt, traurig, frustriert, verärgert, resigniert. Auch haben solche Partner verstärkt den Wunsch, sich zu trennen oder „fremdzugehen"; (b) Unzufrieden werden auch diejenigen Partner sein, die vergleichsweise mehr aus der B. 64
Beziehung, soziale
profitieren; sie werden möglicherweise Schuldgefühle und Gewissensbisse entwickeln. WALSTER
et al. ( 1 9 7 8 ) sowie BUUNK
& VAN YPEREN (1991) belegen im
Einklang mit der Equity-Theorie, dass bei equitärem Gleichgewicht die höchste Zufriedenheit, bei Benachteiligung jedoch die niedrigste Zufriedenheit mit der B. besteht (-* Exp. 22). Diese Befunde sind allerdings einzuschränken, da sich soziale B. im Ausmaß der -*Austauschorientierung
(MURSTEIN)
unterscheiden. Eher rational fundierte B., wie sie für geschäftliche Transaktionen üblich sind, werden stärker durch Prinzipien des Gebens und Nehmens (Equity-Theorie) gesteuert: Investitionen müssen sich lohnen. Am anderen Ende des Kontinuums befinden sich eher emotional fundierte B., wie sie den Typ der Freundschaft und der romantischen Liebe charakterisieren. MILLS & CLARK unterscheiden inso-
fern Austauschbeziehungen und Gemeinschaftsbeziehungen (communal sharing nach FISKE). Wie MIKULA & SCHWINGER betonen, gilt für die erstgenannten B. das Equity-Prinzip, für „communal relations" dagegen das Bedürfnisprinzip (-» Gerechtigkeitsprinzipien), ohne dass aufgerechnet wird. Bereits KELLEY & THIBAUT ( 1 9 7 8 ) betonen im Sinne der -* Interdependenztheorie das Prinzip der altruistischen -* Transformation in harmonischen B. Diese Überlegungen deuten an, dass das Ausmaß der erfahrenen Belohnungen ein besserer Prädiktor für die Zufriedenheit in intimen B. ist als die Wahrnehmung von Fairness.
Beziehung, soziale
Bezugsgruppe
Empirische Befunde zeigen ganz i.S. dieser Einschränkung, dass die oben angeführte Korrelation zwischen Equity und Zufriedenheit nur bei solchen Partnerschaften auftritt, in denen die Austauschorientierung dominiert. Bei Individuen mit geringer Austauschorientierung ist es offensichtlich nicht so wichtig, das Prinzip der Gegenseitigkeit zu betonen. Überhaupt scheinen Freundschaftsund Liebesbeziehungen stabiler und zufriedenstellender zu sein, wenn bei beiden Partnern die Austauschorientierung in den Hintergrund tritt, gravierend etwa in der Eltern-Kind-Beziehung. Die Befunde weisen darauf hin, dass die Equity-Theorie kein angemessener Wegweiser für das Studium sozial motivierter B. ist, sondern dass auch altruistische Motive einbezogen werden müssen (-• Interdependenztheorie). Lit.: ASENDORPF, J. & BAUSE, R. (2000).
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The
social
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Beziehungskosten soziale
Beziehung,
Bezugsgruppe Unter B. werden Eigengruppen oder —• Fremdgruppen verstanden, zu denen eine emotionale und/oder kognitive Beziehung besteht. Ist diese Beziehung negativ, so spricht man auch von negativen B. (NEWCOMB), v o n
denen man sich abheben möchte (-> Identität, soziale). Nach KELLEY hat die B. zwei Grundfunktionen: die komparative Funktion (Vergleich von Ressourcen, Fähigkeiten, Meinungen) - hier berührt sich die B.-Theorie mit der Theorie sozialer -> Vergleichsprozesse- und die normative Funktion (Ausrichtung des Verhaltens an Normen, Werten und Standards der B.). Der Forschungsstand der (soziologisch dominierten) B.-Theorie ist - gemessen an der parallel und ohne Brückenschläge entwickelten Theorie sozialer -» Vergleichsprozesse-- nicht sonderlich elaboriert. Die wichtigsten Ergebnisse sind: B. werden im Ausmaß der perzipierten -»• Ähnlichkeit (Nähe) ausgewählt. B. werden im Ausmaß der perzipierten Attraktivität ausgewählt, wobei sich die Attraktivität auf die gesamte Gruppe oder auf einzelne Gruppenmitglieder beziehen kann. B. gelten dann als stabil, wenn Vergleiche bei Merkmalen erfolgen, die fiir das
personal relationships. A theory of inter65
Bezugsnorm
Selbstbild einer P wichtig sind. Sie gelten dann als relativ instabil, wenn sie lediglich in bestimmten Situationen (z.B. Prüfungssituation) relevant werden. Das B.-Konzept ist für folgende Sachverhalte relevant: Es erklärt, warum Menschen bestimmte Lebensumstände als zufriedenstellend interpretieren, wenn sie sich mit Bezugssystemen vergleichen, deren Lebensumstände als schlechter wahrgenommen werden. Ferner vergleichen sich aufstiegsorientierte Pn mit Pn des sozialen Milieus, in das sie aufsteigen wollen. Wenn sie nun deren Symbole und Verhaltensrituale übernehmen, distanzieren sie sich zugleich von den Normen ihrer Herkunftsschicht und befinden sich daher in einem Normenkonflikt. Solche marginalen Situationen fuhren häufig zu sozialem -»Stress, insbesondere dann, wenn die Aufstiegswiderstände zu groß werden und die Integration in die anzustrebende B. misslingt. Das B.-Konzept ist in der angewandten Forschung hauptsächlich im Rahmen des Konsumverhaltens (z.B. bei demonstrativem Konsum) verwendet worden, vor allem deshalb, weil Konsumgüter und Konsumstil am ehesten die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe signalisieren und symbolisieren (-> Selbstergänzung, symbolische).
Bezugsnorm Resultat von -* Vergleichsprozessen, die zur Einschätzung von Meinungen, Fähigkeiten, Merkmalen usw. dienen. Eine individuelle B. liegt vor, wenn individuelle Maßstäbe zur Anwendung kommen (z.B. eigene Erfahrungen/ Erinnerungen). Eine soziale B. ist ge66
Bias
geben, wenn - insbesondere in unsicheren oder mehrdeutigen Situationen - ein soziales Urteil zustande kommt (-» Unifikation). Die Gruppenmitglieder tendieren zu einer Konvergenz der Urteile (-» Konformität).
Bezugsperson Eine P, die als normatives und/oder komparatives Bezugssystem dient (-»Modell-Lernen Bezugsgruppe).
Bezugspersonen-Macht (referent power) Nach FRENCH & RAVEN eine Machtform, die auf dem normativen und/ oder komparativen Einfluss einer Bezugsperson oder eines Modells beruht, das zur Identifikation bzw. Imitation einlädt (-» Macht, soziale).
Bezugsrahmen (frame of reference) Begriff der Handlungstheorie, der die in einer bestimmten Situation gegebenen Bewertungs- und Orientierungsmaßstäbe definiert (z.B. berufliche Position, Alter, Lebensstil) und der das soziale Verhalten des Akteurs bestimmt. Die Wichtigkeit des B. wird sichtbar, wenn ein Perspektivenwechsel stattfindet (-• framing).
Bias Schräglage bzw. Verzerrung. In der Methodik der empirischen Sozialforschung kann ein B. tatsächliche Einflussgrößen verschleiern oder vortäuschen (Beispiel: soziale -*• Erwünschtheit von Antworten). Die B. können jedoch auch Gegenstand inhaltlicher Analysen werden, indem man untersucht, welche systematischen Verfalschungstendenzen zu Urteilsverzerrungen der Individuen fuhren. Die Er-
Bindungstheorie
Bildkommunikation
forschung solcher B. durchzieht daher das gesamte Gebiet der „sozialen Kognition". Prototypisch sind hier die sog. Attributionsfehler (fundamentaler Attributionsfehler, Differenz zwischen Handelndem und Beobachter, Kontroll-Illusion und v.a. der self-servingbias). Versuche, zwischen kognitiven und motivationalen Gründen für die Verzerrungstendenzen zu unterscheiden, sind wenig fruchtbar, weil beide Komponenten ineinander greifen. Bildkommunikation -»• Vorstellungsbild Bildliche Darstellungen sind in kommunikativen Prozessen meist wirkungsvoller (pictorial superiority effect), weil sie leichter codiert und decodiert werden können. PAIVIO postuliert zwei Gedächtnisspeicher: einen für verbale Inhalte und einen für bildliche Inhalte (duale Speichertheorie). Das Prinzip kann auch ausgedehnt werden auf konkrete Wörter, die sehr leicht bildhaft umgesetzt werden können (z.B. Elefant, Treppengeländer; im Gegensatz zu abstrakten verbalen Inhalten wie: Freiheit, Frustrationstoleranz usw.). Bindung Der Begriff wird in mehreren Kontexten verwendet: (I) Langzeitaspekt der Entscheidung, eine dauerhafte soziale Beziehung einzugehen und aufrechtzuerhalten; (II) Nach BOWLBY (-»Bindungstheorie -* Bindungsverhalten) die Aufrechterhaltung enger und intimer Beziehungen zwischen Mutter und Kind;
(IV) In der Dissonanztheorie bedeutet B. das Ausmaß der Unveränderbarkeit von Handlungen, Einstellungen und Bewertungen (-»Commitment)-, (V) B. kann auch Aspekt der -»Selbstkontrolle sein (Selbstbindung), um ein Verhalten trotz bestimmter Anfechtungen aufrecht zu erhalten oder zu unterlassen; (VI) Der Ausdruck B. wird auch im Sinne von Einbindung Involvement) gebraucht (z.B. Einbindung in eine Organisation); (VII) Im Gruppenkontext wird B. mitunter als Bindekraft verstanden (—> Kohäsion). Bindungstheorie Die B. von BOWLBY behandelt Ver-
haltenskomponenten des Säuglings bzw. Kindes wie Hautkontakt, Saugen, Anklammern sowie die Fähigkeit, sich besänftigen zu lassen. Wenn die Mutter oder der Vater auf die Näherungsversuche des Kindes empfanglich und entgegenkommend reagieren, verläuft die Eltern-Kind-Beziehung harmonisch und positiv. Abweichende und feindselige Haltungen gegenüber dem Kind führen jedoch zu Deprivationserscheinungen. Fehlende oder inkonsistente Bedürfnisbefriedigung des Bindungsstrebens in den ersten Lebensjahren führt zu Störungen des Bindungsverhaltens, die sich im Erwachsenenalter fortsetzen. Offenbar hat die Befriedigung des Bildungsbedürfnisses auch mit der späteren Liebesfähigkeit zu tun. Sog. vermeidende Vpn (welche die Existenz dauerhafter
(III) Nach STERNBERG ist B. eine von drei Komponenten der -* Liebe; 67
Bogardus-Skala
Bindungsverhalten
Liebe bezweifeln und glauben, keinen Partner zu ihrem Glück zu brauchen) berichten häufiger über negative Beziehungen zu ihren Eltern („kalt", „abweisend"). Die B. ist psychoanalytischem Gedankengut verpflichtet, geht jedoch Allianzen mit allgemein-psychologischen und ethologischen Ansätzen ein. Im sp Zusammenhang sind insbesondere die Auswirkungen auf das spätere -* Bindungsverhalten relevant (-• Liebe).
Bindungsverhalten Herstellung enger und intimer Beziehungen in Partnerschaften (-»• Liebe) sowie zwischen Eltern und Kind, vor allem zwischen Säugling und Mutter. Nach MASLOW ist „Bindung" bzw. Kontakt das nächsthöhere Bedürfnis in der -> Bedürfnishierarchie, nach Saturierung physiologischer (Existenz-) Bedürfnisse. Für BOWLBY (-> Bindungstheorie) ist Bindung ein primäres Motiv, das auch auf dem Bedürfnis nach Hautkontakt gründet. Der Autor unterscheidet verschiedene Bindungsstile (sicher, ängstlich-ambivalent, vermeidend), die sich z.T. im Erwachsenen* Alter wiederfinden lassen (z.B. in romantischen Beziehungen).
Biografischer Fragebogen In der -* Arbeitspsychologie verwendetes Fragebogeninstrument, bei dem biografische Daten von Stellenbewerbern erfragt werden. Der bisherige Verlauf einer Laufbahn ermöglicht in gewissem Umfang eignungsdiagnostische Urteile. Die berichteten Validitätsmaße sind gut, allerdings ist das Verfahren wegen seiner weitgehenden Theorielosigkeit umstritten (-* Eignungsdiagnostik). 68
Blickkontakt B. gehört zu den nonverbalen Hinweisreizen in Kommunikationsprozessen (-»Kommunikation, non-verbale). B. dauern länger gegenüber positiv bewerteten Interaktionspartnern. Pn mit ausgedehnten Kontakten sind beliebter als solche, deren Blickperioden kurz und unstet ausfallen. Zu langer und eindringlicher B. wird jedoch meist negativ (als „Anstarren") interpretiert. Erfolgt das Anblicken während des Sprechens (relativ zum Zuhören) ausgedehnt, dann wird dem Interaktionspartner Macht und Dominanz zugeschrieben. Umgekehrt werden Pn als schwach und unsicher angesehen, wenn sie selten B. aufnehmen, wohingegen sie beim Zuhören ausgedehnten Blickkontakt haben. B. gehört auch zu den Hinweisreizen im Hinblick auf die Vertrauenswürdigkeit einer Botschaft. Geringer und unsteter B. kommt z.B. beim Lügen häufiger vor.
Blunting Nach MILLER eine Strategie der Informationsmeidung im Hinblick auf bedrohliche Situationen und Ereignisse. Ein solcher Bewältigungsstil (-»Coping) des „Kopf-in-den-Sand-Stekkens" wird als Persönlichkeitsmerkmal verstanden.
Bogardus-Skala Die B. dient der Messung der sozialen -* Distanz (social distance scale) zu anderen sozialen Gruppen, vor allem nationalen Gruppierungen. Die zur Auswahl vorgegebenen Grade der Intimität in den Items drücken aus, in welchem Ausmaß eine P mit einem typischen Mitglied der jeweiligen
Brainstorming
Bogus-Pipeline
Gruppe soziale Beziehungen eingehen würde. Bogus-Pipeline Einer Vp wird vorgetäuscht, dass man mit Hilfe eines komplizierten Apparates ihre Einstellungen und Gefühle durch physiologische Verfahren objektiv messen könne. Das Verfahren dient dazu, Aspekte sozialer -* Erwünschtheit sowie den selbstwertdienlichen Wunsch, einen guten Eindruck zu machen, weitgehend auszuschalten, indem sich die P zur „wahren" Einstellung bekennt. Bolstering Der Versuch, bedrohte Einstellungen gegen konträre Informationen zu immunisieren und nachträglich zu stützen. Dies geschieht meist durch selektives Herunterspielen der Gegenargumente oder durch die Suche nach neuen, unterstützenden Aspekten der bedrohten Einstellung. Bottom-up-Prozess Wahrnehmung, soziale -* Informationsverarbeitung Bounded Rationality tät
Rationali-
Brainstorming Kreativitätstechnik (-* Kreativität), die zwischen 1930 und 1940 von OSBORN entwickelt wurde und heute in zahlreichen Varianten angewendet wird, wenn es um die Generierung von Problemlösungen (etwas neu oder etwas "besser" machen) geht. (1) Ablauf: In der ersten Phase werden ungehemmt Ideen generiert (die einzelnen Vorschläge werden nicht kommentiert oder bewertet: "evalua-
tion apprehension", Vertrauen), d.h. zu diesem Zeitpunkt geht Quantität vor Qualität. Die Beiträge jedes Teilnehmers werden festgehalten und von den anderen Gruppenmitgliedern im Sinne assoziativer Ketten weiterentwickelt. Erst wenn diese Phase abgeschlossen ist, werden die hervorgebrachten Einfalle diskutiert. Im Prinzip eignet sich B. für alle Arten von Aufgaben, wird aber i.d.R. nur dann konsequent eingesetzt, wenn neuartige komplexe Probleme gelöst werden müssen. (2) Organisatorischer Rahmen: B. kann entweder im Rahmen eines normalen Meetings, d.h. die Teilnehmer befinden sich in einem Raum und haben uneingeschränkte Möglichkeiten zur gegenseitigen sozialen Kommunikation, ablaufen oder als sog. "elektronisches B.", bei dem die Kommunikation der Teilnehmer über Rechnernetze sichergestellt wird. Letztere Variante hat sich zur Vermeidung des „production blocking" bewährt, das durch die Warteschlange der Diskutanten bedingt wird. Auch wird der Zurückhaltende dadurch ermutigt, der Vielredner gebremst. Andererseits besteht hierdurch die Gefahr einer Informationsüberlastung, so dass die Ideen in die assoziativen Verkettungen eingebaut und dadurch strukturiert werden müssen. Neben dieser Unterscheidung zwischen elektronischen und nicht-elektronischen B. spielen natürlich auch weitere Rahmenbedingungen eine Rolle, wie die Moderation und Länge der Sitzungen, Zeitdruck, Begrenzungen der Sprechzeit etc.
69
Brainstorming
(3) Personaler Rahmen: Prinzipiell kann B. sowohl von einer einzelnen Person, einer -* Dyade oder einer Gruppe durchgeführt werden. Je höher die Anzahl beteiligter Pn ist, desto mehr unterschiedliche Ideen werden wahrscheinlich generiert und weitergesponnen, wobei natürlich auch in diesem Fall ein kurvilinearer Zusammenhang vorliegen dürfte. Hier deutet sich auch schon ein weiteres Problem im Zusammenhang mit B. an: die Messung der Resultate. Um genaue Vorhersagen über die optimalen Rahmenbedingungen tätigen zu können, müssen die Ergebnisse unterschiedlicher Konstellationen verglichen werden, was hinsichtlich der Quantität von Vorschlägen noch relativ unproblematisch erscheint, bezüglich deren Qualität aber nur sehr schwer durchgeführt werden kann. (4) Weitere sp relevante Problembereiche: Die Zusammensetzung der Gruppe spielt natürlich auch eine Rolle: Kennen sich die Teilnehmer, oder wurden sie ad hoc zusammengewürfelt? Handelt es sich um eine gleichgeschlechtliche oder gemischte Gruppe? Haben die Pn in etwa den gleichen ~> Status oder gibt es (große) Unterschiede? Ob sich die tatsächliche Ausformung dieser Punkte positiv oder negativ auswirkt, kann nicht vorhergesagt werden, sondern ist von vielen weiteren Rahmenbedingungen abhängig (-»Gruppenklima). Auch die Feedback-Prozesse innerhalb der Gruppe dürften einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Werden geäußerte Ideen in der zweiten Phase gar nicht erst sachlich diskutiert, 70
Bumerang-Effekt
sondern pauschal diffamiert, können trotz vielleicht einer hohen Anzahl guter Vorschläge letztendlich nur suboptimale Ergebnisse erzielt werden. Daneben können Probleme beim B. auch durch soziale Faulheit bzw. -> Trittbrettfahrer-Effekte entstehen, wenn sich einzelne Mitglieder nicht am Prozess beteiligen und den anderen die gesamte Arbeit überlassen, sich aber hinterher im Gruppenergebnis sonnen. (5) Illusion des Gruppenvorteils (-+Gruppenproduktivität): Immer unter Beachtung der angedeuteten Messprobleme hat sich in der Forschung herauskristallisiert, dass ein ausschließliches B. in Gruppen nicht zu den besten Ergebnissen führt, sondern ein zweistufiges Vorgehen angezeigt ist: Erst befasst sich jeder Teilnehmer alleine mit dem anstehenden Sachverhalt (quasi ein Individual-B.) und anschließend erfolgt eine (oder erfolgen mehrere) Gruppensitzung(en). Lit.: OSBORN, A.F. ( 2 1957). Applied imagi-
nation: Principles and procedures of creative problem solving. New York. DIEHL, M. & STROEBE, W . (1991). Productivity loss in
idea-generating groups: Tracking down the blocking effect. Journal of Personality and Social Psychology. 61,392-403.
Bridging Bei -* Verhandlungen die Schaffung neuer Optionen, welche die Interessen beider Parteien vereinigen.
Bumerang-Effekt Wenn eine P im Kommunikationsprozess i.S. einer Einstellungsänderung oder Verhaltensänderung beeinflusst werden soll, treten bei hochdiskrepanten Auffassungen häufig B. ein,
Bystander-Effekt
Burnout d.h. P distanziert sich noch weiter von der angenommenen Auffassung. Dies gilt insbesondere bei wenig glaubwürdigen und niedrig bewerteten Kommunikatoren.
WORCHEL
&
konnten zeigen, dass B . vor allem bei Fällen drastischer und dominanter Einflussnahme auftreten; darüber hinaus stellten sie fest, dass dieser Effekt bei solchen Vpn auftritt, die ohnehin ähnliche Einstellungen hatten wie der Sender, nunmehr aber von diesem Standpunkt abrückten. BREHM
B. treten im Kontext verschiedener Theorien bzw. Fragestellungen auf (-» Assimilations-Kontrast-Effekt -* Konformität Reaktanztheorie). Das wohl beste Erklärungspotential dürfte die -* Reaktanztheorie aufweisen. In ihrem Sinne wird das dominante Insistieren auf einem bestimmten Standpunkt als Bedrohung des Freiheitsspielraums einer P angesehen. Das
Ergebnis
von
WORCHEL
&
kann dann so interpretiert werden, dass das Individuum keinen Anlass sieht, Gegenkonformität zu zeigen; es wird vielmehr als ausreichend betrachtet, den prä-kommunikativen Standpunkt demonstrativ aufzuzeigen. BREHM
Burnout „Ausgebranntsein", ein Syndrom, das ursprünglich als typische Form des -*Stress in Helferberufen angesehen wurde. MASLACH ermittelte faktorenanalytisch drei relevante Dimensionen von B.: emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung (Dehumanisierung) und Antriebsverlust. Insbesondere die emotionale Erschöpfung scheint hoch mit Stress-Maßen zu korrelieren; die beiden anderen Dimensionen weisen in eine andere Richtung. Es existiert
ein standardisierter Fragebogen zur Erfassung dieses Syndroms. Die empirische Forschung konzentrierte sich vornehmlich auf relevante Situationsfaktoren (soziale Beziehungen am Arbeitsplatz sowie in der Familie, Arbeitszufriedenheit Rollenkonflikt und Rollenambiguität, enttäuschte Erwartungen, erlahmender Idealismus, Überlastung etc.). Es besteht im Übrigen eine Neigung, das B.-Syndrom auch auf andere Bereiche (z.B. generell auf Dienstleistungsberufe) zu übertragen. Insofern wird das B.-Konzept auch im Rahmen der Organisationspsychologie diskutiert.
Buying-Center Das Einkaufsverhalten von Organisationen ist häufig dadurch gekennzeichnet, dass auf der Beschaffungsseite mehrere Pn beteiligt sind, die integrativ zur Entscheidungsbildung beitragen (z.B. Kaufleute, Ingenieure, Chemiker). Der relative Einfluss kann innerhalb verschiedener Entscheidungsphasen unterschiedlich sein. B. sind in der Konsumentenpsychologie häufig unter rollentheoretischen und machttheoretischen Gesichtspunkten untersucht worden.
Bystander-Effekt LATANÉ & DARLEY zeigen ( - • Exp.
4),
dass Hilfe für andere Menschen umso eher unterlassen wird, je mehr Menschen zur Hilfeleistung zur Verfugung stehen (-> Hilfeverhalten). Zur Erklärung dient „plurale Ignoranz" (man glaubt, die Situation nicht ganz durchschauen zu können) sowie „Diffusion von Verantwortung" (warum soll gerade ich Hilfe leisten?). Der B. be71
Bystander-Effekt
schreibt beispielsweise, warum Hilfeleistung bei einem Unfall auf belebten Straßen häufig unterbleibt und es allenfalls zu einer Ansammlung „gaffender" Zuschauer kommt. Der B.
72
Bystander-Effekt
kann im Übrigen aus einer allgemeineren Theorie, nämlich aus der „social impact theory" von LATAN£, abgeleitet werden (-»Einflnss-Theorie).
Carpenter-Effekt
Charismatische Führung
Carpenter-Effekt Bezeichnet die Neigung, wahrgenommene oder vorgestellte Bewegungsabläufe unwillkürlich mit zu vollziehen (z.B. ansteckende Wirkung des Gähnens). Im Sozialisationsprozess ist dieser Effekt von Bedeutung im Sinne einer nicht-reflektierten, quasi-automatischen Nachahmung einiger Verhaltensaspekte anderer. Carryover-Effekt Prozesse der Selbstdarstellung tragen zur Konstruktion eines -* Selbstkonzepts bei (Internalisierung von Selbstrepräsentation). Der C. lässt sich auf der Basis der -> Selbstwahrnehmung interpretieren. Cautious shift
Vorsichtsschub
Certainty-Effekt Auch als -* ÄLLAis-Paradox bekannt (-> Anomalien). Sichere Ergebnisse werden stärker präferiert als unsichere, ungeachtet des Erwartungsnutzens aus einer —> Wert-Erwartungs-Theorie. Change Agents Pn, die sozialen Wandel bzw. -*Innovationen initiieren, z.B. Erfinder, -*• charismatische Führer, jedoch auch professionell Tätige, die z.B. in Organisationen bestimmte Entwicklungen einleiten und durchsetzen. Chancengleichheit Soll sicherstellen, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft ungeachtet ihrer Herkunft und ihrer individuellen Fähigkeiten die gleichen Startbedingungen haben, um ihre Lebenssitua-
tion möglichst positiv zu gestalten. Das Konzept hat häufig ideologischen Charakter und verdeckt die Tatsache, dass gleiche Startbedingungen in der Realität kaum vorkommen (-» Gerechtigkeit). Chancenstruktur-Theorie Konzept von CLOWARD & OHLIN als Erweiterung der Anomietheorie (-• Anomie) zur Erklärung —• abweichenden Verhaltens. Die Theorie enthält die folgenden unabhängigen Variablen: hohe Wunschintensität, Erosion der Normstruktur, Zugang zu legitimen Mitteln und Zugang zu illegitimen Mitteln. Charismatische Führung Nach WEBER bedeutet Charisma eine als außergewöhnlich empfundene Qualität einer P, der gleichsam übernatürliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Auf diese Weise kann ein charismatischer Führer unbedingte Folgeleistung und Gehorsam erwarten; Ziele und Wege werden nicht kritisch hinterfragt. Neuerdings wird das Konzept der C. als Wiederbelebung eigenschaftstheoretischer Ansätze in der Führungsforschung erneut zur Diskussion gestellt. Angeblich sei C. dazu geeignet, brachliegende „human resources" zu nutzen und intrinsische Reservoirs an Motivation zu mobilisieren (-• Motivation, intrinsische). Das Konzept steht im Übrigen in engem Zusammenhang mit der Thematik „symbolischer Führung" (—> Führung, symbolische).
73
Chunk
Chunk versteht unter „information chunk" jede sinnvolle Information, die bei der Informationsaufnahme als Einheit behandelt wird. JACOBY versteht den Ausdruck (i.R. der KonsumentenInformation) i.S. einer Schlüsselinformation. MILLER
Cleavage Spannungslinie in sozialen Systemen. Solche Spannimgslinien begründen u.U. soziale —• Konflikte. Closed mindedness Nach ROKEACH eine dogmatische Haltung, wenig aufgeschlossen für Argumente (-> Dogmatismus). Die betreffende P glaubt sich im Besitz der unumstößlichen Wahrheit. Gegensatz: -»• Open mindedness. C. gilt auch als eines der zentralen Persönlichkeitsmerkmale („big five"). Clusteranalyse Oberbegriff fur eine Reihe multivariater Analyseverfahren, bei denen unter gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Merkmale (z.B. Alter, Geschlecht, Einkommen und Bildungsniveau) Objektgruppen (z.B. statusgleiche Personen) aus einer Gesamtheit (z.B. alle Bürger der Stadt Köln) formiert werden, die in sich möglichst homogen sind, untereinander aber ein Höchstmaß an Heterogenität aufweisen. Im Gegensatz zur C. werden bei der Faktorenanalyse Merkmale (Variablen) zusammengefasst. Daher wird diese der C. oftmals vorgeschaltet, um die Anzahl der Variablen zu begrenzen bzw. möglichst unkorrelierte Merkmale in die C. einzubeziehen. Anwendungsfalle der C. stellen 74
Clusteranalyse
u.a. die Bildung von Marktsegmenten, Persönlichkeitstypen oder Unternehmensgruppierungen dar. Die C. liefert lediglich eine mathematische Lösung des jeweiligen Aufteilungsproblems. Aus diesem Grund ist es vor ihrer Anwendung unabdingbar, eine theoretische Fundierung der Fragestellung vorzunehmen, um zum einen nur daraus abgeleitete relevante Klassifikationsmerkmale zu verwenden und zum anderen die sich ergebende(n) Typologie(n) angemessen interpretieren zu können. Da die C. zudem eine ganze Reihe an „Freiheitsgraden" (vom Anwender subjektiv festzulegende Parameter) aufweist, sollte das konkrete Vorgehen genau spezifiziert und dokumentiert, sowie mehrere Analysen mit alternativen Algorithmen, Distanzmaßen und Clusteranzahlen gerechnet werden, um dem möglichen Vorwurf der „Ergebnissteuerung" vorzubeugen. Vorgehen: Zunächst wird eine Matrix aus Distanz- (je größer der Betrag, desto unähnlicher sind zwei Objekte) oder Ähnlichkeitswerten (je größer der Betrag, desto ähnlicher sind zwei Objekte) aller Objekte bezüglich der betrachteten Merkmale aufgestellt. Diese bildet die Grundlage für die anschließende Zusammenfassung über partitionierende (eine gegebene Anfangsgruppierung wird so lange durch Umordnung einzelner Elemente verändert, bis eine vorgegebene Zielfunktion optimiert wurde) oder hierarchische (alle Elemente befinden sich in einer einzigen Gruppe und werden unter Berücksichtigung von Auswahlrestriktionen immer weiter in Teilgruppen zerlegt, bis am Schluss jedes Element eine eigene Gruppe konstituiert) Fusionsalgorithmen. Aus den
Commitment
Cognitive map
vorliegenden Gruppierungen wird dann nach einem Optimalitätskriterium (z.B. „Ellbow"-Eigenschaft) diejenige Aufteilung ausgewählt, die den Datensatz entsprechend der gewählten Merkmale gut segmentiert. Cognitive map ->• Kognitive Landkarte Cognitive response Aktive Informationsverarbeitung (—• Einstellungsänderungen). Compliance Fügsamkeit. In der Konformitätsforschung (insbesondere bei FESTINGER und KIESLER) gilt C. als Gegenbegriff zu „acceptance". Während C. eine bloße Anpassungskonformität darstellt, beinhaltet acceptance eine echte Einstellungsänderung (innere Konformität, auch Einstellungskonformität). In der -*• Dissonanztheorie wird die erzwungene Einwilligung i.R. einstellungskonträren Verhaltens als -+forced compliance" bezeichnet. Commitment Der Begriff C. wird in unterschiedlichen Kontexten verwendet: i.R. der -* Dissonanztheorie (insbesondere bei BREHM & COHEN), in der
Interaktionsforschung (insbesondere i.R. des -* Investment-Modells von RUSBULT), in der
Kleingruppenfor-
schung (z.B. bei KIESLER), sowie in der Rollentheorie (als role-commitment) sowie in der Organisationspsychologie, wo der Begriff ohne spezifische Implikationen synonym mit -*Involvement (Einbindung in die Organisation) benutzt wird. Der gemeinsame Kern des C.-Be-
griffes stellt eine Art Verpflichtungsgefühl dar, das den Wunsch auslöst, ein Verhalten aufrecht zu erhalten. Charakteristisch für C. ist der Umstand, dass eine P durch ihr Verhalten in eine Verpflichtung mit Bindungswirkung an dieses Verhalten hineinwächst. Bindung in der Vergangenheit beeinflusst die Entscheidungen in Bezug auf künftiges Verhalten (z.B. —• Rechtfertigung des Aufwands). Dabei ist die Bindungswirkung umso stärker, je eher die folgenden Bedingungen gegeben sind: (a) Das Verhalten zeichnet sich durch eine Besonderheit aus, ist nicht selbstverständlich (z.B. besonderes Engagement aus freien Stücken); (b) Mit dem Verhalten waren aufwändige Investitionen verbunden (z.B. Kosten und Zeitaufwand); (c) Das Verhalten erfolgte freiwillig (d.h. der Akteur hatte die Auswahl aus mehreren alternativen Möglichkeiten); (d) Eine Art öffentlicher Bekundung (d.h. man „steht" gewissermaßen zu einer Tätigkeit, zu einem Einstellungsobjekt oder zu einer Sozialbeziehung, wenn die Entscheidung nicht solistisch, sondern im Beisein anderer getroffen wurde). Da der Begriff C. am häufigsten im dissonanztheoretischen Zusammenhang Anwendimg findet, kann man davon ausgehen, dass kognitive -»Dissonanz umso eher auftritt, je höher das -durch die vier Aspekte charakterisierte - C. ist (Bsp.: Ein idealistisch eingestellter Bewährungshelfer engagiert sich aus freien Stücken für einen ehemaligen Strafgefangenen, der jedoch wieder rückfällig wird). 75
Common Ingroup Identity-Model
Common Ingroup Identity-Model Ansatz zur Verbesserung von ->/«tergruppen-Beziehungen, der nicht auf der Auflösung von sozialen Kategorisierungen beruht, sondern auf einer neuen Kategorisierung auf der nächsthöheren Inklusionsebene (GAERTNER & DOVIDIO). Bsp.: Westdeutsche und
Ostdeutsche sehen sich gemeinsam als Deutsche; Franzosen und Deutsche gemeinsam als Europäer. Commons-dilemma soziales
Dilemma,
Comparison level -> Vergleichsniveau Confirmation bias ->• Bestätigungstendenz Conjoint measurement Verbundmessung Unter C. (Verbundmessung) werden verschiedene Verfahren zur empirischen Ermittlung des Gesamtnutzens eines Objekts (z.B. ein neu entwickelter Joghurt-Drink) durch ein linear additives Modell der Beiträge einzelner Teilnutzenwerte (z.B. bestimmte Produktmerkmale wie Verpackung [Plastik- oder Pappbecher] oder Geschmack [eher süßlich oder säuerlich]) verstanden. Dabei werden von den Vpn Präferenzurteile hinsichtlich des Gesamtobjekts erhoben. Die Stimuli werden real, als Abbildungen oder einfach nur als verbale Beschreibungen vorgelegt, wobei die interessierenden Attribute (unabhängige Variablen) mit allen zu testenden Ausprägungen in verschiedenen Kombinationen zu den Bewertungsobjekten zusammengestellt werden. Im obigen Beispiel wären vier Kombinationen 76
Coping
möglich: Pappbecher/süß; Pappbecher/sauer; Plastikbecher/süß und Plastikbecher/sauer. Jede Vp bringt nun diese „Produkte" in eine Rangreihe (abhängige Variable). Aus diesen ordinalen Daten werden dann Teilnutzenwerte für die Eigenschaftsausprägungen geschätzt, die im letzten Schritt dann noch über alle Vpn aggregiert werden können. Bezüglich der Auswahl der zu testenden Attribute und Eigenschaftsausprägungen sollten einige Nebenbedingungen (z.B. Relevanz, Beeinflussbarkeit, Unabhängigkeit und Begrenzung) beachtet werden, um ein sinnvolles Erhebungsdesign zu gestalten. Dieses kann seinerseits wieder durch die Profilmethode (jeder Stimulus besteht aus einer Kombination je einer Eigenschaftsausprägung aller Attribute) oder die Zwei-Faktor-Methode (zur Erstellung der Stimuli werden nur jeweils zwei Attribute herangezogen) determiniert werden. Grenzen sind der Methode insbesondere durch die Anzahl der Attribute, aber auch deren Eigenschaftsausprägungen, gesetzt, die sehr schnell zu einer Vielzahl von zu bewertenden Objekten fuhren. Coping Zusammenfassende Bezeichnung für eine Vielzahl von Strategien der Auseinandersetzung mit und der Bewältigung von belastenden Situationen (-> Stress). FOLKMAN und LAZARUS definieren C. als die kognitiven und verhaltensaktiven Anstrengungen einer P, die internalen und externalen Anforderungen einer Person-UmweltTransaktion zu regulieren, die aus subjektiver Sicht die Ressourcen dieser P beansprucht oder übersteigt.
Coping
Coping
Neuere Überlegungen zur Analyse von C. versuchen eine Einbettung der C.-Methoden in allgemeine Motivations- und Emotionstheorien sowie in lern- und kontrolltheoretische Konzepte (-> Stresskontrolle). Die bekannteste Stress- und zugleich auch C.-Theorie stammt von LAZARUS. Er betrachtet C. als einen fortlaufenden Veränderungsprozess von Person und Umwelt. Das Individuum reagiert auf die Anforderungen seiner Umwelt mit unterschiedlichen Bewältigungsstrategien, wodurch es wiederum die Umwelt aktiv beeinflusst (dies entspricht BANDURAS Gedanken des reziproken Determinismus). Dieser Vorgang wird begleitet von fortlaufenden Bewertungsprozessen des Individuums (primäre, sekundäre und Re-Bewertung), welche die Wahl und Ausfuhrung der Bewältigungsstrategie steuern. Ein großes Verdienst LAZARUS' liegt insbesondere auch in seiner systematischen Aufstellung einer Taxonomie von C.-Strategien. So unterscheidet er C.-Prozesse nach ihrer Funktion (instrumentell vs. palliativ), ihrem instrumentellen Schwerpunkt (Selbst vs. Umwelt), ihrer zeitlichen Orientierung (Vergangenheit vs. Gegenwart vs. Zukunft) und nach ihren Bewältigungsmodi (Informationssuche, direkte Aktion, Aktionshemmung oder intrapsychisch). Empirisch konnten mittels -»Faktorenanalyse acht verschiedene C.Strategien identifiziert werden: (a) Konfrontatives C.: aggressive Anstrengungen, die Situation zu ändern; (b) Distanzierung: Versuche, sich von
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
einem Ereignis psychisch zu distanzieren; Selbstkontrolle: Anstrengungen, die eigenen Gefühle und Handlungen unter Kontrolle zu halten; Suchen sozialer Unterstützung: Aufsuchen informationaler oder emotionaler Unterstützung anderer Pn; Akzeptieren von Verantwortlichkeit: Anerkennung des eigenen Anteils am Problem mit anschließender Anstrengung, eigene Fehler wieder gut zu machen; Flucht/Vermeidung: kognitive (z.B. Wunschdenken) oder verhaltensaktive Flucht- und Vermeidungsstrategien; Geplante Problemlösung: problemfokussierte Versuche, die Situation zu ändern; Positive Umwertung: Versuche, ein Ereignis umzudeuten durch positive Bedeutungszuweisung, z.B. als Wachstumschance.
Die Wahl der C.-Strategie hängt von verschiedenen Aspekten ab, insbesondere von den Kontrollmöglichkeiten. -» Stresskontrolle variiert dabei auf einem Kontinuum totaler Hilflosigkeit {-* Hilflosigkeit, gelernte) und vollkommener Kontrolle (jederzeitige Möglichkeit, die Stressoren zu beseitigen oder zu beherrschen). Ferner ist die Frage entscheidend, in welchem Ausmaß situationsbezogene Ressourcen (z.B. die Schaffung von Handlungsspielraum, soziale Unterstützung) oder personbezogene Ressourcen (z.B. Kontrollüberzeugungen, -* Selbstvertrauen, soziale -* Kompetenz oder Lernbereitschaft) gegeben sind. Lit.: -*Stress 77
Corporate Identity
Corporate Identity Intendierte Selbstdarstellung einer Organisation nach außen und nach innen. Nach außen bedeutet Identität hier vor allem Unverwechselbarkeit, Einzigartigkeit, Profil, Distinktheit. Nach innen gesehen impliziert C. die Identifizierung der Mitarbeiter mit der Organisation. Erklärungsrelevante sp Konzepte sind: Identifikationsprozesse, Involvement, -*Kohäsion, soziale -* Identität. Die Thematik ist häufig auch mit dem Konzept der —• Organisationskultur verbunden.
Coverstory Falsche (vorgetäuschte), aber plausible Erklärung für den Zweck eines -* Experiments. Dies folgt der Absicht, vom wahren Zweck des Versuchs abzulenken, dessen Kenntnis das Ergebnis verfälschen würde. CRESPI-Effekt CRESPI verstärkte eine Gruppe Ratten mit 256 Futtereinheiten, eine andere mit 16, letztere also mit schlechteren Erfolgsquoten. Bei einer dritten Gruppe wurde mit 256 Einheiten begonnen und sodann auf 16 reduziert. Die Leistung dieser letztgenannten Gruppe sank nicht nur auf das Niveau der zweiten Gruppe, sondern weit darunter. Der C. kann insofern als Anpassung an ein -* Vergleichsniveau (auch soziales Vergleichsniveau) interpretiert werden: Nur Erfahrungen, die das Vergleichsniveau übertreffen, werden als positiv wahrgenommen.
Crowding Das Gefühl einer Überforderung durch Beeinträchtigung der Privatsphäre, insbesondere durch Beengtheit, mit 78
Crowding
der Folge einer Bedrohung der Identität Daran schließen sich bestimmte Kompensationshandlungen an (-> Copz'wg-Strategien). Im Allgemeinen reagieren Menschen unter Dichte-Bedingungen negativ; allerdings kann es auch sein, dass Individuen unter bestimmten Bedingungen (Furcht vor Alleinsein) oder in bestimmten Situationen (z.B. Silvester-Feier) das Gefühl der Dichte positiv empfinden. Die C.-Forschung steht in engem Zusammenhang mit dem Phänomen der Masse und der Psychologie von Menschenansammlungen (-* Kollektivverhalten). Die soziologische Forschung hat überwiegend objektive Beengtheits-Situationen (Verstädterung, Verkehrsprobleme, Wohnraumdichte) betrachtet und hierbei positive Korrelationen mit sozialer Überforderung, Mangel an Kontrolle, negativer Beurteilung der Wohnumwelt festgestellt. Die psychologische Forschung betrachtet affektive und kognitive Präsentationen dieser Einengung von Privatheit. Der Unterschied zwischen objektiven und subjektiven Maßen der Dichte und Beengtheit wird häufig durch die Unterscheidung zwischen density und crowding (STOKOLS) zum Ausdruck gebracht. In der SP werden u.a. folgende C.Modelle diskutiert: (a) Das Überlastungs-Modell: Begrenzte Aufmerksamkeitskapazität fuhrt bei Vorliegen unkontrollierbarer, intensiver Stimuli zu -»•Stress, der speziell durch Beengung charakterisiert ist; (b) Das Störungs-Modell: Störung wird aufgefasst als Beschränkung, Unterbrechung oder Blockierung
Crowding
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
von Handlungszielen, so dass eine Freiheitseinschränkung (-»Reaktanz) erlebt wird; Das Privatheits-Modell: Individuen definieren ein optimales Ausmaß an Privatheit. Zu wenig Kontakt wird als Isolation, zu viel Kontakt als C. erlebt; Das Überbesetzungs-Modell (-> overmanning): Dieses hebt ab auf verhaltensbestimmende Verteilungs- und Verknappungsprobleme. Ressourcenknappheit kann auch als Ursache für Störungen (vgl. b) gelten. Das Modell der Erwartungsverletzung: Dieses geht von der Vorstellung eines „persönlichen Raums" aus; dabei gibt es normative —• Erwartungen hinsichtlich angemessener Interaktionsdistanzen und Dichtebedingungen. C. bedeutet hier so etwas wir die Verletzung der Intimsphäre; Das attributionstheoretische Modell: Das Erleben von Beengung tritt nur dann auf, wenn P aktiviert ist und wenn als Ursache dieser Aktivierung die Anwesenheit anderer Pn attribuiert wird; Das Hilflosigkeits-Modell: Da sich die Dichte unabhängig vom eigenen Handeln ergibt, kann ein solcher Zustand - insbesondere wenn kein Ende abzusehen ist — langfristig zu gelernter -> Hilflosigkeit fuhren. Wird der Kontrollverlust nur als vorübergehend und prinzipiell kontrollierbar erlebt, wird zunächst ->• Reaktanz auftreten; Das Kontroll-Modell: C. als Verlust kognizierter Kontrolle über die unmittelbare Umwelt. Das Bedrohungspotenzial hängt von der
Cumulative prospect theory
Qualität der erfahrenen Beeinträchtigung (z.B. räumliche Enge; körperliche Bedrohung) sowie vom Ort der Beeinträchtigung ab (z.B. am Arbeitsplatz, im Einkaufszentrum). Dabei werden ähnlich wie in der Stressforschung- unterschiedliche Bewältigungsformen unterschieden. Die verschiedenen Modelle berühren unterschiedliche Facetten des C., dürften z.T. durchaus kompatibel sein und jeweils ergänzende Aspekte behandeln. SCHULTZ-GAMBARD kritisiert am Stand der C.-Forschung eine Subjektivierung der Perspektive. Statt Auswirkungen von Dichtebedingungen auf das Verhalten würden lediglich Prozesse von Beengungswahrnehmung analysiert. Damit entferne man sich zusehends von den eigentlichen Antezedenzbedingungen (z.B. Verknappung von Ressourcen, Verletzung von Interaktionsdistanzen, massive Störungen). Lit: FREEDMAN, J . L . (1975). Crowding a n d behavior. San Francisco. SCHULTZ-GAMBARD (1985). Crowding: Sozialpsychologi-
sche Erklärungen der Wirkung von Dichte und Enge. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. III: Motivations- und Informationsverarbeitungstheorien. Bern u.a. 175-208. STOCKDALE, J . E .
(1978). Crowding: Determinants and effects. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances of Experimental Social Psychology. Vol. 11, New York. STOKOLS, D . (1978). A typology o f
crowding experiences. In: Baum, A. & Epstein, Y.M. (eds.) Human response to crowding. Hillsdale.
Cumulative prospect theory (CPT) -* Prospect theory
79
Darstellungsfunktion
Definition, soziale
D
Darstellungsfunktion Neben der Ausdrucksfunktion sowie der Appellfunktion vermittelt der Sender dem Empfanger die Darstellung von Sachverhalten. Bedeutungsgehalt, Assoziationen und Vorstellungen sind dabei auf bestimmte Lernumwelten bezogen und erfahren erst durch den jeweiligen sozial-kulturellen Bedeutungskontext ihren spezifischen Sinngehalt.
Darstellungsregeln Aspekt des Impression management. Mit Hilfe von D. (EKMAN) lässt sich auf der Gefiihlsebene ein bestimmter Ausdruck absichtlich hervorrufen. Diese Steuerungsabsichten sind: (a) Verstärkung des Gefühls (gespielte Freude, erzwungenes Lachen); (b) Abschwächung des Gefühls (Herunterspielen von Schadenfreude); (c) Neutralisierung eines Gefühls (Bemühung, nicht zu weinen); (d) Verstellung eines Gefühls (Verlierer gratuliert dem Gewinner "herzlich"). Die D. folgen kulturellen Gepflogenheiten und sind oft nur intrakulturell verständlich. Auch definiert die Kultur, ob und inwieweit eine Gefühlskontrolle notwendig oder erwünscht erscheint.
Dieser Weg ist aufwändiger als tegoriengeleitete Wahrnehmung.
ka-
De-Biasing Strategien zur Vermeidung kognitiver -* Täuschungen (-> Anomalien Bios —> Heuristiken). Als Methoden dienen: automatische Abläufe ins Gedächtnis holen, Feedback, Beachtung von Ausgangssituationen, Hinweis auf Opportunitätskosten, Ändern des Referenzpunktes, Erweiterung des Horizonts (consider the opposite). Die bloße verbale Darstellung der Heuristiken sowie verbale Aufforderungen zu ihrer Vermeidung bewirken keine Verhaltensänderungen (STEPHAN, FISCHHOFF & ARKES).
Deferred gratification pattern Ein im Prozess der -*• Sozialisation erworbenes Verhaltensmuster, affektiven Neigungen zur sofortigen Bedürfnisbefriedigung zu widerstehen (-> Belohnungsaufschub). Wie interkulturelle und subkulturelle Vergleiche zeigen, ist diese Fähigkeit zum Belohnungsaufschub in einzelnen Ländern oder Sozialschichten unterschiedlich stark ausgeprägt. Ein solches Verhaltenssyndrom des D. ist insbesondere für längere Planungsperioden und für wirtschaftliches Wachstum funktional.
Datengesteuerte Wahrnehmung
Definition, soziale
D. (auch: bottom up-Wahrnehmung) ist induktiver Natur und versucht, auf Grund erreichbarer Daten und deren Verknüpfung zu einem Urteil zu kommen (—• Informationsintegration).
Wird in ähnlichem Sinn gebraucht wie soziale -* Kognition. Durch die D. (-* Definition der Situation) erhalten Ereignisse "Sinn"; sie werden Bestandteil der sozialen Wirklichkeit.
80
Definition der Situation
Insbesondere bedürfen solche Sachverhalte der D., bei denen der Zugang zur objektiven Beschaffenheit (z.B. der physikalischen Realität) gering ist (-• Konstruktivismus). Definition der Situation Der Ausdruck D. ist hier objektsprachlich gebraucht: Der Akteur "definiert" bzw. interpretiert die Situation. THOMAS, der diesen Begriff prägte, will daraufhinweisen, dass Handelnde ihr Verhalten (und Erleben) nicht danach ausrichten, wie eine Situation objektiv ist, sondern wie sie glauben, dass die Situation wäre (-» THOMASTheorem). Ein solches Postulat ist für eine (nicht-behavioristische) Psychologie selbstverständlich, da sie stets davon ausgeht, dass Wahrnehmungsund Interpretationsprozesse zwischen Stimuli und Responses vermitteln. Das Prinzip war vor allem als Gegenposition gegen einen strukturellen Determinismus der Soziologie gedacht und wurde von verschiedenen soziologischen Handlungstheorien sowie vom ->• symbolischen Interaktionismus aufgegriffen. Definition der Sozialpsychologie -• Sozialpsychologie, Gegenstand der Definitionsmacht Chance, soziale -*Normen nach eigenem Gutdünken zu definieren und durchzusetzen. I.e.S. bezeichnet D. die Möglichkeit, andere Menschen, Situationen und Handlungen als konform/abweichend zu bezeichnen (-* abweichendes Verhalten). Vielfach wird den staatlichen Organen (z.B. Polizei, Gerichte) D. mit Sanktionsgewalt zugeschrieben, die jedoch sel-
De-Individuation
ten ganz willkürlich ist, weil sie in ein bestehendes Regelsystem eingebettet bleibt und ihrerseits sanktionsbedroht ist. De-Humanisierung Psychische Verneinung menschlicher Qualitäten, indem andere Personen nicht mehr als Menschen mit Gefühlen und Gedanken wahrgenommen werden. Dies steigert die Bereitschaft zur -* Aggression; andererseits kann D. auch als Folge einer Aggression i.S. eines Rechtfertigungsmechanismus' auftreten und auf diese Weise weitere Hemmschwellen abbauen (-»De-Personalisierung). De-Individuation Bezeichnet ein weitgehend unkontrolliertes Verhalten, bei dem Individuen weniger bewusst handeln (d.h. geringere -* Selbstaufmerksamkeit aufweisen), so dass sie gewissermaßen ihre Individualität (oder Identität) verlieren. GREENBERG unterscheidet zwei Formen der D.: eine erste, die sich durch Normverletzung (Hemmungslosigkeit, Bindungslosigkeit, Aggressivität) äußert und einer -* Selbstkontrolle entgegensteht. Von dieser "individuellen" Spielart von D. kann eine kollektive D. unterschieden werden (sociation), die sich (vor allem im Binnenbereich der Gruppe) in extremer Konformität und Uniformität äußert und eine besondere Reaktionsbereitschaft gegenüber sozialen Stimuli impliziert. Beiden Formen gemeinsam ist die Ausschaltung des privaten und des öffentlichen Selbstsystems (-• Selbstsystem-Theorie).
81
De-Kategorisierung
De-Kategorisierung Prozess, der der Tendenz zu kategorialem Denken entgegenläuft. So kann z.B. häufiger Kulturkontakt mit positiven und diskriminativen Erfahrungen das Denken in Stereotypen und sozialen Kategorien abbauen. Auf diese Weise könnten Untergruppen-Diskriminierung und Vorurteile reduziert werden. Voraussetzung ist (nach BREWER & MILLER), dass die stereotypisierte P nicht in ihrer Rolle als Mitglied einer Fremdgruppe wahrgenommen wird, sondern als Individuum in seiner Einzigartigkeit. Delay of gratification -* Belohnungsaufschub Delphi-Methode Hier werden Experten mit der Frage konfrontiert, wann welche Ereignisse vermutlich stattfinden werden. Nach der Phase einer ersten Einschätzung werden in die jeweils neuen Befragungsrunden die Ergebnisse aus den vorangegangenen Stufen eingegeben, so dass sich die Diskussion immer mehr auf die noch verbleibenden kontroversen Aspekte konzentriert. Die D. läuft nach ähnlichem Muster wie das —> Brainstorming ab. Hier ist allerdings von vornherein eine getrennte Bearbeitung vorgesehen, deren Ergebnisse aufbereitet an alle Mitglieder eines Konsortiums verteilt werden (-» Szenario-Technik). Demand-Characteristics Hinweise, die sich in der experimentellen Untersuchungssituation ergeben und die die Vp zu bestimmten Vermutungen über das Ziel des Experiments veranlassen (-» Erwünschtheit, soziale). Schon die Tatsache, 82
Demonstrations-Motiv
dass die Vp über Sinn und Zweck des Experiments nachdenkt, kann das Resultat verfälschen ("die gute Vp denkt nicht"). Ist die Vp gutwillig ("good subject motivation"), wird sie versuchen, den mutmaßlichen Hypothesen des VI zu entsprechen. ORNE hat sich in zahlreichen Publika-
tionen mit der Erfassimg und Vermeidung von D. auseinandergesetzt (-> Artefakt). Eine Möglichkeit zur Aufdeckung von D. ist die postexperimentelle Befragung über die "Hypothesen" der Vp im Hinblick auf das Forschungsziel. D. lassen sich auch durch die Verwendung -*nonreaktiver Verfahren vermeiden. Demonstrations-EfTekt Das Konsumverhalten einer Einkommensgruppe wird durch den sichtbaren Konsumstil der nächsthöheren Gruppe beeinflusst (DUESENBERRY). Im internationalen Bereich erweist sich der D. für wirtschaftliches Wachstum als hinderlich, weil Menschen dazu neigen, die Vorteile des höheren Lebensstandards anzustreben, ohne die Nachteile des Belohnungsaufschubs (Sparen, Kapitalbildung) in Kauf nehmen zu wollen. Demonstrations-Motiv Auch Demonstrations-Bedürfnis: gilt vielfach als Submotiv des sozialen Vergleichs. Hierbei hat der Vergleich (z.B. von Fähigkeiten, Aussehen, Besitzgütern) eine selbstbildwahrende oder selbstwerterhöhende Funktion und dient dazu, sich möglichst positiv von anderen absetzen zu können (Abhebimg) oder aber dazu, im Einklang mit anderen (z.B. einer als positiv bewerteten -* Bezugsgruppe)
Demonstrativer Konsum
zu leben (Anpassung). Das D. steht damit auch im Dienste der Wahrung sozialer -> Identität.
Demonstrativer Konsum Auf VEBLEN zurückgehender Begriff,
der auf die Signal- und Symbolwirkung auffälligen Konsumverhaltens abzielt (-» Prestige -* Visibilität, soziale). Ein solches Verhalten ist insbesondere für die „nouveaux riches" typisch sowie für Pn, die unter dem Druck der -* Statusinkonsistenz stehen.
Dendrogramm Baumstruktur, graphische Darstellung für hierarchische Abfolgen, z.B. Entscheidungsbaum (-• Entscheidungsregeln).
Denken, motiviertes versucht zu belegen, dass zwei verschiedene Motivationen die Informationsverarbeitung beeinflussen können: das Motiv, akkurate und angemessene Urteile zu fällen sowie das Bedürfiiis, zu bestimmten Schlussfolgerungen zu gelangen. Die erstgenannte Motivation dürfte einen Effekt auf die Verarbeitungsqualität haben; außerdem ist sie mit größerer kognitiver Anstrengung verbunden. Manchmal sind beide Motive im Widerspruch (z.B. wenn die Schlussfolgerungen bestehende Vorurteile bestätigen oder selbstwertdienlich wirken sollen). KUNDA
Dependenz (I)Nach SCHACHTER das Ausmaß, in dem sich Individuen am Urteil anderer orientieren (soziale -* Vergleichsprozesse).
De-Personalisierung
(II) Abhängigkeit in Interaktionsbeziehungen. Sie entsteht - lerntheoretisch gesprochen- dadurch, dass einer der Interaktionspartner den Verstärkungsmodus festlegt. Im Sinne der -> Austauschtheorie bedeutet D., dass das Vergleichsniveau fiir Alternativen entsprechend niedrig ist, d.h. dass der Akteur wenig Möglichkeiten hat, auf andere Interaktionsbeziehungen auszuweichen. Für EMERSON ist D. die komplementäre Größe zur sozialen Macht.
De-Personalisierung Entpersönlichung. Der Begriff wird in drei verschiedenen Kontexten verwendet: (I) Wenn eine P vom stereotypisierenden Beurteiler nicht als Individuum in seiner Einzigartigkeit und Besonderheit gesehen wird, sondern als Mitglied einer Fremdgruppe, kommt es zur D. (soziale Akzentuierung, De-Humanisierung -* Diskriminierung Intergruppen-Konflikt). Häufiger Kontakt (-• Kontakthypothese) kann unter bestimmten Voraussetzungen der D. entgegenwirken. (II) Zustand der Selbstentfremdung (-»Entfremdung), Beeinträchtigung oder des Verlust des Persönlichkeitsbewusstseins (-» De-Individuation). Dieser Zustand tritt entweder als Reifungsproblem auf oder als Reaktion auf bestimmte situative Gegebenheiten (z.B. Panik, -> Kollektiwerhalten), auch im Zusammenhang mit Burnout. (III) Veränderung von Interaktionsbeziehungen derart, dass der persönliche Kontakt in solchen Beziehungen reduziert oder substituiert wird. Ein Bei83
Depression
spiel sind Kaufhandlungen, die de-personalisiert sind, also kaum face-toface-Kontakt erfordern (Kauf im Supermarkt, Bestellung im Internet). Auch werden im Zuge technischer Veränderungen persönliche Kontakte bei manchen -»• Dienstleistungen entbehrlich. Moderne Informationstechnologien (vernetzte Computer) fuhren zwar zu einer Erweiterung von Zugangsmöglichkeiten und zur Verfügbarkeit über ausgedehnte Informationsmöglichkeiten, jedoch gleichzeitig zu einer Verarmung sozialer Kontakte (—• Kommunikation, computervermittelte).
Depression Stark negatives Gefühl der Ohnmacht, der Unkontrollierbarkeit. D. ist als psychische Störung vor allem Gegenstand der klinischen Psychologie. Folgende Konzepte haben besondere Affinität zur SP: (1) -> Gelernte Hilflosigkeit: Die klassischen Lerntheorien betrachten D. als Ergebnis fehlender Verstärkung. So wird z.B. die Verstärkungsmöglichkeit durch den Partner bei einem Verlust dieses Partners fehlen; das Individuum verfallt durch Generalisierung dieses Defizits in Passivität. SELIGMAN greift dieses Konzept veränderter Verstärkungskontingenz (—• Kontingenz) auf: D. ist das Ergebnis fehlender Kontingenzkontrolle. Die Erfahrung der Unkontrollierbarkeit in wichtigen Lebensbereichen führt zu der Erwartung, dass das Individuum auch künftig nicht in der Lage sein wird, gewisse Ereignisse zu kontrollieren. Die Wahrnehmung und Generalisierung beeinträchtigt nicht nur die Lernleistungen 84
Depression
des Betroffenen, sondern auch seine Motivation (in Richtung Passivität und Lethargie) sowie seine Gefühle (in Richtung Traurigkeit, Ohnmacht, Angst, Ausgeliefertsein). (2) Attributionstheoretische Erweiterung: In der (kognitiv) erweiterten Hilflosigkeitstheorie ist zusätzlich von Bedeutung, welche Ursachen das Individuum für die Unkontrollierbarkeit annimmt (-»Attributionsstil). Ein depressiver Attributionsstil wird durch die Neigung charakterisiert, bei negativen Ereignissen (z.B. Misserfolgen) stabil (d.h. in zeitlicher Permanenz), internal (d.h. sich selbst als Verursacher/Versager zu sehen) sowie global, d.h. über den eigentlichen Sachverhalt des Versagens hinaus, zu attribuieren. (3) -*Selbstwahrnehmung: Depressive haben vielfach eine verzerrte Selbstwahrnehmung, indem sie dazu neigen, negative Ereignisse (z.B. Misserfolge) auf sich selbst (anstatt auf die externen Umstände) zu fokussieren. Dies könnte zu einer besonders kritischen und selbstzerstörerischen Haltung führen. (4) Interaktionsstörungen: Vielfach korreliert D. auch mit Störungen im Bereich (intimer) sozialer —• Beziehungen (z.B. eheliche Konflikte, sozialer Stress auch im Arbeitsbereich) sowie defizitären Interaktionen (z.B. strukturell gestörte Familienbeziehungen, Tod des Lebenspartners). Über solche Korrelationen wird vielfach berichtet, jedoch fehlt bisher eine klare theoretische Konzeption, die den genauen Zusammenhang zwischen Interaktionsstörungen und D. aufzeigt.
Depressiver Attributionsstil
(5) Fehlende -» Handlungskontrolle: I.S. der Theorie KUHLS werden Depressive häufig durch -* Lageorientierung (-> Handlungsorientierung) charakterisiert, d.h. sie sind außerstande, Handlungen erfolgreich abzuschließen. Auch gilt das Umgekehrte: Der fehlende Erfolg fuhrt dazu, dass man immer stärker auf einzelne Handlungsstationen fixiert bleibt. Depressiver Attributionsstil -* Depression Depressiver Realismus -* Realismus, depressiver Deprivation-» Deprivation, relative soziale Der Ausdruck D. stammt aus der Trieb- bzw. Bedürfnistheorie und bezeichnet dort einen Mangel- oder Entzugszustand. Im Einzelnen können unterschieden werden: (a) Bedürfnis-D.: P kann zentrale Bedürfnisse (Triebe, Motive) nicht befriedigen. Verstärker wirken nur, wenn P hinsichtlich der betreffenden Bedürfnisse „depriviert" ist; (b) Sensorische D.: Es liegt ein Mangel an stimulierenden und aktivierenden Eindrücken vor; (c) Emotionale D.: P erhält zu geringe emotionale Zuwendung (z.B. Zärtlichkeit); (d) Relative D.: Gegenüber einem Adaptionsniveau oder Erwartungsniveau bestehen Diskrepanzen (Diskonfirmations-Modell); (e) Soziale D.: Im Vergleich mit anderen Pn (Vergleichsprozesse) schneidet man schlecht ab.
Deprivation, relative soziale
Deprivation, relative soziale Gefühl der relativen Benachteiligung bei gleichzeitig hoher Wunschintensität. CROSBY definiert D. als „feeling that one has been unjustly deprived of some desired thing". Er nennt fünf Voraussetzungen für D.: (a) Man sieht jemanden, der das Gut X besitzt; (b) Man will X haben; (c) Man ist der Meinung, dass einem X zusteht; (d) Man glaubt, dass es möglich ist, X zu erhalten; (e) Man fühlt sich nicht dafür verantwortlich, dass man X nicht hat. Ähnlich wie beim verwandten Konzept der distributiven Gerechtigkeit (-»Equity-Theorie) besteht demnach die Annahme seitens des Individuums, dass es - aus welchen Gründen auch immer- ein Anrecht auf Beteiligung habe. (Dies unterscheidet D. vom ->• Neid). Das Konzept der D. wurde vor allem bei Konfliktsituationen im Makro-Bereich angewandt. So wird z.B. die Theorie der D. von GURR mit der Entstehung sozialer Unruhen (z.B. Bürgerkriege) in Verbindung gebracht. Konfliktsituationen entstehen durch die Dissoziation realisierter bzw. realisierbarer Zielvorstellungen (Werte, Ansprüche) und den Erwartungen (Hoffnungen), dass diese Ziele eingelöst werden können. Dabei sind (nach GURR) zwei Grundmuster zu unterscheiden: (a) die Erwartungen/Ansprüche entwickeln sich schneller als die Möglichkeiten;
85
Desintegration
(b) die Erwartungen bleiben konstant, die Möglichkeiten verschlechtern sich. Ein naher Verwandter der D.-Theorie ist die Theorie der Revolution von DAVIES. Sie reflektiert auf den unter
(b) genannten Typ: entfesselte Erwartungen, die später nicht eingelöst werden können. Die Dissoziation zwischen beiden Größen drückt sich im "revolutionary gap" als einer latenten Variablen aus. Es lässt sich zeigen, dass diese und ähnliche Theorien aus allgemeineren -*• Wert-ErwartungsTheorien ableitbar sind.
Desintegration Die Herauslösung aus gesellschaftlichen Bezügen, insbesondere aus Gruppenbindungen. Im soziometrischen Sinne (-* Soziometrie) sind desintegrierte Individuen sozial isoliert. Auch die Gruppe als Ganzes kann dem Prozess der D. unterliegen. Sie zerfallt dann, wenn nicht re-integrierende Mechanismen einwirken. Solche Mechanismen werden i. R. der Systemtheorie auf unterschiedlichen System-Ebenen diskutiert (Systeme, soziale).
Determinismus In der Soziologie, in der Ökonomie und im Behaviorismus wird häufig ein direkter Zusammenhang zwischen Stimulus-Variablen (strukturellen oder situationalen Variablen) und Response-Variablen unterstellt (Bsp.: Eine Erhöhung des Preises senkt die Nachfrage). In modifizierten behavioristischen Modellen (-> S-O-R-Paradigma) werden (nicht weiter definierte) organismische Variablen (meist emotive oder kognitive Variablen, z.B. Ein-
86
Diagnostizität
stellungen, Attributionen oder Motivation) zwischengeschaltet. Wissenschaftstheoretisch gilt, dass deterministische Aussagen im Bereich der Sozialwissenschaften (meist unzulässige) Vereinfachungen darstellen und durch probabilistische Aussagen (Wahrscheinlichkeits-Aussagen) ersetzt werden sollten.
Deutungsmuster Vorstellungen, mit denen Individuen, Gruppen und Kulturen ihre Lebenswirklichkeit interpretieren. Der Begriff D. ist in der Nähe des SchemaKonzepts angesiedelt (-» Schema Kognition, soziale -* Definition, soziale).
Devianz -* Abweichendes Verhalten, auch abweichende Einstellungen. Nach LEMERT wird zwischen primärer und sekundärer D. unterschieden: Erstere bezeichnet das Anfangsereignis (z.B. Diebstahl, auffälliges Verhalten), letztere einen daraus folgenden Einstufungsprozess (-> labeling approach) i.S. einer Stereotypisierung und Etikettierung des betreffenden Individuums bis zur Zuweisung einer abweichenden Rolle.
Devianzkorridor Nach RUBINGTON & WEINBERG die Reduzierung von Handlungsmöglichkeiten für ein als abweichend etikettiertes Individuum (-• labeling approach).
Diagnostizität Bei der Beurteilung von Pn sind verschiedene Verhaltensweisen für den Beobachter/Beurteiler von unter-
Diffusion
Dichte, soziale
schiedlicher D. Je diagnostischer solche Verhaltensweisen sind, desto stärker beeinflussen sie den Gesamteindruck. Damit wird z.T. die Negativitätstendenz erklärt, weil im Allgemeinen negative (zumal extrem negativ) bewertete Handlungen den Gesamteindruck stärker beeinflussen. SKOWRONSKI & CARLSTON weisen jedoch darauf hin, dass in bestimmten Bereichen positiv bewertete Handlungen diagnostischer für den Gesamteindruck sein können. So sind z.B. gute Leistungen diagnostischer als schlechte, da sie eindeutigere Dispositionsschlüsse zulassen, z.B. im Hinblick auf Intelligenz.
Dichte, soziale Gilt als Aspekt des -» Crowding und meint insbesondere das Verhältnis zwischen Bevölkerung und der von ihr bewohnten Fläche (density).
Dienstleistungen D. werden als Anwendungsfall des allgemeinen Interaktionsgeschehens untersucht (vgl. NERDINGER). Aus wp
Sicht sind D. Bestandteil der -* Produktpsychologie. Als Besonderheiten von Dienstleistungen (gegenüber Objekten) werden herausgestellt: (a) Immaterialität, d.h. es handelt sich bei der D. meist um ein relativ abstraktes, materiell nicht greifbares Gut; (b) Komplexität, d.h. im Allgemeinen sind D. schwerer zu beurteilen als konkret greifbare Güter; (c) Synchronizität, d.h. Produktionsund Konsumtionsprozess fallen oftmals zusammen; (d) Mitwirkung, d.h. der Bediente muss in gewisser Weise bei der
Erstellung der D. mitwirken; (e) Persönliche Kommunikation, d.h. die persönliche Begegnung macht den Kern des Alltagsverständnisses von D. aus; (f) Schwankungsbereich, d.h. stärkere Heterogenität der Qualität, die mit der Person des Dienstleisters (und seiner unterschiedlichen Kompetenz und Motivation) variiert. Die Erforschung von D. konzentriert sich auf die Wahrnehmung von D.Qualität und Kundenzufriedenheit. Die meisten alltäglichen D. laufen nach Art eines -> Skripts ab, sind demnach nicht von aufwändigen kognitiven Prozessen begleitet. Für kognitiv stärker aufgeladene D. entwickelt PARASURAMAN ein ->• Diskonfirmations-Modell, das im Prinzip eine Erwartungs-Bestätigungs-Theorie darstellt. BITNER betont die Bedeutung von Attributionsprozessen (-• Attribution) bei der Einschätzung von D. (z.B. wahrgenommene Kontrollierbarkeit und Verantwortlichkeit des Dienstleisters). Rollentheoretisch orientierte Ansätze betonen das Auftreten von Rollenkonflikten bei D.
Diffusion (I) Ausbreitung einer Neuigkeit oder einer Neuerung (-> Innovation) in einem System von der Quelle bis zu den letzten Übernehmern. In der WP wird v.a. die Ausbreitung von Produkten und Dienstleistungen thematisiert und in sog. D.-Modellen erfasst. Besondere Beachtung finden dabei die Innovatoren, die Diffusionsagenten sowie die -* Meinungsfiihrer, deren Merkmale und Stellung im Ausbreitungsprozess. 87
Dilemma, soziales
(II) I.S. von Verantwortlichkeitsdiffusion kennzeichnet D. das Ausbleiben von Hilfeleistung (-*• Hilfeverhalten), weil man für sich selbst keine Verantwortlichkeit sieht (-• Bystander-Effekt). Ähnliche Effekte werden im Gruppenkontext beobachtet (-»• Faulheit, soziale).
Dilemma, soziales Bezieht sich auf Situationen, bei denen das Eigeninteresse und das Gesamtinteresse kollidieren. Dieses ist unter verschiedenen Stichworten untersucht worden: Als KollektivgutProblematik, als Trittbrettfahrer-Problem (free-rider-problem), als utilitaristisches Dilemma, als soziale Falle etc. Gemeinsam ist diesen Konzepten die Existenz von Verhaltensalternativen, die einzelnen Individuen vorteilhaft erscheinen, aber letztlich der Gruppe (oder der Gesellschaft) Nachteile erbringen und die letzten Endes auch auf die einzelnen Individuen zurückwirken. D. treten in zweierlei Form auf: (a) als soziale Fallen, wenn zu viele Pn ein für sie selbst belohnendes Verhalten durchfuhren, das der gesamten Gruppe zum Schaden gereicht (Bsp.: Allmende-Klemme beim Raubbau an Ressourcen, Steuerhinterziehung zu Lasten anderer Steuerzahler, Ausscheren aus der -> Solidarität. Dieser Typ des D. wird vielfach auch als Ressourcen-Dilemma bezeichnet; (b) als soziale Hürden, wenn zu wenige Pn ein aversives Verhalten durchfuhren, das im Ganzen für die Gruppe nützlich wäre (Bsp.: Teilhabe an einer Tariferhöhung ohne Zahlung von Mitgliedsbei88
Dilemma, soziales
trägen, soziale -* Faulheit bei kooperativer Leistungserstellung). Dieser Typ wird häufig i.e.S. als Kollektivgut-Dilemma bezeichnet. Für dieses ist das sog. Trittbrettfahrer-Problem bezeichnend. Weil und insofern keine Ausschlussmöglichkeiten bestehen, profitiert der Einzelne, der seinen Beitrag verweigert, trotzdem vom erstellten Kollektivgut. Vielfach wird die Kollektivgut-Problematik i.w.S. mit D. gleichgesetzt, erfasst also sowohl soziale Hürden wie auch soziale Fallen. Entweder wird i. S. von (a) das Kollektivgut (z.B. saubere Umwelt) illegitim genutzt, oder aber - dies betrifft den Fall (b) - wird ein bestimmtes Kollektivgut nicht erstellt. Allerdings trifft dies nur zu, wenn Pn eine ausschließlich eigennützige und kurzsichtige Handlungsperspektive haben und wenn die Möglichkeiten der sozialen -* Kontrolle gering sind (z.B. bei größeren Gruppen). Bei kleineren Gruppen besteht mehr Transparenz, Kontroll- und Einflussmöglichkeit sowie Zurechenbarkeit im Hinblick auf Nutzung oder Erstellung. Auch ist anzunehmen, dass Individuen soziale Normen weitgehend internalisiert (-> Internalisierung) haben, die solidarisches Verhalten (-> Solidarität) schon aus Fairnessgründen wahrscheinlicher werden lassen. Die empirischen Befunde zu D. bestätigen eine ungezügelte „free-rider-Haltung" der Beteiligten jedoch nicht (-> Kooperation). Insbesondere dann, wenn der Gruppenverband überschaubar ist, wenn Gruppenmitglieder häufig miteinander kommunizieren, dürfte dies kooperationsfördernd sein und ein
Diskriminanzanalyse
Disengagement
ausbeuterisches Verhalten Einzelner tendenziell verhindern. Da aber der eigene Vorteil näher und die nur partikelweise Teilhabe am Gesamtvorteil nur abstrakt gegeben ist, wird man sich insbesondere in Situationen der Anonymität für den Eigennutzen entscheiden (Bsp.: der Steuerzahler, der die Möglichkeit zur Steuerhinterziehung sieht, der Schwarzarbeiter, der keine Steuern und Sozialbeiträge bezahlt, jeweils ohne dabei Skrupel im Hinblick auf die Schädigung der Gemeinschaft zu empfinden). Lit.: DE DREU, C . K . W . & MCCUSKER, C .
(1997). Gain-loss frames and cooperation in two-person social dilemmas: A transformational analysis. In: Journal of Personality and Social Psychology, 72, 1093-1106. KOMORITA, S . S . &
PARKS, C . D . ( 1 9 9 5 ) .
Inter-
personal relations: Mixed-motive interaction. In: Annual Review of Psychology, 46, 183-
D. oder aber mit Aktivität einhergehen kann. Disjunktive Regel dungsregeln
Entschei-
Diskonfirmations-Modell Bei Nichtbestätigung von antizipativen —• Erwartungen tritt Unzufriedenheit auf (-> Zufriedenheit). Ein solches Modell setzt starke kognitive Beteiligung voraus. Das Erleben von NichtUnzufriedenheit impliziert meist das Gefühl des Selbstverständlichen. Ein wichtiger Anwendungsfall des D. bezieht sich auf die Qualität von Dienstleistungen. P A R A S U R A M A N diskutiert ein D., in dem an verschiedenen Stellen „gaps" auftreten können, die mangelnde Kundenzufriedenheit auslösen.
2 0 7 . MESSICK, D . & BREWER, M . B . ( 1 9 8 3 ) .
Solving social dilemmas: A review. In: Wheeler & Shaver (Eds.) Review of personality and social psychology. Vol 4, 11-44. Beverly Hills.
Disengagement Die Annahme, dass altersbedingt eine Reduzierung von Handlungsmöglichkeiten auftritt. Nach dieser Vorstellung ist der Prozess des Rückzugs des Individuums aus sozialen Interaktionen und Rollen gleichsam vom Individuum wie auch von der Gesellschaft gewollt. Grundlage dieses Konzepts ist das sog. Defizit-Modell, das insbesondere von stark verminderter Leistungsfähigkeit im Alter ausgeht (-» Alter -* Altern). Dieses Bild muss jedoch stark differenziert werden. Zudem zeigt es sich, dass -* Lebenszufriedenheit im Alter je nach Persönlichkeitsstruktur, Bildungsgrad und Lebensstil des Einzelnen entweder mit
Diskriminanzanalyse Mit einer D. wird die Zielsetzung verfolgt, zwei oder mehr Gruppen (die eventuell in einem vorhergehenden Schritt durch eine Clusteranalyse gebildet wurden) von Objekten (abhängige Variable) durch eine Linearkombination mehrerer gewichteter unabhängiger Variablen optimal voneinander zu trennen, um Gruppenunterschiede zu erklären. Damit werden zum einen auf mathematischem Wege die Variablen aus einer Liste von Merkmalen extrahiert, die eine bestmögliche Separation der Gruppen gewährleisten. Zum anderen wird eine Möglichkeit geschaffen, neu einzuordnende Objekte anhand ihrer Ausprägungen auf den diskriminierenden Variablen, nunmehr mit maximaler Erfolgswahrscheinlichkeit, der passenden Gruppe zuweisen zu können. 89
Diskriminanzanalyse
Ein typischer Anwendungsfall der D. ist die Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen. Banken werden anhand ihrer bisherigen Erfahrungen im Kreditvergabegeschäft (z.B. Umsatzzahlen, Eigen-/FremdkapitalVerhältnis, Branche und Unternehmenswert erfolgreicher bzw. -loser Kreditabwicklungen) fundierte Aussagen über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen treffen können. Unter Rückgriff auf eine D. können zunächst die Vorhersagequalitäten der einzelnen betrachteten Variablen bestimmt werden (z.B. Umsatzzuwachs der letzten drei Jahre als wichtigstes diskriminierendes Merkmal zur Vorhersage der reibungslosen Kreditrückzahlung), um neu zu bescheidende Kreditanträge dann speziellen Risikogruppen zuordnen zu können. Vorgehen: Aufgrund theoretischer Überlegungen - o d e r plausibler Annahmen bzw. verfugbarer Information e n - werden zunächst die Variablen nominiert, deren Ausprägungen zur Aufteilung der Objekte auf die Gruppen herangezogen werden sollen. Mit diesen Variablen werden nun - ähnlich dem Vorgehen bei der -*• Regressionsanalyse - die Koeffizienten einer (im 2-Gruppen-Fall; allgemein: Anzahl der Gruppen minus 1) Diskriminanzfunktion bestimmt. Dazu wird für jeden Koeffizienten das Verhältnis der Quadratsumme der Funktionswerte zwischen den Gruppen und der Quadratsumme der Funktionswerte innerhalb der Gruppen maximiert. Dies bewirkt eine optimale Unterscheidung von Fällen differierender Gruppenzugehörigkeit. Mittels der Diskriminanzfunktion(en) werden anschließend die Diskriminanzwerte für alle Objekte 90
Diskriminierung
bestimmt und ein Vergleich zwischen tatsächlicher und berechneter Gruppenmitgliedschaft vorgenommen, was einen ersten Eindruck über die Güte der Diskriminanzfunktion(en) verschafft. Die Einordnung eines neu zu klassifizierenden Falls erfolgt dann über die geringste Distanz seines Diskriminanzfiinktionswertes zu den Mittelwerten der Diskriminanzwerte in den vorhandenen Gruppen.
Diskriminationslernen Betrifft die Fähigkeit, zwischen unterschiedlichen Stimuli genau unterscheiden zu können. Dies ist dann von Belang, wenn nur jeweils spezifische Stimuli zu Belohnungen oder Bestrafungen führen. Im sozialen Bereich bedeutet D. insbesondere das Gespür für die richtige (angemessene) Situation, ein Verhalten erfolgreich ausführen zu können. D. ist daher auch eine wichtige Voraussetzung der sozialen —• Kompetenz.
Diskriminierung (I)Im lerntheoretischen Sinn: Prozess der Reaktionsdifferenzierung, wenn mehrere Stimuli bestehen und nur einer (oder nur bestimmte) Reize eine Verstärkung bieten. Die SP interessiert sich insbesondere für soziale Situationen als diskriminative Stimuli (z.B. Rauchen ist nur in Gesellschaft belohnend). Die Sensibilisierung für solche situativen Bedingungen erfolgt durch das —• Diskriminationslernen. (II) I.S. der Abwertung: D. ist (vor allem umgangssprachlich) als abwertende Einstellung gegenüber bestimmten Personen oder Gruppierungen zu verstehen, die sich durch irgendwelche
Dispositioneil
Dissonanzstärke
Merkmale von anderen unterscheiden. Da Menschen dazu neigen, unterscheidende Merkmale zugleich zu bewerten (auch, um sich selbst aufzuwerten), geht die D. im lerntheoretischen Sinn zwangsläufig in eine bewertende Attitüde über. Sie besteht vor allem gegenüber Minderheiten (z.B. ethnischen) und ist dort besonders ausgeprägt, wo es sich um sozial sichtbare Merkmale handelt (->• Vorurteil, soziales —• Stigmatisierung).
satz zu rein logischen Widersprüchen) nicht zueinander passen bzw. sich gegenseitig ausschließen. Die D. wird als innerer Spannungszustand mit triebartigem Charakter, d.h. motivational interpretiert. Postuliert wird demnach ein "Trieb" zur Dissonanzreduktion (-> Dissonanztheorie). Lerntheoretisch gilt, dass D. als aversiver Reiz empfunden wird; in diesem Sinn wäre ihre Reduktion eine Form des Vermeidungslernens.
Dispositionen
Dissonanzstärke
Verhaltensdispositionen können auf Anlagefaktoren oder —• Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt werden (—> Anlage vs. Umwelt). Viele D. sind jedoch auch Resultat von Lernprozessen (z.B. -» Einstellungen -* Attributionen —• Motivation). Entscheidend ist, dass durch die D. eine Verhaltenstendenz entsteht. D.-Begriffe werden auch als hypothetische Konstrukte verwendet (z.B. Einstellungen).
Die D. wird durch zwei Faktoren bestimmt: durch den relativen Anteil dissonanter Kognitionen an der Gesamtheit der relevanten Kognitionen sowie von der Bedeutsamkeit der relevanten Dimensionen. Das Ausmaß der Dissonanz im Hinblick auf den relativen Anteil dissonanter Beziehungen wird durch den Dissonanzindex wiedergegeben:
Dispositions-Effekt Die Tendenz, Aktien bei steigenden Kursen zu früh, bei sinkenden Kursen zu spät zu verkaufen. Der D. kann sowohl dissonanztheoretisch (-> Dissonanztheorie) sowie i.R. der -» Prospect theory erklärt werden.
Dissonanz, kognitive Nach FESTINGER ( 1 9 5 7 ) gibt es zwischen (relevanten) Kognitionen entweder konsonante oder dissonante Relationen. Unter Kognitionen sind Meinungen, Wissensinhalte, Einstellungen, Attributionen, Vorurteile, Glaubensvorstellungen usw. zu verstehen. Zwei Elemente sind dann dissonant, wenn sie aus der Sicht des Individuums psycho-logisch (im Gegen-
Dissonanzstärke = Anzahl dissonanter Relationen Zahl konsonanter + Zahl dissonanter Relationen
Die Bedeutsamkeit der relevanten Dimensionen hängt u.a. von folgenden Faktoren ab: (a) nach BREHM & COHEN davon, dass zentrale Motive der jeweiligen P tangiert werden und dass hinsichtlich der kognitiv geprägten Handlungen Commitment besteht; (b) nach ARONSON vom Ausmaß der Betroffenheit des Selbstkonzepts vonP; (c) nach WICKLUND & BREHM, wenn die Person -> Verantwortlichkeit perzipiert;
91
Dissonanztheorie
(d) nach DAVIS & JONES, wenn die aversiven Konsequenzen irreversibel sind. Die Stärke der aus einer Entscheidung resultierenden Dissonanz ist eine Funktion (a) der Bedeutsamkeit der Entscheidung; (b) der relativen Attraktivität der nicht gewählten Alternative und (c) der kognitiven Überlappung beider Alternativen. Je mehr sich nämlich zwei Alternativen in ihrer Attraktivität gleichen, aber grundsätzlich unterschiedlich sind, umso höher ist die D. Mit steigender Ähnlichkeit der Attribute hingegen nimmt die Dissonanz ab (z.B. Entscheidung zwischen zwei ähnlichen Autos, die gleich viel kosten).
Dissonanztheorie (1) Stellenwert der D.: Ursprünglich von FESTINGER ( 1 9 5 7 ) konzipiert und von zahlreichen Anschlussautoren weiterentwickelt und modifiziert. Vorläufertheorien waren die Theorie der informellen Kommunikation sowie die Theorie sozialer -> Vergleichsprozesse. Die D. steht in der Tradition der Gestaltpsychologie (Idee der "guten" Gestalt). Wie die Balancetheorie ist sie gleichfalls eine —" Konsistenztheorie, d.h. die Grundannahme der Theorie ist ein Streben nach Harmonie und Konsens: Personen streben ein Gleichgewicht ihres kognitiven Systems an. Die D. dürfte nach wie vor die prominenteste, folgenreichste und auch fruchtbarste sp Theorie sein, obgleich sie mittlerweile erhebliche Einschränkungen und Verlagerungen erfahren hat (für eine jüngere Ge92
Dissonanztheorie samtdarstellung vgl. FREY & GASKA
2001) und manchmal, allerdings meist etwas voreilig, als substituierbar bezeichnet wurde. (2) Axiome der D.: Sie geht davon aus, dass Kognitionen über die Umwelt, das Selbst sowie das eigene Verhalten prinzipiell in einzelnen Elementen (oder Bündeln von Elementen) erfassbar sind. Die verschiedenen kognitiven Elemente haben einen entscheidenden Einfluss auf entsprechende Verhaltensbereiche. Dabei wird angenommen, dass auch verschiedene Verhaltensweisen einer Person eine gewisse Konsistenz aufweisen. Bei relevanten Beziehungen entstehen kognitive Dissonanzen dann, wenn mindestens zwei Elemente A und B einander derartig widersprechen, dass aus A non B folgt, während innerhalb der kognitiven Konsistenz zu erwarten ist, dass aus A B folgt. Was unvereinbar ist, wird durch Lernprozesse vermittelt. JONES & GERARD präzisieren, dass A und B immer dann dissonant sind, wenn sie unverträgliche Implikationen in Bezug auf das Verhalten haben. Nach IRLE tritt Dissonanz auf, wenn eine Person bestimmte Hypothesen über die Beziehung zwischen kognitiven Elementen hat, die durch die Erfahrung widerlegt werden. Auf diese Weise wird eine lerntheoretische Perspektive eröffnet; auch gelingt eine Ableitung der D. aus der -* Hypothesentheorie der Wahrnehmung. (3) Hypothesen der D.: Die Aussagen der D. sind die folgenden: (a) Tendenz zur Dissonanzreduktion, d.h. die Person versucht, die
Dissonanztheorie durch kognitive Dissonanz verursachten Spannungen dadurch zu lösen, dass sie die Konsistenz der Elemente wiederherstellt und/oder dadurch, dass sie dissonanzfordernde Situationen und Informationen meidet; (b) Das Ausmaß des Reduktionsdruckes ist direkt vom Ausmaß der Dissonanz abhängig (-* Dissonanzstärke); (c) Die Reduktion der Dissonanz unterliegt den Prinzipien der Einfachheit, der Effizienz und der Stabilität. Die "kostengünstigste" Reduktionsform wird gewählt. Dabei stehen die folgenden Reduktionsformen zur Verfügung: Änderungen des Verhaltens (z.B. in Richtung einstellungskonformen Verhaltens) oder Änderungen im Bereich der Kognitionen, nämlich entweder: Verringerung der Zahl und/oder Bedeutsamkeit der dissonanten Kognitionen (Subtraktion) oder: Erhöhung der Zahl und/oder der Bedeutsamkeit konsonanter Kognitionen (Addition); (d) Entscheidimgsdissonanz (-* Exp. 16) kann durch folgende Mechanismen reduziert werden: durch Rückgängigmachung der Entscheidung (bei Irreversibilität nicht möglich), durch Abwertung der Bedeutsamkeit der Entscheidung, durch kognitive Erweiterung konsonanter Attribute, durch Aufwertung der gewählten bzw. Abwertung der nicht gewählten Alternative, durch Aufsuchen oder Selektion konsistenter Informationen, durch selektives Vermeiden oder
Dissonanztheorie Abwerten inkonsistenter Informationen; (e) Der Widerstand gegen Änderungen kognitiver Elemente hängt vom Ausmaß der in ihr Zustandekommen involvierten "Kosten" ab. Der Änderungswiderstand ist bei hohem -* Commitment (Selbstverpflichtung, etwa auf Grund öffentlicher Bindung) besonders groß. Änderungsresistent sind auch alle Kognitionen, deren Änderungen neue größere Dissonanz erzeugen würden. Daher ist der Widerstand gegen Veränderung einer Kognition umso höher, je mehr Kognitionen mit ihr in konsistenter Weise verknüpft sind. (4) Anwendungsbereiche der D.: Die Theorie hat eine relativ hohe Reichweite; der Umfang ihrer Anwendungsbereiche macht sie anderen Theorien überlegen, die partikular zu den gleichen Resultaten gelangen. Die wichtigsten Anwendungsbereiche sind: (a) Dissonanz nach freier Entscheidimg aufgrund eines vorübergehenden -* Regret-Effekts. Nach Auffassung einiger SPn kann Dissonanz auch antizipiert werden (Dissonanzerwartung); (b) Dissonanz nach einstellungskonträrem Verhalten (-»•Exp. 17); (c) Dissonanz zwischen verschiedenen Komponenten der Einstellung (z.B. auch affektiver und kognitiver Komponenten); (d) Dissonanz bei der Auswahl von Informationen (-> selective exposure), d.h. Informationen, die die Entscheidung begünstigen, errei-
93
Dissonanztheorie
Dissonanztheorie
chen eher das Aufmerksamkeitsfeld; (e) Suche nach sozialer Unterstützung bei Dissonanz (z.B. verstärkte Neigung zu selektiven sozialen Vergleichen), Rechtfertigungs- und Rationalisierungsstrategien (z.B. Rechtfertigung des Aufwandes). (5) Schwächen der D. sind insbesondere in zwei Punkten zu sehen. Zum einen ist die D. in der Spezifizierung der Dann-Komponente reichlich diffus. Die Theorie enthält gewissermaßen nur eine Vorschlagsliste, welche Reduktionsmöglichkeiten prinzipiell zur Verfügung stehen. Der Verweis auf das Kostenargument ist entschieden zu allgemein. Eine zweite grundsätzliche Schwäche besteht in der Tatsache, dass es in den zahlreichen Experimenten zur Stützung (oder Widerlegung) der D. nicht gelungen ist, Dissonanz messtechnisch zu erfassen: Bestimmte Verhaltens- oder Kognitionsmuster werden lediglich im Sinne der D. interpretiert. (6) Alternative (konkurrierende) Erklärungen: Es gibt eine Anzahl konkurrierender Theorien, die z.T. beanspruchen, die in dissonanztheoretischen Experimenten aufgefundenen Ergebnisse besser erklären zu können. Insbesondere geht es hierbei um die Deutung einstellungsdiskrepanten Verhaltens; Ausgangspunkt ist meist das 20-$-Experiment von FESTINGER &
CARLSMITH ( - > E x p .
17). Im Wesentlichen sind es vier Theorien, die alternative Lösungen vorschlagen: Die Theorie der objektiven -»• Selbstaufmerksamkeit von DUVAL & WICKLUND, die Theorie der Selbstintegrität von STEELE, 94
die Theorie der -* Selbstwahrnehmung von BEM sowie das Konzept des -* Impression management von SCHLENKER & TEDESCHI.
BEM sieht in seiner Selbstwahrnehmungs-Theorie eine einfachere Erklärungsmöglichkeit für Einstellungsänderungen nach einstellungskonträrem Verhalten: Der Handelnde sieht sich gleichsam wie ein Beobachter von außen und kommt zu dem Schluss, eine der Handlung entsprechende Einstellung zu haben. Entscheidungsexperimente zeigen jedoch, dass der Gegenstandsbereich von BEMS Theorie auf das "spontane" Verhalten sensu FAZIO beschränkt bleibt (-»MODE-Modell). Insbesondere betonen FAZIO et al., dass die Selbstwahrnehmungstheorie eher den Einstellungswandel im Rahmen (noch) einstellungskongruenten Wandels erklärt (-»Exp. 13). Die Selbstaufmerksamkeit-Theorie behauptet, dass Dissonanz nach einstellungsdiskrepantem Handeln in Abhängigkeit vom Grad der Selbstaufmerksamkeit auf unterschiedliche Weise reduziert wird: Bei starker privater Selbstaufmerksamkeit ist die Einstellung im Focus der Aufmerksamkeit und infolgedessen änderungsresistent, so dass die DissonanzReduktion durch verzerrte Wahrnehmung des Verhaltens reduziert werden kann. Bei hoher öffentlicher Selbstaufmerksamkeit werden verstärkt Einstellungsänderungen erfolgen. STEELE kritisiert die D. mit dem Argument, dass keineswegs etwa "nicht zu vereinbarende Kognitionen" den
Distinktheit
Dissonanztheorie
mit Dissonanz verbundenen Spannungszustand herstellen, sondern dass Dissonanzen deshalb als unangenehm empfunden werden, weil sie eine Bedrohung des Selbstwertes darstellen (ähnlich bereits ARONSON). Schreibt jemand bspw. freiwillig einen einstellungskonträren Aufsatz, so sei die darauffolgende Einstellungsänderung nicht auf die dissonanzerzeugende Überlegung "Ich habe etwas geschrieben, woran ich nicht glaube" zurückzuführen, sondern durch die selbstwertbedrohende Feststellung, "etwas schreiben, woran ich nicht glaube, ist mit meinem Selbstbild eines vernünftig handelnden Menschen unvereinbar" (-»Selbstintegrität). Dieser Ansatz ersetzt freilich nicht die Perspektive der Dissonanz, sondern verlagert sie lediglich. Nach TEDESCHI et al. haben Individuen ein besonderes Interesse daran, auf andere einen konsistenten Eindruck zu machen. Die Konsistenz sei demnach nur ein nach außen vorgegebenes Verhalten, getragen von dem Bedürfnis, in der Antwortsituation konsistent zu erscheinen. Insofern wäre das Konsistenzstreben lediglich ein taktisches Vorgehen, um Konsistenz vorzutäuschen (-»sokratischer Effekt Impression management). Entscheidimgsexperimente mit der -> Bogus-Pipeline Apparatur, scheinen darauf hinzudeuten, dass eine solche Komponente des Vortäuschens nicht auszuschließen ist. TETLOCK & MANSTEAD kommen daher zu dem Ergebnis, dass beide Motive wirksam (und in unterschiedlichen Situationen auch unterschiedlich dominierend) sein kön-
nen: das Bedürfnis nach innerer Konsistenz sowie das Bedürfnis nach Selbstdarstellung im Sinne der Impression management-Theorie. Lit.: FREY, D . & GASKA, A . ( 3 2 0 0 1 ) . D i e
Theorie der kognitiven Dissonanz. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. I, Kognitive Theorien. Bern u.a.,
275-324.
HARMON-JONES,
E.
&
MILLS, J. (eds.) (1999). Cognitive dissonance, Progress on a pivotal theory of social psychology. Washington. FESTINGER, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford/CA.
Dissoziation (I) I.R. der Analyse von Glaubwürdigkeit wird (nach HOVLAND) im Zeitablauf die Assoziation zwischen Sender und Botschaft schwächer; es kommt zu einer D., wodurch der das Verhalten blockierende Einfluss einer negativen Senderbewertung schwindet (->• Sleeper-Effekt). (II) Nach DEVINE geraten unbewusste -* Stereotype, die in frühester Kindheit gelernt wurden, mit bewussten Prozessen der Kontrolle (z.B. durch Normen und Moralvorstellungen) in Widerspruch. Vorurteilsfreie Pn neigen in solchen Fällen zur Korrektur der Stereotyps. (III) Die Theorie der -» Anomie geht von einer D. zwischen den Werten bzw. Zielen eines Individuums und den legitimen Mitteln, diese Ziele zu erreichen, aus. Die D. sei dann der Auslöser -* abweichenden Verhaltens. Distinktheit (I)D. bezieht sich aus der Sicht der -> Attributionstheorie auf das Verhalten einer P in anderen Situationen bzw. gegenüber anderen Reizen. Hohe 95
Diversität
Distanz, soziale
D. ist gegeben, wenn die betreffende P lediglich bei einer engen Teilklasse von Situationen so reagiert. (Bsp.: A ist nur gegenüber Person B unhöflich). In der Kovariationstheorie von KELLEY sind D.-Informationen - die Frage also, ob der Effekt nur bei einem bestimmten Stimulus auftritt- eine von drei Informationsquellen, welche die Verursachung des Effekts (Person, Stimulus, Umstände) nahe legen. (II) Der Begriff D. spielt ferner eine Rolle in TAJFELS Theorie sozialer Identität, wobei es darauf ankommt, sich von Außengruppen durch Besonderheiten abzugrenzen. Dabei wird ein Bedürfnis nach positiver sozialer Identität postuliert, das mit dem Wunsch korrespondiert, eine positiv bewertete D. der Ingroup gegenüber der Outgroup herzustellen, zu vergrößern oder aufrecht zu halten. (III) Nach BREWERS Theorie optimaler D. wird die Erhaltung sozialer ->• Identität aus einer motivationalen Spannung zwischen dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit (soziales Selbst) und einem entgegengesetzten Bedürfnis nach D. (personales Selbst) abgeleitet. Ziel ist die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen diesen Bedürfnissen.
Distanz, soziale Das Ausmaß der Nähe/Ferne im sozialen Raum. Mit Hilfe der -* Bogardus-Skala wird der Grad der Intimität gemessen, den eine P oder Gruppe mit anderen Pn oder Gruppen eingehen möchte (-»• Soziometrie). In kommunikativen Netzen bezeichnet D. die Zahl der Zwischenglieder, die genutzt werden müssen, um auf dem kürzesten 96
Weg von einer Position zur anderen zu gelangen (-»Netzwerke, soziale).
Divergenz, Divergenztheorem Beim Studium kommunikativer Akte in ad hoc zusammengestellten aufgabenorientierten Gruppen etablierten sich (nach BALES) zwei Führungspersonen: der instrumentelle Führer, der die Funktion der Lokomotion verkörperte, sowie der sozioemotionale Führer, der die Funktion der Kohäsion übernahm. Es erwies sich als unwahrscheinlich, dass die beiden Führungsrollen sich in einer einzigen Person konzentrierten. Das Theorem ist insofern auch als Auseinanderklaffen von Beliebtheit und Tüchtigkeit interpretiert worden. HOFSTÄTTER hat das D. (wohl etwas zu großzügig) verallgemeinert: Er findet die duale Führungsstruktur auch in realen Gruppen, z.B. Familien (Vaterrolle/Mutterrolle) oder im politischen Kontext (Premier/König, Präsident).
Diversität Unterscheidungsmerkmale für D. sind Rasse, Geschlecht, Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Kulturraum, Beruf und Herkunft. D. umfasst einerseits die sog. sozio-demographischen Merkmale, zum anderen jedoch auch Unterschiede der Weltanschauung, des Wertsystems, der Sprache, der Normen und Einstellungen, die zu potentiellen Verhaltensunterschieden führen. Diese Thematik ist dann von spezifischem Interesse, wenn Teile der Gesamtgesellschaft bzw. der Gesamtkultur recht heterogen ausfallen und damit besondere Probleme bei Kooperation und Konflikthandhabung induzieren. Auch können Gruppenunterschiede entstehen, indem sich Grup-
Dogmatismus
penmitglieder über ihre eigene Gruppenzugehörigkeit identifizieren und dabei gelegentlich eigene -* Subkulturen begründen (-> Identität, soziale). Die Thematik ist v.a. auch in der Arbeits- und Organisationspsychologie von Bedeutung, da betriebliche Arbeitsgruppen häufig durch erhebliche Diversität gekennzeichnet sind. Dogmatismus Autoritarismus -* Dominanztheorie, soziale —• Persönlichkeitsmerkmal, das auf unanfechtbaren änderungsresistenten Überzeugungen gründet. Die besondere Charakteristik ist Intoleranz gegenüber Andersdenkenden oder andersartigen Individuen, verbunden mit einer gewissen Abschottung gegenüber der Realität sowie logischen Argumenten. ROKEACH, der eine Theorie sowie eine Skala zur Messung von D. entwickelte, bezeichnet den typischen kognitiven Stil der dogmatischen Persönlichkeit als -> closed mindedness (im Gegensatz zu open mindedness = aufgeschlossen, offen für Argumente). Das Konzept des D. ähnelt dem der autoritären Persönlichkeit, zumal auch bei ROKEACH frühkindliche Sozialisationserfahrungen (Glorifizierung der Eltern, Ängstlichkeit etc.) für die Entwicklung der dogmatischen Persönlichkeit verantwortlich gemacht werden. Allerdings sieht ROKEACH sein Konzept und die von ihm vorgeschlagene D.-Skala allgemeiner als das Syndrom des -* Autoritarismus. Insbesondere zeigt er, dass D. sowohl in der linken wie auch in der rechten politischen Szenerie beheimatet ist.
Dominanztheorie, soziale
Das D.-Konzept mitsamt seinem theoretischen Hintergrund bietet eine - wenn auch recht begrenzte - Perspektive zum Studium sozialer —• Vorurteile, vernachlässigt jedoch die Bedeutung sozio-kultureller und situationaler Gegebenheiten. Domain-Forschung Nach HERRMANN ein Forschungstyp (im Gegensatz zu -> paradigmatischer Forschung), der einen bestimmten Gegenstandsbereich oder Problembereich (z.B. Wirtschaftskriminalität, Freizeitverhalten) thematisiert und darauf bestimmte (sp) Theorien anwendet. Dominante Reaktion Gut gelerntes oder auch instinktives Verhalten, d.h. eine sehr starke direkte S-R-Verbindung, die durch hohe Habitstärke (feste Gewohnheit) gekennzeichnet ist. Dieses Verhalten ist in einer Reaktionshierarchie sofort verfugbar und setzt sich gegenüber alternativen Verhaltensweisen durch. D. laufen häufig der Kreativität zuwider, die angesichts veränderter Umweltbedingungen notwendig sein könnte. Hohe (physiologische) Aktivation fordert D. Dominanz Individuelle Tendenz zur Beherrschung anderer (-• Macht, soziale Autorität). Dominanztheorie, soziale Neuere Variante der Theorie des -* Autoritarismus. Nach SIDANIUS & PRATTO soll diese Theorie in der Lage sein, die unterschiedlichsten Ansätze zur Erklärung von -* Rassismus, -* Stereotypen, sozialen —• Vorurteilen 97
Door in the face-Taktik
Dreieckshypothese
und -* Diskriminierung von Außengruppen zu synthetisieren. Nach diesem Konzept sind alle Gesellschaften strukturierte Systeme gruppenbasierter sozialer Hierarchien. Sie finden sich v.a. in drei Schichtsystemen: in der Altersgruppierung, im System der -*• Geschlechtsrollen sowie in der Machtschichtung. Kernpunkt der Theorie ist die Annahme, dass nahezu alle sozialen Konflikte und Diskriminierungsformen Resultate individueller Überzeugungsmuster darstellen, wonach es so etwas wie gruppenbasierte Hierarchien gibt und geben sollte. Hier bilden sog. legitimierende Mythen eine moderierende Rolle. Sie können die Diskriminierung verstärken (Rassismus, Sexismus, Nationalismus, Fundamentalismus) oder abschwächen (Menschenrechte, Weltbürgertum, Humanismus, christliche Nächstenliebe). Diese Mythen bilden moralische und intellektuelle Rechtfertigungen (-» Neutralisierungstechniken) für das Bestehen sozialer Ungleichheiten. Door in the face-Taktik the door-Taktik
Foot in
So bezeichnet ClALDlNI eine Vorgehensweise, im Rahmen von Bitten, Wünschen oder Verhandlungspositionen eine Ausgangsforderung zu stellen, die in diesem Umfang auf Ablehnung stoßen muss. Es wird argumentiert, dass eine solche Vorgehensweise dennoch erfolgreich sein kann, indem stückweises Konzessionieren vom Interaktionspartner als Zugeständnis interpretiert wird, auf das man seinerseits - i.S. des Prinzips der -* Reziprozität- mit Konzessionen antworten muss.
Eine Gefahr bei einem solchen Vorgehen besteht jedoch darin, dass eine zu hohe Ausgangsforderung oder eine unverschämte Bitte beim Rezipienten zu -* Reaktanz fuhren und den frühzeitigen Abbruch der Beziehung bedeuten kann.
Dopplungseffekt Bei mittlerer bis mäßiger Glaubwürdigkeit eines Kommunikators wächst dessen perzipierte Glaubwürdigkeit überproportional an, wenn ein zweiter Kommunikator das Gleiche aussagt. Voraussetzung für den D. ist jedoch, dass der Rezipient zwischen den beiden Kommunikatoren keinen Zusammenhang (z.B. Austausch oder gleiche Interessenlage) sieht.
Dreieckshypothese behaupten, dass bei Verhandlungssituationen kompetitiv eingestellte Teilnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit ihre eigene Motivation auf andere attribuieren. Die Erfahrung des Kompetitiven bleibt daher eingegrenzt. Die Erfahrung des Kooperativen (-»Kooperation) ist vielfaltig; dieser kann unterschiedliche Motive der Partner differenzieren. Kooperative haben daher ein weites Wahrnehmungsspektrum und sind insofern in ihren Reaktionsmöglichkeiten potentiell weniger beschränkt. Diese unterschiedlichen Möglichkeiten werden von den Autoren in Form eines Dreiecks dargestellt. K E L L E Y & STAHELSKI
Erwartete Orlentlenjng des Partners koop. X
X
X
X
X X
® UJ
98
komp.
komp.
X
X X X
Drei-Komponenten-Modell
Drohungen
Drei-Komponenten-Modell —> Einstellungen
Gelegenheitsstrukturen struktur-Theorie).
Dritte-Person-Effekt
Drogenkonsum gigkeit
Beschreibt die Tendenz, sich selbst als weniger beeinflussbar einzuschätzen als andere (dritte) Pn (z.B. durch Werbung). Wichtige Determinanten für die Stärke dieses Effekts sind: die Parteilichkeit der Beeinflussungsquelle, der Inhalt der Botschaft, die soziale Distanz (subjektive Entfernung der dritten P) sowie die Neigung zur Selbstwerterhöhung. Letzteres scheint den D. zu begründen. Drogenabhängigkeit -* Drogenkonsum Bezeichnet ein zwanghaftes Verlangen nach Einnahme bestimmter Substanzen (Rauschgift, Medikamente, Alkohol etc.), um einen möglichst angenehmen Zustand zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Meist führen bestimmte Probleme zur D., die ihrerseits neue Probleme schafft, die zu weiteren abweichenden Handlungen fuhren (z.B. Prostitution, Beschaffungskriminalität). Neben physiologischen und biochemischen Aspekten sind aus psychologischem und soziologischem Bereich zahlreiche Erklärungen der D. vorgeschlagen worden. Zentral sind u.a. lerntheoretische Erklärungen, die die besonderen physiologischen, psychischen und sozialen Konsequenzen des Drogenkonsums in den Mittelpunkt stellen. Dabei ist auch zwischen Initiierung, Aufrechterhaltung, Entzug und Rückfall zu unterscheiden. Einige Ansätze betonen den Aspekt der Kontrolle (-* Selbstkontrolle). Andere Theorien thematisieren differenzielle
(->• Chancen-
Drogenabhän-
Teilklasse -* abweichenden Verhaltens. Sp wird dieses Verhalten häufig lerntheoretisch erklärt, vor allem unter Aspekten des instrumentellen Lernens (Anstreben eines angenehmen und Vermeiden eines unangenehmen Zustands) sowie des Modell-Lernens, insbesondere bei der ersten Übernahme und Initiierung des Verhaltens. Von Bedeutung ist auch die Charakteristik der jeweiligen Bezugsgruppen, die als Modelle der Übernahme fungieren und das Imitationslernen forcieren. Mit wachsender Abhängigkeit entsteht im Übrigen ein Verlust an -* Selbstkontrolle. Auch sind in bestimmten -> Subkulturen sog. Modedrogen verbreitet (z.B. Kokain), die eine angenehme Aktivierung bewirken und möglicherweise die Kreativität (z.B. von Künstlern) kurzzeitig stimulieren. Drohungen Latente (potentielle) -»Bestrafungsmacht. D. wirken nur glaubhaft, wenn der Bedrohte annimmt, dass der Drohende in der Tat über ein Drohpotential verfügt, und dass er dieses in bestimmten Fällen auch anwenden wird. Zur Steigerung der Glaubwürdigkeit dient gelegentlich die demonstrative Präsentation oder das Statuieren eines Exempels. D. sind eine relativ kostengünstige Form der Machtausübung (-> Machtkosten), da diese nicht (immer) realisiert zu werden braucht. Allerdings entstehen Kosten, die Glaubwürdig99
Dual-concern-ModeU
keit aufrechtzuerhalten sowie durch Attraktivitätsverlust des Drohenden.
Duale Prozess-Modelle
lediglich heuristischen Informationsverarbeitung unterschieden wird; Die Wirkungen von D. wurden in der (c) Das MODE-Modell von FAZIO, SP vor allem von TEDESCHI unterdas zwischen Verhaltenssituatiosucht. D. sind ferner ein zentraler Benen unterscheidet, die das Indivistandteil des Transportspiel-Experiduum zur genauen Reflexion und ments (-» trucking game -*• Exp. 29) bewussten Entscheidung veranlasvon DEUTSCH & KRAUSS. Hier sen sowie Situationen, in denen verfugen die Spieler in unterschiedstark habitualisierte Einstellungen licher Weise über ein Drohpotential, je nach -* Verfügbarkeit und und es wird problematisiert, unter -*• Zugänglichkeit zu spontanem welchen Bedingungen sie dieses auch Verhalten führen. Nur im erstgenutzen. nannten Fall der bewussten Entscheidungsfindung kommen MoDual concern-Modell delle des -* geplanten Verhaltens Von PRUITT & RUBIN entwickeltes und -* überlegten Verhaltens Modell (-»• Konflikt, sozialer), bei dem (sensu FISHBEIN & AJZEN) zum in einer Interaktion bzw. in einer Tragen; Verhandlung eine Aktion von der Sor(d) Das Modell von SCHNEIDER & ge um die eigenen HandlungsergebSHIFFRIN (kontrollierte vs. autonisse sowie um die Sorge der Ergebmatische Informationsverarbeinisse des Anderen geleitet sein kann tung), welches zum Ausdruck (-> Interdependenztheorie -*• Kooperabringt, dass viele Reaktionen als tion Solidarität -* Transformation) Automatismen (short cuts) ablaufen; demgegenüber seien nur relaDuale Prozess-Modelle tiv wenige Handlungen Ausdruck CHAIKEN & TROPE unterscheiden Foreiner kontrollierten Reflexion; men der Informationsverarbeitung (e) Das Modell von FISKE und Mitargenerell nach zwei Grundformen, von beitern (aufsteigende bzw. datendenen die eine elaboriert, gründlich gesteuerte vs. absteigende bzw. und datenverarbeitend vorgeht, die kategoriengesteuerte Verarbeiandere hingegen vereinfacht, heuristung). tisch und automatisch. Zu diesen MoDie Annahme dualer Stränge der Indellen gehören: formationsverarbeitung schränkt den (a) D a s ELM v o n PETTY & CACIErklärungswert rationalistisch gefärbOPPO, das danach unterscheidet, ter Denk- und Handlungskonzepte ob die Informationsverarbeitung stark ein. Auch der Hinweis von gründlich (elaboriert) auf zentraABELSON, dass viele Verhaltensweisen lem Wege erfolgt oder aber perikognitiv ausgedünnt sind, also gedanpher durch besondere Hinweiskenlos verlaufen (-> Gedankenlosigreize gesteuert ist; keit), bedeutet eine Einschränkung sol(b) Das —• Heuristisch-systematische cher Modell-Vorstellungen (u.a. auch Modell (HSM) von CHAKEN, in der —• Attributionstheorie), die ratiodem eine systematische von einer 100
Duale Speicher-Theorie
nales Abwägen in den Mittelpunkt der Informationsverarbeitung stellen. Duale Speicher-Theorie -»• Gedächtnis Macht die Annahme, dass verbale und bildliche Informationen in voneinander getrennten, aber miteinander verknüpften Gedächtnissystemen codiert, verarbeitet und gespeichert werden (PAIVIO, BOWER). Die Theorie dualer Codierung besagt femer, dass bildliche Informationen sowie sprachliche Stimuli, die sich leicht in konkrete Bilder umsetzen lassen (->• Vorstellungsbild), wesentlich leichter gelernt und besser behalten werden als verbale, zumal abstrakte Begrifflichkeiten. Die höhere Effizienz bildlichen Materials bei der Speicherung wird insbesondere in der -* Werbung genutzt. Durchdringung, soziale Vorstellung, dass sich soziale -> Beziehungen sukzessive von anfangs oberflächlichen Kontakten zu tieferen, intimeren Formen entwickeln (-» Selbstöffnung). Dyade Soziale -> Beziehung zwischen zwei Menschen (-» Interaktion). D. sind prototypisch für das Studium sozialer
Dysfunktion
Interaktionsprozesse. Bei solchen Beziehungen können bestimmte Effekte, wie sie etwa für eine Triade oder eine größere Gruppe gegeben sind, nicht auftreten (-» Kohäsion -* Koalitionsbildung). Obgleich sich viele interaktionstheoretische Aussagen auf soziale -* Gruppen beziehen, sind die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten meist in dyadischen Beziehungen studiert worden. D. unterscheiden sich von größeren Gruppen meist durch eine besondere Qualität und Intensität der Interaktionen, manchmal auch durch ihre "Privatheit" und -> Intimität (-• Freundschaft Ehe). Dynamik D. gilt als Determinante der Glaubwürdigkeit eines Kommunikators. Betont sachlich-kühle Berichterstattung gilt als nicht sonderlich effizient; sehr involvierte oder gar hektische Vortragsform wirkt dagegen unangenehm und trübt die Glaubwürdigkeit schon deshalb, weil sie Interessengebundenheit signalisiert. Die besten Werte sind im Bereich mittlerer D. zu erreichen. Dysfunktion Negative Auswirkung auf ein (soziales) System.
101
Effektgesetz
Easterlin-Paradox
E
Easterlin-Paradox
Echo-Effekt
Paradoxe Situation, dass die Zufriedenheit einer P (oder eines Kollektivs) nicht mit der objektiven Lebenssituation übereinstimmt und mitunter gar negativ korreliert. Dies wird gewöhnlich im Rahmen der Theorie der —• Bezugsgruppe bzw. durch soziale Vergleichsprozesse erklärt. Vergleicht man sich mit Bessergestellten, dann ist die eigene (objektiv gute) Situation kein Indikator für Zufriedenheit. Bei krasser Lebenssituation (etwa Unterversorgung nahe dem Existenzminimum) tritt der Effekt jedoch kaum auf. Das Vorliegen eines E. ist im Übrigen nur dann zu erwarten, wenn entsprechende Vergleichsprozesse häufig (und schmerzlich) auftreten (-> Deprivation, relative soziale). Solche Vergleichsprozesse werden nicht nur durch soziale Interaktionen initiiert, sondern auch durch die Medien.
Tendenz, dass bei sozialen Interaktionen (abgebildete Spielsituationen) eine unkooperative (kompetitive) Wahl ebenfalls durch eine unkooperative Strategie beantwortet wird tit for tat).
Neuere Überblicksarbeiten über drei Jahrzehnte Forschung sowie der Nachweis methodischer Mängel in der EASTERLIN-Studie zeigen allerdings, dass man die Bedeutung von Vergleichsprozessen in diesem Zusammenhang wohl überschätzt hat. BRANDSTÄTTER resümiert, dass das absolute Einkommen doch einen größeren Einfluss auf die allgemeine Lebenszufriedenheit hat als das relative. Den Grund für dessen geringen Effekt sieht der Autor darin, dass während sozialer Vergleichsprozesse gegenläufige psychische Vorgänge ablaufen, die sich neutralisieren.
102
Effektabhängigkeit I.R. des Prozesses der Sozialisation erfolgende Durchsetzung sozialer -* Normen. Die E. wird (nach JONES & GERARD) ergänzt durch Informationsabhängigkeit; d.h. das Kind ist darauf angewiesen, Erfahrungen seitens der Sozialisationsinstanzen zu übernehmen. Die Unterscheidung stammt aus der Theorie der -* Bezugsgruppe, wo gleichermaßen zwischen normativen und informativen Einflüssen getrennt wird.
Effektanzmotiv Nach WHITE wurzelt das E. im Streben, die Welt bedeutungsvoll zu erleben und die eigenen Meinungen und Fähigkeiten richtig einzuschätzen (-» Validierung).
Effektgesetz Zentrales Gesetz der behavioristischen Lerntheorie, wonach das -* Lernen von Operanten darin besteht, dass Verhaltensmuster sich durch die Konsequenzen eines Verhaltens ändern (—> Konditionierung, instrumenteile). Das E., das in unterschiedlichen Formulierungen, jedoch mit dem gleichen Inhalt für verschiedene behavioristische sowie neo-behavioristische Lerntheorien konstitutiv ist (-*Beha-
Effektgesetz
viorismus), geht (1931) zurück.
Effizienz-Erwartungen
auf
THORNDIKE
Ein Verhalten wird verstärkt (-> Verstärkung), wenn es positive Konsequenzen (Belohnungen) hervorruft. Umgekehrt: Folgt auf ein bestimmtes Verhalten ein aversiver Reiz (-* Bestrafung), so wird dieses Verhalten künftig vermieden, also gelöscht (—• Extinktion). Gegen das E. wird geltend gemacht, dass es tautologisch sei (widerlegt durch MEEHL und WESTMEYER), dass es überflüssig sei (so HECKHAUSEN,
der allerdings den Ausdruck „Bekräftigung" an die Stelle des Verstärkungsprinzips setzt) und dass es das Erstauftreten eines Verhaltens nicht (oder nur als Zufallstreffer) erklären könne. Trotz dieser zum Teil erledigten Einwände dürfte das E. schon deshalb seine zentrale Rolle (auch zur Erklärung sp Problemstellungen) behalten, weil Lernen durch Erfahrung eine der fundamentalsten Gesetzmäßigkeiten der Verhaltensformung darstellt. HERRNSTEIN formuliert ein Gesetz des relativen Effekts: Nach diesem Autor hängt die relative Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens nicht nur von den Konsequenzen dieses Verhaltens ab, sondern auch von den Konsequenzen gleichzeitig verfugbarer AlternativVerhaltensweisen. Das Verhältnis zwischen den Häufigkeiten zweier verstärkter Verhaltensweisen entspricht dem Verhältnis der Menge der Verstärker. Dieses Gesetz geht davon aus, dass Individuen ihre Präferenzen gewissermaßen aufteilen. Entscheidungen gegen die beste Alternative kommen umso seltener vor, je größer die Bewertungsunterschiede sind.
Nach HERRNSTEIN sind für die Ausführung eines Verhaltens nicht nur die Verstärkermengen für jede einzelne Verhaltensalternative relevant, sondern auch die Verstärkerverzögerungen (D für delay = Zeitabstand zwischen Operant und Verstärker). Relativ schnell einzulösende Verstärker (geringe Verzögerung) werden höher geschätzt, auch wenn weiter in der Zukunft liegende Verstärker wesentlich höhere Beträge aufweisen. Dies bedeutet eine (über das ökonomische Maß hinaus gehende) Tendenz zur Abdiskontierung in der Zukunft liegender Belohnungen und Bestrafungen (-»myopischer Effekt Belohnungsaufschub).
Effizienz-Erwartungen Grad der Gewissheit, dass eine P fähig ist, ein bestimmtes Verhalten korrekt auszuführen, das seinerseits notwendig ist, um erwartete Konsequenzen herbeizuführen (-> Erwartungen, antizipative Konsequenz-Erwartungen). Diese E. spielen insbesondere in der Theorie des -* Modell-Lernens eine Rolle und betreffen die Fähigkeit von P, eine beobachtete andere Person O kompetent zu imitieren. E.
repräsentieren zugleich die Selbstwirksamkeit (self-efficacy), die (nach BANDURA) als Persönlichkeitsvariable aufgefasst werden kann. E. entstehen (nach diesem Autor): (a) durch entsprechende Effizienz-Erfahrung (je häufiger und je besser die Ausführung des Verhaltens bisher gelungen ist); (b) durch Beobachtung vergleichbarer anderer O, so dass durch -* Vergleichsprozesse das eigene Verhalten verbessert werden kann; 103
Effizienz-Erwartungen
(c) durch verbale Kommunikation, z.B. diesbezügliche Gespräche und Anweisungen; (d) durch physiologische Aktivation und -* Emotionen, d.h. je höher die Erregtheit bei der Ausführung eines Verhaltens (jenseits des Pegels optimaler Aktivation), desto niedriger ist die E. Negative E. treten dann auf, wenn ein Verhalten besonders schwierig erscheint -genauer: wenn die Diskrepanz zwischen Problemschwierigkeit und eigenen Fähigkeiten besonders ausgeprägt i s t - und wenn das Verhalten - obschon nicht schwierig Angst auslöst (z.B. eine Schlange anzufassen). unterscheidet drei Dimensionen von E.:
BANDURA
(a) das Ausmaß der E., das umso höher ist, je schwieriger, bedrohlicher oder angsterregender die Verhaltensweisen sind, die P durchfuhren soll; (b) die Sicherheit der E., die umso höher ist, je überzeugter P davon ist, das entsprechende Verhalten ausfuhren zu können; (c) die Allgemeinheit der E., die umso höher ist, je mehr P das Ausmaß und die Sicherheit im Hinblick auf ähnliche Aufgaben zu generalisieren vermag. Es gibt mittlerweile eine große Zahl von Untersuchungen zur Wirkung von E., die BANDURA mit seinem Konzept der Selbstwirksamkeit weiter verfolgt hat. Dabei gibt es starke Konvergenzen zu ähnlichen Konzepten, wie —• Kontrollüberzeugungen, behavioral control, Wirksamkeitsmotivation, persönliche Verursachung sowie 104
Egoismus
zum Konzept von der eigenen Begabung.
Effort-Justification-Paradigma -* Rechtfertigung des —• Dissonanztheorie
Aufwands,
Ego-Involvement Ich-Beteiligung, persönliche Relevanz, BetrofFensein. Der Begriff wird z.B. von SHERIF im Zusammenhang mit dem Assimilations-KontrastEffekt verwendet. Meist wird jedoch lediglich von -* Involvement gesprochen. Der Begriff ist auch in wp Zusammenhang zentral: Im Rahmen der Organisationspsychologie bedeutet E. die Einbindung in organisationale Zusammenhänge. In der Werbepsychologie wird zwischen involvierten und nicht-involvierten (mäßig involvierten) Rezipienten (Konsumenten) unterschieden, die jeweils kognitiv-rationale oder aber emotive Strategien der Beeinflussung seitens der Werbenden erfordern.
Egoismus (I) Egoistisches Verhalten ist zu einem gewissen Ausmaß dem menschlichen Verhalten generell eigen, zumal es evolutionäre Vorteile haben dürfte. Unterschiede bestehen lediglich in verschiedenen Auffassungen darüber, welches die egoistische Grundeinheit der Evolution ist: die Gruppe, das Individuum oder das Gen? Nur im ersten und im dritten Fall wird deutlich, warum es in manchen Situationen auch altruistisches Verhalten gibt (-» Altruismus). (II) E. lässt sich auch als Persönlichkeitszug in variater Ausprägung verstehen. So wird betont, dass E. das
Egotismus
Auftreten mancher krimineller Handlungen mitbedingt (-> abweichendes Verhalten). (III) E. bezeichnet i.R. experimenteller -* Spiele das eigennützige Verhalten eines Individuums mit dem Ziel der Maximierung des eigenen Gewinns, ohne die Belange anderer Pn zu berücksichtigen.
Egotismus Selbstwertdienliches Verhalten; gilt als einer der zentralen -* Attributionsfehler und ist motivational bedingt.
Eifersucht
ment) dieser Partnerschaft hervorzuheben. Verschiedentlich ist eheliches Treueverhalten Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Abgesehen von sozial-kulturellen Einflüssen im Sozialisationsprozess legen Studien aus dem Bereich der Soziobiologie sowie der -* Evolutionspsychologie nahe, dass die Charakteristik geschlechtsspezifischen Treueverhaltens auch evolutionäre Aspekte aufweist.
(II) Ross & SICOLY verstehen unter E. die Neigung einer P, ihren Anteil bei gemeinsamen Aktivitäten und Leistungen zu überschätzen. Die Summe der jeweils perzipierten Eigenanteile übersteigt daher 100%.
formuliert ein Gesetz der ehelichen Untreue, wonach jede langfristige menschliche Beziehung scheitern muss, da die Partner durch Sättigungs- und Anpassungsprozesse im Zuge des Austauschs von Verstärkern immer weniger Möglichkeiten wirksamer Belohnung haben. Umgekehrt steigt mit der Dauer der Beziehung die Möglichkeit gegenseitiger Bestrafung, denn je länger die Folge von Belohnungsreizen in der Vergangenheit war, desto aversiver werden nachfolgende Strafreize empfunden. ARONSONS Theorie erklärt zwar, warum viele Ehen scheitern, begründet jedoch nicht, warum es auch viele gute und stabile Ehen gibt.
Ehe
Eifersucht
Auf Dauer angelegte, soziale Institution gegengeschlechtlicher Partnerschaft (-> Beziehungen, soziale -*• Bindung). Trotz kultureller Unterschiede wird die E. auch als soziale Institution der legitimen Nachkommenssicherung aufgefasst, so dass die E. gleichsam die Vorstufe zur Familie darstellt. Die E. ist als soziale Institution vorwiegend i.R. der Soziologie analysiert worden. Aus sp Sicht ist insbesondere der Bindungscharakter (-» Commit-
Im Gegensatz zu Neid (Verlangen, etwas zu bekommen, was andere besitzen) besteht E. in der Furcht, etwas zu verlieren, was man bereits besitzt. E. spielt in der Psychoanalyse eine zentrale Rolle. Ethologen und Evolutionspsychologen betonen die geschlechtsspezifische Ausprägung von E. (TRIVERS). Bei Männern beruhe E. auf Einschränkungen des sexuellen Zugangs aufgrund der Notwendigkeit, Vaterschaft abzusichern. Seitens der
Egozentrischer Bias (I) Menschen neigen dazu, anzunehmen, dass andere Individuen Sachverhalte (Personen oder Objekte) ähnlich einschätzen wie sie selbst. Dies ist einer der zentralen -*Attributionsfehler, auch falscher -*• Konsensus genannt: Man überschätzt die Übereinstimmung mit Anderen.
ARONSON
105
Einbettung
Eigengruppe
Frauen bestehe hingegen die Befürchtung, dass die vom Mann gelieferten Ressourcen an eine Rivalin abgezweigt werden. E. wird gewöhnlich begleitet von bestimmten Kognitionen (z.B. negative Gedanken, Attributionen, Versuche zur sozialen -*Kontrolle) sowie spezifischen Emotionen (z.B. Angst, Ärger, Misstrauen, Traurigkeit). Situationen, die E. auslösen, werden als Selbstwertbedrohung angesehen ( S e l b s t wertgeßihl). Eigengruppe Gruppe, der man selbst angehört und die u.U. soziale -* Identität stiftet. Die E. wird häufig aufgewertet, Fremdgruppen dagegen abgewertet. Eigenschaft male
Persönlichkeitsmerk-
Eigenschaftstheorie Führungstheorien
-» Führung
Eignungsdiagnostik Entsprechend der Formulierung von TAYLOR („der richtige Mann auf den richtigen Platz") ist im Hinblick auf die Personalauswahl seitens der Organisation der Gedanke richtungweisend, dass zwischen den Anforderungen eines Arbeitsplatzes und der Eignung eines Arbeitenden eine Art Entsprechung vorliegen müsste (->fitModell)-, in der E. spricht man sinngemäß von einer Deckung zwischen Anforderungsprofil und Eignungsprofil. Dabei sind folgende Unterscheidungen möglich: (a) Auswahl eines Bewerbers: Hier bemühen sich mehrere Bewerber um einen Arbeitsplatz; gesucht wird der geeignetste; 106
(b) Platzierung eines Bewerbers: Hier bemühen sich mehrere Bewerber um eine gleiche Anzahl von Arbeitsplätzen; Ziel ist die optimale Zuordnung von Bewerbern im Hinblick auf die verfugbaren Arbeitsplätze; (c) Förderung eines Mitarbeiters: Wenn mehrere Mitarbeiter für eine Beförderung (oder für Ausbildungs- und WeiterbildungsMaßnahmen) in Frage kommen, wird der geeignetste gesucht. Bevor eine Auslese-Entscheidung stattfinden kann, müssen zunächst die Eignungsanforderungen festgelegt werden sowie die Eignungsfeststellung erfolgen. Besonderes Augenmerk gilt hier dem Finden relevanter Kriterien (Kriterienproblem) sowie der Entwicklung geeigneter Selektions-Modelle (Selektionsproblem). Dies ist Gegenstand eignungsdiagnostischer Bemühungen um möglichst valide Testverfahren (v.a. Leistungstests, in höheren Führungspositionen auch Persönlichkeitstests), in denen neuerdings die Situationsdiagnostik einen besonderen Stellenwert erlangt hat (-• Assessment Center). Statt einer Fixierung auf inhärente Eigenschaften von Individuen gerät dadurch die Verflechtung von Person und Situation wieder stärker ins Blickfeld. Einbettung (embeddedness) Gemeint ist die E. in soziale Bezüge oder Netzwerke. Die E. ist in kollektivistischen Kulturen, in denen familistische Beziehungen dominieren, naturgemäß größer. Mit dem Studium der Individualisierungstendenz in modernen Gesellschaften hat U. BECK Chancen und Gefahren der Einbettung
Eindeutigkeit, attributionale
charakterisiert (-> Einsamkeit -* Kollektivismus -* Individualisierung -* Individualismus). Eindeutigkeit, attributionale Ein bestimmtes Verhalten lässt nur eine bestimmte Ursache zu. Bei attributionaler Mehrdeutigkeit kann man das Verhalten durch mehrere Gründe erklären, so dass man auch Entschuldigungen vorbringen kann. Eindruck, erster Im Rahmen der Personenwahrnehmung (-+ Wahrnehmung, soziale) wird vielfach behauptet, dass der E. für die weitere Urteilsbildung von besonderer Relevanz sei. Zutreffend ist zunächst, dass der E. sich vor allem an Äußerlichkeiten fixiert (z.B. Aussehen Attraktivität, Frisur, Auftreten, Kleidung). Für die Annahme, dass der E. besonders entscheidend für den weiteren Interaktionsverlauf sei, spricht die Vorstellung der -* Dissonanztheorie, wonach im Gefolge bestimmter erster Kognitionen über wahrgenommene Pn eine Tendenz zur konsistenten Wahrnehmung und Beurteilung entsteht, so dass selektiv solche Stimuli bevorzugt aufgenommen werden, die dem E. entsprechen (-> Bestätigungstendenz: confirmation bias). Die Urteiler finden sich in der Rolle von consistency seekers, indem sie ein vorgeformtes Urteil ständig bestätigen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann jedoch ein solcher Bias verhindert werden (z.B. durch die Vorwarnung, kein vorschnelles Urteil zu fallen). Eindrucksbildung Wahrnehmung, soziale -* Eindruck, erster
Einfluss, sozialer
Eindrucks-Differential lungsmessung
Einstel-
Eindrucks-Management -»• Impression management Einfachheits-Prinzip Besagt, dass einfache gegenüber komplexen Ursachenzuschreibungen bevorzugt werden (-> Attribution) und dass die Bestätigung einer Hypothese leichter fallt als ihre Widerlegung (-> Bestätigungstendenz). Einfluss, sozialer Der Begriff wird inkonsistent und in verschiedener Reichweite verwendet, insbesondere in folgenden Kontexten: (I) Als Oberbegriff für alle Verhaltens- und Einstellungsänderungen durch soziale Instanzen. (II) Als Einstellungsänderung durch Kommunikation und Massenmedien. Hier ist auch der Begriff-»persuasión geläufig. (III) Als Änderung des Verhaltens oder von Einstellungen unter Gruppendruck i.S. der -* Konformität bzw. unter dem -* Minoritätseinfluss. (IV) Als Einwirkung auf das Verhalten durch die Mobilisierung von sozialer -* Macht (Allerdings verbinden die meisten SPn und Soziologen den Begriff des E. eher mit Freiwilligkeit und nicht mit dem Aspekt ungleicher Ressourcen-Verteilung). (V) Als „soft influence", d.h. als mehr oder weniger subkutane Form der -* Beeinflussung (Überredung, Manipulation).
107
Einflusstechniken
Es existiert eine allgemeine Einfluss-Theorie (LATAN£), die insbesondere Konformitäts-Effekte sowie den Einfluss von Minderheiten integrativ erklären möchte. Es gibt ferner eine Taxonomie von Beeinflussungsstrategien (CIALDINI), die gewissermaßen als soziale Tricks fungieren.
Einflusstechniken Verfahren des -* Überzeugens, —• Überredens sowie der -* Manipulation in sozialen Interaktionen. Nach CIALDINI werden solche Techniken genutzt, die der beeinflussten P nicht bewusst sind und auch nicht ihrer Kontrolle unterliegen. Der Autor unterscheidet „Säulen sozialer -> Beeinflussung", zu denen u.a. die -> foot in the door-Taktik und die -* door in the face-Taktik gehören.
Einfluss-Theorie (social impact) Den Anspruch einer relativ breiten Theorie sozialer Einflussprozesse (—> Einfluss, sozialer -* Konformität), die zudem auch den Einfluss sozialer Minderheiten (-»Minoritätseinfluss) erklären kann, erhebt die Social-impact-theory von LATANß sowie LATANE & WOLF. Sie beschreibt sozialen Einfluss (social impact = SI) nach dem Vorbild physikalischer Theorien als Gravitationswirkung, die ähnlich zu sehen ist wie die Anziehung, die ein Körper auf einen anderen ausübt. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei auch die Reziprozität des Einflusses, die in den üblichen Konformitätsexperimenten nicht genügend zum Ausdruck gelangt. Die entscheidenden Variablen sind dabei: die Stärke der Einflussquelle (strength = S), die Nähe der Einfluss108
Einheitsrelationen
quelle (immediacy = I), die Zahl der Einflussquellen (number = N), so dass SI = F (S, I, N). Die Aussagen der Theorie lauten: (a) Zwischen S, I und N besteht eine multiplikative Verknüpfung: SI = S x I x N; (b) Der marginale Einfluss einer Einflussquelle ist umso geringer, je mehr Einflussquellen bereits vorhanden sind. Dieser Sachverhalt lässt sich als Potenzfunktion beschreiben: SI = S x I x N° , wobei c < 1 eine Konstante darstellt, die empirisch zu ermitteln ist. N entspricht im Experiment der Größe der falsch antwortenden Majorität. SI entspricht dem Konformitätseffekt in Konformitäts-Experimenten; (c) Der Einfluss reduziert sich, wenn eine Einflussquelle auf mehrere Personen gerichtet ist. Hier gilt: SI = — o d e r Nc
SI = S x N " c
Die Theorie wurde erfolgreich auf unterschiedlichste Fragestellungen angewendet: relativer Einfluss von Majoritäten und Minoritäten, Ausmaß von Einstellungsänderungen, Einflussdiflusion bei mehreren Zielpersonen, z.B. nicht-reagierende Zuschauer in Notsituationen (-• Bystander-Effekt), Nervosität und Lampenfieber vor verschiedenartigem Publikum u.v.a.
Einheitsrelationen Stehen in der Balancetheorie den so genannten Wertrelationen gegenüber. Positive E. liegen vor, wenn sie in irgendeiner Form zusammengehören (Nachbarschaft, Ehe, Besitz, Kausalität etc.). Negative E. sind gegeben,
Einsamkeit
Einmaligkeit, falsche
wenn zwischen den Elementen Gegensätze bestehen (z.B. Entfernung, Verschiedenheit, Trennung). E. werden im Rahmen der Balancetheorie von HEIDER zur Beschreibung kognitiver Konsistenzstrukturen verwendet.
Einmaligkeit, falsche P nimmt an, dass die Verbreitung der besten Fähigkeiten, die sie selbst besitzt, relativ selten ist. Dies trifft insbesondere für Pn mit hohem Selbstgefühl zu. Der Effekt steht im Zusammenhang mit selbstwertdienlicher Wahrnehmung.
Einsamkeit (1) Begriff: Gefühle des Fehlens zwischenmenschlicher Kontakte. E. ist daher das Empfinden eines Beziehungsdefizits (-• Beziehungen, soziale), manchmal unabhängig davon, ob objektiv ein solches Defizit vorliegt. Sie beruht daher auf der Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen erwünschter Qualität/Quantität von Sozialkontakten und den tatsächlich bestehenden Sozialkontakten, wobei diese Diskrepanz als unangenehm erlebt wird. Die subjektive Befindlichkeit der E. korreliert naturgemäß mit objektiven Variablen der sozialen Isolation, des Alleinseins sowie der Abwendung anderer. Das bekannteste Messinstrument ist die UCLASkala zur Messung der E. (Bsp. Items: „Ich fühle mich von anderen isoliert" oder „Es gibt Menschen, mit denen ich mich aussprechen kann"). (2) Temporäre E. ist von chronischer (stabiler) E. zu unterscheiden. Im Hinblick auf erstere besteht die Kontrollüberzeugung, dass dieser Zustand beendet werden kann. Soziale
Isolation lässt sich leichter, d.h. ohne negative E.-Gefuhle ertragen, wenn die E. freiwillig gewählt ist. MIKULINCER & SEGAL identifizieren
clusteranalytisch: selbstbezogene, paranoide, depressive und sozial entfremdete
E.
WEISS
unterscheidet
zwischen emotionaler E. (bedingt durch die Abwesenheit emotionaler Aspekte) und sozialer E. (bedingt durch das Fehlen angemessener sozialer Netzwerke). Beide Formen dürften sich durchmischen, sofern Ausfalle im sozialen Netzwerk emotionale Defizite entstehen lassen. (3) Sozio-demografische Aspekte: Gefühle der E. variieren mit dem Geschlecht. Männer erweisen sich als tendenziell einsamer, was mit der Fähigkeit zusammenhängen mag, E. zu bewältigen, sowie mit dem Alter (Höchstwerte in der Adoleszenzphase sowie im hohen Alter). Verheiratete Personen sind weniger einsam, Singles fühlen sich weniger einsam als Verwitwete oder Geschiedene. Auch intergenerative Zusammenhänge sind nachgewiesen (r = .26 zwischen Mutter und Tochter auf der UCLA-Skala). (4)Psychografische Aspekte: Nachgewiesen sind Zusammenhänge zwischen dem Gefühl der E. und geringem Selbstwertgefühl, Ängstlichkeit, Depression, fehlende soziale -* Fertigkeiten und externaler Kontrolle (-» Kontrollüberzeugungen). Die Erfahrung der E. ist auch abhängig von sozialen -* Vergleichsprozessen sowie von bestimmten Modi der -* Attribution. Pn mit Neigung zur internalen und stabilen Attribution von E. sind häufig durch Gefühle der -* Depression und des 109
Einsamkeit
Fatalismus gekennzeichnet. Relativ intensive Forschung liegt zum Zusammenhang von E. und Depression vor. Nach BIERHOFF ist die gemeinsame Basis von E. und Depression die Erfahrung der gelernten -* Hilflosigkeit in der Interaktion mit anderen Pn. Depression ist jedoch eine globalere Erfahrung als E., denn für das Auftreten von Depressionen können auch nicht-soziale Erfahrungen (z.B. Leistungsversagen, Krankheit) verantwortlich sein. Die Depression kann wiederum die soziale Isolierung verstärken, indem sich Bezugspersonen nach anfänglicher Zuwendung eher abweisend verhalten, so dass hierdurch abermals die E. verstärkt wird (vgl. WELBING 1991). Nach BOWLBY (-> Bindungstheorie) führt die Zurückweisung durch primäre Bezugspersonen im frühkindlichen Stadium zu Hilflosigkeitsgefühlen in zentralen Bereichen des Bindungsverhaltens. Insofern erweist sich E. als vom Bindungsstil abhängig: Ängstlich-vermeidende Pn erreichen gegenüber sicher-gebundenen Pn höhere E.-Werte. (5) Interkulturelle Aspekte: Nicht nur Persönlichkeitszüge und Lernerfahrungen bilden Präsdispositionen für E.; vielmehr sind das Auftreten sowie die Bewältigungsformen von E. durch kulturelle Werte mitgeprägt. So wird in einer kollektivistischen Kultur E. aufgrund der -* Einbettung der Individuen in soziale —> Netzwerke seltener auftreten. Gehen jedoch solche Bindungen verloren, dürfte E. umso schmerzlicher empfunden werden. Die Intensität negativer E.-Gefühle wird darüber hinaus generell vom Ausmaß des (kulturspezifisch 110
Einschmelchelung
variierenden) Affiliationsmotivs abhängen (-* Affiliation). HOFSTÄTTER ermittelt anhand eines semantischen Differentials, dass die Assoziationen zum Begriff E. in den USA durchweg negativ, in Deutschland jedoch ambivalent, manchmal gar mit heroischem Beiklang erfolgen. Lit.: ELBING, E. (1991). Einsamkeit. Göttingen. PEPLAN, L A . & PERLMAN, D. (eds.) (1982). Loneliness: A sourcebook of current theory, research, and therapy. New York. WEISS, R.S. (1973). Loneliness: The experience of emotional and social isolation. Cambridge/MA.
Einschmeichelang (ingratiation) Gilt als Sonderform der Anpassungskonformität (-• Konformität), wobei sie als Taktik eingesetzt wird, um vom Statushöheren als attraktiv angesehen zu werden (JONES 1964). E. kann auch
als Sozialtechnik verwendet werden, um günstige Interaktionsergebnisse zu erzielen (z.B. Komplimente machen). Einschlägige Experimente zeigen, dass wir Menschen sympathischer finden, wenn sie uns positiv beurteilen, loben oder in unserer Meinung bestätigen. Da Menschen im Allgemeinen eher eitel sind und die Absicht hinter solchem Lob nicht erkennen (wollen), sind häufig auch leicht übertriebene Formen der E. erfolgreich. Allerdings scheint es Schwellenwerte zu geben, bei denen Attributionsprozesse dahingehend einsetzen, dass Lob und E. als Taktik erkannt werden. Dies führt möglicherweise zu Reaktanz. Außerdem dürfte der Grenznutzen von Lob und Anerkennung im Ausmaß der Häufigkeit abnehmen (Effekt der —• Sättigung). Zusätzlich ist es von Bedeutung, von wem die Bewertung
Einstellungen
ausgeht und in welcher Situation sie erfolgt. Einstellungen Einstellungsänderungen —• Einstellungsmessung -* Einstellungsstärke -* Einstellungsstruktur -*Einstellungstheorien Einstellungswirkungen (l)Begriff und Stellenwert: G.W. ALLPORT gab 1935 die folgende Definition: Eine Einstellung ist ein mentaler und neuraler Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung strukturiert ist und einen steuernden und/oder dynamischen Einfluss auf die Reaktion eines Individuums gegenüber allen Objekten und Situationen hat. Eine neuere Definition stammt von EAGLY & CHAIKEN (1993): Danach bedeutet E. eine psychologische Tendenz, die sich darin ausdrückt, eine spezifische Entität als mehr oder weniger angenehm oder unangenehm zu bewerten. E. ist einer der zentralen Begriffe der SP. Einer ersten Blüte dieser Entwicklung in den 50er und 60er Jahren folgte eine Ernüchterung, insbesondere im Hinblick auf die zunehmend skeptisch beurteilte Verhaltensrelevanz des Konzepts (-» Einstellungswirkungen) . In den 80er und 90er Jahren erfolgte jedoch eine Verknüpfung mit neueren Konzepten der -» Informationsverarbeitung, innerhalb derer der Begriff nach wie vor seine zentrale Rolle behauptete (vgl. EAGLY & CHAIKEN 1993; OLSON & ZANNA 1993). E. gilt als erlernte
Disposition sowie als latente Variable. Auch erfüllt sie die Charakteristik eines hypothetischen Konstrukts. Solche Konstrukte lassen sich nicht durch Beobachtung er-
Einstellungen
schließen, sondern sind Annahmen über innerpsychische Vorgänge, die einen bestimmten Erklärungswert versprechen. Dies geschieht aus forschungsökonomischen Gründen. Durch eine einzige E. (z.B. konservative E.) können eine Vielzahl bereichsspezifischer Verhaltensweisen erklärt werden (z.B. konservatives Erziehungsverhalten, konservative politische Überzeugungen, konservatives Geldanlegen, konservative Kleidung). (2) Unterscheidungen: Zu differenzieren sind starke und schwache E. (-» Einstellungsstärke) sowie stark affektive und stärker kognitiv geprägte E. Statt von starken und schwachen E. ist gelegentlich auch von stabilen/labilen E. die Rede. Der Bewertungsaspekt kann in positiver und in negativer Form erfolgen (gut/schlecht, angenehm/unangenehm, bestrafend/belohnend, schön/ hässlich, zuverlässig/unzuverlässig). Manchmal sind E. indifferent, zuweilen auch ambivalent, d.h. sie beinhalten sowohl angenehme, attraktive Aspekte als auch unangenehme und weniger attraktive Elemente. E. können ferner allgemein oder spezifisch sein (E. gegenüber Türken im Allgemeinen und einem bestimmten Türken). Die Unterscheidung ist bedeutsam, weil sich gezeigt hat, dass die Verhaltensrelevanz von E. mit deren Spezifität zunimmt. Auch macht es einen Unterschied, ob E. auf eigenen Erfahrungen beruhen oder nicht. Der Begriff E. ist von dem des Wertes abzugrenzen (-* Wert -* Wertsystem). Nach ROKEACH lassen sich Kulturen durch eine überschaubare 111
Einstellungen
Einstellungen
Zahl von Werten beschreiben, die relativ abstrakte Leitlinien des gesellschaftlich wünschbaren Verhaltens darstellen. Diese Werte sind also sehr allgemein und den E. übergeordnet. E. sind viel weiter gefächert und konkretisieren sich stets an Objekten (E. zu ...). Einstellungsobjekte i.w.S. können sein: Personen, Güter, Dienstleistungen, Institutionen, Parteien, das eigene Selbst, eigenes und fremdes Verhalten. ( 3 ) Funktionen
von E.: Nach KATZ (1967) lassen sich folgende Funktionen von E. unterscheiden: (a) Die Nützlichkeitsfunktion (adaptive Funktion): sie bezeichnet den Sachverhalt, dass E. gegenüber Personen oder Objekten, die einen Belohnunwert haben, positiv getönt sind, während gefährdende oder schädliche Objekte negativ bewertet werden. Solch adaptiv gelernte E. werden u.U. wieder verlernt, wenn der Belohnungswert des Objektes nachlässt; (b) Die Ökonomie- oder Wissensfunktion: E. erlauben ein ökonomisch organisiertes Verhalten in der persönlichen Umwelt und erleichtern die Orientierung in einer ansonsten chaotischen Realität. Insofern dienen E. der Reduzierung von Komplexität; (c) Die Ich-Verteidigungsfunktion: E. dienen dem Schutz und der Verteidigung des Selbstkonzepts. Auch sind Projektionen möglich, indem z.B. Frustrationen auf solche Personen oder Populationen verlagert werden, über die man mehr Macht als über die Ursache des Ärgers zu
112
besitzen glaubt. E. dienen damit auch der eigenen Identität und der Abwertung anderer (-»Identität, soziale Vorurteile, soziale); (d) Die expressive Funktion: E. werden in die eigene Persönlichkeit integriert, je häufiger man Gelegenheit hat, sie auszudrücken. Die gezeigten E. fuhren über die Reaktion der sozialen Umgebung zu einer Selbstvergewisserung, die ein Element der Selbst-Konstitution darstellt und die eigene Identität stützt (-> Identität, personale). fasst die beiden erstgenannten Funktionen unter dem Begriff der Objektbewertung, die beiden letzteren unter dem Begriff der Selbstbewertung zusammen. GREENWALD ( 1 9 8 9 )
(4) Drei-Komponenten-Modell der E.: Nach ROSENBERG & HOVLAND ( 1 9 6 0 ) enthält jede E. drei Komponenten: (a) die affektive Komponente (Bsp.: Ich finde diesen Politiker sympathisch); (b) die kognitive Komponente (Bsp.: Ich weiß, dass dieser Politiker kompetent ist); (c) die konative Komponente (Bsp.: Ich werde diesen Politiker wählen). Dabei können die einzelnen Komponenten in verschiedener Ausprägung vorliegen (z. B. stark emotional geprägte E.); auch sind Inkonsistenzen denkbar (ich schätze diesen Politiker; ich weiß aber, dass er bestechlich ist). Die empirische Forschung hat allerdings gezeigt, dass die affektiven und kognitiven Aspekte, soweit
Einstellungsänderungen
sie durch verbale Äußerungen erhoben werden, sehr häufig miteinander korrespondieren. Insofern gibt es eine Reihe von Autoren, die eine eindimensionale (oder zweidimensionale) Definition von Einstellungen präferieren, zumal der Verhaltensbezug (konative Komponente) bei einigen E. irrelevant sein kann.
Einstellungsänderungen
schaftshistorisch allerdings in enger Anbindung an Kommunikationsprozesse behandelt worden; es geht im Prinzip um Aspekte des Überredens, der beeinflussenden Kommunikation (-> persuasion). Unter dem Stichwort E. werden nachfolgend drei Einzelaspekte behandelt (vgl. EAGLY & CHAIKEN 1993), näm-
Lit.: AJZEN, I. (1988). Attitudes, personality a n d b e h a v i o r . M i l t o n . AJZEN, I . & FLSH-
BEIN, M. (1980). Understanding attitudes and predicting behavior. Englewood Cliffs / N.J. BOHNER, G. (42002): Einstellungen. In: Stroebe, W. et al. (Hg.) Sozialpsychologie. Eine Einführung. Berlin u.a. 265-315. CAMPBELL, D.T. (1963). Social attitudes and other acquired behavioral dispositions. In: Koch, S. (ed.) Psychology: A study of a science, vol. 6. New York. 94-172. CHAIKEN, S. & TROPE, Y. (eds.) (1999). Dual process theories in social psychology. New Y o r k , L o n d o n . EAGLY, A . H . & CHAJKEN,
S. (1993). The psychology of attitudes. Fort W o r t h / T X . EAGLY, A . H . & CHAKEN, S .
(41998). Attitude structure and function. In: Gilbert, D. et al. (eds.) Handbook of social psychology. New York. 269-322. PETTY, R.E. & KROSNICK, J.A. (eds.) (1995). Attitude strength: Antecedents and consequences. Mahwah/N.J. PRATKANIS, A.R. et al. (1989). Attitude structure and function. Hillsdale/N.J.
Einstellungsänderungen Der Unterschied zwischen E. und Einstellungsbildung ist nur graduell; viele einstellungsrelevante Theorien beziehen sich auf beides. Dabei werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Paradigmen bemüht. Auch die Konsistenztheorie (z.B. die -* Dissonanztheorie) befasst sich mit einem besonderen Aspekt der E., nämlich der Umstrukturierung von Einstellungskomponenten in Richtung auf ein kognitives Gleichgewicht. Das Thema E. ist wissen-
lich Kommunikationswirkungen (message learning approach), das Modell kognitiver Reaktionen (cognitive response approach) sowie die sog. ZweiProzess-Modelle (dual process models). (1)E. aufgrund beeinflussender Kommunikation: Dieser Forschungsstrang resultiert aus der sog. Hovland-Schule (Studien der -»• YaleGruppe), die einen (lockeren) lerntheoretischen Hintergrund hat und die Wirkungen von persuasiven Effekten auf die Veränderungen von Einstellungen und Verhaltensweisen systematisch empirisch untersuchte (PETTY & CACIOPPO sprechen v o m
message learning approach). Dabei wurden vor allem die folgenden Variablen einbezogen: (a) Merkmale des Kommunikators (-> Exp. 19), vor allem dessen Glaubwürdigkeit (mit den zwei Hauptkomponenten: wahrgenommene soziale Kompetenz und —> Vertrauenswürdigkeit), Status, Macht und Prestige, die -» Dynamik seines Auftretens, —• Attraktivität und -* Sympathie, soziale -* Ähnlichkeit (in Bezug auf verschiedene Dimensionen, wie z.B. Alter und Lebensumstände, aber auch Ein-
113
Einstellungsänderungen
Stellungen und Werthaltungen) usw.; (b) Merkmale der Botschaft (Aussage), z.B. Emotionalität (emotionale vs. kognitive Appelle, -> Furchtappelle), -* Anschaulichkeit (vividness), ReihenfolgeEffekte (primacy vs. recency), einseitige Argumentation und zweiseitige -* Argumentation (z.B. Pro/Kontra), -> Urteilsdiskrepanz (d.h. Distanz zwischen angesonnener und präkommunikativer Einstellung; -* Assimilations-Kontrast-Effekt -* Reaktanz -* Foot-in-the-door-Taktiky, (c) Merkmale des Kanals, z.B. auditiv oder visuell, Art und Qualität des Mediums (-» Medienwirkungen), Nutzungsverhalten im Hinblick auf Medien, Zusammenwirken von Medieneinfluss imd interpersonellen Einflüssen, etwa durch -*Meinungsfiihrer; (d) Merkmale des Rezipienten, insbesondere dessen präkommunikative Einstellung, seine -* Einstellungsstärke sowie die jeweilige affektive oder kognitive Fundierung, -* Beeinflussbarkeit (soweit ein solches Persönlichkeitsmerkmal überhaupt existiert), Intelligenz und Selbstbewusstsein, Offenheit (-» openmindedness), Involvement, Fähigkeit zur Informationsverarbeitung (-> ELM). (2) Aktive Informationsverarbeitung (cognitive response): Seit GREENWALD (1968) hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass E. vielfach kein passiver, rezeptiver Vorgang, sondern ein aktiver Prozess ist. Ob 114
Einstelliingsänderungen
eine E. auftritt, hängt von den Gedanken des Rezipienten über die Mitteilung ab. Es geht also um die aktive Umformung der empfangenen Botschaften durch die kognitive Struktur des Empfängers. Damit ist gemeint, dass der Rezipient eine Botschaft nicht nur verfälscht, u.U. dissonanzreduzierend verzerrt aufnimmt, sondern gedanklich weiterverarbeitet, so dass die eigentliche Response nicht nur das direkte Resultat eines bestimmten Stimulus (der Botschaft einschließlich der Situation, in der sie erfolgt) darstellt, sondern auch das Ergebnis eigenständiger und zusätzlicher Informationsverarbeitungsprozesse. Die Botschaft ist aus dieser Sicht lediglich eine Anregungsbedingimg für die Stimulierung kognitiver Prozesse. Diese werden (im Sinne von PETTY & CACCIOPPO) umso elaborierter ausfallen, je stärker bestimmte Wissensstrukturen vorhanden sind und je eher der Rezipient motiviert ist, sich mit dem Thema überhaupt zu beschäftigen. Es kommt also nur dann zu einer E., wenn der Rezipient aufgrund seiner Überlegungen den Argumenten des Senders zustimmt. Im Rahmen des cognitive response approach sind insbesondere zwei Faktoren in ihrem Einfluss auf E. untersucht worden: -* Ablenkung und -»Involvement. Erstere kann E. bewirken, obgleich die cognitive response negativ ausfallen würde. Im Hinblick auf das Involvement wird vorausgesagt, dass dieses die Wirkung solcher Aussagen intensiviert, die starke Argumente enthalten, während Aussagen mit schwachen Argumenten weniger wirksam sind.
Einstellungsanderungen
Einstellungsänderungen
Diese und ähnliche Gedanken werden in den nachfolgenden Modellen expliziter verfolgt. (3)-» Duale Prozess-Modelle der E.: Den drei im Folgenden vorgestellten Zwei-Prozess-Modellen der E. ist gemeinsam, dass sie nicht lediglich kognitiv aufwendige Prozesse des Nachdenkens thematisieren, sondern daneben auch Einstellungsänderungen, die sich recht peripher aufgrund von Schemata, Heuristiken und Schlüsselreizen vollziehen. Ein erstes Konzept ist das Elaboration-Likelihood-Modell (-» ELM). Die Hauptvariablen des Modells sind: Motivation (z.B. persönliche Betroffenheit, gravierende erwartete Konsequenzen) sowie Fähigkeit zur Informationsverarbeitung. Beide Variablen werden multiplikativ miteinander verknüpft. Auch werden Faktoren einbezogen, von denen Fähigkeiten und Motivation ihrerseits abhängen. Bei Fehlen von Motivation und/oder Fähigkeit wird vorausgesagt, dass der Betroffene lediglich einen peripheren Weg der Informationsverarbeitung vollzieht, sich also an bestimmten Schlüsselreizen orientiert (zu diesen peripheren Hinweisreizen gehören auch die meisten von HOVLAND diskutierten Merkmale des Kommunikators, z.B. seine Glaubwürdigkeit sowie die Merkmale der Aussage, mit Ausnahme der Argumentqualität!). Die sich herausbildende Einstellung hat nur geringe Stabilität, erweist sich also gegenüber abermaligen Persuasionsversuchen als nicht sonderlich resistent. Sind Fähigkeit und Motivation gegeben, so wählt das Individuum die zentrale Route der Informations-
verarbeitung mit dem Ergebnis einer stabilen, relativ einwandsimmunen und änderungsresistenten Einstellung, die zudem auch starke Verhaltensrelevanz aufweist. Ein zweites Konzept ist das -* Heuristisch-Systematische Modell (HSM). CHAIKEN ( 1 9 8 0 ) nennt die zentrale Route systematische Verarbeitung, die periphere Route dagegen heuristisch (-• Heuristiken), um die besondere Rolle solcher Faustformeln bei der Informationsverarbeitung zu betonen (für PETTY & CACIOPPO sind Heuristiken nur einer von mehreren möglichen Hinweisreizen). Oberflächliche Informationsverarbeitung wird vor allem dadurch erleichtert, dass Heuristiken zur Verfügung stehen, die anschaulich (vividness) und auffällig (salience) sind. In einem erweiterten Modell (CHAIKEN et al. 1989) differenzieren die Autoren zwischen verschiedenen Motivationsformen. Neben dem (auch im ELM zentralen) Motiv nach korrekter Einschätzung (-» need for Cognition) steht ein Motiv nach Bestätigung der Validität vorhandener Einstellungspositionen (confirmation bias, -*Bestätigungstendenz). Dies fuhrt zu einer selektiven Informationsverarbeitung (-» selective exposure). Als drittes Motiv wird die Eindrucksmotivation unterschieden (-»Dissonanztheorie -* Impression management), d.h. das Bedürfnis, die Einstellungsposition einzunehmen, die Sanktionen vermeidet bzw. einen guten Eindruck hinterlässt. Ein
drittes
MODE-Modell.
Konzept
ist
FAZIO b e t o n t
das in
seinem Modell die Rolle von Motivation und Gelegenheit. Sind diese 115
Einstellungsbildung
Einstellungsbildung
nicht gegeben, so wird das Individuum auf leicht zugängliche Einstellungen (-> Einstellungsstärke -> Zugänglichkeit) zurückgreifen, die jederzeit abgerufen werden können und zumindest fürs erste dazu geeignet sind, Invaliditätsangst (d.h. Furcht vor unkorrekten Einstellungen bei Sachverhalten von hoher persönlicher Relevanz) abzubauen. S o w o h l PETTY ( f ü r d a s E L M )
als
auch CHAIKEN (für das HSM) betonen, dass im Einzelfall beide Prozesse parallel ablaufen können (Komplementaritäts-Theorem) oder dass die betroffene P von einer Route zur anderen springen kann. Lit. -* Einstellungen
Einstellungsbildung (attitude formation) Bereits ALLPORT ( 1 9 3 5 ) sowie CAMPBELL ( 1 9 6 3 ) g i n g e n v o n d e r A n n a h m e
aus, dass Einstellungen (wie alle Verhaltensdispositionen) in genau der gleichen Weise durch Lernprozesse erworben werden wie konkrete Verhaltensmuster. Diese Sichtweise dürfte auch nach dem heutigen Stand der SP zutreffen, auch wenn der damalige Ansatz von rein behavioristischen Konzepten ausging. Die heute vorherrschenden kognitiven Lerntheorien berücksichtigen darüber hinaus, dass die Auswirkungen von Verstärkungen auf das Verhalten sowie auf die Bildung von Einstellungen durch deren Informations- und Anreizfunktion vermittelt wird. Wie GREENWALD betont, ist der Erwerb von Einstellungen möglich durch klassische —> Konditionierung (hier werden vor allem die Emotionen auf das Einstellungsobjekt übertragen), durch instrumenteile Kondi116
tionierung (hier sind habits das vermittelnde Glied) sowie durch kognitives Lernen. (1) Klassische
Konditionierung: verwendeten Wörter als konditionierte Reize, die entweder eine negative emotionale Färbimg (hässlich, eklig, bitter usw.) oder eine positive Tönung aufwiesen (schön, glücklich, zufrieden usw.), wobei bestimmte Nationalitäten (niederländisch, schwedisch) jeweils mit positiv bzw. negativ bewerteten Stimuli gekoppelt wurden (-> Exp. 15). Erwartungsgemäß zeigte sich, dass die Vpn bei einer anschließenden Einstufung der Nationalitäten anhand eines semantischen Differentials die niederländische Nationalität besser, die schwedische dagegen schlechter bewerteten (-» Einstellungsmessung). Ahnliche Experimente (BERKOWITZ & KNUREK) bestätigen dieses Ergebnis auch für die Verhaltensebene. Möglicherweise wird jedoch der Konditionierungsprozess kognitiv überlagert, d.h. die assoziative Verknüpfung wird bewusst vollzogen. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass vermittelnde kognitive Prozesse den Einstellungserwerb begleiten. STAATS
&
STAATS
(2) Instrumentelle Konditionierung: Wie CAMPBELL betont, können sich Einstellungen mehr oder weniger bewähren, wobei solche Einstellungen, die sich bewährt haben (d.h. per saldo belohnende Konsequenzen aufweisen) beibehalten, andere dagegen in einem Selektionsprozess verdrängt werden. VERPLANCK ( 1 9 5 5 ) und HILDUM & BROWN ( 1 9 5 6 ) konnten experimentell zeigen, dass (über Prozesse der Zustimmung des VI) geäußerte
Einstellungsmessung
Einstellungsbildung
Einstellungen tatsächlich durch unterschiedliche Verstärker verändert werden können. Auch hier gilt, dass kognitive Prozesse als Bindeglieder die Verstärkung begleiten können. So wird P möglicherweise die Verstärkerwirkung von Einstellungen bewusst erleben und versuchen, aktiv solche Einstellungen zu bilden, die sich bewähren, also zu positiven Konsequenzen fuhren. Hat ein Individuum Einstellungen gebildet, die sich in bestimmten sozialen Kontexten nicht bewähren, so wird es entsprechend diskriminieren oder seine Einstellung verbergen (-> Diskriminierung -* Impression management -* Erwünschtheit, soziale). (3) Komplexere Lernprozesse: Nach GREENWALD werden kognitive Elemente der Einstellungen primär durch Kommunikationsprozesse übertragen. Beispiele sind im Zusammenhang des kognitiven Lernens oder des Modell-Lernens zu beobachten. Hier werden Konzepte im Hinblick darauf gelernt, welches Verhalten oder welche Verhaltenssequenzen von Modell-Personen zum Erreichen eigener Ziele notwendig oder sinnvoll erscheinen. In vielen Fällen sind aktive Prozesse der -»• Informationssuche und -* Informationsverarbeitung naheliegend, insbesondere wenn es sich darum handelt, eine Einstellung zu komplexen Sachverhalten zu gewinnen. Auch lassen sich manche Einstellungen über Anreize (= kognitive Repräsentationen von Verstärkern) bilden oder verändern. Und schließlich behauptet die Attributionsforschung (hier im Sinne der Theorie der -* Selbstwahrnehmung), dass entge-
gen der üblichen Sicht, wonach Einstellungen die Dispositionen für Verhalten sind, von Verhaltensweisen auf zugrundeliegende Einstellungen geschlossen werden kann, so dass diese dann erst entstehen (Bsp.: Ich gebe viel Trinkgeld, also habe ich offenkundig eine großzügige Einstellung zum Geld). Dies ist eine zusätzliche Perspektive, die dem Gedanken Rechnung trägt, dass vom Verhalten her Rückwirkungen auf Einstellungen erfolgen, die nicht dem Paradigma des einstellungskonträren Verhaltens entsprechen (-» Dissonanztheorie). Lit. -* Einstellungen
Einstellungsdiskrepanz -» Einstellungskonträres Verhalten —> Einstellungsstruktur -* Dissonanztheorie Einstellungskonträres Verhalten Verhalten einer P, das ihrer Einstellung widerspricht (Bsp.: P bekundet Umweltbewusstsein, handelt jedoch umweltschädigend). E. kann Ergebnis eines sozialen Drucks sein (forced compliance) oder Resultat besonderer Belohnungen (P erhält einen hohen Geldbetrag für E.). Das E. ist u.a. Gegenstand der Dissonanztheorie. (->• Exp. 14, -»• Exp. 21). Einstellungsmessung Bei der Erhebung von Einstellungen ist es nicht nur wichtig zu wissen, ob Einstellungen positiv, indifferent oder negativ sind, sondern in welchem Ausmaß dies der Fall ist. Die empirische Abbildbarkeit wird in der Sozialforschung meist auf der Basis numerischer Messoperationen von manifesten 117
Einstellungsmessung
Variablen (z.B. Antworten auf einschlägige Fragen) vorgenommen, denen aus (in der Regel) vernünftigen Gründen eine starke Korrespondenz zu der untersuchten latenten Variablen (hier Einstellung) unterstellt wird. Die eigentliche Messoperation besteht dann nach STEVENS darin, dass man den unterschiedlich zu beobachtenden Reaktionen in den beobachteten (manifesten) Variablen Zahlen nach bestimmten Regeln zuordnet. Üblicherweise werden bei der Ermittlung von Einstellungen einer P bestimmte Aussagen einer Einstellungsskala vorgegeben, von denen sie angeben soll, ob sie diese (eher) bejaht oder (eher) ablehnt. Aus der Art und dem Grad der Zustimmung/Ablehnung erschließt man dann Richtung und Stärke der Einstellung. Ein wichtiges messtechnisches Problem liegt in der Bestimmung des Skalenniveaus, das unterschiedliche statistische Verfahren zulässt. So werden unterschieden: (a) Nominalskala (z.B. Erfassung der Religionszugehörigkeit); (b) Ordinalskala (z.B. Erfassung einer Rangordnung); (c) Intervallskala (gleiche Abstände zwischen den Merkmalsausprägungen); (d) Ratioskala (diese setzt einen natürlichen Nullpunkt voraus). Im Regelfall erreichen die in der empirischen Sozialforschung verwendeten Skalierungsverfahren lediglich Ordinalskalen-Niveau, obgleich die resultierenden Ergebnisse (Korrelationen, Faktorenanalysen) streng genommen messtechnisch nicht bedeutsam sind.
118
Einstellungsmessung
Als Methoden der E., die auf Selbsteinschätzung beruhen, kommen in Betracht: die THURSTONE-Skala, die LiKERT-Skala und die GUTTMAN-Skala. Häufig verwendet wird die LIKERT-
Skala. Der erste Schritt der Skalenkonstruktion ist zunächst die Zusammenstellung eines Itempools. Die Items sollten positive oder negative Meinungen oder Gefühle hinsichtlich des Einstellungsobjekts ausdrücken. Für jedes Item ist danach die Zustimmung bzw. Ablehnung zu ermitteln. Anschließend erfolgt eine Item-Analyse, indem man jedes einzelne Item mit dem Gesamtergebnis aller Items korreliert. Alle Items, die einen bestimmten Minimalwert des sog. Trennschärfe-Koeffizienten nicht erreichen, werden ausgesondert. Die Summe der Antworten auf die verbleibenden Items der Skala ergibt dann das endgültige Einstellungsmaß. Eine sehr beliebte Methode der E. stellt das semantische Differential dar. Dabei wird eine Reihe von Skalen entwickelt, die jeweils durch Gegensatzpaare von Adjektiven definiert sind (z.B. weich/hart; verschwommen/ klar; kühl/gefühlvoll; vergnügt/missmutig). In Frage kommen Gegensatzpaare von starker kognitiver Repräsentation (z.B. konservativ/ progressiv) oder auch solche Polaritäten, die lediglich einen indirekten und assoziativen Bezug zum Einstellungsobjekt haben (z.B. feminin/maskulin; wild/ sanft). Die Skalen sind im Prinzip drei voneinander unabhängigen Dimensionen zugeordnet (-»EPA-Struktur): Evaluation (das Objekt ist gut, sauber, gerecht, schön), Potency (z.B. das Objekt ist stark, groß, hoch) und Activity (das Objekt ist aktiv, heiss, schnell,
Einstellungsmessung
lebendig). Das Verfahren ist einfach zu handhaben, stößt jedoch bei der Verwendung von Gegensatzpaaren mit geringer kognitiver Repräsentation auf Schwierigkeiten bei der Durchführung (mangelndes Verständnis bei den Probanden) sowie bei der Auswertung (was bedeutet genau: verschwommen gegenüber klar; redselig gegenüber verschwiegen?). Deshalb werden heute solche Differentiale vermehrt eingesetzt, die an das Einstellungsobjekt angepasst sind. Auch die sog. Einstellungsmodelle (ROSENBERG, FISHBEIN), die verschie-
dentlich als -» Multiattribut-Modelle bezeichnet werden, enthalten Messvorschläge. Im FISHBELN-Modell werden values und beliefs ermittelt, und zwar im Hinblick auf jedes relevante Attribut des Einstellungsobjekts. Dabei werden die Eigenschaften (values) entweder vorgegeben oder vom Probanden selbst ermittelt (z.B. bei der Beurteilung eines Automobils die Werte: Sportlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Wiederverkaufswert, Schönheit, Bequemlichkeit). Die Vp muss jede dieser Eigenschaften (oder Konsequenzen) bewerten (- 3 bis + 3). Zusätzlich muss sie angeben, wie sicher sie ist, dass das Einstellungsobjekt die genannten Eigenschaften auch wirklich aufweist (belief-Komponente). Beide Werte werden - für jedes Attribut - miteinander multipliziert, die den Attributen zugeordneten Werte werden addiert (Produktsummen-Modell). Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass es ausgesprochen elementenpsychologische Züge aufweist. Ein Verfahren, das diesen Nachteil beseitigt, ist das sog. -»• conjoint-measurement (Verbundmessung), das ein eher
Einstellungsrepräsentation
ganzheitliches Verfahren zur E. darstellt. Neben den hier beschriebenen Skalierungsverfahren gibt es auch Methoden zur E., die nicht auf Selbsteinschätzung beruhen: Physiologische Verfahren (z.B. die psycho-galvanische Hautreaktion) oder Verhaltensbeobachtung sowie andere non-reaktive Verfahren wie z.B. die lost-letterTechnik oder die -»• Bogus-pipelineMethode. Mit letzterer versucht man vor allem, die Tendenz zu sozial erwünschten Antworten (social desirability) beim Antwortverhalten zu umgehen. Lit.
Einstellungen
Einstellungsrepräsentation Nach LORD & LEPPER werden Einstellungen aus konkreten Beispielen abgeleitet, insbesondere, wenn damit eigene Erfahrungen verbunden sind. Die Theorie der E. enthält zwei Postulate: (a) Die Bewertung eines Einstellungsobjektes hängt von der subjektiven Repräsentation auf der Basis exemplarischer Beispiele ab; (b) Wenn zwei Situationen die gleiche subjektive Repräsentation des Objekts auslösen (Passung der Beispiele), so ist eine hohe Konsistenz des Verhaltens in beiden Situationen zu erwarten. Das Konzept berührt sowohl Aspekte der Einstellungsbildung wie auch der —> Einstellungswirkungen (zumal der Einstellungs-Verhaltens-Konsistenz).
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Einstelhingsstnikturen
Einstellungsstarke
Einstellungsstärke Der Begriff E. wird unterschiedlich verwendet (vgl. RAVEN 1985). Er wird vielfach gleichgesetzt mit: Änderungsresistenz, Einwandsimmunität, Stabilität und Elaboriertheit, Konsistenz der Komponenten, Verhaltensrelevanz, -* Verfügbarkeit, -* Zugänglichkeit, Abrufbarkeit. Die meisten Autoren verwenden den Ausdruck E. im letzteren Sinne, z.B. FAZIO (1986). In der Hypothesentheorie der Wahrnehmung ist der Begriff der Hypothesenstärke näher expliziert. Es liegt nahe, E. analog zu verwenden. Danach wäre eine Einstellung umso stärker, (a) je häufiger sie bestätigt wurde (wobei auch die Häufigkeit des Abrufs gemeint ist). Bei der wahrgenommenen Häufigkeit spielen auch Recency-Effekte eine Rolle; (b) je geringer die verfugbare Anzahl alternativer Einstellungen ist (Vorliegen von monopolistischen Einstellungen); (c) je stärker die motivationale Unterstützung (z.B. auch Ich-Beteiligung) für diese Einstellung ist; (d) je größer die Anzahl unterstützender Einstellungen ist (Einbettung in ein konsistentes kognitives System); (e) je eher die Einstellung aus einer übergreifenden Hypothese (oder einem Wertsystem) abgeleitet werden kann. Betrachtet man E. als unabhängige Variable, so gilt - wiederum in Analogie zur Hypothesentheorie - : Je stärker eine Einstellung ist,
120
(a) umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie angeregt bzw. abgerufen wird; (b) umso geringer ist die Menge der unterstützenden Stimulus-Informationen, die notwendig sind, um diese Einstellung zu bestätigen (monopolistische Einstellung); (c) umso größer muss die Menge an widersprechenden Stimulus-Informationen sein, damit sie aufgegeben wird (Änderungsresistenz); (d) desto eher wird diese Einstellung konkurrierende (schwächere) Einstellungen verdrängen; (e) umso eher wird diese Einstellung handlungsleitend, gewinnt also Verhaltensrelevanz. Lit. -*Einstellungen
Einstellungsstrukturen Einstellungen haben einen strukturellen Aufbau. Zu unterscheiden sind intrastrukturelle Aspekte (also Strukturen innerhalb einer Einstellung) sowie interstrukturelle Aspekte (also Beziehungen zwischen Einstellungen oder zwischen Einstellung und Verhalten). (1) Interne Struktur: Einstellungen können unterschiedlich komplex sein. Komplexe Einstellungen liegen dann vor, wenn diese relativ differenziert sind (multiplex attitudes nach KRECH et al.), d.h. dass eine Vielzahl der mit einem Einstellungsobjekt verbundenen Überzeugungen (beliefs) vorliegen. Demgegenüber sind simplexe Einstellungen relativ einfach strukturiert. Komplexe Einstellungen dürften stabiler und änderungsresistenter sein als simplexe (-»Einstellungsstärke). Einstellun-
Einstellungsstrukturell
gen können ferner homogen oder heterogen sein. Homogenität bedeutet hier, dass die Bewertungskomponenten einer Einstellung in die gleiche Richtung zeigen (also z.B. positiv sind). Einstellungen, in denen sowohl positive wie auch negative Komponenten existieren, sind multivalent und heterogen. Auch hier gilt, dass homogene Einstellungen stabiler sind als heterogene oder ambivalente. Manchmal sind Einstellungen nicht durch eine einfache affektive Reaktion abzubilden, sondern kognitiv komplex und hierarchisch organisiert, insbesondere wenn eine P vielfaltige persönliche Erfahrungen mit dem jeweiligen Einstellungsobjekt hat. So weisen z.B. SCHLEGEL & DITECCO ( 1 9 8 2 ) nach, dass bei Einstellungen (am Bsp. zum MarihuanaKonsum), die nicht auf direkten Erfahrungen beruhen, affektive Einstellungsmaße eine gute Verhaltensprognose gestatteten. Soweit zwischen kognitiv und affektiv fundierten Einstellungen unterschieden werden kann (WILSON et al. 1989), sind auch hier Heterogenitäten zu erwarten. MILLAR &
TESSER verstehen
unter Konsistenz ganz spezifisch die Übereinstimmung zwischen kognitiven und affektiven Komponenten, wobei an einen Einstellungstyp gedacht ist, der sowohl eine starke kognitive wie auch affektive Grundlage hat (z.B. Markentreue, die auf wichtigen kognitiven Aspekten gründet und gleichwohl eine stark affektive Bindung verkörpert). Die Konsistenztheorien sagen voraus, dass Inkonsistenzen sowie Heterogenitäten innerhalb der E. eine Tendenz zur Reduktion dieser Un-
Elnstellungsstruktureii
stimmigkeiten auslösen. Über die Art und Weise, wie diese Reduktion erfolgen kann, informiert u.a. die Dissonanztheorie. Diese Theorie kann auch erklären, wie Individuen mit interstrukturellen Inkonsistenzen umgehen. (2) Externe Struktur: Einstellungen stehen kaum je isoliert, sondern verbinden sich zu- Einstellungssystemen und sind in letzter Instanz mit Werten verbunden (-»Einstellungen -> Werte). Vom Allgemeinen zum Spezifischen kann man sich Einstellungen in einer Art hierarchischer Ordnung vorstellen (Einstellungen zu Ausländern, zu Italienern, zu italienischen Gastarbeitern in einem Betrieb, zu Giuseppe). Auch innerhalb der Hierarchie können Inkonsistenzen auftreten (z.B. finde ich Italiener unsympathisch, jedoch Giuseppe sympathisch). Einstellungen in einem Einstellungssystem können sich gegenseitig abstützen, sofern sie in sich konsistent sind. Ebenso können sie auch im Hinblick auf soziale -> Normen mehr oder weniger konsistent sein. Obgleich auch hier eine Tendenz zur Konsistenz wirksam ist, können Individuen die Inkonsistenz dadurch aufrechterhalten, dass sie ihre Einstellung nicht äußern, dass sie sie verbergen oder nach außen hin verfalschen. CHAIKEN et al. sprechen in diesem Zusammenhang von Eindrucksmotivation (-* Impression management). Auch können Einstellungen untereinander konkurrieren (z.B. Einstellungen zum Rauchen und Einstellungen zur Gesundheit). Ein besonderer Fall ist einstellungskonträres Verhalten Dissonanztheorie), wobei eine Änderung der
121
Einstellungstheorien
Einstellung in Richtung des gezeigten Verhaltens vorausgesagt wird. Auch könnte die oben angesprochene Doppelbödigkeit (nach innen und nach außen) die InkonsistenzKosten verringern (-* Einstellungsbildung -> Einstellungsänderungen). Lit.
Einstellungen
Einstellungstheorien Im Umkreis des Einstellungskonzepts sind etliche Theorien angewandt (z.B. die Lerntheorien) sowie entwickelt worden (z.B. die Konsistenztheorien). Die hier relevanten Theorien lassen sich bestimmten Gegenstandsbereichen zuordnen: (a) -*Einstellungsbildung: Hier dominieren Lerntheorien sowie Konzepte der Informationsverarbeitung; (b) -»• Einstellungsänderungen: Hier werden vor allem kommunikationstheoretische Aspekte sowie die sog. Zwei-Prozess-Theorien diskutiert; (c) -* Einstellungsstruktur: Dieser Bereich ist die Domäne der verschiedenen Konsistenztheorien, ergänzt durch Ansätze aus der Informationsverarbeitung; (d) —> Einstellungswirkungen: Hier wird vor allem diskutiert, wie Einstellungen auf die Wahrnehmung sowie auf das Verhalten einwirken (Verhaltensrelevanz von Einstellungen). Als gute Wegweiser haben sich die Theorien des überlegten Verhaltens sowie des -* geplanten Verhaltens erwiesen; (e) —> Einstellungsstärke: In diesem Kontext sind Ansätze zur Erklärung von Einstellungsstabilität und Änderungsresistenz von Bedeu122
Einstellungswirkungen
tung, auch eine analoge Anwendung der Hypothesentheorie der Wahrnehmung. Lit.
Einstellungen
Einstellungs-Verhaltens-Konsistenz-» Konsistenz -*• Dissonanztheorie -» Einstellungswirkungen Einstellungswirkungen Einstellungen -* Einstellungsstruktur -»• Einstellungsstärke E. beziehen sich vor allem auf die folgenden Bereiche: (1)E. auf die Wahrnehmung und Informationsaufnahme: Einstellungen wirken als Selektionsmechanismen, die darüber entscheiden, welche Reize eher wahrgenommen und im Gedächtnis gespeichert werden als andere. Ähnlich wie dies bereits in der Hypothesentheorie der Wahrnehmung behauptet wird, sind E. (als bewertete Hypothesen) wahrnehmungsleitend. Nach POSTMAN et al. werden positiv bewertete Reize leichter wahrgenommen (Wahrnehmungserleichterung: perceptual vigilance) als neutrale oder negative Reize (Wahrnehmungsabwehr: perceptual defense). Diese Tendenz ist im Lichte moderner Theorien zur Informationsverarbeitung im Grundsatz bestätigt, jedoch zahlreichen Modiiikationen unterzogen worden. Ferner sind Einstellungen ein wichtiger Selektionsfaktor bei Lern- und Gedächtnisleistungen. So werden einstellungskonsonante Informationen schneller gelernt und besser behalten als dissonante Informationen. Gleiches gilt für die Informationssu-
Einstellungswirkungen
Einstellungswirkungen
che. LS. der -* Selective-exposureHypothese gilt, dass Informationen dann eine größere Chance haben, aufgenommen zu werden, wenn sie die eigenen Einstellungen stützen. Diese Form der Selbstselektion ist insbesondere im Rahmen der Kommunikationsforschung weiter verfolgt worden: Individuen setzen sich insbesondere solchen Informationen/Botschaften/Medien aus, die ihrer Einstellung entsprechen, bei gleichzeitiger Vermeidung inkonsistenter Informationen. Eine solche These wird im Übrigen auch durch die -* Dissonanztheorie nahegelegt. Eine Bilanzierung sämtlicher bis dahin (1965) vorliegenden Befunde durch FREEDMAN & SEARS ergibt jedoch widersprüchliche Ergebnisse (vgl. auch FREY 1986). Insbesondere schien sich zu zeigen, dass dissonante Informationen dann in bestimmter Weise aufgenommen und genutzt werden, wenn sie sich als instrumenten erweisen (d.h. nützlich sind) und wenn man sich in der Lage sieht, durch kognitive Auseinandersetzung die dissonanten Informationen jederzeit widerlegen zu können. (2)E. auf Verhalten: Seit der Konzeptualisierung von ALLPORT sind Einstellungen als Verhaltensdispositionen definiert, d.h. als mehr oder weniger taugliche Prädiktoren für faktisches Verhalten. Es geht also um die Verhaltensrelevanz von Einstellungen. Bereits in einer frühen Forschungsphase konnte allerdings die in späteren Jahren häufig zitierte Untersuchung von LA PIERE (-> Exp. 14) als Warnimg interpretiert werden, dass eine direkte positive Beziehung zwischen Einstellungen und
Verhalten nicht in jedem Fall gegeben ist. Ende der 60er Jahre erschienen in Sammelreferaten (WICKER 1969; in Deutschland BENNINGHAUS
1973
und
MEINEFELD
1977) sehr kritische Stellungnahmen, welche die Verhaltensrelevanz von Einstellungen generell in Frage stellten. Aus heutiger Sicht ist dieser Pessimismus übertrieben (FAZIO 1990; Six 1992); insbesondere konnten ECKES & Six (1994) in einer umfangreichen Meta-Analyse deutlich stärkere Zusammenhänge nachweisen als sie z.B. WICKER berichtet hatte. Dabei zeigte sich, dass eine Reihe von Bedingungen gegeben sein müssen, um eine enge Korrelation zwischen Einstellung und Verhalten zu begründen. Insbesondere scheinen die folgenden Bedingungen für eine starke Verhaltensrelevanz zu sprechen: (a) wenn die Konsistenz zwischen affektiven und kognitiven Komponenten hoch ist (NORMAN 1975); (b) wenn die Einstellung über die Zeit stabil ist (SCHWARTZ 1978) und in der Vergangenheit häufig aktiviert wurde; (c) wenn die Einstellung leicht zugänglich ist (FAZIO 1990), also jederzeit abgerufen werden kann; (d) wenn die Einstellung durch eigene Erfahrungen erworben wurde (REGAN & FAZIO 1977, FAZIO & ZANNA 1981; Befunde jedoch inkonsistent); (e) wenn die Einstellung spezifisch und nicht allgemein gemessen wird (WEIGEL et al. 1994); (f) wenn hohe Übereinstimmung zwischen Einstellungsobjekt und 123
Einstellungswirkungen
dem untersuchten Verhalten besteht (AJZEN & FISHBEIN 1977); (g) je mehr Verhaltenskriterien einbezogen werden (multiples Verhaltenskriterium), d.h. die Einstellungen werden mit mehreren relevanten Verhaltensweisen korreliert (FISHBEIN & AJZEN 1974);
(h) wenn über die Einstellung lange nachgedacht wurde: Längeres Nachdenken kann die Übereinstimmung (vgl. f) zwischen Einstellung und Verhalten sowohl mit kognitivem als auch affektivem Fokus begünstigen (Befunde jedoch inkonsistent); (i) wenn die Einstellung auf der zentralen Route der Informationsverarbeitung gebildet wurde (-* ELM;
PETTY & CACIOPPO).
Für die Verhaltensrelevanz einer Einstellung ist demnach auch ihre Entstehungsgeschichte von Bedeutung; (j) wenn sich eine Gelegenheit zur Umsetzung der Einstellung ergibt: Differentielle Gelegenheiten (opportunities) entscheiden also über die Verhaltensrelevanz von Einstellungen im konkreten Fall; (k) wenn keine situationalen Zwänge bestehen, welche die Umsetzung der Einstellung in Verhalten verhindern; (1) wenn mit dem (einstellungskonträren) Verhalten stark positive Konsequenzen verbunden sind. Die belohnenden Folgen eines Verhaltens können das Individuum dagegen veranlassen, sich nicht an seine Einstellungen zu halten;
124
Einstellungswirkungen
(m) wenn P dazu fähig ist, das einstellungsentsprechende Verhalten zu zeigen (-» Effizienz-Erwartungen —• Kontrollüberzeugung)\ (n) wenn keine starken sozialen Normen (Gebote bzw. Verbote) vorliegen, die einer Umsetzung in Verhalten entgegenstehen; (o) wenn keine konkurrierenden Einstellungen bestehen (Bsp.: Ein von P hoch bewertetes Produkt ist nur in einem wenig geschätzten Geschäft zu haben). Einige dieser Bedingungen sind in verhaltensorientierte Einstellungsmodelle einbezogen worden, die insbesondere die Verhaltensrelevanz von Einstellungen in den Vordergrund rückten (FISHBEIN & AJZEN 1975; AJZEN 1985). Von besonderer Bedeutung schienen vor allem das Spezifizitätsprinzip (e) sowie das Korrespondenzprinzip (f) zu sein. Bei Verfolgung dieser Prinzipien wird die Korrelation zwischen Einstellung und Verhalten zwar vergrößert, jedoch gibt man damit das Ökonomie-Prinzip zum Teil auf, wonach Einstellungen eine möglichst breite Palette von Verhaltensweisen erklären sollen. Werden nämlich Einstellungen zu nahe am Verhalten angesiedelt, besteht die Gefahr, (teil)tautologische Aussagen zu liefern (Bsp.: P spart viel, weil sie sparsam eingestellt ist). Neben den genannten Bedingungen zeigt sich überdies, dass einige Pn eine größere Konsistenz zwischen Einstellungen und Verhalten zeigen als andere, so dass auch differentielle Persönlichkeitsmerkmale sowie variable innere Zustände einzubeziehen
Einzigartigkeit
Einstellungswirkungen
sind. Pn mit höherer Selbstaufmerksamkeit (oder im Zustand erhöhter Selbstaufmerksamkeit) legen gesteigerten Wert auf die Übereinstimmung von Verhalten und Einstellung (letztere als Teil ihres Selbstkonzepts). Umgekehrt neigen Pn mit höherer Tendenz zur -* Selbstüberwachung dazu, opportunistisches Verhalten zu zeigen, also die Einstellung je nach Bedarf (z.B. je nach normativer Erwartung) zu wechseln. Auch sind Pn mit hoher Verhaltenskonsistenz in der Vergangenheit eher dazu geneigt, die Übereinstimmung zwischen Verhalten und Einstellung auch in der Zukunft aufrecht zu erhalten. (3) Verhaltensorientierte Einstellungsmodelle. Die Aufzählung der Bedingungen, unter denen Einstellungen gute oder schlechte Prädiktoren für Verhalten sind, erfolgte vielfach theorielos, was im Übrigen manche widersprüchlichen Befunde erklärt. Die Modelle von FISHBEIN & AJZEN sowie AJZEN versuchen jedoch, einige der Bedingungen (Spezifizität, Einfluss sozialer Normen, Konsequenzen des Verhaltens, Kontrollüberzeugungen, situative Gegebenheiten) einzubeziehen. Diese Modelle sind insofern auch verhaltensnäher, da nicht Einstellungen gegenüber einem Objekt ermittelt werden, sondern Einstellungen zu einem Verhalten (z.B. Einstellungen zur Steuerhinterziehung, zum Marihuanarauchen, zum Blutspenden) und den mit diesem Verhalten verbundenen Konsequenzen. Die Theorie des überlegten Verhaltens (FISHBEIN & AJZEN) betrachtet Einstellungen zu einem Verhalten
(oder einem Aspekt des Verhaltens) als Produkt von beliefs und values im Hinblick auf die Konsequenzen des Verhaltens. Insofern ist in diesem Modell der Theoriekern einer -* Wert-Erwartungs-Theorie enthalten; auch werden Bezüge zur Lerntheorie (sensu ROTTER) nicht ausgeschlossen. Der zweite Erklärungsstrang ist die subjektive Norm, resultierend aus normative beliefs (Annahmen über die Verhaltenswünsche anderer Personen) und der motivation to comply, also einer Bereitschaft, diesen Normen zu folgen (Konformitätsneigung). Die Einstellung zum Verhalten sowie die subjektive Norm begründen dann die Verhaltensintention, die je nach situativen Gegebenheiten in faktisches Verhalten einmündet. Die Theorie des -* geplanten Verhaltens (AJZEN 1985) fugt diesem Schema noch die wahrgenommene Kontrollierbarkeit des Verhaltens hinzu. Dabei handelt es sich im Prinzip um -»EffizienzErwartungen im Sinne BANDURAS; gemeint sind darüber hinaus jedoch auch sonstige Barrieren (z.B. ein Automobil-Freak, der den von ihm bewunderten Wagen mangels Kaufkraft nicht erwerben kann). Lit. -* Einstellungen
Einzigartigkeit Unter E. (uniqueness) versteht man das Bestreben, unverwechselbar in Abgrenzung zu anderen Individuen zu sein und damit etwas Besonderes, Einmaliges zu sein. Dieses Thema wird i.R. der Entwicklungspsychologie als personale -* Identität (Ich-Identität nach ERIKSON) bezeichnet. SNYDER &
FROMKIN
betonen, dass 125
Elimination by aspects
dieses Abhebungsbedürfiiis seine Grenzen findet, als P sich bei aller Wahrung der Besonderheit doch nicht absondert, sondern ein gewisses Ausmaß an sozialer -* Ähnlichkeit bzw. Zugehörigkeit aufrecht erhalten möchte. P wird demnach versuchen, optimale interpersonelle Ähnlichkeit zu realisieren. Ein vergleichbares Balancestreben (zwischen personaler und sozialer -* Identität) unterstellt die Theorie der -* Selbstkategorisierung unter verschiedenen Salienzbedingungen. Elimination by aspects -*• Entscheidungsregeln ELM (Elaboration LikelihoodModell) Eine Theorie, die zwischen gründlicher und oberflächlicher Informationsverarbeitung unterscheidet, ist das Modell der Elaborations-Wahrscheinlichkeit von PETTY & CACIOPPO (1986). Dieses Modell gründet auf der Annahme zweier verschiedener Formen der Einstellungsänderung durch Information: dem zentralen und dem peripheren Weg. Zentral ist die Informationsverarbeitung immer dann, wenn die Einstellungsänderung aufgrund sorgfaltiger (elaborierter) Verarbeitung erfolgt. Zentral heisst also: ausfuhrliche Überlegungs-, Abwägungs- und Entscheidungsprozesse mit starker kognitiver Beteiligung. Peripher ist sie dann, wenn lediglich einfaches klassisches oder instrumentelles Konditionieren stattfindet oder simple Urteilsheuristiken benutzt werden, die sich auf oberflächliche Hinweisreize oder Schlüsselreize beziehen. Peripher heißt hier also: P verzichtet auf ausführliche Verarbei126
ELM
tungsprozesse, bedient sich einer dominanten Reaktion, vertraut auf Gewohnheiten, folgt festgefahrenen Konditionierungen, lässt sich von bestimmten Schlüsselreizen leiten. Welcher Weg der Informationsverarbeitung gewählt wird, hängt von zwei Variablen ab: von der Motivation (dem Involvement, dem Interesse an einer Sache) und der -* Fähigkeit (z.B. einer Argumentation gedanklich folgen zu können). Beide Variablen sind multiplikativ miteinander verknüpft, bei Fehlen von Motivation und/oder Fähigkeit wird vorausgesagt, dass der Betroffene lediglich die periphere Route der Einstellungsänderung vollzieht, sich also an bestimmten Schlüsselreizen orientiert (-» Einstellungsänderungen). PETTY hat betont, dass im Einzelfall beide Prozesse parallel stattfinden können und dass Pn von einer Route zur anderen springen können, z.B. bei plötzlich erwachendem Interesse. Darüber hinaus artikuliert das Modell Variablen, die ihrerseits Motivation (Interesse, Involvement) und Fähigkeit bestimmen. - Penflnl. Relevanz -Wunsch noch Klaihett - Elmtefcjnosdttrepanz -Pefsörttehe Vefanhvoftung -Umrissen -Ablenkung - Stiukturfeiung -Wledeihdung kognitiver Verafeetfungsprozess positiv» negative keine oder Gedanken Gedanken neutrale überwiegen überwiegen Gedanken zentrale positive zentrale negative Beibehaltung periphere Einste« ungsEinstehrtgsEmstefejngs- der usprüngänderung önderung Hchen änderung (nicht resistent] Einste! ung dauerhaft änderungsreslstent UBfhattensretevariz
ELM
Emergent norm
Wenn Einstellungen oder Urteile durch zentrale Informationsverarbeitung zustande gekommen sind, so werden sie stabiler, dauerhafter und änderungsresistenter sein, während peripher verursachte Einstellungen instabil bleiben. Außerdem sind letztere von geringer Verhaltensrelevanz. Vom Ansatz her ähnliche Modelle der Informationsverarbeitung stammen von
CHAKEN
(-»Heuristisch-syste-
matisches Modell, HSM) sowie von FAZIO (-> MODE-Modell). In diesen Modellen spielt auch das Bedürfiiis nach korrekter Einschätzung (need for Cognition) zur Validierung vorhandener Einstellungen eine zentrale Rolle. Das E. hat trotz seiner relativ einfachen Struktur eine ausgesprochen integrative Wirkung auf bisher weitgehend isolierte und manchmal widersprüchliche Befunde der Einstellungsund Kommunikationsforschung gehabt (vgl. STAHLBERG & FREY 2 0 0 1 ) . So sagt es z.B. aus, dass bei elaborierter Informationsverarbeitung vor allem die Argumentqualität im Vordergrund steht, während bei Einschlagen der peripheren Route äußere Begleitumstände der Kommunikation (Glaubwürdigkeit, Auftreten, äußeres Erscheinungsbild des Kommunikators) eine wesentlich größere Rolle spielen (-* Einstellungsänderungen -> Glaubwürdigkeit). Auch die bereits von MCGUIRE aufgeworfene Frage: ,Wie kann man Einstellungen resistenter machen?', die in einer Art Theorie der -* Inokulation einmündet, kann im Lichte des E. neu interpretiert werden. Lit.: PETTY, R.E. & CACIOPPO, J.T. (1986). The elaboration likelihood model of persua-
sion. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 19. Orlando u.a. 123-205. STAHLBERG, D. & FREY, D. (22001). Das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty & Cacioppo. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. I. Bern u.a. 327-360.
Eltern-Kind-Beziehung Die E. ist teilweise genetisch bestimmt und wird im Allgemeinen von liebevoller Zuneigung getragen. Die vorliegende Verwandtschaftsbeziehung macht zudem das Auftreten altruistischen Verhaltens wahrscheinlich. Insofern handelt es sich hier um einen Beziehungstyp,
der
von
MILLS
&
CLARK als „communal relation" bezeichnet wird, für die nicht Vorstellungen von Beitragsproportionalität (-> Equity-Theorie) bzw. eine ausgeprägte Austauschorientierung gelten, sondern eher die Maxime altruistischer -> Transformation. Im fortgeschrittenen Alter des Kindes werden Ablösungserscheinungen sowie das Streben nach eigener personaler Identität verhaltenswirksam; auch werden die Gleichaltrigen (Peers) als prägende Bezugsgruppe wichtige zusätzliche oder alternative Einflussgeber. Die Phase der -»Adoleszenz kennzeichnet diesen Ablösungsprozess, wobei häufig das elterliche Modell in Frage gestellt wird.
Emergent norm Die
E.-Hypothese
(TURNER &
Ki-
LLIAN) besagt im Zusammenhang mit dem Auftreten -> abweichenden Verhaltens im Gruppen- oder KollektivKontext (-> Kollektiwerhalten DeIndividuation), dass es bei stark affektiven Reaktionen mit interaktiver Ansteckwirkung (z.B. Straßenschlach127
Emergenz
ten, Randalieren im Fußballstadion) keineswegs zu anomischen Situationen (Verlust an normativer Kontrolle) komme, sondern zu einer episodisch fluktuierenden Neuentstehimg sozialer —• Normen. Emergenz Die E.-These behauptet, dass soziale Sachverhalte auf höherem AggregatNiveau Eigenschaften herausbilden, die aus ihren einzelnen Bausteinen nicht ableitbar sind. Im Grunde geht es bei der E.-Vorstellung um den Satz: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Kritiker dieser These weisen darauf hin, dass die einzelnen Komponenten komplexer Aggregatzustände sehr wohl die Basis der Erklärung abgeben können, dass jedoch zusätzlich die besondere Art der Beziehungen (Inter-Relationen) zwischen den Elementen zu berücksichtigen sei. In der SP repräsentiert z.B. die soziale -* Gruppe ein höheres Aggregat-Niveau, und folgerichtig treten im Gruppenkontext Probleme auf, die die Dyade nicht kennt. So ist etwa die Koalitionsbildung nur im GruppenKontext möglich. Synergie-Effekte sind nur im Rahmen von Gruppenprozessen sinnvoll zu verorten. Auch Begriffe wie Gruppenstruktur, Gruppenkohäsion oder -* Risikoschub können nur im Rahmen des Gruppenzusammenhangs lokalisiert werden.
Emotion
zielt auf objektivierbare und messbare kulturelle Tatbestände. Sie bildet daher ein Paradigma, wonach kulturelle Unterschiede objektiv festzumachen sind. Die emische Analyse zielt auf die Besonderheiten einer Kultur, die sich nur in einer Art Binnensicht erschließen. Ein solches Paradigma setzt auf das Verstehen einer Kultur in eher phänomenologischer Betrachtung. Die Ebene des Verstehens kann allerdings auch als erster Schritt zur Analyse von Kulturen angesehen werden; auf diesen Voraussetzungen würde dann die Ethik-Perspektive aufbauen, die ansonsten oberflächlich und von begrenzter Vergleichbarkeit bliebe. Emotion (1) Begriff: Allgemeine Bezeichnung für die affektive Seite des Lebens, differenziert nach Intensität und Qualität (z.B. Lust-Unlust, BehagenUnbehagen). In der SP wird der Ausdruck E. eher unspezifisch und synonym mit Affekt und Gefühl gebraucht. Die Zusammenfugung affektiv-emotional besteht dann als Gegensatz zu Wollen und Denken, also zu den überwiegend kognitiven und volitionalen Aspekten des Erlebens. (2) Komponenten der E.: Einige Psychologen unterscheiden zwischen E. und Gefühl. Hierbei ist das Gefühl lediglich eine Komponente des Emotionskonstrukts. Insgesamt werden folgende Komponenten unterschieden:
Emisch-etisch Aus der Linguistik (von Phonemik) (a) gewisse neurophysiologische stammende Bezeichnung für unterReaktionsmuster des zentralen schiedliche Ebenen der Erfassung von und autonomen Nervensystems; —>• Kulturen (->• Sozialpsychologie, in- (b) der motorische Ausdruck (im terkulturelle). Die etische Forschung Gesicht, Gestik); 128
Emotion
(c) das Gefühl, d.h. die spezifische Form der Lust/Unlust; (d) die resultierende Handlungstendenz (z.B. Furchttendenz für Angst, Angriffstendenz für Ärger); (e) die kognitive Komponente, d.h. mentale Prozesse bzw. bewertende Vorgänge der Informationsverarbeitung, die sich den Gefühlen gewissermaßen auflagern. Solche Differenzierungen sind in der SP meist nicht üblich, so dass Gefühle und Emotionen weithin synonym verwendet werden können. (3)E. und Bedürfnisse: Bedürfnisse und Gefühle sind eng miteinander verbunden: Bedürfnisbefriedigung wird als angenehm empfunden; erhebliche Diskrepanzen zwischen Soll- und Ist-Werten (z.B. Hunger) bewirken erhöhte Aktivierung und entsprechend unangenehme Gefühle. Andererseits können Gefühle selbst als Motivationen wirken. Menschen streben die von Verstärkern ausgelösten angenehmen E. an und versuchen, sie bewusst herbeizuführen (z.B. Nervenkitzel). Umgekehrt sinkt die Auftretenswahrscheinlichkeit solcher Verhaltensweisen, die mit negativen Gefühlen verbunden sind. (4) Bestimmte Gefühlszustände: Einige Autoren gehen von neuralen Basis-E. aus, die in Analogie zu primären Motiven auf einer Naturgrundlage beruhen. So listet etwa IZARD auf: Interesse, Freude, Überraschung, Kummer und Schmerz, Zorn, Ekel, Geringschätzung, Furcht, Scham und Schuldgefühl. Es gibt eine Reihe ähnlicher Typologien sowie Hinweise, dass die grundlegen-
Emotion
den Emotionsmechanismen in allen Kulturen gleich sind. Die von einigen Sozialpsychologen vertretene Ansicht, dass E. ausschließlich auf kulturelle Erfahrungen zurückgehen und insofern soziale Konstruktionen darstellen, erweist sich aufgrund der vorliegenden Studien (SCHERER sowie
SCHERER
&
WALLBOTT)
als
nicht haltbar. (5) Gefühle und Erwartungen: Gefühle sind vielfach mit antizipativen -> Erwartungen verknüpft. Hoffnung bezeichnet z.B. die Erwartung eines angenehmen Ereignisses oder eines guten Ausgangs einer Angelegenheit. Furcht und Angst entstehen, wenn wir etwas Unangenehmes erwarten. Die Erwartung, dass ein bestimmtes bedrohliches Ereignis nicht eintreten wird, verschafft uns ein Gefühl der Sicherheit. Wiederum andere Gefühle hängen mit dem Erreichen oder Nicht-Erreichen von Zielen zusammen. Vorfreude und Freude kennzeichnen Zustände kurz vor oder nach Erreichen eines Ziels. Ärger, Wut und Enttäuschung sind häufig die Folge einer Zielblokkierung bzw. einer Erwartungsversagimg (-* Frustration). Lässt sich ein bestimmtes Ziel dauerhaft nicht erreichen, so stellen sich Gefühle der Hoffnungslosigkeit, der Traurigkeit oder der Resignation ein. (6) Gefühle und Kognitionen: Emotionen hängen eng mit Kognitionen und Informationsverarbeitungs-Prozessen zusammen. Die meisten Kriterien, die wir zur Reizbewertung heranziehen, werden erst während des Prozesses der -*Sozialisation erworben. Insbesondere scheint auch bei Wahrnehmung erhöhter unspezifischer Er129
Emotion
regung (-* Aktivation, physiologische) die Differenzierung der Emotionsart durch die Steuerungsfunktion von Kognitionen 201 erfolgen. Diese kognitiven Hinweise würden - nach SCHACHTER - aus der Situation resultieren und vorwiegend auf der Grundlage bisheriger Erfahrungen beruhen (->Emotionstheorien Exp. 11). In ähnlicher Weise beruhen auch Gefühle nach der Bewältigung oder Nichtbewältigung von Aufgaben auf Attributionsprozessen (WIENER). Führt man etwa das Erreichen des Ziels auf internale Kräfte zurück, entstehen Freude und Stolz (-+ Emotionstheorien). Wird ein Misserfolg auf internale Ursachen attribuiert, so kann neben Ärger auch Schamgefühl entstehen. (7) Die emotionale Wende: Nach der kognitiven Wende, die innerhalb der Psychologie vorwiegend behavioristische Ansätze ablöste, führte eine Überbetonung der kognitiven Perspektive unter der Führungsrolle der Informationsverarbeitungs-Konzepte (auch in der SP im Rahmen der social-cognition-Forschung [-»Kognition, soziale]) zu einer „Verkopfung" der Forschungsperspektive. In neuerer Zeit scheint sich eine stärkere Beachtung emotionaler Prozesse sowie der spezifischen Verknüpfung emotionaler und kognitiver Vorgänge anzubahnen (-* Affekt -* Informationsverarbeitung). Lit.: EKMAN, P. (1971). Universals and cultural differences in facial expression of emotion. In: Cole, J.K. (ed.) Nebraska symposium on motivation, Vol. 19. Lincoln, 207283. EKMAN, P. & DAVIDSON, R J . (eds.)
(1994). The nature of emotion: Fundamental questions. New York/Oxford. FISCHER, L. et al. (2002). Zur Messung von Emotionen in 130
Emotionskontrolle der angewandten Forschung. Lengerich. LAZARUS, RS. (1991). Emotion and adaption. New York. LEWIS, M. & HAVILAND,
J.M. (eds.) (2000). Handbook of emotions. New York. MEYER, W.-U. et al. (2003). Einfuhrung in die Emotionspsychologie, Bd. I, II, III. Bern u.a. SCHACHTER, S. & SINGER,
J.E. (1962). Cognitive, social, and psychological determinants of emotional state. Psychological Review, 69, 5, 379-399. SCHERER, K. (42002). Emotion. In: Stroebe, W. et al. (Hg.) Sozialpsychologie. Berlin u.a. 165213. SCHERER, K. & EKMAN, P. (eds.)
(1984). Approaches to emotion. Hillsdale, N.J. WEINER, B. (1986). An attributional theory of motivation and emotion. New York.
Emotionale Intelligenz genz, emotionale
Intelli-
Emotionale Konditionierung -* Konditionierung, klassische Emotionen, soziale Wenn Gefühle durch andere Pn verursacht und/oder auf andere Pn gerichtet sind, spricht man von E. Ärger z.B. kann nicht-sozial (z.B. durch eigene Ungeschicklichkeit) ausgelöst sein, richtet sich aber möglicherweise gegen andere Pn. Umgekehrt kann Ärger durch das Verhalten des Partners verursacht sein und sich in Aggression gegen Objekte (oder andere Pn) äußern. Typische E. sind: Sympathie vs. Antipathie, Liebe vs. Hass, Schamgefühl (im Gegensatz zu Schuldgefühl, das internal erlebt wird). Zur Kanalisierung von E. dienen in sp Theorien meist stereotype Muster, die mit den E. klassisch konditioniert sind (-• Konditionierung, klassische). Emotionskontrolle -* Geföhlskontrolle -*Intelligenz, emotionale -* Darstellungsregeln
Emotionstheorien
Emotionstheorien Für die SP sind vor allem drei E. relevant: (l)Die kognitive Theorie der Gefühle von SCHACHTER (auch: SCHACHTERSLNGER-Theorie): Ausgehend von der Feststellung, dass wir gewöhnlich sehr viele Gefühle unterscheiden können, während die Aktivierungsvorgänge bei verschiedenen Gefühlen recht ähnlich sind (z.B. Herzklopfen) sieht SCHACHTER in seiner Theorie zwei Komponenten der Emotion: die physiologische Aktivierung (Erregung) sowie die Erklärung, die man sich selbst für diese Erregung gibt. Das Individuum ordnet also seinen physiologischen Erregungszustand bestimmten plausiblen Ursachen zu. Die von P festgestellte Emotionsart unterliegt demnach der Steuerungsfunktion von Kognitionen, die situativen Hinweisreizen entstammen. Die Feststellung einer Erregung führt P also zunächst dazu, sich selbst eine Emotion zuzuschreiben. Daraufhin untersucht P den situativen Kontext und entscheidet sich aufgrund von situativen Hinweisreizen, welche Emotion der Situation angemessen ist. Schließlich empfindet P tatsächlich diese Emotion (wobei das sprachliche Differenzierungsvermögen diesen Vorgang ko-determiniert). Diese Theorie wurde in einem klassischen Experiment (-> Exp. 11) von SCHACHTER & SINGER geprüft. Das Modell wurde jedoch nur teilweise bestätigt, so dass die Theorie bis heute umstritten ist. Insbesondere weisen ZILLMANN sowie SCHERER darauf hin, dass die Theorie nicht
Emotionstheorien
den Normalfall betrifft, sondern lediglich Situationen, bei denen die Wahrnehmung erhöhter sympathischer Erregung und die interpretativen, kognitiven Prozesse nicht im Wechselspiel auftreten, sondern dissoziiert sind. Nur Situationen, die eine ziellose Erregung implizieren, bewirken eine Suche nach erklärenden Kognitionen im Sinne von SCHACHTER. Immerhin bleibt jedoch der Nachweis, dass Kognitionen bzw. Attributionen bei diffuser Aktivierung die Gefühlsqualität zu einem wesentlichen Teil mitbestimmen. (2) Theorie antezedenter Bewertung: Das Konzept geht davon aus, dass sich die subjektive Bedeutung eines emotionsauslösenden Ereignisses aus einem ständigen Prozess der Bewertung und Einschätzung dieses Ereignisses ergibt. In diesem kontinuierlichen Bewertungsprozess kommt es zu korrigierenden Eindrücken, die die resultierenden Emotionen ständig modifizieren. LAZARUS unterscheidet insofern zwischen primärer und sekundärer Bewertung einer Emotion. Die primäre Bewertung befindet darüber, ob ein Ereignis als angenehm oder unangenehm empfunden wird bzw. einer bestimmten Zielerreichung forderlich oder hinderlich ist. Die sekundäre Bewertung gründet in der Feststellung, ob und inwieweit P mit ihren Fähigkeiten oder Ressourcen das Ereignis kontrollieren kann. Das hier skizzierte Modell ist insbesondere bei der Erforschung von Stress (-»Stresskontrolle) im Rahmen der SP sowie der -*Arbeitspsychologie verwendet worden.
131
Emotionstheorien (3)Gefiihlstheorie von WEINER: Die-
ser entwickelt (zunächst im Zusammenhang mit Leistungsverhalten) eine allgemeine Verhaltenstheorie, in der Gefühle eine zentrale Rolle spielen. Die Grundstruktur der Theorie ist wie folgt: Ein Ergebnis (z.B. Erfolg/Misserfolg) setzt Attributionsprozesse in Gang. Die Position möglicher Ursachen auf verschiedenen Attributionsdimensionen bestimmt weitgehend, welche Gefühle erlebt werden und welche Erwartungen bezüglich ähnlicher künftiger Situationen entstehen. Gefühle und Erwartungen determinieren sodann, welches Verhalten auftritt und welche Merkmale dieses Verhalten hat. Ist ein Ereignis stark positiv (stark negativ), werden Individuen froh und glücklich (frustriert und unzufrieden) sein, unabhängig davon, auf welche Ursachen sie das Ereignis zurückführen (ergebnisabhängige Gefühle). Die Mehrzahl der differenzierten Gefühle sind jedoch attributionsbezogen (attributionsabhängige Gefühle). Diesbezügliche Attributionen entstehen insbesondere bei negativen, unerwarteten und bedeutsamen Ereignissen. Die Dimension internal/ extemal beeinflusst selbstwertbezogene Gefühle, wie etwa Stolz und Selbstwertgefühl. Die Attributionsdimension stabil/variabel beeinflusst vor allem die Erwartungen. Die Dimension der Kontrollierbarkeit (-» Verantwortlichkeit) kann Ärger auslösen (hier wäre das Ereignis durch P kontrollierbar gewesen) oder aber Mitleid (P hatte keinerlei Einfluss auf das Geschehen).
132
Empathie
Empathie Einfühlung (Einfühlungsvermögen) in andere Pn. Man unterscheidet zwischen kognitiver E. (sich in die Gedankenwelt des Anderen zu versetzen) sowie emotiver E. (sich in die Gefühlswelt des Anderen zu versetzen). Der E.-Begriff betont insbesondere den gefühlsmäßigen Aspekt des MitLeidens sowie des Mit-Empfindens, gewissermaßen als Ergebnis einer zunächst kognitiven Anteilnahme. Ähnliche Begriffe sind: -* Perspektivenübernahme (z.B. die Situation aus der Rolle des Opfers bzw. des Täters sehen zu können) oder Rollenübernahme (taking the role of another), d.h. sich in die Rolle des Anderen (z.B. in dessen berufliche Rollensituation) versetzen zu können. Perspektivenübernahme gilt häufig als Vorstufe zur E. (BATSON), dürfte jedoch eher die kognitive Komponente der E. betreffen. In der Literatur werden geschlechtsspezifische Unterschiede im Hinblick auf empathische Möglichkeiten und Fähigkeiten berichtet. Meist werden weiblichen Vpn hier größere Fähigkeiten vor allem hinsichtlich der emotionalen E. attestiert. EISENBERG et al. betonen, dass die gefundenen Differenzen in starkem Maße methodenabhängig sind. Geschlechtsspezifische Unterschiede waren dann am größten, wenn die -* demand characteristics am ausgeprägtesten waren. Die Fähigkeit zur E. variiert auch mit dem Lebensalter; insofern ist E. auch Gegenstand der Entwicklungspsychologie (so ist z.B. ein Fünfjähriger noch nicht in der Lage, sich in die Situation eines
Empathie Blinden zu versetzen, um ihm angemessen zu helfen). In der SP ist E. als Variable in folgenden Zusammenhängen relevant: (a) Stellvertretende Konditionierung (-»Modell-Lernen): beobachtbare Gefühle Anderer (Gesichtsausdruck, Gestik, Stimme, Haltung) werden teilweise mitvollzogen; (b) -* Attributionsfehler: Unterschiede zwischen Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmimg werden eingeebnet oder gar umgekehrt, wenn sich der Handelnde aus der Perspektive des Beobachters sieht (und vice versa); (c) -* Hilfeverhalten: Kann durch E. gefördert werden, wobei sich der Beobachter zunächst in seiner Vorstellung in die hilfsbedürftige P versetzen muss (kognitive Komponente); dadurch entsteht die emotionale Anteilnahme (emotive Komponente); dadurch schließlich wird die Motivation zur Hilfeleistung erhöht (-»prosoziales Verhalten); (d) -* Aggression: Die E. in die Situation des Opfers aufgrund des Nachvollzugs beobachtbarer Gefühle (vor allem Schmerz) kann Aggression abbauen (so würden z.B. einfühlsame Pn den MILGRAM-Versuch (->Exp. 26) eher abbrechen.) Die empirischen Belege sind jedoch inkonsistent; (e) soziale -* Kompetenz: E. gilt als eine der zentralen Komponenten sozialer Kompetenz (-• Impression management). Hier dürften beide Varianten relevant sein: kognitive E., um zu wissen, was der Andere gerade denkt; emotive E., um die Gefühle des Anderen
Endowment-Effekt zu kennen und möglicherweise steuern zu können (-> Intelligenz, emotionale). E. gilt hier als Instrument sozialer Beeinflussimg (z.B. in -> Verhandlungen, bei Vorstellungsgesprächen, bei Verkaufsgesprächen). Empathie-Altruismus-Hypothese —• Empathie -* Hilfeverhalten Empowerment Strategie, die im Rahmen von Organisationen dazu dient, Personal auf ansonsten unteren Hierarchie-Ebenen verstärkt mit Anordnungsbefugnissen und Kompetenzen auszustatten. Dies führt zu einer Dezentralisierung von sozialer -* Macht in Organisationen. E. wird vielfach für das Personal im Kundenkontakt (also bei Dienstleistungen) reklamiert. E. hat demnach eine doppelte Zielsetzung: Macht- und Anordnungsbefugnisse sowie Eigenverantwortung im internen System der Organisation nach unten zu verteilen und im externen System (gegenüber Klienten oder Kunden) mit stärkerer Positionsmacht aufzutreten. BOWEN & LAWLER sehen hierbei einen Zugewinn der Beteiligten an Macht, Information, Wissen und Anreiz (-* Motivation, intrinsische). CONGER & K A NUNGO betonen den Aspekt gesteigerter Selbstwirksamkeit durch E. End-Effekt - • Recency-Effekt Endowment-Effekt Eine der -* Anomalien bei sog. rationalen Entscheidungen. Der Status-quo gilt als besonderer Referenzpunkt für -* Entscheidungen (THALER 1 9 8 0 ) . Bsp.: P besitzt eine Flasche Wein, die mittlerweile 100 € wert ist, die er aber 133
Enge
Entfremdung
keinesfalls verkaufen will. Andererseits würde P nie und nimmer für 100 € eine solche Flasche Wein kaufen. Enge
Crowding
Enkulturation Prozess, durch den der Mensch von Geburt an die -* Werte, soziale —• Normen und Sprache einer bestimmten Kultur erlernt und somit ein Mitglied dieser Kultur wird. Die E. ist Teil der -* Sozialisation; ihre Inhalte werden häufig verinnerlicht (-*Internalisierung). Sie treten dann als kulturelle Selbstverständlichkeiten in Erscheinung. Entdeckungszusammenhang Nach REICHENBACH eine dem Begründungszusammenhang vorgelagerte Phase, in der es um die Entstehung eines Forschungsprojektes geht (Motivation zur Forschung, Auswahl der relevanten Fragestellung, Auswahl der Methoden und Theorien). In dieser Phase sind - bis hin zur Hypothesenformulierung Werturteile möglich und auch notwendig. Entfremdung Der E.-Begriff hat seine Wurzeln in der Philosophie HEGELS und wird später von MARX v.a. auf den Arbeitspro-
zess bezogen. Wie ISRAEL ausfuhrt, taucht bei MARX der E.-Begriff in mindestens vier Bedeutungsvarianten auf: als E. vom Arbeitsprozess, als E. vom Arbeitsprodukt, als E. von sich selbst und als E. vom Mitmenschen. Während Soziologen von einem objektiven E.-Begriff ausgehen, entwikkeln SEEMAN, BLAUNER, ALLARD und ISRAEL ein eher sp Verständnis von E . 134
SEEMAN versucht, fünf verschiedene Dimensionen subjektiver Erfahrung von E. zu unterscheiden, nämlich:
(a) Das Gefühl der Machtlosigkeit, d.h. die Erfahrung, dass das Ergebnis des Verhaltens von P nicht von ihr selbst bestimmt wird. Die Betonung liegt dabei auf der Beschränkung des Einzelnen, politische oder ökonomische Entwicklungen zu kontrollieren und den Arbeitsprozess durch eigenes Zutun beeinflussen zu können (-• Kontrollüberzeugung); (b) Das Gefühl der Sinnlosigkeit, d.h. dass das Individuum die Konsequenzen seines Handelns nicht mehr verfolgen kann und dass es den Sinnzusammenhang seiner Arbeitstätigkeit im Rahmen des Ganzen nicht mehr versteht (—> Arbeitsbereicherung)', (c) Das Gefühl der Normlosigkeit, d.h. dass Arbeitende von verpflichtenden Normen (z.B. Arbeitsmoral, Disziplin) immer mehr abrücken (-» Anomie); (d) Das Gefühl der Isolierung, d.h. das Erleben der Desintegration aus sozialen Bezügen, wobei sich Individuen oder Gruppen von zahlreichen Werten oder Zielen distanzieren und daher einen Mangel an Integration in verbindliche Wertordnungen aufweisen; (e) Das Gefühl der Selbst-E., d.h. dass Individuen sich im Arbeitsprozess nicht mehr engagieren, sondern eine äußerlich aufoktroyierte Rolle spielen, die gegenüber dem Selbst als äußerlich und fremd empfunden wird. Die grundsätzlichen Schwierigkeiten des Konzepts sind mit dieser Facetten-
Entrapment
Analyse jedoch nicht beseitigt, zumal sie an einem romantischen Ideal von Arbeit und gewissen sozialkritischen Annahmen fixiert bleiben. Daran ändert auch der Versuch von SROLE nichts, das Ausmaß der E. durch die Entwicklung einer Entfremdungsskala (-» Anomie) messtechnisch zu bewältigen.
Entrapment Bezeichnet das Beharren von Menschen im Gruppenzusammenhang (-> Gruppendenken) auf einer falschen Entscheidung, während sie langsam aber stetig Verluste erleiden (-» escalation of commitment).
Entscheidungen (1) Begriff: E. sind eine Teilklasse des Verhaltens bzw. des Handelns. Der Begriff E. setzt zumindest eine minimale kognitive Beteiligung voraus; habituelle und quasi-automatische Verhaltensweisen sowie bloße Reaktionen sind keine echten E. Der Begriff setzt ferner die Existenz von mindestens zwei Handlungsalternativen voraus. Die deutsche Tradition der (deskriptiven) Entscheidungstheorie
(z.B. THOMAE oder FEGER)
ist untrennbar mit der Konfliktproblematik verbunden (-> Entscheidungskonflikt). In der angelsächsischen Literatur wird der Begriff jedoch weiter gefasst und impliziert nicht nur lebenswichtige E. (i.S. von Weichenstellungen, z.B. Berufs-E.), sondern auch Alltagshandlungen (z.B. Kauf-E.). Stets geht es jedoch darum, dass durch die Wahl einer Alternative auf die möglichen Vorteile einer anderen Alternative verzichtet werden muss.
Entscheidungen
(2) Unterscheidungen: Üblicherweise werden aufwändige (elaborierte) E. von vereinfachten (limitierten) E. unterschieden. Die ersteren verlaufen mit erheblicher kognitiver Beteiligung (z.B. kalkulativer Aufwand, Bilanzierung der Erträge und Aufwendungen), die letzteren verwenden vereinfachte Regeln (-»Entscheidungsregeln) oder Heuristiken, durchlaufen also keinen zentralen, sondern allenfalls einen peripheren Weg der Informationsverarbeitung (-> ELM). Des weiteren können E. domain-spezifisch erfolgen: BerufsE., Konsumenten-E., ManagementE., Heirats-E., finanzielle E. etc. In vielen dieser Bereiche sind eigenständige —• Entscheidungstheorien und -konzepte entstanden, die jeweils unterschiedlichen Randbedingungen Rechnung tragen. Ein klassisches Unterscheidungsschema ist das folgende: (a) E. unter Sicherheit: Hierbei sind die Alternativen bekannt und ihr Auftreten unterliegt keiner Ungewissheit. Probleme entstehen hierbei lediglich durch den Umstand, dass einige der Alternativen auf mehr als einer Dimension variieren {-* Multi-AttributModelle), so dass besondere Verrechnungs-E. getroffen werden müssen; (b) E. unter Risiko: Hierbei sind die Alternativen bekannt, ihr Auftreten ist jedoch mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten verbunden. Dies ist das Paradigma der meisten -* Entscheidungstheorien, insbesondere der —• WertErwartungs-Theorien;
135
Entscheidungen
Entscheidungen
(c) E. unter Unsicherheit: Der Akteur kann den einzelnen Alternativen keine bestimmte Auftretenswahrscheinlichkeit zuordnen. Der Handelnde benötigt hierbei Entscheidungsregeln oder E.-Prinzipien, mit deren Hilfe man E. unter Unsicherheit auf E. unter Risiko zurückfuhren kann.
(c) Die Nachentscheidungsphase, in der es um die Bewältigung der durch die Handlung eingeleiteten Umstrukturierungsprozesse geht (-*Exp. 16). Insbesondere werden Mechanismen der Reduktion von E.-Dissonanz (-• Dissonanz, kognitive Dissonanztheorie) bemüht, um E. zu begründen und zu rechtfertigen.
(3)E. im sozialen Kontext: E. sind vielfach durch den sozialen Kontext (z.B. soziale Normen oder Gruppeneinbindung) mitdeterminiert; auch sind die Auswirkungen von E. häufig sozialer Natur (z.B. Kündigungsentscheidungen, Entscheidungen, die einen sozialen Konflikt implizieren). E. unter Bedingungen der Kooperation und des Wettbewerbs sind Gegenstand der Theorie experimenteller -»Spiele. Ein weiteres Feld sind —• Gruppenentscheidungen (z.B. Familien-E., Haushalts-E., E.-Prozesse innerhalb betrieblicher Arbeitsgruppen), bei denen komplexe E.Muster auftreten können (-• Gruppenproduktivität) .
(5)E. und Rationalität: Bei aufwendigen (elaborierten) E. wird eine gewisse Rationalität des Handelns unterstellt. Eine Fülle von empirischen Befunden zu Heuristiken und -* Anomalien zeigt jedoch, dass auch elaborierte und professionelle E.-Prozesse (selbst unter Vorwarnung) systematischen Beurteilungsfehlern (-* Täuschungen, kognitive) unterliegen. Bereits SIMON konzipierte ein Satisßcing-Prinzip, das eine genügsame Form der Rationalität (z.B. zufriedenstellenden Gewinn, ausreichende Ergebnisse, vergleichsweise gute Qualität) unterstellt und insofern eine recht begrenzte Rationalität (bounded rationality) als empirisch brauchbare Verhaltensmaxime postuliert. Andere Psychologen/Soziologen/Ökonomen sind hier noch pessimistischer. Sie unterstellen dem Handelnden vorwiegend post-dezisionale Rationalität (WEICK), d.h. Individuen investieren mehr kognitive Anstrengung in Begründungen und Rechtfertigungen in der Nachentscheidungsphase als in der überwiegend informationsverarbeitenden Vorentscheidungsphase. Insbesondere im Rahmen der Organisationsforschung (MARCH, MEYER & ROWAN, WEICK) wurde diese Sicht dem dort vorherrschenden Pa-
(4)E.-Phasen: Die zeitliche Dimension des E.-Prozesses wird häufig durch sog. Phasen-Modelle charakterisiert. Insbesondere werden unterschieden: (a) Die Vorentscheidungsphase (Erarbeitung und Bewertung von Alternativen, -* Informationssuche, Informationsverarbeitung, Verwendung von -* Heuristiken); (b) Die eigentliche E.-Phase, in der die bisherigen motivationalen und informationsverarbeitenden Komponenten in Handlung umgesetzt werden {-* Rubikon-Modell -> Volition); 136
Entscheidungsbaum
radigma des „rational man" gegenübergestellt. LIT.:
Entscheidungstheorie
Entscheidungsbaum -*• Entscheidungsregeln Entscheidungsfreiheit E. bedeutet das Gefühl subjektiver Freiheit, eine Entscheidung so oder auch anders treffen zu können (Wahlfreiheit). STEINER unterscheidet zwischen E. und Ergebnisfreiheit. Ergebnisfreiheit bezieht sich auf die verfügbaren Objekte (-» Vergleichsniveau für Alternativen) und die Gewissheit, die Objekte auch erreichen zu können. E. bezieht sich darauf, zwischen verschiedenen Ergebnissen oder Verhaltensweisen wählen zu können. Selbst bei Vorhandensein einer einzigen möglichen Verhaltensweise besteht immerhin noch die Wahl zwischen Ausfuhren und Unterlassen. E. wird vielfach auch als Freiwilligkeit interpretiert. In dieser Sinngebung ist sie Bestandteil zahlreicher Theorien (z.B.: der Dissonanztheorie, des -* Commitment, der Interaktionstheorie im Sinne von freiwilliger Aufnahme der Interaktion). Freiheitseinschränkungen sind das Thema mehrerer Theorien des -* Kontrollverlusts (z.B. der Reaktanztheorie, der Theorie der gelernten -* Hilflosigkeit). Entscheidungskonflikt Jede Entscheidung impliziert im Kern einen kognitiven -* Konflikt, da zwischen verschiedenen Alternativen entschieden werden muss und die nicht gewählte Alternative nach wie vor Anreizwert hat (Opportunitätskosten).
Entscheidungskonflikt
Je größer die Zahl der Alternativen ist, desto intensiver wird der Konflikt erlebt. Nach BERLYNE sind ferner die absoluten Werte der Alternativen sowie die relativen Werte der Alternativen zueinander für die Konfliktstärke verantwortlich. Ein Konflikt zwischen zwei gleichstarken Alternativen kann (wie im Gleichnis von Buridans Esel) zu einer Verhaltensblockade fuhren. Häufig genügt dann ein marginaler Anstoß in Form eines Auxiliar-Motivs, um den Konflikt zumindest für die Entscheidungsphase zu lösen. Nach LEWIN werden drei Konfliktarten unterschieden: (a) Appetenz-Appetenz-Konflikt (Entscheidung zwischen zwei positiv bewerteten Alternativen); (b) Aversions-Aversions-Konflikt (Entscheidung zwischen zwei Übeln); (c) —• Appetenz-Aversions-Konflikt (Entscheidung für oder gegen ein Objekt, das zugleich Annäherungs- wie auch VermeidungsTendenzen auslöst: z.B. hochbezahlter Beruf, der viel Arbeit bedeutet; sehr attraktive Frau, die aber möglicherweise zu anspruchsvoll ist.) Der letztgenannte E. ist Gegenstand lerntheoretischer Forschung gewesen. Postuliert wird von MILLER, dass der Appetenzgradient mit zunehmender Zielerreichung flach ansteigt und vom Aversionsgradienten überlagert wird, der zeitlich später, jedoch steiler generalisiert. Allerdings dürfte die Annahme, dass die Aversion bei Zielerreichung die Appetenz überwiegt, von bestimmten Bedingungen abhängen, so dass - wie HERKNER gezeigt hat 137
Entscheidungsheuristiken
alle möglichen Konfliktverläufe vorkommen können. Wichtig ist, dass Konflikte nicht nur in der Vorentscheidungsphase sowie in der eigentlichen Entscheidungsphase auftreten können (-• Entscheidungen), sondern auch in der Nachentscheidungsphase von Bedeutung sind. Wie dissonanztheoretische Überlegungen zeigen (-> Dissonanz -* Dissonanztheorie) treten in dieser Phase Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung auf, die durch kognitive -* Rationalisierungen und Umbewertung von Alternativen abgebaut werden können. Entscheidungsheuristiken Entscheidungsregeln Heuristiken Entscheidungskontrolle P verfugt über Wahlmöglichkeiten und kann einen bestimmten Lösungsvorschlag durchsetzen. E. steht im Gegensatz zur Prozesskontrolle; diese besteht in der Möglichkeit, die entscheidungsrelevanten Daten auszuwählen, also die Fakten zu bestimmen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Entscheidungsregeln -*• Entscheidungsschema, soziales E. oder Entscheidimgsheuristiken werden von Individuen benutzt, um Entscheidungskomplexität zu reduzieren. Eine wesentliche Unterscheidung ist die zwischen kompensatorischen und nicht-kompensatorischen Regeln. Bei den erstgenannten können die Unterschiede zwischen den Alternativen auf den jeweiligen Attributen ausgeglichen werden; Stärken und Schwächen können gewissermaßen aufgerechnet werden. Bei nicht-kompensatorischen E. ist eine solche Kompensationsmög138
Entscheidlingsregeln
lichkeit nicht vorgesehen (z.B. bestehen hinsichtlich einzelner Attribute gewisse Mindestanforderungen). Einige der meistgenannten E.-Heuristiken sind: (a) Die konjunktive Regel: Eine Alternative scheidet aus, wenn sie nicht auf einem oder mehreren Attributen ein Mindestkriterium erfüllt. Diese Regel stellt eine Art Vorselektion dar (Bsp.: Bei Voraussetzung der Promotion scheidet jeder Bewerber aus, der nicht promoviert ist); (b) Die disjunktive Regel: Sie erfordert gleichfalls eine Reihe von Kriterien. Die gewählte Alternative muss mindestens ein für dieses Attribut spezifisches Kriterium überschreiten. Hier müssen demnach nicht alle Kriterien erfüllt sein (Bsp.: Bewerber kann eingestellt werden, der nur eines von möglichen Kriterien erfüllt, allerdings unter der Voraussetzung, dass kein anderer Bewerber die Anforderungen besser erfüllt); (c) Die lexikografische Regel: Hier werden die Alternativen hinsichtlich des als am wichtigsten angesehenen Attributs miteinander verglichen und diejenige gewählt, die auf diesem dominanten Merkmal am besten abschneidet (Bsp.: von einem Bewerber wird ein abgeschlossenes Chemie-Studium erwartet). Sind zwei Bewerber im Hinblick auf dieses Kriterium gleich qualifiziert, wird das Verfahren auf das nächstwichtige Attribut ausgedehnt usw.; (d) Die aspektweise Eliminierung (elimination by aspects): Diese Heuristik stellt nach TVERSKY eine
Entscheidungsregeln
Kombination zwischen lexikografischer und konjunktiver Regel dar. Eine Alternative nach der anderen wird mit dem wichtigsten Kriterium verglichen und scheidet bei Nichterfüllung aus. Diese Prozedur wird für alle verbleibenden Attribute wiederholt. Diese und eine Reihe weiterer E. werden ergänzt durch domain-spezifische Entscheidungshilfe-Systeme, die häufig Baumstruktur aufweisen (Entscheidungsbaum-Verfahren). Eine sp Anwendung dieses Verfahrens erfolgt z.B. im Rahmen der Führungsfors c h u n g : VROOM & YETTON f o r m u l i e -
ren in hierarchischer Anordnung eine Reihe von Fragen (z.B. Wird eine gemeinsame Entscheidung das Ergebnis verbessern? Ist das Problem strukturiert? Ist es von Bedeutung, dass die Gruppe die Lösimg akzeptiert?), die bestimmte -* Führungsstile (z.B. Partizipation, Delegation) favorisieren oder eliminieren. Der (wissenschaftslogische) Stellenwert der jeweils angesprochenen Heuristiken ist nicht eindeutig. In vielen Fällen geht es um normative Regeln: wie man eine komplexe Entscheidung zweckmäßig vereinfachen kann, um sie unter Wahrung eines systematischen Gesichtspunktes zu lösen. HUBER hat versucht zu ermitteln, unter welchen Randbedingungen (Problemlösesituation) welche E. verwendet werden. Lediglich unter diesem Aspekt hätte dieses Paradigma deskriptiv-theoretischen Stellenwert. Lit. - • Entscheidungstheorie
Entscheidungstheorie
Entscheidungsschema, soziales Bei Problemen mit nicht-evidenten Lösungen (eine Jury entscheidet über Schuld bzw. Unschuld eines Angeklagten; eine Gruppe soll ein ästhetisches Urteil über das Design eines Produktes fallen) ist es notwendig, dass sich die Gruppe mit Hilfe einer Entscheidungsregel auf eine bestimmte Lösung einigt. Solche E. bestehen nach DAVIS etwa in: (a) Einmütigkeit (Konsensprinzip): man drängt zu konformen Lösungen; (b) Majorität siegt: die Mehrheitsmeinung wird bestätigt; (c) Wahrheit gewinnt: Suche nach Korrektheit der Entscheidung; (d) Zwei-Drittel-Majorität: darunter besteht keine Entscheidungsfahigkeit; (e) Sieg der erstgenannten Idee: diese dominiert die Lösung.
Entscheidungstheorie E. ist im weitesten Sinn jede Handlungstheorie, die bewusste Abwägungsprozesse thematisiert. Im engeren Sinn werden unter E. jene Ansätze verstanden, die das Ziel der Entscheidung in einer Art Nutzenmaximierung sehen. Zu unterscheiden ist die normativ-präskriptive E. (sie thematisiert, wie unter rationalen Gesichtspunkten entschieden werden sollte [-> Rationalität]) von der deskriptiv-explanativen E. (sie analysiert das faktische Entscheidungsverhalten unter bestimmten Randbedingungen). (l)Normativ-präskriptive E.: Diese hat sich aus der Tradition der Wirtschaftstheorie heraus entwickelt. Die zentrale Metapher ist hier der ho139
Entscheidungstheorie
Entscheidungstheorie
mo oeconomicus, der durch folgende Merkmale charakterisiert ist: (a) Nutzenmaximierung als Zielsystem; (b) Das Rationalprinzip als Verhaltensmaxime; (c) Völlige Transparenz (z.B. Markt-Transparenz, AttributTransparenz); (d) Unendlich hohe Anpassungsgeschwindigkeit. Es dürfte einleuchten, dass ein solch formales Modell der Entscheidung kein Abbild der Wirklichkeit darstellt, so dass es auch empirisch nicht getestet werden kann. Es handelt sich vielmehr um analytische Aussagen, d.h. um Sätze der Entscheidungslogik, die lediglich den Regeln der Logik, nicht dagegen der Psycho-Logik entsprechen. Ein erster Schritt der Annäherung normativer E. und deskriptiver E. vollzieht sich mit dem SEU-Konzept (subjectively expected utility), das Entscheidungen bzw. Wahlen in Wahrscheinlichkeiten (beliefs, probabilities) und Präferenzen (values, utilities) dekomponiert. Die zentrale Aussage der Theorie lautet insofern: P wird sich für diejenige Alternative entscheiden, die den Maximalwert des subjektiv erwarteten Nutzens stiftet. Hierbei wurde dann auch die Gleichsetzung objektiver Werte mit den entsprechenden subjektiven Repräsentationen aufgegeben; gleichermaßen wurden die subjektiven Wahrscheinlichkeiten von objektiven (z.B. statistischen) Wahrscheinlichkeiten abgelöst. Allerdings wurde insbesondere seitens der ökonomischen Theorie betont, dass subjektive Wahrscheinlichkeiten sich realisti140
scherweise doch an objektiven Erwartungswerten orientieren müssen. Auch wurde unterstellt (-* BAYES' Theorem), dass sich gegebene Erwartungswerte aufgrund veränderter Datenlage kaleidoskopartig ändern müssten. (2) Deskriptive E.: Die Empfehlung von
EDWARDS, die normative
E.
auch für die Psychologie zu nutzen, legte den Grundstein für die Tradition der -* Wert-Erwartungs-Theorien (BONEAU, ROTTER, LEE, VROOM u.v.a.) Hier entstehen zahlreiche Messprobleme. Schon EDWARDS unterscheidet zwei Klassen von SEUModellen: ASEU (A für additive), wobei es genügt, den Nutzen auf einer Intervall-Skala zu messen, während die Wahrscheinlichkeiten auf einer Verhältnis-Skala gemessen werden müssen; sowie NASEU (nicht-additiv), wobei beide Größen auf einer Verhältnis-Skala gemessen werden. EDWARDS plädiert fiir die Entwicklung von NASEU-Modellen aufgrund empirischer Hinweise auf die Nicht-Additivität. Hinsichtlich der Verknüpfung von Werten und Erwartungen bestehen unterschiedliche Auffassungen. ROTTER lässt die Verknüpfung offen bzw. macht sie von verschiedenen Randbedingungen abhängig. VROOM plädiert für
eine multiplikative Verknüpfung (Wert mal Erwartungs-Theorien), die jedoch voraussetzt, dass Werte und Erwartungen als voneinander unabhängige Dimensionen erhoben werden können. Außerdem sollte zwischen verschiedenen Formen von antizipativen -* Erwartungen unterschieden werden, z.B. zwischen Effizienz-Erwartungen und
Entscheidungstheorie
Entwicklung, moralische
-*Konsequenz-Erwartungen. Trotz gewisser Schwierigkeiten hat sich das Wert-Erwartungs-Konzept als Theoriekern und Paradigma vieler Forschungsbereiche (z.B. der kognitiven Lerntheorien, der Motivationsforschung, zum Teil auch der Einstellungsforschung) behauptet.
nis komplexer Kalkulation sein, sondern in der Nutzung bewährter Heuristiken bestehen Entscheidungsregeln). Vielfach besteht auch die Notwendigkeit zu „hot decisions" (JANIS & MANN), insbesondere unter normativem Druck oder unter Zeitnot.
Zahlreiche empirische Befunde zur —• Anomalien-Vorsehung, zu kognitiven —• Täuschungen und -* Heuristiken haben inzwischen erhebliche Bedenken aufsummiert, welche die zentralen Annahmen der E. fragwürdig erscheinen lassen. Einige dieser Anomalien sind in der -*Prospect theory erfasst, andere sind lerntheoretisch begründet (->myopischer Effekt). Subjektive Nutzenwerte sowie subjektive Wahrscheinlichkeiten sind nicht lediglich Verzerrungen oder etwas eingetrübte Spiegelbilder objektiver Gegebenheiten, sondern resultieren aus kognitiven Verarbeitungsprozessen, die vielfach systematische Urteilsverzerrungen darstellen. Dies betrifft auch professionelle Entscheidimgsprozesse sowie Entscheidungen unter Vorwarnung (nicht in kognitive Fallen zu geraten, über die vorher informiert wurde). Es betrifft auch elaborierte Entscheidungsprozesse (z.B. über die zentrale Route ELM), was nicht bedeutet, dass über diese Route Informationsverarbeitungsprozesse rationaler verlaufen. Ganz abgesehen davon scheint der Mensch in seinen Entscheidungen weitaus genügsamer zu sein (-»satisficing) und eher einem Modell der bounded rationality (SIMON) zu entsprechen. Die Mehrzahl unserer Entscheidungen im Alltag dürfte auch kaum das Ergeb-
Aus dem Gesagten könnten zwei Folgerungen gezogen werden: Erstens ließe sich die SEU-Theorie aufgrund der zahlreichen empirischen Belege als falsifiziert betrachten und ad acta legen. Zweitens könnte man SEU als Theoriekern beibehalten und hätte diesen unter jeweils unterschiedlichen Randbedingungen zu modifizieren. Wert-Erwartungs-Theorien wären dann eine erste verhaltenstheoretische Annäherung, gewissermaßen ein theoretischer Stammbaum, der weiterer Differenzierung bedarf. L i t . : EDWARDS, W . ( 1 9 5 4 ) . T h e t h e o r y
of
decision making. Psychological Bulletin, 51, 3 8 0 - 4 1 7 . HUBER, O . ( 1 9 8 2 ) . E n t s c h e i d e n a l s
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Rationale
Ent-
scheidungen. Bern. KIRSCH, W. ( 2 1977).
Einfuhrung in die Theorie der Entscheidungsprozesse. Wiesbaden. LEE, W. (1977). Psychologische Entscheidungstheorie: Eine Einführung. Weinheim.
Enttäuschung Frustration Erwartungen (antizipative) Entwicklung, moralische Nach PIAGET entwickelt sich die kognitive Kontrolle über eine anfangs heteronome Moral (moralischer Realismus) mit fehlendem Sinn für Absich141
Entwicklungspsychologie
Episode, soziale
ten, Gerechtigkeit, Sinn einer Strafe hin zu einer autonomen Moral: Einsicht in die Strafe, Unterscheidung von Handlungsergebnis und Handlungsabsicht, Internalisierung von Normen und Standards, stärkere Anwendung von Reziprozitätsnormen. Entwicklungspsychologie Teilgebiet der Psychologie, in dem die menschliche Entwicklung altersspezifisch, meist in Form von Entwicklungsphasen, untersucht wird. Es gibt zahlreiche Berührungspunkte der E. mit der SP, vor allem auf dem Gebiet der —> Sozialisation, welche die soziale Entwicklung, d.h. das Hineinwachsen des Menschen in gesellschaftliche Zusammenhänge, zum Gegenstand hat. Hauptthemenbereiche der E. sind u.a. die folgenden: (a) Frühkindliche Entwicklung, insbesondere die Eltem-Kind-Beziehungen; (b) Entwicklung von sozialen Beziehungen und Bindungen; (c) Sprachentwicklung und soziale Faktoren beim Spracherwerb; (d) Reifung: die Entwicklung kognitiver Stile und Muster; (e) Soziales Wissen: das Verständnis der sozialen Welt. Das sp Verständnis von E. betont vor allem auch den lebenslangen Prozess der Sozialisatioa Lit.: DURKIN, K. (2002). Entwicklungssozi-
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Ent-
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wörth. OERTER, R. & MONTADA, L. (Hg.)
(31995). chen.
Entwicklungspsychologie.
Mün-
EPA-Struktur Die Skalen des semantischen Differenzials zur -*Einstellungsmessung sind drei voneinander unabhängigen Dimensionen zugeordnet: Evaluation (das Einstellungsobjekt ist schön, gut, elegant, sauber usw.), Potency (das Objekt ist stark, groß, mächtig, kraftvoll) und Activity (das Objekt ist lebendig, schnell, flexibel, wach). Eine ähnliche Struktur wird i.R. der Messung von Emotionen unterstellt (-» Self-assessment-Manikin). Episode, soziale Eine (idealtypische) Abfolge von Interaktionen, die in einer gegebenen kulturellen Umwelt häufig wiederkehrt. FORGAS definiert E. als elementare Einheit sozialer Interaktion mit zeitlichen sowie physischen Grenzen und mit einem kulturell akzeptierten und geteilten Schema angemessenen Verhaltens. E. können somit als Bausteine des sozialen Lebens angesehen werden; sie sind dort institutionalisiert (z.B. die Mittagspause in der Kantine, die tägliche Betriebsbesprechung). Andererseits können E. auch idiosynkratisch sein, d.h. individuelle kognitive Repräsentationen widerspiegeln (z.B. spontanes Spielen mit den Kindern, das morgendliche Frühstücksritual). Der Ausdruck E. soll dabei den punktuellen Begriff der Situation (wie er etwa in der situationistischen Schule verwendet wird) überwinden helfen, der durch seine statische Ausrichtung eher dem Bild einer Momentaufnahme entspricht.
Equity-Theorie
Episode, soziale
Der Ausdruck E. konvergiert in hohem Maße mit dem Konzept des Skripts (dies als dynamischer Aspekt eines Schemas). FORGAS siedelt sein Konzept zum einen in der Interaktionsforschung an und betont, dass eine sehr begrenzte Zahl von episodalen Ereignissen unser Leben bestimmt. Zum anderen knüpft dieser Autor Verbindungslinien zum -* symbolischen Interaktionismus, in dem sehr ähnliche Konzepte entwickelt wurden. E. sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie (a) einen mehr oder weniger genau definierten Anfang und ein Ende haben, also in sich geschlossen sind; (b) einen Entwicklungsprozess beschreiben, der als Phasenfolge verstanden werden kann; (c) ihren Sinn erst durch die ganzheitliche Beachtung der einzelnen Folgeschritte erschließen; (d) als Teilaspekt einer Episode nur im Kontext des Gesamtablaufs verständlich sind; (e) sich in einem Kontext von Normen vollziehen und die Beteiligten häufig in soziale Rollen eingebunden sind. Es bestehen verschiedene E.-Typen (z.B. Verhandlungen, Fachseminare, Vorlesungen, Konzerte, Tagungen, Besprechungen), bei denen häufig unterschiedliche Anteile an Aufgabenorientierung oder an sozio-emotionaler Orientierung vorfindbar sind. Zu unterscheiden ist auch das Ausmaß der Ritualisierung und Festlegung solcher E. DEUTSCH hat insbesondere Konfliktepisoden (-» Konflikt, sozialer) untersucht. KATZ & KAHN sprechen im Rahmen der rollentheoretischen
Forschung von Rollenepisoden. SOLOMON bezieht das Konzept auf Dienstleistungs-Interaktionen und spricht von -> Dienstleistungs-E. (z.B. Friseurbesuch). Auch hier wird die Nähe zum Skript-Konzept sichtbar (z.B. Restaurant-Skript). Equity-Theorie (1) Stellenwert der Theorie: Die E. gehört zur Gruppe der GerechtigkeitsTheorien und behandelt einen verbreiteten Typ der Gerechtigkeit, der auf Beitragsproportionalität beruht. Equity ist insofern nur eine von mehreren möglichen Realisationen von Gerechtigkeit (LERNER 1974). Ausgangspunkt der E. ist die Feststellung von HOMANS (in dessen Austauschtheorie, 1958): Distributive Gerechtigkeit besteht dann zwischen P] und P2, wenn in ihrer sozialen Beziehung die jeweiligen vereint erreichten Ergebnisse (Gewinne/Verluste) von Pi und P2 proportional zu ihren jeweiligen Investitionen sind. Diese Regel der distributiven Gerechtigkeit ist sodann von ADAMS (1975) aufgegriffen und durch WALSTER et al. ( 1 9 7 8 ) weiterentwickelt worden. Vom Grundansatz her handelt es sich um eine spezifische Form der -*Austauschtheorie, gleichzeitig jedoch auch um eine Theorie des kognitiven Gleichgewichts. (2) ADAMS' Formulierung der E.: Gleichheit oder Gleichgewicht ist nach ADAMS gegeben, wenn outcome A _ outcome B input A
input B
Es kommt zu Ungleichgewichten (Inequity), wenn 143
Equity-Theorie
Eqiiity-Theorie
— > oder < — Ia
IB
Mathematisch stimmiger, jedoch immer noch nicht problemfrei, gilt nach WALSTER für die Equity-Beziehung: Oa-IA _ O b - I b Ia IB Inequity bewirkt einen Spannungszustand mit dem Ziel, Equity wieder herzustellen. Dies ist grundsätzlich durch die folgenden sechs Strategien möglich: (a) Aktive Änderung des eigenen Inputs (Einsatz, Investition); (b) aktive Veränderung des eigenen Outcomes (Ergebnis, Nutzen); (c) kognitiv verzerrte Wahrnehmung eigener Inputs/Outcomes (z.B. Unterschätzung oder Überschätzung); (d) kognitiv verzerrte Wahrnehmung fremder Inputs/Outcomes; (e) aktive Intervention beider Vergleichspersonen A und B; (f) Wechsel der Vergleichspersonen oder Abbruch der Beziehung zwischen A und B. Zusätzlich gelten zwei Tendenzen: Bei Defizit-Situationen (A sieht sich schlechter gestellt als B) hat eine verhaltensaktive Strategie Vorrang (z.B. A beschwert sich beim Betriebsrat). Bei Profizit-Situationen (A sieht sich vergleichsweise besser gestellt) dominiert eine kognitive Strategie (z.B. Aufwertung der eigenen Arbeit, Rechtfertigung fur besondere Privilegien). Bei verhaltensaktiven Strategien dominiert das Prinzip der Erfolgsmaximierung (die kostengünstigste Alternative wird gewählt), bei kognitiven Strategien wirkt ein
144
Prinzip der Selbstwert-Maximierung (Streben nach Selbstbestätigung). Die Theorie widerspricht in einem entscheidenden Punkt der ökonomischen Nutzentheorie, die in jedem Falle eine Nutzenmaximierung jedes Partners unterstellt. Eine Vielzahl experimenteller Situationen, in denen bspw. Beträge oder Gewinne aufgeteilt werden mussten, bestätigten, dass Individuen keineswegs schrankenlos ausbeuterisches Verhalten zeigen, sofern die Situation dies zugelassen hätte, sondern dass sie auch in gewisser Weise Fairness walten lassen (-» Ultimatumspiel). (3) WALSTERS Formulierung der E.: Während ADAMS' Theorie vorwiegend auf den Arbeitsbereich zielte typisch sind etwa Situationen der Überbezahlung und der Unterbezahlung - versucht WALSTER die E. generell im Hinblick auf soziale Beziehungen auszudehnen. Dabei betrachtet WALSTER Equity als eigenständiges Motiv. Diese Annahme ist strittig; es könnte sich auch um eine mehr oder weniger internalisierte Norm handeln (-> Internalisierung). Dafür spricht, dass Menschen sich vorzugsweise dann an Gerechtigkeitsnormen halten, wenn Zurechenbarkeit besteht (z.B. keine anonyme Situation) und wenn sie eine längere Interaktionszukunft (z.B. weitere Notwendigkeit der Kooperation) mit dem entsprechenden Partner erwarten. et al. (1978) formulieren die folgenden Hypothesen: WALSTER
(a) Jedes Individuum versucht, seine Ergebnisse zu maximieren (Er-
Equity-Theorie
Equity-Theorie
(b)
(c)
(d)
(e)
gebnisse = Erträge minus Kosten); Gruppen können die gemeinsame Belohnung maximieren, indem sie allgemein akzeptierte Systeme entwickeln, um Belohnungen und Kosten ausgewogen (equitabel) unter den Gruppenmitgliedern zu verteilen. Daher werden Gruppen solche EquitySysteme entwickeln und versuchen, ihre Mitglieder dazu anzuregen, diese Systeme anzuerkennen und einzuhalten; Gruppen werden im Allgemeinen diejenigen Mitglieder belohnen, die sich gegenüber anderen gerecht (im Sinne des jeweiligen Equity-Systems) verhalten und diejenigen Mitglieder bestrafen (d.h. die Kosten für sie erhöhen), die andere ungerecht behandeln; Wenn Personen der Meinung sind, dass sie einer unausgewogenen Beziehung angehören, so werden sie sich unbehaglich fühlen; Personen, die feststellen, dass sie sich in einer unausgewogenen Beziehung befinden, werden ihr Unbehagen im Ausmaß der Unausgewogenheit durch die Wiederherstellung eines Zustandes der Equity zu beseitigen versuchen.
Auch in dieser Version der Theorie streben Opfer (Benachteiligte) reale Verbesserungen durch verhaltensaktive Veränderungen an, während Täter (Privilegierte) psychische Restrukturierungen (kognitive Umwertungen) bevorzugen. (4) Empirische Evidenz für die E.: Im organisationspsychologischen Be-
reich ist die Theorie vor allem für Situationen der Unterbezahlung/ Überbezahlung getestet worden (vgl. PRITCHARD et al. 1972). Für die Überbezahlungs-Situation wird im Falle zeitbezogener Entlohnung ein Ansteigen der Produktivität, bei stückbezogener Bezahlung eine Verbesserung der Qualität vorausgesagt. PRITCHARD et al. argumentieren (theoriekonform), dass der gefundene Trend zu größerem Einsatz und besserer Qualität dadurch zustande gekommen sein könnte, dass Pn versuchen, ihr durch die Begünstigung angeschlagenes Selbstvertrauen wiederherzustellen. et al., die die Theorie generalisiert haben, bestätigen experimentell, dass Beziehungen, die equity-theoretisch als ausgewogen bezeichnet wurden, eine größere Dauer aufwiesen als die in irgendeiner Form unausgewogenen (-» Exp. 22). MILLS & CLARK haben jedoch auf zwei unterschiedliche Arten sozialer -* Beziehungen hingewiesen (vgl. auch CLARK et al. 1987): sog. Austauschbeziehungen (bei denen die Beteiligten nach Gewinn streben) und sozial motivierte Beziehungen (communal relations); bei letzteren sind die Partner hilfsbereiter, altruistischer. Diesen Punkt betonen bereits KELLEY & THIBAUT (1978), indem sie auf prosoziale (altruistische) Transformationsprozesse verweisen (-»prosoziales Verhalten -* Transformation, altruistische -* Interdependenztheorie). Einen ähnlichen Sachverhalt fixiert MURSTEIN mit dem Begriff der -* Austauschorientierung. Gemeint ist, dass soziale Beziehungen ein unterschiedliches Maß WALSTER
145
Equity-Theorie
an Austauschorientierung aufweisen; gering z.B. bei romantischen Liebesbeziehungen (-> Liebe -> Beziehungen, soziale), hoch dagegen bei geschäftlichen Beziehungen. Andererseits gibt es Situationen, in denen selbst der Equity-Gedanke in den Hintergrund gerät und einer eher schrankenlosen Machtausübung Platz macht (-* Macht, soziale). Hier wird das E.-Prinzip durch ein MachtPrinzip verdrängt, in dem eine ausbeutende Strategie verfolgt wird. Ein solches Verhaltensmuster wird auch durch die Theorie der -»Machtausweitung von MULDER nahegelegt und ist im Übrigen auch im Einklang mit ökonomischen Nutzentheorien. Eine Vielzahl einschlägiger Experimente (P kann den Verteilungsmodus allein festlegen) zeigt allerdings, dass eine solche Tendenz zur einseitigen Nutzenmaximierung durch Fairness-Gesichtspunkte gebremst wird. Diese Bremswirkung ist umso höher, je öffentlicher der Verteilungsmodus festgelegt wird und je stärker die Erwartung ist, mit dem Partner auch künftig zu interagieren. Das Equity-Prinzip ist damit auf einem gedachten Kontinuum angesiedelt, das an einem Pol durch schrankenlose Machtausübung einerseits, am anderen Pol dagegen durch schrankenlosen Altruismus gekennzeichnet ist. (5) Ergänzende Theorien: Da jede konkrete Umsetzung distributiver Gerechtigkeit meist durch bestimmte (institutionalisierte, legitimierte) Verfahren sichergestellt wird, ist die E. durch eine Theorie der Verfahrensgerechtigkeit (-» Gerechtigkeit, prozedurale) zu ergänzen. Auch 146
Erfolg
kann die E. über ausgleichende Gerechtigkeit wiederhergestellt werden (Reduktion von Inequity auf Kosten Dritter). AUSTIN & WALSTER betonen in ihrer Theorie (-»Gerechtigkeit), dass Pi ihr Verhältnis zwischen Input und Outcome nicht nur mit dem gegenwärtigen Interaktionspartner P2 vergleicht, sondern auch mit anderen Pn (P3..., P„), wobei sie unter bestimmten Umständen dazu neigt, Ungerechtigkeiten über P2 bei P„ auszugleichen. Lit.:
Gerechtigkeit
Erfahrung (I) E. ist das zentrale Prinzip der instrumenteilen -*• Konditionierung sowie des damit verbundenen -> Effektgesetzes (Lernen aus E.). Zu unterscheiden ist eigene E. sowie fremde (beobachtete, stellvertretende) E. anderer. Eigene E. ist am ehesten in der Lage, Verhaltensmuster zu prägen. Jedoch ist manchmal Lernen aus eigener E. nicht zweckmäßig (weil zu umständlich, zu gefährlich oder überflüssig). (II) Einen spezifischen Fall beschreibt die E. mit einem Einstellungsobjekt (-• Einstellungsbildung -* Einstellungswirkungen). Man nimmt an, dass Einstellungen, die aufgrund eigener E. entstanden sind, auf dem zentralen Weg der Informationsverarbeitung (-> ELM) erworben wurden und daher durchdachter und stabiler, demnach von stärkerer Verhaltensrelevanz sind. Erfolg In der Theorie der -* Leistungsmotivation wird untersucht, welchen Anreizwert der positive E. bzw. die Vermeidung von Misserfolg für den Einzel-
Erfolg, Lernen am
nen hat. Attributionstheoretische Anschlusskonzepte thematisieren, auf welche Faktoren eine P den Erfolg (oder Misserfolg) subjektiv zurückführt (z.B. auf interne/externe, stabile/ variable Faktoren). WEINER thematisiert, unter welchen Erfolgs- bzw. Misserfolgs-Bedingungen welche Gefühle auftreten (-» Emotionstheorien). Erfolg, Lernen am Effektgesetz -* Verstärkung Konditionierung, instrumentelle Erfolgsucher sind Pn, die aktiv den Erfolg anstreben und (entsprechend den Vorstellungen der Theorie der Leistungsmotivation) ein mittleres Risiko eingehen. E. sind abzugrenzen von MisserfolgsMeidern, die lediglich geringe Risiken eingehen oder aber spekulative Risiken bevorzugen, bei denen ein Scheitern nicht selbstwertschädlich ist. Ergänzungs-Schema Diese dienen zur Ergänzung unvollständiger Information im Rahmen der Kausal-Attribution (-» Schemata, kausale -> Attributionstheorien). Ergebniskontrolle E. liegt vor, wenn die Ergebnisse einer Person B voll und ganz von Person A kontrolliert werden, gleichgültig, wie sich B verhält. THIBAUT & KELLEY
bezeichnen diese Abhängigkeit als -*• Schicksalskontrolle (-* Austauschtheorie). ERG-Theorie Modifizierte Version von MASLOWS Theorie der Bedürfhishierarchie. ALDERFER unterscheidet lediglich drei Motivationsstufen: existence (Exis-
Erleichterung, soziale
tenz- bzw. Selbsterhaltungsbedürfnisse), relatedness (Kontakt- bzw. Affiliationsbedürfnisse) und growth (Wachstumsbedürfnisse). Die Verkürzung der Bedürfnisliste verspricht nach ALDERFER eine bessere Operationalisierbarkeit. Die Theorie trifft eine Reihe axiomatischer Grundannahmen und formuliert einige Aussagen, die im Prinzip MASLOWS Konzeption nachgebildet sind. Gegen die Theorie spricht, dass sie ALDERFER aufgrund seiner Daten nachbessern musste, so dass sie ihren zwingenden Charakter verloren hat. Empirische Anwendungen beschränken sich daher auf das Grobraster der Dreiteilung, die dann gewisse Tendenzaussagen gestattet. Eine interessante Anwendung der Theorie betrifft den Vergleich von Motivationsstrukturen in unterschiedlichen Ländern (z.B. den Vergleich von westlichen mit unterschiedlichen östlichen, vormals sozialistischen Ländern). Erleichterung, soziale (social facilitation) Frühe sp Befunde hatten gezeigt, dass sich Menschen in Anwesenheit anderer mehr bemühen und bessere Leistungen erbringen. In anderen Fällen zeigte es sich allerdings, dass die Anwesenheit anderer auch dazu fuhren kann, die Leistung zu senken. ZAJONC (1965) stellte unter Bezug auf Lerntheorien und Ergebnisse der -»StressForschung die These auf, dass die Anwesenheit anderer Pn zur Leistungsverbesserung führt, wenn die Probanden an einfachen, gut eingeübten Aufgaben arbeiten. Sie führe jedoch zur Leistungsverschlechterung (soziale Hemmung), wenn es sich um schwierige und komplexe Aufgaben handelt. 147
Erleichterung, soziale
Eine Erklärung kann aktivationstheoretisch erfolgen: Die Anwesenheit anderer Pn erhöht die Erregung (deshalb: soziale Aktivierung). Diese wiederum erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit dominanter Reaktionen, die im Verhaltensrepertoire einer P gut eingeübt und ständig verfügbar sind. Bei leichten und gut gelernten Aufgaben sind nach ZAJONC die dominanten Reaktionen zielführend, während sie bei komplexen Aufgaben nicht angemessen sein dürften. Im letzteren Falle befindet man sich in einem Bereich der Überaktivation (-» Aktivation, physiologische), in dem die Informationsverarbeitung nicht mehr optimal verläuft. und später COTTRELL betonen darüber hinaus, dass der Effekt der Überaktivierung nur auftritt, wenn die beobachteten Pn besorgt über die möglichen Bewertungen des Beobachters sind (Bewertungsangst). SANDERS sieht die Ursache der schlechteren Leistung darin, dass das Vorhandensein eines Beobachters die Aufmerksamkeit des Akteurs zumindest in Teilen von der Aufgabe ablenkt (Motivkonflikt). Überdies dürfte das Kompetenzgefälle ausschlaggebend sein. So wird sich ein versierter Schachspieler kaum durch einen laienhaften Beobachter irritieren lassen. MANSTEAD & SEMIN argumentieren informationstheoretisch, dass die Gegenwart von anderen zu einer größeren Aufmerksamkeit für automatische Aufgabenkomponenten führe, was zugleich die kontrollierte Verarbeitung behindere. Auch hier bleibt das Ergebnis das gleiche: Dieser Effekt erleichtert die Lösung einfacher Aufgaben, fuhrt jedoch zu Hemmungen bei LÜCK
148
Erwartungen (antizipative)
schwierigen und komplexen Aufgaben. Erregung -» Aktivation, physiologische -* Emotion Erregung, empathische Bei Beobachtung einer Notsituation (z.B. Unfall) entsteht eine (als unangenehm empfundene) E., und Beobachter sind motiviert, diese zu reduzieren (-» Empathie prosoziales Verhalten). PILIAVIN & PILIAVIN betrachten die E. als Kostenfaktor beim Hilfeverhalten. Erregungstransfer übertragung
Erregungs-
Erregungsübertragung weist in seiner Kritik an der —• Emotionstheorie von SCHACHTER darauf hin, dass Aktivierung langsam abklingt, so dass eine Art Rest-Erregung in einer zeitlich darauffolgenden neuen Situation wirken kann. Aufgrund solcher E. reagiert man heftiger (z.B. aggressiver, ärgerlicher) als es für diese Situation typisch und angemessen wäre. Die Rest-Erregung bewirkt demnach einen emotionalen Transfer auf neue Handlungssituationen. ZILLMANN
E. wird in verschiedenen Kontexten zur Erklärung herangezogen: bei der Entstehimg romantischer Gefühle (-»Liebe), für Bereitschaft zur -> Aggression sowie für Hilfeverhalten (-• Prosoziales Verhalten). Erwartungen (antizipative) E. stehen im Mittelpunkt vieler lerntheoretischer, motivationstheoretischer und entscheidungstheoretischer Konzepte und tangieren in erheblichem
Erwartungen (antizipative)
Erwartungen (antlzipative)
Maße auch die sp sowie wp Forschung.
aber auf Ereignisse, die vom eigenen Handeln völlig abgelöst sind.
(1)Begriff: E. sind subjektive Wahrscheinlichkeiten im Hinblick auf das Auftreten von Ereignissen. Eine wichtige Teilklasse solcher E. ist die gedankliche Vorwegnahme von Handlungskonsequenzen, die Erleben und Verhalten von Individuen beeinflusst (sog. -*Konsequenz-Erwartungen). E. können sich auf Zufallsereignisse beziehen (z.B. beim Roulette-Spiel) oder auf eine (subjektiv) systematische Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse oder aber auf leistungsthematische Situationen (-• Leistungsmotivation). Diese E. haben gemeinsam, dass sie sich auf künftige Ereignisse beziehen; sie sind demnach antizipative E. von mehr oder weniger ausgedehntem Zeitbezug. Davon abzuheben sind normative -> Erwartungen, die andere Pn oder Instanzen im Hinblick auf das normativ korrekte Verhalten hegen bzw. äußern.
(3)Mikro-E. und Makro-E.: Diese Unterscheidung wird vor allem im wp Kontext verwendet. Makro-E. beziehen sich auf kollektive Ereignisse (z.B. die konjunkturelle Lage, der Ausgang der Wahlen), während Mikro-E. den eigenen Kontext betreffen (Wie wahrscheinlich ist es, dass ich arbeitslos werde? Kann ich erwarten, im nächsten Jahr befördert zu werden?). Beide Typen von E. werden gewöhnlich durch bestimmte Indikatoren (z.B. Konjunktur-Barometer, Index der Sparneigung) gemessen. Mikro-E. sind gewöhnlich positiver bzw. optimistischer als Makro-E. Gründe dafür sind etwa: Es ist selbstwertdienlich, im eigenen Handlungsbereich positive Ergebnisse zu erwarten; die Mikro-E. erscheinen in stärkerem Maße kontrollierbar (-» Kontrollüberzeugung)-, außerdem werden Makro-E. weitgehend durch Medien vermittelt, die eher über negative Ereignisse berichten.
(2) Facetten von E.: WESTHOFF unter-
(4) Spezifische und generalisierte E.:
scheidet (neben Bewertung und Wichtigkeit, die in den sog. WertErwartungs-Theorien gesondert behandelt werden) die folgenden Facetten: subjektive Wahrscheinlichkeit, zeitliche Nähe des Ereignisses, zeitliche Dauer, Emotionsintensität, Auftretenshäufigkeit, Gültigkeit, Generalisiertheit, Differenziertheit, Stabilität und Änderbarkeit. Wichtig ist vor allem die Unterscheidung, ob E. sich auf eigenes oder fremdes Handeln (z.B. die Ausführbarkeit eines Verhaltens oder die Konsequenzen eines Verhaltens) beziehen, oder
ROTTER, der Verstärkerwerte (rein-
forcement values) mit E. verknüpft, unterscheidet zwei Formen von E.: solche, die in konkreten Situationen bewährt sind und in eben diesen Situationen erfolgreich angewendet werden (spezifische E.) und solche, bei denen das Individuum über keine spezifischen Erfahrungen verfugt, sondern generalisieren muss (generalisierte E.). Je neuartiger eine Situation ist, desto eher bildet P generalisierte E. ROTTER unterscheidet zwei Formen generalisierter E., je nach dem, ob über die Dimension der Verstärkung oder die der Ähn149
Erwartungen (antizipatlve)
Erwartungen (antizipative)
lichkeit des Problems generalisiert wird. Generalisierte E. können nach ROTTER- als Persönlichkeitszüge verstanden werden. Zwei E.Syndrome sind dabei in besonderem Maße untersucht worden: interpersonal trust (-»• Vertrauen) und Locus of control: internale vs. externale Kontrolle (-» Kontrolle, kognizierte Kontrollüberzeugung). (5)EfFizienz-E. und Konsequenz-E.: BANDURA unterscheidet -* EffizienzE. (-» Selbstwirksamkeit), d.h. Wahrscheinlichkeitsurteile darüber, ob P eine Handlung effizient ausfuhren kann, von —• Konsequenz-E., d.h. Wahrscheinlichkeitsurteile darüber, ob und welche Konsequenzen durch die ausgeführte Handlung entstehen. Im erstgenannten Fall fragt P: Werde ich dies schaffen?. Im zweiten Falle: Was bewirke ich durch mein Handeln? Für beide E.-Typen kann eine P Kontrollüberzeugungen ausbilden, also Annahmen darüber, dass man sowohl die eigene Effizienz als auch die möglichen Konsequenzen steuern kann. Diese Unterscheidung ist auch im wp Kontext (z.B. beim Studium der Arbeitsmotivation) aufgegriffen worden (PORTER & LAWLER). Außerdem dürfte sich zeigen lassen, dass der Standard-Typ der -> Wert-Erwartungs-Theorie sich lediglich auf Konsequenz-E. anwenden lässt. (6) E. und Handlungsablauf: Anhand von Ereignisstadien unterscheidet HECKHAUSEN vier Arten von Erwartungen: (a) Situations-Ergebnis-Erwartung (S E) beschreibt die subjektive Wahrscheinlichkeit, mit der 150
eine gegenwärtige Situation zu einem künftigen Ereignis ohne jedes handelnde Eingreifen führen wird; (b) Die Handlungs-Ergebnis-Erwartung (H E) drückt die Wahrscheinlichkeit aus, mit der die Situation durch eigene Handlungen in Richtung auf das gewünschte Ereignis verändert werden kann. (c) Äußere, variable Umstände können die H E-Erwartung festigen oder reduzieren. Das Ausmaß dieser Wahrscheinlichkeit drückt sich in der Handlung-beiSituation-Ergebnis-Erwartung (H-S E) im Sinne einer resultierenden Handlungs-ErgebnisErwartung aus; (d) Die Ergebnis-Folge-Erwartung (E F) meint das Ausmaß, mit dem ein Ergebnis instrumenteil für das Eintreten einer Folge von besonderem Anreizwert ist. Ein noch einmal differenziertes Erwartungs-Wert-Modell legen KRAMPEN sowie FLAMMER vor, indem der vorwiegend situative Ansatz in den Rahmen persönlichkeitstheoretischer Konstrukte eingebettet wird. Ferner werden in diesen Modellen Konzepte v o n ROTTER, VROOM u n d BANDURA
einbezogen.
Erwartungen (antizlpative)
Erwartungen (antizipative)
Enttäuschte E. werden häufig auch mit -* Frustrationen gleichgesetzt, die kognitiv nicht immer gleich abgebaut werden können. Sie bilden u.a. das Bezugssystem der -* Frustrations-Aggressions-Hypothese. Trotz der Korrektur überzogener Ansprüche dieser Hypothese gilt nach wie vor, dass die Ursachen aggressiver Handlungen häufig in enttäuschten E. begründet sind (-> Aggression). Ein dem Frustrations-Konzept verwandtes Theoriegebäude ist das der relativen sozialen Deprivation, womit ein Gefühl sozialer Benachteiligung umschrieben wird. Die Deprivations-Theorien (z.B. GURR), be-
(7) Enttäuschte E.: Diese werden häufig im Kontext der Dissonanztheorie problematisiert. Wer bei einer -* Entscheidung in Erwartung bestimmter Ergebnisse erhebliche Kosten auf sich nimmt, sich also in starkem Maße festlegt (-»• Commitment), hat große Schwierigkeiten, wenn diese E. nicht erfüllt werden. Die resultierende Enttäuschung kann auch als kognitive -* Dissonanz interpretiert werden, weil der Aufwand (bzw. die Investition) zum vergleichsweise mageren Ergebnis psychologisch unvereinbar ist. Die Konsequenzen von erwartungsbasierten Entscheidungen gehen in eine Art kognitive Bilanz ein; es entsteht für das Subjekt das Problem der Rechtfertigung des Aufwands. Durch entsprechende Rechtfertigungs-Strategien können dann Enttäuschungen abgebaut werden.
anspruchen u.a., das Auftreten sozialer Unruhen bzw. -> Revolutionen zu erklären. Nach GURR gibt es zwei Typen der Deprivation: (a) Erwartungen übersteigen ein bestimmtes Versorgungsniveau (E. nicht konstant); (b) das Versorgungsniveau sinkt unter ein bestimmtes Erwartungsniveau (E. konstant). Enttäuschte E. sind auch Gegenstand zahlreicher Modellvorstellungen zur -* Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit. So besagt das sog. -> Diskonfirmationsmodell, dass bei Nichtbestätigung bestimmter Erwartungen Unzufriedenheit auftritt. Dieses Modell setzt allerdings starke kognitive Beteiligung voraus. Außerdem liegt die Bestätigung von E. häufig im Bereich von Selbstverständlichkeiten, die eine Indifferenzzone definieren, innerhalb derer keine positive Zufriedenheit, sondern lediglich NichtUnzufriedenheit auftritt (-* Arbeitszufriedenheit). 151
Erwartungen (normative) Lit.: ATKINSON, J.W. (1964). An introduction to motivation. Princeton. BANDURA, A. (1979). Sozial-kognitive Lerntheorie. Stuttgart (Orig. 1971). BOLLES, R. (1972). Reinforcement, expectancy, and learning. Psychological Review, 79, 394-409. EDWARDS, W. (1954). The theory of decision making. Psychological Bulletin, 51, 380-417. FEATHER, N.T. (ed.) (1982). Expectations and actions: Expectancy-Value Models in Psychology. Hillsdale, N.J. HECKHAUSEN, H. (1989). Motivation und Handeln. Berlin. KRAMPEN, G. (1987). Handlungstheoretische Persönlichkeitspsychologie. Göttingen. RANK, B. (1997). Wert-Erwartungs-Theorien. München/Mering. ROTTER, J.B. (1954). Social learning and clinical psychology. Englewood Cliffs/N.J. VROOM, V.H. (1964). Work and motivation. New York.
Erwartungen (normative) (1) Begriff: Im Gegensatz zu antizipativen E. werden normative E. von außen an Pn herangetragen. Es handelt sich hierbei um Soll-E., d.h. P sollte bestimmten sozialen Normen Rechnung tragen. Die E. sind damit das kognitive Äquivalent sozialer Normen. Am Beispiel: Die Erwartung, dass die Aktienkurse steigen, ist eine antizipative E. Die E., dass ich mich meinem Vorgesetzten gegenüber loyal verhalten sollte, ist eine normative E. In manchen Fällen münden normative E. in antizipative E. ein, sofern der Zukunftsbezug Gegenstand der normativen E. ist (Bsp.: Ich erwarte von Dir, dass Du morgen pünktlich bist). (2) Unterscheidungen: E. können mehr oder weniger explizit geäußert werden. Implizite E. sind solche, die nicht formell in Erscheinung treten, an die sich jedoch Individuen oder Gruppen stillschweigend halten. Ferner ist das tatsächliche Bestehen ei152
Erwartungen (normative)
ner E. von der Perzeption bzw. Kognition solcher E. zu unterscheiden: Die „normative beliefs" können irrig sein. Manchmal sind E. verinnerlicht (-> Internalisierung), d.h., dass solche E. nicht mehr kogniziert werden. Dies gilt insbesondere für E. im Makro-Bereich (hier geht es um allgemeine gesellschaftliche Normen, z.B. solche des Benehmens), während im Mikro-Bereich (z.B. im Kontext von Bezugspersonen oder -* Bezugsgruppen) die Nonnen bewusster erlebt werden. Schließlich sind E. nach ihrer Verbindlichkeit zu unterscheiden, d.h. im Hinblick auf die möglichen -* Sanktionen, die mit einer NichtEinhaltung dieser E. verbunden sind. GROSS et al. unterscheiden insofern nach dem Grad der Verbindlichkeit zwischen Muss-, Soll-, und KannErwartungen. Zwischen E. und antizipierten E. besteht dann ein Zusammenhang dergestalt, dass P mit einer bestimmten Erwartungswahrscheinlichkeit vermutet, dass Sanktionen auftreten werden, wenn gegen die Norm verstoßen wird. (3)Theoretischer Kontext: Der theoretische Bezugsrahmen von E. wird nicht durch -» Wert-ErwartungsTheorien gebildet, sondern durch die Forschungen zur -> Konformität. Dies gilt insbesondere für situationsspezifische E. (E. qua Situation). Bezugsfeld kann jedoch auch die -* Rollentheorie sein, wenn es sich um rollenspezifische E. (-»Rolle, soziale) handelt (E. qua Position). In dem Maße, in dem solche E. nicht eingehalten werden, sind sie auch
Erwartungsbestfltigung
zentraler Gegenstand der Devianztheorien (-»abweichendes Verhalten). Erwartungsbestätigung Tendenz, eigene Erwartungen eher zu bestätigen als zu widerlegen (-»Bestätigungstendenz belief creates reality). Erwartungsdruck Erwartungen, normative -* Gruppendruck -* Konformität Erwartungsfehler (expectation failure) Fehlschlagen einer antizipativen -*Erwartung einer P in Bezug auf das Eintreffen eines bestimmten Ereignisses. Die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Lernprozesse durch E. sind nach SCHANK: (a) Motivation und persönliche Relevanz; (b) Verfügung über Hilfe-Optionen (sozialer und non-sozialer Natur); (c) Privatheit, d.h. die Fehler sollen geringe soziale Visibilität aufweisen (so dass das Selbstbild nicht tangiert wird). Lernen durch E. ist nur dann wahrscheinlich, wenn epistemische Neugier oder aber -* Invaliditätsangst (fear of invalidity) bzw. ein ausgeprägtes Motiv zu korrekter Beurteilung (-• Validierung) besteht. Ist dies nicht der Fall, ist eher eine (dissonanztheoretisch begründete) Erwartungsbestätigung vorauszusagen.
Eskapismus
wartungs-Theorien) wird Erwartung in diesem Zusammenhang als subjektive Wahrscheinlichkeit des Eintreffens bestimmter Konsequenzen angesehen (-> Erwartungen, antizipative). Erwünschtheit, soziale (social desirability) Beschreibt die Tatsache, dass Vpn im günstigen Lichte gesehen werden wollen und ihr Antwortverhalten danach ausrichten. Auf diese Weise werden private Gefühle selten zugegeben; auch werden Vorurteile und Aspekte der Feindseligkeit unterdrückt (-» bias). Dies geschieht z.T., um möglichen Sanktionen (z.B. Missbilligung durch den Interviewer) zu entgehen (-» Impression management). Die befragte P könnte jedoch auch ihre eigene Einstellung zensieren, da sie vor anderen und vor sich selbst in gutem Licht erscheinen möchte (-> Selbstkonsistenz -* Somatischer Effekt). Eine mögliche, jedoch meist recht umständliche Methode, solche Antworttendenzen - wenigstens teilweise - zu vermeiden, bietet das Bogus-Pipe/z'ne-Verfahren. Escalation of commitment Bezeichnet die Neigung, nach einer Fehlentscheidung durch steigende Investitionen doch noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu gelangen (-» Sunk cost-Effekt -* Gruppendenken —• Commitment). Eskalation (von Konflikten) Konflikte, soziale
Erwartungslernen
Eskapismus
Nach TOLMAN und ROTTER die Antizipation eines Verstärkers. Im Sinne von ROTTER (und anderer -»• Wert-Er-
Flucht in eine Scheinwelt, insbesondere im Zusammenhang mit Drogen. Auch die Scheinrealität des Fern153
Ethische Probleme der SP
sehens oder die virtuelle Realität des Computers kann u.U. im Sinne des E. interpretiert werden. Ethische Probleme der SP (1) Ethische Probleme des Anwendungsbezugs: Hier geht es um Fragen, die bei der sozialtechnologischen Anwendung sp Wissens auftreten. Insofern unterliegt die Sp keiner Sonderproblematik, denn es geht im Prinzip um die Legitimierung von Verwertungsinteressen, die fragwürdig oder asymmetrisch sein können. Als Beispiele seien Studien zu Gehorsam und Konformität sowie zur Manipulation und Überredung genannt. So untersucht etwa CIALDINI manipulative Techniken des Überredens, die geschickte Verhandler/ Verkäufer/Berater verwenden können, um ihr Ziel zu erreichen. Dieser Autor versucht seine Darlegungen dadurch zu rechtfertigen, dass er damit nicht nur Beeinflussungswissen, sondern auch den Schutz vor solcher Beeinflussimg vermittelt. Im besonders wichtigen ökonomischen Anwendungsbereich besteht die Gefahr, dass sp (wp) Wissen ins Schlepptau des Managements oder des Marketing gerät. Der psychologischen Forschimg in diesen Bereichen wird u.a. vorgeworfen, dass sie die Änderung von Strukturen (z.B. Machtstrukturen) verhindere und durch sozialtherapeutische Verschleierung einer Instrumentalisierung von Mitarbeitern oder Konsumenten Vorschub leiste. Das Argument, dass das entsprechende Beeinflussungswissen prinzipiell jedermann zur Verfügung stehe, greift wohl wegen der Asymmetrie der 154
Ethische Probleme der SP
Verwertungsinteressen und Verwertungsmacht zu kurz. (2) Ethische Probleme in der Durchfuhrung von Experimenten: Eine für die SP sehr spezifische Problematik besteht in der bevorzugten Verwendung des sp Experiments. Die häufigsten diesbezüglichen Vorwürfe sind die folgenden: (a) Manipulation und Täuschung im Hinblick auf die Ziele des Experiments, indem die Vpn über die Ziele nicht aufgeklärt werden (können) oder sogar bewusst durch eine entsprechende -* Cover-Story in die Irre geführt werden. Dies ist für die meisten Experimente eine sehr typische Situation (z.B. bei KonformitätsExperimenten); (b) Hervorrufen von Stress und Angst, am deutlichsten etwa beim MILGRAM-Versuch, bei dem die Vpn den Kandidaten (scheinbar) Stromschläge verabreichen mussten; (c) Beeinträchtigung des Selbstkonzepts, z.B. durch die Mitteilung, man sei unintelligent oder psychisch gestört. In der Tat sind Beeinträchtigungen des Typs (b) oder (c) ethisch höchst bedenklich. Beim am häufigsten gegebenen Falle (a) entsteht ein Abwägungsproblem. Die hier vorliegende Täuschung ist methoden-immanent; wollte man sie vermeiden, würde man das Experiment als Instrument der Kausalanalyse gefährden. SCHULER diskutiert eine Reihe von Maßnahmen, wie ethisch fragwürdige Prozeduren zumindest abgemil-
Ethnomethologle
dert werden können (z.B. durch Freiwilligkeit, durch Kompensation). Zumindest sollte eine Aufklärung der Vpn a posteriori erfolgen und der Sinnzusammenhang und Erklärungsgehalt des Experiments genau erläutert werden. Dies erleichtert u.U. die nachträgliche Akzeptanz und fuhrt damit zu einer gewissen Legitimation des experimentellen Täuschungsverfahrens. Ethnomethologie Diese Spielart des symbolischen Interaktionismus (GARFINKEL, CICOUREL, SACKS) betont, dass sich die Gesellschaftsmitglieder durch den methodischen Einsatz von Alltagshandlungen ihre Realität - mit Hilfe der „dokumentären" Methode der Interpretation- selbst schaffen. Wie alle interpretativen Theorien geht auch die E. davon aus, dass die soziale Wirklichkeit nicht unabhängig von den Individuen existiert, sondern erst durch die Erfahrung und das Handeln von Menschen in konkreten Situationen konstruiert wird (-> Konstruktivismus). Die Funktionsweise der interpretativen Prozeduren hat GARFINKEL in einer Reihe von Zusammenbruch-Experimenten demonstriert, in denen (wie bei Grund-Figur-Experimenten) die Sinndeutung „umkippt" oder sich kaleidoskopartig verändert. Die Experimente veranschaulichen auch die Bedeutung von Vertrauen in die Stabilität und Geltung sozialer Strukturen für den reibungslosen Ablauf des Verstehens und Handelns. Ethnozentrischer Bias Der eigene Standpunkt wird fiberbewertet; man glaubt, dass andere Pn
Ethologie
ähnliche Auffassungen vertreten wie man selbst (-• Konsensus, falscher). Ethnozentrismus In der ursprünglichen Intention von SUMNER die Aufwertung der Eigengruppe und die Abwertung von Fremdgruppen. In der heutigen Sinngebung wird der Begriff E. überwiegend auf höherem Aggregatniveau, nämlich auf Nationen-Ebene, verwendet und drückt das besondere kulturelle Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen Nationen aus (-> Identität, soziale). Ethologie Tierverhaltensforschung unter besonderer Berücksichtigung des evolutionären Hintergrunds, wobei für die SP insbesondere die Human-E. (d.h. der Vergleich zwischen Tier und Mensch) von Interesse ist. Jenseits der klassischen Ansätze von K. LORENZ und J. TINBERGEN existieren zahlreiche Berührungspunkte mit parallelen Entwicklungen und neueren Konzepten (-* Evolutionspsychologie -* Soziobiologie). Hauptthemenbereiche sind u.a. (a) Anwendungen ethologischer Befunde auf die Problematik —• Anlage vi. Umweif, (b) die Betonung evolutionärer Gesichtspunkte und das Weiterwirken von Auslesekriterien auf das Verhalten; (c) die Aufdeckung von kulturellen Universalien in Bezug auf die Äußerung von Gefühlen, Gestik (-»Kommunikation, non-verbale); (d) das Aufweisen anlagebedingter Prädispositionen (angeborene assoziative Verknüpfungs-Wahr155
Evaluation
Etikettierung
scheinlichkeiten) beim Lernen (—• preparedness) sowie der -* Prägung als einer eigenständigen Lernform; (e) Nachweis genetischer Wurzeln beim Aggressions-Verhalten, beim Hilfeverhalten etc. (-»Aggression —> Prosoziales Verhalten). Während die SP in früheren Jahren einer Rezeption ethologischer (soziobiologischer sowie evolutionspsychologischer) Ideen eher skeptisch gegenüberstand, ist die Vorstellung vom plastischen Menschen, der ganz beliebiger sozio-kultureller Formung unterliegt, nach der heutigen Befundlage nicht mehr haltbar. Lit.: EIBL-EIBESFELD, I . ( 1 9 8 4 ) . D i e B i o l o -
ter" eine positive Bewertung. Solche Effekte finden sich auch bei der Stereotypisierung (-> Vorurteil, soziales -* Stereotyp). Der i.R. des Symbolischen Interaktionismus bevorzugte Rollenbegriff (-> Rolle, soziale) meint Ähnliches: nämlich ein (durch Kategorien gestütztes) ->• Typisierungsschema.
Evaluation Bewertung sozialtechnologischer Maßnahmen, z.B. anlässlich der Einfuhrung einer neuen Unterrichtsform oder eines neuen Führungsstils. E.Probleme bestehen häufig bei der Einfuhrung organisatorischer Maßnahmen (-> Arbeitspsychologie -* ABO-Psychologie).
gie des menschlichen Verhaltens. München. LORENZ, K . (1978). Vergleichende Verhal-
tensforschung. Grundlagen der Ethologie. München.
Etikettierung Besondere Form der Stereotypisierung, welche die kategoriale Einordnung von Individuen sozial sichtbar macht Stigmatisierung). Die E. ist insbesondere im Rahmen des labeling approach (-> abweichendes Verhalten) untersucht worden. Gezeigt wird dort, wie E. zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird. Träger des Etiketts haben geringe Chancen, als normale Individuen wahrgenommen zu werden; Informationen werden vorwiegend kategorial verarbeitet. Auch ist es wahrscheinlich, dass die Betroffenen in ihrem Verhalten der E. folgen und ihr Selbstkonzept ändern (self-labeling). Der Etiketteneffekt wird u.a. durch das Medium der Sprache vermittelt. So ergibt sich beim Begriff „Fremdarbeiter" eine negative, bei der Verwendung des Begriffs „Gastarbei156
Bei der E. geht es erstens um eine Art Erfolgskontrolle (nämlich herauszufinden, ob die beabsichtigten Ziele erreicht wurden), zum anderen auch um eine Wirkungsanalyse (nämlich aufzuzeigen, welche Effekte, z.B. auch nicht-intendierte Wirkungen, überhaupt aufgetreten sind). Das hierbei entstehende Zurechnungsproblem setzt im Prinzip ein experimentelles bzw. quasi-experimentelles Vorgehen voraus, das hier naturgemäß nicht unter Laborbedingungen (-»Experiment) durchgeführt werden kann und deshalb zahlreichen Störvariablen ausgesetzt ist. Überdies ist E. meist keine punktuelle, sondern eine prozessbegleitende Maßnahme. Auch muss im Rahmen der E. die Frage der Nachhaltigkeit von Effekten geklärt und das Auftreten bloßer ->• Hawthorne-Effekte eliminiert werden. Ähnlich wie bei der Implementierung von -* Innovationen erfolgt auch im Hinblick auf E. mitunter Widerstand, insbesondere wenn
Evoked set
es sich um Personen-E. handelt (z.B. Vorgesetzten-Beurteilung) und das Selbstkonzept tangiert wird. Aber auch bei anderen Projekten oder Maßnahmen können negative Effekte auftreten (z.B. Machtverlust). Evoked set Der E. (auch consideration set) bezieht sich auf eine begrenzte, klar profilierte Zahl von Alternativen (z.B. der prinzipiell in Erwägung gezogenen Produkte bei Kaufentscheidungen). Durch eine solche Eingrenzung werden Entscheidungen vereinfacht. Evolutionspsychologie Wird von Buss (1995) als neues Paradigma eingeführt. In der E. werden evolutionäre Theorien verwendet, um die ursprüngliche Funktion bestimmter Verhaltensweisen mit geläufigen psychischen Mechanismen in Verbindung zu bringen. Die E. berührt sich in starkem Maße mit der Ethologie sowie der -*Soziobiologie, wobei sie sich von der letzteren insbesondere durch die Betonung einer stärkeren Flexibilität der Reaktionen (statt einer strengen genetischen Kontrolle) unterscheidet. Hauptthemenbereiche sind: (a) Auswirkungen der natürlichen Auslese auf das Verhalten; (b) evolutionäre Grundlagen des Hilfeverhaltens (-» Prosoziales Verhalten); (c) evolutionäre Wurzeln der Fremdenfeindlichkeit (-»Identität, soziale); (d) evolutionäre Wurzeln von Kooperation und Wettbewerb;
Experiment
(e) Auswirkungen der natürlichen Auslese auf das Fortpflanzungsverhalten; (f) geschlechtsspezifisches Verhalten (z.B. im Hinblick auf Aggression oder -* Eifersucht)-, (g) die Erkenntnis, dass unser Wahrnehmungsapparat evolutionären Erfordernissen angepasst ist (Evolutionstheorie der Wahrnehmung). Lit.: Buss, D.M. (1994). The evolution of desire strategies of human mating. New York. Buss, D.M. (1999). Evolutionary psychology. The Science of the new mind. Needham Heights, MA.
Existenzielle Schuld -> Schuld, existenzielle Expectation states-Ansatz BERGER et al. entwickeln mit dem E.
eine funktionale Theorie der Statuszuweisung in sozialen -* Gruppen. Statusunterschiede (-> Gruppenstruktur) entstehen nach dieser Auffassung dadurch, dass die Mitglieder bereit sind, solche Pn mit Status und Einflussmöglichkeiten zu belohnen, von denen sie glauben, dass sie am meisten zur Zielerreichung beitragen. Als Hinweisreize für die Bildung hoher Erwartungen im Hinblick auf erfolgreiche Beiträge dienen u.a. Erfolg in der Vergangenheit, hoher positionaler Rang, Selbstsicherheit, Häufigkeit der Kommunikation, ausgeprägte Gruppenorientierung. Beziehungen zwischen dem E. und der Theorie sozialer -* Identität werden in der Status characteristics theory (SCT) hergestellt. Experiment (1) Stellenwert des E.: Während Befragung, Beobachtung etc. Verfahren der Datenerhebung sind, liegt die 157
Experiment
Experiment
Entscheidung zu experimentellen, quasi-experimentellen oder nicht-experimentellen Forschungsdesigns eher auf der Ebene der Untersuchungsplanung. Das E. ist gewissermaßen die vornehmste Methode innerhalb der Sozialwissenschaften, da sie sich am ehesten einem naturwissenschaftlichen Forschungsideal annähert, und weil sie die einzige Methode wirklich stringenter Kausalanalyse darstellt (ARONSON et al. 1985; CAMPBELL & STANLEY 1963; COOK & CAMPBELL 1979).
Das (Labor)-E. ist das in der SP am häufigsten benutzte Verfahren und hat innerhalb dieser Disziplin geradezu eine einheitsstiftende Funktion. Der Ertrag dieser Anwendung ist die Entwicklung, Bestätigung und Widerlegung zahlreicher Theorien meist mittlerer Reichweite. So ist z.B. die Dissonanztheorie in weit über 100 Experimenten überprüft und zum Teil erheblich modifiziert worden. (2) Experimentelle Designs: Ein (unzureichender) Versuchsplan ist die sog. „One-shot-Studie". O steht für Observation (die abhängige Variable), X für die unabhängige Variable (die Manipulation, das treatment). So erhalten wir folgendes Design (der Pfeil kennzeichnet die Zeit, in der die Kausalität wirkt):
nicht wissen, ob O auch beim Zeigen eines Heimatfilms aufgetreten wäre. Ein echtes experimentelles Design wird als Nachtest-Kontroll-GruppenDesign bezeichnet. R steht dabei für die zufallige Zuweisung von Vpn zu den jeweiligen Bedingungen, die dann als Versuchsbedingung und als Kontrollbedingung voneinander unterschieden werden. Dann ergibt sich R
X
Oi (Versuchsgruppe)
R -+-»•* 0 2 (Kontrollgruppe) Der Versuchsgruppe wird mehrfach ein aggressiver Film gezeigt, der Kontrollgruppe (die in ihrer Zusammensetzung der Versuchsgruppe gleichen oder ähneln muss) dagegen kein solcher Film. Der Unterschied zwischen Oi und 0 2 kann dann (im guten Falle) auf das Wirken der Treatments (X) zurückgeführt werden. Faktorielle Designs gehen von mehreren Variablen in unterschiedlicher Ausprägung aus. Kennzeichnet man mögliche unabhängige Variablen X und Y mit zwei Ausprägungen Xi und X2 sowie Yi und Y2 , so sieht dies wie folgt aus: X, Y2
OI
R -»• X , YI
02
X-»0
R
X2 Y,
03
Der VI zeigt bspw. einen gewalttätigen Film (X) und beobachtet das Auftreten von O (z.B. aggressives Verhalten) beim Publikum (z.B. Schüler) nach Vorführen des Films. Hier gibt es allerdings keine Vergleichswerte für O; wir können also
R
X2 Y2 •» 0 4
158
R
Der Vorteil eines faktoriellen Designs ist darin zu sehen, dass der Forscher die Effekte der Treatments separat und in ihrer Kombination studieren kann. Weicht der kombinierte Effekt der beiden unabhängi-
Experiment
gen Variablen von der Summe der beiden Haupteffekte ab, so spricht man von einem Interaktions-Effekt. (3) Kontrolltechniken: Zum Zweck der Kontrolle von Faktoren, die ebenfalls für die beobachteten Effekte verantwortlich sein könnten, werden die folgenden Techniken verwendet: (a) Konstanthaltung aller Variablen, die nicht unabhängige oder abhängige Variablen sind (z.B. Alter oder Intelligenz der Vpn); (b) Eliminierung aller Variablen, die stören könnten (z.B. Dominanz eines Teilnehmers, kommunikationsstörende Sitzordnung); (c) Randomisierung, d.h. die bereits beschriebene Aufteilung der Vpn nach dem Zufallsprinzip auf Experimentalgruppe und Kontrollgruppe. Dies dient der Gleichverteilung nicht bekannter Störvariablen; (d) Parallelisierung (matching), d.h. Störfaktoren, die nicht auszuschalten sind, werden auf beide Gruppen parallel verteilt, sofern man die Störfaktoren kennt. Die Beherrschung der Situation und die Kontrolle möglicher Einflussgrößen macht das Laborexperiment zu einem methodischen Instrument mit hoher interner -* Validität, manchmal jedoch zu Lasten externer Validität. Das Umgekehrte gilt für das Feldexperiment. (4) Kritik am E. Insbesondere in den 60er Jahren wurden experimentelle Verfahren von einigen SPn als unangemessen naturwissenschaftlich generell zur Disposition gestellt. Hieran schloss sich der Vorwurf der Künstlichkeit der Laborsituation, die
Experiment
allenfalls fiktive Bedeutung habe und lediglich Spielerei im Elfenbeinturm der Forschung darstelle. Schwächen und Fallgruben des experimentellen Vorgehens wurden auch i.R. der Erforschung von -> Artefakten diskutiert. Nach Klärung einiger berechtigter Vorwürfe votieren die meisten SPn der Gegenwart wiederum für die bevorzugte Anwendung experimenteller Forschimg (vgl. STROEBE 1989; HERKNER 1 9 9 1 ; ARONSON 1 9 9 4 ) . IRLE ( 1 9 7 5 ) gibt ein Plädoyer für die
experimentelle Forschung, indem er einige Standardvorwürfe gegen das E. formuliert und diese kritisch behandelt (vgl. auch FISCHER & wisWEDE 2002). Im Wesentlichen geht es um folgende Einwände: Erstens wird behauptet, Laborexperimente würden die komplexe Variablenstruktur der Alltagssituation simplifizieren, da die unabhängigen Variablen in multipler Interaktion stehen. Dies führe zu anderen Effekten als die isolierte Behandlung von einzelnen Variablen im E. Der Vorwurf ist schon deshalb nicht haltbar, weil das varianzanalytische Verfahren sowohl seitens der unabhängigen wie auch der abhängigen Variablen die behaupteten Interaktionseffekte messbar macht. Dies ist lediglich eine Frage der gemeinsamen statistischen Analysen im Rahmen multivariater Verfahren. Im Übrigen ist der Vorwurf einer zu komplexen Variablenstruktur sowohl ein Killer-Argument wie auch eine Bankrott-Erklärung der Analyse. Jede Theorie trifft eine Auswahl aus der infiniten Menge möglicher Variablen. Die Qualität
159
Experiment
dieser Selektion begründet dann die Erklärungskraft der Theorie. Zweitens wird behauptet, Labor-E. könnten lediglich Effekte untersuchen, die in kurzen Zeitabständen auftreten. So könne man mit E. keine gewachsenen Strukturen (z.B. Familienzusammenhänge, langfristige Beziehungen) untersuchen, sondern lediglich ad hoc zusammengestellte künstliche Gruppen. Dieser Vorwurf hat eine gewisse Berechtigung; allerdings spricht nichts dagegen, auch gewachsene Gruppen in Experimentalsituationen einzubeziehen. Es gibt (sicherlich zu wenige) gelungene Beispiele feldexperimenteller Längsschnitt-Studien, die diese Möglichkeit belegen. Manchmal ist auch die Zeitperspektive weitgehend irrelevant; in anderen Fällen ist es möglicherweise gerade der Zeitfaktor (z.B. der Aufweis von Nacheffekten), der für die Wirkungsanalyse von Interesse ist. Diesen kann man im Prinzip durch Verlaufsstudien nachbilden, wenngleich dem E. hier sicherlich Grenzen gesetzt sind. Drittens wird behauptet, dass in Labor-E. das Involvement sehr gering sei, da es sich nicht um Ernstsituationen handele. Insbesondere sind auch Sanktionen nicht zu erwarten; die Situation wird eher spielerisch interpretiert. So sei bspw. Gewinn oder Verlust von Spielgeld nicht mit tatsächlichen Geldwertverlusten zu vergleichen. Sanktionen, wie die Missbilligung durch den VI, seien kein Pendant für die Möglichkeit, durch eine bestimmte Handlung den Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Auch dieser Vorwurf hat eine bestimmte Berechtigung, jedoch kann 160
Experiment
das Ausmaß des Involvements auch in Experimenten durch besondere Anreize oder massiven Gruppendruck in einem gewissen Ausmaß gesteigert werden (Bsp.: MILGRAMExperiment [-• Exp. 26], Gefangenen-Experiment von ZIMBARDO et al. [-> Exp. 32]). Andererseits gibt es auch im Alltagsgeschehen ständig Situationen geringen Involvements (z.B. die Beachtung von Werbespots, small-talk). Viertens wird behauptet, dass in Experimenten häufig obskure oder triviale Hypothesen überprüft würden, wobei immer wieder die gleichen Sachverhalte in Form einer Sisyphos-Strategie zur Disposition stehen. Nun ist allerdings die Trivialität der Forschung keine Frage des E., sondern eine Frage der getesteten Theorie oder Problemstellung. Allerdings ist der Vorwurf schon zutreffend, dass in manchen E. nicht klar wird, welche Hypothesen genau getestet werden und warum sie relevante Tatbestände repräsentieren. Oftmals ist nämlich auch die einfallsreiche Experimentalanordnung Selbstzweck, und die Ergebnisse dienen dann vor allem der Erzeugung von Aha-Effekten, nicht dagegen der Überprüfung von theoretischen Konzepten. Fünftens wird behauptet, dass E. als reaktive Verfahrensweisen immer durch den Störfaktor des VI belastet seien (-» Versuchsleiter-Effekte). Auch könnten die impliziten Hypothesen des Individuums über den Sinn des E. sowie die Motivation der Vp (z.B. alles richtig zu machen, dem VI einen Gefallen zu erweisen oder umgekehrt: die Absichten des
Experiment
Experimentators zu durchkreuzen), die Ergebnisse artefaktverdächtig machen. Ein solches Argument ist freilich nicht experimentspezifisch, sondern erfasst alle reaktiven Verfahren; ausgenommen von dieser Kritik sind insofern dann nur die sog. non-reaktiven Verfahren (z.B. verdeckte Beobachtung, Inhaltsanalyse), die allerdings ihrerseits wiederum Schwächen und Grenzen aufweisen. Sechstens wird kritisiert, dass sp E. nur mit einem vergleichsweise sehr schmalen Sample durchgeführt würden, so dass repräsentative Aussagen kaum möglich seien. Entscheidend sind allerdings statistische Überlegungen zur Zuverlässigkeit von Ergebnissen, wobei die Ergebnisausschläge vor allem durch die Effizienz bestimmter Kontrolltechniken beeinflusst werden, mit denen mögliche Störfaktoren weitgehend ausgeschaltet werden sollten. In diesen Kontext gehört auch der Vorwurf, dass viele sp E. mit Studenten durchgeführt werden, die keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellen. Besonders heikel wird die Situation dann, wenn es sich dabei um Psychologie-Studenten handelt. In diesem Fall sind ganz spezifische subjektive Hypothesen über den wahren Zweck des E. nicht auszuschließen. Siebtens wird betont, dass Menschen in der künstlichen Situation des Labors anders als in der realen Situation des Alltags handeln. Hier wäre als Ausweg denkbar der schrittweise Abbau von Künstlichkeit, indem man sich Versuchsanordnungen überlegt, die sich sukzessive dem Feldexperiment annähern. Schließ-
Exploratives Verhalten
lich ist darauf hinzuweisen, dass auch manche Alltagssituation an Künstlichkeit kaum zu überbieten ist (z.B. das Verhalten im Stau; die Arbeitssituation im Großraumbüro). Und achtens wird der Vorwurf erhoben, dass E. gegen ethische Normen verstoßen, indem einmal durch die experimentelle Manipulation ein Eingriff in die Persönlichkeits-Sphäre verbunden ist, und indem ferner die Vpn durch eine entsprechend manipulierte Cover-Story über den Sinn des E. arglistig getäuscht würden. (-> Ethische Probleme der SP). Hier entsteht beim Forscher ein Abwägungsproblem zwischen dem möglichen Nutzen des E. und einer (wenn auch vielleicht nur indirekten) Schädigung der Vpn. Experimente, klassische Im Anhang sind in Kurzfassung 32 Experimente dargestellt, die für die Entwicklung der SP folgenreich gewesen sind. Diese sind vier Bereichen entnommen: (a) Soziales Lernen und soziale Motivation, (b) Soziale Wahrnehmung und Attribution, (c) Einstellungen und Kommunikation, (d) Interaktion und Gruppenprozesse. Exploratives Verhalten Erforschimg der eigenen Umwelt, die dazu dient, die -* Neugier zu befriedigen. Nach BERLYNE löst ein zu hohes Anregungspotential ein spezifisches E. aus, durch welches das Individuum mehr Überblick und Einsicht in die Situation zu gewinnen versucht, um die-
161
Externals
ses Potential zu senken. Bei zu niedrigem Anregungspotential tritt diversive Exploration auf, durch die das Individuum versucht, sich zu zerstreuen und zu unterhalten. Im lerntheoretischen Sinn tritt E. immer dann auf, wenn die Situation neuartig ist (z.B. als Berufsanfanger) und nicht genügend aus vergangenen Erfahrungen generalisiert werden kann. Hier besteht eine besondere Aufgeschlossenheit im Hinblick auf das Modell-Lernen, vorgelagert die Frage der Auswahl passender Modelle. Externais Pn, die dazu neigen, externe Umstände (die außerhalb der P liegen), für Sachverhalte (z.B. Erfolg, Misserfolg) verantwortlich zu machen Locus of control -* Kontrollüberzeugung). ROTTER sieht darin ein Persönlichkeitsmerkmal (Gegensatz: -* Internais). Extinktion Löschung eines Verhaltensmusters, indem die durch instrumenteile -* Konditionierung erworbene Verhaltensweise abgeschwächt bzw. gelöscht wird. Die E.-Resistenz eines Verhal-
162
EZK-Modell
tensmusters bezeichnet den Aufwand, der zur Löschung einer bestimmten Reaktion erforderlich ist. Insbesondere solche Verhaltensmuster, die durch diskontinuierliche Verstärkung (-> Verstärkerpläne) entstanden sind, erweisen sich als extinktionsresistent. Extraversion —> Persönlichkeitsmerkmal, das insbesondere von EYSENCK als zentral angesehen wird und das eine Ausrichtung des Verhaltens nach außen beschreibt. Extravertierte zeichnen sich durch eine größere Geselligkeit und Impulsivität aus und werden besonders von äußeren Stimuli beeinflusst. E. gehört auch zu den fünf als besonders wichtig bezeichneten Persönlichkeitsmerkmalen („big five"). Extrinsische Motivation vation
Moti-
EZK-Modell Die Vorstellung (von WISWEDE), dass
effiziente Beeinflussung (z.B. erfolgreiches Verkaufen) insbesondere auf die Interaktion der Faktoren Empathie, Zielstrebigkeit und Kompetenz zurückzufuhren ist.
Face-to-face-group
Fairness
F Face-to-face-group Eine soziale Gruppe mit großer Interaktionshäufigkeit, die sich also durch häufige Kontakte "von Angesicht zu Angesicht" auszeichnet. F. sind häufig Primärgruppen (z.B. die Familie), bisweilen jedoch nicht (z.B. Arbeitsgruppen). Daher sind F. keineswegs immer durch hohe Intimität oder —• Kohäsion charakterisiert. Face-to-face-Kommunikation Direkter kommunikativer Austausch zwischen Pn, wobei sich Kommunikator und Rezipient persönlich begegnen (z.B. Verkaufsgespräch). Durch das Vordringen der modernen Medien ist die F. in manchen Bereichen stark rückläufig (-> Depersonalisierung). Facilitation, social rung, soziale
Erleichte-
Fähigkeit Die zur Ausfuhrung einer bestimmten Leistung erforderlichen personenspezifischen Voraussetzungen. Unterschieden werden allgemeine F. von spezifischen F. (z.B. räumliches Vorstellungsvermögen, Gedächtnis). Leistungsergebnisse werden häufig als Produkt aus Fähigkeiten und Anstrengungsbereitschaft (Motivation, Involvement) angesehen (obgleich beide Größen nicht ganz unabhängig voneinander sein dürften). F. werden operationalisiert durch bestimmte Testleistungen (-» Eignungsdiagnostik), die allerdings die F. nur unvollständig repräsentieren. In der SP ist F. eine Variable, die mit sozialer Kompetenz (sozialer Fer-
tigkeit) oder mit der erfolgreichen Bewältigung der -»Informationsverarbeitung verknüpft ist. Fairness (I) Im Allgemeinen wird zwischen F. und —• Gerechtigkeit kein Unterschied gemacht. F. kann sich (wie auch Gerechtigkeit) äußern als: (a) prozedurale F. (Transparenz des Verfahrens, Offenlegung und Einhaltung von Kriterien, Suche nach objektiven Beurteilungsmaßstäben); (b) distributive F. (z.B. leistungsgerechte Entlohnung, Beförderungsempfehlung aufgrund eingebrachter Leistung); (c) interaktionale F. (Bereitstellung von Informationen, Bestimmung von Rollenanforderungen, offenes und freundliches Verhalten). Manchmal versuchen Pn eher, fair zu erscheinen als tatsächlich fair zu handeln (-> Impression management). Es kommt in diesem Fall zu einer Suche nach Rechtfertigungsgründen und Legitimationsnachweisen für bestimmte Entscheidungen. (II) Der Ausdruck „fair" wird vielfach auch abseits der Gerechtigkeits-Thematik verwendet. Gemeint ist dann insbesondere, dass man sich an explizit formulierte oder implizit vorhandene „Spielregeln" hält. Abweichungen davon sind Verstöße gegen die F.Norm (z.B. unfairer Einsatz eines Sportlers, Vorenthalten wichtiger Informationen, unfaire Geschäftspraktiken), die die -* Kooperation erschweren, das -* Vertrauen unterminieren 163
Fait-accompli-Eflekt
und künftige Interaktionen belasten. Als unfair gilt es auch, die Notlage oder Hilfsbedürftigkeit eines anderen auszunutzen. Ein Brückenschlag zum Gerechtigkeitsprinzip könnte in Folgendem bestehen: Spielregeln werden (meist) deshalb formuliert, damit möglichst gerechte Lösungen wahrscheinlich werden. Diese Regeln sollen demnach helfen, der „gerechten Sache" zu dienen. Fait-accompli-Effekt Negative und überraschend auftretende Konsequenzen aus -* Entscheidungen bewirken für den Akteur unter der Bedingung voller Entscheidungsfreiheit und interner —• Attribution das paradoxe (jedoch von der Dissonanztheorie vorhersagbare) Ergebnis, dass die Attraktivität der Entscheidungsaltemative steigt, unabhängig davon, ob die negativen Konsequenzen vorhersehbar waren oder nicht. Faktorenanalyse Eine F. wird zur Datenverdichtung eingesetzt, d.h. durch mathematischstatistische Berechnungen wird versucht, eine Variablenmenge (z.B. die Antworten auf 30 Items eines Fragebogens zur Messung der Lebensqualität) auf eine geringere Anzahl (z.B. 2) „hinter den Variablen liegender" Faktoren (z.B. Gesundheit und soziale Einbettung) zu reduzieren, ohne den Informationsgehalt der Daten dadurch zu stark einzuschränken. Der Informationsverlust manifestiert sich darin, dass quantitativ weniger Faktoren als Variablen natürlich auch nur weniger Varianz erklären können. Dieser Verlust wird aber zugunsten der Variab164
Faktorenanalyse
lenverdichtung bewusst in Kauf genommen. Ein solches Vorgehen bietet sich immer dann an, wenn ein Konstrukt durch mehrere Items erhoben wird, die relativ stark miteinander korrelieren. Kann man in diesem Fall davon ausgehen (z.B. anhand theoretischer Modelle), dass für die Korrelation zweier Variablen eine hinter diesen Variablen stehende Größe kausal verantwortlich ist, bietet es sich an, die Variablen mittels F. zu verdichten. Im Gegensatz zur F. werden bei der Clusteranalyse Objekte (Fälle) zusammengefasst, weshalb letztere oftmals nach einer F. zur weiteren Verdichtung der Daten eingesetzt wird. Vorgehen: Zuerst werden die Variablen des Datensatzes bezüglich ihrer Korrelationen untereinander analysiert. Nicht zur F. geeignete Variablen werden ausgeschlossen. Nun erfolgt die Berechnung der Faktoren. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich jeder Wert einer Variablen als Linearkombination der extrahierten Faktoren (einschließlich einer Restgröße) beschreiben lässt. Dementsprechend werden über Rechenverfahren (z.B. Hauptkomponentenanalyse) Faktoren gebildet, die eine mehr oder weniger hohe Korrelation mit den Ausgangsvariablen aufweisen. Diese Korrelation einer Variablen mit einem Faktor bezeichnet man auch als Faktorladung. Die Anzahl der zu bildenden Faktoren wird oftmals nach dem sog. KaiserKriterium festgelegt, wobei ein Faktor nur dann erzeugt wird, wenn er einen Eigenwert (Summe der quadrierten Faktorladungen eines Faktors über alle Variablen) größer als 1 vorweist. Anschließend sind die erschaffenen Faktoren zu bezeichnen, wobei sich die
Familie
Falle, soziale
Konvention herausgebildet hat, nur solche Variablen zur Interpretation heranzuziehen, die mindestens eine Faktorladung von 0,5 besitzen. Werden mehrere Faktoren extrahiert, so kann deren Interpretation i.d.R. durch eine Rotation (wobei auch dieser Vorgang wieder mittels unterschiedlicher Verfahren durchgeführt werden kann) der Ursprungslösung wesentlich erleichtert werden. Falle, soziale
Dilemma,
soziales
Falscher Konsensus -* Konsensus, falscher
Familial Sonderform der kollektivistischen Orientierung (-* Individualismus), die persönliche Interessen und Ziele zugunsten der Familie zurückstellt. Gelegentlich bezeichnet F. auch die soziale Einbettung in Familienstrukturen sowie die Abhängigkeit von der Familie.
Familie Soziale Lebensform, die Eltern (oder ein Elternteil) und mindestens ein Kind umfasst, die auf Solidarität, Dauer und Bindung beruht. Unterschieden wird die Kernfamilie (Eltern und Kinder) von der Großfamilie, die u.U. mehrere Generationen umfasst. Unterschieden wird ferner die Herkunftsfamilie von der "procreation family", also der eigenen Familie. Die einzelnen Charakteristika der F. sind im übrigen soziokulturell variabel. Während die F. als Lebensform primär Gegenstand der Soziologie (insbesodere der Familiensoziologie) gewesen ist, gilt die Aufmerksamkeit der SP ihrem besonderen Bindungscharakter.
Auch werden familiale Einflüsse i.R. des Prozesses der -* Sozialisation (etwa im Vergleich zu Einflüssen durch Gleichaltrige (die sog. "peers") untersucht. Als Hauptaufgaben der F. werden instrumenteile (Erziehung, Leistungsorientierung, Versorgung) und expressive Funktionen (Gefïihlsentwicklung, Identitätsbildung) unterschieden, wobei die Peers später einen Großteil der expressiven Funktionen wahrnehmen. Die Eltern sind die Mittler allgemeiner Wertvorstellungen (Normen, Moral), wobei die Paarbeziehung der Eltern ein wesentliches Teilsystem darstellt. Im Hinblick auf die familiale ->• Sozialisation dominiert heute eine Art Angebot-Nachfrage-Modell. Das Kind erhält Sozialisationsangebote, die für das Kind Anregungsbedingungen darstellen und ein différentielles Nutzerverhalten bedeuten. Dieses Modell betont die aktive Rolle des Kindes im Sozialisationsprozess. Die wichtigsten Merkmale des Familienstatus sind: (a) die Lage der Familie (Familiengröße, Wohnort, ökonomische Situation); (b) die Erziehungsorientierung (kognitive Repräsentation familialer Vorstellungen über Erziehungsstile bzw. Erziehungsmittel); (c) die Besonderheit der Beziehung zwischen Eltern und Kindern (z.B. Wärme vs. Feindseligkeit, Anregung oder Ausnutzung). Ein besonderer Gegenstand sp orientierter Forschung ist die desorganisierte Familie, insbesondere in ihrem Einfluss auf Kinder und Jugendliche 165
Faschismus
Faulheit, soziale
(z.B. Störungen der -*Sozialisation, Delinquenz). Strukturelle Desorganisation liegt vor, wenn ein Elternteil fehlt (etwa durch Tod oder Scheidung). Funktionale Desorganisation ist gegeben, wenn die Eltern ihre Erziehungspflichten vernachlässigen oder wenn die Kinder unter den Konflikten der Eltern zu leiden haben. Im allgemeinen schreibt man der funktionalen Desorganisation die schädlicheren Folgen für die Sozialisation der Kinder zu. Faschismus F-Skala tismus Autoritarismus
Dogma-
FAST Abkürzung für "facial afifect scoring technique". F. ist ein von EKMAN et al. eingeführtes Verfahren der Interaktionsanalyse, bei dem Affekt-Kategorien anhand unterschiedlicher Gesichtsmotorik verglichen werden. Das Verfahren dient u.a. dem Nachweis von Universalien beim Gesichtsausdruck (-»Mimik). Fatalismus Vorstellung, dass alles Geschehen vorherbestimmt und vom Individuum nicht zu ändern sei. Eine solche Anschauung kann über bestimmte Sozialisationsstile (fatalism) entwickelt werden. Das kollektive Auftreten von F. erfolgt häufig durch religiöse Weltanschauungen (z.B. Prädestinationslehre). F. kann auch als Ergebnis gelernter -* Hilflosigkeit in Erscheinung treten, wenn das Individuum wiederholt und dauerhaft erlebt hat, dass eigene Aktivitäten zu nichts führen (-* Kontrolle, kognizierte -* Kontrollüberzeugung). Fatalisten sind ->• externals, d.h. sie glauben schick166
salhaft, dass alles durch äußere Faktoren bestimmt werde. Faulheit, soziale (social loafing) Ein von LATAN£ et al. beobachtetes Gruppenphänomen, das bei einigen der Beteiligten zu einem Motivationsverlust führt. Der einzelne kann sich dann mit seiner geringeren Leistung hinter der Gruppe "verstecken". Möglicherweise bestehen zwei Submotive: ein free-rider-Effekt (soziales -* Dilemma), indem Individuen ihre Beiträge reduzieren, weil sie annehmen, auch ohne wesentlichen eigenen Beitrag in den Genuss des Gruppenvorteils zu gelangen; ein "sucker-efifect", indem man befurchtet, in der Gruppensituation ausgenutzt zu werden. Es liegen Forschungsergebnisse vor, unter welchen Bedingungen F. vermehrt auftritt und durch welche Maßnahmen sie beseitigt werden kann. Insbesondere dürfte von Bedeutung sein, dass das Individuum "Instrumentalität" (-»Instrumentalitätstheorie) zwischen der eigenen Leistung und der Gruppenleistung, zwischen Gruppenleistung und den prinzipiell erreichbaren Ergebnissen der Gruppe sowie zwischen den Gruppenresultaten und den eigenen Ergebnissen herstellt. So wird z.B. hohe Zielvalenz F. verdrängen. Auch dürfte eine Tendenz zur sozialen -*• Identität den Beitrag des Einzelnen zum Gruppenerfolg fördern. Als Wege, das F.-Phänomen abzuwenden, werden diskutiert: (a) die Mitarbeiterleistung identifizierbar machen, so dass Zurechnungsmöglichkeiten bestehen und
Fazit-Tendenz
der Einzelne mit seiner Leistung nicht anonym bleibt; (b) das Ausmaß des Involvement in die Aufgabe erhöhen; (c) die Gruppenmitglieder entsprechend ihrem Beitrag zum Gruppenergebnis belohnen; (d) Bestrafung androhen für alle Fälle, in denen das Gruppenmitglied einen bestimmten Standard unterschreitet oder nicht genügend im Sinne des Gruppenziels investiert. Fazit-Tendenz In der volitionalen Motivationstheorie HECKHAUSENS ( - » Volition) der Abschluss der dezisionalen Phase, also das Ende der Entscheidungsbildung (-> Fiat-Tendenz). Das Individuum steht unter dem Eindruck, alle Vorund Nachteile eines bestimmten Handelns in ausreichendem Maße erwogen und eine definitive Intention entwickelt zu haben. Feedback Begriff der Kybernetik (Rückkoppelung). Der Begriff wird sp in verschiedenen Kontexten verwendet: (I) Im Bereich sozialer -* Interaktion, wobei F. jede Art von Gegenverhalten bedeutet, das rückmeldend zum Ausgangsverhalten erfolgt. (II) Im Bereich sozialer -*• Kommunikation, wobei Rückmeldungen bei der Informationsaufnahme bzw. Einstellungsänderung bestehen. (III) Im Bereich sozialen -* Lernens, insbesondere i.R. einfacher oder kognitiv erweiterter Formen des instrumentellen Lernens, wobei der Lernerfolg die Rückmeldung bedeutet, was zur -* Verstärkung führt.
Feindseligkeit
(IV) Im Rahmen des -+TOTE-M0dells, in dem Rückmeldungen über Diskrepanzen zwischen Ist- und Sollwerten zu Korrekturen führen. (V)Im Bereich der Arbeitspsychologie Rückmeldungen über Leistungsergebnisse, etwa im Rahmen der -> Zielsetzungstheorie. Unterschieden wird zwischen Ergebnis-F. und Prozess-F. (letzteres meint: Informationen über das Einschlagen des richtigen Weges). Fehl-Attribution (von Erregung) Eine Erregung kann in Abhängigkeit von der —• Salienz der Erregungsquelle auch irrtümlich anderen Quellen zugeschrieben und damit fehlinterpretiert werden (-» Erregungsübertragung). Der Begriff F. ist abzugrenzen vom Terminus -»Attributionsfehler. Fehlzeiten Abwesenheit vom Arbeitsplatz. Neben vielen anderen Gründen wird geringe -* Arbeitszufriedenheit oder schlechtes -* Organisationsklima für F. verantwortlich gemacht. In manchen Untersuchungen fungieren F. auch als Indikator geringer Arbeitszufriedenheit. Feindseligkeit (I) LR. der Sozialisationsforschung (-»Sozialisation) eine Dimension möglicher -* Sozialisationsstile (Gegensatz: „warm" und „fürsorglich"). Ein solcher Stil wird hauptsächlich gegenüber unerwünschten Kindern praktiziert und legt den Keim zu sozialen Defiziten, auch im Hinblick auf abweichendes Verhalten. (II) F. kennzeichnet i.R. von -* Gefangenen-Dilemma-Situationea. eine bestimmte Form der -»• Diskriminierung, die durch die Verfolgung ma167
Feinfühligkeit
ximalen eigenen Nutzens, maximaler relativer Unterschiede und durch ein minimales Ergebnis für den Gegner gekennzeichnet ist. Die Reihenfolge dieser Strategien repräsentiert steigende F., weil ein minimales Ergebnis für den Gegner bedeutet, dass man anderen Schaden zufügen will, gleich, was es den Akteur selbst kostet. F. findet sich auf der Individual- wie auch auf der Kollektiv-Ebene (z.B. verfeindete Nationen). (III) ->• Autistische F. bedeutet einen Abbruch der Kommunikation und macht die Wiederaufnahme von sozialen Beziehungen unwahrscheinlich.
Feinfühligkeit Bedeutet i.R. der Bindungsforschung (Bindungstheorie) die Fähigkeit von Bindungspersonen, sich in die Lage des Kindes versetzen zu können. Nach AINSWORTH beinhaltet das Konzept: (a) die Signale des Kindes wahrzunehmen; (b) sie richtig zu interpretieren; (c) direkt und angemessen darauf zu reagieren. Zwischen F. und Bindungsqualität besteht ein deutlicher Zusammenhang.
Feldabhängigkeit Kognitive Stile unterscheiden sich u.a. im Ausmaß der F. Feldabhängige Pn sind nur begrenzt in der Lage, die Komponenten eines Reizmusters analytisch klar und isoliert wahrzunehmen; sie lassen sich durch den Gesamteindruck und vom jeweiligen Kontext stark beeinflussen. Pn mit feldabhängiger Wahrnehmung durchmischen auch Gefühle und Gedanken und neigen zu undifferenzierten Formen der Informationsverarbeitung. 168
Fertigkeit
Feldexperiment Form des Experiments, das unter wirklichen Lebensbedingungen durchgeführt wird, gleichwohl aber versucht, die einzelnen Bedingungen zu kontrollieren. F. haben größere externe -* Validität zu Lasten interner Validität. Berühmte sp Feldexperimente sind: das Ferienlager-Experiment von SHERIF ( - * E x p . 30), LEWINS Experi-
mente über unterschiedliche Führungsstile, die HAWTHORNE-Experimente von MAYO, das Gefängnis-Experiment von ZLMBARDO (-> Exp.
32).
Ferienlager-Experiment Exp. 30
Feldtheorie Ein von LEWIN konzipiertes Paradigma zur Erfassung motivationaler und sp Sachverhalte, das Grundideen aus der Physik und der (topologischen) Mathematik aufgreift. Dieser Ansatz wurde später in Form einer Vektor-Psychologie dargestellt, die als Grundelemente Ansatz, Richtung und Stärke enthält. Die Hauptdeterminante der psychischen Kraft (Motivation) ist die Valenz (Aufforderungscharakter eines Objekts). Weitere Determinanten sind Distanz zum Zielobjekt sowie die Spannung (Bedürfiiis). Die F. hat die allgemeine Psychologie sowie die SP vielfältig befruchtet. Ihr vorwiegend metaphorischer Zuschnitt hat allerdings vielfach die direkte empirische Umsetzung verhindert.
Fertigkeit (I) Allgemein: Im Gegensatz zur Fähigkeit eine bestimmte Leistung, die sich vor dem Hintergrund aufgabenübergreifender Fähigkeiten durch Übung herausbildet.
Filter-Modell
Fiat-Tendenz
(II) Soziale F: ARGYLE hat ein Modell entwickelt, das zu beschreiben sucht, wie man in sozialen Beziehungen zu erfolgreichen Ergebnissen kommt (-> Kompetenz, soziale). Das Modell geht von Motiven/Plänen aus, die in Verhalten umgesetzt werden, wobei die durch das Verhalten bewirkte Änderung der Umwelt im Rahmen eines Vergleichsprozesses (Soll/Ist) mit den Motiven/Plänen konfrontiert wird, so dass diese Rückmeldung dann zu Korrekturen Anlass gibt. Erfolgreiche Feed-back-Prozesse sind nur möglich durch Wahrnehmungsgenauigkeit und Interpretationsangemessenheit (-»Empathie -* Rollenübernahme). ARGYLE unterscheidet nach sozialer Kompetenz (Beherrschung der Prinzipien und Regeln des sozialen Verhaltens) und Performance (die aktuelle Umsetzung in faktisches Verhalten). Das Modell ähnelt sehr stark dem -*TOTE-Modell von MILLER et al. und dürfte auch aus elementaren lernpsychologischen Annahmen abgeleitet werden können. Allerdings leistet das Modell heuristische Hilfe bei der Analyse sozialer F., so dass es zur Grundlage besonderer Trainingsformen geworden ist (social skills training), z.B. für erfolgreiche Verhandlungsfuhrung. Fiat-Tendenz In der volitionalen Motivationstheorie HECKHAUSENS {-* Volition) die Bereitschaft, einen Entschluss in Handeln umzusetzen. Sie wird im Wesentlichen durch das Gewicht der Intention und durch die Günstigkeit der Situation für die Realisierung der jeweiligen Intention beeinflusst.
Figur-Grund-Effekt Unterscheidung zwischen Vordergrund und Hintergrund i.R. der Wahrnehmung. Dabei wird die Figur dinghaft wahrgenommen, während der Grund eine einheitliche Struktur darstellt, von der sich die Figur abhebt. Bei Prozessen der -» Informationsverarbeitung erfahrt die Figur mehr Salienz. Saliente Objekte haben stärkeren Einfluss auf die Wahrnehmung und daran anschließende kognitive Prozesse. Auch wird ihnen ein deutlicher kausaler Einfluss (-• Attribution) zugeschrieben. Filter-Modell (I) Mehrspeichertheorie (von BROADBENT) mit der Annahme einer begrenzten Aufmerksamkeitskapazität, so dass zwischen Kurzzeitspeicher und Verarbeitungsmechanismus ein Filter eingeschaltet werden muss, der eine selektive Hemmung irrelevanter Informationen bewirkt. (II) Nach ELSTER wird Handeln als Resultat zweier Filterprozesse aufgefasst. Ein erster Filter besteht aus Restriktionen, die aus der Menge aller Verhaltensalternativen die Teilmenge ausführbarer Alternativen herausfiltern. Der zweite Filtermechanismus besteht aus dem Wahlakt, durch entsprechendes Verhalten eine optimale Kombination der Ziele zu erreichen (-»Rational Choice). (III) Moralische Verpflichtungen (i.S. internalisierter sozialer -* Normen) können im Ausmaß der -* Internalisierung als Filter angesehen werden, die sich dem rationalen Kalkül entziehen. Das Paradigma der Unbedingtheit sozialer Normen besagt insofern, 169
Finanzpsychologie
dass P sich auch dann den moralischen Geboten verpflichtet fühlt, wenn normabweichendes Verhalten außerordentlich belohnend sein würde (Bsp.: P bleibt unbestechlich, auch wenn die Bestechungssumme verdoppelt wird). Finanzpsychologie Teildisziplin der WP, im weitesten Sinne identisch mit einer Psychologie des -» Geldes. Das Fach ist z.T. noch recht heterogen; die folgenden Themenbereiche zeichnen sich ab: (a) Psychologie des Geldwertes: Geld als generalisierter Verstärker, Geldform und Wertschätzung, Geld als Austauschmedium, Inflation, Einfuhrung neuer Währungen usw.; (b) Geldsozialisation: Entwicklung der Einstellungen zum Geld, Ausgabe- und Sparverhalten, Fähigkeiten zum "Haushalten"; (c) Psychologie des Einkommens: Bedeutung von Einkommen und Bezahlung, Kontext des Einkommens, Einkommensvergleiche; (d) Psychologie der Besteuerung (taxation psychology): Steuerbelastungsgefiihl, Steuermerklichkeit, Steuermoral, Steuerwiderstände; (e) Psychologie des Sparens und des Geldanlegens: Sparziele und Sparmotive, Wandel der Sparmentalität, Sparen und Erwartungen, Kreditaufnahme und Verschuldung; (f) Risiko- und Geldanlage: Risikoneigung und Risikoaversion, Spekulation und Börse, -* Behavioral Finance (die Rolle kognitiver Täuschungen und -* Heuristiken im Anlagebereich).
170
FLSHBEIN-Modell Lit.: ELFFERS, H . (1991). Income tax eva-
sion. Theory and measurement. Amsterdam. FISCHER, L. et al. (Hg.) (1999). Finanzpsy-
chologie. München, Wien. GOLDBERG, J. & NITZSCH, R.V. (1999). Behavioral finance -
Gewinnen
mit
Kompetenz.
München.
KIRCHLER, E. ( 2 1999). Wirtschaftspsycho-
logie. Göttingen u.a. LEA, S.E.G. et al. (1987). The individual in the economy. A textbook of economic psychology. Cambridge. LEWIS, A. (1982). T h e psychology of taxation. Oxford. LINDGREN, H . C . (1991).
The psychology of money. Malabar/FL. NITSCH, R.V. & FRIEDRICH, C . (1999). Ent-
scheidungen in Finanzmärkten. Psychologische Grundlagen. Aachen. WÄRNERYD, K.E. (1999). The psychology of saving. A study on economic psychology. Cheltenham, Northampton. WISWEDE, G. ( 2 1996). Psy-
chologie im Wirtschaftsleben. Geld, Kunden und Mitarbeiter aus psyhologischer Sicht. Stuttgart.
FlSHBEIN-Modell Das F. bezeichnet zunächst ein Messverfahren, enthält jedoch auch Elemente einer Theorie (->• überlegtes Verhalten -* geplantes Verhalten). Das Modell enthält zwei Variablen: (a) beliefs, d.h. Überzeugungen oder Hypothesen des Individuums über das Vorliegen von Tatbeständen, und zwar entweder bezogen auf ein Objekt (die Wahrscheinlichkeit, dass das Objekt O das Attribut A hat) bzw. bezogen auf ein Verhalten (die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten B zu bestimmten Konsequenzen C fuhrt); (b) values, d.h. die Intensität, mit der A oder C als schlecht/gut bzw. hoch/niedrig bewertet werden. Das F. wird vielfach im Rahmen der Produktpsychologie zur Messung von Einstellungen verwendet.
Fit-Modell
Fit-Modell Grundgedanke einer Entsprechung (Anpassung, Abstimmung) zwischen Merkmalen der P und bestimmten Umweltvariablen (person-environment-fit). Als abhängige Variablen fungieren meist: Wahlverhalten (z.B. Berufswahl), Zufriedenheit oder Stress. F. finden sich dabei insbesondere in folgenden Kontexten: (I)I.R. der Berufspsychologie als Ausmaß der Entsprechung von Selbstkonzept und Berufsbild. (II) LR. der Arbeitspsychologie entweder als Fit zwischen Fähigkeiten und Aufgabe oder als Ineinandergreifen bestimmter motivationaler Dispositionen mit Aspekten des Arbeitsinhalts. (III) LR. der Stressforschung tritt -> Stress (nach HARRISON) immer dann auf, wenn zwischen Environment und Person (insbesondere deren Fähigkeiten und Fertigkeiten) ein Misfit besteht. (IV) LR. der -> Organisationspsychologie als Kontingenz zwischen internem System und der Umwelt (z.B. den Marktbedingungen) einer Organisation. Flow Sonderfall der intrinsischen -* Motivation, nämlich reflexionsireies Aufgehen in einer Tätigkeit, die man trotz hoher Anforderungen unter Kontrolle hat. Die Konzentration erfolgt ohne willentliche Anstrengung. Ferner ist das Zeitgefühl beeinträchtigt: Der Mensch ist selbstvergessen und geht völlig in seiner Tätigkeit auf. Typische Beispiele: Klettern im Fels, Motorrad-
Foot in the door-Taktik
fahren, Selbstvergessenheit des Erfinders oder des Künstlers. Nach CSIKSZENTMIHALYI betrifft F. keinen exotischen Ausnahmefall, sondern vollzieht sich immer dann, wenn P innerhalb eines F.-Kanals (keine Unterforderung, keine Überforderung) in seiner Tätigkeit aufgeht (z.B. bei ComputerTätigkeiten). Das F.-Erleben führt oftmals zu erstaunlichen Leistungsergebnissen, jedoch kann keineswegs unterstellt werden, dass die Selbstvergessenheit des F. immer auch zielführende Handlungen begünstigt und dem Interesse der Organisation dient. Flucht Aktive Abwendung von einem aversiven Reiz. F.-Lernen ist eine Form der instrumentellen Konditionierung; verstärkend wirkt hierbei die Beendigung des Strafreizes durch das F.Verhalten. In der -* Reaktanztheorie ist F. (als abhängige Variable) eine von mehreren möglichen Reaktionen, um gefährdete Freiheit zu suchen oder aufrecht zu erhalten. Fluktuation Wechsel des Arbeitspersonals aufgrund des Ausscheidens oder aufgrund von Kündigungen. Eine hohe F.-Rate ist im Allgemeinen nicht erwünscht und mit erheblichen Kosten verbunden. Die F.-Rate ist abhängig von der -* Arbeitszufriedenheit, vom durchschnittlichen Alter des Personals und von der Wahrscheinlichkeit, Altemativ-Positionen zu finden (-» Vergleichsniveau für Alternativen). Foot in the door-Taktik Diese Taktik (FREEDMAN & FRÄSER) setzt hochgespannte Ziele damit durch, dass zunächst kleine Ziele oder 171
Forbidden-toy-Paradlgma
Wünsche geäußert werden, die dann als Einstieg in die Akzeptanz weiter gesteckter Ziele dienen können. Es geht also darum, wie man eine P dazu bewegen kann, etwas zu tun, das sie eigentlich nicht beabsichtigt, ohne dabei sozialen Druck auszuüben. Die Autoren gingen von der Annahme aus, dass eine P, die einmal bei einem kleinen Anliegen zur Einwilligung bewegt werden konnte, mit umso größerer Wahrscheinlichkeit auch bei einem nachfolgend geäußerten größeren Wunsch Folge leisten wird (-»Commitment). Umgangssprachlich spricht man in einem ähnlichen Sinn von Salami-Taktik: wenig erbitten und dann allmählich die Wünsche erweitern. Diese Taktik steht damit im Gegensatz zu einer anderen Strategie: viel fordern und dann konzessionieren (-» Door in the face-Taktik).
Framing
schaft eingeführt. Bis heute bleibt die begriffliche Verwendung uneinheitlich. Mindestens die folgenden vier Kontexte lassen sich unterscheiden: (I)I.R. der Forschungen zur künstlichen Intelligenz verwendet MINSKY den Begriff als spezielle Ausformung des -* Schema- bzw. Skript-Konzepts. (II) I.R. des -> Rational-Choice-Ansatzes bedeutet F., welche Aspekte einer Situation wahrgenommen und welche Aspekte vernachlässigt werden. Ein F. besteht nach dieser Auffassung aus einem dominanten Ziel, welches das Handeln bestimmt, sowie einer Reihe von Hintergrundzielen, die die Intensität verstärken oder abschwächen, mit der Pn dieses dominante Ziel verfolgen. (III) Bei KAHNEMAN & TVERSKY be-
Forbidden-toy-Paradigma F. besagt, dass Kinder ein zuvor untersagtes Spielzeug nach Androhung einer niedrigeren Strafe stärker abwerten als nach Androhung einer hohen Strafe (-» Dissonanztheorie). Forced compliance Eine P wird nachdrücklich dazu gebracht, eine Meinung zu vertreten, die von der tatsächlichen Einstellung abweicht. Auf diese Weise wird kognitive -* Dissonanz erzeugt (-• Einstellungskonträres Verhalten). Frame of reference Bezugssystem, Bezugsrahmen (—• Framing). Framing Der Begriff F. wurde erstmals in den 30er Jahren in die Verhaltenswissen172
zeichnet F. eine Art Anomalie bzw. eine kognitive -* Täuschung. Danach sind Entscheidungen über Sachverhalte u.a. von der Art und Weise abhängig, wie sie dargestellt werden (z.B. ob Verluste als entgangene Gewinne dargestellt werden, ob man von Beschäftigtenquote oder von Arbeitslosenrate spricht oder ob man bei der Darstellung von Therapiealternativen von Sterberaten oder von Überlebenschancen ausgeht). Verlust- bzw. Gewinn-F. sind i.R. der Prospect theory darstellbar. (IV) Nach GOFFMAN kann F. als Interpretationsschema (-• Schema) angesehen werden, das sicherstellen soll, sich in der Umwelt zurechtzufinden und ihr „Sinn" zu verleihen (ähnlich die Konzeption „innerer Bilder"). Mit Hilfe dieser F. erfolgt nach GOFFMAN eine
Freiwilligkeit
Free-Rider-Verhalten
psychische Konstruktion der Wirklichkeit (—• Konstruktivismus). Free-Rider-Verhalten ma, soziales
Dilem-
Freiheit Das psychische Gefühl von F. wird meist als Abwesenheit von Zwängen, Restriktionen oder sozialer Kontrolle erlebt. Ob Freiheit auch als Abwesenheit von Bindungen oder verpflichtenden Normen betrachtet werden kann, ist zumindest zweifelhaft; ähnlich ASCHS Verwendung von F. als Gegenbegriff von Konformität. Auf eher philosophischer Ebene wird zwischen objektiver und subjektiver F. unterschieden; Psychologen sind vor allem an letzterer interessiert. Ferner spricht man gelegentlich von Handlungsfreiheit und Willensfreiheit (-» Volition). STEINER unterscheidet zwischen Ergebnisfreiheit und Entscheidungsfreiheit. Erstere bezieht sich auf die Qualität von Gütern, gepaart mit der Wahrscheinlichkeit, über diese Güter verfügen zu können. Entscheidungsfreiheit bezieht sich darauf, ob man selbst zwischen Ergebnissen bzw. Verhaltensweisen wählen kann (oder ob P den Anweisungen/Befehlen Anderer Folge leisten muss). Aus lerntheoretischer Sicht ist F. ein Verstärker. Dies impliziert, dass das Erleben von F. sowie die Wahrnehmung spezifischer Folgen von F. als belohnend empfunden werden, F.Verlust dagegen als aversiver Reiz in Erscheinung tritt. Allerdings ist anzunehmen, dass F. sowie die Konsequenzen der F. auch negative Aspekte aufweisen können, weil und insofern F. mit Unsicherheit und Konflikt verbun-
den ist. So wird insbesondere bei solchen Pn, die bisher in weitgehender Unfreiheit gelebt haben (z.B. einen restriktiven Sozialisationsstil oder einen autokratischen Führungsstil gewohnt waren), das plötzliche Auftreten von F. (zumindest zunächst) als Strafreiz wirken und möglicherweise Unsicherheit und Stress auslösen. Sind jedoch mit F. - wie zumeist - positive Konsequenzen verbunden, werden Individuen dazu neigen, F. zu verteidigen und auf tatsächlichen oder vermeintlichen oder erwarteten F.Verlust bzw. F.-Einschränkung entsprechend abwehrend zu reagieren. Dies ist das Thema der -* Reaktanztheorie.
Freiwilligendilemma Sonderform einer sozialen Falle (—• Dilemma, soziales). Dabei muss mindestens eine P freiwillig ein aversives Verhalten durchführen, um ein negatives Ergebnis für die ganze Gruppe zu verhindern (-> Solidarität —• prosoziales Verhalten). Freiwilligkeit -»• Freiheit Das Treffen einer —• Entscheidung oder die Aufnahme bzw. das Beibehalten einer Tätigkeit, ohne dazu von externen Instanzen oder Pn gezwungen, aufgefordert oder veranlasst zu sein (-> Commitment —• Dissonanz, kognitive). Dieser Aspekt spielt auch im Kontext von Arbeit und Organisation eine besondere Rolle (BIERHOFF spricht bspw. von Engagement aus freien Stücken; bei NERDINGER ist F. hinsichtlich des Extra-Rollenverhaltens von Bedeutung) und ist für das Konzept des -> Organizational citizenship 173
Freizeit
behavior konstitutiv. Gleiches gilt für F. im Rahmen des -»• prosozialen Verhaltens (z.B. Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit).
Freizeit Eine spezifische Tradition einer SP der F. besteht nicht; die Freizeitforschung bietet ein weitgehend interdisziplinäres Bild, wobei die F.-Pädagogik und die F.-Soziologie die dominierende Rolle spielen. Wichtige Themenbereiche sind z.B.: (a) Subjektive „Definition" von F.: Was definieren Individuen als F.? (b) Veränderung von Quantität und Qualität von F., damit verbunden ein Wandel des F.-Erlebens; (c) Beziehungen und Interdependenzen zwischen F.- und Arbeitsbereich; (d) Einfluss des Wertewandels auf die Präferenzen im F.-Bereich; (e) Beziehungen zwischen F. und Kommunikationsverhalten; (f) Nutzungs- und Verwendungsanalysen (z.B. bestimmter Medien); (g) Welche F.-Aktivitäten finden im sozialen Kontext statt und wie werden diese erlebt? (h) Wie weit geht die soziale Kontrolle der F.? In welchen Formen werden Fremdbestimmung und Selbstbestimmung im F.-Bereich erlebt? Die F.-Forschung ist empirisch gut dokumentiert, theoretisch jedoch unterentwickelt.
Fremdbild Bild oder Konzept, das man sich von einer anderen P oder einer anderen Gruppe macht (-• Identität, soziale —> Vorurteile, soziale). 174
Freundschaft
Fremdgruppe Gruppe, der man nicht angehört. Es besteht eine Tendenz, F. als homogene Einheiten zu sehen, während die Eigengruppe individualisiert wahrgenommen wird (F.-Homogenitäts-Effekt). Das Verhältnis zu F. ist u.a. Gegenstand der sozialen -*• Identitätstheorie.
Frequency validity-Effekt Häufigkeitsbewertungs-Effekt. Er besagt, dass die Wiederholung einer Aussage das Vertrauen (Konfidenz) in ihre Wahrheit steigert („Je öfter, desto wahrer").
Freude Nach IZARD eine fundamentale —> Emotion, die durch besondere —• Zufriedenheit gekennzeichnet ist. EKMAN untersucht universelle MimikElemente (wie Lachen oder Lächeln), die eindeutig als F. identifizierbar sind. F. spielt in der Emotionstheorie WEINERS eine zentrale Rolle, hier v.a. als ergebnisabhängige Emotion, die nur in Ausnahmefallen einer attributionalen Deutung bedarf.
Freundschaft Typ einer sozialen -* Beziehung, die durch -> Intimität, -* Selbstöffhung, Tiefgang, positive Gefühle, Hilfsbereitschaft, Loyalität, Vertrauen, -* Freiwilligkeit der Wahl (gelegentlich jedoch auch durch Neidgefühle) gekennzeichnet ist. F. ist abzugrenzen von Verwandtschaftsbeziehungen (einschließlich ehelicher Beziehungen) sowie instrumentellen Kontakten (z.B. geschäftlichen Interaktionen, Nachbarschaftsbeziehungen). Jedoch
Freundschaft
können aus instrumenteilen Beziehungen F.-Beziehungen erwachsen. Einige Aspekte der F. können aus dem Studium interpersoneller Beziehungen (-• Attraktion, -* Sympathie und ->• Liebe) erschlossen und generalisiert werden. F. ist jedoch in aller Regel gleichgeschlechtlich und enthält meist keine erotische (sexuelle) Komponente. Freundschaften, die in der Kindheit geschlossen werden, sind häufig von erheblicher Dauer und setzen sich oftmals im Erwachsenenalter fort. Im fortgeschrittenen Alter hinzukommende Bekanntschaften oder F. sind vielfach oberflächlicher und eher von Gedanken der Reziprozität getragen, während bei der F. die Balance zwischen Belohnungen und Kosten eher auf Langfristigkeit angelegt ist (geringe Austauschorientierung). Dadurch, dass F. auf eigener Wahl beruhen, erwächst ein hohes Maß an Commitment, auch wenn vorübergehend oder dauerhaft die Austauschbilanz ungünstig ist. Vielfach wird betont, dass männliche F. tiefergehender und dauerhafter sind. (Größere Dauerhaftigkeit kann jedoch z.T. durch unterschiedliche Mobilität erklärt werden). Männliche F. sind überdies eher aktivitätsfokussiert, weibliche F. eher emotionsfokussiert (ASHER & GOTTMAN, 1 9 8 1 ) .
F. entstehen auf der Basis einer gewissen sozialen -*Ähnlichkeit (Homogenität, gelegentlich auch -»Komplementarität), wobei gemeint sein kann: Ähnlichkeit der Persönlichkeitszüge, der Einstellungen, Wertvorstellungen und Interessen, jedoch auch die Gemeinsamkeit der Situation (z.B. gemeinsame Schulzeit). Aus eher struk-
Frustrations-Aggressions-Hypothese
turalistischer (soziologischer) Sicht lässt sich auch die Frage thematisieren, inwieweit F.-Netzwerke existieren, wobei als Variablen interessieren: Größe dieser Netzwerke, Statusstruktur, Densität (das Ausmaß, in dem Freunde von Pn auch untereinander befreundet sind) sowie Zentralität (i.S. einer soziometrischen Struktur). Lit.: ASHER, S . R . & GOTTMAN, J . (1981).
The development of childrens' friendships. N e w York. AUHAGEN, A.E. (1991). Freund-
schaft im Alltag. Eine Untersuchung mit dem Doppeltagebuch. Bern. BLIESZNER, R. & ADAMS, R . G . ( 1 9 9 2 ) . F r i e n d s h i p . N e w b u r y P a r k / C A . REIS, H . T . ( 1 9 9 9 ) . F r i e n d s h i p . In:
Manstead, S.R. & Hewstone, M. et al. The Blackwell Gncyclopedia of Social Psychologe Oxford/UK. 250-252.
Frustration Erwartungsversagung. P hat bestimmte Wünsche, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfüllt werden. F. ist die Antwort auf die Nichterfüllung (enttäuschte antizipative -* Erwartungen). Der Begriff konvergiert mit -* Reaktanz sowie mit relativer sozialer Deprivation, letztere als Erlebnis einer tatsächlichen oder vermeintlichen Benachteiligung. Frustrations-Aggressions-Hypothese Die Annahme, dass Frustration stets zu Aggression führt und dass Aggression immer das Ergebnis von Frustration ist. Beide Vorstellungen sind empirisch widerlegt, allerdings bestehen deutliche Korrelationen zwischen beiden Sachverhalten (-> Aggression Aggressionstheorien, Neo-Assoziationismus, kognitiver).
175
Frustrationstoleranz
Frustrationstoleranz Fähigkeit, mit Enttäuschungen fertig zu werden bzw. diese Enttäuschungen über eine längere Zeitspanne hinweg auszuhalten. F-Skala Faschismus-Skala, eine von ADORNO et al. entwickelte LIKERT-Skala (—> Einstellungsmessung) zur Messung autoritärer Verhaltensweisen (v.a. auch antisemitischer Einstellungen). Die Skala ist umstritten (-> Dogmatismus -* Autoritarismus); sie dürfte eher konservatives Bewusstsein widerspiegeln. Führung —• Führungstheorien (1) Begriff: F. meint zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung von Aufgaben in mehr oder weniger strukturierten Aufgabensituationen (so etwa KIESER et al. 1995). Das entscheidende Agens von F. ist demnach zielorientiertes Handeln. Hierbei stützt sich der Führende auf verschiedene —• Machtgrundlagen (insbesondere Expertenmacht). (2) Unterscheidungen: Die SP hat sich zunächst mit Aspekten der Führung in ad hoc zusammengestellten aufgabenorientierten Kleingruppen beschäftigt. Zwei Forschungstraditionen sind hierbei zu unterscheiden: die Kleingruppenforschung in der Tradition von BALES, die sich insbesondere mit der Frage der emergenten Entstehung sowohl eines instrumentellen wie auch eines sozioemotionalen Führers beschäftigte; sodann die F.-Forschung im Gefolge LEWINS (die sich eigentlich mit Sozialisationsstilen befasste) und dort die Unterschiede zwischen einem autokrati176
Führung
schen, einem demokratischen und einem „laissez-faire"-Führungsstil im Hinblick auf Leistung und Zufriedenheit untersuchte. Die F.-Forschung beschäftigte sich sodann mit F. in Organisationen und wurde insofern ein Gebiet der Organisationspsychologie, die in mehr oder weniger starker Anbindung an die sp Tradition entstand. Aspekte der F. werden hier unter besonderen organisationalen Randbedingungen studiert, wobei Aufgaben der Personalfuhrung in den Vordergrund rückten. LR. von Management-Aktivitäten ist Personal-F. nur ein Teil des Aufgabenspektrums von F.-Kräften (vgl. MACCOBY, MINTZBERG).
Die
besonderen Randbedingungen der organisationalen F. (im Gegensatz zu F. in ad hoc zusammengestellten Experimentalgruppen) sind u.a.: eine stärker strukturierte Situation, hohe Regeldichte, weitgehende Formalisierung von Abläufen mit starker Fixierung von Positionen und Rollenanforderungen. Ferner ist zwischen „headship" und „leadership" zu unterscheiden. Für ersteres ist entscheidend, dass P Inhaber einer bestimmten Position und kraft „Amtes" mit spezifischen Anordnungsbefugnissen ausgestattet ist. Leadership meint jedoch die Menge der faktischen F.-Aktivitäten einer P, teilweise unabhängig davon, welche Position P i.R. der Organisation hierarchisch innehat. Der Begriff Leadership macht auch deutlich, dass in Organisationen F. partikelweise in der gesamten Hierarchie aufzufinden ist (Dispersion von F.).
Fflhrungselgenschaften
Führung, situative
(3) Funktionen der F.: Zunächst lassen sich externe und interne Funktionen unterscheiden. Letztere sind z.B. Interessenvertretung nach außen, Repräsentation. Hinsichtlich interner Funktionen wird häufig auf eine Unterscheidung von LEWIN zurück-
gegriffen: Lokomotion (Zielorientierung, Aufgabenerfüllung, Motivation, instrumenteile F.) vs. Kohäsion (Mitarbeiterorientierung, Pflege sozialer Beziehungen, Förderung des Gruppenklimas, Schaffung von WirGefühl). Die Lokomotionsfunktion kann beliebig spezifiziert werden; entsprechende Funktionsbeschreibungen finden sich in der Management-Literatur. (4) F. im gesellschaftlichen Bewusstsein: Zwei entgegengesetzte Positionen kennzeichnen F. einerseits als „notwendig" und unumstößlich, andererseits als verzichtbar und entbehrlich. Im erstgenannten Fall stützt man sich auf die Vorstellung, dass Menschen der F. bedürfen und dass sich auch im Falle ad hoc zusammengestellter Gruppen F. stets etabliere. Im zweiten Fall orientiert man sich an funktionalen Äquivalenten zur F. (-* Substitutionstheorie). Lit.: CHEMERS, M . M . & AYMAN, R . (eds.)
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KIESER,
A.
et
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(1987/21995). Handwörterbuch der Führung. Stuttgart. NEUBERGER, O. ( 7 2002). Führen
und FQhrenlassen. Stuttgart. WIENDIECK, G. & WISWEDE, G . (Hg.) ( 2 1991). Führung i m
Wandel. Stuttgart. YUKL, G. ( 5 2002). Lea-
dership in organizations. Upper Saddle River.
Führung, situative -»•Führungstheorien
Führung, symbolische Verweist auf den Umstand, dass einzelne Führungsakte oder Führung als Ganzes bestimmte „Bedeutungen" haben, die das faktische Führungsverhalten transzendieren (symbolische Nebenwirkung der Führung). Etwas überspannte Ansätze betonen, dass das gesamte Führungsgeschehen lediglich von symbolischer Bedeutung, d.h. nur über Symbole vermittelbar sei (-»• Impression management). Führung, systemische Das Konzept der F. betont die Einbettung des Führungsgeschehens in komlexe Zusammenhänge. Normativ verstanden bedeutet dies, dass Führungspersonen die Interdependenz des organisationalen Kontexts in ihre Handlungen einbeziehen und auch die komplexe Wirkungsweise der Steuerungselemente in Rechnung stellen müssen. Führungsduale ~> Führungsrollen Führungseigenschaften Die eigenschaftstheoretische Variante der Führungsforschimg suchte lange Zeit nach den charakteristischen Merkmalen oder Eigenschaften von Führern, die diese angeblich von Nicht-Führern unterscheiden sollten. Insgesamt war diesem Forschungsansatz jedoch wenig Erfolg beschieden; allenfalls wurde sichtbar, dass die Koppelung von -* Persönlichkeitsmerkmalen mit bestimmten Situationsklassen zu tragfahigeren Ergebnissen führte. Neuere -* Meta-Analysen sind hier z.T. hoffnungsvoll. Besondere Beachtung hat neuerdings auch das Konstrukt der „kognitiven 177
Fflhrungsstile
Führungselgenschaften
Komplexität" gefunden, das auf die Suche und Verwendung zahlreicher unterschiedlicher Informationen für das Fällen von Entscheidungen zielt. Gleiches gilt für das Konstrukt soziale Kompetenz, das ein Syndrom verschiedenster dispositionaler und erlernter Komponenten umfasst, die situationsspezifisch greifen und insofern nicht mehr eindeutig als Persönlichkeitsmerkmal bezeichnet werden können. Andere Überlegungen sind attributionstheoretischer Art (-* Führungstheorien). Hier geht man davon aus, dass Führungspersonen aufgrund von Verhaltensbeobachtungen und entsprechenden Rückschlüssen bestimmte Eigenschaften oder Merkmale attribuiert werden (-* Attributionstheorien), die als kausal relevant für ein bestimmtes Führungsverhalten bzw. für Führungserfolg angesehen werden. Im Zwischenfeld von Eigenschaftstheorie und Attributionstheorie sind Vorstellungen von -* charismatischen Führern sowie von transformationalen Führern angesiedelt. Diese zeichnen sich durch ein besonderes Sendungsbewusstsein aus, durch die Fähigkeit, Visionen zu artikulieren und durchzusetzen. Solche Führungsfiguren strahlen Charisma, Inspiration und intellektuelle Stimulierung aus, die insbesondere in Aufbruch- und Umbruchsituationen von Bedeutung sind. Diese und ähnliche Charisma-Vorstellungen mögen im politischen und religiösen Bereich typischer sein als im wirtschaftlichen Kontext. Allerdings gibt es immer eine gewisse Konjunktur für Personalisierungstendenzen i.S. von „great man theories" sowie blindes Vertrauen in die „Vaterfigur" oder die Suche 178
nach dem „master manager", der alle Führungsrollen beherrscht. Führungsfunktionen -* Führungsrollen -* Führungsstile Führungsrollen -> Führungstheorien (I) In einem sehr allgemeinen Sinn lassen sich fuhrungsrelevante Strukturen als wechselseitige Kontingenz normativer Erwartungen definieren, wobei die jeweiligen Rolleninhaber Rechte und Pflichten in komplementärer Weise realisieren. (II) In frühen Studien konnten BALES & SLATER zeigen (-> Exp. 23), dass sich in ad hoc zustande gekommenen aufgabenorientierten Gruppen jeweils ein instrumenteller (aufgabenbezogener) sowie ein sozio-emotionaler Führer herausbildete. Es war eher unwahrscheinlich, dass eine Person beide Führungsfunktionen (Lokomotion und Kohäsion) gleichermaßen erfolgreich wahrnahm (-*Führungsstile). (III) Angeregt durch die Studien von wurden immer wieder F. (bzw. Manager-Rollen) konzipiert, die jedoch eher Funktionskataloge darstellen, die mit bestimmten Situationen verknüpft sind. MINTZBERG
FQhrungsstile Typische und relativ stabile Konfiguration von Führungsakten. Vielfach bedient man sich ad hoc aufgestellter Typologien (z.B. kooperativer, konservativer, leistungsorientierter, anweisender, delegativer Führungsstil), häufig auch dichotomer Kriterien (autokratisch vs. demokratisch, aufgabenorientiert vs. personen- (mitarbeiter-)orientiert, bestrafungs- vs. beloh-
Ffihrungsstile
Fflhrungsstile
nungsorientiert, konsistent vs. inkönsistent, kooperativ vs. kompetitiv. Die beiden einflussreichsten Konzepte gehen auf die LEWIN-Schule zurück. Die erste orientiert sich an den organisationsinternen Führungsfunktionen -»Lokomotion (Zielerreichung) und -> Kohäsion (Gruppenbindung). Hiernach unterschied bereits BALES einen mehr aufgabenorientierten (instrumentellen) und einen mehr sozio-emotionalen (mitarbeiterorientierten) Führungsstil. Diese Grundunterscheidung wurde mannigfach in Führungskonzepten verarbeitet (insbesondere i.R. der Ohio- und der Michigan-Schule). Die zweite Forschungsrichtung knüpft an die Unterscheidung zwischen demokratischem und autokratischem Führungsstil an; feinere Abstufungen innerhalb dieser polaren Skala sind dann (im Ausmaß der Beteiligung der Mitarbeiter) etwa: patriarchalisch, informierend, beratend, kooperativ, partizipativ, demokratisch. Dabei bleibt die Frage zunächst ausgeklammert, ob der Führende tatsächlich immer konsistent fuhrt, einmal im Zeitablauf, sodann situativ und schließlich auch je nach Mitarbeiter. Lange Zeit suchte man auch nach dem „optimalen" F.; sowohl LEWIN (im Erziehungsbereich) wie auch LIKERT (im Organisationsbereich) hatten über recht optimistische Befunde berichtet, wonach der demokratische resp. der mitarbeiterorientierte Führungsstil sowohl zu hoher Leistung wie auch zu hoher Zufriedenheit führte. Diese und ähnliche Untersuchungen erwiesen sich nicht als tragfahig; insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass das Kausalverhältnis auch umgekehrt sein könnte: in hochproduktiven Abteilun-
gen kann man es sich leisten, einen mitarbeiterorientierten bzw. demokratischen F. zu praktizieren. Ferner wurde bezweifelt, dass Führungskräfte überhaupt einen in sich konsistenten F. praktizieren. Denkt man sich Führer-Mitarbeiter-Beziehungen als Summation sozialer Dyaden, so könnte es durchaus auch sein, dass ein Vorgesetzter Pn einer Ingroup, denen er besonders zugeneigt ist oder denen er Entsprechendes zutraut, belohnungsorientierter und kooperativer fuhren wird als Mitglieder, die in dieser Arbeitsgruppe eher randständig und - aus der Sicht des Vorgesetzten - schwierig sind oder zur Effizienz nichts beitragen. Dies dürfte auch die Kommunikationshäufigkeit betreffen, so dass einige Mitglieder der Gruppe vom Informationsfluss abgeschnitten werden. GRAEN & SCHIEMANN haben daher der Annahme eines „average leadership style" = ALS widersprochen und an dessen Stelle die Idee des dyadischen Splittings (vertical dyad linkage = VDL) gesetzt. Integrative Ansätze versuchen herauszufinden, unter welchen Bedingungen ALS und unter welchen Voraussetzungen VDL das Verhalten besser voraussagen. Dies dürfte v.a. vom Vorliegen bestimmter Situationen sowie von den Konsistenzbemühungen der Führungskraft abhängen (z.B. auch dem Wunsch, Mitarbeiter gerecht zu behandeln, oder dem Bemühen, selbst für den am wenigsten geschätzten Mitarbeiter noch ein gutes Wort zu finden). Wie dem auch sei: Die Vorstellung eines in sich konsistenten F. (sowie die darauf gründende F.-Forschung) ist durchaus gefährdet. Lit.:
Führung 179
Führungstheorien
Führungstheorien Viele F. sind mehr oder weniger normativ ausgerichtet: Sie plädieren für die Anwendung ganz bestimmter Führungsaktivitäten oder Führungsstile. Auch solche Konzepte, die strikt an Effizienzkriterien von Führung orientiert sind, dürften zumindest semi-normativ sein und enthalten kaum Aussagen im Hinblick auf die allgemeinere Fragestellung, unter welchen Bedingungen sich Führungspersonen in welcher Weise verhalten (-» Führungsverhalten). Nachfolgend eine kurze Auflistung bisheriger F.: (1)Eigenschaftsorientierte Ansätze (—• Führungseigenschaften) werden heute v.a. im Hinblick auf kognitive Komplexität und soziale -* Kompetenz weiterverfolgt, nachdem ältere Versuche weitgehend gescheitert sind (schon weil in unterschiedlichen Situationen auch unterschiedliche Eigenschaften relevant sind). (2)Führungsstilorientierte Ansätze (-> Führungsstile) waren lange Zeit auf der Suche nach dem optimalen Führungsstil, die schon deshalb nicht erfolgreich sein konnte, weil unterschiedliche Situationen unterschiedliche Stilausprägungen erfordern. Auch wurde mit Recht bezweifelt, dass Führende immer einen in sich konsistenten Führungsstil praktizieren. (3) Situative Konzepte, in denen fuhrungsrelevante Situationen erfasst wurden (z.B. Reifegrad und Motivation der Geführten, Aufgabenstruktur, Größe und Struktur der Arbeitsgruppe, Positionsmacht des Vorge180
Führungstheorien
setzten, Organisationsklima, Krisensituationen, Entlohnungssystem). FIEDLER (1967) hat ein erstes Modell
zur situativen Führung vorgelegt; er unterschied drei relevante Situationsvariablen: Aufgabenstruktur (strukturiert vs. unstrukturiert), die FührerMitarbeiter-Beziehungen (gut vs. schlecht) sowie die Positionsmacht des Führers (hoch vs. niedrig). Situative Bedingungen mit strukturierten Aufgaben, guten Beziehungen und hoher Positionsmacht sind für den Führer „günstig", im umgekehrten Fall sind sie „ungünstig". Die Kernthese läuft darauf hinaus, dass bei sehr günstigen und sehr ungünstigen Konstellationen ein aufgabenorientierter Führungsstil effizienter ist, während sich bei Situationen „mittlerer Günstigkeit" ein mitarbeiterorientierter Führungsstil empfiehlt. Gleichwohl solle man nicht versuchen, den Stil des Führungspersonals zu ändern, sondern Führungspersonen selektiv so einzusetzen, dass sie in den jeweiligen Situationen erfolgreich sind. Auch sei es u.U. leichter, die Situation zu ändern als den Menschen in seinem jeweiligen Verhaltensstil. Die Befundlage zu diesem Konzept ist uneinheitlich. Dies gilt auch für andere situative Ansätze („situative Führungstheorie"), die den Reifegrad der Geführten thematisieren: Je nach dessen Ausprägung sei ein Pendeln zwischen anweisender bis hin zu delegativer Führung anzuraten. Wiederum andere Modelle orientieren sich an Entscheidungsphasen und schlagen ein Entscheidungsbaumverfahren (-» Entscheidungsregeln)
FQhrungstheorlen
vor: Je nach Vorliegen bestimmter Entscheidungsbedingungen (z.B. Dringlichkeit der Entscheidung, Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz) werden Eliminationsregeln formuliert, die zu einer Selektion situational sinnvoller Führungsstile fuhren sollen. (VROOM & YETTON)
Situationistische Ansätze kranken daran, dass die Auswahl der relevanten Situationen kaum theoriegeleitet erfolgt. Problematisch ist ferner der latent normative Charakter der Forschungstradition mit Bezug auf weitgehend ungeklärte Effizienzkriterien. Vielfach sind auch die Operationalisierungen (z.B. der jeweiligen Führungsstile) unzureichend (z.B. bei FIEDLER, der das Ausmaß der Mitarbeiterorientierung durch einen einzigen Indikator misst). Auch berücksichtigen situative Ansätze bisher zu wenig den Umstand, dass das Verhalten nicht nur die Folge situativer Gegebenheiten ist, sondern dass es selbst Situationen schafft, verändert und gestaltet, die dann rückwirkend wiederum das Führungsverhalten zu beeinflussen vermögen. (4) Interaktionskonzepte: Diese tragen dem Gedanken wechselseitiger Beziehungen zwischen Führungspersonen und Geführten Rechnung. Insbesondere wird betont, dass innerhalb der Führungsforschung das kategoriale Denken in Führen und Nichtfuhren (Gefuhrtwerden) abgelöst werden sollte durch einen variaten Begriff der Führung: diese finde sich partikelweise bei allen Beteiligten. Im Zuge partizipativer Formen der Führung sowie starker Delegation und wachsender Kompetenz mittlerer oder unterer Instanzen wird auch
Fflhrungstheorien
die Existenz einer „Führung von unten" unterstellt. Interaktionstheoretische Überlegungen berühren sich in starkem Maße mit Austauschkonzepten (etwa i.S. der -*Anreiz-Beitrags-Theorie oder der —> Austauschtheorie von THIBAUT & KELLEY) sowie mit rollentheoretischen Überlegungen (Führung als wechselseitige Kontingenz normativer Erwartungen in spezifischen Situationen). (5) Motivations-Konzepte: Führung kann i.S. der Zielsetzungstheorie den Anreizcharakter von Zielen verstärken. Als motivationales Konzept gilt auch die Weg-Ziel-Konzeption v o n HOUSE & MITCHELL, die
im
Prinzip besagt, dass ein Führungsstil oder -verhalten umso eher akzeptiert wird, je eher dieser Stil für das Erreichen bestimmter Zielvorstellungen (Motive bzw. Valenzen) des Einzelnen instrumenten ist. Entscheidend ist also das Ausmaß der Erwartung, dass durch den Führenden bestimmte gewünschte Ergebnisse auftreten. Die Enttäuschung solcher Erwartungen wirkt demotivierend. (6) Lerntheoretische Konzepte: Diese waren ursprünglich stark behavioristisch orientiert, sind aber mittlerweile kognitiv angereichert und durch die Einbeziehung des -» Modell-Lernens, v.a. durch LUTHANS fruchtbar auf die Führungsthematik angewandt worden. Dabei sollte ein Doppelaspekt unterschieden werden: Zum einen bemüht sich der Führende, gewünschte Verhaltensmuster zu verstärken und entsprechende Erwartungen seitens der Mitarbeiter zu 181
Führungsverhalten
stabilisieren. Zum anderen unterliegt der Führende selbst einem Lemprozess, wobei dasjenige Verhalten favorisiert wird, das für die Führungsperson (nicht unbedingt für die Mitarbeiter oder die Organisation) günstig ist. (7) Attributionale Konzepte: Diese verfolgen zwei unterschiedliche Perspektiven. Zum einen geht es um Attributionsprozesse bei Mitarbeitern, indem etwa bestimmten Pn Führungseigenschaften (Führungsstärke) zugeschrieben werden (z.B. aufgrund naiver subjektiver Theorien oder stereotyper Vorstellungen). Zum anderen werden i.R. dieses Ansatzes auch Zuschreibungsprozesse des Führenden im Hinblick auf seine Mitarbeiter thematisiert. Die Modellvorstellungen der Kovariationstheorie (-»• Attributionstheorien) sowie die Forschungsbefunde zu Attributionsfehlern lassen sich entsprechend anwenden. Lit.: -» Führung
Führungsverhalten Ein (lerntheoretisch orientierter) Forschungszweig, der sich mit dem faktischen Verhalten von Führungspersonen (Managern, Vorgesetzten) befasst, ist die „work-activity-Schule". Methodischer Ausgangspunkt sind Eigenund Fremdbeobachtungen mit mehr oder weniger elaborierten Kategoriesystemen. Einige Ergebnisse sind: (a) Vorgesetzte sind zu einem wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit mit persönlicher Kommunikation beschäftigt. Ganz offenbar sind die Zahl und die Nutzung jeweiliger
182
Fflhrungsverhalten
Kontakte ein wesentliches Indiz des F.; (b) Vorgesetzte erleben einen fragmentierten Alltag; ihr Arbeitsablauf ist porös und zerstückelt und die einzelnen Episoden sind meist nach Minuten bemessen; (c) die Fragmentierung ist zugleich gepaart mit einer mangelnden Strukturierung des Verhaltens. Der Arbeitsablauf enthält vergleichsweise wenig geplante, organisierte und strukturelle Elemente. Beobachtungen des F. geben allerdings noch keinen Aufschluss darüber, welche Zielvorstellungen der Vorgesetzte tatsächlich verfolgt, d.h. welchen subjektiven „Sinn" er mit seinen Handlungen verbindet. Auch ist anzunehmen, dass der Vorgesetzte nicht immer den Zielen des Unternehmens folgt und ihnen dient, sondern dass er vorwiegend seinen eigenen Zielvorstellungen nachgeht. In diesem Sinne haben LUTHANS et al. erfolgreiche von effektiven Managern unterschieden. Erfolgreich sind Führungspersonen im eben beschriebenen Sinn immer dann, wenn sie ihre eigenen Interessen verfolgen. Effektiv sind Manager, die anhand von Außenkriterien (z.B. Beurteilung von Vorgesetzten und Mitarbeitern, Erfolg einer Abteilung, Budget-Abweichungen) nützliche Arbeit leisten. Die Ergebnisse zeigen, dass sich erfolgreiche Manager von effizienten Vorgesetzten dadurch unterscheiden, dass sie verstärkt mit mikropolitischen Aktivitäten befasst sind (-»Mikropolitik), dass sie um die Pflege informeller Beziehungen bemüht sind (-» Impression management), während ef-
Fundamentaler Attributionsfehler
fektive Manager eher im Hinblick auf das -*• Human resources management (Motivation, Personalentwicklung, Konfliktregelung) involviert sind. Lit.: -» Führung
Fundamentaler Attributionsfehler Attributionsfehler Funktion Funktionale Betrachtungen stellen die Frage nach dem „wozu", genauer: „wozu es gut ist". Ein solcher F.-Begriff hat insbesondere in der Kulturanthropologie (-* Anthropologie) und in der -* Soziologie eine fest verwurzelte Tradition. In der SP spricht man z.B. von der Funktion von Einstellungen (Nützlichkeitsfunktion, Ich-Verteidigungsfunktion usw.) oder Attributionen (das Verstehen der „Welt", Möglichkeit der Kontrolle). Bei sozialen Sachverhalten muss man unterscheiden, ob es sich um ein geplantes Konstrukt, etwa die Elemente einer Organisation oder die Organisation als Ganzes (so ist z.B. ein Trainingsprogramm durch seine Funktionalität geprägt) oder um Sachverhalte handelt, die nicht Ergebnis planenden Eingreifens sind (z.B. Einstellungen, Inzest-Tabu). Allein durch den Hinweis auf ihre F. wird noch nichts erklärt. Wissenschaftstheoretisch gesehen sind funktionale Erklärungen nur dann echte Erklärungen, wenn man zusätzlich ein bestimmtes Selektionsprinzip unterstellt, das entweder evolutionär verankert ist (z.B. darwinistische Auslese) oder durch Lernprozesse (erfolgreiche Lösungen setzen sich durch) entsteht (-»• Lernen).
Furchtappelle
Funktionelle Autonomie Nach G.W. ALLPORT Ablösung eines Verhaltens von seiner Motivgrundlage. So wird bspw. Sparverhalten zunächst als Zwecksparen zur Erfüllung bestimmter Konsumwünsche durchgeführt. Im Laufe der Zeit verlagert oder verselbständigt sich dieses Verhalten und steht im Dienste anderer Motive (z.B. Vorsorge, sparen aus Selbstzweck). Ein häufiger Fall von F. ist die Umwandlung von extrinsischen in intrinsische Motive (-» Motivation, intrinsische). Furcht Während Angst ein diffuses Gefühl der Bedrohung darstellt, ist F. konkreter und entsteht durch ein möglicherweise bevorstehendes spezifisches Ereignis (F. vor....). Die Intensität der F. wächst v.a. mit der Bedeutsamkeit der Bedrohung sowie mit der Wahrscheinlichkeit, dass das bedrohende Ereignis stattfinden wird. F. wird in verschiedenen sp Kontexten behandelt, z.B. in der Theorie der -*Leistungsmotivation (F. vor Misserfolg), in der Theorie der Affiliation (F. als Auslöser für Zusammenschluss; F. vor Zurückweisung), in der Kommunikationsforschung Furchtappelle), in der Lernpsychologie (F. vor Bestrafung) sowie in der Aggressionsforschung (furchtinduzierte Aggression). Furchtappelle Form der appellativen Kommunikation, die eine Einstellungs- und Verhaltensänderung durch aversive Reize beabsichtigt (z.B. Kampagnen gegen das Rauchen, gegen ungezügelte
183
Furchtappelle
Sexualität, für das Anschnallen im Auto, für den Abschluss einer Versicherung). Empirisch untersucht wurde hierbei die unterschiedliche Intensität bzw. Dosierung von F. Während erste Ergebnisse von JANIS & FESHBACH darauf hinzudeuten schienen, dass starke F. weniger wirksam sind, legen neuere Befunde eine kurvilineare Beziehung nahe: F. in mittlerer Dosierung scheinen am wirksamsten (-+ Exp. 20). versucht die Wirkung von F. mit dem Parallelen-Modell zu erklären, wonach es in der Furchtsituation zwei gegenläufige Verhaltenstendenzen gibt: Einerseits versucht man, die durch die Bedrohung ausgelöste Furcht zu kontrollieren, zum anderen jedoch, die Gefahr durch die Akzeptanz der Botschaft zu reduzieren. Drastische F. scheinen dazu zu fuhren, Gefahr zu verdrängen oder von vornherein als unglaubhaft abzulehnen. Im Einzelnen dürfte eine Bilanzierung erfolgen: Stärke des jeweiligen Motivs der Handlung (z.B. Abhängigkeit vom Alkohol) und das Ausmaß möglicher negativer Konsequenzen (z.B. Leberschaden). Je weiter die negative Konsequenz in der Zukunft liegt, desto geringer die Neigung, der Empfehlung zu folgen (-»myopischer Effekt). LEVENTHAL
Ein neueres, vorwiegend kognitiv ausgerichtetes Modell hat R.W. ROGERS mit seiner „protection motivation theory" vorgelegt. Nach diesem Konzept der Schutzmotivation muss ein F. mehrere Kognitionen erfolgreich beeinflussen, um effektiv
184
Furchtappelle
zu sein, z.B. ein bestimmtes gesundheitsschädliches Verhalten (etwa Rauchen) aufzugeben: (a) die Vermittlung der Überzeugung, dass es sich um ein ernstes Problem handelt (Ausmaß perzipierter negativer Konsequenzen); (b) die Vermittlung der Wahrscheinlichkeit, dass diese Konsequenzen häufiger auftreten werden, als man es bisher angenommen hatte (Erwartungswahrscheinlichkeit); (c) die Vermittlung der Überzeugimg, dass die empfohlene Verhaltensweise (bzw. eine Änderung des bisherigen Verhaltens) das Problem erfolgreich abwenden kann (wahrgenommene Instrumentalität); (d) die Vermittlung der Überzeugung, dass das Problem kontrollierbar ist und dass man die in der Kommunikation enthaltene Empfehlung auch ohne bedeutsame Kosten bzw. Mühen ausfuhren kann (-• Effizienz-Erwartung bzw. ->• Selbstwirksamkeit i.S. BANDURAS). Lit.: JANIS, I.L. & FESHBACH, S. (19S3).
Effects of fear-arousing communications. Journal of Abnormal and Social Psychology, 48, 1, 78-92. LEVENTHAL, H . (1970). Fin-
dings and theory in the study of fear communication. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 5. N e w York, 119-186. ROGERS, R . W . (1983).
Cognitive and physiological processes in fear appeals and attitude change. A revised theory of protection motivation. In: Cacioppo, J.T. & Petty, R.E. (eds.) Social psychophysiology. N e w York, 153-176. SECORD, P . F . & BACKMAN, C . W . ( 5 1997). Sozialpsycho-
logie. Frankfurt.
Gambler's fallacy
Gedächtnis
G
Gambler's fallacy Eine der Anomalien (-» Täuschungen, kognitive), wenn zu beurteilen ist, welches Ereignis als nächstes in einer Sequenz von Ereignissen einer Gesamtheit auftreten wird (auch: Monte Carlo-Effekt). So wird bspw. die Sequenz 9-14-19-31-44-47 beim Lotto für wahrscheinlicher gehalten als etwa die Reihenfolge 5-6-7-8-9-10. Nach einer längeren Serie im Roulette-Spiel (z.B. 6xRot) nimmt man an, dass beim siebten Mal mit höherer Wahrscheinlichkeit schwarz auftreten wird. Dabei ist die Chance für Schwarz wiederum 50:50; die Kugel hat kein Gedächtnis. interpretieren die G. i.R. der -* RepräsentativitätsHeuristik (-• Heuristiken). TVERSKY & KAHNEMAN
Gedächtnis System zur Speicherung und zum Abruf von Informationen, die über die Sinnesorgane aufgenommen werden (BADDELEY). Das G. betrifft die Fä-
higkeit, sich frühere Erfahrungen ohne wesentliche Änderungen ihres Inhalts und ihrer Struktur ins Bewusstsein zu rufen. Das G. ist daher die Basis der Erinnerung und dient der Speicherung und dem Abruf von Informationen, die über die Sinnesorgane rezipiert wurden. Im sequenziellen Verlauf werden unterschieden: (a) Encodierung und Organisation von Informationen; (b) Speicherung dieser organisierten Informationen; (c) Decodierung und Abruf der Informationen.
Dabei spielt die Art und Weise der -* Informationsverarbeitung (—> Duale Prozess-Modelle) sowie die Aufmerksamkeitsverteilung eine zentrale Rolle. Das G. wird vielfach auch als Speicher angesehen, der in zeitlicher Hinsicht weiter differenziert werden kann: der sensorische Speicher zur Aufnahme der Sinnesreize, Ultrakurzzeit-G. (bei allen Wahrnehmungsprozessen bleibt der unmittelbare Sinneseindruck für Sekundenbruchteile bestehen), das Kurzzeit-G. (das letztlich auch als Arbeitsspeicher fungiert) sowie das Langzeit-G.; das dort Gespeicherte und die verfügbaren Erinnerungsreste werden dann bei Bedarf aktiviert und wieder ins Kurzzeit-G. zurückgeholt, wo sie dann u.U. in Handlung umgesetzt werden. Mit dieser etwas substanzialistischen Sicht einher geht die Unterscheidung zwischen verschiedenen „Abteilungen" des G. So wird z.B. unterschieden zwischen einem semantischen G. und einem episodischen G. Ersteres repräsentiert die Essenz der einzelnen Lernakte (Faktenwissen), letzteres meint die Erinnerung an einzelne persönliche Vorgänge (-* Episoden, soziale) in ihrer jeweiligen Abfolge (-> Skripts). Eine andere Unterscheidung betrifft die Aufnahme verbaler Reize im Gegensatz zu bildlichen Eindrücken (-• Imagery). Nach PAIVIOS Zwei-Speicher-Theorie gibt es für beide Bereiche verschiedene Speicher. Bilder können jeweils leichter codiert und decodiert werden; auch lassen sich verbale Reize leichter einprägen, die bildlich umsetzbar sind (z.B. die
185
Gedankenlose Informationsverarbeitung
Begriffe Elefant, Treppengeländer; im Gegensatz zu: Freiheit, Motivation). Diese Unterscheidung ist z.B. für die Werbepsychologie von Bedeutung (—• Werbung). Im Zuge der stärkeren Annäherung der SP an die Konzepte der Informationsverarbeitung werden Aspekte der G.Psychologie auch im sp Kontext zunehmend wichtig. Dies gilt v.a. für die Bereiche soziale —• Wahrnehmung (Speicherung und Abruf von Informationen bzw.Eindrücken von Personen), soziale -*• Einstellungen (-> Zugänglichkeit bzw. -»• Verfügbarkeit von Einstellungen), soziales -»Lernen (Abruf von akquisitorisch erworbenen und gespeicherten Modell-Ereignissen —> Modell-Lernen). Insofern könnte man auch von einem sozialen G. sprechen. Lit.: BADDELEY, A. (1990). Human memoiy: theory and practice. London. NEISSER, U. (1974). Kognitive Psychologie. Stuttgart. PAKIN, E J . (1996). Gedächtnis. Ein einführendes Lehrbuch. Weinheim.
Gedankenlose Informationsverarbeitung —• Gedankenlosigkeit -*• Duale Prozess-Modelle Viele Informationen werden im „Schnellschussverfahren" (short cuts) verarbeitet und basieren auf Gewohnheiten, Reaktionsautomatismen, Schemata, Kategorien, Heuristiken etc. G. ist insbesondere wahrscheinlich (a) in Situationen, für die fertige Programme (-> Skripts) verfügbar sind (Bsp.: Besuch im Lieblingsrestaurant); (b) wenn die erlebten Konsequenzen nicht auffallig sind und von Erwartungen nicht abweichen, die 186
Gefangenen-Dilemma
aufgrund früherer ähnlicher Situationen gebildet wurden (Bsp.: Speisekarte noch immer dieselbe); (c) wenn das vorprogrammierte Verhalten nicht durch äußere Ereignisse behindert oder unterbrochen wird (Bsp.: Der Stammplatz ist frei); (d) wenn man sich in einer als unwichtig empfundenen Situation befindet (Bsp.: Heute ohne Geschäftspartner, ganz privat); (e) wenn keine starken Abhängigkeiten von Interaktionspartnern bestehen (Bsp.: Der Kellner weiß, dass ich mit dem Besitzer befreundet bin). Gedankenlosigkeit -> Gedankenlose Informationsverarbeitung Vor allem i.R. der Kritik an der Attributionsforschung (-» Attribution) wird (namentlich von ABELSON) betont, dass G. im sozialen Verhalten einen hohen Stellenwert besitzt. Insbesondere wird auch in den Dualen Prozess-Modellen davon ausgegangen, dass neben elaborierten Informationsverarbeitungsprozessen Vorgänge heuristischen, kategoriengesteuerten, skript- und schemagesteuerten Verhaltens sehr häufig sind (-»• Skript —> Schema -* Heuristik) Gefangenen-Dilemma (prisoner's dilemma) Dem G. (—• Dilemma, soziales Kooperation) liegt folgende Geschichte zugrunde: Zwei Verdächtige werden getrennt vernommen; beide haben noch nicht gestanden. Im amerikanischen Strafrecht gilt die Besonderheit, dass ein Angeklagter gegen einen anderen Kronzeuge sein kann und somit zum Teil Haftverschonung erhält. Ge-
Gegenwartsorientierung
Gefangenen-Dilemma
steht nun ein Verdächtiger, wird er als Kronzeuge gegen seinen Komplizen fungieren können. Er selbst erhält in diesem Falle nur 3 Monate Gefängnis, sein Komplize jedoch 10 Jahre. Gestehen beide nicht, erhalten sie eine Gefängnisstrafe von je einem Jahr; gestehen beide, erhalten sie acht Jahre. 1. Verdächtiger
§
gesieht nicht \ 1 Jahr \
gesteht 3 Morate
c _ £
M
1 Jahr \
\ 10 Jahre 10Jahre \
3 Monate
\ 8 Jahre
\ BJahre
\
von (z.T. begründeten) „Hypothesen" über das Verhalten des jeweils anderen begleitet sind, also selten in einem „normfreien" Raum und in kommunikativ abgeschotteten Situationen stattfinden. Gefühl -* Emotion -* Emotionstheorien Gefühlskontrolle Aspekt des Impression management, der darin besteht, dass Gefühle bewusst zur Steuerung von Interaktionsprozessen eingesetzt werden (z.B. absichtliches Weinen, Unterdrückung des Weinens). Die G. folgt sog. Darstellungsregeln
(EKMAN),
die
interkulturell verschieden sind. Das Dilemma besteht in folgendem: Wenn beide Partner (egoistischen Motiven folgend) jeweils die für sie günstigste Alternative wählen, ist das Gesamtergebnis für beide Partner am schlechtesten. Nur wenn beide Akteure die „schlechte" Alternative wählen, also leugnen, dann ist das Ergebnis für die Dyade am besten. Das psychologische Problem ist dabei, dass niemand weiß, wie sich der andere verhält. Innerhalb des Systems (ohne Kommunikation, ohne vorgängiges Vertrauen in die Kooperationswilligkeit des jeweilig anderen) gibt es für die Akteure kein Motiv, die „Beachtung von Regeln" als die vorteilhaftere Strategie zu betrachten.
I.w.S. bezieht sich G. auch auf die Kontrolle der Emotionen anderer (z.B. Mitleid oder Schuldgefühle hervorzurufen) Gegenmacht Entsteht (nach GALBRAITH) fast gesetzmäßig nach dem Prinzip: Druck erzeugt Gegendruck. G.-Bildung ist eine Möglichkeit des Widerstands i.S. der -* Reaktanz. Sie besteht gewöhnlich in einer Mobilisierung sozialer Kräfte, z.B. durch Solidarisierung oder -* Koalitionsbildung. Gegenseitigkeit ~> Reziprozität Austausch ->• Austauschtheorien Gegenwartsorientierung
Das G. ist im Kontext des Studiums sozialer -* Dilemmata und i.R. der Erforschung von sozialen -* Konflikten sowie der Kooperation in sehr vielen Abwandlungen häufig strapaziert worden. Die Experimental-Situation ist allerdings höchst künstlich, da Entscheidungen dieses Typs immer auch
I.R. der Forschung zur -» Sozialisation bedeutet G. einen Mangel an -* Selbstkontrolle. ROSEN weist nach, dass in unteren Sozialschichten die G. überwiegt und dass dort ein deferred gratification pattern i.S. einer
187
Gehorsam
Zukunftsorientierung weniger ausgeprägt ist. Der Kreis um MISCHEL spricht von —• Belohnungsaufschub (delay of gratification). I.R. der Erforschimg des -» Wertewandels bedeutet G. eine stärkere Hinwendung zum Hedonismus, also die Neigung, im „Hier" und „Jetzt" das Leben zu genießen.
Gehorsam Folgeleistung auf Grund von Befehlen oder Anweisungen. G. bezeichnet eine extreme Form der -* Konformität, die auf Zwang bzw. Furcht vor Sanktionen beruht (-» Exp. 26). G. ist i.R. der SP im Hinblick auf die Neigung untersucht worden, Befehlen von solchen Pn zu folgen, die einen hohen ->• Status und/oder soziale Macht verkörpern (Autoritäts-G.). Diese Neigung wird vielfach mit bestimmten Persönlichkeitsdispositionen in Verbindung gebracht (-» Autoritarismus -* Autoritäre Persönlichkeit).
Geizhals, kognitiver M e t a p h e r , mit der SHELLEY & TAY-
LOR andeuten, dass Individuen kognitive Anstrengungen tunlichst meiden und - insbesondere in Fällen mangelnder Fähigkeit und Motivation (->•ELM)- vereinfachte Formen der Urteils- und Entscheidungsbildung (z.B. über Heuristiken) vorziehen.
Geld (1) Bedeutung des Geldes: G. ist insbesondere Thema der WP, zumal der —• Finanzpsychologie. In der SP spielt G. keine sehr explizite Rolle, allenfalls in Experimentalsituationen, als externe Veranlassung (so dass keine intrinsische Motivation attri188
Geld
buiert werden kann) oder als eine der möglichen Austauschressourcen i.R. der -* Ressourcentheorie der Interaktion. Aus lerntheoretischer Sicht ist G. ein sekundärer (also gelernter) generalisierter ->• Verstärker i.R. faktischer und virtueller Tauschvorgänge. Generalisiert: damit ist gemeint, dass G. prinzipiell alle primären Bedürfnisse abdecken kann und ferner einen erheblichen Anteil sekundärer Bedürfnisse tangiert (z.B. Macht, Anerkennung, Erfolg), so dass der Besitz von G. in einem gewissen Ausmaß Verfugung über Verstärker (d.h. Macht) generalisiert. Die Verfugung über G. verschafft Kontrolle über die eigenen Lebensumstände und macht teilweise unabhängig von der Kontrolle durch andere (-* Kontrolle, soziale). (2) Geldwert: G. wird vom Individuum umso mehr geschätzt, je umfassender der Erwerb und das Behalten von G. in der Vergangenheit verstärkt wurden. Außerdem steigt der subjektive Wert des G., wenn sein Erwerb mit erheblichem Aufwand („Müheerinnerung") verbunden war. Mit gewissen Einschränkungen trifft zu, dass der subjektive Wert des G. sinkt, über je mehr G. man verfügt. Bereits die klassischen Münzschätzversuche (-* Exp. 7) zeigen, dass arme Pn Münzen als größer einschätzten als wohlhabende. Jedoch ist denkbar, dass solche Sättigungseffekte ausbleiben, etwa nach der Devise: „Je mehr man hat, desto mehr will man haben" (KATONA). Auf dem Wege der -* funktionellen Autonomie (ALLPORT) kann G. jenseits jeder Instrumentalität zum eigenstän-
Geld
digen intrinsischen Motiv werden; G. wirkt dann selbstverstärkend. Beachtet man zusätzlich, dass G. in unserer Gesellschaft nicht nur Kaufkraft bedeutet, sondern auch den gesellschaftlichen Status sowie das Selbstwertgefuhl der Individuen mitdefiniert, wird deutlich, dass die symbolische Ausstrahlungskraft des G. einen zusätzlichen Anreiz bildet. Dies betrifft auch die soziale Bedeutung des Einkommens, dessen Einschätzung als „Hygienefaktor" (HERZBERG) zu kurzsichtig sein dürfte.
Geld
weitgehend fehlen. LEA konnte im Übrigen -analog den Münzschätzversuchen- Effekte eines optischen Werteverfalls von Münzen während einer Inflationsphase nachweisen; die wahrgenommene Größe der Münzen sinkt mit der G.-Entwertung. Auch Währungsumstellungen (z.B. Einführung des EURO) werden von negativen oder positiven Einstellungen begleitet. Hinter diesen Einstellungen stehen höchst unterschiedliche Motivationen: z.B. für England, künftig von Brüssel kontrolliert zu werden; z.B. für Deutschland, die mit Nationalstolz assoziierte DM aufzugeben und damit soziale (nationale) Identität einzubüßen.
Zur Wahrung des G.-Wertes bedarf es eines gewissen Vertrauens in die Währung. KATONA fand bereits, dass Individuen trotz steigender Inflationsrate ihre Sparquote erhöhen, vermutlich weil sie inflationäre Tendenzen mit „schlechten Zeiten" assoziieren. Jedoch gibt es bestimmte „Schwellen", bei deren Erreichen eine schleichende in eine galoppierende Inflation übergeht. Neben der Höhe der G.-Entwertung sind hier auch Inflationserfahrungen der Vergangenheit sowie Zukunftserwartungen entscheidend.
Die bei Währungsumstellungen häufig notwendige Bildung eines neuen Ankers (-» Ankerbildung) wird dadurch verzögert, dass Individuen in die alte Währung umrechnen, was besondere Anpassungsprobleme und Irritationen mit sich bringt. So wirken z.B. EURO-Preise gegenüber der alten DM auf den ersten Blick günstig, nach erfolgter Umrechnung jedoch eher ungünstig.
Geldform: Wie WEBLEY u.a. gezeigt haben, wird Münzgeld geringer bewertet als Notengeld; höherwertige Banknoten anzubrechen, gilt als besonders aversiv. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass Notengeld mit „Großgeld", Münzgeld dagegen mit „Kleingeld" assoziiert wird. Auch mit wachsender Geldabstraktion (Giralgeld, Kreditkarte, virtuelle Geschäfte) wird der aversive Reiz reduziert, da die Unmittelbarkeit und Konkretheit der Hergabe von G.
(4) G. und Interaktion: Die Rolle des G. als Tauschmedium und als Generalnenner des Ressourcen-Austauschs betonen bereits SIMMEL und WEBER. G. gilt als generalisierte Verfügungschance, die bestimmte Optionen offen hält. G. ist dabei (i.S. von FOA & FOA -*Ressourcentheorie) ein universalistisches und konkretes Austauschmedium, das bestimmte Arten der Interaktion ermöglicht und die Verrechnung von Austauschguthaben und Austausch-
(3)
189
Geld
schulden gestattet. Dies gilt insbesondere für geschäftliche Interaktionen, die durch das Medium G. erheblich erleichtert werden. In bestimmten Beziehungen oder Situationen scheidet jedoch G. als Austauschmedium aus, z.B. beim Schenken; das Schenken von G. wird (meist) als deplaziert empfunden. Auch ist es nicht üblich, bestimmte Dienste mit G. auszugleichen (z.B. eine Einladung oder einen Gefallen, den jemand erweist). Manchmal kann das Anbieten von G. auch eine bestehende Interaktionsbeziehung eintrüben (—• Überveranlassung —• Korrumpierungseffekt). Auch kann das Anbieten von G. als Bestechung attribuiert werden, so dass Effekte der Reaktanz auftreten. (5) Geldanlegen: Diese Thematik war früher v.a. mit dem -* Sparen und seiner Motivation (Sparmotive) verbunden. Als „klassische" Motive finden sich Zwecksparen (Ansparen, Konsumsparen) und Vorsorgesparen (Sicherheitssparen), letzteres heute v.a. zur Wahrung des gewohnten Lebensstandards auch im Altersstadium, altruistisches Sparen (für den Ehepartner, für die Kinder). Als Nebenmotiv bildete sich dann auch der Wunsch aus, mit den Sparbeträgen Rendite zu erzielen (Ertragsmotiv) und diese entsprechend zu kontrollieren (Kontrollmotiv). Im Zusammenhang mit der Thematik des G.-Anlegens sind zunächst sicherheitsorientierte Anlageformen (Obligationen, Immobilien) von risikoreicheren G.-Anlagen zu unterscheiden. Eine Anwendung der Prospect theory zeigt, dass Pn im 190
Geltungskonsum
Gewinnbereich risikoavers, im Verlustbereich dagegen risikofreudig agieren. Dadurch wird auch erklärt, warum Aktienbesitzer an Papieren im Verlustfalle zu lange festhalten und im Gewinnfall zu früh verkaufen (-> Dispositions-Effekt). Ferner zeigt das Studium des Anlageverhaltens die Orientierung der Akteure an bestimmten -»Heuristiken sowie die Ausrichtung an relativ einfachen kognitiven -* Schemata. Ansatzpunkte für Fehleinschätzungen bietet auch die Überschätzung kognitiver Kontrolle (-» Kontroll-Illusion) durch Börsenteilnehmer. Lit: FISCHER, L . e t al. ( H g . ) ( 1 9 9 9 ) . F i n a n z -
psychologie. München, Wien. KIRCHLER, E.M. ( 2 1999). Wirtschaftspsychologie. Gött i n g e n u . a . LEA, S . E . G . e t al. ( 1 9 8 7 ) . T h e i n -
dividual in the economy. A textbook of economic psychology. Cambridge. WISWEDE, G. (32000). Einfuhrung in die Wirtschaftspsychologie. Mfinchen, Basel.
Gelegenheitsstruktur Handlungen können nur dann vollzogen werden, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. G. sind in verschiedenen Kontexten angesprochen, z.B. i.R. der Informationsverarbeitung, bei der Theorie des -> geplanten Verhaltens, sowie in der -* Chancenstruktur-Theorie im Hinblick auf abweichendes Verhalten, wo es um die Verfügung über legitime oder illegitime Mittel geht, um ein bestimmtes (abweichendes) Verhalten durchzuführen. Gelernte Hilflosigkeit keit, gelernte
Hilflosig-
Geltungskonsum (conspicious consumption) Ein Mittel, um Status und Prestige zu
Geltungsmottv
signalisieren oder um Statusinkonsistenz auszugleichen (-» Geltungsmotiv). Dazu eignen sich vorwiegend sozial sichtbare Güter. G. kann auch als Medium der symbolischen Selbstergänzung aufgefasst werden. Geltungsmotiv Auch: Prestigemotiv, Anerkennungsmotiv. Für ADLER handelt es sich beim G. um ein omnipotentes Motiv, das insbesondere Minderwertigkeitsgefühle kompensieren soll. Obgleich das G. von erheblicher sp Bedeutung sein dürfte, ist dieses Motiv bisher kaum thematisiert worden; auch existiert kein Messverfahren zur Erhebung des G. Allerdings berührt sich die Problematik mit verschiedenen Aspekten der Selbstwerterhaltung bzw. -* Selbstwerterhöhung. In der angewandten Forschung, z.B. im Zusammenhang mit demonstrativem Konsumverhalten, ist dieses Motiv insbesondere i.R. soziologischer Forschung immer wieder als Erklärungsgrundlage herangezogen worden. Nachgewiesen sind Beziehungen zwischen der Art und dem Ausmaß der -*Statusinkonsistenz und G. Gender Der Ausdruck G. bezieht sich auf die These, dass Geschlechtsunterschiede anlagebedingt („nature") oder umweltbedingt („nurture") sein können. Dabei wird zwischen „Sex" und „Gender" unterschieden: „Sex" bezeichnet dann eher biologisch fundierte Differenzen, „Gender" dagegen soziokulturelle Unterschiede (im Deutschen ist die Trennung Sex vs. Gender, d.h. physisches vs. soziales Geschlecht nicht vorhanden). Diese Unterschei-
Generalisierung
dung ist problematisch, da Unterschiede zwischen den Geschlechtern meist auf die Interaktion biologischer und kultureller Faktoren zurückzufuhren sind (-» Geschlechtsrollen -» Geschlechtsrollen-Stereotype —• Geschlechtsunter schiede). So haben Geschlechtsrollen häufig biologische Bezüge (die Besonderheit der Mutterrolle); sie werden jedoch überlagert von gesellschaftlichen „Definitionen" und stereotypen Vorstellungen. Generalisierung Nach Vorstellungen der Lerntheorie (-> Lernen) findet eine Reaktion nicht nur bei solchen Stimuli statt, für die eine Konditionierung erfolgt ist, sondern auch auf solche Reize, die diesen ähnlich sind. Dies gilt sowohl für die klassische -* Konditionierung als auch für die instrumenteile Konditionierung. Die G. ist ein „ökonomisches" Verfahren insofern, als Individuen zunächst dazu tendieren, zu generalisieren, also bereits Gelerntes auch auf neue, als ähnlich betrachtete Reize anzuwenden. Erst wenn der Erfolg ausbleibt, wird das Individuum diskriminieren (-» Diskriminationslerneri), d.h. individuell bzw. speziell auf den neuen Reiz reagieren. Genauer wird in der Lerntheorie unterschieden nach Stimulus-G. und Reaktions-G. (response generalization). Letztere meint, dass durch einen Reiz auch differenzielle ähnliche Reaktionen ausgelöst werden können. Stimulus-G. (diese meint man gewöhnlich, wenn von G. die Rede ist) liegt vor, wenn der Stimulus auf einem Kontinuum der Ähnlichkeit variiert wird (Generalisierungsgradient) und die Reaktion konstant bleibt. 191
Generalized other
In der SP werden die Implikationen der Lernpsychologie im Hinblick auf G. meist nicht vollzogen. G. wird hier eher umgangssprachlich als Anwendung von früher Gelerntem auf neue (jedoch ähnliche) Situationen verstanden (Bsp.: Ein geschätzter Markenartikelhersteller bringt unter seinem Namen ein neues Produkt heraus, oder: Der Mitarbeiter der Firma X, der zur Firma Y wechselt, wird nach Maßgabe perzipierter Ähnlichkeit der Situation sein erfolgreiches Verhalten weiter praktizieren). In dieser allgemeinen Verwendung des Begriffs i.S. des Transfers liegt es auch nahe, unter G. nicht - w i e in der behavioristischen Lerntheorie - einen automatischen Prozess ohne kognitive Beteiligung zu vermuten. Eine andere Sichtweise wäre nämlich, G. als „Hypothesen" des Individuums zu betrachten (-> Hypothesentheorie der Wahrnehmung), die sich in bestimmtem Umfang bewährt haben und den Transfer des ursprünglich Gelernten zulassen. Generalized other Der „generalisierte Andere" kennzeichnet nach G.H. MEAD die verallgemeinerte Vorstellung, die eine P von den Erwartungen und Einstellungen der anderen Mitglieder ihrer Gruppe besitzt (-» Internalisierung —> Rollenübernahme -* Bezugsgruppe). Genetische Dispositionen Die Diskussion um das Ausmaß der G. und deren relativen Anteil am Gesamtverhalten ist eingespannt in die Anlage vs. Umweltdebatte (-* Reaktionsnorm ~> Heritabilität -* Geschlechtsunterschiede Soziobiologie —• Evolutionspsychologie). Die Um192
Geplantes Verhalten
welttheoretiker glauben, dass die Kultur, wenn überhaupt, an einer sehr langen „genetischen Leine" (E.O. WILSON) liegt, was bedeutet, dass die Kulturen verschiedener Gesellschaften unendlich voneinander abweichen können. Die eher soziobiologisch argumentierenden Vertreter der „Anlagedetermination" halten diese „Leine" für sehr kurz, woraus sich wiederum ergibt, dass völlig unterschiedliche Kulturen stark übereinstimmende Merkmale entwickeln können. Eine pauschale Entscheidung ist hier nicht sinnvoll, weil genetische Merkmale und Umweltmerkmale in Interaktion stehen und die Festlegung der jeweiligen Anteile differenziell je nach Merkmal erfolgen müsste. Geplantes Verhalten Die Theorie des G. von AJZEN ist eine Weiterentwicklung und Komplettierung der Theorie des überlegten Verhaltens (theory of reasoned action) von FISHBEIN & AJZEN. Sie enthält die Variablen der letzteren und fugt eine neue Variable, nämlich die kognizierte Kontrollierbarkeit des Verhaltens (subjective behavioral control) zusätzlich in das Modell ein (-»Kontrolle, kognizierte). In verkürzter Form stellt sich die erweiterte Theorie dann wie folgt dar:
Geplantes Verhalten
Die Erweiterung der Theorie trägt dem Umstand Rechnung, dass viele Verhaltensweisen nicht ausschließlich von den entsprechenden Intentionen abhängen, sondern zusätzlich gewisse Fähigkeiten und Gelegenheiten voraussetzen. AJZEN weist darauf hin, dass der Begriff der subjektiven Verhaltenskontrolle BANDURAS Begriff der Effizienz-Erwartung entspricht. BANDURAS Ausfuhrungen hinsichtlich der Einflussfaktoren für Effizienz-Erwartungen sowie zur -> Selbstwirksamkeit bieten hier eine entsprechende Anschlusstheorie. Über die EffizienzErwartungen hinaus berücksichtigt der Begriff der subjektiven Verhaltenskontrolle jedoch auch bestimmte Restriktionen der Situation sowie die Chance, bestimmte Gelegenheiten zu ergreifen (-> Gelegenheitsstruktur), um die Handlung durchzuführen. Wichtig ist jedoch, dass Kontrollierbarkeit als subjektiver Faktor in die Theorie eingefügt wird: Sie kann (im Hinblick auf objektive Maßstäbe) sowohl überschätzt (man übernimmt sich) als auch unterschätzt werden (man kapituliert zu früh). Kontrollierbarkeit kann als Kontinuum dargestellt werden; die Theorie des überlegten Handelns ist ein Spezialfall der neuen Theorie, wenn subjektive und objektive Kontrollierbarkeit maximiert sind. Die Theorie des G. erweist sich in empirischen Untersuchungen der Theorie des überlegten Handelns als überlegen. Einschränkend ist anzumerken, dass die Theorie u.U. tautologische Elemente enthält und auf kognitiv stark strukturierte intentionale Handlungen beschränkt bleibt (-»Duale Prozess-Modelle MODE-Modell). Außerdem sieht sie das Verhält-
Gerechtigkeit
nis von Verhaltensintentionen zum faktischen Verhalten etwas kurzschlüssig. Hier wären zusätzlich volitionale Theorien der -* Handlungskontrolle einzubeziehen. Lit.: -* Überlegtes
Verhalten
Gerechte-Welt-Glaube -> Just-world —> Gerechtigkeit Gerechtigkeit -»• Fairness (1) Begriff: G. liegt dann vor, wenn in sozialen -* Beziehungen kein Interaktionspartner unbegründete Voroder Nachteile hat. Basis dieser Einschätzung ist der soziale —> Vergleich; besonders gravierend sind Vorteile, die auf Kosten des jeweils anderen entstehen. Im Gegensatz zu objektiven Situationen der G. oder Un-G. beschäftigt sich die sp G.-Forschung mit dem subjektiven Empfinden eines Sachverhaltes als gerecht oder ungerecht. Dabei gilt, dass Ungerechtigkeiten vom „Opfer" meist anders erlebt werden als von unbeteiligten Beobachtern. (2) Formen der G.: (a) Der am häufigsten untersuchte Fall ist distributive G. (Verteilungs-G.), wobei persönliche Beiträge (inputs) in Form von Leistung, Zeitaufwand, Anstrengung etc. und persönliche Ergebnisse (outcomes) wie Einkommen, Privilegien, Status etc. mit den jeweiligen inputs und outcomes anderer Pn verglichen werden (-> Equity-Theorie)\ (b) Eine zweite G. ist sog. ausgleichende G. (equity with the world), wobei angenommen wird, dass eine Person A ihr Input-Outcome-Verhältnis nicht 193
Gerechtigkeit
nur mit dem aktuellen Interaktionspartner B vergleicht, sondern auch mit anderen Personen C, D ... und dass sie unter bestimmten Bedingungen versuchen wird, Ungerechtigkeiten in der Beziehung mit B bei C oder D ... auszugleichen; (c) Eine dritte Form ist -* prozedurale Gerechtigkeit, d.h. die Einschätzung, dass es bei der Ermittlung des Anteils mit,/echten Dingen" zugeht, dass also ein legitimiertes Verfahren (z.B. eine öffentliche Ausschreibung bei Auftragsvergabe oder ein Assessment-Center zur Feststellung der Eignung) über das Ergebnis entscheidet; (d) Ein vierter Aspekt entsteht durch eine (motivationale) Tendenz, anzunehmen, dass es in der Welt im Großen und Ganzen doch gerecht zugeht (-» Just world). Individuen unterscheiden sich allerdings im Ausmaß dieser Überzeugung. Pn mit hohen Werten auf der ,just-world-scale" attribuieren Ungerechtigkeiten häufig als Ausdruck persönlicher Schuld der Betroffenen. So lässt sich zeigen, dass hohe JWSWerte zu mäßigen prosozialen Einstellungen (-»Hilfeverhalten —• Solidarität -* prosoziales Verhalten) führen, weil die Opfer entsprechend abgewertet werden (z.B. Das Opfer hat es nicht anders verdient; sie hat die Vergewaltigung selbst provoziert; Arbeitslose sind meist nur arbeitsscheu). (3) Theorien der G.: Es gibt philosophische Theorien (z.B. RAWLS Theo194
Gerechtigkeit, prozedurale
rie der G.); soziologische Theorien (z.B. Theorien zur lokalen G.) sowie sp Konzepte und Theorien. Die wichtigste sp Einzeltheorie ist die -* Equity-Theorie in verschiedenen Varianten (ADAMS; WALSTER, WALSTER & BERSCHEID; AUSTIN &
WALSTER). Einen gewissen theoretischen Status haben auch die Konzepte zur prozeduralen G. sowie zum -* Just world -Konzept (LERNER). Insgesamt sind die G.-Theorien in den Intentionen von ADAMS bzw. WALSTER in den letzten Jahrzehnten stark eingeschränkt worden. Dies gilt v.a. deshalb, weil die Equity-Theorie ausschließlich auf der Basis des Prinzips der Beitragsproportionalität argumentiert und andere Gerechtigkeitsprinzipien vernachlässigt, mit der Konsequenz, dass die Theorie lediglich für bestimmte soziale -* Beziehungen gelten dürfte, vor allem für Interaktionen mit hoher Austauschorientierung (-» Exp. 22). Lit.: LERNER, M J . & LERNER, S . C . (1980). The belief in a just world: A fundamental delusion. New York. M K U L A , G . (Hg.) (1980). Gerechtigkeit und soziale Interaktio n . MÜLLER, F . G . & HASSEBRAUCK, M .
(22001). Gerechtigkeitstheorien. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. I. Bern u.a., 217-240. TYLER, T.R. et al. (1997). Social justice in a diverse society. Boulder, C.O. WALSTER et al. (1978). Equity: Theory and research. Boston/M.A.
Gerechtigkeit, prozedurale Gerechtigkeit Hier geht es nicht um die relative Einschätzung von Inputs und Outcomes sowie ein daraus resultierendes Gerechtigkeitsempfinden, sondern um mehr oder weniger legitimierte bzw.
Gerechtigkeitsmotiv
akzeptierte Verfahren, gerechte Lösungen zu finden. Bspw. wird G. bei der Verteilung von Positionsgütern (etwa eine berufliche Stelle) erwartet, wobei (seltener) Zuschreibungskriterien (z.B. soziale Herkunft, Alter, Geschlecht) die Auswahl begründen oder aber (häufig) Leistungskriterien, die in einem mehr oder weniger formalisierten und institutionalisierten Verfahren angewandt werden. Als wichtigste Kriterien entsprechender Verteilungsverfahren werden angesehen: (a) Konsistenz über Personen und Zeit (Chancengleichheit); (b) Universalismus (im Gegensatz zu partikularistischen Vorteilen); (c) Unvoreingenommenheit der entscheidenden Dritten; (d) Transparenz und entsprechender Informationsstand; (e) Korrigierbarkeit der Entscheidung; (f) Berücksichtigung der Interessenlage aller beteiligten Personen; (g) Übereinstimmung mit ethischen/ moralischen Standards. Vielfach fungieren jedoch ritualisierte Verfahren der gerechten Einstufung als Alibi und werden je nach Interessenlage der Beteiligten unterschiedlich interpretiert, insbesondere, wenn Interpretationsspielräume bestehen bleiben. Gerechtigkeitsmotiv Nach WALSTER et al. handelt es sich bei der Neigung, eine Verteilung von Gütern nach dem Prinzip der Beitragsproportionalität (-+ Gerechtigkeitsprinzipien) vorzunehmen, um ein Motiv (G., Equity-Motiv). Über den motivationalen Status des Gerechtigkeitsstrebens lässt sich streiten; mög-
Gerechtigkeitsnorm
lich ist auch, dass es sich hierbei um eine internalisierte Norm handelt (-• Norm, soziale Internalisierung). Gerechtigkeitsnorm Die Neigung, bestimmten -» Gerechtigkeitsprinzipien zu folgen, entspricht meistens einer gesellschaftlichen Norm (auch: Gruppennorm), die auch internalisiert werden kann und insofern wie ein Motiv wirkt (-> Gerechtigkeitsmotiv). In Leistungsgesellschaften bzw. Marktwirtschaften werden Equity-Normen eher nach dem Prinzip der Beitragsproportionalität entstehen; in sozialistischen Gesellschaften mit kollektivistischer Prägung werden eher das Gleichheitsprinzip sowie das Bedürfnisprinzip dominieren. Die Ausrichtung des Verhaltens an G. bedeutet auch eine Abkehr von rationalen Vorstellungen menschlichen Handelns. Empirisch lässt sich nämlich zeigen, dass Pn in Situationen, in denen sie egoistisch-rational handeln könnten (z.B. die Verteilung eines Geldbetrages an relativ fremde Personen nach eigenem Gutdünken), durchaus bereit waren, in mehr oder weniger ausgeprägter Form Gerechtigkeitsvorstellungen zu folgen. Umgekehrt sind Pn nicht bereit, einen Betrag zu akzeptieren, der weit unter der Gleichverteilung bzw. leistungsgerechten Verteilung liegt. Am Beispiel: Individuen sind bei einer (nicht leistungsabhängigen) Verteilung von 100 € auf zwei Pn nicht bereit, lediglich 10 € zu akzeptieren. Rational wäre es indes, sogar 1 € zu akzeptieren (-> Ultimatum-Spiel). Auch bei der Bevorzugung der Eigengruppe (-*• Intergruppen-Beziehungeri) 195
Gerechtigkeitsprinzipien
Gerechtigkeitsprinzipien
erweist sich die G. (bzw. die Anwendung von Fairness-Prinzipien) als „Bremse" im Hinblick auf eine eklatante Ungleichbehandlung. Die G. stellt daher eine Art Puffer dar, um egoistisches Verhalten nicht zu sehr ausufern zu lassen.
sichtspunkten); dieses ist nur dann als gerecht einzustufen, wenn der Mächtige in besonderer Weise legitimiert ist; sowie - gewissermaßen auf der anderen Seite des Kontinuums - ein Liebesprinzip, das von altruistischen Aspekten beeinflusst wird.
Gerechtigkeitsprinzipien Verschiedene Autoren, z.B. LEVENTHAL, LERNER und MIKULA haben darauf hingewiesen, dass es verschiedene G. geben kann, die je nach Situation, Beziehungstyp und Persönlichkeit variieren, und die vermutlich auch in starkem Maße kulturabhängig sind. So ist z.B. der in der Equity-Theorie vorrangig untersuchte Gerechtigkeitstyp, nämlich das Prinzip der Beitragsproportionalität, eng mit der Geltung von Leistungsmaßstäben verbunden, so dass dieser Typ am häufigsten in sog. —> Leistungsgesellschaften angewendet wird.
Der Aufweis unterschiedlicher G. schränkt zugleich den Geltungsbereich solcher Theorieansätze ein, die lediglich auf ein einziges G. reflektieren (so die -* Equity-Theorie). In vielen Fällen, z.B. in partnerschaftlichen Beziehungen oder in Freundschaftsgruppen, dürfte das Gleichheitsprinzip angemessener sein. Equity-Prinzipien stehen eher im Vordergrund, wenn es um geschäftsmäßige Beziehungen geht, weniger jedoch bei emotional fundierten Beziehungen, bei denen „Kosten" nicht als Aufwand interpretiert werden, sondern das Commitment in die Beziehung noch steigern. Die Anwendung von G. hängt also vom Ausmaß der -* Austauschorientierung (MURSTEIN) ab. Diese ist bei exchange-relations (i.S. von MILLS & CLARK) hoch, bei communal-relations (Gemeinschaftsbeziehungen, Verwandtschaftsbeziehungen) niedrig (-» Beziehungen, soziale). Konvergent hierzu wird für „Identity'VBeziehungen das Bedürfnisprinzip, für „Unit"Beziehungen das Beitragsprinzip und für „Non-unit"-Beziehungen sogar ein Rivalitätsprinzip reklamiert. Wie MIKULA & SCHWINGER betonen, wird lediglich in einer „neutralen" Beziehung nach dem Equity-Prinzip verfahren; mit steigender -* Sympathie wird das Gleichheitsprinzip bevorzugt; bei höchster Sympathie (Liebe) wird zum Bedürfnisprinzip übergegangen.
Im Einzelnen lassen sich unterscheiden: (a) das Prinzip der Beitragsproportionalität (Equity-Prinzip). Hier gelten die von der Equity-Theorie vorgesehenen Mechanismen der distributiven Gerechtigkeit: Jeder soll das erhalten, was ihm nach seinen Beiträgen zukommt; (b) das Gleichheitsprinzip: Jeder soll ohne Ansehen der Person und der Leistung gleich behandelt werden; (c) das Bedürfnisprinzip: Jeder soll nach seinen Bedürfnissen (besser: nach seiner Bedürftigkeit) belohnt werden, gleichfalls ohne Ansehen der Person und der Leistung. Darüber hinaus wird gelegentlich ein Machtprinzip unterschieden (die Verteilung von Gütern nach Machtge196
Geschlechtsrollen
Geschlechtstheorien
Da Beziehungen auf einem Kontinuum angeordnet sind und deshalb manchmal auch situationsspezifisch oder rollenspezifisch wechseln können, ist davon auszugehen, dass in vielen Alltagssituationen „gemischte" G. angewendet werden. Am Beispiel: Bürger der ehemaligen DDR empfanden es als gerecht, trotz geringerer Produktivität die gleichen Löhne zu erhalten wie West-Bürger. Bürger der westlichen Bundesländer empfanden dies meist als ungerecht, da die DDRBevölkerung am Wiederaufbau nach dem Kriege keinen Anteil hatte, so dass deren Forderung als unangemessenes Anspruchsdenken interpretiert wird. Die jeweilige Argumentation zeigt einmal die subjektive Komponente der Gerechtigkeitseinschätzung, zum anderen jedoch die Anwendimg verschiedener oder gemischter G.; aus der Sicht der ostdeutschen Bevölkerung etwa: „Uns sind die Früchte dieses Wohlstands zu Unrecht vorenthalten worden" (Equity-Prinzip); „Gleiches Recht für beide" (Gleichheitsprinzip); „Wir haben entsprechenden Nachholbedarf" (Bedürfnisprinzip). Lit.:
Gerechtigkeit
Gerechtigkeitstheorien tigkeit -*• Equity-Theorie
Gerech-
Geronto-Psychologie Psychologie des (hohen) -* Alters sowie des Alterns. Geschenk Das G. ist insbesondere im Rahmen der „cultural anthropology" i.S. „gestundeter Gegenseitigkeit" untersucht und durch das Prinzip der Reziprozität charakterisiert worden. Durch das
G. entsteht seitens des Beschenkten eine Art Verpflichtung, auch wenn das G. für diesen keinen besonderen Wert darstellt. Der Schenkende kann dies mit dem Ziel verbinden, zu geeigneter Zeit zumindest moralisch Gegenleistung zu erwirken. Die ReziprozitätsStrategie stellt nach CIALDINI eine der wichtigsten Säulen des Einflusses auf eine andere P dar. Zu wertvolle oder illegitime bzw. unangemessen große Geschenke können beim Empfänger zu Reaktanz führen, indem sich der Beschenkte nicht in die Pflicht nehmen lässt oder Bestechlichkeit attribuiert. GERGEN et al. konnten überdies zeigen, dass G. auch den Selbstwert (—> Selbstwerterhaltung) bedrohen können, weil man sich durch sie verpflichtet fühlt. Der Schenkende wird dabei u.U. abgewertet, insbesondere von (beschenkten) Pn mit hohem positiven Selbstwertempfinden (-> Hilfe-Empßnger). Geschichte der Sozialpsychologie -> Sozialpsychologie, Geschichte der Geschlechtsrollen G. werden durch normative Erwartungen definiert, die in jeweils unterschiedlicher Weise an Pn männlichen und weiblichen Geschlechts herangetragen werden. Da die G. in der Vergangenheit sicherlich sehr viel enger in die biologischen Grundfunktionen und Arbeitsteilungen angebunden waren, dürften im Evolutionsprozess auch unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensausprägungen entstanden sein. Dabei erfolgte die Zuweisimg der instrumentell-adaptiven Funktionen vorwiegend auf den Mann und die Übertragung der ex197
Geschlechtsrollen
Geschlechtsrollen
pressiv-integrativen Funktionen eher auf die Frau bzw. Mutter. Der Hauptgrund für das historische Zustandekommen einer solchen (interkulturell weitgehend konsistenten) Rollenaufteilung dürfte wohl in der besonderen Schutzbedürftigkeit der Frau - wegen der (seinerzeit häufigen) Schwangerschaftsperioden - zu sehen sein, die sowohl die Eignung für körperlich schwere Arbeit, die „schweifenden Formen der Nahrungsgewinnung" (WITFOGEL) als auch für räuberische und kriegerische Aktivitäten minderten. Im Gegenzug entwickelten sich beim weiblichen Geschlecht besonders sozial-emotionale Fähigkeiten der Fürsorge; Frauen boten insbesondere dem Nachwuchs Schutz in einer gefahrlichen Außenwelt. Evolutionspsychologisch ist daher wahrscheinlich, dass v.a. jene Frauen ihr Erbgut weitergeben konnten, die ihre Nachkommen besonders fürsorglich schützten. Umgekehrt hatten jene Männer die größeren Chancen, ihr genetisches Potential weiterzugeben, die sich bei der Jagd und Verteidigung besonders erfolgreich erwiesen haben. Heute finden wir davon nur noch Residuen, da die biologische Anbindung erfolgreicher Verhaltensmuster weitgehend verschwunden ist. Als Folge kommt es zu einer Vermischung von G., wobei evolutionäre Relikte historisch sehr lange bestehender Rollenaufteilungen in der Psyche des Mannes und der Frau bestehen bleiben. In dem Maße, in dem sich die Lebensbedingungen änderten und in dem Schwangerschaft und Mutterschaft nicht mehr als die „lebensdeterminierenden" Ereignisse angesehen wurden, geriet die „Natürlichkeit" der skiz198
zierten Rollenaufteilung ins Wanken und verlor auch die Legitimation. Nichts desto weniger entsteht sowohl für Männer als auch für Frauen eine Art Rollenambiguität: die Suche nach neuen Rollenmustern. I.R. solcher Wandlungsprozesse entstehen Unsicherheiten und Konflikte (z.B. der typische Rollenkonflikt der Frau: Hausfrauen- und Mutterrolle auf der einen Seite, Berufs- und Karrierevorstellungen auf der anderen Seite). Dabei sind auch Aspekte der Diskriminierung unübersehbar (z.B. Unterrepräsentation von Frauen im Bereich der Führungskräfte). Zur Messung von G. wird auf verschiedene Verfahren zurückgegriffen (z.B. LlKERT-Skalen, GuTTMAN-Ska-
len). Verbreitet sind Eigenschaftslistenverfahren (analog zu KATZ & BRALY), die ursprünglich zur Erfor-
schung ethnischer Stereotype verwendet wurden (etwa: aus vorgegebenen Eigenschaften diejenigen ankreuzen, die man für Frauen bzw. für Männer als besonders typisch ansieht; je zehn typische Eigenschaften nach eigener Wahl nennen); Vorgabe von uni- bzw. bipolaren Eigenschaftsskalen; daneben Einschätzung des Selbstbildes sowie des Selbstideals (z.B. könnte das Ideal-Selbst von Frauen männlicher sein als das Real-Selbst). Häufig sind G. keineswegs durch komplexe Erwartungsstrukturen gekennzeichnet, sondern stark simplifiziert und damit stereotyp (-»Geschlechtsrollen-Stereotype). Lit.: ALFERMANN, D . (1996). Geschlechter-
rollen und geschlechtstypisches Verhalten. Stuttgart.
BIERHOFF-ALFERMANN,
D.
(1989). Androgynie - Möglichkeiten und Grenzen der Geschlechterrollen. Opladen.
Geschlechtsrollen-Stereotype EAGLY, A . H . (1987). Sex differences in so-
cial behavior: A social-role Interpretation. Hillsdale, N.J. MACCOBY, E . E . & JACKLIN, C.N. (1974). The psychology of sex differences. Stanford/CA. SPENCE, J . T . et al.
(31985). Sex roles in contemporary american society. In: Lindzey, G. & Aronson, E. (eds.) Handbook of social psychology, Vol. II. New York, 149-178.
Geschlechtsrollen-Stereotype Geschlechtsrollen können auch als Typisierungsschema aufgefasst werden (-»Rolle, soziale). So entspricht der Inhalt der G. den typischen sozialen Rollen, in denen die Zielpersonen des Stereotyps sich verhalten. Am häufigsten werden dabei solche G. aktiviert, welche die Tätigkeit der Hausfrau und Mutter im Kontrast zu Berufstätigkeit und Karriere reflektieren (vgl. EAGLY 1987). So entspricht das Stereotyp des Mannes (ein „typischer Mann") den Eigenschaften: dominant, autonom, unemotional, zielorientiert, selbstbewusst, aktiv, tatkräftig, selbständig, leistungsorientiert etc., während der „typischen Frau" die folgenden Merkmale zugeschrieben werden: anpassungsfähig, abhängig, passiv, intuitiv, empfindsam, warmherzig (vgl. BIERHOFF-ALFERMANN 1989). Durch G. wird die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht als kategoriale Information gegenüber individuellen Eigenschaften überbelichtet (-»Kategorisierung). Dies beeinflusst die soziale -* Wahrnehmung, in der die Geschlechtszugehörigkeit ein Schema aktiviert, das dem Stereotyp folgt (FISKE & N E U BERG 1990). Stereotype lösen sich selbst erföllende Prophezeiungen aus, d.h. die simplifizierende Kategorisierung erzeugt Erwartungen, die i.S. einer -* Erwartungsbestätigung wirken.
Geschlechtsrollen-Stereotype
Eine zentrale Frage betrifft auch den Umstand, ob der Mann oder die Frau ein solches G. unreflektiert und unkritisch übernimmt oder hierzu in -* Rollendistanz geht. Da in frühen Sozialisationsphasen eine solche Reflexivität noch nicht zu erwarten ist, festigen sich die stereotypen Muster bei Jungen und Mädchen und reduzieren damit die Chance, später grundlegend verändert zu werden. Je stärker nämlich das jeweilige Stereotyp verbreitet ist und von Erziehungspersonen bewusst oder weniger bewusst vermittelt wird und je mehr Sanktionen für rollendiskrepantes Verhalten (z.B. Hausmann, technische Abteilungsleiterin) bereitstehen, desto eher ist zu vermuten, dass sich auch das Selbstkonzept der Betroffenen am G. orientiert. Die hier skizzierte Problematik ist häufig im Bezug auf die These diskutiert worden, dass Frauen in Führungspositionen kaum zu finden sind (EAGLY e t a l .
1995;
FRIEDEL-HOWE
1990). Dies liegt z.T. daran, dass das Stereotyp „Führungskraft" nur geringe Überlappung mit dem Stereotyp „Frau" aufweist. Werden Frauen „männliche" Eigenschaften zugeschrieben, gelten sie als „unweiblich"; auch werden gleiche Aktivitäten (z.B. die Bereitschaft, zwischen verschiedenen Positionen zu vermitteln) beim Mann u.U. als Fähigkeit zum Ausgleich interpretiert, bei der Frau dagegen als Führungsschwäche. Im Übrigen zeigt sich anhand einschlägiger -* Meta-Analysen, dass im Hinblick auf die Effektivität von Führung zwischen Männern und Frauen kaum Unterschiede bestehen. Allerdings zeigt dies lediglich, dass immer dann, wenn Frauen Führungspositionen erreichen, 199
Geschlechtsunterschlede
sie diese ebenso gut ausfüllen. Da es jedoch i.d.R. nur wenig Frauen sind, die solche Positionen erreicht haben, sind diese nicht repräsentativ für „Frauen", weil die Selektionsquote im Vergleich zu männlichen Führungskräften wesentlich geringer ist. Lit.:
Geschlechtsrollen
Geschlechtsunterschiede Abgesehen von den evidenten sichtbaren biologischen Geschlechtsdifferenzierungen des Körperbaus sind geschlechtsspezifische Unterschiede im Hinblick auf eine große Zahl von Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensausprägungen belegt (vgl. BISCHOF & TREUSCHOFT). Diese sind allerdings durchgehend i.S. sich überlappender Verteilungen zu sehen, d.h. die Unterschiede innerhalb des gleichen Geschlechts sind bedeutsamer als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. „Geschlecht" tritt gerade auch in sp Zusammenhängen mit großer Regelmäßigkeit in zahlreichen Experimentalsituationen als differenzielle Variable auf („sex as a variable"), angefangen beim Studium der Konformität bis hin zu Ergebnissen der Empathieforschung und der Analyse von Beziehungsqualitäten. Dabei bleibt in aller Regel völlig offen, ob nachweisbare Unterschiede im Verhalten auf „naturgegebene" (z.B. genetische) Wurzeln zurückführbar sind oder ob lediglich differenzielle Sozialisationsbedingungen für solche Unterschiede verantwortlich gemacht werden können. Noch in den 70er Jahren wurde von vielen (v.a. feministischen) Autorinnen der Standpunkt vertreten, dass Femininität und Maskulinität allein sozi200
Geschlechtsunterschiede
okulturell erzeugt seien und mit dem jeweiligen sozialen Kontext variieren. Das Problem der G. schien damit ein Paradefall eines rigorosen -* Konstruktivismus zu sein. Mittlerweile kann eine solche Position angesichts neuerer Befunde der Soziobiologie nicht mehr ernsthaft vertreten werden. Längst dokumentiert sind G. in den Abläufen im Gehirnbalken und anderen Gehirnstrukturen sowie die Muster von Gehirnaktivitäten im Hinblick auf Sinneswahrnehmungen, auf räumliche und verbale Fähigkeiten, sowie hormonelle Differenzen, die zu statistischen Unterschieden - mit Überlappungen bei verschiedenen Merkmalen - führen. Welche dieser Unterschiede durch kulturelle Einflüsse verstärkt oder abgeschwächt werden, ist kontrovers, nicht dagegen, dass diese biologischen Unterschiede bestehen. Der diesbezügliche Nachweis des relativen Anteils ist außerdem schwierig, da die angenommenen Dispositionsmerkmale mit differenziellen Sozialisationsbedingungen interagieren. Auch ist evident, dass die in einer Gesellschaft oder Gruppe geltenden -* Geschlechtsrollen-Stereotype Rückwirkungen auf die männliche und weibliche -*Selbstkategorisierung haben. Folgende G. sind u.a. belegt (MACCOBY & JACKLIN, 1975; SCHENK 1978; ALEMANN-TSCHOPP 1979; BRANDSTÄTTER et al. 1992; SPENCE et al. 1985):
(a) Differenzen hinsichtlich intellektueller Fähigkeiten (z.B. größeres Sprachvermögen bei Mädchen, Überlegenheit von Mädchen beim „Rechnen", bessere abstrakt-mathematische Fähigkeiten sowie ausgeprägtere visuell-räumliche
Geselligkeitsmotiv Fähigkeiten bei Jungen); (b) größere -> Feldabhängigkeit bei Mädchen (d.h., dass weibliche Pn beim Beurteilen und Erleben von Sachverhalten in starkem Maße von Kontextfaktoren abhängig sind); (c) ausgeprägtere -* Empathie bei Mädchen; auch stärkere Abhängigkeit von Sozialbeziehungen bei Mädchen, dadurch auch höhere Neigung zur Konformität; (d) stärkere Intensität und Differenziertheit der Gefühlswelt beim weiblichen Geschlecht, möglicherweise auch stärkere Durchmischung von Verstand und Gefühl (umstritten); (e) ausgeprägtere Neigung zur -* Aggression bei Jungen (vermutlich ein Relikt der Evolution, verstärkt sicherlich durch Sozialisationsprozesse, in denen Aggressivität v.a. bei männlichen Jugendlichen belohnt oder zumindest weniger bestraft wird). Lit.: -» Geschlechtsrollen
Geselligkeitsmotiv -* Affiliationstheorien
Gesellschaft Gilt als generelle Bezeichnung für die Form des Zusammenlebens von Menschen und kennzeichnet die besondere Art dieser Verbundenheit. Über die spezifischen Merkmale, die einer G. zugeschrieben werden, besteht allerdings keine einhellige Auffassung. Insbesondere herrschen die folgenden Verständnisweisen vor: (a) G. als Personenmehrheit, die ganz bestimmte gemeinsame Merkmale aufweist (z.B. die aufgrund kultureller Tradition ein gewisses Zu-
Gestalt sammengehörigkeitsgefühl besitzt, ein ähnliches Wert- bzw. Normsystem aufweist und meist im Rahmen einer national-staatlichen Ordnung organisiert ist); (b) G. als struktureller Rahmen des Zusammenlebens von Menschen. Diese rahmengebenden Faktoren (Normen, Institutionen, Organisationen) wirken als vorgegebene Struktur, als Verankerungspunkte des Handelns, durch welche die Mitglieder einer G. Orientierung und Ordnung, Regelhaftigkeit und Identität erfahren; (c) G. als soziales -* System, dessen Teile in Wechselbeziehung zueinander stehen. Dabei bleibt zunächst noch offen, welches die Elemente des Systems sind und welche Natur die Wechselbeziehungen zwischen den Systemteilen aufweisen. Im Allgemeinen besteht die Annahme, dass die Elemente des Systems i.S. erhaltungsnotwendiger Funktionen aufeinander abgestimmt sind und sich in einem (manchmal gefährdeten) Gleichgewicht befinden.
Gesichtsverlust Besonders schwere Form der Selbstwertbedrohung (—> Selbstwerterhaltung); kulturell unterschiedlich bedeutsamer Ausdruck einer besonderen Scham. Um das „Gesicht" zu wahren, neigen Individuen zu aggressiven sowie irrationalen Verhaltensweisen.
Gestalt Die SP hat aus der Gestaltpsychologie insbesondere zwei Paradigmen übernommen: (l)Die Idee, dass das Ganze mehr sei 201
Gestik
als die Summe seiner Einzelteile, mit Anwendungen auf Aspekte der sozialen -* Wahrnehmung (-»Halo-Effekt Zentralität von Eigenschaften) sowie auf Aspekte der Erforschung sozialer -* Gruppen (-» Emergenz), die nach dieser Vorstellung nicht allein durch das Studium auflösbarer -* Dyaden untersucht werden können. (2) Die Idee der „guten Gestalt", die u.a. die —• Konsistenztheorien, insbesondere HEIDERS -* Balancetheorie, entscheidend befruchtet hat. Gestik Form der non-verbalen -* Kommunikation (sog. Körpersprache), v.a. mit den Händen. EKMAN & FRIESEN entwickeln ein Klassifikationssystem der gestischen Ausdrucksformen: Embleme sind kulturell kodifizierte G. i.S. von Bedeutungsträgern (Gebärdensprache); Illustratoren und Regulatoren sind sprachbegleitende G., letztere unabhängig von den verschiedenen kommunikativen Inhalten; Adaptoren sind wenig bewusste Formen der taktilen Kommunikation, die als Mittel des Selbstausdrucks dienen können. Gesundheitspsychologie Zweig der angewandten Psychologie, wobei in neuerer Zeit in stärkerem Maße sp Konzepte und Befunde Verwendung finden. Themenbereiche sind u.a.: (a) Die Ablösimg älterer „biomedical models" durch ein stärker interdisziplinäres „bio-psycho-socialmodel" (TAYLOR 1991), wobei auch die soziokulturelle „Definition" von Gesundheit und Krankheit ihren Ausdruck findet; 202
Gesundheitspsychologie
(b) Die Erforschung psychischer Aspekte (auch: sozialer Ursachen) für Krankheit und Gesundheit und der sie begleitenden Verhaltensweisen (z.B. Risikoverhalten, Vorsorgeverhalten); (c) Besonderheiten der Arzt-PatientBeziehung, Umgang mit der Krankenrolle, „Compliance" mit den Anweisungen des Arztes etc.; (d) Aufbau eines Gesundheitsbewusstseins (Körperaufmerksamkeit, Ernährungsbewusstsein), wobei -» Wert-Erwartungs-Theorien sowie die Theorie des -* geplanten Verhaltens einbezogen werden können; (e) Auswirkungen sozialer Beziehungsnetze und sozialer Unterstützung, die Wirkung sozialer Reaktionen auf die Ätiologie von Krankheiten; (f) Beziehungen zu angrenzenden Konzepten, die sp fundiert sind (z.B. Selbstwirksamkeit, Einsamkeit, Kontrolle, kognizierte -* Stress, Coping, -» Depression, Sorglosigkeit, gelernte ). Ferner gibt es zahlreiche Überschneidungen mit anderen Teildisziplinen, wie Medizinpsychologie, Medizinsoziologie, Ernährungspsychologie etc. Lit.: BENGEL, J. (1993). Gesundheit, Risiko-
wahrnehmung und Vorsorgeverhalten. Göttingen. GATCHEL, R J . et al. ( 2 1989). An
introduction to health psychology. New York. SCHWARZER, R. (Hg.) (1990). Ge-
sundheitspsychologie. Ein Lehrbuch. Göttingen. SCHWARZER, R. (1996). Psychologie
des
Gesundheitsverhaltens.
Göttingen.
STROEBE, W. ( 4 2002). Gesundheitspsycho-
logie. In: Stroebe, W. et al. (eds.) Sozialpsychologie. Eine Einführung. Berlin u.a. TAYLOR, S.E. (21991). Health psychology. New York.
Gewalt
Gewalt Nach BERKOWITZ eine Form der -*Aggression, die meist mit physischen Zwangsmitteln verbunden ist. Sonderformen sind psychische G. sowie strukturelle G. (-» Macht, soziale). Ein Dauerthema ist der Einfluss der Darstellungen von G. in den Medien (insbesondere im Kino und im Fernsehen) auf die Aggressionsbereitschaft von Jugendlichen. Diesbezügliche empirische Untersuchungen sind z.T. kontrovers. Die Befunde von BANDURA zur Modellwirkung von G. (-• Aggression Modell-Lernen) legen nahe, dass sich die latente G.-Bereitschaft von Rezipienten tatsächlich erhöht, sofern bestimmte Bedingungen (v.a. auch eine Situation mit entsprechenden Effizienz- und -> Konsequenz-Erwartungen) vorliegen. Obgleich Bedenken geäußert wurden, ob die Experimental-Situationen BANDURAS mit der Medienrealität vergleichbar seien, sind neuere empirische Befunde durchaus im Einklang mit der Theorie BANDURAS.
Gewinn-Verlust-Hypothese (I)I.R. interpersoneller -*Attraktion boten Stimulus-Pn positive oder negative Urteile über eine Vp in den Abfolgen negativ-positiv (Gewinnsituation), immer positiv, immer negativ und positiv-negativ (Verlustsituation), wobei die Stimulus-P von der Vp in der ersten Situation am positivsten, in der letzten jedoch am negativsten beurteilt wurde. ARONSON erklärt dies wie folgt: Ein Gewinn an Zuneigung bewirkt mehr Sympathie als beständige Zuneigung. Gleichermaßen ist ein Verlust an Zuneigung unangenehmer als dauernde Abwendung.
Gewissheit, soziale
(II) I.R. experimenteller —• Spiele die Anweisimg: „Bei Gewinn Verhalten beibehalten, bei Verlust Verhalten ändern". In der Tat lassen sich die zweckmäßigen Vorgehensweisen auf diese simple Regel reduzieren, die im Übrigen auch aus zentralen lerntheoretischen Annahmen ableitbar ist (-* Konditionierung, instrumenteile -> Effektgesetz).
Gewissen Hypothetische Instanz, die bei einer Handlung oder einer Handlungsabsicht Schuldgefühle immer dann verursacht, wenn die betreffende Handlung gegen internalisierte Normen (-> Internalisierung) verstößt. Für FREUD ist das G. deckungsgleich mit
dem Über-Ich, der verinnerlichten Elterninstanz; der „Sanktionsherr" wirkt dann aus dem Inneren des Individuums. Diese Verlagerung der Sanktionsinstanz kann lerntheoretisch auch als Selbstverstärkung bzw. als Selbstbestrafung charakterisiert werden. G. bedeutet dann den freiwilligen Verzicht auf bestimmte angenehme Handlungen und die freiwillige Übernahme von Handlungen mit möglicherweise unangenehmen Konsequenzen. Auch wird statt von G. häufig von -*• Selbstkontrolle gesprochen. Diese besteht letztlich in einem bewussten Verzicht auf eine Verhaltensalternative, die zumindest im Augenblick größere Attraktivität hätte (-» myopischer Effekt).
Gewissheit, soziale Aspekt des sozialen Handelns, bei dem der Akteur davon ausgeht, dass die soziale Umwelt für einen gewissen Zeitabschnitt und Raumausschnitt 203
Gewohnheit
transparent und konstant bleibt. Dazu gehört auch, dass alle Beteiligten bestimmten Werten und Normen verpflichtet sind, so dass deren Verhalten voraussehbar und verlässlich bleibt (-> Erwartungen, normative Erwartungen, antizipative -* Vertrauen Konformität -* Normen, soziale).
Gewohnheit G. sind Reaktionsautomatismen, die als Folge dauerhafter -* Verstärkung entstanden sind. Für HULL besteht die Reaktionsstärke R aus dem Produkt der Habitstärke H (Lernerfahrung, d.h. wie häufig und intensiv ein Verhalten verstärkt wurde) und der Triebspannung D, wobei die Habit-Komponente die Richtung des Verhaltens bestimmt. Bei hoher physiologischer Aktivation besteht insofern eine Neigung zu rigidem Verhalten; die dominante Reaktion setzt sich durch. Ganz allgemein ist die G. nichts anderes als die Sicherstellung und Fortführung eines Verhaltens, das sich vorher als tauglich erwiesen hat. Jenseits der behavioristischen Position kann man auch davon ausgehen, dass G. aus kognitiv geprägten Entscheidungen erwachsen und in späteren Phasen kognitiv „ausdünnen". Dabei werden häufig Phasen der G.-Bildung (Habitualisierung) unterschieden: zunächst extensive Problemlösung, dann vereinfachte Entscheidungen aufgrund von -*• Heuristiken und —• Schemata und schließlich habituelles Verhalten (routinized responses). Ökonomen haben vielfach darauf hingewiesen, dass ein Handeln nach G. durchaus rationales Verhalten bedeute, da der Mensch ansonsten mit Entscheidungsbildungsprozessen überlas204
Glaubwürdigkeit
tet sei und das Handeln nach eingefahrenen Routinen der kognitiven Entlastung diene. Nach den Vorstellungen der -* Rational Choice- Schule wägt eine P zunächst ab, ob sie einen aufwändigen und elaborierten Prozess der -*• Informationsverarbeitung durchlaufen oder ob sie nach bewährtem Muster gewohnheitsmäßig handeln solle. Dies ist freilich ein „impsychologisches" Modell, denn die Aktivierung einer G. erfolgt hier gerade nicht aufgrund einer vorgängigen Entscheidung, sondern stellt sich beiläufig und kaum bewusst ein. Ob G., die sich ursprünglich aus bewährtem Verhalten herausgebildet haben, zu späteren Zeitpunkten und in abweichenden Situationen noch als tauglich (i.S. des -* Effektgesetzes) zu bezeichnen sind, ist eine offene Frage, denn habitualisiertes Verhalten ist bis zu einem gewissen Grad verfestigt und einwandsimmun, d.h. der Handelnde reflektiert nicht über die Handlungseffizienz. Trotz ihrer großen Bedeutung für das Handeln sind G. mit Ausnahme der lerntheoretischen Konzepte i.R. der sp Forschung kaum sonderlich bearbeitet. Dies gilt auch für die wp Forschung, trotz der unübersehbaren Bedeutsamkeit von G.-Handlungen im Bereich von Arbeit und Organisation oder auf dem Felde des Konsumentenverhaltens (Konsum-G.). Glaubwürdigkeit -*• Vertrauen (I) In der forensischen Psychologie die G. eines Angeklagten oder eines Zeugen. Es geht hier um objektive G. und um die Suche nach validen und zuverlässigen Indikatoren (z.B. non-verbale Signale, Lügendetektoren -*Lüge).
Glaubwürdigkeit
Gratifikationsforschung
(II) In der Kommunikationsforschung geht es um die subjektive G. einer Aussage bzw. eines Kommunikators. Je höher die G. eines Kommunikators ist, desto größer ist die Chance, Veränderungen von Einstellungen und Verhaltensweisen eines Rezipienten (-• Kommunikation, soziale -* Einstellungsänderungen) zu bewirken (-> Exp. 19). Als Kernfaktoren, die ihrerseits G. bedingen, hatten die Yale-Studien (insb. HOVLAND & JANIS) Kompetenz (in der anstehenden Frage) sowie Vertrauenswürdigkeit (insbesondere wahrgenommene bzw. attribuierte Interessengebundenheit) ermittelt.
weniger auf Signale hoher G. des Kommunikators achten.
Man kann diese Kernfaktoren auch als personale Konstrukte des Rezipienten (i.S. KELLYS) auffassen (-> Theorien, subjektive), denen bestimmte signalgebende Stimuli vorgelagert sind, aus denen einerseits Kompetenz, andererseits Vertrauenswürdigkeit erschlossen werden. Solche Stimuli sind z.B.: Auftreten, Dynamik, Status, Ähnlichkeit, Kleidung, Alter, Geschlecht. Die Schlussfolgerungen von diesen Stimuli auf das Vorliegen von Kompetenz resp. Vertrauenswürdigkeit erfolgen mittels naiver Hypothesen, die aus bisherigen Erfahrungen abgeleitet oder generalisiert werden.
Glück
G. sowie die diese stützenden Indikatoren werden im Ausmaß des -> Involvement seitens des Rezipienten weitgehend irrelevant. Ähnlich lässt sich aus dem -* ELM ableiten, dass Aspekte der G. in den Hintergrund treten, je stärker die Motivation und die Fähigkeit des Individuums zur Informationsverarbeitung sind. In diesem Falle entscheidet vorwiegend die Argumentqualität, d.h. der Rezipient wird
Gleichgewicht Die Idee des G. findet sich in der Entwicklungspsychologie PlAGETs (Äquilibrum); in der SP dagegen vorwiegend i.R. der Konsistenztheorien (—• Balancetheorie -* Dissonanztheorie) als Tendenz zum kognitiven G. Gleichheitsprinzip -> Gerechtigkeitsprinzipien Globalität -> Attributionsdimensionen
(I) G. gilt als die positivste Form der Emotion, gewissermaßen als Steigerung von Freude. Dabei ist kontrovers, ob es sich beim G. lediglich um ein flüchtiges G.-Gefühl (Glücksmoment) handelt oder ob G. eher als konstantes wohliges Gefühl der -> Zufriedenheit auftritt. (II) G. im Sinne von „Ich habe G. gehabt" bedeutet die Zuschreibung von positiven Ereignissen (z.B. Erfolg) auf einen (glücklichen) Zufall, d.h. auf variable, externe und vom Individuum nicht zu kontrollierenden Umstände (-» Attribution -* Attributionsdimensionen). Gratifikationsforschung Rezipientenorientiertes Forschungskonzept, das sich mit einer inhaltlichen Ausfüllung des sog. Nutzenansatzes beschäftigt, der die tatsächliche Nutzung der Massenmedien durch aktive Rezipienten zum Gegenstand hat. Als Hauptmotive werden genannt: Information (im Dienste der Validierung 205
GRID-ModeU
des Alltagsgeschehens) sowie Unterhaltung (im Dienste der Anregung oder Entspannung). GRID-ModeU Verhaltensgitter mit den beiden Dimensionen „Person-Orientierung" und „Sach-Orientierung". Das G. wird von BLAKE & MOUTON zur Lokalisation von -* Führungsstilen und Verkaufsstilen (selling-grid) verwendet. Defizite sollen in geeigneten Trainingsprogrammen beseitigt werden. GRIT Graduated and reciprocated initiative in tension reduction. G. bezeichnet nach OSGOOD eine Politik der kleinen Schritte: eine auf sukzessiven Konzessionen aufbauende Technik zur Verringerung politischer und sozialer -* Konflikte. Dies impliziert, dass anfangs einseitige Schritte der Spannungsreduktion erfolgen, in der Erwartung (Hoffnung), dass die Gegenseite nachzieht. Die G. beruht auf dem Prinzip der —• Reziprozität. Group-think -* Gruppendenken Gruppe, soziale (1) Begriff: Nach „klassischer" Auffassung versteht man unter G. eine Personenmehrheit, die sich face-toface in relativ häufiger -* Interaktion befindet. Neben einer solchen „Minimal-definition", wie sie etwa HoMANS oder BALES bevorzugen, finden sich in der sp Literatur auch Begriffsbestimmungen, die von zusätzlichen Voraussetzungen ausgehen, z.B. dem Bestehen bestimmter struktureller Merkmale (z.B. Rollenstruktur). Will man jedoch gerade jene Strukturierungs-Prozesse untersu206
Gruppe, soziale
chen, ist es zweckmäßiger, von der o.g. Minimaldefinition auszugehen. Einige Sozialwissenschaftler, insbesondere Soziologen, betrachten die G. als soziales -* System. Ein solcher Ansatz ist z.B. für die strukturfunktionalistische Schule typisch; er richtet seinen Blick vorwiegend auf die interdependenten strukturellen Elemente einer G. und der funktionalen Beiträge dieser Elemente (eine verwandte Sichtweise hat der -*expectation-states-Ansatz, der den Mitgliedern einer G. jeweils den Status zuweist, der ihrem funktionalen Beitrag entspricht). Ein eher subjektivistischer G.-Begriff wird i.R. sozialer Kategorisierung {-* Identität, soziale -* Intergruppen-Beziehungen) vertreten. Danach konstituiert sich eine G. immer dann, wenn Pn sich kategorial als Mitglieder einer G. verstehen. Dies fuhrt allerdings dazu, dass das Merkmal der Überschaubarkeit aufgegeben wird; auch ist face-to-faceInteraktion nicht mehr erforderlich. Entscheidend ist allein das subjektive Gefühl der Zugehörigkeit zu einer G., mit der man ein bestimmtes Merkmal oder eine Merkmalskombination teilt. Insofern werden i.R. dieses Ansatzes auch sog. QuasiGruppen (im soziologischen Sinn) betrachtet (z.B. Ossis/ Wessis, leitende Angestellte, alle Zehnkämpfer dieser Erde, Homosexuelle, Bayern), wobei der mikrosoziale Bezugsrahmen der Kleingruppenforschung verlassen wird. Dabei interessiert weniger die Binnenstruktur solcher (Quasi-)G. sondern eher die (möglicherweise) konflikthafte Beziehung zwischen G.
Gruppe, soziale
(2) Formen: Üblicherweise werden Primär-G. von Sekundär-G. unterschieden; erstere (z.B. die Familie) sind von besonderer Prägekraft für das Individuum. Wichtig ist auch die Unterscheidung in Eigen-G. (der man selbst bereits angehört) und Fremd-G. Letztere kann eine Aspirations-G. sein, der man angehören möchte. Ist dies nicht der Fall, so wird die Fremd-G. als Outgroup gesehen, von der man sich abzuheben sucht. Bezuggruppen sind meist Fremd-G., zu denen man kognitive und/oder emotionale Beziehungen unterhält (denen man z.B. angehören möchte). Es wird auch zwischen positiven und negativen Bezugs-G. unterschieden; von letzteren möchte man sich abgrenzen. Bedeutsam ist auch eine Unterscheidung in instrumenteile (aufgabenorientierte) und sozio-emotionale G. Eng damit verwandt ist die Abhebung formeller von informellen G., wobei erstere einem bestimmten Organisationsplan entsprechen (z.B. Arbeits-G.), letztere sich informell (manchmal als Gegenreaktion) ausbilden und mehr oder weniger vom Plankonstrukt abweichen. Schließlich kann zwischen echten und artifiziellen G. (z.B. Labor-G.) unterschieden werden. Ad hoc zusammengestellte Diskussions-G. oder studentische Experimental-G. sind typische Beispiele für künstliche G., bei denen ein interaktiver Zusammenhang erst hergestellt werden muss und meist auch nur kurze Zeit aufrechterhalten bleibt. Solche G. können die Interaktionsvergangenheit sowie die gewachsenen Strukturen einer echten G. (z.B.
Gruppe, soziale
einer Familie, einer Arbeits-G., einer Spiel-G.) meist nicht zutreffend abbilden, weshalb immer wieder Zweifel darüber geäußert wurden, ob die Befunde der experimentellen Kleingruppenforschung ohne weiteres auf reale G. übertragen werden dürfen. (3) Zur Erforschung der G.: Die Kleingruppenforschung stand - neben der Analyse sozialer Einstellungen - bis in die 50er Jahre im Zentrum der SP, nachdem sie sich sukzessive aus der Soziologie herausgelöst und verselbständigt hatte (vgl. insbesondere die Arbeiten von SHERIF, BALES, CARTWRIGTH,
HOMANS,
SCHACHTER, THIBAUT &
FESTINGER, KELLEY).
Ein erster theoretischer Gesamtentwurf stammt von dem Soziologen HOMANS (1950), ein zweiter von THIBAUT & KELLEY (1959), e i n w e i terer von CARTWRIGHT (1959), ein vierter durch BALES' Synopse zu
Studien der -* Interaktions-ProzessAnalyse (IPA) sowie zum -* SYMlOG-Modell (zuletzt 1999). Die Kleingruppenforschung ist gewissermaßen das Auffangbecken einer Reihe zentraler sp Themenbereiche wie: soziale -* Interaktion, -* Führung in G., Fragen der -* Kohäsion, Leistung in G., soziale Konflikte und Kooperation, Konformität unter G.-Druck etc. (vgl. SCHNEIDER 1985).
Im Zuge der Verlagerung von Erkenntnis-Interessen - w e g von der Kleingruppenforschung, hin zu Aspekten sozialer -» Kognition - schien das Terrain sozialer G.-Beziehungen und G.-Prozesse weitgehend „abgegrast". Eine Ausnahme macht dabei freilich die Erforschimg von Inter207
Gruppe, soziale
gruppen-Beziehungen, nachdem die klassische Kleingruppenforschung überwiegend mit dem Binnensystem der G. (internes System i.S. von HoMANS) beschäftigt war. Das neue Paradigma entstand aus der Anwendung und Ausweitung von Perspektiven, die durch die Theorie sozialer -*Identität und -* Selbstkategorisierung nahegelegt wurden. Auch dies ist eine Frage der inneren Repräsentation; G. werden durch die kognitive Sicht der Beteiligten konstituiert ( v g l . HOGG 1 9 9 2 ; BARON e t al. 1992, BROWN 1 9 8 8 ; MORELAND & LEVINE 1 9 9 4 ) . Damit wären - dem Anspruch
nach - sowohl Kleingruppen im klassischen Sinn abgedeckt und unter dieser neuen Perspektive analysierbar, als auch ausgedehntere soziale Kategorien wie ethnische G. bis hin zu Nationen in die Betrachtung einbezogen (—• Identität, soziale). Ein gewisser Nachteil dieser Perspektive ist, dass der G.-Begriff stark „verwässert" wird und dass die Detailbefunde der klassischen Kleingruppenforschung durch ein solches Paradigma nicht immer reformulierbar sind. Lit.: BALES, R.F. (1999). Social interaction
systems. Theory and measurement. New Brunswick/N.J. BARON, R S . et al. (1992).
Group process, group decision, group action. Monterey/CA. BROWN, R J . (1997). Group
processes. Dynamics within and between groups. Oxford. FREY, D. & IRLE, M. (Hg.)
(22002). Theorien der Sozialpsychologie, Bd. II, Gruppen-, Interaktions- und Lemtheorien. Bern u.a. HARE, A.P. et al. (1994). Small
group research. A Handbook. Norwood/N.J. HOGG, M.A. (1992). The social psychology
of group cohesiveness. From attraction to social identity. New York. HOMANS (71978). Theorie der sozialen Gruppe. Opladen. KELLEY, H . H . & THIBAUT, J . W . (1978).
Interpersonal relations. A theory of interde208
Gruppendenken pendence. New York. MORELAND, R.L. & LEVINE, J.M. (1994). Understanding small
groups. Boston/MA. SADER, M. ( 2000). Psychologie der Gruppe. Weinheim, München. SCHNEIDER, H.D. ( 2 1985). Kleingrup-
penforschung. Stuttgart. THIBAUT, J.W. & KELLEY. H.H. ( 2 1986). The social psy-
chology of groups. New York. WITTE, E.H. (Hg.) (1998). Sozialpsychologie der Gruppenleistung. Lengerich u.a.
Gruppenarbeit -* Gruppenproduktivität penleistung -+ Team
Grup-
Gruppendenken (groupthink) G. beschreibt eine Form der Konformität, die im Entscheidungsprozess wichtige Alternativen ausblendet, so dass sich voreilig eine gemeinsame Strategie herausbildet, die von keinem Mitglied mehr ernsthaft in Frage gestellt wird. Dieser Effekt tritt insbesondere bei hoher -+ Kohäsion, bei relativer Isolation, bei hohem Entscheidungsdruck und bei einseitiger (z.B. auch charismatischer) Führung auf; dabei entfernt man sich zusehends von den Realitäten. Als wichtigste Symptome des G. diskutiert JANIS: (a) Überschätzung der Gruppe, insbesondere die Illusion der Unverwundbarkeit oder der eigenen moralischen Überlegenheit; (b) Closed mindedness, d.h. eingeschränkte Realitätswahrnehmung, keine Offenheit für Argumente, Abschirmung gegen Kritik von außen; (c) -* Gruppendruck zur Uniformität: Auf diejenigen, die eine -*• abweichende Meinung vertreten, wird Druck ausgeübt (bis zur Gesinnungskontrolle);
Gruppendruck
Gruppendruck
(d) Kollektive kognitive -* Rationalisierungen, Abbau moralischer Bedenken, abwertende Verdrängung der eigenen Zweifel. Dabei werden wichtige Handlungsalternativen vorzeitig ausgeblendet; es kommt zwangsläufig zu Fehlentscheidungen („Fiasko"). Ähnliche Effekte werden in anderen Kontexten beschrieben, z.B. als „entrapment" (das Beharren auf einer falschen Entscheidung), als escalation of commitment (die Neigung, durch gesteigerte Investitionen doch noch zu einem positiven Ergebnis zu kommen; vgl. auch sunk cost-Effekt). JANIS empfiehlt Gegenstrategien, z.B.
Aufklärung über die Gefahren des G., Zurückhaltung der Führungspersonen mit ihren Stellungnahmen, Ermutigung zur Kritik, Heranziehen externer Berater, erneutes Überdenken der Lösung bei einer zweiten Besprechungsrunde, die Bildimg von Subgruppen oder Kommissionen, Anwendung der Pro-Kontra-Argumentation. Gruppendruck (-• Konformität) ist der Druck, den die Gruppe bzw. die Gruppenmitglieder auf ein anderes Gruppenmitglied ausüben, sein Verhalten bzw. seine Einstellung nach den normativen -* Erwartungen der Gruppe auszurichten. Im Vordergrund steht hier nicht die komparative Funktion der Gruppe, sondern ihre normative: die Verpflichtung, die Gruppennormen zu beachten. In einschlägigen Konformitätsexperimenten (-• Exp. 24 und -* Exp. 25) wird gewöhnlich das Ausmaß des G. variiert. Man unterscheidet üblicherweise: (a) passiver G. (der Hinweis auf die Norm erfolgt nur implizit; den-
noch wird erwartet, dass das Gruppenmitglied sich den Regeln fügt); (b) aktiver G. (hier werden die Normen explizit formuliert und das Mitglied aufgefordert, ihnen Folge zu leisten), (c) massiver G. (unter Androhung entsprechender Sanktionen bei norm-abweichendem Verhalten). hat (noch vor der Formulierung seiner Theorie sozialer -* Vergleichsprozesse) eine Theorie des informellen G. entwickelt, welche die wichtigsten Variablen der experimentellen Konformitätsforschung enthält. Dieses Konzept firmiert auch unter der etwas irreführenden Bezeichnung: Theorie der informellen Kommunikation. Die wesentlichsten Aussagen sind: FESTINGER
(a) Der allgemeine G. wächst mit der Diskrepanz der Urteile zwischen den Gruppenmitgliedern, mit der Bedeutung des zu beurteilenden Sachverhalts für die Gruppe sowie mit der -» Kohäsion der Gruppe; (b) Der spezielle G. eines Gruppenmitglieds wächst mit seiner Abweichung von einem anderen Mitglied, mit der Erwartung, die —• abweichende Meinung zu ändern, mit der Bindung des anderen Mitglieds an die Gruppe; (c) Die Änderungsbereitschaft eines Gruppenmitglieds wächst mit dem Uniformitätsdruck in der Gruppe, mit der Bindung an die Gruppe sowie mit dem Fehlen alternativer Gruppen; (d) Die Ablehnung von einzelnen Gruppenmitgliedern wächst mit der Diskrepanz der Urteile zwischen den Gruppenmitgliedern, 209
GruppengrdOe
Gruppendynamik
der Bedeutung des zu beurteilenden Sachverhaltes für die Existenz der Gruppe sowie mit der Kohäsion der Gruppe. Lit.:
Gruppe, soziale
Gruppendynamik Der Ausdruck G. geht auf LEWIN zurück. In einem weiteren Sinn bedeutet G. die Gesamtheit aller Gruppenprozesse, die üblicherweise in der Kleingruppenforschung untersucht werden (-» Gruppe, soziale). I.e.S. bezeichnet der Ausdruck das sog. gruppendynamische Training (-> Gruppentraining) bzw. gruppentherapeutische Maßnahmen. In letzterem Sinne - als Gruppentherapie - dient die Gruppe als Hebel zur Lösung psychischer bzw. sozialer Problemlagen. Im Falle des Trainings werden Programme entwickelt, die das Ziel einer besseren Nutzung des Gruppenvorteils (—> Gruppenproduktivität) anstreben und hierbei bestimmte Fertigkeiten poolen wollen, z.B. Verbesserung der Kommunikation oder Entwicklung kooperativer Fähigkeiten (-» Team). Insofern verbergen sich unter dem Begriff G. eine ganze Reihe verschiedenster Organisationsformen (z.B. sensitivity training, gruppendynamisches Laboratorium, Plan- und Rollenspiele, Psychodrama), die nicht nur ein recht heterogenes Terrain darstellen, sondern vielfach wildwüchsig und theorielos sowie manchmal auch unter ideologischem Vorzeichen auf dem Markt angeboten werden. Gruppenentscheidung Auch: kollektive Entscheidimg; Bezeichnung für die von einer Mehrzahl von Individuen nach erfolgter Interaktion gemeinsam getroffenen Entschei210
dungen (z.B. im Kontext von Arbeitsgruppen, Buying-Centers, Haushaltsentscheidungen). Dies kann informell geschehen, z.B. im Rahmen einer Diskussionsgruppe oder mehr oder weniger formalisiert durch die Etablierung von -* Entscheidungsregeln (-+ Gruppenpolarisation -*• Gruppendruck Gruppenproduktivität). Manchmal wird die G. als Methode verwendet, um individuelle Entscheidungen abzugleichen, zu modifizieren oder zu verbessern (-• Brainstorming). In der Kleingruppenforschung wurden insbesondere die folgenden Bereiche untersucht: die Rolle von Entscheidungsschemata, von Extremisierungstendenzen bei G. (-•Exp. 28), -* Minoritätseinfluss, -*Gruppendenken oder der Umgang mit verteilt vorhandenen Informationen (-»• hidden proflle). Neuere Schwerpunkte konzentrieren sich auf Gruppen als informationsverarbeitende Systeme sowie auf die Auswirkung computervermittelter Kommunikation zwischen den Akteuren auf den Prozess der Entscheidungsfindung. Ähnliche Thematiken finden sich auch in der organisationspsychologischen Forschung. Gruppengröße Die G. ist in sp Zusammenhang in erster Linie auf das Ausmaß des Einflusses bezogen worden, der von der Gruppe auf die Mitglieder ausgeht (-»Gruppenprozesse). Bereits ASCH konnte in seinen Linienschätzversuchen (-»Exp. 24) feststellen, dass die Zahl der vor der eigentlichen Vp antwortenden Verbündeten des VI von abnehmender Bedeutung war; der Konformitätseffekt ließ sich kaum steigern, wenn etwa statt vier Perso-
Gruppenlelstung
GruppengrttBe
nen nunmehr fünf Pn ihr (falsches) Urteil äußerten. Ähnlich konnte LATAN£ in seiner -»Einfluss-Theorie zeigen, dass der Impact-Effekt mit wachsender Gruppengröße degressiv verläuft. Nach Moscovicis Theorie zum -* Minoritätseinfluss kann die zahlenmäßig kleinere Minderheitengruppe sogar die Majorität beeinflussen, sofern bestimmte Voraussetzungen gegeben sind (z.B. konsistenter Verhaltensstil, konzilianter Verhandlungsstil). In der traditionellen Kleingruppenforschung (->Gruppe, soziale) herrscht die Vorstellung einer optimalen G. vor, zumindest was Leistungsaspekte anbetrifft. Je größer eine Gruppe wird, desto schwächer wird die Kohäsion, desto wahrscheinlicher bilden sich Sub-Gruppierungen (evtl. auch -* Koalitionsbildung) heraus, desto mehr Zugeständnisse muss die Gruppe an ihre Mitglieder machen und desto weniger rigide werden die Normen sein (es sei denn, der Gruppenverband wird durch Zwangsmittel aufrechterhalten). Ein zentraler Aspekt ist auch, dass das Ausmaß der sozialen -* Kontrolle mit wachsender G. abnimmt (es sei denn, es werden in inflationärer Weise Kontroll- und Sanktionsinstanzen errichtet). Dies bedeutet eine Abnahme an Solidarität und Kooperationswilligkeit sowie eine Zunahme leistungsabträglicher Effekte (Trittbrettfahren, social loaflng etc.). In der neueren Gruppenforschung, die durch die Theorie der sozialen -* Identität angeregt wurde und Gruppenbildung als Prozess der -* Kategorisierung begreift, wird der „face-toface"-Charakter sozialer Gruppen verlassen. Das Individuum steht im Zen-
trum verschiedener Teil-Identitäten und betrachtet sich als Mitglied multipler Gruppierungen: als Europäer, als Deutscher, als Bayer, als Münchner, als Mitglied des FC Bayern etc. Je nach Vorliegen situativer Anregungsbedingungen wird jeweils die eine oder die andere Kategorie salient, wobei kleinere Einheiten oftmals die stärkere Prägekraft haben dürften. Gruppenklima Nach LEWIN das Ausmaß der Zufriedenheit der Mitglieder einer Gruppe. Nach den Vorstellungen der -»Soziometrie die Anzahl und Verteilung positiver Affektbeziehungen der Gruppenmitglieder. Der Klimabegriff ist später v.a. im Organisationsbereich übernommen (Betriebsklima, -* Organisationsklima) und dort spezifiziert worden. Gruppenkohäsion
Kohäsion
Gruppenleistung -»• Gruppenproduktivität Das Thema G. hat verschiedene Facetten; wir greifen einige davon heraus und verweisen jeweils auf entsprechende Stichworte: (I) Leistung in Gegenwart anderer (social facilitation). Die entsprechenden Effekte werden als soziale Aktivierung oder soziale -* Erleichterung diskutiert; sie stellen keine echten Gruppeneffekte dar. Der Grundgedanke dabei ist, dass die Gegenwart anderer bei Bewältigung von Aufgaben stimulierend sein kann, dass dies jedoch bei komplexeren Aufgabenstellungen eher nicht zutrifft. (II) Entwicklung von Leistungsnormen; dies betrifft das Phänomen der 211
Gruppenpolarisation
Gruppenleistung
Leistungsrestriktion. Wie SCHACHTER und SEASHORE in betrieblichen Arbeitsgruppen ermittelten, entwickeln Gruppen je nach Ausmaß der Kohäsion Normen, die zu einer Konvergenz (Nivellierung) von Leistungsergebnissen fuhren (nicht zu viel, nicht zu wenig). Ob diese (nivellierte) Leistung höher oder niedriger als der Durchschnitt der Einzelleistungen ist, hängt nicht allein von der Kohäsion ab, sondern von der Zielinduktion (d.h. der Motivation der Gruppenmitglieder, Leistungsziele zu erreichen). (III) Entscheidungsprozesse in Gruppen, wobei die Qualität von -> Gruppenentscheidungen zur Debatte steht (-• Partizipation -* Risikoschub —• Gruppenproduktivität), sodann Phasen der Entscheidung (in denen unterschiedliche Personen dominieren können), ferner Entscheidungsregeln (social decision schemes), z.B. Konsensusprinzip, demokratisches Prinzip (bei Aufgaben, bei denen keine korrekte Lösung möglich ist) oder die Regel „truth wins" (bei Aufgaben, bei denen es nur eine korrekte Lösung gibt), und schließlich Auswirkungen auf die Akzeptanz von Entscheidungsprozeduren und Entscheidungsergebnissen. (IV) Gruppenvorteil bzw. -»• Gruppenproduktivität. die Vorstellung, dass die Gruppe gegenüber summierten Einzelleistungen im Vorteil sei. Diese Idee dominierte bereits die frühe SP und wurde v.a. von STEINER spezifiziert und differenziert. Die Kenntnis möglicher Gruppenvorteile ist v.a. für die angewandte Forschimg von Belang, insbesondere im Zusammenhang mit Gruppenarbeit und der Bildung von —> Teams. 212
(V) G. und -»•Führung: Die Leistung der Gruppe variiert mit dem Führungsstil. Moderierende Variablen sind dabei u.a. die Motivation der Geführten, deren Reifegrad sowie situative Bedingungen, wie relative Positionsmacht, Aufgabenstruktur etc. (VI) G. und Kommunikationsstruktur Gruppenstruktur. Die G. variiert mit der Zentralität bzw. Dezentralität der Kommunikationsstrukturen (z.B. Kreis, Kette, Ypsilon). Nur bei Simplexen Aufgaben sind zentrale Strukturen leistungsfähiger, bei komplexeren Problemen ist die zentrale Instanz überlastet; außerdem kommen vorwiegend in dezentralen Strukturmustern die jeweiligen Gruppenvorteile (-»Gruppenproduktivität) zum Tragen. Lit.:
Gruppe, soziale
Gruppenpolarisation Kennzeichnet den Effekt, dass Gruppenentscheidungen entweder besonders riskant (-•Risikoschub) oder aber besonders vorsichtig (cautious shift) ausfallen (-> Exp. 28). Manchmal werden von einzelnen Mitgliedern extreme Argumente vorgetragen, die durch ihre Salienz verhaltenswirksam werden. Auch finden „mutige" Ansichten vielfach mehr Beifall. TURNER weist überdies darauf hin, dass im Rahmen von Abhebungseffekten (Distinktheit) gegenüber Outgroups manchmal extreme Einstellungen favorisiert werden, weil sie stärker zur Abgrenzung nach außen beitragen. Lit.: -*Gruppe,
soziale
Gruppenproduktivität
Gruppenproduktivität Das Thema -» Gruppenleistung hat viele Facetten; hier steht der Leistungsvorteil der Gruppe zur Debatte. Diese Frage ist von erheblicher praktischer Relevanz, da Gruppenarbeit und kooperative Formen des Zusammenwirkens (-» Kooperation) an Bedeutung gewinnen. Vielfach wird jedoch der angebliche Gruppenvorteil überschätzt; es lässt sich zeigen, dass ein solcher Vorteil nur dann greift, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen. Nach STEINER (1972) hängt die G. von zwei Variablen ab: 1. von der Art der Aufgabe sowie den Regeln, mit denen die Aufgabe bewältigt werden muss und 2. von den in der Gruppe verfugbaren Ressourcen, nämlich Fähigkeiten und Fertigkeiten, Wissen, besondere Taktiken und Werkzeuge. Dabei wird die Relevanz dieser Ressourcen durch die jeweiligen Arbeitsanforderungen definiert. (1)G. und Aufgabentyp: Die Art der Aufgabe kann in verschiedener Weise klassifiziert werden, z.B. zerlegbare/nicht-zerlegbare Aufgaben (hier greifen die Vorteile der Arbeitsteilung mit Herausbildung spezifischer Fertigkeiten), additive Aufgaben (vom Typus des Hebens und Tragens), die überhaupt nur durch das Zusammenwirken mehrerer Personen bewältigt werden können. Eine zentrale Unterscheidung ist die zwischen konjunkten und disjunkten Aufgaben. Disjunkte Aufgaben sind solche, zu deren Lösung es ausreicht, dass wenigstens ein Mitglied der Gruppe die Lösung findet (LORGE & SOLOMON sprechen von HeurekaAufgaben). Betrachten wir den ver-
Gruppenproduktivität
einfachten Fall zweier Gruppenmitglieder A und B, die gleichermaßen mit 30 % Wahrscheinlichkeit (p = 0,3) die Lösung finden würden. Die nachfolgende Tabelle enthält die vier möglichen Fälle: Die Lösung findet mit der Wahrscheinlichkeit p (a) beide: pa x pb = 0,09 (b) nur A: pa x (1 - pb) = 0,21 (c) nur B: Pb x (1 - pa) = 0,21 (d) keiner ( l - p a ) x ( l - p b ) = 0,49 Da es lediglich darauf ankommt, dass mindestens eines der Mitglieder die Lösimg findet, ist jeder der drei ersten Fälle (a) bis (c) für die Gruppe günstig, und a + b + c = 0,51 gegenüber der Findewahrscheinlichkeit durch A oder B allein (p = 0,3). Konjunkte (auch komplementäre) Aufgaben sind auf das Zusammenwirken mehrerer Gruppenmitglieder angewiesen (Spiel eines Orchesters; Aufgaben, die nur ein Team mit komplementären Fähigkeiten lösen kann). Wenn nur ein Mitglied des Teams schlechte Leistungen bietet, ist die Bewältigung der Aufgabe in Gefahr. Wie LAUGHLIN et al. gezeigt haben, werden die Leistungsunterschiede zwischen Gruppen und Individuen mit zunehmender Fähigkeit der Mitglieder größer. Zu unterscheiden sind ferner konjunkte Aufgaben mit evidenten Lösungen (nur eine Lösung ist richtig) und Aufgaben mit nicht-evidenten Lösungen (z.B. ästhetische Urteile oder die Frage: Sollte man die Bundeswehr für Auslandseinsätze vorsehen?). Dabei werden meist bestimmte Entscheidungsregeln formuliert {-* Entscheidungsschemata, soziale), z.B. „die Wahrheit siegt" (sofern nur eine Lösung 213
Gruppenproduktivität
richtig ist), Konsensprinzip oder 2/3Mehrheit. Disjunkte und konjunkte Aufgaben sind Endpunkte eines Kontinuums. Sog. kreative Aufgaben können beides sein. Zur Steigerung der Kreativität von Gruppen hat man verschiedene Techniken entwickelt (z.B. das Brainstorming). Die vorliegenden Forschungsergebnisse (DIEHL & STROEBE) zur Ideenfmdung scheinen darauf hin zu deuten, dass reale Gruppen gegenüber nominalen Gruppen (Addition von Einzelleistungen) je nach Vorgehen qualitativ wie auch quantitativ meist im Nachteil sind. Als leistungssteigernd werden auch sog. SynergieefFekte hervorgehoben, die insbesondere bei Gruppendiskussionen Platz greifen: A äußert die Idee a, B hat den Gedanken b und kombiniert ihn mit a (a/b), C baut darauf auf und fugt c hinzu. Solche Synergieeffekte können bei Gruppenentscheidungen auftreten, weil hier ein großer Pool entscheidungsrelevanten Wissens vorliegen kann, unterschiedliche Perspektiven eingebracht werden können, das Für und Wider von Lösungen relativiert werden kann und weil unbeabsichtigte Konsequenzen möglicher Entscheidungen u.U. besser erkennbar sind. Allerdings: Es kommt dabei auf die Zusammensetzung der Gruppe an und auf das Vorliegen von Bedingungen, in denen funktionale Folgen der Gruppenentscheidung Platz greifen. (2) Gruppenzusammensetzung und Gruppenressourcen: Als wichtige Gruppenmerkmale kommen in Be214
Gruppenproduktivität
tracht: die Gruppengröße (hier gibt es - je nach Rahmenbedingungen - eine optimale Gruppengröße, nach deren Überschreiten die G. sinkt), das Ausmaß und die Verteilung von Fähigkeiten/Fertigkeiten, die Macht- und Einflussverteilung, die Kommunikationsstruktur usw. Jedem Aufgabentyp können bestimmte Fähigkeiten zugeordnet werden (z.B. den komplementären bzw. konjunkten Aufgaben die entsprechenden komplementären Fähigkeiten), die sich ergänzen und erst in ihrem Zusammenwirken synthetische Lösungen ermöglichen. Wichtig ist auch die Motivation (z.B. auch die Bereitschaft zur Kooperation) und die -* Zielinduktion der Beteiligten sowie das koordinative Potential der Gruppe. (3) Retardoren des Gruppenvorteils: STEINER geht davon aus, dass das Leistungspotential von Gruppen im Allgemeinen nicht voll ausgeschöpft werden kann, weil die Bedingungen zu seiner Entfaltung nicht vorliegen. Auch das mathematische Modell zum Aufweis der Überlegenheit in der Findewahrscheinlichkeit bei Problemlösungen dürfte nur unter idealen Bedingungen funktionieren. Nachfolgend eine Liste möglicher Retardoren: (a) strukturelle Hemmnisse, z.B. zentralistische Kommunikationsstruktur, bürokratische Prozeduren, Machtstruktur (der Stärkere setzt sich durch, nicht der Beste); (b) kommunikative Hemmnisse, z.B. Einfluss von Vielrednern; der „beste" Vorschlag setzt sich nicht durch oder stammt von
Gruppenprozesse
Gruppenprozesse
einer P, die wenig angesehen ist; der Beliebteste findet das meiste Echo; (c) mangelnde Akzeptanz, d.h. unterschiedliche Wahrscheinlichkeit, dass die gefundene Lösung auch von der gesamten Gruppe akzeptiert wird; (d) motivationale Hemmnisse, d.h. die Individuen sind manchmal wenig motiviert, sich anzustrengen (-• Faulheit, soziale) und sich für bestimmte Lösungen einzusetzen; (e) Koordinationsverluste, die insbesondere bei konjunktiven Aufgaben den Gruppenvorteil unterminieren, die jedoch auch bei additiven Aufgaben auftreten können (-»RlNGELMANN-Effekt);
(f) Gruppendruck, d.h. die Bandbreite möglicher Entscheidungen und Lösungen wird durch Machtprozesse eingeebnet (Leistungsrestriktion) und kann damit engstirnig werden (-•Gruppendenken); (g) -*• Gruppenpolarisation, d.h. die Gruppenentscheidung wird entweder zu vorsichtig (cautious shift Vorsichtsschub) oder zu riskant getroffen (risky shift -> Risikoschub), was „rationale" Lösungen vereiteln kann (-»Exp. 28). LIT.: -» Gruppe, soziale
Gruppenprozesse sind das Kernstück der sog. Kleingruppenforschung. Solche Prozesse sind vielfältig und verlaufen auf unterschiedlichen Ebenen. Nachfolgend werden (in Auswahl und mit Verweisen) die folgenden G. unterschieden:
(1)Entstehungs- und Entwicklungsprozesse: Im Allgemeinen geht man von einem gemeinsamen Nutzen als Ursache der Gruppenbildung aus (so etwa der Ansatz von THIBAUT & KELLEY). Dabei spielen eine Rolle: interpersonelle -* Attraktion, ->• Sympathie, Ähnlichkeit, soziale Komplementarität, Möglichkeit der Validierung des Verhaltens und der Einstellungen, Suche nach sozialer -* Identität, Bedrohung durch Andere, gemeinsame Betroffenheit, räumliche Nähe (als Kostenfaktor), gemeinsame Ziele usw. Der Prozess der Gruppenbildung selbst kann mit Hilfe eines Phasenmodells
(TUCKMAN)
dargestellt
werden: (a) „forming" (Ausprobieren, welche Aktivitäten in der Gruppe gewünscht bzw. unerwünscht sind); (b) „storming" (Normen und Zielvorstellungen bieten Reibungsflächen und Widerstände); (c) „norming" (es kommt zu Akzeptanz oder Toleranz i.R. einer gewissen Norm-Amplitude); (d) „performing" (man widmet sich den anstehenden Aufgaben, wobei eine entsprechende Rollenverteilung hilfreich ist). Längerfristig gesehen kommt es zu überdauernden Sozialisationseffekten durch die Gruppe (-> Gruppensozialisation). (2) Interaktionsprozesse: Neben der Häufigkeit ist auch die Qualität und Ausgeglichenheit der Interaktion zwischen den Mitgliedern entscheidend (-»Gruppenstruktur). Insofern lassen sich soziometrische Bezie-
215
Gruppenprozesse
hungen (-»Soziometrie) auch als Prozess begreifen. Ähnlich verfolgt BALES mit seiner -» InteraktionsProzess-Analyse (IPA) eine Registrierung des Interaktionsverhaltens in 12 Beobachtungskategorien, die sich in verschiedene Hauptbereiche des Verhaltens zusammenfassen lassen. Ausgangspunkt der IPA ist eine Trennimg zwischen dem instrumentellen Bereich (Aufgabenbereich) und dem sozio-emotionalen Bereich. Auch die Entstehung von -> Führungsrollen folgt diesen zentralen Problemfeldern. Ursprünglich vorwiegend als methodisches Instrument der Kategorisierung von Kommunikationsprozessen gedacht, hat BALES dieses System theoretisch immer weiter ausgebaut und in höchst komplexer Weise weitergeführt (-» SYMLOG). (3) Einflussprozesse (-» Einfluss, sozialer -*• Konformität -* EinflussTheorie Minoritätseinfluss), wobei hier v.a. normative Funktionen angesprochen sind (d.h. die Einwirkung der Gruppe oder bestimmter Gruppenmitglieder, sich regelkonform zu verhalten): Die Möglichkeiten des Einflusses sind der Gruppensog (d.h. die Attraktivität der Gruppe für das Individuum) sowie der Gruppendruck (d.h. die mehr oder weniger explizite Aufforderung an das Individuum, sich den Gruppennormen anzupassen). Die klassische Konformitätsforschung geht vom Standpunkt eines Individuums (oder einer Personenminderheit) aus und konfrontiert diesen mit dem Gruppemuteil, das mehr oder weniger diskrepant ist. Je diskrepanter der Standpunkt von P, desto stärker wird 216
Gruppenprozesse
mit ihr kommuniziert. Bleibt P bei ihrer abweichenden Meinung, wird die Kommunikation abgebrochen und P aus der Ingroup ausgeschlossen oder nur noch als Randmitglied geduldet. (4) Vergleichsprozesse: Die Gruppe ist ein Medium, um eigene Ansichten und Fähigkeiten zu validieren (-* Vergleich, sozialer). Insbesondere bei geringer physischer Realität (geringe Überprüfbarkeit anhand objektiver Kriterien) schöpfen Individuen insbesondere ihre Meinungen (z.B. über angemessene Form der Kleidung, über moralische Fragen, über politische Standpunkte) aus einer sozialen Realität. FESTINGER behauptet in seiner Theorie sozialer Vergleichsprozesse, dass Menschen immer dann, wenn klare Maßstäbe (physische Realität) fehlen, soziale Realität anhand von Gruppenmeinungen konstruieren. Dabei vergleicht man sich mit Pn, denen man sich ähnlich glaubt (-»• Ähnlichkeit, soziale -*• Bezugsgruppen). Die Theorie ist in ihrer ursprünglichen Form (-• Vergleich, sozialer) nicht aufrechtzuerhalten, weil sich bereits anhand einschlägiger Konformitätsexperimente zeigen lässt, dass Individuen manchmal auch bei nachprüfbaren Situationen dem diskrepanten Urteil der Gruppe folgen und weil auch bezweifelt wurde, dass zum Vergleich immer ähnliche Pn herangezogen werden müssen. (5) Leistungsthematische Prozesse (-> Gruppenleistung -* Gruppenproduktivität), die zunächst den Aspekt der Leistungsrestriktion betreffen, d.h. den Sachverhalt, dass die Gruppe im Hinblick auf die Leistungser-
Gruppensozialisation
Gruppenprozesse
Stellung eine Tendenz zur Konvergenz aufweist: Die möglicherweise weit streuenden Einzelleistungen werden nivelliert; die Gruppe befindet darüber, welche Leistung (z.B. Stückzahl) erbracht werden sollte. Pn, die einen bestimmten Leistungsstandard unterschreiten, werden angehalten, ihre Leistung zu steigern; Pn, die ihn überschreiten, werden mit Sanktionen bedroht, wenn sie durch ihren besonderen Einsatz darauf aufmerksam machen, dass die Gruppe eigentlich mehr leisten könnte. Im Übrigen geht es bei der Leistungserstellung i.R. von Gruppen auch um Fragen der -> Gruppenproduktivität, also um das Problem, unter welchen Voraussetzungen die Gruppe gegenüber den summierten Einzelleistungen im Vorteil ist und unter welchen dies nicht der Fall ist. Hierbei werden Koordinations-, Motivations- und -* Synergie-Effekte zu diskutieren sein (-» RiNGELMANN-Effekt Faulheit, soziale -* Gruppenpolarisation). (6) Identifikationsprozesse: Die Suche nach sozialer Realität und sozialer Identität aufgrund von Vorgängen der Selbstkategorisierung führen zu verstärkter Identifizierung mit den übrigen Gruppenmitgliedern und deren Standpunkten. Im internen Vergleich sieht man sich mit anderen Mitgliedern mehr im Einklang als man es tatsächlich ist; der Vergleich mit Fremdgruppen (Outgroups) fallt dann in der Regel so aus, dass man Unähnlichkeit stärker betont und vorhandene Gemeinsamkeiten unterschätzt (-»• Akzentuierung). Daraus erwächst die Neigung, sich gegenüber Außengruppen abzukapseln und
diese entsprechend abzuwerten. Dabei wird der Umkreis überschaubarer Gruppen verlassen, so dass auch die Identifikationsebene gewechselt werden kann (-»Gruppe, soziale Identität, soziale -* IntergruppenBeziehungen). (7) De-Individuierungsprozesse: Manchmal pflegen Individuen im Rahmen von G. ihre Individualität bzw. personale -* Identität einzubüßen. Sie handeln als Gruppenmitglied anders als sie als Individuen handeln würden (z.B. als Mitglied einer Bande, einer terroristischen Vereinigung, einer Sekte). Unter besonderen situativen Bedingungen (Gruppenkontext, weitgehende Anonymität, Diffusion der Verantwortlichkeit, hohes Maß an gefühlsmäßiger Aktivierung) steigt die Auftretenshäufigkeit von Verhaltensweisen, die zwar für den Handelnden angenehm sind, normalerweise jedoch durch Reflexion und Normkonformität unterdrückt werden (-» De-Individuation). Daher können im Gruppenkontext bei Vorliegen zusätzlicher Anregungsbedingungen extreme, irrationale oder destruktive Verhaltensweisen auftreten. Dies bedeutet entweder die Außerkraftsetzung bestimmter (auch internalisierter) sozialer Normen oder aber die temporäre Geltung besonderer, situationsabhängiger Normen (-»Emergent norm). Lit.:
Gruppe, soziale
Gruppensozialisation Allgemein: das Hineinwachsen in Gruppenzusammenhänge. Dabei geht es sowohl um Anpassungsprozesse (-* Gruppendruck), in denen die 217
Gruppenstruktur
Gruppennormen und die Gruppenkultur von den Gruppenmitgliedern übernommen (z.T. internalisiert) werden, als auch um Prozesse aktiver Auseinandersetzung mit den Gruppeneinflüssen, Erwartungen oder Zumutungen. Speziell: MORELAND & LEVINE be-
schreiben ein Phasenmodell der G., das dem dialektischen und interaktiven Charakter der Sozialisation gerecht wird: (a) Suche nach neuen Mitgliedern bzw. Suche nach einer passenden Gruppe; (b) Assimilation der neuen Mitglieder an die Gruppe bzw. Akkommodation der Gruppe an die neuen Mitglieder; (c) Gegenseitige Akzeptanz sowie Rollen-Neuverteilung unter den Mitgliedern; (d) Auftreten von Divergenzen, die zum einen zu einer Neuorientierung und zu neuer Bindung führen, zum anderen jedoch auch zu einem Verlassen der Gruppe Anlass geben können. Der von den Autoren als diachronisch bezeichnete Prozess soll deutlich machen, dass Gruppe und Gruppenmitglied sich gegenseitig beeinflussen, so dass sich die Gruppenstruktur sowie die Gruppenkultur (z.B. auch die Zielsetzungen) in den einzelnen Entwicklungsphasen ändern können. Lit.: -»• Gruppe, soziale
Gruppenstruktur Wenn Personen häufig miteinander interagieren und diese Interaktionen von gewisser Dauer sind, bilden sich - gewissermaßen als Sekundärphänomen 218
Gruppenstruktur
bestimmte Strukturen aus. Dabei lassen sich verschiedene Strukturdimensionen unterscheiden, etwa die Affektstruktur, die Kommunikationsstruktur, die Rollenstruktur sowie die Machtstruktur (Hierarchie) einer Gruppe. Diese Strukturdimensionen können wiederum nach übergreifenden Kriterien unterschieden werden: objektiv/ subjektiv (letzteres die Wahrnehmung der Struktur durch die Mitglieder), formell/informell (-> Gruppe, soziale). Über die interne Strukturierung im Binnensystem hinaus spielt auch die Einbettung dieser strukturellen Muster in übergreifende Strukturzusammenhänge (-+ Intergruppen-Beziehungen) eine Rolle (z.B. die Einbettung von Arbeitsgruppen in eine Organisation, die Beziehung zu anderen Gruppen und deren strukturelle Verankerung). (1) Affektstruktur: die Erfassung von Sympathie vs. Antipathie bzw. Zuwendung vs. Abwendung der jeweiligen Gruppenmitglieder. Die Methoden der Darstellung sind: Erstens die -* Soziometrie (deshalb spricht man statt von Affektstruktur auch von soziometrischer Struktur), wobei zur Charakterisierung der G. aus dem -* Soziogramm bestimmte Indices berechnet werden. Zweitens die Balance-Struktur (-» Balancetheorie), wobei eine Gruppe umso stabiler und attraktiver für die Mitglieder ist, je höher der Balance-Index ihrer soziometrischen Struktur ist. Je unbalancierter die G. ist, desto eher sind Umstrukturierungen oder Auflösungserscheinungen zu beobachten. Drittens kann die Beschreibung von G. auch in Matrixform erfolgen, wobei die Ausgeglichenheit der Ergebnisse (-* Austauschtheorie) als Maß-
Gruppenstruktur
stab für die Stabilität dieser Gruppe und die Zufriedenheit ihrer Mitglieder gelten kann. (2)-*Kommunikationsstruktur: Sie kennzeichnet die Zahl und Beschaffenheit formeller und informeller Kanäle, die Verknüpfung von Kanälen, die Richtung der Kommunikation, ihre Nutzung und ihre Effizienz. BAVELAS & LEAVITT untersuchten idealtypische G. nach unterschiedlichen Zentralitätsgraden und ermittelten, dass zentralisierte Gruppen weniger angenehm für ihre Mitglieder, dafür jedoch effizienter sind. SHAW differenziert, dass dies lediglich für simplexere Tätigkeiten gilt; bei komplexen Aufgabenstellungen wäre die Zentralperson überlastet und die Kommunikation der Teilaufgaben erschwert. (3) Machtstruktur: Sie kennzeichnet die Verteilung von sozialer -* Macht auf bestimmte Positionen bzw. Pn. Zentralistisch strukturierte Gruppen sind meist autokratisch, dezentralisiert, häufig partizipativ und kooperativ. Die Machtstruktur kann entweder durch formelle Positionsmacht (headship) entstehen oder sich faktisch herausbilden (leadership), wobei der unter (4) skizzierte Expectation states-Ansatz zumindest in sich etablierenden Gruppen Anwendung findet. In großen Gruppen kann abgestufte Macht in Erscheinung treten, so dass zwischen hierarchischen bzw. heterarchischen Strukturen unterschieden werden kann (-* Führung). (4) Rollenstruktur: Diese ist durch die wechselseitigen normativen -* Erwartungen der Gruppenmitglieder
Gruppenstruktur
hinsichtlich des angemessenen Verhaltens charakterisiert (-»Rolle, soziale). Solche Erwartungen können im Strukturierungsprozess erst ausformuliert werden (z.B. die Übertragung von Aufgaben auf einzelne Mitglieder, evtl. nach unterschiedlichen Fähigkeiten); manchmal sind jedoch die Rollen lediglich „Platzhalter" für die Besetzung durch adäquate Personen, z.B. bei bereits bestehenden Arbeitsgruppen. In solchen Fällen sind die wichtigsten aufgabenbezogenen Rollen institutionalisiert und professionalisiert; sie betreffen allerdings eher den formellen Bereich. Wie GRAEN betont hat, gibt es darüber hinaus eine Menge von informellen Rollen, die sich jenseits der Aufgaben- und Funktionsverteilung ebenfalls herausbilden. Vielfach sind soziale Rollen unterschiedlich bewertet; insofern spricht man auch von einer Statusstruktur. Der -* Expectation states-Ansatz geht davon aus, dass die Statuszuweisimg mit den funktionalen Beiträgen für die Effizienz der Gruppe zusammenhängt; die einzelnen Mitglieder seien bereit, Pn mit erheblichen funktionalen Beiträgen auch gewisse Privilegien einzuräumen. Die genannten Strukturdimensionen sind nicht unabhängig voneinander. Auch unterscheiden sie sich im Ausmaß ihrer Planbarkeit. Sie entstehen vielfach ad hoc und völlig unintendiert (z.B. die Herausbildung von Führungsdualen in ad hoc zusammengestellten instrumenteilen Gruppen); andererseits sind sie Gegenstand der planenden Gestaltung (z.B. bei bewusst zusammengestellten Teams) oder des korrigierenden Eingriffs: so lässt sich 219
GuTTMANN-Skala
Gruppentraining
z.B. die Affektstruktur durch eine Verbesserung des Gruppenklimas beeinflussen; die Kommunikationsstruktur kann durch Maßnahmen der Dezentralisierung verbessert werden; die Machtstruktur mag durch die Anwendung demokratischer und partizipativer Prozeduren oder durch den Abbau steiler Hierarchien verändert werden. Lit.: -» Gruppe, soziale
Gruppentraining Zweck des G. ist die bessere Nutzung des sog. Gruppenvorteils (—• Gruppenproduktivität). Damit ein solcher Vorteil entsteht, müssen allerdings zunächst einmal gewisse strukturelle Voraussetzungen geschaffen werden. Auch wenn diese gegeben sind, müssen i.R. des G. bestimmte Fähigkeiten entwickelt werden, z.B. Verbesserung der Kommunikation, Förderung der sozialen Sensibilität, die Bereitschaft und Fähigkeit zu kooperativem Verhalten, die Fähigkeit zur Teamarbeit sowie die Schärfung der Wahrnehmung im Hinblick auf Konstellationen und Prozesse der -* Gru . Innerhalb der Organisationspsychologie sind zahlreiche gruppenorientierte Konzepte entwickelt worden. Eine häufig angewandte Form prozessorientierten Trainings ist das „sensitivitytraining", bei dem in unstrukturierten Situationen alle aktuellen Probleme auch im persönlichen Bereich einbezogen werden, was allerdings die zwischenmenschlichen Beziehungen manchmal auf erhebliche Belastungsproben stellt. Lit.: - > Gruppe, soziale
220
Gruppenvorteil -»•Gruppenproduktivität Gummiband-Prinzip Urteilsprozesse werden durch Anker festgelegt, die jeweils die Extremwerte des Beurteilungsbereichs bilden. Wird dieser Randbereich in Kategorien zerteilt, die als gleich groß angesehen werden, so fuhrt eine Änderung des Ankerbereichs zu einer Dehnung der Perspektive. Dies ist das Grundprinzip sowohl der Gummiband-Theorie von VOLKMANN wie auch der Perspektiven-Theorie von UPSHAW. GUTTMAN-Skala Methode der -* Einstellungsmessung, bei der mit Hilfe einer Skalenanalyse (Skalogramm) homogene Skalen entwickelt werden. Sie unterstellt, dass die Items einer kumulativen Ordnimg entsprechen. So lassen sich z. B. Vorurteile in abgestufter Form artikulieren, deren schwächste Variante etwa lautet: „Homosexualität ist ein ganz normales Verhalten, sofern andere dadurch nicht belästigt werden" und dessen stärkste Variante etwa heißt: „Homosexualität ist anomal und sollte eigentlich verboten werden". Dabei wird angenommen, dass ein Befragter, der einer stärkeren Item-Formulierung zustimmt, auch allen schwächeren Varianten zustimmen muss. Die -* Einstellung lässt sich sodann aus der Zustimmungsreichweite (zumindest ordinal) lokalisieren. Mit der Entwicklung und Anwendung solcher Skalen sind insbesondere bei inkonsistenten Antwortmustern - etliche Schwierigkeiten verbunden.
Halo-Effekt
Handlung H
Halo-Effekt Nach THORNDIKE ein Ausstrahlungseffekt, der darauf basiert, dass ein generell positiver oder negativer Gesamteindruck auf einzelne Beurteilungsdimensionen sowie die Korrelation einzelner Dimensionen untereinander abfärbt (~>Exp. 8). Die einzelnen Attribute werden dann gewissermaßen vom Gesamteindruck überschattet (Bsp.: Man wird einer P, die insgesamt einen sehr guten Eindruck macht, auch positive Eigenschaften zuschreiben). Ein spezieller H. wird vielfach als Detaildominanz oder Zentralitätseffekt bezeichnet: Ein auffälliges oder zentrales Merkmal beeinflusst und überschattet alle anderen Attribute (-» Zentralität von Eigenschaften). Handeln, soziales -> Handlung Handlungstheorien H. ist sozial in einem Doppelsinn: Es ist zum einen durch soziale Prozesse geformt, insbesondere im Prozess der Sozialisation. Es ist zum anderen „dem von den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen und in seinem Ablauf orientiert" (MAX WEBER). In seiner Handlungstheorie unterscheidet HABERMAS zwischen instrumentellem Handeln (z.B. eine Arbeitsverrichtung) und kommunikativem (= sozialem) Handeln, das auf andere Pn bezogen ist (-> Interaktion). Handlung Wird entweder als Teilklasse des Verhaltens angesehen (sofern Verhalten
als Oberbegriff verstanden wird) oder aber als Gegensatz zu einem behavioristisch vorbelasteten Verhaltensbegriff. Obgleich es mittlerweile zahlreiche soziologische und psychologische Konzepte der Handlungsforschung und der Handlungstheorien gibt, die sich in wichtigen Punkten voneinander unterscheiden, dürfte das Paradigma der Handlungsforschung in Folgendem bestehen: H. sei gegenüber einem eher reaktiv-rezeptiven Verhalten abzugrenzen und in seiner spezifischen kontextualen und situativen Ausprägung zu verstehen. Im Einzelnen werden je nach Handlungstheorie unterschiedliche Charakteristika der H. betont: (a) Intentionalität und Planung (-> Intention); (b) Zielorientierung und Zielinduktion; (c) kognitive Beteiligung, insbesondere Steuerung; (d) Sinnhaftigkeit und Bedeutungsgehalt. Der Begriff des H. ist damit abzugrenzen von bloßen Reaktionen auf äußere Stimuli, von Reaktionsautomatismen und Gewohnheiten, die durch einfache Konditionierungsvorgänge entstanden sind, sowie von triebdurchbrüchigem Verhalten (und dominanten Reaktionen). analysiert H. in einem Phasenmodell, das gewissermaßen H.Episoden beschreibt:
WEINER
(a) Motivationale Anregung, Sammeln und Registrieren von Informationen;
221
Handlungshierarchie
(b) Instrumentelle Aktivität und Persistenz zielgerichteten Verhaltens sowie Informationsverarbeitung auf der Basis von Wissen und Vergleichen; (c) Zielerreichung oder -Verfehlung mit der Registrierung relevanter Hinweisreize über Erfolg oder Misserfolg; (d) Auftreten von Verhaltenskonsequenzen mit Reflexionsprozessen (Rückschau, Bewertung, Modifikation von Strategien im Vorgriff auf künftiges Handeln). Ähnliche Ablaufmuster werden in den volitionalen Theorien der Motivation (-> Handlungskontrolle -* Rubikon-Modell) dargestellt. Handlungshierarchie Nach HACKER (—• Handlungsregulation) ist die Handlung die kleinste psychologische Einheit der willensmäßig gesteuerten Tätigkeit. Die Abgrenzung dieser Handlung erfolgt mit dem bewussten Ziel einer mit dem entsprechenden Motiv verbundenen Vorwegnahme des Ergebnisses. Dabei entsteht eine hierarchische Struktur der Tätigkeiten und ihrer Untereinheiten. Die Bedeutung einer hierarchisch-sequenziellen Organisation des Handelns betont auch VON CRANACH in seiner Version einer Handlungstheorie. Handlungskompetenz -* Handlungskontrolle Handlungsregulation (I) Allgemein: die Befähigung, eine getroffene Entscheidung oder eine Anweisung effizient in Handeln umzusetzen. Dies ist u.a. auch Gegenstand der volitionalen Motivationskonzepte 222
Handlungskontrolle
(-»Handlungskontrolle -* Motivationstheorien -* Volition). (II) Speziell in der Arbeitspsychologie (HACKER,
VOLPERT,
OESTERREICH)
bedeutet H. die Fähigkeit, realistische Handlungspläne zu entwerfen und umzusetzen. Diese Fähigkeit zum disponiblen Erzeugen realisierbarer Handlungspläne bezieht sich auch auf Handlungssequenzen, die der Handelnde in dieser Form nie geübt hat. Dabei wird insbesondere der Ansatz verfolgt, nach dem zwischen Aufgabenkomplexität und Freiheitsgrad des Operierens (-»• Handlungsspielraum) einerseits und H. sowie kognitiver Flexibilität andererseits ein Zusammenhang besteht. Die empirischen Belege hierzu sind allerdings widersprüchlich; diese Beziehung scheint durch zahlreiche Moderator-Variablen eingeschränkt zu sein. (III) Sp interessanter ist die soziale Komponente der H. (-»Kompetenz, soziale), die in den üblichen handlungstheoretischen Entwürfen zugunsten instrumenteller Aspekte der -+ Handlungsregulation meist vernachlässigt wird. Handlungskontrolle Konzept von KÜHL, das sich i.R. volitionaler Prozesse (-* Volition) mit verschiedenen Kontrollmechanismen beschäftigt, die dazu geeignet sind, ein bereits beschlossenes Verhalten (Fazit-Tendenz) in tatsächliches Handeln umzusetzen. Der Ausdruck H. bezieht sich dabei einmal auf Motivationskontrolle (die Absicht soll aufrechterhalten und gegen konkurrierende Bestrebungen abgeschirmt werden), zum anderen auf die Ausfuhrungskontrolle (der gesamte Prozess soll willentlich
Handlungskontrolle
zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden). Als volitionale Prozesse der H. kommen u.a. in Betracht: (a) selektive Aufmerksamkeitssteuerung, d.h. Beachtung deijenigen Informationen, die fur die Handlungsabsicht relevant sind; (b) Sparsamkeit der Informationsverarbeitung, d.h. Nichtbeachtung irrelevanter Informationen, nicht zu detaillierte Informationsverarbeitung; (c) Dominanz handlungsfördernder Information (z.B. Hoffnung und Freude); Abschirmung im Hinblick auf negative, handlungshemmende Gefühle (Resignation, Angst); (d) Kontrolle forderlicher oder hemmender Umweltbedingungen (z.B. Auflösung bürokratischer Hemmnisse); (e) volle Entwicklung der Absicht, Zielstrebigkeit und Beibehaltung des Wollens. Dabei werden zwei unterschiedlich effiziente Formen der H. differenziert: Handlungsorientierung und Lageorientierung. Handhingsorientierte Pn sind bei Schwierigkeiten und Hindernissen während der Durchführung von Handlungen im stärkeren Maße zukunftsorientiert und richten ihre Aufmerksamkeit v.a. auf handlungsfordernde und zielstrebige Aspekte, während lageorientierte Pn ihre Aufmerksamkeit eher auf die eigene Befindlichkeit, sonstige handlungsirrelevante oder ablenkende Effekte richten, sich gewissermaßen „verzetteln". Das Konzept kann als gelernte Disposition oder auch als differenzielle
Handlungskontrolle
Fähigkeit betrachtet werden. Obgleich KÜHL betont, dass die jeweiligen Orientierungen sowohl der Situation (z.B. objektive Unkontrollierbarkeit) als auch der P zugeschrieben werden können, neigt er dazu, Handlungs- und Lageorientierung als in der Lerngeschichte des Individuums verwurzelten Persönlichkeitszug zu behandeln; d.h. Individuen neigen (nach dieser Auffassung) situationsübergreifend dazu, handlungs- oder lageorientiert zu sein. Handlungsorientierung, d.h. die Fähigkeit, eine Handlung erfolgreich zum Abschluss zu bringen, liegt vor, wenn das Individuum in der Lage ist, seine Aufmerksamkeit auf alle der nachfolgend aufgeführten Sachverhalte zu richten: (a) auf den angestrebten Sollzustand; (b) auf den gegenwärtigen Istzustand; (c) auf die Diskrepanz zwischen Soll und Ist; (d) auf verfügbare Handlungsmöglichkeiten, um den Sollzustand zu erreichen. Bei der Lageorientierung wird die Verfolgung der Handlungsziele dadurch blockiert, dass die Aufmerksamkeit einseitig auf einen der genannten Sachverhalte fixiert bleibt. Dies „lähmt" die Handlungsdurchführung durch zu starke Zentrierung der Aufmerksamkeit. Entsprechend den o.g. Zuständlichkeiten kommt es jeweils zur (a) Zielzentrierung: d.h. P ist zu strikt am Ziel orientiert oder ist von dem erhofften Sollzustand fasziniert, ohne zu wissen, was sie eigentlich tun sollte;
223
Handlungskontrolle
(b) Misserfolgszentrierung: d.h. P empfindet ständig Furcht vor Misserfolg (-> Leistungsmotivation) und wird dadurch in ihrem Handeln blockiert (z.B. durch Jammern über die schlechte Lage, ohne sich aufraffen zu können, etwas gegen diese missliche Situation zu tun); (c) Planungszentrierung: d.h. P ist so stark auf Pläne und Strategien konzentriert, dass die Ausführung bzw. Umsetzung dieser Pläne in Gefahr gerät (etwa durch ständig neue Pläne, die zu einem Abbruch begonnener Handlungen führen); (d) Erfolgszentrierung: d.h. P ist sich (etwa aufgrund vergangener Erfolge) ihrer Sache zu sicher und übersieht Gefahren, Fallgruben oder unerwünschte Konsequenzen des Handelns. KÜHL hat die Theorie der H. im Ein-
klang mit empirischen Befunden ständig weiterentwickelt und zu einer umfassenderen PSI-Theorie ausgebaut. Die Theorie ist auch eine Alternative zum Konzept der gelernten -* Hilflosigkeit, wobei „Lageorientierung" eher eine funktionale Erklärung für Hilflosigkeit darstellt. Bezüge bestehen auch zur -* Dissonanztheorie: Prozesse, die der Dissonanzreduktion dienen, sind zugleich Prozesse, die die H. fördern. Dabei wird vorausgesetzt, dass Dissonanz nicht erst nach erfolgter Handlung einsetzt, sondern insbesondere bereits die volitionale Phase betrifft. Im Zustand erheblicher kognitiver Dissonanz mit entsprechender Ambivalenz widersprüchlicher Gedanken wird die Handlungsausführung blockiert, insbesondere auch deshalb, weil ein Teil der Aufmerksamkeit und
224
Handlungskontrolle
der Handlungsenergie in die Auflösung der Ambivalenz investiert werden muss. Diese Hemmung ist umso stärker, je bedeutsamer die Handlungsergebnisse sind und je ähnlicher die verschiedenen Alternativen erscheinen. Lageorientierte werden, wie insbesondere BECKMANN & IRLE gezeigt haben, dazu neigen, längere Zeit im Zustand lähmender Dissonanz zu verharren, während Handlungsorientierte im Stande sind, Dissonanz effizient und rasch zu reduzieren. Neben ihrer theoretischen Bedeutung i.R. der —• Motivationstheorien und der Konzepte zur kognizierten ->• Kontrolle hat die Theorie der H. erhebliche praktische Bedeutung im klinischen Bereich (-»Depression) sowie im arbeits- und organisationspsychologischen Bereich (letzteres v.a. deshalb, weil die Handlungen im Arbeitsbereich in der Regel auf ein Ziel hin orientiert werden müssen). Es existieren auch entsprechende Trainingsprogramme, die insbesondere die Diagnose und Therapie von Lageorientierung betreffen und Wege aufzeigen, wie mit Handlungshemmnissen umzugehen ist. Kritisch ist anzumerken, dass die Theorie KUHLS von gegebenen Zielvorstellungen ausgeht und alternative Ziele als Störfaktoren ausblendet. Da unter allen Umständen am Handlungsziel festgehalten wird, bleibt das Individuum nicht immer hinreichend offen für notwendige Zielkorrekturen, die im Zeitablauf der Handlungsumsetzung vielleicht nötig sind und ein nochmaliges Überdenken der Entscheidung erfordern. Der fehlende Hinweis auf notwendige Zielflexibilität ist ein Manko vieler volitionaler
Handlungstheorien
Handlungsorientierung
Theorien (z.B. auch der -» Zielsetzungstheorie). L i t . : BECKMANN, J . & IRLE, M .
(1985).
Dissonance and action control. In: Kühl, J. & Beckmann J. (eds.) Action control. Berlin. KÜHL, J . & BECKMANN, J . ( 1 9 8 5 ) . A c t i o n c o n t r o l . B e r l i n . KÜHL, J . & BECKMANN, J .
(1994). Volition and personality: Action versus State orientation. Göttingen u.a. KÜHL, J . ( 1 9 8 3 ) . M o t i v a t i o n , K o n f l i k t u n d
Handlungskontrolle. Berlin.
Handlungsorientierung -* Handlungskontrolle Handlungsregulation Zentraler Begriff der arbeitspsychologisch orientierten Handlungstheorie HACKERS (auch Handlungs-StrukturTheorie genannt). Um die Phasen der H. nachzuvollziehen, konzentriert sich HACKER auf die inneren Repräsentationen des Arbeitsprozesses durch den jeweils Betroffenen (operatives Abbildsystem), wobei zwei regulatorische Stile unterschieden werden: der momentane (dieser bezieht sich auf die aktuell von außen vorgegebenen Aufgaben, die nach einem bestimmten Schema zu bewältigen sind) und der planende (dieser ist vorausgreifend und wird i.R. einer integrierten hierarchisch-sequenziellen Regulationsstruktur bewältigt). Ein gewichtiger Teil der H. ist auf die Abstimmung von Mensch-Maschine-Systemen bezogen. Handlungsspielraum (I) Allgemein: Menge der möglichen Handlungsalternativen. Dabei wird meist davon ausgegangen, dass ein ausgedehnter oder erweiterter H. für das Individuum belohnend ist (->Freiheit). Einschränkungen des H. werden daher in der Regel als Strafreiz emp-
funden (-• Reaktanz), verbunden mit der Neigung, die Handlungsfreiheit wiederherzustellen. (II) Im Besonderen spricht man in der Arbeitspsychologie von H., wobei (nach ULICH) zwischen der horizontalen Dimension des Tätigkeitsspielraums (Umfang der operativen Aufgabenelemente) und einer vertikalen Dimension des Entscheidungsund Kontrollspielraums unterschieden wird. Dieses Konzept ist von ALIOTH um die soziale Dimension des Interaktionsspielraums erweitert worden (—• Arbeitsinhalt —• Arbeitsgestaltung Job enrichment). Handlungstheorien -* Handeln, soziales
Handlung
H. bezeichnen ein integratives Programm, für das der Begriff „Handeln" zentral ist, der das Bewusste und Geplante des menschlichen Verhaltens betont. (Insofern ist das gesamte Programm des Kognitivismus, soweit es sich auf Verhalten/Handeln bezieht, „handlungstheoretisch"). H. sind sowohl in der Soziologie (PARSONS' „theory of social action" oder COLEMANS „rational choice theory") wie auch in der (Sozial-) Psychologie entwickelt worden, z.B. (a) i m TOTE-Modell v o n MILLER, GALANTER & PRIBRAM, WO durch
Rekurs auf Ansätze der Kybernetik der interaktionistisch-rückgekoppelte Charakter des Verhaltens sowie die zentrale Bedeutung von Bildern (Images) und Plänen für die Handlungsregulierung der Grundstock zu einer H. gelegt wird; (b) in der (vorwiegend auf den Arbeitsbereich bezogenen) Theorie 225
Handlungstheorien
HACKERS, der in Verfeinerung des
TOTE-Modells die Bedeutung von operativen Abbildsystemen, Aktionsprogrammen, Vergleichs-, Veränderungs-, Rückkoppelungseinheiten und Handlungsebenen unterstreicht; (c) in der H . VON CRANACHs, in der
insbesondere die Orientierung an Ober- und Zwischenzielen sowie die Bildung einer hierarchisch-sequenziellen Organisation des Handelns thematisiert wird; (d) in der —• Zielsetzungstheorie von LOCKE & LATHAM, d i e d e n A n -
reizwert von Zielsetzungen näher zu bestimmen versucht; (e) in der kognitiven Motivationsforschung, insbesondere i.R. von Wert-Erwartungs-Theorien ( z . B . ROTTER, VROOM, HECKHAUSEN);
(f) in volitionalen Motivationskonzepten, in denen es um die Umsetzung getroffener Entscheidungen in faktisches Handeln (-* Handlungskontrolle) geht; (g) in Theorien des —> überlegten Verhaltens (FISHBEIN & AJZEN) und des -»• geplanten Verhaltens (AJZEN), die im Kern auch eine ->• Wert-Erwartungs-Theorie beinhalten. Da es in (kognitiven) Motivationstheorien vorwiegend um die bewusste Steuerung von Handlungsprozessen geht, ist „Handeln" von der Sachlogik her dem Motivationsbegriff zugeordnet (-> Motivation). Im Übrigen ist die früher möglicherweise sinnvolle Abgrenzung von H. im Hinblick auf (behavioristisch ausgerichtete) Verhaltenstheorien (etwa vom Typ HULL oder SKINNER) heute von einge226
Hawthorne-Eiperiment
schränkter Bedeutung, da auch der Neobehaviorismus (etwa ROTTER, BANDURA) längst von engen behavioristischen Positionen (-» Behaviorismus) abgerückt ist (z.B. im Hinblick auf die Einbeziehung von Erwartungen). Einen Gesamtüberblick über die Vielfalt unterschiedlicher Handlungstheorien mit oftmals gemeinsamem Kern liefert LENK (1977 ff.).
Hard to get-Effekt Güter (auch Liebe), die schwer zu bekommen sind, fuhren zu einer Intensivierung von Wünschen (z.B. auch der Liebesgefühle). Der Effekt ist reaktanztheoretisch (-» Reaktanz) deutbar als Aufwertungstendenz für versperrte Alternativen.
Haushaltsentscheidungen Ein Großteil aller Konsumentenentscheidungen (-> Konsumentenpsychologie -* Marktpsychologie) sind kollektiver Natur, d.h. Ergebnis eines mehr oder weniger explizit verlaufenden interaktiv abgestimmten oder ausgehandelten Entscheidungsprozesses (-»Gruppenentscheidungen). Unter rollentheoretischer Perspektive hat man den jeweiligen Einfluss der Ehepartner sowie der Kinder auf Kaufentscheidungen empirisch untersucht. Insbesondere hat KIRCHLER in verschiedenen Studien Zusammenhänge zwischen Beziehungsqualität und Entscheidungsfindung aufgezeigt (-»Beziehung, soziale).
Hawthorne-Experiment Bei der Untersuchung der Produktivität von Arbeitern in der HawthorneFabrik der Western Electric Company zeigte es sich, dass die bloße Beobachtung von Arbeitern deren Motiva-
Hawthorne-Effekt tion erhöhte und die Produktivität steigerte. Dabei war es völlig gleichgültig, welche Veränderungen (z.B. verschiedene Beleuchtungsvarianten) im Einzelnen erfolgten.
Hawthorne-Effekt Eine Generalisierung der Ergebnisse der Hawthorne-Experimente, wonach allein die Tatsache, dass etwas an den gegenwärtigen Zuständen geändert wird, den Beifall der Betroffenen findet, was zumindest vorübergehend zu einer Steigerung von Produktivität und Zufriedenheit fuhrt.
Headship —• Führung, die auf formalen Anweisungsbefugnissen beruht (positionale Führung). Gegensatz: Leadership, die auf faktischen Führungsaktivitäten gründet.
Hedonismus Eine auf BENTHAM zurückgehende Geisteshaltung bzw. Wertvorstellung, wonach der Genuss oder die Lust als höchstes Daseinsprinzip anzusehen sei. Der Ausdruck wird heute v.a. im Hinblick auf den Wertewandel verwendet, wobei dokumentiert werden soll, dass puritanische Werte (protestantische Ethik) abgelöst würden durch eine besondere Genussmoralität, die gegenwartsorientiert sei und kaum noch Belohnungsaufschub sozialisiere.
Hedonistische Relevanz Bei Prozessen der -* Attribution durch einen Beobachter spielt es eine Rolle, ob und inwieweit die zu attribuierende Handlung für diesen Beobachter wichtige Konsequenzen hat. JONES & DAVIS bezeichnen diese motivationale In-
Hemmung volviertheit oder Betroffenheit des Beobachters als H. Je höher die H., desto eher werden Prozesse der Meinungsbildung aktiviert und desto extremer (positiv oder negativ) werden die Urteile ausfallen. Die Verhaltensweisen eines Akteurs, die fur einen Beobachter nützlich sind, werden demnach eher zu günstigen Attributionen fur diesen Akteur fuhren (und umgekehrt).
Hedonistische Theorien Psychologische Theorien, in denen ein Genussprinzip oder ein Lustprinzip als universelle Maxime menschlichen Strebens gleichsam axiomatisch unterstellt wird. Dazu gehören einige Emotionstheorien sowie die Psychoanalyse. Auch -* Lerntheorien bzw. Wert-Erwartungs-Theorien werden gelegentlich als hedonistisch bezeichnet, z.B. durch den Hinweis, nicht die objektive Verstärkung bzw. Triebreduktion sei das entscheidende Agens des Verhaltens, sondern das dabei verspürte unmittelbare sinnliche Genießen.
Hemmung (I)I.R. der Lerntheorie wird aufgezeigt, dass auch der Aufbau von H.Prozessen gelernt werden kann. (II) In der klinischen Psychologie werden H. thematisiert, die sp relevant sind: z.B. soziale Unsicherheit und Angst sowie Schüchternheit. (III) Hemmende Motivationen spielen darüber hinaus eine Rolle in den Theorien zur -* Leistungsmotivation sowie in der Forschung zur -* Aggression (dort insbesondere bei BERKOWITZ).
227
Herausforderungscharakter
(IV) In einem spezifischen Sinn gilt H. als Fall, bei dem die Gegenwart anderer nicht erleichternd wirkt (—»• Erleichterung, soziale), sondern „hemmend" (z.B. bei komplexen Aufgaben, bei Pn, von denen man abhängig ist). (V) Ebenfalls in einem spezifischen Sinn beschreibt soziale H. die Tatsache, dass eine P durch die Anwesenheit von Zuschauern davon abgehalten wird, in einer Notlage Hilfe zu leisten (-* Bystander-Effekt).
Herausforderungscharakter Grad, zu dem eine gestellte Aufgabe als den eigenen Fähigkeiten entsprechend angesehen wird und die ein besonderes Lösungsinteresse bei P weckt. Insofern haben schwierige (aber nicht zu schwierige) Aufgaben für erfolgsorientierte Pn einen besonderen Anreizwert (-> Leistungsmotivation).
Heritabilität Der H.-KoefFizient versucht, die Interaktion von Genen und Umwelt (-+ Anlage vs. Umwelt) zu bestimmen. Er misst den Anteil der genetischen Varianz hinsichtlich eines Merkmals (z.B. der Intelligenz). Ein Koeffizient von 0,8 besagt, dass 80 % der in einer Population beobachteten Unterschiede bezüglich dieses Merkmals auf erbliche Unterschiede zurückgeführt werden können. Allerdings lässt sich H. nicht auf Individuen, sondern immer nur auf Populationen anwenden. (Deshalb ist die Lesart nicht korrekt, wonach - am obigen Beispiel - 80 % der Intelligenz vererbbar sei).
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Heuristiken
Heteronome Moral Bezeichnet in der Entwicklungspsychologie PIAGETS die weitgehend noch fehlende kognitive Kontrolle des Kindes: fehlender Sinn für Absichten, für Gerechtigkeit, für eine Strafe. Dieses Stadium wird abgelöst durch autonome Moral als eine höhere Stufe moralischer Entwicklung.
Heuristiken (I)Der Mensch trifft Entscheidungen und kommt zu Beurteilungen häufig durch die Anwendung vereinfachender Entscheidungs- oder Urteilsregeln (mental Short cuts). Solche H. haben die Funktion, Komplexität zu reduzieren, die durch Informationsüberflutung entsteht, so dass insbesondere bei weniger bedeutungsvollen Sachverhalten (einfache Entscheidungen ohne schwere Konsequenzen, Routineangelegenheiten, Gewohnheitshandeln) simplexe „Faustformeln" angewendet werden. Diese Deutung heuristischer Prozesse betont den positiven Aspekt der H., mit deren Hilfe Probleme angemessen schnell bewältigt werden können, so dass kognitive Ressourcen für die wirklich wichtigen Entscheidungen aufgespart werden. Beispiele für solche Alltagsheurisiken: „Markenartikel sind immer gut", „Experten kann man Vertrauen schenken", „Teure Produkte sind qualitativ besser". H. spielen in Theorien zur Informationsverarbeitung eine herausragende Rolle. Um zu betonen, dass viele kognitive Prozesse auf diese Weise „verkürzt", „schematisiert" (-»Schema) oder kategorisiert werden (-» Kategorisierung), hat SCHWARZ in Anknüpfung an die Metapher des kognitiven
Heuristiken
Geizhalses die Figur des heuristicus konzipiert.
Heuristiken
Homo
Im Bereich der Persuasion enthält auch das -»• ELM i.R. der peripheren Route der Informationsverarbeitung H. als Möglichkeit, schnell zu Einstellungen zu gelangen, die jedoch wenig stabil sind. Während H. für das ELM nur eine von mehreren Möglichkeiten sind, short cuts durchzuführen, werden H. im —• Heuristisch-systematischen Modell von CHAIKEN und ihren Mitarbeitern in besonderer Weise thematisiert. (II) Heuristiken als normative Entscheidungsregeln-. Unter derartigen Aspekten werden lediglich Regeln formuliert, nach denen Individuen komplexe Situationen so vereinfachen können, dass sie zu effizienten Urteilen kommen, wobei bewusst ein Teil der Informationen ausgeblendet wird (zusammenfassend: HUBER 1982). Dabei handelt es sich entweder um Regeln der Vorselektion von Alternativen oder um Regeln der zu beachtenden Attribute und ihrer Gewichtung. Als wichtigste Regeln kommen in Betracht: die konjunktive Regel, die disjunktive Regel, die lexikographische Regel (Sonderfall: elimination by aspects). HUBER hat versucht, den normativen Charakter dieser Entscheidungs-H. zu durchbrechen, indem er eine Theorie formuliert, die aufzeigen soll, unter welchen Bedingungen Pn welche Entscheidungsregel verwenden. (III) Unter eher negativen (weil von der -* Rationalität abweichenden) Gesichtspunkten behandeln KAHNEMAN & TVERSKY H. als kognitive Täuschungen (-* Anomalien). Hier werden
weniger die positiv funktionalen und produktiven Aspekte von H. hervorgehoben, sondern eher die Fallgruben kurzschlüssiger Informationsverarbeitung, die zu „cognitive biases" führen. Mittlerweile sind zahlreiche solcher „Fallgruben" oder Anomalien mit fast anekdotischer Akribie aufgezeigt worden, wobei Bestrebungen bestehen, die Vielzahl spezieller kognitiver Täuschungen auf fundamentalere H. zurückzuführen. Die drei meistgenannten und empirisch auch am besten untersuchten Urteilsheuristiken sind die Repräsentativitäts-H., die Verfügbarkeits-H. sowie die Anker-H. (1)Die -* Repräsentativitäts-H. : ist eng verbunden mit kategorialen Urteilen (-* Kategorisierung). Sie besteht darin, dass die Einordnung eines Objekts oder Sachverhalts aufgrund grober Ähnlichkeitsgesichtspunkte erfolgt. Dies bedeutet, dass statt einer statistischen Korrelation eher einer inhaltlichen Ähnlichkeitsbeziehung vertraut wird. Bsp.: Beim wiederholten Münzwurf (Kopf/Zahl) wird die Abfolge ZKKZKZ für wahrscheinlicher gehalten als die Abfolge ZZZKKK. (2) Die -> Verfiigbarkeits-H.: Bei der Beurteilung von Ereignissen und Wahrscheinlichkeiten werden solche Informationen besonders stark gewichtet, die dem Gedächtnis am leichtesten zugänglich sind (z.B. jüngst erst aufgetreten sind) und die mit großer Salienz und Lebendigkeit (-» vividness) in Erscheinung treten. Bsp.: Schlimme Unfälle werden leichter im Gedächtnis behalten als eine Menge kleiner. Durch entsprechendes -*• Agenda-Setting ver-
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Heuristiken
stärken die Medien einen solchen Effekt. (3) Die -* Anker-H. (auch Verankerungs-H.): Schätzungen der Wahrscheinlichkeit und Beurteilungen von Sachverhalten werden an einem Startwert (Anker) festgemacht. Auf diese Weise kategorisieren Individuen z.B. beim Kauf von Produkten ihren Ankerpreisbereich von „zu teuer" bis „zu billig". Pn disponieren über Aktien und folgen dem Ankerwert des DAX oder legen als Anker den seinerzeitigen Kaufkurs fest. KAHNEMAN & TVERSKY haben in ih-
rem H & B-Programm (heuristics and biases) auf eine Reihe weiterer H. hingewiesen (-> Täuschungen, kognitive). Bedeutsam ist auch das framing, d.h. die „Verpackung" einer Aussage (Bsp.: Von einer Beschäftigungsquote von 89 % zu sprechen klingt positiver, als die Rede von 11 % Arbeitslosen). Eine andere H., die der Verfugbarkeits-H. ähnelt, ist die Simulations-H., die darauf beruht, dass man manche Dinge mental leicht nachvollziehen und sich vorstellen kann. Wie angedeutet, bestehen Kontroversen darüber, (a) ob man eher von einer Vielzahl unterschiedlicher H. ausgehen sollte oder ob sie sich auf einige wenige reduzieren lassen; (b) ob H. allgemeine Gesetzlichkeiten unseres Denkens darstellen, die überwiegend positive Funktionen der kognitiven Entlastung aufweisen oder ob es sich hier um Fallgruben und Täuschungen handelt, die den Menschen systematisch in die Irre führen; 230
Heuristisch-systematisches Modell (HSM)
(c) ob H. motivational neutrale, fehlerhafte Informationsprozesse darstellen oder ob es sich um „biases" handelt, die in irgendeiner Weise motivational begründet sind (z.B. wäre es plausibel anzunehmen, dass selbstwertdienliche H. bevorzugt werden). Lit.: CHAKEN, S. (1987). The heuristic model of persuasion. In: Zanna, M.P. et al. (eds.) Social influence. The Ontario symposium, Vol.5. Hillsdale/N.J., 3-39. NISBETT, R. & ROSS, R. (1980). Human inference: Strategies and shortcomings of social judgement. Englewood Cliffs/N.J. SCHWARZ, N. (1982). Homo heuristicus. Zur Psychologie des kognitiven Geizhalses. Zeitschrift für Sozialpsychologie 13,343-347.
Heuristisch-systematisches Modell (HSM) Gehört zu den Dualen ProzessModellen der -* Informationsverarbeitung und ist ähnlich konzipiert wie das -> ELM. CHAIKEN geht (wie das E L M ) davon aus, dass Informationen entweder unter hoher kognitiver Beteiligung systematisch verarbeitet werden oder aber aufgrund eines Schnellverfahrens auf der peripheren Route, wobei man von Heuristiken (einfache Regeln und Schlüsselreize) Gebrauch macht. Für das ELM sind Heuristiken nur einer von möglichen Verarbeitungswegen; das H.-Konzept konzentriert sich jedoch auf diese Teilklasse. Außer der Motivation und/oder Fähigkeit zur angemessenen Informationsverarbeitung kennt das H. noch eine dritte zentrale Variable, die darüber entscheidet, welcher Weg eingeschlagen wird: „salience" bzw. „vividness" (—• Salienz = Auffälligkeit; vividness = Anschaulichkeit, Lebendigkeit,
Hidden profile
Lebhaftigkeit). Damit eine Heuristik tatsächlich Verwendung finden kann, muss sie im Gedächtnis aktiviert und entsprechend zugänglich sein, was am ehesten dann gewährleistet ist, wenn der Hinweisreiz auffällig und anschaulich ist. CHAIKEN und ihre Mitarbeiter konnten nachweisen, dass im Falle fehlender vividness bzw. salience die Argumentqualität stärker in den Vordergrund rückt, während besonders anschauliche bzw. lebendige Aussagen offensichtlich davon abhalten, die Qualität der Mitteilung zu berücksichtigen. Dieser Befund ist für die Kommunikations- und Medienforschung außerordentlich bedeutsam.
Hidden profile In Entscheidungssituationen, in denen neben geteilten Informationen, die allen Gruppenmitgliedern schon vor der Gruppendiskussion bekannt sind, noch ungeteilte Informationen, die nur einem Mitglied vorab bekannt sind, vorliegen, kann die beste Alternative erst in der Gruppendiskussion aufgedeckt werden, was zu einem Zuwachs an Entscheidungsqualität fuhren könnte (—• Gruppenentscheidungen -* Gruppenproduktivität). Untersuchungen von STASSER zeigen jedoch, dass in solchen Situationen die Alternative gewählt wird, die durch die geteilten Informationen nahe gelegt wird und nicht diejenige, die auf der Basis aller verfügbarer Informationen die optimale ist. In H.-Situationen werden demnach vorhandene Möglichkeiten verspielt und sub-optimale Entscheidungen getroffen.
Hilfe-Empfänger
Hierarchie (der Effekte) Wirkungen kommunikativer Stimuli unterliegen einer Reihe von Selektionsprozessen. In Anlehnung an McGUIRE wären dies etwa die folgenden Stufen: Exposition, Wahrnehmung, Kognizieren, Erinnern, Aktion. Ein simples H.-Schema stammt aus der Werbepsychologie (-> Werbung), nämlich die AIDA-Formel: Attention, Interest, Desire und Action.
Hierarchie (von Kognitionen) Kognitionen sind vielfach pyramidenförmig angeordnet, übergreifend z.B. als Wertvorstellungen (-» Wertsystem), von denen dann allgemeine oder spezifische —• Einstellungen abgeleitet werden können. Auch die -> Hypothesentheorie der Wahrnehmung kennt solche Verknüpfungen von Ober- und Unterhypothesen.
Hierarchie (von Positionen) Strukturell verfestigtes, pyramidenförmiges System von Über- und Unterordnung, in dem Macht oder Autorität ungleich verteilt ist. Die Bestimmungsgründe für hierarchische Strukturen werden i.R. der Soziologie untersucht. Von organisationspsychologischem Interesse sind die Auswirkungen flacher oder steiler H. auf das Verhalten der Mitglieder.
Hilfe-Empfänger Eine wichtige Ergänzung der Thematik des -* Hilfeverhaltens sind die möglichen Reaktionen des H. Im Allgemeinen wird man davon ausgehen, dass der H. Hilfe sucht und für diese Hilfe dankbar ist, insbesondere, wenn es sich um eine schlimme Notlage oder eine dauerhafte Behinderung 231
Hilfeverhalten
Hilfe-Empfänger
handelt. Der Erhalt von Hilfe kann jedoch - wie insbesondere die Befunde von NADLER zeigen - das Selbstwertgefühl des H. bedrohen sowie u.U. einen Gesichtsverlust in der Öffentlichkeit auslösen. Die Bedrohung des Selbstwertes kann auch deshalb auftreten, weil der H. sich als unterlegen, schwach und abhängig vorkommt (GILBERT & SILVERER 1996) oder die Hilfe an bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Dabei zeigte sich auch das scheinbar paradoxe Ergebnis, dass Hilfe von einem nahestehenden Freund oder sonstwie ähnlichen Pn als besonders unangenehm und peinlich empfunden wurde (dies kann mit der Theorie der —• Selbstwerterhaltung von TESSER erklärt werden: Vergleiche auf einer selbstwertrelevanten Dimension bewirken einen selbstwertmindemden Vergleichsprozess).
profitieren. Ist jedoch die Kontrolle nicht möglich (z.B. aufgrund einer dauerhaften Behinderung), wird man zumindest sekundäre Kontrolle anstreben (d.h. sich der Situation anzupassen, das Beste daraus zu machen). Hier wird Hilfe häufig nicht angenommen, da der Betreffende zeigen möchte, dass er durchaus Herr der Lage ist. Wird sie dennoch (insbesondere von Pn mit geringem Selbstwert) angenommen, kann u.U. gelernte Hilflosigkeit auftreten. Hilfe sollte deshalb so dosiert werden, dass sie den H. darin unterstützt, sich selbst aktiv mit der Notsituation auseinander zu setzen (Hilfe zur Selbsthilfe). Auf diese Weise kann auch die Selbstwertbedrohung konstruktiv wirken: Sie motiviert den H. zur Selbsthilfe mit dem Ziel, wieder Kontrolle zu gewinnen.
Im Einzelnen sind negative Reaktionen auf die Hilfeleistung zu erwarten: (a) wenn die Ähnlichkeit der Beteiligten hoch ist; (b) wenn keine Gegenleistung möglich ist; (c) wenn die Hilfe nicht freiwillig erfolgt ist; (d) wenn die Hilfe normativ unangemessen (übertrieben) war; (e) wenn eine Verpflichtung zur Rückzahlung intendiert war; (f) wenn der Empfanger in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt wird. Normalerweise wird der H. bemüht sein, die hilferelevante Situation zu beseitigen und wieder Kontrolle zu gewinnen, ausgenommen vielleicht, der H. legt es darauf an, den Hilfesuchenden zu spielen und von dieser Rolle zu
Lit.: FISHER, J.D. et al. (1982). Recipient
232
reactions to aid. Psychological Bulletin, 91, 27-54.
GERGEN, K J .
(1974). Toward
a
psychology of receiving help. Journal of Applied Social Psychology. 4. 187-194. GILBERT, D.T. & SILVERA, D.H. (1996).
Overhelping. Journal of Personality and Social Psychology, 70, 678-690. NADLER, A. & FISHER, J.D. (1986). The role of threat to
self-esteem and perceived control in recipient reaction to help. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in experimental social psychology. Vol. 19, Orlando/Fl., 81-122.
Hilfeverhalten hilfreiches Verhalten -> Hilfe-Empfänger prosoziales Verhalten Altruismus (l)Begriff: H. ist eine Teilklasse prosozialen Verhaltens (zu letzterem gehören u.a. auch: -* Zivilcourage, kooperatives Verhalten (-* Kooperation —• hilfreiches Verhalten Solidarität). Häufig wird H. mit altruistischem Verhalten ( A l t r u i s -
Hilfeverhalten
mus) identifiziert; letzteres ist (nach der Meinung der meisten SPn) eine Variante prosozialen Verhaltens, die nicht eigennützig ist, sondern per Definition ausschließlich von altruistischen Motiven getragen wird. Dabei ist allerdings schwer auszuschließen, dass sich hinter altruistischer Motivation letztendlich doch wieder egoistische Beweggründe verbergen. Dies ist eine eher philosophische Frage und hat wenig Einfluss auf die Problematik, unter welchen Bedingungen Menschen bereit sind, in bestimmten Notfällen Hilfe zu leisten. (2) Normen und ->• Modell-Lernen: Es ist nachgewiesen, dass auch H. durch Verstärkungsprozesse gefordert werden kann. Dabei ist - ähnlich wie bei aggressivem Verhalten (-» Aggression)- das Lernen durch Beobachtung (Modell-Lernen) von Bedeutung. Ferner reflektiert H. die Geltung (und mögliche Internalisierung) prosozialer Normen, z.B. der Norm sozialer Verantwortung. Diese können interkulturell durchaus verschieden ausfallen (-> Individualismus) und auch subkulturell differieren (z.B. Stadt- und Landbevölkerung). In kleinen Gruppierungen wird man H. im Ingroup-Bereich pflegen, gegenüber Außenstehenden jedoch einschränken. Wichtig ist v.a. die Wahrnehmung der Situation, in der es zu mehr oder minder starker Norm-Aktivierung kommt. (3) Impulsives H.: PILIAVIN beschäftigt
sich mit der plötzlich auftretenden Belastung des impulsiven Helfens in einer Notsituation, wobei das Verhalten durch eindeutige situative Bedingungen und extremen Zeitdruck
Hilfeverhalten
charakterisiert ist. Bei diesem unmittelbaren Handlungsbedarf bleibt für kognitive Abwicklungsprozesse keine Zeit; man reagiert sofort. Nach PILIAVIN wird die impulsive Hilfe gefordert (vgl. auch BIERHOFF et al. 1990): (a) durch die Dringlichkeit einer Notsituation und die Voraussehbarkeit der Folgen; (b) durch die wahrgenommene Ähnlichkeit mit dem Opfer; (c) durch die Wahrnehmung der „besonderen" Hilfsbedürftigkeit des Opfers (z.B. kleines Kind); (d) durch Bekanntschaft oder frühere Interaktion mit dem Opfer; (e) wenn die Aufmerksamkeit nach außen und nicht auf die eigene P gerichtet ist (weil man z.B. selbst in Gefahr ist); (f) wenn der Helfer in seinen Augen wirksam handeln kann (z.B. einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat). (4) Abwägendes H.: Hier wird das Verhalten nicht von reaktiver Kontingenz (BIERHOFF) bestimmt, sondern von Abwägungsprozessen getragen. Als wichtige Faktoren werden dabei genannt: (a) wenn bedeutsame negative Konsequenzen für den Hilfesuchenden auftreten könnten (z.B. der Tod); (b) wenn Reziprozität gegenüber dem Hilfesuchenden besteht, indem man seinerseits Unterstützung erwartet; (c) wenn Hilfesuchende von Hilfeleistenden in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen;
233
Hilfeverhalten
Hilfeverhalten
(d) wenn wenige Personen präsent sind, also die Verantwortung nicht diffundieren kann (-> Bystander-Effekt -* Exp. 4)\ (e) wenn Schuldgefühle seitens des Helfenden bestehen und wenn dem Opfer keine (Mit-) Schuld in dieser Situation attribuiert werden kann; (f) wenn altruistisches Verhalten geringe Kosten verursacht; (g) wenn der Hilfeleistende sich in den Hilfesuchenden hineinversetzen kann (-> Empathie -* Rollenübernahme).
dend durch pluralistische Ignoranz, die Stufe (c) durch die Diffusion der Verantwortlichkeit getragen (-» Bystander-Effekt). Die Entscheidungsphase (d) ist durch Abwägungsprozesse und auch durch generalisierte Kompetenzerwartung (-»EffizienzErwartung Selbstwirksamkeit), Verantwortungsgefühl und Stimmungslage des potenziellen Helfers mitbestimmt.
(5) Prozessmodelle des H.: Bereits LATANE & DARLEY haben ein erstes Verlaufsmodell vorgelegt, das die Wahrscheinlichkeit beschreibt, mit der eine P zu einem Helfer wird. Dieses Modell hat folgende Phasen:
(a) Aufmerksamkeitszuwendung, so dass man die Notlage erkennen kann (z.B. durch Hilferufe, durch explizite Bitten und Erklärungen); (b) Aktivierung der prosozialen Motivation, z.B. durch Gefühle der moralischen Verpflichtung oder Verantwortung; (c) Antizipatorische Bewertung der Konsequenzen, und zwar sowohl für Hilfe als auch für Nichthilfe; (d) Abwehrprozesse: Insbesondere dann, wenn sich antizipierte Vorteile und Nachteile die Waage halten, kommt es häufig zu Abwehrhaltungen (hier ist nichts zu machen; mein Eingreifen ist doch zu riskant; ich bin dafür nicht geschult; sollen das doch andere machen; das ist doch gar nicht schlimm; der ist ja eigentlich selber schuld usw.).
(a) Wahrnehmung des Ereignisses; (b) Erkennen der Notlage; (c) Bewertung und Bejahung der persönlichen Verantwortlichkeit; (d) Entscheidung für eine bestimmte Form der Hilfe. Die Autoren machen deutlich, dass es insbesondere zwei Sachverhalte sind, die sich hemmend auf die Hilfsbereitschaft auswirken: pluralistische Ignoranz (andere, z.B. Herumstehende, reagieren nicht, so dass geschlossen wird, es läge wohl kein eigentlicher Notfall vor) und Diffusion der Verantwortung (warum soll ausgerechnet ich helfen?), wobei die Wahrscheinlichkeit der Hilfeleistung umso größer ist, je weniger Pn anwesend sind (H. ist dann am größten, wenn nur eine einzige P Zeuge ist oder wenn das Opfer in der Lage ist, die Bitte um Hilfe zu personalisieren). Die Phase (b) wird entschei234
Ein zweites Prozessmodell stammt von SCHWARTZ & HOWARD (1982); sie unterscheiden folgende Stufen:
Ein weiteres Prozessmodell der Hilfeleistung stammt von BIERHOFF et al. (1999). In diesem Modell spielt das Kompetenzgefühl eine besondere Rolle, um die Übernahme von Verantwortung anzuregen.
Hilfeverhalten
(6) Theorien des H.: Obgleich die bisherigen Ausführungen, insbesondere auch die erörterten Phasenmodelle durchaus theoretischen Status aufweisen, gibt es in diesem Zusammenhang zwei explizite theoretische Konzepte, nämlich das Modell von PILIAVIN et al. ( 1 9 8 1 ) und die Theorie v o n BATSON ( 1 9 8 7 ) .
geht zunächst davon aus, dass eine Notsituation für einen Beobachter durch empathische Erregung (Überaktivierung) charakterisiert ist, die durch das Betrachten der Notsituation auftritt. Dies regt ein Motiv an, diese Erregung zu reduzieren. Beobachter wählen diejenige Reaktionsform, die die Erregung möglichst schnell und vollständig reduziert und dabei nur geringe Kosten verursacht. PILIAVIN
Hilfeverhalten
istischen Motivation (P hilft, um eine Gegenleistung zu erhalten) bezeichnet BATSON als „kalten Altruismus"; (b) ein mögliches zweites Motiv ist die Aktivierung (die durch die empathische Erregung ausgelöst wird); (c) ein mögliches drittes Motiv ist „reiner" (oder auch: intrinsischer) Altruismus, der überwiegend empathisch bedingt ist und eine Übernahme der Perspektive des Opfers bedeutet. Auf der Basis dieser inneren Reaktionen werden dann drei Wege unterscheidbar, die sich durch unterschiedliche Entstehungsbedingungen und Wirkmechanismen auszeichnen.
(a) KH +/KNH - : Verlassen der Situation, ignorieren, verleugnen; (b) KH + /KNH + : Neudefinition der Situation, Abwehrmechanismen, Herabsetzung des Opfers, Diffusion der Verantwortung; (c) KH - /KNH + : direkte Intervention und Hilfeleistung; (d) KH _ /KNH - : Keine direkte Voraussage möglich, vermutlich stark situationsabhängig.
(7) Generalisiertes H.: Menschen, die häufig anderen geholfen haben und dabei per saldo positive Konsequenzen erlebten (z.B. dankbare Reaktion des Opfers, Gefühl, etwas für andere getan zu haben), neigen dazu, in erneuten Notfallsituationen wieder helfend einzugreifen. Insbesondere, wenn P in H. freiwillig involviert ist, entsteht -* Commitment, also eine wachsende Selbstverpflichtung zur Verantwortungsübernahme. Infolge der Angleichung der Einstellungen an die Tätigkeit kommt es zur Entwicklung eines „altruistischen Selbstschemas" (BIERHOFF 2000), das seinerseits verstärkend auf das H. (altruistisches Verhalten) wirkt.
(1987) bietet eine Erweiterung des PILLAVIN-Modells. Er unterscheidet drei verschiedene Motive:
hilfreichen Verhaltens. Stuttgart u.a. BIERHOFF, H.W. (1980). Hilfreiches Verhalten.
Des weiteren stellt PILIAVIN Kosten der Hilfe (KH ) und Kosten der Nichthilfe (KMH) gegenüber. Es entstehen vier Rubriken:
BATSON
(a) kalkulative Nutzenüberlegungen (Erlangen einer Belohnung oder Vermeidung einer Bestrafung). Diesen Fall einer durchaus ego-
Lit.: BIERHOFF, H . W . ( 1 9 9 0 ) .
Psychologie
D a r m s t a d t . BIERHOFF, H . W . ( 2 0 0 0 ) . S o z i a l -
psychologie. Ein Lehrbuch. Stuttgart. BIERHOFF, H . W . et al. ( 1 9 9 0 ) . H e m m s c h w e l l e n
zur Hilfeleistung. Aachen, Mainz. BIERHOFF, H . W . & MONTADA, L . ( H g . ) ( 1 9 8 8 ) .
235
Hilflosigkeit, gelernte Altruismus. Bedingungen der Hilfsbereitschaft. Göttingen u.a. DARLEY, J.M. & LATANÉ, B. (1968). Bystander intervention in emergencies: Diffusion of responsibility. Journal of Personality and Social Psychology, 8 (4), 377-383. LATANÉ, B. & DARLEY, J.M. (1970). The unresponsive bystander: Why doesn't he help? New York. LATANÉ, B. & DARLEY, J.M. (1976). Help
in a crisis: Bystander response to an emergency. Morristown/N.J. PILIAVIN, J.A. et al. (1981). Emergency intervention. New York. SCHWARTZ, S . H . & HOWARD, J . A . (1982).
Helping and cooperation: A self-based motivational mode. In: Derlega, V.J. & Grzelak (eds.) Cooperation and helping behavior. New York, 327-353. SPACAPAN, S. & OSKAMP, S. (eds.) (1990). Helping and being helped. Newbury Park u.a.
Hilflosigkeit, gelernte Wahrnehmung und Generalisierung von Unkontrollierbarkeit (—• Handlungskontrolle —> Kontrolle, kognizierte —• Kontrollverlust —>• Depression). (l)Die ursprüngliche Theorie von SELIGMAN: Sie fußt auf Experimenten zum —• Vermeidungslernen. Hierbei wurden Hunden Stromschläge verabreicht; keine ihrer Reaktionen hatten irgend einen Einfluss auf die Strafreize. In einem zweiten Durchgang wurden die Hunde in eine Situation gebracht, in der sie die Schocks vermeiden konnten, indem sie z.B. über eine Barriere sprangen. Dabei stellte sich heraus, dass die dem Hilflosigkeits-„Training" ausgesetzten Hunde auch in dieser Situation völlig erratische Reaktionen zeigten, also lernunfahig geworden waren. Der Organismus bildet demnach in derlei Situationen eine Erwartung zukünftiger Unkontrollierbarkeit aus, und zwar auch für Situationen, die eigentlich kontrollierbar sind. 236
Hilflosigkeit, gelernte
Es handelt sich demnach bei der H. um fehlerhaftes Kontingenzlernen: Das Individuum weiß nicht, durch welche Reaktion dem Strafreiz entgangen werden kann (das gleiche gilt natürlich für Belohnungen). Im Humanbereich können analoge Situationen z.B. beim Erziehungsverhalten beobachtet werden, wenn Eltern inkonsistent (-* Sozialisationsstile) je nach Laune das Kind belohnen oder bestrafen. Eine solche wahrgenommene NichtBeeinflussbarkeit hat Auswirkungen auf drei Ebenen: (a) auf die Motivation: in Richtung Passivität, Lethargie, Resignation; (b) auf Lernprozesse: mit der Tendenz abgeschwächten Kontingenzlernens; (c) auf Gefühle: in Richtung Traurigkeit, Depression, Ohnmacht, Ausgeliefertsein. In Bezug auf die Reduzierung von Lernleistungen gilt, dass Lernstörungen nicht durch die aversiven Reize ausgelöst werden, sondern durch deren Unkontrollierbarkeit. Allerdings - u n d damit wird der behavioristische Bezugsrahmen der Theorie verlassen- ist nicht objektive Unkontrollierbarkeit relevant, sondern die Wahrnehmung der Unkontrollierbarkeit sowie die Erklärung für solche Ereignisse (-> Attribution). (2) Die revidierte Theorie (ABRAMSON, SELIGMAN & TEASDALE) erweitert das ursprünglich behavioristische Konzept um Attributionsvariablen. Dabei werden drei -* Attributionsdimensionen herangezogen: intern/extern, stabil/variabel und global/spe-
Hilflosigkeit, gelernte
zifisch. Die „schädlichste" Attributionskonstellation ist dabei intern (es liegt an mir, ich bin einfach nicht intelligent genug), stabil (daran lässt sich auch in Zukunft nichts ändern) und global (die H. betrifft sehr viele oder alle Lebensbereiche). Von besonderer Bedeutung ist hierbei die von ABRAMSON eingebrachte Dimension der Globalität; sie entscheidet darüber, ob und in welchem Ausmaß die Erwartung der Unkontrollierbarkeit generalisiert (—• Generalis ierung) wird. Bleibt die H. auf bestimmte Ressorts eingegrenzt (z.B. H. in Bezug auf den Umgang mit Technik oder - n o c h spezifischer auf den Umgang mit Computern), so erfolgt keine oder allenfalls eine bereichsspezifische Generalisierung. Außerdem können Hilflosigkeitsbereiche durch Kompensation in anderen Domänen ausgeglichen werden (z.B durch verstärkte soziale Kompetenz). Stabile Ursachen festigen den Eindruck, dass die H. auch zukünftig nicht abgebaut werden kann (chronische H.). Interne Ursachenzuschreibung (insbesondere auf mangelnde Fähigkeiten, Intelligenz) sind selbstwertschädlich. Daher neigen hilflose Pn in der Regel dazu, für die H. verstärkt externe Faktoren (das System ist schuld, die Vorgesetzten haben es auf mich abgesehen) zur Ursachenerklärung heranzuziehen. In einem besonderen Fragebogenverfahren (ASQ = Attributional Style Questionnaire) wird für leistungsthematische Situationen, die „Günstigkeit" des Attributionsstils im Hinblick auf H. ermittelt. In je stärkerem Maße interne, stabile und globale
Hilflosigkeit, gelernte
Ursachen für negative Ereignisse und in je geringerem Maße sie für positive Ereignisse genannt werden, desto ungünstiger ist der Attributionsstil im Hinblick auf die Entstehung von H. und desto wahrscheinlicher ist es, dass sich -»Depressionen ausbreiten. (3) Verhältnis zu anderen Theorien: Auf den ersten Blick scheint die Theorie der H. einer anderen Theorie zu widersprechen, die sich gleichfalls mit Kontrollverlust beschäftigt: der -* Reaktanztheorie. Gemäß dieser wird P nach der Erfahrung von Kontrollverlust widerspenstig reagieren und im Ausmaß des -»• Kontrollmotivs versuchen, die Kontrolle wiederzugewinnen. WORTMAN & BREHM haben ein integratives Modell des Kontrollverlusts vorgelegt, dessen zentrale Variable die zeitlich ausgedehnte Erfahrung der Unkontrollierbarkeit (Dauer des Hilflosigkeitstrainings) ist. Erst wenn langfristige Erfahrungen des Kontrollverlusts vorliegen und alle Erwartungen, wieder Kontrolle zurückzuerlangen, aufgegeben sind, wird der Zustand der H. eintreten. Das integrative Modell ist also ein Zwei-Phasen-Modell, in dessen erster Stufe „wehrhafte" Reaktanz-Reaktionen auftreten, die erst nach längerer Erfolglosigkeit in H. einmünden. Einige Autoren verorten noch ein Stadium zwischen Reaktanz und H., nämlich sekundäre Kontrolle (ROTHBAUM et al.), d.h. konstruktiv-kognitive Anstrengungen, die Situation umzuinterpretieren, aus der Situation „das Beste" zu machen oder gar die eigene Umwelt zu in-
237
Hilflosigkeit, gelernte
Hilfreiches Verhalten
strumentalisieren und sich damit von eigenen Anstrengungen zu entlasten. Zum zweiten muss das Verhältnis der Theorie der H. zur Theorie der -> Handlungskontrolle
(KÜHL)
er-
klärt werden. KÜHL kritisiert die Annahme der Generalisierung von Unkontrollierbarkeit und schränkt ein, dass solche Generalisierungseffekte nur auftreten, wenn es sich um gleiche oder ähnliche Aufgabenbereiche handelt (nach der revidierten Theorie der H. ist jedoch näher spezifiziert, unter welchen Bedingungen es zur Generalisierung kommt, z.B. bei globaler Attribution). Nach KÜHL kommt es zur H., wenn das Individuum im Zustand der Lageorientierung verharrt, in dem die -* Handlungskontrolle eingeschränkt ist. Diese „funktionale" Erklärung dürfte die Theorie der H. nicht ersetzen, zumal nachgewiesen ist, dass z.B. Misserfolg sowohl das Ausmaß der Lageorientierung als auch das Ausmaß der Kontrollerwartung ungünstig beeinflusst. Auch dürften Attributionsprozesse beide Größen (nämlich die Kontrollerwartung und die Lageorientierung) beeinflussen. Insofern könnten beide Theorien miteinander vereinbar sein (STIENSMEIER-PELZTER, 1988).
RAS). Da es aber plausibel ist, anzunehmen, dass Pn unter H. leiden, wenn sie ein bestimmtes (belohntes) Verhalten nicht (mehr) ausführen können (z.B. ein Tennisspieler, der wegen eines Fußleidens nicht mehr Tennis spielen kann), wäre von zwei Formen der H. auszugehen: eine H. erster Ordnung, die sich auf Defizite in der Handlungsausführung bezieht und eine H. zweiter Ordnung, die darauf beruht, dass eine P zwischen ihren Handlungsweisen und den erzielten Konsequenzen keinen Zusammenhang erkennen kann. Lit.: ABRAMSON, L.Y. (1978). Learned help-
lessness in humans: Critique and reformulation. Journal of Abnormal Psychology, 87, 1, 4 9 - 7 4 . BRUNSTEIN, J . C . ( 1 9 9 0 ) . H i l f l o s i g -
keit, Depression und Handlungskontrolle. Göttingen. KÜHL, J. (1981). Motivational
and functional helplessness: The moderating effect of state vs. action orientation. In: Journal of Personality and Social Psychology, 40, 1 5 5 - 1 7 0 . SELIGMAN, M . E . P . ( 1 9 7 5 ) . H e l p -
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STIENSMEIER-PELSTER, J . ( 1 9 8 8 ) . E r l e r n t e
Hilflosigkeit, Handlungskontrolle und Leistung. Berlin. WORTMAN, C. & BREHM,
J.W. (1975). Responses to uncontrollable outcomes: An integration of reactance theory and the learned helplessness model. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 8. New York, 277336.
Hilfreiches Verhalten (4) Das Verhältnis des Konzepts der H. zur Theorie der —> Selbstwirksamkeit ist weitgehend ungeklärt. Während sich BANDURAS „self-efficacy" auf die Fähigkeit des Individuums bezieht, ein bestimmtes Verhalten auszufuhren (-» Effizienz-Erwartung), befasst sich die Theorie der H. schon durch ihre Herleitung aus dem Kontingenzlernen eher mit -* Konsequenz-Erwartungen (i.S. BANDU238
Ist eine Teilklasse -* prosozialen Verhaltens und wird meist mit -* Hilfeverhalten gleichgesetzt. Will man beides deflatorisch abgrenzen, so wäre H. ein Verhalten, das überwiegend unterstützende Funktionen hat (z.B. gegenüber dem neuen Mitarbeiter, gegenüber einem Schüler, dem man Nachhilfeunterricht erteilt). Ein solcher Begriff des H., das man auch als instrumentelle Hilfe bezeichnen könn-
Hindsight-bias
te, ist nicht gerade prototypisch für den am häufigsten untersuchten Bereich der Hilfeleistung, nämlich Hilfe gegenüber einem Unfallopfer oder gegenüber einem Menschen, der in Not geraten ist. Der Empfanger instrumenteller Hilfe (-• Hilfe-Empfänger) hat vermutlich keine Probleme, solche Hilfestellungen anzunehmen, zumal wenn sie im Rahmen eines Lernprozesses z.B. zur Erleichterung des Studiums erfolgen. Die Inanspruchnahmen von instrumenteller Hilfe kann i.R. solcher Lernprozesse auch die Fähigkeit zur Selbsthilfe fördern. H. wird i.R. sozialer -> Netzwerke vielfach auch mit sozialer -* Unterstützung gleichgesetzt. Hier geht es v.a. um die Hilfestellung bei aversiven Ereignissen (z.B. Tod des Partners, schwere Krankheit, Arbeitslosigkeit, Stress am Arbeitsplatz), die in der Lage ist, solche Situationen „abzupuffern".
Hindsight-bias Der H. (auch: Knew it all along-Effekt oder Rückschau-Fehler) bezeichnet die Tendenz, nach dem Eintritt eines Ereignisses (z.B. O wird verhaftet, erkrankt an Krebs, scheitert als Unternehmer) die Erinnerung so zu verändern, dass dieses Ergebnis zwangsläufig eintreten musste. STAHLBERG & MAASS erklären diesen Effekt mit der besonderen Zugänglichkeit aller Meinungen und Gedanken,, die mit dem Ereignis kompatibel sind (z.B. O hat es zu weit getrieben, zuviel geraucht, zu viel riskiert). Der H. trägt auch zur Selbstwerterhöhung bei, indem P glaubt, es schon immer gewusst zu haben.
Homo heuristicus
Hochstapler-Effekt Effekt
Impostor-
Hörigkeit (Meist sexuelle) Abhängigkeit, die bis zur Aufgabe der eigenen Selbständigkeit und Identität geht.
Hoffnungslosigkeit, gelernte Einige Autoren bezeichnen den Fall extremer gelernter -» Hilflosigkeit als H. Hierbei gilt - neben der Wichtigkeit des betroffenen Bereichs- das ungünstigste Attributionsmuster (intern, stabil, global), das zur -> Depression fuhrt.
Homöostase Physiologisches Gleichgewicht. Homöostatische Motivationstheorien untersuchen Bedingungen, die dieses stören und die ein Verhalten auslösen, das die Wiederherstellung des Gleichgewichts bewirkt.
Homo heuristicus D i e s e M e t a p h e r ( v o n SCHWARZ) ist
eine Variante des kognitiven Geizhalses: Individuen kommen bei ihren Entscheidungen häufig mit allgemeinen -* Heuristiken (-*Heuristischsystematisches Modell) aus und werden komplexere, attributive Analysen (-* Attribution) vermeiden oder auf solche Fälle beschränken, in denen sich dies lohnt. Heuristiken können kognitive Täuschungen sein, haben jedoch ihre unabweisbare Bedeutung für Alltagsentscheidungen und tragen zur kognitiven Entlastung bei. Andererseits erweisen sich Heuristiken gelegentlich als plump und einwandsimmun: P gibt auch dann eine naive Theorie nicht auf, wenn sie in die Irre fuhrt. 239
Homo oeconomicus
Die Anwendung von Heuristiken erfolgt nicht nur aus einem Mangel an Motivation, sondern ist auch Ausdruck mangelnder Fähigkeiten des Individuums (-»• ELM), angemessene kognitive Strategien im Dienste der Urteilsbildung anzuwenden. Das weite Feld heuristisch geprägten Handelns bedeutet eine entscheidende Korrektur (oder zumindest eine erhebliche Einschränkung) jener Theorien, die von der dominant kognitiven Steuerung des Verhaltens ausgehen und die Rationalität menschlichen Handelns überschätzen.
Homo oeconomicus Metapher der Ökonomie, die dem Menschen rationales Handeln unterstellt. Die wichtigsten Elemente des H. sind (a) Nutzenmaximierung als Zielsetzung; (b) das Rationalprinzip als Strategie; (c) vollkommene Transparenz der Situation (z.B. der Marktbedingungen). Dass solche Annahmen der Realität widersprechen, wissen die Ökonomen natürlich selbst. Allerdings sind sie der Meinung, dass die Verwendung der Metapher nicht nur analytische oder normative Bedeutung hat, sondern dass in ihr auch eine reale Verhaltenstendenz zum Ausdruck gelangt. Nicht von ungefähr bedienen sich auch manche Konzepte der SP der ökonomischen Sprache (z.B. die Interaktionstheorie von THIBAUT & KELLEY oder die Theorie des Hilfeverhaltens von PILIAVIN), indem von Kosten, Erträgen und Investitionen gesprochen wird. Allerdings fungieren Kostenund Ertragsüberlegungen in sp Kon-
Human Resources
zepten oft nur als eine mögliche Variable unter anderen. Ökonomen selbst haben ihre Rationalitätsannahmen (—• Rationalität) vielfach gedämpft. So wird dem Akteur nur noch begrenzte Rationalität unterstellt. Das Prinzip der Nutzenmaximierung wurde zum Teil ersetzt durch ein Prinzip des satisficing (H. SIMON); d.h. es wird angenommen, dass P nicht immer maximal möglichen Nutzen erstrebt, sondern sich mit befriedigenden oder ausreichenden Erträgen begnügt. Auch die Transparenzbedingung wurde fallen gelassen bzw. umgedeutet.
Homo sociologicus Metapher
(von
DAHRENDORF),
die
sich darauf bezieht, dass der „sozialisierte" Mensch seiner Naturgestalt beraubt sei und lediglich den normativen Erwartungen seiner Umwelt nachkomme. Der H. ist also ein perfekter „Rollenmensch" (-» Rolle, soziale), ein totaler Konformist (-> Konformität). Dieser Metapher liegt ein Zerrbild des „übersozialisierten Menschen" (-» Sozialisation) zugrunde, wie es für repressive Sozialisationstheorien typisch ist.
How do I feel about it - Heuristik Urteilsheuristik, die dem Forschungsprogramm ,¿Stimmung als Information" entstammt. Statt aufwändige Analysen des Urteilsgegenstandes anzustellen, stellt die P sich die Frage: „Wie fühle ich mich dabei?" und verwendet ihr Gefühl als Urteilsgrundlage.
Human Resources Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse,
240
Humanisierung der Arbeit
Humanistische Psychologie
Einstellungen, Motivation. Der Ausdruck H. wird in der Organisationsforschung verwendet (H.-Management), wobei angedeutet wird, dass im Humanbereich wesentliche Resourcen „schlummern", die erst erschlossen werden müssen (z.B. durch geeignete Motivationsstrategien).
Humanistische Psychologie H. votieren bewusst für bestimmte Werte und sind insofern normative Konzepte. Wichtige Vertreter sind ROGERS, MASLOW u n d
HERZBERG.
H.
setzen jedoch eine anthropologische Plattform, d.h. ein bestimmtes Menschenbild voraus. Das Problem dabei ist, dass hinsichtlich der zu realisierenden Werte nicht immer Übereinstimmung besteht. Bei einer sehr allgemeinen Formulierung dieser Wertvorstellungen (humane Arbeitswelt, Persönlichkeitsförderlichkeit, Autonomie etc.) besteht die Gefahr unterschiedlicher Interpretationen solcher Konzepte. H. sind insbesondere im Bereich der -* Arbeitspsychologie entwickelt worden. So enthält z.B. MASLOWS Theorie der Bedürfnishierarchie die Vorstellung eines motivationalen Wachstums bis hin zur Selbstverwirklichung und Transzendenz. HERZBERGS Theorie betont die Wichtigkeit sog. Motivatoren für die Zufriedenheit der Mitarbeiter und leitet aus diesen Vorstellungen eine Programmatik der Arbeitsgestaltung (-> job enrichment) ab. HACKMAN & OLDHAM identifizieren
Faktoren (z.B. erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit, erlebte Verantwortlichkeit, Wissen um die Ergebnisse), die bestimmte persönliche und arbeitsbezogene Resultate erbringen (-> job cha-
racteristics-Modell).
HACKER
(-• Handlungsregulation) bezieht seine handlungstheoretischen Ableitungen insbesondere auf drei (humanistische) Stile: Effektivität, Wohlbefinden und Persönlichkeitsförderlichkeit. Diese und ähnliche Theorien beanspruchen jedoch neben ihrer humanistischen Komponente auch empirische Geltung, ein Anspruch, der angesichts der Konfundierung beider Ebenen nicht immer eingelöst werden kann.
Humanisierung der Arbeit Programm, das Maßnahmen zur -> Arbeitsgestaltung unter Aspekten der „Menschenwürde", der „Selbstverwirklichung" und der „Persönlichkeitsförderlichkeit" u.a. durchsetzen möchte. ROHMERT nennt als Kriterien: Zufriedenheit, Zumutbarkeit, Erträglichkeit und Ausführbarkeit; HACKER verweist auf Persönlichkeitsförderlichkeit, Beeinträchtigungsfreiheit, Schädigungslosigkeit und Ausführbarkeit; NEUBERGER findet, dass die H . eine „menschengerechte" Arbeitsgestaltung ermöglichen sollte: Einsicht in Zusammenhänge, Autonomie, Identität der P, Qualifikation und soziale Integration. Die H.-Debatte hat wichtige Anregungen zur ->• Arbeitsgestaltung gegeben. Im einzelnen sind die genauen Zielprioritäten ungewiss; auch leidet die Diskussion unter der Verwendung von Begrifflichkeiten, die unterschiedliche Auslegungen gestatten und vielfach als Leerformeln (z.B. Selbstverwirklichung) benutzt werden (—• Humanistische Psychologie). In der betrieblichen Wirklichkeit haben zudem vorwiegend solche H.-Bemühungen eine Chance realisiert zu werden, die zugleich die Produktivität des Unternehmens erhöhen. 241
Human Relations
Hypothesentheorie der Wahrnehmung
Human Relations Im Anschluss an die -» HawthorneExperimente
von
MAYO
initiiertes
Programm, soziale -»Beziehungen in Arbeitsgruppen zu pflegen und zu verbessern, da hierdurch die Leistung verbessert werden könnte. Diese Vorstellung erwies sich jedoch als zu einfach (—1• Kohäsion —• Gruppenproduktivität).
Hygiene-Faktoren Sind nach HERZBERG solche Faktoren der Arbeitssituation, die nichts zur positiven -*• Arbeitszufriedenheit beitragen, gleichwohl jedoch bei Defiziten Unzufriedenheit erzeugen. Sie sind gewissermaßen Selbstverständlichkeiten, die nur bei ihrem Fehlen unangenehm auffallen (z.B. Arbeitsbedingungen, Führungsverhalten, z.T. auch Bezahlung). H. (auch: Frustratoren) sind abzuheben von Motivatoren (satisfiers), die nach HERZBERG insbesondere mit dem Arbeitsinhalt (Attraktivität und Herausforderungscharakter der Aufgabe etc.) zusammenhängen und die positive Zufriedenheit erzeugen (-*job enrichment —> Arbeitsgestaltung Arbeitsinhalt).
Hypothesenprüfung Gemeint sind hier nicht Operationen des Wissenschaftlers, sondern -i.S. der -* Hypothesentheorie der Wahrnehmung- die Überprüfimg subjektiver Hypothesen des Akteurs. SNYDER sowie SNYDER & SWANN gehen davon aus, dass Pn ihre Hypothesen vorwiegend auf konfirmatorische Weise prüfen, indem sie Argumenten mehr Beachtung schenken, die die Ausgangshypothese bestätigen (-»Bestätigungstendenz, confir242
mation bias). SNYDER u.a. beziehen diesen Sachverhalt auf das Interaktionsgeschehen: Einmal getroffene Annahmen (z.B. Attributionen) bestimmen den weiteren Verlauf der Interaktion. So werden z.B. positive Handlungen einer als aggressiv eingestuften Pn durch externale Attributionen abgewertet; negative Handlungen werden als bezeichnend oder bestätigend angesehen. Auf Grund des konfirmatorischen Bias kommt es dann dazu, dass das Urteil (Vorurteil, Etikettierung) verstärkt wird. Dies entspricht dem Modell einer sich selbst erßllenden -> Prophezeiung oder einer Tendenz zur -*• Bestätigungstendenz. Der konfirmatorische Effekt wurde in zahlreichen Versuchen angezweifelt. Bereits SWANN & ELI haben differenziert, dass der Effekt nur auftritt, wenn P von sicheren Hypothesen ausgeht und die Stimulusperson ein unsicheres Selbstbild aufweist, so dass sie nicht korrigierend eingreift. Außerdem dürfte es von Bedeutung sein, ob und welche alternativen Hypothesen zur Verfügung stehen.
Hypothesentheorie der Wahrnehmung Entstammt dem „new look of perception", in dem BRUNER & POSTMAN
davon ausgehen, dass Wahrnehmungsprozesse niemals voraussetzungslos erfolgen. Der Ausdruck „Hypothese" wird hier nicht dem Wissenschaftler zugeschrieben, ist also kein Terminus der Metasprache, sondern wird objektsprachlich verstanden: Die Hypothese wird dem Akteur (dem wahrnehmenden und handelnden Individuum) zugeschrieben. Der Begriff Hypothese
Hypothesentheorie der Wahrnehmung wird demnach hier ähnlich verstanden wie (auf komplexerem Niveau) die Konzepte „subjektive Theorie", „Alltagstheorie", „naive Theorie" (etwa i.S. HEIDERS) oder aber „implizite Theorien" (etwa i.S. CRONBACHS). Grundannahme ist, dass Bedürfnisse, Wertvorstellungen, Gefühle, Erfahrungen und Erwartungen des Individuums den Wahrnehmungsprozess in bestimmte Richtungen lenken. So entsteht durch Bedürfnisse (z.B. Hunger, Suche nach ...) ein motivationsakzentuiertes Wahrnehmungsrelief. In der H. wird allerdings angenommen, dass die Bedürfnisse nicht direkt auf die Wahrnehmrag einwirken, sondern über „Hypothesen". Hypothese wird hier als Oberbegriff für „Kognitionen" verstanden: Einstellungen als bewertete, permanente Hypothesen, Erwartungen als Wahrscheinlichkeitshypothesen im Hinblick auf das Auftreten von Ereignissen, Attributionen als kausale Hypothesen usw. Dabei wird angenommen (CAMPBELL 1 9 6 3 ) , dass Hypothesen zum einen die Wahrnehmung beeinflussen (z.B. i.S. der Selektion und Inferenz), dass sie darüber hinaus jedoch auch das Verhalten von Menschen steuern können. Die Theorie enthält eine Phasenfolge der Wahrnehmung. Der sog. Wahrnehmungszyklus besteht aus: (a) Bereitstellung einer Wahrnehmungshypothese; (b) Kontakt mit Stimuli der Umgebung; (c) Entscheidung darüber, ob die Wahrnehmungs-Erwartungs-Hypothese mit dem Wahrnehmungsereignis übereinstimmt. Wird Übereinstimmung festgestellt, so ist der Wahrnehmungsvorgang abge-
Hypothesentheorie der Wahrnehmung schlossen, bei Nicht-Übereinstimmung beginnt der Zyklus mit einer modifizierten Hypothese von neuem. Da die Wahrnehmung selbst hypothesenimprägniert ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu einer Bestätigung der Hypothese kommt (-> Hypothesenprüfung -* Erwartungsbestätigung). Zentral für die Theorie ist ferner der Begriff der „Hypothesenstärke". Dabei formuliert die Theorie auch Bedingungen und Wirkungen für die Stärke von Hypothesen (-» Einstellungsstärke). Eine Hypothese ist demnach umso gefestigter, (a) je häufiger sie bestätigt wurde; (b) je ausgeprägter die motivationale Unterstützung (z.B. Ich-Beteiligung, Intensität eigener Erfahrungen) für diese Hypothese ist; (c) je stärker die soziale Unterstützung (Übereinstimmung mit den Hypothesen anderer) für diese Hypothesen ausfallt; (d) je geringer die Anzahl alternativer Hypothesen ist; (e) je stärker sie in ein sich gegenseitig stützendes Hypothesensystem eingebunden ist und damit eine „implizite Theorie" begründet; (f) je eher die Hypothese aus einer übergreifenden Super-Hypothese ableitbar ist. Die Wirkungen einer starken Hypothese werden gleichfalls explizit formuliert. Je stärker eine Hypothese ist, (a) desto wahrscheinlicher ist es, dass sie aktiviert wird und dispositiv auf das Verhalten einwirkt (-» Zugänglichkeit)', (b) umso geringer ist die Menge der unterstützenden Stimulus-Informationen, die notwendig sind, um diese Hypothese zu bestätigen 243
Hypothesentheorie der Wahrnehmung
(sog. monopolistische Hypothesen); (c) desto eher wird sie konkurrierende (schwächere) Hypothesen verdrängen; (d) umso größer muss die Menge der widersprechenden Stimulus-Informationen sein, damit sie aufgegeben wird (Änderungsresistenz). Lit.: ALLPORT, F.H. (1955). Theories of perception and the concept of structure. New York. IRLE, M. (1975). Lehrbuch der Sozialpsychologie. Göttingen. LILLI, W . & FREY,
D. (22001). Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung. In: Frey, D./Irle, M. (Hrsg.). Theorien der Sozialpsychologie, Bd. 1, Kognitive Theorien. Bern u.a. 49-78. WisWEDE, G. (1988). Umrisse einer integrativen Lerntheorie sozialen Verhaltens. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 19,1, 17-30.
244
Hypothetisches Konstrukt
Hypothetisches Konstrukt Bereits WOODWORTH ersetzte die SR-Theorie durch ein S-O-R-Schema (O steht für Organismus), eine Vorstellung, die im -» Neo-Behaviorismus dann weiter ausgebaut wurde. Dabei werden mehr oder weniger elaborierte Annahmen über (meist) kognitive Prozesse getroffen, die zwischen S und R vermitteln. Im Gegensatz zu bloßen intervenierenden Variablen haben H. eine Art „Überschussbedeutung", d.h. sie enthalten komplexe Annahmen und Gesetzlichkeiten, die das Verhalten in eine bestimmte Richtung drängen.
Ich-Beteiligung
Identität, personale
T
Ich-Beteiligung -> Involvement
Identität, abweichende
Identifikation
Durch —>• abweichendes Verhalten oder abweichende Merkmale, die zur Etikettierung führen können, übernimmt das Individuum diese Zuschreibung durch die soziale Außenwelt und richtet sich in einer I. ein (Bsp.: Ich bin ein Dieb; ich bin ein Homosexueller). Durch diese Neudefinition der personalen —• Identität kann eine P ein neues und durchaus positives Selbstkonzept entwickeln und findet möglicherweise auch eine andere soziale ->• Identität (-• Subkultur).
Gleichsetzung mit einer Bezugsperson (i.w.S. auch: mit einer Idee, mit einem Programm). In der Psychoanalyse typischerweise als Abwehrmechanismus verstanden: die I. mit dem Angreifer. Ferner: die I. des Kindes mit der Vaterfigur, was zur -»Internalisierung von Normen und Geboten fuhrt. I. wird in der SP meist als Verhaltensähnlichkeit zwischen zwei Pn betrachtet. Motivational wird I. häufig mit -> Imitation in Verbindung gebracht, z.B. in der Theorie der Imitation von MOWRER,
in
der
WHITING (-> Neid)
Neidtheorie
von
u n d in der T h e o r i e
d e s -»• Modell-Lernens
v o n BANDURA.
Man identifiziert sich besonders häufig mit Pn, die freundlich und liebevoll sind, die über soziale -*• Macht verfugen oder die man beneidet. Generell dürfte die Wahrscheinlichkeit für I.Prozesse bei solchen Modellen steigen, die über potentielle Verstärker verfugen und die aversive Reize kontrollieren können.
Identifikationsmacht Auch: Referenzmacht, Bezugspersonenmacht.
Nach
FRENCH &
RAVEN
handelt es sich hierbei um Einflüsse, die von bestimmten Bezugspersonen, Bezugsgruppen oder Modellen ausgehen. Dadurch, dass man sich mit bestimmten Pn identifiziert (-»Identifikation -* Imitation Modell-Lernen) entsteht Abhängigkeit von der imitierten P. Eine wichtige Form der I. ist auch charismatische Macht.
Identität, personale (I)1. wird häufig als Gegenkonstrukt zur sozialen Identität verstanden. Es umgreift das Wissen um eigene Charakterzüge, Fähigkeiten, Meinungen samt der damit verbundenen Gefühle und Bewertungen. Die I. wird salient, wenn verschiedene kontextabhängige Anregungsbedingungen gegeben sind (-> Selbstkategorisierung). (II) Im Rahmen der
Entwicklungs-
psychologie
PIAGET
(z.B.
bei
oder
ERIKSON) w i r d der B e g r i f f I. als B e -
wusstheit des eigenen Ich verstanden. Hierbei begreift sich das Individuum in seiner Eigenart und Einzigartigkeit (Individuation). Prozesse der Identitätsbildung erfolgen oft in bewusster Abgrenzung zu den Eltern, verbunden mit der Suche nach einer neuen Beziehungsform zu diesen. Nach MEAD ist die Entfaltung einer I. vor allem durch die Fähigkeit definiert, sich in die Rolle eines anderen versetzen zu können (-»Rollenübernahme Empathie).
245
Identität, soziale
Identität, soziale I. wird meist als Teil des -* Selbstkonzepts definiert: das Wissen um die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren sozialen Gruppen sowie die damit verbundenen Gefühle und Bewertungen. Das Selbstkonzept besteht damit aus zwei Hauptkomponenten: der personalen -* Identität (das Wissen um eigene Fähigkeiten, Charakterzüge, Einstellungen, Bewertungen) und der I., die die personspezifische Einordnung und Positionierung (Wohin gehöre ich? Mit wem identifiziere ich mich?) im sozialen Kontext bedeutet. Nach der Vorstellung der meisten Selbstkonzept-Theorien streben Menschen nach einer Verbesserung (oder zumindest Verteidigung) des Selbstwertes. Diese Tendenz zu einer Maximierung des Selbstwertgefühls gilt auch für die soziale Komponente: Man strebt eine möglichst positive I. an, was bedeutet, dass die jeweilige Eigengruppe möglichst positiver bewertet wird als andere sog. Fremdgruppen (—• Identitätstheorie, soziale -* Intergruppen-Beziehungen —• Selbstkonzept). Mit der Frage, ob und in welcher Situation Individuen eher ihre personale oder aber ihre soziale Identität aktivieren, befasst sich die Theorie der -* Selbstkategorisierung. Dort wird unterstellt, dass je nach relativer Zugänglichkeit und je nach Übereinstimmung zwischen kategorialer Spezifizierung und den real vorliegenden Stimuli eine der beiden Teilidentitäten angeregt wird. Die Bereitschaft des Individuums zur Betonung der I. bedeutet eine partielle -»• Depersonalisierung.
246
Identitätstheorie, soziale
Identitätstheorie, soziale (social identity theory = SIT) -> Intergruppen-Beziehungen -* Identität, soziale Die I. beschäftigt sich mit Intergruppen-Beziehungen bzw. Intergruppen-Konflikten, wobei der Ausdruck „Gruppe" hier in einem weitesten Sinne verstanden wird: als konstituiert durch kategorisierende Selbsteinschätzung (-» Gruppe, soziale). Es handelt sich daher um eine Merkmalsgruppe. Menschen gehören vielen solcher Gruppierungen an: Vereinsmitglied, Angestellter, Katholik, Mann, Schwarzer etc. Zugehörigkeiten stehen vielfach auch in hierarchischer Abfolge: Pasinger, Münchner, Bayer, Deutscher, Europäer, Weltbürger. Die I. hat die folgenden Kernbegriffe, die auch als Wirkungskette dargestellt werden können:
Kategorisierung
I I Sozialer Vergleich I Distinktheit Soziale Identität
(positive Eigenart)
I
Diskriminierung (negative Fremdart) (1) -*• Kategorisierung: Bei der Untersuchung stereotyper Systeme (-> Stereotyp) stellten TAJFEL & WILKES fest, dass immer dann, wenn eine Stimulusfolge einer Klassifikation
Identitätstheorie, soziale
unterworfen wird, die Stimuli anhand dieser Klassen oder Kategorien geordnet werden (-»Akzentuierung). Systematisch kommt es dabei zu folgenden Effekten: Überschätzung der Unterschiede zwischen den Kategorien und Überschätzung der Ähnlichkeiten innerhalb von Kategorien. Auf die Gruppenzugehörigkeit angewandt heißt dies, dass im Binnensystem einer Gruppe (ingroup) recht ähnliche Meinungen und Verhaltensweisen der Mitglieder unterstellt werden, während zu Fremdgruppen (outgroups) gewichtigere Unterschiede wahrgenommen werden. Diese Differenzen werden in aller Regel bewertet, und zwar in Richtung Höherbewertung der Eigengruppe und Schlechterbewertung der Fremdgruppe. Außerdem entsteht eine Verhaltenstendenz, die eigene Gruppe bei der Aufteilung von Belohnungen zu begünstigen. Die bloße Kategorisierung reicht dazu aus, Pn in mehrere Lager zu spalten, wobei eine Kategorisierung durch Zufall oder aufgrund trivialer Kriterien genügt, um den beschriebenen Effekt zu erzielen (-* Intergruppen-Beziehungen minimal group paradigm Exp. 31). (2) Soziale -» Identität: Als Teil des Selbstkonzepts unterliegt diese einem Bedürfnis nach positiver Selbstbewertung (-»Selbstwertdienlichkeit, seif enhancement). Die subjektive Zugehörigkeit zu einer Gruppe gestattet eine Ableitung positiver oder negativer Bewertungen der eigenen sozialen Identität in Abhängigkeit von der relativen Beurteilung dieser -> Bezugsgruppe in der Gesellschaft.
Identitätstheorie, soziale
(3) Soziale -» Vergleiche: Um eine positive soziale Identität herzustellen, zu erhalten oder wiederzugewinnen, werden soziale Vergleichsprozesse zwischen der eigenen und fremden Gruppe durchgeführt. Diese Vergleiche werden mit der Erwartung verbunden, dass sie für die eigene Gruppe günstig ausfallen. Dabei gilt soziale -» Ähnlichkeit als diskriminatives Kriterium: Während Ähnlichkeit (z.B. der Einstellungen, des Lebensstils) im Binnensystem als belohnend angesehen wird, ist sie mit Fremdgruppen (bzw. deren Mitgliedern) eher ein aversiver Reiz. Es erfolgt demnach sowohl nach innen als auch nach außen eine selektive Wahrnehmung: Differenzen werden innerhalb der Ingroup unterschätzt; im Hinblick auf die Outgroup überschätzt. (4) Das Streben nach positiver Distinktheit umschreibt das Bemühen, die eigene P bzw. Gruppe positiv von anderen Vergleichsgruppen abzuheben. Um positive soziale Distinktheit (verdeutlichende Abgrenzung) herzustellen, wählen Gruppenmitglieder Strategien, die das Ziel haben, die Eigengruppe in günstiger Weise von der Fremdgruppe unterscheiden zu können. Insbesondere werden diese Strategien dann eingesetzt, wenn ein erster Eindruck kein günstiges Vergleichsergebnis erbringt: (a) Wettbewerb: Gemeint ist die objektive Verbesserung der Eigenposition. So wird z.B. eine soziale Minorität danach trachten, durch besondere Leistung die in einer Gesellschaft hoch bewerteten Ziele und Symbole der Anerkennung zu erlangen und dabei 247
Identitätstheorie, soziale
gleichzeitig ihre Identität beizubehalten; (b) Abwertung: Diskriminierung der Fremdgruppe durch verzerrte Wahrnehmung. So kann z.B. die Position der Outgroup als illegitim, ihr Status und Reichtum als ungerecht angesehen werden; (c) Kreativität: Wahl einer anderen Vergleichsdimension. So war es in der Vergangenheit für die DDR-Bevölkerung möglich, ihre Unterlegenheit in wirtschaftlicher Hinsicht durch ein Überlegenheitsgefühl in künstlerischer oder sportlicher Hinsicht zu kompensieren. Eine ähnliche Strategie ist die Neuinterpretation der Vergleichsdimension (z.B. „black is beautiful") oder bei hartnäckig dissonanten Vergleichsprozessen - die Wahl einer neuen Vergleichsgruppe, die möglicherweise eine noch weiter untergeordnete Position einnimmt; (d) Verlassen der Gruppe, die dann nicht mehr als „Heimstätte" für soziale Identität angesehen wird: Ein derartiger Wechsel ist in manchen Fällen nicht möglich, sofern es sich um askriptive Merkmale handelt (z.B. Geschlecht, Hautfarbe). Er ist auch dort kaum durchführbar, wo das —> Vergleichsniveau für Alternativen gering ist. Die Tendenz, diese Strategie zu wählen, ist demnach ein Ergebnis dauerhafter dissonanter Vergleiche sowie der Wahrscheinlichkeit, in anderen sozialen Gruppen Eingang zu finden.
Identitätstheorie, soziale
Kritik an der I.: Vielfach wird betont, dass die I. ein recht pessimistisches Bild einseitig negativer IntergruppenBeziehungen zeichnet und positive Aspekte des kooperativen solidarischen Zusammenlebens kaum thematisiert. WICKLUND
SCHIFFMANN
&
haben verschiedene Schwächen und Einseitigkeiten der Theorie herausgearbeitet. Insbesondere wird kritisiert, dass die einzigen Quellen eines positiven sozialen Selbstwerts Wettbewerb und Diskriminierung sein sollen. Letztere erfolge v.a. dann, wenn dem Individuum keine anderen Möglichkeiten der Selbstwertbestätigung zur Verfügung stehen. Auch wird (u.a. von HERKNER) unterstrichen, dass andere SelbstkonzeptTheorien (wie z.B. die Selbstsystem-Theorie von GREENWALD oder das Konzept der -> Selbstintegrität von STEELE) differenziertere Überlegungen gestatten. Diskriminierung ist nach diesen Konzepten vor allem dann gegeben, wenn zur Selbstwertsteigerung lediglich das „kollektive" Selbst agiert. Diskriminierung ist vorwiegend bei solchen Pn eine wahrscheinliche Reaktion, die ihren Selbstwert nur in unzureichendem Maße durch Lustgewinn (diffuses Selbst), Leistung (privates Selbst) sowie Anerkennung (öffentliches Selbst) steigern können. Dies dürfte am ehesten bei unterprivilegierten sozialen Minderheiten der Fall sein. L i t . : INSKO, C . A . et al. ( 1 9 9 2 ) . I n d i v i d u a l -
group discontiuity from the differing perspectives of Campbell's realistic group conflict theory and Tajfel and Turner's social identity theory. Social Psychology Quarterly, 5 5 , 3, 2 7 2 - 2 9 1 . MUMMENDEY, A . & OTTEN
S. (22002). Theorien intergruppalen Verhaltens. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) 248
Ideologie
Illusionäre Korrelation
Theorien der Sozialpsychologie, Bd. II. Bern u.a., 9 5 - 1 1 9 . TAJFEL, H . ( 1 9 8 1 ) .
Human
groups and social categories: Studies in social psychology. Cambridge (dt. 1982). TAJFEL,
H.
(ed.)
(1978).
Differentiation
between social groups: Studies in the social psychology of intergroup relations. London. TAJFEL, H . & TURNER, J . C . ( 1 9 7 9 ) .
An
integrative theory of intergroup conflict. In: Austin, W.G. & Worchel, S. (eds.) The social psychology of intergroup relations. M o n t e r e y / C A . , 3 3 - 4 7 . TAJFEL, H . & WIL-
KES, A.L. (1963). Classification and quantitative judgement. British Journal of Psychology, 5 4 , 2 , 101-114.
Ideologie Kennzeichnet ein rigides Glaubenssystem, gegen das eine Falsifikationssperre errichtet wird: Niemand darf den Inhalt der I. anzweifeln. Gewöhnlich werden I. kleineren Gruppierungen (z.B. Sekten, terroristische Vereinigungen) zugeschrieben, wobei politische und religiöse Formen der I. dominieren. Religionen werden gewöhnlich nicht als I. angesehen; sie denaturieren jedoch zur I., wenn sie mit Alleinvertretungsanspruch und dem Diktat totaler Loyalität auftreten (-• legitimierende Mythen). Eine besonders gut untersuchte I. ist die Verschwörungs-„Theorie", die die angeblich „schlechten" Zustände und Ereignisse einigen wenigen Gruppen oder Pn (z.B. den Juden, den Amerikanern) zuschreibt, die an allem Schuld seien (-> Sündenbockfunktion) oder die angeblich die Herrschaft übernehmen wollen. Von sp Interesse ist auch die Frage, welche Individuen mit welcher Persönlichkeitsstruktur zur I. tendieren. Hier wird häufig behauptet, dass Pn mit dogmatischen Einstellungen und autoritären Neigungen in besonderer
Weise für I. anfallig sind (-» Dogmatismus -» closed mindedness -> Autoritarismus Dominanztheorie, soziale). Auf der Meta-Ebene wird vielfach auch diskutiert, inwieweit sp Themen und Konzepte einen ideologischen „bias" haben, also möglicherweise Lebensformen der westlichen Welt über Gebühr als selbstverständlich betrachten (—• Sozialpsychologie, interkulturelle). Feministische Sozialwissenschaftler haben darauf hingewiesen, dass die Entwicklung der SP durch einen -* Ändrozentrismus geprägt sei, in dem insbesondere die männliche Perspektive der Weltsicht dominiere. Dies mag z.T. zutreffen; freilich läuft die feministische Sichtweise Gefahr, in eine Gegenideologie einzumünden. Idiosynkrasiekredit -> Abweichungskredit
Illusionäre Korrelation Das Konzept der (naiven) Korrelation spielt in verschiedenen sp Kontexten eine Rolle, vor allem im Hinblick auf kognitive —• Täuschungen und kognitive —• Heuristiken sowie in der Kovariationstheorie der ->•Attribution. Man unterscheidet zwei Formen der I.: Erwartungsgesteuerte I. entstehen dann, wenn Kovariationsurteile von vorher bestehenden Erwartungen imprägniert sind (-• Hypothesentheorie der Wahrnehmung ->• Bestätigungstendenz). Datengesteuerte I. implizieren eine Art induktiv-statistisches Modell des stereotypen Denkens. Das —• Stereotyp wird hierbei probabilistisch als Korrelation zwischen sozialer Gruppenzugehörigkeit und einem Persönlichkeitsmerkmal angesehen, wobei
249
Imitation
Image
der Distinktheits- bzw. Seltenheitswert von Ereignissen eine Rolle spielt. HAMILTON konnte nachweisen, dass es beim gemeinsamen Auftreten von distinkten Reizen (ungewöhnliches Auftreten, auffallende Kleidung, Hautfarbe, besondere Sprache), die von der Majorität abweichen, zu illusionären Verknüpfungen kommen kann. ROTHBART et al. versuchen, in Anknüpfung an die —• Verfögbarkeits-Heuristik (—• Heuristiken) den Nachweis zu fuhren, dass Individuen auf seltene Ereignisse bzw. auffallige Pn kognitiv leichter zurückgreifen können als auf „normale" oder durchschnittliche Sachverhalte. Liest man bspw. von einem grausamen Sexualmord (seltenes Ereignis), den ein Serbe (seltene Population) begangen hat, so führt die Koinzidenz distinktiver Reize zu einer illusorischen Beziehungsstiftung. HAMILTON versucht den Nachweis zu fuhren, dass auf diese Weise soziale —• Vorurteile entstehen können, was jedoch als alleinige Erklärungsgrundlage für die Bildung von Vorurteilen mit dem Hinweis auf kognitive Fehlertendenzen nicht ausreichen dürfte.
Image (I) Wahrnehmungs- oder Vorstellungsbild von einem Objekt (Person, Institution etc.). Der Begriff ist mittlerweile in die Alltagssprache eingegangen (I. eines Produkts, eines Politikers). Einige Psychologen behandeln I. als stereotypes System; andere sehen in ihm lediglich die Projektion von Einstellungen auf ein Objekt. Die Rede von „dem" I. eines Objektes setzt freilich eine gewisse Homogenität und Konsistenz der zugrunde liegenden Einstellungen voraus. Bei der 250
Messung von I. wird im Übrigen auf die gleichen Messverfahren zurückgegriffen wie bei der Ermittlung von Einstellungen (-»Einstellungsmessung). Insbesondere in der -* Marktpsychologie, dort v.a. in der sog. Motivforschung, ist der I.-BegrifF gelegentlich auch mit gestaltpsychologischen und tiefenpsychologischen Bedeutungsgehalten überfrachtet und tendenziell mystifiziert worden. (II) Der Begriff I. wird (insbesondere von den Vertretern der sog. I.-Theorie, nämlich BEACH sowie BEACH & MITCHELL) nahezu synonym mit -*Gedächtnis verwendet. I. sind demnach kognitive Strukturen, die das Wissen eines Entscheiders darüber umfassen, was/warum/wie getan werden kann (adoption decision) und auf welchem Wege diese Entscheidung umgesetzt wird (progress decision). Imagery Vorstellungsbild -* Duale Speicher-Theorie Imitation Innerhalb der Sozialwissenschaften (insbesondere in der Anthropologie, Soziologie und Psychologie) wurde die I. als zentrales Phänomen betrachtet, indem die Existenz von Gleichförmigkeiten des Verhaltens innerhalb von Grupen oder Kulturen auf Nachahmung zurückgeführt wurde. Eine erste systematische, experimentell belegte und lerntheoretisch ausgerichtete (-> Lernen) Darstellung stammt von MILLER & DOLLARD, eine weitere von MOWRER, die auch I. durch bloße Beobachtung einschließt. Diese ersten Versuche sind allerdings vorwiegend von historischer Bedeutung, da BANDURA (seit 1963) unter dem Begriff
Implementierung
—> Modell-Lernen die wohl leistungsfähigste Theorie der I. vorgelegt hat. Implementierung Nach HILKNER die Verwirklichung von Lösungen, die in konzeptioneller Form vorhanden sind und durch Umsetzen zu konkretem Handeln führen. Die I. besitzt Prozess-Charakter und erfordert meist die -»• Partizipation mit den Betroffenen. Implizite Persönlichkeitstheorie -* Theorie, subjektive ~> Wahrnehmung, soziale Impostor-Effekt Pn mit geringem Selbstbewusstsein neigen bisweilen dazu, ihren Erfolg im Berufs- und Leistungsbereich auf externe Faktoren (Glücksumstände) zu attribuieren, so dass sie sich gleichsam als Hochstapler vorkommen. Sie sind von der Furcht begleitet, im Hinblick auf ihre „wahren" (schwachen) Fähigkeiten enttarnt zu werden. Impression management (1) Begriff: Zielorientierte KontrollAktivität, um den Eindruck gegenüber einem Interaktionspartner oder Publikum zu beeinflussen. Der Ausdruck I. wird zum ersten Mal von GOFFMAN ( 1 9 5 9 ) im Zusammenhang mit der Selbst-Präsentation verwendet. Man unternimmt Anstrengungen, beim Interaktionspartner einen möglichst günstigen Eindruck zu erwecken und wendet dabei Taktiken oder Strategien an, die diesen Eindruck steuern bzw. kontrollieren. (2) Das Konzept I. wird gelegentlich nicht als eigenständige Theorie, sondern als Forschungsparadigma ver-
Impression management
standen (vgl. NES & 1981).
SCHLENKER 1980; JOPITTMAN 1982; TEDESCHI
I. kennzeichnet die zentrale Idee, dass Pn strategisch kommunizieren, dass sie die Perspektive, Agenda und mutmaßlichen Reaktionen der Anderen in Rechnung stellen. Das Konzept I. konvergiert mit der Theorie der Selbstüberwachung. Auch hier ist der leitende Gedanke, dass Pn im Interaktionsprozess versuchen, sich selbst in günstigem Licht darzustellen. (Dies kann auch bedeuten, dass P einen besonders abschreckenden Eindruck machen will, indem sie z.B. Drohungen glaubhaft ausspricht).
Die wichtigsten Fragestellungen des I.-Konzepts lauten nach SCHLENKER: (a) Motivation: Warum engagieren sich Pn in I.? (b) Gewünschtes Selbstbild: Welches Bild von sich selbst versuchen Pn zu entwerfen oder aufrechtzuerhalten? (c) Modi der Selbstrepräsentation: Wie gehen sie dabei vor? (d) Interaktion: Welche Rolle spielt ein Publikum beim I.-Prozess? (e) Authentizität: Ist I. „unredlich" oder „Täuschimg"? (f) Individuelle Differenzen: Welche Unterschiede gibt es beim I.Verhalten? (3) Taktiken und Strategien: Im einzelnen stehen Pn die folgenden Optionen der interaktiven Selbstpräsentation zur Verfügung, wobei unterschieden wird zwischen assertiven (auf Durchsetzung gerichteten) und defensiven (auf Verteidigung abzielenden) Aktivitäten. Ferner wird getrennt nach kurzfristigen (Taktiken) 251
Impression management
Impression management
und langfristigen Aktivitäten (Strategien):
w i d e r s p r ü c h l i c h (vgl. STULTS et al. 1984). Es ist wohl davon auszuge-
(a) assertiv-kurzfristig (Bsp.: beeindrucken, einschmeicheln, einschüchtern); (b) defensiv-kurzfristig (Bsp.: sich herausreden, rechtfertigen); (c) assertiv-langfristig (Bsp.: Kompetenznachweis, Selbstöffnung); (d) defensiv-langfristig (Bsp.: Verweis auf Behinderung, Hilflosigkeit, Abhängigkeit).
hen, dass der I.-Ansatz die dissonanztheoretischen Effekte nicht alternativ, sondern eher zusätzlich erklären kann. Dies bedeutet: Beide Theorien stehen nicht im Widerspruch, sondern ergänzen einander (TETLOCK & MANSTEAD 1985) etwa in der Weise, dass nach außen gerichtet eher I.-Aktivitäten stattfinden, im Inneren des Individuums jedoch eher dissonanzreduzierende Prozesse, wobei beide Formen einander durchdringen.
Welche dieser Optionen gewählt wird, ist von Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. auch vom —• Selbstkonzept) sowie von den jeweiligen Situationen (z.B. Zeitdruck, Zielsetzung) abhängig. (4) I. und Dissonanz: Das I. wird auch als Alternativ-Erklärung für einstellungskonträres —• Verhalten angesehen. Nach der Vorstellung des I. lässt sich annehmen, dass Menschen danach streben, bei anderen ein konsistentes Bild von sich selbst zu erzeugen. Dieses Konsistenzmotiv bewegt sich zunächst auf der öffentlichen Ebene, aber es könnte durchaus sein, dass man auch Inkonsistenzen im eigenen Selbst mit I.-Strategien abbauen möchte. I. kann zudem in Befragungssituationen gegenüber Interviewern auftreten: als Bestreben, einen guten Eindruck zu machen und konsistent zu antworten (—• Erwünschtheit, soziale). Die Erhebungssituation wirkt dann in der Weise, dass man veranlasst wird, über seine Einstellungen in elaborierter Weise nachzudenken, um Widersprüche zu glätten (-»somatischer Effekt).
Im Übrigen diffundiert das I.-Konzept in sehr viele sp relevante Sachverhalte hinein: so v.a. in die -*Rollentheorie, in den Bereich der -* Konformität, in die -* Reaktanztheorie usw. Hinsichtlich der letzteren ist die Annahme naheliegend, dass die Verteidigung von Freiheiten manchmal nur expressiv ausgerichtet ist, um vor anderen glaubhaft zu demonstrieren, dass man nicht alles mit sich machen lässt. Lit.: GOFFMAN, E . ( 1 9 5 9 / 1 9 7 3 ) . T h e p r e s e n -
tation of self in everyday life. Edinburgh (dt. 1969). LEARY, M . R . (1995). Self presentati-
on: Impression management and interpersonal behavior. Madison. MUMMENDEY, H.D. ( 2 1995). Psychologie der Selbstdarstellung. G ö t t i n g e n . SCHLENKER, B . R . ( 1 9 8 0 ) .
mont/CA. SNYDER, M. ( 2 1977). Impression
management. In: Wrightsman, L.S. (ed.) Social psychology. Monterey/ CA., 115-145. STULTS, D . M . et al. ( 1 9 8 4 ) . B e l i e f - d i s c r e -
pant behavior and the bogus pipeline : Impression management and arousal attribution. Journal of Experimental Social Psychology. 2 0 , 4 7 - 5 4 . TEDESCHI, J . T . ( e d . ) ( 1 9 8 1 ) . I m -
pression management theory and social psychological research. New York. TETLOCK, P.E.
Die diesbezüglichen Befunde sind 252
Im-
pression management: The self-concept, social identity and interpersonal relations. Bel-
&
MANSTEAD,
A.S.R.
(1985).
Im-
pression management versus intrapsychic ex-
Individualisierung planations in social psychology. A usefiil dichotomy ? Psychological Review, 92, 59-77.
Individualisierung
Individualismus
bensstilen und wachsender biografischer Instabilität, zu einer Art DeStandardisierung des Lebensablaufs.
Bezeichnung für einen Rückgang prosozialer und kollektiver Orientierungen und Handlungen zugunsten individueller Entscheidungen und Gestaltungen. Soziologen verzeichnen für die letzten Jahrhunderte einen generellen Trend zur I., der allerdings keineswegs ungebrochen verläuft (-» Individualismus —> Wertewandel).
Individualismus (vs. Kollektivismus)
In den spezifischen Implikationen von U. BECK bedeutet I. die Herauslösung aus traditionellen Gemeinschaftsbindungen, die in der Gegenwart mit verstärkten Anonymisierungs- und Autonomisierungsprozessen einhergeht. I. hat danach eine motivationale, eine sozialkritische und eine sozialstrukturelle Dimension. Motivational insofern, als individualistische Tendenzen, besonders im Leistungsbereich unter Wahrung von Ego-Interessen, zur Antriebskraft des zeitgenössischen Verhaltens werden. Sozialkritisch insofern, als mit dem Begriff I. vor allem auch Aspekte des Rückzugs, der Vereinzelung, der Vereinsamung, der Isolierung und damit des Orientierungsverlusts mitgemeint sind. Der sozialstrukturelle Aspekt insofern, als Prozesse der Entstrukturierung der Gesellschaft (auf der Mikroebene: der Ent-Bettung der Individuen aus sozialen Beziehungsnetzen) zu beobachten sind: nämlich die Freisetzung aus traditionellen Bindungen, die Erosion traditioneller Werte, allerdings auch die Eröffnung von Optionen mit allen damit verbundenen Risiken. Diese Veränderungen fuhren - nach BECK zu vorwiegend individualistischen Le-
chotomie, die sich - verglichen mit den anderen Dimensionen HOFSTEDES- relativ gut bewährt hat. Diese Dimension unterscheidet soziale Systeme nach zwei Wertetypen: Mit I. sind Werte angesprochen, die sich primär auf das Individuum und die Erfüllung individueller Ziele und Bedürfnisse beziehen; mit Kollektivismus sind Werte gemeint, die sich auf die soziale Gruppe und auf die Erfüllung von Gemeinzielen unter Hintanstellung eigener Interessen richten (-* Wert -*• Wertsystem).
Das Begriffspaar I. und Kollektivismus gilt seit PARSONS'-» „pattern variables" als zentrale Dimension der Kulturbeschreibung sowie zur Messung der „individual modernity". Insb e s o n d e r e TRIANDIS, HOFSTEDE u n d TROMPENAARS verwenden diese Di-
HOFSTEDE konnte im Übrigen nachweisen, dass das Ausmaß individualistischer Einstellungen mit der Ausbreitung des Wirtschaftswachstums einhergeht, wobei allerdings nicht klar ist, ob der I. wirtschaftlichen Wohlstand bedingt oder ob sich als Folgeerscheinung mit wachsendem Wohlstand individualistische Gesinnungen ausbreiten.
Es ist nicht immer einfach, das Begriffspaar I. und Kollektivismus mit psychologischen Konzepten in Übereinstimmung zu bringen. Folgt man insbesondere TRIANDIS, SO lassen sich
253
Individualismus
für den Kollektivismus die folgenden Aussagen machen: (a) Die soziale Identität dominiert über die personale/private Identität; (b) Das Gefühl gegenseitiger Abhängigkeit ist in kollektivistischen Systemen größer; (c) Die mutmaßlichen Reaktionen Anderer bestimmen weitgehend das Verhalten; (d) Es besteht eine starke Verbundenheit von Pn; (e) Größere Betonung sozialer Normen und Pflichten; (f) Persönliche Ziele werden den Gruppenzielen untergeordnet; (g) Für die wichtigsten Überzeugungen besteht in der Gruppe Konsens; (h) Größere Bereitschaft zur Kooperation innerhalb der Gruppe; (i) Bei Verteilungsproblemen werden eher die Prinzipien der Gleichheit in der Eigengruppe bevorzugt (-* Gerechtigkeitsprinzipien); (j) Es besteht eine stärkere soziale Einbettung in das Gefuge des Sozialsystems; (k) Mit der Gruppenorientierung sind geringere (primäre) -* Kontrollüberzeugungen verbunden. Trotz der scheinbaren Klarheit der Dichotomie bestehen inhaltlich bzw. methodisch zahlreiche Ungereimtheiten. Nicht von ungefähr lassen sich die Merkmale kollektivistischer Kulturen leichter beschreiben, denn - wie schon DÜRKHEIM wusste - : Es gibt viele Facetten des I., z.B. selbstbezogener (egoistischer I.) in Abhebung von einem „moralischen" I., wobei der Wert eines Menschen in einer moralisch-individualistischen Kultur höher einge254
Inferenz
schätzt wird, was solidarisches Handeln anderer Prägung ermöglicht (-• Solidarität). Lit.: HOFSTEDE, G . (1980). Culture's con-
sequences: International differences in workrelated values. Beverly Hills. HOFSTEDE, G. (1991). Cultures and organizations: software of the mind. London. SMITH, P.B. & BOND,
M.H. (1993). Social psychology across cultures. Analysis and perspectives. New York. TRIANDIS, H.C. (1988). Collectivism versus
individualism: A reconceptualization of a basic concept of cross-cultural psychology. In: Verma, G.K. & Begley, C. (eds.) Cross cultural studies of personality, attitudes and cognition. London. 60-95.
Individuation nale
Identität, perso-
Inferenz Kognitive Prozesse beinhalten meist inferenzielle Vorgänge, also Schlüsse, die über die verfügbaren Informationen hinausgehen. Zu unterscheiden sind explizite (bewusste) und implizite Schlussfolgerungen, die unauffällig und unbewusst vollzogen werden. Während Individuen bei der Nutzung von Informationen sehr reduzierend und selektiv agieren, geht der Beurteilende bei der Eindrucksbildung meist über das hinaus, was durch vorhandene Urteilskriterien erschließbar wäre. Dies bedeutet eine Tendenz zur Vervollständigung der Urteilsbildung (Bsp.: Stehen etwa bei einem beabsichtigten Kauf 10 Produktinformationen zur Verfugung, so nutzt unser Beurteiler selten mehr als 3 davon; sein Urteil ist jedoch so bestimmt, als habe er 30 Informationen verwertet). Die Mechanismen von Selektion und Inferenz treten auch bei Prozessen der -* Kategorisierung und der Bildung
Informationssuche
Informationsintegration
von Stereotypen auf. Für viele Menschen genügt es, jemanden als Araber, als Juden, als Frau zu klassifizieren, um weitreichende Schlüsse über diese P zu ziehen. Informationsintegration (I) Allgemein: Der Prozess der Zusammenführung von Informationen zu einem Gesamtbild bzw. einem Gesamturteil, was dann Probleme bereiten kann, wenn diese Informationen inkonsistent sind. Dieses Problem tritt in verschiedenen Kontexten auf: bei der Eindrucksbildung (-» Eindruck, erster —> Wahrnehmung, soziale), bei der Generierung von Attributionen etc. (II) Im Besonderen ist hier eine spezifische Theorie der I. angesprochen, nämlich die von N.H. ANDERSON. Nach diesem Autor wird (elementenpsychologisch) unterstellt, dass die I. aufgrund einfacher algebraischer Regeln (kognitive Algebra) erfolgt, insbesondere durch Addition und Multiplikation. Das Modell befindet sich damit im Widerspruch zu gestalt- und ganzheitspsychologischen Annahmen (wonach das Ganze mehr als die Summe seiner Einzelteile sei) und vernachlässigt auch Prozesse der —> Irradiation, des Halo-Effekts und der Zentralitätstendenz (-• Zentralität von Eigenschaften). Ferner wird die -* Diagnostizität von Merkmalen nicht genügend berücksichtigt (-»Negativitätstendenz). Gegenübergestellt werden: ein Summationsmodell (additives Modell) und ein multiplikatives Modell. Das Summenmodell besagt, dass die Gesamtbewertung durch die bloße Addition der Einzelbewertungen erfolgt. Das
Durchschnittsmodell dagegen nimmt an, dass das Gesamtbild ein Mittelwert (arithmetisches Mittel) der Einzelbewertungen ist. Dem Summenmodell zufolge würde die Hinzufügung einer nur mäßig positiven Eigenschaft bei insgesamt exzellenter Beurteilung den Gesamteindruck noch verbessern; nach dem Durchschnittsmodell würde er sich indes verschlechtern. findet mehr empirische Evidenz für das Durchschnittsmodell. In der Einstellungsforschung (->• FiSHBEIN-Modell, Theorie des —• überlegten Verhaltens) arbeitet man dagegen hauptsächlich mit einem reinen Summenmodell. Der kritische Einwand eines vorwiegend elementenpsychologischen Vorgehens trifft beide Ansätze. ANDERSON
Informationsmeidung ->•Informationssuche Informationssuche (I) Allgemein: Der Informationsverarbeitung vorgelagerte Aktivität (als Verhaltensweise: Informationsverhalten; als Dispositionsbegriff: Informationsneigung). Im Prinzip kann man davon ausgehen, dass es vor allem die Motivationsvariable (sensu ->• ELM) ist, die das Ausmaß der I. bestimmt. Ob es allerdings eine erfolgreiche Suche wird (Finden und Selektion der relevanten Informationen), ist außerdem eine Frage der Fähigkeit. Die Dissonanztheorie geht davon aus, dass sich Pn vor allem konsonanten Informationen aussetzen, die im Einklang mit bestehenden kognitiven Strukturen stehen (-* selective exposure). Dies dürfte jedoch dann nicht der Fall sein, wenn die Auseinandersetzung mit dissonanten Informationen 255
Informationsflberlastung
Informationssuche
instrumenten bzw. belohnend ist. Übergeordnet gilt demnach ein „information utility approach"; Dissonanzreduktion ist dabei nur eines von mehreren möglichen Motiven der Informationsselektion. Ökonomische Ansätze beziehen die Kosten der I. (und auch der Informationsverarbeitung) ein: Wenn die Kosten der I. einen möglichen Ertrag durch die zusätzliche Information übersteigen, wird P seine I. einstellen. (Bsp.: Nur beim Kauf eines hochwertigen Produkts lohnt es sich, mehrere Geschäfte aufzusuchen). Zu beachten ist jedoch, dass auch die I. (ebenso wie die erfolgreiche Informationsverarbeitung) intrinsisch belohnend sein kann (z.B. bei der Suche im Internet). Die empirische Forschimg zum „information seeking" hat sich insbesondere mit drei Variablengruppen beschäftigt: (a) Variablen der P (z.B. Bildungsgrad, kognitive Komplexität, Kontaktfáhigkeit, Wissensstand); (b) Dimensionen des Informationsobjekts (z.B. Komplexität, Bedeutsamkeit, Risikopotential, physikalische Realität, Zahl alternativer Objekte); (c) Parameter möglicher Informationsquellen (z.B. Verfügbarkeit und Schwierigkeit des Zuganges, Anzahl, Glaubwürdigkeit, Überprüfbarkeit, Widersprüchlichkeit, Kostspieligkeit, technischer Aufwand, Prestige). Schließlich beschäftigt sich das Modell mehrstufiger Entscheidungen mittels der mathematischen Methode des sequentiellen Testens mit der Frage der realen Informationsgewinnung, insbesondere unter dem Aspekt der 256
Optimierung, wobei Querverbindungen zum o.g. ökonomischen Ansatz bestehen. I. ist auch Teilaspekt der Mediennutzung (-» Gratifikationsforschung). Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei die notwendigen Selektionsprozesse im Hinblick auf Gefahren des „information overload", zumal im Zeitalter des Internets, wobei die Suche nach wirklich relevanten Informationen zum Problem werden kann. Nichtsdestoweniger erfahrt die Thematik der I. angesichts der computervermittelten —• Kommunikation eine völlig neue Dimension von Zugangsund Verwertungsmöglichkeiten. Der Zugang zum Internet ist eine Art Quantensprung der Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Informationen. (II) Speziell: Bezeichnung für einen Bewältigungsstil (-• Coping -» Stress) gegenüber bedrohlichen Situationen. Ein anderer Coping-Stil wäre die Informationsmeidung (Kopf-in-denSand-Technik). Lit.: DONNERSTAG, J . ( 1 9 9 6 ) . D e r e n g a g i e r -
te Mediennutzer. Das Involvement-Konzept in der Massenkommunikationsforschung. München.
GRABITZ,
H.J.
&
GRABITZ-
GRIECH, G. (1973). Der kognitive Prozess
vor Entscheidungen. Theoretische Ansätze und experimentelle Untersuchungen. Psychologische Beiträge. 15, 522-549. WITTE, E. (Hg.) (1972). Das Informationsverhalten
in Entscheidungsprozessen. Tübingen.
Informationsüberlastung (I) Allgemein: Die Tatsache, dass der Mensch heute über sehr viele Informationen und Informationsquellen verfügt, die eine sinnvolle Selektion unter Relevanzgesichtspunkten erschweren. Diese I. kann einen Stress-Faktor dar-
Informationsverarbeitung
stellen, der bestimmte Formen der Bewältigung induziert (-• Informationssuche). (II) Speziell: Nach MILGRAM die Tatsache, dass Menschen zumal in Großstädten einem Überangebot an Stimulationen ausgeliefert sind, so dass alle Wahrnehmungsreize, die eine P nicht unmittelbar betreffen, ausgeblendet werden. Das Schicksal oder die Notlage anderer berührt P nicht.
Informationsverarbeitung (I) Soziale I. gilt nicht nur als neues Teilgebiet der SP, sondern darüber hinaus als Forschungsparadigma, als allgemeine Perspektive, die in vielen Einzelbereichen der SP Anwendung findet. I. bildet demnach einen integrativen Rahmen für viele Forschungsbereiche, v.a.: -*• Einstellungen, -* Attribution, soziale -> Wahrnehmung, —> Stereotype, —• Kategorisierung, Hypothesenbestätigung etc. Im weitesten Sinne ist das Programm der I. auch identisch mit dem Etikett soziale Kognition, mit dem man einen Klammerbegriff für verschiedene Arbeitsbereiche gefunden hat, die von der kognitiven Forschungsperspektive beherrscht werden. Das Paradigma ist gewissermaßen ein Kontrapunkt zur vielfach geäußerten Auffassung, dass Denken eigentlich „Wunschdenken" sei und somit einem motivationalen Blas unterliege: Denken und Informationsverarbeitung erfolgen so, dass sie bestimmten Bedürfnissen dienen (z.B. der Erhaltung oder Verbesserung des Selbstwertgefühls). Diese motivationale Sicht hat ihre Wurzeln vor allem in der -* Hypothesentheorie der Wahrnehmung und auch in der -* Dissonanztheorie,
Informationsverarbeitung
die ganz bestimmte Richtungen der I. favorisierte. Die Position der I., die in der klassischen Denkpsychologie gründet, ist diesbezüglich neutral: Denken gilt der Erkenntnis der Wahrheit, auch wenn die Wahrheit nicht immer getroffen wird und Denkprozesse manchmal unangemessen sind. So vermuten etwa die Anhänger der denkpsychologisch beeinflussten I.Forschung, dass sich hinter kognitiven -+ Täuschungen lediglich Denkfehler verbergen, während die Vertreter der motivationalen Sicht dahinter eher selbstwertdienliche Biases sehen. Heute neigt man zu einer vermittelnden Position: die Existenz von Denkfehlern schließt motivationale Effekte nicht aus. So ist man in neueren I.Modellen in dieser Frage wieder völlig offen. Die Konzepte zur I. sind vielfach sog. „information processing"-Modelle, die lediglich heuristische Orientierungsfunktionen haben und nur gelegentlich theoretisch gehaltvoll sind. Eine Ausrichtung an der Computertechnologie bzw. an der Computerlogik ist dabei unverkennbar: Der Ablauf kognitiver Prozesse scheint auf dem Computer simulierbar und auch prüfbar. Teilprozesse des Geschehens sind dann: die Encodierung der Information, die Abspeicherung in unterschiedlichen Gedächtnisspeichern, die Abrufung aus dem Gedächtnis usw. Nach dieser Vorstellung agieren Menschen so ähnlich wie ein störanfälliger Computer. Trotz dieser Überzeichnung der Perspektive lassen sich Leitsätze der sozialen I. formulieren, die auch schon vor der Dominanz des I.-Ansatzes in der SP-Forschung ihren Platz hatten, die jetzt jedoch stärker in der kognitiven 257
Informationsverarbeitung
Psychologie verankert sind und auf diese Weise eine Art integrierende Funktion für viele ansonsten recht isoliert existierende Forschungsbereiche haben. Diese Leitsätze sind etwa: (a) Soziales Verhalten wird nicht in direkter Weise von äußeren Reizsituationen bestimmt, sondern über die innere mentale Repräsentation einer gegebenen Situation vermittelt; (b) Unser Denken wird in hohem Maße durch die Begrenzung der Verarbeitungskapazität bestimmt; (c) Je komplexer der I.-Prozess, desto zahlreicher die einzelnen Stufen der I. und desto länger die Zeit zwischen Input und Output (Reaktionszeit); (d) Kognitive Prozesse unterscheiden sich in der Tiefe und Elaboriertheit der Verarbeitung; (e) Sie unterscheiden sich auch darin, wie automatisch und wie kontrollierbar sie sind; (f) Jede Form der I. wird durch präkommunikative Einstellungen und Wissensinhalte (-> Schemata) beeinflusst, eingeschränkt und modifiziert. (II) Bereiche der I.: Es werden hier einige zentrale Forschungsareale der I. umrissen (vgl. WYER, 1980), wobei der Leser auf die speziellen Stichworte verwiesen wird. Bedeutsam ist zunächst, verschiedene Stufen der I. zu unterscheiden. Der Ablauf kognitiver Prozesse erfolgt über die Wahrnehmung von Reizereignissen (Informationen), die codiert (evtl. kategorisiert), im Gedächtais organisiert und gespeichert werden. Aus dem Gedächtnis abgerufene Informationen gehen in weitere Schlussfolgerungen und Urteils258
Informationsverarbeitung
prozesse ein, die dann möglicherweise ein bestimmtes Verhalten hervorrufen. Zumindest ist dies bei gedächtnisbasierten Urteilen der Fall. Encodierungen, die unmittelbar nach der Darbietung eines Informationsstimulus gebildet wurden, bezeichnet man als „online judgements". (1) Wahrnehmung: Hier ist zwischen zwei grundliegenden Formen der Verarbeitung zu unterscheiden: „topdown" (-» konzeptgesteuerte Wahrnehmung) und „bottom-up" (-> datengesteuerte Wahrnehmung). Bei der erstgenannten wird die Wahrnehmung in starkem Maße von vorhandenen Konzepten, Hypothesen oder Kategorien gesteuert (z.B. Vorwissen, Vorurteile, soziale -* Stereotype). Im Falle der aufwändigeren datengesteuerten Informationsverarbeitung werden Informationen neu gruppiert und integriert, insbesondere dann, wenn keine „passenden" Konzepte oder Kategorien verfugbar sind. Dabei spielt es auch eine Rolle, ob bestimmte kognitive Muster spontan (automatisch) aktiviert werden, ohne dass P dies kontrollieren kann. (2)Encodierung und Organisation: Soziale Informationen werden i.R. bereits vorhandener Wissensstrukturen organisiert und integriert. Diese Wissensstrukturen, die meist aus semantischen -* Netzwerken bestehen, werden gewöhnlich Konzepte, Schemata, —• Prototypen oder Stereotype genannt, wobei die am leichtesten zugänglichen (-> Zugänglichkeit) Schemata oder Kategorien verwendet werden. Außerdem sind Effekte des kognitiven -* Primings wirksam: nicht bewusste Voraktivie-
Informationsverarbeitung
rung von Konzepten durch vorausgegangene (semantische oder numerische) Reize, die bei Folge-Urteilen zu Assimilations-Effekten führen. (3) Speicherung der Information: Nach der Identifizierung des Gegenstandes der Information als schema-adäquat erfolgt die - zumindest bei gedächtnisbasierter I. - Speicherung der Information im Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis (-» Gedächtnis —• duale Speicher-Theorien). Ein zu hohes Maß an Informationen (information overload) führt zu Selektionsprozessen, wobei die prototypischsten diagnostischen Merkmale am ehesten gespeichert werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Informationen im Langzeitgedächtnis haften bleiben, steigt mit dem Ausmaß, in dem über die Information und ihre Einfügung in den kognitiven Kontext nachgedacht wurde. (4) Abrufung von Informationen: Bevorzugt werden die Informationen abgerufen, die am leichtesten zugänglich sind. Die Zugänglichkeit ist wiederum abhängig von der Häufigkeit der Aktivierung in der Vergangenheit. Die Zugänglichkeitsforschung hat hier auch den Begriff der Leichtigkeit des Abrufs (ease of recall) entwickelt, wobei man davon ausgeht, dass Urteile eher die Einfachheit des Abrufs als das Ergebnis des Erinnerns selbst reflektieren. (5) Urteils- und Entscheidungsbildung: Während in der Speicherphase Selektionsprozesse dominieren, werden beim Abruf und der darauf folgenden Urteilsbildung Prozesse der -*Inferenz wirksam: P geht in ihren Schlussfolgerungen und in ihrem Ur-
Informationsverarbeitung
teil weit über das hinaus, was die Informationen eigentlich „hergeben". Es entsteht eine Tendenz zur Vervollständigung des Eindrucks und der Urteilsbildung, auch bei defizitären Informationen. Die Urteile werden dann selten in einem aufwändigen kognitiven Prozess getroffen, sondern eher anhand verfügbarer -> Heuristiken Anker-Heuristik —• Verfiigbarkeitsheuristik —• Repräsentativitätsheuristik). Schwierig ist v.a. der Umgang mit inkonsistenten Informationen, bei denen vereinfachende Faustregeln oder Stereotype unangemessen erscheinen. Hier ist der Urteilende dann u.U. doch auf elaboriertere Wege der I. angewiesen (—• duale Prozess-Modelle —> ELM -> Heuristisch-systematisches Modell). (6) Überprüfung und Bestätigimg: Bereits die —• Hypothesentheorie der Wahrnehmung formuliert die Tendenz, einmal vorgefasste Hypothesen (Stereotype, Kategorisierungen, Attributionen, Urteile, illusionäre Korrelationen) zu verteidigen, woraus die Tendenz zur -*• Hypothesenbestätigung (confirmation bias) folgt. Von Prozessen der Selbstbestätigung oder der Erwartungsbestätigung spricht man immer dann, wenn aufgrund solcher Annahmen entsprechende Verhaltensweisen (z.B. beim Interaktionspartner) auch tatsächlich erzeugt werden (seif fulfilling prophecy, —• Prophezeiung, sich selbst erfiillende). (7) Information und Aktivation: Allgemein gilt, dass I.-Prozesse am effizientesten bei optimaler physiologischer -* Aktivation verlaufen. Bei zu niedrigem Aktivationspotential 259
Informationsverarbeitung
fehlt der Antrieb zu aufwändigen I.Prozessen, bei zu hoher Aktivation (etwa durch Übermotivierung, durch Zeitdruck, durch den überschwemmenden Einfluss von Gefühlen) entstehen negative Effekte, die keine „korrekte" I. zulassen. Ähnliches gilt für —• Stimmungen: in leicht gedämpfter Gemütslage (-» depressiver Realismus) sind „rationalere" Entscheidungsprozesse zu erwarten als etwa bei euphorischer Stimmung. Allerdings ist bei gehobener Befindlichkeit eher die Wahrscheinlichkeit kreativer Lösungen gegeben. Es gibt eine selektive Tendenz, in positiver Stimmung auch positive Informationen effizienter wahrzunehmen, zu codieren und abzurufen, als negative. Umgekehrt werden negative Informationen in schlechten Gemütszuständen besser verarbeitet (Stimmungskongruenz, -* Stimmung). Dies kann durch die Vorstellung assoziativer kognitiver Netzwerke erklärt werden: Wenn positive Stimmungszustände in der assoziativen Nachbarschaft anderer angenehmer Stimuli repräsentiert sind, wird die sich ausbreitende Aktivation gespeicherte positive Gedächtnisinhalte gleichfalls mitaktivieren. Das Prinzip der Stimmungskongruenz bezieht sich auch auf die Tendenz, gute Beurteilungen in positiven Stimmungszuständen abzugeben (und umgekehrt). Die Aktivation selbst kann als Informationsstimulus aufgefasst werden, der - insbesondere bei diffuser Ausprägung- der Interpretation bedarf. Hierbei sind zusätzliche externe Stimuli hilfreich, welche die Aktivation begleiten bzw. mit ihr kovariieren. 260
Inhaltsanalyse Lit.: ANDERSON, J.R. (21996). Kognitive Psychologie. Eine Einführung. Heidelberg. CHAIKEN, S. & TROPE, Y. (eds.) (1999).
Dual process theories in social psychology. N e w York, London. EAGLY, A.H. & CHAI-
KEN, S. (1993). The psychology of attitudes. Fort Worth/TX. FISKE, S.T. & TAYLOR,
S.E. (21991). Social cognition. New York. FREY, D . & IRLE, M . ( H g . ) ( 2 2 0 0 2 ) . T h e o -
rien der Sozialpsychologie. Bd. III, Motivations-, Selbst- und Informationsverarbeitungstheorien. Bern u.a. LINDSAY, P.H. & NORMAN, D.A. (1981). Einführung in die Psychologie. Berlin. NEISSER, U. (1976). Kognition und Wirklichkeit, Stuttgart. WYER, R.S. & SRULL, T.K. (eds.) (21994). Handbook of social cognition, Vol. 1/2, Hillsdale, N.J.
Informationsverhalten -> Informationssuche -*• Informationsverarbeitung -* Kommunikation, computergesteuerte Informativer Einfluss Einwirkung, die auf dem Informationswert einer Botschaft beruht, im Gegensatz zu normativem Einfluss, der auf sozialen Verboten/Geboten und evtl. drohenden Sanktionen basiert {—> Bezugsgruppe —• Konformität). Informeller Einfluss Einfluss, der nicht auf Positionsmacht beruht und der ungeregelt, oft implizit stattfindet (->• Macht, soziale). Ingratiation
Einschmeichelung
Inhaltsanalyse Formalisierte und quantitative Erfassung objektiver Merkmale von Kommunikationsinhalten. Ausgangspunkt sind problemorientierte Hypothesen, nach denen die Kategorien ausgewählt werden, deren Auftretenshäufigkeit ermittelt werden soll. In der SP wird die
Initiationsriten
I. vergleichsweise wenig verwendet, allenfalls in der Kommunikationsforschung. Ein prominenter Anwendungsfall ist die Ermittlung differenzieller —• Leistungsmotivation in verschiedenen historischen Phasen durch Dokumentenanalyse (MCCLELLAND). Initiationsriten Bei der Aufnahme eines neuen Mitglieds in eine Gruppe oder bei der Übernahme eines neuen Status bzw. einer abgrenzbaren Lebensphase gibt es oftmals I., die dieses Ereignis signalisieren (z.B. Konfirmation, Schulabschluss). Vielfach werden einem neuen Gruppenmitglied auch bestimmte I. auferlegt (z.B. Bewährungsprobe). Besonders ausgeprägt sind solche I. im Rahmen von sektenhaften Gruppierungen. Innere Bilder -* Vorstellungsbild Innovation (l)Der Begriff I. wird in verschiedenen Zusammenhängen verwendet: technische Neuerungen (z.B. Dampfmaschine, mechanischer Webstuhl, Internet), soziale Neuerungen (z.B. Sozialgesetzgebung, Teamarbeit), kulturelle Neuerungen (z.B. Zwölftontechnik, Rechtschreibreform), I. im Marktbereich (z.B. Entwicklung neuer Produkte), I. im Organisationsbereich (z.B. Einführung des Intranet, neue Formen der Personalentwicklung). Mit dem Begriff I. verbindet man meist positive Konnotationen: als Verbesserung, als Aufschwung, als Fortschritt. Manchmal bleibt unklar, welche Veränderungen genau als I. zu bezeichnen sind. Auch dürfte manchmal bezweifelt werden, dass neue Ideen immer ei-
Innovation
nen Fortschritt darstellen (z.B. Moden, Re-Islamisierung). Vielfach wird das Attribut I. erst nachträglich verliehen, nachdem sich ein Produkt, Verfahren oder eine Veränderung durchgesetzt und bewährt hat. Zu unterscheiden ist zwischen engerer und weiterer Auffassimg des Begriffs I. Letztere bezeichnet mit I. alles, was „neu" ist (hier wäre die Abgrenzung zu sozialem Wandel schwierig). Ferner muss festgelegt werden, ob objektive Kriterien oder das subjektive Urteil der möglichen Adoptoren die I. bezeichnen (Letzteres wäre für eine psychologische Behandlung des Themas naheliegend). ROGERS & SHOEMAKER verstehen i.S. dieser letztgenannten Version unter I. eine Idee, eine Handlung oder ein Objekt, das von einem Individuum als neu wahrgenommen wird. ROBERTSON unterscheidet drei Formen der I.: (a) kontinuierlich: ständige Verbesserungen (Design, Haltbarkeit, Größe). Hier bedarf es keiner Verhaltensänderung; Widerstände können sich im Allgemeinen nicht aufbauen, Einstellungen können beibehalten werden; (b) dynamisch-kontinuierlich: z.B. Laser-Drucker, Airbags. Hier kommen neue Nutzenqualitäten hinzu (effizienter, bequemer, zufriedenstellender, bekömmlicher). Solche Änderungen bringen (in den Augen des Rezipienten) neue Vorteile, rufen jedoch kaum Verhaltens- oder Einstellungsänderungen hervor; (c) diskontinuierlich (revolutionär): erfordert neue Einstellungen oder Verhaltensweisen (Bsp. 261
Innovation
Innovation
Interaktives Fernsehen, ElektroAutos, Abfalltrennung, InternetNutzung, Tele-Shopping). Die Akteure im I.-Prozess sind dabei (gleichfalls nach ROBERTSON): (a) der Kreator (Erfinder, Entdecker, Kreativer, Ideengeber); (b) der Innovator (derjenige, der die Diffusion neuer Produkte initiiert); (c) der Adoptor (deijenige, der die neue Anregung früher oder später aufgreift). (2) -> Kreativität und Innovation: In der Phase der Ideengenerierung ist der kreative Prozess hervorzuheben. Die Forschung konzentriert sich hier auf die Identifizierung von „creativity-relevant-skills"
(AMABILE
1996), wobei ein mögliches Persönlichkeitsmerkmal „kreative Intelligenz" (u.a. die Fähigkeit zu divergentem Denken) durch entsprechende Subkonstrukte abgedeckt wird (z.B. Flexibilität, Originalität, Vielfältigkeit der Ideenproduktion). Korrelationen bestehen zu zahlreichen Variablen: kognitive Stile, Motivation und Involvement, positives Selbstkonzept etc. (3) Minoritätseffekte: Für MOSCOVICI (1976) werden I. häufig durch Minderheiten initiiert. Auf diese Weise sind I. also zunächst -* abweichendes Verhalten (so verortet etwa MERTON den Begriff I.). Die Majorität (in einem bestimmten Lebensbereich oder im gesamten Sozialsystem) wirkt durch Prozesse des Gruppendrucks eigentlich in die Richtung von Konformität und ist daher tendenziell innovationsfeindlich, am deutlichsten beim -»• Gruppenden262
ken. Minderheiten (gelegentlich sogar ein Einzelner) können jedoch den „mainstream" verändern, indem die neue - zunächst abweichende - Idee, Einstellung oder Verhaltensweise konsistent vertreten und konziliant verhandelt wird (-»•Minoritätseinfluss). (4) -»Akzeptanz von I.: Die wichtigsten empirischen Befunde zur Akzeptanz von Neuerungen (hier exemplarisch im landwirtschaftlichen Bereich) hat ROGERS (zuerst 1962) geliefert (vgl. auch ROGERS & SHOEMAKER 1971). Als zentrale Akzeptanzkriterien werden genannt: (a) Relative Vorteilhaftigkeit: das Ausmaß, in dem die Rezipienten von der Nützlichkeit der I. überzeugt sind; (b) Geringe Komplexität: die Einfachheit der Übernahme (z.B. Teilnahme am Internet); (c) Kompatibilität: die Art der „Passung" und Übereinstimmung mit bestehenden Einstellungen, Werten, Strukturen; (d) Die Teilbarkeit einer I.: ob und inwieweit eine I. schrittweise eingeführt werden kann; (e) Die Mitteilbarkeit (Kommunikabilität) einer I.: wie man die I. möglichst anschaulich darstellen und verbreiten kann (z.B. durch Werbung); (f) Die Beobachtbarkeit (observability) einer I.: in welchem Umfang man die I. bei anderen Pn (z.B. Bezugspersonen, sozialen Modellen) beobachten bzw. nachahmen kann. Die hier aufgelisteten Akzeptanzkriterien haben sich vor allem im Marktbereich recht gut bewährt (Ak-
Inokulation
Innovation
zeptanz neuer Güter und Dienstleistungen). (5) Adoption und Diffusion. Die I. wird zunächst von Innovatoren inszeniert und sodann von den „early adopters" übernommen, zu denen auch Meinungsföhrer gehören. Die weiteren Ausbreitungsschritte (auf der Folie einer GAUß'schen Normalkurve der Diffusion darstellbar) betreffen dann die frühe Majorität, die späte Majorität und schließlich die Nachzügler. Intensive Forschung ist auf die Frage verwendet worden, durch welche Eigenschaften sich Innovatoren von den späteren Übernehmern unterscheiden. Während Innovatoren im unternehmerischen Sinn eher als Außenseiter, z.T. sogar als Abweichler gelten können, sind Innovatoren im Markt- und Konsumbereich keineswegs Außenseiter, sondern eher „Vorreiter", die sozial gut integriert sind und sich durch besonders häufige Kontakte (auch zu den Meinungsfuhrem) auszeichnen. Das wohl wichtigste Agens fur Innovatoren dürfte dabei die erhöhte Bereitschaft zum Risiko sein. Meinungsfuhrer werden sich nur einem gedämpften Risiko aussetzen, da im Falle der Nichtbewährung der Neuerung schnell ein Verlust der Meinungsfuhrerschaft eintreten könnte. (6) Besonderheiten organisationaler I.: Hier geht es meist nicht um freiwillige Übernahme der I.; vielfach wird die I. durch die Maßnahmen des Managements implementiert, und eine Verweigerung würde den Verbleib in der Organisation gefährden. Außerdem ist es von Bedeutung, welche „Hypothesen" die Betroffenen mit der I. verbinden (z.B. stärkere Kon-
trolliertheit, Ausbeutung, Arbeitsplatzbedrohung). Die Hypothesen haben hier häufig die Qualität von „Befürchtungen": Einengung von Handlungsspielräumen, Belastungen am Arbeitsplatz, mögliche Freisetzung, Reduzierung des eigenen Status, Entbehrlichkeit, Veränderung in den sozialen Beziehungen usw. Hier kommt es vielfach nicht zur Akzeptanz, sondern lediglich zur Duldung, in extremem Fällen zur -»Reaktanz mit offenem oder verdecktem Widerstand. Als Gegenstrategien tragen zur Akzeptanzforderung bei: bessere Information, Anpassungszeit und vor allem -* Partizipation an I.-Prozessen. Lit.: KÜHLMANN, T.M. (1988). Technische und organisatorische Neuerungen im Erleben betroffener Arbeitnehmer. Stuttgart. MEIONER, W. (1989). Innovation und Organisation. Stuttgart. ROBERTSON, T.S. (1971). Innovative behavior and communication. New York. ROGERS, E.M. ( 4 1996). Diffusion of innovations. New York. (Orig. 1962). ROGERS, E . M . & SHOEMAKER, E . F . ( 1 9 7 1 ) .
Communication of innovations. A cross cultural approach. New York.
Inokulation Bezeichnet nach MCGUIRE eine Art kognitiver Impfung bzw. Immunisierung zwecks Stabilisierung von —• Einstellungen (-> Truismen). In einem ersten Schritt werden stichhaltige Gegenargumente angeführt, welche die Einstellung gefährden könnten {zweiseitige Argumentation). Im zweiten Schritt werden die Gegenargumente widerlegt, was einen Übungseffekt zur Verteidigung der Einstellung impliziert. Wie auch das (später formulierte) ELM nahe legt, sind solche Einstellungen stabiler und
263
Instinkt
änderungsresistenter, da sie vor möglichen Gegenargumenten gewappnet sind.
Instinkt Angeborene, artspezifische und meist adaptive Reaktionstendenz des Individuums, die durch besondere Schlüsselreize ausgelöst wird. Auch beim Tierverhalten wird die Instinktlenkung durch die flexiblere Form der Steuerung durch Lernprozesse (-»Lernen) überlagert. Nach GEHLEN verfugt der Mensch nur noch über Instinktresiduen (der Mensch als „Mängelwesen"), so dass er in hohem Maße auf die Verhaltenssteuerung durch soziale Normen und Institutionen angewiesen ist.
Institution Bezeichnet ein in sich zusammenhängendes konsistentes Norm- bzw. Regelungssystem, das um zentrale Werte bzw. Funktionen einer Gesellschaft gruppiert ist. Als wichtige I. werden betrachtet: die Familie, die Wirtschaft, das Recht, das Eigentum, die Religion usw. Es zeigt sich, dass in nahezu jeder Gesellschaft ähnliche Normkomplexe -allerdings mit unterschiedlicher inhaltlicher Ausgestaltung - entwickelt werden. Von I. zu unterscheiden sind Organisationen (z.B. Kirche, Betriebe, Krankenhäuser), die in ihrer konkreten Form die Träger der I. darstellen.
Institutionalisierung Bestimmte Regelungssysteme oder Verhaltensmuster werden Bestandteil des sozialen Gefüges und finden ihren Niederschlag in Normen, Gesetzen, Verfugungen. Sie haben damit einen formellen, bindenden Charakter. 264
Instrumental! tätstheorie
Eine spezifische I.-„Theorie" (MEYER & ROWAN; ZUCKER) steht dem -* Konstruktivismus nahe. Institutionen erweisen sich hier einmal als menschliches Produkt, gleichzeitig jedoch auch als depersonalisierte objektive Realität. I. umfasst nach diesem Verständnis Prozesse, durch die soziale Vorgänge, Verpflichtungen sowie situatives Handeln einen regelhaften Status im sozialen Denken und Verhalten erlangen.
Instrumentalitätstheorie Die I. von VROOM (1964; 1994) war
ursprünglich lediglich eine Theorie der Arbeitsmotivation, avancierte später jedoch zur allgemeinen Motivationstheorie, die eine Erweiterung der sog. Wert-Erwartungs-Theorien darstellt und auf den Gesamtbereich instrumenteilen, geplanten Handelns anwendbar ist. Die Besonderheit dieser Theorie ist, dass sie - neben der zusätzlichen Einbeziehimg von -*Effizienz-Erwartungen - über den aktuellen Nutzen hinaus auch die Instrumentalität für zukünftige Werte berücksichtigt. Es werden also Valenzen verschiedener Ordnung unterschieden, d.h. Zwischenziele sind „instrumenten" für ein weiteres, höheres oder wichtigeres Ziel. (Am Bsp.: Ein Angestellter, der Karriere machen möchte, registriert mögliche Wege und Zwischenziele, die mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit zur Erreichung des Endzieles beitragen. Er weiß, dass hoher Leistungseinsatz allein keine Erfolgsgarantie bietet, dass man daneben Aufmerksamkeit erregen sollte, die richtigen Verbindungen aufweisen muss usw. Selbst hinter dem Karriereziel könnten noch weitere Ziele stehen [z.B. Status und Prestige in der Gesell-
Instrumentelle Konditionierung
schaft, Erhöhung des Selbstwertgefühls]). Die Valenz eines bestimmten Ergebnisses ist demnach immer nur in ihrem instrumentellen Zusammenhang (Korrelation) mit einem anderen wichtigeren, nachgelagerten Ergebnis zu sehen. Wie viele andere formale Motivationstheorien auch, ist dieses Konzept weitgehend einwandsimmun gegenüber Falsifizierungsversuchen. Dies liegt insbesondere an den Erhebungsschwierigkeiten bezüglich der Zielkonzepte, da Individuen schlichtweg überfordert sind, ihre Ziele -aufgesplittet nach End- und Etappenzielen sowie deren Verknüpfungen - anzugeben. Außerdem berücksichtigt diese Theorie nicht im erforderlichen Maße, dass auch Vorziele bereits intrinsisch besetzt sind und dass nach A L L P O R T S Prinzip der -* fiinktionellen Autonomie ständig Motiwerlagerungen auftreten oder die Endziele aus dem Auge verloren werden können. Die I. ist daher allenfalls ein heuristischer Bezugsrahmen und - wenn überhaupt - dort empirisch einzulösen, wo P tatsächlich langfristige Strategien der Zielerreichung mit besonderen Anstrengungen verfolgt. Lit.: CAMPBELL, Y . P . & PRITCHARD, R . D .
(1976). Motivation theory in industrial and organizational psychology. In: Dunette, M.D. (ed.) Handbook of industrial and organizational psychology. New York u.a., 63130. HECKHAUSEN, H . ( 2 1 9 8 9 ) . M o t i v a t i o n
und Handeln. Lehrbuch der Motivationspsychologie. Berlin. VROOM, V.H. (31994). Work and motivation. New York. (Orig. 1967). WISWEDE, G. (1980). Motivation und Arbeitsverhalten. München/Basel.
Instrumentelle Konditionierung Konditionierung,
instrumenteile
Intelligenz, emotionale
Integration (soziale) Zusammenwirken von Elementen zu einer Einheit, speziell die Eingliederung und Assimilierung von Individuen in bestimmte Gruppenzusammenhänge oder von sozialen Gruppen (häufig soziale Minderheiten) in das gesellschaftliche Gesamtsystem. Ein besonders ausgeprägtes Forschungsfeld ist dabei die I. im schulischen Bereich. Die I. ist umso leichter, je ähnlicher die Einstellungen und Wertvorstellungen der zu integrierenden Pn bzw. Gruppen sind und je bessere sozial-strukturelle Voraussetzungen zur I. vorliegen oder geschaffen werden können.
Integration (kognitive) Im Verständnis der kognitiven Psychologie (—• Informationsverarbeitung -* Informationsintegration) bezeichnet I. die Einfügung kognitiver Elemente (z.B. von Informationen) in bestehende Wissensstrukturen und Einstellungsmuster. Vor allem stellt sich die Frage, in welcher Form diese Einzelinformationen zu einem Gesamturteil integriert werden. Auch ist von Interesse, wie Pn mit widersprüchlichen Informationen umgehen.
Intelligenz, emotionale Multivalentes Konzept, das in eine oder mehrere der folgenden Richtungen zielt: (a) Kontrolle eigener Emotionen (Emotionsmanagement —• Emotionskontrolle) und zwar nach innen wie nach außen; (b) Kenntnis und Fähigkeit zur Differenzierung eigener Gefühle; (c) Empathie im Hinblick auf die Emotionen anderer; 265
Intelligenz, soziale
Interaktion, soziale
(d) Instrumenteller Einsatz von Emotionen (z.B. Weinen), auch Erzeugen von Emotionen bei anderen. Intelligenz, soziale soziale Fertigkeit
Kompetenz,
Intention (I) Zielstrebige Absicht. Intentionales Handeln besteht in der bewussten Vorwegnahme eines Zielzustands. Insbesondere in neo-behavoristischen Lerntheorien werden auf das Ziel gerichtete Erwartungen einbezogen (antizipatorische Zielreaktion). Desgleichen werden Intentionalitätsaspekte in den —> Handlungstheorien sowie in den kognitiven Motivationstheorien berücksichtigt, insbesondere bei VROOM (-> Instrumentalitätstheorie) und LOCKE (-> Zielsetzungstheorie). BANDURA hat -ausgehend von LOCKES
frühen Arbeiten - die besonderen motivierenden Komponenten des intendierten Ziels herausgearbeitet (-• Zielinduktion). (II) I. sind auch Gegenstand von Attributionsprozessen (-> Attribution). So geht es bspw. um die Frage, ob P absichtsvoll gehandelt hat. Die Zuschreibung von Absichten (Vorsatz) ist u.a. von Bedeutung in der Rechtsprechung (z.B. bei einem bewusst geplanten Mord im Gegensatz zu einem affektgeladenen Totschlag). (III) In einigen Theorien (z.B. der Theorie des —• überlegten Verhaltens oder des -»geplanten Verhaltens) ist die Verhaltensintention die abhängige Variable, die jedoch im Prinzip mit dem tatsächlichen Verhalten gleichgesetzt wird, sofern keine störenden situativen Variablen intervenieren. In diesem Sinne fungiert die I. als Verhal266
tensneigung, gewissermaßen als potentielle Energie. (IV) Volitionale Theorien (-»Rubikon-Modell Handlungskontrolle —• Zielsetzungstheorie) betonen psychische Prozesse, welche die Umsetzung von Intentionen (-»Fiat-Tendenz) in konkrete Handlungsschritte begleiten und steuern. Auch die Abschirmung gegenüber alternativen Optionen sowie die Überwindung von Barrieren werden hierbei thematisiert. Interakt In vorwiegend qualitativen Analysen von Interaktionsprotokollen Bezeichnung für die kleinsten identifizierbaren Interaktions-Elemente der Interakteure. Interaktion (I) zwischen zwei Variablen (z.B. zwischen Leistung und Zufriedenheit). (II) I. zwischen zwei Variablen-Klassen, hier insbesondere zwischen Person*Variablen (Persönlichkeitszüge, traits) und Situations-Variablen (-» Interaktionismus). (III) soziale -* Interaktion, d.h. das Handeln ist durch die mutmaßliche Reaktion eines Anderen verursacht und darauf abgestimmt (z.B. ein wechselseitiges Gespräch, ein Schachspiel). Interaktion, soziale ->•Interaktionstheorien (1) Begriff der I.: Zentraler Terminus der SP, zumal von einigen SPn das Fach SP als das Studium der I. betrachtet wird. Der Begriff wird ähnlich gebraucht wie soziales -*• Handeln, nämlich als Aktion, welche die
Interaktion, soziale
mutmaßliche Reaktion des Anderen impliziert und darauf abgestimmt ist. I. meint also, dass die Handlungen von Pi die Aktionen der anderen P2 affizieren (und umgekehrt). I. ist abzugrenzen gegenüber sozialer -* Kommunikation", diese bleibt auf den Austausch von Informationen beschränkt, während in I.-Prozessen auch andere Entitäten ausgetauscht werden können: Gefühle, Güter, Dienste oder Geld (-»Ressourcentheorie der Interaktion). (2) Formen/Sequenzen der I.: In Ank n ü p f u n g a n JONES & GERARD lassen
sich I.-Sequenzen danach unterscheiden, in welchem Ausmaß die Leitvorstellung, dass nämlich jede Verhaltensweise des einen I.-Partners die Folgereaktion des anderen beeinflusst, realisiert ist. Hier gibt es einen Idealtyp (totale I. bzw. wechselseitige Kontingenz), von dem die anderen Sequenzen eingetrübte Wechselseitigkeit reflektieren. (a) Totale I. (wechselseitige Kontingenz): Das Verhalten ist in jeder Hinsicht auf die Reaktion des anderen abgestimmt (Bsp.: ein sachliches Gespräch, bei dem jeder nicht nur eigene Ziele verfolgt, sondern auch zuhört und auf die Argumente des anderen eingeht); (b) Pseudo-I. (Pseudo-Kontingenz): ist eher eine oberflächliche Form der I., wobei beide Pn durch eigene Pläne und Absichten bestimmt werden (Bsp.: „small talk" auf Parties, ritualistische Tarifverhandlungen); (c) Asymmetrische I. (asymmetrische Kontingenz): Diese ist durch ein Macht- und/oder Sta-
Interaktion, soziale
tusgefälle charakterisiert (Bsp.: autoritäre Anweisung), wobei es Pi gleichgültig ist, was P2 über sie denkt. Auch im Falle der Hilfeleistung (-> Hilfeverhalten) kann es zu asymmetrischen I.Sequenzen kommen; (d) Reaktive I. (reaktive Kontingenz): Hier treten Aktionen und Reaktionen ganz spontan auf (z.B. Springen von einem Thema zum anderen, impulsives Hilfeverhalten, reflexhaftes Zurückschlagen bei einem plötzlichen Angriff). (3) Dimensionen der I.: Hier kann unterschieden werden: (a) nach I.-Inhalten (z.B. Güter, Geld, Informationen); (b) nach der I.-Qualität/I.-Tiefe: Hier wären I. mit Tiefgang von lediglich oberflächlichen Kontakten zu unterscheiden. WISH hat mit Hilfe der ->• multidimensionalen Skalierung vier Subdimensionen gefunden: gleich vs. ungleich, kooperativ/freundlich vs. kompetitiv/feindselig, sozio-emotional/ informell vs. aufgabenorientiert/ formell sowie oberflächlich vs. tief. Vielfach wird auch zwischen Interaktionen aus Kalkül (z.B. Geschäftsbeziehung) und aus Gefühl (z.B. zwischen Freunden oder Ehepartnern) differenziert; (c) nach der I.-Häufigkeit, wobei gilt: Je öfter Pn (freiwillig) miteinander interagieren, desto stärker wird die Sympathie zwischen diesen Pn ausfallen (jedoch gilt auch: Je sympathischer
267
Interaktion, soziale
sich Pn finden, desto eher werden sie I. aufnehmen); (d) I.-Ebenen: ausgehend von BÜHLERS Funktionskatalog haben WATZLAWIK sowie SCHULZ VON THUN unterschiedliche Ebenen der sozialen -* Kommunikation (hier gleichbedeutend mit I.) unterschieden: die Ausdrucksebene, die Beziehungsebene, die Sachebene sowie die appellative Ebene. Störungen des Kommunikationsablaufs sind häufig dadurch zu erklären, dass zwischen Kommunikator und Rezipient die Ebenen der I. vertauscht bzw. verwechselt werden. (4) Phasen der I.: Jede I. ist ein prozessuales Ereignis (->• Skript -* Episode, soziale), das u.a. durch deskriptive Beobachtungsphasen gemessen werden kann. So hat bspw. BALES ein Kategoriensystem zur Klassifizierung des Verhaltens bei I. entworfen (—• Interaktions-ProzessAnalyse = IPA -* SYMLOG). Wichtig ist das Einspielen der I. Manchmal sind die Regeln der I. (z.B. durch Vorschriften, ungeschriebene Gesetze, Rituale) so weit vorgegeben, dass der I.-Spielraum gering bleibt und mehr oder weniger strukturell festgelegt wird. In vielen Fällen jedoch spielen sich die Regeln der I. erst ein (-• symbolischer Interaktionismus) und sind in dieser Entstehungsphase stark mit den Persönlichkeitsmerkmalen der I.-Partner verknüpft. Erst im weiteren Verlauf kommt es zu einer Verfestigung normativer -*• Erwartungen, welche die I. steuern, sowie zu einer Etablierung sozialer -*• Rollen.
268
Interaktion, soziale
unterscheidet Stadien der I., die auf partnerschaftliche soziale -> Beziehungen zugeschnitten sind: Kontaktaufnahme und Kennenlernen, Ausbau und Konsolidierung sowie Abbau und Beendigung der Beziehung. Diese Phasen sind zunächst im Kontext der sozialen Wahrnehmung zu sehen; ferner sind die wechselseitigen Verstärkungsprozesse zu beachten, die sich innerhalb des I.Verlaufs ergeben. In der Phase des Aufbaus und der Konsolidierung wird die I. in ihrer Häufigkeit und ihrem Tiefgang ansteigen; auch dürfte das Ausmaß der -» Selbstöffnung zunehmen. Ferner werden sich informelle Regelungsmechanismen (private norms) entwickeln, die lediglich im Austauschverhältnis der beiden I.-Partner Gültigkeit und Verbindlichkeit beanspruchen (z.B. was man beim anderen toleriert und was nicht). Insbesondere wird das -* Commitment in die Beziehung zunehmen, d.h. das weitere Schicksal der I. wird nicht nur von der KostenNutzen-Bilanz abhängen, sondern auch von den bisher getätigten Investitionen (-> Investment-Modell). Da andererseits die Möglichkeiten der gegenseitigen Verstärkung geringer werden (z.B. Nachlassen leidenschaftlicher Liebe) und vielfach auch Gemeinsamkeiten weniger werden (z.B. Auseinanderleben, Entfremdung), kommt es vielfach zur Auflösung oder Trennung, wobei die „Kittsubstanz" der Beziehung gewissermaßen aufgezehrt ist. Manchmal sind auch äußere Ereignisse fur den I.-Abbruch verantwortlich: am drastischsten sicherlich durch den Tod des I.-Partners, mitunter jedoch auch durch Berufsnotwendigkeiten, durch LEVINGER
Interaktion, soziale
Mobilität, durch einen anderen I.Partner, der aus der Sicht des Individuums eine günstigere Alternative darstellt. (5) Motive der I.: Als übergreifende Motivation könnte man Nutzenerwägungen ansehen, wie sie auch im Mittelpunkt vieler Austauschtheorien stehen (-> Interaktionstheorien). Eigennützige Überlegungen betreffen nicht lediglich die Frage des instrumenteilen Ausbeutens einer I.Beziehung, sondern auch die Überlegung, dass ohne Abstimmungsprozesse manche Ziele nicht erreichbar sind (-* Kooperation). Wichtig ist der Gesichtspunkt, dass viele zentrale Bedürfnisse (Motive) lediglich im Interaktionszusammenhang befriedigt werden können: z.B. das Geltungsbedürfnis, das Machtmotiv, das Aggressionsbedürfnis, das Altruismusmotiv. Neben diesen eher extrinsischen Beweggründen ist das Zusammensein mit anderen Menschen für die meisten Pn selbstbelohnend, so dass I. auch intrinsisch bedingt sein kann (-• Affiliation). Dies findet man naturgemäß eher im privaten und intimen Bereich, wobei starke Emotionen eine zusätzliche Bindekraft bewirken. Aber selbst bei Geschäftsbeziehungen (z.B. bei der Kundenbindung, bei der Geschäftstreue) sind die Bindekräfte nicht auf das bloße Kalkül von Kosten und Nutzen beschränkt, sondern enthalten -insbesondere bei länger dauernden Geschäftsbeziehungen - emotionale Aspekte des Vertrauens und des —• Commitments.
Interaktion, soziale
(6) I. und Attraktion: Die Wahrnehmung einer P als „schön" oder attraktiv steigert den Verstärkungswert einer I. mit dieser P, so dass die meisten Menschen soziale Beziehungen mit attraktiven Pn vorziehen. Insbesondere gilt dies für Individuen mit positivem Selbstwertgefuhl. Pn mit geringem Selbstvertrauen könnten dagegen eher dazu tendieren, I. zu attraktiven Partnern zu meiden, schon um der Gefahr der Ablehnung zu entgehen. Auch könnte die ¡.-Beziehung zu einem sehr attraktiven Partner auf Dauer zu anstrengend sein, sofern nicht eine Art der Attraktivität (z.B. Schönheit) durch eine andere Art der Attraktivität (z.B. Reichtum) kompensiert werden kann. Der Attraktionswert eines I.-Partners steigt auch, wenn dieser uns positiv beurteilt, lobt oder in unserer Meinung bestätigt. Nicht immer steigt jedoch die Sympathie für solche Pn, die uns einen Gefallen erweisen oder von denen wir Hilfe erwarten (-> Hilfe-Empfänger). Umgekehrt werten wir Menschen auf, denen wir einen Gefallen erweisen (—• Dissonanztheorie), da sich sonst schlecht erklären ließe, warum wir dies tun. Im Allgemeinen steigert auch wahrgenommene soziale -» Ähnlichkeit den Attraktionswert („Gleich und gleich gesellt sich gern"), was u.a. aus der Balancetheorie abgeleitet werden kann. Gemeint sind neben Einstellungsähnlichkeit auch Ähnlichkeit des Alters, des Status, der Lebensumstände, des Lebensstils, der Sorgen usw. Manchmal erfolgt die Wahl des I.-Partners aber auch nach den Gesichtspunkten der Kom269
Interaktionismus
Interaktions-Prozess-Analyse (IPA)
plementarität („Gegensätze ziehen sich an"): man findet einen I.-Partner gerade deshalb attraktiv, weil er Merkmale (z.B. Fähigkeiten) aufweist, die man selbst nicht besitzt. So sind z.B. einige Persönlichkeitseigenschaften auf Komplementarität angelegt (etwa: dominant vs. submissiv). Auch bei der Teambildung aus Experten unterschiedlicher Herkunft kommt es häufig auf komplementäre Fähigkeiten an. Allerdings ist es notwendig, die jeweils „komplementären Pn" unter „einen Hut" zu bringen. Lit.: Interaktionstheorien denztheorie
-* Interdepen-
Interaktionismus Während die Persönlichkeitspsychologie die besondere Bedeutung von —• Persönlichkeitsmerkmalen (traits) für menschliches Handeln hervorhebt, besteht der Situationismus (BOWER, MISCHEL u.a.) darauf, dass es kaum situationsübergreifende Persönlichkeitsmerkmale gibt. Ein vermittelnder Ansatz, der sog. I., versucht das soziale Verhalten des Menschen als Verschränkung von Persönlichkeitszügen und Situationswirkungen zu begreifen (sog. P x S-Modelle). Diese Perspektive begegnet uns bereits im klassischen Ansatz von LEWIN, wonach ein Verhalten als Funktion von P (für Person) und U (für Umwelt) zu betrachten sei. Dennoch gibt es über die Art der Verknüpfung von P und U (bzw. P und S) noch immer keine sehr klare Konzeption. Die SP neigt dazu, bei diesem Ineinandergriff die situativen Variablen als zentraler anzusehen, wobei insbesondere soziale Situationen im Vordergrund stehen.
270
Interaktionseffekt Bezeichnet den kombinierten Effekt von zwei oder mehreren unabhängigen Variablen in einem Experiment, der von der Summe der Haupteffekte abweicht.
Interaktions-Prozess-Analyse (IPA) Eine auf BALES zurückgehende Methode zur Beobachtung von sozialer -* Kommunikationen in interaktiven, aufgabenorientierten Gruppen. Aufgrund der Vorstellung, dass Gruppenerfolg insbesondere von zwei Funktionsbereichen (task-function und socio-emotional-function) abhängig ist, unterlegt BALES seinen Beobachtungsstudien vier Hauptkategorien mit jeweils drei Subdimensionen: (a) sozio-emotionale Orientierung positiv: zeigt Solidarität, Spannungsreduktion, Zustimmung; (b) sozio-emotionale Orientierung negativ: zeigt Gegensätze auf, erhöht Spannung und Ablehnung; (c) aufgabenorientierte Lösungsversuche: macht Vorschläge, äußert Meinungen, gibt Orientierung; (d) aufgabenorientierte Fragestellungen: holt Vorschläge ein, erfragt Meinungen, sucht nach Orientierungen. Das Verfahren hat sich in vielen Gruppenzusammenhängen als fruchtbar erwiesen. BALES hat dann später dieses Messinstrument sehr facettenreich weiterentwickelt und in seinem -^SYMLOG-Modell auch theoretisch verankert. BALES' ursprüngliche Studien zur I. haben u.a. auch die Führungsforschung beeinflusst (-> Führungsduale
Interaktion, symbolische
Interaktionstheorien
-* Führungsstile). Am Verfahren selbst wurde gelegentlich kritisiert, dass man sich auf verbale Kommunikationsformen beschränkt und die bedeutsame Rolle nonverbaler Signale vernachlässigt hat. Interaktion, symbolische -> Symbolischer Interaktionismus Interaktionstheorien Interaktionsritual Nach GOFFMAN eine Art Ausgleichshandlung, mit der ein angegriffener oder bedrohter Interaktionspartner die expressive Ordnung der Interaktion wiederherzustellen versucht. Interaktionstheorien Es gibt unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte, um soziale Interaktionen theoretisch aufzuarbeiten. Das vorliegende Stichwort gibt einen Überblick, für Detailinformationen vgl. die entsprechenden Verweise. (l)Theorien sozialen ->Austauschs: Die verschiedenen Exchange-Theorien fassen soziale Interaktionen als interpersonalen Austausch von Belohnungen und Bestrafungen (Kosten) auf, wobei weiter angenommen wird, dass jede Interaktion danach beurteilt wird, ob sie ausgewogen und gerecht ist. Soziologische Austauschmodelle stammen von HoMANS, BLAU, EMERSON u n d COLE-
MAN, sozialpsychologische Konzepte v o n THIBAUT & KELLEY, KELLEY, FOA & FOA u n d RUSBULT. D i e w o h l
fruchtbarste und auch komplexeste T h e o r i e ist d i e v o n THIBAUT & KELLEY (zuerst 1959) u n d KELLEY & THIBAUT ( 1 9 7 8 ) ; -> Austauschtheo-
rie
Interdependenztheorie.
Die
Verfasser verwenden eine MatrixDarstellung, um soziale Interaktionen in Abhängigkeit von den erwarteten Konsequenzen zu beschreiben (-» Ergebniskontrolle —• Verhaltenskontrolle). Die Bewertung der Konsequenzen wird abgeglichen mit einem (vergangenheitsbezogenen) Vergleichsniveau sowie einem Vergleichsniveau für Alternativen (das gewissermaßen Opportunitätskosten repräsentiert). KELLEY & THIBAUT b e t o n e n d e n A s -
pekt der Interdependenz (-> Interdependenztheorie), die durch die verschiedenen Formen der Kontrolle gegeben ist. Soziale Interdependenz kommt primär in der Komponente der Verhaltenskontrolle zum Ausdruck. Wenn die Erträge einer Aktivität durch Gemeinsamkeit wesentlich gesteigert werden, ist die Interdependenz besonders hoch. Generell gilt für Interdependenzstrukturen: Eine Interaktionssituation ist dann interdependent, wenn die persönlichen Handlungsergebnisse teilweise oder vollständig durch die Handlungen eines anderen oder mehrerer anderer Pn determiniert sind. Die Interdependenztheorie betont ferner die Möglichkeit der —• Transformation einer faktischen Matrix in eine effektive Matrix. Hierbei wird das Verhalten nicht nur von der Sorge um die eigenen Handlungsergebnisse bestimmt, sondern zusätzlich von der Sorge um die Handlungsergebnisse des Anderen. Die wichtigsten Transformationsformen sind: die kooperative (-»Kooperation) sowie die altruistische Transformation. Damit ist gemeint, dass eine P zusätzlich Erträge aus der Interaktions271
Interaktionstheorien
beziehung ziehen kann, wenn sie dem Interaktionspartner höhere Erträge überlässt. Dies kommt einem „Gewinn" aus altruistischem Handeln gleich, wobei Altruismus hier nicht als besonderes Motiv fungiert, sondern sich aus der Interaktionsbeziehung entwickelt. Eine Erweiterung des austauschtheoretischen Konzepts nimmt RUSBULT mit ihrem -> Investment-Modell vor. Neben der Zufriedenheit (Sat) als Differenz zwischen dem Nutzen (Rew) und den Kosten (Cst) der Beziehung ist die Bindung innerhalb dieser Beziehung (Com Commitment) zusätzlich abhängig von bisherigen Investitionen in diese Beziehung (Inv) abzüglich des antizipierten Nutzens der besten verfugbaren Alternative (Alt), so dass Com = Sat + Inv - Alt wobei Sat = Rew - Cst Während die meisten Austauschtheorien relativ abstinent in der inhaltlichen Bestimmung der Austauschelemente sind, befasst sich die -> Ressourcentheorie der Interaktion mit Ressourcenklassen, die auf zwei Dimensionen angeordnet sind: Partikularismus und Konkretheit. Ein Austauschmedium mit hohem Wert fur „particularism" richtet sich lediglich an begrenzte, in besonderer Weise ausgewählte Pn. Konkret sind z.B. handfeste Güter und Produkte. Geld kann mehr oder weniger abstrakte Formen annehmen. Die Theorie behauptet u.a.: Je ähnlicher zwei Aktionen in Bezug auf „concreteness" und „particularism" sind, desto wahr272
Interaktionstheorien
scheinlicher ist ein Austausch zwischen ihnen. Schließlich ist auch die -»EquityTheorie ein „Seitenarm" der Austauschtheorie. Schon HOMANS formuliert ein Prinzip distributiver Gerechtigkeit: „The more to a man's disadvantage the rule of distributive justice fails of realization, the more likely he is to display the emotional behavior we call anger" (HOMANS 1958). Die Gerechtigkeitstheorien haben sich allerdings später von der austauschtheoretischen Ausgangsposition entfernt und selbständig entwickelt Gerechtigkeit -» Gerechtigkeitsprinzipien —• Equity-Theorie). (2) Theorien sozialer Fertigkeit: Interaktion lässt sich als soziale Fertigkeit begreifen; erfolgreich zu interagieren wäre mit sozialer Kompetenz gleichzusetzen. Hier geht es u.a. um Techniken der Selbstdarstellung, um die Fähigkeit, Konflikte zu vermeiden oder angemessen auszutragen, die Möglichkeit, andere Menschen zu motivieren, die Fähigkeit, soziale Bindungen einzugehen, die Bereitschaft zur Kooperation, das Geschick bei Verhandlungen, die Kunst, andere Menschen zu überzeugen und zu überreden. Ein relativ abstraktes Modell sozialer Fertigkeit (das am -» TOTE-Modell angelehnt ist) bietet ARGYLE. Im Prinzip handelt es sich um ein einfaches Rückkopplungskonzept: ständige Korrekturen im Hinblick auf Sollund Ist-Werte sind möglich. ARGYLE unterscheidet dabei zwischen sozialer Kompetenz und sozialer Performanz: Kompetenz meint die Beherrschung der Prinzipien und Regeln
Interaktionstheorien
des sozialen Verhaltens, Performanz dagegen die aktuelle Umsetzung in konkretes Verhalten. Ein anderes Modell sozialer -* Kompetenz in Interaktionsbeziehungen bietet MCFALL. Dies ist ein Prozessmodell, in dem auf den einzelnen Stufen unterschiedliche Fertigkeiten (Decodierungs-, Entscheidungs- und Ausführungsfertigkeiten) von Bedeutung sind. Je nach „sozialer Aufgabe" sind verschiedene Fertigkeitskombinationen auf den verschiedenen Stufen angemessen. Entscheidend an diesem Modell ist, dass soziale Kompetenz nicht an irgendwelchen situationsübergreifenden Persönlichkeitsmerkmalen festgemacht wird, sondern am „Erfüllungsgrad" einer Aufgabe, wobei situationsspezifische Kompetenzbereiche unterstellt werden. Konzepte, die in besonderer Weise auf die Eindruckssteuerung konzentriert sind, werden im Rahmen der Theorien zur -> Selbstüberwachung (SNYDER 1979) sowie zum Impression management (GOFFMAN 1959; SCHLENKER 1980; TEDESCHI
1981) diskutiert. Dabei geht es um die Kontrolle des Eindrucks, den man bei anderen hervorruft. Die Theorie der Selbstüberwachung diskutiert eine Reihe von Variablen, die die Selbstüberwachungstendenz verstärken, z.B. Rollensituation, Wichtigkeit der Interaktion und ihrer Konsequenzen, geringe -»• Selbstaufmerksamkeit, besondere Instrumentalität des Verhaltens sowie einige Variablen, die als Folge dieser Tendenz auftreten (z.B. Imitation, Prinzipienlosigkeit, Konformität, inkonsistentes - manchmal einstellungs-
Interaktionstheorien
diskrepantes - Verhalten). Das Konzept des „Impression management" hat seinen Schwerpunkt in der Analyse besonderer Taktiken und Strategien, um den guten Eindruck beim Interaktionspartner zu kontrollieren. (3) Interaktionskonzept des -* Symbolischen Interaktionismus: Interaktives Verhalten wird auf der Basis wechselseitiger Interpretationsleistungen gesehen, die von Situation zu Situation in einem fortlaufenden Prozess als gemeinsames Produkt der Interaktionspartner hergestellt werden. Bei diesen Bedeutungszuschreibungen ist v.a. auch der soziokulturelle Kontext einzubeziehen. Auf diese Weise sind Situationen und Handlungen nicht eindeutig durch strukturelle und funktionale Vorgaben festgelegt; sie werden vielmehr entscheidend dadurch bestimmt, was der Handelnde für seine Aktivität und Absicht als relevant ansieht und wie er die Interaktionsbeziehungen im einzelnen ausdeutet (-> interprétatives Paradigma Selbst). Der symbolische Interaktionismus kann als alternative Konzeption zum Studium sozialer Interaktionen angesehen werden. Dafür spricht eine vom „mainstream" der SP abweichende Terminologie, Methodologie und Auffassung von Theorie. Zum anderen bietet dieser Ansatz eine wichtige Ergänzung zu Konzepten, die von vorgegebenen Normen und Rollen ausgehen und nicht genügend berücksichtigen, dass diese häufig plastisch und diffus sind und erst mit sinnhafter Bedeutung angefüllt und in Interaktionsprozessen konkretisiert werden müssen. Außerdem ist 273
Interaktionstheorien
der Hinweis auf die kulturabhängige Bedeutung von Interaktionselementen dringend geboten. (4) Andere interaktionstheoretische Ansätze: Beiträge zum Verständnis sozialer Interaktion finden sich u.a. auch im Bereich der Kommunikationsforschung, wobei soziale —• Kommunikation häufig mit Interaktion gleichgesetzt wird (z.B. bei ARGYLE u n d b e i WATZLAWICK). Die
Befunde der Kommunikationsforschung bieten dann Einsichten in Interaktionszusammenhänge, die sich auf die Vermittlung von Informationen beziehen. Auch die sog. Rollentheorie (-> Rolle, soziale) handelt von Interaktionsprozessen, und zwar von solchen, in denen die Akteure positional verankert sind und im Rollenzusammenhang handeln. Rollen können aus der Sicht des interpretativen Paradigmas auch als Interpretationsschemata besonderer Art verstanden werden. Rollen sorgen u.a. dafür, dass Interaktionen nicht bei „Null" beginnen, sondern dass von vornherein mit stabilen Festlegungen gerechnet werden kann, die einmal zur Erleichterung des Interaktionsprozesses beitragen und zum anderen auch die Bewahrung bestimmter Interaktionsstrukturen gewährleisten. Schließlich sind auch die Befunde zur -> Kooperation ein wichtiger Beitrag zum Studium sozialer Interaktionen. Die Erforschung kooperativen und kompetitiven Verhaltens ist unmittelbar anschlussfahig an die wohl wichtigste I., nämlich die von THIBAUT & KELLEY, zumal sowohl diese Theorie als auch die von der 274
Interdependenztheorie
Spieltheorie beeinflusste Kooperationsforschung mit Matrix-Darstellungen arbeitet. Ein damit eng in Verbindung stehender Problembereich ist die Analyse von -* Verhandlungen, die gleichfalls das Verständnis sozialer Interaktionen erweitert hat. L i t . : ARGYLE, M . ( 1 9 7 2 ) . S o z i a l e I n t e r a k t i o n . K ö l n . JONES, E . E . & GERARD, H . B .
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of
Interdependenzstruktur Eine interaktive Situation, in der die eigenen Handlungsergebnisse teilweise oder vollständig durch die Handlungen einer oder mehrerer anderer Pn bestimmt sind (-»• Interdependenztheorie —• Austauschtheorie).
Interdependenztheorie Die I. ist eine Weiterfuhrung und Neufassung der Austauschtheorie von THIBAUT & KELLEY ( 1 9 5 9 ) durch die gleichen Autoren (KELLEY & THIBAUT, 1978; vgl. auch KELLEY 1979, 1984). Diese Theorie beschreibt die besondere Verbindung der Handlungsergebnisse von zwei Personen A und B durch die Möglichkeit der gegenseitigen Einflussnahme und Kontrolle (-> Ergebniskontrolle Verhaltenskontrolle). Bezüglich der Ergebnisverknüpfung unterscheiden die Verfasser die folgenden Schlüsselmerkmale der
Interdependenztheorie
Interdependenz von Handlungsergebnissen: (a) Den Umfang der Abhängigkeit, d.h. das Ausmaß, in dem die Möglichkeit eines Individuums, gute Handlungsergebnisse zu erreichen, durch die Handlungen einer interdependenten anderen Pn beeinflusst wird. Solche Dependenzen sind häufig durch das Gefühl des -* Commitment der Verpflichtung in einer Beziehung charakterisiert; (b) Die Wechselseitigkeit der Abhängigkeit. Sie bezieht sich auf das Ausmaß, in dem zwei Individuen beidseitig oder einseitig voneinander abhängig sind, um gute Handlungsergebnisse zu erreichen. Starke Wechselseitigkeit käme einer symmetrischen Interaktionsbeziehung gleich; (c) Die Übereinstimmung der Handlungsergebnisse. Sie bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die Präferenzen gleichartig sind. Bei starker Übereinstimmung ergeben sich keine besonderen Probleme; im Gegenteil: Gemeinsamkeit der Aktivität verschafft einen zusätzlichen Anreiz. Bei ausreichender Übereinstimmung wird kooperatives Verhalten angeregt (-> Kooperation)] bei geringer Übereinstimmung werden kompetitive Verhaltensweisen angeregt, sofern nicht durch die Ausformulierung starker Normen das Wohl aller Beteiligten geschützt wird; (d) Die Grundlage der Abhängigkeit: Sie bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die Handlungsergebnisse einer P einseitig durch die Handlungen einer anderen P beeinflusst werden.
Interdependenztheorie
Interaktionsstrategien, mit deren Hilfe die Partner bestimmte Ziele zu erreichen suchen, bewirken, dass die Struktur der Interdependenz von Konsequenzen (wie sie sich konkret in Matrixform beschreiben lässt) durch einen oder beide Interaktionspartner transformiert wird. Dies bedeutet, dass jeder der Partner die mutmaßlichen Konsequenzen des anderen (aus der Sicht des anderen) in die Verhaltensplanung einbezieht. Dadurch wird grundsätzlich die Möglichkeit der Transformation der gegebenen Auszahlungsmatrix in die effektive Matrix nach Berücksichtigung der unterschiedlichen Wahmehmungs- und Attributionsprozesse der interagierenden Pn eingeführt (-»Interaktionstheorien). Zwei Transformationsprozesse sind dabei besonders bedeutsam. Die Hinwendung zu gemeinschaftlichen Verhaltensweisen (kooperative Transformation -* Kooperation) sowie die altruistische -* Transformation: A findet Handlungen belohnend, die B nützen (Bsp.: die besorgte Ehefrau setzt sich für eine Kur ihres Mannes ein, obgleich sie eine Zeit lang auf Gemeinsamkeit verzichten muss). Dies eröffnet „Gewinne" aus altruistischem Handeln. Ein weiterer zusätzlicher Aspekt ist nicht allein durch einen gegenseitigen Austausch von Belohnungen und Kosten gegeben, sondern auch durch die wechselseitige Abstimmung zwischen Interaktionspartnern, um das gemeinsame Ertragsniveau zu optimieren. Es bedarf also einer Koordination der Verhaltensmuster, die umso schwieriger sein kann, je mehr die Interessen der Beteiligten auseinander driften. In 275
Interferenz
Interdependenztheorie
solchen Situationen entscheiden Transformationen darüber, in welchem Maße überhaupt Kooperation eintritt und ob Unverträglichkeiten bzw. mangelnde Korrespondenz der Konsequenzen das Interaktions-Management bestimmen. KELLEY & THIBAUT gebrauchen hier den Begriff der —• Interferenz. Interferenzen entstehen dadurch, dass es (teilweise) Unvereinbarkeiten bei bestimmten Handlungssequenzen gibt (z.B. der Ehemann will im Fernsehen ein Fußballspiel sehen, die Ehefrau jedoch einen Spielfilm. Um diese grundsätzliche Inkompatibilität doch teilweise vereinbar zu machen, „zappt" man zwischen den Programmen hin und her). Die Interferenz senkt den möglichen Belohnungswert für beide Partner. Die Frage ist, wie die Akteure damit umgehen; dies ist wiederum abhängig von der Machtposition der Partner, ihrer Fähigkeit zur Koordination, von der Neigung zur Transformation sowie von der Verbindlichkeit privater Normen, an die man sich im Konfliktfall hält. Besteht ein erheblicher Anteil des Interaktionsrepertoires aus unvereinbaren Sets, ist also gleichsam der Gemeinsamkeitsvorrat gering, so ist die Wahrscheinlichkeit von „faulen Kompromissen" hoch, die eine Interaktionsbeziehung auf Dauer gefährdet. Lit.: ATHENSTAEDT, U . et al. ( 2 2 0 0 2 ) . D i e
Theorie sozialer Interdependenz. In: Frey, D. & Irle, M. (Hgs.) Theorien der Sozialpsychologie. Bd. II. Gruppen-, Interaktions- und L e r n t h e o r i e n . B e r n , 6 2 - 9 1 . KELLEY, H . H .
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York.
THIBAUT, J . W .
&
KELLEY,
H.H. (1959/ 2 1986). The social psychology of groups. New York. 276
Interesse (I) Dynamisches und motivierendes Merkmal, das eine dauerhafte positive Einstellung zu einem bestimmten Gebiet reflektiert. So werden z.B. bei Heranwachsenden über bestimmte Testverfahren berufliche I. ermittelt. (II) I. oder I.-Lagen kennzeichnen die besonderen Anliegen und Wünsche von Pn oder Gruppen vor allem im Verteilungskonflikt. Kollektive Zielvorstellungen sind meist rollenspezifisch (I. der Angestellten, der Bauern, der Vertriebenen) und vielfach verbandsmäßig gebündelt und organisiert (—• Konflikt, sozialer). Interessenkonflikt —• Konflikt, sozialer Intergruppen-Konflikt Interferenz Überlagerung psychischer Prozesse, die sich meist auch gegenseitig stören bzw. negativ beeinflussen (-+ Hemmung). I.-Prozesse sind bedeutsam in der Lern- und Gedächtnispsychologie. In der SP arbeiten KELLEY & THIBAUT i.R. ihrer —• Interdependenztheorie mit dem Begriff der I. Nach dieser Theorie tendieren Pn in Interaktionsbeziehungen zu negativer Reziprozität. Bsp.: A möchte sich mit B unterhalten, B möchte gemeinsam Musik hören. Beides ist (teilweise) inkompatibel. Die Gleichzeitigkeit der Aktivitäten trübt den Wert des Unterhaltens ein, gleichfalls den Wert des Musikhörens. Das Ausmaß der Störung (und damit auch des sozialen -* Konflikts) ist dabei abhängig von der Zahl miteinander
Intergruppen-Beziehungen
unvereinbarer „Sets", dem Ausmaß der Unvereinbarkeit, der Intensität der Sets (aus der Sicht der Akteure) sowie der relativen Stärke (Einfluss, Machtposition) der Akteure. Da jede soziale -* Beziehung, die dauerhaft sein will, einen Mindestbestand an verträglichen Sets aufweisen muss, gibt es Wege zur Herstellung von Kompatibilität, z.B. vorgängige Selektion des Partners nach Gesichtspunkten gemeinsamer Interessen, Synchronisierung paarweiser Sets, Eliminierung ständig inkompatibler Sets (z.B. Ehemann gibt das Rauchen, das Bergsteigen, das Tennisspielen auf, die Ehefrau verzichtet dagegen auf das Damenkränzchen oder den Liebhaber; nur diejenigen Interaktionen werden beibehalten, die für jeden der Beteiligten belohnend sind).
Intergruppen-Beziehungen In der traditionellen Kleingruppenforschung (-» Gruppe, soziale) ist vorrangig dem Binnensystem der Gruppe Beachtung geschenkt worden, während die Beziehungen zum externen System, also zu anderen Gruppen, vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit fanden. Erst durch die einflussreiche Theorie sozialer —• Identität wurde dieses Terrain erneut erschlossen (-* Intergruppen-Konflikt). unterscheidet I. nach positiver und negativer Abhängigkeit zwischen Gruppen. Negativ abhängig, indem das Gruppenziel nur auf Kosten der jeweils anderen Gruppe erreicht werden kann. Dies ist i.d.R. bei Wettbewerbssituationen der Fall. Positiv abhängig, indem ein bestimmtes Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann (z.B. durch -* Kooperation oder -> Solidarität).
(I)SHERIF
Intergruppen-Beziehungen
Positive Abhängigkeit bewirkt freundliches, kommunikatives und kooperatives Verhalten zwischen den Gruppen, während negative Abhängigkeit entsprechend abwertende Einstellungen und Vorurteile gegenüber anderen Gruppen begünstigt. Der Aufbau eines Feindbildes (etwa im Falle einer Bedrohung) fuhrt im internen System der Eigengruppe zu verstärkter -> Solidarität und Kohäsion. (2) DEUTSCH differenziert zwischen kooperativen und kompetitiven Beziehungen zwischen Gruppen. Dabei geht er von -* „mixed motive-Situationen" aus. So kann die kooperative Orientierung individualistische, altruistische, kollektivistische und egalitäre Komponenten enthalten; die kompetitive Orientierung dagegen individualistische, feindselige, rivalisierende und defensive Elemente. DEUTSCH hat in zahlreichen Untersuchungen aufgezeigt, dass kompetitives Verhalten bedeutende Konfliktpotentiale impliziert (-> Konflikt, sozialer). Negative Auswirkungen bestehen insbesondere in eingeschränkter Kommunikation, in selektiver Wahrnehmung, in negativen, diskriminierenden Einstellungen, in der Legitimierung von Zwangsmitteln sowie in der Akzeptanz autokratischer Führung. Während die Erfahrung der Kooperation (nach DEUTSCH) eine Eskalation wachsender Kooperation erzeugt, bewirkt Kompetition eine Spirale sich verdichtender Konkurrenz. (3) Balancetheoretisch gilt, dass durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe eine positive Einheitsrelation entsteht, was wiederum eine positive 277
Intergruppen-Beziehungen
Wertrelation zur eigenen Gruppe bewirkt. Dies würde auch die Begünstigung der Ingroup erklären, die - wie SCHIFFMANN & WICKLUND gezeigt haben - nicht durch die -*• Kategorisierung (i.S. der Theorie sozialer -* Identität) als solche, sondern durch kategorisierungsbedingte Sympathie zustande kommt. In analoger Weise lässt sich die Abwertung der Out-group erklären, nämlich durch eine negative Einheitsrelation und die daraus sich ableitende Diskriminierung der Fremdgruppe. Die Balancetheorie hat im Übrigen wie die Theorie der sozialen Identit ä t - den Vorteil, sowohl für dyadische Beziehungen und Kleingruppen, als auch für -* Quasi-Gruppen (Merkmals-Gruppen), z.B. Nationen, Geltung zu beanspruchen. (4) Die heute wichtigste Theorie zur Erklärung von I. ist die Theorie der sozialen Identität (SIT) (-> Identitätstheorie, soziale). Sie beschäftigt sich ausschließlich (einseitig?) mit Problemen negativer Abhängigkeit, also mit negativen I. Konstitutiv für diese Theorie ist der Prozess der —• Kategorisierung: Das bloße Vorliegen einer Kategorisierung selbst in bedeutungslosen Merkmalen ist ausreichend, um einen „Ingroup-bias" zu erzeugen. Selbst minimale Bedingungen (z.B. die Aufteilung nach Präferenzen für Bilder von Klee oder Kandinsky) führen zu Akzentuien/ngs-Effekten (minimal group paradigm) und dazu, dass die eigene Gruppe bevorzugt wird. So waren Vpn sogar bereit, auf größere Belohnungen zu verzichten, wenn sie durch eine alternative Belohnungsaufteilung den Unterschied zwischen 278
Intergruppen-Beziehungen
den Belohnungen der Ingroup und der Outgroup vergrößern konnten. Diese Effekte bedeuten im Zusammenhang mit der SIT, dass der Selbstwert, als dessen Teil die soziale -* Identität anzusehen ist, gesteigert werden kann, indem die Außengruppe diskriminiert wird. Außerdem werden Mitglieder der Außengruppe als homogener (in Bezug auf Fähigkeiten und Meinungen) wahrgenommen, während die Eigengruppe differenzierter gesehen wird (was durch die genauere Kenntnis der Ingroup ermöglicht wird). Dies ist insbesondere für einen Hauptanwendungsfall der SIT von Bedeutung: nämlich das Verhältnis zwischen Majorität und Minorität, wobei i.d.R. die Minorität größere Anstrengungen unternimmt, um ihr Selbstbild aufzubessern (-> Minoritätseinßuss). Für diese und ähnliche Anwendungsfälle gilt, dass die SIT I. in einem sehr weiten Sinne analysieren kann, nämlich nicht nur überschaubare Kleingruppen, sondern auch kategorienbesetzte Einheiten im Sinne von Merkmalsgruppen oder Quasi-Gruppen (z.B. Arbeitnehmer vs. Arbeitgeber, Moslems vs. Christen, Ausländer vs. Deutsche, Ossis vs. Wessis, Männer vs. Frauen) untersuchen kann . Ein weiterer Vorteil der SIT ist es, dass sie unter der Perspektive der „social Cognition" zu einer Wiederentdekkung der sozialen Gruppe führte (-»Gruppenprozesse). Lit.: DEUTSCH, M. (1976). Konflitkregelung: Konstruktive und destruktive Prozesse. München, Basel (Orig. 1973). HOGG, M.A. & ABRAMS, D. (1988). Social identification: A social psychology of intergroup relations and group processes. London. SHERIF, M. & SHERIF, C.W. (1969). Social psychology. New York. TAJFEL, H. (1981). Human
Intergruppen-Konflikt
Intergruppen-Konflikt groups and social categories: Studies in social psychology. Cambridge (dt. 1982). TAJFEL, H . & TURNER, J . C . (1979). A n integra-
tive theory of intergroup conflict. In: Austin, W.G. & Worchel, S. (eds.) The social psychology of intergroup relations. Monter e y / C A . , 3 3 - 4 7 . TAYLOR, D . M . & M o c HADDAM, F . M . ( 1 9 8 7 ) . T h e o r i e s o f inter-
group relations: International social psychological perspectives. New York. TURNER, J . C . et al. ( 1 9 8 7 ) . R e d i s c o v e r i n g t h e social
group: A self categorization theory. Oxford. WORCHEL,
S.
&
AUSTIN,
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Intergruppen-Konflikt ->• Inter gruppen-Beziehungen -* Identität, soziale —• Identitätstheorie, soziale Konflikt, sozialer Kategorisierung Intergruppen-Beziehungen werden häufig als I. thematisiert. Insbesondere scheint der kognitive Bias, der in der Theorie der sozialen -* Identität zunächst zu einer -* Kategorisierung, sodann aber zu einer Diskriminierung der Fremdgruppe führt, eine solche Gleichsetzung nahezulegen. Jedoch dürfte diese Urteilstendenz lediglich bei Vorliegen bestimmter Bedingungen verhaltenswirksam sein, so dass es voreilig wäre, eine deterministischzwangsläufige Neigung zur Diskriminierung von Außengruppen anzunehmen. „Realistischer" I.: SHERIF & SHERIF haben sich im Nachgang zu ihren „Ferienlager-Experimenten" (-»Exp. 30) und in Auseinandersetzung mit der These des Ethnozentrismus S U M N E R S mit der Entstehung von Konflikt und Aggression zwischen Gruppen angesichts Nullsummen-Situationen beschäftigt, bei denen jede Gruppe einen Vorteil lediglich auf
(1)
Kosten der Anderen erreichen kann. Soziale -* Vorurteile und feindseliges Verhalten leiten sich danach vorwiegend aus der Struktur der Beziehung zwischen den Gruppen ab und sind eng mit der jeweiligen Interessenlage (und den daraus resultierenden Interessenkonflikten) verbunden. Demgegenüber kommt individuellen Merkmalen (wie Zuneigung oder Abneigung zwischen einzelnen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen) eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Auch der häufige Kontakt zwischen Gleichrangigen war allein nicht ausreichend, um eine positive Intergruppenbeziehung zu erzeugen (—> Kontakthypothese). Lediglich die Etablierung eines übergeordneten gemeinsamen Ziels schien imstande, den I. zu reduzieren. (2) Kategorisierung/Diskriminierung: Nach TAJFEL und seinen Mitarbeitern genügt bereits eine minimale Gruppensituation (-»Exp. 31), um die Wirkungskette: - Kategorisierung Distinktheit Diskriminierung und Feindbild („wir" und „ihr*') - aufzubauen (-•minimalgroup-paradigm). Es bedarf also keines Kampfes um knappe Ressourcen; ein kognitiver Bias genüge, um eine Atmosphäre des Konflikts zu schaffen. Genau genommen beschreibt die Theorie der sozialen Identität nicht die Entstehung und den Umgang mit Konflikten; sie erklärt lediglich, wieso es zu einer Tendenz der Diskriminierung gegenüber der Outgroup kommt, die jedoch den Nährboden für soziale Konflikte (also z.B. tatsächliche Konflikthandlungen) bildet.
279
Intergruppen-Konflikt
Intergruppen-Konflikt
Eine Verbindungslinie zwischen Diskriminierung und Ressourcen-Verteilung bildet bereits das Experiment v o n TAJFEL et al. (-»• Exp.
31).
Die
bloße Kategorisierung genügte bereits, Ressourcen ungleich zu verteilen, so dass die Eigengruppe bevorzugt wurde. Die Vpn waren darüber hinaus sogar bereit, auf größere Belohnungen zu verzichten, wenn sie durch eine andere Belohnungsaufteilung den Unterschied zwischen den Belohnungen vergrößern konnten. Wenn die Vpn z.B. zwischen 12 Punkten für die eigene und 11 Punkten für die andere Gruppe (Alternative 1) oder 7 Punkten für die eigene und 1 Punkt für die andere Gruppe (Alternative 2) wählen konnten, entschieden sie sich überwiegend für das zweite Aufteilungsmuster (-> Orientierungen, soziale). (3) In der Realität sind natürlich kognitive Mechanismen in starkem Maße mit unterschiedlichen Privilegien, Status und Ressourcen verbunden, so dass beide Aspekte für die Entstehung von Konflikten verantwortlich sein dürften. Dies betrifft z.B. Kognitionen, die auf eigene Benachteiligung gerichtet sind („Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg"). Wichtig ist allerdings die Frage, ob, in welchem Ausmaß und mit welchem Ergebnis —• Vergleichsprozesse stattfinden. Außerdem spielt es eine Rolle, wie die Status- und Ressourcen-Unterschiede legitimiert werden (z.B. als gottgewollt im indischen Kastensystem). Darüber hinaus zeigt die Theorie der sozialen Identität eine Reihe von Möglichkeiten auf, wie dissonante Vergleiche reduziert werden können. So kann 280
etwa die Kategorien-Salienz dadurch abgeschwächt werden, dass übergreifende („Wir sind letzten Endes alle Deutsche") oder gemeinsame Kategorien („Wir sitzen doch alle im gleichen Boot") betont werden. Multiple Kategorisierungen eröffnen ferner die Chance, dass Individuen nicht in allen Fällen beim Vergleich schlecht abschneiden. Multiple Spannungslinien (cleavages) bewirken, dass die Gesellschaft in jeweils unterschiedlichen Ebenen in Teilpopulationen gespalten wird (z.B. Konflikte zwischen Religionen, zwischen Rassen, zwischen Landsmannschaften, zwischen Pn mit sicherem und unsicherem Job, zwischen Arbeitern und Angestellten). Solche Spannungslinien werden erst dann virulent, wenn einer dieser Gegensätze dominant wird oder sich die sozialen Spaltungen überlagern. Da viele soziale Konflikte I. darstellen, können die einschlägigen soziologischen und sp Befunde aus der allgemeinen Konfliktforschung hier einbezogen werden. Dazu gehören (neben der eher soziologischen Analyse sozialer Spannungslinien) z.B. die Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen Frustration und -» Aggression sowie die verschiedenen Theorien der relativen sozialen -* Deprivation, ferner die Aussagen der -* Equity-Theorie zur Wahrnehmung sozialer Ungerechtigkeiten sowie die Forschungsergebnisse zur Problematik von sozialen -* Minderheiten. Von besonderer Bedeutung sind auch DEUTSCHS Analysen zu den Entstehungsbedingungen, Verlaufsformen und Regelungsmechanismen im Hinblick auf soziale -* Konflikte.
Interkulturelle Valenz
konzentriert sich hierbei auf die Voraussetzungen und Auswirkungen kooperativen vs. kompetitiven Verhaltens. DEUTSCH
Interkulturelle Valenz So bezeichnet GERGEN die Gültigkeit sp Befunde und Theorien auch in interkultureller Hinsicht. Arbeiten aus der interkulturellen —> Sozialpsychologie deuten an, dass viele sp Konzepte kulturgebunden sind, z.B. lediglich für entwickelte westliche Länder gelten und insofern nicht über Gebühr verallgemeinert werden dürfen (z.B. die Theorie der Leistungsmotivation oder attributiontheoretische Vorstellungen). Vielmehr dürfte es sich häufig um Quasi-Theorien (H. ALBERT) handeln, die lediglich für einen bestimmten raumzeitlichen Ausschnitt gelten.
Intermittierende Verstärkung -*
Verstärkerpläne
Internalisierung Verinnerlichung. Gegenstand der I. können sein: Nonnen, Regeln und Standards, Wertvorstellungen und soziale Rollen. Man drückt dies dann so aus, dass bestimmte Normen (z.B. Hygienenormen, die in einem aufwändigen Prozess der Reinlichkeitserziehung erst konditioniert werden müssen) in „Fleisch und Blut" übergehen. Oder: dass P in ihrer sozialen Rolle (z.B. als Lehrer, als Pfarrer, als Arzt) völlig aufgeht (Rollenidentifikation). Ein bedeutsamer Aspekt der I. ist, dass die internalisierten Elemente Bestandteil der Persönlichkeit werden. Auf dem Wege der Verinnerlichung übernimmt das Individuum die externen
Internalisierung
Standards - die Verhaltensmuster der Sozialisatoren - und macht sie zu seinen eigenen. Dabei ist zu beachten, dass das Individuum mitsamt dem Verhaltensmuster auch die Sanktionsinstanz internalisiert. Statt einer externen sozialen Kontrolle durch bestrafende oder belohnende Personen im Bezugskreis des Individuums ist P nunmehr in einer Lage, sich selbst zu belohnen (z.B. für Normkonformität, für das Erreichen von Leistungszielen) oder zu bestrafen (z.B. schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle bei abweichendem Verhalten; Ärger oder Wut, wenn gesteckte Ziele nicht erreicht/ realisiert werden). Die I. lässt sich z.T. lerntheoretisch durch die besondere Extinktionsresistenz solcher Verhaltensweisen erklären, die durch diskontinuierliche Verstärkungen (—• Verstärkerpläne) zustande gekommen sind. Lerneffekte treten hierbei erst später auf, während sie jedoch nach ihrer Etablierung relativ änderungsresistent sind. Ein besonders effizienter Weg der I. von Verstärkern (-» Selbstverstärkung) dürfte das - > Modell-Lernen sein. Selbstverstärkung wird hier in sehr viel direkterer Weise, nämlich durch Beobachtung von sich selbst verstärkenden Modellen, gelernt. Dabei werden nicht nur die Verstärker selbst, sondern auch Verhaltensweisen internalisiert, an denen sich Selbstverstärkungen orientieren. Gerade die allmähliche Substitution von externen Verstärkern stellt eine zentrale Komponente des Sozialisations- und Motivationsprozesses dar. Ein auf diese Weise gefestigtes Verhalten bedarf keiner externen Belohnung (-»Motivation, intrinsische)-, auch ist für seine 281
Internals
Interprétatives Paradigma
Beibehaltung keine soziale -*• Kontrolle mehr nötig.
Internet Kommunikation, computervermittelte
Neben den beschriebenen lernpsychologischen Mechanismen sind auch kognitive Prozesse (z.B. Attributionen, Dissonanzreduktion) an der Entstehung der I. beteiligt (intrinsische -* Motivation). Vertreter der SP, die behavioristische Konzepte meiden, sehen hierin die „eigentlichen" Wirkungsmechanismen bei den Vorgängen der I. Entwicklungspsychologen verfolgen das Konzept i.R. bestimmter -»• Sozialisationsstile. Eine diesbezügliche Theorie stammt von HOFFMAN. Nach dieser Auffassung können elterliche Reaktionen auf wahrgenommenes unerwünschtes Verhalten von Kindern bestehen in: Liebesentzug, Machtausübung und Induktion (letzteres meint die Ausrichtung darauf, beim Kind eine bestimmte Sichtweise des Fehlverhaltens hervorzurufen, die insbesondere auf Andere Rücksicht nimmt). Nach GRUSEC & GOODNOW kommt es dabei zusätzlich auf die Form an, in der Eltern solche Erklärungen vermitteln.
Interpretationsbedürftigkeit (I)Nach FESTINGER die Neigung des Individuums, im Falle fehlender Eindeutigkeit soziale —• Vergleichsprozesse vorzunehmen oder -» Heuristiken anzuwenden.
Lit.: BANDURA, A . ( 1 9 7 9 ) . S o z i a l - k o g n i t i v e
Lerntheorie. Stuttgart (Orig. 1971). BANDURA, A. (1986). Social foundations of thought and action. Englewood Cliffs/N.J. GRUSEC, J . E . & KUCZYNSKI, L . ( e d s . ) ( 1 9 9 7 ) . Paren-
ting and childrens' internalization of values. N e w Y o r k . HOFFMAN, M . L . ( 1 9 8 3 ) . A f f e c -
tive and cognitive processes in moral internalization. In: Higgins, E.T. et al. (eds.) Social cognition and social development. Camb r i d g e , 2 3 6 - 2 7 4 . IRLE, M . ( 1 9 7 5 ) . L e h r b u c h
der Sozialpsychologie. Göttingen. SCOTT, J.F. (1971). Internalization of norms. Englewood Cliffs/N.J.
Internals -»Kontrolle, kognizierte Locus of control
282
(II) Nach Auffassung des interpretativen Ansatzes der Soziologie/SP sind die jeweiligen Handlungssituationen und Interaktionen nicht eindeutig durch strukturelle und funktionale Vorgaben festgelegt, sondern in höchstem Maße durch die Interaktionspartner auslegungsbedürftig (—• Interprétatives Paradigma). Auch sind soziale Normen gelegentlich labil, diffus und inkonsistent (z.B. generelle Normen wie: Sittenwidrigkeit, Gerechtigkeit), so dass in solchen Fällen der Norm-Labilität Interpretationsbedarf besteht, indem evtl. zusätzliche Ausdeutungsregeln formuliert werden müssen (die u.U. ihrerseits wieder der Auslegung bedürfen). Interprétatives Paradigma Nach WILSON geht das I. davon aus, soziales Handeln als ein von den Individuen konstruiertes Handeln anzusehen. Handeln vollzieht sich demzufolge in einem ständigen Interpretationsprozess, d.h. der Handelnde setzt innerhalb eines bestimmten Rahmens die Objekte seiner Umwelt, das Verhalten seiner Mitmenschen und auch sein eigenes Tun in Bezug zu sich selbst. Auf diese Weise sind Situationen und Handlungen nicht mehr allein durch strukturelle und funktionale Vorgaben festgelegt; sie werden vielmehr entscheidend dadurch bestimmt,
Inter-Rollenkonflikt
Intimität
was der Handelnde für seine Aktivität und Absicht als relevant ansieht und wie er die Interaktionsbeziehung im Einzelnen ausdeutet.
Dabei hat insbesondere die VermittlerRolle besondere Aufmerksamkeit gefunden (-> Mediator).
Dieser Ansatz fuhrt demnach soziale -* Normen und soziale Rollen nicht als vorgegebene Größe ein, sondern betrachtet sie als modellierbar und interpretationsbedürftig. Ein solcher Gestaltungsspielraum ist jedoch gleichfalls durch den Kontext festgelegt. So sind bspw. Normen und Rollen in bürokratischen Organisationen weitgehend fixiert, während sie in romantischen Beziehungen erst eingespielt und gestaltet werden müssen. Je länger jedoch die soziale -* Beziehung andauert, desto eher erlangen die eingespielten Normen Verpflichtungscharakter.
Umgangssprachlich wird der Begriff häufig mit sexueller Intimität gleichgesetzt. Der sp Gebrauch dieses Begriffes erfolgt uneinheitlich; er kann u.a. in folgenden Kontexten verortet werden:
Inter-Rollenkonflikt flikt
Rollenkon-
Intervention Das Eingreifen eines Dritten, das dazu beitragen soll, einen sozialen Konflikt zwischen zwei oder mehreren Pn oder Parteien zu lösen. Nach SHEPARD kann dabei zwischen Prozesskontrolle (Art und Weise, wie der Streit geschlichtet werden kann, einschließlich der Darstellung der konfliktrelevanten Fakten) und Entscheidungskontrolle (Festsetzung des Ergebnisses) unterschieden werden. Je nach den vorliegenden Kontrollmöglichkeiten kommen in Betracht: (a) (b) (c) (d)
die Rolle des Anregers; die Rolle des Inquisitors; die Rolle des Schiedsrichters; die Rolle des Vermittlers.
Intimität
(I) Für STERNBERG gilt I. als gemeinsame Komponente für -* Liebe und Sympathie (mögen). Nach dieser Auffassung sind „mögen" und Liebe lediglich quantitativ auf einer Dimension der interpersonellen Attraktion unterschieden. (II) Intime Verbindungen haben eine besondere Beziehungsqualität, die in hohem Maße von Liebe, Zuneigung und Vertrauen gekennzeichnet ist. Eine solche Beziehung beruht auf Gefühl, nicht auf Kalkül, so dass eine Austauschorientierung unangemessen erscheint. Für solche Bindungen gilt u.a. das Prinzip der altruistischen —> Transformation. (III) Die expressive Umsetzung von I. beruht nicht nur auf verbalen Stimuli, sondern daneben vor allem auf nonverbaler -*• Kommunikation (z.B. Gesichtsausdruck, Augenkontakt, körperliche Berührung, paraverbale Reize). Solch nonverbales Verhalten kann auch als Indikator für I. gelten, kann andererseits jedoch auch Wünsche oder Strategien offenbaren, mit anderen Pn in den Zustand der I. zu gelangen. (IV) Im Sinne des Phasenmodells von LEVINGER (-* Beziehungen, soziale 283
Intimität
—• Interaktion, soziale) haben die Theorie der sozialen Durchdringung ( A L T M A N & T A Y L O R ) sowie das Konzept der —> Selbstöffnung (JOURARD) I. definiert als Tiefe und Breite kommunikativer Akte, in denen man sich gegenüber dem Anderen über sehr „private" Dinge sowie über seine Gefühle äußert. Dies setzt allerdings ein gewisses —• Vertrauen voraus, da man sich gleichsam dem anderen „ausliefert". Die Befunde zeigen im Übrigen, dass Frauen mehr zu intimer Selbstöffhung neigen als Männer. Auch sind Frauen häufiger der Ansprechpartner für intime Dinge. (V) In entwicklungspsychologischer Hinsicht (z.B. bei ERIKSON) bedeutet I. das Überwinden der Isolation und den Aufbau von Vertrauen sowie die Öffnung gegenüber anderen, so dass der Heranwachsende zu einem „gesunden" Gefühls- und Liebesleben fähig ist. (VI) M C A D A M S postuliert ein Intimitätsmotiv und zeigt Bezüge zum -»Machtmotiv und zum Affiliationsmotiv auf (->Affiliation -> Affiliationstheorien). Das I.-Motiv differenziert also das Ausmaß, in dem Pn den Wunsch haben, „herzliche" und „warme" Beziehungen zu anderen zu haben. Die Ausprägung dieses Motivs ist sicherlich auch ein Produkt frühkindlicher Sozialisationsprozesse (-• Bindungstheorie). Lit.: ALTMAN, I. & TAYLOR, D.A. (1973).
Social penetration: The development of interpersonal relationships. New York. DERLEGA, V . J . (ed.) (1984). Coimnunication, in-
timacy and close relationships. New York. MCADAMS, D . P . (1989). Intimacy: The need
to be close. New York.
284
Investment-Modell
Intranet Kommunikation, computervermittelte Intra-Rollenkonflikt flikt
Rollenkon-
Introspektion Selbstbeobachtung eigenen Erlebens, das ein gewisses Vorverständnis psychischer Sachverhalte vermitteln soll. Wegen fehlender intersubjektiver Prüfbarkeit fehlt hier die Zuverlässigkeit. Die I. kann jedoch heuristische Hinweise für den -* Entdeckungszusammenhang liefern. Intuitive Theorien -* Theorien, subjektive Invaliditätsangst Zuerst von KRUGLANSKI i.R. des Konzepts zur Laienepistemologie aufgegriffener Zustand (fear of invalidity), vor einer wichtigen Entscheidung nicht über das notwendige Wissen zu verfugen. Der Begriff I. hat auch im Kontext des -»• MODE-Modells eine zentrale Bedeutung. Investment-Modell -*• Austauschtheorien —• Interaktionstheorien Das I. von RUSBULT (vgl. auch RusBULT & B U U N K ) versucht, die Tendenz einer P zu erklären, eine soziale -* Beziehung aufrechtzuerhalten und sich psychologisch an sie gebunden zu fühlen. Dieses -* Commitment wird durch drei Faktoren begründet: (a) durch die Zufriedenheit (Sat), d.h. die durch die Beziehimg gegebenen positiven Anreize (Rew), abzüglich der Kosten (Cst); (b) durch die niedrig eingeschätzte Qualität von Alternativen (Alt) (-» Vergleichsniveau fiir Alterna-
Involvement
Involvement
tiveri), d.h. des Vorhandenseins einer solchen Alternative (auch Allein-Sein oder Arbeitslosigkeit wäre eine solche), wobei mit wachsender Bindimg Alternativen (i.S. der -»Dissonanztheorie) abgewertet werden; (c) durch die Höhe der Investitionen (Inv), die sich auf die Art und Weise bezieht, wie Menschen eine Bindung aufbauen, Gemeinsamkeiten erschließen, Zeit und Energie investieren usw. Das Commitment errechnet sich dann aus Com = (Rew - Cst) + Inv - Alt Problematisch an diesem Konzept ist die Trennung von Kosten (die die Beziehung belasten) und Investitionen (die sie aufwerten).
Involvement Innere Beteiligung, Betroffenheit, Engagement, auch: wahrgenommene Relevanz eines Sachverhalts oder Objekts, die auf Bedürfnissen, Werten oder Interessen beruht. Der Begriff wird in unterschiedlichen Kontexten verwendet: (I)In der Kommunikationsforschung: (-> Kommunikation, soziale): Hier geht der Begriff auf KRUGMAN zurück und wird auch von SHERIF u.a. verwendet (-> Ich-Beteiligung), Hohes I. ist charakterisiert durch bewusste „Brückenerfahrungen", d.h. den gedanklichen Verbindungen (connections) zwischen dargebotenen Informationen und den persönlichen Vorstellungen. Unterschieden wird zwischen zeitweiligem (situationalem) und
dauerhaftem
I.
(ROTHSCHILD).
Differenziert werden ferner zwei Di-
mensionen: Intensität und Richtung des I. Unterstellt werden dabei verschiedene Wirkungshierarchien: Nach KRUGMAN entwickeln sich in low-I.Situationen Einstellungen nach einer abgeschlossenen Handlung aufgrund der auftretenden Konsequenzen, während bei high-I.-Situationen die Informationsstimuli erst durch Einstellungen gefiltert werden. Die I.-Variable ist im Übrigen nahezu identisch mit der Motivationsvariablen im -* ELM (unter Ausklammerung der Fähigkeitsdimension). (II) In der -* Werbung: Das hier zugrundegelegte Konzept des I. entspricht im Großen und Ganzen dem Gebrauch in der Kommunikationsforschung, hat in diesem Kontext jedoch weitere Ausgestaltung und stärkere Differenzierung erfahren. Zu unterscheiden ist Bedarfs-I. (z.B. aufgrund eines anstehenden Kaufs) und Interessen-I. (z.B. aufgrund einer dauerhaften Hinwendung oder besonderer Kompetenz). Ein zentraler Aspekt ist dabei, dass Werbeappelle für Rezipienten mit low-I. grundsätzlich anders gestaltet sein müssen als Botschaften, die sich an hochinvolvierte Pn richten. Im erstgenannten Falle wird man in erster Linie auf die Aufmerksamkeitslenkung achten (z.B. Vividness, ->• Salienz) sowie auf eine Aktivierungs- und Emotionalisierungswirkung zielen (z.B. durch aufmerksamkeitsstiftende Bildwerbung). Im Bereich des high-I. hat der Umworbene (potentielle Käufer) eher Interesse an informierendem Material. (III) In der —> Organisationspsychologie-. Hier wird der Ausdruck i.S. von „Einbindung" verstanden. Auch hier werden mehrere Zielrichtungen des I. 285
Involvement
Inzest-Tabu
unterschieden: Aufgaben-I. (besonderes Engagement für die Aufgabe), Organisations-! (außergewöhnliches Engagement für die Organisation) und Gruppen-I. (besondere Einbindung in die Arbeitsgruppe oder Abteilung). Z.B. besteht Aufgaben-I. nach LoDAHL & KEJNER aus den Dimensionen:
tional commitment, organisationale Identifikation, compliance, -*organizational citizenship behavior) bestehen und das Verhältnis dieser Konzepte zueinander bisher wenig Klärung erfahren hat.
(a) Ausmaß der Identifikation mit der Arbeit; (b) Zentralität (gegenüber anderen Lebensbereichen); (c) Gütemaßstab bezüglich der geleisteten Arbeit; (d) Auswirkungen auf das Selbstwertempfinden.
In nahezu allen Kulturen Verbot der Heirat bzw. Aufnahme sexueller Beziehungen innerhalb einer Verwandtschaftsgruppe. Neuere Studien von A.P. WOLF unterstützen die von WESTMARCK aufgestellte Hypothese, dass das frühe vertraute Verhältnis zwischen Mutter und Kind oder etwa unter Geschwistern durch gemeinsames Aufwachsen sexuelles Verlangen unterbinde.
Das I.-Konzept als eigenständiges Konstrukt bleibt jedoch umstritten, zumal erhebliche Konfundierungen mit verwandten Ansätzen (z.B. organiza-
286
Inzest-Tabu
Just-world
Job characteristics-Modell J
Job characteristics-Modell -* Arbeitsinhalt
Job-Deskription-Index (JDI) Arbeitsbeschreibungsbogen, in dem das Konzept der -* Arbeitszufriedenheit als Einstellung zur Arbeit (genauer: zu bestimmten Facetten des Arbeitsbereichs) gemessen werden soll. Eine deutsche Fassung bieten FISCHER & LOCK mit ihrer Skala zur Messung der Arbeitszufriedenheit (SAZ).
Job-enlargement Aufgabenerweiterung, die allerdings vorwiegend quantitativ erfolgt, also in Form der Hinzufügung weiterer Aufgaben.
Job-enrichment Arbeitsbereicherung, d.h. eine qualitative Veränderung des Arbeitsinhalts, die im Einzelnen bedeuten kann: mehr Sinngehalt, mehr Autonomie, mehr Verantwortung, mehr Partizipation.
Just-worid Der Glaube an eine gerechte Welt (—• Gerechtigkeit) ist nach LERNER eine generalisierte Erwartung, dass Menschen im Leben das bekommen,
was sie verdienen. Die Annahme, dass es in der Welt im Großen und Ganzen doch gerecht zugehe, kann als motivationale Tendenz, vermutlich als Teilaspekt eines übergeordneten Bedürfnisses nach kognizierter Kontrolle interpretiert werden. Versuche, den Glauben an eine gerechte Welt wiederherzustellen, können dann entweder dazu beitragen, die Leiden des Opfers durch -> Hilfeverhalten abzumildern oder aber das Opfer abzuwerten, etwa in der Behauptung, dass der Betroffene es nicht anders verdient (z.B. das Opfer einer Vergewaltigung, der von Arbeitslosigkeit Betroffene). Welcher Weg eingeschlagen wird, ist v.a. eine Frage der Sozialisation und der hierbei gelernten Attributionsprozesse. Das J.-Syndrom kann auch als Persönlichkeitszug aufgefasst werden; es korreliert dabei mit internalen -» Kontrollüberzeugungen. Pn mit hohen Werten auf der JWS (Just-WorldScale) attribuieren Ungerechtigkeit häufig als persönliche Schuld der Betroffenen und sind daher in geringerem Maße zu prosozialem Verhalten bereit.
287
Kanaltheorie
Kategoriengeleitete Wahrnehmung
K
Kanaltheorie Erklärung von —> Gruppenprozessen durch die Annahme umweit- oder feldbedingter Wege, über die eine Gruppe mit ihrer Umwelt in Verbindung tritt. Zentral ist hierbei die Rolle des „gate keepers" an der Schnittstelle zwischen innerem und äußerem System der Gruppe.
Karriere, deviante So bezeichnet der labeling approach die kumulative Entwicklung ->• abweichenden Verhaltens. Dabei könne man idealtypische Laufbahnmuster erkennen, die durch eine zunehmende Verstrickung in abweichende bzw. kriminelle Handlungen charakterisiert sind.
Katastrophenforschung Arbeitsbereich der Soziologie und SP im Hinblick auf vorwiegend unerwartete Geschehnisse mit folgenreichen negativen Konsequenzen. Sp interessante Fragestellungen sind hierbei: Formen der Bewältigimg, Änderung von Einstellungen, Belastbarkeit der Bevölkerung, Entstehung oder Zerfall von -> Solidarität und Sozialität.
Kategorialer Bias Die Neigung des Menschen, auch bereits geringfügige Informationen unter bestimmte Kategorien zu subsumieren (—• Kategorisierung -*kategoriengeleitete Wahrnehmung).
Kategoriengeleitete Wahrnehmung Form der absteigenden —>• Informationsverarbeitung (top-down). Gegen288
satz: aufsteigende (datengesteuerte), gleichsam induktive Informationsverarbeitung, in welcher der Wahrnehmende von gegebenen Reizen (z.B. Verhaltensweisen und Situationen) ausgeht. Bei der K. werden bestimmte Wahrnehmungsmerkmale zu einem Gesamteindruck zusammengefasst und einer passenden Kategorie (z.B. Vertreter, Sizilianer, Weißer, Frau, Lehrer) zugeordnet. Aus der Kategoriezuordnung werden sodann Urteile über den Sachverhalt bzw. die P abgeleitet. Nach FISKE und ihren Mitarbeitern wird der bequemere und schnellere Weg der Informationsverarbeitung gewählt. Dies ist im Allgemeinen die K. Sie ist dann besonders wahrscheinlich, (a) wenn der Wahrnehmende nur die Kategoriezugehörigkeit kennt und ansonsten über keine Detailinformationen verfugt; (b) wenn neben der Kategorie solche Informationen vorliegen, die mit dem Kategorienschema übereinstimmen; (c) wenn neben der Kategorie lediglich irrelevante, nicht-diagnostische Informationen vorhanden sind. Bei Vorliegen theorie-inkonsistenter, in keine übergreifende Kategorie passender Informationen, werden aufsteigende Wahrnehmungsprozesse wahrscheinlicher, jedoch nur dann, wenn es sich für den Wahrnehmenden um wichtige Sachverhalte handelt. Ergebnisabhängigkeit steigert die Genauigkeitsmotivation. Geringfügige Inkonsistenzen können überdies insbesonde-
Kategorisierung
re bei geringer Genauigkeitsmotivation durch selektive Wahrnehmungsprozesse eingeebnet werden (-> Hypothesentheorie der Wahrnehmung). Kategorisierung K. bedeutet Zusammenfassen von Objekten zu Klassen; meist synonym spricht man von Klassifikation. Kategorien sind Beobachtungseinheiten mit Orientierungscharakter, die der Vereinfachung und Reduktion von Komplexität dienen. Auch die Begriffe der —• Sprache kann man als kulturell vermittelte Kategorien verstehen, durch die Mitglieder einer Gesellschaft ihre Erfahrung mit der Umwelt abbilden. K. i.w.S. umfasst die Bildung von Kategorien (K. als abhängige Variable) sowie die Nutzung bzw. Abrufung von Kategorien (—• kategoriengeleitete Wahrnehmung bzw. kategoriengesteuerte Informationsverarbeitung). I.e.S. bezieht man sich auf den Vorgang der Kategorienbildung aufgrund konsistenter Stimuli. Im non-sozialen Bereich spielt das K.-Konzept in optischen Wahrnehmungsexperimenten eine Rolle (TAJFEL & WILKES). Die Vpn sollten die Länge von acht Linien beurteilen, wobei die vier kleineren mit A und die vier größeren mit B bezeichnet wurden. Aufgrund dieser einfachen K. wurde der Unterschied zwischen den beiden Linienklassen überschätzt (Interklassen-Effekt), während die Unterschiede innerhalb der jeweiligen Linienklassen unterschätzt wurden (Intraklassen-Effekt) (-»Exp. 6). Dieser wahrnehmungspsychologische Effekt (-» Akzentuierung) wurde sodann auf soziale Sachverhalte übertragen (soziale K.) und befruchtete die
Kausale Schemata
Theorie stereotyper Systeme (-+ Stereotyp —• Vorurteile, soziale) sowie die Theorie sozialer Identität. Es zeigt sich auch hier wieder, dass ein kognitiver Bias höchst bedeutungsvolle Implikationen für die Wahrnehmung sozialer Sachverhalte (z.B. für die Differenz zwischen Eigengruppe und Fremdgruppen) haben kann. I.R. der Theorie sozialer Identität ist die soziale K. die Eingangsbedingung für weitere Stufen: Bildung sozialer Identität, sozialer Vergleich und soziale Distinktheit, mit der latenten Gefahr eines sozialen Konflikts zwischen zwei Gruppen {-* Intergruppen-Konflikt). In Weiterführung der Theorie sozialer Identität betont die Theorie der -> Selbstkategorisierung von TURNER, dass Individuen sich selbst im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Klassen kategorisieren: Kognitive Repräsentationen des -»• Selbst (-* Selbstkonzept) können die Form von Selbstkategorisierungen darstellen. Katharsishypothese Die Vorstellung, dass das „Ausleben" von Aggression oder auch die Betrachtung aggressiver Handlungen (symbolische Katharsis) zu einer vorübergehenden Senkung der Aggressionsneigung führt (-» Medienwirkungen). Die Befundlage ist inkonsistent; nicht auszuschließen ist ein KatharsisEffekt im emotionalen Bereich (-» Aktivation), während ein genereller Effekt auf der Verhaltensebene aus lerntheoretischen Gründen eher unwahrscheinlich ist. Kausale Schemata -* Attributionstheorien Schemata, kausale
289
Koalitionsbildung
Kausalität
Kausalität Attribution butionstheorien Klassifikation
Attri-
Kategorisierung
Kleingruppenforschung -* Gruppe, soziale -* Gruppenstruktur —• Gruppenprozesse -* Gruppenproduktivität ->• Konformität Von BALES geprägte Bezeichnung für die Untersuchung von Strukturen und Prozessen in relativ kleinen (überschaubaren) Gruppen (sog. face-toface-Gruppen). Die K. analysiert meist artifizielle Gruppen (Laborgruppen), was ihr u.a. den Vorwurf eingetragen hat, dass sie sich ihren Gegenstand künstlich schaffe; eine Übertragung auf reale Gruppen (z.B. Familien, Arbeitsgruppen) sei nur bedingt möglich. Knappheit (I)K. von Ressourcen bildet häufig die Basis sozialer Macht. Vielfach sind Güter -neben ihrer Nutzenstiftung- gerade deshalb wertvoll, weil sie knapp sind. K. gilt auch als konstitutives Prinzip des Wirtschaftens, wobei in Wohlstandsgesellschaften eher von einer relativen sozialen K. die Rede sein kann (-» Wirtschaftliches Verhalten). (II) K. ist für CLALDINL eine Strategie sozialer Beeinflussung, indem Güter oder Informationen künstlich verknappt werden. Durch -»• Reaktanz-Effekte werden diese dann aufgewertet (z.B. durch Verweis auf begrenzten Vorrat oder auf die Exklusivität von Informationen). Knew-it-all-along-Effekt sight bias
290
Hind-
Knoten Begriffe, Handlungen, Objekte, Benennungen, die in kognitiven semantischen -*Netzwerken miteinander verbunden sind. Diese Netzwerke werden unterstellt, um das semantische -* Gedächtnis abzubilden und auf dem Computer zu simulieren. Koalitionsbildung Form der Kooperation, die zur Machtausübung (oft auch als Möglichkeit zur Gegenmachtbildung) dient. Dies bedeutet, dass auch schwächere Teilnehmer im Interaktionsgeschehen an der Machtausübung beteiligt werden können. Dabei werden nach üblichem Verständnis nur solche Subgruppen verstanden, die sich bilden, um durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen - zu Lasten des Restes der Gesamtgruppe- zu Ergebnissen zu gelangen, die man allein nicht erreichen könnte. formuliert eine Theorie der maximalen Kontrolle, die u.a. von der Annahme ausgeht, dass jedes Mitglied möglichst viele Partner beherrschen möchte. GAMSON berücksichtigt in seiner Theorie der minimalen Ressourcen zusätzlich die Verteilung des erwarteten gemeinsamen Gewinns. Er setzt voraus, dass jeder Teilnehmer von diesen Erträgen einen zum Ressourcenanteil proportionalen Beitrag fordert. Damit dieser Gewinnanteil möglichst hoch ausfallt, wird derjenige Partner vorgezogen, der eben noch zu einem Machtübergewicht fuhrt (z.B. 51 %). GAMSON ergänzt diese Theorie durch eine antikompetitive Hypothese: Das Verhalten werde durch ein Prinzip des geringsten WiCAPLOW
Koalitionsbildung
derstandes bestimmt, das geeignet ist, Konflikte zu vermeiden. Andere Autoren (MESSE et al.) betonen darüber hinaus, dass Ressourcen nur selten ohne eigenes Zutun anfallen, sondern auf vorher geleistete Aufwendungen zurückgehen. Sie postulieren daher eine -»Equity-Theorie der K. Sie behauptet, dass solche Partner eine größere Chance haben, an der Koalition beteiligt zu werden, die vorher entsprechende Aufwendungen erbracht haben. Zusätzlich unterstellt die Verhandlungstheorie der K. (KOMORITA & CHERTKOFF), dass ressourcenschwache Koalitionspartner einen Gewinn nahe der Gleichverteilung (Egalität) anstreben, während Equity (Beitragsproportionalität) das schlechteste erwartbare Ergebnis ist. Umgekehrt wird ein ressourcenstarkes Mitglied die Gleichverteilung am wenigsten schätzen und vielmehr Equity anstreben. Das tatsächlich erzielte Ergebnis ist jedoch letztlich von der jeweiligen Verhandlungsführung abhängig und wird irgendwo in der Mitte der angepeilten Positionen liegen. Die empirischen Ergebnisse entsprechen noch am ehesten der Theorie von GAMSON, favorisieren jedoch keines der Modelle in eindeutiger Weise. Dies liegt wohl auch daran, dass die meist spieltheoretisch inspirierten Konzepte (-»Spiele, experimentelle) von sehr restriktiven und formalisierten Annahmen ausgehen. In der Realität (z.B. bei einer politischen Koalition) werden viele andere Variablen die K. beeinflussen: z.B. die Konzessionsbereitschaft in inhaltlichen Fragen, Sympathie/Antipathie für den Partner, Vertrauen in längerfristige Zusammenarbeit, -*Commitment in be-
Kognition
stimmten Themenbereichen, bisherige Erfahrungen mit Koalitionen sowie mit dem möglichen Koalitionspartner. SCHNEIDER betont in seiner Theorie der „Allianz der Ähnlichen", dass Pn mit ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen und Interessen oder Parteien mit ähnlichen Programmen bessere Voraussetzungen zur K. mitbringen.
Kodierung Informationen nach einem bestimmten Muster (Kodeplan) verschlüsseln. Gemeint ist jede —> Informationsverarbeitung nach der Reizaufnahme im sensorischen Speicher (-»Duale Speichertheorien -> Gedächtnis). Zusätzlich bezieht sich der Begriff K. auf kognitive Verarbeitungsprozesse, die in verschiedenen Zusammenhängen (z.B. Schemata) interpretiert werden. In einem spezifischeren Sinn wird zwischen restriktiver und elaborierter K. unterschieden. Erstere erfolgt nach Gesichtspunkten der Gruppierung, des Clustering oder des Chunking, sämtlich Prozesse, mit der die zu bearbeitenden Informationsmengen reduziert werden. Elaborierte K. meint darüber hinaus die Tatsache, dass Individuen zusätzliche Ordnungsstrukturen einbringen (-+ cognitive response).
Kognition Nach NEISSER ist K. eine „Wissenstätigkeit, d.h. der Erwerb, die Organisation und der Gebrauch des Wissens". Damit sind auch alle Zustände und Prozesse angesprochen, die mit der Entstehung von Erkenntnis und Wissen zu tun haben, etwa: Wahrnehmen, Vorstellen, Denken, Verstehen, Urteilen. K. wird gelegentlich als Oberbegriff für Einstellungen, Erwartungen, Attributionen, Urteile, Den291
Kognition, soziale
ken, Glaubensvorstellungen etc. verstanden, wobei entweder Prozesse (z.B. Einstellungsänderungen) oder Strukturen (z.B. Einstellungsstrukturen) angesprochen sind. Von einigen Autoren wird der Begriff K. synonym mit „mental" gebraucht. Gelegentlich wird der Begriff so ausgeweitet, dass er emotionale Prozesse mit einbezieht: alles, was sich im Kopf abspielt und nicht physiologisch definiert ist. Eine wichtige Überbrückungsfunktion leistet der Konnektionismus mit seiner Vorstellung, dass kognitive Prozesse in Form von Aktivitätsmustern in künstlichen Neuronennetzen nachgezeichnet werden können (neuronale Netzwerke).
Kognition, soziale (I) Oberbegriff für alle Wahrnehmungs- und Urteilsprozesse, die sich auf soziale Sachverhalte beziehen, insbesondere die Bereiche soziale -> Wahrnehmung, soziale Urteilsbildung und —> Attribution. (II) Paradigma, das seit etwa zwei Jahrzehnten in der SP dominiert: nämlich als Konzeptualisierung sp Themen in Modellvorstellungen der -»Informationsverarbeitung. Insbesondere wurden die folgenden Konzepte adaptiert: —>• Schemata, Skripts, -* Prototypen, —• Heuristiken, —• Täuschungen, kognitive, Stereotype. Dabei wurde auch die Erforschung sozialer —• Einstellungen re-konzeptualisiert und unter der Perspektive der Informationsverarbeitung uminterpretiert. Außerdem wurde gezeigt, dass Verzerrungseffekte (z.B. durch kognitive Täuschungen) nicht nur motivational erklärt werden können (z.B. durch Dissonanzreduktion oder Selbst292
Kognition, soziale
wertdienlichkeit), sondern voraussetzungsloser kognitionspsychologisch interpretierbar sind. Nach LEYENS & COBOL lassen sich
hierbei verschiedene „Menschenbilder" unterscheiden: (a) die konsistente oder rationalisierende P (als Relikt der Dissonanztheorie); (b) der naive Psychologe (als Metapher der Attributionstheorie); (c) der kognitive Geizhals (oder auch -* Homo heuristicus, der abgekürzte Wege der Informationsverarbeitung einschlägt); (d) der Mensch als kognitiv-affektives Wesen (wobei die wechselseitigen Prozesse zwischen Informationsverarbeitung und Emotionen zur Debatte stehen). Zwar ist festzustellen, dass die Entwicklung der SP nahezu von Anfang an eine dominierende kognitive Perspektive hatte; eine dementsprechende „Wende" war für sie nicht nötig. So hatte z.B. der „new look in social perception" schon in den 50er Jahren deutlich gemacht, dass Wahrnehmungsprozesse durch übergeordnete Wissensprozesse bestimmt werden. Die Wende vollzieht sich gewissermaßen innerhalb des kognitiven Paradigmas. Die an der Leitinstanz der Informationsverarbeitung ausgerichtete Forschung problematisiert in viel stärkerem Maße die Frage nach dem Ablauf typischer Prozesse im sozialen Kontext. Auf diese Weise berühren sich zwei Forschungstraditionen: die „klassische" SP sowie die Wissensund Denkpsychologie, die am Grundmodell der —> Informationsverarbeitung orientiert ist. Insofern ist die integrative Bedeutung des K.-Paradigmas
Kognition, soziale
hoch einzuschätzen, und man kann sehen, dass diese Perspektive nach und nach sämtliche klassischen Teilbereiche der SP erfasst hat (z.B. auch —> Gruppenprozesse). hat kritisch vermerkt, dass durch die Sogwirkung des K.-Paradigmas die SP eine Teilmenge der allgemeinen Psychologie geworden ist; SP löse sich im Verbund mit Informationsverarbeitungs-Psychologie auf und verliere damit zusehends ihre Identität. Ähnlich äußert sich FORGAS, der zudem die Berechtigung des Labels „social" bezweifelt („what is social about social Cognition?"), das wie eine Art Feigenblatt wirke. G R A U MANN und auch IRLE betonen, dass die soziologisch geprägte SP (wie sie insbesondere in der -* Kleingruppenforschung realisiert war) zugunsten einer Perspektive abgelöst worden sei, die die soziale Wirklichkeit ausschließlich auf die subjektive Repräsentation im Individuum reduziere und Aspekten der sozialen Umwelt (Gruppe, Interaktion, Konflikt, kulturelle Gebilde) kaum mehr Beachtung schenke. GRAUMANN
Ein Beispiel ist etwa die kognitionspsychologische Erklärung der Entstehung sozialer Vorurteile durch Prinzipien der -*illusionären Korrelation. Es ist außer Zweifel, dass ein solcher Bias der Fehleinschätzung besteht: Verhalten und sichtbare Merkmale von Angehörigen sozialer Minoritäten sind distinkt, binden die Aufmerksamkeit und fuhren zur Überschätzung der Häufigkeit ihres Auftretens. Es wäre allerdings recht reduktionistisch gedacht, damit den gesamten Zusammenhang der Vorurteilsbildung zu erklären. Auslöser von Vorurteilen sind nämlich durchaus auch
Kognition, soziale
„realistische" Antagonismen, etwa in der Art der Gruppenzusammensetzung, der Interessenkollisionen, der Verteilung von Ressourcen, der Divergenz von Wertsystemen usw. Ein zweites Beispiel ist das Auftreten sozialer -* Konflikte, ein Forschungsbereich, der mittlerweile - mit Ausnahme des Intergruppen-Konflikts nahezu aus den Lehrbüchern verschwunden ist. Selbst im Bereich des letztgenannten Konfliktes sind reale Ausgangsbedingungen, wie sie SHERlFs klassischer Ansatz als erklärungskräftig vermerkt, keineswegs irrelevant für die Entstehung und den Verlauf von sozialen Konflikten. Zwar ist es zutreffend, dass solche Konflikte vielfach auch dort aufbrechen, wo es um Lapalien geht (—• minimal-groupparadigm). Jedoch gilt gleichermaßen, dass alte Rivalitäten, ungleiche Ressourcen, unfaire Verteilungsverfahren, illegitime Aneignung, wechselnde Koalitionen, Spannungslinien auf verschiedenen Konfliktdimensionen etc. wichtige Anfangsbedingungen für die Entstehung und den Verlauf von Konflikten darstellen. Die Verabschiedung der SP von den, .harten Daten" der Realität fuhrt zu einer Art „cocooning": SP in der Eremitage. Auf diese Weise ist das K.-Paradigma zwar von unbestreitbarer integrativer Bedeutung. Andererseits fuhrt dies zu einer eher reduktionistischen Sicht, in der die Realität auf die inneren Repräsentationen sozialer Sachverhalte beschränkt bleibt (-> Sozialpsychologie, Geschichte der). Lit.: FISKE, S.T. & TAYLOR, S . E . ( 2 1991). Social Cognition. N e w York. KUNDA, Z. (1999). Social Cognition. Cambridge, MA. WYER, R . S . & SRULL, T . K . (1994). Hand-
293
Kognitionsbedürfnis
Kognitive Psychologie
book of social Cognition, Vol. 1/2. Hillsdale, N.J.
Imagery-Forschung bild) herstellen.
Kognitionsbedürfnis
Kognitive Psychologie
Das K. (need for Cognition) spielt im Rahmen der Informationsverarbeitung (—> ELM) eine Rolle, die zu einem verstärkten Involvement führt. K. kann als —> Persönlichkeitsmerkmal aufgefasst werden und differenziert dann danach, wie viel und wie gern eine P über bestimmte Probleme nachdenkt. Das K. kann jedoch auch situationsspezifisch gesehen werden; z.B. ist der Wunsch nach Information umso ausgeprägter, je wichtiger ein Sachverhalt für das Individuum ist (z.B. die Bewerbung für eine begehrte Stelle oder die möglicherweise drohende Entlassung).
Beschäftigt sich mit Strukturen und Prozessen des Wissens und Denkens (-*Informationsverarbeitung Kognition, soziale). Unter der Domäne des Informationsverarbeitungs-Ansatzes gerät die SP in die Situation (Gefahr?), Teil der K. zu werden. Allerdings waren die theoretischen Konzepte der SP von vornherein eher von einer kognitiven Perspektive getragen (vgl. z.B. die Entwicklung der Konsistenztheorien), hatten jedoch häufig einen motivationalen Hintergrund (-* Sozialpsychologie, Geschichte der).
Kognitive Algebra -»• Informationsintegration Kognitive Landkarte Wie TOLMAN betont, wird das „Entscheidungsverhalten" einer Ratte (z.B. ein bestimmter Weg im Labyrinth) durch „Einsichtsprozesse" gesteuert. Die Ratte lernt demnach nicht partikularistisch (z.B. nach dem Schema: erste Kreuzung links, zweite Kreuzung rechts) sondern erfasst den „ganzen Raum" in Form einer K. (cognitive map), die es gestattet, zu einer einsichtsvollen Lösung zu kommen. Lernvorgänge beschränken sich demnach nicht auf Reiz-Reaktions-Folgen, sondern richten sich an Strukturen aus. Dieses Konzept spielt auch bei MILLER,
PRIBRAM
&
GALANTER
(—> TOTE-ModelT) eine Rolle und wird (in anderen theoretischen Ansätzen) als „inneres Abbildsystem" bezeichnet. Auch lassen sich Beziehungen zur 294
(-» Vorstellungs-
Die K. war (vor allem in den USA) als Gegenposition zum -> Behaviorismus gedacht (sog. kognitive Wende). Für die deutsche Psychologie gab es eine solche Wende eigentlich nicht, weil der Behaviorismus hierzulande ohnehin mit dem Rücken zur Wand stand. Allerdings gibt es mittlerweile vor allem im Bereich der kognitiven Lerntheorie zahlreiche Ansätze, das starre SR-Schema zugunsten eines S-O-RKonzepts aufzulösen (vgl. etwa das M e d i a t o r - K o n z e p t v o n OSGOOD, die
Einfügung von Erwartungen oder die elaborierte Behandlung des Konzepts der -* Kontingenz), so dass gar von einem kognitiven Behaviorismus (GRAUMANN) gesprochen werden kann. Dennoch hatten solche vermittelnden Konzepte lediglich eine Art Zwischenkonjunktur. Es besteht vielmehr eine imperialistische Tendenz, die gesamte Psychologie in der K. zu subsumieren (z.B. LINDSAY & NORMAN) und auch Emotionen in diese kognitive Perspektive einzubeziehen.
Kognitiver Stil SCHERER fordert daher mit Recht eine „emotionale Wende", die eine „Verkopfung" der Psychologie verhindern könnte.
Kognitiver Stil Auch: Denkstil; beschreibt die Art, mit Informationen umzugehen und wird häufig als Persönlichkeitsmerkmal angesehen. Einige Stiltaxonomien sind u.a.: analytisch vs. global, feldabhängig vs. feldunabhängig, impulsiv vs. reflektierend, nivellierend vs. akzentuierend, verdrängend vs. sensitivierend. Im Rahmen der SP hat insbesondere die differenzielle Feldabhängigkeit Beachtung gefunden.
Kohäsion (1) Begriff: Als Kollektivbegriff bezeichnet K. die innere Bindekraft oder den Zusammenhalt einer sozialen -> Gruppe (auch: Gruppensolidarität, Gruppenintegration). Als Individualbegriff - also von den einzelnen Gruppenmitgliedern her gesehen - bezeichnet K. die Attraktivität oder Anziehungskraft (Gruppenvalenz), die die Gruppe auf ihre Mitglieder ausübt. Man spricht auch von einem ausgeprägten Wir-Gefiihl, etwa i.S. der Theorie sozialer -»Identität. HOGG hat darauf hingewiesen, dass nur bei starker K. Prozesse der Distinktion (und auch der Diskriminierung) stattfinden. K. wird üblicherweise soziometrisch erhoben (->Soziometrie), nämlich als Zahl der gegenseitigen Wahlen N (N - l)/2 wobei sich hoch kohäsive Gruppen durch ausgeglichene interne Vernet-
Kohäsion
zung der Gruppenmitglieder auszeichnen. (2)K. als abhängige Variable: CARTWRIGHT hat eine Theorie der K. entwickelt, die u.a. folgende unabhängige Variablen enthält: die Motivgrundlage (z.B. Affiliation), die Gruppenanreize (z.B. ->• Status), die Erwartungen, ob diese Anreize auch tatsächlich auftreten werden, das Vergleichsniveau im Hinblick auf bisherige und alternative Mitgliedschaften sowie die Attraktivität (Sympathiewert) der Gruppenmitglieder. (3)K. als unabhängige Variable: u.a. werden die folgenden Konsequenzen hoher Gruppen-K. ermittelt: Neigung zur Leistungsnivellierung, Entwicklung rigider Normen und geringe Toleranz gegenüber abweichenden Standpunkten und Verhaltensweisen, geringe Innovativität, da die Normen eher restriktives und ritualistisches Verhalten begünstigen, Eintrübung der Individualität und Selbständigkeit, Errichtung von Zugangsbarrieren zu Lasten der Permeabilität, Abschottungstendenzen nach außen und ausgeprägte Distinktheit mit der möglichen Folge der Diskrimination von Fremdgruppen. Lit.: CARTWRIGHT, D . ( 3 1 9 6 8 ) . T h e n a t u r e
of group cohesiveness. In: Cartwright, D. & Zander, A.F. (eds.) Group Dynamics. Research and theory. New York, 91-109. HOGG, M.A. (1992). The social psychology of group cohesiveness. From attraction to social ldentity. New York. MORELAND, R.L. &
LEVINE,
J.M.
(1994).
Understanding
small groups. Boston/MA. SADER, M. ( 7 2002). Psychologie der Gruppe. Weinheim, M ü n c h e n . SCHNEIDER, H . D . ( M 9 8 5 ) . K l e i n -
gruppenforschung. Stuttgart.
295
Kollative Variablen
Kollative Variablen Aspekt des Neugierverhaltens (-> Neugier). K. (z.B. Neuigkeit, Ungewissheit, Komplexität, Überraschungseffekte) resultieren nach BERLYNE aus einem Vergleichsprozess, der zu mehr oder weniger ausgeprägten Inkongruenzen und Konflikten mit dem Vertrauten (-• Vertrautheit), Bewährten oder Erwarteten führen kann. Kollektives Handeln Zielt auf ein gebündeltes Handeln von sozialen Akteuren, die aufgrund identischer Interessen oder aus Gründen der -> Solidarität ein gemeinsam geteiltes Ziel verfolgen. Soziologen (z.B. OLSON, SMELSER oder COLEMAN) betonen insbesondere das Problem der Koordination individueller Akteure (-* Kooperation). Vielfach wird auch von sozialen Bewegungen gesprochen (organisierte -* Revolution, Bürgerinitiativen, Streiks). Kollektives Selbst -»• SelbstsystemTheorie Kollektivgut
Dilemma, soziales
Ist dadurch charakterisiert, dass die produzierten Güter gleichzeitig von mehreren (evtl. sogar von allen) Wirtschaftssubjekten genutzt werden können (fehlendes Ausschlussprinzip). Während bei privaten Gütern deijenige ausgeschlossen werden kann, der nicht bereit ist, den Preis zu bezahlen, ist dieser Marktausschluss bei K. oft nur kostspielig durchzuführen. Es ergibt sich daher ein -» TrittbrettfahrerProblem. Soziale Fallen (-> Dilemma, soziales) bestehen dann darin, dass K. von Einzelpersonen zu sehr ausgebeutet werden, worunter langfristig alle zu leiden haben (z.B. Zerstörung der Um296
Kommunikation, computervermittelte
welt). Andererseits kann ein K.-Problem auch dadurch entstehen, dass nur wenige bereit sind, das K. zu erstellen (soziale Hürden). Kollektivismus Gegensatz zu -* Individualismus. Dichotomes Merkmal von Kulturen, bereits von DÜRKHEIM und PARSONS verwendet, später von HOFSTEDE übernommen. K. betont die Bevorzugung der Gruppe (Gesellschaft, Nation, Kollektiv) gegenüber den individuellen Einzelinteressen (-+ Solidarität). Kollektiwerhalten Verhaltensweise, die gleichzeitig von einer großen Anzahl von Pn, Gruppen oder Massen spontan ausgeübt wird und die einem wechselseitig infektiösen Prozess unterliegt (~> Masse -* De-Individuation). Typische Beispiele sind kollektive Ansteckwirkungen bei Sportveranstaltungen oder Panikreaktionen. Gewöhnlich tritt K. nicht in organisierter und inszenierter Form auf. Allerdings können einige Akteure die Auslösung kollektiver Verhaltensweisen u.U. steuern und planen (z.B. Anzettelung einer Revolte, demagogische Appelle). Kommunikation, computervermittelte (1) Merkmale der K.: Im Zentrum der K. steht das Internet mit seinen verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten (E-Mail, newsletter, chats, multi user games, Video-Konferenzen, elektronisches -* Brainstorming etc.) und Anwendungsbereichen (E-Commerce, Kontaktsuche, Intranet). Das Internet ist ein offenes Dialogsystem, in dem die Kommunikation „aller mit allen" nahezu zeitgleich möglich
Kommunikation, computervermittelte
ist. Dadurch unterscheidet sich die K. von den üblichen Massenmedien (mit vergleichsweise geringer Interaktivität), aber auch von der face-toface-Kommunikation, die lange Zeit der Prototyp der Kommunikationsforschung war. Als theoretische Leitvorstellung mag die Theorie sozialer Präsenz fungieren. Sie besagt im Wesentlichen, dass sich die Medienwahl eines Nutzers vorwiegend am zwischenmenschlichen Aspekt der Kommunikation ausrichtet sowie an der Fähigkeit eines Mediums, diesen Aspekt angemessen nachzubilden. Die größte soziale Präsenz hat hierbei die face-to-face-communication, die geringste eine Publikation an ein disperses Publikum. Zentrale Aspekte der K. sind: Im Netz versucht jeder, die Kontrolle über das, was er sehen, haben und tun will, selbst zu übernehmen (Suchmaschinen, Muds, Chats). Der Nutzer wird selbst aktiv bei der Suche und Auswahl von Informationen oder Kommunikationspartnern. Die Internet-Kultur kennt allenfalls Hierarchien der Kompetenz und verweigert sich auch vorgegebenen sozialen -* Kategorisierungen. Rückkoppelung und Informationsaustausch ist sofort möglich (E-Mail, Chat etc.). Im Netz herrscht keine Zeit- und Raumbegrenzung, d.h. die gesamte „Informationswelt" ist -abgesehen von Server-Überlastungen und Zugangsbeschränkungen - online erreichbar. (2) Die Nutzer der K.: Hier trägt insbesondere der Nutzungsansatz (-»Mediennutzung). Verlässliche Zahlen existieren leider nicht. Schätzungen gehen davon aus, dass mittlerweile
Kommunikation, computervermittelte
fast eine halbe Milliarde Menschen das neue Medium nutzen (über 40 % der Gesamtnutzer sind in den USA zu finden). In Deutschland verdreifachte sich die Zahl der „Onliner" seit 1997. Es besteht eine heterogene Nutzerstruktur; hierbei sind soziodemografische Segmentierungskriterien (Alter, Geschlecht, Bildungsstand) stärker untersucht als psychografische (z.B. Einstellungen oder Bedürfnisstrukturen). Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Ausmaß und Dauer der Nutzung sowie unterschiedliche Nutzungsmotive. Die K. lässt sich nach verschiedenen Nutzer-Typen unterscheiden: privat zu privat, privat zu kommerziell sowie kommerzielle Nutzer untereinander. Besonders im letztgenannten Fall (business to business) hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung stattgefunden, die sich für die nächste Zukunft noch verstärken dürfte und eine erhebliche Senkung der Transfomationskosten bewirken wird. (3) Motive der Nutzung: Man kann etliche Motive auflisten, beginnend beim Eskapismus, Spiel, der Erleichterung von Kontakten, Geschäftsanbahnung und -abschluss, Kaufhandlungen, Jobsuche etc. Im Wesentlichen lassen sich die Nutzermotive in vier nicht überschneidungsfreie Rubriken einordnen: (a) (b) (c) (d)
Spiel, Spaß, Erleben; Kontakt und Interaktion; Informationssuche und Erleichterung und Effizienzsteigerung.
Insbesondere im Umgang mit Informationen entsteht das Problem der 297
Kommunikation, computervermittelte
Informationsüberflutung (information overload), das man auch durch den Einsatz von Suchmaschinen nicht ohne weiteres auflösen kann. Zwar existiert nunmehr ein nahezu universeller Zugriff zu Informationen, verbunden jedoch mit der Notwendigkeit, die wirklich relevanten Informationen auszusondern. Es entsteht daher in erster Linie kein Beschaffungsproblem, sondern ein Selektionsproblem. (4) Akzeptanz: Wie bei jeder -* Innovation entstehen Fragen der -^Akzeptanz, insbesondere dort, wo mit einer sofortigen freiwilligen Übernahme nicht gerechnet werden kann (z.B. bei älteren Arbeitnehmern oder bei Pn, die mit der Einfuhrung der Innovation Befürchtungen hegen, etwa in Bezug auf den eigenen Arbeitsplatz oder hinsichtlich verstärkter Kontrolle). Hier ist auf die üblichen Akzeptanzkriterien (relative Vorteilhaftigkeit, Komplexität etc.) zu verweisen, bei deren Vorliegen -* Reaktanz verhindert werden kann. (5) Auswirkungen: Zu unterscheiden sind Konsequenzen für den Makrobereich (gesamtgesellschaftliche Veränderungen, Wandel von Strukturen und Werten), auf den MesoBereich (Gruppen- und Beziehungsstrukturen, Organisation) sowie auf den Mikrobereich (Änderung von Verhaltensmustern, Wandel der Persönlichkeitsstruktur, Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung, Veränderungen der Identität, Bedeutung von Vertrauen usw.). Sp interessant sind vor allem Wandlungen im Meso- und Mikrobereich. Anwendungsbeispiele für den Mesobereich sind etwa die Entwicklung von group-wa298
Kommunikation, computervermitteite
re (dies ist eine Software, deren Aufgabe es ist, die Arbeit von Teams zu unterstützen) oder die Ausgestaltung eines Intranets, das tendenziell zum Abbau von Hierarchien beiträgt, weil der Informationsvorsprung (und damit die —• Informationsmacht) des Vorgesetzten reduziert wird. Dies ist allerdings eher kennzeichnend für Wissensmanagement (knowledge management). Was den Wandel in der Charakteristik der Kommunikation bzw. Interaktion anbelangt, kann zwischen zwei ambivalenten Auswirkungsmodi unterschieden werden: (a) Ausdehnung der Möglichkeiten: Zahl der Kontakte, Kontrollgewinn (jeder versucht, die Kontrolle über das, was er sehen, haben und tun will, selbst zu übernehmen), Einflussnahme, Rückkopplung, aktive Mitgestaltung, Abbau von Hierarchien und sozialen Kategorisierungen, keine Raum- und Zeitbegrenzung, größere Offenheit in sozialen Beziehungen etc., sodann die Ausweitung der Geschäftsmöglichkeiten (e-business) durch größere Zugänglichkeit und Schnelligkeit, v.a. im Kontext zunehmender Globalisierung. (b) Einschränkung der Möglichkeiten: Anonymität (die auch als Vorteil gewertet werden kann), Tendenz zur Gruppenpolarisation (in Folge der Anonymität), eingeschränkte Non-Verbalität, eine gewisse Unverbindlichkeit, Bindungslosigkeit, meist nur eingeschränkte Interaktionstiefe und Beziehungsdauer (manchmal werden die
Kommunikation, computervermittelte
ersten Kontakte jedoch auch wie PARKS & ROBERTS gezeigt
haben - zum Einstieg in ausgeweitete und tiefere Beziehungen genutzt). Was den Wandel in der Persönlichkeitsstruktur anbelangt, dürften eskapistische Tendenzen gefördert werden (allerdings hängt dies in starkem Maße von der Nutzungsdauer und vom Nutzungszweck ab). Beobachtet werden ferner Enthemmungseffekte durch freizügige Selbstöffnung (insbesondere, wenn man das Geschlecht des Partners zu kennen glaubt). Auch bleibt die Äußerung extremer Ansichten trotz gewisser gesetzlicher Regelungen weitgehend unsanktioniert. Die Unverbindlichkeit der Teilnahme fuhrt möglicherweise zu einer Art Rollenspiel mit entsprechender Maskierung (z.B. gender swapping) oder bewusstem -* Impression management, manchmal auch zu einem „Ausleben" verbotener Verhaltenstendenzen. Auch wird gelegentlich betont, dass es bei der Nutzung von Internet-Kontakten unter den Bedingungen von Anonymität und Entpersönlichung zu einer Neudefinition der eigenen {personalen und sozialen) -+ Identität komme, mit Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung und die Selbstdarstellung. Nach TURKLE bringt die Anonymität im Internet und insbesondere in den Muds die Freiheit mit sich, vielfaltige und bisher brachliegende Aspekte seines Selbst zu aktivieren. Lit.: BATINIC, B. (Hg.) (1999). Online research. Methoden, Anwendungen, Ergebnisse. Göttingen. Boos, M. et al. (Hg.) (2000). Computervermittelte Kommunikation in Organisationen. Göttingen. DÖRING,
Kommunikation, non-verbale N. (1999). Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. Göttingen u.a.
Kommunikation, non-verbale -> Kommunikation, soziale —> Kommunikationswirkungen Kommunikationsform, die nicht durch die -* Sprache vermittelt wird. Hierzu gehört die bildliche K. sowie die K. im engeren Sinn: Gestik, -> Mimik, Körpersprache etc. Solche K.-Formen sind entweder para-verbal (als Begleitumstände des Sprechens: Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke, Dehnungspausen, Stimmlage, Tonfall etc.), laufen parallel (Sprechen mit starker Gestik) oder aber sie sind völlig losgelöst von sprachlichen Äußerungen (z.B. Bilder, Gesichtsausdruck, Mienenspiel, Blickkontakt oder körperliche Berührungen). Die K. ist vor allem geeignet, Botschaften zu „transportieren", die über eine reine Sachaussage (inhaltlicher Aspekt) hinausgehen: z.B. als Mittel des Ausdrucks (Leidensmiene, Weinen), als Indikator der Beziehung (devote Körperhaltung, zärtliche Berührung) oder als Appell (Gestikulieren, Stirnrunzeln). PATTERSON (1991) listet folgende Funktionen der K. auf: (a) Information mit dem Ziel der Eindrucksbildung, auch um verbale Kommunikation abzustützen; (b) Interaktionsregulierung, d.h. Erleichterung und Kontrolle von Interaktionsbeziehungen; (c) Ausdruck der -* Intimität, um dem Kommunikationspartner zu zeigen, wie freundschaftlich die Beziehung ist;
299
Kommunikation, non-verbale
(d) Einflussnahmen, insbesondere in appellativer Hinsicht (z.B. die Freundlichkeit des Verkäufers); (e) Umgang mit Gefühlen (z.B. sich selbst zu disziplinieren, nicht ängstlich zu wirken); (f) Erleichterung von bestimmten Handlungen und Dienstleistungen (z.B. auf die notwendige Selbstöffnung eines Patienten wird der Arzt mit betonter Sachlichkeit reagieren). Kulturanthropologen haben im Anschluss an die Studien von DARWIN darauf hingewiesen, dass bestimmte non-verbale Ausdrucksformen angeborene Reaktionen sind, die von evolutionärem Vorteil waren (z.B. fletschende Zähne, Impöniergehabe). Für andere expressive Formen ist dieser Nachweis allerdings schwieriger. Immerhin konnten EKMAN & FRIESEN die Allgemeingültigkeit verschiedener emotionaler Ausdrucksformen für einige Kulturen belegen. Selbst Angehörige anderer Kulturkreise waren mit großer „Trefferquote" in der Lage, einen bestimmten Gesichtsausdruck emotional zutreffend einzustufen. Trotz solcher „kultureller Universalien" muss betont werden, dass bei gemischten oder ambivalenten Gefühlen manchmal die eindeutige Zuordnung fehlt (z.B. bei Verlegenheit, Eifersucht, Enttäuschung). Wenn - i.S. der Gefuhlstheorie (-> Emotionstheorien) SCHACHTERS Hinweisreize diffus oder komplex sind, dürfte lediglich die Möglichkeit verbleiben, gezeigte oder vermutete Emotionen aus externen Stimuli bzw. aus dem Bedeutungskontext zu erschließen. haben sich mit der Frage inkonsistenter Hinweisreize MEHRABIAN & FERRIS
300
Kommunikation, non-verbaie
beschäftigt (z.B. erfreulicher Inhalt einer Botschaft, die mit unfreundlichem Gesichtsausdruck übermittelt wird). Menschen vertrauen eher den non-verbalen Signalen (insbesondere dem Gesichtsausdruck). Solche Inkonsistenzen sind dann auch Indikatoren dafür, ob eine Aussage als —• Lüge oder interaktive Täuschung wahrgenommen wird. EKMAN befasst sich mit sog. kulturellen Darstellungsregeln, -* Selbstdarstellung, -» Impression management, mit deren Hilfe ein bestimmter Eindruck vorgetäuscht wird (z.B. Trauer). Von kulturell unterschiedlichem Stellenwert ist auch der Aspekt der Gefühlskontrolle (-> Selbstkontrolle), z.B. bestimmte Gefühle nicht zu zeigen (-> Intelligenz, emotionale). Dies gilt auch geschlechtsspezifisch („Jungen weinen nicht"). Lit.: ARGYLE, M. (1972). Soziale Interak-
tion. Köln. ARGYLE, M. (71996). Körpersprache und Kommunikation. Paderborn (Orig. 1975). EKMAN, P. ( e d . ) ( 2 1 9 8 2 ) . E m o -
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Kommunikation, soziale
Kommunikation, soziale -» Kommunikationswirkungen -* Kommunikation, non-verbale -» Kommunikation, computervermittelte (1) Begriff: K. kennzeichnet einen Ausschnitt sozialer -* Interaktionen, der sich auf die Übermittlung bzw. den Austausch von Informationen bezieht. Einige Autoren (z.B. WATZLAWICK) verwenden den Begriff K. und Interaktion synonym. Mit Blick auf die Medien wird auch darauf verwiesen, dass hier nicht lediglich Informationen übermittelt werden, sondern auch andere Inhalte, wie Anregung, Unterhaltung, Erlebnisse (-• Medienwirkungen). (2) K.-Forschung; Die Erforschung der K. hat ihren zentralen Stellenwert in der SP weitgehend verloren. Die Problematik wurde stark eingegrenzt auf das Studium von -* Einstellungsänderungen durch Kommunikationsprozesse. Teile des Bereichs IC-Forschung haben sich satellitenartig ausgegliedert und stellen heute weitgehend selbständige Forschungsgebiete dar, z.B. das Studium von Kommunikationsstörungen, die Psychologie der Sprache, das weitverzweigte Gebiet der non-verbalen -* Kommunikation, die Analyse von -> Kommunikationsstrukturen, sei es im Rahmen der soziologischen Netzwerkforschung oder in der Größenordnung von Kleingruppen (-> Gruppenstrukturen). Weitgehend abgelöst von ursprünglichen soziologischen und sp Wurzeln entwickelte sich das Fach Publizistik mit eigenem Kolorit. In weiten Bereichen dominiert eine systemtheoretische (LUHMANN) oder handlungstheoretische Perspektive (HABERMAS), während die empi-
Kommunikation, soziale
risch orientierten Arbeiten oft sehr partikularistisch und eklektisch wirken. (3) Formen der K.: Man unterscheidet unvermittelte und durch Medien vermittelte K., die einstufig oder mehrstufig (z.B. unter Einschaltung von —• Meinungsfiihrern) stattfinden kann. Das Konzept ist schon durch die Wahl der Begrifflichkeiten (Rezipient, Kommunikator) vom Prinzip her als Einbahnstraßen-Modell angelegt; der ständig stattfindende Rollentausch (z.B. bei einem Gespräch) oder Elemente des Austauschs (z.B. beim interaktiven Fernsehen) sorgen jedoch dafür, dass dieses Konzept durchbrochen wird. Die SP ist insbesondere mit personaler K. befasst; formale K. (z.B. via Internet) interessiert v.a. insoweit, als mit der Ausbreitung solcher technikgestützter Kommunikationsformen soziale Prozesse beeinflusst werden (-> Kommunikation, computervermittelte). Zentral ist auch die Unterscheidung zwischen verbaler und non-verbaler K. sowie deren Verknüpfung (paraverbale K., z.B. Stimmlage). Trotz der Dominanz des Fernsehens in der Medienlandschaft ist die Erforschung der Bild-Kommunikation vergleichsweise wenig entwickelt. (4)K.-Ebenen, K.-Funktionen: BÜHLER unterschied bereits drei Grundfunktionen der (sprachlichen) K.: (a) Die Darstellungsfunktion: Hier werden Sachverhalte beschrieben und vermittelt; (b) Die Ausdrucksfunktion: Hier will der Sender etwas über sich selbst aussagen;
301
Kommunikationsmuster
Kommunikation, soziale
(c) Die Appellfunktion: Hier wird dem Empfanger nahegelegt, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten oder spezifische Einstellungen zu übernehmen bzw. zu ändern. Die appellative Funktion steht - im Zusammenhang mit der Thematik der —• Einstellungsänderung - naturgemäß im Zentrum der sp Analyse. Häufig fungiert K. im Dienste der Beibehaltung oder Erweiterung sozialer -»Kontrolle und erfordert eine gewisse kommunikative Kompetenz (-> Kompetenz, soziale —> Fertigkeit). WATZLAWICK u n t e r s c h e i d e t in An-
knüpfung an BÜHLER zwischen dem Inhalts- und Beziehungsaspekt einer K. Da zwischen den Kommunikationspartnern stets eine soziale Beziehung besteht (z.B. Lehrer/Schüler, Vorgesetzter/Mitarbeiter) erhält die Information eine Zusatzbedeutung. Missverständnisse entstehen vielfach dadurch, dass Inhaltsaussagen auf der Beziehungsebene missverstanden werden (z.B. „etwas persönlich nehmen"). SCHULTZ VON THUN erweitert dieses duale Schema, indem er eine Ausdrucks-, eine Sach-, eine Beziehungs- und eine Appell-Ebene unterscheidet. Dadurch, dass in Kommunikationssituationen die Ebenen oftmals durcheinander geraten, kommt es zu zahlreichen Missverständnissen (Kommunikationsstörungen). Sehr häufig werden z.B. Wünsche nach sozialer Überlegenheit (Beziehungsebene) über „Sachargumente" legitimiert. Andererseits können auch intendierte Sachargumente als Manifestationen angestrebter Dominanz fehlinterpretiert werden. 302
(5) Ansätze, Konzepte, Theorien: Die K.-Forschung war anfänglich in starkem Maße durch die empirischen Studien des Kreises um HOVLAND (Yale-Studien) beeinflusst Kommunikationswirkungen). Trotz lockerer Anlehnung an lerntheoretische Konzepte erfolgte diese Forschung recht eklektisch i.S. einer reinen „Variablen-Analyse", ohne übergreifende Einsicht, warum die dabei aufgegriffenen Variablen eigentlich „wirken". Heute werden in verstärktem Maße Konzepte zur Informationsverarbeitung einbezogen, die fur die Kommunikationsforschimg gewissermaßen die Führungsrolle beanspruchen. So haben z.B. -* duale Prozess-Modelle wie das -* ELM trotz ihrer verhältnismäßig simplen Grundstruktur eine integrierende theoretische Perspektive eingebracht, die den Stellenwert zentraler Variablen aus den Yale-Studien neu verorten konnte. L i t . : ARONSON, E . ( 1 9 9 4 ) .
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wirkungsforschung. Tübingen. SUTTER, T. &
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kommunikation, Interaktion Handeln. Wiesbaden.
und
Kommunikationsmuster munikationsstruktur
Massen-
soziales
Kom-
Kommunikationsstruktur
Kommunikationsnetze
Kommunikationsnetze ->• Kommunikationsstruktur -* Netzwerke, soziale
Kette
Kreis
Kommunikationsstruktur (I) Generell: die kommunikativen Verbindungen in sozialen Systemen, z.B. in Gruppen oder Organisationen. Unterschieden wird hierbei zwischen formeller K. (z.B. der ordnungsgemäße Dienstweg) und informeller K. (Kommunikationsnetze, die die formellen Strukturen überlagern, diese ergänzen oder ersetzen). Manchmal sind informelle kommunikative Verbindungen positiv funktional, da sonst die Ausbreitung von Informationen in Frage gestellt würde. (II) Speziell in der Kommunikationsnetzforschung sind kommunikative Verbindungen nach dem Gesichtspunkt Zentralität bzw. Dezentralität untersucht worden. LEAVITT verwendete prototypische Kommunikationsmuster, um zu sehen, welche Auswirkungen bestimmte Restriktionen der Kommunikation haben, sei es, weil nur manche Kommunikationskanäle nicht bestehen, weil einseitige Kommunikation stattfinden kann oder weil Kanäle nicht funktionieren. Die folgende Abbildung enthält verschiedene Kommunikationsnetze, die durch ihren Zentralitätsgrad (relativer Zentralitätsindex nach BAVELAS) unterschieden sind. Stern
0xs A
B
Ypsilon
Y
v
.
# Beim Stern muss jede Information anderer Vpn von C verstanden und gegebenenfalls modifiziert weitergereicht werden. Die Ergebnisse hängen also entscheidend von den Fähigkeiten des C beim Lösen des Problems ab. Die Ergebnisse sind wie folgt: (a) Kreis und Kette sind besonders zeitaufwendig; (b) Y und Stern lieferten am schnellsten die Lösung; (c) Im Kreis wurden die meisten Informationen ausgetauscht. Die Zufriedenheit der Mitglieder war hier besonders hoch; (d) Im Stern sind nur die Inhaber der Zentralposition zufrieden (es sei denn, es tritt eine Überlastungssituation ein). SHAW fand in seinem Überblickartikel von 18 Kommunikationsexperimenten, dass bei Gruppen, die an komplexen Aufgaben arbeiteten, dezentralisierte K. überlegen waren, vor allem deshalb, weil hier viel mehr Informationen integriert werden müssen. Sofern diese Koordinierungsaufgabe einer einzigen Person zufallt, ist davon auszugehen, dass bei komplexen Aufgabenstellungen die zentrale Instanz überlastet ist. Allerdings kann auch angenommen werden, dass die Effizienz zentralisierter K. im Laufe der Zeit zunimmt, weil Erfahrungen 303
Kommunikationsstruktur
auch mit komplexen Aufgabenstellungen kumulieren, so dass die Überlastungssituation entschärft wird und man auch mit komplexen Problemstellungen leichter umgehen kann. Man hat gelegentlich die Einsichten aus der K.-Forschung in den Makrobereich übertragen. So zeigt sich z.B., dass dezentralisierte, heterarchische Strukturen eher geeignet sind, Prozesse der Selbstregulierung einzuleiten. Auch ist diese Frage von besonderer Relevanz für die Ausweitung der Gruppenperspektive bei Betrachtung komplexer Organisationen, in denen Fragen der K. und des Kommunikationsverhaltens Voraussetzungen des Leistungserfolgs werden. Von hier aus sind Verbindungslinien zur Systemtheorie erkennbar (-> Systeme, soziale). (III) Die vorwiegend soziologisch orientierte K.-Forschung wird gewöhnlich als Netzwerkanalyse betrieben. Diese bietet - gewissermaßen als Verlängerung der soziometrischen Methode (-» Soziometrie) - ein methodisch-formales Instrumentarium zur Entwicklung empirisch gehaltvoller Strukturtheorien. Ein prominentes Beispiel einer solchen Netzwerktheorie ist das Konzept „schwacher Verbindungen". GRANOVETTER unterscheidet starke Verbindungen transitiver Natur (vor allem innerhalb dichter und kohäsiver Primärstrukturen) von schwachen Verbindungen nicht-transitiver Natur, die nur gelegentlich aktiviert werden und meist im Austausch mit anderen Systemen bzw. Gruppen (—> Intergruppen-Beziehungeri) erfolgen. Ihre Relevanz gewinnen solche schwachen Verbindungen nur in besonderen Situationen (z.B. bei Fragen 304
Kommunikationswirkungen
wie: Wie weit ist der Wettbewerber mit der Entwicklung von X? Erhöht die Konkurrenz ihre Preise? Wie steht es mit der Loyalität des Anwärters X für die Stelle Y?). Die Theorie reflektiert in hohem Maße auch „Beziehungen" (im Jargon: „Vitamin B"). Wie GRANOVETTER empirisch nachweist, bewähren sich solche schwachen Verbindungen v.a. bei der Suche nach einem (neuen) Arbeitsplatz. Kommunikationswirkungen Kommunikation, soziale —• Kommunikation, non-verbale -*• Medienwirkungen In der SP sind K. nicht immer strikt nach interpersonellen und durch Medien vermittelten Effekten getrennt worden. Als forschungsleitendes Konzept mag die sog. LASSWELL-Formel
gelten: „Wer sagt was womit zu wem mit welcher Wirkung?". Dabei wurde (v.a. in den Yale-Studien des Kreises um HOVLAND) von den Merkmalen des Kommunikators, der jeweiligen Situation, der Art der Botschaft, der Charakteristik des Mediums (Kanal) und von den Besonderheiten des Rezipienten ausgegangen. Vorrangig wurden drei Variablen-Gruppen ausfuhrlich untersucht: (a) Die Merkmale des Kommunikators (wer sagt etwas?); (b) Die Merkmale der Botschaft (was sagt er in welcher Form?); (c) Die Merkmale des Rezipienten (zu wem sagt er es?). (1) Kommunikator-Merkmale: Hier ist insbesondere das Konstrukt der —• Glaubwürdigkeit Gegenstand eingehender empirischer Untersuchungen gewesen (-* Exp. 19). Faktorenanalytisch schien das Konzept durch
Kommunikationswirkungen
zwei Subkonstrukte bestimmt: nämlich (fachliche) Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit (insbesondere variierende Interessengebundenheit). EAGLY & CHAIKEN (1993) betonen einen zweifachen Bias: einen „knowledge-bias" (verzerrte oder defizitäre Kenntnisse) sowie einen „recordingbias" (Täuschungsabsicht). Zusätzlich wird häufig „Dynamik" als dritter Faktor genannt; das Spektrum reicht hier von „sachlich-distanziert" bis hin zu „emphatisch-involviert". Nach den Ergebnissen ist mittlere Dynamik für die Glaubwürdigkeitswirkung am effizientesten. Bereits SHERIF hat angemerkt, dass Glaubwürdigkeit nur bei geringer Ich-Beteiligung (-»• Involvement) des Rezipienten von Bedeutung sei. Zieht man das —• ELM heran, so dürfte bei hoher Fähigkeit und Motivation die Glaubwürdigkeit (auch die Attraktivität des Kommunikators, sowie der Stil und die Form der Aussage) von geringer Bedeutung sein. Hier wird vor allem die Argumentqualität wichtig; lediglich bei Passieren der peripheren Route der —• Informationsverarbeitung benötigt das Individuum entsprechende Hinweisreize, die oftmals bereits von rein äußerlichen Merkmalen ausgehen (Seriosität des Auftretens, non-verbale Stimuli etc.). Glaubwürdigkeit ist vielfach auch medienspezifisch. Dem Hörfunk und den Printmedien werden gewöhnlich die höchsten Glaubwürdigkeitswerte zugemessen; Bildkommunikation („bewegte Bilder") über das Fernsehen dürfte dagegen die emotional stärkere Wirkung entfalten.
Kommunikationswirkungen
Neben der Glaubwürdigkeit sind auch Aspekte der sozialen -»Ähnlichkeit und der Attraktivität des Kommunikators untersucht worden. Insbesondere bei Verkaufsinteraktionen ist nachgewiesen, dass perzipierte Ähnlichkeit persuasive Wirkungen verstärkt. Attraktivität bzw. -»Sympathie wirken nicht über das moderierende Konstrukt Glaubwürdigkeit, sondern in direkter Weise auf die Chance, Einstellungsänderungen hervorzurufen. Ob jedoch überhaupt Wirkungen auftreten, ist abhängig vom Objekt. Bei nicht attraktivitätsbezogenen Objekten (z.B. Werbung für Kaffee) wirkt Attraktivität eher negativ, bei attraktivitätsbezogenen Produkten (z.B. Parfüm) jedoch in starkem Maße (-> Werbung Modell-Lernen). (2) Aussagen-Merkmale: Hier geht es weniger um die Argumentqualität (die bei zentraler Route der Informationsverarbeitung sicherlich die größte Wirkung zeigt), sondern um die besondere „Verpackung", in der die Appelle erfolgen. Insbesondere geht es um die folgenden Merkmalsdimensionen: (a) Emotionale vs. rationale Appelle: Damit kognitive Informationsstrategien „greifen", muss ein Mindestmaß an physiologischer -* Aktivation vorliegen (-»• Furchtappelle); (b) Statistische vs. anschauliche Belege: Aus der Erforschung von -»Heuristiken wissen wir, dass Salienz und Vividness Individuen vom zentralen Weg der Informationsverarbeitung ablenken können {-* Heuristisch-systematisches Modell); 305
Kommunikationswirkungen
(c) Einseitige vs. zweiseitige -* Argumentation (Pro-Kontra-Argumentation): letztere wirkt weniger interessengebunden und damit glaubwürdiger. Außerdem wird durch sie der Rezipient veranlasst, die zentrale Route der Informationsverarbeitung einzuschlagen, was zu stabileren Einstellungen fuhrt; (d) Anfangs- vs. Endeffekte (-+ Primacy-Effekt —> Recency-Effekt). Die Befundlage ist wenig eindeutig. Anfangs-Effekte strukturieren ein Problem vor, so dass weitere Informationen, die inkonsistent sind, abgewertet werden (-> Dissonanztheorie). Andererseits sind Argumente, die in der Schlussphase geäußert werden, frischer im Gedächtnis, so dass die Zeitdauer eine wichtige Variable ist; (e) Erhebliche vs. geringe Urteilsdiskrepanz: Zu starke Abweichungen können im Hinblick auf den Appell —> Reaktanz auslösen. Wichtig ist deshalb, dass das Ansinnen sich noch im Bereich einer „Akzeptanz-Zone" bewegt (—> Assimilations-Kontrast-Effekt). (3) Rezipienten-Merkmale: Aussagen treffen meist nicht auf ein Einstellungs- oder Wissensvakuum; vielmehr sind die präkommunikativen Einstellungen der Rezipienten mit einzubeziehen (z.B. -* Einstellungsstärke). Vielfach suchen Rezipienten nach konsistenten Informationen (—> selective exposure), sofern sie sich nicht von der Auseinandersetzung mit dissonanten Informationen einen Gewinn versprechen. Die 306
Kommunitarismus
Annahme bipolarer Einstellungseffekte (JUDD & KULIK) geht dabei davon aus, dass insbesondere solche Aussagen im Gedächtnis des Rezipienten gespeichert werden, die eine hohe Überzeugungsstärke repräsentieren (starke Zustimmung oder starke Ablehnung). Das „cognitive response"-Konzept von GREENWALD weist im Übrigen darauf hin, dass die empfangenen Botschaften vom Rezipienten durch dessen kognitive Strukturen (Vorwissen, Schemata, Vorurteile) i.R. der Informationsverarbeitung gedanklich weiter verknüpft werden, so dass sie ihre ursprüngliche Gestalt ändern. Aus dieser Sicht ist der informative Stimulus lediglich eine Anregungsbedingung, die komplexe kognitive Prozesse auslöst. Die hier skizzierten Wirkmechanismen sind stärker auf die dyadische interpersonelle Kommunikation zugeschnitten. Aspekte der Medienwirkungen und der -* Mediennutzung bleiben dabei noch weitgehend ausgeklammert. Lit.: Kommunikation, wirkungen
soziale -* Medien-
Kommunitarismus Gegenbewegung zur Annahme des Eigennutzprinzips, das insbesondere die Ökonomik sowie die -»• RationalCAoice-Schule als Erklärungs- und Deutungsmodell menschlichen Handelns bevorzugt. Kritisiert wird der ausgesprochen individualistisch-egoistische Zug unserer Zeit (-» Individualismus vs. Kollektivismus). Auf der Meta-Ebene geht der K. davon aus, dass die Erklärung sozialen Verhaltens
Kompartmentalisierung
allein durch das Eigennutzprinzip nicht ausreiche, sondern dass man die Wirkung sozialer Normen und Moralvorstellungen einbeziehen müsse (-• Filtermodell -> Norm, soziale). Auf der Objekt-Ebene sucht man unter vorwiegend normativen Aspekten den Nachweis zu führen, dass eine Gesellschaft oder Gruppe, die nur durch Eigennutzüberlegungen zusammengehalten wird, Funktionsschwächen aufweisen müsse, so dass es notwendig sei, neue Werte zu etablieren, die eher dem kollektivistischen Ideal verpflichtet sind. Daraus würde die Gesellschaft integrative, gemeinschaftserhaltende und solidarisierende Kräfte wiedergewinnen.
Kompartmentalisierung Bereichsbildung, insbesondere die Abschottung bestimmter Lebensbereiche, z.B. strikte Trennung von Arbeit und Freizeit. Der Begriff ist vor allem i.R. der -* Rollentheorie entwickelt worden. So kann etwa ein und dieselbe P als liebevoller Familienvater und als rücksichtsloser Geschäftsmann auftreten, ohne dies als widersprüchlich zu empfinden.
Kompensation, soziale Eine mögliche Gegentendenz zur sozialen Faulheit, indem bei Vorliegen besonderer Bedingungen (z.B. sich in einer Gruppe „beweisen" wollen, Identifizierbarkeit und Zurechenbarkeit auf Einzelne) verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um den Mangel an Bemühungen und/oder Fähigkeiten eines oder mehrerer Gruppenmitglieder auszugleichen.
Kompetenz, soziale
Kompetenz, interkulturelle Nach JESERICH die Fähigkeit, unter kulturellen Besonderheiten (Unterschiede zum Lebensstil und Wertsystem des eigenen Kulturkreises) handlungsfähig zu sein und erfolgreich Ziele erreichen zu können. Dazu gehört v.a. Aufgeschlossenheit (-»open-mindedness world mindedness) und die Perzeption der Relativität des eigenen Standorts.
Kompetenz, soziale (1) Begriff: Ein Konzept, das ursprünglich nicht aus dem Wissenschaftsbereich stammt, sondern sich aus verschiedenen Anforderungen der Praxis heraus entwickelt hat. K. ist kein einheitliches Konzept i.S. eines eindimensionalen hypothetischen Konstrukts, sondern eher ein Bündel verschiedener Merkmalsausprägungen aus unterschiedlichen Bereichen, die sich im Interaktionsverhalten und im Interaktionserfolg niederschlagen. Ganz allgemein bedeutet K. den erfolgreichen Umgang mit anderen Menschen (z.B. der geschickte Diplomat, der erfolgreiche Verkäufer, der mitreißende Politiker, der motivierende Vorgesetzte, der erfolgreiche Heiratsschwindler). FELLNER et al. sowie DUBOIS & FELLNER definieren K. als Verfugen über Fertigkeiten, Wissen und Erfahrungen, um erfolgreich an sozialen Interaktionen teilzunehmen. K. ist in starkem Maße an spezifische Situationen gebunden; ob es eine situationsübergreifende K. gibt, ist umstritten. (2)Facetten des Konzepts: (a) Kommunikative Kompetenz (z.B. geschickte Argumentation, 307
Kompetenz, soziale
Kompetenz, soziale
Verbalisierung, Einsatz non-verbaler Kommunikationstechniken). Typisches Item: „Kann gut argumentieren"; (b) —• Perspektivenübernahme (Fähigkeit zur -> Empathie), d.h. das „Sich-Hineinversetzen" in die Rolle/Situation des Interaktionspartners. Typisches Item: „Kann gut zuhören"; (c) Kritikfähigkeit, sowohl in aktiver Hinsicht (z.B. konstruktive Kritik äußern, ohne verletzend zu wirken) wie auch in passiver Hinsicht (Fähigkeit, Selbstkritik „auszuhalten" und konstruktive bzw. verhaltenswirksame Schlüsse daraus zu ziehen). Typisches Item: „Ist offen für Kritik"; (d) Kontaktfähigkeit (Fähigkeit, schnell und erfolgreich Kontakt herzustellen und diesen aufrecht zu erhalten). Typisches Item: „Geht ohne Scheu auf den Kunden zu". Je nach situativen Erfordernissen sind auch andere Facetten der K. von Bedeutung: Eigeninitiative, Teamfahigkeit, Selbstsicherheit, Fähigkeit zu motivieren, Zielstrebigkeit usw. (3) Konzepte und Theorien: In den letzten Jahrzehnten sind insbesondere Modelle der K. in den Vordergrund getreten, die den Prozesscharakter der intra-subjektiven Informationsverarbeitung hervorheben und durch die Korrekturmöglichkeiten über Rückkoppelungen auch soziale Interaktionen einbeziehen (so die Modelle von ARGYLE, DOEPFNER, MCFALL,
HINSCH
&
PFINGSTEN).
Das Modell von ARGYLE dient vielfach als Ordnungsrahmen der K.308
Forschung. In Anknüpfung an das -+ TOTE-Modell wird folgender Prozess angenommen: Rückmeldung X A's Wahrnehmung vonB Rückmeldung Y A'sZIele bezüglich B'sveihalten
»•Übelsetzung
A'ssozkjle Techniken
Rückmeldung 2
B'ssozkUe Techniken
Gletehgewtchtssystem
Die Abbildung modelliert die Interaktion zwischen A und B aus der Perspektive des A, wobei der Ablauf als kybernetisches, sich selbst regulierendes System interpretiert wird. Im Wahrnehmungsteil werden die Hinweisreize des B selektiv aufgenommen; im Übersetzungsteil werden die Reize verarbeitet; im Entscheidungsteil werden die als effektiv vermuteten Sozialtechniken aus dem Verhaltensrepertoire ausgewertet. Die motorische Umsetzung trifft auf das System des B und seine Sozialtechniken. Bereits während der motorischen Umsetzung erhält A die ersten Rückmeldungen (Y), z.B. durch den Tonfall der eigenen Stimme. Daneben erfahrt A auch Rückmeldungen von B (X), die als neue Hinweisreize selektiv wiederum die zentrale Informationseinheit des A durchlaufen. Des Weiteren erhält A Rückmeldungen (Z), die für dessen Motivation bedeutsam sind und z.B. zur Änderung der ursprünglichen Zielrichtung beitragen können. Die wichtigsten Dimensionen zur Aufrechterhaltung der Interaktion sind nach ARGYLE: (a) Inhalt bzw. Thema der Interaktion;
Kompetenz, soziale
(b) Dimensionen der Beziehung (Rollenverhältnis, Intimität, Dominanz); (c) Zeitliche Abstimmung (z.B. nicht zu große Sprechpausen); (d) Verhaltenssequenzen (angepasste Reaktionen auf das Verhalten des Partners); (e) Non-verbale Reaktivität (z.B. angemessener Gesichtsausdruck); (f) Fähigkeit zur Rollenübernahme, z.B. durch empathische Einbeziehung des Interaktionspartners im eigenen Verhalten; (g) Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beobachter in der sozialen Beziehung auch gleichzeitig Beobachteter ist. Im Einzelnen wird auch nach K. und Performanz unterschieden. Letzteres meint die tatsächliche Umsetzung in faktisches Handeln. Diese Aspekte treten auch in handlungstheoretischen Modellen auf (z.B. bei GREIF oder bei OESTERREICH) (-»Handlungsregulation).
Komplementarität
Darstellung angemessener Gefühle in einer Situation). MUMMENDEY (1995) sieht K. auch
im Zusammenhang mit der Fähigkeit zur —• Selbstdarstellung und zur Selbstüberwachung. In der Tat dürfte die Möglichkeit, den Eindruck, den man beim Interaktionspartner (oder beobachteten Dritten) hinterlässt, steuern zu können, eine wesentliche Komponente der K. darstellen (-» Impression management). Lit.:
ARGYLE, M .
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Soziale
Inter-
aktion. Köln. DÖPFNER, M. (1989). Soziale Informationsverarbeitung - Ein Beitrag zur Differenzierung sozialer Inkompetenzen. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 3, 1-8. FELNER, R . D . et al. ( 1 9 9 0 ) .
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Ein weiteres Konzept stammt von MCFALL (1990); dieses stellt eine Art Stufenmodell dar und unterscheidet zwischen den decoding skills, decision und encoding skills, wobei die Reaktionen durch einen dritten Beobachter ermittelt werden. Das Modell von DOEPFNER (1989) unterscheidet zwischen aktionaler K. (das dem Akteur zur Verfugung stehende Repertoire an verbalen und non-verbalen Fähigkeiten sowie deren Kombination), kognitiver K. (effektive soziale Informationsverarbeitung sowie eine angemessene Einstellung zu sich selbst und seiner Umwelt), emotionaler K. (die Entwicklung und
H.D. (21995). Psychologie der Selbstdarstellung. Göttingen.
Kompetition
Wettbewerb
Komplementarität Vorstellung, dass „Gegensätze sich anziehen" und einander ergänzen. K. bei sozialen Beziehungen scheint allerdings lediglich bei bestimmten Eigenschaftsmerkmalen zeitweilig zu funktionieren, z.B. bei einigen gegensätzlichen Bedürfnissen (z.B. dominant/submissiv). K. kann auch bei -* Teams ein konstitutives Prinzip darstellen, in dem Spezialisten unterschiedlicher Kompetenzbereiche zur Bearbeitung einer - diese Wissen309
Komplexität
Konditionierung
schaftsfacetten erfordernden- Aufgabenstellung zu einer (Projekt-)Gruppe temporär zusammengefasst werden.
Einheiten sozial definiert sind: z.B. Personen, Beziehungen, Rollen oder Interaktionen.
Komplexität
Komplexität, kognitive
(I) Aspekt der Informationsverarbeitung, wobei K. eine infinite Menge möglicher Informationen bedeutet. Zur Reduktion von K. dienen vereinfachende Mechanismen kognitiver Verarbeitung (z.B. schemagesteuerte, —" kategoriengeleitete Wahrnehmung und Informationsverarbeitung). Auch die Verwendung von -* Heuristiken ist ein Weg, K. zu reduzieren. In Interaktionsprozessen sind soziale -* Rollen, die Neigimg zur Konformität sowie die Ausbildung von —• Vertrauen Wege der K.-Reduktion.
Die differenzielle Fähigkeit von Menschen, komplexe Ereignisse und Strukturen zu durchschauen und i.R. von Problemlösungsprozessen umzusetzen. Nach KELLY und HARVEY et al. umfasst K. drei Strukturelemente des kognitiven Systems, die für die angemessene Informationsverarbeitung funktional sind. Differenziertheit (Fähigkeit zur Unterscheidung von Hauptkategorien), Diskrimination (Fähigkeit zu weiterer, subtiler Differenzierung) sowie Integration (Fähigkeit, Verbindungen zwischen den Kategorien herzustellen).
(II) K. von Aufgaben: Insbesondere in der Arbeitspsychologie ist Aufgaben-K. eine häufig benutzte Variable im Zusammenhang mit ->• Leistungsmotivation, —• Zielinduktion, sozialer Erleichterung. (III) K. von -* Einstellungen : Kennzeichnet deren Grad der inneren Differenzierung. Als Indikator fungiert meist die Anzahl der mit einem Einstellungsobjekt verbundenen Meinungen (Überzeugungen, beliefs). Komplexe Einstellungen sind meist stabiler als simplexe, da sie häufig durch elaborierte Prozesse der Informationsverarbeitung gewonnen wurden (-» ELM). (IV) K. von sozialen -* Systemen: Diese enthalten oftmals eine Vielzahl von Elementen, die hochgradig vernetzt sind und die sich mehr oder weniger stark beeinflussen (Interdependenz). Für die SP besonders relevant erscheinen soziale Systeme, deren 310
Die K. spielt u.a. im Zusammenhang mit sozialer Kompetenz sowie als Führungsqualifikation (-» Führungseigenschaften) eine Rolle.
Konativ (Kollation) Das Wollen und Handeln betreffend. In der SP bezeichnet die K.-Komponente einer -»Einstellung (neben der affektiven und kognitiven Komponente) die Verhaltensrelevanz bzw. Verhaltenstendenz, die diese Einstellung impliziert (Drei-Komponenten-Modell).
Konditionierung Elementare Form des Lernens, die sich aus der Perspektive der behavioristischen Lerntheorie quasi-automatisch, d.h. ohne Einsicht in die Zusammenhänge, vollzieht. Unterschieden werden zwei Formen der K : die klassische Konditionierung (hier wird eine Reiz-Reaktions-Verknüpfimg
Konditionierung, instrumenteile
Konditionierung, klassische
aufgebaut) und die operante (auch instrumenteile) -* Konditionierung (hier wird ein Verhalten der Verstärkung unterworfen und damit in seiner Auftretenswahrscheinlichkeit gesteigert). Die Unterscheidung zwischen beiden Formen der K. folgt dem klassischen Ansatz einer Zwei-Faktoren-Theorie der K. Nach STAATS ist jedoch die instrumentelle K. der universellere Lernmechanismus.
stärkung kritisiert, dass es für komplexe Lernprozesse von eingeschränkter Bedeutung sei. Allerdings lässt sich wohl nicht leugnen, dass Menschen aus Erfahrung lernen, auch wenn zu konzedieren ist, dass der behauptete Automatismus des behavioristischen Schemas in variierendem Maße von bewussten Prozessen der Einsicht getragen wird (wie es in den kognitiven Lerntheorien der Fall ist).
Konditionierung, instrumenteile
Konditionierung, klassische
Auch: operante Konditionierung. Während bei der klassischen -» Konditionierung Reflexe auf zunächst neutrale Reize übertragen werden, besteht K. darin, dass Verhaltensmuster sich durch die Konsequenzen des Verhaltens ändern. Folgt auf ein bestimmtes Verhalten ein Belohnungsreiz, so wird dieses Verhaltensmuster künftig beibehalten bzw. verstärkt (-• Verstärkung Effektgesetz). Folgt auf ein Verhalten ein aversiver Reiz, so wird dieses Verhalten künftig vermieden; es sei denn, es ist bereits fest etabliert. Treten keinerlei oder lediglich neutrale Konsequenzen auf, wird das Verhalten gelöscht (Extinktion). Der Lernmechanismus der K. ist damit eine Art Weiterfuhrung DARWlNscher Selektionsprozesse; nur solche Verhaltensmuster werden beibehalten, die sich bewährt haben (Lernen am Erfolg).
Übertragung von Reflexen auf ursprünglich neutrale, d.h. nicht reflexauslösende Reize. Wenn ein neutraler Reiz (z.B. Wort, Bild, Produkt, Person) wiederholt und stets gleichzeitig zusammen mit einem emotional positiv getönten Stimulus dargeboten wird, erhält auch der neutrale Reiz, wenn er später allein dargeboten wird, die Fähigkeit, die emotionale Reaktion hervorzurufen. Der neutrale Stimulus wird dabei „aufgeladen"; er wird zu einem konditionierten Reiz (auf diese Weise kann auch die Genese „sekundärer Verstärket erklärt werden). Während es früher üblich war, die K. als Herstellung einer Assoziation zwischen CS und UCS (unkonditionierter Stimulus) aufzufassen, neigt man heute zu einer Signalerkennungs-Theorie: Das Individuum betrachtet das Auftreten des CS als Signal für den UCS, d.h. der CS kündigt den UCS an.
Man bezeichnet dieses Prinzip, wonach Verhalten aus seinen Konsequenzen erklärt wird, auch als -*• Effektgesetz, das für verschiedene behavioristische sowie neo-behavioristische Lerntheorien konstitutiv ist. Neben dem (unhaltbaren) Tautologie-Vorwurf wird an diesem Prinzip der Ver-
Die K. spielt in der SP eine vergleichsweise geringe Rolle. STAATS & STAATS haben jedoch in einem klassischen Experiment (-» Exp. 15) demonstriert, dass auch Einstellungen durch K. verändert werden können (-* Einstellungsänderungen). Verwendet man z.B. Nationalitätsbezeichnungen (hol311
Konflikt, kognitiver
ländisch, schwedisch usw.) als relativ neutrale Reize, so zeigt sich, dass bei einer Kopplung mit positiv getönten Wörtern (glücklich, angenehm usw.) die Nationalitäten positiv aufgewertet werden (und umgekehrt). Auf diese Weise können z.B. auch soziale Vorurteile entstehen. Wenn ein Ehepaar über die Namensgebung für sein Kind nachdenkt, so scheiden etliche Namen allein deshalb aus, weil mit diesen Namen Pn assoziiert werden, die man nicht besonders schätzt. Auch in der Kommunikationsforschung (Bevorzugung bestimmter Themen oder Ausdrucksformen, die mit positiven Reaktionen assoziiert sind) sowie in der Werbepsychologie (paarweise Darbietung von bisher neutralen Produkten mit emotional positiven, z.B. erotischen Reizen) findet das Prinzip der K. Anwendung. Allerdings sind vielfach die Konditionierungsvorgänge nicht mehr quasi-automatisch, sondern werden durch Einsichtsprozesse durchsetzt (z.B. bei der Werbung mit Leitbildern oder Modellen).
Konflikt, kognitiver Entscheidung zwischen zwei oder mehr Alternativen, wobei die Konfliktstärke bei gleich bewerteten Alternativen besonders hoch ist. Dieser K.Typ wird häufig auch als intrapersonaler K. oder als psychischer K. bezeichnet. Typische Beispiele sind Motiv-K., Entscheidungs-K., Entwicklungs-K. oder Bewertungs-K.. Theoretische Bezugsfelder sind z.B. die kognitive Theorie des Entscheidungskonfliktes von FEGER, das lerntheoretische Modell von MILLER (—• Appetenz-Aversions-
Konflikt) oder Ansätze, die den sog. —• Wert-Erwartungs-Theorien nachge312
Konflikt, sozialer
bildet sind. Da das bewusste Handeln von Menschen immer auch Entscheidungsverhalten bedeutet, ist menschliches Handeln unter dieser Perspektive stets konfliktgefährdet (-*Dissonanztheorie).
Konflikt, sozialer (1) Begriff: Nach RUBIN et al. (1994)
die „perceived divergence of interest or a belief that the parties' current aspirations cannot be achieved simultaneously". Maßgebend dürfte die relative Höhe und die Rigidität der jeweiligen Ansprüche sein, die ihrerseits durch die Intensität der Werte bedingt sind. K. werden v.a. in sog. Nullsummen-Situationen auftreten, wenn eigene Vorteile nur zu Lasten anderer erhöht werden können. Auch durch die Tatsache, dass Ziele manchmal Entweder-OderCharakter haben (man kann nur eine Frau heiraten; nur einer kann Abteilungsleiter werden), werden K. verschärft. (2) Formen des K.: Für die SP ist eine subjektivistische Definition (wie die von RUBIN et al. 1994) typisch. Al-
lerdings wird man davon ausgehen können, dass die Wahrnehmung und Interpretation eines K. bzw. des K.Geschehens in der objektiven K.-Situation wurzelt, auch wenn diese mit der subjektiven Einschätzung nicht immer konvergiert. Ferner wird unterschieden nach latenten und manifesten K. (ersterer ist ein schwelender, gleichsam ein potentieller K., dessen Tiefenstruktur nicht ohne weiteres sichtbar ist). Des Weiteren wird zwischen verhaltensinduzierten und strukturinduzierten K. unterschieden. Die erstgenannten liegen in
Konflikt, sozialer
Konflikt, sozialer
der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen (Intrigant, Querulant, Aggressiver) oder deren sichtbaren Merkmalen (z.B. Rassen- oder Geschlechtszugehörigkeit). Strukturinduzierte K. entstehen aus strukturellen Gegebenheiten, bei denen das Auftreten von K. vorprogrammiert ist (z.B. restriktive Regelungssysteme, sich überlappende Kompetenzbereiche, Arbeitsgruppen aus verfeindeten Ethnien). Diese Konstellationen sind in ihrer konfliktauslösenden Funktion eher Thema der soziologischen Forschung; allerdings interessiert den SP (oder auch den Organisationspsychologen), in welcher Weise solche Rahmenbedingungen vom Individuum wahrgenommen und kogniziert werden. Während K. auch in Form von Bewertungs-K. (unterschiedliche Einschätzung durch verschiedene Beurteiler), Beeinträchtigungs-K. (Raucher stören Nichtraucher), Kommunikations-K. (Verwechslung von Kommunikationsebenen, klassische Missverständnisse) oder Rollenkonflikten (nicht kompatible Rollenerwartungen) auftreten können, bezieht sich das sp relevante Konfliktgeschehen im Wesentlichen auf den Verteilungs-K. (Interessen-K.); dieser steht im Zentrum dieses Stichworts. (3) Das K.-Geschehen: Die relevanten Variablen einer K.-Episode hat DEUTSCH (1976) identifiziert: (a) Charakteristika der (Wertorientierungen, Zielvorstellungen, zur K.-Bewältigung, gen zum K. sowie
K.-Parteien Motive, Fähigkeiten Auffassunhinsichtlich
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
der einzuschlagenden Strategien); Bisherige Erfahrungen der Parteien (Interaktionsvergangenheit, -* Vertrauen und -»• Glaubwürdigkeit, bisherige Ergebnisse); K.-Stoff (Kernproblem, das den K. ausgelöst hat, z.B. Wunschintensität und Anspruchsniveau, erlebte Ungerechtigkeit bei der Ressourcenverteilung); Sozialer Kontext (z.B. strukturelle Vorgaben, institutionalisierte Regelungsformen, Normen bezüglich Faimess, Einfluss der Medien); K.-Beobachter (z.B. interessierte Dritte und deren Beziehung zu den K.-Parteien, Intentionen der Beobachter); Strategien und Techniken (z.B. Einschätzung von deren Instrumentalität, Gewinn- und VerlustKalkül, Beurteilung der Legitimität und Fairness, Versprechungen und Drohungen); K.-Folgen für die jeweils Beteiligten (z.B. Gewinn und Verlust, Schadensbegrenzung, Steigerung oder Verlust des Ansehens, Auswirkung auf die Interaktionsbeziehung, Wahrscheinlichkeit künftiger K.)
Im Hinblick auf die Austragung von K. werden bestimmte K.-Stile unterschieden; diese können einmal an Persönlichkeitsmerkmalen festgemacht werden (K.-Sucher, K.-Meider) oder an bestimmten Situationen, in denen unterschiedliche K.-Stile effizient sind (z.B. Problemlösen, Durchsetzen, Nachgeben, Kompromiss, Vermeidung).
313
Konflikt, sozialer
befasst sich insbesondere mit Fragen der Eskalation von K. Als wichtige Ursachen einer solchen Entwicklung werden u.a. genannt: sich selbst verstärkende Prozesse der Wettbewerbshaltung bis hin zur Feindseligkeit, Fehlurteile und Missverständnisse, so dass Polarisierungstendenzen auftreten, Prozesse des —> Commitment, etwa i.S. der öffentlichen Festlegung, so dass jedes Abrücken von einer Position als Gesichtsverlust gewertet wird. Umgekehrt gibt es Möglichkeiten der DeEskalation, z.B. Ent-Emotionalisierung, Betonung gemeinsamer Interessen, verstärkte Kommunikation, Betonung einer übergreifenden sozialen —> Identität, -* Kreativität, Anrufung sozialer Normen oder eines Schlichters. DEUTSCH
Bereits im Vorfeld gibt es Möglichkeiten der K.-Prophylaxe, z.B. die Eliminierung solcher Parameter, die zu strukturinduzierten K. fuhren (wie: Abbau von Spannungslinien, Schaffung von Handlungsspielräumen, klare Kompetenzverteilung, nachvollziehbare Verteilungsregeln, Partizipation am Entscheidungsprozess). Als Möglichkeiten der K.Kontrolle fungieren überdies institutionalisierte Regelungssysteme (Normen und Grundsätze, Bereitstellung von Lösungsmustern), die ein wichtiges Regulativ im Hinblick auf die Ausuferung von K. darstellen. Wie DEUTSCH betont, scheint insbesondere die Hinwendung zu kooperativen Verhaltensmustern (-»Kooperation) die Auftretenswahrscheinlichkeit von K. zu mindern, während kompetitive Haltungen ein ungleich höheres K.-Potenzial schaffen. 314
Konflikt, sozialer
(4) K.-Theorien: Im Hinblick auf mögliche theoretische Konzepte zur K.Thematik gib es zahlreiche Überschneidungen mit soziologischen und auch politologischen Ansätzen. Es folgt eine kurze Auflistung: (a) Spieltheoretische Ansätze: Das Gefangenen-Dilemma (und seine Abwandlungen) stellt eine in der sp K.-Forschung häufig untersuchte Spielsituation dar, in der die Versuchung besteht, sich einen individuellen Vorteil durch Wettbewerb oder Eigennutz zu verschaffen, während gleichzeitig die Gefahr besteht, dass sich ungünstigere Ergebnisse ergeben, wenn beide K.-Parteien sich gleichermaßen für diese kompetitive Strategie entscheiden (-> Kooperation)', (b) Austauschtheoretische Ansätze: Hiernach sind K. sehr wahrscheinlich, wenn die Austauschrelationen ins Ungleichgewicht geraten (-»• Austauschtheorie Verhaltenskontrolle -* Ergebniskontrolle). Das von KELLEY & THIBAUT entwickelte Interdependenzkonzept macht zugleich deutlich, dass die Konfliktwahrscheinlichkeit steigt, wenn keine —• Transformationen (zu Kooperation oder Altruismus) erfolgen (-* Interdependenztheorie)', (c) Deprivationstheoretische Ansätze: Hierbei handelt es sich um eine modifizierte Wert-Erwartungs-Theorie, die davon ausgeht, dass manche Erwartungen sich schneller entwickeln als die Möglichkeiten, bestimmten Interessen Rechnung zu tragen (Fall 1), oder dass Erwartungen kon-
Konformität
Konflikt, sozialer
stant bleiben, während sich die Möglichkeiten verschlechtern (Fall 2). Ein Ableger dieses Konzepts sind Revolutionstheorien (-> Revolution). (d) Kognitive Ansätze: Im Rahmen einer „goal-expectation-theory" wird betont, dass -»• Kooperation sich nur entwickeln kann, wenn beide Parteien auf kurzfristigen Gewinn zugunsten einer längerfristigen Interaktionsperspektive verzichten. Die -» Dreieckshypothese macht darauf aufmerksam, dass die Erfahrung Kooperativer vielfältiger ist, während Kompetitive in ihrer Erfahrungswelt eher eingeschränkt sind. Jede kompetitive Reaktion des Anderen bestätigt für P, dass der Andere offenbar nicht kooperieren will. In diesem Zusammenhang sind Attributionsprozesse zentral, die i.S. einer -* Erwartungsbestätigung (-> Prophezeiung, sich selbst erfüllende) zu einer Eskalation des K. fuhren können; (e) Gruppentheoretische Ansätze: Zu differenzieren sind Konzepte, die K. innerhalb (-> Gruppe, soziale) und zwischen Gruppen (-» Intergruppen-Konflikt) aufgreifen. Obgleich Theorien des Intergruppen-K. betonen, dass „minimal group-situations" (—• Exp. 31) bereits zu K. führen können, spielt in der Realität meist der „realistische" Gruppen-K. (aufgrund einer Wettbewerbssituation in NullsummenSituationen) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Lit.: BERKEL, K . ( 1 9 8 4 ) . K o n f l i k t f o r s c h u n g
und Konfliktbewältigung. Ein organisationspsychologischer Ansatz. Berlin. DEUTSCH,
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Konformität (1) Begriff: K. (in vorwiegend experimental-psychologischem Verständnis) tritt dann auf, wenn P ein bestimmtes Verhalten oder eine Einstellung unter dem Einfluss anderer Individuen oder Gruppen in deren Richtung verändert (Diskrepanz-Definition). K. wird hier eher als Prozess verstanden, nämlich als Prozess der Diskrepanzreduktion. K. in einem weiteren Sinn liegt vor, wenn ein bestimmtes Verhalten (oder Einstellungen) sozialen Normen bzw. normativen Erwartungen entspricht. K. wird hier eher als Zustand der Entsprechung aufgefasst, wobei konformes Verhalten im letzteren Sinn auch das Ergebnis vorausgegangener Prozesse der Diskrepanzreduktion sein kann. 315
Konformität
Soziale K. lässt sich also als Verhalten definieren, mit dem intendiert ist, normative Erwartungen zu erfüllen, wobei die vom Akteur wahrgenommenen Erwartungen relevant sind. Wichtig ist, dass es sich hier nicht um eigene Erwartungen, sondern um die normativen -* Erwartungen anderer handelt. Diese Form der intendierten K. kann von einer bloß inzidentellen K. abgegrenzt werden, die sich aufgrund der Einwirkung nichtsozialer Faktoren ergibt. Wenn etwa bei einsetzendem Regen viele Menschen einen Regenschirm aufspannen, dann ist eine solche Übereinstimmung nicht das Ergebnis sozialer K.; sie wäre dies nur dann, wenn es gar nicht regnet. Der Begriff der K. ist nicht ganz wertfrei, was an möglichen Gegenbegriffen sichtbar wird. Positive Konnotationen treten auf, wenn K. folgendes signalisiert: Vertrauen, Verlässlichkeit, Ordnung, Funktionieren (Non-K. wäre dann negativ zu werten als: Misstrauen, Unsicherheit, Chaos, Isolation). Negative Konnotationen treten auf, wenn K. i.S. des Konformismus interpretiert wird, nämlich als Nachahmung, bloße Anpassung, Uniformierung, Fremdsteuerung, Abhängigkeit (Non-K. wäre dann eher assoziiert mit: Entfaltung, Kreativität, Innovation, Selbstgestaltung). Sp Autoren (z.B. ASCH) betonen eher die negativen Aspekte der K. (Nachäffen anderer, Unselbständigkeit des Urteils), während Soziologen (z.B. COLEMAN) K. eher als integrativen Mechanismus ansehen, als „soziales Kapital", das Arbeitstei316
Konformität
lung, Tausch, Geschäftsbeziehungen etc. erst ermögliche. (2) K.-Experimente: Das Grundthema der Standard-Experimente zur K. lässt sich wie folgt beschreiben: der VI ermittelt die Präferenzen, Urteile und Überzeugungen der Vpn und konfrontiert diese dann mit der angeblichen Meinung einer Gruppe oder P, die vom ursprünglich geäußerten Standpunkt abweicht. Diese Ansicht ist gewöhnlich verfälscht oder suggeriert ein extremes Urteil. In dem Maße, in dem die Vpn von ihrem ursprünglichen Urteil in Richtung der Einflussgeber abweichen, spricht man von einem K.-Effekt. Standard-K.-Experimente von und
stammen
SHERIF, ASCH, CRUTCHFIELD MILGRAM (-> Exp. 24 und
-* Exp. 25). Sie unterscheiden sich im K.-Stimulus; z.B. werden bei CRUTCHFIELD bestimmte präkommunikative Einstellungen gemessen, die dann einem extremeren Urteil anderer ausgesetzt werden. Manipuliert wird durch den Umstand, dass zunächst die Pn A, B, C, D und E ihr Urteil abgeben und die eigentliche Vp als letzte (F) antwortet. Die Experimente variieren auch den Gruppendruck, in den Gehorsamsexperimenten von MILGRAM (-> Gehorsam) erfolgt dies in sehr massiver Weise. (3) Formen der K.: Es lassen sich innere und äußere K. unterscheiden. Die Differenzierung geht auf FESTINGER zurück, der zwischen „private acceptance" und „public compliance" unterschied. Dabei geht es um die Frage, ob eine P aus Überzeugung und innerer Akzeptanz ihr Ur-
Konformität
teil ändert oder ob sie i.S. einer lediglich äußeren Anpassung reagiert. Des weiteren ist von Belang, ob K. aufgrund kalkulativer Überlegungen zustande kommt, z.B. als instrumentelle K., als Einschmeichelung (Ingratiation), als Furcht vor äußeren Sanktionen, oder ob die K. auf internalisierten Normen basiert (-»Internalisierung). D E U T S C H & G E R A R D unterscheiden zwischen normativer und informativer K. Bei der erstgenannten geht es um regelgerechtes Verhalten, bspw. in der Gruppe akzeptiert zu werden, sich keinen negativen Sanktionen auszusetzen etc. Informative K. ist eher am Suchen nach relevanten Informationen orientiert; man wird sich auf den anderen verlassen, weil er möglicherweise kompetenter ist. Auch kann die Berücksichtigung der Urteile anderer dazu fuhren, dass man seine eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Meinungen validieren möchte. Eine ähnliche Doppelfunktion haben auch soziale Vergleichsprozesse. I N S K O et al. weisen darauf hin, dass das relative Gewicht der beiden Mechanismen von Situation zu Situation variiert. (4) Determinanten der K.: Üblicherweise werden drei Variablenklassen unterschieden, die auf die K. einwirk e n (vgl. PEUCKERT 1975; WISWEDE 1976), nämlich:
(a) Merkmale des K.-Objekts (Thema, Stimulus, Einstellungsobjekt), z.B. -»Ambiguität und —> Komplexität des Themas, Zugang zur objektiven Beschaffenheit (physikalische Realität), Bedeutsamkeit des Themas, die ein besonderes Involvement nahe legt. I.S. des -» ELM wäre z.B.
Konformität
anzunehmen, dass sich P nicht ohne weiteres auf die Urteile anderer Leute verlässt, sondern selbst versucht, nach Würdigung verfugbarer Informationen zu einem eigenen unabhängigen Urteil zu gelangen. (b) Merkmale des K.-Subjekts (also der beeinflussten P), z.B. ausgeprägtes Affiliationsmotiv, schwaches oder negatives Selbstbild, Status (hier dürfte eine kurvilineare Beziehung gelten, d.h. Pn mit niedrigem Status haben nicht viel zu verlieren, während Pn mit hohem Status über einen -* Abweichungskredit verfugen). Gelegentlich werden auch Persönlichkeitsmerkmale bemüht („konforme Persönlichkeit", „Unterwürfigkeit", „KontrollExternalität"). Insbesondere die Neigung zur -* Selbstüberwachung dürfte die Tendenz zur K. verstärken. (c) Merkmale der K.-Quelle (Quelle des Einflusses), z.B. ob es sich um eine große oder kleine Gruppe, evtl. nur um eine P handelt, ferner das Ausmaß der Gruppenzusammenhalts (-» Kohäsion) sowie des —> Gruppendrucks. Vielfach kommt es auch zu konkurrierenden Einflüssen (z.B. Eltern vs. Peers), da Menschen gewöhnlich mehrere —> Bezugsgruppen aufweisen und insofern in einen Anpassungskonflikt geraten können. Während in den meisten K.-Situationen angenommen wird, dass sich ein Einzelner oder Wenige dem Majoritätsurteil beugen, hat Moscowici den umgekehrten Fall thematisiert (-+ Minoritätseinfluss), wo317
Konformität
nach Minoritäten durch ihr konsistentes, aber nicht rigides Beharren auf ihrer Position auch die Mehrheitsmeinung ändern können. (5) Theorien der K.: Als Erklärung der K.-Befunde ist vor allem die Theorie des informellen Gruppendrucks von FESTINGER herangezogen worden, ferner auch dessen Theorie sozialer Vergleichsprozesse. Die erstgenannte bezieht sich vorrangig auf normative Einflüsse; sie gilt im Hinblick auf die vorliegenden Befunde als bestätigt (Einschränkung: diese Theorie enthält eher eine Zusammenfassung der experimentellen Ergebnisse in lockerer Hypothesenform). Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse bezieht sich eher auf informativen Einfluss; hier wird v.a. behauptet, dass K. dann auftritt, wenn die Situation unüberschaubar, d.h. von geringer „physikalischer Realität" gekennzeichnet ist. Hier sei das Individuum auf soziale -* Realität angewiesen, d.h. es muss dem Urteil anderer vertrauen. Die Theorie hat nur als schwache Tendenzaussage Bestand, da in zahlreichen K.Experimenten nachgewiesen werden konnte, dass es auch dann zu Urteilsänderungen kommt, wenn es sich um prinzipiell nachprüfbare Sachverhalte handelt. Alternative Erklärungen werden im Rahmen der -* Austauschtheorie angeboten. HOMANS bietet eine K.Theorie, in der der Gedanke betont wird, dass Individuen die Befolgung sozialer Normen um dieser Normen selbst willen belohnend finden. NORD vergleicht Nutzen und Kosten aus K. und aus Abweichung; andere 318
Kongruitätstheorie
Autoren beziehen erwartete Belohnungen und Bestrafungen in das Kalkül ein (-> Wert-Erwartungs-Theorien), werden damit jedoch solchen Formen der K. nicht gerecht, die auf -* Internalisierung beruhen. Moscovici formuliert eine Theorie, die den -* Minoritätseinfluss auf die Majorität erklärt. LATAN£ ( E i n fluss-Theorie) artikuliert eine Theorie (social impact theory), die als entscheidende Variablen die Stärke, Nähe und Anzahl der Einflussquellen enthält. Sie erhebt den Anspruch, eine breite Skala sozialer Einflussprozesse, und zwar sowohl durch die Majorität als auch Minoritäten erklären zu können. In ihrer Allgemeinheit ist sie am ehesten als Rahmentheorie fur K. geeignet, die allerdings mit zahlreichen Moderator-Variablen angereichert werden muss. L i t . : INSKO, CA.
e t al. ( 1 9 8 3 ) . C o n f o m i t y a s
a function of the consistency of positive self - evaluation with being liked and being right. Journal of Experimental Social Psyc h o l o g y , 19, 4, 3 4 1 - 3 5 8 . LATAN£, B . ( 1 9 8 1 ) .
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fomität,
Erscheinungsformen,
Ursachen,
W i r k u n g e n . S t u t t g a r t . WISWEDE, G . ( 1 9 7 6 ) .
Soziologie konformen Verhaltens. Stuttgart.
Kongruitätstheorie D i e K . v o n OSGOOD & TANNENBAUM
ist eine Weiterentwicklung der -»• Balancetheorie, die explizit die Stärke (Intensität, Polarisierung) von Relationen berücksichtigt. Die K. verfolgt das Ziel, genauere Aussagen über das Ausmaß von -* Einstellungsänderungen durch soziale -* Kommunikation
Konjunktive Aufgaben
zu machen. Im Hinblick auf die Messung der Beziehungsintensität werden Rating-Skalen mit Ausprägungen von - 3 bis + 3 verwendet. Die Theorie macht Voraussagen darüber, wie sich ein (variater) positiver oder negativer Akt des bewerteten Senders über das bewertete Sozialobjekt O auf die Urteile der beobachtenden P auswirkt. Der Vorteil des Modells ist, dass es präzise Angaben über die Art und den Grad der Inkonsistenzreduktion macht. Als Beispiel diene ein bei P beliebter Filmschauspieler (Bewertung + 3), der für ein bestimmtes Produkt wirbt, das P weniger schätzt (Bewertung + 1). In den Augen von P wird hierbei der Schauspieler abgewertet (Bewertung -0,5) und das Produkt aufgewertet (Bewertung + 1,5). Wichtig ist, dass der Sender und das Einstellungsobjekt in der Bewertung geändert werden, wobei das Ausmaß jeder Bewertungsänderung umgekehrt proportional zum anfanglichen Polaritätsgrad ist. Dies entspricht der Überlegung, dass extremere (polarisierte) Einstellungen schwerer zu ändern sind. Konjunktive Aufgabe Aufgabentyp, der es erfordert, dass er von allen Mitgliedern erfolgreich ausgeführt wird (-• Gruppenproduktivität). Bei K. verfugen die jeweiligen Gruppenmitglieder über unterschiedliche Informationen, die aber sämtlich zur adäquaten Problemlösung erforderlich sind (z.B. eine Aufgabe, bei der juristische, technische, finanzielle und absatzpolitische Fragen zu klären sind, die i.d.R. das Spezialwissen mehrerer Pn erfordern). Die erfolgreiche Bearbeitung hängt also entscheidend von der Kommunikation und Ab-
Konsensus, falscher
stimmung der einzelnen Teilnehmer untereinander ab (-» Kommunikationsstruktur). Andere Anforderungen i.R. der Gruppenproduktivität stellen additive und disjunktive Aufgaben dar. Konjunktive Regel -»• Entscheidungsregeln Konkurrenz
Wettbewerb
Konsens, Konsensus Übereinstimmung zwischen den Mitgliedern einer sozialen Einheit (z.B. Gruppe) im Hinblick auf gemeinsame Werte, Ziele oder Normen. Produktives Zusammenleben ist nur auf der Basis eines minimalen K. möglich. Angesichts verschiedener Pluralisierungstendenzen sowie Prozessen der Entstrukturierung und Relativierung wird der K. häufig in Frage gestellt oder erodiert (z.B. gesellschaftlicher K. im Hinblick auf Geschlechtsrollen). Konsensus, falscher Menschen neigen dazu, ihre eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen in ichbezogener Weise (—• egozentrischer Bias) in ihrer Verbreitung zu überschätzen, selbst dann, wenn es sich um eine extreme Position handelt. Für den K. werden insbesondere zwei Erklärungsmöglichkeiten diskutiert: Erstens ist davon auszugehen, dass Individuen häufig von einer falschen „Stichprobe" ausgehen, indem sie vorwiegend mit Pn gleichen Milieus (Alter oder Schichtzugehörigkeit) kommunizieren, wodurch die Einstellungsoder Verhaltensähnlichkeit unzulässig generalisiert wird. Zweitens folgen Verallgemeinerungen dieser Art häufig der gedankenlosen und lückenhaf319
Konsistenz
Konsensus-Informationen
ten Informationsverarbeitung, verbunden mit der Vorstellung, dass auch andere Pn aus dem vorliegenden Material die gleichen Schlüsse ziehen wie man selbst.
Konsequenz-Erwartungen
Konsensus-Informationen
zienz-Erwartungen unterschieden. Letztere beziehen sich auf die Wahrscheinlichkeit, mit der P glaubt, ein bestimmtes Verhalten problemgerecht ausfuhren zu können. Solche antizipativen -* Erwartungen sind den K. vorgelagert. K. sind demnach ausschließlich auf die erwarteten Ergebnisse bezogen (-> Kontingenz).
K. sind (neben Informationen zur -> Konsistenz und zur -* Distinktheit) wichtig, um kausale Schlüsse i.S. der Attributionstheorie zu ziehen (—• Kovariationsprinzip). Der Konsensus ist hoch, wenn alle bislang beobachteten Personen (und nicht nur P) in dieser bzw. ähnlicher Situation so reagiert hätten (Achtung: der Ausdruck —• Konsensus wird hier entgegen dem üblichen Sprachgebrauch verwendet).
Konsequenzen (1)Begriff: Gemeint sind meist K., die aus eigenem Verhalten folgen. Diese K. sind im Rahmen von Lernprozessen (-» Lernen) von zentraler Bedeutung, da hierbei angenommen wird, dass K. auf dem Weg der Rückkoppelung (-• Effektgesetz) das künftige Verhalten steuern. Kontingenz bezieht sich dann auf den wahrgenommenen bzw. erlebten Zusammenhang zwischen Verhalten und K. I.S. des -»Modell-Lernens sind auch die K. anderer Pn handlungsrelevant, deren Verhalten bei Vorliegen bestimmter Bedingungen imitiert wird. (2) Eine Taxonomie von K. könnte folgende Unterscheidungen treffen: (a) K. eigenen Verhaltens vs. K. des Verhaltens anderer; (b) non-soziale vs. soziale K. (z.B. Zustimmung anderer); (c) intendierte vs. nicht-intendierte K.; (d) erwartete vs. nicht-erwartete K. 320
Antizipative Hypothesen über das Eintreten von Ereignissen, die durch eigenes Verhalten verursacht werden. K. werden (mit BANDURA) von -* E f f i -
Konservatismus Konzept von WILSON. Das K.-Syn-
drom konstituiert sich aus einer Vielzahl einzelner Einstellungen (z.B. religiöser K., Militarismus, Rassismus und Anti-Hedonismus). Eine solche -* Ideologie ist nach WILSON aus einem Gefühl der Unsicherheit und Unterlegenheit ableitbar, das zu einer generalisierten Furcht vor Unsicherheit fuhrt. Das daraus resultierende Vermeidungsverhalten ist dann für die Entwicklung des K.-Syndroms konstitutiv.
Konsistenz Innerer Zusammenhalt, Widerstand gegen Gestaltänderungen. In der SP meist als innere Stimmigkeit interpretiert. (I)Im Kontext der Konsistenztheorien Sammelbegriff für Konzepte, die auf der Annahme basieren, dass Individuen bestrebt sind, Kognitionen zur psycho-logischen Übereinstimmung zu bringen. (-> Balancetheorie Dissonanztheorie). Insbesondere geht es dabei um die innere Stimmigkeit der kognitiven Elemente oder Komponen-
Konsistenz-Informationen
ten (-> Einstellungsstruktur), sowie um eine Übereinstimmung zwischen Einstellung und Verhalten. (II) Im Kontext der —• Attributionstheorien sind -»• Konsistenz-Informationen für die Ursachen-Attribution von Relevanz. (III) I.R. der -> Sozialisation ist von konsistentem bzw. inkonsistentem —>• Sozialisationsstil die Rede. (IV) I.R. der -»• Rollentheorie spricht man von der K. der Rollenerwartungen. (V)Im Kontext des Minoritätseinflusses bedeutet K. das Festhalten an einer (abweichenden) Meinung, wodurch eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung bewirkt wird.
Konsistenz-Informationen K. sind (neben Konsensus- und -» Z)i's/inMeito-Informationen) wichtig, um kausale Schlüsse i.S. der Attributionstheorie ziehen zu können (-» Kovariationsprinzip). Die Konsistenz ist hoch, wenn P sich zu verschiedenen Zeitpunkten und nicht nur unter diesen besonderen Umständen auf die beobachtete Weise verhalten hat (zur Vermeidung von Missverständnissen wäre der Ausdruck Persistenz wohl angemessener).
Konsistenztheorien Oberbegriff für Theorien kognitiven Gleichgewichts. Die Vorstellung einer kognitiven Ausgeglichenheit leitet sich ursprünglich aus der Gestaltpsychologie ab (Prinzip der guten Gestalt). Ihr liegt die (axiomatische) Annahme zugrunde, dass Menschen von „Natur aus" bestrebt sind, im System
Konstruktivismus
ihrer Kognitionen Harmonie und Gleichgewicht zu erzeugen und zu behalten. Störungen der Konsistenz werden durch eine motivationale Tendenz zur Wiederherstellung des Gleichgewichts beantwortet. Neuere Ansätze zur -»• Informationsverarbeitung versuchen, in motivationaler Hinsicht voraussetzungslosere und damit ökonomischere Erklärungen anzubieten. Zu den K. gehören: (a) die —• Balancetheorie
von HEI-
DER;
(b) die —• Dissonanztheorie von FESTINGER;
(c) die -* Kongruitätstheorie von OSGOOD & TANNENBAUM;
(d) das -»• ABX-Modell von NEWCOMB und (e) die affektiv-kognitive Theorie von ROSENBERG.
Die Balancetheorie ist trotz ihrer überzeugenden deduktiven Struktur und trotz der Ausweitung und Differenzierung (z.B. i.R. der -> Kongruitätstheorie) zu Gunsten der Dissonanztheorie in den Hintergrund getreten. Die affektiv-kognitive K. von ROSENBERG dürfte aus der Dissonanztheorie ableitbar sein; sie behauptet, dass Pn bestrebt sind, die affektiven und kognitiven Komponenten ihrer Einstellungen miteinander in Einklang zu bringen und zu erhalten.
Konstruktivismus Die K.-Debatte hat wichtige Vorläufer in der Philosophie (Realismus vs. Idealismus) und auch in der Psychologie (z.B. im Bereich der Wahrnehmung, etwa bei PLAGET oder auch in der -* kritischen Psychologie von HOLZKAMP).
321
Konstruktivismus
In neuerer Zeit wird der K. vor allem in drei verschieden rigorosen Formen vertreten: (a) BERGER & LUCKMANN f ü r die Soziologie und GERGEN für die SP
sprechen von „sozialer Konstruktion der Wirklichkeit" und wollen mit diesem Sprachgebrauch darauf hinweisen, dass soziale Phänomene von Menschen konstruiert und daher als „Menschenwerk" zu analysieren seien. Diese Sichtweise, der wohl die meisten Sozialwissenschaftler zustimmen, findet jedoch gewisse Grenzen dort, wo bspw. sozio-biologische Tatbestände mit sozialen Gestaltungen interagieren (z.B. bei der Geschlechtsrollenthematik oder bei ethnischen Grenzziehungen). (b) In einer rigoroseren Variante behauptet der K., dass - schon durch die evolutionäre Begrenztheit unserer Erfahrung und Wahrnehmung- kein Zugang zur objektiven Realität besteht: Wir können nichts wissen über die tatsächliche Beschaffenheit von Wirklichkeit. (c) In der radikalsten Form behauptet der K., die Realität sei lediglich ein vom Geist hergestellter, nicht etwa ein von ihm aufgegriffener Zustand. Es gebe im Grunde keine reale Wirklichkeit (dies hatte bereits die philosophische Richtung des Solipsismus behauptet), sondern ausschließlich Visionen und Glaubensvorstellungen, die von den herrschenden Gruppen oder vom Mainstream der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin vertreten und verbreitet werden. Die Versionen (b) und (c) sind eigentlich eine Bankrotterklärung wissen322
Konsumentenpsychologie
schaftlichen Bemühens. Vielfach bezieht man sich bei ihrer Begründung auf die Analyse autopoietischer Systeme (-> Autopoiesis) sowie auf die Idee der Selbstreferenzialität. Gegen diese Art der „Beweisführung" lässt sich einwenden, dass sie selbstwiderlegend ist. Wenn wir nichts über die Realität in Erfahrung bringen könnten, dann würden wir auch nicht wissen, dass wir autopoietische Systeme sind. Eine vermittelnde Position bezieht der konstruktive Realismus (MEINEFELD), manchmal auch als „Interaktionismus" bezeichnet. Dieser besagt, dass ein Wechselverhältnis zwischen handelnden Subjekten und einer realen (sozialen) Außenwelt besteht. Er setzt voraus, dass es eine Differenz zwischen Subjekt und Außenwelt gibt. Zwar sei es richtig, dass Individuen ihre soziale Außenwelt konstruieren; jedoch sind solche Konstruktionen „sachhaltig", d.h. von realen Außenbedingungen imprägniert. Konstruktvalidität Liegt dann vor, wenn aus einem Konstrukt (theoretische Eigenschaftsdimensionen) empirisch prüfbare Aussagen über Zusammenhänge dieses Konstrukts mit anderen Konstrukten theoretisch hergeleitet werden können und sich Beziehungen empirisch nachweisen lassen. Konsumentenpsychologie Konsumentenverhalten Teil der Marktpsychologie, hier vor allem die Psychologie der Nachfrage. Behandelt werden dabei in enger Anlehnung an allgemeinpsychologische sowie sp Modelle und Theorien die folgenden Aspekte:
Konsumentenverhalten
Konsumentenpsychologie
(a) Motivation von Käufern: Aktivierung und Emotion, Motive und Bedürfnisse, Motivation und Nutzenerwartung; (b) Lernprozesse bei Konsumenten: durch eigene Erfahrung oder durch Modell-Lernen, Aspekte der Konsumentensozialisation, lerntheoretische Modelle der Markenwahl etc.; (c) Habitualisierung: Entstehung von Konsumgewohnheiten, Markentreue und Markenbildung, Durchbrechung von Gewohnheiten; (d) Einstellungen: Analyse konsumrelevanter Einstellungen, Verhaltensrelevanz konsumbezogener Einstellungen, Einstellungsänderungen im Kontext von Marketing-Maßnahmen; (e) Attributionen: Ursachenzuschreibungen, Attributionen in der Entscheidungs-, der Kauf- sowie in der Verwendungsphase; (f) Entscheidungsverhalten: Typologien der Kaufentscheidung, Stadien des Entscheidungsprozesses, kollektive Entscheidungsvorgänge, Informationssuche und -Verarbeitung, Strukturmodelle des Kaufverhaltens; (g) Gruppeneinflüsse: Wirkungen von Bezugsgruppen, Haushaltsentscheidungen, Sozialisationswirkungen, Rolle der Meinungsführer. Die K. ist empirisch und theoretisch gut elaboriert, was auch damit zusammenhängt, dass diese Disziplin (abweichend von manch anderen Bereichen der WP) in enger Anlehnung an die Grundlagenforschung (insbesondere der SP) entwickelt wurde. Allerdings orientierte sich diese Disziplin
in starkem Maße am Bezugsfeld des Marketing und dessen besonderen Verwertungsinteresses. Daneben gibt es jedoch noch einen anderen Entwicklungsstrang, der die Thematik des Konsumentenverhaltens eher unter gesamtwirtschaftlicher Perspektive sieht (z.B. Entwicklung eines Konsum-Barometers oder eines Trendsensors Konsum). Diese Tradition geht insbesondere auf K A T O N A zurück und findet sich in vielfaltigen Fragestellungen i.R. der „Economic Psychology" (—• Wirtschaftspsychologie). Lit.: ASSAEL, H. ( 6 1998). Consumer beha-
vior and marketing action. Boston. BAGOZZI, R.P. et al. (2002). The social psycho-
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Konsumentenpsychologie: Eine Einführung. S t u t t g a r t . KASSARIJIAN, H . H . & ROBERT-
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WEINBERG,
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(82003). Konsumentenverhalten. München.
Konsumentenverhalten Konsumentenpsychologie Marktpsychologie (1)Begriff: K. kann als Prozess aufgefasst werden, dessen erste Phase durch die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung charakterisiert ist. Daran schließt sich der eigentliche Kaufakt an, gefolgt von einer Nutzungs- und Verwendungsphase, die rückkoppelnd künftige Konsumentenentscheidungen beeinflusst. (2) Theoretische Bezugsfelder: Hier kommen u.a. in Betracht: Motivationstheorien (Käufermotivation), Lerntheorien (z.B. instrumentelle Konditionierung, Modell-Lernen 323
Kontaktbedürfnis
im Hinblick auf nachahmendes K.), Konsistenztheorien (z.B. bei NachEntscheidungs-Dissonanz) sowie Theorien der -> Informationsverarbeitung. —• Duale Prozess-Theorien (z.B. das MODE-Modell) berücksichtigen, dass K. eher in seltenen Fällen auf extensiven Entscheidungen beruht (-> Heuristiken -* Gewohnheiten), Wie schon KATONA herausstellte, ist ein Großteil allen K. durch Routinen oder Spontankäufe gekennzeichnet, so dass limitierte Entscheidungsprozesse vielfach lediglich die periphere Route der Informationsverarbeitung (—• ELM) durchlaufen. Noch bis in die neunziger Jahre war es üblich, sog. Total-Modelle des K. zu konzipieren, deren prominentestes das HowARD-SHETH-Modell war. Diese Modelle (auch vom Typ des information processing) haben meist einen metatheoretischen Status und stellen lediglich eine heuristische Hilfe dar. (3) Themenbereiche: —> Konsumentenpsychologie -* Marktpsychologie. Lit.: -»• Konsumentenpsychologie
Kontaktbedürfnis Bezeichnet ein soziales Motiv, mit anderen Menschen zu interagieren bzw. zu kommunizieren (Affiliation). Das K. wird durch bestimmte Situationen (z.B. Unsicherheit) angeregt. In der frühkindlichen Entwicklung gilt das Bedürfnis nach Hautkontakt als primäres Motiv.
Kontakthypothese Diese behauptet, dass durch Kontaktaufnahme oder -erwartung das Aus324
Kontextanalyse
maß der Sympathie steigt (-• Balancetheorie). Dies dürfte allerdings nur bei freiwilligen Kontakten gelten (wie schon NEWCOMB gegen HOMANS argumentiert). In einem spezifischeren Sinn wird behauptet, dass durch verstärkte Kontakte mit anderen Pn (z.B. anderen Ethnien, anderen Sozialschichten, anderen Gruppen) soziale -*• Vorurteile abgebaut werden können. Neuere Befunde zeigen allerdings, dass dies nur bei Vorliegen besonderer Bedingungen der Fall ist. Die positive Wirkung von Kontakten ist vor allem von deren Qualität (z.B. freiwillig, intendiert), ihrer funktionalen Relevanz (z.B. i.R. der Kooperation zur Verfolgung gemeinsamer Ziele) sowie vom Ausmaß der Ähnlichkeit der Parteien abhängig. PETTIGREW hat neuerdings gezeigt, dass Kontakte längere Zeit bestehen müssen, um der Entwicklung aufeinander aufbauender Prozesse Raum zu geben. Die hierbei entstehende Sympathie kann dann zu einer De-Kategorisierung fuhren, d.h.: die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Ethnie tritt dann in den Hintergrund.
Kontextanalyse Die K. bezieht neben individuellen Merkmalen auch äußere Rahmenbedingungen (z.B. Gruppen, Organisationen, ökologische Bedingungen) mit ein. Diese werden meist als unabhängige Variablen aufgefasst, die individuelle Sachverhalte beeinflussen oder modifizieren. Methodisch spezifischer wird die K. auch als Mehrebenen-Analyse betrieben. Hier geht es v.a. um die Frage, in welcher Weise Mikro- und Makrovariablen miteinander verknüpft sind.
Kontext-Effekt
Kontext-Effekt Beeinflussung der Wahrnehmung einer Teilfigur durch andere Elemente des perzipierten Gesamtmusters. Der Ausdruck beschreibt auch den Sachverhalt, dass Objektbewertungen durch den Kontext beeinflusst werden, in den sie eingelagert sind (z.B. wirkt eine exklusive Uhr nur in entsprechender Umgebung elegant, nicht jedoch in einem Schaufenster, das den Eindruck eines Kramladens erweckt). K. entstehen auch beim Abruf von Informationen aus dem ->• Gedächtnis (->• Priming, kognitives). Mit der Aktivierung von Gedächtnisinhalten durch einen Hinweisreiz werden auch alle in der Umgebung des Gedächtnisfeldes liegenden, mit dem Konzept assoziativ verknüpften Konzepte angeregt (z.B. das Programmumfeld oder die Stimmung, in der die Information aufgenommen wurde).
Kontiguität Enges, zeitliches oder räumliches Aufeinanderfolgen von Reizen bzw. Reiz und Reaktion. K. bildet eine Bedingung bei der Konditionierung, die allerdings meist keine so bedeutsame Rolle spielt wie die -* Kontingenz.
Kontingenz (I) I.R. der Lerntheorie bezieht sich K. sowohl auf die klassische -* Konditionierung als auch auf die instrumenteile -* Konditionierung. Es kommt beim Konditionieren nicht nur - wie man früher annahm - auf die bloße zeitliche Nachbarschaft zwischen den konditionierten und den unkonditionierten Stimuli bzw. zwischen Verhalten und Konsequenz an (-» Kontiguität), sondern eher auf die K. (oder Korrelation)
Kontingenz
zwischen ihnen. K. heißt dabei so viel wie „Art und Ausmaß des Zusammenhangs zwischen zwei Sachverhalten". Es handelt sich daher beim instrumentellen Konditionieren um den erlebten Zusammenhang zwischen eigenem Verhalten und den daraus folgenden Konsequenzen. In den kognitiven Lerntheorien wird angenommen, dass das Individuum diesen Zusammenhang kogniziert, d.h. mehr oder weniger starke Einsicht in diese Relation hat. Innerhalb der kognitiven Lerntheorien erhielt das Konzept der K. eine besondere Ausgestaltung, die auch für die Entwicklung der SP bedeutsam wurde, z.B. i.R. bestimmter Kontrolltheorien (-> Kontrolle, kognizierte —• Hilflosigkeit, gelernte -* Handlungskontrolle). K. bestimmt demnach das Ausmaß der Kontrolle zwischen Verhalten und Ergebnissen. Die K.-Wahrnehmung wird (nach ALLOY & TABACHNIK) durch zwei Faktoren erklärt: (a) durch die in der betreffenden Situation enthaltenen objektiven K.Informationen; (b) durch die bereits bestehenden Erwartungen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Verhalten und Ereignissen. Durch die Kombination von starken bzw. schwachen K.-Erwartungen mit K.-Informationen entstehen unterschiedliche Verhaltensmuster. (II) Von K. wird gelegentlich auch i.S. eines Fit (z.B. person-environment-fit) gesprochen. Gemeint ist, dass Verhalten und Fähigkeiten auf die entsprechenden Umwelterfordernisse abgestimmt sein müssen (-> Stress -* Eignungsdiagnostik). 325
Kontrast-Effekt
(III) K. bedeutet in der Interaktionsforschung (-• Interaktion) die gegenseitige Abstimmung zweier Interaktionspartner. JONES & GERARD sprechen von wechselseitiger K.: Das Verhalten folgt zwar eigenen Plänen, ist jedoch abgestimmt auf die Reaktion des anderen (z.B. ein sachliches Gespräch, in dem jeder auf die Argumente des anderen eingeht). In der Soziologie spricht man von „doppelter K.": Die Interaktion erfolgt in gegenseitigem Wissen um die wechselseitige Abstimmung und Rückkoppelung. (IV) I.R. der Organisationspsychologie geht die sog. K.-theorie davon aus, dass Organisationsstrukturen und Verhaltensmuster auf bestimmte Umweltbedingungen (z.B. Marktverhältnisse) abgestimmt sein müssen. So wäre z.B. eine bürokratische Organisationsstruktur bei turbulenten Umweltbedingungen dysfunktional. (V) Ferner wird das situative Führungsmodell von FIEDLER (-> Führungstheorien) als K.-Konzept bezeichnet, weil die Wahl eines bestimmten —> Führungsstils (mitarbeiten oder aufgabenorientiert) auf die vorliegenden situativen Bedingungen abgestimmt sein muss, um effizient zu sein. Kontrast-Effekt ->• AssimilationsKontrast-Effekt Anker-Effekt Kontrollbewusstsein Wird gleichbedeutend mit -* Kontrollüberzeugung verwendet. Eine mögliche (in der Literatur jedoch meines Wissens nicht vorfindbare) Begriffsverlagerung wäre: K. kennzeichnet das Bewusstsein, dass in dieser Situation Kontrolle ausgeübt werden muss. Da326
Kontrolle, kognizierte
raus kann Handlungsbedarf abgeleitet werden (-»Handlungskontrolle). Kontrolldilemma (I) Allgemein entsteht das K. dadurch, dass viele Menschen darin konkurrieren, Kontrolle auszuüben, so dass es zu sozialen Kollisionen (-> Konflikt, sozialer) kommen kann. (II) Speziell im organisationspsychologischen Bereich bezeichnet K. die Tatsache, dass Vorgesetzte ihre Mitarbeiter möglichst intensiv kontrollieren und steuern möchten. Diese ausgeübte Kontrollfunktion bedeutet für den Untergebenen jedoch Kontrollverlust mit dem Bestreben, Handlungsspielräume zu erhalten oder zu erweitern. Zu starke soziale Kontrolle von oben wirkt daher in Richtung —• Reaktanz und hat demotivierende Effekte. Kontrolle, kognizierte (l)Begriff: K. wird insbesondere in der behavioristisch-lerntheoretischen Forschung als Vorliegen objektiver —• Kontingenz zwischen Handlung und Ergebnis definiert. Die SP bevorzugt jedoch eine eher kognitive Definition: die subjektive Überzeugung oder Wahrnehmung einer P, Ereignisse und Zustände ihrer Umwelt kontrollieren (beeinflussen, steuern) zu können. Forschungsergebnisse zeigen, dass zwischen der tatsächlichen objektiven Kontrollmöglichkeit und der subjektiv wahrgenommenen erhebliche Diskrepanzen bestehen (-» Kontroll-Illusion). Im Gegensatz zum umgangssprachlichen Verständnis von Kontrolle nämlich Einfluss auf die Umwelt durch aktives Handeln - ist der sp KontrollbegrifF weiter gefasst: K.
Kontrolle, kognizierte
kann auch dadurch gegeben sein, dass man bestimmte Sachverhalte erklären oder voraussagen kann. Dem K.-Konzept liegt die Annahme zu Grunde, dass Pn bestrebt sind, Zustände/Ereignisse/Abläufe in sich selbst und ihrer Umwelt kontrollieren zu können. Das Ausmaß dieses Strebens hängt von der Appetenz/ Aversion der Konsequenzen, der antizipierten Beeinflussbarkeit sowie den perzipierten -» Kontrollkosten ab. Dabei besteht entweder die Möglichkeit einer evolutionär-lerntheoretischen Begründung: Kontrolle bedeutet die größere Chance der Erlangung von Verstärkern sowie der Vermeidung von Strafreizen, was evolutionäre Vorteile bietet. Oder man unterstellt - w i e WHITE u n d DECHARMS ein eigenständiges
Kontrollmotiv: das Bestreben, sich selbst als Ursache von Handlungen und Umweltveränderungen zu erleben. (2) Formen:
Nach THOMPSON können vier verschiedene Ausprägungen der K. unterschieden werden: (a) Beeinflussbarkeit (behavioral control), wobei ein Ereignis oder dessen Folgen durch eigenes Handeln modifiziert werden können; (b) Vorhersagbarkeit (information control), wobei Zugang zu relevanten Informationen über ein zu erwartendes Ereignis besteht; (c) kognitive Kontrolle (cognitive control), nämlich die Verfugung über kognitive Strategien (z.B. Uminterpretation), um die Aversivität eines Ereignisses zu reduzieren;
Kontrolle, kognizierte
(d) Retrospektive Kontrolle (retrospective control), wobei bereits eingetretene Ereignisse nachträglich erklärt werden. Nach ROTHBAUM et al. kann zwischen primärer und sekundärer Kontrolle unterschieden werden. Das Individuum sucht zunächst primär (d.h. durch eigenes aktives Handeln) K. zu gewinnen und aufrecht zu erhalten. Sollten diese Möglichkeiten erschöpft sein, wird das Individuum zu sekundärer Kontrolle veranlasst. Diese dürfte mit THOMPSONS „kognitiver Kontrolle" (Fall c) identisch sein (FREY & JONAS betrachten abweichend hiervon alle drei Fälle b, c und d als Formen der sekundären Kontrolle). Dabei werden noch verschiedene Unterformen differenziert: prädiktive, illusionäre, vikarisierende und interpretative sekundäre Kontrolle. Entscheidend ist, dass hier durch Uminterpretation von Sachverhalten fehlende Kontrolle oder Kontrollverlust in erträgliche Bahnen gelenkt wird. Sekundäre K. ist demnach ein Anpassungsmechanismus (-* Hilflosigkeit, gelernte -* Reaktanz): Man versucht, das Beste aus der Situation zu machen, bis hin zur Instrumentalisierung anderer. (3) Konzepte und Theorien der K.: Das Konzept der K. ragt in verschiedene psychologische und sp Teilbereiche hinein und spielt in etlichen Theorien eine wichtige Rolle. Als Kontingenzkontrolle ist das Konstrukt zentraler Gegenstand der lerntheoretischen Forschung (-» Konditionierung, instrumenteile —> Kontingenz). In ROTTERS kognitiver Lerntheorie ist der -* locus of control eine generalisierte Erwartung, die mit bestimmten anti327
Kontrolle, kognizierte
zipierten Verstärkerereignissen assoziiert ist. Von diesem Konstrukt leitet sich auch der Begriff der -»• Kontrollüberzeugung ab: Kontrolle durch das Individuum selbst (internal control) oder Kontrolle durch andere bzw. externe Umstände (external control). Dieses Kontinuum ist manchmal auch i.S. von Persönlichkeitszügen ausgelegt worden: Bereits ROTTER unterscheidet zwischen „internals" (Pn, die glauben, externe Umstände in hohem Maße ändern zu können) und „externals" (Pn, die eher fatalistisch eingestellt sind und glauben, dass sie kaum etwas an den Zuständen ändern können). Eine ähnliche Unterscheidung trifft DECHARMS („origins" und „pawns") im Hinblick auf persönliche Verursachung. Weitere Ausgestaltungen dieser Thematik stammen von WEINER („causal controllability"), der sich auch der Frage zuwendet, ob Kontrolle als stabil oder variabel angesehen wird. ABRAMSON thematisiert das Problem, welchen Ausschnitt (Breite und Relevanz) die Kontrolle (oder den Kontrollverlust) betrifft. KÜHL beschäftigt sich in seiner Theorie der -* Handlungskontrolle mit der Frage, ob Individuen zielstrebig und kontrolliert Entscheidungen in Handlung umsetzen können. Die Theorien der gelernten -»• Hilflosigkeit (SELIGMAN u.a.) sowie der Reaktanz (vermittelnd WORCHEL & BREHM) sind Theorien des Kontrollverlusts, die darüber aufklären, welche Verhaltensweisen bzw. kognitive Strategien Individuen entwickeln, um drohendem Kontrollverlust zu begegnen oder eingetretenen Verlust wieder abzu328
Kontrolle, kollektive
bauen. Den Versuch der Formulierung einer integrativen Kontrolltheorie unternehmen OSNABRÜGGE et al. 1985 sowie FREY & JONAS 2002. Lit.: FLAMMER, A . ( 1 9 9 0 ) . E r f a h r u n g d e r
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Kontrolle, kognitive -*• Kontrolle, kognizierte Kontrolle, kollektive (I) Während die Begriffe der kognizierten -* Kontrolle sowie der -»Kontrollüberzeugung (-* locus of control)
Kontrolle, soziale
Kontrolle, primäre
vorwiegend auf Wahrnehmung und Erleben des Individuums gerichtet sind, haben einige Autoren (z.B. STREIFFELER, BANDURA oder FRESE) den Umstand thematisiert, dass auch gemeinschaftlich ausgeübte kollektive Kontrollbemühungen und Einflussnahmen auf Ereignisse mehr oder weniger Erfolg beschieden sein kann. Hierdurch erfolgt ein Brückenschlag zur Kontrollüberzeugung im Gruppenkontext: Annahmen darüber, gemeinsam erfolgreich zu sein (-> Kollektives Handeln ->• Solidarität -* Gruppenproduktivität —• Kooperation). (II) K. kann auch auf soziale Kontrolle bezogen werden, sofern Gruppen (oder Pn, die sich zusammenschließen) über andere Individuen oder Gruppen Kontrolle ausüben (-> Macht, soziale -* Koalitionsbildung). Kontrolle, primäre -»• Kontrolle, kognizierte Kontrolle, retrospektive -»• Kontrolle, kognizierte Kontrolle, sekundäre kognizierte
Kontrolle,
Kontrolle, soziale Nach E.A. Ross die „beabsichtigte Herrschaft der Gesellschaft über das Individuum". K. bezeichnet die Gesamtheit aller Prozesse und Mechanismen, mit deren Hilfe eine Gesellschaft oder Gruppe versucht, ihre Mitglieder zu positiv bewerteten Verhaltensweisen zu veranlassen und negativ eingeschätzte Handlungen (-» abweichendes Verhalten) zu reduzieren. Dabei wird unterschieden:
(a) innere K.: dies ist die Fähigkeit des Individuums, sich aufgrund internalisierter Werte und Normen selbst zu kontrollieren und zu sanktionieren (-> Internalisierung); (b) äußere K.: dies ist der Bereich, der aufgrund defizitärer Intemalisierung und/oder wegen des hohen Belohnungswertes abweichenden Verhaltens zusätzlich der sozialen Regelung bedarf. Äußere K. wird demnach immer dann notwendig sein, wenn internalisierte Kontrollen fehlen oder schwach entwickelt sind, wenn der Anreizwert für abweichendes Verhalten hoch ist, wenn die Regelungen der externen Kontrolle nicht auf Akzeptanz stoßen oder wenn das Sanktionspotential der kontrollierenden Außeninstanz nicht ausreichend ist. Der Begriff der K. ist zu unterscheiden von kognizierter -* Kontrolle. Ein Zusammenhang besteht jedoch in Folgendem: Wenn der Zielbereich kognizierter Kontrolle das Handeln anderer ist, dann liegt soziale Macht bzw. K. vor. K. kann durch eigens dafür vorgesehene Instanzen oder Organisationen (Polizei, Gerichte, Gefangnisse etc.) ausgeübt werden oder aber auch durch direkte Kontakte, die die Beobachtung des Verhaltens anderer zulassen. Dies ist am ehesten in kleineren, überschaubaren Gruppen, in kleineren Betrieben öder Gemeinden möglich. In größeren Sozialgebilden (Großstädte, Großorganisationen) sinkt das Ausmaß der direkten personalen Kontrolle; es steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass sich abweichendes Verhalten ausbrei329
Kontrollgraph tet. Auch das Auftreten von Kooperation oder -* Solidarität ist unter kontrollierbaren Bedingungen (in kleineren Sozialeinheiten) häufiger zu induzieren. Kontrollgraph Darstellung der faktischen Machtverteilung in Organisationen. Empirisch zeigt sich, dass soziale -* Macht in Organisationen meist oligarchisch verteilt ist. Kontrollgruppe Eine Gruppe von Vpn, die neben der eigentlichen Experimentalgruppe als Vergleichsbasis dient, um festzustellen, ob ein Treatment (unabhängige Variable) die ihm zugeschriebene Wirkung hat. Die nicht dem Treatment ausgesetzte K. darf demnach den beobachteten Effekt nicht aufweisen. Um Störfaktoren bei diesem Vergleich zu vermeiden, bedient man sich Kontrolltechniken (z.B. Randomisierung). Kontrollierbarkeit -»• Kontrolle, kognitive Kontrollüberzeugungen Neben den Begriffspaaren internal vs. external sowie stabil vs. variabel (—• Attributionsdimensionen) unterscheidet WIENER auch nach kontrollierbaren und unkontrollierbaren Ereignissen oder Sachverhalten. Es entsteht damit eine dreidimensionale Taxonomie der wahrgenommenen Ursachen von Erfolg und Misserfolg. hält die (attribuierte) K. für eine außerordentlich wichtige Dimension, v.a. im Hinblick auf die Zuschreibung von Verantwortlichkeit. Schreibt man einer P zu, dass sie das Ereignis hätte kontrollieren können (z.B. durch Verzicht auf Alkohol, WEINER
330
Kontroll-Hlusion durch mehr Aufmerksamkeit), dann hält man P auch dafür verantwortlich. Kontroll-Illusion bezeichnet eine unangemessen hohe subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit (Eintritt von Konsequenzen durch eigenes Handeln) als K. Die Theorie der K. enthält drei Annahmen: LANGER
(a) In Fähigkeitssituationen besteht eine kausale Verknüpfung von Verhalten und Ergebnis, d.h. das Resultat ist kontrollierbar; (b) In Zufallssituationen existiert keine kausale Verknüpfung zwischen Verhalten und Ergebnis, d.h. das Ergebnis ist unkontrollierbar; (c) Wenn in Zufallssituationen Merkmale von Fähigkeitssituationen (z.B. Wahl- oder Planungsmöglichkeiten) eingeführt werden, entsteht K. Menschen neigen also unter Bedingung (c) zu einer kognitiven -* Täuschung, verwechseln auf Grund der größeren Ähnlichkeit die Zufalls- mit der Fähigkeitssituation. LANGER zeigt experimentell, dass Individuen das Ausmaß ihrer Kontrolle überschätzen, auch wenn statistische Zufallssituationen vorliegen (z.B. beim Münzwurf, bei Lotteriespielen). K. kann auch als typischer Attributionsfehler angesehen werden; es besteht ein motivationaler Bias (-• Kontrollmotiv), kognizierte Kontrolle zu überschätzen (z.B. bei der Spekulation an der Börse, beim Roulettespiel). resümiert, dass K. insbesondere in Situationen auftritt, die durch persönliches Involvement, Familiarität, vorher vorhandenes Wissen THOMPSON
Kontrollkosten
Kontrollûberzeugung
bezüglich gewünschter Ergebnisse sowie durch einen besonderen Fokus auf Erfolg charakterisiert sind. Lit.: —» Kontrolle,
kognizierte
Kontrollkosten
(II) Speziell auf soziale -> Kontrolle gerichtet, bezeichnet K. alle Aufwendungen, die dabei entstehen, wenn Menschen danach trachten, andere zu kontrollieren. Zu den K. gehören die Kosten für die Beobachtung anderer, einschließlich der Bereitstellung etwaiger Sanktionen. Der Kontrollierende erleidet u.U. einen Attraktivitätsverlust (-> Machtkosten); außerdem werden Ausweichstrategien entwickelt, um der sozialen Kontrolle zu entgehen. Mögliche Folgen sind: Vermeidungslernen, -> Reaktanz etc., die wiederum die K. erhöhen (Kontrollspirale). Kontrollgraph
Kontrollmotiv Einige Motivationstheoretiker (z.B. WHITE oder DECHARMS) unterstellen ein eigenständiges K. (auch: Kompetenzmotiv,
entwickelten einen Test zur individuellen Messung des K., nämlich die „desirability of control scale" (DCS). Desire of control bezeichnet danach ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das ausdrückt, in welchem Ausmaß Pn generell motiviert sind, Ereignisse in ihrem Leben zu kontrollieren. Das K. ist hinreichend allgemein konzeptualisiert und dürfte auch das -* Machtmotiv in seiner intrinsischen und extrinsischen Ausprägung subsumieren, soweit sich die kognizierte Kontrolle auf andere Menschen bezieht. BURGER & COOPER
(I) Kosten, die durch die Ausübung kognizierter Kontrolle entstehen. Dies betrifft Kosten, die in der Entscheidungsphase (-»• Entscheidungen -* Informationsverarbeitung) sowie in der volitionalen Phase (-> Handlungskontrolle) anfallen.
Kontrollkurve
le ein Aspekt des Überlebens und mithin der Selektion darstellt. Das K. hat dispositionale Entsprechungen (-* locus of control —• Kontrolle, kognizierte -* Kontrollüberzeugung).
Effektanzmotiv).
WHITE
interpretiert Kontrollmotivation dabei als Effizienzmotivation bzw. Wirksamkeitsmotivation (-» Selbstwirksamkeit), sich ständig mit der Realität wirksam auseinander zu setzen. Evolutionspsychologisch ist ein solches Motiv plausibel, weil Umweltkontrol-
Kontrollspanne In einer Organisation der Bereich der einem Vorgesetzten unmittelbar Untergebenen, hinsichtlich derer er Anweisungsbefugnis hat. Kontrollüberzeugung Nach ROTTER eine generalisierte Erwartung internaler vs. externaler Kontrolle der Verstärkung (-• Kontrolle, kognizierte). Vor allem in solchen Situationen, in denen Pn keine situationsspezifischen Erwartungen haben, ist die K. verhaltenswirksam. K. ist also eine Erwartung und damit abzugrenzen von Kontrollerleben und Kontrollerfahrung. Letztere wirkt allerdings rückkoppelnd korrigierend auf die K. ein. In den meisten Untersuchungen wird eine hohe K. als günstig angesehen (solche Pn sind psychisch stabiler, unabhängiger, besser lernfähig, erfolgrei331
Kontrollverlust
eher, weniger aggressiv und dogmatisch). Da hohe K. auch eine -»Kontroll-Illusion darstellen kann, wäre eine realitätsangepasste K. wünschenswert. Hohe Werte für Internalität auf der ROTTER-Skala können nämlich auch bedeuten: Selbstüberschätzung, Egozentrismus, fehlerhafte Attribution etc. Obgleich das Konzept der K. ursprünglich auf die Kontingenzkontrolle zugeschnitten war, muss geklärt werden, ob sich der Begriff nicht nur auf -> Konsequenz-Erwartungen, sondern auch auf ->• Effizienz-Erwartungen bezieht. ROTTER, der diese Unterscheidung nicht kennt, liefert Beispiele, die beides einbeziehen. Dies ist auch deshalb plausibel, weil der Begriff der K. häufig mit -> Selbstwirksamkeit (self-efficacy) in Verbindung gebracht wird. Es macht daher Sinn, den Begriff K. (wie es z.B. FLAMMER
vorschlägt) in zwei Komponenten zu zerteilen: K. als Kontingenzüberzeugung (die Erwartung, mit eigenem Handeln bestimmte Ergebnisse zu beeinflussen) und als Kompetenzüberzeugung (die Erwartung, ein bestimmtes Verhalten effizient auszufuhren). Lit.: -* Kontrolle, kognizierte
Kontrollverlust Vorübergehende oder dauerhafte Einbuße der Möglichkeit, die Konsequenzen des eigenen Verhaltens zu steuern (-> Kontrolle, kognizierte -* Kontrollüberzeugung). Theorien, die speziell auf K. reflektieren, sind die -* Reaktanztheorie sowie die Theorie der gelernten -* Hilflosigkeit.
332
Konzeptgesteuerte Wahrnehmung
Konvergenz Tendenz, dass sich Individualurteile (insbesondere in Situationen der Unsicherheit) dem Gruppenurteil anpassen (-» Unifikation Autokinetisches Phänomen). K. wird auch beim Leistungsverhalten beobachtet: Insbesondere in hochkohäsiven Gruppen kommt es zu einer restriktiven Wirkung von Leistungsnormen.
Konversionstheorie Anschlusstheorie zur Theorie des -»• Minoritätseinflusses von MOSCOVIci. Gemäß der K. werden Pn der ursprünglichen Majorität immer dann, wenn sie den Minderheitenstandpunkt übernehmen, diese Einstellung mit großer Überzeugungsstärke vertreten. Der Grund ist, dass ein solcher Umdenkprozess ein hohes Maß an Involvement, Zeitaufwand und kognitiver Anstrengung benötigt. Dies stimmt mit der Beobachtung überein, dass „Konvertiten" (z.B. die Adaption eines neuen Glaubensbekenntnisses, Nichtraucher nach dem Entzug) ihre neuen Auffassungen oftmals rigoroser vertreten. Das stärkere Involvement nach der Konversion kann auch dadurch erklärt werden, dass dieser Prozess in aller Regel einen zentralen Weg der Informationsverarbeitung (->• ELM) durchläuft, da man sich ja mit einem zunächst ungewohnten Standpunkt auseinandersetzen muss.
Konzeptgesteuerte Wahrnehmung bzw. Informationsverarbeitung Form der abwärtsgerichteten (auch top-down) Wahrnehmung, die vorwiegend deduktiv erfolgt. K. wird vielfach gleichbedeutend mit schema-
Kooperation
oder -*• kategoriengeleitete Wahrnehmung gebraucht. Allerdings scheint K. anspruchsvoller und elaborierter: „Konzepte" sind meist komplexer, durchdachter als bloße Schemata; sie nähern sich impliziten Theorien an (-* Theorie, subjektive).
Kooperation (1) Allgemeines: K. ist eine Strategie, die sich in vielen Konfliktsituationen (-> Konflikt, sozialer) für alle Beteiligten auszahlt. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht geeignet, die Differenz zwischen den eigenen und den Erträgen der Interaktionspartner in Richtung des persönlichen Vorteils zu maximieren. Eine derartige Zielsetzung würde als Kompetition (-> Wettbewerb) zu charakterisieren sein. K. ist demnach ein Verhalten, das die Handlungsergebnisse bzw. das Wohl eines Kollektivs oder einer Gruppe maximieren kann. K. wird insbesondere in Situationen mit gemischten Motiven (mixed motive-situations) vorkommen, in denen das Interesse von P lediglich teilweise mit den Interessen anderer übereinstimmt. Das Paradigma einer solchen Situation ist das sog. -* GefangenenDilemma: Der Einzelne erzielt günstigere Ergebnisse durch eine kompetitive Wahl; aber jedem geht es besser, wenn alle Parteien K. zeigen. Pn, die dazu neigen, den eigenen Vorteil zu wahren, gleichzeitig jedoch erwarten, dass andere Pn sich kooperativ verhalten, erzielen damit den größten Gewinn, aber sie können sich nicht darauf verlassen, dass dies so bleibt. (2) Soziale -* Orientierungen: Die Typologie sozialer Wertorientierungen
Kooperation
enthält u.a. Verhaltensweisen, die als Abkehr von den Präferenzen des unmittelbaren Eigeninteresses verstanden werden können. Da man im Allgemeinen davon ausgeht, dass eine individualistische eigennützige Orientierung nicht besonders erklärungsbedürftig ist - d a s Eigennutzprinzip wird gewissermaßen axiomatisch unterstellt und dürfte insbesondere in westlichen Gesellschaften eine hohe Prägekraft haben - , muss erläutert werden, was Menschen dazu veranlasst, dieses Prinzip zu verlassen. Während Wettbewerb und Aggression nicht nur das Eigeninteresse betonen, sondern darüber hinaus Vorteile zu Lasten oder zum Schaden des jeweils Anderen anstreben, bedeutet K. in dieser Typologie die Tendenz, positive Handlungsergebnisse für sich selbst und für Andere zu betonen (d.h. zusammen zu wirken, um Erträge zu erwirtschaften, die für beide bzw. das Kollektiv günstig sind). (3) Das Prinzip der Transformation: Hier geht es um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine P vom Eigennutzprinzip abweicht. Die acht möglichen Transformationen (-+ Orientierungen, soziale) werden durch zwei Dimensionen repräsentiert, nämlich durch die Bedeutung, die man den eigenen sowie den Handlungsergebnissen anderer Pn zumisst. Nach PRUITT & RUBIN (1986) ist dies in der Form eines —> Dual-Concern-Modells darstellbar, das Handlungen im Hinblick auf die Sorge um sich selbst und die Sorge um die Handlungsergebnisse des Anderen thematisiert. Das Modell 333
Kooperation
geht davon aus, dass jede dieser Sorgen von leicht bis stark variieren kann. KELLEY & THIBAUT betonen, dass in Situationen, in denen die persönlichen Handlungsergebnisse ganz oder teilweise durch die Handlungen eines oder mehrerer Anderer bestimmt sind, mit großer Wahrscheinlichkeit solche Transformationen stattfinden, von denen in diesem Zusammenhang lediglich die kooperative Transformation betrachtet wird. nehmen als Ausgangspunkt eine gegebene Matrix von Ergebnissen, die ausschließlich aus der Perspektive der eigenen Bedürfnisse und Interessen gesehen wird. Bestimmte Rahmenbedingungen, wie z.B. Vertrauen, Kommunikation, das Wissen um die mutmaßlichen Reaktionen des Anderen, die Attraktivität der Interaktion selbst, die Fristigkeit der Interaktion etc. veranlassen P, die eigennützige Grundorientierung aufzugeben, formal: die gegebene Matrix in eine „effektive Matrix" zu überfuhren. Diese liefert dann die Basis des tatsächlichen Verhaltens. KELLEY & THIBAUT ( 1 9 7 8 )
(4) Die Evolution der K.: Die Problematik der Entstehung kooperativer Handlungsstrukturen ist häufig in Spielsituationen nachgebildet worden. Ausgangspunkt ist dabei meistens eine Situation, die strukturell dem —• Gefangenen-Dilemma (GD) entspricht. Dabei macht es einen Unterschied, ob eine kurzfristige oder langfristige Perspektive besteht. Bei einem einmaligen Gefangenendilemma ist die egoistische, kompetitive Wahl durchaus rational. Anders sieht dies bei wiederholten GDs aus: Hier besteht eine höhere Wahr334
Kooperation
scheinlichkeit, dass kooperatives Verhalten von P durch den Partner gleichfalls kooperativ beantwortet wird, da gewisse Lernprozesse stattfinden (-> Exp. 5). Denn bei einem wiederholten GD ist die unkooperative Wahl nicht automatisch die günstigste Entscheidung. SOLOMON ließ Vpn mit einem Partner spielen, der entweder bedingungslos kooperativ, reziprok oder nicht-kooperativ wählte. Im ersten Fall wurde also jedes Verhalten belohnt, im dritten Fall jedes Verhalten bestraft. Lerntheoretisch gesehen gibt es in diesen beiden Fällen keinen Anlass zu diskriminieren; lediglich im Falle der reziproken K. (abhängig vom eigenen Zug) muss situationsabhängig reagiert werden. In ähnlicher Weise zeigte AXELROD (1987) in verschiedenen Experimenten und Computerturnieren, dass die Strategie des „Wie du mir, so ich dir" (tit for tat) sich als besonders effizient erweist, sofern durch die häufige Wiederholung der Sequenzen beide Parteien Gelegenheit hatten, die Vorzüge der K. mit den relativ schlechteren Resultaten der Eigennutzstrategie zu vergleichen, auch wenn diese erst bei längerer Interaktionsdauer sichtbar werden. Entscheidend ist also vor allem der Beginn der Spielhandlung: Starten beide Partner kooperativ, so steigt das Ausmaß kooperativer Handlungen in den Folgespielen auf das Doppelte dessen an, was bei einem unkooperativen Beginn zu erwarten wäre. Gute Ergebnisse erbrachte auch eine „verzeihende" Strategie („Wie du zweimal mir, so ich dir"), wobei der Spieler sich als duldsam erweist und dem
Kooperation
Gegner zwei Verweigerungen der K. hintereinander gestattet. Die volle Tragweite gewinnt die Situation des iterierenden GD erst als Modell einer (biologischen) Evolution. Denn in der nächsten Generation sind die erfolgreichen Strategien stärker vertreten; die weniger erfolgreichen scheiden aus. Dies geschieht nicht allein durch eigennütziges Verhalten. AXELROD zeigt eindrucksvoll, dass es sich bei „tit for tat" (evolutionsbiologisch gesehen) um eine evolutionsstabile Strategie (ESS) handelt, die unter bestimmten Voraussetzungen unkooperativen Populationen überlegen sein kann und konkurrierenden Strategien auf Dauer keine Angriffsflächen bietet. (5) Bedingungen für K.: Es gibt eine ganze Reihe von Antezedenzien, die kooperatives Verhalten beeinflussen; sie seien hier kurz zusammengefasst: (a) Die Wertorientierung in der Ausgangssituation, die gewissermaßen als interpersonale Disposition betrachtet werden kann, z.B. Individualisten, Egoisten, Wettbewerbsorientierte, Trusters/ Non-Trusters (-» Vertrauen)', (b) Vermutungen oder Überzeugungen im Hinblick auf das Verhalten des Anderen, z.B. vorliegende Erfahrungen, Kenntnis des Anderen, zusätzliche Informationen, jedoch auch stereotype Vorstellungen, Kausal-Attributionen, Annahmen hinsichtlich Absichten und Interessengebundenheit; (c) Verständigungsorientierte Kommunikation: Sämtliche Forschungsergebnisse (bereits DEUTSCH 1976) weisen darauf
Kooperation
hin, dass die Möglichkeit zur Kommunikation ein entscheidender Anreiz für K. sein kann (das Gegenteil wäre denkbar, wenn durch kommunikative Akte Feindseligkeit und Aggression verstärkt werden); (d) Merkmale der Beziehung: insbesondere die Zufriedenheit mit dieser, ein geringes Vergleichsniveau fiir Alternativen, das Ausmaß der bisherigen Investitionen in die Beziehung (RUSBULT et al. 1991), d i e Ent-
wicklung von -* Vertrauen (auch in seiner Vorstufe: der Vertrautheit); (e) Die Erwartung zukünftiger Interaktion: Sofern es sich um eine auf Dauer angelegte Beziehung handelt, wird ausbeuterisches Verhalten (z.B. in Verhandlungen) reduziert, da auf lange Sicht kooperatives Handeln für beide Parteien lohnt (typisches Beispiel: Stammkunde/Laufkunde); (f) Die Existenz sozialer -* Normen,, die kooperatives Verhalten nahe legen oder begünstigen, z.B. Vorstellungen über —• Fairness, Gerechtigkeit und -* Reziprozität. Ob und inwieweit allerdings Individuen einen Sachverhalt als fair oder gerecht empfinden, ist u.a. auch eine Frage der Situationsdeutung. Manchmal jedoch wird K. bindend vorgeschrieben (z.B. K.-Zwänge in Organisationen); (g) Gefahrdung der Reputation bzw. der Glaubwürdigkeit, sofern nämlich egoistische oder ausbeuterische Verhaltensweisen publik werden, was zu einem Vertrauensschwund fuhren kann; 335
Kooperationskosten
(h) Ausmaß der —> Kooperationskosten, das bei wachsender Gruppengröße und damit einhergehender Intransparenz i.d.R. ansteigt. Lit.: AXELROD, R. (1987). Die Evolution der Kooperation. München (Orig. 1984). FRANK, E. & FREY, D. ( 2 2002). Theore-
tische Modelle zu Kooperation, Kompetition und Verhandeln bei interpersonalen Konflikten. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) (1985a). Theorien der Sozialpsychologie. Bd. II. Gruppen-, Interaktions- und Lerntheorien. Bern u.a., 120-155. GRZELAK, J. (21992). Konflikt und Kooperation. In: Stroebe, W. et al. (Hg.) Sozialpsychologie. Berlin, New York, 305-330. KELLEY, H.H. & THIBAUT,
J.W. (1978). Interpersonal relations. A theory of interdependence. New York. RUSBULT, C.E. & VAN LANGE, P.A.M. (1996). Inter-
dependence processes. In: Higgins, E.T. & Kruglanski, A.W. (eds.) Social psychology: Handbook of basic principles. New York, 564-596. SPIEB, E. et al. (Hg.) (1998). Formen der Kooperation. Bedingungen und Perspektiven. Göttingen.
Kooperationskosten -> Kooperation Bestehen v.a. in der Schaffung von Voraussetzungen, unter denen Kooperation stattfinden kann und Effizienzvorteile entstehen. K. steigen in dem Maße (a) in dem die Partner oder Mitglieder soziale —> Orientierungen aufweisen, die einer Kooperation entgegenwirken (z.B. Wettbewerbsdenken, starkes Eigeninteresse). Insbesondere dann, wenn die jeweiligen Orientierungen als verfestigte Persönlichkeitsmerkmale in Erscheinung treten, ist jede Änderungsabsicht kostspielig; (b) in dem die Partner kaum Erfahrungen im Umgang mit kooperativen Situationen und Stilen haben. 336
Koordination
Manchmal setzt Kooperation besondere Fähigkeiten voraus; (c) in dem die Kooperation Einiger zu Lasten Anderer (oder gegen Andere) zustande kommt, die von der Ingroup ausgegrenzt bleiben (z.B. bei Preisabsprachen, Kartellen, partikularistischen Zugeständnissen); (d) in dem die Kooperation wachsenden Koordinationsbedarf nach sich zieht, der im Ausmaß der Komplexität der Aufgaben sowie der Gruppengröße progressiv ansteigt. Auch anderweitig kann die Kooperation auch dysfunktionale Folgen haben: So könnte bspw. bei einer künstlichen Atmosphäre der Harmonie die Gefahr bestehen, produktive Kräfte einer Wettbewerbssituation (z.B. individualistische Machtmotivation, Leistungsmotivation) lahmzulegen und somit Potenzial ungenutzt zu lassen. Kooperative Führung Bedeutungsunscharfes Führungskonzept (-* Führungsstil -»• Partizipation), das insbesondere i.S. eines effektiven Zusammenwirkens bei gleichzeitiger Mitarbeiterorientierung des Führenden verstanden wird. Koordination Abstimmung von Handlungen und Abläufen. Spielt in der SP in folgenden Kontexten eine Rolle: Bei der Handlungskontrolle und Handlungsregulation, ferner bei Gruppenaktivitäten, hier v.a., um die Gruppenproduktivität bzw. den Gruppenvorteil zu gewährleisten (-• RINGELMANN-Effekt); sowie im Rahmen von Interaktionsprozessen (-> Kooperation -* Interdependenztheorie). Hinsicht-
Korrelation
lieh der Abstimmung von Handlungsmustern auf den Interaktionspartner zeigt sich, dass die Kooperation der Interakteure nicht nur eine Frage der Bereitschaft und Motivation der Beteiligten ist, sondern auch Fähigkeiten der Abstimmung voraussetzt. K.-Probleme besonderer Art werden i.R. der Organisationsforschung thematisiert. Hier geht es allerdings zusätzlich um die Abstimmung nicht-sozialer Sachverhalte und Prozesse, z.B. um die K. technologischer Prozesse oder Mensch-Maschine-Systemen. Von essenzieller Bedeutung ist das K.Problem auch für die ökonomische und soziologische Forschung; hier wird insbesondere die Frage diskutiert, ob und inwieweit planende Instanzen eingeschaltet werden müssen, um die Schwierigkeiten sozialer K. zu lösen. Korrelation (I) Im Metabereich: Zusammenhang zwischen Variablen. (II) Im Objektbereich: Die Art und Weise, wie Menschen Zusammenhänge zwischen Ereignissen wahrnehmen und kognitiv repräsentieren (—• Attribution —• Attributionstheorien Illusionäre Korrelation). Korrespondenzprinzip -* Einstellungsänderung Auch: Kompatibilitätsprinzip. Dieses besagt, dass nur dann ein enger Zusammenhang zwischen -* Einstellung und Verhalten auftreten wird, wenn beide Größen im Grad der Spezifikation übereinstimmen. Dies konnten sowohl AJZEN & FISHBEIN sowie DAVIDSON & JACCARD empirisch belegen. Allerdings wird es im Ausmaß ähnli-
Kosten (der Macht)
cher Spezifikation problematisch, den Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten kausal zu interpretieren, weil die Aussagen Gefahr laufen, teiltautologisch zu werden (-> Exp. 21). Korrespondenzverzerrung Anderer Ausdruck für den fundamentalen —• Attributionsfehler. Gemeint ist die Tendenz, aus dem beobachteten Verhalten eines Akteurs voreilig auf dessen Persönlichkeitseigenschaften zu schließen. Korrumpierbarkeit KIPNIS' Studien zur sozialen —• Macht zeigen deutlich, dass Menschen in erstaunlichem Maße korrumpierbar sind, also ihre Macht im Eigeninteresse missbrauchen. Offensichtlich führt allein die Verfügung über Machtmittel zur Verhaltenstendenz, diese auch einzusetzen. Korrumpierungseffekt Auch: Überveranlassung. Nach DECI (-> Motivation, intrinsische) die mögliche Konsequenz, dass bei einer intrinsisch motivierten P durch extrinsische Anreize (z.B. Bezahlung) die intrinsische Basismotivation reduziert wird. P kann dann nicht mehr attribuieren (-> Attribution), dass sie das Verhalten aus freien Stücken ausübt. Das Auftreten von K. ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, z.B. starke Interferenz zwischen intrinsischen und extrinsischen Belohnungen. Kosten (der Hilfeleistung) ->• Hilfeverhalten Kosten (der Macht) -*• Machtkosten 337
Kosten (der Kooperation)
Kosten (der Kooperation) -> Kooperationskosten Kovariationsprinzip Gemäß KELLEYS Attributionstheorie wird ein Ereignis (auch Handlung) auf solche Ursachen zurückgeführt, mit denen es zeitlich kovariiert. (Bsp.: P hat immer dann Kopfschmerzen, wenn sie am Vorabend viel Alkohol getrunken hat). Die Anwendung des K. setzt voraus, dass bestimmte Informationen (-> Konsensus Distinktheit ~> Konsistenz) vorliegen. Kreativität K. bedeutet die Generierung von Ideen oder Produkten, die neuartig und nützlich (fruchtbar) sind. (1)K. und Aktivation: Hohe physiologische ->• Aktivation führt zu rigiden, schwer umstellbaren Verhaltensweisen. Dabei ist es gleichgültig, ob sie durch Triebspannung (wie in HULLS Lerntheorie), Frustration, Konflikte, starke Gefühle oder durch neue und intensive Reize zustande kommt. K. lässt sich also leichter in einem relativ entspannten Zustand (Selbstbefindlichkeit und nähere Umwelt) zeigen. Erziehungstechniken, wie höherer Leistungsdruck und massive Strafandrohungen, beeinträchtigen die Entwicklung kreativen Verhaltens und fördern Rigidität. (2) Wie AMABILE betont, beruht K.
teilweise auf genetischen Dispositionen (innate cognitive abilities, innate perceptual and motor skills) sowie auf erlernbaren Fähigkeiten (knowledge about the domain technical skills required, special domain relevant „talent"). Die Autorin zählt fer338
Kreativität
ner eine ganze Reihe von Persönlichkeitsfaktoren auf, die für K. förderlich sind: z.B. Selbstdisziplin, Fähigkeit zum -* Belohnungsaufschub, internale Kontrollüberzeugungen, Risikobereitschaft, hoher Grad an Autonomie. Sie verweist ferner auf kognitive Fähigkeiten und Stile (Möglichkeit zu divergentem Denken, Durchschauen komplexer Strukturen, Verwendung „weiter" Kategorien [Kategorienweite], Aufbrechen von Schemata und Skripts etc.). (3) Anregungsbedingungen der -* Sozialisation: Insbesondere wird die Bedeutung selbständigkeitsfördemder Sozialisationsstile betont, nämlich: (a) Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder; (b) Gewährung eines umfangreichen Handlungsspielraums; (c) Modell des elterlichen Problemlöseverhaltens; (d) Förderung der Kinder, ihre Umwelt zu erkunden; (e) distanziertes affektives Verhältnis zum Kind. Kreative Kinder zeichnen sich u.a. durch die Fähigkeit zum divergenten Denken aus. Weitere Forschungsbefunde betreffen Einfallsreichtum (Vielfalt, Originalität, Elaboration), Selbstvertrauen (Fähigkeit, Widersprüche zu ertragen), Non-Konformismus, —• open mindedness, emotionale Stabilität, Feldunabhängkeit, kognitive -* Komplexität, hohe -> Leistungsmotivation, geringe Angst, Positivität etc. Den schulischen Instanzen wird eher eine nivellierende Wirkung auf die K. beigemessen. Was die berufliche
Kreativität
Sozialisation anbelangt, wird es in starkem Maße von den Anregungsbedingungen der Organisation abhängen, ob und in welcher Weise sich K. entwickelt oder ob sie durch weitgehend restriktive/repressive Strukturen verschüttet wird. Im Wesentlichen dürfte dies von der —• Autonomie bzw. dem Handlungsspielraum der Betroffenen abhängen. I n s o f e r n b e t o n e n RICHIE & MARTIN,
dass Organisationsmitglieder mit hohem K.-Bedürfnis schwer zu „managen" sind. (4)K.-Training: Dies sind Verfahren zur Anregung und Verbesserung der Ideenproduktion, z.B. -»• Brainstorming (als Gruppentechnik konzipiert), Synektik (Denken in Analogien und Metaphern, freies Assoziieren), welches stärker auf die jeweilige Problemstellung ausgerichtet ist. Das Brainstorming stellt hierbei nur die erste Phase dar, während Synektik den Gesamtprozess bis zu Lösimg verfolgt; ferner die Buffalo-Methode (kreatives Problemlösen), die ein besonderes Checklisten-Verfahren zur Ermittlung von Transfer-Möglichkeiten verwendet. Vielfach wird bei dieser Prozedur auf den Gruppenvorteil (—> Gruppenproduktivität) verwiesen. So behauptet etwa OSBORN (entgegen den mittlerweile vorliegenden empirischen Ergebnissen), dass die durchschnittliche P in der Gruppe doppelt so viele Ideen entwickelt, als wenn sie allein arbeiten würde. (5) Soziale K.: Ungenügend entwickelt ist die Transformation des Konzepts in den sozialen Bereich. Gemeint ist bspw. die Anwendung kreativer Strategien zur Kontaktaufnahme, zur Er-
Kriminalität
füllung und Stabilisierung einer sozialen Beziehung, die Entwicklung kreativer Instrumente zur Motivation sowie K. bei der Lösung sozialer -* Konflikte. So betont z.B. DEUTSCH, dass kreatives Denken dazu geeignet ist, aus einem bestehenden Teufelskreis eskalierender Spannungen auszubrechen, innovative Lösungen zu erarbeiten, neue Gemeinsamkeitsfelder zu suchen. In der Theorie sozialer Identität beschreibt soziale K. eine Strategie der Minderheit, neue Dimensionen des sozialen Vergleichs zu finden, bei denen man besser abschneidet als die Mehrheit. Mit diesen neuen Maßstäben versucht man, innerhalb der eigenen Gruppe sowie gegenüber der Majorität -> Status zu gewinnen und zu legitimieren. L i t . : AMABILE, T . M . ( 1 9 8 3 ) . T h e s o c i a l p s y -
chology of creativity. New York. BOLLINGER, G . & GREIF, S . ( 1 9 8 3 ) . I n n o v a t i o n s -
prozesse. In: Irle, M. (Hg.) Methoden und Anwendungen in der Marktpsychologie. G ö t t i n g e n u . a . RUNCO, M . A . &
ALBERT,
R.S. (eds.) (1990). Theories of Creativity. Newbury Park/CA.
Kriminalität Teilklasse abweichenden Verhaltens, nämlich diejenige, die gegen juristisch formulierte Gesetze verstößt, z.B. Eigentumsdelikte, Mord, Vergewaltigung, Erpressung, WirtschaftsK., Drogenhandel. Die Einstufung eines abweichenden Verhaltens als kriminell ist manchmal sehr eindeutig, mitunter jedoch auch von Ermessensspielräumen abhängig (-» labeling approach). Die Thematik kriminellen Verhaltens wird i.R. der Analyse abweichenden Verhaltens verfolgt, aller-
339
Kritische Lebensereignisse
dings hat die angewandte SP hier keinen besonderen Schwerpunkt gesetzt.
Kritische Lebensereignisse Sind solche Vorkommnisse im -* Lebensablauf, die wesentliche Veränderungen oder Brüche in der Biografíe einer P darstellen, potenziell bedrohlich sind und meist besondere Anpassungsmechanismen erfordern (z.B. unerwünschte Schwangerschaft, beruflicher Wechsel, Tod des Partners, Krankheit).
Kritische Psychologie Marxistisch
geprägte Position von
HOLZKAMP, der a n d e n g ä n g i g e n (sp)
Experimenten kritisierte, dass durch sog. Exhaustion Theorien jederzeit an die Befunde „angepasst" werden können. Dadurch würden Theorien „belastet". Diese Debatte ist mittlerweile erledigt; geblieben sind kritische Einwände gegen die Experimentalpraxis der SP, insbesondere gegen den künstlichen Rahmen von Labor-Experimenten (—• Experiment).
Kritischer Rationalismus Wissenschaftstheoretisches Konzept von POPPER (auch kritisch-rationale Methodologie), das auf der Annahme beruht, dass wissenschaftliche Aussagen in raum-zeitlich unabhängiger Form als nomologische Aussagen (Gesetze) formuliert werden sollten, die intersubjektiv prüfbar sind. Dabei müssen sie prinzipiell falsifizierbar sein, also an der Erfahrung scheitern können (Falsifikationsprinzip). Eine Verifizierung von Aussagen sei nicht möglich, da neue Erfahrungsdaten auftauchen könnten, die die Aussage oder die Theorie widerlegen. Dies bedeutet eine Preisgabe an Gewissheit; die auf 340
Kultur
diese Weise erfahrbare Wahrheit ist immer nur eine vorläufige, so lange sie bestätigt wird (Konfirmationsprinzip). Gegen den K. werden manchmal Einwände erhoben, die eher gegen den sog. Positivismus gerichtet sind, den man fälschlicherweise mit dem K. verwechselt (z.B. im sog. PositivismusStreit). Der Mainstream sp Forschung folgt explizit oder zumindest implizit d e m K . , w i e i h n KARL POPPER i n s b e -
sondere in seinem Hauptwerk „Logik der Forschung" konzipiert hat. In Abkehr von rigorosen Formulierungen der Frühzeit des K. wurden positivistische oder operationalistische Forderungen liberalisiert; auch erfolgte eine Öffnung im Hinblick auf phänomenologische sowie qualitative Methoden, die allerdings primär dem -* Entdekkungszusammenhang zugerechnet werden.
Künstliche Intelligenz Nach MINSKI die Kunst, Maschinen dazu zu bringen, Dinge zu tun, die Intelligenz erfordern würden, wenn Menschen sie tun würden. K. kennzeichnet insofern eine Forschungsrichtung, Wissensrepräsentationen durch Computerprogramme kognitiv zu modellieren. Ein Streitpunkt ist hierbei, ob und inwieweit menschliche Intelligenz der K. überlegen sei, und wenn ja, in welcher Hinsicht.
Kultur Beinhaltet die von einer sozialen Gruppierung verwendeten Deutungsund Handlungsmuster, Wissensbestände, Sprache sowie Techniken zur Bewältigung von Anpassungsproblemen im Kontext besonderer Umweltbedin-
Kurzzeitspeicher
Kulturgebundenheit
gungen. Der heute am meisten akzeptierte K.-Begriff geht auf die „cultural anthropology" zurück (z.B. KLUCKHOHN, MEAD) und wird dort vorzugsweise mit dem Wertsystem einer Gruppe oder Gesellschaft identifiziert. Darin eingelagert finden wir soziale Bedeutungen, Symbole, Zielsysteme, Glaubensinhalte etc. Dieser „funktionale Befehlsstand" (KLUCKHOHN) stellt eine Art Leitsystem dar, das nach individuellen Aspekten (Wert-, Glaubens* und Symbolsystem) sowie nach materiellen Gesichtspunkten (Institutionen, Organisationen, Strukturierungen) unterschieden werden kann. Das K.-Konzept wird u.a. dazu benutzt, die interkulturelle Validität (GERGEN) sp Aussagen zu problematisieren (-» Sozialpsychologie, interkulturelle). Ferner werden unterschiedliche kulturelle Orientierungen in Taxonomien gefasst und dabei empirisch verglichen. Neuerdings beobachtet man eine gewisse Inflationierung des Begriffs: als Industrie-K., Organisations-K., Unternehmens-K., FreizeitIC., was die Verwendung des K-Begriffs manchmal erschwert, weil unterschiedliche oder unklare Konzepte vorgelegt werden.
Kulturgebundenheit (I) Bezeichnet die Zugehörigkeit von Kulturelementen zu einer bestimmten Kultur, weil sie nur dort einen Sinnzusammenhang stiften. (II) Aussagen, Konzepte oder Theorien erweisen sich häufig als mehr oder weniger „kulturgebunden", sind insofern nicht ohne weiteres generalisierbar (-> Sozialpsychologie, interkulturelle). GERGEN spricht in solchen
Fällen von fehlender interkultureller Validität.
Kulturkontakt Berührung zwischen verschiedenen Kulturkreisen durch Wanderungsbewegungen, durch Diffusionsprozesse oder durch den Einfluss sozialer Macht (z.B. Kolonisation). K. führen häufig zur kulturellen Durchmischung, manchmal (oft partikular) jedoch auch zur Koexistenz. Andere mögliche Konsequenzen sind Kulturkonflikte (im Ausmaß der Inkompatibilität der Wertsysteme und Lebensstile). Andererseits sind K. vielfach auch Anregungsbedingungen für kulturelle Innovation. K. vermag unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Abbau sozialer Vorurteile beitragen (-» Kontakthypothese).
Kulturvergleich Verfahren, in verschiedenen Kulturen nach Gemeinsamkeiten und/oder Verschiedenheiten zu suchen. Kriterien solcher Vergleiche sind häufig bestimmte Dichotomien wie z.B. die -> „pattern variables" von PARSONS oder die Taxonomie von HOFSTEDE (-> Sozialpsychologie, interkulturelle). Es besteht ein „Schulenstreit" darüber, ob und in welchem Ausmaß Kulturen als Ganzes oder deren Elemente überhaupt vergleichbar sind (-> EmischEtisch).
Kurzzeitspeicher Teil des —• Gedächtnisses. Dabei wird in den üblichen Speichertheorien angenommen, dass (soziale) Stimuli zunächst über den sensorischen Speicher in den K. gelangen und über einen Fil341
Kybernetik
ter selektiv im Langzeitspeicher codiert werden. Der K. fungiert zugleich als Arbeitsspeicher, d.h. hier werden die handlungsrelevanten Informationen umgesetzt.
Kybernetik Wissenschaft der Analyse komplexer, sich selbst regulierender (dynamischer) sozialer -* Systeme, die sich aus der Erkenntnis entwickelte, dass auf einem bestimmten Abstraktionsniveau die Probleme der Regelung und sozialer —> Kommunikation in und zwischen natürlichen (z.B. Gehirn oder Blutkreislauf) und künstlichen (z.B. Maschine oder Computer) Systemen ähnlich sind, und deshalb mittels eines gemeinsamen Methodenspektrums (System-, Regelungs-, Informations-, Spiel- und Algorithmentheorie) unter-
342
Kybernetik
sucht werden sollten. Bei derartigen Systemen berücksichtigt der Lenkungsmechanismus (Regler) über Feedback-Prozesse (Rückkoppelungen) die Ergebnisse des Steuerungsvorgangs, um einen erwünschten Gleichgewichtszustand (auch unter Beachtung von Störeinflüssen) aufrechtzuerhalten. In der Psychologie sind kybernetische Modelle v.a. in der Motivationsforschung (z.B. Regelkreismodelle) oder in kybernetisch angelegten Konzepten der Homöostase (z.B. im TOTEModell) verwendet worden. Auch der Prozess der instrumenteilen -* Konditionierung (Lernen durch die Konsequenzen des Verhaltens) lässt sich kybernetisch deuten.
Labeling approach
Längsschnitt-Analyse L
Labeling approach Auch: Etikettierungs-Ansatz. Forschungsparadigma, das insbesondere aufzeigt, dass Devianz (-» abweichendes Verhalten) oftmals aus marginalen Anlässen heraus entsteht und dass durch fortwährende Etikettierung eine immer weiter gehende Verstrikkung des Betroffenen in abweichende (z.B. kriminelle) Handlungen erfolgt. Gerade manche Reaktionen auf abweichendes Handeln seien dazu geeignet, diesen Prozess zu verstärken (-»Erwartungsbestätigung -* belief creates reality). Der Ansatz ist insbesondere in der deutschen Soziologie abweichenden Verhaltens beachtet worden. Empirische Ergebnisse zeigen indes, dass solche Verstärkungsmechanismen nur unter besonderen Bedingungen greifen. Allerdings hat der L. im Rahmen der Analyse abweichenden Verhaltens deshalb seine Berechtigung, weil er sich z.T. mit anderen Problemstellungen befasst als die übliche ätiologische, täterorientierte Perspektive. Labor-Experiment -»• Experiment
Laddering-Konzept Ein im Konsumbereich von REYentwickeltes Motivationskonzept, das an der Kenntnis subjektiver Produktvorteile anknüpft, so dass mit bestimmten Objekten unterschiedlich gelagerte Bedürfnisse befriedigt werden können. Ähnlich wie in der Instrumentalitätstheorie wird hier der Gedanke des Hinterfragens anhand gestaffelter, hierarchisch angeordneter Warum-Fragen umgesetzt. NOLDS & WHITLARK
Bsp.: Warum ist dieses Produkt so wichtig für Sie? Es macht nicht so müde wie andere alkoholische Getränke. Warum legen Sie Wert darauf, nicht müde zu sein? usw.
Längsschnitt-Analyse Im Gegensatz zur -» QuerschnittsAnalyse die wiederholte Erhebimg des interessierenden Sachverhalts zu verschiedenen Zeitpunkten, um Entwicklungen auf- und nachzeichnen zu können. Differenziert werden: (a) Trendanalyse: Die Erhebung der gleichen Variablen (z.B. Einstellung zum EURO) zu mehreren Zeitpunkten mit unterschiedlichen Stichproben. Dadurch können lediglich Gesamteffekte analysiert werden, weil eine Trennung von tatsächlichem Trend und Stichprobeneffekten nicht möglich ist; (b) Paneldesign: Entspricht der Trendanalyse, wobei aber immer die gleiche Stichprobe (d.h. es gibt identische Untersuchungseinheiten) zu verschiedenen Zeitpunkten (Panelwellen) befragt wird; (c) Kohortenanalyse: Bei einer Kohorte handelt es sich um eine Gruppe von P, bei denen annähernd zum gleichen Zeitpunkt ein bestimmtes Ereignis im Lebenslauf eingebettet ist (z.B. Abiturjahrgang einer Schule). Diese Population wird dann zu mehreren Terminen über einen längeren Zeitraum untersuchungstechnisch begleitet, wobei sowohl Unterschiede und Veränderungen innerhalb einer Kohorte, als auch zwi-
343
Lageorientierung
sehen verschiedenen analysiert werden.
Latentes Lernen
Kohorten
Lageorientierung -»•Handlungskontrolle Laien-Dispositionismus So bezeichnen Ross & NISBETT die Tendenz von Beobachtern, das Verhalten von Akteuren durch Rückgriff auf personale Dispositionen zu erklären (fundamentaler -> Attributionsfehler), auch wenn es nahe liegt, dass der Akteur unter Zwang (z.B. im Rahmen einer Rolle) gehandelt hat. Diese letztere Information wird im Attributionsprozess nur unzureichend berücksichtigt. Laien-Epistemologie
Reihe axiomatischer Voraussetzungen. So werden z.B. drei epistemologisch relevante Motivationen unterstellt: (a) ein Bedürfnis nach Struktur (Reduzierung von Komplexität im Ereignisstrom); (b) ein Bedürfnis nach spezifischer Schlussfolgerung (Überzeugung, ganz bestimmte Inhalte aufrechtzuerhalten); (c) ein Bedürfnis nach Gültigkeit (validity). Dieses Motiv ist auch Bestandteil des (später entstandenen) MODE-Modells (fear of invalidity). Die Theorie der L. wird heute kaum noch diskutiert, obgleich sie zweifellos ein gewisses integratives Potential bereitstellt.
Die Theorie der L. von KRUGLANSKI
ist ein Konzept zur Erklärung von Prozessen der Verarbeitung sozialer Informationen (—• Informationsverarbeitung) sowie eine Theorie zur Erklärung von Erkenntnisentscheidungen. Sie unterstellt, dass Erkenntnisentscheidungen (—• Theorien, subjektive) an einem gewissen Punkt der Informationsverarbeitung „eingefroren" werden (-> Hypothesentheorie der Wahrnehmung). Sie beansprucht femer, alternative Erklärungen zu folgenden Theorien abzugeben: (a) zur -* Dissonanztheorie, wobei deren Terrain ausgeweitet wird; (b) zur Attributionstheorie (KELLEYS);
(c) zur Theorie sozialer —»• Vergleichsprozesse. Das Konzept der L. ist insofern ein Integrationsversuch, der zumindest drei Einzeltheorien in sich subsumiert. Wie IRLE betont hat, erkauft die Theorie ihren integrativen Anspruch mit einer 344
Laientheorie
Theorie, subjektive
Langzeitspeicher Teil des Gedächtnisses, wobei zunächst der sensorische Speicher aktiviert wird, danach der Kurzzeitspeicher. Von hier aus werden Informationen selektiv (über Filterprozesse) im L. gespeichert und dort evtl. wieder abgerufen. Auch vergessene Inhalte des L. hinterlassen „Spuren", so dass sie reaktiviert werden können. Lasswell-Formel Kennzeichnet die verschiedenen Variablen im Kommunikationsprozess (-» Kommunikation, soziale -*• Medienwirkungen): Wer sagt was womit zu wem auf welchem Kanal mit welcher Wirkung? (-+ Kommunikationswirkungen). Latentes Lernen Lernen ohne -* Verstärkung, das sich erst dann manifestiert, wenn ein Ver-
Leadership
stärker eingeführt wird. Aus dem massiven Lernfortschritt durch das Verstärkungsangebot kann geschlossen werden, dass vorher ein latent bleibender Lernprozess stattgefunden hat. Besonderen Stellenwert hat L. auch im Bereich des Modell-Lernens: BANDURAS Lernbegriff bleibt auf die Akquisitionsphase beschränkt; nur das Hinzukommen von motivationalen Variablen (z.B. die direkte Erwartung positiver Konsequenzen) wirkt verhaltensauslösend. Leadership Im Gegensatz zu „headship" (Positionsmacht, formal festgelegte Führungsrolle) bedeutet L. die tatsächliche Ausübung von Führungsaktivitäten (-» Führung). Lebensablauf Früher gelegentlich auch: Lebenszyklus. Im individuellen Sinn persönliche Biografíe, in der die herausragenden Veränderungen im Leben Einzelner untersucht werden. Auf einer mehr soziologischen Ebene kennzeichnet der L. den Durchgang von Individuen durch sozial vorgegebene Stationen, Lebensstadien und sozialen Rollen (Rollensukzessionen). Diese Stadien werden als idealtypische Abfolge verstanden (Kind, Jugend, Ehepartner, Elternstadium, „volles Nest", Kinder aus dem Haus, Pensionierung, Altersstadium etc.). Solch idealtypische Verlaufsmuster - w i e sie etwa auch im Rahmen der -*Marktsegmentierung teilweise noch verwendet werden treffen heute vielfach nicht mehr die Realität, da „bruchlose" Biografíen und eindeutige Familienstrukturen eher selten geworden sind.
Lebensstil
Lebensqualität -»• Lebensstil benszufriedenheit
Le-
Annehmlichkeit von Lebensumständen, wobei allerdings ein Vergleichsniveau formuliert werden muss, an dem verschiedene Grade der L. gemessen werden können. Zur L. gehört nicht nur der Lebensstandard oder ein aufwändiger Lebensstil, sondern auch private Umstände (Familienstatus etc.), Gesundheit und entsprechende ökologische Voraussetzungen (Wohnstatus etc.). Vielfach werden auch das Erziehungswesen, die Erholungsmöglichkeiten und das Maß sozialer Sicherheit einbezogen. Soziologen haben anhand verschiedener Indikatoren Messinstrumente für L. entwickelt (Sozialindikatoren-Forschung). Dabei setzt man sich von einer rein ökonomischen Perspektive ab und verfolgt eine Ergänzung bzw. eine Alternative zu wirtschaftlichen Indikatoren, die meist eine zu enge Sichtweise aufweisen. Lebensstil Ein vor allem in der Soziologie wiederentdecktes Konzept, das in bestimmten Bevölkerungssegmenten weitgehend homogene Verhaltensmuster vermutet. In der neueren Entwicklung werden L. häufig als Konsummuster (-• Konsumentenverhalten) aufgefasst. So spricht man etwa von Konsumschichten, die sich im Stil und in der Lebensweise voneinander unterscheiden, ohne dass dies auf ökonomische Größen (z.B. Einkommen) direkt rückführbar ist. FEATHERSTONE betrachtet L. als Aspekt der Konsumkultur und betont auf der Basis der Individualisierungstendenz (-» Individualisierung) die Pluralisierung von L., 345
Lebenszufriedenheit
Legitimierende Mythen
die homogene Konsumschichten immer unwahrscheinlicher werden lassen. Die Messung von L. erfolgt z.B. über die Ermittlung von Aktivitäten, Interessen und Meinungen (AIO-approach) oder im Hinblick auf Wertvorstellungen oder Tendenzen des —• Wertewandels (VALS = valúes and lifestyles) bzw. soziale Milieus (SINUS-Studien, SCHULZE u.a.), wobei jedoch Milieus hier nicht i.S. homogener Lebensgemeinschaften (z.B. Arbeitermilieu) aufgefasst werden (wie etwa beim mikrogeografischen Ansatz), sondern eher als abstraktes Konstrukt einer —• Clusteranalyse. Lebenszufriedenheit -* Zufriedenheit Wird meist am subjektiven Wohlbefinden (well-being) festgemacht. Soziologen untersuchen dabei in erster Linie objektive Umstände (z.B. Einkommen, Vorliegen von Stressoren), die allerdings meist nur schwache Zusammenhänger zur L. aufweisen. Am ehesten bestehen deutliche Wechselbeziehungen mit „guten sozialen Beziehungen" und dem Gesundheitsstatus. Psychologische Untersuchungen der L. haben sich u.a. mit dem Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die zufriedenheitsrelevante Urteilsbildung befasst, wobei Extraversion und Neurotizismus sowie Neigung zum positiven Denken von Bedeutung sind. SCHWARZ & STRACK v e r w e i s e n
auf
die besonderen Bedingungen, unter denen die Einschätzung erfolgt (z.B. —• Stimmungen) sowie auf die —> Verfiigbarkeit von kritischen Ereignissen, 346
die in der Gegenwart nachwirken. Wichtig sind auch Vergleichsprozesse, und zwar sowohl individuelle Vergleichsprozesse (mit früheren Lebensstadien), soziale Vergleichsprozesse (mit relevanten Bezugspersonen und Bezugsgruppen) sowie Vergleiche mit Alternativen, wobei eingeschränkte Alternativen eine Art resignative L. bewirken können. Im Übrigen muss wohl - wie auch beim Studium der Arbeitszufriedenheit - von verschiedenen Erlebensformen von Zufriedenheit ausgegangen werden. Bei der Messung von L. kann es problematisch sein, dieses Konstrukt als Kompositum einzelner Zufriedenheitsbereiche (z.B. Ehezufriedenheit, Berufszufriedenheit, Arbeitszufriedenheit, Gesundheitszufriedenheit) aufzufassen. Denn extreme Defizite in einem dieser Bereiche (z.B. Gesundheit) können so dominant werden, dass sie die Gesamtzufriedenheit eintrüben, auch wenn in anderen Teilbereichen mittlere bis gute Zufriedenheit besteht. Lebenszyklus -* Lebensablauf Legitimierende Mythen Intervenierende Variable, die zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Diskriminierung i.R. der sozialen Dominanztheorie (SLDANUS & PRATTO) vermittelt. Fördernde Mythen sind: Rassismus, Sexismus, Nationalismus, —• Stereotype und soziale Vorurteile sowie religiöser Fundamentalismus. Gegenläufige L. sind: allgemeine Menschenrechte, Multikulturalismus, Weltbürgertum, Humanismus, christliche Nächstenliebe usw.
Legitimität
Legitimität Zustand oder Prozess, der von den Beteiligten oder Betroffenen als „rechtens" empfunden wird, da bestimmte Richtlinien und Normen eingehalten werden, die von allen Parteien akzeptiert werden. Pn in Machtpositionen (-* Macht, soziale) trachten danach, ihre Machtgrundlage zu legitimieren, um den Widerstand gegen die Machtausübung zu reduzieren. Vielfach wird „Legitimität durch Verfahren" (LUHMANN) erreicht (z.B. durch demokratische Abstimmung oder durch Konsens). L. kann jedoch auch als „gottgewollt" oder durch bloße Tradition begründet werden. Ein wesentlicher Zug der Moderne ist es, dass L. „rational" ausgewiesen sein sollte, also weniger i.S. der Positionsmacht kraft Amtsautorität, sondern eher durch besondere Kompetenz (Fachautorität).
Leichtigkeit Gemeint ist die L., mit der Informationen erinnert werden können. Grundlage ist die -» Verfügbarkeit bzw. -* Zugänglichkeit von Informationen. Je häufiger zwei Reize gemeinsam auftreten, desto leichter kann ein Ereignis bei der Darbietung des anderen abgerufen werden. Ferner wirken auf die L. ein: Häufigkeit des Abrufs, Ähnlichkeit des Erinnerungskontextes mit dem des Lernens, die Lebhaftigkeit (-> vividness) und Salienz des Ereignisses etc.
Leidenschaft Nach STERNBERG einer der drei Faktoren („Säulen") der romantischen Liebe (neben -» Commitment und Intimität), wobei L. als „heiße"
Leistungsattribution
Komponente der Liebe die geringste Persistenz aufweist. L. beruht auf einem motivationalen Prozess, der das Erregungsniveau erhöht. Der Verlauf der Erregung wird u.a. durch die -*Opponent-Process-Theory erklärt.
Leistungsattribution In Überschneidung zweier Forschungsstränge - nämlich -> Leistungsmotivation und -» Attribution erfolgte Weiterfuhrung motivationaler Forschung, hier insbesondere unter kognitiver Perspektive. Die wichtigsten Beiträge stammen von WEINER, HECKHAUSEN u n d SCHMÄLT.
Der Befund der Leistungsmotivationsforschung, wonach erfolgsmotivierte Pn mittlere Risiken des Misserfolgs bevorzugen, wird attributionstheoretisch so erklärt, dass in diesem mittleren Bereich ein Erfolg am ehesten der eigenen Leistungsfähigkeit zugeschrieben werden kann. Bei dieser internalen Kausalerklärung (-» Attributionsstil) ist die Attribution auf Anstrengung besonders ausgeprägt, da hier eine deutliche Kovariation zwischen Anstrengung und Handlungsergebnis bestehen dürfte. Die größere Persistenz bei Misserfolgen (P gibt nicht auf, sondern versucht es wieder) wird mit der variableren Misserfolgsattribution Erfolgsmotivierter erklärt. Bei Rückführung auf mangelnde Anregung oder Pech wird sich vermutlich die Anstrengungsbereitschaft erhöhen. Bei wiederholtem Misserfolg trotz gesteigerter Anstrengung wird P das -*• Anspruchsniveau senken, um wieder Erfolgserlebnisse zu generieren.
347
Leistungsgesellschaft
Misserfolgszuschreibungen auf stabile und internale Faktoren (z.B. auf fehlende Intelligenz) oder stabile und externale Ursachen (z.B. Aufgabenschwierigkeit) wirken sich nachteilig auf nachfolgendes Leistungsverhalten aus. Wie KÜHL zeigen konnte, verursacht eine interne, stabile und globale Misserfolgsattribution (-> Attributionsstile) die Erwartung von Unkontrollierbarkeit (—• Kontrolle, kognizierte) sowie ein hohes Maß an Lageorientierung (-* Handlungskontrolle). Die attributiv ergänzte Theorie der Leistungsmotivation ist mittlerweile zu einer attributionstheoretischen -*• Emotionstheorie erweitert worden. Kernstück des Konzepts ist die Annahme, dass Kausal-Kognitionen eine hinreichende Bedingung für das Auftreten von Gefühlen darstellen. Jedes Ergebnis (Erfolg oder Misserfolg) setzt Attributionsprozesse in Gang, die auf verschiedenen Informationsbereichen fußen (Konsensus, Distinktheit, Konsistenz) und vom individuellen -»• Attributionsstil abhängen. Die perzipierten Ursachen bestimmen weitgehend, welche Gefühle entstehen (z.B. Stolz, Selbstwertgefühl oder Schuld, Scham, Ärger) und welche Erwartungen in Bezug auf künftige ähnliche Leistungssituationen bestehen (z.B. Erfolgszuversicht oder -* Hilflosigkeit, gelernte).
Leistungsgesellschaft Bezeichnung für einen Gesellschaftstyp, in dem das soziale Handeln sowie die Erfolgschancen nicht mit zugeschriebenen (askriptiven) Merkmalen verknüpft wird. Vom Prinzip her scheint damit Chancengleichheit (-> Gerechtigkeit) und Beseitigung so348
Leistungsmotivation
zialer Ungleichheit verbürgt, jedoch ist die Frage, was als Leistung definiert wird und wer genau wofür belohnt wird, nicht ideologiefrei zu klären. Ein Restbestand askriptiver Ausgangsbedingungen erodiert darüber hinaus die Vorstellung gleicher Chancen für alle. MCCLELLAND h a t die L . i.S. d e s V o r -
herrschens von -» Leistungsmotivation definiert. An historischem Material zeigt er inhaltsanalytisch, in welchen Ländern bzw. geschichtlichen Stadien die Leistungsmotivation unterschiedlich stark ausgeprägt war.
Leistungsmotivation Am intensivsten untersuchtes Einzelmotiv. Dabei interessiert v.a. der intrinsische Anteil der L. (-» Motivation, intrinsische), der insbesondere durch Erfolgserlebnisse und deren emotionalen Korrelate (z.B. Stolz, Genugtuung, Zuversicht) repräsentiert wird. (1)Submotive der L.: Die Theorie der L. (ATKINSON u.a.) geht von zwei Submotiven aus: dem Bedürfnis nach Erfolg und dem Wunsch nach Meidung von Misserfolg. Die beiden Komponenten der L. sind beim Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Überwiegt der Wunsch nach Erfolg den Hang zur Vermeidung von Misserfolg (positive Motivdifferenz), so bezeichnet man diese Pn als „Erfolgssucher". Dominiert hingegen das Motiv der Misserfolgsmeidung, so spricht man von „Misserfolgsmeidern". (2) Theorie der L.: Im Gegensatz zu den —• Wert-Erwartungs-Theorien ist die Beziehung zwischen subjektiver Wahrscheinlichkeit und Anreiz auf
Leistungsmotivation
Leistungsmotivation
den Fall einer kurvi-linearen Funktion festgelegt. Für den Erfolgssucher haben Aufgaben mittleren Schwierigkeitsgrades den höchsten Anreizwert; Misserfolgsmeider bevorzugen entweder Aufgaben, deren Erfolgswahrscheinlichkeit gegen 1 tendiert, oder aber solche Aufgaben, die ein Scheitern wahrscheinlich machen (Erfolgswahrscheinlichkeit gegen 0). Letzteres ist - im Vorgriff auf attributionstheoretische Überlegungen - dadurch plausibel, dass Misserfolgsmeider im Falle des Scheiterns den Misserfolg nicht ihrem eigenen Können zuschreiben müssen. Die Formel für die resultierende Tendenz RT aus den beiden Motivsträngen lautet demnach RT =
(M
E
XA
E
XP
E
)-(MMXA
M
XPM)
wobei M das Motiv, A den Anreiz und E die Erfolgswahrscheinlichkeit darstellen, die ihrerseits multiplikativ miteinander verknüpft sind. Die Indices E und M differenzieren zwischen Erfolgssuche und Misserfolgsmeidung. PE und PM sind Wahrscheinlichkeiten für Erfolg oder Misserfolg. (3)L. und Attribution: W E I N E R (1972 u.a.) hat die Theorie der L. attributionstheoretisch erweitert (-* Leistungsattribution). Pn haben die Möglichkeit, das Eintreten von Erfolg oder Misserfolg sich selbst oder den Umständen (evtl. auch anderen Pn) zuzuschreiben. So wird z.B. die internale Attribution von Erfolg künftige Erfolgszuversicht steigern und das Selbstvertrauen festigen. Misserfolge werden Erfolgssucher erst ein-
mal external attribuieren; sollte dies nicht plausibel sein, so wird P internal attribuieren, jedoch zunächst auf mangelnde Anstrengung. Sollten Erfolgssucher mehrfach scheitern, so werden sie deshalb nicht automatisch zu Misserfolgsmeidern; vielmehr werden sie ihr -»• Anspruchsniveau senken. Misserfolgsmeider tendieren dazu, Erfolge externen Umständen (z.B. Glück) zuzuschreiben, während sie Misserfolge sich selbst anlasten (4) Empirische Befunde: Obgleich die L.-Theorie als Prototyp moderner —• Motivationstheorien angesehen wird, ist die empirische Befundlage relativ dürftig, zumal das zur Anwendung gelangende StandardVerfahren (nämlich der -> TAT) die wünschenswerten Gütekriterien von Messverfahren kaum erfüllt. Auch wird lediglich die Tendenz bestätigt, dass Misserfolgsmeider im Vergleich zu Erfolgssuchern mittelschwere Aufgaben seltener bevorzugen. Die Voraussage der Theorie, wonach misserfolgsmeidende Pn auch spekulative Risiken eingehen, konnte bisher nicht eindeutig bestätigt werden. (5) Anwendungsbezüge: Trotz der gemachten Einschränkungen kann die Theorie der L. als heuristische Hilfe dahingehend angesehen werden, dass Erfolgssucher möglichst mit herausfordernden Aufgaben betraut werden sollten, an denen sie prinzipiell auch scheitern könnten. Misserfolgsmeidende Pn sind demgegenüber dort einzusetzen, wo Risiken in jedem Fall vermieden werden sollten (z.B. bei der Sicherung von Kernkraftwerken, bei der Erprobung eines neuen Medikaments). 349
Leitbild L i t . : ATKINSON, J . W . ( 1 9 5 7 ) . M o t i v a t i o n a l
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Leitbild Abstrakte Idee (z.B. Gerechtigkeit, Solidarität) oder konkrete Bezugsperson, die als Modell fungiert (-> Modell-Lernen) und deren Verhalten besonders nachahmenswert erscheint. Solche L. werden häufig im pädagogischen Kontext (-+ Sozialisation) verwendet. In ähnlicher Weise fungieren L. in der -*• Werbung; sie sollen ein bestimmtes KaufVerhalten stimulieren.
Lernen/Lerntheorien (1) Begriff des L.: Umgangssprachlich versteht man unter L. vorwiegend den Erwerb und die Speicherung von Wissen. Der psychologische L.-Begriff schließt jedoch auch den Erwerb neuer Verhaltensmuster sowie das Erlemen von Verhaltensdispositionen mit ein. Mit dem Erwerb und der Speicherung von Wissen befassen sich neben den kognitiven Lerntheorien vor allem die verschiedenen Ansätze zur Informationsverarbeitung. Mit dem Erwerb und der Modifikation des Verhaltens haben sich insbesondere behavioristische Lerntheorien beschäftigt, die allerdings im Zuge der kognitiven Wende ständig liberalisiert und durch kognitive
350
Lernen/Lerntheorien Variablen ergänzt und modifiziert wurden. (2) Elementares L.: Im Tierreich gibt es zwei Formen der Verhaltenssteuerung, nämlich durch Instinkte (instinktgesteuertes Verhalten) und mittels L. Evolutionsbiologisch ist die Steuerung durch Lernprozesse effizienter, da sie dem Tier bzw. dem Menschen die schnellere Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen ermöglicht. Verhaltensänderungen sind demnach nicht auf die allmähliche Aus- und Umformung genetischer Dispositionen angewiesen; sie erfolgen vielmehr in der Lebensphase des Individuums und reflektieren damit stets auch eine individuelle „Lerngeschichte". Als Mechanismen des elementaren L. gelten die klassische -* Konditionierung sowie die instrumenteile (operante) Konditionierung. Beide Mechanismen sind für die SP von grundlegender Bedeutung. Die klassische Konditionierung erklärt u.a. Transfer-Effekte im Hinblick auf die Etablierung von sekundären -* Verstärkern, die - im Gegensatz zu primären Verstärkern, welche an menschliche Grundbedürfnisse anknüpfen - ausschließlich durch Lernprozesse erworben werden. Die wichtigsten sozialen Verstärker werden daher durch klassisches Konditionieren entwickelt. Die instrumenteile Konditionierung geht davon aus, dass Menschen aus Erfahrung lernen und durch die Konsequenzen ihres Verhaltens gesteuert werden. Auch dieser Lernmechanismus besitzt zentralen Stellenwert; letztlich geht es darum, dass Individuen versuchen, aus beliebigen Verhaltens-
Lernen/Lerntheorien weisen „bewährte" Verhaltensmuster zu selektieren (-»Effektgesetz). Allerdings ist man heute der Auffassung, dass dieser Selektionsmechanismus, der gemäß behavioristischer Annahmen automatisch ablaufen soll, viel zu umständlich sei. Lernvorgänge werden selten durch schrittweise Versuchs- und Irrtumsautomatismen inszeniert, sondern eher durch „molare" und komplexe Prozesse, die u.a. auch Einsicht in den Verstärkungszusammenhang liefern (z.B. die „zutreffende" Hypothese über das Eintreten des Verstärkerereignisses).
Lernen/Lerntheorien
se Erwartungen entwickeln sich aus Lernprozessen und werden insofern immer ,realistischer". ROTTER hat dabei zwei Formen generalisierter Erwartungen in besonderer Weise thematisiert und messtechnisch zugänglich gemacht: -> locus of control sowie Vertrauen.
(3) Komplexes Lernen: Eine wichtige Korrektur am -> Effektgesetz liefert HERRNSTEIN mit seinem „Gesetz des relativen Effekts". Hiernach kann die Wirksamkeit bzw. Attraktivität eines belohnenden Reizes nur im Kontext anderer verfugbarer Belohnungen festgestellt werden (eine analoge Konzeption bieten THIBAUT & KELLEY mit ihrem Konstrukt des -* Vergleichsniveaus für Alternativen). Außerdem wird ein Zeitfaktor eingefugt: Individuen pflegen in der Zukunft liegende Belohnungen und/ oder Strafreize extrem abzudiskontieren (-* myopischer Effekt).
Auch BANDURA fasst in seiner Theorie des Modell-Lernens L. als Aufstellen und Modifizieren von Hypothesen (Erwartungen) über Verhaltenskonsequenzen auf. Allerdings wird betont, dass man solche Erwartungen nicht ausschließlich aufgrund selbst erlebter, sondern auch aufgrund beobachteter Verhaltenskonsequenzen bildet. Dabei wird zwischen Konsequenz-Erwartungen (Erwartungen über Konsequenzen, die aus dem Verhalten folgen) und Effizienz-Erwartungen (Erwartungen, welche die Fähigkeit betreffen, das entsprechende Verhalten auszufuhren) unterschieden. Ferner werden Beziehungen zu Prozessen der Informationsverarbeitung hergestellt, indem die Akquisitionsphase (die eigentliche Lernphase, die ein latentes Verhalten repräsentiert) mit Aspekten der Speicherung und des Abrufs von Gedächtnisinhalten verknüpft wird.
Eine Perspektivenverlagerung versuchen kognitive Lerntheorien, die nicht mehr von Verstärkerereignissen in der Vergangenheit ausgehen, sondern von antizipierten Verstärkern. Dieses Erwartungslernen wird bereits bei TOLMAN expliziert; für ROTTER ergibt sich ein Verhaltenspotenzial durch Verstärkerwerte (reinforcement values), die mit spezifischen oder generalisierten Erwartungen verknüpft werden. Auch die-
(4) Soziales L.: Dieses bezieht sich erstens auf den Umstand, dass Lernvorgänge sozial geprägt sind, indem insbesondere Modell-Personen oder Sozialisationsinstanzen (-» Sozialisation) durch Konditionierung, Modell-L. und Vermittlung von Einsicht ganz bestimmte Verhaltensmuster etablieren. Hier werden dann auch die wichtigsten sekundären Verstärker vermittelt (z.B. Geld als Verstärker, Erfolgserlebnisse als Verstär351
Lernen/Lerntheorien
ker). Sozial vermittelte Ziel-, Wertund Normvorstellungen sind demnach Input-Variablen für alle sekundären Verstärker. Zweitens bezieht sich der Begriff des sozialen L. auf soziale Situationen, zu deren Bewältigung Lernprozesse notwendig sind (z.B. Gruppenverhalten, prosoziales Verhalten, Entwicklung kooperativer Fähigkeiten, Rollensituationen, Erwerb sozialer Kompetenz). Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Diskriminationslernen (-»Diskriminierung), das dem Individuum ein situationsgerechtes Handeln ermöglicht. Die Theorien von ROTTER und BAN-
DURA werden üblicherweise als soziale Lerntheorien bezeichnet. Diese Charakterisierung ist für die Konzeption von BANDURA angemessener, weil sie von vornherein auf soziale Situationen zugeschnitten ist. Die Theorie von BANDURA enthält da-
rüber hinaus erhebliches integratives Potenzial, indem sie die Brücke zur -» Informationsverarbeitung schlägt. Denn es hat sich gezeigt, dass für ein angemessenes Verständnis zumal komplexer sozialer Lernprozesse auch Aspekte der Denk-, Wissensund Gedächtnispsychologie (z.B. Codierung, Strukturierung, Speicherung, Vergessen) von Bedeutung sind. (5)L. von Verhaltensdispositionen: Komplexe Lerntheorien gehen davon aus, dass die Stimulus-ResponseKonsequenz-Verkettung (S -*• R C) durch Einsichtsprozesse, Vergleichsvorgänge und durch Vorwegnahmehandlungen gesteuert wird. Dabei gilt, dass auch perma352
Lernen/Lerntheorien
nente Kognitionen durch Lernprozesse aufgebaut werden. So zeigten STAATS & STAATS, dass auch Einstellungen durch Prozesse der klassischen oder instrumentellen Konditionierung genauso verändert werden können wie durch komplexere Vorgänge der Informationsverarbeitung (z.B. durch Nachdenken über Einstellungen). CAMPBELL konnte nachweisen, dass der Erwerb von Verhaltensdispositionen (Einstellungen, Attributionen, Erwartungen etc.) den gleichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt wie die Ausformung von Verhaltensmustern. Nur solche „Hypothesen" (-> Hypothesentheorie der Wahrnehmung) werden etabliert, die sich „bewährt" haben. Auch die Submechanismen der -* Generalisierung und der -* Diskriminierung lassen sich i.S. kognitiver Konstrukte deuten. Sie sind dann nichts anderes als „Hypothesen" des Individuums über die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein bestimmtes Verhaltensmuster in einer spezifischen Situation bewährt. (6) Bedeutung für die SP: Lernprozesse sind für alle Teilbereiche der SP von zentraler Relevanz. Denn Lernvorgänge sind nicht nur sui generis als soziales L. von sp Interesse, sondern bilden gewissermaßen die Plattform aller zentralen Themen der SP. Dies gilt einmal für den Gesamtkomplex „soziale Kognition": Modi sozialer Wahrnehmung, Einstellungen und Vorurteile, Attributionen, Selbstkonzepte, Heuristiken, Schemata etc. werden durch mehr oder weniger komplexe sowie automatische Lern- und Informationsverarbeitungsprozesse erworben und verändert. Das gleiche gilt für den Be-
Liebe
Lernen am Modell
reich „soziale Interaktion". So erweist sich z.B. die einflussreiche —• Austauschtheorie von THIBAUT & KELLEY als mit lerntheoretischen Konzepten kompatibel und anschlussfahig. Auch Themenbereiche wie soziale Rollen, soziale Kompetenz, Selbstüberwachung, Kooperation, Konformität oder abweichendes Verhalten sind in ausgeprägter Weise mit Vorgängen des L. verknüpft. In summa: Wohl sämtliche Objektbereiche der SP sind von sozialen Lernprozessen imprägniert.
zu assoziieren und damit zu erlernen (-* Lernen). L. sind daher ein vermittelndes Glied zwischen Anlagebedingungen und Umweltfaktoren (-»• Anlage vs. Umwelt), dürften allerdings eher für elementare Lernprozesse von Bedeutung sein. Lernmechanismen -> Lernen Lerntheorien -> Lernen Lexikographische Regel -*• Entscheidungsregeln Liebe
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Lernen am Modell -» Modell-Lernen Lerndispositionen Die Vorstellung angeborener L. besagt, dass Organismen durch evolutionäre Selektion in der Lage sind, bestimmte Ereignisse leichter als andere
Variante der interpersonellen -> Attraktion (romantische L.), wobei weitgehend ungeklärt ist, was L. genau bedeutet, welche Ursachen sie hat und aus welchen Komponenten sie besteht. Bereits das Alltagsverständnis kennt viele Spielarten der L.: die L. zu den Eltern, zu den Kindern, GeschwisterL., die L. zum Tier, die L. zur Arbeit. Da L. von Gefühlen getragen wird, die vielfach einen Zustand unspezifischer Aktivierung erzeugen, liegt es nahe, SCHACHTERS - » Emotionstheorie
auf
L. anzuwenden. Die Verortung des Gefühls L. erfolgt dann in Form einer Art „kognitiver Hülse", sofern entsprechende Attributionsprozesse dies nahe legen. Einige Autoren (z.B. KELLEY, BERSCHEID & WALSTER, LEE) differenzieren verschiedene Liebesstile, z.B. (a) (b) (c) (d) (e) (f)
Romantische L. (Eros); Besitzergreifende L. (Mania); Freundschaftliche L. (Storge); Spielerische L. (Ludus); Pragmatische L. (Pragma); Altruistische L. (Agape).
353
Liebe
Linguistisches Kategorienmodell (LCM)
Die verschiedenen theoretischen Konzepte orientieren sich am Prototyp der romantischen L. STERNBERG unterscheidet zwei Gruppen von Theorien: eine erste, die L. lediglich als quantitative Steigerungsform von Sympathie begreift. Und eine zweite, die davon ausgeht, dass Sympathie und L. qualitativ unterschiedlich sind. I.S. der ersten Theoriegruppe können die lerntheoretischen Erklärungen für die Entwicklung von Sympathie herangezogen werden. Im Prinzip wäre die L. zu einer P dann besonders hoch, wenn P viele und intensive Verstärkerreize anzubieten hat. Ein verwandtes Konzept ist die -* Austauschtheorie der L. von BLAU, die als Richtlinie ein eher ökonomisches Kalkül betont. Obgleich es erstaunlich ist, wie weit eine solche austauschtheoretische Perspektive zum Thema L. tragfähig ist, kann ein solcher Ansatz gerade den Gefühlsaspekt romantischer L. kaum erfassen (-•Austausch -* Gerechtigkeitsprinzipien).
Konsistenz gilt, dass Commitment und Intimität im Zeitablauf zunehmen können, während die Leidenschaft eher abflaut.
Andere Theorien, für die Sympathie und L. unterschiedliche Beziehungsformen sind, beschäftigen sich mit den verschiedenen Komponenten der L. Bereits FREUD differenzierte zwischen einer zärtlichen und einer sinnlichen Komponente romantischer L. STERNBERG legt eine Dreieckstheorie der L. vor, nach der L. aus folgenden Stützpfeilern besteht: Intimität (als „warme" Komponente), Leidenschaft (als „heiße" Komponente) sowie Commitment (als „kalte" Komponente), wobei sich die drei Säulen der L. gegenseitig beeinflussen. „Wahre Liebe" (romantische L.) sei durch das gleichzeitige Vorliegen aller Komponenten definiert. Im Hinblick auf die zeitliche
LnCERT-Skala -»•Methoden
354
Diese und ähnliche Theoriekonzeptionen nähren jedoch eher Zweifel daran, das Phänomen L. angemessen zu beschreiben und zu erklären. Es bleiben Fragen offen wie diese: Wie kommt es, dass Menschen im Zustand des Verliebtseins eine rosarote Brille aufsetzen? Und woran liegt es, dass verliebte Menschen aus der Sicht der rationalen Umwelt viele närrische Dinge tun? Und gibt es einen Gleichklang der L. zwischen den Geschlechtern? Lit.: BLAU, P.M. (1964). Exchange and po-
wer in social life. New York. KELLEY, H.H. (1983). Love and commitment. In: Kelley, H.H. et al. (eds.) Close relationships. New York. STERNBERG, R J . (1986). A triangular
theory of love. Psychological Review, 93, 119-135. WALSTER, E. & WALSTER, G . W .
(1989). Liebe. Landsberg.
Liebesfähigkeit
Bindungstheorie
Linguistisches Kategorienmodell (LCM) D a s L . (von SEMIN & FIEDLER) beruht
auf einer Unterscheidung verschiedener Wortklassen (Verben und Adjektive), die zur Bezeichnung von Verhaltensweisen und Personmerkmalen auftreten können. Diese Wortklassen legen systematisch verschiedene semantische und pragmatische Schlüsse nahe (-> Sprache), so dass ein und dasselbe Verhalten durch unterschiedliche sprachliche Encodierung ganz unterschiedlich interpretiert und bewertet werden kann. Dabei werden unterschieden:
Linguistisches Kategorienmodell (LCM)
(a) Descriptive action verbs (z.B. anrufen, treffen, besuchen); (b) Interpretive action verbs (z.B. betrügen, helfen, angreifen); (c) State verbs (z.B. bewundern, mögen, beneiden); (d) Adjectives (z.B. ehrlich, aggressiv, clever). Die Auflistung folgt dem Prinzip zunehmender Abstraktheit: z.B. stellt das Adjektiv „ehrlich" eine generalisierte und konsistente Eigenschaft von P dar. SEMIN & FIEDLER ließen Probanden aus elementaren Sätzen (z.B. A betrügt B; P bewundert O) bezüglich des mitgeteilten Verhaltens sowie der PMerkmale Schlüsse ziehen, wobei die folgenden semantischen Aspekte beachtet wurden:
(a) Wie aussagekräftig ist der Satz hinsichtlich der Persönlichkeit des Subjekts? (b) Wie situationsabhängig ist die soziale Bedeutung des Satzes? (c) Wie zeitlich stabil ist das beschriebene soziale Verhalten oder Attribut? (d) Welchen Grad willentlicher Kontrolle drückt der Satz aus? (e) Liegt die Ursache für das Verhalten eher beim Subjekt oder beim Objekt? (f) Lässt der Satz auf eine Emotion beim Subjekt/Objekt schließen? (g) Ist der Inhalt des Satzes klar verifizierbar bzw. falsifizierbar? (h) Wie leicht kann ein solcher Satz Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten sein? Die hier unterschiedenen semantischen Merkmale sind nicht zufällig ausgewählt, sondern stehen in Beziehimg zu den Kategorien der Attri-
Locus of control
butionstheorien (insbesondere der von KELLEY). SEMIN & FIEDLER interes-
sieren sich dabei besonders für zwei grundlegende semantische Dimensionen, nämlich Dispositionalität und Ort der Kausalität. Beide Dimensionen bieten Möglichkeiten, die Bewertung und die Erklärung eines Verhaltens willentlich zu beeinflussen. Anwendungsfalle der Theorie betreffen z.B. verbale Strategien von Anwälten/Verteidigern vor Gericht, Akteur-Beobachter-Fehler (->• Attributionsfehler), egozentrische Attributionstendenzen sowie sprachliche Diskrimination von Fremdgruppen (-> Identität, soziale). Im letztgenannten Anwendungsfall wird ein -* LinguisticIntergroup-Bias (LIB) beobachtet. Linguistic-Intergroup-Bias (LIB) Befund von MAASS et al., dass durch motivationale Tendenzen (-» Identität, soziale) sowie durch Vor-Erwartungen der Sprachgebrauch so erfolgt, dass bei Bewertung und Erklärung von Sachverhalten (z.B. Aktivitäten, Dispositionen, Handlungsfolgen) die Eigengruppe begünstigt, die Fremdgruppe dagegen abgewertet wird (z.B. durch abstraktere Beschreibungen und Generalisierungen). Theoretisches Bezugsfeld ist zum einen die soziale -* Identitätstheorie sowie zum anderen das -* Linguistische Kategorienmodell von SEMIN & FIEDLER. Loafing, social
Faulheit,
soziale
Locus of control Auch: Lokation der kognizierten -> Kontrolle. Dieses Konstrukt wird von ROTTER als generalisierte antizipative Erwartung eingeführt. Inter355
Logik der Forschung
nale Kontrolle bedeutet danach, dass P den Eindruck hat, durch eigenes Zutun die Realität im Sinne eigener Zielerreichung verändern zu können. Externale Kontrolle heißt, dass P kogniziert, dass sie von außen (durch äußere Umstände oder durch andere P) gesteuert wird. Dies kann zum einen situationsspezifisch verstanden werden: In bestimmten Situationen ist man externaler Steuerung ausgesetzt (z.B. P kann das Wetter nicht ändern), weil man bestimmte Umstände realistischerweise nicht ändern kann (jedoch: Kontroll-Illusion). ROTTER versteht L. auch i.S. eines Persönlichkeitsmerkmals, gewissermaßen als geronnene generalisierte Erwartung: Manche Pn („internáis") neigen dazu, sich selbst als Verursacher von Ergebnissen oder Ereignissen zu sehen („Jeder ist seines Glückes Schmied"), andere („externáis") sind indes eher fatalistisch und fühlen sich externaler Kontrolle (durch die Umstände oder durch andere Pn) ausgesetzt („Die machen ja doch mit uns, was sie wollen"). Die L.-Variable ist von der SP (und auch WP) als Bruchstück in vielen empirischen Untersuchungen benutzt worden, ohne die Implikationen der Theorie ROTTERS ZU übernehmen. Es gibt nur wenige Sachverhalte, bei denen dieses Konstrukt nicht in irgendeiner Weise als vermittelnde Variable fungiert. Logik der Forschung -* Methodologie -> Kritischer Rationalismus Lokation der Kontrolle —»• locus of control
356
Low balling
Lokomotion In d e r T e r m i n o l o g i e v o n LEWIN b e -
deutet L. die Zielstrebigkeit der Aufgabenerfullung, vor allem bei aufgabenorientierten Gruppen. Mit der L. ist (neben der -*Kohäsion) eine der beiden Grundfunktionen von Interaktions- und -* Gruppenprozessen angesprochen. Die Dichotomie konvergiert z.T. mit BALES' Unterscheidung zwi-
schen instrumenteilen und sozio-emotionalen Aspekten der Interaktion. Auch in Modellen zum Führungsstil bedient man sich dieser Zweiteilung (z.B. aufgabenorientiert vs. mitarbeiterorientiert). Looking-glass-self Selbst
Spiegel-
Lost-letter-technique Technik der verlorenen Briefe. Instrument zur non-reaktiven -> Einstellungsmessung. Dabei werden frankierte Briefe mit bestimmten Adressen (z.B. eine politische Partei) an zugänglichen Orten „verloren". Aus dem Rücklauf der Briefe können Einstellungen gegenüber bestimmten Adressaten indirekt ermittelt werden. Eine andere Zielrichtung dieser Methode ist die Untersuchung prosozialen Verhaltens (-> Hilfeverhalten), hier speziell der Bereitschaft, weitgehend altruistisch zu handeln (-» Altruismus). Low balling So bezeichnet CIALDINI eine Einflussstrategie, in der eine P eine Entscheidung (z.B. Kauf eines Produktes) vor allem wegen eines besonderen Vorteils (z.B. Preisermäßigung) getroffen hat. Das anschließend einsetzende Commitment kann die Entscheidung auch dann aufrecht erhalten, wenn der
Loyalität
besondere Vorteil wegfällt (z.B. erweist sich die Preisermäßigung als Irrtum). Die Strategie vertraut darauf, dass das Individuum schon aus Gründen der Dissonanzreduktion genügend „tragfähige" Gründe für die Entscheidung entwickelt hat (->• Dissonanztheorie).
Loyalität Prosoziale Einstellung oder Verhalten gegenüber einer P oder Institution, die sich insbesondere dann manifestiert, wenn diese P der Unterstützung bedarf (-> Solidarität). Umgekehrt kann P darauf vertrauen (-» Vertrauen), dass sie mit L. rechnen kann. L. kann verhaltensaktiv umgesetzt werden (z.B. der Kanzler stellt sich vor seinen Minister, der einen Fehler gemacht hat), oder passiv (z.B. durch Verschwiegenheit/ Diskretion). Bestehen jeweils unterschiedliche L.-Erwartungen verschiedener Pn oder Gruppen, so kann es zum L.-Konflikt kommen. Im organisationspsychologischen Kontext ist das Konzept der L. häufig auf die Organisation, die Firma, die Arbeitsgruppe und auf den Vorgesetzten bezogen. Im marktpsychologischen Bereich wird L. häufig objektorientiert verwendet (z.B. als „brand loyality").
LPC-Wert Least preferred co-worker. Bei FIEDLER ein Indikator für die Erfassung eines mitarbeiterorientierten Führungsstils. Dabei ist die Vorstellung leitend, dass ein Vorgesetzter, der auch seinen am wenigsten geschätzten Mitarbeiter noch halbwegs positiv darstellt, mitarbeiterorientiert sein muss. Der L. ist umstritten und als alleiniger
Lüge
Indikator für Mitarbeiterorientierung vermutlich auch überfordert.
Lüge (1) Begriff: L. sind absichtliche verbale interaktive —• Täuschungen, wobei unterschiedliche Motive in Betracht kommen: ein bestimmtes Ziel besser zu erreichen, Sanktionen abzuwehren, jemandem nicht weh tun wollen, sich selbst in gutem Licht darzustellen, einen Sachverhalt zu vertuschen usw. (2) Diagnostik: Die verhaltensorientierte Diagnostik der Glaubwürdigkeit beschäftigt sich mit der Frage, ob der Wahrheitsgehalt einer Äußerung anhand bestimmter — die soziale Kommunikation begleitend e - Verhaltensweisen erkannt werden kann (Verhaltenskorrelate von Täuschung und Wahrheit). Dabei erfolgt eine Orientierung an folgenden Verhaltensbereichen: (a) Inhalt (z.B. logische Inkonsistenz); (b) Sprechverhalten (z.B. Sprechfehler, schrille Stimme); (c) Non-verbales Verhalten (z.B. Gestik, fehlender Blickkontakt, Zappeln); (d) Psycho-physiologische Effekte (z.B. Blutdruck, Erröten). Bei L. werden vor allem Inkonsistenzen sichtbar. Entspricht z.B. der Gesichtsausdruck nicht dem Inhalt der Aussage, obsiegt der Gesichtsausdruck. ZUCKERMAN findet, dass eine Aussage um so eher als L. wahrgenommen wird, (a) je weniger Blickkontakt besteht; (b) je mehr Haltungsänderungen vorkommen; 357
Lustprinzip
Lüge (c) je länger die Sprechzeiten und pausen sind; (d) je mehr Sprechfehler auftreten (z.B. Stottern) und (e) je höher die Stimmlage ist. Diese Wahrnehmungskriterien sind offenbar von hoher -* Veridikalität, da sie mit den tatsächlichen Korrelaten der L. übereinstimmen. (3)Zur theoretischen Basis: In der Diskussion sind Aktivationstheorien, wobei allerdings unklar ist, was die Erregung im Einzelnen auslöst: Angst vor Entdeckung, Konflikt zwischen Wahrheit und L., Schuldgefühle oder Scham. Kontrolltheoretische Ansätze: Durch verstärkte —• Selbstüberwachung versuchen Pn, die potentiellen Anzeichen einer L. zu verbergen. Hierbei muss P empathische Vorstellungen darüber entwickeln, welche Signale dem anderen den Eindruck der Unglaubwürdigkeit vermitteln. Ferner muss P in der Lage sein, entsprechend gegenzusteuern. Dabei unterscheiden sich manche Aspekte der Kommunikation in ihrer Kontrollzugänglichkeit (gut steuerbar: verbale Inhalte; schlecht steuerbar: Erröten, Tränen). Und schließlich behauptet die kognitive Theorie des L., dass ein solches Verhalten anstrengender ist als die wahrheitsgemäße Rekonstruktion eines Sachverhalts. L. hat oft systemische Auswirkungen: Folgeberichte müssen mit der L. konsistent sein (L.System). Dies erschwert die Informationsverarbeitung; ein Teil der
358
kognitiven Ressourcen wird durch die L. gebunden. Pn, die des öfteren der L. überfuhrt wurden oder in einer zentralen Frage offensichtlich gelogen haben, werden häufig als Lügner abgestempelt. Möglich ist auch, dass die -*Etikettierung bereichsspezifisch eingegrenzt bleibt (z.B. P lügt nur in ihrer Rolle als Verkäufer).
Lustprinzip Verhaltensmaxime des „Es" in der Psychoanalyse. Ihr Ziel ist die Vermeidung von unangenehmen Ereignissen (z.B. Schmerz) sowie die Herbeiführung lustvoller Erlebnisse. Die Lust entsteht dabei durch Triebbefriedigung. Auch sog. hedonistische Verhaltenstheorien basieren häufig auf der (axiomatischen) Vorstellung, dass der Mensch seinem Wesen nach Lustgewinn anstrebe und unlustbetonte Ereignisse meide. Im Sozialisationsprozess wird jedoch dem L. entgegengewirkt (-> Belohnungsaufschub - • H e donismus Selbstkontrolle -*• Überich). Während das L. auf sofortige Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet ist, kennt das Realitätsprinzip (als Gegenspieler des L.) die Verhaltensmaxime des Belohnungsaufschubs (delay of gratification), die durch entsprechende Sozialisationsprozesse (deferred gratification pattern) etabliert wird, die das L. einschränkt und einer weitgehenden Selbstkontrolle Platz macht.
Machtkosten
Machiavelllsmus M
Machiavellismus
Machtdistanz
In Anlehnung an MACHIAVELLI (italienischer Staatsmann und Philosoph): der „geschickte" Umgang mit der sozialen Macht. Machiavellistische Persönlichkeiten verstehen es, bei zahlreichen Gelegenheiten relativ emotionslos - mit geringer Bindung an Konventionen und Moral - andere Pn zur Erreichung von eigenen Zielen zu instrumentalisieren. Solche Individuen sind charakterisiert durch geringe Prinzipientreue sowie schwache Gerechtigkeitsmotivation: Der Zweck heiligt die Mittel.
(I)Auf der Basis des Axioms einer Machtausweitungstendenz (-• Machtmotiv) formuliert MULDER eine Distanztheorie, wonach Pn bestrebt sind, die psychische Distanz zu den mächtigeren Gruppenmitgliedern zu verringern, zu den weniger mächtigen jedoch zu vergrößern. Die Suche nach Kontakt mit Machthöheren stellt im Allgemeinen eine bessere Investition dar als die Kontaktaufnahme mit Schwächeren (es sei denn zum Zweck der —• Koalitionsbildung).
Hohe Werte auf der M.-Skala (kurz: MACH-Skala) werden als Persönlichkeitszug aufgefasst (CHRISTIE & GEIS). Typische Items sind: „Man sollte nur dann den wahren Grund seiner Absicht zeigen, wenn es einem nützt" oder: „Man kann ein Versprechen ruhig brechen, wenn es für einen selbst vorteilhaft ist". Im Umkreis des M.-Konzepts wurden auch „machiavellistische Spiele" entwickelt, in denen typischerweise instrumentalisierendes Verhalten die gewinnträchtigste Spielstrategie darstellt. (-»Spiele, experimentelle)
HOFSTEDE
Die MACH-Skala misst vorwiegend den instrumentellen (extrinsischen) Aspekt der Machtausübung und ist daher nicht als Skala zur Messung der Stärke des Machtmotivs (i.S. einer intrinsischen -*Motivation) tauglich. Machtausgleich -»• Machtmotiv Machtausweitung -* Machtmotiv
(II) M. ist eine der Variablen, die in seiner kulturvergleichenden Typologie verwendet. Sie bezeichnet das Ausmaß, in dem die weniger mächtigen Mitglieder einer Gesellschaft von Institutionen und Organisationen Macht akzeptieren und gleichzeitig erwarten, dass Macht ungleich verteilt ist. Diese Distanz ist gewissermaßen „von unten" definiert. Bsp.: Mitarbeiter erwarten, dass man ihnen sagt, was sie tun sollen. Eltern werden als Übergeordnete behandelt. Machtkosten Der Umgang und der Gebrauch der sozialen -* Macht ist im Allgemeinen mit Kosten verbunden (HARSANYI): Kosten für die Erlangung, Erhaltung, Präsentation und Ausübung von Macht. Die Höhe der M. variiert auch mit der Grundlage, auf der die jeweilige Macht beruht (-»• Machtgrundlagen). Belohnungsmacht setzt die Bereitstellung von Belohnungen und ihre Verteilung voraus. Legitime Macht erfordert Legitimitätsbeweise, die Erlan359
Macht, soziale
Machtkosten
gung und Bekleidung einer Position, den Einsatz legitimierter/akzeptierter Verfahren etc. Identifikationsmacht ist meist weniger kostspielig, es sei denn, die Vorbildwirkung wird als anstrengend empfunden. Expertenmacht setzt den Erwerb von Fachwissen und Kompetenz voraus, in bestimmten Positionen auch die Notwendigkeit, auf dem „Laufenden" zu sein. Informationsmacht ist meist wenig kostspielig; allerdings kann es manchmal kostenintensiv sein, an bestimmte Informationen heranzukommen oder Gegendienste leisten zu müssen. Strukturelle Macht kann deshalb kostspielig sein, weil der Aufbau normativer und technisch-ökonomischer Strukturen erhebliche Investitionskosten verschlingt. Besonders kostenintensiv ist die Anwendung von Bestrafungsmacht, und zwar aus folgenden Gründen: (a) Attraktionsverlust des Machthabenden und die Entwicklung negativer Gefühle bei der Gefolgschaft; (b) Kontrollkosten, da der Bestrafende davon ausgehen muss, dass die Macht nur aufrecht erhalten bleibt, so lange sie kontrolliert wird; (c) Findigkeit der Machtbetroffenen, Vermeidungsstrategien zu entwikkeln (was wiederum die Kontrollkosten nach oben treibt: Kontrollspirale); (d) Reaktanz und mögliche Gegenmachtbildung (z.B. auch durch -»• Koalitionsbildung); (e) Sie verstößt vielfach gegen soziale Nonnen. Die Betroffenen rufen daher u.U. Dritte oder die Öffentlichkeit auf den Plan. Bestrafungsmacht kann kostengünstig gehandhabt werden, sofern man sich 360
auf die Latenz der potentiellen Macht beschränkt. -» Drohungen brauchen im Gegensatz zu -»• Versprechungen nicht eingelöst werden, sofern diese glaubwürdig genug vorgetragen werden und das Ziel der Machtausübung auch ohne den faktischen Einsatz von Ressourcen erreicht werden kann. Außerdem versuchen gerade diejenigen, die lediglich auf Bestrafungsmacht setzen, die Grundlagen der Machtausübung zu transformieren, also z.B. diese Machtform in legitime Macht umzuwandeln, weil diese auf Dauer kostengünstiger ist.
Macht, soziale (l)Begriff: M. bezeichnet nach WEBER jede „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht". Interaktionstheoretisch stellt M. eine asymmetrische Beziehung dar, in der die Mittel der Austauschpartner ungleich verteilt sind (JONES & GERARD, HOMANS, BLAU,
EMERSON).
Feldtheoretisch
definiert LEWIN die M. einer Person oder Gruppe O über eine andere P als Verhältnis der maximalen Kraft, die O bei P in Richtung auf eine bestimmte Handlung induzieren kann, dividiert durch den maximalen Widerstand, den P in entgegengesetzter Richtung aufzubringen vermag. Für ADAMS & ROMNEY b e d e u t e t M . ( i m
lerntheoretischen Sinn) die Verfügung über Verstärker und Strafreize. P ist auf die von O gewählte Verstärkungsart angewiesen, während O jedoch seinen Verstärkungsmodus selbst festlegt (z.B. einen überzogenen Preis verlangt, eine Notlage des anderen ausnutzt).
Macht, soziale
Die Abgrenzung von M. und sozialem -* Einfluss ist oftmals nicht ganz klar. Viele Sozialwissenschaftler identifizieren M. mit Zwang, Einfluss dagegen mit Freiwilligkeit. Weniger problematisch als diese Festlegung ist der Vorschlag, Einfluss als Oberbegriff zu verwenden und M. als Teilklasse unter dem Aspekt ungleicher Ressourcenverteilung zu betrachten. Entscheidend ist jedoch nicht allein, dass O gegenüber P über bestimmte Mittel verfügt, sondern zusätzlich, dass P in Bezug auf diese Ressourcen (Verstärker) depriviert ist. M. ist demnach kein Attribut von O, sondern Bestandteil der Interaktionsbeziehung zwischen O und P. (2) Formen der M.: Zu unterscheiden ist zunächst zwischen objektiver und subjektiver M.; letztere spiegelt sich im Bewusstsein von P wider: ihre Einschätzung der Ressourcen von O sowie dessen Bereitschaft, diese auch einzusetzen. In diesem Sinne wird zwischen latenter oder potentieller M. einerseits und faktischer bzw. realisierter M. andererseits unterschieden. Seitens des O. dürfte starkes Interesse daran bestehen, die M. im Zustand der Latenz zu belassen, sich also z.B. auf Drohungen zu beschränken, da eine Umsetzung von potentieller M. in aktualisierte (realisierte) M. kostenintensiv sein kann (-* Machtkosten). Eine weitere Unterscheidung besteht zwischen formeller und informeller M. Erstere beruht auf formalen oder positionalen Festlegungen mit mehr oder weniger ausgeprägter Legitimität des Anspruchs von M. (Herrschaft i.S. WEBERS). Informelle M. entwickelt sich weitgehend spontan
Macht, soziale
und ist für den oberflächlichen Betrachter weniger gut sichtbar (z.B. Macht der Sekretärin, des Pförtners, des Staatssekretärs, der Frau des Präsidenten). Viele M.-Prozesse vollziehen sich abseits der öffentlichen Bühne in informellen Zirkeln (z.B. „Klüngel") oder sind durch Festlegungen einiger Meinungsfiihrer bereits vorab entschieden (non-decisional-power), so dass offizielle Gremien mitunter nur Staffage sind oder den Versuch eines Legitimitätsnachweises darstellen. Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen personaler M. - Ausübung der M. durch die beteiligten Pn, etwa in Form direkter sozialer Kontrolle - und struktureller M., wobei die M. den Strukturen (z.B. der Technik, dem Computer, dem Fließband) überantwortet wird. Strukturelle M. ist manchmal nichts anderes als eine besondere Form von M., die sich technischer Mittel bedient (z.B. die Einführung von Stechuhren) und hierbei die soziale- bzw. personale Komponente im Urteil der Betroffenen zurücktreten lässt. Zum anderen impliziert die Etablierung neuer Techniken mehr Transparenz (z.B. Aufzeichnung von Telefongesprächen), und eröffnet (vielfach als nicht-intendierte Folge) die Möglichkeit zusätzlicher sozialer Kontrolle. Unterschiedliche Formen der M. kommen auch durch deren verschiedene mögliche Grundlagen zustande („gleichviel, worauf diese Chance beruht"). Die wichtigste Unterscheidung betrifft die zwischen Belohnungsmacht und Bestrafungsmacht. Eine differenziertere Taxonomie bieten FRENCH & RAVEN sowie RAVEN 361
Macht, soziale &
KRUGLANSKI
Machtgrundlagen (->
Machtgrundla-
gen). (3)M.-Grenzen: Diese sind gegeben durch die Höhe der Machtkosten. Anders formuliert: durch die kostengünstigen Optionen für den M.-Betroffenen resp. durch den Grad der Abhängigkeit des P von O. Für P könnte es auch von Vorteil sein (Instrumentalität), fügsam zu reagieren und sich mit der M. zu arrangieren. Wird jedoch die Ausübung von M. seitens der P als unangenehm und einschränkend empfunden, dürfte (latente oder manifeste) -* Reaktanz auftreten, mit den vorausgesagten verhaltensaktiven Strategien (z.B. Abtauchen in den Untergrund, Gegenmachtbildung qua Solidarisierung oder Koalitionsbildung, Mobilisierung bisher ungenutzter Reserven) oder kognitiven Strategien (Warten auf einen günstigen Zeitpunkt, Einstufung der Freiheitsbedrohung als unbedeutend oder kompensierbar). Bei langer Dauer der Freiheitseinschränkung mit gleichzeitig geringen Erwartungen für künftige Verbesserung der Situation kann gelernte -* Hilflosigkeit oder Resignation einsetzen, sofern andere Anpassungsmechanismen (z.B. das Arrangement mit der M.) gescheitert sind. Die M.-Ausübung wird auch durch normative und strukturelle Rahmenbedingungen begrenzt. Normativ: Normen über Verteilungsgerechtigkeit, des fairen Verhaltens, moralische Ansprüche, keine Belastung der Interaktionsbeziehung. Strukturell: Kompetenzbegrenzung, Öffnung von Zugangssperren, Einhaltung des Dienstweges, Kontrolle durch den 362
Aufsichtsrat. Darüber hinaus erfahrt die Ausübung von M. deutliche Grenzen in unterschiedlicher Machtmotivation (z.B. Dominieren einer M.-Meidungstendenz, um sich nicht unbeliebt zu machen Machtmotiv). L i t . : CARTWRIGHT, D . ( e d . ) ( 1 9 5 9 ) . S t u d i e s
in social power. Ann Arbor/Ml. FRENCH, J . R . P . & RAVEN, B . H . ( 1 9 5 9 ) . T h e b a s e s o f
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Measurement
of
social power, opportunity costs, and the theory of two-person bargaining games. Behav i o r a l S c i e n c e , 7,
1, 6 7 - 8 0 .
HENDERSON,
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Eindruckswandel
und
Ausdrucksformen.
S t u t t g a r t . MULDER, M . ( 1 9 7 7 ) . T h e d a i l y p o -
wer game. Leiden. NG, S.H. (1980). The social psychology of power. London. SCHNEIDER, H . D .
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Sozialpsychologie
der
Machtbeziehungen. Stuttgart. WITTE, E.H. (1985). Theorien zur sozialen Macht. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. II. Bern u.a., 123-156.
Machtgrundlagen sowie RAVEN & KRUGLANSKI unterscheiden (logisch inkonsistent, weil alle Grundlagen unter den Oberbegriffen Belohnungs-M. und Bestrafungs-M. subsumierbar sind) die folgenden „bases of power": FRENCH & RAVEN
(a) Belohnungsmacht (reward power): O ist in der Lage, P zu belohnen, was voraussetzt, dass P diese Belohnungen begehrt und O über sie verfügt (Bsp.: Der Vorgesetzte spricht eine Anerkennung aus); (b) Bestrafungsmacht (coercive power): O übt über P Zwang aus oder kündigt Strafen an (Bsp.: Der Vorgesetzte droht mit Kündigung);
Machtmotiv
Machtmotiv
(c) Legitime Macht (legitimate power): gründet auf Positionsmacht oder auf Akzeptanz (Bsp.: Der Vorgesetzte behält sich die Entscheidung vor); (d) Identifikationsmacht (referent power): üben einflussreiche Bezugspersonen (Bezugsgruppen, Meinungsführer, Verhaltensmodelle) aus (Bsp.: Der Vorgesetzte geht mit gutem Beispiel voran); (e) Expertenmacht (expert power): beruht auf der besonderen Kompetenz und dem überlegenen Wissen (Bsp.: Der Vorgesetzte bearbeitet ein Projekt mit großer Sachkenntnis); (f) Informationsmacht: hat ihre Wurzeln in besonderen Informationsvorsprüngen, die oft zufallsbedingt sind (Bsp.: Der Manager verfugt über Insider-Wissen, das er durch Aktienkauf zu nutzen weiß). Dieser Katalog ist nach verschiedenen Richtungen hin erweitert worden; so fugt CARTWRIGHT als weitere Einflussmöglichkeit „ökologische" Macht hinzu, die man i.w.S. auch als strukturelle Macht (->Macht, soziale) auffassen könnte. Andere Autoren verweisen auf Machtausübung über -* Emotionen (z.B. demagogische Beeinflussung oder die Erzeugung von Schuldgefühlen). Lit.: -*• Macht, soziale
Machtmotiv Nach VEROFF das Bedürfnis, die Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten einer oder mehrerer anderer Pn zu kontrollieren. Das M. wird meist als spezifisches -»• Kontrollmotiv angesehen. Ein solches Motiv kann extrin-
sisch verstanden werden - instrumenteil zur Erreichung bestimmter Ziele oder aber intrinsisch als „Selbstwert": als positives emotionales Gefiihl, andere Menschen zu beherrschen und zu kontrollieren. Das M. kann - ebenso wie das Leistungsmotiv (-• Leistungsmotivation) als ambivalentes Motiv angesehen werden: Macht hat einerseits einen bestimmten Anreizwert; gleichzeitig könnte eine Furcht- oder Vermeidungstendenz entstehen. Das Netto-M. einer P errechnet sich dann als Differenz zwischen der Tendenz der Machtsuche und einer Tendenz der Machtmeidung. Dabei kann (nach MCCLELLAND) zwischen P-Macht und SMacht unterschieden werden. Erstere dient vorwiegend den eigenen Interessen, S-Macht (S für sozial) den Interessen des Kollektivs (z.B. der Arbeitsgruppe, der Partei). Zwischen Leistungsmotiv, M. und Affiliationsmotiv gibt es komplexe Wirkungszusammenhänge und typische Konstellationen (z.B. imperiale Motivkonstellation: hohes Leistungsmotiv, hohes M., schwaches Affiliationsmotiv). Ähnlich dem Leistungsmotiv kennt das M. keine Sättigungsgrenzen, auch wenn manchmal Machtausgleichstendenzen (durch ein Equity-Motiv) einer ungehinderten Expansion entgegenstehen. Konträr zu dieser Sichtweise votiert MULDER für ein Prinzip der Machtausweitung sowie für eine Tendenz, psychische Distanz zu den mächtigeren Gruppenmitgliedern zu vermindern und zu den unterlegenen Gruppenmitgliedern zu erweitern (-> Machtdistanz). Lit.: -» Macht, soziale 363
Machtstruktur
Machtstruktur Anordnung der sozialen -* Macht innerhalb eines sozialen Systems (z.B. einer Organisation). Zu unterscheiden ist die tatsächliche von der subjektiv kognizierten M., femer die formelle Positionsmacht von der faktisch ausgeübten Macht (-> Hierarchie). Ein Messinstrument der M. ist die -* Kontrollkurve. Diese zeigt, dass die Macht in Organisationen oligarchisch verteilt ist. Bestrebungen zur -* Partizipation und zum Empowerment gehen in die Richtung heterarchischer M. (sog. Dispersion von Macht).
Marktpsychologie
gebnisse der eigenen Gruppe in einer negativen Beziehung zu den Resultaten der Fremdgruppe stehen (Nullsummen-Interdependenz).
Marktforschung Bündel von Techniken („box of tools"), um die Beschaffenheit und die Entwicklung des Marktes (hier meist: des betriebsspezifischen Absatzmarktes) zu untersuchen. Üblicherweise wird zwischen Marktanalyse (Querschnitts-Untersuchung) und Marktbeobachtung (—• Längsschnitt-Analyse) unterschieden.
Manipulation (von Menschen)
Marktpsychologie
Soziale Einflussnahme, die so gestaltet ist, dass der Betroffene von diesem Einfluss nichts merkt. Gelegentlich wird auch von Instrumentalisierung gesprochen (-» Machiavellismus). Auch Taktiken der Überredung, wie sie etwa CIALDINI untersucht, können als M.-Strategien verstanden werden. Erfolgreich zu „manipulieren" setzt bestimmte Formen der sozialen Kompetenz voraus (-» Einfluss, sozialer).
Zusammenfassende Bezeichnung für die Analyse des Konsumentenverhaltens, insbesondere unter dem Einfluss absatzpolitischer Instrumente. Thematisiert wird fast ausschließlich der Absatzmarkt; die Bezeichnung „Marketing-Psychologie" wäre treffender. Den Versuch, M. als Sozialwissenschaft zu etablieren, unternimmt IRLE (1983).
Manipulation (von Variablen)
(a) Psychologie des Angebots (Produkt, Dienstleistung, Preis, Werbung, Verkauf); (b) Psychologie der Nachfrage (Motivation des Käuferverhaltens, Konsum-Entscheidungen, Einstellungen und Gewohnheiten, Gruppeneinflüsse etc.).
Einfuhrung oder Veränderung einer (unabhängigen) Variablen. Ein Maß für die Wirksamkeit der unabhängigen Variablen ist die sog. M.-Überprüfung.
Mannschaftsspiel Nach BORNSTEIN soziale Situationen, in denen interdependente Beziehungen sowohl innerhalb einer Gruppe als auch zwischen Gruppen spezifiziert werden. Die Bereitschaft zur internen -> Kooperation wächst, wenn die Er-
Nach der vorherrschenden Perspektive lässt sich unterscheiden:
In diesem letzten Sinne ist M. identisch mit Konsumentenpsychologie. Lit.: ASSAEL, H. ( 6 1998). Consumer behavi-
or and marketing action. Boston. IRLE, M. (Hg.) (1983). H a n d b u c h der Sozialwissenschaft.
364
Psychologie,
Band 12. 1. Halbband: Marktpsychologie als Göttingen.
KROEBER-
Marktsegmentierung RIEL, W . & WEINBERG, P . ( 8 2002). Konsu-
mentenverhalten. München (61996). MAYER, H. & ILLMANN, T. (32000). Markt- und Werbepsychologie. Stuttgart. MÖWEN, J.C. (51997). Consumer behavior. New York u.a. ROSENSTIEL, L.V. & NEUMANN, P . (2002).
Marktpsychologie, Darmstadt. TROMMSDORFF, V. (42002). Konsumentenverhalten. Stuttgart.
Marktsegmentierung Um Märkte gezielt bearbeiten zu können (z.B. durch Werbung, Produktoder Preisgestaltung), bildet man Konsumentengruppen (Segmente), die hinsichtlich des KaufVerhaltens in sich gleichartig (Homogenität), untereinander jedoch unterschiedlich (Heterogenität) auf den Einsatz differenzieller absatzpolitischer Instrumente reagieren. Zu unterscheiden sind soziodemografische Segmentierungskriterien (z.B. Alter, Einkommen, Wohngebiet, Bildungsgrad) und psychografische Kriterien (z.B. Einstellungen, Erwartungen, Bedürfnisse). Die Segmentbildung wird üblicherweise mittels Clusteranalyse vorgenommen. Soziologen haben vom „Ende der M." gesprochen, um damit anzudeuten, dass sich angesichts der Ausbreitung pluralistischer -> Lebensstile die Konturen verwischen und homogene Segmente immer schwerer aufzufinden sind. Masse (I) M. als emotionalisierte Menge (z.B. ein aufgeputschtes Fußballpublikum, randalierender Mob), die im Zuge von wechselseitigen Ansteckwirkungen zur De-Individuation und zu kollektiven Aktionen neigt (-»Massenpsychologie). Ein spezieller Aspekt dieses Begriffsverständnisses
Matrix
wird durch die schung beleuchtet.
-» Crowding-Yox-
(II) M. als disperses Publikum (etwa i.S. der Massenmedien); das durch keinerlei Interaktionsbeziehungen verbunden ist. (III) M. als kulturkritische Kategorie (z.B. „Massenmensch", „Vermassung", „Proletarisierung", „Nivellierung"). Angesichts des Scheiterns der älteren Massenpsychologie ist der Gebrauch auch des Begriffs M. problematisch, zumal meist ungeklärt bleibt, mit welchen Implikationen der Ausdruck verwendet wird. Massenkommunikation ->• Medienwirkungen -*• Mediennutzung Massenpsychologie Analyse des Erlebens und Verhaltens einer Vielzahl von Individuen unter Massenbedingungen. Die M. entwikkelte sich abseits der akademischen Psychologie, nachdem MCDOUGALL einen überindividuellen metaphysischen „Gruppengeist" (group mind) heraufbeschworen hatte. Obgleich man selten an diese ältere M. anknüpft, sind doch einige ihrer Kernthemen in die neuere SP aufgenommen worden, nachdem sie individualisiert und der experimentellen Forschung zugänglich gemacht wurden (—> Aggression —• Crowding -* De-Individuation -*• Identität, soziale -*• Kollektiwerhalten). Matrix Die M.-Darstellung wird insbesondere in der spieltheoretisch geprägten Interaktionsforschung eingesetzt (-+ Spiele, 365
Mediator
Mastery-Komplex
experimentelle). In der -* Interdependenztheorie wird zwischen der gegebenen und der effektiven M. unterschieden. Die gegebene M. basiert auf den individuellen Präferenzen der beiden Partner, gewissermaßen unter Ausblendung der Interdependenzeffekte. Die effektive M. beruht auf Prozessen der Transformation; sie berücksichtigt ferner einen möglichen Zugewinn durch die Tatsache, dass bestimmte Aktivitäten gemeinsam erfolgen (Gemeinsamkeitsbonus). Mastery-Komplex Überzeugung, Herausforderungen begegnen und Probleme meistern zu können (-»Kontrollüberzeugung Locus of control). Matching-Hypothese Wenn Individuen soziale -* Beziehungen eingehen, so achten sie darauf, dass die Anziehungskraft des Partners (durch Aussehen, Status, Reichtum etc.) mit der eigenen vergleichbar ist, auch wenn die Vergleichskriterien (-* Vergleich, sozialer) variieren und die jeweiligen Dimensionen z.T. kompensiert werden können (z.B. mangelnde Schönheit durch Geld). Maximierung der Unterschiede Eine Strategie, die - ungeachtet der eigenen Nutzenmaximierung - darauf abzielt, die Ergebnisdifferenz zwischen Pi bzw. Eigengruppe und P2 bzw. Fremdgruppe möglichst groß werden zu lassen. In der Notation von DEUTSCH firmiert eine solche Strategie als Konkurrenzverhalten: max (A-B). Maximierung des Nutzens -> Nutzen
366
Me ->• Symbolischer mus
Interaktionis-
Das „Me" umschließt nach MEAD die organisierten Erwartungen oder Einstellungen der Anderen, während das „I" die eher spontanen, kreativen Aspekte menschlichen Handelns repräsentiert und demnach als „authentische" Reaktion des Individuums auf die Erwartungen der Umwelt angesehen werden kann. Individuelle Selbstkontrolle (das „I") und die soziale Kontrolle (das „Me") stehen demnach in einem permanenten komplementären Spannungsverhältnis. Mediationsprinzip Konzept (von OSGOOD), das zwischen Stimuli und Responses überbrückende, intervenierende Variablen unterscheidet, z.B. Si S2 S3 S 4 ... Sn, die z.T. auch als Response-Variablen aufgefasst werden können (-» Ri R2 R3). Das M. differenziert den Abstand zwischen S und R und spezifiziert damit die 0 Variable (in S-O-R-Modellen). Mediator (I)In der Kommunikationsforschung: vermittelnde Instanz, die eine Art Überbrückungsiunktion einnimmt (z.B. der Meinungsßihrer zwischen Kommunikator und Rezipient). (II) In der Konfliktforschung: Unterstützung von dritter Seite bei der Beilegung eines sozialen -» Konflikts. Diese Dritten übernehmen damit eine Vermittlerrolle (-> Intervention), ohne direkte Entscheidungsbefugnis zu haben. Nach dem Concern-likelihoodModell von CARNEVALE ist diese Tätigkeit durch die Berücksichtigung der Ansprüche der konfligierenden Partei-
Mediennutzung
en seitens des Vermittlers sowie durch die Wahrnehmung eines Bereichs von Gemeinsamkeiten bestimmt. Der Mediationsprozess orientiert sich gewöhnlich am Prinzip der Verfahrensgerechtigkeit (-*Gerechtigkeit, prozedurale) Mediennutzung Der sog. Nutzungsansatz (gratification approach) war als Ablösung des Wirkungs-Paradigmas (-* Kommunikationswirkungen -> Medienwirkungen) gedacht. Während die traditionelle Wirkungsforschung sich mit der Frage beschäftigt: „Was machen die Medien mit den Menschen?" heißt es nun umgekehrt: „Was machen die Menschen mit den Medien?" Die theoretische Gratifikationsforschung geht meist von einer Art Diskonfirmationsthese aus, die auch als -> Wert-Erwartungs-Theorie formuliert werden kann: Gesuchte oder erwartete Gratifikationen werden mit tatsächlich erhaltenen Gratifikationen verglichen und entsprechende Diskrepanzen gemessen. Daraus werden dann u.U. Schlussfolgerungen im Hinblick auf Programmgestaltung gezogen. Die empirische Gratifikationsforschung beschäftigt sich mit einer inhaltlichen Ausfüllung des Nutzenansatzes über die Analyse von Bedürfnissen oder Motiven der Nutzer. Solche Beweggründe sind insbesondere unter den Rubriken Information (Validierung, Instrumentalität, Neugier) sowie Unterhaltung (Erregung, Spannung, Entspannung) einzuordnen (Das sog. Infotainment verbindet beide Formen). Die M. unterstellt den aktiven Rezipienten, der bereits zu einem gewissen
Medienwirkungen
Ausmaß involviert (-*Involvement) ist. Diese Perspektive ist in besonderem Maße auf die Nutzung des Internet (-> Kommunikation, computervermittelte) zugeschnitten, da sich hier die one-way-Kommunikation eher zum dialogischen Geschehen ausbreitet (statt „push" eher „pull"). Der Rezipient bestimmt dabei den Kommunikationsprozess gleichsam mit; die Information (z.B. auch Werbung) wird angefordert, nicht aufgedrängt. Dies impliziert auch neue Formen der Wirkungskontrolle (z.B. auch der Werbeerfolgskontrolle): Häufigkeit des Anklickens etc. Lit.: Medienwirkungen -> Kommunikation, soziale -* Kommunikation, computervermittelte
Medienwirkungen tionswirkungen
Kommunika-
(1) Allgemein: Während einige Vorstellungen -v.a. auch im Laienbereich - von der Omnipotenz der Medien ausgehen, versucht man in anderen Konzepten, die Effizienz der Medien zur Beeinflussimg von Einstellungen und Verhalten zu bagatellisieren. Schon KLAPPER sprach in einer vielbeachteten Formulierung davon, dass die Medien in höchst indirekter Weise durch ein Netzwerk zahlreicher „Brechungen" auf den Rezipienten einwirken. Generelle Aussagen über differenzielle Medienwirkungen (Medienvergleich) stehen überdies vor verschiedenen Schwierigkeiten. Denn einmal scheint die M. situations- und themenspezifisch zu variieren. Zum anderen haben unterschiedliche Segmente des Publikums differenzielle Einstellungen gegenüber den Medien 367
Medienwirkungen
und unterschiedliche Konsumgewohnheiten, unterschiedliche Interessenlagen etc. Folgt man der Logik der Anschaulichkeit, so dürfte die interpersonelle Kommunikation (face to face) am wirkungsvollsten sein, gefolgt von der bildlichen Darstellung (insbesondere im Fernsehen), wiederum gefolgt von Radiosendungen und dem Schlusslicht des geschriebenen Wortes. Allerdings dürften auch diese Überlegungen stark von der Art der verbreiteten Aussagen abhängen. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit erweist sich z.B. die Tageszeitung dem Fernsehen als überlegen. Auch könnten komplexe Botschaften u.U. effektiver durch das geschriebene Wort vermittelt werden. Effizienz bezieht sich meist auf Einstellungsänderungen. Nichtsdestoweniger müssten differenzielle Effizienzkriterien entwickelt werden, z.B. nach Aufmerksamkeit, Verstehen, Behalten. Und hier werden einzelne Medien unterschiedlich abschneiden. (2) Kognitive Wirkungen: Sie liegen einmal in der Selbstselektion (-> selective exposure), z.B. in der selektiven Exposition, Wahrnehmung, Informationsverarbeitung sowie selektivem Erinnern (-• Kommunikationswirkungen). Zum anderen gehören neben dieser Selektivität auch die aktive Umformung der empfangenen Botschaften durch die bereits vorhandene kognitive Struktur und die i.R. dieser Struktur vollzogene gedankliche Weiterverarbeitung zu den Auswirkungen medialer Ansprache. Bei der Untersuchung kognitiver Wirkungen ist insbesondere das 368
Medienwirkungen
Konzept des -* Agenda setting von Bedeutung. Massenmedien - so diese Vorstellung- seien weniger erfolgreich darin, vorzugeben, was das Publikum denken soll, sondern eher, worüber es denken soll. Es geht also erst in zweiter Linie darum, Einstellungen des Publikums zu etablieren oder zu verändern, sondern zunächst um eine Art Themenstrukturierung. Diese Agenda-Hypothese wurde i.R. der M.-Forschung ausgiebig untersucht (vgl. zusammenfassend SCHENK 2002).
Durch Selektion und Strukturierung wird die reale Welt in eine Medienwelt verwandelt. Hier sind als wichtige Einfluss- (und Verzerrungs-) Faktoren zu nennen: die jeweiligen Interessen der Kommunikatoren bzw. Medienverantwortlichen, der Zwang zur Reduzierung von Komplexität, der Hang zum Neuigkeitswert und zur Abwechslung, wobei Medien dazu neigen, i.R. einer Negativitätstendenz vorwiegend über unerfreuliche Ereignisse zu berichten („bad news are good news"). (3) Emotionale Wirkungen: Zur theoretischen Stützung wird hier häufig auf Arousal-Theorien (-*• Aktivation, physiologische) sowie auf bestimmte Emotionstheorien zurückgegriffen. Gewisse Informationen regen Emotionen an, können also nicht neutral wahrgenommen oder verarbeitet werden. Sendungen aus der Unterhaltungssparte legen es häufig sogar darauf an, bestimmte Emotionen (z.B. Fröhlichkeit, Freude, Ärger) und Aktivationen (z.B. Spannung, Begierde, Erregung) auszulösen. Ein Bsp. aus diesem Themen
Medienwirkungen
feld ist der sog. Suspense-Effekt: Unerwartete Handlungsentwicklungen fuhren v.a. dann zu gesteigerter Erregung, wenn sie vor ihrem Auftreten durch entsprechende Hinweisreize angekündigt werden (z.B. eine Tür knarrt; die Musik wirkt bedrohlich). Häufige Topics im Bereich emotionaler Wirkungen sind ferner -* Furchtappelle und das Spiel mit der Angst (vom Rezipienten oft ambivalent erlebt und mit der Möglichkeit verknüpft, jederzeit „aussteigen" zu können) sowie das Zeigen von Gewalt im Fernsehen, das insbesondere einen De-Sensitivierungsprozess bewirkt. Zur Beurteilung der Wirkungen von Gewalt wird vielfach auf BANDURAS Theorie des Modell-Lernens zurückgegriffen. (4) Soziale Wirkungen: Medieneinfluss vollzieht sich meist durch ein Netzwerk von Brechungen. Damit sind v.a. soziale Instanzen angesprochen, die ihn abfedern, modifizieren oder verstärken. Allerdings dürfte die gelockerte Einbindung des Individuums in anonymisierte und weitgehend de-personalisierte Interaktionsbezüge in die Richtung einer Dispersion der Kontexte wirken. Wichtige soziale Instanzen der Vermittlung sind hierbei relevante Bezugspersonen (Familie, Arbeitsgruppe, Peers etc.) sowie Meinungsführer und Personen, zu denen man sog. schwache Verbindungen aufrecht erhält (-» Kommunikationsstruktur). Eher von soziologischer Bedeutung ist hier die Einlagerung der Medien in soziale -* Netzwerke sowie die Konstruktion von „Öffent-
Meinungsftthrer
lichkeit" im Makrobereich. Lit.: BONFADELLI, H . ( 1 9 9 9 ) .
Medienwir-
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munikation, Interaktion und soziales Handeln. Opladen.
Mehrseitige Argumentation - » A r gumentation, zweiseitige Meinung Wird, zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch, als -»• Einstellung zu einem bestimmten Einstellungsobjekt verstanden (z.B. auch im Begriff Meinungsforschung). Im spezifischeren Sinne verstehen manche SP unter M. lediglich die kognitive Komponente der Einstellung (belief = Überzeugungsstärke). Meinungsforschung Systematische Analyse von Einstellungen („öffentliche Meinung"), meist mit politischer Thematik. Sie wird häufig auch als Längsschnitt-Analyse durchgeführt, um den Wandel der öffentlichen Meinung festzustellen. Meinungsführer M. sind Pn, von denen angenommen wird, dass sie zwischen den Medien und dem Publikum vermitteln, indem sie den Medieneinfluss (-»• Medienwirkungeri) modifizieren, verstärken oder a b s c h w ä c h e n . KATZ &
LAZARSFELD
entwickelten das Konzept des „two369
Meinungsftthrer
step-flow-of communication", das in seiner ursprünglichen Form besagt: (a) Persönliche Beziehungen und Interaktionen haben einen größeren Einfluss auf die Meinungsbildung als die Massenmedien; (b) Bestimmte Pn (opinion leader) üben i.R. informeller Beziehungen Einfluss auf die Meinung der Gruppenmitglieder aus; (c) Diese M. sind den Massenmedien in stärkerem Maße ausgesetzt und tragen die entsprechenden Informationen an den weniger aktiven Teil der Bevölkerung weiter; (d) Die M. zeigen ein höheres Interesse am Meinungsgegenstand (Interessen-Involvement) und weisen eine größere Einbindung (connectedness) in soziale Netzwerke auf. Die Vorstellung der Zweistufigkeit hat sich allerdings nicht halten lassen; zugleich ist die Annahme eines überwiegend passiven Publikums differenzierungsbedürftig. In der Folge ging man nicht lediglich von opinion leaders und non-leaders (followers) aus, sondern unterschied verschiedene Formen von M. sowie zwischen opinion givers, opinion askers, silenters und mixers (letztere eine situationsabhängige Mischform). Auch ist das ursprüngliche two-step-Modell einem multistep-flow gewichen. Schließlich sind weitere Differenzierungen vorgeschlagen worden, welche die Komplexität des Ausgangsansatzes wesentlich erhöht haben, so dass die praktische Bedeutung des Konzepts für Propaganda und —• Werbung zusehends eingeschränkt wurde. Außerdem ist in den meisten Fällen die Lokalisierung von M. schwierig. Auch schien die Tatsache, als M. zu fungie370
Menschenbild
ren, keine „Eigenschaft", sondern vielmehr ein Merkmal unterschiedlicher Interaktionsbeziehungen zu sein. M. agieren überdies stark kompetenzspezifisch. Zu Überlappungseffekten kommt es allenfalls auf dem Wege attributiver Generalisierung auf einem Kontinuum ähnlicher Kompetenzbereiche (z.B. Fernsehgeräte, Videorecorder, Videokameras).
Menschenbild Die Psychologie hat - im Gegensatz zur Metapher des -* homo oeconomicus in der Ökonomie - kein einheitliches M. Während bspw. die Psychoanalyse den Menschen als vom Lustprinzip getriebenes Wesen ansieht, geht die kognitive Psychologie von einem denkenden, informationsverarbeitenden Menschen aus. Und während etwa die behavioristische Lerntheorie den Menschen als plastisches, formbares Wesen begreift, das quasi-automatischen Konditionierungen folgt, betonen kognitive Lern- und Handlungstheorien, dass der Mensch von Einsicht geleitet sei und seine Pläne zielstrebig und strategisch durchführe. Allerdings werde er dabei nicht von perfekter -»• Rationalität geleitet; auch entspreche sein Handeln nicht der Logik, sondern einer davon abweichenden Psycho-Logik. Die Heterogenität der M. gilt auch für die SP. Zur Mitte des vorigen Jahrhunderts, als noch die Kleingruppenforschung dominierte, war der sp Akteur durch geringe Selbständigkeit und Handlungsfreiheit gekennzeichnet, durch Gruppendruck jederzeit zur Konformität und zum —> Gehorsam bereit. Die Dominanz der Einstellungsforschung (-* Einstellungen) er-
Menschenbild
brachte Belege dafür, wie Menschen mit vorgefertigten Urteilen und Schemata die Welt zu vereinfachen trachten. Die Attributionsforschung, die die SP bis in die 80er Jahre dominierte, stellt den Menschen als laienhaften Wissenschaftler dar, der mittels -* Kovariationsprinzip die Welt nach Kausalitätsgesetzen zu deuten versuchte. Selbst innerhalb dieses Paradigmas kam es zu einer Art „Wachablösung": Nicht mehr der Wissenschaftler, sondern eher der Mensch als Richter oder Richtender geriet in dem Maße in den Vordergrund, in dem Aspekte der Kontrollierbarkeit und Verantwortlichkeit von der Attributionstheorie aufgegriffen wurden. Die Social-cognition-Perspektive, die die Themenbereiche Einstellung, soziale Wahrnehmung und Attribution unter dem Primat der Informationsverarbeitung zu integrieren versuchte, hat weiter in Richtung einer „Verkopfung" des sp M. geführt: der Mensch als „reiner" Informationsverarbeiter. Allerdings erwies sich der Akteur häufig als „kognitiver Stümper" (WISWEDE), da zahlreiche kognitive -* Täuschungen (-• Anomalien) aufgedeckt werden konnten, die systematische Fehlertendenzen darstellen. Ferner erwies sich der Akteur zugleich als „kognitiver Geizhals" (FISKE), der manchmal nur mit Mühe dazu gebracht werden kann, seinen Geist zu strapazieren und daher häufig auf Gewohnheiten, Reaktionsautomatismen oder einfache Schemata zurückgreift. Hierbei wurde insbesondere die Bedeutung von -* Heuristiken hervorgehoben: vereinfachte Entscheidungsregeln oder Handlungsschablonen, die manchmal nützlich - weil kognitiv
Mental accounting
entlastend-, bisweilen jedoch auch schädlich sein können, indem sie nämlich die Dinge in unangemessener Form vereinfachen und damit Fehlentscheidungen einleiten. Die Verwendung von Heuristiken durch den Akteur ist dabei keineswegs ein randständiges Problem; vielmehr wird unterstellt, dass P in jedem Fall zunächst sparsame Formen der Informationsverarbeitung wählt und erst bei hoher Invaliditätsangst datengesteuerte Informationswege einschlägt. Eine solche Sicht passt zur Metapher eines homo heuristicus (SCHWARZ). WPn haben - in Auseinandersetzung mit dem Verhaltensprinzip der -> Rationalität— darauf verwiesen, dass Menschen ihren Verstand nur zu einem Teil dazu benutzen, vernünftige Entscheidungen zu treffen (wie es etwa die Theorien des -*•überlegten Verhaltens oder des —> geplanten Verhaltens voraussetzen). Ein möglicherweise ebenso umfangreicher Teil aller kognitiven Anstrengungen wird darauf verwendet, getroffene Entscheidungen bzw. vollzogene Handlungen ex post zu rechtfertigen und zu legitimieren (postdezisionale Rationalität). Zumindest ein Stück weit bewegt sich damit die rationalistische Sicht der Informationsverarbeitung auf die Perspektive jener Ansätze zu, die die Rationalität menschlichen Handelns eher als Epiphänomen betrachten.
Mental accounting D i e W i r k u n g s w e i s e v o n M . (THALER) kann (nach KAHNEMAN & TVERSKY)
durch zwei Situationen beschrieben werden: (a) Sie haben eine Eintrittskarte für ein Konzert zum Preis von 150 € 371
Meta-Ebene
Mere exposure-Effekt
erworben. Vor der Konzerthalle angekommen merken Sie, dass Sie ihre Karte verloren haben. An der Abendkasse gibt es jedoch noch Karten derselben Preiskategorie. Kaufen Sie eine neue Karte? (b) Sie haben sich an der Abendkasse eine Karte für 150 € reservieren lassen. Dort angekommen, bemerken Sie, dass Sie 150 € aus Ihrem Portemonnaie verloren haben. Kaufen Sie trotzdem die Karte, wenn Sie noch genügend Geld haben? Obgleich beide Situationen ökonomisch identisch sind, belegen empirische Untersuchungen, dass die Mehrheit der Befragten im ersten Fall von einem Konzertbesuch absieht, in der zweiten Situation jedoch nicht. Menschen führen demnach für jedes Vorhaben ein gesondertes mentales Konto; Abhängigkeiten zu anderen Engagements oder Konten werden ignoriert.
Messung -» Methoden -> Einstellungsmessung Meta-Analyse Integrative Technik, um die Ergebnisse voneinander unabhängiger Studien zu einem bestimmten Sachverhalt statistisch zu einem Gesamtergebnis zusammenzufassen. Dieses Verfahren ist anwendbar, wenn für bestimmte Problemstellungen (z.B. über den Zusammenhang zwischen Leistung und Zufriedenheit, zwischen partizipativer Führung und Effizienz, zwischen Einstellung und Verhalten) bereits eine Vielzahl von Untersuchungen vorliegen, die ihrerseits auf durchschnittliche Effektmaße analysiert werden können. Um die Vergleichbarkeit solcher Untersuchungen zu gewährleisten, sind allerdings eine Reihe von Voraussetzungen zu klären (z.B. thematische Angemessenheit, Äquivalenz der jeweiligen Operationalisierungen, Ermittlung der Streubreite von Effekten).
Mere exposure-Effekt Nach ZAJONC eine Form der Vertrautheit, die z.B. auf häufigem Zusammensein oder Ausgesetztsein beruht. Je vertrauter ein Stimulus für P ist, desto besser wird dieser bewertet. Wie BURNSTEIN in einer ->• Meta-Analyse zeigen konnte, gilt dies allerdings nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen und für bestimmte StimulusKlassen (z.B. stärkere M. bei komplexen und interessanten Stimuli). Für abstoßende Reize könnten auch gegenteilige Effekte auftreten. Zu häufige Wiederholungen bewirken manchmal einen Abnutzungs- und Sättigungseffekt (z.B. zu häufiges Darbieten einer Werbebotschaft). 372
Meta-Ebene Aussagen oder Begriffe betreffen entweder die Objekt-Ebene (d.h. sie betreffen soziale Sachverhalte) oder aber die M. (Aussagen über das Vorgehen der Sozialwissenschaftler). Begriffe der Objekt-Sprache sind z.B.: sozial, psychisch; Begriffe der Meta-Sprache z.B.: soziologisch, psychologisch. Die Ausdrücke „Definition", „Theorie" oder „Hypothese" sind gewöhnlich Begrifflichkeiten der M. Unterstellt man jedoch dem handelnden Subjekt, dass es bestimmte Annahmen über die Wirklichkeit trifft (—• Theorie, subjektive -* Hypothesentheorie der Wahrnehmung), so sind diese Sachverhalte auf der Objekt-Ebene angesiedelt. Der
Methoden (der empirischen Sozialforschung)
Ausdruck „Definition der Situation" bedeutet daher, dass der Akteur (nicht der Forscher) eine bestimmte Situation definiert, d.h. kogniziert.
Methoden (der empirischen Sozialforschung) Die M. sind keine Besonderheit der SP; sie bilden Richtlinien für den Forschungsprozess der gesamten Sozialund Verhaltenswissenschaften. Die bevorzugte forschungslogische Position (-» Methodologie -* kritischer Rationalismus) setzt Schwerpunkte im Hinblick auf den Stellenwert einzelner Forschungstechniken. An dieser Stelle erfolgt lediglich ein kursorischer Überblick; für Einzelheiten muss auf die entsprechende Spezialliteratur (am Ende dieses Stichworts) verwiesen werden. Der Bedeutung des ->• Experiments für die SP entsprechend, existiert hierzu ein eigenes Stichwort. Da multivariate Analyseverfahren i.R. der SP eine bedeutsame Rolle spielen, werden diese unter separaten Stichworten gesondert behandelt. (1) Weiche und harte Verfahren: Im Prinzip besteht der Anspruch, Konstrukte und Variablen im empirischen Forschungsprozess zu operationalisieren und einer objektiven Messung zugänglich zu machen. Verfechter sog. weicher (qualitativer) Verfahren versuchen, durch die Anwendung subtilerer Ansätze Zugang zur „Innenschau" und zur „Tiefenstruktur" zu finden; sie plädieren daher für den Einsatz der Introspektion, der Fallstudie, des Tiefeninterviews, projektiver Verfahren sowie verschiedener Formen der teilnehmenden Beobachtung. Diese Präferenz leitet sich v.a. aus einer for-
Methoden
schungslogischen Position der phänomenologischen Methode ab, die insbesondere Prozesse des „Verstehens" in den Vordergrund stellt. In der Tat sind harte Verfahren mit strengen Prüfkriterien oftmals sehr äußerlich, und häufig besteht der Verdacht, dass das eigentlich Bedeutsame messtechnisch (z.B. in Form der vergleichsweise „flachen" Skalentechnik) überhaupt nicht eingefangen wird. Vertreter der nomothetischen Position (-> Methodologie) neigen dazu, die Verwendung qualitativer Methoden auf den Entdeckungszusammenhang zu beschränken, also auf die explorative Phase des Forschungsprozesses einzugrenzen. In diese Abseitsposition wollen sich jedoch die Befürworter solcher M. nicht abdrängen lassen; vielmehr werden qualitative Vorgehensweisen sogar als insgesamt angemessener angesehen, während quantitative Verfahren als äußerlich, behavioristisch oder positivistisch etikettiert werden. Manchmal werden auch zwischen quantitativen und qualitativen Verfahren Gegensätze konstruiert, die faktisch nicht bestehen. So sind viele qualitative M. standardisiert und durchaus quantitativ auswertbar. Umgekehrt enthalten rein quantitative Verfahren auch qualitative Annahmen, z.B. ein phänomenologisches Vorverständnis im Hinblick auf relevante Sachverhalte. Es empfiehlt sich daher, einen vermittelnden Standpunkt einzunehmen und dennoch das Kriterium intersubjektiver Prüfbarkeit aufrecht zu erhalten. Nichts spricht dagegen, sich in „entdeckender" oder flankierender 373
Methoden (der empirischen Sozialforschung)
Weise auch anderer M. zu bedienen, die sich zunächst dem quantitativen Zugriff verweigern, die jedoch u.U. den Tiefgang und die Bedeutsamkeit der Erkenntnisse fordern können. Dabei wäre freilich anzuraten, die qualitativen Verfahren vorwiegend in den Entdeckungszusammenhang, die härteren quantitativen M. überwiegend in den Begründungszusammenhang zu verweisen. Auf diese Weise kann qualitative Forschung hoch bedeutungsvoll sein, da der Entdeckungszusammenhang oftmals die kreativste Phase des Forschungsprozesses darstellt. (2)Konzeptualisierung: Nach einem Vorschlag von HERMANN kann zwischen Typ A-Forschung und Typ BForschung unterschieden werden: Erstere formuliert ein Problem (z.B. das Freizeitverhalten Jugendlicher; Aggressionsneigung von Arbeitslosen) und versucht, theoretische Konzepte darauf anzuwenden. Im zweiten Fall soll eine bestimmte Theorie (z.B. die Reaktanztheorie, die Selbstüberwachungstheorie) getestet werden. In keinem Falle jedoch erfolgt die Konzeptualisierung ganz theorielos, auch wenn die jeweiligen theoretischen Annahmen wenig explizit sein mögen. Vielfach geht man mit dem Theoriebegriff recht anspruchslos um, indem etwa der vage Hinweis erfolgt, man wolle das Problem lerntheoretisch oder austauschtheoretisch angehen. Der wichtigste Schritt bei der Konzeptualisierung des Forschungsprogramms ist die Formulierung von Hypothesen. Dies ist deshalb so bedeutsam, weil in vielen theoretischen und empirischen Arbeiten (häufig 374
Methoden
auch bei experimentellen Studien) überhaupt nicht klar wird, wie die Hypothesen genau lauten, welche Variablen in die Analyse einbezogen werden, welche Variablen als abhängige, als unabhängige und als intervenierende Variablen fungieren usw. Der nächste Schritt - die Operationalisierung der Variablen sowie die Umsetzung abstrakter (theoretischer) Begriffe in die Beobachtungssprache der quantifizierbaren Indikatorenist nämlich nur sinnvoll anzugehen, wenn die Hypothesen klar formuliert wurden. (3) Messung: Für die Quantifizierung der Variablen werden nun bestimmte Messinstrumente benötigt. Im Wesentlichen sind drei Typen zu unterscheiden: (a) Indices: Diese fassen bestimmte Indikatoren nach spezifischen Aggregationsregeln zu einem einheitlichen Gesamtwert zusammen (z.B. Index der Arbeitszufriedenheit, Index der Sparneigung); (b) Tests: Hier steht nicht die Aufdeckung allgemeiner Gesetzmäßigkeiten im Vordergrund, sondern die Untersuchung individueller Merkmalsunterschiede (z.B. Intelligenztests, Leistungstests, Persönlichkeitstests); (c) Skalen: Sie dienen v.a. der Ermittlung von Einstellungen gegenüber einem Objekt (z.B. einem Produkt), einer P (z.B. einem Politiker) oder einer Institution anhand bestimmter Items. Im Unterschied zum Index ist bei Skalen zur begründeten Aufnahme von Items zusätzlich ein Prüfverfahren eingebaut. Skalen
Methoden (der empirischen Sozialforschung)
können danach klassifiziert werden, welche Transformationen für sie zulässig sind (-»• Einstellungsmessung). In der Sozialforschung wurden zahlreiche Skalen entwickelt (z.B. Skalen der Rangordnung, des Paarvergleichs,
THURSTONE-Skala,
GUTT-
MAN-Skala, LIKERT-Skala sowie das semantische Differenzial [Polaritätsprofil]). Multiattribut-Modelle gehen davon aus, nicht nur bestimmte Eigenschaften oder Attribute des Einstellungsobjekts zu messen, sondern auch die Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Konsequenzen auftreten (FISHBEIN) oder die subjektive Bedeutungsgewichtung
(ROSEN-
BERG), die der Befragte dem jeweiligen Attribut beimisst (-• Einstellungsmessung). (4)Auswahlverfahren: Als Erhebungseinheit bezeichnet man diejenige Selektionsmenge, welche die Forschungseinheit repräsentieren soll. Bei Teilerhebungen - s i e sind die Regel- stehen zwei Hauptformen der Stichprobenziehung zur Debatte: (a) Die Zufallsauswahl: Jedes Element der Grundgesamtheit hat prinzipielle gleiche Chancen, einbezogen zu werden. Diesem Vorgehen liegt ein Modell der Normalverteilung zugrunde, die bei entsprechend großen Fallzahlen mehr oder weniger gut abgebildet wird. Dabei wird der statistische Zufallsfehler berechenbar, die Irrtumswahrscheinlichkeit (Standard-Abweichung) bestimmbar; (b) Die bewusste (willkürliche) Auswahl: Elemente mit bestimmten Merkmalen werden bevorzugt in
Methoden
die Stichprobe einbezogen. Zu unterscheiden ist die strukturelle Auswahl (z.B. nach bestimmten Verteilungen, nach der Zugehörigkeit zu einer Organisation) von der Quotenauswahl, wobei bestimmte Merkmale oder Merkmalskombinationen vorgeschrieben werden, die dann (z.B. im Hinblick auf Alters- oder Geschlechtsverteilungen) ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit darstellen. Besondere Schwierigkeiten scheint in diesem Zusammenhang der Begriff der Repräsentativität zu machen, wobei der Laie vielfach davon ausgeht, es gebe eine allgemein gültige, für alle Fälle zutreffende Teilmassengröße, um im statistischen Sinn Repräsentativität zu erzielen. Diese ist jedoch von zahlreichen Bedingungen abhängig, z.B. von der Größe und Homogenität der Gesamtmasse, vom Gegenstand der Erhebung, von der Intensität der Studie und von der erwarteten Höhe der vermittelten Ergebnisausschläge. So werden z.B. zum Nachweis der Wirkung eines Vitamins auf die Mortalität möglicherweise 20.000 Probanden benötigt, während für Untersuchungen zum Wählerverhalten Samples von 2000 Pn angemessen sein dürften. Für die Analyse von Werbewirkungen sind vielleicht 200 Pn, für den Nachweis von Konformitätseffekten in sp Untersuchungen 20-30 Pn nötig, für den Nachweis der Giftigkeit eines Pilzes nur 1 P. Bei der Testung von Kausalhypothesen im Experiment ist Repräsentativität ohnehin nicht das entscheidende Kriterium; hier kommt es eher auf die
375
Methoden (der empirischen Sozialforschung)
Kontrolle möglicher Störvariablen an. Je weniger solche Störvariablen ausgeschaltet werden können, desto höher muss das Sample angesetzt werden, um statistisch abgesicherte Aussagen mit gewünschter Irrtumswahrscheinlichkeit treffen zu können. In einigen Fällen hält man einen Teil der differenziellen Merkmale, die die Analyseeinheiten aufweisen (z.B. Alter, Geschlecht, Intelligenz) für nicht sonderlich relevant. So wird bspw. in sp Experimenten häufig mit Studenten gearbeitet, die auf den ersten Blick nicht sonderlich repräsentativ für menschliches Verhalten schlechthin sind. Allerdings geht es hierbei meistens um besondere Problemstellungen, so dass die Kriterien statistischer Großerhebungen i.R. von Befragungen breiter Bevölkerungsschichten nicht ohne weiteres auf die Experimentalsituation angewendet werden können, weil sie nämlich kaum differenzielle Ergebnisse erbringen. (5)Erhebungs-M.: Befragung und Beobachtung sind hier die zentralen Vorgehensweisen; beide können auf der Ebene der Untersuchungsplanung einem experimentellen, quasiexperimentellen oder nicht-experimentellen Forschungsdesign folgen. Insofern kann z.B. die Befragung i.R. kleiner Probandengruppen ebenso eingesetzt werden wie bei sog. Repräsentativbefragungen der sog. Umfrageforschimg. Die Befragungstechnik kann nach verschiedenen Kriterien differenziert werden: nach den Befragungsinhalten (z.B. Faktfragen vs. Einstellungs376
Methoden
fragen), nach der Befragungsform (schriftlich vs. mündlich), nach der Frequenz (Querschnitts- vs. Längsschnittuntersuchungen), nach der sozialen Situation (Einzelbefragung vs. Gruppenbefragung), nach dem Strukturierungsgrad (z.B. geschlossene vs. offene Fragen). Eine Sonderform der Befragung ist die indirekte Fragetechnik, bei der man die Sachverhalte nicht direkt anpeilt, sondern auf projektiven Umwegen erschließt. Derlei Verfahren sind auch üblich für das sog. Intensivgespräch (Tiefeninterview), bei dem man durch häufiges Nachhaken und tieferes Ausloten von Empfindungen, Gefühlen, Motivationen, Formen des Erlebens usw. Sachverhalte aufdecken will, die bei eher oberflächlichen, strukturierten Verfahren verloren gehen würden. Diese qualitativen Interviews eignen sich allerdings eher für die Explorationsphase und spielen im gesamten Forschungsprozess eine eher passagere Rolle. Die Befragung ist eine Interaktionssituation, und daher ist diese M. das Einfallstor möglicher Fehler und Störfaktoren, die aus der Interaktionsforschung bekannt sind: z.B. Einfluss bestimmter Erwartungen und sozialer Wahrnehmungen, naive Annahmen über den Erhebungszweck, Fehlsteuerung der Kommunikation (Reaktivitätsproblematik) usw. Zu unterscheiden sind dabei Interviewer-Effekte, die durch bewusste oder unbewusste, absichtslose oder absichtsvolle Verhaltensweisen des Befragenden bewirkt werden, sowie Befragten-Effekte, z.B. die Neigung, es dem Interviewer „Recht zu ma-
Methoden (der empirischen Sozialforschung)
chen", dem Anonymitätsversprechen zu misstrauen oder schnell mit dem Fragebogen fertig zu werden. Hinzu kommt das Problem des Überfragtseins: Der Proband versteht die Frage nicht, er ist mit einer hypothetischen Situation konfrontiert, er soll Aussagen über Zukunftsereignisse machen oder Auskunft über Motive geben, die ihm selbst nicht zugänglich sind. Im letztgenannten Falle gibt es Antwort-Tendenzen, die fiir den Befragten selbstwertdienlich sind. So nennt eine P etwa Motive, von denen sie glaubt, dass sie naheliegend, vernünftig oder sozial erwünscht sind. Befragungssituationen sind daher häufig von Strategien des Impression management imprägniert. Die Beobachtung als zielgerichtete Erfassung der aktuellen Umwelt kann non-reaktiv durchgeführt werden, wenn der Beobachtete nichts davon weiß (verdeckte Beobachtung). Auch bei Interviews gibt es Möglichkeiten der Beobachtung durch sog. implizite Messung (z.B. non-verbales Verhalten, Reaktionszeit). Auch bei der Beobachtung lässt sich wieder nach strukturierten und weitgehend unstrukturierten Verfahren unterscheiden. Ein bekanntes Beobachtungsschema stammt von BALES (-> InteraktionsProzess-Analyse -»SYMLOG). Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen teilnehmender und nicht-teilnehmender Beobachtung. Erstere kann u.U. profunde Einblicke („Innenschau") schaffen, lässt jedoch manchmal die notwendige objektive Distanz zum Forschungsgegenstand vermissen. Die nicht-teilnehmende
Methoden
Beobachtung bleibt oftmals auf die Außensicht eingegrenzt und bezieht - i n behavioristischer Manier- lediglich die geäußerten Verhaltensweisen ein, ohne die Sinn- und Bedeutungszusammenhänge dieses Handelns nachvollziehen zu können. Diese Art von Beobachtung kann kognitive (und auch emotionale) Prozesse nicht zureichend abbilden. Es gibt eine Fülle weiterer M., die hier nur kurz angedeutet werden können: die Inhaltsanalyse (in der SP selten verwendet), Gruppeninterviews und Gruppendiskussionen, Experten-Ratings, Rollenspiele, Introspektion, Delphi-Methode, -* Szenario-Technik (quasi-experimentell), Aktionsforschung, -> Brainstroming, Methode des lauten Denkens (z.B. zum Nachvollziehen von Informationsverarbeitungsprozessen), Methode der kritischen Ereignisse (z.B. bei der Erfassung von Arbeitszufriedenheit). Jedes dieser Verfahren hat eine bestimmte Reichweite der Anwendung; ihre jeweilige Brauchbarkeit richtet sich nach der Fragestellung, der Phase im Forschungsprozess, in der sie zum Einsatz gelangen sowie dem Verbund mit anderen Sozialtechniken (complex approach). (6) Experimentelle Designs: Während Befragung, Beobachtung etc. Verfahren der Datenerhebung sind, liegt die Entscheidung für experimentelle bzw. nicht-experimentelle Forschungsdesigns auf der Ebene der Untersuchungsplanung. Für die SP ist das (Labor-)Experiment die „vornehmste" Methode, da sie sich am ehesten einem naturwissenschaftlichen Ideal annähert und weil sie die einzige Methode wirklich stringenter 377
Methoden (der empirischen Sozialforschung)
Kausalanalyse darstellt. In Anbetracht der Bedeutung des experimentellen Vorgehens wird dieses unter einem gesonderten Stichwort behandelt (—• Experiment) und auch mögliche Einwände dagegen diskutiert. Eine Auswahl von Experimenten, die für die Entwicklung der SP besonders bedeutsam waren, findet der Leser im Anhang. Es gibt im Übrigen zahlreiche Variationen der experimentellen M. Neben dem echten Experiment mit Zufallszuweisung der Vpn auf die Untersuchungsgruppen unterscheidet man sog. Quasi-Experimente, die in einer „echten" (nicht-künstlichen) Situation durchgeführt werden, die allerdings nicht vollständig kontrolliert werden kann (-> Kontrolltechniken -* Experimente). Quasi-Experimente werden häufig unter natürlichen oder „Feldbedingungen" durchgeführt, wobei nur wenige Aspekte der Situation kontrollierbar sind. Mitunter ist es möglich, ein echtes Experiment auch mit Zufallszuweisimg in einer Alltagssituation durchzuführen (Feldexperiment). Einen Sonderstatus haben sog. experimentelle Spiele, in denen Entscheidungen und daraus resultierende Erträge in solchen Settings studiert werden, in denen zwei oder mehr Parteien interdependent sind (-» Spiele, experimentelle). Unterschieden werden dabei vier Spielsituationen: Matrix-Spiele, soziale Dilemmata, Verhandlungsspiele und Koalitionsspiele. Variiert werden u.a. der Grad gegenseitiger Abhängigkeit, die Spieldauer, oder die erzielbaren Outcomes. (7) Datenanalyse: Die Auswertungsmodalitäten sind heute fast aus378
Methoden
schließlich computergestützt. Es existiert eine Reihe von DatenanalyseSystemen und „fertigen" Analysepaketen (wie SPSS etc.). Der Rückgriff auf bestehende Analysesysteme hat den Vorteil, dass fast sämtliche statistischen Prozeduren (z.B. Korrelationsberechnungen, Signifikanztests, Faktorenanalyse) bereits programmiert vorliegen, so dass die entsprechenden Schritte insbesondere unter Nutzung moderner Großrechner heute relativ rasch und einfach durchgeführt werden können, sofern man weiß, welches Verfahren bei dem vorliegenden Datenmaterial adäquat ist. Üblicherweise wird zunächst univariat analysiert (Überblick bzgl. der Datenstruktur, Test auf Eingabefehler etc.), bevor bivariate Zusammenhänge (insbes. Kreuztabellen) untersucht werden. Nur noch in seltenen Fällen genügt allerdings die bivariate Analyse, in der Zusammenhänge „step by step" überprüft werden. I.d.R. kommen -* multivariate Analyseverfahren zur Anwendung, bei denen mehrere abhängige und/oder unabhängige Variablen in die Analyse eingehen. Die wichtigsten multivariaten Verfahren, die in der SP vorzugsweise zur Anwendung gelangen (-> Faktorenanalyse -* Varianzanalyse -» Clusteranalyse —• Conjoint measurement etc.), sind in separaten Stichworten kurz erläutert. Wichtig ist der Hinweis, dass auch die Verwendung multivariater Techniken kein Ersatz für Theorie sein kann. So ersetzen auch die komplexen pfadanalytischen Modelle nicht die Federführung durch eine Theorie. Jedes Modell der Wirkungspfade
Methodologie
Methodologie
muss daher theoriegebunden spezifiziert werden. Denn letzten Endes geht es nicht allein um irgendwelche Zusammenhänge; diese müssen aufgrund einer deduktiv steuernden Theoriekonzeption erklärt werden. Denn sonst erschöpft sich die wissenschaftliche Aktivität in bloßer „Variablen-Forschung", die in einem Wust von Variablen gleichsam erstickt und keine echten Erklärungen liefert. Lit.: ARONSON, E . et al. ( 2 1 9 9 0 ) . M e t h o d s o f
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Methodologie -» Methoden Umfasst in einem weiteren Sinn alle systematischen Überlegungen zur Forschungslogik und zur Forschungstechnik. I.e.S. wird M. lediglich auf die Forschungslogik bezogen, aus deren Metaperspektive über den Einsatz bestimmter Methoden zu entscheiden ist. Dabei werden üblicherweise folgende Grundpositionen diskutiert: (a) Die nomothetische Methode (auch empirisch-analytische oder kritisch-rationale Methode genannt), die auf der Annahme beruht, dass wissenschaftliche Aussagen in raum-zeitlich unabhängiger Form als Gesetzesaussagen formuliert werden können, die intersubjektiv
prüfbar sind; (b) Die historisch relativierende Methode, die auf die Einmaligkeit bestimmter Sachverhalte verweist und Aussagen nur für bestimmte historische Ereignisse oder spezifische Kulturen anstrebt (-> Sozialpsychologie, interkulturelle)', (c) Die verstehende (auch phänomenologische) Methode, die versucht, den subjektiven Bedeutungszusammenhang sozialen Handelns über Bewusstseinsprozesse zu erschließen, um daraufhin in der Lage zu sein, diesen Handlungskomplex einfühlsam nachzuvollziehen. Die SP war bisher mehr oder weniger explizit an der nomothetischen Position orientiert (-* Kritischer Rationalismus), die jedoch manchmal auf gewisse Grenzen stößt (-> Methoden). Andererseits haben POPPER und ALBERT deutlich gemacht, dass jede Art von erklärender Forschung letztendlich auf allgemeinen Gesetzesaussagen fußt. Dies gelte auch für die historische sowie die phänomenologische Methode. Im Übrigen wird in der Forschungspraxis selten so heiß gegessen wie es die strenge M. kocht. So ist unter Wissenschaftstheoretikern z.B. POPPERS Lösimg des Induktionsproblems weithin akzeptiert; dies hält andererseits kaum einen Forscher davon ab, auch bei der Gewinnung von Theorien induktiv vorzugehen. Lit.: ALBERT, H . ( H g . ) ( 1 9 7 2 ) . T h e o r i e u n d
Realität. Tübingen. GROEBEN, N. & WESTMEYER, H. (1981). Kriterien psychologi-
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379
Mikropolitik Grundlagen einer kritisch-rationalen Sozialwissenschaft. Studienbuch zur Wissenschaftstheorie Karl R. Poppers. Wiesbaden. ROOK, M. et al. (22001). Wissenschaftstheoretische Grundlagen sozialpsychologischer Theorien. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. 1. Bern u.a. 13-47.
Mikropolitik (I) I.w.S. verstehen CROZIER & FRIEDBERG in A n k n ü p f u n g a n BURNS Orga-
nisationen als Netzwerke miteinander verzahnter Spiele, die durch formale und informelle Spielregeln eine indirekte Integration der konfligierenden Machtstrategien der Organisationsmitglieder bewirken. Diese Sichtweise hat paradigmatischen Charakter. (II) In einem spezifischeren Sinn umfasst M. ein Arsenal alltäglicher Techniken, mit denen soziale -* Macht auf Mikro-Ebene aufgebaut, erweitert und genutzt wird, um eigene Interessen durchzusetzen, eigene Handlungsspielräume zu erweitern und gleichzeitig die Kontrolle über Andere zu ermöglichen. Vielfach geht es dabei um Techniken, die weder legitim noch offiziell sind, sondern die eher subkutan erfolgen und meist das Licht der Öffentlichkeit scheuen müssen. Bsp. sind: Intrigenspiele, Grabenkriege, Absprachen, Klüngel, Mobbing. Oft werden dabei soziale —• Netzwerke genutzt (Günstlingswirtschaft, Seilschaften).
Minderheit, soziale
mimischen Verhaltens überzufallig erkannt und voneinander unterschieden werden können. Nach EKMAN gibt es eine Überlappung in der Ausdruckssprache des Gesichts: Schon DARWIN hat vermutet, dass der Mensch über ein universelles Ausdrucksrepertoire verfügt, das Teil unseres evolutionären Erbes ist und damit zu den kulturellen —• Universalien gehört. Zumindest scheint dies für die folgenden Emotionen zu gelten: Fröhlichkeit, Überraschung, Wut, Ekel, Furcht, Traurigkeit und Verachtung. In kulturvergleichenden Studien sind Menschen offenbar weltweit in der Lage, diese Emotionen anhand der M. einzuordnen. Dies schließt allerdings kulturelle Einflüsse auf die expressive Gestaltung mimischen Ausdrucksverhaltens nicht aus. konnte überdies belegen, dass das „richtige" Erkennen von mimisch geäußerten Emotionen in hohem Maße von Kontext-Informationen (z.B. bestandene Prüfimg, Tadel des Chefs) abhängt. Beurteiler, die mit Kombination von M. und Kontext-Informationen konfrontiert wurden, entwickelten fur jede Teilinformation „Emotionslisten", aus denen Vorhersagen über die wahrscheinlichen Emotionen resultieren, die dann entsprechend integriert werden (-> Informationsintegration). WALLBOTT
Mimik
Minderheit, soziale -»• Minoritätseinfluss
M. gilt als Äußerung bestimmter —> Emotionen (wie Angst, Wut oder Ärger) durch den Gesichtsausdruck (-> Kommunikation, non-verbale). Viele Untersuchungen zeigen, dass unterschiedliche Emotionen auf Grund
(7,) Begriff: Von M. spricht man auf verschiedenen Ebenen, z.B. auf Individualebene (ein bestimmtes Individuum, das eine abweichende Position vertritt oder sozial sichtbar abweichende Merkmale aufweist, -» ab-
380
Minderheit, soziale
weichendes Verhalten), auf der Gruppenebene (z.B. Cliquen, Frauen im Betrieb, ältere Arbeitnehmer, verschiedene Ethnien in Arbeitsgruppen) sowie auf der Makroebene (z.B. verschiedene ethnische Gruppierungen, Arbeitslose, Aids-Kranke). Dabei ist die von MOSCOVICI aufgegriffene Thematik des Minoritätseinflusses lediglich ein Teilaspekt, der mit der eher soziologischen Erforschung von M. nur unzureichend integriert ist. In einem eher makropsychologischen bzw. soziologischen Zusammenhang versteht man unter M. eine Bevölkerungsgruppe innerhalb einer Gesellschaft, die sich durch bestimmte soziale, kulturelle oder ethnische Merkmale von der „normalen" Mehrheit und deren Wertvorstellungen und Eigenschaften unterscheidet. Im Ausmaß der sozialen -* Visibilität solcher Merkmale, unterliegen M. häufig der sozialen -* Diskriminierung und politischen Unterdrückung. Im Extremfall werden sie ausgegrenzt, abgeschoben oder mit systematischer Ausrottung bedroht. Während in Europa der M.-Begriff vorwiegend für nationale Volksgruppen innerhalb eines größeren Nationalstaates Verwendung findet, wird der Ausdruck „minority groups" in den USA auch auf diskriminierte ethnische, konfessionelle und sprachliche Bevölkerungsgruppen sowie Abweichler (z.B. Homosexuelle, Prostituierte) oder auf gesellschaftliche Außenseiter (z.B. Obdachlose, Zigeuner) und schließlich auch auf (wegen besonderen Körpermerkmalen auffällige) Bevölkerungsgruppen (z.B. auf Behinderte)
Minderheit, soziale
angewendet. So ist z.B. das Verhalten gegenüber Körperbehinderten ambivalent: Zwar fällt die Bewertung im Allgemeinen (durch Sympathie und Empathie) positiv aus, jedoch zeigen Studien zum non-verbalen Interaktionsverhalten gegenüber Behinderten meidende Tendenzen und steigende Nervosität. Der Sympathieeffekt ist dabei oft nur ein Darstellungseffekt: als Bemühen, eine Diskriminierung von Behinderten nicht in der Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen. (2) Reaktionen auf M.: Im Allgemeinen entwickeln sich gegenüber M. diskriminierende -* Einstellungen und Reaktionen (-> Vorurteile, soziale). Dies hängt damit zusammen, dass M. (aus der Sicht der sozialen Identität", Identitätstheorie, soziale) Fremdgruppen sind, von denen man sich positiv distinkt abheben möchte. Die Abwertung der M. erfüllt dann mehrere Funktionen, etwa: (a) die Förderung der eigenen Identität durch Abgrenzung; (b) die Aufwertung des eigenen Selbstwertgefühls durch abwertende Vergleiche; (c) die Abwehr von Rivalitätsaspekten (z.B. wird die Geschäftstüchtigkeit der Juden auf illegitime Praktiken zurückgeführt); (d) die Festigung des eigenen Standpunktes (-* Ethnozentrismus)', (e) die Identifizierung eines Sündenbocks, dem man die Schuld an Misständen geben kann. Wie bereits bei der Diskussion der Theorie sozialer -*Identität vermerkt, entwirft dieses Konzept ein recht düsteres Bild des Verhältnisses zu Fremdgruppen. Zumindest ansatz381
Minderheit, soziale
weise, wenn vielleicht auch nicht mit großer Durchschlagskraft, könnte man Gegentendenzen gegen die Diskriminierung aufzeigen, z.B. das Gefühl existenzieller Schuld (HOFFMAN) gegenüber unterprivilegierten M., Empfinden von Fairness und Gerechtigkeit, Hang zur Solidarität, Mitleid gegenüber Betroffenen, Notwendigkeit der Kooperation. (3)Bewältigungsstrategien der M.: In der Theorie sozialer Identität (TAJFEL & TURNER) werden verschiedene Strategien diskutiert, die aus der Sicht der Betroffenen dazu geeignet sind, der Diskriminierung entgegenzuwirken. Eine grobe Einteilung wäre die Trennimg nach verhaltensaktiven Strategien (z.B. Aufbegehren, Bürgerinitiativen) und kognitiven Strategien (z.B. Besinnung auf eigene autochthone Vorstellungen). Im Einzelnen werden folgende Strategien der Konfliktbewältigung unterschieden: (a) Soziale und regionale Mobilität: M. versuchen, einen bestimmten gesellschaftlichen Status durch die Einhaltung von Leistungskriterien zu erreichen. Dies setzt voraus, dass keine spezifischen Barrieren für M. existieren; (b) Anpassung und Assimilation: Durch die Angleichung des Verhaltens oder des Aussehens sowie durch Abstreifen spezifischer Handlungsmuster kann die Eingliederung erleichtert werden, insbesondere wenn die M.Merkmale geringer sozialer Visibilität unterliegen; (c) Räumliche Segregation (GettoBildung): Dadurch wird es möglich, das eigene Wertsystem und 382
Minderheit, soziale
die mit diesem verbundenen Verhaltensweisen aufrechtzuerhalten und eine (in den gegebenen Grenzen) gesicherte soziale Identität zu behalten. Soziologische Studien zeigen, dass Einwanderer der ersten Generation starke Motivation zur Assimilation aufweisen, während die Nachfolgegenerationen zur Segregation und Abgrenzung neigen; (d) Kulturelle Segregation (-»Subkultur-Bildung): Diese fällt häufig mit der regionalen Segregation zusammen, konzentriert sich jedoch stärker auf den Wertebereich (Glaubensvorstellungen, Lebensstil, Symbole). Im Extremfall kommt es zu KontraKulturen mit oft militanten Zügen; (e) Sozialer Wettbewerb: Dieser Weg zeigt Möglichkeiten auf, hochbewertete Ziele und Symbole des Respekts zu erlangen und der Majorität ähnlicher zu werden, ohne dabei die Eigenständigkeit und Identität aufzugeben; (f) Soziale Kreativität: Hier vergleicht sich die M. auf einer neuen Dimension (z.B. verglichen sich die Bewohner der früheren DDR weniger mit wirtschaftlichen Leistungen, sondern mit Erfolgen im Sport oder in der Kunst, oder sie betonten den Wert der Solidarität)-, (g) Internalisierung einer negativen Identität: Dies ist die letzte Rückzugsposition, wenn andere Strategien nicht möglich erscheinen. Die betroffenen Individuen beginnen an ihrem Eigenwert zu zweifeln und halten es (durch
Minoritätseinfluss
Mindfulness/mindlessness
Selbst-Labeling) durchaus fiir legitim, wenn sie sozial diskriminiert werden (-> Just world). Lit.: FISCHER, L. (2001). Soziale Minori-
täten. Teil I und II. Fernuniversität Hagen. MUMMENDEY, A . ( 1 9 8 5 ) .
Verhalten
zwi-
schen sozialen Gruppen: Die Theorie der sozialen Identität. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. II. Bern u . a . , 1 8 5 - 2 1 6 . MUMMENDEY, A . & SIMON,
B. (Hg.) (1997). Identität und Verschiedenheit. Bern u.a. TAJFEL, H. (1981). Human groups and social categories: Studies in social psychology. Cambridge (dt. 1982). TAJFEL, H . & TURNER, J . C . ( 2 1 9 8 6 ) . T h e
social identity theory of intergroup behavior. In: Worchel, S. & Austin, W.G. (eds.) The social psychology of intergroup relations. Monterey/CA., 33-47.
Mindfulness/mindlessness Nach LANGER bezeichnet M. einen Geisteszustand, in dem P aktiv und kreativ Denkprozesse durchfuhrt, offen für Neuigkeiten, aufgeschlossen für den Kontext sowie für unterschiedliche Perspektiven ist (open minded). Im Gegensatz dazu bedeutet mindlessness, dass P kognitiv nicht engagiert ist, dass sie keinerlei Unsicherheit verspürt und von ihr auch keine Entscheidungen verlangt werden. Die Dichotomie hat gewisse Ähnlichkeit mit verwandten Konzepten, z.B. Involvement (hoch oder niedrig) oder der Informationsverarbeitung (automatisch vs. kontrolliert, zentral vs. peripher oder systematisch vs. heuristisch), wie sie üblicherweise in den dualen Prozess-Modellen angelegt sind. Allerdings betont LANGER, dass es auch bedeutungsvolle automatische Prozesse geben kann; auch könne mindlessness ohne vorausgegangene Gewohnheitsbildung aufgrund einer einzigen Exposition gegenüber informativen Stimuli vorliegen.
Minimal-group-paradigm Bloße Kategorisierung reicht aus, um eine Intergruppen-Diskriminierung einzuleiten (-> Exp. 31). Dabei wird keinerlei Interaktion innerhalb oder zwischen den Gruppierungen vorausgesetzt; es genügt eine ad hoc vorgenommene Zusammenstellung von Gruppen aufgrund eines völlig bedeutungslosen Kriteriums (-• Identität, soziale -* Identitätstheorie, soziale). Es kann gezeigt werden, dass -* Intergruppen-Konflikte keineswegs ausschließlich dem Paradigma eines Kampfes um Ressourcen folgen. Minimale Interaktion Experimentalanordnung, die zeigen soll, dass selbst in einer ausgedünnten sozialen Interaktionssituation - Pi weiß nicht, dass ihre Ergebnisse vom Verhalten der P2 abhängen und umgekehrt - die im Rahmen der instrumenteilen Konditionierung vorausgesagten Verstärkungseffekte auftreten (-> Exp. 5). Minimax-Hypothese Die M . von MILLER besagt, dass man bestrebt ist, eine mögliche Gefahr zu minimieren. Dies kann - bei positiven Effizienz-Erwartungen - durch Ausübung von Kontrolle geschehen, jedoch auch durch Kontrollverzicht, wenn man z.B. anderen Pn mehr zutraut. Aversive Situationen sind generell weniger belastend (—• Stress -+ Stresskontrolle), wenn man Kontrolle über ihre Beendigung zu haben glaubt. Minoritätseinfluss soziale
Minderheit,
Die klassische Konformitätsforschung 383
Minoritätseinfluss
Minoritätseinfluss
(-* Konformität) befasste sich ausschließlich mit dem Einfluss von Gruppenmehrheiten auf Minderheiten bzw. Einzelpersonen. MOSCOVICI ver-
änderte die Positionen und problematisiert die Frage: „Unter welchen Bedingungen gewinnt eine Minderheit Einfluss auf die Mehrheit?" Dabei kann unterstellt werden, dass die Mehrheit tendenziell passiver, weniger involviert und aktiviert ist als eine Minderheit, die schon durch die Tatsache ihres abweichenden Standpunktes engagierter auftreten wird. MOSCOVICI weist darauf hin, dass jedes Gruppenmitglied sowohl Quelle als auch Empfanger sozialen Einflusses sein kann. Dies bezieht sich nicht nur auf soziale -* Kontrolle, sondern auch auf soziale Veränderungen. Dieser Prozess der -> Innovation kann auf der Grundlage eines sog. genetischen Modells interpretiert werden. Dabei werden abweichende Standpunkte zunächst nicht bewusst akzeptiert; sie beeinflussen jedoch in subkutaner Weise -* Einstellungen und Sichtweisen in der Gesellschaft. Minoritäten lösen dabei einen Validierungsprozess aus, weil die Frage entsteht, warum die Minderheit einen abweichenden bzw. merkwürdigen Standpunkt vertritt, so dass das Nachvollziehen einer solchen Erklärung eine veränderte Sichtweise seitens der Mehrheit herbeiführen kann. Die Kernvariablen der Theorie des M. sind Konsistenz des Verhaltensstils und Flexibilität des Verhandlungsstils. Die Theorie lässt sich mit folgenden Aussagen zusammenfassen: (a) M. findet vorwiegend dann statt, wenn die Minderheit einen homo384
(b)
(c)
(d)
(e)
genen, konsistenten und persistenten Verhaltensstil aufweist, also relativ konsequent und über längere Zeit einen bestimmten (abweichenden) Standpunkt vertritt. Dieses deviante Verhalten fuhrt zum sichtbaren Konflikt und erzeugt Instabilität; Die Mehrheit sieht den Anlass, sich mit diesem abweichenden Standpunkt zu beschäftigen. Das Insistieren der Minderheit auf ihrer Meinung wird als Ausdruck von Überzeugung und Selbstsicherheit interpretiert. Attributionen in Richtung Dogmatismus oder Unbelehrbarkeit werden dann verhindert, wenn die Minorität einen konzilianten und flexiblen Verhandlungsstil bevorzugt; Minoritäten werden dann besonders erfolgreich sein, wenn sie in einer Umgebung agieren, in der Originalität und —• Kreativität eher erwünscht sind als konservative Lösungen, und wenn sie mit ihrer Meinung dem Zeitgeist oder einem vermuteten Werte-Trend entsprechen; M. wird dann besonders erfolgreich sein, wenn der Minorität keine Interessengebundenheit (i.S. der Verfolgung von eigennützigen Zielen) vorgeworfen werden kann; Das Akzeptieren des Minoritätsstandpunkts erfordert einen elaborierten Prozess der Informationsverarbeitung (-»ELM). Nach erfolgter Konversion (-> Konversionstheorie) dürfte demnach die übernommene Einstellung stabiler (stärker, änderungsresistenter) sein und auch dann aufrecht erhalten werden, wenn der M. schwindet.
Mitarbeiterorientierung
Für die meisten dieser Aussagen gibt es empirische Evidenz (-»Exp. 27). Die externe Validität, insbesondere auch die Reichweite der Theorie, ist aber skeptisch zu beurteilen. Zwar ist es richtig, dass innovative Entwicklungen (z.B. die Einfuhrung neuartiger Technologien, die Etablierung aktueller Moden, die Ausbreitung veränderter Moralvorstellungen, die Entwicklung eines neuen Forschungsparadigmas abseits vom „mainstream") zunächst von Minderheiten ausgehen und durch die mangelnde Kompatibilität anfangs vielfach kognitive -» Dissonanz auslösen. Jedoch wäre es erforderlich, Befunde über M. mit anderen Forschungssträngen zu verbinden: mit der —• Innovations- und Diffusionsforschung einerseits und mit der Erforschung sozialer -* Minderheiten, deren Andersartigkeit eher zu Diskriminierung und Abwertung fuhrt und denen gegenüber verstärkt Strategien der Distinktheit angewendet werden, andererseits. Lit.: Moscovici, S. (1979). Sozialer Wandel durch Minoritäten. München. Moscovici, S. (31985). Social influence and conformity. In: Lindzey, G. & Aronson, E. (eds.) Handbook of social psychology, Vol. II. New York, 347-412.
Mitarbeiterorientierung -* Führungsstile Mitleid (I) M. entsteht nach WEINER, wenn eine P ein negatives Ergebnis verursacht, diese Ursache jedoch vom Beobachter als unkontrollierbar wahrgenommen wird. (II) M. gilt als Teilkomponente der -+ Empathie, die ihrerseits eine ver-
Mobilisierungs-Minimalisierungs-Hypothese
mittelnde Variable für Hilfeverhalten (—> Altruismus) darstellt.
Mixed-motive-situation Spielsituation mit gemischten Motiven, d.h. eine Konstellation, die durch einen Konflikt zwischen persönlichen und kollektiven Zielen gekennzeichnet ist. So ist z.B. kooperatives oder solidarisches Verhalten (—• Kooperation -* Solidarität) selten durch ein einziges Motiv (etwa -»• Altruismus) gekennzeichnet. Mobbing Schikanieren oder Drangsalieren von Pn. Dabei wird der Betroffene (die Betroffenen) wiederholt und über eine gewisse Zeit hinweg zum Gegenstand negativer Handlungen oder Äußerungen durch eine oder mehrere andere Pn (—• Viktimologie). Zu unterscheiden sind horizontales M. (z.B. Arbeitskollegen untereinander) und vertikales M. (z.B. Vorgesetzte beteiligen sich am M. oder werden selbst zum M.-Opfer). Extrinsisches M. bezeichnet instrumenteile Aktivitäten (z.B. eine P zur Kündigung veranlassen). Intrinsisches M. entspringt der Lust am Drangsalieren anderer. Meist ist die Täter-Perspektive von der des Opfers sehr verschieden. NEUBERGER betont die Bedeutung von Stigmatisierungen und Attributionen im Entstehungs- und Ausweitungsprozess. Auch werden von einzelnen Autoren Phasenmodelle über den idealtypischen Ablauf des M. entwickelt. Mobilisierungs-Minimalisierungs-Hypothese Die M. von TAYLOR besagt, dass eine P bei der Wahrnehmimg negativer Stimuli kurzfristig mit einer Mobilisie385
Modalpersönlichkeit
rung kognitiver Ressourcen, langfristig jedoch mit einer Minimalisierung der möglichen Auswirkungen reagiert.
Modalpersönlichkeit I.S. des statistischen Begriffs des Modus (häufigster Wert einer Verteilung) spricht man von der M. einer Gruppierung oder einer Ethnie. Dabei werden die häufigsten Charakter- und Verhaltensformen von Individuen herausgegriffen, die Variationsbreite innerhalb dieser Population allerdings vernachlässigt.
MODE-Modell M. ist ein Akronym für „motivation and opportunity as determinants". Das M . von FAZIO geht davon aus, dass Einstellungen Verhalten in einer zweifachen Weise beeinflussen können: entweder durch bewusstes Verarbeiten aller Implikationen der Einstellung für das Verhalten oder aber durch automatisch-spontanes Verwerten einstellungsrelevanter Informationen. Das M. gehört im Prinzip zu den —• dualen Prozess-Modellen der Informationsverarbeitung (-* ELM Heuristisch-systematisches Modell). Darüber hinaus ist es ein integratives Konzept bzw. eine Art Meta-Modell, indem es Auskunft darüber gibt, unter welchen Bedingungen die Theorien eines —• überlegten Verhaltens oder -*geplanten Verhaltens gelten und wann ein spontanes Verfahren der Informationsverarbeitung gewählt wird. Ob es nun zu spontanem oder aber zu überlegtem Verhalten kommt, ist von der Intensität der Motivation sowie von situativen Bedingungen (Gelegenheiten) abhängig. Starke Motivation ist gegeben, wenn aus der Entschei386
Mode-Psychologie
dung bzw. aus dem Verhalten wichtige Konsequenzen folgen. Als Kernbegriff entlehnt FAZIO hier bei KRUGLANSKI den Begriff der „fear of invalidity": Dies sind die Kosten einer evtl. Fehlentscheidung. Neben der Motivation, vielfach durch diese „Invaliditätsangst" geprägt, müssen in der jeweiligen Situation auch die Möglichkeiten (opportunities) gegeben sein (z.B. ausreichende Entscheidungszeit). Das M. thematisiert auch die von FAZIO in verschiedenen Zusammenhängen analysierte -» Zugänglichkeit von -* Einstellungen, die insbesondere das spontane Verhalten begleitet. Bei routinisierten Entscheidungen wird das Individuum seine Einstellungen nicht reflektieren. Zugänglichkeit bedeutet dann die Stärke der Assoziation zwischen dem Objekt und der Einstellung.
Mode-Psychologie Die Psychologie der Mode beschäftigt sich u.a. mit folgenden Themenfeldern: (a) -* Akzeptanz der Mode, wobei Ansätze aus der Akzeptanzforschung herangezogen werden; (b) Ausbreitung von Moden über verschiedene Marktsegmente, wobei Konzepte der Erforschung der -* Diffusion relevant sind; (c) Gruppeneffekte in Bezug auf —• Konformität mit bestimmten Bezugsgruppen; Übernahme des Modellverhaltens persönlich relevanter Vorbilder {-* Modell-Lernen)-, (d) Verortung von Modepionieren, oftmals Minderheiten (-> Minoritätseinfluss) oder zunächst randständigen -* Subkulturen;
Modell-Lernen
(e) Funktion der Mode für die Entwicklung personaler und sozialer Identität; (f) Strategischer Einsatz modischer Effekte, z.B. angemessene Kleidung, Extravaganz (-> Impression management); (g) Auswirkungen modeorientierten Verhaltens auf das -* Selbstkonzepf, Mode als Möglichkeit der symbolischen —• Selbstergänzung. Lit.: DOLLASE, R. (1988). "Von ganz natürlich bis schön verrückt". Zur Psychologie der Jugendmode. In: Baacke, D. et al. (Hrsg.) Jugend und Mode. Opladen, 93-140. NERDINGER, F . W . & ROSENSTIEL, L . V. ( 2 1 9 9 8 ) .
Psychologie der Mode. In: Hermanns, A. et al. (Hrsg.) Handbuch Mode-Marketing, 97116. Frankfurt/M. RODERER, U. (1986). Mode als Symbol. Regensburg. SOMMER, C.M. & WIND, T.H. (1988). Mode - D i e Hüllen des Ich. Weinheim. WISWEDE, G. ( 2 1998). Soziologie der Mode. In: Hermanns, A. et al. (Hrsg.) Handbuch Modemarketing. Stuttgart.
Modell-Lernen Man lernt nicht nur durch eigene Erfahrung (-> Konditionierung -* Lernen), sondern auch durch Beobachtung und Nachahmung. In vielen Fällen (insbesondere wenn es „kostengünstiger" für das Individuum ist) ist ein solches Beobachtungslernen naheliegender, effizienter und v.a. schneller als die Verhaltensformung durch sukzessive Versuchs-Irrtums-Prozesse. Auch kann auf diese Weise das Erstauftreten eines Verhaltens erklärt werden. Femer ist durch M. die Übernahme komplexer Verhaltensmuster (z.B. sozialer Rollen) möglich. Die am besten entwickelte und empirisch vielfach bestätigte Theorie des Imitationslernens stammt von BANDURA (1969, 1979, 1986, 1997). Lernen
Modell-Lernen
wird hier vom Verhalten abgetrennt; es bedeutet nicht in direkter Weise die Übernahme von Verhaltensmustern, sondern die Speicherung wahrgenommener Reize und Reizfolgen im Langzeitgedächtnis (-• Exp. 1). Lernen betrifft demnach lediglich die sog. Akquisitionsphase. Für diese ist Verstärkung nicht unbedingt notwendig; allerdings wird leichter gelernt, wenn das Modell durch positive Verhaltenskonsequenzen verstärkt wird (stellvertretende Verstärkung). Die relevanten Bedingungen der Akquisitionsphase sind: (a) Die Beachtung des Modells, eine Frage der Aufmerksamkeitslenkung. Diese ist abhängig von Faktoren wie: Verbreitung, Deutlichkeit, Verstärkung, Attraktivität, Ähnlichkeit, Exposition; (b) Die Erinnerung an das beobachtete Ereignis. Diese variiert im Ausmaß der Wiederholung, der Abrufbarkeit, der Verbalisierung, der Codierbarkeit, der Organisierbarkeit und vom möglichen Probehandeln; (c) Die Fähigkeit, gleiches oder ähnliches Verhalten zu zeigen. Dies ist abhängig von bestimmten physischen oder sozialen Voraussetzungen, von der Fähigkeit zur kognitiven Integration, von der Selbstbeobachtung und vom Feedback. Die relevanten Bedingungen der Motivationsphase (Umsetzen der Lernresultate in Handlung) sind: (a) -* Konsequenz-Erwartungen, d.h. die subjektive Wahrscheinlichkeit, mit der eine begehrte Konsequenz (Valenz) für den Beobachter nach 387
Momentum-Effekt
erfolgter Imitation auftreten wird, wobei die Verstärkungsmöglichkeiten extrinsisch oder intrinsisch (auf dem Wege der Selbstverstärkung) auftreten können; (b) —• Effizienz-Erwartungen, d.h. Annahmen dahingehend, ein gleiches oder ähnliches Verhalten wie die Modellperson ausführen zu können. Dieser den Konsequenz-Erwartungen vorgelagerte Erwartungstyp wird von B A N D U R A auch als -* Selbstwirksamkeit (self-efficacy) bezeichnet und eigens thematisiert. Die Theorie B A N D U R A S wird auch als sozial-kognitives Lernkonzept bezeichnet. Sie betont den Stellenwert des M., ohne dabei die Bedeutung des instrumentellen Lernens zu vernachlässigen. Ihr integrativer Charakter kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass sie relevante Aspekte kognizierter —• Kontrolle analysiert sowie durch die Differenzierung der Akquisitionsphase auch den Anschluss an moderne Theorien der —> Informationsverarbeitung herstellt. Lit.: BANDURA, A . ( 1 9 6 9 ) . P r i n c i p l e s of b e -
havior modification. New York. BANDURA, A. (1979). Sozial-kognitive Lerntheorie. Stuttgart. BANDURA, A. (1986). Social foundations of thought and action. Englewood Cliffs/N.J. BANDURA, A. (1997). Self-efificacy. The exercise of control. Houndmills. JONAS, K . & BRÖMER, P . ( 2 2 0 0 2 ) . D i e sozial-
kognitive Theorie von Bandura. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie. Bd. II. Gruppen-, Interaktions- und Lerntheorien. Bern u.a. 277-299.
Momentum-Effekt Die Vorstellung, dass die Gewinner von heute auch die Sieger von morgen sind (z.B. die Annahme, dass die Ak388
Motivation
tien, die bisher gestiegen sind, auch weiterhin an Wert zulegen). Mood-repair-hypothesis Beschreibt die motivationale Tendenz, eine gedrückte -* Stimmung aufzuhellen. Moralische Entwicklung wicklung, moralische
Ent-
Motiv Element des Motivationsprozesses (-> Motivation). Ein M. ist eine überdauernde Verhaltensbereitschaft (Disposition), auf eine gegebene Situation konsistent zu reagieren. M. stellen damit „Empfänglichkeiten" der P für bestimmte Thematiken dar. Viele Psychologen verbinden deshalb M. als Persönlichkeitsmerkmale mit der Anreizstruktur der Situation, etwa nach der Formel Motivation = f (Motiv, Anreiz) oder: Motivation = Motiv x Anreiz. Lit.: —• Motivation
Motivation -> Motivation, intrinsische Motivation, soziale (1)M. gilt als aktivierender Prozess (energetische Komponente) mit richtunggebender Tendenz (kognitive Komponente), der in Handlung umgesetzt werden muss (volitionale Komponente). Die verschiedenen ->• Motivationstheorien legen ihren Schwerpunkt jeweils auf eine dieser drei Komponenten. Die M.-Forschung ist ein außerordentlich komplexes Feld, und es besteht seitens einiger Psychologen die Tendenz, das gesamte psychische Geschehen von der M.-Problematik her aufzurollen (z.B. bei H E C K H A U -
Motivation
SEN 1989). In der SP herrscht eher die umgekehrte Tendenz vor (z.B. bei HERKNER), indem man dieses Konstrukt für weitgehend entbehrlich hält, zumal lerntheoretische Konzepte (insbesondere auch unter Einbeziehung kognitiver Lerntheorien) das gleiche Themenfeld mit z.T. empirisch besser greifbaren Ansätzen bearbeiten und vielfach auch bessere (sparsamere) Erklärungen bereitstellen. Ohnehin ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl aller Motive (sog. sekundärer Motive) durch Lernprozesse erworben und artikuliert wird. SPn neigen dazu, ihre Erklärungskonzepte eher aus sozialen Situationen heraus abzuleiten und Persönlichkeitsmerkmalen sowie motivationalen Dispositionen eher zu misstrauen, allein schon deshalb, weil sich vielfach gezeigt hat, dass es situationsübergreifende Dispositionen eher selten geben dürfte (-> Situationismus Persönlichkeitsmerkmale). Hinzu kommen Mess- und Abgrenzungsprobleme. Die bisherigen Messvorschläge (z.B. für die Erhebung von Leistungsmotivation oder Machtmotivation) sind nicht gerade ein Musterbeispiel für die wichtigsten Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität und Validität). Bis heute hat die M.-Forschung überdies das von KELLY aufgeworfene Problem unscharfer Designata für bestimmte Motive nicht gelöst. (2) Motivationale Biases: Dennoch sind viele Konzepte der SP axiomatisch in bestimmten motivationalen Annahmen verwurzelt. So fußt etwa die -»Dissonanztheorie auf einem solchen Prinzip (Dissonanz als moti-
Motivation
vationaler Spannungszustand). Theorien der Selbstwerterhaltung (seif enhancement) basieren gleichfalls auf einem solchen Prinzip, nämlich den Selbstwert zu schützen oder zu verbessern. Überhaupt werden - im Gegensatz zu Ansätzen, die vorwiegend auf fehlerhafte Informationsverarbeitung abheben (-» Täuschungen, kognitive) - in vielen „Biases" motivationale Mechanismen unterstellt. Allerdings besteht seitens der Ansätze zur Informationsverarbeitung der Anspruch, auf der Basis fehlerhafter kognitiver Prozesse „sparsamere" Erklärungen zu liefern und auf motivationale Konstrukte verzichten zu können. (3)M. und -* Attribution: Stärker als die M.-Forschung stand die Attributionsforschung unter sp Einfluss. Die Zusammenhänge zwischen M. und Attribution sind komplex (vgl. HECKHAUSEN 1989, FISCHER & W i s WEDE 2002). Eine Teilklasse von At-
tributionen bezieht sich nämlich auf motivationale Dispositionen von Ego und Alter. Ego: der Akteur attribuiert sein Handeln auf gewisse Motive. Alter: P unterstellt beim Anderen, dass er aus bestimmten Gründen so und nicht anders gehandelt hat. M. beschreibt demnach einen objektiven Prozess der Handlungsgenese, während Attribution die subjektive Spiegelung dieses Prozesses darstellt. Die Motiv-Attribution ist damit ein Sekundärphänomen, das jedoch Rückwirkungen auf die tatsächliche M. hat: Das, was Menschen über M.Vorgänge glauben, kann über Rückkoppelungsmechanismen zum Bestandteil des objektiven M.-Prozesses werden. 389
Motivation
Motivation, Intrinsische
Die folgenden Fälle sind zu unterscheiden: Attribution als (a) nachgelagerter Sachverhalt (Bsp.: P kauft ein Auto vorwiegend aus Prestigemotiven, glaubt jedoch, dass ihn insbesondere Sicherheitsmotive dazu veranlasst hätten); (b) rückgekoppelter Sachverhalt (Bsp.: P fuhrt seinen Handlungserfolg auf eigene Anstrengung zurück; dies fuhrt beim Folgeverhalten zu verstärkter Leistungsmotivation); (c) vorgelagerter Sachverhalt (Bsp.: die Attribution absichtsvoller Beleidigung regt ein Aggressionsmotiv an); (d) zwischengelagerte Variable (Bsp.: ein Motiv der Hilfeleistung wird nur dann aktiviert, wenn P attribuiert, dass der Hilfeempfanger für sein Schicksal nicht selbst verantwortlich ist). L i t . : ATKINSON, J . W . ( 2 1 9 7 8 ) . A n i n t r o d u c -
tion to motivation. Princeton (Orig. 1964). FREY, D . & IRLE, M . ( H g . ) ( 2 2 0 0 2 ) . T h e o -
rien der Sozialpsychologie. Bd. III: Motivations-, Selbst- und Informationsverarbeitungstheorien. Bern u.a. HECKHAUSEN, H. ( 2 1989). Motivation und Handeln. Berlin u.a. HIGGINS, E . T . & KRUGLANSKI, A . W . (eds.)
(2000). Motivational science. Social and personality perspectives. Ann Arbor/MI. KÜHL, J. (1987). Motivation und Handlungskontrolle. Ohne guten Willen geht es nicht. In: Heckhausen, H. et al. (Hg.) Jenseits des Rubikon: Der Wille in den Sozialwissenschaften. Berlin, 101-120. RHEINBERG, F. ( 3 2 0 0 0 ) . M o t i v a t i o n . S t u t t g a r t u . a . SCHNEIDER, K . & SCHMÄLT, H . - D . ( 3 2 0 0 0 ) . M o t i -
vation. Stuttgart. SORRENTINO, R.M. & HIGGINS, E . T . ( e d s . ) ( 1 9 9 6 ) . H a n d b o o k o f
motivation and Cognition. Cambridge. WEINER,
B.
(31994).
Weinheim.
390
Motivationspsychologie.
Motivation, extrinsische Motivation, die auf äußeren Anreizen (z.B. Bezahlung, Privilegien, Anerkennung) beruht (-> Motivation, intrinsische).
Motivation, intrinsische Die Unterscheidung zwischen M. und extrinsischer Motivation entspricht dem Unterschied zwischen Zweck und Mittel. Ein Verhalten gilt dann als intrinsisch motiviert, wenn es um seiner selbst willen durchgeführt wird. Dabei ist das Verhalten selbst die Belohnungsquelle; es bedarf keiner zusätzlichen äußeren Anreize. BANDURA, IRLE und HECKHAUSEN haben jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass die Unterscheidung der beiden Motivationstypen schwierige Transferprobleme impliziert und dass es sich bei der Einschätzung von Intrinsität/Extrinsität auch um eine Frage der Akteursperspektive handelt. Ungeachtet der differenzierteren (leider aber auch verwirrenden) Betrachtung HECKHAUSENS, der zwischen acht verschiedenen Verständnisweisen von M. unterscheidet, beschränkt sich dieses Wörterbuch auf zwei Forschungsperspektiven: (l)Lerntheoretische Interpretation: Lempsychologisch betrachtet ist M. identisch mit -> Selbstverstärkung; diese wird vorwiegend durch diskontinuierliche Verstärkung initiiert. Dabei wird unterstellt, dass das Verhalten als solches von innen heraus wirkende Reize impliziert, so dass die Verfolgung einer Sache um ihrer selbst willen genügend attraktiv erscheint (Endogenität von Handlung und Handlungsziel). Beispiele sind etwa: intrinsische Arbeitsmotivation (Freude an der Arbeit selbst, Erfolgs
Motivation, intrinsische
erlebnisse, Pflichtgefühl), intrinsische Machtmotivation (Freude an der Ausübung von Macht, im Gegensatz zu einer instrumentellen Funktion des Machtgebrauchs), intrinsische Aggression (sog. heiße Aggression, die nicht der Erreichung irgendwelcher nachgelagerter Ziele dient, sondern der Schädigung des Gegners) oder intrinsischer Altruismus (bei dem -* Hilfeverhalten nicht instrumenteil als Austauschgeschehen verstanden wird). sieht darüber hinaus in der M. die Möglichkeit generalisierbarer Selbstverstärkung. Wenn Individuen gelernt haben, Befriedigung aus dem Verhalten selbst zu ziehen, ohne auf äußere Konsequenzen angewiesen zu sein, so fördert dies durch die Entwicklung selbstgesetzter Verhaltensstandards die generalisierte Fähigkeit zur -* Selbstregulierung des Verhaltens. Durch eigene Setzung von Aufgaben und Zielen wächst zudem das Gefühl der Umweltkontrolle durch eigene Bemühung, mithin das Gefühl persönlicher Effizienz und Kompetenz (-»Selbstwirksamkeit -» SelbstBANDURA
bestimmung).
CSIKSZENTMIHALYI h a t
mit seinem Begriff des Flow - ein besonderer Fall von M. - darauf hingewiesen, dass es bei herausfordernden Tätigkeiten, die den eigenen Fähigkeiten entsprechen, zu einem selbstvergessenen „Aufgehen in der Sache" kommen kann. Zwischen M. und extrinsischer Motivation gibt es Übergangsfelder, was auch damit zusammenhängt, dass in der Lerngeschichte des Individuums die M. ursächlich aus extrinsischer Belohnung resultiert, bevor das Individuum in der Lage ist, sich selbst zu
Motivation, intrinsische
verstärken. Und auch diese Möglichkeit zur Selbstverstärkung ist meist nicht ohne „reality testing" (z.B. in Form der Anerkennung aufgrund irgendwelcher Vergleichsmaßstäbe) möglich. (2)Attributionstheoretische Sicht: In der Theorie der Selbstwahrnehmung sowie der Attributionstheorie beschäftigt sich der Akteur mit den Begründungen für ein Verhalten, das offensichtlich von keinerlei Belohnungsreizen gefolgt wird. Vermerkt P das Fehlen externer Anreize (z.B. keine Bezahlung, keine Anerkennung von außen), dann interpretiert P sein Verhalten oder das Verhalten anderer i.S. der M. („Ich bin offenbar an der Sache selbst interessiert"). Von entscheidender Bedeutung ist jedoch dabei, dass M. überhaupt erst vorhanden sein muss, um Ursachenvermutungen einzuleiten, weshalb das betreffende Handeln ausgeführt wurde und aufrecht erhalten wird. Die attributionstheoretische Sicht behandelt das Vorliegen von M. insofern als Epiphänomen. Solche Attributionen von M. können die intrinsische Basismotivation durchaus stärken. Die meisten Untersuchungen zur M. (DECI, LEPPER et al.; Ross, DECI & RYAN) dienten der Überprüfung der Hypothese, dass externe Belohnungen die M. untergraben können (-»Korrumpierungseffekt, Untergrabung, Überveranlassung, Überrechtfertigung). Auch hier muss vorausgesetzt werden, dass eine intrinsische Ausgangsmotivation überhaupt erst einmal vorhanden sein muss, die dann unter bestimmten Umständen unterminiert werden kann. Aller391
Motivation, intrinsische
dings hat sich gezeigt, dass der Untergrabungseffekt nur unter bestimmten Bedingungen auftritt. Mit Bezug auf KELLEYS Attributionstheorie sind keine abschwächenden Wirkungen auf die M. zu erwarten, wenn die Kovariation zwischen Verhalten und externen Anreizen nicht zu offenkundig ist. Belohnungen, die eher beiläufigen Charakter haben oder die unerwartet auftreten, werden die M. kaum untergraben. Auch dürften verbale Verstärker (Lob und Anerkennung) dann nicht die M. unterminieren, wenn sie Hinweisreize auf besonderes Können oder besondere Begabungen enthalten. Wenn es sich um unfreiwillige Tätigkeiten handelt, sind externe Belohnungen eher förderlich - großzügige Verstärkung macht die Tätigkeit erträglicher. (3) Anwendungsbezüge: Oft wird betont, dass die Ausbildung und Aufrechterhaltung der M. wünschenswerter und effizienter sei als eine Motivation durch externe Anreize. Wünschenswerter, weil intrinsisch verfolgte Aktivitäten für das Individuum angenehmer seien und weil sich die Abhängigkeit von externen Belohnungen lockere. Effizienter: weil M. eine stabilere Form der Motivation darstelle, die weitgehend extinktionsresistent bleibe und in geringem Maße Effekten der Sättigung externer Belohnungen ausgesetzt sei. Dies wird z.B. von pädagogischer Seite betont. Auch im beruflichen Bereich wird die besondere Effizienz der M. gegenüber der Abhängigkeit von äußeren Anreizsystemen unterstrichen und v.a. im Hinblick auf die Entwicklung einer intrinsischen —• Leistungsmotivation thematisiert. 392
Motivation, soziale
In diesem Zusammenhang ist die Frage zu diskutieren, welche Strukturen und Aktivitäten dazu geeignet sind, die M. zu fördern (-> Selbstbestimmung). Neuerdings findet die umgekehrte Fragestellung noch stärkere Beachtung: welche Aspekte des Führungsverhaltens zum Abbau der M. beitragen. Der erwartete Korrumpierungseffekt ist hierbei nur einer der demotivierenden Faktoren; andere sind: zu starke externe soziale -* Kontrolle und mithin wenig Gestaltungsautonomie, zu geringer oder reduzierter Herausforderungscharakter der Tätigkeit, der ein Gefühl der —• Selbstwirksamkeit unterbindet.
Motivation, soziale Die Kennzeichnung bestimmter —• Motive (-> Motivation) als „sozial" entspricht nicht einem systematischen, sondern eher einem willkürlichen Verständnis. In MURRAYS Motivkatalog werden z.B. die folgenden sozialen Bedürfnisse herausgestellt: sozialer Anschluss, Aggression, Widerstand, Unterwürfigkeit, Machtausübung, Fürsorglichkeit und Zurückweisung. Diese Aufzählung wirkt beliebig und wird durch keinerlei theoretisches Konzept gestützt. Das Gleiche gilt für MCCLELLANDS soziale Basismotive: Leistungsmotiv, Machtmotiv und Affiliationsmotiv (letzteres schließt ein: das Sexualmotiv, das Anschlussbedürfnis und das Intimitätsmotiv). Andere Autoren (z.B. IRLE) betonen, dass soziale Motive immer dann vorliegen, wenn sie in sozialen Kontexten Bedeutung erlangen. So könnte man bspw. Motive als „sozial" bezeichnen, wenn sie bestimmte Interaktionsbeziehungen begründen (Motivation zur In-
Motivation, soziale
teraktion). Das Prädikat „sozial" dürfte sicherlich am ehesten das Anschlussmotiv (-• Affiliation) verdienen. Da Menschen häufig bestrebt sind, andere Pn zu kontrollieren und aus ihnen - auch gegen ihren Willen Nutzen zu ziehen, ist auch das Machtmotiv (als Teilaspekt eines allgemeineren -»• Kontrollmotivs) an sozialen Kontexten orientiert. Das Gleiche dürfte für das Aggressionsmotiv (->Aggression) gelten. Jedoch nicht nur Unterdrückung oder Schädigung in Interaktionsbeziehungen sind motivationsthematisch, sondern auch ihr Gegenteil: Hilfeleistung und -* Altruismus, insbesondere dann, wenn äußere Anreize für -»• Hilfeverhalten fehlen. Noch in einer dritten Weise kann von M. gesprochen werden: indem man nämlich den motivationalen Status sp Theorien thematisiert. So interpretiert etwa die Dissonanztheorie ganz i.S. eines homöostatischen Modells Dissonanz als motivationalen Spannungszustand, verbunden mit dem Wunsch, wieder Harmonie zwischen Kognitionen (oder zwischen Kognition und Verhalten) herzustellen. In ähnlicher Weise behauptet die —• Reaktanztheorie explizit die Existenz eines Wunsches nach Kontrolle, verbunden mit dem Bedürfnis, etwaigen Kontrollverlust abzuwehren oder aufzuheben. Auch die wichtige Gruppe von —• Selbstkonzept-Theorien geht von einem Motiv nach ->• Selbstwerterhaltung oder -Verbesserung aus. Ähnlich sieht die Theorie sozialer —• Vergleichsprozesse in dieser Weise die Neigung des Menschen, Vergleiche mit anderen vorzunehmen, als eigenständiges Motiv an, möglicherweise
Motivationstheorien
mit den Submotiven der Validierung und der Selbstverbesserung. Motivationstheorien -»• Motivation -*•Motivation, soziale -*• Motivation, intrinsische (1) Antriebstheorien (Push-Theorien): Sie verfolgen insbesondere die aktivierende Komponente des Motivationsgeschehens. Eine erste Gruppe sind sog. Triebreduktionstheorien; die Befriedigung eines Bedürfnisses oder Triebes führt zur Triebreduktion, d.h. zum vorübergehenden Abbau des entsprechenden Wunsches. In ähnlicher Weise sind homöostatische Modelle (->•Homöostase) konzipiert: Der Bereich eines Soll-Wertes ist - insbesondere bei primären Motiven (z.B. Schlaf oder Nahrungsaufnahme) - in bestimmten Grenzen vorgegeben. Alle Differenzen zwischen Ist- und Soll-Werten werden als unangenehm empfunden und veranlassen den Organismus zu Handlungen, um die Diskrepanz zu beseitigen oder zu reduzieren. Eine weitere Gruppe antriebsorientierter M. sind Aktivationskonzepte (-> Aktivierung), die von der Annahme ausgehen, dass für alle Triebe, Bedürfhisse sowie auch für Gefühle und Reize ein energetisierender Faktor identifiziert werden kann. Ein Grundgedanke dieser Konzepte besteht darin, dass geringe Anregungspotentiale einen negativen Gefühlston hervorrufen (z.B. in Form von Langeweile, Antriebslosigkeit), und dass mit zunehmendem Anregungspotential positive Empfindungen anwachsen, um bei weiterer Steigerung der Aktivierung wiederum negative Gefühle auszulösen (umgekehrt u393
Motivationstheorien
formiger Verlauf der Aktivationskurve). Von hier aus können Beziehungen zwischen Aktivierung und Effizienz (z.B. beim Leistungsverhalten, bei kreativen Tätigkeiten, bei Vorgängen der Informationsverarbeitung) hergestellt werden. Eine lange Tradition haben sog. Bedürfhistheorien, wobei das Spektrum von monothematischen Konzepten (z.B. Reduzierung auf wenige oder gar einen einzigen Motivationsfaktor) bis hin zu polythematischen Ansätzen (ganze Listen von Bedürfnissen, die angeblich unterscheidbar sein sollen) reicht. Auf einer mittleren Generalisierungsebene siedeln etwa MURRAY, MASLOW oder ALDERFER ihre Konzepte an (—> Bedürfnis —• Bedürfnishierarchie), die heute nur noch von historischem Interesse sind. Eine weitere Gruppe von M. sind auf Emotionen (-> Emotionstheorien) ausgerichtet. Dabei sind Bedürfnisse und Gefühle eng miteinander verknüpft: Bedürfnisbefriedigung wird als angenehm erlebt, mögliche Diskrepanzen zwischen Soll- und IstWerten (z.B. Hunger) bewirken erhöhte Aktivierung und entsprechend unangenehme Gefühle. Andererseits können Gefühle selbst als Motivation wirken: Menschen streben die von Verstärkern ausgelösten angenehmen Emotionen an und versuchen, sie bewusst herbeizufuhren. Umgekehrt versucht man solche Verhaltensweisen zu meiden, die mit negativen Gefühlen verbunden sind. (2) Anreiztheorien (Pull-Theorien): Bei diesen Motivationskonzepten geht es v.a. um die kognitive Kom394
Motivationstheorien
ponente des Motivationsgeschehens. Ein spezifisches, nämlich leistungsorientiertes, Anreizkonzept offeriert die Theorie der -»• Leistungsmotivation, auch Risikowahlmodell genannt. Diese Theorie enthält neben einer motivationalen Disposition die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs bzw. Misserfolgs bei der Bewältigung einer Aufgabe als wichtigste Variablen. Die Besonderheit der Theorie betrifft den Umstand, dass die Beziehung zwischen subjektiver Erfolgswahrscheinlichkeit und Anreiz auf den Fall einer invers-linearen Funktion festgelegt ist. Obgleich es sich hierbei um eine spezielle M. handelt, wurde deren Grundgedanke, wonach dieser Motivkomplex aus zwei Submotiven (Vermeidimg von Misserfolg bzw. Suche nach Erfolg) besteht, auch auf andere Motive übertragen (Macht, Affiliation etc.). ATKINSON sieht daher in dieser Vorgehensweise das Modell einer allgemeinen M. Während die Theorie der Leistungsmotivation primär auf -* EffizienzErwartungen zugeschnitten ist, beziehen sich die sog. Wert-Erwartungs-Theorien eher auf Konsequenz-Erwartungen. Danach ist ein Verhalten umso motivierter, je angenehmer und wertvoller die Konsequenzen dieser Handlung sind, verbunden mit der Erwartung (Wahrscheinlichkeit), dass diese Konsequenzen durch das betreffende Verhalten tatsächlich auftreten. Trotz etlicher Probleme bei der Art der Verknüpfung von Werten und Erwartungen stellt diese Theoriegruppe den heute am weitesten verbreiteten Erklärungsmodus für das motivationale
Motivationstheorien
Motivationstheorien
Geschehen dar. Das Modell zeigt v.a., dass Individuen nicht nur durch Werte (Valenzen, Bedürfnisse) gesteuert werden, sondern dass sie diese antizipieren und mit subjektiven Erwartungen verknüpfen. Die so verstandenen Wert-Erwartungs-Theorien sind auch mit bestimmten lerntheoretischen Vorstellungen kompatibel. So geht ROTTER von „reinforcement values" aus, die mit spezifischen oder generellen Erwartungen verknüpft sind, die wiederum durch Lernprozesse erworben werden. Die —• Instrumentalitätstheorie von VROOM verknüpft Valenzen multiplikativ mit Erwartungen (was streng genommen voraussetzt, dass beide Größen vollständig voneinander unabhängig sind) und unterscheidet Zwischenziele von Endzielen. Die vorgelagerten Teilziele sind dabei „instrumentell" für das Erreichen des eigentlichen Ziels. Diese Theorie war ursprünglich lediglich auf den Bereich der Arbeitsmotivation eingegrenzt, wurde jedoch in der Folge als generelles Motivationskonzept angesehen. Ihr Ansatz ähnelt gewissen handlungstheoretischen Konzepten (-> Handlungstheorien -* Handlungsregulation) und setzt erhebliche kognitive Beteiligung des Akteurs voraus. (3)Volitionale Theorien: Diese versuchen nicht den Prozess der Entscheidungsbildung zu analysieren (prädezisionale Phase), sondern die Umsetzung der getroffenen Entscheidung in faktisches Handeln (präaktionale Phase sowie aktionale Volitionsphase). Neben dem Rubikon-Modell v o n GOLLWITZER u n d HECKHAUSEN
hat hier v.a. die Theorie der
Hand-
lungskontrolle von KÜHL erheblichen sp (und organisationspsychologischen) Stellenwert. Sie zeigt im Einzelnen, welche volitionalen Prozesse der Handlungskontrolle auf das Individuum einwirken. Unterschieden wird dabei nach Lageorientierung (das Individuum ist bei Verfolgung seiner Handlungsziele abgelenkt oder gestört) und Handlungsorientierung (das Individuum richtet seine Aufmerksamkeit unangefochten auf die Zielerreichung), wobei diese Orientierungen situationsspezifisch sein können, sich bei entsprechender Generalisierung jedoch auch zu Persönlichkeitsmerkmalen auskristallisieren (z.B. Lageorientierung durch andauernden Perfektionismus, chronische Bedenken, Verzettelung, ständige Fixierung auf widrige Umstände). Eine Zwischenstellung im Hinblick auf Anreiztheorien und volitionale Konzepte nimmt die sog. Zielsetzungstheorie
(LOCKE &
LATHAM)
ein, die gleichfalls im Bereich der Arbeitsmotivation entwickelt wurde. Die Kernvariablen sind nach dieser Theorie die Schwierigkeit der Zielerreichung (Je schwieriger ein realistisches Ziel ist, desto höher der Anreizwert) sowie die Exaktheit der Zielbestimmung (Je klarer und spezifischer ein Ziel formuliert wird, desto stärker ist die zielgerichtete Bemühung). Der Anforderungsgehalt sowie die Bestimmtheit der Ziele erhöhen nach diesem Konzept die Leistung (-+ Zielinduktion). (4) Anschlussbereiche: Die vorderste Front der Motivationsforschung wird gegenwärtig durch die volitionalen 395
Motivationsverlust Ansätze repräsentiert (-+ Handlungskontrolle PSI-Theorie). Ein Dauerthema ist auch die Verknüpfung des (als objektiv verstandenen) Motivationsgeschehens mit den subjektiven Vermutungen über die Gründe des Verhaltens (-> Motivation und —• Attribution). Die antriebs- und anreiztheoretischen Konzepte sind in der Denkstruktur vielfach bestimmten lerntheoretischen Vorstellungen ähnlich, was damit zusammenhängen mag, dass die meisten menschlichen Motive aus Lernprozessen hervorgehen. Lerntheoretisch orientierte SPn (z.B. HERKNER) halten insofern motivationstheoretische Ansätze für weitgehend überflüssig; umgekehrt glauben manche Motivationsforscher (z.B. HECKHAUSEN), lerntheoretische
Forschung weit hinter sich gelassen zu haben.
Multidimensionale Skalierung ve des menschlichen Antriebs zu ergründen. Motivkonflikt Zwei oder mehr Motivkomponenten, die im Widerspruch zueinander stehen bzw. in verschiedene Richtungen weisen (Bsp.: Wunsch, zu helfen vs. sich aus der Affare zu ziehen). Solche M. sind insbesondere i.R. von LEWINS Feldpsychologie vektortheoretisch dargestellt worden. Motivschwund Nach HELLPACH ein Verhalten, dessen Motivgrundlage verschwunden ist. Ein solches Verhalten kann als Gewohnheit, Tradition oder Ritualismus aufrechterhalten werden. Denkbar ist auch, dass dieses Verhaltensmuster aufgrund von Commitment beibehalten wird (—• low balling).
Motivationsverlust
Motiwakuum
(I) Allgemein: Abbau der (meist) intrinsischen —> Motivation, etwa durch Einschränkung der Autonomie oder durch korrumpierende Anreize (—• Korrumpierungseffekt).
Für ein Individuum schwer erträglicher Zustand, von seinen eigenen Motiven nichts zu wissen (Horror-vacuiPrinzip). Es werden dann i.d.R. Kulissenmotive „erfunden" oder attribuiert.
(II) Speziell: Mehr oder weniger bewusste Reduzierung der Motivation, im Gruppenzusammenhang sein Bestes zu geben (-• Faulheit, soziale -> RlNGELMANN-Effekt).
Multi-Attribut-Modelle ->• Methoden -* Einstellungsmessung
Motivforschung Unter dieser Bezeichnung firmierte besonders in den 50er Jahren eine meist tiefenpsychologisch orientierte Analyse von Kaufmotiven. Trotz des weitgehend spekulativen Charakters dieser Art von M. ist die Praxis manchmal anfällig für solche Ansätze, weil sie vorgeben, die „wahren" Moti396
Multidimensionale Skalierung Die M. ist ein Verfahren zur räumlichen Darstellung von (Un-)Áhnlichkeiten zwischen verschiedenen Objekten, bezogen auf eine möglichst geringe Anzahl von Dimensionen, die entweder durch die M. selbst erzeugt oder vom Anwender explizit vorgegeben wird. Da vielfach davon ausgegangen wird, dass Pn zur Einordnung von Objekten nur zwei bis drei Kriterien heranziehen, werden auch die Ergebnisse
Multidimensionale Skalierung
der M. überwiegend mit einer derartigen Anzahl an Indikatoren illustriert, wobei - wegen ihrer Anschaulichkeit - ein Schwerpunkt auf der zweidimensionalen Aufbereitung in einem Koordinatensystem liegt. Zur Durchführung einer M. sind lediglich ordinal skalierte Daten erforderlich, was ihren Einsatz - insbesondere bezogen auf die Anforderungen an die Vpn (eine Aussage über eine Präferenz zwischen zwei Objekten ist sicherlich leichter zu treffen, als eine Angabe über das Ausmaß der Verschiedenheit) - natürlich vereinfacht. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Vpn eine Einschätzung der (Un-)Ähnlichkeit abgeben, ohne dass ihnen die Eigenschaften, anhand derer diese Charakterisierung erfolgt, explizit vorgegeben werden müssen. Damit entfallt der - insbesondere in der Einstellungsforschung - vielfach geäußerte Vorwurf, dass Vpn die vom Forscher angeführten Indikatoren zwar während der Erhebung bewerten, einige davon aber in einer realen Klassifikationssituation gar nicht herangezogen werden, was verzerrte Messwerte zur Folge hat (Reaktivität). Dieser Vorteil führt aber wie bei der -> Faktorenanalyse dazu, dass die - den Ergebnisraum aufspannenden- Vektoren vom Forscher interpretiert und adäquat benannt werden müssen. Vorgehen: Ausgangspunkt der M. ist eine Distanzmatrix zwischen den betrachteten Objekten. Diese kann zum einen aus Rating-Daten (Objektbewertung auf einer mehrfach gestuften Skala), zum anderen aus paarweisen Vergleichen der Objekte untereinander gewonnen werden. Die aufgestellte Affinitätsmatrix wird anschließend in
Multivariate Analyseverfahren
einem iterativen Verfahren so optimiert, dass die Objekte in einem möglichst niedrig dimensionierten Raum positioniert werden können, wobei die Rangordnimg ihrer Distanzen im Merkmalsraum dem vorgegebenen (Un-)Ähnlichkeitsarrangement entspricht. Als Gütekriterium für die Platzierung fungiert i.d.R. der sogenannte „Stress-Wert", der die im aktuellen Iterationsschritt vorliegenden Abstände zwischen den Objekten mit den eine perfekte Repräsentation abbildenden - hypothetischen Distanzen in Beziehung setzt. Multiple hinreichende Ursachen Jede festgestellte Ursache reicht für sich allein aus, um in den Augen des Attribuierenden die Wirkung zu erzeugen (disjunktive Verknüpfung). Multiple notwendige Ursachen In den Augen des Betrachters sind mehrere Ursachen notwendig, um eine Wirkung zu erzielen (konjunktive Verknüpfung). Multi-step-flow ->Meinungsfiihrer Multivariate Analyseverfahren Bezeichnung für Auswertungsverfahren erhobener Daten, bei denen unter gleichzeitiger Betrachtung von zwei oder mehr Variablen, Aussagen über Strukturen und/oder Abhängigkeiten der vorliegenden Daten getroffen werden, die dann zu Aussagen über bisher so nicht ersichtliche Zusammenhänge auf dem Untersuchungsgebiet und/ oder zu einer (Nicht-) Bestätigung (Falsifikation) der Untersuchungshypothesen fuhren. Die M. werden i.d.R. in Verfahren der Interdependenz- und Dependenzanaly397
Myopischer Effekt
MUM-Effekt
se aufgeteilt, und haben unterschiedliche Anwendungsvoraussetzungen (z.B. bezüglich des Skalenniveaus der Variablen), die schon bei der Datenerhebung berücksichtigt werden müssen. Unter den Interdependenzanalysen werden Verfahren (z.B. -» Clusteranalyse, -> Faktorenanalyse und -* Multidimensionale Skalierung) subsumiert, bei denen die Prüfung wechselseitiger Beziehungen (Aufdeckung von Strukturen) im Vordergrund steht, ohne dass abhängige und unabhängige Variablen vorgegeben werden müssen. Dies ist bei den Verfahren der Dependenzanalyse (z.B. Conjoint Measurement, -* Diskriminanzanalyse, -* Pfadanalyse, Regressionsanalyse und -* Varianzanalyse) allerdings notwendig: Hier wird explizit davon ausgegangen, dass eine oder mehrere unabhängige Variablen eine oder mehrere abhängige Variablen beeinflussen. Bei der Anwendung von M. ist indessen zu beachten, dass die mathematische Bestätigung oder Widerlegung von Zusammenhängen immer nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für eine Erklärung im kausalen Sinne darstellt und dass alle Ergebnisse einer vorgegebenen Irrtumswahrscheinlichkeit unterliegen.
MUM-Effekt Von „to keep mum", d.h. sich mucksmäuschenstill zu verhalten. Der Überbringer einer angenehmen Nachricht kann sich in dieser „sonnen" (-»basking in reflected glory); ebenso scheut er sich, anderen eine schlechte Nachricht zu überbringen.
398
Myopischer Effekt Individuen neigen dazu, in der Zukunft liegende Handlungskonsequenzen - negativ wie positiv - nur unzureichend in ihrem Verhalten zu berücksichtigen (-> Effektgesetz -* delay of gratification). Der M. ist auch als „Abdiskontierung" sowie als Meliorationsprinzip bekannt. In einer Versuchsanordnung von HERRNSTEIN werden Vpn gebeten, zwischen zwei Alternativen zu wählen: 100 $ sofort oder 115 $ in der nächsten Woche. Viele Vpn wählten hier die erstgenannte Option. In einem zweiten Experiment bestand die erste Alternative darin, 100 $ nach 52 Wochen ausgezahlt zu bekommen, die zweite darin, nach 53 Wochen 115 $ ausgezahlt zu bekommen. Hierbei wurde die zweite Alternative bevorzugt. Dies ist ein Verhalten, das eindeutig der ökonomischen Theorie widerspricht, da diese von intersubjektiv konstanten Abdiskontierungen zukünftiger Ereignisse ausgeht. Der M. dient u.a. zur Erklärung mancher Formen abweichenden Verhaltens (z.B. Kriminalität, Drogenkonsum, Fehlernährung), da gegenwärtig verfugbare Belohnungen von den möglicherweise negativen Folgen in der Zukunft ablenken. Zum anderen sind in der Zukunft liegende Belohnungen zeitlich weit entfernt und haben nicht die Ausstrahlungskraft sofort verfügbarer Gratifikationen. Dies ist z.B. ein retardierender Faktor für Spar- und Vorsorgeaktivitäten.
Nachahmung
Nähe, psychische N
Nachahmung -* Imitation -* Modell-Lernen
Nach-Effekt Wenn Pn persuasiven Einflüssen (z.B. Furchtappelle gegen das Rauchen oder Schulungen für einen effizienteren —> Führungsstil) unterliegen, so kommt es häufig nur zu vorübergehenden Verhaltens- oder Einstellungsänderungen. N. bedeutet, dass das neue Verhaltensmuster aufrecht erhalten bleibt.
Nachentscheidungsphase (I)Nach Vorstellungen der volitionalen Motivationstheorien eine Phase, die auf den eigentlichen Entscheidungsvorgang folgt und durch die Umsetzung der getroffenen Entscheidung in faktisches Handeln bestimmt ist (-» Motivation Volition). (II) Gemäß den Aussagen der Dissonanztheorie tritt nach erfolgter Entscheidimg kognitive Dissonanz auf. In einer ersten Phase wird diese nicht reduziert, sondern wirkt als RegretEffekt-, erst in einer zweiten Phase treten Mechanismen der Dissonanzreduktion auf. Dies hat zur Folge, dass nach einer Entscheidimg die Alternativen umgewertet werden und dass diese Umwertung bei ähnlich beurteilten Alternativen stärker ausfallen wird als bei ungleich bewerteten.
Nachhaltigkeit Wertvorstellung mit politisch-ökologischer Bedeutung: Die Wirtschaftsund Lebensweise solle einen gerechten Interessenausgleich schaffen und dabei mit den natürlichen Ressourcen
so umgehen, dass der Nutzen künftiger Generationen einbezogen wird. Auch diese sollen eine Chance haben, eine gewisse Lebensqualität beizubehalten. Sp Anknüpfungspunkte sind hier insbesondere Überlegungen, wie zentrale Einstellungsmuster (z.B. Umweltbewusstsein, prosoziale Einstellungen) geändert und stabilisiert werden können (—• Einstellungsänderungen —• Dilemma, soziales -* prosoziales Verhalten).
Nähe, physische Ist i.S. der -* Balancetheorie eine ->• Einheitsrelation (z.B. Nachbarschaft, ein neuer Kollege in der Arbeitsgruppe). N. fuhrt zu häufigen Kontakten. Fehlende N. (bzw. große soziale -*• Distanz) belastet bestehende Interaktionen als Kostenfaktor, zumindest wenn dies ein dauerhafter Zustand wird. Zu große N. - zumal wenn sie nicht freiwillig aufgesucht w i r d kann zu —• Crowding-Effekten (-> Stress) führen.
Nähe, psychische -»• Sympathie -*• Intimität N. ist das Ergebnis häufig enger sozialer Beziehungen, die durch Selbstöffnung, Verstehen, Unterstützung und gegenseitige positive Emotionen gekennzeichnet sind. CHELONE et al. umschreiben eine nahe Beziehung mit folgenden Aspekten: Wissen um das „Innerste" des Anderen, Gegenseitigkeit, -* Vertrauen, Interdependenz, Commitment und gegenseitige Fürsorge (-> altruistische Transformation). Auslöser der N. sind 399
Naive Psychologie
Merkmale der Pn, der Interaktion (soziale -* Beziehungen) sowie der Situation (z.B. räumliche Nähe, Kooperation). In Experimenten zur -»• Selbstwerterhaltung wird N. u.a. erhoben als Wunsch nach einer Zusammenarbeit sowie als Ähnlichkeit der Einstellungen.
Naive Psychologie Auch naive Verhaltenstheorie oder Alltagspsychologie. Dieser Terminus bezeichnet Konzepte (Hypothesen oder „Theorien") von Laien, also die Minitheorien, die der Mensch verwendet, um eigenes und fremdes Handeln zu erklären und vorauszusagen (-* Theorien, subjektive). Ein solches Paradigma, das den Menschen gleichsam als naiven Wissenschaftler ansieht, ist insbesondere von HEIDER begründet und später im Rahmen der Attributionstheorie weiter verfolgt worden. Im Vordergrund steht dabei insbesondere die „naive Kausalanalyse" (-> Attribution Attributionstheorien). Naive Theorie -> Theorie, subjektive Need for Cognition Bedürfnis nach korrekter Einschätzung (-» Validierung -*• Einstellungsänderung Invaliditätsangst). Neben anderen Motiven ist N. ein Auslöser fur elaborierte —• Informationsverarbeitung (-* ELM).
Negativitätstendenz Negative Merkmale (Eigenschaften oder Verhaltensweisen) beeinflussen die Bewertung einer P in stärkerem 400
Neid
Maße als positive (KANOUSE & HANSON). Da die menschliche Wahrnehmung im Allgemeinen auf Harmonie und Konsistenz ausgerichtet ist (-> Positivitätsprinzip), wirken negative Aspekte besonders auffallig und störend; sie werden daher stärker gewichtet. Auch dürften negative Handlungen aufschlussreicher sein, da sie eindeutigere Schlüsse auf Dispositionen zulassen. SKOWRONSKI & CARLSTON b e h a u p t e n
in ihrer Diagnostizitäts-Hypothese (-* Diagnostizität), dass die N. nur dann auftritt, wenn negative Informationen aussagekräftiger sind als positive. Eine noch allgemeinere Aussage lässt sich evolutionstheoretisch begründen: Negative Aspekte der Umwelt können potenzielle Bedrohungen darstellen. Daher sei es von evolutionärem Vorteil, die Aufmerksamkeit besonders auf jene Informationen zu richten, die negative Konsequenzen signalisieren.
Negative-state-relief Während die Empathie-AltruismusHypothese des Hilfeverhaltens primär am Wohlergehen des Hilfebedürftigen orientiert ist, geht das Konzept des N. davon aus, dass das Leiden des Opfers aversive Gefühle (z.B. Traurigkeit) beim Beobachter auslöst. Wesentliches Motiv der Hilfeleistung ist die Überwindimg dieser negativen Stimmung, sofern ein solches Verhalten für die Stimmungsverbesserung als instrumentell angesehen wird. Neid Nach HAUBEL ein abgeleitetes Gefühl, möglicherweise ein Kompositum aus Traurigkeit (man ist traurig, weil man
Netzwerk, soziales
Neo-Assoziationismus, kognitiver
etwas nicht besitzt), Angst (man ist ängstlich, weil man sich zurückgesetzt und als Versager fühlt) und Wut (man ist zornig auf den, der das begehrte Gut besitzt). N. wird von einigen Soziologen bzw. Psychologen als entscheidendes Agens sozialen Handelns angesehen. In dieser Sicht fungiert N. als monothematisches Motivationskonzept. Nach der N.-Theorie von WHITING identifiziert man sich in besonderer Weise mit Pn, die man um das Ausmaß an Zuwendung und Erfolg beneidet. Starke N.-Gefuhle können in relative soziale -* Deprivation umschlagen, wenn P Ansprüche anmeldet. Auch der Beneidete kann motivationale Strategien entwickeln, um beneidet zu werden. Der N. anderer fungiert dann für den Akteur als Belohnungsreiz (z.B. ostentative Verschwendung, Prestige-Konsum).
Neo-Assoziationismus, kognitiver Ansatz von
ANDERSON
und
BERKO-
WITZ als Modifikation der teilweise
unhaltbaren —• Frustrations-Aggressions-Hypothese zur Erklärung von -* Aggression. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass jede Form aversiver Erfahrung einen negativen Affekt hervorruft, der assoziativ mit —• Ärger verbunden ist. Der Ansatz postuliert ferner keine Sequenz von Frustration über Ärger hin zur Aggression, sondern das parallele Auftreten von Ärger und der Bereitschaft zu aggressivem Handeln. Netzwerk, semantisches (-+ Sprache)
Inhalten von Kategorien ab, sondern auch von den Verbindungen zwischen ihnen. Ein N., in dem viele Kategorien miteinander verknüpft sind, basiert im Wesentlichen auf semantischer Ähnlichkeit, in dem die Begriffe als Knoten repräsentiert sind, wobei die Distanz zwischen den Knoten ihre Unähnlichkeit angibt. Der Begriff „Ingenieur" könnte daher folgende Assoziationen anregen: männlich, amusisch, humorlos, praktisch, verlässlich usw. Der Begriff „Feministin" vermag folgende damit zusammenhängende Kategorien zu erfassen: Lesbierin, Aktivistin, humorlos, aggressiv.
Netzwerk, soziales Differenzierungskonstellation von zwischenmenschlichen Beziehungen in einer sozialen Struktur. Dieser Begriff zielt vor allem auf den Umstand, dass Sachverhalte des Mikrobereichs (z.B. soziale Interaktionen) über Zusammenhänge der -> Reziprozität und —> Komplementarität miteinander vernetzt sind und insofern „Systeme" bilden. N. beziehen sich dabei eher auf informelle Strukturen, d.h. auf nichtinstitutionalisierte Sozialbeziehungen (-> schwache Verbindungen). Der Begriff hatte früher eher metaphorische Bedeutung und wird neuerdings vor allem in der Soziologie methodologisch und theoretisch anspruchsvoller verwendet. Ein Hauptanwendungsfall der N.-Forschung liegt im Bereich der sozialen Kommunikation. Auch sind etliche N. erst durch neuere Informationstechniken entstanden (Internet, -* Kommunikation, computervermittelte).
Die Wirkung gespeicherten Wissens hängt nicht allein von den jeweiligen 401
Neugier
Non-verbale Kommunikation
Neugier
Neutralisierungstechniken
Die Befriedigung von N. sowie der Informationswert eines Reizes zählt (nach HARLOW und BERLYNE) ZU den primären Verstärkern. N. spielt auch im Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach -* Validierung eine Rolle. Evolutionsbiologisch ist ein gewisses Maß an N. für den Organismus günstig i.S. der Förderung von Lernprozessen und für die Erschließung neuer Belohnungen sowie Informationen über mögliche Gefahren. Zu stark ausgeprägte N. kann jedoch auch dysfunktional wirken, indem das Individuum sich unnötigen Gefahren aussetzt.
SYKES & MATZA sowie BANDURA analysieren Rechtfertigungsstrategien, die kollektive Aggressionen als legitimes Mittel des Vorgehens ansehen (z.B. Handlungen im Dienste höherer Werte, Abschieben von -> Verantwortlichkeit, De-Humanisierung der Opfer). Das Konzept der Neutralisierung dürfte aus der -* Dissonanztheorie ableitbar sein.
Neuheit
Innovation
Neuigkeit N. gehört zu den sog. —• kollativen Variablen
i.S. von BERLYNE. Die N. re-
sultiert aus einem Vergleichsprozess, der zu mehr oder weniger ausgeprägten Inkongruenzen mit dem Vertrauten (-> Vertrautheit —• Mere exposure-Effekt), Bewährten oder Erwarteten fuhren kann und das Anregungspotential erhöht. Neurolinguistische Programmierung (NLP) Meta-Modell personaler Kommunikation. Die N. thematisiert das Modellieren menschlichen Verhaltens auf der Basis neurologischer Erkenntnisse, die Verhaltensmuster als Ergebnis nervlicher Prozesse ansehen. Über die -»Sprache werden diese Vorgänge in Modellen dargestellt, die den Erkenntnissen der Computerwissenschaften entsprechen.
402
Nominalgruppe Pn-Mehrheit, die nicht miteinander interagiert. Um den Gruppenvorteil (-• Gruppenproduktivität) zu ermitteln, vergleicht man in der N. addierte Einzelleistungen. Die sog. N.-Methode (NGT) beinhaltet einen zweistufigen Prozess: Individuen arbeiten zunächst allein in einer Generierungsphase, werden dann aber kollektiv einer Bewertungsphase (z.B. beim -* Brainstorming) ausgesetzt. Nonkonformismus -* Konformität Non-reaktive Verfahren Mess- und Untersuchungsverfahren, die nicht durch den Untersuchenden (Interviewer, Versuchsleiter), die Untersuchungssituation oder den Untersuchten selbst verfälscht werden können (naturalistische Methode, biotische Situation). Dazu gehören: verdeckte Beobachtung, Inhaltsanalyse, Technik der physischen Spuren, lostletter-technique etc. Non-verbale Kommunikation —• Kommunikation, non-verbale
Norm-Aktivierung
Norm-Aktivierung (I) Normen sind oftmals latent und werden erst in besonderen Situationen manifest. Ein Beispiel ist die Aktivierung des Gefühls der Verantwortung im Hinblick auf ein Hilfeverhalten angesichts der Tatsache, dass niemand sonst helfen könnte. Auch können Normen dadurch aktiviert werden, dass man sich vorstellt, selbst in der Vergangenheit Hilfe erhalten zu haben oder in der Zukunft zu benötigen. SCHWARTZ & HOWARD haben ein Phasenmodell der N. entwickelt, das auf folgenden Schritten beruht: (a) Aufmerksamkeitszuwendung, Erkennen der Hilfsbedürftigkeit, Einschätzung der eigenen Interventionsmöglichkeiten; (b) Prosoziale Motivation: Im Ausmaß des sozialen Verantwortungsgefühls (-> Verantwortung) und der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten (-> Effizienz-Erwartungen) kommt es zur Handlungsbereitschaft; (c) Antizipatorische Bewertung von Konsequenzen in Form einer Abwägung von Kosten für Hilfe und für Nicht-Hilfe; (d) Abwehrprozesse: Ist das Kostenkalkül negativ, versucht man die Verantwortung u.U. abzuwälzen oder die Notlage neu zu interpretieren; (e) Hilfeleistung: Sofern das Kostenkalkül günstig ausfallt, wird P Hilfe leisten. Unklar an diesem Modell ist das Zusammenwirken von Kostenüberlegungen und Normen. Bei sehr stark internalisierten Normen und gesteigerter Salienz der Situation könnte die N.
Normatives Paradigma
primär sein und Kostenüberlegungen in den Hintergrund treten lassen. (II) Während der Begriff der N. durch das Modell von SCHWARTZ & HOWARD vorwiegend im Kontext des Hil-
feverhaltens verwendet wird, könnte man sich auch eine Ausweitung der Perspektive vorstellen, die nicht auf die Norm der Verantwortung beschränkt ist. Eine umfassendere Theorie der N. wäre dann generell auf normabweichendes Verhalten zu beziehen und hätte Situationen zum Gegenstand, die zur N. beitragen und insofern konformes Verhalten (-* Konformität) auch in solchen Fällen erzeugen, in denen abweichendes Verhalten einträglicher wäre. Normative Aussagen Aussagentyp, mit dem eine Wertung verbunden ist (insbesondere präskriptive, d.h. vorschreibende Aussagen vom Typ: „Du sollst..." „Du darfst nicht..."). Während N. im Erklärungszusammenhang im Allgemeinen nicht zugelassen sind, werden vor allem im angewandten Bereich solche Aussagen häufig formuliert (z.B. i.R. der -» Humanistischen Psychologie). Auch sind viele Aussagen semi-normativ, z.B. auf dem Gebiet der Organisationspsychologie oder der Führungspsychologie, bei denen es vorwiegend darum geht, Bedingungen der Effizienz zu studieren. Normative Erwartungen Erwartungen, normative -* Norm, soziale Normatives Paradigma -»• Interprétatives Paradigma Rolle, soziale 403
Norm enhancement
Norm enhancement Nach TAJFEL versorgen sich die Mitglieder einer Gruppe im Zustand der De-Individuierung und der kollektiven -» Aggression mit Informationen, die die Angemessenheit und Legitimität bestimmter Verhaltensweisen belegen (-> Emergent norm —• Neutralisierungstechnikeri). Auf diese Weise werden diese Handlungen normativ abgestützt.
Normkonflikt Situation, in der zwei oder mehrere einander widersprechende soziale —• Normen Verbindlichkeitscharakter haben. Da der Mensch Mitglied mehrerer -> Bezugsgruppen ist, die z.T. widersprüchliche normative -* Erwartungen hegen, sind N. Bestandteil des Alltagsgeschehens. Ein spezieller Fall des N. ist der -»• Rollenkonflikt, bei dem widersprüchliche Erwartungen qua Position bestehen und von unterschiedlichen Rollensendern geäußert werden. Mögliches Konfliktpotential bietet auch die sog. pluralistische Gesellschaft, in der mehrere Wert- und Normwelten koexistieren. Insbesondere in multikulturellen Sozialsystemen sind N. vorprogrammiert (z.B. religiöse Konflikte, Loyalitätskonflikte, Geschlechtsrollenverständnis). Eine spezifische Konfliktsituation betrifft auch den -» Minoritätseinfluss, und zwar in dem Bestreben, irgendwelche -* Innovationen durchzusetzen.
Norm, soziale (1)N. bezeichnet eine Regel oder Richtschnur für das Verhalten der Mitglieder einer Gesellschaft oder Gruppe, die den „richtigen" (d.h. sozial angemessenen bzw. erwünschten 404
Norm, soziale
bzw. vorgeschriebenen) Weg zur Zielerreichung markiert, dessen Einhaltung von den anderen Gruppenbzw. Gesellschaftsmitgliedern erwartet und im Falle der Nichterfüllung sanktioniert wird. Soziologen betonen den „objektiven" Charakter von N. Zwar würden N. durch soziales Handeln geschaffen, doch wirken sie rückkoppelnd auf soziales Handeln ein. Psychologen sind dagegen eher an der kognitiven Repräsentation von N. interessiert. Diese besteht einmal in einem mehr oder weniger ausgeprägten N.-Bewusstsein (normative beliefs). Zum anderen gehen N. in die Erwartungsstruktur der N.-Sender ein und bilden dort normative —• Erwartungen. (2) Unterscheidungen: N. können zunächst nach ihrem Institutionalisierungs- und Formalisierungsgrad differenziert werden (hoch z.B. bei Rechts-N., eher niedrig bei informellen Regeln des Zusammenlebens). Nach dem Geltungsbereich bzw. nach ihrer Reichweite kann zwischen Gruppen-N. und gesellschaftlichen N. unterschieden werden (vgl. auch die Unterscheidung zwischen partikularistischen und universalistischen N.). Unter ähnlichem Gesichtspunkt wird auch zwischen privaten und öffentlichen N. getrennt (erstere spielen sich erst in Interaktionsbeziehungen ein, sind gewissermaßen „Gestaltungs-N.", letztere haben dagegen bindenden Charakter und öffentliche Geltung). Zentral ist auch die Abstufung von N. nach ihrer Sanktionsladung: sog. Muss-, Soll- und Kann-N. Jede Gruppe oder Gesellschaft versucht, zentrale Werte normativ abzusichern und mit -* Sanktionen zu be-
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legen. Hierbei wird auch zwischen Geboten und Verboten unterschieden. Nach ihrer Entstehung kann zwischen Orientierungs-N. (zur Klärung einer unsicheren Situation), Herrschafts-N. (zur Absicherung von Herrschaftsansprüchen und -interessen) sowie instrumentellen N. (die aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Organisierbarkeit notwendig sind, z.B. Verkehrsregeln) differenziert werden. In recht spezifischem Sinn wird im Rahmen der Theorien des -* überlegten Verhaltens bzw. des geplanten Verhaltens von „subjektiver Norm" gesprochen: Sie ist einer der zwei bzw. drei Bestimmungsfaktoren von Verhaltensabsichten und enthält das Produkt aus der Überzeugung, dass eine für das Individuum bedeutsame andere P der Meinung ist, sie solle das Verhalten ausfuhren, sowie der Bereitschaft, dem Wunsch dieser P nachzukommen (motivation to comply -»• Konformität). Die wichtigste Unterscheidung ist die zwischen äußeren und verinnerlichten Normen, wobei es sich empfiehlt, -* Internalisierung als variaten Begriff einzuführen. Lernpsychologische Mechanismen sorgen im Laufe des Sozialisationsprozesses dafür, dass zentrale N. mehr oder weniger effizient internalisiert werden (-»Lernen) und dass eine Bindung an N. durch kognitive Prozesse (z.B. —• Attribution —• Commitment) verstärkt wird. Die Internalisierung von N. entbindet das Sozialsystem von der Notwendigkeit ständiger externer sozialer Sanktionsandrohung; P sanktioniert sich selbst. Pn mit starker N.-Bindung handeln auch
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dann nach N., wenn das Verhaltenskalkül (z.B. im Sinne des Wert-Erwartungs-Konzepts) normabweichendes Verhalten als „günstiger" ausweisen müsste (Prinzip der „Unbedingtheit von N."). Soziale Handlungen sind in den meisten Fällen normativ durchsetzt. Allerdings haben einige zentrale N.Komplexe die besondere Aufmerksamkeit der SP erfahren: z.B. die N. der ->• Reziprozität, nach der (im Schlechten wie im Guten) Gleiches mit Gleichem vergolten werden muss; oder die Equity-Theorie, wonach jeder proportional zu seinem Einsatz bzw. seiner Leistung belohnt werden sollte; oder die N. der Verantwortlichkeit, die insbesondere beim Hilfeverhalten aktiviert wird. (3) Entstehung von N.: Die Frage nach ihrem Ursprung wird von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich beantwortet. Nach der Meinung einiger Kulturanthropologen sind N. und Institutionen das Kompensat eines Mangels an Instinktsteuerung. Für manche Ökonomen (sowie Soziologen, die der Konzeption des -* Rational-Choice nahe stehen) lassen sich N. aus der Theorie der Eigentumsrechte ableiten. Soziologen der strukturfunktionalistischen Schule betonen die Funktionalität von N. (z.B. ihre Orientierungs-, Selektions-, Stabilisierungs-, Koordinations- und Prognosefunktion) und erklären das Entstehen „zweckmäßiger" Ordnungsregeln durch eine Art Ausleseprinzip: Solche Regelungsformen haben die größere Chance, sich durchzusetzen, die besonders
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leistungsfähig für die Erhaltung des Gesamtsystems sind. Innerhalb der SP wird in diesem Zusammenhang auf einschlägige Konformitätsexperimente zurückgegriffen, wie sie etwa SHERIF mit seinen Versuchen zum autokinetischen Phänomen (-> Exp. 25) dokumentiert hat. Er konnte zeigen, dass Menschen ein Bedürfnis nach Ordnung und Übereinstimmimg haben, so dass sie sich deshalb in unsicheren Situationen der Gruppenmeinung anschließen und insofern zur Konvergenz der Urteile neigen. SHERIF sieht hierin ein Grundmodell der Entstehung von N.; allerdings lässt sich zeigen, dass die Tendenz zur Konvergenz und zur Unifikation der Urteile allenfalls die Entstehung gewisser Orientierungs-N. erklären kann, die ohne Sanktionsdruck auf Grund des hier unterstellten Bedürfnisses nach Validierung der Umwelt zustande kommen. Es scheint, dass die verschiedenen Ansätze zur Theorie der N.-Entstehung jeweils unterschiedliche N.-Typen erklären können. So mögen z.B. utilitaristische Ansätze den Ursprung instrumenteller N. (z.B. Verkehrsregeln) angemessen erfassen. Das sp Modell ist primär auf Ordnungs- und Validierungs-N. in unsicheren bzw. undurchschaubaren Situationen zugeschnitten. Sog. Gestaltungs-N., die sich in Interaktionsprozessen einspielen, können am ehesten durch Ansätze erklärt werden, die im Rahmen des -* Symbolischen Interaktionismus entwickelt wurden. Andere N. wiederum beruhen auf Herrschaft (sog. Herrschafts-N.) und werden durch Machtprozesse (-» Macht, so406
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ziale) durchgesetzt. Pn, die über entsprechende Ressourcen verfügen, haben zugleich in bestimmtem Umfang die Definitionsmacht zur N.-Setzung und zur N.-Anwendung. N. sind in unterschiedlichem Maße auch von Machtinteressen imprägniert. Vielfach handelt es sich jedoch um „geronnenes" Machtinteresse, denn die „ H e r r s c h e n d e n " Von heute sind nicht die von gestern und morgen, und N. entfalten ein gewisses Eigenleben, verlaufen daher mit den jeweiligen Interessenlagen nicht immer parallel. Neben diesen Fragen der N.-Entstehung und der N.-Setzung sind Aspekte der N.-Anwendung relevant. Insbesondere bei normativer Labilität entstehen Spielräume für variable N.-Anwendung (z.B. Selektionsprozesse bei der Beurteilung bzw. Verurteilung —• abweichenden Verhaltens), deren Ausfüllung wiederum eine Frage der Interessen- und Machtkonstellation sein dürfte. (4)N. in unterschiedlichem sozialen Kontext: N. betreffen zunächst den Mikrobereich dyadischer -* Beziehungen, die zwar in allgemeine N. eingebettet sind, jedoch durchaus einen einzigartigen und privaten Charakter annehmen können. Auch wird das Verhalten von Individuen durch den Gruppenkontext geprägt. Je kohäsiver eine Gruppe ist, desto rigider werden N. Aus der Sicht des Individuums ist der normative Einfluss einer Gruppe umso höher, je stärker die Abhängigkeit von dieser Gruppe ist und/oder je attraktiver die Gruppe für das Individuum ist (-• Bezugsgruppe Gruppe, soziale -* Gruppenprozesse). Gruppen artikulieren ihre N. im Allgemeinen schärfer und
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konkreter als größere Sozialsysteme. Auch ist das Ausmaß der sozialen Kontrolle in überschaubaren Gruppen höher. Im Meso-Bereich (z.B. im Rahmen von Organisationen) werden N. bisweilen rigide gehandhabt, selbst wenn sie nicht kodifiziert sind (-• Organisationskultur). Die Beachtung von N. bietet Distinktheit gegenüber Fremdgruppen und trägt damit zur Aufrechterhaltung sozialer -* Identität bei. Manche N. befinden sich im Zustand der Latenz und werden lediglich situational aktiviert (-* Norm-Aktivierung), z.B. die N. sozialer -+ Verantwortung im Rahmen -»• prosozialen Verhaltens. Wiederum andere N. entstehen in Situationen, die man auf den ersten Blick als anomisch empfindet. So ist z.B. in Konstellationen des Kollektivverhaltens und der De-Individuation keineswegs anzunehmen, dass normative Standards verloren gehen und Individuen völlig enthemmt handeln. Wie KILLIAN & TURNER in ihrer Emergentnorm-Theorie betonen, entstehen angesichts de-individuierender Situationen neue N., die allerdings meist nur vorübergehend aufrechterhalten werden (~>Emergent norm). Diese N. (-> Norm enhancement) sind dann mit —• Neutralisierungstechniken verbunden, die kollektive Aggressionen (z.B. Plünderungen, Vergewaltigungen) rechtfertigen (z.B. mit dem Hinweis, die Opfer hätten dies nicht anders verdient). Der Zustand der kollektiven Aggression kann auch die „heiße" Phase transzendieren und geplante Aktionen einleiten (z.B. ethnische „Säuberungen").
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(5) Wirkungen von N.: FORSYTH unterscheidet zwischen interpersonell bedingten und personalen Wirkungen, wobei die ersteren die besonderen Merkmale der N. (normative Struktur) abbilden, während die letztgenannten die Neigung des Menschen, bestimmte N. zu befolgen (motivation to comply) repräsentieren. So dürften u.a. die folgenden Merkmale von N. über das Ausmaß bestimmen, in dem N. verhaltenswirksam werden: (a) der Grad der Legitimität der N.; (b) die Härte und Wirksamkeit von Sanktionen; (c) die Funktionalität und Instrumentalität der N., (d) die Stabilität und Eindeutigkeit derN. Auf der Ebene des Individuums dürften u.a. die folgenden Merkmale von P die Aufnahmebereitschaft von N. im Hinblick auf das faktische Verhalten bestimmen: (a) der Grad der Internalisierung der N.(+); (b) das Ausmaß, in dem die Befolgung der N. eigenen Interessen entspricht (+); (c) das Bewusstsein im Hinblick auf die Existenz der N. (+); (d) die Erwartung, dass Sanktionen auftreten (Sanktionswahrscheinlichkeit) (+); (e) die Möglichkeiten, ein Verhalten gegen soziale Sichtbarkeit abzuschotten (-); (f) die Höhe der Belohnung durch -* abweichendes Verhalten (-). Die Thematik der N. ist eng mit der Problematik sozialer Konformität verknüpft. Denn die Konformitätsforschung befasst sich - h i e r allerdings 407
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vorzugsweise im Gruppenkontext mit der Frage, unter welchen Bedingungen Individuen dem normativen Einfluss (z.B. in Situationen des Gruppendrucks) unterliegen. Aus dieser Forschungstradition ist im Übrigen die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Konformität bekannt. Unter äußerer Konformität versteht man entweder Gehorsam oder Anpassung („compliance"), während innere Konformität auf echte Akzeptanz, Identifikation oder Verinnerlichung beruht. Bemerkenswert ist hierbei, dass N.Verstöße meist negative Sanktionen nach sich ziehen - je nach Bedeutung der N., Ausmaß der Abweichung und sozialer Sichtbarkeit-, dass aber für normgerechtes Verhalten oftmals keine positiven Sanktionen bereitstehen. Konformes Verhalten kann dennoch aufrechterhalten werden, weil Individuen einen erheblichen Anteil der N. internalisiert haben und deshalb keiner externen Anreize bedürfen. Auch werden äußere Anreize für abweichendes Verhalten durch N. absorbiert; N. bilden gewissermaßen einen Filter für verbleibende Handlungsoptionen. Dies erklärt, warum Menschen auch dann nicht gegen bestimmte N. verstoßen, wenn sie Gelegenheit zu abweichendem Verhalten hätten (z.B. zu stehlen) und wenn der dadurch erzielbare Gewinn hoch wäre (z.B. ein Testament zu falschen). L i t . : ELSTER, J. ( 1 9 8 9 ) . T h e c e m e n t o f So-
ciety: A study of social order. Cambridge. FORSYTH, D.J. (1990). Group dynamics. Pacific Grove/CA. MILGRAM, S. (1992). The
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social norms and Standards. In: Higgins, E.T. & Kruglanski, A.W. (eds.) Social Psychology. Handbook of basic principles. New York, 408
Nutzen L o n d o n , 7 9 9 - 8 2 9 . OPP, K . - D . ( 1 9 8 3 ) . D i e
Entstehung
sozialer Normen.
Tübingen.
SHERIF, M . ( 1 9 3 6 ) . T h e p s y c h o l o g y o f s o -
cial norms. New York. WISWEDE, G. (31998). Soziologie. Ein Lehrbuch für den wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bereich. Landsberg.
Norm, statistische Der häufigste oder der durchschnittliche Wert eines Merkmals in einer Population (statistisch-deskriptiver Normbegriff), z.B. bei der Normierung von Testverfahren. Da die N. das arithmetische Mittel oder der Modus ist, wird sie häufig mit „Normalität" gleichgesetzt (z.B. GAUß'sche Normalverteilung). Notlage ->• Hilfeverhalten
N-Personen-Gefangenendilemma —• Gefangenendilemma, das auf Situationen verallgemeinert wird, an denen mehrere oder viele Pn teilnehmen
Nullsummen-Spiel Spiel, bei dem die Summe der Gewinne bzw. Verluste der Spieler Null ergibt. Dies bedeutet, dass alle Gewinne von Pi zu Lasten von P2 gehen (—• Spiele, experimentelle).
Nutzen N. wird auch im Rahmen der psychologischen -+ Entscheidungstheorie in Fortfuhrung und Weiterentwicklung der ökonomischen Tradition in einer sehr abstrakten Form als Zielsetzung des Handelns angesehen. Ökonomen verwenden das N.-Prinzip häufig zur Formulierung formal-logischer und/ oder normativer Aussagen: Ein bestimmtes Ziel - h i e r Nutzenmaximierung - solle mit gegebenen Mitteln erreicht werden. Sofern man dem Nut-
Nutzen
zenprinzip darüber hinaus eine realwissenschaftliche, deskriptive Bedeutung zuerkennt, bietet das ökonomische N.-Konzept nur eine stark abstrahierte, weitgehend inhaltsleere Variante aus dem Bereich utilitaristischer Erklärungsmodelle. In seiner allgemeinen Form heißt das N.-Gesetz: Von zwei Alternativen wird im Rahmen gegebener Beschränkungen stets diejenige gewählt, die den größeren (subjektiven) Nutzen aufweist. Als Spezifizierung gelten die sog. GOSSEN'schen Gesetze, wonach der Grenznutzen eines Gutes mit zunehmendem Konsum dieses Gutes abnimmt. Psychologisch lässt sich jedoch zeigen, dass die hier angenommenen Sättigungsgesetze allenfalls für physische Bedürfnisse (z.B. Hunger, Schlaf) gelten, dass jedoch „höhere" Bedürfnisse (z.B. nach Leistung, nach Anerkennung, nach Macht) nicht den Prinzipien der Restitution folgen, sondern dass diese unter bestimmten Umständen sogar expansiv sind. Psychologische Nutzentheorien wurden v.a. in der Tradition der verschiedenen -* Entscheidungstheorien sowie der Wert-Erwartungs-Theorien formuliert und sind in unterschiedlicher Weise motivationstheoretisch oder lerntheoretisch verankert. Psychologische N.-Theorien beziehen sich ausschließlich auf den subjektiven Nutzen; auch sind sie stärker an nicht-monetären Gütern (z.B. Abwechslung, Anregung) orientiert. Sowohl in der ökonomischen Nutzentheorie wie auch in den modernen psychologischen Varianten der Entscheidungstheorie wird nun gefordert, dass der Gesamtnutzen einer Handlungsalternative die Summe der Nutzenwerte der einzelnen (unsi-
Nutzen
cheren) Konsequenzen darstellt (Additivität der Nutzenfunktion) und dass der Nutzenwert einer einzelnen unsicheren Konsequenz dem Produkt des subjektiven Wertes dieser Konsequenz und der subjektiven Wahrscheinlichkeit des Eintretens entspricht (multiplikative Verknüpfung von subjektiven Werten und Wahrscheinlichkeiten). Dabei entstehen zahlreiche Grundprobleme: (a) Das Problem der Entscheidung zwischen Gegenständen, die auf mehreren Dimensionen unterschiedlichen N. besitzen, führte zu Konzepten einer multiattributiven N.-Theorie; (b) Das Problem, dass der N. nicht konstant bleibt, sondern auch bei Entscheidungen unter Sicherheit bisweilen fluktuiert, führte zur Formulierung probabilistischer N.Theorien; (c) Das Problem, dass Menschen sich zwar meistens, jedoch nicht immer für die beste Alternative entscheiden, sondern Wahlwahrscheinlichkeiten anstreben, führte zu Entscheidungstheorien, die zu HERRNSTEINS Gesetz vom relativen Effekt analog sind (-» Effektgesetz); (d) Das Problem der Labilität von Präferenzen besteht darin, dass Wahlentscheidungen in einen unterschiedlichen situativen Kontext eingespannt sind. Einer der wichtigsten Gründe für die fehlende oder unterbrochene Konstanz von Präferenzen ist nämlich darin zu sehen, dass Verhaltensweisen fast immer mit bestimmten Situationen gekoppelt sind, in denen die ge409
Nutzen
wünschten positiven Konsequenzen auftreten; (e) Die rigide Vorstellung einer Nutzenmaximierung ist v.a. auch in der Ökonomie abgelöst worden von einer satisficing-Strategie: Ein ausreichender oder zufriedenstellender Gewinn (Nutzen) wird angestrebt; (f) Das Problem der Messung des N. auf einem möglichst hohen Skalenniveau. Die Forderung nach einer kardinalen N.-Messung hat zur Voraussetzung, dass über die Rangunterschiede zwischen den verschiedenen N. (ordinale N.Messung) auch die Bestimmung des metrischen Abstands zwischen zwei Nutzengrößen möglich sei. Darüber besteht eine ausgedehnte Diskussion. Ein Vorschlag zur messtechnischen Bewältigung ist das Modell von NEUMANN & MORGENSTERN, das jedoch nur in bestimmten Situationen angewendet werden kann;
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Nutzungsansatz
(g) Der i.S. der Sättigungsannahme unterstellte konkave Verlauf der N.-Funktion wird überlagert durch die Tatsache, dass Menschen Gewinn und Verlust nicht absolut, sondern als Abweichung von einem Referenzpunkt einschätzen. Wie die -* Prospect theory nachweist, verhalten sich Individuen im Gewinnbereich risikoavers, im Verlustbereich jedoch riskant. Die genannten Einschränkungen lassen es als ungewiss erscheinen, ob auf der Basis weitgehend inhaltsleerer N.Konzepte eine fruchtbare Weiterentwicklung der deskriptiven Entscheidungstheorie möglich ist. Lit.: -» Entscheidungstheorie wartungs- Theorien
Nutzentheorie
Wert-Er-
Nutzen
Nutzungsansatz Mediennutzung -* Gratifikationsforschung
Ökologische Psychologie
Objekt-Ebene
O Objekt-Ebene Aussagen betreffen entweder die O. (Gegenstandsbereich) oder die MetaEbene (die Reflexion über den Gegenstandsbereich). Beispiel für O.: Pi redet an P2 vorbei. Beispiel für die Meta-Ebene: Was kann man tun, um zu verhindern, dass Pi an P2 vorbei redet? (Meta-Kommunikation). Objektive Selbstaufmerksamkeit -*•Selbstaufmerksamkeit, objektive Objektivität Grundforderung an die wissenschaftliche Forschimg. Identisch mit intersubjektiver Nachprüfbarkeit. In spezifischem Sinn ist O. ein Gütekriterium psychologischer Diagnoseverfahren. Dieses bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die Ergebnisse einer Diagnose vom Untersucher unabhängig sind. Öffentliches Selbst -*• Selbstsystem-Theorie Ökologische Psychologie Gelegentlich auch Öko-Psychologie oder Umwelt-Psychologie. (I)Im engeren Sinn beschäftigt sich die Ö. (im politischen Sinn des Wortes) mit ökologischen Orientierungen (z.B. mit Umweltschutz, umsichtiger Nutzung von Ressourcen, Landschaftsschutz, Umweltbewußtsein), wobei die Wichtigkeit sozialer -* Kontrolle unterstrichen wird. Auch ist in diesem Bereich die Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten (-»• Einstellungswirkungen) besonders gravierend.
(II) I.w.S. beschäftigt sich die Ö. mit den Beziehungen des Menschen zu seiner engeren und weiteren räumlichen, materiellen und sozialen Umwelt. Gegenstand der Forschimg sind z.B. Wohnumwelten, Stadtumwelten bis hin zu geo-psychischen Systemen. Für MEHRABIAN sind sog. Alltagsräume die grundlegenden Einheiten der Ö. BARKER führt den Begriff der „behavioral settings" ein, die komplexe situative Bedingungsgefüge darstellen. Gegenstand der Forschung sind femer ökologische Barrieren (z.B. im Sinne ökologischer sozialer -* Macht), mit denen ein bestimmtes Verhalten erzwungen, anderes Verhalten dagegen verhindert werden soll. (III) In noch weiterem Sinn versteht man unter Ö. eine Schulrichtung der Psychologie, die sich insbesondere mit Umweltfaktoren menschlichen Handelns beschäftigt und hierin (statt in motivationalen Faktoren oder Persönlichkeitsdispositionen) die Erklärungsgrundlage für Verhalten ansieht. Die Ö. verfolgt dabei ähnliche Ziele wie der -* Situationismus-, im Unterschied zu diesem werden die „behavioral settings" jedoch in komplexerer Weise verstanden. Auch zeigt die Ö. eine kritische Haltung zur experimentellen Psychologie, da hier die Vielfalt der situativen Bedingungen auf wenige kontrollierte Stimuli eingeengt werde. L i t . : BARKER; R . ( 1 9 6 8 ) . E c o l o g i c a l p s y c h o -
logy. Stanford. MILLER, R. (1998). Umweltpsychologie. Eine Einfuhrung. Stuttgart u.a. PAWLDC, K . & STAPF, K . H . ( H g . ) ( 1 9 9 2 ) .
Umwelt und Verhalten. Perspektiven und Ergebnisse ökopsychologischer Forschung. B e r n . STOKOLS, D . ( 1 9 7 7 ) . P e r s p e c t i v e s o n
411
Ökologische Validität environment and behaviour. Theory, research and applications. New York.
Ökologische Validität Dieses von BRUNSWICK formulierte Prinzip besagt, dass psychische Prozesse in dem Kontext untersucht werden sollten, in dem sie normalerweise stattfinden und auf die hin sie sich „evolutionär" entwickelt haben. Das Prinzip der Ö. ist zugleich als kritische Einschränkung gegenüber künstlichen Laborsituationen in sp Untersuchungen gedacht (-» Experiment).
Ökonomie Synonym für: Wirtschaftswissenschaft. Besonders im Rahmen der Mikro-Ökonomie gibt es gewisse Gemeinsamkeiten mit der Psychologie, da im Zentrum wirtschaftstheoretischer Überlegungen eine zukunftsbezogene Nutzentheorie steht (SEU = subjective expected Utility), die auch den Theoriekern der Wert-Erwartungs-Theorien darstellt. Eine gewisse Öffnung der Ö. im Hinblick auf psychologische Gesetzmäßigkeiten erfolgte in den letzten zwei Jahrzehnten in Form einer vorsichtigen Annäherung an die kognitive Psychologie (-* Informationsverarbeitung) sowie mit der Rezeption der —• Prospect theory, die zu einer wichtigen Modifikation der SEU-Theorie gefuhrt hat. Gewisse Schwierigkeiten bei solchen Annäherungen an die Psychologie bereitete der Umstand, dass sich die ökonomische Theorie oftmals als Formalwissenschafit (nämlich als Anwendung der Entscheidungslogik im wirtschaftlichen Bereich) versteht und insofern vorwiegend formallogische oder normativ-präskriptive Ziele verfolgt. 412
Ökonomieprinzip
Während sich die Volkswirtschaftslehre zumal in Deutschland noch weitgehend gegen eine Öffnung zur Psychologie sperrt, ist für breite Bereiche der Betriebswirtschaftslehre (v.a. Organisationsforschung, Personalwesen, Management, Konsumentenverhalten und Marketing) ein interdisziplinäres Vorgehen sowie eine Nutzung sp Konzepte und Befunde längst an der Tagesordnung.
Ökonomiefunktion -* Einstellungen haben u.a. eine Ö., weil sie es gestatten, ohne besonderen kognitiven Aufwand ganze Gegenstandsbereiche zu beurteilen. Gelegentlich wird auch von der Nutzenfunktion von Einstellungen gesprochen.
Ökonomieprinzip (I) Metaprinzip der Forschung, wonach „sparsamere" und einfachere Erklärungen den Vorzug erhalten. (II) In einigen sp Theorien entsteht hinsichtlich mehrerer möglicher abhängiger Variablen das Problem, welche Konsequenz mit welcher Wahrscheinlichkeit auftreten wird. Es handelt sich bei derlei Aussagen um eine unzureichend spezifizierte DannKomponente. Als heuristischer Hinweis dient dann häufig die Feststellung, dass das Individuum die „kostengünstigste" Alternative wählt. Explizit erscheint dieses Ö. im Rahmen der Konsistenztheorien (hier insbesondere in der -> Balancetheorie sowie Dissonanztheorie): Unter verschiedenen Möglichkeiten, eine inkonsistente in eine konsistente Struktur zu überführen, wird diejenige gewählt,
Ökonomisation
die mit dem geringsten Aufwand verbunden ist (ROSENBERG & ABELSON).
Ökonomisation
Opfer
(e) Psychologie abweichenden wirtschaftlichen Verhaltens: Wirtschaftskriminalität, Schattenwirtschaft, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung etc.
Teilklasse der -»• Sozialisation, die auf den Umgang mit ökonomischen Sachverhalten zugeschnitten ist (z.B. Organisation der Arbeit, Umgang mit Geld).
Zum Teil werden unter der Bezeichnung Ö. auch Aspekte der -» Finanzpsychologie (behavioral finance) abgehandelt.
Ökonomische Psychologie
Open mindedness
(I)Im weitesten Sinne identisch mit -* Wirtschaftspsychologie.
Nach ROKEACH das Offensein für neue Argumente und Ideen. Gegensatz: -* closed mindedness. Die Dimension wird als Persönlichkeitszug verstanden; sie findet sich auch in den sog. „big five" (-* Persönlichkeitsmerkmale).
(II) I.e.S. eine Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse, die z.T. auch von Ökonomen, zum anderen von Psychologen getragen wird (behavioral economics). Ausgangspunkt ist häufig der Nachweis der Brüchigkeit ökonomischer Annahmen und Prinzipien, am deutlichsten durch die experimentell ermittelten -»• Anomalien (-> Täuschungen, kognitive), die z.T. zu einer Revision der -»• Nutzentheorie geführt haben. Blickt man auf die Themenbereiche, die bevorzugt aufgegriffen wurden, so bietet sich ein etwas willkürliches Bild; so z.B.: (a) Psychologische Aspekte von Arbeitsmärkten und Konsummärkten; (b) Psychologie der wirtschaftlichen Entwicklung, Entfaltung des Unternehmertums, Psychologie der Entwicklungsländer, internationales Management und Marketing; (c) Wertewandel und dessen Implikationen fur den Arbeitsbereich und den Konsumbereich; (d) Ökonomie vs. Ökologie: Diskrepanzen zwischen Einstellung und Verhalten, Umgang mit Ressourcen;
Operante Konditionierung Konditionierung,
instrumenteile
Operationalisierung Entwicklung präziser und operationaler Begriffe durch Angabe von Operationen, die zur Erfassung des durch den Begriff repräsentierten Sachverhalts geeignet sind. Gleichzeitig sind Indikatoren zu entwickeln, die das Vorliegen dieses Sachverhalts anzeigen. Die 0 . beinhaltet demnach die Festsetzung von Regeln, wie Begriffe und Daten verknüpft werden können.
Opfer (I)Bei -*• abweichendem Verhalten insbesondere auch bei Aggression- der Betroffene bzw. der Geschädigte. Die sog. -* Viktimologie befasst sich mit dem Verhalten der O. sowie mit Merkmalen, die bestimmte Pn bevorzugt zu O. werden lassen. Aus interaktionstheoretischer Perspektive wird empfohlen, besonderes Augenmerk auf bestehende Interaktions413
Organisation
Opinion-Leader
beziehungen zwischen Täter und 0. zu werfen. (II) Im speziellen Sinn der EquityTheorie werden die Pn als O. bezeichnet, die in einer Defizit-Situation stehen, also glauben, ungerecht behandelt zu werden. Opinion-Leader fiihrer
Meinungs-
Opponent process theory Theorie von SOLOMON über den zeitlichen Verlauf von Gefühlen. Sie geht von der Annahme aus, dass zu jeder emotionalen Reaktion zwangsläufig ein gegensätzlicher Gefühlsprozess einsetzt, der allerdings später generalisiert, von geringerer Intensität ist und langsamer abklingt. Opportunity-cost-effect Nach THALER bewerten Individuen Opportunitätskosten (Nutzenverlust durch die nicht genutzte alternative Möglichkeit) systematisch niedriger als direkte Geldkosten gleicher Höhe (-»• Anomalien). Optimale Stimulation Auch: optimale physiologische -*Aktivation. Nach diesem Konzept ist der Organismus bestrebt, ein angemessenes Niveau an sensorischem Input aufrecht zu erhalten. Abweichungen von diesem optimalen Anregungsniveau werden homöostatisch ausgeglichen (-> Homöostase). Optimismus Optimisten sind mit größerer Wahrscheinlichkeit als Pessimisten der Meinung, erwünschte Ergebnisse seien für sie leichter erreichbar. Deshalb 414
werden sie selbst in schwierigen Situationen ihre Anstrengungen, diese Ergebnisse zu erreichen, fortsetzen. Die Disposition zum O. wird üblicherweise mit Hilfe des „life-orientation-test" ermittelt. Dieser soll das Ausmaß erfassen, in dem die Wahrscheinlichkeit positiver Ergebnisse höher ist als für Andere. O. geht einher mit problemzentrierter Bewältigung, der Suche nach Unterstützung sowie mit selektiver Betonung positiver Situationsaspekte. Optimisten zeigen eine bessere Anpassung an belastende Lebensereignisse (z.B. Krankheit). Auch sind Unterschiede in Bewältigungsstilen gegeben; Optimisten zeigen selten vermeidende Bewältigungsmuster, sondern versuchen aktiv ihre Lebensverhältnisse zu gestalten und zu verbessern (z.B. eine Behinderung durch aktives Zutun zu mindern oder auszugleichen). Allerdings lässt sich auch feststellen, dass Optimisten eine starke Neigung zur Überschätzung von -* Kontingenzen aufweisen (-> Kontroll-Illusion). Sie laufen daher vielfach Gefahr, enttäuscht zu werden. Organisation (l)BegrifF: O. bezeichnet i.S. einer Aktivität den Prozess des Organisierens (WEICK), im eher institutionellen (und geläufigen) Sinn dagegen ein soziales Gebilde (soziales System), in dem zweckgerichtete Aufgaben erfüllt werden (sollen). In eben diesem letzteren Sinn sind O. Ausgangspunkt der -> Organisationspsychologie-. Sie sind soziale Einheiten, die mehr oder weniger spezifische Ziele verfolgen und durch eine rela-
Organisation
tiv formalisierte Struktur gekennzeichnet sind. (2) Formen: ETZIONI versucht, in seiner typologischen Analyse O. nach der Art der Einbindung der Mitglieder einerseits (kalkulatives, moralisches und meidendes Engagement) und nach den jeweiligen Machtgrundlagen (Zwang, Belohnimg, Normen) andererseits zu unterscheiden. Obgleich in betrieblichen O. ein kalkulatives Element vorherrschen mag und die Bedeutung von Belohnungen im Vordergrund stehen dürfte, ist es evident, dass Betriebe z.B. eine Mixtur sämtlicher Formen der Einbindung und sämtlicher Formen der Macht (—> Machtgrundlagen) repräsentieren. Nach der vorherrschenden Forschungsperspektive (-» Paradigma) hat der Soziologe SCOTT eine Einteilung verschiedener „Ansätze" der O.-Forschung gegeben, die auch von Organisationspsychologen aufgegriffen wurde. Dabei werden folgende Perspektiven unterschieden: (a) O. als rationale Systeme: Diese Perspektive wird vorwiegend durch die ökonomische O.-Theorie verfolgt. Der Grundgedanke besteht darin, möglichst rationale Strategien und rationale Strukturen in O. zu etablieren (z.B. scientific management i.S. TAYLORS oder administrative management i.S. FAYOLS bzw. WE-
BERS Typus der Bürokratie); (b) O. als natürliche Systeme: Die rational-formalen Vorgaben des Systems werden als bloße Folien gesehen, die durch informelle Verhaltensweisen und Strukturen
Organisation
überdeckt werden, so dass ein nur sehr lockerer und keineswegs deterministischer Zusammenhang zwischen Rationalstruktur und faktischen Verhaltensweisen besteht. Der Fokus der Betrachtung liegt auf der Analyse informeller Strukturen, die vom rationalen Muster erheblich abweichen können; (c) O. als offene Systeme: Hier bestehen zahlreiche Varianten, z.B. kybernetische Modelle, Kontingenzkonzepte, die je nach O.Umwelt eine darauf abgestimmte O.-Struktur fordern, Konzepte, die der Abgrenzung zwischen System und Umwelt besondere Aufmerksamkeit schenken, Ansätze, welche die Einbettung der O. in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge betonen, Perspektiven, die O. als autopoietische Systeme ansehen, die zur Selbstregulierung neigen. Auch das Konzept der „lernenden 0." (-• Organisationsentwicklung) ist hier einzubeziehen. Die Erforschung von O. ist (positiv gesehen) interdisziplinär angelegt und bietet (negativ gesehen) ein wenig integriertes Potpourri unterschiedlichster Ansätze. Die „Ansatzlastigkeit" dieses Forschungsbereiches fuhrt zu einer Art „multiplen Paradigmatase" (LUHMANN), die einer gewissen Beliebigkeit Vorschub leistet (-> Organisationspsychologie). Neuerdings wird besonders betont, dass die vom rationalen Modell unterstellte Rationalität meist ein Epiphänomen darstelle. Es gehe eher um post-dezisionale —• Rationalität (WEICK), die der rituellen
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Organisation (der Wahrnehmung)
Selbstdarstellung diene und Rechtfertigungsmechanismen widerspiegele. Lit:
Organisationspsychologie
Organisation (der Wahrnehmung) Prozess der Zusammenfügung von Sinneseindrücken. Der typische Prozess der Wahrnehmung lässt sich in mehrere Stadien gliedern: sensorische Empfindungen, Selektion, Inferenz, Organisation (i.e.S.) und Klassifikation. Die 0. unterliegt den Gesetzen der Gestaltpsychologie (Ähnlichkeit, Nähe, Sympathie, Gemeinsamkeit, Geschlossenheit etc., Bereichsgliederung, Gruppierung, Prägnanz). Damit im Zusammenhang stehen der -> Assimilations-Kontrast-Effekt sowie Prozesse der Klassifikation und -* Kategorisierung. Organisationsdiagnostik Nach BRANDSTÄTTER die wissenschaftlich-systematische Darstellung der Verfahrensgrundsätze und Verfahrensweisen psychologischer Bedingungsanalyse, der sozialen Eigenheiten und der spezifischen Probleme in einer Organisation sowie der Prognosebewertung individueller und sozialer Wirkungen organisatorischer Eingriffe. Organisationsentwicklung Während der Ausdruck „Entwicklung" in den Sozialwissenschaften meist gleichbedeutend mit sozialem Wandel gebraucht wird, ist es in der Organisationsforschung üblich geworden, als O. lediglich den Bereich bewusst geplanter Veränderungen zu bezeichnen. Ansatzpunkte solchen Eingreifens sind Strukturen (z.B. Änderungen im Pro416
Organisationsklima
duktionssystem, Lockerung bürokratischer Strukturen, Entwicklung neuer Formen der Arbeitsgestaltung) oder Verhaltensweisen (z.B. Änderung des Führungsstils, neue Anreizsysteme zur Erhöhung der Motivation, Maßnahmen der Personalentwicklung, z.B. Trainingsprogramme etc.). Dementsprechend werden in der Organisationsforschung personale und strukturale Ansätze beschrieben, verbunden mit der Forderung, beides zu verzahnen. Die jeweiligen Änderungsprozesse können intern (durch das Führungspersonal, durch besondere Stäbe) oder extern (durch besondere change agents oder Krisenmanager) initiiert werden. Im Rahmen dieses Konzepts ist in neuerer Zeit insbesondere das Konzept der „lernenden Organisation" (AGYRIS & SCHÖN) diskutiert worden. Im Zentrum steht die Annahme, dass Organisationen nicht nur in adaptiver Weise gleichsam behavioristisch lernen, sondern reflexives generatives Lernen praktizieren (sollen). Hierbei wird auch das Management des Wandels selbst thematisiert: Nicht lediglich Routineverhalten steht im Vordergrund, sondern die Art und Weise, wie neue Probleme zu lösen und wie -» Innovationen systematisch zu inszenieren sind. Organisationsklima Bedeutungsunscharfer Begriff, der auf der Individualebene sehr stark mit dem Terminus -* Arbeitszufriedenheit korrespondiert. Versuche, den Begriff O. lediglich auf einer beschreibenden Ebene zu lokalisieren (VON ROSENSTIEL), dürften nicht besonders sinnvoll sein, da im Begriff des Klimas der
Organisationskultur
Bewertungsaspekt bereits impliziert ist; nicht umsonst sprechen wir von einem guten oder schlechten Betriebsklima. In der amerikanischen Forschung fungiert O. häufig als intervenierende Variable zwischen Organisationsstruktur und „Performance" oder „Satisfaction". Faktorenanalysen versuchen, die relevanten Kriterien des O. zu sichten (z.B. Autonomie, Wärme und Unterstützung, Leistungsorientierung, Zusammenarbeit, Fairness, Innovation und Entwicklung, Kontrolle, neuerdings auch Vertrauen). Als anregend haben sich Versuche erwiesen (LITWIN & STRINGER), klimatische Grundmuster (achievement-climate, affiliationclimate, power-climate) zu unterscheiden. Auch dürfte es in Großorganisationen verschiedene Klimazonen geben, die von Gruppe zu Gruppe, Abteilung zu Abteilung, Teilbetrieb zu Teilbetrieb unterschiedlich sind (Zonenhypothese).
Organisationskultur Muster von sozialen Normen, Regeln und Werten einer Organisation, die vielfach mit Symbolgehalten aufgeladen sind und in den kognitiven Strukturen der Beteiligten ihren Niederschlag finden. Insofern handelt es sich hier oftmals um implizite Wertvorstellungen und Selbstverständlichkeiten, die sich im Laufe der Zeit einspielen, die man nicht mehr wahrnimmt und selten hinterfragt. SCHEIN lokalisiert die O. in der „Tiefenstruktur einer Organisation"; deren Symptome seien dann:
(a) Vorherrschende Werte, welche die O. unterstützen;
Organisationspsychologie
(b) die „Unternehmensphilosophie", welche die Aktivitäten einer Organisation gegenüber Mitarbeitern und Kunden bestimmt; (c) die Spielregeln, um in der Organisation Anerkennung zu finden und voran zu kommen; (d) die Normen, die sich in Arbeitsgruppen entwickeln; (e) die beobachtbaren interpersonellen Verhaltensriten und Umgangsformen, die Sprache sowie die üblichen Formen des menschlichen Miteinander; (f) das Gefühl oder das Klima, das in einer Organisation durch die strukturellen Verhältnisse sowie durch den Umgang der Mitarbeiter mit Außenstehenden vermittelt wird.
Organisationspsychologie Gebiet der angewandten Psychologie, das insbesondere der SP nahesteht, jedoch aus dieser ausgegliedert wurde. Die O. ist weitgehend interdisziplinär angelegt und hat vor allem Anregungen aus der Organisationssoziologie sowie der vorwiegend betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung und Organisationspraxis aufgenommen. Der Forschungsstand ist uneinheitlich und durch eine gewisse „Ansatzlastigkeit" geprägt, was bisher eine integrative und theoretisch anspruchsvollere Sicht verhindert hat (-» Organisation). Der Ausdruck O. wird häufig als Oberbegriff für Arbeits- und Organisationspsychologie (AO-Psychologie) verwendet, so dass auch der Forschungskomplex Arbeit unter organisationspsychologischen Aspekten mit
417
Organisationspsychologie
einbezogen wird. Insofern gelten als wichtigste Themenbereiche der 0.: (a) Arbeit in Organisationen, Humanisierung der Arbeitswelt, Prinzipien organisationsgerechter -» Arbeitsgestaltung, Arbeitsbelastung, Arbeitsmotivation und -Zufriedenheit; (b) Fragen der Personalrekrutierung (z.B. über eignungsdiagnostische Verfahren) sowie Personalentwicklung und Training, Beurteilung von Mitarbeitern etc. (-> Personalpsychologie); (c) Fragen der Organisationsdiagnostik. Einfluss bestimmter Organisationsstrukturen (z.B. Formalisierung, Dezentralisierung) auf das Verhalten der Organisationsmitglieder; (d) Fragen der -* Organisationsentwicklung-. bewusste Änderung von Strukturen und/oder Verhaltensaspekten (im Gegensatz zu organisationalem Wandel, der sich gleichsam evolutionär und ohne planendes Eingreifen vollzieht); (e) Fragen der Organisationskultur-. mehr oder weniger explizite Wertvorstellungen, Neuerungen und Symbole in Organisationen; (f) Gruppen in Organisationen: Gruppenstrukturen und Gruppenprozesse, Fragen der -> Gruppenproduktivität, Teambildung, Konflikte in und zwischen Gruppen, Kommunikationsprobleme in Organisationen; (g) Macht und —• Führung-. Machtverteilung in Organisationen, Mikropolitik, Führung und Führungsstile, Führungseffizienz. Das Verhalten in Organisationen ist durch die besonderen organisationalen 418
Organismus
Rahmenbedingungen geprägt. Ein Spezifîkum dieses Verhaltensbereichs ist, dass die Möglichkeitsspielräume des Handelns erheblich reduziert sind, weil formale Zwänge und strukturelle Vorgaben den Umkreis dessen, was als Verhaltensvaribilitäten verbleiben, stark einengen. Die O. kann allerdings zeigen, dass auch und gerade unter den restriktiven Bedingungen von Kontrolle und Anweisung, Bürokratisierung und Automation, Systemisierung und Organisation das individuelle Verhalten von den strukturellen Mustern abweicht, ja aus Elastizitätsgründen sogar abweichen muss. Lit.: DUNNETTE, M . D . & HOUGH, L . M .
(eds.) (1991-1993). Handbook of industrial and organizational psychology, Vol. 1-4. Palo Alto. GEBERT, D . & ROSENSTIEL, L.V.
(52002). Organisationspsychologie. Stuttgart. ROSENSTIEL, L.V. (42000). Grundlagen der Organisationspsychologie. Stuttgart. SCHULER, H. (1993). Lehrbuch Organisationspsychologie. Bern. WEINERT, A.B. ( 4 1998). Or-
ganisationspsychologie.
Ein
Lehrbuch.
Weinheim. WIENDIECK, G. (1994). Arbeits-
und Organisationspsychologie. München.
Organismus (I)Der Ausdruck O. wird gebraucht, um einen Gegensatz zum Maschinenmodell psychischer Prozesse zu konstatieren. Das O.-Modell betont den ganzheitlichen Charakter, die Interdependenz der Einzelelemente sowie den Gedanken der Emergenz. (II) In sog. S-O-R-Modellen bezeichnet O. sämtliche organismischen Vorgänge, die zwischen Stimuli und Responses vermitteln. Die wichtigsten O.Variablen sind Kognitionen und Emotionen (-» Mediationsprinzip).
Organizational Citizenship Behavior
Organizational Citizenship Behavior Beschreibt (nach SCHNAKE et al.) ein individuelles Verhalten, das mehr als die Erfüllung der formalen Arbeitsanforderungen beinhaltet und über das vertraglich geforderte Maß an individueller Anstrengung hinausreicht (BIERHOFF spricht von: „Engagement aus freien Stücken"). Das Konstrukt lässt sich anhand von fünf Dimensionen beschreiben: (a) Altruistisches Verhalten im Arbeitszusammenhang (z.B. Hilfestellungen für Kollegen oder Vorgesetzte); (b) Aufgabenbezogenes Verantwortungsbewusstsein und Engagement (freiwillige Übernahme von Aufgaben); (c) „Sportsgeist" und Frustrationstoleranz; (d) Höfliches, umsichtiges und vorausschauendes Verhalten, keine starre Regelbefolgung; (e) Organisationsbezogenes Verantwortungsbewusstsein und Engagement für das Kollektiv. Es bestehen Verbindungen zu den Konstrukten „organizational involvement" und „organizational commitment".
Orientierungen, soziale Vorlieben für spezifische Muster von Handlungsergebnissen für die eigene P und den Interaktionspartner. DEUTSCH sowie MCCRIMMON & MESSICK legen eine Typologie der O. vor, wobei (a) der jeweils eigene Gewinn, (b) der Gewinn des Partners darstellt:
Orientierungen, soziale
max (a)
individualistisch
min (a)
masochistisch
max (b)
altruistisch
min(b)
aggressiv
max(a + b) =
kooperativ
min (a + b) =
destruktiv
max(a-b) -
kompetitiv
min (a - b) =
egalitär
max (b - a) =
selbsterniedrigend
min (b - a) =
defensiv
MAKI et al. legen in Anknüpfung an DEUTSCH ein Vektormodell vor, das gleichfalls an den eigenen Ergebnissen sowie den Ergebnisse des Partners orientiert ist, sich allerdings auf acht Motiv-O. beschränkt. Altai Ismus Unterlegenheit
Kooperation
Masochlsmus
Individualismus
Nihilismus
Wettbewerb Aggression
Die Problematik der -»• Transformation (z.B. kooperative oder altruistische Transformation) orientiert sich an diesem Modell der O. Ausgangspunkt ist eine individualistische Motivation, die sich z.B. in eine Wettbewerbshaltung verändern kann (-* Wettbewerb). Gleichermaßen kann der strikte Individualismus (nur das Eigeninteresse steht im Vordergrund) in Richtung Kooperation bzw. Altruismus transformiert werden, was einen schrittweisen Abbau eigennütziger O. zugunsten des 419
Outgroup
Orientierungsfunktion
zwar nicht mehr maximal möglichen, aber dennoch guten gemeinsamen Gewinns oder gar das Interesse am Gewinn des Anderen impliziert. Orientierungsfunktion Die 0 . wird sozialen Normen und sozialen Institutionen zugeschrieben, da sie aus der Vielfalt möglicher Verhaltensweisen solche heraus selegiert, die soziale Ordnung verbürgen. Innerhalb der SP wird hier insbesondere auf die Validierungsfunktion verwiesen (—• Exp.25). Auch -* Einstellungen haben unter diesem Aspekt eine Orientierungs- und Wissensfunktion und schaffen Ordnung im Ereignisstrom. Orientierungshypothese Eine explizite Vermutung, durch welche Ansätze oder Variablen ein Sachverhalt erklärt werden könnte. Sie stellt eine Art Vorstufe zur Theorie dar. Beispiele sind orientierende Aussagen der folgenden Art: „Bei der Untersuchung aggressiven Verhaltens müssen die Interaktionsbeziehungen zwischen Opfer und Täter in die Analyse einbezogen werden". Oder: „Die Wertvorstellungen einer Gesellschaft sind vielfach ein Spiegelbild der ökonomisch-materiellen Verhältnisse". Eine O., die einen gesamten Themenkomplex umgreift, kann auch als -»• Paradigma bezeichnet werden. Orientierungsverhalten Auch: Orientierungsreaktion. Explorationsorientierter Aspekt extravertierten Verhaltens (-> Neugier) in Abhängigkeit von bestimmten Reizen oder Signalen, die für den Organismus neu und unerwartet auftreten.
420
Origins So nennt DECHARMS Pn, die sich selbst als Verursacher bestimmter Konsequenzen ansehen (-* Kontrollüberzeugungen), in Abgrenzung zu „pawns", die sich von anderen „herumschubsen" lassen. Das Begriffspaar wird i.S. eines differenziellen Persönlichkeitszugs verstanden (-»• persönliche Verursachung). Ort der Kontrolle -> locus of control -* Kontrollüberzeugungen Ortsidentität Nach PROSHANSKY kognitive Einbindung in die physische Umgebung. Die O. wirkt als „Heimat" und bildet Teil der sozialen —• Identität einer P. Other total ratio Betrifft das Verhältnis deijenigen Gruppe, der man nicht angehört, zu der Teilgruppe (evtl. Minderheit), der man angehört. Je größer dieses Verhältnis ist, desto stärker ist die -*Selbstaufmerksamkeit und die Verhaltenskontrolle. Outcome-Bias ->Hindsight bias Outgroup Im Gegensatz zu Ingroup (Eigengruppe). Gemeint sind Fremdgruppen oder Gruppenmitglieder, die entweder in anderen Gruppen verankert sind oder am Rande bzw. außerhalb der Ingroup stehen. Der Begriff ist zentral für die Analyse von -*Intergruppen-Konflikten sowie sozialer Identität, die O. oftmals als Standard für distinktive Vergleiche benutzt.
Outgroup-Homogenität
Overprotection
Outgroup-Homogenität
Overconformity ->• Konformität
Ausdruck von SIMON fur einen Sachverhalt, der auf einer Asymmetrie kognitiver Repräsentation von -* Outgroups und Ingroups beruht. Erstere werden als abgrenzbare und homogene Einheiten wahrgenommen, während Ingroups als differenzierbare Aggregate von Einzelindividuen erscheinen.
Overmanning
Overconfidence Tendenz von Menschen, ihre Fähigkeiten aufgrund ihrer subjektiven Urteilssicherheit zu überschätzen (-> Kontroll-Illusion -* Täuschungen, kognitive).
Bedeutet in der chologie
Ökologischen Psy-
BARKERS den Zustand der
Überbesetzung verfügbarer Positionen oder Ressourcen durch zu viele Individuen. Overprotection Überhütung durch besorgte und ängstliche Eltern, meist von Müttern (-> Sozialisation). O. fuhrt zu ausgeprägter —• Konformität und Verhaltensunsicherheit.
421
Panik
Partikularismus
Panik
Parallelen-Modell
Form des Kollektiwerhaltens auf Grund einer als bedrohlich empfundenen Situation, mit der Folge unkoordinierter und unkontrollierter Aktivitäten, die i.R. des Kollektivs zu gegenseitigen Behinderungen und Schädigungen fuhren (z.B. Brand, Einsturz, Gedränge).
Das P. von LEVENTHAL versucht eine Erklärung der Befunde, dass mit zunehmender Furcht eine -* Einstellungsänderung (-» Exp.20) zunächst gefordert, mit wachsender Dosierung jedoch gehemmt wird (-> Furchtappelle). Das P. unterstellt die Wirksamkeit zweier gegenläufiger Reaktionen: Einerseits versucht man, die durch die Bedrohung ausgelöste Furcht zu kontrollieren (z.B. durch die Abwertung eines Kommunikators oder durch Rückzug aus der Situation). Andererseits versucht man der Gefahr dadurch zu begegnen, dass die Empfehlung der Botschaft (z.B. gesündere Ernährung, Verzicht auf Rauschgift) akzeptiert wird (-> Dissonanz, kognitive).
Paradigma Eine Art Metatheorie, d.h. eine besondere (evtl. neue) Forschungsperspektive, die dazu führt, andere (neue) Fragen zu stellen und die Probleme in verändertem Licht zu sehen. Nach KUHN vollzieht sich der Prozess wissenschaftlichen Fortschritts in Form eines P.-Wechsels, d.h. als Übergang vom alten auf ein neues P. In der SP ist das kognitive P. vorherrschend. Versuche, den symbolischen Interaktionismus als neues P. zu begründen, sind gescheitert. Auch innerhalb des kognitiven P. sind unterschiedliche paradigmatische Schwerpunkte auszumachen: der Mensch als Informationsverarbeiter, als Homo heuristicus, als naiver Forscher, als Richtender (-* Menschenbilder). Paradigmatische Forschung P. (im Sinne von HERRMANN) geht von bestimmten Theorien und Konzepten aus und versucht, diese auf empirisch-praktische Problemstellungen anzuwenden (Gegensatz: -* Domainforschung).
422
Paralleltest-Reliabilität lität
Reliabi-
Partikularismus (I) Auf der Metaebene wird der Begriff theoriekritisch verstanden: Forschungsbefunde seien vereinzelt und verstreut sowie nur mäßig integriert. (II) In PARSONS' pattern variables ist P. (vs. Universalismus) eine von fünf Wertdimensionen, mit denen man Gesellschaften bzw. Kulturen typisieren kann. (III) In der -* Ressourcentheorie von FOA & FOA sind die Austauschressourcen auf den Dimensionen P. vs. Universalismus sowie Konkretheit vs. Abstraktheit angeordnet. Ein Austauschmedium mit hohem Wert für „particularism" richtet sich lediglich auf eine begrenzte, in besonderer Weise ausge-
Partizipation
wählte Klasse von Individuen (z.B. Liebe, manche -* Dienstleistungen, die man nur bestimmten Pn vorbehält). Partizipation Einbeziehung in Entscheidungsprozesse. Seit COCH & FRENCH haben zahlreiche soziologische und organisationspsychologische Studien (auch Meta-Analysen) den Nachweis erbracht, dass Entscheidungen leichter akzeptiert werden, wenn man an ihnen mitgewirkt hat. Der Einzelne muss jedoch die Ernsthaftigkeit seiner Mitsprache kognizieren. Aus der Sicht der Führenden (-»Führungsstil) hat P. die folgenden Vorzüge: (a) Unter bestimmten Bedingungen werden gemeinsam vorbereitete und getroffene Entscheidungen effizientere und durchdachte Lösungen erbringen. Dies gilt insbesondere bei sehr komplexen Problemen, deren Lösung nicht eilbedürftig ist und solchen Entscheidungen, deren nicht-intendierte Konsequenzen intransparent sind; (b) Die P. fördert die -> Akzeptanz des Entscheidungsergebnisses, u.U. auch dann, wenn man zu den negativ Betroffenen gehört; (c) Auf längere Sicht fuhrt die Anwendung der P. bei den Betroffenen zu Lerneffekten, verbunden mit dem Gefühl der -* Selbstwirksamkeit und der eigenen Gestaltungsautonomie. Die Vorteile der P. können allerdings nur dann eingelöst werden, wenn seitens der Mitwirkenden die Fähigkeit (z.B. Kenntnisse, kognitive Anstrengungen) und Motivation (z.B. Über-
Pattern variables
nahme von Verantwortung, Anstrengungsbereitschaft) zur P. gegeben ist. Es bedarf daher oftmals einer Vorbereitungsphase, bis die Mitarbeiter einen Reifeprozess durchlaufen haben. P. i.S. von Mitsprache ist auch ein wichtiges Element empfundener prozeduraler —• Gerechtigkeit. Sie signalisiert, dass die Beteiligten als Mitglieder der Gesellschaft (der Organisation, der Gruppe) ernstgenommen werden. Solche Beziehungen zwischen P. und -*• Fairness sind insbesondere von TYLER in verschiedenen Studien untersucht worden (sog. Gruppen-WertTheorie). Dieser Autor weist auch darauf hin, dass v.a. in den Bereichen Organisation und -* Recht die Möglichkeit der Mitsprache und des Gehört-Werdens wichtige Funktionen erfüllt, zumal die Beteiligten angesichts des -* Wertewandels verstärkt im Hinblick auf demokratische und partizipative Prozesse sensibilisiert sind. Partnerschaft Auf Freiwilligkeit basierende und (meist) gleichberechtigte Interaktionsbeziehung (-* Beziehung, soziale), die sowohl auf Gemeinsamkeit als auf Komplementarität beruhen kann. Path-goal-theory rien
Führungstheo-
Pattern variables Nach PARSONS Bewertungs- und Orientierungsalternativen zur Beschreibung sozialer -»• Wertsysteme: (a) Affektivität vs. affektive Neutralität: Hier geht es um die Frage, ob Individuen in ihrem Verhalten unkontrolliert auf die Befriedigung expressiver, gegenwärtiger Be423
Performanz
Payoff-Matrix
(b)
(c)
(d)
(e)
dürfnisse drängen oder ob sie zu disziplinierten zukunftsorientierten Handlungen neigen (-»delay ofgratificatiori)', Kollektivbezogenheit vs. Selbstbezogenheit: Betrifft die Frage, ob gemeinschaftliche Interessen im Vordergrund stehen (-»Individualismus —> Kollektivismus) oder aber das Verfolgen privater, eigennütziger Anliegen; -*• Partikularismus vs. Universalismus: Im ersten Fall erfolgt die Orientierung an den Interessen und Normen ganz bestimmter Pn oder Gruppen, im zweiten Fall an allgemein gültigen Wertmaßstäben oder Gesetzen; Askription vs. Leistung: Die Bewertung eines Status erfolgt entweder durch Zuschreibung bzw. Herkunft oder aber durch eigene Leistung; Diffusität vs. Spezifität: Soziale Beziehungen können funktional diffus, d.h. wenig spezifiziert und differenziert sein, im Gegensatz zu klar ausgegliederten Rollenmustern (-* Rollendifferenzierung).
sieht in den P. nicht nur taxonomische Kategorien zur Beschreibung des Wertsystems ganzer Gesellschaften, sondern gleichzeitig Kriterien zur Abfolge des Wertewandels (jeweils von der erstgenannten zur zweitgenannten Alternative). PARSONS
Payoff-Matrix Systematische Zusammenstellung von Gewinnen und Verlusten für die einzelnen Alternativen in einer Entscheidungssituation.
424
Pazifismus Die Untersuchung zur Auswirkung pazifistischer Verhaltensstile sowie erheblicher Konzessionsbereitschaft in Konfliktfallen ist gewissermaßen das Gegenstück zu den vorliegenden Experimenten zur Abschreckung. OFSHE und SHURE et al. ließen ihre Vpn gegen simulierte Pazifisten spielen. Die überraschend große Bereitschaft selbst der zuvor kooperativen V p n die Pazifisten mittels körperlicher Schädigung durch Elektroschocks „auszunutzen", wird von den Autoren als deprimierend bezeichnet.
Peers Gleichaltrige oder gleichgestellte Bezugspersonen. Im Prozess der -> Sozialisation wird das elterliche Modell zunehmend vom Einfluss der jugendlichen P. überlagert und fuhrt vielfach zu Konfliktsituationen. Im organisationalen Kontext bezeichnet man die Arbeitskollegen auf gleicher Hierarchie-Ebene als P.
Perceptual biases Systematische Tendenzen der Wahrnehmungsverzerrung und Wahrnehmungsorganisation (-»Biases), wie z.B. der -* Halo-Effekt, die -> Negativitätstendenz, der -* egozentrische Blas, die —• Bestätigungstendenz.
Performanz (I) Sprachverwendung in einer bestimmten Situation. (II) Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Lösung von Aufgaben. Meist gleichgesetzt mit „outcome" oder Erfolgsträchtigkeit im Hinblick auf Zielvorgaben.
Personalismus
Periphere Route
(III) Speziell in Abhebung zur Kompetenz bedeutet P. die Umsetzung der Fähigkeit (ability, competence) in faktisches Handeln (insbesondere die adäquate Anwendung von Wissen und Fähigkeiten). Die Unterscheidung ist wesentlich in der Sprachpsychologie (i.R. der generativen Transformationsgrammatik), in der Lernpsychologie (bei der Trennung zwischen Motivation und Fähigkeiten) sowie bei der Erfassung sozialer Kompetenz bzw. sozialer Fertigkeiten, wo es gleichfalls darauf ankommt, die erworbenen Fähigkeiten (Fertigkeiten/ Kenntnisse) situationsgerecht und adäquat einzusetzen. Periphere Route
ELM
Permeabilität Nach HEMPHILL die Durchlässigkeit einer sozialen -* Gruppe, insbesondere in Bezug auf die Aufnahme neuer Mitglieder. Hoch kohäsive Gruppen sind manchmal durch geringe P. gekennzeichnet und machen die Mitgliedschaft von bestimmten Voraussetzungen oder Leistungen abhängig. Persistenz Konsistenz im Zeitablauf, also Beständigkeit oder Überdauern. In der Erforschung sozialer Einstellungen die zeitliche Stabilität sowie der Widerstand gegenüber Einstellungsänderungen. Perseveranz Allgemeine Verhaltenstendenz der Fixierung auf bestimmte Ereignisse oder der Beharrung auf Vorstellungsinhalten bzw. Verhaltensweisen, auch wenn sich die Voraussetzungen, die zu diesen führten, als unhaltbar erweisen.
Dies fuhrt zu Eigensinnigkeiten, Rigidität und Stereotypie (-• closed mindedness). Der P.-Effekt wird bisweilen als gegenläufiges Phänomen zum -* Hindsight bias gesehen. Personalentwicklung Organisationsentwicklung Personalpsychologie Personalführung —• Führungsstile
Führung
Personalisierung (I) I. S. des fundamentalen -> Attributionsfehlers die Neigung, das Verhalten anderer Pn auf deren Merkmale (insbesondere ihre Dispositionen) zurückzufuhren und den Einfluss situativer Parameter zu vernachlässigen. (II) Neigung des Menschen, bestimmte Ereignisse (z.B. im politischen Raum oder bei der Führung von Unternehmen) Personen anzulasten. So wird z.B. der Beitrag, den Führende bzw. Manager am Erfolg/Misserfolg eines Unternehmens haben, oftmals überschätzt. LlEBERSON & 0'CONNOR haben die Geschäftsberichte von 167 amerikanischen Aktiengesellschaften ausgewertet und hierbei Schwankungen von Umsatz und Rendite auf die Variablen Geschäftsjahr, Branche, Unternehmung und (jeweils wechselnder) Unternehmensleitung zurückgeführt. Der letztgenannte Faktor hatte dabei den geringsten Anteil erklärter Varianz. Personalismus ->•Persönlichkeitsmerkmale
425
Personalpsychologie
Persönliches Konstrukt
Personalpsychologie Teil der Arbeits- und Organisationspsychologie, der sich insbesondere auf das in Organisationen notwendige Arbeitspersonal bezieht. Hauptthemenfelder sind etwa:
Personenattribution -*• Attributionstheorie onsfehler
(a) Person-Arbeit-Organisation: Stellenwert der Arbeit, Arbeits- und Anforderungsanalyse sowie Personalmarketing; (b) Eignungsdiagnostik: Verfahren der Personalauswahl (konstrukt-, simulations- oder biografieorientiert), —> Assessment Center, (c) Personalentwicklung: berufliche und organisationale Sozialisation, wissensorientierte und verhaltensorientierte Entwicklung, Förderung der Kreativität und Innovationsbereitschaft; (d) Personalführung (-» Führung Führungsstile): Motivierung von Mitarbeitern, Untergebenenund Vorgesetzten-Befragungen, Leistungsbeurteilung sowie Mitarbeitergespräche; (e) Arbeit in und mit Gruppen: Teambildung, Gruppenarbeit (-» Gruppenproduktivität); (f) Internationaler Personaleinsatz: Globalisierung, Mobilitätsanforderungen, internationales Management.
Personenkraft Nach HEIDER ist das Verhalten eines Individuums Ausdruck der P. sowie der Umweltkraft (auch: situative Kraft). Die P. resultiert aus der Intention und Anstrengung sowie der Fähigkeit, dieses Handeln zu realisieren. Das Konzept steht im Kontext von HEIDERS Attributionstheorie.
Lit.: GEBERT, D. & ROSENSTIEL, L.v. (52000). Organisationspsychologie. Stuttgart. NEUBERGER, O. (21994). Personalentwicklung. Stuttgart. NEUBERGER, O. (1997). Personalwesen I. Stuttgart. SCHOLZ, CHR. (31993). Personalmanagement. München. SCHULER, H. (Hg.) (2001). Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen u.a. SCHULER, H. ( 2001). Psychologische Personalauswahl. Göttingen et al.
426
Personenwahrnehmung nehmung, soziale
Attribution AttributiWahr-
Persönliche Verursachung Von DECHARMS begründetes Konzept, wonach sich Pn als Verursacher (origins) oder als Abhängige (pawns) verstehen. Verursacher erleben sich frei und selbstbestimmt, während Abhängige ihr Verhalten durch externe Faktoren determiniert sehen. Das Konzept ist bedeutungsähnlich mit ROTTERS —• locus of control (-> Kontrollüberzeugungen). Persönlicher Raum Raum, den eine P für sich in Anspruch nimmt (z.B. ein eigenes Zimmer, ein ausreichender Arbeitsplatz), ohne das Gefühl der Beengtheit zu empfinden (soziale ~> Dichte -* Crowding Stress Reaktanz). Wird dieser Anspruch verletzt, erfolgen Vermeidungs-, Abwehr- und Verteidigungsreaktionen. Persönliches Konstrukt Ansatz von KELLY, der die individuellen Beschreibungs- und Erklärungskonzepte des reflexiven Subjekts umfasst, mit denen dieses die Welt struk-
Persönlichkeit
tariert und versteht. Dieser Ansatz bildet eine Sonderform subjektiver Theorien oder impliziter Theorien. Ihre empirische Erfassimg erfolgt mit Hilfe des sog. Rep-Grid-Tests.
Persönlichkeit Der Ausdruck P. wird in der Psychologie neutral verwendet, also nicht i.S. einer „starken" oder „großen" P. Man versteht darunter die individuelle Eigenart des Menschen, d.h. die Gesamtheit seiner Eigenschaften (einschließlich der für ihn typischen Art der Informationsverarbeitung, seines Verhaltensstils und seiner Motive). Einige Autoren (insbesondere im Umkreis der differenziellen Psychologie) legen Wert auf die Feststellung, dass -* Persönlichkeitsmerkmale zeitlich stabil und situationsunabhängig sind. Dieser Personalismus bzw. Dispositionismus wird in der SP nicht uneingeschränkt geteilt.
Persönlichkeitsförderlichkeit Im arbeitspsychologischen Konzept HACKERS (-»Handlungsregulierung) ein Kriterium, ob und inwieweit die Aufgabenerfüllung in Organisationen die eigene Persönlichkeit zu fordern in der Lage ist (-* Humanisierung der Arbeit).
Persönlichkeitsmerkmale Auch: Persönlichkeitsfaktoren, personality traits. In der empirischen Persönlichkeitsforschung verwendete Bezeichnung für analytische Einheiten der Persönlichkeit, die meist durch die Methode der Faktorenanalyse ermittelt werden. Von einigen Persönlichkeitspsychologen werden P. im essenzialistischen Sinne als Wesenszüge oder Eigenschaften verstanden, von
Persönlichkeitsmerkmale
anderen eher als „hypothetische Konstrukte". CATTELL interpretiert P . kausal als Quellen der Variation menschlichen Verhaltens. Über die Zahl der zu unterscheidenden P. gibt es in der differenziellen Psychologie divergierende Auffassungen. Von hoher Erklärungskraft haben sich insbesondere die folgenden fünf traits erwiesen (sog. „big five"): (a) Gewissenhaftigkeit (Verlässlichkeit, Diszipliniertheit); (b) Extraversion (Geselligkeit, Offenheit, Erregung und Anregung); (c) Neurotizismus (Nervosität, Ängstlichkeit, Stressanfalligkeit); (d) Verträglichkeit (Kooperation, Nachgiebigkeit, Harmonie); (e) Offenheit für Erfahrung (Abwechslung, Unabhängigkeit, Aufgeschlossenheit). Obgleich die SP meist die Wichtigkeit von Kontextvariablen (vor allem sozialen Situationen) betont, verfahren manche Forscher z.T. recht großzügig mit der Vorstellung, bestimmte Handlungsweisen seien Ausdruck eines stabilen P., ohne die Situationsklassen zu umschreiben, für die ein solches P. greift. Die Voraussetzungen, den Begriff P. überhaupt explikativ zu verwenden, sind die folgenden: (a) Die P. sind im Hinblick auf ihren Relevanzbereich stabil, sie treten in verschiedenen Situationen oder Sitaationsbereichen auf; (b) Die P. sind zeitlich konsistent, d.h. es wird auch eine gewisse Stabilität über die Zeit hinweg angenommen;
427
Persönlichkeitsmerkmale
PersCnlichkeitstheorie, implizite
(c) Die individuellen Unterschiede innerhalb eines traits sind reliabel (-> Reliabilität). Insbesondere von MISCHEL wurde der explikative Wert festgefugter P. mit dem Hinweis bezweifelt, dass Verhaltensweisen sehr situationsspezifisch auftreten und dass interindividuelle Differenzen eher das Resultat der Lerngeschichte, also das Ergebnis vorangegangener Lernbedingungen und Verstärkungspläne sind, so dass eine eigenschafitszentrierte Persönlichkeitsforschung ein Irrweg sei. MISCHEL unterstützt seine Auffassung durch ->• Meta-Analysen, die im Durchschnitt nur eine Validität von unter 0.30 ausweisen. Diese Kritik führte zu einer lebhaften Debatte, die als Dispositionismus bzw. Personalismus vs. Situationismus bekannt geworden ist und unterschiedliche Auffassungen im Hinblick auf die Innen- oder Außensteuerung des Verhaltens widerspiegelt. Genau genommen ist der Ausdruck Situationismus für eine lerntheoretische Perspektive nicht angemessen. Denn gelerntes Verhalten ist ja nicht ausschließlich von der Situation abhängig, sondern gleichzeitig von der Situation und der persönlichen Lerngeschichte, wobei auch das Ausmaß der Generalisierung bestimmter Verhaltensmuster auf verschiedene Situationsbereiche einbezogen werden muss. Dies legt den Gedanken nahe, dass das Verhalten weder allein durch die P, noch allein durch die Situation bestimmt wird, sondern von der Wechselwirkung (Interaktion) zwischen P und Situation. Dies ist der Standpunkt des
„Interaktionismus"
(ENDLER &
MAGNUSSON), der durch ein Prinzip 428
multipler Verhaltensbeobachtungen gestützt wird. Die Kenntnis eines P. erlaubt danach zwar nicht vorauszusagen, wie sich ein Individuum in einer ganz bestimmten Situation verhalten wird; sie gestattet jedoch die Voraussage, wie es in den meisten Fällen bzw. in einem Großteil aller Situationen handeln wird. Im Übrigen könnte es auch eine Persönlichkeitseigenschaft geben, die „anfallig" für situative Einflüsse macht. So könnte man etwa vermuten, dass Pn mit starker Selbstaufmerksamkeit und geringer Tendenz zur -* Selbstüberwachung sich konsistenter verhalten, also eher stabile Persönlichkeitseigenschaften entwickeln, die authentisch sind. Lit.: ENDLER, N.S. & MAGNUSSEN, D.
(eds.) (1976). Interactional psychology and Personality. Washington. HERRMANN, T. & LANTERMANN, E.D. (Hg.) (1985). Persönlichkeitspsychologie. München. MISCHEL,
W. (1968). Personality and assessment. New York. MISCHEL, W. (1973). Toward a cognititve social learning reconceptualization of Personality. Psychological Review, 80, 4, 252-283.
Persönlichkeitstheorie, implizite Subjektive Theorie zur Personenwahrnehmung (-» Wahrnehmung, soziale). BRUNER & TAGIURI verwenden diesen Begriff mit der These, man lasse sich bei der Beobachtung Anderer von einer P. leiten. Diese bestimme darüber, welche Schlussfolgerungen man aus Informationen über Andere zieht. CRONBACH erweitert dieses Konzept und macht auf die Existenz typischer Verbindungen zwischen Eigenschaftsbegriffen aufmerksam (Wie wahrscheinlich ist es, dass eine P, die das Merkmal X besitzt, auch das Attri-
Person-RoUe-Konflikt
but Y aufweist?) und unterscheidet im Vorgriff auf attributionstheoretische Überlegungen (fundamentaler Attributionsfehler) zwischen Beobachterund Akteursperspektive. Person-Rolle-Konflikt Auch: Rolle-Selbst-Konflikt. So bezeichnen KATZ & KAHN einen Kon-
flikttypus, der durch die (subjektive) Unverträglichkeit des eigenen Selbstkonzepts mit einer bestimmten Rolle (-> Rollenkonflikt) gekennzeichnet ist. (Bsp.: Einer P wird eine Rolle übertragen, die als illegitim empfundene Handlungen verlangt). Perspektivendiskrepanz Betrifft den fundamentalen Attributionsfehler, wonach der Handelnde in einer Misserfolgsbedingung eher situative Gründe zur Erklärung anfuhrt, während ein Beobachter gegenüber einem äußeren Akteur eher zur Personenattribution neigt. Für diese P. kann eine allgemeine Tendenz zur selbstwertdienlichen Wahrnehmung verantwortlich gemacht werden (-> Selbstwerterhaltung). Eine informationsverarbeitungstheoretische Erklärung (die ohne motivationalen Bias auszukommen glaubt) besteht darin, dass die Aufmerksamkeit des Handelnden in der Regel auf Aspekte der Situation konzentriert ist, während die situative Salienz in der Beobachterrolle zurücktritt.
Pessimismus
onsgebundenheit des Handelns erkannt wird, entsprechende Schlussfolgerungen gezogen und diese in angemessenes Handeln umgesetzt werden. Insofern ist die Fähigkeit zur P. auch eine wichtige Voraussetzung prosozialen Verhaltens (-» Hilfeverhalten) sowie für die Möglichkeit zur sozialen Einflussnahme. Der Begriff P. konvergiert mit dem Konzept der ->• Empathie (Einfühlung), das allerdings (nach TITCHENER) auch die Fähigkeit und Bereitschaft, mit dem anderen mitzufühlen, umgreift (-> Mitleid). P. ist ferner von MEADS Konzept der
Rol-
lenübernahme abzugrenzen, die im Dienste der Ausbildung einer eigenen personalen -* Identität verstanden wird. Persuasión Einflussnahme, insbesondere im Rahmen der Medien (-> Kommunikationswirkungen -* Medienwirkungen). Man spricht auch von persuasiven Strategien (Überzeugen, Überreden). Persuasive arguments theory Ansatz von VINOKUR & BURNSTEIN zur Erklärung der Gruppenpolarisation (-»Risikoschub). Liegen z.B. den Gruppenmitgliedern jeweils individuell mehr Argumente für als gegen risikofreudiges Handeln vor, so besteht schon vor der Gruppendiskussion eine Tendenz zur Risikofreude.
Perspektivenübernahme
Perzeption Wahrnehmung —> Wahrnehmung, soziale
Teilaspekt der sozialen Kompetenz. P. spielt (nach SILBEREISEN) eine Rolle, wenn es darum geht, psychische Zustände und Prozesse wie das Denken, Fühlen oder Wollen einer anderen P zu verstehen, indem die Situati-
Der life-orientation-test kennzeichnet solche Pn als Pessimisten, die erwünschte Ereignisse als unwahrscheinlich, unerwünschte Geschehnis-
Pessimismus
Optimismus
429
Pfadanalyse
se jedoch als wahrscheinlich erscheinen lassen. Ihre Anstrengungsbereitschaft ist entsprechend gering, ihre Bewältigungsmuster sind eher auf Vermeidung ausgerichtet. Während Optimisten im allgemeinen mit belastenden Lebenssituationen leichter umgehen können, haben Pessimisten meist ein negatives Selbstbild und neigen zur -* Depression. Nichtsdestoweniger unterliegen sie in geringerem Maße der Kontingenz-Überschätzung und der -> Kontroll-Illusion.
Pfadanalyse Dieses Verfahren der Untersuchung kausaler Abhängigkeiten zwischen mehreren Variablen leitet seinen Namen aus dem zu Beginn der Analyse zu erstellenden Pfaddiagramm ab, in dem die - aufgrund theoretischer und/ oder hypothetisch plausibler Annahmen - Beziehungen zwischen den Variablen dokumentiert werden. Das entworfene Kausalmodell (abhängige, unabhängige und residuale Variablen sowie die Richtung der jeweiligen Einflüsse) wird dann auf Basis der empirischen Korrelationen zwischen den Variablen überprüft. Dazu wird aus dem Pfaddiagramm ein äquivalentes mathematisches Strukturgleichungsmodell abgeleitet, aus dem die PfadkoefFizienten zwischen den einzelnen Variablen berechnet werden. Als Beispiel kann die vereinfachte Version einer Statuszuweisungs-Theorie betrachtet werden, die folgendes Aussehen haben könnte. Hl: Je höher der berufliche Status des Elternhauses, desto höher der Bildungsgrad einer P 430
Phänomenologische Methode
H2: Je höher der Bildungsstatus des Elternhauses, desto höher der Bildungsgrad einer P H3: Je höher der berufliche Status des Elternhauses, desto höher der berufliche Status einer P H4: Je höher der Bildungsstatus des Elternhauses, desto höher der berufliche Status einer P H5: Je höher der Bildungsgrad einer P, desto höher der berufliche Status dieser P Beruflicher Status des Elternhauses
Bildungsgrad einer Person
+ , Beruflicher Status einer Person
Bildungsstatus des Elternhauses
In diesem (aus DIEKMANN 1995: Empirische Sozialforschung. Reinbek, S. 128 entnommenen) Anwendungsfall, stellen die Pfeile die in den Hypothesen formulierten Kausalbeziehungen dar, während das „+"-Zeichen die Richtung des Zusammenhangs angibt.
Phänomenologische Methode Gegenposition zu einer gleichsam naturwissenschaftlich vorgehenden Methode der Erkenntnisgewinnimg. Entscheidend sei das nachvollziehende „Verstehen" eines Sachverhalts bzw. des Denkens und Erlebens von Akteuren. Handlungen müssen daher nicht nur in ihrer Intentionalität, sondern auch nach ihrem subjektiven Sinn und nach ihrem Bedeutungsgehalt verstehbar gemacht werden. Wissenschaftstheoretisch lässt sich zeigen, dass es keineswegs nötig ist, die psychischen Prozesse und Bewusstseinsinhalte anderer Menschen sinndeutend nachzuvollziehen, um zu
Plastizität
Phantasiereallsiening
angemessenen Aussagen über soziale Sachverhalte und Prozesse zu gelangen. Auch Symbole, Sinnzusammenhänge, Alltagswissen usw. sind also Tatsachen, die keineswegs der kausalen (und damit erklärenden) Analyse entzogen sind.
stimmte Sachverhalte nachprüfen zu können. Eine Neigung zum sozialen Vergleich entstehe lediglich bei geringer P. Die empirischen Ergebnisse zeigen indes, dass Individuen auch bei im Prinzip nachprüfbaren Sachverhalten häufig das Urteil Anderer suchen.
Phantasierealisierung Dieses Konzept von OETTINGEN analysiert Prozesse der Zielsetzung auf der Basis zweier Formen antizipativen Denkens: Erwartungen (erfahrungsbasierte Wahrscheinlichkeits-Einschätzungen) sowie Zukunftsphantasien (freie Gedanken und Vorstellungen über mögliche künftige Ereignisse, z.B. Erfolge). Postuliert werden drei Wege der Zielsetzung: der erwartungsgebundene, an der Realität orientierte, das Schwelgen in positiven Zukunftsphantasien sowie das Grübeln über die negativen Aspekte der widersprechenden Realität. Handlungsleitend wirkt dabei lediglich die erwartungsgesteuerte Zielsetzung.
Plan Geistige Vorwegnahme zukünftiger zielgerichteter Handlungen. Der Aspekt des Planens ist vor allem für Handlungstheorien zentral (-* TOTE-Modell, Theorie sozialer Fertigkeiten, Konzept der -»Handlungsregulation Instrumentalitätstheorie, Theorie der -»Handlungskontrolle, Theorie des -»geplanten Handelns). Das Konstrukt des P. setzt starke kognitive Beteiligung, ausgeprägte Zielvorstellungen sowie meist eine ausgedehntere Zeitperspektive voraus.
Phasenmodelle P. sind in zahlreichen sp Kontexten entwickelt worden, z.B. im Bereich sozialer -* Episoden, bei der -*• Motivation und beim sozialen -* Handeln (Handlungssequenzen), bei Entscheidungsprozessen, beim -*prosozialen Verhalten (-+ Hilfeverhalten), bei sozialen -* Beziehungen (speziell auch für -»•Liebe), bei der Einfuhrung und Umsetzung von -* Innovationen, bei der Bewältigung von -» Stress (~> Coping) u.v.m. Physikalische Realität So bezeichnet FESTINGER in seiner Theorie sozialer -* Vergleichsprozesse die objektivierbare Möglichkeit, be-
Planned action halten
geplantes Ver-
Platzierungseffekt Wirkung der Anordnung von Fragen im Interview. So ist es z.B. nicht gleichgültig, ob eine Frage am Anfang (-»Primacy-Effekt) oder am Ende (-• Recency-Effekt) gestellt wird; auch ergeben sich —• Halo-Effekte durch den vorgelagerten Fragenkontext. Insofern handelt es sich um einen Störeffekt, der durch wechselnde Anordnungen eliminiert werden kann. Plastizität Lerntheoretische und kulturanthropologische Annahme, dass die Persönlichkeit des Menschen in geringerem Maße von dessen biologischen Anlagen (-» Anlage vs. Umwelt) bestimmt wird, sondern in viel stärkerem Um431
Pluralistische Ignoranz
Position, soziale
fang sozial-kultureller Formung unterliegt. Einen gegensätzlichen Standpunkt vertritt die —• Soziobiologie. Pluralistische Ignoranz (I) Nach F. H. ALLPORT Bezeichnung für eine Situation, in der eine P annimmt, nur sie allein würde bestimmte soziale Normen nicht befolgen. Man verheimlicht daher seine deviante Einstellung oder sein abweichendes Verhalten, um sich nicht der Missbilligung Anderer auszusetzen. Dieses Schweigen wird jedoch wiederum von den anderen als Zustimmimg zu den sozialen Normen interpretiert.
(I) Beim -» Assimilations-Kontrast-Effekt die Beobachtung, dass bei stark von der eigenen Einstellung abweichenden persuasiven Einwirkungen die eigene Einstellung als noch entfernter erlebt wird als sie tatsächlich ist.
&
(II) Im Prozess der sozialen Klassifikation erfolgt eine - nach Maßgabe der Orientierungsdimension - Überbetonimg der Unterschiede von Reizen in zweierlei Richtungen: Reize verschiedener Klassenzugehörigkeit werden als unterschiedlicher wahrgenommen als sie es sind, wohingegen Reize derselben Klasse als ähnlicher (-• Akzentuierung) eingeschätzt werden, als es der Realität entspricht.
gilt P. als Sachverhalt, der sich auf die Bereitschaft zur Hilfeleistung auswirkt: Zahlreiche „Herumstehende" reagieren nicht (-> BystanderEffekt), so dass geschlossen wird, es läge wohl kein eigentlicher Notfall vor.
(III) Das gleiche Phänomen tritt bei der Gegenüberstellung von Eigengruppe und Fremdgruppe auf: Intragruppen-Differenzen werden unterschätzt, Unterschiede zu Fremdgruppen dagegen überschätzt (soziale -> Identität).
(II) Speziell in der Phasentheorie des Hilfeverhaltens
von
LATANE
DARLEY
P-Macht So bezeichnet MCCLELLAND die Ausübung sozialer —• Macht mit der Absicht, eigenen Interessen zu dienen (Gegensatz: S-Macht, die prosozial auf das Kollektiv ausgerichtet ist). Polarisationsprinzip Eines von möglichen Prinzipien, nach denen das Individuum kognitive Inkonsistenz beseitigt: Die am wenigsten polarisierte Relation wird geändert (—• Balancetheorie). Polarisierung In verschiedenen Theoriezusammenhängen behauptete Spreizung von Effekten. 432
(IV) Verglichen mit einer Einzelentscheidung ist die -* Gruppenentscheidung relativ extremer, entweder in Richtung riskanter Entscheidungen (-> Risikoschub) oder in Richtung vorsichtiger Entscheidungen (Vorsichtsschub). Dieser Effekt wird als -* Gruppenpolarisation bezeichnet. Polaritätsprofil -> Einstellungsmessung Position, soziale Ort in einem sozialen Gefiige (z.B. Gruppe, Gesellschaft). Pn befinden sich in mehreren P. (z.B. Vorstandssprecher, Mitglied des Tennisvereins, Ausländer). Der bewertete Aspekt einer P. heißt Status. Zu jeder P. ge-
Positionseffekt
hört eine soziale -»Rolle; diese betrifft den funktionalen Aspekt einer P. Nach LINTON werden erworbene bzw. erwerbbare (achieved) und zugeschriebene (ascribed) P. unterschieden (letztere sind u.a. Herkunft, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit). Positionseffekt ->• Primacy-Effekt -> Recency-Effekt Positionsmacht Auch: headship; die mit einer sozialen -* Position verbundene Anordnungsbefugnis. Sie ist meist formell festgelegt (z.B. als Kontrollspanne). Unterschiedliche P. spielt u.a. im Führungsmodell von FIEDLER (-> Führungstheorien) als situative Variable eine Rolle. Positivitätsprinzip Einer von mehreren möglichen Mechanismen, nach denen kognitive Inkonsistenz (->• Balancetheorie) abgebaut wird: Solche Strukturen werden bevorzugt, bei denen die Anzahl der positiven Relationen erhöht wird. Positivitätstendenz Während bei der Personenbeurteilung meist eine Negativitätstendenz gilt - negative Verhaltensweisen oder Eigenschaften werden eher wahrgenommen und als wichtiger bei der -»Informationsintegration zu einem Gesamteindruck angesehen- besagt die Hypothese der -»Diagnostizität, dass in bestimmten Fällen auch das Umgekehrte gelten kann. Insbesondere bei Leistungsaspekten sind positive Verhaltensweisen (z.B. eine gute Schulnote) oft der „Beweis" für bestimmte Dispositionen (z.B. Intelligenz). Schlechte Schulnoten entziehen sich
Prägung
der genauen Diagnose und lassen die Zuschreibung auf Faulheit oder Begabung im Unklaren. DION ermittelt überdies einen Positivitätseffekt für Personen-Urteile, die nach außen vertreten werden müssen und mit denen man identifiziert werden kann. Postdezisionale Rationalität -* Rationalität Postmaterialismus -*• Wertewandel Präferenzbildung P. sowie Präferenzänderungen können aus psychologischer Sicht am ehesten durch die Lerngeschichte des Individuums erklärt werden (-* Lernen). Dabei geht es sowohl um primäre —• Verstärker, die an physiologischen Bedürfhissen anknüpfen als auch um sekundäre Verstärker, die durch die spezifische Lernumwelt, insbesondere auch den sozial-kulturellen Kontext ermittelt werden. Präferenz-Umkehr Nach GRETHER & PLOTT wählen Individuen lieber eine Alternative mit größerer Gewinnchance und kleinerer Gewinnsumme als eine - im Erwartungswert gleiche- Option mit kleinerer Gewinnchance und größerer Gewinnsumme, wenn sie diese beiden Möglichkeiten angeboten bekommen. Wenn sie jedoch im Besitz der jeweiligen Option sind, verlangen sie im Verkaufsfall den höheren Preis für die zweite Alternative (—> Anomalien). Prägung I.R. der —> Ethologie untersuchter Lernprozess Lernen), der einen Lebensabschnitt beschreibt, in dem das 433
Prestige
Präsenz, soziale
Lebewesen bestimmten Lernerfahrungen besonders zugänglich ist und in dem das Lernen besonders rasch abläuft. Die Ergebnisse der P. sind relativ stabil und bisweilen irreversibel. Während P.-Phänomene im Tierbereich gut nachgewiesen sind, ist es umstritten, ob und inwieweit auch der Mensch eine P.-Phase durchläuft. Zumindest für die Sprachentwicklung dürfte jedoch eine solch sensible Lernphase belegt sein.
Präsenz, soziale Die Theorie der P. (SHORT et al.) geht von folgender Annahme aus: Je höher die P. eines Mediums ist, desto besser ist dieses dazu geeignet, die zwischenmenschliche Komponente in einer Kommunikationsbeziehung zu übermitteln (-»Kommunikation, soziale —• Kommunikation, computervermittelte). Die höchste P. wird dabei durch die „face-to-face-Kommunikation" repräsentiert. P. ist eine Eigenschaft des Mediums und nicht des Akteurs. Sie variiert von Medium zu Medium und wird subjektiv durch den Akteur wahrgenommen.
Praxis (der Sozialpsychologie) Sozialpsychologie,
angewandte
Preisforschung Die P. ist Teil der -*• Marktpsychologie und befasst sich im Wesentlichen mit den Auswirkungen verschieden hoher Preise sowie Preisänderungen auf das -* Konsumentenverhalten. Folgende Fragenbereiche sind zu unterscheiden: (a) Problem der Preisfestsetzung: Nach welchen Kriterien werden Preise festgelegt und verändert? 434
(Hierzu liegt wenig empirische Forschung vor.); (b) Preiswahrnehmung, Preisbewusstsein, Preisbeachtung: In welchen Situationen werden Preise mit welchen Konsequenzen kogniziert?; (c) Preiskategorisierung, Preisschwellen, Glattpreise: In welche Urteilskategorien teilt der Konsument unterschiedliche Preise ein?; (d) Implizite Preistheorien (z.B. Vermutungen über den Zusammenhang zwischen Preis und Qualität). PREMACK-Prinzip Nach PREMACK kann das wahrscheinlichere - häufiger bevorzugte und bereits gut etablierte -Verhalten als Verstärker für ein weniger wahrscheinliches Verhalten fungieren. So könnte bspw. die Aussicht auf einen frühen Feierabend im Familienkreis den Arbeitseinsatz von P beflügeln.
Preparedness Nach SELIGMAN die Verknüpfung von Lernprozessen mit biologischen „Bereitschaften" oder „Constraints". Danach gibt es Anlagebedingungen, die eine gewisse Disposition dafür liefern, dass manche assoziativen Verknüpfungen schneller erfolgen als andere. Dieses Konzept bildet eine Art Brücke zwischen genetischen Anlagebedingungen und Lernprozessen (-»Anlage vj. Umwelt).
Prestige Das soziale Ansehen, das ein Individuum (bzw. eine Gruppe oder Sozialschicht) eines bestimmten sozialen Status besitzt. Nach WEBER wird zwischen Machtschichtung, Einkom-
Prestigemotiv mensschichtung und P.-Schichtung unterschieden. Die P.-Differenzierung wird im Rahmen bestimmter P.-Skalen ermittelt (am häufigsten als Messung des Berufs-P.). Prestigemotiv Wunsch nach Anerkennung und Prestige. Obgleich das P. ein wichtiges soziales Motiv darstellen dürfte (-* Motivation, soziale), ist dieses vergleichsweise wenig untersucht und spielt allenfalls im Zusammenhang mit demonstrativem Konsumverhalten eine eher illustrative Rolle. Primacy-Effekt (I) Im Rahmen der Personenwahrnehmung (—> Wahrnehmung, soziale) auftretender Effekt, wonach die ersten Eindrücke entscheidender sind als nachfolgende. Betrachten wir eine Sequenz positiver (p) und negativer Eindrücke (n), so wird eine P mit der Reihenfolge p, p, p, n, n, n positiver beurteilt als eine P mit n, n, n, p, p, p. Eine Erklärung für diesen Effekt wird darin gesehen, dass zuerst wahrgenommene Merkmale stärkere Beachtung finden als spätere. Eine alternative Erklärung bietet die -»Dissonanztheorie: Die ersten Urteile ergeben eine änderungsresistente, konsistente Struktur. Der P. tritt vermutlich nicht auf, wenn zwischen den Teilen der Darbietung längere Zeiträume liegen; dann ist der zweite Block leichter verfügbar, der erste u.U. „vergessen" (-» Recency-Effekt). (II) In der Erforschung sozialer -» Kommunikation ist die Frage relevant, ob die am Anfang und am Ende einer Mitteilung bzw. eines Kommunikationsprozesses dargebotenen Argu-
Priming mente wirksamer sind. Auch hier zeigt sich, dass P. umso eher auftreten werden, je geringer die zeitliche Distanz zwischen den Mitteilungen ist. Daher ist es im Rahmen „kurzer" Kommunikationsprozesse vermutlich günstiger, die Pro-Argumente für die angestrebte -* Einstellungsänderung bereits zu Beginn zu platzieren. Primäre Motivation -> Motivation Primäre Verstärkung -»• Lernen -* Verstärkung Primärgruppe Bezeichnung von COOLEY zur Charakterisierung solcher Gruppen, deren Mitglieder in häufigen, intimen und emotional bedeutsamen persönlichen Beziehungen stehen (z.B. die Familie). Die Bezeichnung „Sekundärgruppe" bleibt allerdings unscharf und stellt eher eine residuale Kategorie dar. Priming (I) Kognitives P.: Nicht bewusste Voraktivierung von Gedächtnisinhalten (Konzeption, Wissen, Urteilen) durch vorausgegangene Hinweisreize semantischer oder numerischer Art, die bei nachfolgenden Urteilen zu Assimilations-Effekten führen (-> Aktivierung von Gedächtnisinhalten -* Anker-Effekt). Die Voraktivierung sorgt dafür, dass die Wahrnehmung von Ereignissen in einer ganz bestimmten Richtung erfolgt (-» Bias). Dies hängt damit zusammen, dass voraktivierende Vorstellungen im Gedächtnis leichter zugänglich sind (—• Zugänglichkeit ->• Verfügbarkeit).
435
Prisoner's Dilemma
(II) Affektives P.: Im Kontext des -> Affekt-Infusions-Modells (auch: Affekt-Priming-Modell) wird die Rolle der —> Stimmung bzw. der affektiven Ladung mit der selektiven —• Aktivierung (von Gedächtnisinhalten) sowie der erhöhten Zugänglichkeit stimmungskongruenter Gedächtnisinhalte erklärt. Prisoner's Dilemma -*• Gefangenen-Dilemma Prisonierung Sozialisationseffekt bei längerem Aufenthalt in Gefangnissen. Dieser Effekt wird durch die Besonderheiten der sozialen Beziehungen und Interaktionen (zu Häftlingen, mit Wärtern etc.) hervorgerufen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer besonderen Gefangniskultur (auch: Insassenkultur) mit sehr spezifischen Normen und Werten (-» Subkultur). Produktpsychologie Zentraler Ausschnitt der -»•Marktpsychologie, der auf Produkte (Güter, Marken) und Dienstleistungen gerichtet ist. Wichtige Themenfelder sind hierbei: (a) Image und Produktpositionierung; (b) Produktwahrnehmimg und Produktbeurteilung; (c) Produktattribute und Ausstrahlungseffekte; (d) Produktdifferenzierung und Werbung; (e) Produkttreue (Markentreue). Lit: -*
Marktpsychologie
Projektive Tests Verfahren der Persönlichkeitsdiagnostik, bei dem der P Reizmaterial vorge436
Prophezeiung, sich selbst erfüllende
legt wird, das mehrdeutig ist. Dabei wird angenommen, dass die Interpretation innere Gefuhlszustände, Motive oder Konflikte der P widerspiegelt. Im psychoanalytischen Prozess sind die ermittelten Interpretationen nur Mittel zum Zweck: der Erforschimg des Individuums und seiner Eigenheiten, insbesondere seiner psychischen Störungen. In der SP wird umgekehrt die Einzelpersönlichkeit zum Ausgangspunkt für die Ermittlung von generalisierbaren Reizwirkungen. Gleichwohl kommen in der SP ausgesprochen projektive Verfahren eher selten zum Einsatz, am ehesten noch bei der Messung von Motivstärken (-»TAT). Auch manche Verfahren zur Einstellungsmessung enthalten projektive Komponenten (z.B. das semantische Differenzial). Prophezeiung, sich selbst erfüllende Nach MERTON ein Ereignis, das nicht eingetreten wäre, wenn Pn ein solches Ereignis nicht erwartet hätten (-»• belief creates reality -*Bestätigungstendenz —>• Pygmalion-Effekt). Auf diese Weise können auch irrtümliche Auffassungen bestimmte Pn veranlassen, sich so zu verhalten, dass sich diese Überzeugungen durch das Verhalten der Betroffenen objektiv bestätigen. In einem engeren Sinn verwendet JusSIM diesen Begriff. Er unterscheidet drei Stufen, die notwendig sind, damit sich eine Erwartung selbst bestätigt: (a) Wahrnehmende bilden bestimmte (unzutreffende) Erwartungen;
Prophezeiung, sich selbst erfüllende
(b) Die Erwartungen des Wahrnehmenden färben darauf ab, wie sie sich bestimmten Zielpersonen gegenüber verhalten; (c) Die Zielperson reagiert auf das Verhalten des Wahrnehmenden in einer Weise, welche die ursprünglich falsche (oder neutrale) Erwartung bestätigt. Mögliche Anwendungsfälle liegen im wirtschaftlichen Bereich (z.B. Erwartungen an der Börse, Run auf Banken), im politischen Bereich (z.B. bei Wahlprognosen), im pädagogischen Bereich (z.B. schlechte Leistungen eines Schülers, die man vorausgesagt hat, Angst vor einer Prüfungssituation, in der man dann tatsächlich versagt), oder auf dem Gebiet des abweichenden Verhaltens (in dem z.B. durch Prozesse der -> Etikettierung Handlungsspielräume eingeschränkt werden, so dass das Individuum tatsächlich deviantes Verhalten zeigt). Häufig sind auch -» Attributionsfehler Auslöser für P., welche die Interaktionsbeziehungen positiv oder negativ i.S. der Erwartung beeinflussen. Sie wirken gewissermaßen wie ein sozialer Placebo-Effekt. Empirische Forschungen - z.B. im Bereich des abweichenden Verhaltens (-»labeling approach) - zeigen jedoch, dass man die Auswirkungen von P. überschätzt hat und dass sie lediglich unter bestimmten Bedingungen an Bedeutung gewinnen. Auch tritt gelegentlich ein umgekehrter Effekt auf (-> Prophezeiung, sich selbst zerstörende).
Prosoziales Verhalten
Prophezeiung, sich selbst zerstörende Self-destroying-prophecies treten nicht ein, weil aufgrund dieser Voraussagen bewusst Präventiv-Maßnahmen getroffen werden, die das Eintreten des Ereignisses verhindern oder abmildern (z.B. durch den pfleglicheren Umgang mit Ressourcen, Einstellen des Rauchens). Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn seitens der Betroffenen eine hohe Schutzmotivation besteht.
Propinquity-Effekt Bezeichnet die Beobachtung, dass räumliche Distanz einen Kostenfaktor für die soziale —> Beziehung bedeutet. Dem P. könnte jedoch durch den Effekt der Rechtfertigung des Aufwandes eine Gegentendenz erwachsen.
Prosoziales Verhalten P. wird meist als Oberbegriff für ein Verhalten verwendet, das nicht ausschließlich eigennützigen Interessen dient. So kann man die dabei möglichen Verhaltensweisen auf einem Kontinuum zunehmender Altruismusneigung einordnen, an dessen einem Ende z.B. die Kooperation (in die noch relativ hohe Anteile an eigennützigem Verhalten eingehen) und an dessen Gegenpol der -»• Altruismus (das bedingungslose Aufgehen im Dienste des Anderen) steht. Teilklassen des P. sind neben der Kooperation vor allem das Hilfeverhalten, das -* hilfreiche Verhalten (Unterstützung), -+ Zivilcourage, ehrenamtliches Engagement, Einsatz für Unterprivilegierte, -*• Solidarität und Solidarisierung u.v.a. Theoretisch und 437
Prospect theory
Prospect theory
empirisch am besten untersucht ist das -»• Hilfeverhalten (Hilfeleistung, hilfreiches Verhalten); unter diesem Stichwort weitere Ausfuhrungen.
Die meisten Menschen ziehen in einer solchen Situation den sicheren Gewinn vor, obgleich der Erwartungswert der zweiten Alternative höher ist.
Lit.: —Hilfeverhalten
Bei der Wertfunktion (konkav im Gewinnbereich, konvex im Verlustbereich) begegnet uns vordergründig eine Art Sättigungsgesetz (wie es für die Grenznutzentheorie konstitutiv ist).
Prospect theory Diese von KAHNEMAN & TVERSKY formulierte Theorie befasst sich mit hypothetischen Wahlen zwischen unterschiedlich risikoreichen Alternativen und stellt eine spezifische Variante der —• Wert-Erwartungs-Theorien dar. Dabei besteht die Annahme der Nicht-Proportionalität sowohl bei der —• Wahrscheinlichkeitsfunktion (geringe Wahrscheinlichkeiten werden überschätzt, hohe Wahrscheinlichkeiten werden unterschätzt) als auch bei der -> Wertfunktion. Nach Vorstellungen der P. geht der Nutzenbewertung eine Editing-Phase voraus, in der verschiedene Alternativen aufbereitet werden (z.B. Vereinfachungen und Rundungen, Einbeziehen des aktuellen Besitzstandes). Die Autoren postulieren sodann, dass die Wertfunktion für Gewinne (relativ zu einem bestimmten Referenzpunkt) konkav, für Verluste dagegen konvex sei. Ferner wird angenommen, dass die Funktion für Verluste steiler verläuft als für Gewinne. Dies folgt der Regel, dass man Verlusten mehr nachtrauert, als man sich an Gewinnen erfreut. Ein hierzu passendes Beispiel geht bereits auf BERNOULLI (1896) zurück. Jemand hat die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: einem sicheren Gewinn von 80 € und einer (risikobehafteten) Chance, mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 % 100 € zu gewinnen (gleichbedeutend mit der Wahrscheinlichkeit von 15 %, leer auszugehen). 438
KAHNEMAN &
TVERSKY
begründen
den Effekt jedoch nicht motivational i.S. eines Sättigungsprinzips, sondern in Anlehnimg an psycho-physische Besonderheiten des menschlichen Wahrnehmungsapparates. So wie der Unterschied einer Temperaturänderung von 3 auf 6 Grad größer erscheint als eine Änderung von 13 auf 16 Grad, so erscheint auch die Differenz zwischen 100 € und 200 € größer als der Unterschied zwischen 1100 € und 1200C (dies entspricht dem WEBER/FECHNERschen Gesetz der Psychophysik). Die P. wurde vielfach kritisiert (z.B. v o n GIGERENZER) u n d v o n KAHNEMAN & TVERSKY verschiedentlich
nachgebessert. Insbesondere stieß die Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion auf methodische Kritik und führte zu einer Reformulierung (sog. Cumulated prospect theory = CPT). Die CPT weist unterschiedliche Gewichtungsfunktionen für den Gewinn- und Verlustbereich auf, die nunmehr auch an den Endpunkten wohldefiniert sind. Sie zeigt auch, dass im Gewinn- wie im Verlustfall geringe Wahrscheinlichkeiten über- und große Wahrscheinlichkeiten untergewichtet werden. Eine psychologische Erklärung dieser Effekte erfolgt jedoch nur ansatzweise. Ein neuer Versuch von E. BRANDSTÄTTER führt emotionale Vari-
PSI-Theorie
Prospect theory
ablen (Enttäuschung und Überraschung) in das Modell ein, was u.U. zur Erklärung der Funktion beiträgt. Nichtsdestoweniger stellt die P. eine Herausforderung an die klassische SEU-Konzeption dar und rüttelt zudem an den Grundfesten der ökonomischen Nutzentheorie. Außerdem ist sie in der Lage, zumindest einige der sog. —> Anomalien (kognitive -* Täuschungen) zu erklären. Lit.:
KAHNEMANN,
D.
&
TVERSKY,
A.
(1979). Prospect Theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, 47, 2, 263-291. KAHNEMANN, D . & TVERSKY, A . (eds.) (2000). Choices, values and frames. Cambridge, UK. SCHMOOK, R . et al. (22002). Prospekttheorie. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. III, 297-311. THALER, R . H . (1991). Quasi rational economics. New York. TVERSKY, A . & KAHNEMANN, D . (1992). Advances in Prospect Theory: Cumulative Representation of Uncertainty. Journal of Risk and Uncertainty, 5,297-323.
Prototyp Exponent eines Begriffs, der diesen einwandfrei und typischerweise am charakteristischsten repräsentiert. Man spricht auch von Typikalität oder semantischer Zentralität. So wird z.B. ein Spatz als typischer Vertreter der Kategorie „Vogel" angesehen (im Gegensatz zu: Huhn, Pinguin). Der Begriff P. hat auch in sp Konzepten Eingang gefunden, z.B. in der Forschung zur sozialen Eindrucksbildung oder i.R. der Untersuchung von Stereotypen oder sozialen -» Vorurteilen. Will man ein Vorurteil bestätigen, sucht man sich eine P mit unangenehmen Eigenschaften, die als prototypisch für die fragliche Gruppe (z.B. Juden) angesehen werden soll.
Prozedurale Gerechtigkeit -> Gerechtigkeit, prozedurale Prozesstheorien (der Motivation) So bezeichnen PRITCHARD & CAMPBELL inhaltlich nicht bestimmte Verlaufstheorien der Motivation, z.B. die -»• Instrumentalitätstheorie oder das Erwartungsmodell von PORTER & LAWLER Wert-Erwartungs-Theorien). Die Bezeichnung ist irreführend, da auch Inhaltstheorien (z.B. MASLOW) Prozesscharakter haben. Besser daher: formale Theorien. Proud-Effekt Wenn Entscheidungen mit hohem -> Commitment getroffen werden, so steigt die subjektive Wertschätzung von Gewinnen, da man aufgrund internaler -+ Attribution auf seine Ergebnisse stolz sein kann. Pseudo-Einstellung In bestimmten Fällen wird eine -» Einstellung durch die Messimg überhaupt erst geschaffen. Man spricht auch von „Nicht-Einstellung". Allerdings ist nicht auszuschließen, dass ein durch den Erhebungsvorgang erzeugtes Nachdenken über einen Gegenstand Einstellungen etablieren kann, die jedoch meist schwach und labil sein werden. Pseudo-Interaktion Nach JONES & GERARD eine unechte soziale Interaktionsbeziehung (-»Interaktion, soziale), in der die Partner lediglich eigene Pläne verfolgen oder aneinander vorbeireden. PSI-Theorie Dieses Konzept von KÜHL steht für Persönlichkeits-System-Interaktionen 439
Psychoanalyse
und enthält eine komplexe Weiterentwicklung interaktionistischer Modelle (i.S. der Interaktion zwischen Person und Situation) unter Einbeziehung motivationaler, insbesondere volitionaler Aspekte (-»• Motivation Volition Handlungskontrolle).
Psychoanalye Es hat Versuche gegeben, die SP mit der P. zu verbinden, zumal diese auch Vorgänge untersucht, die im Rahmen sp Forschimg zentral sind (z.B. Sozialisationsprozesse, Kontrollaspekte). Der „Mainstream" der SP scheint jedoch psychoanalytische Ansätze zu meiden. Dies liegt an einem strengeren Methodenverständnis, dem sich der vorwiegend spekulative Einschlag der P. entzieht.
Psychodrama Nach MORENO eine psychotherapeutische interaktionelle Aktionsmethode, in der Vorstellungen, Situationen und Konflikte nicht nur verbal, sondern auch aktional (szenisch) verarbeitet werden (-»• Rollenspiel).
Psychologie Die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen. Mit dem Begriff Erleben wird gewissermaßen die geisteswissenschaftliche Tradition der P. repräsentiert, die später unter dem Dach der kognitiven P. zur bestimmenden Perspektive wurde. Mit dem Begriff Verhalten ist die eher behavioristische Tradition der P. angesprochen, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insbesondere die USamerikanische P. beherrschte. Die wichtigsten Themenbereiche der P., abzulesen etwa an den gängigen 440
Psychologie
Lehrbüchern, sind: (a) (b) (c) (d) (e)
Wahrnehmung und Bewusstsein; Lernen, Denken, Gedächtnis; Motivation und Volition; Emotion, Stress und Gesundheit; Persönlichkeit und ihre Entwicklung; (f) Sprache; (g) Sozialer Kontext. Die SP wird heute als ein Gebiet der P. betrachtet, das weniger i.S. eines zusätzlichen Themenfeldes (neben Motivation, Lernen etc.) zu sehen ist, sondern als gewissermaßen quer zu diesen Thematiken stehende Forschungsperspektive, die sämtliche o.g. Bereiche speziell unter dem Aspekt des sozialen Kontextes betrachtet. Die Einfügung der SP in die P. erfolgt, zumal in Deutschland, aus dem Selbstverständnis der Forscher (und ihrer Herkunft) aus der P. Die Teilzugehörigkeit zur Soziologie -ursprünglich war die SP eine Tochter dieser Wissenschaftsdisziplin - ist nahezu abgerissen, was von einigen Fachvertretern zwar beklagt wird, ohne dass damit jedoch eine Rückbesinnung oder Neuorientierung eingeleitet würde. Die Abgrenzung zwischen P. und SP ist nicht sehr eindeutig. Feststellbar ist allerdings ein Diffusionsprozess dergestalt, dass immer mehr Konzepte und Befunde der SP Eingang in die allgemeine P. gefunden haben, z.B. die Attributionsforschung, die Analyse von Einstellungen, das Studium sozialer Motivation oder die Selbstkonzeptforschung. Die hier vermerkten Abgrenzungsschwierigkeiten bestimmen auch die verschiedenen Versuche der Gegenstandsbestimmung der SP (-> Sozialpsychologie, Gegenstand der).
Psycho-Logik Lit.:
CARLSON,
Puritanische Ethik N.R.
&
BUSKIST,
R.
( 5 1996). Psychology - The science of behavior. Boston u.a. HERKNER, W. (1986). Psychologie. Wien. MIETZEL, G. ( 6 1994). Wege in die Psychologie. Stuttgart. ZIMBARDO, P.G. & GERRIG, R J . ( 7 1999). Psychologie. Berlin u.a.
Psycho-Logik Nach ABELSON & ROSENBERG ein System von Regeln, nach denen Menschen auf der Basis verfugbarer Kognitionen denken und Schlüsse ziehen. Die Regeln der P. sind keineswegs identisch mit denen der Logik, gleichwohl folgen sie systematischen Gesichtspunkten (-> Attributionsfehler —>• Täuschungen, kognitive —• Bias -* Anomalien).
Psychologischer Vertrag Neben dem Arbeitsvertrag wird vielfach zwischen Individuum und Organisation ein P. geschlossen, in dem die gegenseitigen Erwartungen und Ansprüche der Mitglieder und der Organisation geregelt werden. Das Konzept entstammt der Denktradition der —• Anreiz-Beitrags-Theorie. Betont wird u.a., dass dieser P. nicht statisch auszulegen sei, sondern veränderten Aspekten individueller Persönlichkeitsentwicklung und einem Wandel der organisationalen Bedingungen Rechnimg zu tragen habe.
Publikum (I) I.R. der Massenkommunikation eine disperse Menge von Rezipienten (—> Mediennutzung —• Medienwirkungen). (II) Im Prozess der unvermittelten sozialen -* Kommunikation ist das konkrete (oder auch vorgestellte) P. die Instanz, an die sich Techniken der
-* Selbstdarstellung management) richten.
(-> Impression
Puffer-Effekt Schicksalsschläge (z.B. Tod eines Verwandten, Arbeitslosigkeit) oder auch Stress können durch soziale -* Unterstützung abgemildert werden.
Pull-Theorien „Zugtheorien", die besondere Aufmerksamkeit auf die äußeren Anreize des Verhaltens legen (-• Anreiz —• Motivationstheorien). Gegensatz: -* Push-Theorien, die auf innere Antriebe (z.B. Triebe, Bedürfnisse, Gefühle) reflektieren.
Punitiv Bestrafungsorientiert, z.B. als Sozialisationsstil oder als -* Führungsstil. Die Anwendung von -»Bestrafungsmacht ist kostspielig (-* Machtkosten) und von den Konsequenzen her nicht immer absehbar (-» Bestrafung).
Puritanische Ethik WEBER hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Ratio des Kapitalismus durch bestimmte Glaubensinhalte - speziell des Calvinischen Puritanismus und des Lutherischen Pietismus mitbedingt wurde. Danach ist materieller Erfolg ein sichtbares Zeichen für göttlichen Gunstbeweis. Eine puritanische Gesinnung ist der Gegenpol zum Wert des ->Hedonismus. Der Index P. wird insbesondere im historischen Vergleich beim Studium von Entwicklungsländern eingesetzt. Allerdings dürften die Triebfedern wirtschaftlicher Entwicklung heute kaum mehr mit der historisch einmaligen „take-off'-Situation der 441
Push-Theorien
Pygmalion-Effekt
Entfaltung des Kapitalismus zu vergleichen sein.
nen) abheben, die ein bestimmtes Verhalten erklären sollen.
Push-Theorien
Pygmalion-Effekt
„Antriebstheorien" (-* Motivationstheorien), die insbesondere innere Antriebe (Instinkte, Stimmungen, Triebe, Bedürfnisse) in den Vordergrund stellen. Gegensatz: Pull-Theorien, die stärker auf äußere Anreize (z.B. attraktive Ziele, besondere Gratifikatio-
Ein von ROSENTHAL untersuchter Effekt (-»ROSENTHAL-Effekt), der die Auswirkungen einer sich selbst erfüllenden -* Prophezeiung im Bereich pädagogischer Interaktionen beschreibt. Der P. bezieht sich auch auf die Interaktions-Situation der Datenerhebung (-> Versuchsleiter-Effekt).
442
Q-Sortierung
Guttman-Skala
Qualitätszirkel Form der Kleingruppenarbeit in Organisationen, bei der sich Pn aus einem oder mehreren Arbeitsbereichen treffen, um aufgabenbezogene Probleme zu erörtern, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die dann auch eigenständig realisiert werden. Qualitative Methoden den Methodologie
Metho-
Quasi-experimentelle Designs Experiment Methoden Quasi-Gruppe Eine soziale —> Gruppe, die nicht durch face-to-face-Kontakte charakterisiert ist, sondern durch gemeinsame Merkmale (z.B. Hautfarbe, Berufsstatus). Der Gruppenbegriff der sozialen Identitätstheorie geht in ähnliche Richtung, wobei interaktive
Kontakte nicht ausgeschlossen werden. Quasi-Theorie Nach ALBERT eine Theorie mit raumzeitlich begrenztem Geltungsanspruch (z.B. Theorie der industriellen Entwicklung). Querschnitts-Analyse Erfassung des Status Quo, insbesondere mit dem Zweck des Vergleichs von Pn verschiedenen Alters zu einem bestimmten Erhebungstermin. Gegensatz: -* Längsschnitts-Analyse i.S. einer zeitlichen Fortschreibung, um Prozesse und Entwicklungen zu studieren. Quotenverfahren
Methoden
Quotenplan Strategie zur Darbietung von stärkern (-» Verstärkerpläne).
Ver-
443
Rassismus
Rationalisierung (kognitive)
Rassismus Soziales —• Vorurteil und diskriminierendes Verhalten (-> Diskriminierung) gegenüber einer Rasse (Ethnie). Dazu gehören meist institutionalisierte Praktiken, die Angehörigen dieser Rasse abzuwerten und sie sich unterzuordnen.
Rational Choice Versuch der Soziologie (seltener der SP), den ökonomischen Erklärungsansatz (—> Rationalität Nutzen) auch auf nicht-ökonomische Gegebenheiten (z.B. Heiratsverhalten, Rauschgiftkonsum) zu übertragen. Vor allem in der Soziologie hat der R.-Ansatz mittlerweile paradigmatische Bedeutung (v.a. COLEMAN
in
den
USA;
ESSER
in
Deutschland). Das Kernmodell des R.-Ansatzes ist eine —• Wert-Erwartungs-Theorie. Im Hinblick auf die dabei unterstellte Rationalität werden minimale Voraussetzungen gemacht. Es wird postuliert, dass Individuen i.S. eingeschränkter Rationalität handeln. In Bezug auf die Kontextwirkungen wird das Modell i.S. eines „constrained choice" gesehen (strukturell-individualistischer Ansatz), in dem die Bandbreite möglichen Verhaltens durch Restriktionen vorgefiltert wird. Der R.-Ansatz ist mit gewissen Einseitigkeiten und Schwierigkeiten verknüpft, die insbesondere mit der Ausblendung solcher Variablen zusammenhängen, die schwerlich in ein Kosten-Nutzen-Kalkül einzuordnen sind (z.B. Bedeutung von -* Gewohnheiten, intemalisierte soziale -* Nor444
men, -* Kontrollüberzeugungen). Allerdings gibt es eine Reihe sp Konzepte, in denen Kosten- und Ertragsfaktoren eine wesentliche (aber eben nicht die alleinige) Rolle spielen.
Rationalisierung (der Arbeit) Verbesserung der Effizienz beim Einsatz der Arbeit (meist im Bereich von Organisationen). Sp Themen sind u.a. die Auswirkungen von R.-Maßnahmen auf das Erleben und Verhalten von Arbeitenden samt der dadurch gegebenen Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren.
Rationalisierung (kognitive) Die Neigung des Menschen, ein Verhalten oder eine Entscheidung ex post zu begründen oder zu rechtfertigen. Für FREUD, der diesen Begriff prägte, ist R. ein Abwehrmechanismus. Ohne die spezifischen Implikationen der Psychoanalyse wird der Begriff in FESTINGERS -*Dissonanztheorie
ge-
braucht: R. ist dort eine von möglichen kognitiven Strategien, um Entscheidungen bzw. Verhaltensweisen als „vernünftig" hinzustellen. Die R. entspricht dem, was WEICK als
postdezisionale Rationalität ausweist. Nach MEYER & ROWAN setzt der Mensch seinen Verstand häufig weniger zur Entscheidungsbildung ein, sondern eher zur Entscheidungsrechtfertigung. Insbesondere in Organisationen würde daher ein Mythos der Rationalität gepflegt. Das Eingeständnis, „unvernünftig" oder nicht rational gehandelt zu haben, dürfte selbstwertschädlich sein, v.a. wenn Rationalität zur Rollenverpflichtung gehört. Hier-
Rationalität
bei entsteht ein besonderer Rationalitätsdruck, der vielfach erst nach erfolgter Entscheidung einsetzt. Die Theorie rationalisierten Verhaltens (WISWEDE) versucht, die Bedingungen herauszuarbeiten, unter denen R.-Tendenzen mehr oder weniger deutlich auftreten.
Rationalität (1) Begriff: Allgemein Vernunft, Vernünftigkeit. Spezifischer: das Treffen einer -» Entscheidung für die Option mit der günstigsten Kosten-NutzenBilanz. Das Rationalprinzip spielt in der Ökonomie eine zentrale Rolle, gleichermaßen für den Rational Choice-AnsdAz. in der Soziologie. In vielfach modifizierter Form ist das Konzept der R. auch Thema der verschiedenen -* Entscheidungstheorien. Die wirtschaftstheoretische ModellAnalyse unterstellt das Rationalprinzip als Verhaltensannahme, Nutzenmaximierung als Zielsetzung (Gewinnmaximierung als Unterform) sowie Markttransparenz und unendliche Anpassungsgeschwindigkeit als Nebenbedingungen. Es handelt sich bei dieser Auslegung des R. um ein formales Durchfuhrungsprinzip. Dabei wird die Entscheidungssituation wesentlich durch zwei Elemente beschrieben: durch die Präferenzen des Individuums sowie durch die Restriktionen. Menschliches Verhalten wird dabei als rationale Auswahl aus den verfugbaren Alternativen verstanden, indem das Individuum sich für diejenige Möglichkeit entscheidet, die seine Präferenz am ehesten abbildet bzw. von der es sich den größten Netto-Nutzen verspricht.
Rationalität
(2) Erfahrungswissenschaftliche Relevanz: Solange R. als formales Prinzip der Entscheidungslogik verstanden wird, hat dieses lediglich einen logischen Stellenwert im Rahmen der normativen Entscheidungstheorie. Die Vermutung, dass das Prinzip - losgelöst von seiner formalen Gestalt- doch erfahrungswissenschaftliche Relevanz haben könnte, d.h. etwas über faktisches Verhalten aussagt, lässt sich nach ALBERT wie folgt ausdeuten: (a) R. als Fiktion: Unter dem Aspekt des „als ob" wäre das Rationalprinzip fur die Analyse konkreter Verhaltensweisen u.U. von heuristischem Wert, gewissermaßen als Test für den Vernunftgehalt von Handlungen; (b) R. als Hypothese: Diese könnte so expliziert werden, dass bestimmte Umstände (z.B. Situation der Knappheit, Handeln im Auftrag Anderer, Professionalität) oder Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Bildungsgrad, Intelligenz) den Menschen zu verstärktem rationalen Handeln veranlassen (z.B. intensive Informationssuche vor einer bedeutungsvollen Kaufentscheidung); (c) R. als Definition: Diese dritte Ausdeutungsmöglichkeit bestünde in der Feststellung, alle Menschen würden (definitionsgemäß) rational handeln. Diese Aussage ist von geringem Informationsgehalt und lässt lediglich eine Abgrenzung zwischen Humanverhalten und dem Verhalten von Tieren zu; (d) R. als Postulat: In normativer Sinngebung wird das Rational445
Rationalität
prinzip präskriptiv verstanden: der Mensch solle rational handeln (Anraten von R.). Solche R.-Gebote können das faktische Verhalten von Menschen beeinflussen, indem R. hier im Gewände einer Norm bzw. eines Wertes auftritt. R. wäre dann Teil des sozialen Weltsystems, rationales Handeln demnach „wertvoller" als nicht-rationales oder irrationales Handeln. (3) Unterscheidungen: Die sehr restriktive formal-logische Bestimmimg von R. ist auch i.R. der Ökonomie subtileren Abstufungen gewichen. Es empfiehlt sich, die folgenden Differenzierungen festzuhalten: (a) Formale vs. inhaltliche R.: Erstere wird als formales Durchführungsprinzip verstanden, das eine bestimmte Präferenzstruktur sowie Nutzenmaximierung als Zielsetzung voraussetzt. Inhaltliche oder substanzielle R. (WertR. bei MAX WEBER) thematisiert
die Vernünftigkeit der Ziele, die logische Konsistenz der Ziele etc. MYRDAL weist im Übrigen darauf hin, dass auch Mittel werthaltig sind und dass R. gleichfalls ihren Preis hat. HoMANS formuliert lapidar: Die Kosten der R. können R. irrational machen; (b) Individuelle vs. systemische R.: System-R. wird zwar von Menschen begründet; sie nötigt dem Einzelnen jedoch partiell rationales Verhalten auf, das nicht Gegenstand von Entscheidungen ist (z.B. Computerprogramme, Fertigungsstrukturen, Verfahrensregeln, Musterlösungen). Diesen 446
Rationalitat
Aspekt der R. hatte WEBER im Auge, wenn er die historische Entwicklung der okzidentalen Strukturen nachzeichnet; (c) Nach einem Vorschlag von FRANK kann man irrationales Verhalten „mit Bedauern" und „ohne Bedauern" unterscheiden. Beim erstgenannten Typ stellt sich das Individutim schlechter und würde im Wiederholungsfall sein Verhalten in Richtung R. verändern/anpassen. Bei irrationalem Verhalten ohne Bedauern kommt es zu einer bewussten Abweichung. Individuen würden erneut so handeln, auch wenn sie die Irrationalität ihres Tuns einsehen (z.B. Verteilung nach Gerechtigkeitsregeln, Stimmabgabe bei Wahlen, Nichtbestechlichkeit, Hilfeleistung unter erheblichen Kosten); (d) Unbedingte und eingeschränkte R.: Auch Ökonomen betrachten den -* homo oeconomicus nicht mehr als extremen Idealtypus eines vollständig informierten und blitzschnell entscheidenden wandelnden Computers (KIRCHGÄSSNER 1991). Konzepte eingeschränkter R. sind v.a. dann bedeutsam, wenn Unkenntnis über die Handlungsmöglichkeiten und ihre Konsequenzen besteht. In solchen Fällen werden „rationale Suchstrategien" relevant, die zu akzeptablen Entscheidungen führen. SIMON spricht von eingeschränkter bzw. verfahrensmäßiger R. (z.B. Zuhilfenahme des Computers, Faustregeln und Heuristiken). Der Begriff der eingeschränkten R. ist das Pendant zum Satisficing-PTinzip,
Rationalität
das an die Stelle der Nutzenmaximierung tritt; (e) Entscheidungs-R. und postdezisionale R.: Vielfach zeigt sich, dass kognitive Anstrengungen eher im Hinblick auf die nachträgliche Begründung (-+ Rechtfertigung) von Entscheidungen erfolgen (insbesondere bei Legitimationszwängen oder bei voreilig getroffenen Entscheidungen). Dieser Fall der postdezisionalen R. (WEICK) ist insbesondere i.R. der Organisationspsychologie untersucht worden (-* Rationalisierung, kognitive). (4)R. in sp Theorien: Viele sp Konzepte und Theorien enthalten rationale Komponenten, so z.B. die verschiedenen -* Wert-Erwartungs-Theorien, die Theorien des überlegten Verhaltens und des geplanten Verhaltens, die verschiedenen -* Austauschtheorien (-»Interaktion, soziale), die Theorie der -*•Rollenbilanz, die Kostentheorie der sozialen -* Macht (-> Machtkosten) sowie Theorien der Hilfeleistung (-* Hilfeverhalten). Das kalkulative Element ist jedoch in sp Konzepten und Theorien (im Gegensatz zu ökonomischen Modellen) meist nur ein Variablenstrang unter mehreren. Auch gibt es Theorien, die eher Konzepte irrationalen Verhaltens darstellen, z.B. die Dissonanztheorie. Ebenso bieten die vielfaltigen Untersuchungen zum Forschungsprogramm „biases" und „heuristics" Hinweise darauf, wie weit Menschen vom Idealtypus der R. entfernt sind. (-* Bios Heuristiken). Diese Distanz ist nicht allein den kognitiven —• Täuschungen anzulasten, sondern auch der Wir-
Reaktanz
kung von —• Emotionen und Verhaltensroutinen (—• Gewohnheit). L i t . : EICHENBERGER, R . ( 1 9 9 2 ) . V e r h a l t e n s -
anomalien und Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden. KUNZ, V. (1997). Theorie rationalen Handelns. Konzepte und Anwendungsprobleme. Opladen. MCKENZIE, R.B. & TULLOCK, G . ( 1 9 7 5 ) . T h e n e w w o r l d o f e c o -
nomics. Explorations into the human experience. Homewood/Ill.
Rationalität, einschränkte tionalität
Ra-
Rationalität, postdezisionale -* Rationalität Rationalprinzip -> Rationalität Ratio-Skala -»•Einstellungsmessung Intervall-Skala mit natürlichem Nullpunkt (der die Abwesenheit des betreffenden Merkmals bedeutet). Die R. hat das höchste Skalenniveau; Quotienten von Messwerten können sinnvoll interpretiert werden. Reaktanz Psychische R. ist ein motivationaler Zustand, der auf die Erhaltung oder Wiederherstellung bedrohter Freiheiten gerichtet ist (BREHM 1966; BREHM & BREHM 1981; WICKLUND 1974).
Die Kernvorstellung ist, dass Individuen eine perzipierte/kognizierte Einschränkung des Freiheits- und Handlungsspielraums mit kognitiver R. beantworten (-»Exp. 2). Ein solcher motivationaler Spannungszustand ist besonders wahrscheinlich, wenn vorher weitgehend Freiheit bestand und diese ein geschätztes Gut darstellt (-» Reaktanztheorie). Lit.: BREHM, J.W. (1966). A theory of psychological reactance. New York, London. 447
Reaktanztheorie BREHM, S.S. & BREHM, J.W. (1981). Psy-
chological reactance. A theory of freedom and control. New York. DICKENBERGER, D. et al. (2001). Die Theorie der psychologischen Reaktanz. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. I. Bern u.a., 243-273. WICKLUND, RA. (1974). Freedom and reactance. New York. WORTMAN, C. & BREHM, J.W. (1975). Responses to uncontrollable outcomes: An integration of reactance theory and the learned helplessness model. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimantal Social Psychology, Vol. 8. New York. 277-336.
Reaktanztheorie Nach Vorstellungen der R. haben Individuen die Freiheit (Wahlmöglichkeit), bestimmte Handlungen auszuführen oder nicht. Wenn nun P vermutet, dass eine Bedrohung ihrer Verhaltens- oder Meinungsfreiheit einsetzt oder bevorsteht, entsteht psychische -> Reaktanz. Diese ist ein (unangenehmer) motivationaler Spannungszustand, der darauf gerichtet ist, die bedrohte oder bereits eingeengte Freiheit zu erhalten oder wieder herzustellen (-»Exp. 2). Die Stärke der R. ist eine Funktion (a) der Wichtigkeit des Freiheitsspielraums fur P. Diese Wichtigkeit wiederum ist eine Funktion der Instrumentalität des Verhaltens, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, multipliziert mit der aktuellen Stärke dieser Bedürfnisse; (b) der relativen Bedrohung (i.R. einer Rangordnung von Alternativen des Freiheitsspielraums) der bedrohten bzw. eliminierten Alternativen; (c) des relativen Anteils der bedrohten bzw. eliminierten Alternativen im gesamten Repertoire des Entscheidungsspielraums von P; 448
Reaktanztheorie
(d) der perzipierten Ernsthaftigkeit der Drohung einer Elimination, also des wahrgenommenen Risikos, dass der Drohende bereit und in der Lage ist, die Elimination vorzunehmen; (e) der perzipierten Generalisierung, d.h. der Vermutung von P, dass durch Ausschalten einer bestimmten Handlungsalternative (künftig) auch andere Alternativen bedroht sein könnten; (f) bestimmter Normen, die eine Freiheitseinengung als mehr oder weniger legitim erscheinen lassen. Ähnlich wie im Falle der kognitiven -» Dissonanz versucht das Individuum, den unangenehmen Spannungszustand der Reaktanz zu reduzieren. Dabei stehen zunächst verhaltensaktive Strategien zur Verfügung, nämlich: (a) Direkte Wiederherstellung der Freiheit (indem man sich einfach über die Einengimg hinwegsetzt); (b) Bumerang-Reaktion (indem man aus Trotz das Gegenteil dessen tut, was intendiert ist); (c) Individuelle Wiederherstellung der Freiheit (indem das Individuum auf andere Tätigkeiten ausweicht oder die Freiheitseinengung „delegiert"); (d) Fluchtreaktion (indem das Individuum diesen Verhaltensbereich meidet, gewissermaßen „aus dem Felde geht"); (e) Aggression (psychisches oder physisches Attackieren von Pn oder auch von Sachen; Abreagieren i.S. einer Erregungsabfuhr, -* Katharsishypothese). Daneben bestehen kognitive Strategien, die insbesondere dann gewählt
Reaktion
Reaktanztheorie
werden, wenn verhaltensaktive Optionen versperrt sind: (a) Aufwertung der bedrohten Alternative (-> Regret-Effekt), die längerfristig jedoch den Prinzipien der Dissonanzreduktion (-> Dissonanztheorie) unterliegen dürfte; (b) Latenz, mit intendierter Umsetzung in Verhaltenseffekte, sobald diese möglich erscheinen. Diese Form der Reaktanz kann sich als gestaute Aggression entladen, wenn sich die Verhältnisse ändern (z.B. Rebellion oder „Heimzahlen"). haben Widersprüche zwischen der R. sowie der Theorie der gelernten —• Hilflosigkeit in einer integrativen Theorie beseitigt. Bei erfolgter Freiheitseinschränkung wird das Individuum zunächst mit Reaktanz reagieren; lediglich bei längerer Dauer und geringer Kontrollerwartung wird sich das Individuum mit Freiheitsentzug abfinden, möglicherweise sekundäre Kontrolle ausüben (z.B. kognitive Umwertungen vornehmen) und erst bei Fortdauer in gelernte Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit einmünden.
WORTMAN & BREHM
Der Geltungsbereich der R. ist vergleichsweise hoch. Er bezieht sich u.a. auf die Ausübung von sozialer -* Macht, die - insbesondere im Falle fehlender Legitimation - beim Machtbetroffenen Reaktanz auslöst. Die Theorie gilt ferner für Kommunikations- und Interaktionsprozesse, bei denen einer der Beteiligten die Empfindung hat, unter Druck gesetzt zu werden (z.B. hard selling, Überredungsversuche, entdeckte Manipulation oder Instrumentalisierung). Auch im Gruppenzusammenhang kann Reaktanz als
Gegenkraft zur Konformität betrachtet werden (counterformity). Die Theorie bleibt ferner nicht auf den Mikro-Kontext beschränkt, sondern umgreift gleichermaßen kollektive Reaktionen (z.B. von Parteien, Gewerkschaften, Nationen). Auch Aspekte wp Handelns werden mit Hilfe der R. erklärt: z.B. Steuerwiderstand, Preiswiderstand, Einschränkung der Autonomie am Arbeitsplatz, zu eindringliche Verkaufs- und Werbestrategien. Vertreter der Theorie des -> Impression management weisen darauf hin, dass zumindest ein Teil reaktanter Äußerungen der Erhaltung des Selbstwertgefühls dienen könnte und insofern eine Funktion der ->• Selbstdarstellung erfüllt. Man möchte z.B. nach außen hin demonstrieren, dass man dies nicht „mit sich machen lässt". Generell kann Freiheitseinschränkung gegen das Selbstkonzept verstoßen, so dass die Reaktanz als Schutzmechanismus gegen eine Selbstwertbedrohung angesehen werden kann. Lit. -» Reaktanz
Reaktion Die Antwort des Organismus auf einen Reiz (Stimulus) oder eine Reizkombination. R. bedeutet in der Sprache der behavioristischen Lerntheorie (-> Lernen -* Behaviorismus) eine automatische konditionierte Response (S-R-Theorie). Mit R. werden meist innere R. bezeichnet (z.B. vegetative Vorgänge). Diese S-R Prozesse werden in der behavioristischen Lerntheorie unterstellt, um die „black box" zwischen S und R aufzulösen und z.B. die Zielstrebigkeit des Handelns zu erklären (-> Media449
Reaktionsnorm
tionsprinzip). Auch wird hierbei der Begriff der antizipierten R. eingeführt. Dies ist die Bezeichnung für eine R., die ursprünglich auf bestimmte situative Stimuli erfolgte, im Wiederholungsfall jedoch vorweggenommen wird. Vertreter der kognitiven Psychologie sowie handlungstheoretisch ausgerichtete Psychologen betrachten den Begriff der R. als unzureichend, da er ein lediglich automatisches, passives Reagieren ohne kognitive Beteiligung und Intentionalität impliziere. ClALDlNl u.a. haben jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass ein großer Teil unseres alltäglichen Verhaltens durch R.-Automatismen - ClALDlNl spricht anschaulich von „Klick-Surr-Reaktionen" - bestimmt wird, die auf simplen Konditionierungen beruhen. Insbesondere angesichts des kognitivistischen „mainstream" der gegenwärtigen SP ist es nützlich, diese Automatismen in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Reaktionsnorm Konzept der Soziobiologie im Hinblick auf das Ausmaß der Determination durch genetische Vorgaben. Die R. bestimmt die Variationsbreite, die bestimmte Merkmale in verschiedenen Lern-Umwelten haben können (z.B. breit bei Aggressionsneigung, schmaler bei Intelligenz). (-• Heritabilität -* Anlage vs. Umwelt).
Reaktionszeit Verfahren der Datenerhebung. Gemeint ist die Zeit, die zwischen der Darbietung eines Reizes und der Reaktion der Vp verstreicht. Daraus können bestimmte Schlüsse (z.B. im Hin450
Realismus, naiver
blick auf die -»Zugänglichkeit von Kognitionen) gezogen werden.
Realisierungsphase Handlungsschritte, um einen Entschluss in die Tat umzusetzen (-» Volition -* Handlungskontrolle -* Rubikon-Modell).
Realismus, depressiver (I)In leicht gedrückter Stimmung erfolgt die Informationsverarbeitung stringenter und logischer. Dies gilt allerdings nicht für kreative Prozesse, die eher in gehobener Stimmung zu besseren Ergebnissen führen. (II) TAYLOR & BROWN gehen in ihren Untersuchungen davon aus, dass Depressive und Pn mit negativem Selbstbild zu realistischeren Wahrnehmungen und Urteilen neigen. Sofern keine extremen Depressionen vorliegen, dürften (leicht) Depressive den ausgeprägteren Realitätskontakt haben und daher einer Überschätzung von —• Kontingenzen (-» Kontroll-Illusion) entgehen.
Realismus, naiver Bezeichnet nach Ross und WARD die Unfähigkeit zur -* Perspektivenübernahme auf Grund der Vermutung, das eigene Urteil sei eher an der Realität orientiert (-• Konsensus, falscher), während der Gegenseite Unfähigkeit zur rationalen Argumentation und ideologische Voreingenommenheit unterstellt werden. Die daraus resultierende Konfliktlösungs-Barriere fordert eine falsche Polarisierung (-> Akzentuierung Assimilations-Kontrast-Effekt) und verstärkt damit Konfliktsituationen i.S. einer Verstärkung von Gegensätzen.
Recht
Realistischer Gruppenkonflikt
Realistischer Gruppenkonflikt Intergruppen-Konflikt
Recht
Realität, soziale Kernbegriff
der
Vergleichsprozesse
Information besonderes Gewicht beigemessen wird.
Theorie
sozialer
von FESTINGER.
Wenn objektive (physische, physikalische) Überprüfungen der Realität nicht möglich sind, besteht eine ausgeprägtere Orientierung an der Meinung Anderer. Befunde aus der Erforschung sozialer -* Konformität zeigen allerdings, dass Pn sich vielfach auch an der R. ausrichten, wenn objektive Kriterien zur Überprüfung von Sachverhalten gegeben sind.
Recency-Effekt (I)Im Kontext sozialer Kommunikation besteht die Frage, ob es wirksamer ist, Argumente für den eigenen Standpunkt zu Beginn (-* Primacy-Effekt) oder am Ende zu platzieren. Die Ergebnisse zeigen, dass R. umso wirksamer sind, je größer der zeitliche Abstand zwischen den zwei (gegensätzlichen) Meinungsäußerungen ist und dass der R. im Zeitablauf wieder abnimmt. (II) I.R. der Eindrucksbildung (-» Wahrnehmung, soziale -* Informationsintegration) bedeutet der R. (im Gegensatz zum -* Primacy-Effekt des sog. ersten Eindrucks), dass solche Informationen dominieren, die in der Reihenfolge als letzte vermittelt wurden. Die Wirksamkeit von R. ist umso größer, wenn die ersten Eindrücke vor längerer Zeit stattgefunden haben und dem Individuum kognitiv nicht mehr präsent sind und wenn der Vorgang als Lern- oder Entwicklungsprozess interpretiert wird, so dass der letzten
Während das R. als Institution Gegenstand der (präskriptiven) R.-Wissenschaft ist, befasst sich die R.-Soziologie sowie die R.-Tatsachenforschung mit empirisch einlösbaren Problemen. Die SP kann hierbei wertvolle Hilfe leisten; allerdings ist die Hilfestellung bislang recht punktuell und repräsentiert keineswegs eine in sich abgerundete SP des R. Für die SP besteht das R. aus einem Bündel formaler sozialer -* Normen und Prozeduren mit der Aufgabe, deren Einhaltung unter Androhung von Sanktionen abzusichern (-> abweichendes Verhalten Kriminalität). Anknüpfungspunkt der sp Theorien und Konzepte sind z.B. in den folgenden Bereichen zu finden: (a) Subjektive -* Theorien (Alltagstheorien) der Beteiligten (z.B. der Richter); (b) Unbestimmte Rechtsbegriffe (-> Norm, soziale), insbesondere bei bestehender Norm-Labilität und deren Bedeutung im Rahmen von Ermessensentscheidungen; (c) Die besonderen Gruppenaspekte (-»• Gruppe, soziale) bei sog. Jurys (ein in den angelsächsischen Ländern hoch bedeutsames sp Problem); (d) Die Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie das Studium von Indikatoren zu ihrer Feststellung; (e) Implizite Theorien bei der Formulierung von Gesetzen (z.B. Vermutungen oder Erwartungen hinsichtlich deren Wirkung); 451
Rechtfertigung
(f) Bedingungen für die Befolgung von Gesetzen (insbesondere die generalpräventiven Wirkungen von Gesetzen); (g) Ermittlung der tatsächlichen Effekte von Gesetzen (z.B. Meidungsverhalten, Reaktanz, Abschreckung). I.R. der Ermittlung subjektiver Theorien sind im Bereich der R.-Sprechung v.a. Attributionsprozesse von Bedeutung (-* Attribution), z.B. Vorstellungen darüber, ob hinsichtlich einer abweichenden Handlung Kontrolle bzw. —• Verantwortlichkeit des Akteurs unterstellt werden muss. Auch antizipative -* Erwartungen im Hinblick auf eine mögliche Rückfalligkeit des Täters sind von Relevanz.
Rechtfertigung (I) R. gewöhnlichen Verhaltens: Es besteht eine Tendenz, vor und nach vollzogenen Handlungen diese als legitim, gerecht oder vernünftig (-»Rationalisierung, kognitive) auszuweisen. (II) R. aggressiven Verhaltens: Dieses scheint im besonderen Maße begründungsbedürftig. Das Individuum verfolgt dabei bestimmte Strategien der R. (-* Aggression), z.B. die Abwertung des Opfers oder das Verfolgen „höherer" Ziele (-»• Neutralisierungstechniken). (III) R. des Aufwands: War ein Verhalten mit erheblichen Investitionen verbunden, so tendiert man dazu, weiter in dieses Verhalten zu investieren (-> Dissonanztheorie Commitment -*• Sunk cost-Effekt), auch wenn dieses Vorgehen wenig rational erscheint.
452
Regression
Reduktionismus Rückführung komplexer Sachverhalte auf ihre Elemente oder auf ihre Basis, z.B. die Reduzierbarkeit sozialer (soziologischer) Sachverhalte auf psychische (psychologische) Prozesse oder die Ableitung psychologischer aus physiologischen (letztlich physikalischen) Gesetzen. I.R. der psychologischen Schulen gilt auch der Behaviorismus als reduktionistisch.
Referent cognitions Nach CROPANZANO & FOLGER bestehen u.U. mehrere Alternativen prozeduraler Gerechtigkeit. Eine faktisch realisierte Verfahrensweise wird von den Betroffenen dann schlecht bewertet, wenn offenkundig bessere Prozeduren möglich sind (z.B. Konsensprinzip statt Abstimmung, sofern Minderheitenschutz ein relevantes Thema ist). Referenzgruppe -> Bezugsgruppe
Referenzmacht Nach FRENCH & RAVEN eine mögliche —• Machtgrundlage, die auf der besonderen Einflussmöglichkeit von -*• Bezugspersonen, Bezugsgruppen oder Modellen (->Modell-Lernen) beruht. Gelegentlich ist auch von Identifikationsmacht die Rede.
Regelkreis Geschlossenes System mit -* Rückkoppelung (-> Kybernetik), das aus Regler, Regelstrecke und Regelgröße besteht.
Regression Rückfall in eine frühere lungsform des Verhaltens, oder der Sozialbeziehungen. griff spielt insbesondere in
EntwickDenkens Der Beder Psy-
Regressionsanalyse
Regressionsanalyse
choanalyse als einer der chanismen eine Rolle.
Abwehrme-
Regressionsanalyse Unter R. werden Untersuchungen über die linearen bzw. nicht-linearen (z.B. logistischen) Verknüpfungen einer abhängigen (Regressand) mit einer oder mehreren unabhängigen (Regressor(en)) Variablen subsumiert. Ziel ist es, Zusammenhänge (wie stark ist der Einfluss einer unabhängigen Variable auf die abhängige Variable) zu erkennen und zu erklären sowie Werte (wie variiert die abhängige Variable bei einer Änderung der unabhängigen Variablen) des Regressanden bestmöglich zu schätzen bzw. zu prognostizieren. Bsp.: Die Hypothese: „Je höher die —• Kohäsion einer Gruppe (Regressor), desto höher die durchschnittliche individuelle Zufriedenheit der Gruppenmitglieder (Regressand)" soll mit einer R. getestet werden. Die beiden Konstrukte sind zunächst zu operationalisieren, wobei Gruppenkohäsion über den „Anteil gegenseitiger Wahlen in einer soziometrischen Untersuchung" und die Zufriedenheit über einen aus mehreren Items bestehenden „Wohlfühlfragebogen" gemessen werden können, um das geforderte metrische Skalenniveau beider Variablen zu gewährleisten. Man müsste nun die Mitglieder verschiedener Gruppen interviewen, und die erhobenen Daten in ein lineares Regressionsmodell einsetzen. Hypothesenkonform wäre ein positiver Koeffizient für die unabhängige Variable und eine langgestreckte Punktewolke im Streudiagramm von links unten nach rechts oben, wenn die unabhängige Variable (Gruppenkohäsion) auf der Abszisse und die abhängige Variable (Zufriedenheit) auf der
Ordinate abgetragen wird. An diesem Bsp. kann auch das Problem der mathematischen Lösung verdeutlicht werden: Man bekommt zwar ein hypothesenkonformes Ergebnis, ob dies aber die Kausalbeziehungen korrekt wiedergibt, bleibt fraglich, denn die postulierten Zusammenhänge könnten genauso gut umgekehrt richtig sein: Eine hohe Mitgliederzufriedenheit fuhrt zu einer hohen Gruppenkohäsion. Vorgehen: Das obige Bsp. einer einfachen (nur eine unabhängige Variable) linearen (Veränderung der Zufriedenheit ist proportional zur Divergenz der Kohäsion) R. wird weiter ausgeführt. Im ersten Schritt erfolgt die Formulierung des Modells, d.h. eine (theoriegeleitete) Aufstellung des vermuteten Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs: Y = b0 + bi *LX + e; wobei Y die abhängige Variable (Zufriedenheit), b0 ein Konstantglied, bi den Regressionskoeffizienten, X die unabhängige Variable (Gruppenkohäsion) und e die Residualgröße (Abweichung der empirischen Werte von der Regressionsgraden) symbolisiert. Im zweiten Schritt werden die Parameter b0 und bi der Regressionsfunktion geschätzt, indem die Residualgröße e minimiert wird. Im letzten Schritt wird die Güte der Regressionsfunktion überprüft. Dazu wird i.d.R. das Bestimmtheitsmaß berechnet, dessen Wert den Anteil der erklärenden Variablen (Gruppenkohäsion) an der Gesamtstreuung angibt. Je näher dieses Maß an den Wert 1 heranreicht, desto höher sind die durch den Regressor erfassten Einflüsse auf die abhängige Variable.
453
Reihenfolge-Effekt
Regret-Effekt
Regret-Effekt
Reichweite (von Theorien)
(I) Die Reduktion kognitiver -» Dissonanz nach erfolgter Entscheidung tritt meist nicht sofort ein; vielmehr kommt es vorübergehend zu einer Phase des Bedauerns, nicht doch eine andere Alternative gewählt zu haben. Diese (kurzzeitige) Aufwertung der nunmehr versperrten Option ist - wie WALSTER deutlich machte - mit Hilfe der -»• Reaktanztheorie zu erklären. Erst mit zeitlicher Verzögerung beginnen dann dissonanzreduzierende Prozesse.
Informationsgehalt einer Theorie, d.h. die Summe der Anwendungsbereiche einer Theorie. So ist z.B. die Lerntheorie eine sehr weite Theorie, da sie beansprucht, alle gelernten Verhaltensweisen zu erklären. In der SP sind z.B. die —• Dissonanztheorie sowie die -* Reaktanztheorie Ansätze von mittlerer bis hoher R. In der SP wurden jedoch auch etliche Mini-Theorien
Der R. ist allerdings nicht immer nachweisbar, was damit zusammenhängen mag, dass Pn bereits im Vorfeld der Entscheidung antizipative Dissonanzreduktion betreiben. Auch dürften Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Selbstwertgefiihl) moderierenden Einfluss haben. (II) D i e Regret-Theorie von BELL bie-
tet eine Alternative zur -* Prospect theory. Dabei steht bei riskanten Entscheidungen das Aufkommen von Bedauern im Vordergrund. Der R. tritt auf, wenn sich eine andere als die gewählte Alternative als besser erweist, während Freude immer dann entsteht, wenn sich die nicht gewählte Alternative als schlechter herausstellt. Im Gewinnbereich dominiert der Gedanke, einen sicheren Gewinn zu erzielen; dies fuhrt zu risikomeidendem Verhalten. Im Verlustbereich sollte dagegen die Vorstellung Platz greifen, alles zu versuchen, um einen sicheren Verlust zu vermeiden, was ein risikofreudiges Verhalten begünstigt.
(KRUGLANSKI)
entwickelt,
z.B.
die
Theorie der symbolischen -* Selbstergänzung oder die Theorie der sozialen Präsenz, die auf sehr begrenzte Problembereiche zugeschnitten sind. Neuerdings beanspruchen Theorien der -* Informationsverarbeitung, ein relativ allgemeines, integratives Bezugsfeld für sp Befunde zu werden.
Reifikation Aussage, die theoretische Begriffe als Teile einer empirisch greifbaren Wirklichkeit auffasst. Dazu gehört auch die Neigung, Kollektiven (z.B. Gruppen, Organisationen) eine Art Eigenleben zuzuschreiben, indem man etwa von Gruppenhandeln, Organisationszielen oder Systembedürfnissen spricht.
Reihenfolge-Effekt (I)I.R. der Kommunikation die Anordnung wichtiger Argumente (zum Beginn: Primacy-Effekt; zum Ende: -* Recency-Effeki). (II) I.R. der Eindrucksbildung die Wichtigkeit des ersten Eindrucks (-»• Primacy-Effekt) oder aber der letzten Information Recency-Effekt). (III) Im Bereich der Befragungsmethoden sind R. (auch Positions-, Platzierungs- oder Anordnungs-Effekte) in
454
Reliabilität
Reiz
Rechnung zu stellen und möglichst zu vermeiden (z.B. durch veränderte Reihenfolge der Vorgaben innerhalb einer Umfrage). Denn bei der Anordnung von Fragen kann ein Halo-Effekt auftreten, indem eine Frage (oder ein Fragenkomplex) auf die folgende(n) ausstrahlt. Dieser Prozess bezieht sich nicht auf den manifesten Inhalt, sondern seine Beziehung zum Inhalt der vorangehenden Frage(n). Reiz Stimulus, der eine bestimmte -» Reaktion bedingt (S-R-Modell der behavioristischen Lerntheorie). Reiz, aversiver Strafreiz, auch negativer -* Verstärker. Bezeichnung fur einen Reiz, nach dessen Beseitigung die Häufigkeit einer vorher weniger oft gezeigten Reaktion steigt. Reiz, diskriminativer Lernpsychologische Bezeichnung für einen Reiz, von dessen Vorliegen es abhängt, ob eine bestimmte Reaktion geäußert wird oder nicht (z.B. eine besondere soziale Situation). Die Sensibilisierung auf R. bezeichnet man auch als Diskriminationslernen (-> Diskriminierung). Reizklassifikation -*• Kategorisierung rung
Klassifikation Akzentuie-
Re-Kategorisierung Nach Auflösung bestehender Kategorisierungen fuhren Aspekte neuer Gemeinsamkeit (-» Solidarität) gelegentlich auch zu einer neuen kollektiven sozialen -* Identität (z.B. ein mögliches Gemeinschaftsgefühl der Europä-
er nach der Einfuhrung einer gemeinsamen Währung). Der Prozess der R. kann jedoch auch alte Kategorisierungen revitalisieren (z.B. die Rückbesinnung auf autochthone Werte des islamischen Herkunftslandes). Relationship-Marketing Zielt darauf ab, Kunden langfristig an das Unternehmen zu binden. Zentrales Messkonstrukt des R. ist die Kundenzufriedenheit. Als Basis der hier angestrebten sozialen —> Beziehung dienen Reziprozität, -> Vertrauen und —• Commitment. Relativer Effekt
Effektgesetz
Relevante Attribute -* Attribute, relevante Reliabilität R. (Zuverlässigkeit) liegt vor, wenn die Anwendung eines methodischen Instruments unter kontrollierten Erhebungs- und Messbedingungen zu gleichen Resultaten führt. Maßzahl für die R. ist der R.-KoefFizient. Dabei gibt es verschiedene Vorgehensweisen: (a) die Test-Re-Test-Methode besteht darin, dass das gleiche Messinstrument wiederholt auf dasselbe Objekt angewendet wird. Sie beruht auf der Annahme, dass die wahren Werte zwischen den beiden Messungen unverändert bleiben; (b) die Parallel-Test-Methode, die beinhaltet, dass verschiedene Messinstrumente verwendet werden, welche die gleiche Dimension messen sollen; (c) interne Konsistenz: Ein Messinstrument aus mehreren Indikatoren kann auch als Set äquivalenter 455
Religion
Tests aufgefasst werden, sofern alle Indikatoren des Instruments die gleiche Dimension messen. Die entsprechenden Maße versuchen zu ermitteln, in welchem Umfang die Einzelindikatoren dasselbe Konstrukt messen. Solche Maße sind z.B. die Split-Half-Methode oder CRONBACHS Alpha (wobei letzteres eine Funktion der Anzahl an Items und deren Interkorrelationen ist).
Religion R. als Institution ist eher Untersuchungsgegenstand der R.-Soziologie. Im Hinblick auf funktionale Aspekte gibt es allerdings zahlreiche Überschneidungen mit sp Fragestellungen. Entsprechend einer geläufigen Unterscheidung trennt man zwischen R., die nach innen gerichtet sind und mystische Versenkung erfordern einerseits (wie etwa der Hinduismus oder auch der Buddhismus, sofern man diesen als R. versteht) und R., die sich nach außen orientieren, bekehrend-missionarische Züge tragen und die Welt i.S. der Glaubensvorstellungen verändern wollen. Aus sp Sicht geht letztere R.Auffassung mit starken -*• Kontrollüberzeugungen einher. Die Spaltung der christlichen R. setzt noch einmal besondere Akzente; wie WEBER zeigen konnte, ist die protestantisch-puritanische Variante mit der Überzeugung verbunden, durch eigene Leistung den göttlichen Beifall zu erwirken. Erfolg ist damit eine Art transzendenter Gunstbeweis und gleichzeitig die Eintrittskarte ins Paradies (-»Puritanische Ethik). Die dabei ausgelöste Wert-Verlagerung fördert die Leistungsbereitschaft und damit
456
Religion
die Leistungsmotivation im Hinblick auf diesseitige Verpflichtungen. Bereits FREUD unterstreicht die Funktion der R. im Hinblick auf menschliche Bedürfnisse wie Sinnsuche und Geborgenheit. Die -* Dissonanztheorie kann Einzelaspekte der R. gut erklären, so z.B. die Tatsache, dass die Endlichkeit des Daseins -obgleich vielfach verdrängt- im Kontrast zur Kognition „das Leben ist lebenswert" steht. Der Glaube an ein Leben nach dem Tode (oder der Gedanke der Wiedergeburt) kann dabei als Möglichkeit der Dissonanzreduktion gesehen werden (vgl. hierzu auch die -> TerrorManagement-Theorie, in der die Salienz der Endlichkeit des Daseins variiert wird). Für viele Menschen bleibt angesichts der Tatsache, dass es in der Welt oft nicht gerecht zugeht und Menschen im Elend versinken, eine gewisse Dissonanz bestehen, die in der Unvollkommenheit der Welt ihren Ausdruck findet (-*just world). Aus der Sicht der Attributionstheorie liefert R. Begründungen und Erklärungen für offene Fragen, die die Wissenschaft nicht (oder noch nicht) beantworten kann. Von sp Interesse ist auch eine Unters c h e i d u n g v o n G . W . ALLPORT, w o -
nach R. für das Individuum extrinsische oder intrinsische Bedeutung hat. Erstere bedeutet, dass R. eine vorwiegend instrumenteile Rolle spielt, also der Realisierung eigener Ziele dient (z.B. eine Krankheit besser zu überstehen). Für das intrinsische Verständnis ist R. ein Ziel in sich selbst (religious commitment). Entsprechend ist auch der Zugang zur R. sowie die Charakteristik, wie Religiosität sich äußert
Replikation
(z.B. soll durch häufigen Kirchgang Gottes Gewogenheit erwirkt werden). Schließlich ist in zahlreichen sp Untersuchungen das Ausmaß der Religiosität (Belief-Stärke) korreliert mit Variablen wie Alter, Geschlecht, Lebenszufriedenheit, Neurotizismus, Selbstgefühl, Kontrollüberzeugungen, Ethnozentrismus und Dogmatismus, Hilfeverhalten, Solidarität, Vorurteile, Pessimismus/Optimismus, Kriminalität u.v.a. Die Ergebnisse sind z.T. eindeutig (z.B. beim Hilfeverhalten), z.T. inkonsistent (z.B. bei Vorurteilen). Lit.: BATSON, C . D . e t al. ( 1 9 9 3 ) . R e l i g i o n
and the individual: A social-psychological perspective. New York. WULFF, D.M. (1991). Psychology of religion: Classic and contemporary views. New York.
Replikation Möglichst identische (Stimulus, Instruktion) Wiederholung einer Untersuchung zur Überprüfung erzielter Forschungsergebnisse (-* Reliabilität).
Repräsentation, kognitive Art und Weise, wie sich Aspekte der Umwelt und des eigenen Selbst im Bewusstsein widerspiegeln. Hierbei entstehen Wissensstrukturen, welche die Einordnung von Sachverhalten ermöglichen. Nach SHERMAN sind drei R.-Muster zu unterscheiden: (a) abstrakte R.: Diese beinhaltet Wissen losgelöst von konkreten Anlass- oder Beispielfallen; (b) exemplarische R.: Basiert auf konkreten Anlässen und Beispielen, die erst in einem zweiten Schritt generalisiert werden; (c) prototypische R.: Liegt vor, wenn anstelle mehrerer Exemplare nur
Repräsentativitäts-Heuristik
noch der typischste Vertreter in einer Entscheidungssituation herangezogen wird.
Repräsentation, soziale Kollektive Überzeugungen, die von den meisten Mitgliedern einer Gesellschaft oder Gruppe geteilt werden (-> Wertsystem) und die sowohl die R. als auch die Transformation von Wissen begleiten. MOSCOVICI, der dieses Paradigma (abseits vom Mainstream der SP) entwickelte, definiert R. als System von Werten, Ideen und Techniken, die eine doppelte Funktion haben: erstens Ordnung zu stiften, damit Individuen in die Lage versetzt werden können, sich in ihrer materiellen Welt zu orientieren und diese zu meistern und zweitens um die Kommunikation unter den Mitgliedern einer Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie einen Code für Bezeichnungen und Klassifikationen vorgeben, mit dem Verständigung möglich ist. R. sind daher in erster Linie regulierende Orientierungs- und Ankerpunkte, die Ordnung stiften (-* Kategorisierung —• Selbstkategorisierung Normen, soziale -»Kognition, soziale Institutionen —• Konstruktivismus —> Symbolischer Interaktionismus). Die Frage nach der Entstehimg und Aufrechterhaltung sozialer Ordnung ist im Übrigen auch eine der Kernfragen der Soziologie.
Repräsentativitäts-Heuristik Sie besagt, dass die Einordnung eines Objektes in eine Klasse von der Ähnlichkeit abhängt, die der Urteilende zwischen Objekt und Klasse wahrnimmt (-> Heuristiken Exp. 9). Bsp.: Während die Mitglieder der eigenen Gruppe durch die bessere 457
Resistenz
Kenntnis differenziert beurteilt werden, entsteht gegenüber Fremdgruppen (etwa eine andere Abteilung oder Volksgruppe) ein homogeneres Urteil, das durch wenige Fälle (u.U. nur einen Einzelfall) mittels generalisierender Induktion zustande kommt. Weiteres Bsp.: Ein bestimmtes Symptom wird als Beweis für die Bedrohlichkeit einer Krankheit herangezogen, obwohl die tatsächliche Basisrate der Verbreitung dieser Krankheit extrem niedrig ausfallt.
Resistenz Widerstand gegenüber externen Versuchen, Einstellungen und/oder Verhaltensweisen zu ändern; Beharren auf einem Standpunkt. Der Ausdruck ist insbesondere bei der Erforschung sozialer Einstellungen sowie in der Lernpsychologie (Extinktions.-R.) geläufig.
Ressourcentheorie (der Aufmerksamkeit) Theorie, die das Problem der Koordination von Mehrfachtätigkeiten i.S. der verteilten -* Aufmerksamkeit zu analysieren sucht. Der Begriff Ressourcen bezieht sich auf sensomotorische und kognitive Teilprozesse bzw. -fahigkeiten. Innerhalb dieser Theorieströmungen gibt es zwei Varianten: das Modell unspezifischer Ressourcen mit der Vorstellung einer zentralen Kapazität sowie das Modell multipler spezifischer Ressourcen, die von dezentralen und funktional voneinander unabhängigen Ressourcen ausgeht.
458
Ressourcentheorie (der Interaktion)
Ressourcentheorie (der Interaktion) Inhaltsspezifisches Austauschmodell (-»Austauschtheorie) von FOA & FOA, das die möglichen Ressourcenklassen des Austauschs (Liebe, Status, Information, Geld, Güter und Dienstleistungen) in zwei Dimensionen einordnet: -* Partikularismus und Konkretheit. Ein Austauschmedium mit hohem Wert von „particularism" richtet sich lediglich auf eine begrenzte, in besonderer Weise ausgewählte Art von Pn (z.B. Pn, denen man vertraut, mit denen man verwandt ist). Im Gegensatz zu Ressourcen hoher Konkretheit (wie handfeste Güter oder Produkte) unterscheiden sich andere Interaktionsressourcen (wie Status oder Information) durch größere Abstraktheit und höhere Aufladung mit symbolischen Bedeutungsgehalten. FOA & FOA formulieren diesbezüglich einige Hypothesen, z.B.: Je ähnlicher die Interaktionen bezüglich der beiden Dimensionen sind, desto wahrscheinlicher ist ein Austausch zwischen ihnen (Bsp.: Liebe gegen Geld ist kaum akzeptabel; ein Austausch von Gütern oder manchen -* Dienstleistungen gegen Geld ist ständiger Alltag). Unter sonst gleichen Bedingungen ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines bestimmten Ressourcenaustauschs von den institutionellen und situativen Bedingungen abhängig, innerhalb derer der Austausch erfolgt.
Reziprozität
Retrospektive Kontrolle
Abb. Modell der Ressourcenklassen (nach FOA & FOA 1980) High Particularism
soziation zwischen Erwartungen und realer Entwicklung wird als „revolutionary gap" bezeichnet, die eine latente Neigung zu revolutionärem Handeln ausdrückt. Rezeptionsforschung
attestieren diesem Modell eine geringe interkulturelle Valenz. Außerdem übersieht das Konzept die „Joker"-Rolle des Geldes als eines generalisierten Austauschmediums. WISWEDE empfiehlt daher, das Geld ins Zentrum des Modells zu setzen und starke sowie schwache Verbindungen zu den übrigen Tauschmedien anzunehmen. GERGEN & GERGEN
Retrospektive Kontrolle -* Kontrolle, kognizierte Revolution R. oder Unruhen, Rebellionen oder Bürgeraktionen werden häufig mit Konzepten der relativen sozialen -> Deprivation erklärt. Danach entstehen derlei Konfliktsituationen durch die Dissoziation realisierter bzw. realisierbarer Zielvorstellungen bzw. Ansprüche mit den Erwartungen (Hoffnungen), dass diese Ziele eingelöst werden können. DAVIES formuliert eine Wert-Erwartungs-Theorie der R., die insbesondere auf entfesselte Erwartungen reflektiert, die eine bestimmte Anspruchshaltung erzeugen und später enttäuscht werden. Die Dis-
Untersuchung der Wirkung und Nutzung von Meien (-> Mediennutzung Medienwirkungen), die beim Rezipienten ansetzt. Neben vielen anderen Fragenbereichen (Beliebtheit von Sendungen, Beurteilung von Interpreten usw.) stehen insbesondere die Einschalt- und Frequentierungsquoten zur Debatte, die den „Erfolg" von Sendungen repräsentieren (sollen). Rezipient Adressat (Empfänger) einer sozialen —• Kommunikation. Reziproke Determinierung erweitert die alte LEWINFormel, wonach das Verhalten (V) eine Funktion von Person (P) und Umwelt (U) sei, in ein Konzept wechselseitiger Einflüsse zwischen V, P und U, die in ihrer Einflussrichtung je nach Situation und Verhaltensweise unterschiedlich sein können. Der wichtigste Aspekt dabei ist, dass Individuen nicht nur von situativen Gegebenheiten abhängig sind, sondern diese aktiv aufsuchen und umgestalten können. BANDURA
Reziprozität Zentrales Prinzip des sozialen -» Austauschs, wonach zwischen Geben und Nehmen ein Gleichgewicht besteht (do ut des). Diese Regel ist vor allem in der US-amerikanischen Kulturanthropologie als Grundfigur jeglicher sozialer Interaktion angesehen worden. 459
RJNGELMANN-Effekt
Nach GROULDNER handelt es sich hier um eine soziale —• Norm, die einen großen Teil unserer Alltagsinteraktionen, insbesondere aber kommerzielle Austauschrelationen bestimmt. Bei —> prosozialem Verhalten - v.a. bei altruistischer Transformation- kommt es vor, dass die R.-Norm zeitweise oder ganz außer Kraft gesetzt wird (—> Hilfeverhalten —• Altruismus). Diese Regel prägt auch das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit, bei der Einschätzung distributiver -* Gerechtigkeit (—• Equity-Theorie). Ebenso werden Konflikte am Prinzip der R. festgemacht; hier wird deren negative Form betont: Auge um Auge, Zahn um Zahn! (-* tit-for-tat). Kooperative Strategien (-> Kooperation) können manchmal diesen Teufelskreis durchbrechen (-> Verhandlungen). Reziproke Aktionen müssen nicht Zug um Zug folgen; nach BLAU kann ein Austauschguthaben existieren, das die Interaktionsbilanz vorübergehend ins Ungleichgewicht bringt (gestundete Gegenseitigkeit nach SIMMEL). CIALDINI betrachtet R. als Strategie
der sozialen Beeinflussung: indem man dem Interaktionspartner Hilfestellung leistet oder ein Geschenk macht was dieser möglicherweise gar nicht haben wollte - entsteht eine Situation der Verpflichtung. Bei der -> door in the face-Taktik bezieht P eine zunächst überzogene Verhandlungsposition und erwartet auf eigenes Konzessionieren entsprechendes Entgegenkommen. RlNGELMANN-Effekt In arbeitswissenschaftlichen Studien konnte RINGELMANN schon frühzeitig den Nachweis fuhren, dass in vielen Fällen die Gruppenleistung hinter 460
Risiko
ihre Möglichkeiten zurückfällt (-> Gruppenproduktivität). Er führte dies sowohl auf Koordinationsverluste als auch auf Motivationsverluste (-* Faulheit, soziale —• Trittbrettfahrer-Effekt) zurück. Risiko Auftretenswahrscheinlichkeit negativer Ereignisse oder Konsequenzen. Nach YATES enthält R . die folgenden Elemente: (a) negative Ereignisse oder Konsequenzen (auch: Verluste); (b) den Wert (Bedeutung) dieser Ereignisse; (c) die Unsicherheit, ob diese Verluste oder Konsequenzen auftreten werden. Vielfach wird der Ausdruck R. nur dann verwendet, wenn es sich um Ereignisse handelt, deren Eintreten mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie (in Abgrenzung zu echter Ungewissheit) kalkulierbar ist. Wichtig ist eine Unterscheidung dahingehend, ob R. aus dem eigenen Verhalten folgt (-* Risikoverhalten) oder ob R. aus situativen Gegebenheiten resultiert, auf die man keinen (oder nur geringen) Einfluss hat (z.B. R. eines Vulkanausbruchs, R. terroristischer Anschläge). In spezifischen Bereichen ist insbesondere die R.-Akzeptanz erörtert worden: die Bereitschaft, bestimmte Risiken in Kauf zu nehmen. Dabei steht vielfach die Frage im Vordergrund, welche Schwierigkeiten auftreten, Wahrscheinlichkeitsurteile abzugeben und welche Urteilsdiskrepanzen zwischen Laien und Experten entstehen (z.B. beim R. der Kernenergie).
Risikoverhalten
Risikoschub Lit.: FISCHHOFF, B . e t al. ( 1 9 8 1 ) . A c c e p -
table risk. Cambridge. JANIS, I.L. & MANN, L. (1977). Decision making. New York. YATES, J.F. (ed.) (1992). Risk taking behavior. Chichester.
Risikoschub R. (risky shift) bezeichnet ein erstmals von STONER ermitteltes Phänomen, dass —• Gruppenentscheidungen i.d.R. risikofreudiger ausfallen als der Durchschnitt einer der Gruppengröße vergleichbaren Anzahl von Einzelentscheidungen (-> Exp. 28). Dafür werden u.a. folgende Erklärungen angeboten: (a) Risikodiffusion und Abwälzung der Verantwortung auf die anderen Gruppenmitglieder; (b) Risikofreudige Pn könnten im Kommunikationsprozess einflussreicher sein; (c) Da Risikofreudigkeit im Allgemeinen in der Gesellschaft höher bewertet wird, stellt sich das Individuum i.R. der Gruppe gern als besonders „mutig" dar. Befunde zeigen jedoch auch, dass unter bestimmten Bedingungen ein ->• Vorsichtsschub (cautious shift) stattfindet. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn durch Gruppenprozesse weitreichende Konsequenzen erschlossen werden, die zu Bedenken fuhren. Auch könnte im Rahmen der Gruppe Risikoaversivität als Wertvorstellung fungieren. Ein integratives Modell bieten MosCOVICI & ZAVALLONI in Form einer Polarisationstheorie (-» Gruppenpolarisation). Die Verfasser vermuten, dass Gruppenentscheidungen immer extremer ausfallen als Einzelentscheidungen; riskanter oder vorsichtiger, je
nach vorliegenden Bedingungen. Diese extremere einheitliche Meinung bildet sich über Konformitätsprozesse (Tendenz zur Meinungskongruenz), je nachdem, ob vorsichtigere oder risikoreichere Entscheidungen erwünscht sind.
Risikoverhalten (I) R. ist vor allem i.R. des Entscheidungsverhaltens untersucht worden (-> Entscheidungen). Einige Risiken können durch geeignete Maßnahmen (z.B. Information, besondere Vorkehrungen) beherrschbar gemacht werden; sie unterliegen daher der kognizierten -* Kontrolle. Andere Risiken können nach Wahrscheinlichkeitsurteilen (statistisch) eingeschätzt werden. Für manche Folgen sind oftmals keine Wahrscheinlichkeitsurteile möglich, weil die betreffenden Konsequenzen (objektiv und/oder subjektiv) überhaupt nicht antizipiert werden konnten (z.B. Folgen, an die keiner gedacht hat oder die zufällige Verkettungen darstellen). (II) Obgleich i.w.S. jede Entscheidung auch R. bedeutet, gibt es einige Bereiche, in denen spezielle Risiken besondere Beachtung gefunden haben. Dazu gehören zum einen das Eingehen von Gesundheitsrisiken (z.B. Aids-Risiko, Rauchen usw.). Hier gilt u.a., dass Risiken umso geringer eingeschätzt werden, je weiter die negativen Konsequenzen in die Zukunft ragen (-» myopischer Effekt). Die Untersuchung von Furchtappellen - z.B. ROGERS' Theorie der Schutzmotivation - thematisiert gleichfalls die mit dem Verhalten verbundenen Risiken. Ein zweiter vielfach erforschter Bereich des R. sind Geldanlage-Entscheidungen, die 461
Risikoverhalten
Risikoverhalten
häufig mit Verlustrisiken verbunden sind. (III) Eine spezielle Entscheidungstheorie ist explizit risikoreichen Konsequenzen (prospects) gewidmet (-> Prospect theory). KAHNEMAN & TVERSKY befassen sich mit hypothetischen Wahlen zwischen unterschiedlich risikobehafteten Alternativen, deren Erwartungswerte allerdings identisch sind, und gelangen dabei zu recht spezifischen Wert- und Erwartungsfunktionen. Insbesondere zeigt sich, dass das framing der Situation Auswirkungen auf die Risikobereitschaft hat: Im Gewinnbereich reagiert man risikoavers, im Verlustbereich dagegen risikofreudig. Lotterie-Experimente zeigen z.B., dass es einen Sicherheitseffekt gibt: Bei positiven Auszahlung werden nicht-riskante Alternativen bevorzugt, bei Lotterien, die auch Verluste implizieren, wird ein höherer - a b e r nicht mit Sicherheit (Wahrscheinlichkeit < 100%) eintretender Verlust einem im Vergleich dazu kleineren - a b e r sicheren (Wahrscheinlichkeit = 100 %) - Verlust vorgezogen. (IV) Risiken spielen ferner in der Theorie der Leistungsmotivation eine Rolle. ATKINSON spricht auch von Risikowahl-Modell. Hier geht es insbesondere um die im Modell angelegte Behauptung, dass Erfolgssucher ein mittleres Misserfolgsrisiko (Gefahr des Scheiterns bei einer Aufgabe) präferieren. Misserfolgsmeider werden gerade dieses Risiko nicht eingehen und eher Aufgaben wählen, an denen sie nicht scheitern können (oder aber Aufgaben spekulativer Art, bei denen das Misslingen nicht der P attribuiert werden kann). 462
(V)In der Kleingruppenforschung ist seit längerem das Phänomen des risky shift (-> Risikoschub) analysiert worden. Die Theorie der -* Gruppenpolarisation versucht deutlich zu machen, unter welchen Bedingungen es zu einem solchen Risikoschub (die Gruppe entscheidet riskanter als Einzelpersonen es tun würden) kommt und wann eher ein Vorsichtsschub (cautious shift) zu erwarten ist. (VI) Die psychologische Risikoforschung geht implizit davon aus, dass Risiken wegen der erwarteten negativen Konsequenzen gleichfalls negativ eingeschätzt werden, weil sie kognitiv mit diesen assoziiert sind. In einigen Fällen (z.B. beim -* sensation seeking) stellt R. einen positiven Anreiz dar (z.B. Nervenkitzel beim Börsengeschehen, Betreiben riskanter Sportarten). Risiko hat hierbei eine intrinsische Bedeutung; BRENGELMANN spricht von „Risikolust". (VII) Ähnlich wie in ATKINSONS Theorie der -»• Leistungsmotivation kann die Neigung zum Risiko auch als Persönlichkeitszug interpretiert werden, obgleich es aus situationistischer Sicht schwer vorstellbar ist, dass Pn in allen Situationsbereichen Risiko suchen oder meiden. Die Behandlung von R. als Persönlichkeitsmerkmal berührt sich mit WEINSTEINS Konzept des „unrealistischen Optimismus" (-»Optimismus -* Realismus, depressiver). Solche Pn unterliegen einer -*Kontroll-Illusion, haben häufig einen egozentrischen Bias, geringe Erfahrung mit den betreffenden Risiken und verfugen über entsprechende abwehrende Strategien des Coping. Lit. -» Risiko
Rollenakkumulation
Risikowahl-Modell
Risikowahl-Modell Risikoverhalten -> Leistungsmotivation Risky shift
Risikoschub
Ritualismus Kollektiv ausgeführte Handlungsabläufe, die eine Situation symbolisch verarbeiten. Der Begriff wird häufig auch dann verwendet, wenn es um weitgehend sinnentleerte Verhaltensmuster (Rituale) geht. Rolle, soziale Bündel normativer -* Erwartungen, die an den Inhaber einer sozialen Position gerichtet sind. Insofern werden Berufs-, Geschlechts- oder Alters-R., familiale R., R. in geschäftlichen Transaktionen usw. unterschieden. R. sind mehr oder weniger formalisiert/institutionalisiert, gelegentlich auch auf vereinfachte Schemata reduziert (-• Rollenstereotype). Häufig sind sie reziprok (-+ Reziprozität), z.B. Käufer/Verkäufer, Arzt/Patient, Lehrer/Schüler. Zu unterscheiden sind ferner R.-Erwartungen des Außenstehenden, die R.-Perzeption des Betroffenen sowie das aktuelle R.-Verhalten, das aus Erwartungen resultiert (-» Rollentheorie). I.R. des sog. normativen Paradigmas (v.a. PARSONS) ist die R. weitgehend
festgelegt und etabliert. R. werden daher vorwiegend als unabhängige Variablen angesehen. Das sog. interpretative Paradigma, das dem symbolischen Interaktionismus nahe steht (vgl. TURNER), behandelt R. dagegen eher als abhängige Variable; dabei wird gefragt, in welcher Weise R. als Ergebnis von Abstimmungs- und Aushandlungsprozessen entstehen und ge-
staltet werden können. Beide Fragenbereiche schließen sich keineswegs aus, sondern ergänzen einander. So konzentriert sich das normative Paradigma vorwiegend auf „fertige" R., die zur Erleichterung des Interaktionsprozesses sowie zur Bewahrung bestimmter Interaktionsstrukturen beitragen. (sog. harte R.) R. i.S. des interpretativen Paradigmas thematisieren eher sog. Gestaltungs.-R., die noch nicht festgelegt sind, aber auch solche R., die sich im Interaktionsprozess erst einspielen (sog. weiche R.). Jedoch gilt, dass auch sie im Zeitablauf zur Verfestigimg tendieren und allmählich striktere Erwartungen produzieren. Lit.: BLDDLE, B J . (1979). Role theory. Ex-
pectations, identities, and behavior. New York. BlDDLE, B J . (1986). Recent developments in role theory. Annual Review of Soc i o l o g y , 12, 6 7 - 9 2 . BIDDLE, B J . &
THO-
MAS, E J . (eds.) (21979). Role theory: Concepts and research. New York u.a. FISCHER, L . & WISWEDE, G . ( 2 2 0 0 2 ) . G r u n d l a g e n d e r
Sozialpsychologie. Wien.
STRYKER,
Kap. S.
&
15.
München,
STATHAM,
A.
(31985). Symbolic interaction and role theory. In: Lindzey, G. & Aronson, E. (eds.) Handbook of social psychology, Vol. I. New Y o r k , 3 1 1 - 3 7 8 . WISWEDE, G . ( 1 9 7 7 ) . R o l -
lentheorie. Stuttgart.
Rollenakkumulation P hat eine Vielzahl verschiedener Rollen wahrzunehmen. Dies hat gewöhnlich belastende Konsequenzen (-* Rollens tress). SlEBER betont jedoch in seiner Theorie der R. mögliche positive Wirkungen: Zugewinn an Macht, Einfluss und Privilegien, Statussicherung, Bereicherung sowie Entwicklungschancen der „Persönlichkeit".
463
Rollendistanz
Rollenambiguität
Rollenambiguität Unklare Rollenerwartungen. Zu unterscheiden ist die objektive R. (die Rolle ist objektiv unklar) von der subjektiven R. (es liegt am Rolleninhaber, die Rolle nicht klar genug einschätzen zu können). Im Allgemeinen ist R. für das Individuum von negativer Valenz, zumal sie nach KAHN et al. eine wichtige Auslösebedingung für -+ Rollenstress darstellt. Bei hohem Selbstbewusstsein kann jedoch der Rolleninhaber aus der Not eine Tugend machen und die Rolle zu seinen Gunsten gestalten. Rollenasymmetrie Liegt vor, wenn im Rahmen bestimmter Rollenbeziehungen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht. Häufig sind soziale —• Rollen in einem hierarchischen System angeordnet und mit unterschiedlichem Sanktionspotenzial ausgestattet. Rollenbelastung -*• Rollendruck —• Rollenstress Rollenbilanz Die Theorie der R. (WISWEDE) versucht die Frage zu beantworten, ob und inwieweit Individuen bereit sind, eine bestimmte soziale Rolle anzustreben, zu übernehmen und auszuüben. Sie enthält folgende Hauptvariablen: (a) (antizipierte) Konsequenzen: Erträge minus Kosten; (b) (antizipierte) Sanktionen: normativer Druck von Außenstehenden; (c) (antizipierte) Effizienz: Fähigkeiten und Erfahrungen (in dieser oder ähnlichen Rollen). Die Theorie ist im Hinblick auf Berufswahl- und Heiratsentscheidungen 464
sowie beim (weiblichen) Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit überprüft und in Teilen bestätigt worden. Rollencommitment Das Ausmaß, in dem ein Individuum aus freien Stücken in eine soziale Rolle eingebunden ist. Ähnlich: role-involvement. Rollendifferenzierung R. ist umso ausgeprägter, je geringer die Zahl der verschiedenartigen Handlungen ist, die Mitglieder eines sozialen Systems voneinander zu bestimmten Zeitpunkten erwarten. Im Gruppenkontext spricht man von der R. in kleinen Gruppen (z.B. Ausdifferenzierung von -> Führungsrollen -> Exp. 23). Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene ist R. das rollenanalytische Pendant zur Arbeitsteilung. Rollendiffusion Der vielfaltige Rollenwechsel des Heranwachsenden wirkt auf diesen - v.a. in der Pubertätsphase - verunsichernd. Der Jugendliche muss versuchen, seine personale Identität bzw. sein Selbstbild zu finden. ERIKSON verweist darauf, dass die R. vermehrte Anstrengungen zur Identitätsbildung auslöst. Rollendisparität Einseitige Tendenz von Individuen, in sozialen -* Rollen eher die Rechte und Privilegien wahrzunehmen, dabei aber die gleichzeitig aus der Rolle resultierenden Pflichten zu vernachlässigen. Rollendistanz Bedeutungsunscharfer Begriff von GOFFMAN. Gemeint ist meist, dass eine P sich nur mäßig mit einer Rolle
Rollenkonflikt
Rollendreieck
identifiziert, also weitgehend Abstand von ihr wahrt. In etwas anderer Sinngebung bedeutet R. das kritische Reflektieren über die Rolle, möglicherweise unter dem Aspekt der Kompatibilität mit dem -» Selbstkonzept.
Rollendreieck Seit DAVIS & RIGAUX wird das Entscheidungsverhalten von Ehepartnern üblicherweise in Form eines R. dargestellt. Dabei wird unterschieden, ob der Mann oder die Frau dominiert und ob gemeinsame oder autonome Entscheidungen getroffen werden. Diese Darstellung wird vor allem zur Analyse von Kaufhandlungen (-* Haushaltsentscheidungen) benutzt. Die diesbezügliche Forschung wurde von KIRCHLER weiterentwickelt.
Rollendruck Objektiv gegebene Belastung oder Überlastung durch eine oder mehrere soziale Rollen. Meist wird R. abgegrenzt von -*• Rollenstress; dieser reflektiert auf das subjektive Belastungsempfinden.
Rollenepisode D i e s e r B e g r i f f v o n KATZ &
KAHN
kennzeichnet den Ineinandergriff von gesendeter und empfangener Rolle, mit dem darauf folgenden faktischen Rollenverhalten des Rezipienten.
Rollenerwartungen Soziale -»• Rollen sind Bündel normativer —> Erwartungen qua Position. Sie bilden die Elemente einer Rolle.
Rollenidentität Nach MCCALL & SIMMONS wird jeder sozialen Rolle ein komplementäres
Rollen-Selbst zugeschrieben. Diese R. werden definiert als idealisierte Konzeptionen des eigenen Rollenverhaltens. Dabei wird unterstellt, dass das Individuum als Rollenträger gewisse idealisierte Vorstellungen darüber bildet, wie es in dieser Rolle wirken möchte, so dass es sich und anderen Menschen darin gefällt (-» Selbstdarstellung -* Impression management -* Selbstkonzept).
Rollenkonflikt Nach MERTON wird zwischen Intra-R. und Inter-R. unterschieden. Ersterer besteht innerhalb einer einzigen sozialen Rolle dadurch, dass mehrere Rollensender existieren, die unterschiedliche Erwartungen an P herantragen (z.B. die Führungs-P, die die Erwartungen ihrer Mitarbeiter sowie ihrer eigenen Vorgesetzten zu erfüllen hat). Inter-R. entstehen dadurch, dass P mehrere Rollen wahrzunehmen hat, zwischen denen (teilweise) Unvereinbarkeit besteht (z.B. Karriere und Mutterrolle). KATZ & KAHN f u g e n die-
ser Unterscheidung den Rolle-SelbstKonflikt hinzu; dieser manifestiert sich in der Inkompatibilität von Rollenerwartungen und Selbstkonzept (z.B. das Bestehen illegitimer Erwartungen, die den moralischen Prinzipien von P widersprechen). KATZ & KAHN differenzieren den Intra-R. noch in den Inter-Sender-Konflikt (bedingt durch mehrere Rollensender) sowie den Intra-Sender-Konflikt (bedingt durch sich widersprechende oder missverständliche Rollenanweisungen). GROSS et al. formulieren und überprüfen eine Theorie des R., die sich auf den Inter-Sender-Konflikt bezieht. 465
Rollenstress
Rollenkonsens
Anhand von Einstellungsmaßen treffen sie Voraussagen, ob Individuen eher dazu neigen, auf mögliche Sanktionen bei Nichterfüllung zu achten oder ob sie eine Präferenz für die als legitimer erachteten Erwartungen haben. Zahlreiche weitere Konfliktsituationen (z.B. der R. des Pfarrers, des Betriebsrates, des Werkmeisters) sind Gegenstand empirischer Untersuchungen gewesen, haben jedoch eher beschreibenden Charakter. Lit. ->• Rolle, soziale
Rollenkonsens Das Ausmaß der Einigkeit in der sozialen Definition einer sozialen Rolle. Verschiedene Pn, Gruppen oder Subkulturen haben oft unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eine bestimmte Rolle ausgeübt werden soll (z.B. die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft).
ren. MERTON versteht darunter
die
Kombination von Rollenbeziehungen, in die eine P aufgrund ihres sozialen Status involviert ist (Bsp.: Die Rolle „Lehrer" impliziert als mögliche Bezugspartner: die Schüler, die Eltern, die Kollegen, den Schulrat, den Schuldirektor, das Ministerium etc.).
Rollenspiel Methode der Vermittlung sozialer Kompetenz, wobei die Teilnehmer unterschiedliche soziale -»Rollen zu übernehmen haben, die sie spielerisch gestalten sollen. Anhand von Rückmeldungen (auch über TV) kann der Rollenspieler sein Verhalten korrigieren. Das R. ist vielfach auch Bestandteil gruppentherapeutischer Verfahren, die zum Erkennen und Lösen von Konflikten in Gruppensituationen dienen (—• Psychodrama).
Rollenkonsistenz
Rollenstereotyp
Der Grad, in dem die Elemente einer sozialen Rolle oder die Relationen zu anderen Rollen konsistent sind. Widersprüche zwischen verschiedenen Rollenerwartungen (internes System) bzw. zwischen Rollen (externes System) werden als kognitive -* Dissonanz empfunden.
Eine soziale Rolle, die simplifiziert und verkrustet ist (-* Stereotyp). So arbeitet bspw. die Werbung mit stereotypen Rollenbildem (Sportsmann, gute Hausfrau etc.). Die Einordnung in eine bestimmte Kategorie (-+ Kategorisierung) ruft dabei spezifische Reaktionen hervor, ohne dass es zu einer differenzierten Informationsverarbeitung kommt (z.B. „typisch Lehrer", „typisch Mann").
Rollensender R. ist die P oder Gruppe, die an den Inhaber einer sozialen —• Position bestimmte Erwartungen richtet. In der Literatur findet man auch den Ausdruck „Erwartungsheger".
Rollenset Bezeichnet die Tatsache, dass zu jeder Position eine Reihe von Rollen gehö466
Rollenstress Eine Theorie des R., die auf das Verhalten in -* Organisationen zugeschnitten
ist,
bieten
KAHN
et
al
(-» Stress Coping). Auslösende Stimuli sind hierbei: -* Rollenkonflikte Rollenambiguität, Rollenüberlas-
Rollenstruktur
tung (quantitativ und qualitativ) und Rollenverantwortung. Diese Bedingungen können in drei Systemen lokalisiert werden: in der Organisation (z.B. unklare Organigramme), in den Interaktionen (z.B. durch das fordernde Verhalten des Vorgesetzten) sowie in der P (z.B. Belastbarkeit, Stresskontrolle. Eine andere Konzeption (GOODE) diskutiert Möglichkeiten, R. abzubauen (z.B. durch Bereichsbildung, Delegation oder „Verhandeln"). Ähnliche Mechanismen hat bereits MERTON in seiner Analyse von -» Rollensets thematisiert.
Rollenstruktur Die innere R. kennzeichnet die Relationen verschiedener normativer Erwartungen an eine Rolle; die äußere R. meint die Einordnung in das soziale Gefüge aller Rollen, die P auszuführen hat. R. können hierarchisch gegliedert sein. Zwischen verschiedenen Rollen besteht entweder -> Reziprozität oder Komplementarität. Sind die Strukturen systemisch miteinander verknüpft, spricht man von Rollensystemen. Bei bestimmten Fragestellungen mag es sinnvoll sein, die Gesamtgesellschaft als System wechselseitig miteinander verflochtener Rollen anzuseh e n . KATZ & KAHN d e f i n i e r e n -* Or-
ganisationen als arbeitsteilig angelegte Rollensysteme. In der Gemeindeforschung ist es üblich, interaktionale Netzwerke als Rollenbeziehungen zu interpretieren. Gleiches gilt für Verwandtschaftsstrukturen und Kleingruppen wie Familien und Haushalte (z.B. R.-Struktur des Haushalts).
Rollentheorie
Rollentheorie Das Paradigma der R. besteht darin, dass das Verhalten von Individuen in sozialen -* Positionen aus den -> Rollenerwartungen (-» Rolle, soziale) der relevanten sozialen Umwelt abgeleitet werden kann. Eine einheitliche R. existiert jedoch bis heute nicht. Obgleich man weiß, dass Menschen sich in sozialen Rollen irgendwie „anders" verhalten, ist die Forschung zu diesem Thema nach vielversprechenden Ans ä t z e n (z.B. bei GROSS et al.) in p h ä -
nomenologische Sackgassen geraten. Allerdings bestehen Subtheorien geringer Reichweite (z.B. eine Theorie des Rollenkonflikts, des Rollentransfers, des -»• Rollenstress sowie eine Theorie der Rollenbilanz). Auch werden neuerdings Bezüge zwischen der R. und der —> Schema-Theorie diskutiert und Verbindungslinien zum Impression management hergestellt. Allgemein kann folgendes ausgesagt werden: Wenn intensive und klare Rollenerwartungen bestehen, werden sich die Inhaber sozialer Positionen in ihrem Verhalten an diesen Erwartungen ausrichten, und zwar im Ausmaß der Motivation und Fähigkeit zu rollenkonformem Verhalten. Existieren innerhalb einer Position unterschiedliche Rollenerwartungen, so werden die Positionsinhaber denjenigen Erwartungen folgen, die ihnen am legitimsten erscheinen und/oder die mit der stärksten Sanktion verbunden sind und/oder die ihnen für die Verfolgung eigener Ziele am ehesten instrumenten erscheinen. Bestehen unterschiedliche Rollenoptionen, so wird sich P für diejenige Rollenkombination entscheiden, die die höchsten Gewinne (Rol-
467
Rollentransfer
lenerträge abzüglich der Rollenkosten) einbringt. Lit.
Rolle, soziale
Rollentransfer Nach ISRAEL versucht das Individuum, eine gelernte Rolle zu generalisieren, d.h. auch in anderem Rollenkontext anzuwenden (Bsp.: Abteilungsleiter A wird von X nach Y versetzt). Dies folgt den Erfordernissen des lerntheoretischen Mechanismus der Generalisierung. P wird ein erlerntes Rollenverhalten nur dann auf eine neue Rolle übertragen, wenn die situativen Bedingungen als ähnlich wahrgenommen werden.
Rollenübernahme Ausdruck von MEAD (role taking, take the role of another), der bedeutet, dass man sich in die Rolle eines Anderen hineinversetzt (-* Empathie Perspektivenübernahme). Diese R. fungiert hier weniger als Voraussetzung einer instrumentellen Verhaltensbeeinflussung in Interaktionsbezügen, sondern eher im Dienste der Ausbildung einer eigenen personalen -*Identität. Dieses Begriffsverständnis widerspricht im Übrigen dem alltäglichen Sprachgebrauch, wonach R. das konkrete Übernehmen oder Ausfüllen einer sozialen Rolle bedeutet (-> Rollenbilanz).
RoIIenzuschreibung Role ascription bezeichnet die Zuteilung von sozialen Rollen, die nicht frei gewählt werden können und damit der individuellen Kontrolle entzogen sind (z.B. ethnische Rollen, Geschlechts- oder Altersrollen).
468
Rubikon-Modell
Romantische Liebe
Liebe
Romeo-und-Julia-Effekt Nach DRISCOLL et al. das verbietende Eingreifen in eine Liebesbeziehung, das zu einer Intensivierung der Liebesgefuhle fuhrt. Der R. gilt als Beispiel für Aufwertungstendenzen hinsichtlich einer verschlossenen Alternative (-> Reaktanztheorie). ROSENTHAL-Effekt ROSENTHAL sowie ROSENTHAL & JACOBSON konnten zeigen, dass Forscher
mitunter in der Weise agieren, dass sie ein Verhalten der Vpn erzeugten oder verstärkten, welches die Hypothesen der Forscher bestätigte (-» Versuchsleiter-Effekt Prophezeiung, sich selbst erfiillende Pygmalion-Effekt).
Rubikon-Modell So bezeichnet HECKHAUSEN einen „point of no return" in der handlungspsychologischen Phasenabfolge (-* Motivationstheorien ->• Volition), in der - i n Anknüpfung an Cäsars Überschreitung des Flusses Rubikon eine getroffene Entscheidung konkret in Handlung umgesetzt wird (aktionale Phase). Bevor der Rubikon des Entschlusses überschritten ist, überwiegen Prozesse der realitätsgeleiteten Selektionsmotivation, nach Beginn der Umsetzung jedoch Vorgänge der intentionsgeleiteten Realisierungsmotivation. Das R. konzentriert sich demnach auf die volitionale Phase des Motivationsprozesses, in der man sich u.a. auf günstige Gelegenheiten konzentriert, das Verhalten durchzufuhren. Dabei ist die Informationsverarbeitung (analog FESTINGERS postdezisionaler Dissonanzreduktion) selektiv
Rflckkoppelung
und handlungsunterstützend sowie i.S. der Dissonanztheorie verzerrend. Das R. versucht auch, die Lücke zwischen Verhaltensintentionen (-+ Intention) und tatsächlichem Verhalten zu schließen. Insofern ist dieses Modell eine wichtige Ergänzung zu bestehenden Theorien der Einstellungs-Verhaltens-Beziehung (-+ Einstellungswirkungen Überlegtes Verhalten —> Geplantes Verhalten), die das etwas unterentwickelte Konzept der Verhaltensintention genauer thematisiert.
Rückkoppelung Selbstkorrektur im Regelkreis von sich selbst steuernden Systemen. Negative R. liegt i.d.S. vor, wenn Abweichungen von Sollwerten des Systems korrigiert werden. Werden dagegen Differenzen durch R. verstärkt, spricht man von positiver R., die zur Veränderung oder Zerstörung des Systems fuhren kann (-* Kybernetik -* Rückmeldung).
Rückmeldung
Rückmeldung
beitsabläufen eine entscheidende Rolle. Insbesondere i.R. der -» Zielsetzungstheorie wird darauf verwiesen, dass R. im Hinblick auf das Erreichen von Zielen oder Teilzielen motivationsfÖrdernd wirken. Dies korrespondiert mit elementaren lerntheoretischen Annahmen (-> Lernen), in denen die -* Kontingenz zwischen Verhalten und Konsequenz durch R. aufrechterhalten wird. Empirisch nachgewiesen ist, dass spezifische (im Gegensatz zu allgemein gehaltenen) R. leistungssteigernder wirken. EARLEY unterscheidet ferner zwischen Ergebnis-R. (Information über erreichte Resultate) und ProzessR. (Information über den eingeschlagenen Weg oder die Methode). R. ist für beide Parteien nützlich: für den Rezipienten i.S. einer Motivationserhaltung oder -förderung und für den Rückmeldenden im Hinblick auf Kontroll- und Korrekturmöglichkeiten, die ein Verhalten in erwünschte Bahnen lenken und dadurch u.U. bessere Ergebnisse erwarten lassen.
R. spielt in Kommunikationsprozessen sowie bei der Durchführung von Ar-
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Säkularisierung
Salienz
S
Säkularisierung
Salienz
Komplexer gesellschaftlicher Prozess, wonach sich Institutionen und Verhaltensweisen von religiös-transzendenten Bezügen lösen, funktionell autonom werden und in die Privatheit individueller Bekenntnisse eingehen. Ob es sich hierbei um einen globalen und fortschreitenden, irreversiblen Prozess handelt, ist spätestens seit Erstarken re-islamistischer Strömungen umstritten.
Hervorgehobenheit, aufmerksamkeitslenkende Präsenz, so dass der betreffende Sachverhalt besonders auffällig ist. S. ist in verschiedenen Kontexten relevant, z.B.
Sättigung (I) Lernpsychologisch gesehen tritt S. auf, wenn ein Verstärker allzu häufig erlebt wird. Mit Einschränkungen (s.u.) gilt dies auch für soziale Verstärker (GEWITZ & BAER). (II) Bedürfnispsychologisch tritt S. auf, wenn ein Bedürfnis (Motiv, Trieb) befriedigt ist. Dies ist insbesondere bei physiologisch angebundenen Bedürfnissen der Fall (Hunger, Durst, Schlaf etc.). Hierbei lässt sich häufig eine gewisse Periodizität beobachten. Einige dieser physiologischen Bedürfnisse vertragen Aufschub (etwa Sexualität), andere jedoch nicht (z.B. Durst). Motivationspsychologisch gilt, dass S. vorwiegend bei letzteren auftritt (Restitutionsbedürfnisse). Demgegenüber spricht man von Expansionsbedürfnissen, die im Grad ihrer Erfüllung sogar anwachsen können (z.B. Leistungs- oder Machtbedürfnis). Insbesondere gilt für sog. intrinsische Motivation, dass das S.-Prinzip teilweise oder ganz außer Kraft gesetzt wird.
470
(a) i.R. des Heuristisch-systematischen Modells: Heuristiken sind mehr oder weniger augenfällig; (b) im Kontext von Attributionen: Dem hervorgehobenen Akteur wird von Beobachtern ein besonderer Einfluss zugeschrieben; (c) -*• Abweichendes Verhalten oder extreme Auffassungen bzw. Handlungen sind besonders hervorstechend (TAYLOR & FISKE); (d) Der einzige Angehörige einer Rasse oder eines Geschlechts innerhalb einer Gruppe erfahrt besondere Aufmerksamkeit; (e) Wenn P glaubt, in besonderer Weise beobachtet zu sein (z.B. vor laufender Kamera), werden Aspekte des eigenen Selbst besonders salient (-» Selbstaufinerksamkeit); (f) Faktoren, die die S. von IngroupOutgroup-Kategorisierungen erhöhen, vergrößern die wahrgenommene Identität zwischen Selbst und anderen Ingroup-Mitgliedern (-> Selbstkategorisierung) ; (g) Bei Werbebotschaften versucht man, besonders auffällige und lebendige (-» vividness) Werbereize bzw. -spots zu kreieren, da hierbei die Kodierung und Dekodierung bei den Rezipienten erleichtert wird; (h) In der Theorie des Terror managements wird das Bewusstsein
Sandwich-Position
der eigenen Sterblichkeit stimuliert (Mortalitäts-Salienz). Sandwich-Position Eine P, die gewissermaßen zwischen zwei Stühlen sitzt und deshalb einem Intra- ->• Rollenkonflikt ausgesetzt ist. Führungs-Pn befinden sich gewöhnlich in einer solchen S., da unterschiedliche Rollensender (Untergebene und eigene Vorgesetzte) oft unvereinbare Anforderungen (z.B. bezüglich der Ableistung von Überstunden) stellen. Sandwich-Technik Besteht darin, Kontrapunkte zwischen zwei Pro-Argumente einzubinden (—• Kommunikation, soziale -* Zweiseitige Argumentation), Sanktion Soziale Billigung oder Missbilligung eines Verhaltens. Positive S. knüpfen i.d.R. an sozialer Konformität an (Ausnahme: besonders kreative oder innovative Leistungen, die das „regelgerechte" Verhalten durchbrechen). Ein erheblicher Teil konformen Verhaltens hat jedoch den Charakter des „Selbstverständlichen", so dass diese „Entropie von Konformität" (GOULDNER) keinerlei S. hervorruft. I.e.S. wird daher der Begriff lediglich als negative S. (-• Bestrafung) gegenüber unerwünschtem oder abweichendem Verhalten verstanden, wobei das Spektrum der Möglichkeiten vom leichten Tadel bis hin zur Todesstrafe reichen kann. Gesellschaften und Gruppen pflegen zentrale Werte/Normen (insbesondere solche von funktionaler Bedeutung) durch gesetzlich fixierte S. abzusichern. Durch diese S.
Saying becomes believing
wird den sozialen Normen Kontur verliehen und zugleich demonstriert, dass deren Verletzung nicht hingenommen wird. Zu unterscheiden sind formale und informelle S.; erstere sind weitgehend institutionalisiert und einem entsprechenden S.-Apparat überantwortet. Dabei gibt es oftmals Verfahrensregeln, die das Ausmaß und den Vollzug der Reaktion bestimmen. Informelle S. sind eher privater Natur und spielen im Prozess der -» Sozialisation eine tragende Rolle. Die Reaktion bleibt dann dem Normsender überlassen und/oder steht im Dienste erzieherischer Anliegen. Satisficing Der aus dem Schottischen stammende Begriff ist zusammengefügt aus den Wörtern „satisfying" (zufriedenstellend) und „sufficing" (ausreichend) und heißt soviel wie: eine subjektiv akzeptable Entscheidung treffen. Der Begriff wird von SIMON benutzt, um damit das weitgehend unrealistische Prinzip der Nutzenmaximierung abzulösen. Saure-Trauben-Effekt Eine Möglichkeit, kognitive -* Dissonanz nach getroffener Entscheidung abzubauen, besteht darin, die nicht gewählte oder nicht erreichbare Alternative abzuwerten. Im letztgenannten Falle bedeutet dies, dass die zu hoch hängenden Trauben als sauer angesehen werden. Saying becomes believing -> Prophezeiung, sich selbst erfüllende Was man (häufig) sagt, daran glaubt man allmählich auch. Dieser Effekt 471
SCHACHTER-SlNGER-Theorie
gilt auch für persuasive Einflüsse: Beim Versuch, andere zu überzeugen, überzeugt man sich selbst. SCHACHTER-SlNGER-Theorie Emotionstheorien
Schätzfehler (I)I.S. von Urteilsfehlern: systematische Fehleinschätzungen (-» Anomalien -* Täuschungen, kognitive). (II) I.S. von (-»Methoden).
Stichprobenfehlern
Scham Unangenehmer emotionaler Zustand, der einem Verstoß gegen soziale -* Normen (z.B. Leistungsnormen) folgt und an den vermuteten oder tatsächlichen Sanktionen anderer Pn oder Gruppen orientiert ist. Gegensatz: ->• Schuldgefühl, das nicht nach außen gerichtet ist, sondern auf internalisierten Normen beruht (-* Internalisierung). Im Unterschied zur Verlegenheit erfolgt bei S. (nach LEWIS) internale und globale Attribution. Ferner werden zentrale Aspekte des Selbst (->• Selbstdiskrepanz) tangiert. PIERS & SINGER unterscheiden S.-Kul-
turen und Schuldkulturen. Erstere steuern Verhalten durch externe Kontrolle, letztere basieren auf internalisierten Wertvorstellungen und Normen.
Schattenwirtschaft Sammelbegriff für ökonomische Aktivität jenseits des formellen Sektors (Schwarzarbeit, Teile der Alternativökonomie, innerhäusliche Eigenproduktion, jedoch auch kriminelle Transaktionen). Das Auftreten schattenwirtschaftlicher Handlungen wird im Rah472
Scheidung
men ökonomischer Überlegungen vielfach mit einem Nutzenansatz erklärt. Zusätzlich werden jedoch die folgenden psychologischen Variablen von Bedeutung sein: (a) Perzipierte kognizierte -* Kontrolle: nämlich Aufdeckungswahrscheinlichkeit und Straferwartung; (b) Aspekte der sozialen Umwelt: insbesondere Effekte des -* ModellLernens sowie Gruppeneffekte; (c) Auch ist übergreifend die Gelegenheitsstruktur (-+ Chancenstruktur-Theorie) von Bedeutung: Zugangschancen, die differenziell nach Berufszweigen variieren, so wie Verfügung über soziale Beziehungs-Netzwerke und kommunikative Verbindungen.
Scheidung Entspricht in Ehen der Option des (gesetzlich fixierten) Verlassens einer sozialen -> Beziehung. Die wichtigsten Motive der S. sind insbesondere in Termini der -* Austauschtheorien (hier v.a. der -* Investment-Modell) beschrieben worden. Starke Beachtung hat die in Deutschland sowie anderen Ländern registrierte gestiegene Scheidungsquote gefunden. Dies hängt nicht notwendigerweise mit einem Niedergang der Ehe als Institution zusammen. ATTRIDGE & BERSCHEID sowie BIERHOFF weisen auf folgende Ursachen hin: (a) Geringere wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau vom Mann durch deren bessere Ausbildung, engeres soziales Netz und Veränderungen im S.-recht; (b) Weniger Sorge um die Kinder (schon durch die meist geringere Kinderzahl und veränderte institu-
Scheinmotiv
tionelle Regelungen nach einer
s.); (c) Geringere Stigmatisierung (-> Etikettierung) der S.: Die S. gilt als „Normalfall", mit dem man umgehen kann; (d) Nachlassen der religiösen Bindungen und Minderung von Schuldgefühlen gegenüber der Kirche; (e) Vereinfachungen bei der Durchführung von S.-Verfahren, trotz manchmal asymmetrischer finanzieller Belastungen; (f) Stärkere Sensibilisierung im Hinblick auf die Frage, ob man in der Ehe glücklich ist; damit auch eine Höhersetzung des —> Anspruchsniveaus sowie die Kündigung schicksalhafter Ergebenheit in die Ehe; (g) Verfügung über zusätzliche Optionen (—> Vergleichsniveau für Alternativen), z.B. Partnerschaft ohne Trauschein oder Single-Dasein als akzeptable Modelle der Lebensplanung.
Scheinmotiv Ein -»Motiv, das man nach außen (z.B. in einer Befragungssituation) vorgibt, wohlwissend, dass es sich hierbei nicht um den „wahren" Beweggrund handelt. Gegensatz: Kulissenmotiv, bei dem der Akteur selbst nichts über seine wahren Motive weiß.
Schema / Schematheorie (I) In PlAGETs Entwicklungspsycholo-
gie umfassender Begriff für die Strukturen des Erkennens. (II) Genereller, jedoch bedeutungsunscharfer Begriff für komplexe kognitive Strukturen.
Schema / Schematheorie
(1)Begriff: S. werden verstanden als Cluster von Wissen über Objekte, Menschen und Situationen einschließlich des Wissens über Eigenschaften und Beziehungen zwischen diesen Attributen. Das S. repräsentiert unsere durchschnittlichen Erfahrungen, die eine P in der Interaktion mit ihrer Umwelt aufweist. JUDD & KULIK stellen die Behauptung auf, dass eine —> Einstellung wie ein S. in der Informationsverarbeitung funktioniert. Dabei konzentriert sich das S. auf die sog. -+ Beliefstruktur von Einstellungen, stellt also eine Art „Wissenspaket" dar, wobei die evaluative Komponente in den Hintergrund tritt. Die Abgrenzung zwischen S. und Einstellung ist dennoch schwierig, was mit der Bedeutungsdiffusität des S.-Begriffs zu tun hat. (2)S. werden darüber hinaus als relativ selbständige und abgrenzbare Teile eines semantischen Netzwerks (-+ Sprache) gesehen; sie sind unterschiedlich elaboriert (z.B. S. einer Kathedrale, eines Autos) und vielfach hierarchisch gegliedert (z.B. Wohnung, Küche, Kühlschrank). (3)Funktionen von S.: bestehen darin, dass sie bestimmen, ob und inwieweit eine P etwas versteht. S. beeinflussen ferner die Gedächtnisleistung sowie das automatische Schlussfolgem (-* Inferenz). Außerdem wekken sie antizipative -* Erwartungen und lenken die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte unserer Umwelt. Insbesondere Handlungs-S. steuern d a s V e r h a l t e n (SCHANK & ABELSON; WYER & SRULL; RUMELHART). S.
dienen damit der Ordnung und Kategorisierung von Wirklichkeit, die es dem Individuum ermöglichen, Ereig473
Schema / Schematheorie
nisse zu antizipieren und Komplexität zu reduzieren. (4) Typen von S.: Nach TAYLOR & CROCKER (1981) können folgende
Haupttypen sozialer S. unterschieden werden: (a) Person-S.: Wissen über unterschiedliche Menschen oder Gruppen, einschließlich ihrer Persönlichkeitszüge und Verhaltensziele (-> Wahrnehmung, soziale); (b) Selbst-S.: Kenntnis über sich selbst (-• Selbstaufinerksamkeit Selbstwahrnehmung) als Ganzes oder im Hinblick auf spezifische Bereiche des Selbst (—> Selbstkonzept)-, (c) Rollen-S.: Wissen über normative -* Erwartungen im Hinblick auf eine bestimmte soziale Position (—• Rolle, soziale), wobei die jeweiligen Bündel von Erwartungen als zusammengehörig empfunden werden; (d) Inhaltslose S.: betreffen bestimmte Regeln der Durchfuhrung, die mehr oder weniger institutionalisiert sind; (e) Skripts sind Ereignis-S., d.h. sie enthalten das Wissen über typische Abläufe (—• Episode, soziale). S.-theoretische Vorstellungen sind weitgehend konvergent mit der Hypothesentheorie der Wahrnehmung sowie Befunden und Theorien zur -* Einstellungsbildung und -> Einstellungsänderung. Einige wesentliche Kernannahmen der S.-Theorie hat WYER (1980) zusammengefasst. Ein
zentrales Postulat besteht darin, dass zur Integration neuer Informationen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit sol474
Schema / Schematheorie
che S. herangezogen werden, welche die höchste Verfügbarkeit (-» Zugänglichkeit) aufweisen und fur ein Verständnis des Sachverhalts ausreichend scheinen. Die Verfügbarkeit hängt wiederum mit der Häufigkeit des Abrufs zusammen. Sie variiert ferner mit bestimmten motivationalen Variablen, z.B. Zielsetzung der Information. Wenn ein durch neue Informationen beschriebenes Objekt als beispielhaft für ein bestimmtes S. identifiziert ist, wird die Repräsentation dieses Objekts auf der Basis eines S. so verformt, dass es eine größere Ähnlichkeit zu den Merkmalen des S. aufweist, als mit den Ausprägungen der ursprünglichen Information. Aus verfügbaren Informationen werden selektiv nur solche Merkmale verwendet und gespeichert, die eine Rekonstruktion des ursprünglichen Materials unter Rückgriff auf allgemeine S. oder Objekte erlauben. Eine Information wird dann im Langzeitgedächtnis behalten, wenn ihre Verarbeitung einen größeren Zeitraum in Anspruch genommen hat (-» ELM). Dabei wird eher die schema-adäquate Repräsentation eines Objekts gespeichert und erinnert als die Information, auf der diese Repräsentation beruht. Die Aktivierung eines S. kann als Anreiz zur Erinnerung an diese Information dienen und ihren Rückruf erleichtern. Wenn z.B. eine P als extrovertiert enkodiert wurde, dann ist das S. „extrovertiert" geeignet, Verhaltensweisen in Erinnerung zu rufen, die unter diesem Begriff enkodiert und organisiert sind. Lit.: BLESS, H. & SCHWARZ, N. (22002). Konzeptgesteuerte Informationsverarbeitung.
Schemata, kausale
Schicht, soziale
In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. III: Motivations-, Selbst- und Informationsverarbeitungstheorien. Bern, 257-278. JUDD, C.M. & KULDC,
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RUMELHART,
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cial information processing. In: Higgins, E.T. et al. (eds.) Social cognition: The Ontario Symposium, Vol. 1, Hillsdale/N.J., 89134. WYER, R . S . ( 1 9 8 0 ) . T h e
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(eds.)
(1984). Handbook of social cognition. Vol. 1 und 2. Hillsdale/N.J.
Schemata, kausale Gelernte Annahmen über mögliche Ursachen einer bestimmten Art von Ereignissen. Auf S. greift ein Individuum zurück, wenn beim Prozess der Attribution unvollständige Informationen (über Distinktheit, Konsensus und Konsistenz) vorliegen. Nach K E L L E Y existieren zwei Arten von S.: (a) S., die zur Ergänzung unvollständiger Information dienen (Ergänzungs-S.). Eine Teilinformation wird das Informationsmuster dann ergänzen, wenn eine eindeutige Zuordnung möglich ist; (b) S., die explizite Annahmen darüber enthalten, welche Ursachen fiir bestimmte Arten von Ereignissen verantwortlich sind. Diese werden in Lernprozessen erworben und
stellen meist kurzschlüssige -»• Stereotype, oft kulturell vorfabrizierte S. dar (z.B. Beim Scheitern einer Ehe sind beide Partner schuld; Übung macht den Meister). Interessant ist die Tatsache, dass viele Sprichwörter S. dieses Typs enthalten. Schematheorie -»Schema Schenken ->• Geschenk Schicht, soziale Primär soziologischer Begriff, der davon ausgeht, dass die Gesellschaftsstruktur „geschichtet" ist. Der Begriff wird in drei Verständnisweisen verwendet: (a) Als Sozialkategorie für Menschen, die durch gleiche oder ähnliche Ausprägungen empirisch nachweisbarer Schichtungsmerkmale gekennzeichnet sind, wobei in den Abstufungen dieser Merkmale Differenzen in der Wertschätzung begründet liegen. Unterschieden werden Einkommens-S., Macht-S. und Prestige-S. Als Globalkonstrukt wird die S.-Zugehörigkeit üblicherweise durch bestimmte Kriterien (z.B. Einkommen, Berufsprestige, Bildungsgrad) mittels eines sog. S.-Index ermittelt. In dieser Form sind S. lediglich statistische Konstrukte des Forschers; (b) Als Pn-Mehrheiten, die sich in der gleichen objektiven Lage befinden (z.B. gleiche oder ähnliche Arbeitssituationen) und sich deshalb aufgrund ihrer Soziallage, ihrer Lebenschancen, ihrem Lebensstil usw. gleichen (soziale Milieus);
475
Schichtbewusstsein
(c) Als Pn-Gruppen, die sich selbst aufgrund eines mehr oder weniger klar geäußerten S.-Bewusstseins sowie eines möglicherweise daraus resultierenden Zusammengehörigkeitsgefühls voneinander unterscheiden. Schichtbewusstsein -> Schicht, soziale
Schichtspezifisches Verhalten V.a. in der Soziologie gibt es kaum ein Verhalten, das nicht in irgendeiner Weise als schichtspezifisch differierend betrachtet wird. Beispiele sind: Konsumentenverhalten, -*• abweichendes Verhalten, Erziehungsverhalten usw. V.a. im Hinblick auf schichtspezifische Sozialisation liegen zahlreiche Forschungsergebnisse vor. Die Schichtvariable ist nur dann erklärungskräftig, wenn tatsächlich in nennenswertem Ausmaß abgrenzbare Segmente bestehen. Im Zuge abnehmender Schichtkristallisation und zunehmender —• Statusinkonsistenz werden diese Abgrenzungen zusehends verwischt.
Schicksalskontrolle Wenn die Handlungsergebnisse von P einseitig und vollständig durch einen Partner beeinflusst werden, liegt die Kontrolle über P's erzielte Ergebnisse ausschließlich beim Partner. S. ist identisch mit —• Ergebniskontrolle und abzugrenzen von der Verhaltenskontrolle.
Schlichtung Verfahren der Konfliktlösung (-• Konflikt, sozialer -* Verhandlung), das (nach THIBAUT & WALKER) durch ge476
Schlfisselreiz
ringe Prozesskontrolle und hohe Entscheidungskontrolle gekennzeichnet ist. Die Kontrahenten kontrollieren den Prozess der Beweisführung, während der Schlichter allein die Entscheidimg trifft. S. ist abzugrenzen vom Begriff der Vermittlung, bei der die dritte Partei aktiv in die Verhandlung eingreift und ihrerseits Vorschläge unterbreitet (-»Mediator). Wie VLDMER nachzuweisen versucht, scheinen die Konfliktparteien S. gegenüber Vermittlung zu bevorzugen. Dies dürfte jedoch v.a. davon abhängen, wie viele Zwangselemente die jeweiligen Verfahren enthalten.
Schließung, soziale Beschränkung oder Verbot für eine P, Mitglied einer sozialen Gruppe werden zu können. S. dient der Erhaltung bestimmter Privilegien und wahrt die -> Distinktheit gegenüber Fremdgruppen (-> Permeabilität).
Schlüsselinformation Bei vereinfachten -* Entscheidungen ziehen Individuen zur Beurteilung von Sachverhalten bevorzugt S. heran. Solche S. sind Hinweisreize, die für den Entscheidungsprozess besonders zentral sind und mehrere andere Informationen ersetzen oder bündeln (-> Informationsverarbeitung —• Schema).
Schlüsselreiz Im Rahmen der Ethologie ein Reiz, der eine Instinkthandlung bewirkt, indem er den angeborenen Verhaltensablauf des Tieres auslöst. Dieser Reiz wirkt im Hinblick auf den Mechanismus wie ein „Schlüssel für's Schloss". S. lösen demnach biologisch vorprogrammierte Reaktionen aus, die das
Schönheit
Individuum weitgehend automatisch mobilisieren. Schönheit Wichtige Kategorie der sozialen Wahrnehmung; Teilaspekt physischer ->• Attraktivität. Sie wird sowohl durch angeborene Aspekte geprägt, als auch durch kulturabhängige S.-Stereotype vermittelt. Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass die Wahrnehmung einer P als physisch attraktiv ihren Anreizwert als Interaktionspartner verstärkt. Befunde von ZAKAHI & DuRAN bestärken die Vermutung, dass psychisch attraktiven Pn nicht nur bessere soziale Fertigkeiten (z.B. höhere kommunikative Kompetenz, höhere Rendevouz-Raten) zugeschrieben werden, sondern dass sie diese - offenbar durch ausgedehntere Interaktionserfahrungen - auch tatsächlich aufweisen. & WALSTER konnten nachweisen, dass schönen Menschen im Allgemeinen eher positive Eigenschaften zugesprochen werden. Zu den gleichen Ergebnissen kommt CUNNINGHAM unter dem Stichwort „Wer schön ist, ist auch gut" (-»Exp. 12). Auch hier erwies es sich, dass schöneren Menschen tatsächlich eher positive soziale und intellektuelle Eigenschaften zugeschrieben werden und dass auch die Neigung zur Interaktionsaufnahme mit der perzipierten Attraktivität positiv korreliert. BERSCHEID
Allerdings dürfte es für Pn mit geringem Selbstvertrauen eine Tendenz geben, Beziehungen zu schönen Menschen zu meiden, insbesondere wenn man selbst nicht schön ist und auch keine kompensierenden Ressourcen verfugbar sind. Unter bestimmten Be-
Schuldgefühl
dingungen kann S. auch mit negativen Attributionen verbunden sein (z.B. „schön, aber dumm"; „schön, aber eingebildet"). Auch büßen schöne Menschen ihre Attraktivität ein, wenn der Verdacht besteht, sie könnten ihre S. instrumenteil und illegitim ausnutzen. Schüchternheit -* Verlegenheit Schuld, existenzielle So bezeichnet HOFFMAN ein diffuses Gefühl gegenüber Unterprivilegierten und ungerecht Behandelten. Auf diese Weise verspüren viele Menschen, die in sattem Wohlstand leben, ein gewisses Unbehagen gegenüber bedürftigen Pn oder Nationen (z.B. gegenüber der Dritten Welt). Schuldgefühl Nach FREUD der funktionale Aspekt des —> Gewissens (-» Über-Ich). S. entsteht dadurch, dass P eigene -* Verantwortung perzipiert und annimmt, sie habe gegen soziale -» Normen bzw. normative -* Erwartungen verstoßen. Dadurch entsteht eine als unangenehm empfundene Emotion, die insbesondere dann fortwirkt, wenn andere Menschen bleibend und sichtbar geschädigt wurden und wenn P eigene —> Verantwortlichkeit attribuiert. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn P kogniziert, dass sie auch hätte anders handeln können. Pn, die auf S. sensibilisiert sind, werden vielfach von anderen Menschen instrumentalisiert, indem diese es verstehen, bei ihnen S. zu erzeugen, um daraus Vorteile (z.B. -* Hilfeverhalten) zu ziehen oder eine Machtposition zu festigen.
477
Schule
Schwache Verbindungen
PIERS & SINGER u n t e r s c h e i d e n Schuld-
kulturen von Schamkulturen, wobei erstere auf innere Kontrolle reflektieren, während letztere an äußeren Sanktionen orientiert sind (-»Kontrolle, soziale). Schule
Sozialisation
Schutzmotivation Furchterregende soziale -»Kommunikation besteht meist aus zwei Informationsklassen: aus einem -*Furchtappell (~>Exp. 20) und einer Handlungsempfehlung (health belief-modell). Das Konzept der S. besagt, dass ein gesundheitsförderliches Verhalten von drei Faktoren abhängt: (a) von der subjektiven Wahrscheinlichkeit, dass das schädliche Ereignis auftritt (z.B. Infizieren mit HIV); (b) von der wahrgenommenen Schwere der Krankheit oder Schädigung (Immunschwäche, Tod); (c) von der wahrgenommenen Instrumentalität/Efifektivität einer bestimmten Handlung zur Abwehr der Gefahr (z.B. Verwendung von Kondomen). In einer neueren Version wird die Theorie der S. um zwei weitere Variablen ergänzt: Thematisierung der psychischen und finanziellen Kosten sowie die —• Selbstwirksamkeit, d.h. die subjektive Einschätzung, das angesonnene Verhalten auch wirklich realisieren zu können (-+ Effizienz-Erwartungen). Die Theorie der S. wurde von ROGERS in eine allgemeine Theorie des Verhaltens gegenüber potentiellen Bedrohungen erweitert. Auch sind Querverbin478
dungen zur Stressforschung (-* Stress) hergestellt worden.
Schwache Verbindungen Im Rahmen der Analyse sozialer -* Netzwerke formuliert GRANOVETTER eine Theorie der S. Der Verfasser unterscheidet dabei zwischen: (a) starken Beziehungen transitiver Natur, v.a. innerhalb dichter und kohäsiver Primärstrukturen; (b) schwachen Beziehungen nichttransitiver Art, die nur gelegentlich aktiviert werden und meist im Austausch mit anderen Systemen bzw. Gruppen erfolgen. Betrachtet man die Verbindung zwischen zwei Gruppen (-• IntergruppenBeziehungen), so ist oft festzustellen, dass die Akteure schwacher Beziehungen nicht identisch sind mit den Zentral-Pn bzw. -> Meinungsßihrern des internen Systems. Externe Beziehungen werden vielfach über „marginals" aufrechterhalten. Ihre Relevanz gewinnen solche S. nur in besonderen Situationen (z.B. dringender Informationsbedarf: Wie weit ist die Konkurrenz mit der Entwicklung von X? Erhöht die Konkurrenz die Preise? Welche Informationen gibt es über den Mitarbeiter A, der sich bei uns beworben hat?) hat seine Theorie am Bsp. der Suche nach Arbeitsplätzen expliziert und empirisch überprüft; er gelangt u.a. zu folgenden Ergebnissen: Etablierte Arbeitskräfte finden eher neue Arbeitsstellen über S. als Berufsanfanger. Ferner erweitert sich das Repertoire an S. mit zunehmender Verweildauer im Erwerbsleben. Je höher der Status und die Qualifikation einer Position sind, desto eher finden ArGRANOVETTER
Schweigespirale
Sekundärgruppe
beitskräfte neue Stellen über Kontakte, wobei in statushöheren Positionen S. eher zum Zuge kommen.
(II) Kognitive S. ist ein Mittel der Abschottung von Kognitionen, um kognitive —• Dissonanzen zu vermeiden.
Schweigespirale Kommunikationspsychologisches Konzept von NOELLE-NEUMANN: Auf Grund der irrigen Annahme, die Medienmeinung (vielfach „linksliberal" orientiert) sei die Mehrheitsauffassung, glauben weite Teile des Publikums, sie seien in der Minderheit, und verschweigen deshalb ihre Einstellung, um nicht in soziale Isolation zu geraten.
Segregation
Schwellen (I) In der Psychophysik unterscheidet man absolute S. (der geringste Betrag an physikalischer Energie, der überhaupt eine Empfindimg hervorruft) und Unterschieds-S. (die kleinste physikalische Differenz zwischen zwei Reizen, die als unterschiedlich empfunden wird). In der SP und in der WP geht es eher um kognizierte S. (z.B. Preis-S.), die an bestimmten Ankerreizen (z.B. Glattpreisen) kategorial festgemacht werden. (II) Auch bei -* Entscheidungen (z.B. Produktwahl) werden häufig S.-Werte definiert, die bestimmte Attribute überschreiten müssen, sonst fallt die Alternative aus dem „evoked set". Segmentation (I) Differenzierung strukturell gleicher oder ähnlicher Einheiten, welche die gleiche Funktion ausüben. Dies führt zu einer Aufspaltung von Handlungsmustern (-» Marktsegmentierung). Im Arbeitsbereich ist die sog. Arbeitsmarkt-S. bedeutsam (z.B. in Kernbelegschaft vs. Randbelegschaft).
Isolierte, abgesonderte Lebensweise von Bevölkerungsgruppen (-• Minderheit, soziale) nach Hautfarbe, Konfession, Geschlecht, Status usw., die sich in den Zugangschancen zu Wohngegenden, Schulen, Kirchen und öffentlichen Einrichtungen äußert und häufig zur Ghettobildung fuhrt. Sekundäranalyse Erneute Analyse des Datenmaterials bereits durchgeführter Untersuchungen, meist mit einer neuen Fragestellung. Der Vorteil der S. liegt darin, dass sie es erlaubt, Problemstellungen ohne eigene Feldarbeit zu analysieren. Ein Nachteil besteht insofern, dass die Daten nicht optimal auf die neuen Hypothesen zugeschnitten sind. Sekundäre Kontrolle -> Kontrolle, kognizierte Sekundäre Motivation -» Motivation Sekundäre Sozialisation lisation
Sozia-
Sekundäre Verstärkung -> Verstärkung Sekundärgruppe Nach COOLEY Bezeichnung für Gruppen, denen das Individuum ohne besondere emotionale Bindung angehört. Der Begriff S. ist wenig spezifisch und eher eine Residual-Kategorie in Abhebimg zu Primärgruppen (wie Familie, enger Freundeskreis).
479
Selbst
Selbst Der Begriff S. (meist synonym mit personaler -* Identität) wird insbesondere in der phänomenologischen Tradition sowie auch vom -* symbolischen Interaktionismus verwendet. Eine implizite Annahme geht häufig davon aus, das S. sei eine Art Substrat oder Entität (so wie etwa die „Seele"), die gegenüber sozialen Einflüssen (z.B. sozialen Rollen) abzugrenzen sei und den „wahren" Kern einer P repräsentiere. Die Annahme eines substanziellen S. wird von der (empirisch ausgerichteten) SP kaum noch verfolgt. Die subjektive Sicht des Individuums im Hinblick auf sich selbst wird heute bevorzugt mit dem Begriff des —>• Selbstkonzepts (-> SelbstkonzeptTheorien) abgedeckt, und die diesbezüglichen wissenschaftlichen Aktivitäten firmieren unter dem Begriff der Selbstkonzeptforschung. Dabei wird das S. - je nach Forschungsperspektiv e - als Einstellungen zu sich selbst oder aber als Wissen über sich selbst (seif knowledge) definiert. Lit: -* Selbstkonzept
Selbst-Affirmation -> Selbstintegrität Selbstattribution Wenn man sich für eine Handlung verantwortlich fühlt, wird deren Ergebnis dem eigenen Selbst zugeschrieben. Selbstaufmerksamkeit Ähnlich wie die Theorie der -* Selbstwahrnehmung geht die Theorie der objektiven S. v o n DUVAL & WLCK-
LUND davon aus, dass der Mensch sein 480
Selbstaufmerksamkeit
eigenes Selbst wie ein Objekt der Erkenntnis beurteilt (der Ausdruck „objektive" S. ist völlig irreführend). Die Autoren gehen von der Vorstellung aus, dass bei Zuständen der S. Aspekte des Selbst aktualisiert und intensiviert werden. Diese Aufmerksamkeit bewirkt, dass interne Standards salient werden, dass man sich auf eigene Vorstellungen, Prinzipien, Standards und Einstellungen besinnt und über sie nachdenkt. Die motivationale Basis der S. ist daher - anders als in der Theorie der Selbstüberwachung- eine Art Validierungsmotiv (—> Selbstkonzept-Theorien), indem man etwas über sich selbst in Erfahrung bringen und dies auch in Handeln umsetzen möchte. Die S. hängt nach den Vorstellungen v o n DUVAL & WICKLUND sowohl v o n
Situationsfaktoren (Wissen, beobachtet zu werden etc.) als auch von Dispositionsfaktoren (z.B. non-egozentrische Perspektive) ab. Die Auswirkungen der S. werden in Folgendem gesehen: (a) S. fuhrt zu Aktualisierung und Intensivierung relevanter Aspekte des Selbst, wobei man sich auf solche Dimensionen konzentriert, die in der betreffenden Situation salient sind; (b) S. führt dazu, dass das Selbst in stärkerem Maße als Faktor der Kausal-Attribution herangezogen wird; (c) S. bewirkt eine Motivation, die Diskrepanz zwischen internem Standard und der Realität zu reduzieren. Dies kann geschehen durch Defensiv-Reaktionen (Abwehr, Dissonanzreduktion), Verhaltens-
Selbstbenachteiligung
änderung (so dass man die internen Standards erreichen kann) sowie durch eine Verringerung der Tendenz zu S., sofern diese als aversiver Zustand erlebt wird. Das Individuum wird dann solche Situationen verlassen/meiden, in denen S. angeregt wird.
Selbstdarstellung
Selbstbenachteiligung -> selfhandicapping ->• Selbstschädigung
dener Motivationsfacetten. In einer späteren Fassung (-»Selbstregulierung) kommen die Autoren zu dem Schluss, dass auch extrinsisch bedingtes Verhalten durch ein bestimmtes Maß an S. charakterisiert sein kann. Das Konzept befasst sich daher zusätzlich mit der Frage, unter welchen Bedingungen extrinsisches Verhalten selbstbestimmt wird (z.B. ständige positive Rückmeldung, Fehlen von Einengung).
Lit:
Selbstkonzept
Selbstbestimmung
Selbstbild
(I) Generell: Objektive oder subjektiv empfundene Freiheit der Gestaltung (z.B. Autonomie am Arbeitsplatz), charakterisiert durch die Abwesenheit fremder sozialer -* Kontrolle und das Gefühl der ->• Selbstwirksamkeit.
Das Bild, das man von sich selbst hat. Der Ausdruck wird meist gleichbedeutend mit -»• Selbstkonzept gebraucht.
(II) Speziell nach DECI & RYAN (seif
Meist synonym gebraucht mit Impression management. MUMMENDEY spricht von S. in einem erweiterten Sinn; er sieht auch in vielen anderen —> Selbstkonzept-Theorien selbstdarstellungsbezogene Elemente. Insbesondere gilt dies für die Theorie der —> Selbstüberwachung, die im Unterschied zum Impression-managementAnsatz allerdings persönlichkeitsdifferenziell (starke und schwache Selbstüberwacher) angelegt ist.
determination) intrinsische Aspekte des Selbst, und zwar in dreierlei Hinsicht: (a) Bedürfnis, sich selbst aktiv und kompetent mit der Umwelt auseinander zu setzen; (b) Bedürfnis nach Autonomie (-• Kontrollüberzeugung —• locus of control)', (c) Bedürfnis nach Verbundenheit (relatedness) und gegenseitiger Fürsorge.
Selbstbindung -» Commitment Selbstdarstellung
Einige Vertreter der S.-Theorie (z.B.
DECI & RYAN gehen dabei davon aus,
TEDESCHI & NORMAN sowie ARKIN)
dass intentionales Verhalten sich motivational auf einem Kontinuum abbilden lässt: An einem Ende steht extrem selbstbestimmtes, autonomes Handeln (-> Motivation, intrinsische -* Selbstwirksamkeit); am anderen Ende stehen äußere Anreize oder Sanktionen (extrinsische Motivation). Die S.-Theorie beschäftigt sich sodann mit den Bedingungen und Auswirkungen verschie-
betonen, dass der Wunsch nach möglichst positiver S. weniger der Ausdruck eines Motivs nach Selbstwerterhöhung bzw. Selbstwerterhaltung ist, sondern vielmehr das Ergebnis von Lernprozessen darstellt. Als Verstärker fungiert hierbei die Zustimmung, die man von seinen Interaktionspartnern erhält (social appro481
Selbstdiskrepanz
val) sowie die soziale Macht, die man durch Eindruckskontrolle ausüben kann. Selbstdiskrepanz Die S.-Theorie von HIGGINS unterscheidet drei Arten von -»• Selbstkonzepten: (a) das tatsächliche Selbst (wie man ist); (b) das ideale Selbst (wie man sein möchte); (c) das geforderte Selbst (wie man sein sollte). Alle drei Selbstbilder werden jeweils vom eigenen Standpunkt (-» Selbstwahrnehmung) und vom (vermeintlichen) Standpunkt Anderer (Fremdwahrnehmung) differenziert. Zwischen den hierbei entstehenden sechs Varianten können Diskrepanzen entstehen (z.B. man leistet nicht so viel, wie man in den Augen Anderer leisten sollte, oder: Man möchte gern schön sein, glaubt jedoch, auf andere hässlich zu wirken). Die Theorie enthält eine motivationsbezogene und eine informationsorientierte Hypothese. Erstere besagt, dass S. jeder Art unangenehm sind und dass man bestrebt ist, solche Diskrepanzen abzubauen (dies könnte als Sonderform der Reduzierung kognitiver -* Dissonanz aufgefasst werden). Die informationsbezogene Hypothese lautet: Je größer das Ausmaß einer S. ist, desto unangenehmer sind die Folgen, insbesondere dann, wenn die Zugänglichkeit der S. durch situative Hinweisreize hoch ist. Neuere Überlegungen von HIGGINS gehen von zwei weiteren Selbst-Instanzen aus: dem erreichbaren Selbst 482
Selbsterfahrungsgruppen
(can seif) und dem zukünftigen Selbst (future seif). Diese haben jedoch primär keine verhaltensleitenden, sondern eher selbstevaluierende und selbstregulative Funktionen. Allerdings ließe sich gerade das erreichbare Selbst als Zielinduktion verstehen, die Einfluss auf die -» Selbstwirksamkeit hat. Lit: -» Selbstkonzept
Selbsteinschätzung gefiihl
Selbstwert-
Selbsterfahrungsgruppen Selbsterfahrung bedeutet in diesem Kontext, sich durch Konzentration auf Aspekte der eigenen Person und durch interpersonales Feedback näher kennen zu lernen, wobei sozial-emotionale Gesichtspunkte gegenüber Leistungsaspekten im Vordergrund stehen. Dabei wird die Gruppe als Instrument der Selbsterfahrung verstanden. Die wichtigsten Ansätze sind hierbei: (a) Selbsterfahrung i.R. psychoanalytisch beeinflusster Gruppentherapien, wobei der Schwerpunkt vergangenheitsbezogen ist; (b) Selbsterfahrung in gruppendynamischen Ansätzen, in der verbreitetsten Form als Sensitivitätstraining (Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeit für eigene und fremde Gefühle). Der Schwerpunkt ist gegenwartsbezogen („hier und jetzt"); (c) Selbsterfahrung in Verhaltensund Handlungstrainings, wobei entweder lerntheoretische oder handlungstheoretische Konzepte im Vordergrund stehen.
Selbstergänzung, symbolische
Lediglich die dritte Variante enthält ein ausreichendes theoretisches Fundament und erlaubt eine gezielte -> Evaluation der Effekte. Die übrigen Verfahren leiden meist unter der Ungenauigkeit der Zielsetzung, mangelnder Durchschaubarkeit der Trainingsvorgänge sowie unter theoretischen Defiziten. Auch werden vielfach die Konzepte mystifiziert, und die Trainingsleiter versuchen, sich durch Charismatisierung undurchschaubar und unkritisierbar zu machen, was häufig in finanziellen Interessen begründet liegt.
Selbstergänzung, symbolische Nach WICKLUND & GOLLWITZER versuchen Pn, die sich ein selbstbezogenes Ziel gesetzt haben (z.B. Manager zu werden, dem Jet-Set anzugehören), den Mangel an relevanten direkten Symbolen durch das zur Schau tragen alternativer Symbole auszugleichen. Derartige Anstrengungen nennen die Autoren „selbstsymbolisierende Handlungen", die der Kompensation für (noch) nicht erreichte Ziele dienen. Diese Symbole müssen v.a. sichtbar sein (z.B. Frisur, Kleidung, Accessoires, demonstrativer Konsum). Symbole der Selbstdefinition sind gewöhnlich sozial definiert, also in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedlich. Dabei geht es weniger darum, die Wünsche der Interaktionspartner zu kennen, sondern darum, dass die zur Schau gestellten Ersatzobjekte vom relevanten Publikum auch zur Kenntnis genommen werden, und zwar umso mehr, je ausgeprägter das Empfinden der Unvollständigkeit ist. Die Theorie berührt sich mit dem Konzept des -*• Impression management
Selbstintegrität
(-* Selbstdarstellung)', der Unterschied liegt jedoch bei der S. darin, dass diese durch ein Kompensationsbedürfnis gesteuert wird. Gewisse Ähnlichkeiten bestehen auch zur Theorie der Statusinkonsistenz. Hier wie dort geht es um Kompensationstendenzen; man denke an die Demonstrationseffekte der „nouveaux riches". Lit: -> Selbstkonzept
Selbstintegrität Die S.-Theorie (auch: self-affirmation theory) von STEELE betont die Plastizität der Wiederherstellung des Selbstwertes. Wenn ein bestimmter Selbstaspekt bedroht wurde, bedeutet dies nicht automatisch, dass genau dieser das primäre Ziel der Wiederherstellung oder der Abwendung sein muss. Durch die Bedrohung eines bestimmten Aspektes wird lediglich die gesamte S. betroffen. Deren Restauration ist prinzipiell auch kompensatorisch möglich, d.h. auch ein nicht bedrohter Selbstaspekt kann hier ausgleichend wirken. Bsp.: Ich habe Steuern hinterzogen, bin jedoch deswegen kein Schurke, weil ich meine alte Mutter unterstütze. Oder: Meine Fahrigkeit/ Zerstreutheit wird attackiert. Ich kann darauf verweisen, dass dies zur Rolle (des Professors) gehört. Die kompensatorische Valenz des ersetzenden Faktors ist jedoch von drei Bedingungen abhängig: (a) von der Wichtigkeit dieses Selbstaspekts; es wird vergleichbare Wichtigkeit unterstellt; (b) von der -* Zugänglichkeit in Wahrnehmung und Gedächtnis;
483
Selbstkategorisierung
(c) von den Kosten, die mit der Aktivierung dieses Selbstaspekts verbunden sind. Nach STEELE erfordert die S. eine Neubewertung zahlreicher Experimente und Theorien. So glaubt dieser Autor, dass das Auftreten kognitiver Dissonanz (-» Dissonanztheorie) lediglich dann erfolgt, wenn den Vpn keinerlei kompensatorische Möglichkeiten verbleiben. Wenn jemand seine S. auf andere Art wiederherstellen kann, dürfte keine Dissonanz auftreten. Desgleichen wäre im Falle der Reaktanztheorie davon auszugehen, dass perzipierter Freiheitsverlust die allgemeine S. bedroht, die jedoch durch geeignete Möglichkeiten der Selbstbestätigung aufgefangen werden kann. Ähnliche Kompensations-Optionen dürften im Fall der Equity-Theorie das Ausmaß empfundener Ungerechtigkeit abmildern (ausgleichende Gerechtigkeit). Lit: -*
Selbstkonzept
Selbstkategorisierung begreift das Selbst als Set kognitiver Repräsentationen, also als ein lockeres Gefuge einzelner Selbstkonzepte, die relativ isoliert und funktionell autonom sind. Dieses Konzept wirkt situationsspezifisch; es wird nur in bestimmten Situationen aktiviert (-• Arbeits-Selbst). Kognitive Repräsentationen des Selbst können die Form von S. einnehmen, wobei hierarchische Aspekte wirken (z.B. ich bin Europäer, Deutscher, Bayer, Münchner). TURNER
Zu unterscheiden ist nun eine personale und eine soziale Ebene der S. Immer dann, wenn Faktoren vorliegen, 484
Selbstkonsistenz
welche die Salienz von IngroupOutgroup-Kategorisierungen erhöhen, tritt die individuelle Selbstwahrnehmung in ihrer Bedeutung zurück. Bei starken Gruppeneinflüssen erfahrt das Individuum dann gar einen Prozess der De-Personalisierung (-* De-Individuation). Solche Faktoren sind u.a.: soziale —> Vorurteile, starke Gruppenbindungen, Ethnozentrismus sowie interne Kooperation, Solidarität, geteilte Normen (-» Kollektivismus Identität, soziale —• Intergruppen-Konflikt).
Selbstkonfrontations-Technik Pn werden mit ihren eigenen Schwächen konfrontiert (z.B. über VideoAufzeichnungen oder Tonband-Aufnahmen).
Selbstkonsistenz (I) I.S. eines konsistenten Zusammenhangs zwischen Einstellung und Verhalten (-* Einstellungswirkungen). Dieser wird nur dann eng sein, wenn Pn ihr eigenes Verhalten über verschiedene Situationen hinweg konsistent gestalten. TANNER et al. konnten einen engen Zusammenhang zwischen Verhaltenskonsistenz in der Vergangenheit und der gemessenen Einstellungs-Verhaltens-Korrelation feststellen. Pn mit einer starken Tendenz zur -* Selbstüberwachung weisen geringe S. auf. (II) I.S. des Impression management der Versuch, gegenüber Anderen (z.B. dem VI) konsistent zu erscheinen (Tendenz zur konsistenten Beantwortung, Vermittlung des Eindrucks, ein in sich stimmiges Einstellungssystem zu haben) sowie die Übereinstimmung zwischen Verhalten und Einstellung
Selbstkontrolle
zu demonstrieren (-+ sokratischer Effekt). (III) I.S. der Theorie der -> Selbstdiskrepanz von HIGGINS das Motiv, Diskrepanzen zwischen verschiedenen Formen des Selbst zu reduzieren. (IV) I.S. der interpersonellen Theorie des Selbst (SECORD & BACKMAN) Konsistenz zwischen drei Komponenten aufrechtzuerhalten oder herzustellen: (a) Aspekt des Selbst von P; (b) die Interpretation, die P von ihrem Verhalten gibt; (c) ihre Vorstellungen darüber, wie ein anderes Subjekt O sich ihr gegenüber in Bezug auf diesen Aspekt verhält. Es besteht die zentrale Annahme, dass P versucht, zwischen diesen drei Komponenten einen Zustand der Kongruenz aufrechtzuerhalten. Als Möglichkeiten zur Auflösung der Inkonsistenz nennen die Autoren: kognitive Umstrukturierung, selektive Bewertung (kongruente Komponenten werden höher gewichtet, inkongruente dagegen niedriger) sowie selektive Interaktion (mit Pn, deren Verhalten eine möglichst geringe Änderung von vormals kongruenten Situationen bedeutet).
Selbstkontrolle (I) Allgemein: sich selbst unter Kontrolle zu haben, Selbstbeherrschung. (II) I.S. der behavioristischen Lerntheorie (~>Lerneri) versucht man, die Prinzipien der Konditionierung auf solche Bereiche auszudehnen, die traditionell mit Konzepten wie -* Wille bzw. Volition analysiert werden.
Selbstkontrolle SKINNER unterscheidet zwischen kontingenzgeformtem und regelgesteuertem Verhalten. Letzteres gestattet dem Individuum die Möglichkeit der S., indem eine kontrollierte Response durch ein selbsterzeugtes Verhalten ersetzt wird. In der Verhaltenstherapie (z.B. Raucherentwöhnung) gewinnen solche Ansätze vermehrte Bedeutung.
(III) Das Bestreben, den Eindruck, den man auf Andere macht, zu kontrollieren (-> Selbstüberwachung -* Impression management). (IV) In einem spezifischeren Sinne sprechen MISCHEL sowie BANDURA & MISCHEL von S. immer dann, wenn ein Individuum die Möglichkeit hat, auf einen kleineren, sofort zugänglichen Verstärker zu Gunsten eines größeren, der aber erst später erhältlich ist, zu verzichten. Die Fähigkeit zum Aufschub hängt nach BANDURA v.a. von Modell-Einflüssen ab (-» delay of gratification Belohnungsaufschub -* deferred gratification pattern). (V) HERRNSTEIN betrachtet Verstärkerverzögerungen (Delay-Effekte) i.R. des Gesetzes vom relativen Effekt (-> Effektgesetz). Delay steht hier für Zeitabstand zwischen Operant und Verstärker. Im Allgemeinen werden geringe Verzögerungen gegenüber größeren bevorzugt, d.h. relativ bald einzulösende Verstärker werden höher geschätzt, auch wenn weiter in der Zukunft liegende Verstärker wesentlich höhere Beträge aufweisen (Bsp.: Während eines längeren Studiums muss P eine Durststrecke durchlaufen, bevor dann ein hoch geschätzter Beruf in Sichtweite gerät; oder: Sparen für eine größere Anschaffung; damit Verzicht auf sofortigen Genuss). Die Tendenz 485
Selbstkonzept-Theorien
Selbstkonzept
zu sofortiger Bedürfnisbefriedigung wird bisweilen auch als „short run hedonism" bezeichnet. (VI) Für
HERRNSTEIN
sowie
GOTT-
FREDSON & HIRSCHI ist mangelnde S.
die zentrale Variable für das Auftreten ->• abweichenden Verhaltens (z.B. Diebstahl oder Drogenkonsum), weil Pn nicht gelernt haben, ihre Triebe/ Bedürfnisse zu zügeln und weil sie auf sofortige Bedürfnisbefriedigung konzentriert sind - also Zukunftsereignisse und mögliche Schäden (Bestrafungen, die in der Zukunft liegen) extrem abdiskontieren (-» Myopischer Effekt).
Selbstkonzept Gesamtheit des auf die eigene P gerichteten Wissens über sich selbst samt der sich daraus ergebenden Beurteilungen. Gegenstand der Beurteilung können das Selbst als Ganzes, sowie Teilaspekte des Selbst (z.B. —• Persönlichkeitsmerkmale) sein, die dem Individuum präsent sind. Dabei ist zu beachten, dass der Ausdruck „Konzept" auf der Objekt-Ebene angesiedelt ist (d.h. P hat ein Konzept von sich selbst). Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sinnvoll ist, ein ganzheitliches integriertes S. zu unterstellen oder ob nicht vielmehr mehrere Teil-„Selbste" (oder S.) existieren. In empirischen Untersuchungen zeigt sich nämlich, dass es situationsspezifische, bereichsspezifische sowie gegenstandsspezifische S. zu geben scheint. Der Begriff des -* ArbeitsSelbst deutet gleichfalls an, dass situations- oder auch rollenspezifisch nur jeweils bestimmte S.-Bereiche aktiviert werden (z.B. P's Einschätzung als Liebhaber oder sein Selbstbild als 486
Tennisspieler). Andererseits ist die S.Struktur häufig hierarchisch angeordnet, so dass auch ein generelles und globales S. als Forschungsgegenstand von theoretischem Nutzen sein kann. Aus der Perspektive sozialer Einstellungen kann man das S. auch als Sonderfall einer Einstellung definieren, nämlich als Einstellung zu sich selbst. Die Besonderheit liegt dann darin, dass im Falle des S. Objekt und Subjekt der Einstellung identisch sind. Mit dieser Auffassung lässt sich theoretisch und empirisch das Arsenal der Einstellungsforschung nutzen, so dass zur Analyse des S. keine besonderen phänomenologischen Zugänge notwendig sind. Lit.: BAUMEISTER, R. F . (ed.) (1999). The
seif in social psychology. Philadelphia/PA. FILIPP, S.-H. (Hg.) ( 2 1984). SelbstkonzeptForschung. Stuttgart. GREVE, W . (Hg.)
(2000). Psychologie des Selbst. Weinheim. SUBS, J. & GREENWALD, A.G. (eds.) (1982/ 1993). Psychological perspectives on the
seif, Vol. 1-4, Hillsdale.
Selbstkonzept-Theorien Hier handelt es sich um eine (fast inflationäre) Reihe von Theorien, die das Selbstbild oder -* Selbstkonzept betreffen, oftmals lediglich eine geringe
Reichweite
aufweisen
- KRUG-
würde von Mini-Theorien sprechen - andererseits manchmal mit imperialistischen Ansprüchen auftreten (z.B. die Theorie des -* Impression management oder die Theorie der -* Selbstintegrität). LANSKI
Die hier entwickelten Theorien lassen sich im groben Überblick nach dem Gesichtspunkt der tragenden Motivation unterscheiden. Zentral ist hier zum einen das Motiv der -»•Selbstwertdien-
Selbstöffnung
Selbstkonzept-Theorien
lichkeit, d.h. das Bestreben, das eigene Selbstbild positiver zu gestalten oder es gegen Bedrohungen von außen zu verteidigen. Selbst-Kognitionen sind insofern gerichtet; sie unterliegen einem self-serving-bias. Zu diesen Theorien gehören u.a. die Theorien der Selbstwerterhaltung von TESSER, d e r -»• Selbstintegrität
v o n STEELE, d e r
symbolischen -* Selbstergänzung von WICKLUND -* Selbstziele
& GOLLWITZER, v o n GREENWALD,
der die
des -* Impression
management von SCHLENKER & TEDESCHI sowie der -* Selbstüberwachung von SNYDER. Die beiden letztgenannten nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als sie nicht primär auf das Selbst gerichtet sind, sondern im Interaktionsprozess Möglichkeiten beschreiben, auf einen Interaktionspartner eindruckssteuernd einzuwirken. Für sie gilt zusätzlich zum Beweggrund der Selbstwertdienlichkeit ein Kontrollmotiv, d.h. die kontrollierende Steuerung des Eindrucks, den man auf andere macht.
Lit.: BEM, D J . (1972). Self-perception theory. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 6. New Y o r k , 1-62. DUVAL, S . & WICKLUND, R . A .
(1972). A theory of objective self- awareness. New York. DWECK, C.S. (1999). Selftheories: Their role in motivation, personality and development. Philadelphia. FREY, D. & IRLE, M . ( H g . ) ( 2 0 0 2 ) . T h e o r i e n d e r Sozi-
alpsychologie, Bd. III, Motivations-, Selbstund Informationsverarbeitungstheorien. Bern u.a. HIGGINS, E.T. (1987). Self discrepancy: A theory relating seifand affect. Psychological Review,
94,
319-340.
STEELE,
C.M.
(1988). The psychology of self-affirmation: Sustaining the integrity of the self. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 21. San Diego, 3614 0 3 . TESSER, A . ( 1 9 8 8 ) . T o w a r d a s e l f - e v a -
luation maintenance model of social behavior. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 21. New Y o r k , 1 8 1 - 2 2 7 . WICKLUND, R . A . & GOLL-
WITZER, P.M. (1982) Symbolic self completion. Hillsdale/NJ. WICKLUND, R.A. & FREY, D. (21993). Die Theorie der Selbstaufmerksamkeit. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. I, Bern u.a., 155-173.
Selbstöffnung Eine zweite Gruppe von S. steht im Dienste von Validierungsabsichten. Hier geht es um Fragen wie: Wer bin ich wirklich? Welches sind meine eigentlichen Präferenzen? Welche Wertvorstellungen, Einstellungen und Prinzipien leiten mein Leben? Im Focus dieser Theorien steht nicht die -*• Selbstdarstellung i.S. eines öffentlichen Selbst, sondern das Selbst als Erkenntnisobjekt der P. Dazu gehören u.a. die Theorien der -* Selbstwahrnehmung von BEM, der Selbstaufmerksamkeit
von
DUVAL &
WICK-
LUND sowie die kognitive Theorie der Gefühle von SCHACHTER (sofern man Gefühle als Teil des Selbst ansieht).
S. (self disclosure, auch: Selbstoffenbarung) besteht in der Preisgabe von Selbstaspekten, meist im Rahmen intimer Beziehungen (-»Intimität). Der Begriff wurde von JOURARD geprägt und stand primär im Kontext psychischer Gesundheit, offenbar mit dem Grundgedanken, dass der S. eine Art kathartischer Funktion zukomme. Der Inhalt der S. kann sich auf Verschiedenes beziehen, z.B. auf Gedanken (Bsp.: Ich kann an nichts anderes mehr denken); auf Absichten (Bsp.: Ich werde demnächst kündigen; mich scheiden lassen), auf Gefühle (Bsp.: Ich empfinde Angst; ich liebe dich); auf Wünsche (Bsp.: Ich möchte mehr/ weniger Sex mit dir haben); auf Hand487
Selbstöffnung
lungen (Bsp.: Ich habe Steuern hinterzogen; dich betrogen). zeigen in ihrer Meta-Analyse einen positiven Zusammenhang zwischen S. und Sympathie (-» Attraktivität) auf. Dabei gilt: Je sympathischer P eine andere Person O empfindet, desto eher wird P sich öffnen. Je mehr P sich gegenüber O offenbart, desto eher wird sie P sympathischer finden. COLLINS & MILLER
S. kann unbeabsichtigt sein (P kann ihre Tränen nicht zurückhalten; P verplappert sich); allerdings konzentriert sich die sp Diskussion auf intendierte S., was zugleich die Frage nach den ausschlaggebenden Motiven aufwirft. Hier kommen u.a. in Betracht: (a) Erwartete Reziprozität: Der Andere soll sich auch öffnen; (b) Erhoffte Sympathie: Man möchte sympathischer wirken (weil Offenheit meist Sympathie schafft); (c) Erregung von Mitleid/Mitgefühl: Anteilnahme; (d) Bedürfnis nach Transparenz: Man möchte endlich Klarheit/Ehrlichkeit schaffen; (e) Bedürfnis nach Selbstausdruck: Man möchte sich selbst darstellen (expressive Komponente der S.). Unterschieden wird auch zwischen Breite und Tiefe der S. Im erstgenannten Fall geht es um die Extension der verschiedenen Selbstbereiche, hinsichtlich derer man sich öffnet. Insbesondere im Fall erhoffter Reziprozität kommt es meist nur zu einer partiellen S. Im Hinblick auf den Tiefgang wird ein Freilegen tiefer gelegener Persönlichkeitsschichten postuliert.
Selbstdffnung
Im Allgemeinen nimmt man an, dass S. eine soziale Beziehung verbessert. So enthält z.B. das Phasenmodell von LEVINGER die Stufe der S. als Voraussetzung einer befriedigenden intimen Beziehung. S. dürfte jedoch nicht in allen Fällen Beziehungsverbesserung bedeuten (Bsp.: P gesteht ihre Untreue; P offenbart, dass sie O nicht liebe; P erklärt, dass sie total verschuldet sei). Es hängt also von den jeweiligen Inhalten der S. ab, ob die Beziehung dadurch verbessert oder verschlechtert wird. Allgemein lässt sich sagen, dass eine durch S. verursachte Eintrübung immer dann zu erwarten ist, wenn die Offenbarung das Selbstkonzept des Partners negativ tangiert. Hier steht die Theorie der S. offenkundig im Widerspruch zur Theorie der sozialen -* Durchdringung, die davon ausgeht, dass stärkere interaktive Vertiefung die Beziehimg stets positiv beeinflusst. Interaktive S. ist eingebettet in soziale -* Normen, die u.a. die Angemessenheit/Unangemessenheit des „Sichpreisgebens" bestimmen. So wird bspw. bei engeren Kontakten mangelnde S. als Verschlossenheit oder Distanzierung betrachtet und meist negativ sanktioniert. Umgekehrt mag die von manchen Individuen praktizierte S. gegenüber völlig fremden Pn als unangemessen und peinlich erscheinen. Die Bereitschaft zur S. ist dabei allerdings nicht nur eine Frage der perzipierten Kontrolle; gerade bei sehr verschlossenen Menschen kann dies auch Ausdruck einer gewissen Unfähigkeit sein, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Die Preisgabe von Informationen über das eigene Selbst kann für den Offen-
488
Selbstpräsentation
Selbstregulierung
barenden nachteilig sein. Denn der Interaktionspartner könnte die Wertschätzung ihm gegenüber reduzieren, ihn möglicherweise sogar verachten. Auch besteht die Möglichkeit für den Rezipienten, dieses Wissen zum eigenen Vorteil zu nutzen. Der Mitteilende wird demnach unterstellen, dass ihm der Partner wohlgesonnen ist; er muss ihm -»• Vertrauen entgegenbringen. So zeigt sich z.B., dass „trusters" - P n , die bis zum Beweis des Gegenteils anderen Menschen vertrauen - in stärkerem Maße zu S. neigen. Insofern könnte S. auch als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet werden. Die Befunde zeigen bspw., dass Frauen eher dazu bereit sind, ihr Selbst zu offenbaren. Die tendenzielle Verschlossenheit von Männern mag mit dem GenderSchema zusammenhängen (-> Geschlechtsrollen), wonach Männer sich scheuen, über ihre Ängste zu reden oder Gefühle zuzugeben, weil sie glauben, dass dies als Schwäche ausgelegt werden könnte und das Image der Männlichkeit stört. Lit.:
COLLINS,
N.L.
&
MILLER,
L.C.
(1994). Seif disclosure and liking. A metaanalytic review. Psychological Bulletin, 119, 51-69. DERLEGA, V J . (1993). Self-disclo-
sure. Newbury Park/CA. JOURARD, S.M. ( 1 9 7 1 ) . S e l f - d i s c l o s u r e : A n e x p e r i m e n t a l in-
vestigation of the transparent seif. New York.
Selbstpräsentation -»•Selbstdarstellung Impression management —• Selbstüberwachung
ziale -* Systeme die Fähigkeit zur S., d.h. es werden Mechanismen angenommen, die das System (wieder) ins Gleichgewicht bringen. (II) C A R V E R & S C H E I E R konzipieren ein kybernetisches Modell der S. (—• Selbstkonzept-Theorien TOTEModell), das stark von der Theorie der Selbstaufmerksamkeit beeinflusst ist. Damit ein Individuum Verhaltensziele in ein konkretes Verhalten umsetzen kann, bedarf es eines Mechanismus, der die Diskrepanz zwischen Kognition und Verhalten überbrückt. Das Modell rückt in die Nähe der Theorie der -> Selbstwirksamkeit sowie der Handlungskontrolle, da hierbei insbesondere -> Effizienz-Erwartungen eine tragende Rolle spielen. (III) D E C I & R Y A N haben ihre Theorie der -*• Selbstbestimmung (intrinsische Motivation) zu einer Theorie der S. erweitert. Die Autoren gehen davon aus, dass nicht nur intrinsisch motiviertes Verhalten selbstbestimmt ist, sondern dass auch ursprünglich extern kontrolliertes Verhalten in unterschiedlichen Graden als selbstbestimmt erlebt werden kann. Der Hauptmechanismus ist dabei die Internalisierung, z.B. von sozialen -* Normen. Um die Befolgung solcher Normen als selbstbestimmt zu erleben, ist es notwendig, dass das Individuum diese nicht nur akzeptiert, sondern sich mit ihnen identifiziert.
Selbstregulierung
Als Formen der Regulation werden von D E C I & R Y A N unterschieden:
(I) Begriff der Kybernetik. Technische Systeme werden durch besondere Rückkoppelungs-Mechanismen im Gleichgewicht gehalten. Systemtheoretiker unterstellen meist auch für so-
(a) Externale Regulation: Sie findet lediglich über äußere Anreize oder Strafreize statt; (b) Introjizierte Regulation: Sie beruht auf der Anerkennung einer 489
Selbstschädigung
Nonn, ohne dass diese im eigenen Wertsystem implementiert ist; (c) Identifizierende Regulation: P identifiziert sich mit der Norm, macht sie gewissermaßen zum eigenen Bedürfnis; (d) Integrierte Regulation: In diesem Falle ist P selbst Urheber der Handlung (indem sie sich selbst Ziele setzt). Die hier unterschiedenen Formen der Regulation gehören zur Klasse extrinsischer Motivation, weil sie nicht um ihrer selbst willen ausgeführt werden. Dennoch sind sie zunehmend selbstbestimmt und nähern sich dem Mechanismus der intrinsischen Motivation an. Die Theorie befasst sich des Weiteren mit unterschiedlichen Auswirkungen verschiedener Formen der Verhaltensregulation sowie ihrer externen Manipulation. Es bestehen zahlreiche Gemeinsamkeiten mit BANDURAS Konzept der Selbstwirksamkeit. Selbstschädigung -> Self handicapping Gemeint ist nicht die Schädigung des Selbst durch Andere, sondern durch die eigene P. S. gilt dabei als Oberbegriff für unterschiedliche Sachverhalte (BAUMEISTER & SCHER).
(I) Der Begriff wird häufig gleichbedeutend mit -+ self handicapping gebraucht und umfasst im erweiterten Sinn alle Aktivitäten, die für P dazu geeignet sind, ihr „Licht unter den Scheffel zu stellen" (-> Selbstdarstellung -* Impression management), z.B. die eigene Kompetenz herunterzuspielen, häufig mit dem Hintergedanken, später umso eher „glänzen" zu kön490
Selbstschädigung
nen. S. erfolgt daher - sofern sie nicht masochistische Züge trägt - häufig instrumenten, um letzten Endes Vorteile aus dem „Understatement" zu ziehen. Auch aus gelernter -*Hilflosigkeit lassen sich u.U. Vorteile erlangen. (II) S. als (nicht-intendierte) Konsequenz eines zielorientierten Handelns, z.B. Vernachlässigung von Langzeitfolgen, Raubbau am Körper, Alkoholund Medikamenten-Missbrauch, Arbeitssucht und Stress. Auch Beharrlichkeit und Perfektionismus (-> Handlungskontrolle) kann selbstschädigend werden, insbesondere wenn die Relation von Aufwand und Ertrag ungünstig ist. Nach CURTÍS kommt es dabei auch zu bestimmten Fixierungen; das Individuum hält an schädigenden Strategien fest. SCHILL sieht darin gar ein Persönlichkeitsmerkmal (seif defeating personality scale). Ein so verstandener Begriff der S. richtet sich nicht gegen das -*Selbstkonzept, sondern gegen die P in ihrer psychisch-physischen Beschaffenheit. (III) S. als vorsätzliche bzw. mutwillige Schädigung, wobei entweder Aspekte der P gefährdet sind (z.B. bewusstes Involvement in lebensgefährliche Handlungen) oder aber das Selbstkonzept attackiert wird (Herabsetzung des Selbstbildes vor sich selbst und/oder vor Anderen). Da ein solches (masochistisches) Verhalten der generellen Motivation der -* Selbstwertdienlichkeit widerspricht, dürfte es sich hier eher um ein pathologisches Verhaltensmuster handeln.
Selbstschema
Selbstschema ->• Selbstkonzept Mentale Struktur, die das Wissen um das eigene Selbst betrifft. Das S. enthält das Wissen über einen großen Teil des bisherigen Verhaltens einer P sowie einen Set von Verhaltensanweisungen für bestimmte Situationen. Man unterscheidet zwischen deklarativen Wissensbestandteilen v.a. in solchen Dimensionen, die für P wichtig sind. Sog. Nichtschematiker sind in bestimmten Handlungsbereichen nicht selbst involviert; die jeweiligen Merkmale sind daher für die Beschreibung des diesbezüglichen Selbstbildes nicht relevant (-> Arbeits-Selbst). stellt signifikante Unterschiede zwischen Schematikern und Nichtschematikem fest. Erstere reagieren im Bezug auf merkmalsbezogene Urteile sicherer und konsistenter. Auch sind sie in der Lage, bei situativer Anregung selbstbezogene Informationen leichter aus dem Gedächtnis abzurufen. Allerdings sind Menschen nicht bezüglich aller möglichen Merkmale Schematiker, was damit zusammenhängt, dass immer nur einige ausgewählte Aspekte selbstrelevant sind. MARKUS
Selbstselektion A u s d r u c k von KLAPPER, der Selekti-
onsprozesse im Rahmen von Kommunikationswirkungen (-»Medienwirkungen) untersucht. Sie finden auf vier Ebenen statt: (a) selektive Auswahl (-» selective exposure), z.B. das Einschalten eines bestimmten Fernsehkanals; (b) —• selektive Wahrnehmung (d.h. begrenzte, unterschiedliche oder einseitige Aufmerksamkeit im Hinblick auf das Gebotene);
Selbstüberwachung
(c) selektive Informationsverarbeitung (d.h. unterschiedliche kognitive Bewältigung des Dargebotenen); (d) selektives Erinnern (d.h. nur Teile des Gespeicherten werden abgerufen). Selbstsystemtheorie -> Selbstziele Selbstüberwachung Dispositionales Merkmal, das darin besteht, den Eindruck, den man auf andere Menschen macht, kontrollieren zu wollen und zu können (seif monitoring). Die Theorie der S. konvergiert mit Konzepten zur -* Selbstdarstellung und zum Impression management. Im Unterschied hierzu ist sie weniger auf Darstellung bezogen, sondern auf Überwachung. Das Impression-management-Konzept befasst sich überdies vorwiegend mit Techniken und Strategien der Selbstdarstellung. Das S.-Konzept betont demgegenüber die Tatsache, dass es sich bei der S. um ein Persönlichkeitsmerkmal handelt. Selbstüberwacher beschäftigen sich mit der Frage: „Who does this Situation want me to be and how can I be that person?" Parallelen zur Rollenthematik sind sichtbar (-»Rolle, soziale). SNYDER (1974) entwickelte einen Fragebogen, der individuelle Unterschiede in der Motivation und Fähigkeit der S. erfasst (seif monitoring scale). Beispiel-Items sind etwa: „Ich bemühe mich nicht, Dinge zu sagen, die den Anderen angenehm sind" oder: „In verschiedenen Situationen und gegenüber anderen Menschen verhalte ich mich wie ganz verschiedene Pn". SNYDER zeigt u.a., dass Pn, die von Berufs wegen mit Selbstdarstellung beschäf491
Selbstüberwachung
tigt sind (z.B. Schauspieler, auch Politiker) höhere Werte auf der S.-Skala erreichen. Das Konzept der S. ist keine Selbstkonzept-Theorie und insofern auch strikt von der Theorie der Selbstaufmerksamkeit zu unterscheiden. Zwar trifft es zu, dass in beiden Fällen das Selbst Aufmerksamkeit erfährt. Bei der S. besteht jedoch keineswegs die Absicht, etwas über das eigene Selbst zu erfahren (Validierungsmotiv), es zu schützen oder zu verteidigen (Motiv nach -»• Selbstwerterhaltung oder -Verbesserung). Es geht vielmehr um die Präsentation des Selbst in einer Weise, die nach Auffassung des Individuums im Interaktionsprozess vorteilhaft ist. Die S.-Theorie gehört demnach eher zur Gattung der Kontrolltheorien. S. und Selbstaufmerksamkeit gehen in verschiedene Richtungen; starke Selbstüberwacher sind eher Konformisten, während selbstaufmerksame Pn daran interessiert sind, ihre eigenen Einstellungen, Werte und Prinzipien durchzusetzen, also u.U. gerade nicht konform zu handeln (->• Konformität). Im Einzelnen gilt für starke Selbstüberwacher: (a) Sie weisen Inkonsistenzen zwischen Einstellungen und Verhalten auf (—• Einstellungswirkungen), es sei denn, die Konsistenz ist ein normativ gewünschter Zustand; (b) Für sie haben Einstellungen vorwiegend eine soziale Anpassungsfunktion; sie wollen zeigen, dass sie die „richtigen" Einstellungen haben. Für schwache Selbstüberwacher haben Einstellungen v.a. eine Wertausdrucksfunktion; sie 492
Selbstflberwachung
stehen im Dienste des „öffentlichen Selbst" (GREENWALD); (c) Sie sind schnell in der Lage, sich eine Rolle anzueignen, viele Rollen zu übernehmen (auch wenn diese nicht zueinander passen) und zu meistern; (d) Sie können ihr Ausdrucksverhalten besser kontrollieren und modifizieren; auch entwickeln sie Vorstellungen über die Angemessenheit eines bestimmten Auftretens in verschiedenen Situationen; (e) Sie schenken sozialen -* Vergleichen mehr Aufmerksamkeit, ahmen andere häufig nach, sind stark auf ihre Außenwirkung bedacht und neigen daher auch zu einem Impression management durch modisches Auftreten oder durch die Verwendung von Produkten, mit denen man das Ansehen steigern kann. Der S.-Ansatz wirft auch ein interessantes Streiflicht auf die durch den -> Situationismus ausgelöste Debatte, ob Individuen vorwiegend durch Situationen oder durch -* Persönlichkeitsmerkmale gesteuert werden. Schwache Selbstüberwacher leben nach inneren Standards; sie werden eher situationsunabhängige oder situationsübergreifende Einstellungen und Prinzipien entwickeln, die i.S. dispositioneller Grundlagen des Verhaltens sprechen. Bei starken Selbstüberwachern gilt eher, dass ihr Verhalten von Situation zu Situation variiert. Obgleich die Tendenz zur S. in der Literatur überwiegend als Persönlichkeitsmerkmal verstanden wird - paradoxerweise als Persönlichkeitsmerkmal, kein Persönlichkeitsmerkmal zu haben- weist SNYDER verschiedent-
Selbstvalidierung
Selbstvertrauen
lieh darauf hin, dass eine solche Neigung auch situational in Erscheinung treten kann. Ein markantes Beispiel ist hier etwa ein Vorstellungsgespräch, bei dem der Bewerber daran interessiert ist, den Eindruck zu kontrollieren, den er auf den Personalleiter macht. Ähnliche Situationen, die eine stärkere S.-Tendenz auslösen dürften, sind: Wissen um Publikum, starke Instrumentalität der Interaktionssituation, Zukunftsbezug sowie neue und unvertraute Situationen mit wichtigen Pn, von denen man abhängig ist. Auch alle Faktoren, die Selbstaufmerksamkeit reduzieren, können dazu beitragen, S. zu begünstigen. L i t . : SNYDER, M . ( 1 9 7 4 ) . S e l f - m o n i t o r i n g o f
expressive behavior. Journal of Personality and Social Psychology, 30,4, 526-537. SNYDER, M. (1979). Self-monitoring processes. In: Berkowitz, L. (ed.) Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 12. London, N e w Y o r k , 8 5 - 1 2 8 . SNYDER, M . & GAN-
GESTAD, S. (1986). On the nature of self mo-
nitoring: Matters of assessment, matters of validity. Journal of Personality and Social Psychology, 51,
1 2 5 - 1 3 9 . SNYDER, M .
&
MOUSON, T.C. (1975). Persons, situations,
and the control of social behavior. Journal of Personality and Social Psychology, 32, 637-
das bestehende Selbstbild bestätigen (seif serving bias, -* Selbstwertdienlichkeit). Außerdem versucht P, Interaktionspartner so auszuwählen, dass die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, das eigene Selbstschema zu verifizieren. Durch Schaffung einer kongruenten sozialen Umwelt wird zugleich erreicht, dass das Selbstbild im Zeitablauf relativ konstant bleibt. Selbstverpflichtung ment
Commit-
Selbstverstärkung Eine Reaktion gilt dann als selbstverstärkend, wenn durch sie bestimmte Reize erzeugt werden, die ihrerseits als Verstärker der Reaktion wirken. In diesem Falle steht das Verhalten nicht mehr unter der Kontrolle externer Verstärker; das ausgeübte Verhalten ist vielmehr selbst die Quelle der Verstärkung. Der Belohnungswert liegt demnach im Verhalten selbst begründet (z.B. Freude am Sport, Spaß an der Arbeit, Sparen um des Sparens Wüllen). Das Verhalten ist gewissermaßen „Selbstzweck".
Selbstvalidierung Selbstkonzept-Theorien -* Selbstwahrnehmung —• Selbstaufmerksamkeit
Die S. ist im Übrigen das lempsychologische Pendant zur intrinsischen -* Motivation. Diese wird allerdings (zusätzlich) attributionstheoretisch erklärt.
Selbstverifikation Ähnlich wie die Konzepte zur Selbstaufmerksamkeit und zur -* Selbstwahrnehmung beruht die S.Theorie von SWANN auf dem Motiv der Selbstvalidierung (-» Selbstkonzept-Theorien -* Vergleichsprozesse). Hierbei werden solche Informationen selektiv gesucht und verarbeitet, die
Generalisierte Erwartung seitens P, in einer bestimmten Problemsituation kompetent und effizient agieren zu können (-»Effizienz-Erwartung Kompetenz, soziale). S. konvergiert mit dem Begriff der Selbstsicherheit sowie mit BANDURAS Konzept der -> Selbstwirksamkeit. Die hierbei zum
644.
Selbstvertrauen
493
Selbstverwirklichung
Ausdruck gelangende Erfolgszuversicht hängt mit der Erwartung zusammen, die Situation aktiv kontrollieren zu können (-» Kontrolle, kognizierte).
Selbstverwirklichung Bedeutungsunscharfer Begriff, der insbesondere in Ansätzen der -*Humanistischen Psychologie Verwendung findet. Danach ist S. (auch: Selbstaktualisierung) ein angeborenes Streben nach Selbsterfullung und Realisierung des eigenen Potentials, gewissermaßen eine konstruktiv leitende Kraft, die eine P zu positivem Handeln und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit bewegt. In MASLOWS Bedürfnishierarchie steht das Bedürfnis nach S. an oberster Position und stellt das einzige Expansionsbedürfnis dar. Innerhalb der klientenzentrierten Therapie von ROGERS ist S. ein angenommenes Grundbedürfnis des Menschen.
Selbstwahrnehmung Die Theorie der S. besteht aus zwei Hauptsätzen (BEM 1984, 1997): (a) Menschen erkennen ihre Einstellungen, Gefühle und andere innere Vorgänge teilweise dadurch, dass sie aus der Beobachtung ihres eigenen Verhaltens und/ oder der dieses Verhalten begleitenden Umstände Schlussfolgerungen ziehen; (b) In dem Maße, in dem innere Hinweisreize schwach, mehrdeutig und uninterpretierbar sind, ist eine P funktional in der gleichen Position wie ein außenstehender Beobachter, der sich auf äußere Hinweise verlassen muss, wenn er in-
494
Selbstwahrnehmung
nere Zustände der P erschließen will Attribution). Für sehr intensive und eindeutige Stimuli gilt dies allerdings nicht; sie können unmittelbar wahrgenommen werden. Für den weiten Bereich schwacher und mehrdeutiger Zustände gilt jedoch, dass sie im Wesentlichen aus dem eigenen Verhalten abgeleitet werden. Wenn eine P aus dem eigenen Verhalten auf ihre Einstellungen schließt, ist die Frage von Bedeutung, ob sie für das gezeigte Verhalten belohnt wurde (ansonsten würden Rückschlüsse auf intrinsische -»• Motivationen erfolgen) und ob Handlungsfreiheit bzw. Freiwilligkeit besteht. Nach FAZIO sind S.-Prozesse nur dann notwendig, wenn man eine Einstellung braucht, sie aber nicht hat bzw. diese schwer zugänglich ist (z.B.: Einstellung muss zwangsweise gebildet werden; Einstellung ist nützlich und instrumenteil). Wenn starke Einstellungen bereits bestehen, bedarf es keiner S.-Prozesse. Durch S. kann z.B. die Reaktion auf einstellungskonträres Verhalten ebenso erklärt werden, wie durch die Dissonanztheorie. Im Experiment v o n FESTINGER & CARLSMITH (-+ Exp.
17) gehen die Vpn in der l-$-Bedingung davon aus, dass sie ein bestimmtes Verhalten ohne äußeren Druck und ohne Aussicht auf eine angemessene Belohnung ausgeführt haben. Daraus schließen sie auf zureichende innere Gründe als hinlängliche Erklärung des eigenen Verhaltens. Bei einem Anreiz von 20 $ ist dies hingegen nicht der Fall.
Selbstwertdienlichkeit
Die S.-Theorie geht dabei von „kühler" Informationsverarbeitung aus. Die Dissonanztheorie unterstellt dagegen Erregungsprozesse und deren Abbau. Zwar ist nachgewiesen, dass Erregungszustände i.S. der Dissonanztheorie tatsächlich auftreten, allerdings nur dann, wenn die Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten erheblich ist (->• Exp. 13). Die S.-Theorie basiert letztlich auf der Vorstellung, dass zwischen S. und Fremdwahrnehmung kein Unterschied besteht, so dass beides durch den gleichen Beobachtungsprozess artikuliert wird. Ein solcher Ansatz marginalisiert jedoch systematische Unterschiede. Denn das Selbstkonzept ist meist reichhaltiger und umfangreicher als Informationen über Fremdbilder. Auch ist es für das eigene Verhalten und Erleben bedeutsamer. Das Selbstbild enthält gespeichertes Wissen über private Gedanken und Gefühle; es kennt gewissermaßen die Entstehungsgeschichte bestimmter Selbstaspekte. Aus diesen und anderen Gründen ist es eher unwahrscheinlich, dass die zentrale Annahme der S.-Theorie zutrifft.
Selbstwertdienlichkeit S. (self enhancement, self serving bias) bezeichnet die einseitige Tendenz des Menschen, Selbst-Kognitionen zu verbessern. Diese Neigung kann motivational begründet werden: Es besteht ein Motiv, das eigene -»• Selbstkonzept zu verbessern bzw. gegen selbstwertbedrohende Ereignisse abzuschirmen und aufrechtzuerhalten. Dieser -*Bias betrifft folgende Bereiche: (a) die Wahrnehmung: Es werden bevorzugt solche Aspekte der Um-
Selbstwertdienlichkeit
welt perzipiert, die das Selbstbild verbessern oder zumindest nicht gefährden; (b) Vergleichsprozesse: Es werden in der Hauptsache solche Vergleiche durchgeführt, die selbstwertdienlich sind (z.B. Vergleiche nach unten bei Pn mit geringem Selbstwertgefiihl; Vergleiche nach oben, sofern die Erwartung besteht, die Position der Vergleichs-P zu erreichen); (c) Attibutionen: Individuen werden z.B. Erfolge sich selbst attribuieren, Misserfolge jedoch den Umständen. Wenn eine internale Attribution unausweichlich ist, so ist die Ursachenzuschreibung auf mangelnde Anstrengung selbstwertdienlicher als die auf fehlende Begabung. Auch bei -* abweichendem Verhalten oder bei Handlungen mit negativ bewerteten Konsequenzen können Rechtfertigungsmechanismen die eigene -* Verantwortlichkeit reduzieren; (d) Interaktionen: Das Individuum wird vorzugsweise mit solchen Pn Kontakte pflegen, die positive Vergleichsprozesse zulassen und die sowohl die personale Identität als auch - hier vor allem im Gruppenkontext - die soziale Identität aufbauen und stützen. Zahlreiche -* Selbstkonzept-Theorien haben in ihrem Theoriekern das Motiv der S. (z.B. die Theorie der -*Selbstwerterhaltung, der symbolischen Selbstergänzung, der —• Selbstintegrität oder die Konzepte des seif handicapping, der —• Leistungsattribution). Da diese Theorien verschiedene Facetten der S. aufgreifen und überwiegend in einem Ergänzungsverhält495
Selbstwerterhaltung
nis zueinander stehen, liegt es nahe, eine übergreifende Theorie selbstwertdienlicher Handlungen/Kognitionen zu konzipieren. Einen gelungenen Versuch in dieser Richtung stellt die Theorie des Selbstwertschutzes und der Selbstwerterhöhung von STAHLBERG et al. dar (vgl. für eine erweiterte und modifizierte Darstellung FISCHER & WISWEDE 2 0 0 2 , 376f). Solche integrativen Ansätze haben eine zentripetale Funktion in einem Forschungsfeld, das durch gewisse inflationäre Entwicklungen von partikularistischen Theorien geringer Reichweite gekennzeichnet ist. Selbstwerterhaltung Die Theorie der S. (seif evaluation maintenance) beschreibt die Wirkung sozialer —>• Vergleichsprozesse auf den Selbstwert. Solche Vergleiche können den Selbstwert erhöhen oder reduzieren. Dies hängt von drei Variablen ab: der Leistungsqualität, der psychologischen Nähe zur Vergleichsperson und der persönlichen Wichtigkeit der Dimension, auf der man sich vergleicht. Vergleichsprozesse führen zu einer Reduzierung des Selbstwertes, wenn andere Pn ähnliche oder bessere Leistungen erbringen (z.B. mehr beruflichen Erfolg haben), wenn die psychische Nähe zur Vergleichs-P hoch ist (z.B. -* Freundschaft, ständiges Zusammensein am Arbeitsplatz, Verheiratetsein) und wenn die Dimension, auf der man sich vergleicht, bedeutsam ist (d.h. von P als wichtig für das Selbstkonzept angesehen wird). Man kann nun versuchen, die drei Variablen in einer Weise zu verändern, dass eine Selbstwertminderung verhindert wird: 496
Selbstwertgefllhl
(a) Versuch, die eigene Leistung zu steigern, also besser zu werden als die Vergleichs-P; (b) Versuch, die psychische Nähe zu reduzieren; Vergrößerung der kognizierten Unterschiede, Einschränkung des Kontakts; (c) Versuch, sein eigenes Selbstbild zu ändern und die Dimension, auf der man übertroffen wurde, aus der Selbstdefinition zu entfernen. Im Rahmen solcher Reflexionsprozesse wird der Selbstwert insbesondere dann gefährdet, wenn die Vergleichsdimension für P wichtig ist. Wenn P ein tüchtiger Geschäftsmann ist, dann wäre der Vergleich mit einem möglicherweise erfolgreicheren Geschäftsmann, der in der gleichen Branche arbeitet, selbstwertschädlich. Ein Vergleich wird jedoch von vornherein blockiert, wenn es sich bspw. bei der anderen P um einen erfolgreichen Klavierspieler oder Popstar handelt. Hier besteht keine Konkurrenz und auch keine Gefahr der Selbstwertbeeinträchtigung. Im Gegenteil: Man kann den Selbstwert dadurch erhöhen, dass man sich im Glanz des Anderen sonnt (-> basking in reflected glory = BIRG): durch die öffentliche Assoziation der eigenen P mit erfolgreichen, beliebten oder prominenten anderen Pn, mit dem Ziel, an deren Ruhm, Macht oder Einfluss teilzuhaben. Selbstwerterhöhung -> Selbstwertdienlichkeit Selbstwertgefühl (1) Begriff: Auch Selbstwertempfinden, Selbstwertschätzung. Im Amerikanischen: seif esteem, oftmals differenziert nach der kognitiv ausgerichteten seif evaluation und der eher
Selbstwirksamkeit
Selbstwertgefühl
emotionalen Anmutung als seif affection. (2) Formen: Globales S. (d.h. Objekt der Betrachtung ist das Selbst als Ganzes) vs. spezifisches S. (z.B. Attraktivität). Inneres S. (in welchem Maße kann P mit ihrem Selbst, z.B. ihren Wünschen und Überzeugungen, Kontrolle ausüben?) vs. äußeres S. (wie man glaubt, von anderen beurteilt zu werden). Sodann: Chronisches (besser: permanentes/persistentes) S. als stabiler Persönlichkeitszug vs. aktuelles oder zeitlich wechselndes S. (letzteres wechselhaft je nach Situation, wobei diese Schwankungen häufig bei Pn mit ambivalentem Selbstkonzept auftreten).
(b)
(3)Quellen des S.: Nach BAUMEISTER
(f)
sind Informationen aus den Reaktionen Anderer (-• Spiegel-Selbst), soziale Vergleichsprozesse (aufgrund von Ähnlichkeit und Nähe) sowie Prozesse der Selbstwahrnehmung von Relevanz. Da Menschen gewöhnlich daran interessiert sind, selbstwertdienliche Informationen in stärkerem Maße wahrzunehmen (-»Selbstwertdienlichkeit), werden entsprechende den Selbstwert verbessernde Vergleiche gewählt. Auch kann die Intergruppen-Diskriminierung (-»Identität, soziale) dazu beitragen, das eigene S. zu erhöhen. (4)S. als abhängige Variable: Insbesondere BAUMEISTER hebt hervor, dass sich das Selbstkonzept von Pn mit hohem bzw. niedrigem S. voneinander unterscheidet. Es gilt für Pn mit hohem S. (a) die Neigung zu positiver Artikulierung des Selbstkonzepts, bei gleichzeitiger Herabstufung der
(c)
(d)
(e)
Wichtigkeit solcher Aspekte, bei denen sie schlecht abschneiden würden; die Tendenz zu klaren Konturen des Selbstkonzepts; auch sind sich diese Pn in Bezug auf die Beurteilung von Selbstattributen sehr sicher; die Einebnung von -> Selbstdiskrepanzen, etwa im Hinblick auf Real-Selbst und Ideal-Selbst; die Disposition, in Leistungssituationen als Erfolgsucher zu agieren, nicht als Misserfolgsmeider (—• Leistungsmotivation)\ der Hang zu bestimmten Attributionsstilen, d.h. diese Pn attribuieren Erfolge internal und Misserfolge external; die Neigimg, Erfolgserlebnissen mit -».Stolz zu begegnen, was wiederum das S. stärkt.
Generell dürften Pn mit hohem S. zu positiven Gefühlen, stärkerer Zufriedenheit, Vertrauen im Hinblick auf die Bewältigung der Zukunft sowie besserer Gesundheit neigen. Selbstwertschutz Selbstwertdienlichkeit Selbstwerterhaltung Selbstwirksamkeit (seif efficacy) Zentrales Konzept in BANDURAS sozial-kognitiver Lerntheorie (-> Lernen), das subjektive antizipative Erwartungen darüber beinhaltet, ob in bestimmten Situationen Handlungsmöglichkeiten (Fähigkeiten) zur Ausführung eines Verhaltens gegeben sind. Es handelt sich hier um eine inhaltliche Ausgestaltung und Weiterfuhrung des Konzepts der -* EffizienzErwartungen. Der wichtigste Aspekt dabei ist, dass die Ausführung einer Verhaltensweise nicht nur - w i e in 497
Selbstwirksamkeit
Selbstziele
den älteren Lerntheorien angenommen - von den erwarteten Konsequenzen (-> Konsequenz-Erwartungen) abhängt. Diese sind zwar notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingungen für das Auftreten eines Verhaltens. Es müssen außerdem bestimmte Überzeugungen darüber bestehen, ob und in welcher Weise ein erstrebenswertes Ziel auch tatsächlich durch eigene Fähigkeit und Wirksamkeit realisiert werden kann. Es gibt zahlreiche ähnliche Konzepte, insbesondere das der -> Kontrollüberzeugungen sensu ROTTER, behavioral c o n t r o l in AJZENS T h e o r i e des
(c)
(d)
ge-
planten Handelns, —• Wirksamkeitsmotivation i.S. von WHITE, —• persönliche Verursachung (personal causatio n ) b e i DECHARMS USW. D e r b e s o n d e -
re Stellenwert der S. liegt jedoch darin, dass dieses Konzept Bestandteil einer integrativen Theorie ist, das Modell-Lernen einschließt und durch eine Fülle von Untersuchungen gestützt und durch etliche Anwendungen in der Verhaltenstherapie erfolgreich erprobt ist. S. entsteht vor allem durch entsprechende Effizienz-Erfahrung, durch die Beobachtung Anderer, durch verbale Anweisungen sowie die Kontrolle von Emotionen und möglichen Ablenkungen (-> Handlungskontrolle). Dabei werden Ausmaß, Sicherheit und Allgemeinheit der Effizienz-Erwartung unterschieden. Zahlreiche Untersuchungen haben auch die Wirkungen der S. demonstriert. BANDURA nennt insbesondere: (a) Überzeugungen hinsichtlich der S. beeinflussen, wie Menschen Alternativen wahrnehmen, welche An498
(b)
(e)
(f)
strengungen sie in ihre Aktivitäten investieren, wie lange sie mit Nachdruck ihre Ziele verfolgen (Durchhalten), trotz auftretender Schwierigkeiten, Ablenkungen und Misserfolge; Sie steuert, ob die Denkmuster von Pn eher selbstwertdienlich oder selbstwertschädigend sind; Sie beeinflusst, wie viel Stress und Ungemach in der Auseinandersetzung mit widrigen Umständen kontrolliert und ertragen werden kann; Sie beeinflusst die generalisierbare Kompetenz in verschiedenen Lebensbereichen und verschafft positive Erfolgserlebnisse und persönliches Wohlergehen; Sie bestimmt die Wahl der Reize und der Situationen, die P aufsucht oder vermeidet; Sie beeinflusst auch die Optionen möglicher alternativer Handlungen, die P im Bedarfsfalle offen stehen.
Lit.: BANDURA, A . ( 1 9 7 7 ) .
Self-efficacy:
Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84, 2, 191215. BANDURA, A. (1986). Social foundations of thought and action. Englewood Cliffs/N.J. BANDURA, A. (1997). Self efficacy. The exercise of control. New York.
Selbstziele Nach GREENWALDS Theorie der S. (auch: Selbstsystem-Theorie) besteht das Selbst aus vier Subsystemen mit unterschiedlichen Zielen und verschiedenartigen Grundlagen des Selbstwerts: (a) Diffuses Selbst: Es dominiert hedonistische Befriedigung (Lustprinzip). Ziel ist das Herbeifuhren positiver Gefühle;
Selective exposure
(b) Öffentliches Selbst: Verfolgt Anerkennung (-> Selbstdarstellung), insbesondere bei erhöhter öffentlicher Selbstaufmerksamkeit. Der wichtigste Einflussprozess ist compliance (Fügsamkeit) i.S. von Anpassung; (c) Privates Selbst: Individuelle Erfolge und Leistungen sowie das Erreichen des eigenen Standards sind hier die wichtigsten Themen. Dabei ist die private Selbstaufmerksamkeit besonders groß. Der wichtigste Einflussprozess ist die Internalisierung; (d) Kollektives Selbst: Hier dominiert die Wir-Komponente: Man identifiziert sich mit den Standards von Bezugspersonen und Bezugsgruppen. Der wichtigste Einflussprozess ist daher die Identifikation mit entsprechenden Modellen (-* Modell-Lernen).
Selective exposure Teilaspekt der -»Selbstselektion, der sich auf die Suche nach konsonanten/ konsistenten Botschaften bezieht. P wird sich daher nur solchen Medien/Botschaften aussetzen, die seiner Einstellungsstruktur entsprechen und jene Informationen abwehren, die inkonsistentes Material darstellen. Obgleich ein solcher Selektionsmechanismus aus der Dissonanztheorie abgeleitet werden kann, sind die Befunde zur S. widersprüchlich. Bei der Aufnahme von Botschaften scheint nämlich das Motiv nach Dissonanzreduktion keineswegs der allein ausschlaggebende Beweggrund zu sein. Der S.-Effekt dürfte nicht auftreten, wenn (a) P von dissonanten Bewertungen
Selektion
mehr Informationen erwartet als von konsonanten (z.B. aus Gründen professioneller Auseinandersetzung); (b) P probeweise versucht, sich mit dissonantem Material zu beschäftigen, um schließlich -geläutert durch die Pro-Contra-Haltung wieder zum konsistenten Standpunkt zurückzukehren; (c) P dauernde Beschäftigung mit bestätigenden Inhalten als langweilig ansieht und die Auseinandersetzung mit inkonsistenten Bewertungen damit an Reiz gewinnt. I.R. der Kommunikationsforschung wird auch darauf verwiesen, dass Individuen sich häufig solchem Medienkonsum aussetzen, der kognitiv und emotional als dissonant erlebt wird (z.B. bei Thrillern oder Horror-Filmen). Die Neigung zu S. kann auch als Persönlichkeitsmerkmal (z.B. consistency seekers) aufgefasst werden.
Selektion (I) In der Lerntheorie: Das Aussondern von Verhaltensweisen, die sich nicht bewährt haben (-> Verstärkung -*• Effektgesetz). (II) Selektive Prozesse im kognitiven Bereich betreffen die Wahrnehmung sowie das Gedächtnis und die Erinnerung. Auch pflegt sich das Individuum selektiv solchen Reizen auszusetzen, für deren Aufnahme es aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen vorbereitet ist (-> selective exposure) und die in die vorliegenden kognitiven Strukturen passen. Auch für die Informationsaufnahme und -Verarbeitung gilt das Prinzip der Selektivität: Der Mensch ist aufgrund seiner begrenzten Informationsverarbeitungskapazität nicht in 499
Selektive Wahrnehmung
der Lage, alle (relevanten) Informationen zu verarbeiten, sondern muss eine Auswahl treffen, die der selektiven —> Zugänglichkeit unterliegt. Selektive Wahrnehmung Der Mensch erfasst nur einen Bruchteil aller Wahrnehmungsreize. Dies hängt zum einen mit den begrenzten Fähigkeiten unseres Wahrnehmungsapparates zusammen. Zum anderen bestehen kognitive, motivationale und soziale Determinanten von S.: (a) Kognitive Faktoren, z.B. -* Aufmerksamkeit als Zustand intensiver, gerichteter Wahrnehmung, so dass zwangsläufig andere Reize dem Fokus der Aufmerksamkeit entzogen werden; (b) Motivationale Faktoren, z.B. die bevorzugte Wahrnehmimg selbstwertdienlicher Informationen sowie die bedürfhisakzentuierte Wahrnehmung (—> Hypothesentheorie der Wahrnehmung)', (c) Soziale Faktoren, z.B. die S. solcher Stimuli, die von anderen Pn hervorgehoben und geschätzt werden. Self-assessment-Manikin Dieses projektive Verfahren von LANG fußt auf der Drei-Faktoren-Theorie der Gefühle von MEHRABIAN & RUSSELL, wonach Emotionen sich auf drei verschiedenen Dimensionen abspielen: Valenz: angenehm vs. unangenehm; Erregung: erregt vs. ruhig; Dominanz: dominant vs. unterwürfig. Dies entspricht auch der klassischen EPAStruktur im semantischen Differenzial (-* Einstellungsmessung). Die Dimensionen werden in den S. bildlich dargestellt; bspw. 500
Self handicapping
(a) durch nach oben/unten zeigende Mundwinkel; (b) durch ein explodierendes/schläfriges Männchen; (c) durch variierende Größe. Seif enhancement -> Selbstwertdienlichkeit Seif esteem Selbstwertgefühl —> Selbstwerterhaltung Seif fiilfilling prophecy —• Prophezeiung, sich selbst erfüllende Seif handicapping Nach JONES & BERGLAS das Bemühen, sich selbst Steine in den Weg zu legen, wenn P erwartet, nicht besonders erfolgreich zu sein (z.B. verbale Äußerungen, unter Krankheit oder Behinderung zu leiden, gegenwärtig nicht besonders fit zu sein), so dass P für schwache Leistungen nicht verantwortlich zeichnet. So wird etwa ein Tennisspieler schon vor dem Spiel auf seine starken Schulterschmerzen verweisen. Ein Prüfling mag bekunden, dass er starke Prüfungsangst habe, die ihm klares Denken verneble. Auch andere Formen der Selbstschädigung wie Alkohol- oder Drogenabhängigkeit können als S.-Strategien dienen. Das S. hat demnach die Funktion, schon im Vorfeld drohenden Enttäuschungen entgegenzuwirken und defizitäre Leistungen zu entschuldigen. Ist man dann doch erfolgreich, so kann dies als besonders bemerkenswert gelten. Außerdem vermag S. drohende Angstzustände von vornherein abzumildern, indem das Verhalten von —• Ärm-Erscheinungen entlastet
Self promotion
Sexualität
wird. S. wirkt demnach als antizipative ->• Coping- Strategie. Self promotion Methode der Selbstdarstellung bzw. des —• Impression management. Der Versuch, sich möglichst gut zu „verkaufen", ist oftmals eine Gratwanderung, da Eigenlob oder Selbstüberschätzung attestiert werden können. Massive Eigenwerbung mag beeindruckend wirken, jedoch die Beliebtheit u.U. reduzieren. Ein möglicher Ausweg bleibt die Strategie der Partialisierung: z.B. Betonung der mangelnden Kompetenz in unwichtigen (peripheren) Dingen mit dem Hinweis auf hohe Kompetenz in wirklich wichtigen Belangen. Semantisches Differenzial stellungsmessung
Ein-
Sensation seeking Nach ZuCKERMAN ein Persönlichkeitsmerkmal in Form der Erregungslust durch risikoreiche Handlungen (Risikolust) sowie bewusstes und freiwilliges Aufsuchen solcher Situationen, die ein entsprechendes Risikopotenzial beinhalten: im sportlichen Bereich z.B. Bungee-Springen; im finanziellen Bereich bspw. riskantes Spekulieren; im Medienbereich z.B. das Anschauen von Horrorfilmen; im Verkehrsbereich etwa stark überhöhte Geschwindigkeit. Sensitivity-Training -» Training -*• Selbsterfahrungsgruppen SEU-Theorie -»• Wert-ErwartungsTheorie -*• Nutzen -* Entscheidungstheorie
Sexismus Analog zum Begriff Rassismus gebildeter Terminus zur Bezeichnung von sozialen Vorurteilen und daraus abgeleiteter Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit. Dabei wird die Diskriminierung von der Vorstellung getragen, dass eines der Geschlechter dem anderen von Natur aus überlegen sei. Der Ausdruck wird in aller Regel im Hinblick auf die Schlechterstellung des weiblichen Geschlechts gebraucht (-» Geschlechtsrollen-Stereotyp). Sexualität Intimer (tatsächlicher oder vorgestellter) Kontakt mit einer oder mehreren Pn, bei dem die Körperlichkeit (v.a. über die Geschlechtsorgane) eine zentrale Rolle spielt. Obgleich sexuelles Verhalten ein Thema von fundamentaler Bedeutung für das menschliche Zusammenleben ist, hat die Psychologie - m i t Ausnahme der Psychoanalysediesbezüglich keine paradigmatische Struktur entwickelt. Das Gleiche gilt für die SP, die bisher kaum spezifische Ansätze zum Studium sexueller Interaktionen vorgelegt hat. Allerdings wird das Thema immer wieder gestreift, z.B. in STERNBERGS Dreieckstheorie der romantischen -* Liebe-, hier gilt die S. (Leidenschaft) als eine ihrer drei Säulen (neben Intimität und Sympathie), allerdings als die brüchigste. Auch im Rahmen der Selbstöffnung ist sexuelle Hingabe von Bedeutung, und oft verbleiben selbst bei bereits länger bestehenden intimen Kontakten privateste Reservate (z.B. die Zurückhaltung, dem Partner unerfüllte sexuelle Wünsche mitzuteilen).
501
Sexualität
In der Ethologie sowie in der Psychoanalyse wird S. auf einen Sexualtrieb zurückgeführt, der biologische Grundfunktionen erfüllt und der - dem hydraulischen Modell des Triebes entsprechend- einen endogenen Rhythmus der Bereitschaft zu sexueller Erregung repräsentieren soll. Vielfach werden auch zwei getrennte Handlungsmechanismen unterschieden: eine Arousal-Komponente (-»Aktivation) sowie eine Detumeszenz-Komponente, die zum Orgasmus führt. Vermutlich ist aber das Triebstau-Modell für den Sexualtrieb unangemessen, zumal sich zeigen lässt, dass manchmal nach längerer Enthaltsamkeit das Interesse an sexuellen Aktivitäten eher abklingt. Hier handelt es sich um eines jener Bedürfnisse, die im Rahmen verschiedener Kulturen (und Religionen) unterschiedlichster Normierung unterliegen und daher auch durch äußerst restriktive und repressive Normen charakterisiert sein können. KELLEY & BYRNE b e t o n e n die B e d e u -
tung von Attributionen im Sexualverhalten. Dies betrifft zunächst die Deutung von Erregungszuständen (-+ Emotionstheorien) im Spektrum von Lust und Liebe. Wichtig sind auch Zuschreibungsprozesse im Hinblick auf sexualitätsrelevante Eigenschaften oder Wünsche. Bestimmte Signale können von potentiellen Partnern als Informationen mit Aufforderungscharakter - auch bezüglich atypischer Orientierungen- verstanden werden. Gleichfalls ist es von Bedeutung, worauf Pn erfolgreiche oder befriedigende Sexualkontakte zurückführen. So tendieren Männer dazu, eigene unbefriedigende Sexualerfahrungen external zu attribuieren, während Frauen in 502
Sexualität
stärkerem Maße internale Attributionen vornehmen. Insofern neigen Männer offenbar eher dazu, S. i.S. eines „self-serving-bias" (-> Selbstwertdienlichkeit) zu erleben, was bspw. auch dazu führen kann, Potenzprobleme vorwiegend dem Sexualpartner oder sonstigen äußeren Umständen anzulasten. S. lässt sich als kommunikativer Akt ansehen, in dem Informationen ausgetauscht werden. Dabei spielen neben verbalen Reizen auch Aspekte der non-verbalen -* Kommunikation (z.B. im taktilen Bereich) eine dominierende Rolle. So enthalten kommunikative Äußerungen (z.B. Stöhnen) appellative oder expressive Komponenten (bspw. die Funktion, Lust und Erregung auszudrücken). Im Hinblick auf die motivationale Basis hat S. bisweilen auch eine ökonomische Funktion (z.B. als Prostitution). Andere sexualitätsrelevante soziale Motivationen sind z.B. das Machtmotiv (andere Pn sexuell zu beherrschen), das Kontrollmotiv (sich selbst und den Sexualpartner kontrollieren zu können), das Leistungsmotiv (hier wird das sexuelle Verhalten als Leistungssituation interpretiert), das Aggressionsmotiv (S. als Akt der Vergewaltigung) oder schließlich das Motiv nach Aufrechterhaltung oder Besserung des Selbstwertes (P hält sich für einen guten Liebhaber oder erlebt sich - i . S . der Selbstwirksamkeit - als Gestalter der Lust). Da sexuelles Verhalten als interaktives Geschehen gilt - auch bei der Masturbation ist der Sexualpartner zumindest gedanklich einbezogen - können auch alle sp Konzepte zum Interaktionsgeschehen (-> Interaktion, soziale -*Beziehung, soziale) cum grano salis zur
Simulationsheuristik
Sexualität
Anwendung gelangen, wobei die besondere affektive Aufladung dieses Interaktionsbereichs in Rechnung gestellt werden muss. S. lässt sich daher unter austauschtheoretischer Perspektive Austauschtheorie) durch Einbeziehung von Aspekten der -»• Gerechtigkeit (-> Equity-Theorie) ebenso betrachten wie auf der Folie der -> Rollentheorie. In letzterem Sinne gestaltet sich S. als Verhalten, das durch situationsspezifische und durch rollenspezifische normative -*• Erwartungen gesteuert wird.
Ein weites Feld sexualwissenschaftlicher Forschung, das hier nur kurz erwähnt werden kann, ist der Bereich abweichender S. (-» abweichendes Verhalten). Welche Formen der S. als pathologisch gelten, ist überdies (nicht nur, aber eben auch) eine Frage des sozialen Wertsystems und des hier geltenden Toleranzbereichs. Besondere Aufmerksamkeit hat hier die sexuelle Gewalt als Teilbereich der -»•Aggression gefunden (Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, sexuelle Nötigung).
Eng verbunden mit dieser Idee der normativen Steuerung des Sexualver-
L i t . : KELLEY, K . &
h a l t e n s ist d a s v o n GAGNON & SIMON
entwickelte Konzept des sexuellen —> Skripts. Dieses thematisiert den komplexen und sozialen Charakter der S. als sozial erlernte Programme sexuellen Agierens und Reagierens, die implizite (d.h. meist unausgesprochene) Regeln und Anweisungen darüber enthalten, was, wann, womit oder warum zu tun ist (GAGNON 1977). Diese Skripts kombinieren soziale -* Normen, erlaubte und bevorzugte Verhaltenssequenzen; sie sind ihrerseits eingebunden in ein soziales -> Wertsystem und definieren damit sozial geteilte Orientierungen im Hinblick auf S. Auf diese Weise haben sexuelle Skripts kollektiven Charakter und differieren kulturspezifisch und natürlich auch im historischen Zeitablauf. Sie unterliegen jedoch auch individuellen Unterschieden, indem die Sexualpartner zwar auf dem Hintergrund kollektiver Verhaltensmuster agieren, jedoch stark privat und persönlich geprägte Skripts entwickeln können, die eine Vielzahl von Variationen zulassen.
Exploring
human
BYRNE, D .
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Weinheim.
Sexuelle Skripts
Sexualität
Signalentdeckungs-Theorie D i e S. v o n GREEN & SWETS gestattet
die Trennung von Wahrnehmungsund Reaktionseffekten. Sie fasst die Erkennbarkeit von Reizen als probabilistisches Problem auf, indem die differenzielle Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung von Reizen von deren Intensität abhängt. Ein konkreter Schwellenwert hängt daher nicht nur vom verwendeten Reiz ab, sondern entsteht durch die Wechselwirkung von reizbedingten Empfindungen und dem Antwortverhalten von P. Simulationsheuristik ->• Heuristiken Ereignisse oder Ergebnisse werden für wahrscheinlicher gehalten, wenn sie mental simuliert werden können oder konkret vorstellbar sind. 503
Sinn
Sinn Insbesondere im Rahmen der verstehenden Methode wird betont, dass der Forscher soziales Handeln sinndeutend verstehen müsse. So heißt es bei MAX WEBER: Handeln soll dabei ein menschliches Verhalten ausweisen, wenn und insofern, als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven S. verbinden. Abgesehen davon, dass ein Forscher sicherlich Mühe haben wird, den subjektiven S. von Handlungen verstehend nachzuvollziehen, gilt, dass auch Sinnhaftigkeit i.R. kognitiver Konzepte nomologisch ohne Rückgriff auf phänomenologische Verstehensprozesse (—• Methoden -> Methodologie) untersucht werden kann. Vielfach wird betont, dass der menschliche Verstand einem Sinnsuch-Mechanismus ähnelt: Der Mensch neigt dazu, in seinen eigenen Handlungen und Zuständen sowie im Handeln anderer Menschen einen S. zu sehen. Dies macht die Welt berechenbar und schafft Ordnung im Ereignisstrom. Dabei sind u.a. die folgenden psychischen Mechanismen von Bedeutung: (a) Kausale -* Attributionen, d.h. die Annahme, dass nichts ohne Grund sei; (b) Die Unterstellung von Absichten, d.h. die Annahme, dass man selbst und andere wohlüberlegt und absichtsvoll handeln; (c) Die Neigung, zusammenhanglose Elemente zu einem (sinnvollen) Ganzen zusammenzufügen oder zu ergänzen; (d) Die Ablehnung des Zufalls, verbunden mit der Vorstellung, dass 504
Situation
alles einer bestimmten Gesetzmäßigkeit oder Fügung folge; (e) Die Idee der Rationalität, d.h. die Annahme, dass Menschen letztendlich doch vernünftig handeln. (f) Die Vorstellung, dass es in der Welt doch letzten Endes gerecht zugehe (-» just world). Neben dem S., der in Handlungen projiziert wird, existieren mehr oder weniger diffuse sowie mehr oder weniger religiös geprägte S.-Entwürfe für das Leben als Ganzes, die im Ausmaß der -»Säkularisierung allerdings vage bleiben und daher - zumindest in westlichen Kulturen- nur schwach handlungsleitend wirken. Je sinnvoller das Leben und seine Begleitumstände jedoch erlebt werden, desto eher wird auch die Vorstellung des eigenen Todes ihren Schrecken verlieren (-> Terror management).
Situation S. im lerntheoretischen Sinn ist ein diskriminativer Reiz, der eine entsprechend angepasste Verhaltensweise auslöst. -> Diskriminationslernen bewirkt demnach, dass Individuen in der Lage sind, zwischen verschiedenen S. zu differenzieren und das jeweils angemessene Verhalten (i.S. des höchsten Belohnungswertes) zu zeigen (-* Effektgesetz). Im Situationismus wird behauptet, dass Individuen nicht von situationsübergreifenden -+ Persönlichkeitsmerkmalen (traits) gesteuert werden, sondern dass Verhalten vorwiegend von den Gegebenheiten spezifischer S. abhängig sei. Eine P sollte also bspw. nicht in allen S.-bereichen aggressiv handeln, sondern lediglich in S., in denen sie verstärkt wird (-> Verstärkung
Skript
Situation
-* Lernen). Jedoch kommt es hierbei auf das Ausmaß der Generalisierung an; denkbar sind weit gespannte S.-bereiche, in denen die P bestimmte Persönlichkeitsmerkmale erworben hat.
scheidend für das Erleben von S. und ein daraus resultierendes Verhalten ist jedoch die subjektive Definition der Situation (-> THOMAS-Theorem) oder in modernerer Sprache- die innere Repräsentation der S. im Individuum.
Es empfiehlt sich, eine Taxonomie von Situationen zu erstellen, z.B.
FORGAS
(a) starke vs. schwache S.: Von hoher Determinationswirkung sind starke S. (z.B. im Kino ist Feuer ausgebrochen); (b) eindeutige vs. mehrdeutige S.: Lediglich auf erstere kann P konsistent reagieren; (c) soziale vs. nicht-soziale S.: P empfindet Angst lediglich in sozialen S. (-" Angst). Oder: P trinkt Alkohol nur „in Gesellschaft"; (d) angenehme vs. unangenehme S.: Von einer unangenehmen S. wird man sich tunlichst befreien, angenehme S. wird man aktiv aufsuchen; (e) kurze vs. lange S.: Vorübergehend belastende S. lassen sich leichter ertragen als längere (z.B. chronische Krankheiten); (f) statische vs. dynamische S.: Während statische S. sich nicht verändern, entwickeln sich dynamische S. (etwa in der Form eines -*Skripts oder einer sozialen Episode); (g) kontrollierbare vs. unkontrollierbare S.: Kontrollierbar sind S., die man verlassen oder abstellen kann, während unkontrollierbare S. von P nicht beherrscht werden können; man ist ihnen ausgeliefert (-> Kontrollverlust -> Hilflosigkeit, gelernte). Diese und andere Differenzierungen können objektiv gegeben sein. Ent-
ermittelt für dynamische S. (-> Episoden, soziale) faktorenanalytisch drei Grunddimensionen, von denen er annimmt, dass sich die unüberschaubare Vielfalt von S. im Wesentlichen auf diese zurückführen lässt: Selbstvertrauen (i.S. von Beherrschung: ich weiß, was ich tun muss) vs. Unsicherheit (ich bin angespannt, weiß nicht, was ich tun soll); Bewertung (angenehm, interessant, freundlich vs. unangenehm, langweilig, unfreundlich) und Involviertheit (beteiligt und vertraut vs. unbeteiligt, fremdartig).
Situationismus Eine vorwiegend lerntheoretisch geprägte Position, die das Vorliegen von Persönlichkeitsmerkmalen (traits) bestreitet. Der radikale S., wie ihn etwa MISCHEL formuliert hat, wird heute nur noch selten vertreten. Er ist abgelöst durch eine Position, die Personenmerkmale und Situationsmerkmale in interaktionistischer Verschränkung (P x S-Modelle) analysiert.
Skript Strukturen prozeduralen Wissens (—• Episode, soziale), gewissermaßen der dynamische Aspekt eines —> Schemas. S. repräsentieren eine idealtypische Abfolge spezifischer Ereignisse und Handlungen. Ein viel strapaziertes Bsp. ist der Restaurantbesuch mit einer typischen Abfolge von sinnstiftenden Handlungsmustern. Ein anderes 505
Solidarität
Sleeper-Effekt
Bsp. sind sexuelle S.: durch Lernprozesse erworbene Muster oder Programme sexuellen Verhaltens, die Anweisungen über das Warum, Wo, Wie, mit Wem, mit Was usw. enthalten. Solche S. sind mit normativen -* Erwartungen verbunden, die interkulturell durchaus unterschiedlich ausfallen können. Lit.:
Schema
Sleeper-Effekt
Glaubwürdigkeit
S-Macht ->• P-Macht Social impact theory Theorie
Einfluss-
Social loafing -* Faulheit, soziale Sociation Kollektive ->• De-Individuation, die sich v.a. im Binnenbereich einer sozialen —• Gruppe oder Menge in extremer Konformität und Uniformität äußert und im Hinblick auf äußere Reizbedingungen verstärkte Reaktionsbereitschaft anzeigt (-» crowding Gruppendenken). Sociometer Eine Art Skala, auf der das Ausmaß der sozialen Einbindung gemessen werden kann (-> Affiliation). Das Instrument ist mit der Hypothese verbunden, dass die Funktion des —• Selbstwertgefiihls darin besteht, der P zu signalisieren, ob sie von anderen Pn einbezogen oder ausgeschlossen wird (LEARY et al.). Diese Information wirke dahingehend motivational, die Wahrscheinlichkeit der sozialen Zurückweisung oder des sozialen Ausschlusses zu minimieren.
506
SOK-Theorie Die S. von BALTES behandelt die Fra-
ge, wie entwicklungsbedingte Belastungen bewältigt werden. Geistige und körperliche Defizite in zunehmendem Alter lassen sich durch drei Prozesse bewältigen: (a) Selektion: restriktivere Auswahl von Zielbereichen; (b) Optimierung: effizientere Nutzung knapper Ressourcen; (c) Kompensation: Bei Nicht-Verfügbarkeit können u.U. andere interne oder externe Ressourcen mobilisiert werden. So wird z.B. ein Tennisspieler auf eine andere Sportart (z.B. Golf) wechseln. Oder er wird Einbußen an Schnelligkeit durch verbesserte Schlagsicherheit kompensieren. Sokratischer Effekt Nach MCGUIRE existiert ein Bedürfnis nach Übereinstimmung und Konsistenz zwischen Überzeugungen. Werden diese erfragt, so wird damit die Aufmerksamkeit der Vp auf evtl. Widersprüche zwischen diesen Überzeugungen gelenkt (-* Selbstaufmerksamkeit -»Impression management), so dass bei wiederholter Messung stärkere Konsistenz auftritt. Diese Angleichung wird als S. bezeichnet. Solidarität Das Problem der S. ist für die soziologische Diskussion zentral; für die SP ist S. erst neuerdings zu einem eigenständigen Forschungsthema geworden (vgl. BIERHOFF & KÜPPER 1999 sowie BIERHOFF & FETCHENHAUER 2001). Zu unterscheiden ist die S. zur Wahrung eigener Interessen (z.B. Streik, bestimmte Formen der -> Kooperati-
Solidarität
on) sowie für die Wahrung fremder Interessen (z.B. Beistand für die von einer Katastrophe Betroffenen, ehrenamtliches Engagement, Einsatz für die Dritte Welt). Beide Formen der S. treten in vielerlei Facetten auf und repräsentieren meist eine Mixtur aus egoistischen und altruistischen Motiven, letztere vor allem bei der S. für fremde Interessen. Demnach ist S. (nach FETCHER) ein Verhalten, das den gleichlautenden Interessen der Angehörigen einer Gruppe den Vorzug gegenüber den besonderen individuellen Interessen gibt. Betrachtet man die Interessenkonstellation als Kontinuum zunehmenden oder abnehmenden Eigeninteresses, so gilt für S., dass zumindest partikular für Andere gehandelt wird, manchmal sogar unter Hintanstellung persönlicher Bedürfnisse und Interessen. Auch können Interessen durchaus gleich, die Beeinträchtigung dagegen unterschiedlich sein. Als besonders erklärungsrelevant haben sich Gerechtigkeitstheorien (-* Equity-Theorie) erwiesen. Ein an Prinzipien der Beitragsproportionalität orientiertes Equity-Prinzip sowie die —• Just-world-Vorstellung (Jeder hat das Schicksal, das er verdient) wirken solidaritätsabträglich, während solche Gerechtigkeitsaspekte, die auf Gleichheit und Bedürftigkeit ausgerichtet sind - unterstützt etwa durch starke internalisierte soziale -* Normen sowie Vorstellungen von kollektiver -> Selbstwirksamkeit - , ausgesprochen solidaritätsforderlich wirken. Dabei ist existenzielle -»Schuld (HOFMAN) d.h. ein gewisses Unbehagen am eigenen Wohlergehen angesichts der Not Anderer- verbunden mit einem Gefühl der Empörung (gegenüber Unge-
Solidarität
rechtigkeiten oder gegenüber Unterdrückern) vielfach das Agens einer moralischen Selbstverpflichtung. Weit entfernte Pn und Gruppen moralisch in die soziale Identitätsgemeinschaft einzuschließen, bedeutet eine Re-Kategorisierung der üblichen Identitätskonstruktion. Auch werden Ungerechtigkeiten und Disparitäten unterschwellig als Gefahrdung des eigenen Selbst angesehen, entweder als latente Bedrohimg oder als Angst, irgendwann selbst einmal betroffen zu sein. Zwar gibt es eine Art Abwehr, die das Nachdenken über offensichtliche Ungerechtigkeit blockiert. Aber möglicherweise ist solidarisches Handeln manchmal auch eine Art Abwehrmechanismus, der die -> Kontroll-Illusion nährt, das Notwendige getan zu haben, um z.B. mit einer Spende zu erreichen, das subjektive Gefühl der Bedrohung zu reduzieren. Von Interesse ist andererseits, dass S. für fremde Interessen gerade auch in Notsituationen in besonderem Maße Platz greift. In einer Notlage (Krieg, Katastrophe) wäre es aus der Sicht des rationalen Egoisten eigentlich besonders zweckmäßig, sich an Plünderungen zu beteiligen und vor allem an die eigene Versorgung zu denken und so andere rücksichtslos auszubeuten. Dennoch scheint die Notsituation Kategorisierungstendenzen aufzuheben und ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, das auf gemeinsamer Betroffenheit gründet: Die Fremdgruppe wird vorübergehend zur Eigengruppe. Lit.:
BIERHOFF,
H.W.
&
KÜPPER,
R.
(1999). Das „Wie" und „Warum" von Solidarität: Bedingungen und Ursachen der Bereitschaft zum Engagement für andere. Ethik und Sozialwissenschaften, 10, 2, 181-196. 507
Sorglosigkeit, gelernte BIERHOFF, H . W .
&
Sozialforschung, empirische FETCHENHAUER,
D.
(Hg.) (2001). Solidarität, Konflikt, Umwelt und Dritte Welt. Opladen. WISWEDE, G. (2001). Solidarität: Versuch einer Synopse. In: Bierhoff, H.W. & Fetchenhauer, D. (Hg.) Solidarität, Konflikt, Umwelt und Dritte Welt. Opladen, 323-350.
Sorglosigkeit, gelernte V o n FREY & SCHULZ-HARDT in A n -
knüpfung an das Konzept der gelernten Hilflosigkeit geprägter Begriff. Voraussetzung ist hierbei das Lernen am Erfolg (-»Lernen)-, d.h. P erlebt —• Kontingenz zwischen Handlung und positivem Handlungsergebnis (-> Effektgesetz —• Verstärkung). Dabei sind zwei Lernerfahrungen zentral: zum einen die Vorstellung, man könnte ohne großen eigenen Aufwand hohe Erfolge erzielen, zum anderen die Erfahrung, sich riskant verhalten zu können, ohne dass dabei negative Konsequenzen auftreten. Solche Lernerfahrungen werden unterstützt durch die Beobachtung anderer Pn (-» Modell-Lernen), die mit solchem Verhalten erfolgreich sind, sowie durch soziale Normen und —> Werte, die S. als erwünscht darstellen (-> Risikoschub —• Gruppendenken). Als vermittelnder motivationaler Faktor fungiert -* Hedonismus, d.h. Sorglosigkeit repräsentiert einen angenehmen psychischen Zustand. Der Zustand der S. ist durch folgende Symptome gekennzeichnet: (a) Verringerte Fähigkeit und Motivation zur Gefahrenaufdeckung; (b) Unkritisch gehobene -» Stimmung; (c) Verkürzte Zeitperspektive (-> Myopischer Effekt). Als Konsequenzen der S. werden ermittelt:
508
(a) Verringerte oder fehlende Bereitschaft zur Verhaltensänderung; (b) Neigung, statistische Risiken zu unterschätzen und Warnsignale zu ignorieren; (c) Tendenz zur Generalisierung auf andere (ähnliche) Lebensbereiche; (d) Entwicklung von Defensiv-Strategien, um den angenehmen S.-Zustand beizubehalten (-» Vermeidungslernen, Überoptimismus, -» Kontroll-Illusion, Alibihandlungen oder Fatalismus). Anwendungsbereiche des Konzepts der S. liegen v.a. im finanzpsychologischen Bereich (z.B. immer dreister vorgehende Steuerhinterziehung, riskante Spekulationen an der Börse) sowie auf dem Felde der Gesundheitspsychologie (z.B. Verzicht auf schützende Maßnahmen).
S-O-R-Paradigma Eine Weiterentwicklung behavioristischer S-R-Konzepte, die intervenierende Variablen (O steht für Organismus) zwischen Stimulus und Response einbezieht und die auch als -»•hypothetische Konstrukte aufgefasst werden können. Die wichtigsten O-Variablen sind —• Emotionen und Kognitionen.
Sozialforschung, empirische Bezeichnung für die Analyse sozialer Sachverhalte mit Hilfe empirischer —• Methoden. Hierbei gibt es bestimmte Konventionen, die gewährleisten sollen, dass die wichtigsten Gütekriterien der Messung (Objektivität, Validität und Reliabilität) erfüllt werden.
Sozialisation
Sozialisation Die S.-Forschung hat sich als relativ eigenständiger Forschungszweig aus soziologischen, entwicklungspsychologischen und erziehungswissenschaftlichen Konzepten interdisziplinär entwickelt. (l)Begriff: Als S. bezeichnet man einen sozialen Lernprozess (-> Lernen), der das Hineinwachsen in soziale Beziehungsnetze (Interaktionsbezüge, Gruppenzusammenhänge, die „Gesellschaft") ermöglicht. Die früher geläufige Formel ,Anpassung des Menschen an die Gesellschaft" wird heute als zu anpassungsmechanistisch abgelehnt. Vielmehr wird betont, dass der Mensch nicht lediglich passiv-rezeptiv durch soziale Außenkräfte geprägt wird, sondern dass die individuelle Persönlichkeit sich im aktiven Austauschprozess mit gesellschaftlichen Gegebenheiten entwickelt. Um diese individuelle Komponente zu unterstreichen, sind Begrifflichkeiten wie „Identitätsbildung" (—• Identität, personale) oder „Personalisation" entstanden. Es handelt sich demnach bei der S. um einen dialogischen Prozess des Wechselspiels von Individuum und Gesellschaft; HURRELMANN spricht von einem Modell des „produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts", das mit seiner sozialen Umwelt in aktive Auseinandersetzung tritt. Diese begriffliche Bestimmung verweist bereits darauf, rezeptiven oder gar repressiven S.-Konzepten (-»Sozialisationstheorien) eine Absage zu erteilen, weil sie dem dialogischen Charakter der S. nicht gerecht werden. Der Mensch wird daher nicht al-
Sozialisation
lein als „Reagierender" begriffen. Am deutlichsten hat dies BANDURA mit seinem Konzept des reziproken Determinismus formuliert; dabei wird angenommen, dass unter jeweils bestimmten Bedingungen beides der Fall sein kann: Der Mensch als Reagierender und als Agierender, der auf seine Umwelt aktiv und planvoll einwirkt. (2) Inhalte: Häufig werden Erziehung und S. gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung ist manchmal unerheblich, aber man sollte doch sehen, dass der Erziehungsbegriff in einer Hinsicht weiter, in einer anderen jedoch enger ist. Er ist weiter, als im Erziehungsprozess auch andere als sozial relevante Aspekte (z.B. Umgang mit bestimmten Techniken) vermittelt werden. Und er ist enger, weil Erziehung einen intentionalen Aspekt hat: Da sind Pn, die bewusst ein bestimmtes Erziehungsziel anstreben. Von S. sprechen wir deshalb auch dann, wenn diese bewusst willentliche Komponente des Erziehens fehlt und der Sozialisand im Austausch mit sozialen Wirkkräften nicht-intendierten Einflüssen unterliegt. Die Inhalte der S. beziehen sich auf solche Aspekte, die das Individuum lernen muss, um in kompetenter Weise in sozialen Zusammenhängen handeln zu können (-> Kompetenz, soziale). Gelernt werden hierbei v.a. soziale Wertvorstellungen bzw. Ideen über wünschenswerte Zustände, soweit sie über die biologisch-physiologische Dimension hinausgehen, also z.B. den Erwerb sekundärer Verstärker betreffen (etwa: die Wichtigkeit von Geld, die Bedeutsamkeit von Leistungseffizienz, die 509
Sozialisation
Relevanz wirtschaftlicher Anerkennung, die Bedeutung von Kleidung in bestimmten Situationen). Zugleich werden soziale Normen vermittelt, d.h. die „richtige" oder die „angemessene" Weise, wie die jeweiligen Ziele erreicht werden können. Das Individuum lernt, Gebote und Verbote zu beachten und erwirbt die Kenntnis, dass es mehr oder weniger wichtige -* Bezugspersonen gibt, die bestimmte normative -* Erwartungen hegen. Der Sozialisand lernt darüber hinaus, ob und in welchem Ausmaß soziale -* Sanktionen verhängt werden und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad solche Reaktionen auftreten. Des weiteren schließt der S.-Prozess den Erwerb sozialer -* Rollen ein, hier vor allem auf dem Wege des -* Modell-Lernens. Da sich Individuen bereits auf solche sozialen Stationen vorbereiten (Berufsrolle, Mutterrolle etc.), spricht man auch von antizipatorischer S. Normen und Rollen können in unterschiedlichem Maße verinnerlicht sein (-»Internalisierung). Sind sie nicht oder nur in geringem Maße internalisiert, so bedarf das Individuum der externen sozialen -* Kontrolle, die das Einhalten von Verboten und Geboten überwacht. Pn, die dieser Art äußerer Kontrolle bedürfen, finden vor allem auf dem Wege des -+ Vermeidungslernens Mittel und Wege, sich den Konformitätszwängen (-> Konformität) zu entziehen. Äußere Kontrolle ist nicht notwendig, wenn das Individuum mitsamt den Normen den Kontrollmechanismus internalisiert hat, d.h. wenn es in der Lage ist, sich für die Einhaltung 510
Sozialisation
von Standards und Regeln selbst zu belohnen und für deren Nichteinhaltung selbst zu bestrafen. Viele S.Forscher sehen einen S.-Prozess dann als „gelungen" an, wenn das Individuum sich in gesellschaftlichen Kontexten selbst kontrollieren kann. Allerdings ist die Rede von gelungener S. mit der Problematik jeweiliger S.-Ziele verbunden, die eine Wertentscheidimg bedingen (Bsp.: Soll etwa dem Ziel Gehorsam und Disziplin der Vorzug vor Selbständigkeit und Autonomie gegeben werden?). Als besonders zentral für die S. des Individuums gilt die Entwicklung eines
Selbstkonzepts.
F ü r MEAD ist
die Entfaltung eines eigenen Selbst vor allem durch die Fähigkeit definiert, sich in die Rolle eines Anderen versetzen zu können (-•Rollenübernahme). Im Bereich der Entwicklungspsychologie (etwa bei ERIKSON) ist von Individuation die Rede: Die Herausbildung einer Ich-Identität (-»Identität, personale), sowie damit verbunden das Erleben der Einzigartigkeit in Abhebung zu anderen Individuen und schließlich - in späteren Lebensjahren - die Etablierung einer sozialen -»• Identität, welche die Zugehörigkeit zu ganz bestimmten Gruppierungen sowie die Abhebung von anderen Gruppen signalisiert und für die P eine Art sozialer Heimat darstellt. Ein zentraler Gedanke bei diesen verschiedenen Aspekten der Selbstfindung ist, dass das Individuum aktiv in einem Prozess engagiert ist, den RUBLE als „Selbst-Sozialisation" bezeichnet hat.
Sozialisatlon
(3) Phasen: In der S.-Forschung werden gewöhnlich drei oder vier Phasen unterschieden: (a) primäre S. (insbesondere durch das Elternhaus); (b) sekundäre S. (durch Gleichaltrige und durch die Schule); (c) tertiäre S. (durch wechselnde Umgangsgruppen, durch Beruf und Arbeit); (d) quartäre S. (Anpassungsprobleme im Altersstadium). S. wird hierbei als lebenslanger Prozess beschrieben, wobei die Formbarkeit des Menschen in den frühkindlichen Phasen besonders ausgeprägt ist. Allerdings ist der enorme Stellenwert, den die frühkindliche S. etwa in der Psychoanalyse erfährt, höchst umstritten. Man neigt heute zu der Auffassung, dass die ersten Lebensjahre fur die soziale Formung des Menschen zwar außerordentlich wichtig sind, dass das Individuum jedoch lebenslang vor neuen Rollensituationen steht, die entsprechende Lernprozesse erfordern. Innerhalb der primären S. werden wiederum verschiedene Entwicklungsphasen unterschieden. So durchläuft das Individuum nach FREUD angeblich mehrere psychosexuelle Phasen (oral, anal, genital), und mögliche Fixierungen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe fuhren nach dieser Auffassung zu entsprechenden Persönlichkeitsstrukturen (z.B. wird der anale Typus mit autoritärem Verhalten in Verbindung gebracht —• Autoritarismus). Im Rahmen der -» Entwicklungspsychologie werden bestimmte Stadien der kindlichen Entwicklung und Reifung unterschieden. So nimmt PIAGET an,
Sozialisation
dass die moralische Entwicklung zwangsläufig in einer bestimmten Reihenfolge stattfindet. So tendieren z.B. Kinder unter 7 Jahren dazu, Handlungen aufgrund ihrer Folgen zu beurteilen (objektives Stadium), während ältere Kinder Handlungen eher aufgrund der Absichten bewerten, die zu einer Handlung führten (subjektives Stadium). KOHLBERG differenziert diesen Reifungsprozess noch weiter und unterscheidet sechs verschiedene Reifungsschritte mit drei Ebenen der Anpassung. Die hier vorgestellten Phasentheorien gründen auf einem endogenen Verlaufsmuster, das weitgehend unabhängig von jeweiligen kulturellen Lernumwelten zur Geltung gelangt. U n t e r s u c h u n g e n v o n BANDURA & MCDONALD lassen jedoch Zweifel
an der Notwendigkeit einer solchen Abfolge aufkommen. Eher plausibel ist vielmehr die Annahme, dass kulturabhängige S.-Praktiken (-> Sozialisationsstile) den angenommenen Automatismus der Reihenfolge durchbrechen können. Jenseits der primären S. sind im sekundären Bereich vor allem schulische Einflüsse, S.-Wirkungen von Medien sowie der - die elterlichen Instanzen - überlagernden Peer-Einflüsse untersucht worden. Die Schule und dortige Bezugsgruppen wirken dahingehend, Herkunftseinflüsse tendenziell zu nivellieren. Die sozialisierenden Wirkungen der Massenmedien (-»Medienwirkungen —> Werbung, S. über Internet -»Kommunikation, computervermittelte ) sind unter heutigen Bedingungen höchst bedeutsam und überformen - zusam511
Sozialisation
men mit den Peer-Effekten - das elterliche Modell, wobei Konflikte in Bezug auf Wertvorstellungen, Normen und Rollen vorprogrammiert sind. Im Bereich der tertiären S. ist traditionellerweise insbesondere die berufliche S. untersucht worden, wobei genau genommen zwischen beruflicher S. i.e.S. (durch die spezifischen Charakteristika der Berufsrolle), organisationaler S. (durch die besonderen Merkmale der Organisation) sowie S. durch Arbeit (durch die spezifischen Merkmale der Arbeitstätigkeit) unterschieden werden müsste. Die sozialisierenden Auswirkungen der Arbeitssituation (z.B. monotone vs. abwechslungsreiche Tätigkeit, restriktive vs. autonome Arbeitsvollzüge) sind insbesondere von KOHN in zahlreichen Studien herausgestellt worden. Ein eigenständiges Problem besteht in der Trennung von S.- und Selektionsprozessen: Wird die Persönlichkeit durch die Merkmale der Arbeitssituation (Organisationssituation, Berufssituation) geprägt oder besteht auf Grund vorangegangener S.-Erfahrungen vorrangig eine Neigung, bestimmte Berufe (Arbeitsbereiche) auszuwählen? Neuerdings finden Aspekte quartärer S. (Nachberufsphase) stärkere Beachtung, v.a. unter dem Gesichtspunkt der Singularisierung und der Ausweitung der Altersphase (-»Alter -*• Altern). (4)Kontext der S.: Mit der Analyse derartiger Rahmenbedingungen der S. hat sich hauptsächlich die Soziologie beschäftigt, neuerdings auch die interkulturelle -> Sozialpsycholo512
Sozialisation
gie. Der weiteste Kontext wird dabei von der -* Kultur abgesteckt, die als „Lieferant" für -* Wertsysteme fungiert. Diese bestimmen die S.-Ziele; sie sind auch Maßstäbe „richtiger", angemessener oder gelungener S. Unterschiedliche Wertsysteme werden andersartige Vorstellungen von Angemessenheit bewirken. So werden stark religiös geprägte Wertemuster andere S.-Verläufe bewirken als säkularisierte. Gesellschaften mit puritanischen Wertvorstellungen werden andere S.-Ergebnisse als wünschenswert erachten als soziale Systeme, die hedonistischen Einschlag besitzen. Individualistische K u l t u r e n (i.S. v o n HOFSTEDE) w e r -
den andere S.-Ziele verfolgen als kollektivistische, in denen der Gruppengeist und die Einbindung in das soziale Gefuge besondere Bedeutung haben. So weisen z.B. individualistische Kulturen meist eine stärkere Ausprägung an -»• Kontrollüberzeugungen (Mastery-Komplex) auf als kollektivistische Systeme, denen oftmals eine gewisse Schicksalsgläubigkeit (fatalism) eigen ist. Auch im Zuge des -* Wertewandels wird sichtbar, dass sich die S.-Stile und die S.-Ziele verändern. KLAGES betont den Übergang von Gehorsamswerten zu Werten wie Unabhängigkeit, Selbständigkeit, Kreativität. SCHNEEWIND ermittelt empirisch für Deutschland eine Veränderung von Erziehungszielen in Bezug auf: Verblassen religiöser Orientierung, Rückgang an Leistungsehrgeiz, Abnahme an Konformität und Fügsamkeit sowie Zunahme an Selbständigkeit.
Sozialisation
Im engeren sozialen Kontext war es v.a. die Schichtzugehörigkeit, die differenzielle S.-Ziele und -stile erklären sollten. Dabei wird meist lediglich zwischen zwei Sozialschichten oder Subkulturen (Mittelschicht und Unterschicht) unterschieden, wobei erstere gegenüber der letzteren tendenziell folgende Sozialisationsstile aufweisen: (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) (h) (i) (j)
leistungsorientierter; belohnungsorientierter; intentionsorientierter; akzeptanzorientierter (statt Fügsamkeitsorientierung); zukunftsorientierter (deferred gratification pattern); auf interne Kontrolle gerichtet; individualistischer (vs. familistisch); nachsichtiger, verzeihender; konsistenter; konzeptgesteuerter.
Neben der schichtspezifischen S. werden v.a. in soziologischen Studien Aspekte der sozial-ökologischen S. (Zugehörigkeit zu bestimmten Milieus, Wohnvierteln, Arbeitsumgebung) beachtet. Inkonsistenzen und Konflikte werden vorwiegend in sozialen -> Subkulturen bzw. bei ethnischen sozialen -* Minderheiten beobachtet, wo S.-Muster des Herkunftslandes mit den S.-Zielen des Gastlandes kollidieren können. Lit.: BANDURA, A . (1979). Sozial-kognitive
Lemtheorie. Stuttgart (Orig. 1971). BANDURA, A. (1997). Self-Efficacy. The exercise of control. N e w York. BECKER, W.C. (1964).
Consequences of different kinds of parental discipline. In: Hoffmann, M.L. & Hoffmann, L.W. (eds.) Review of child development research, Vol. 1. N e w York, 169-208. FEND,
H. (1974). Sozialisierung und Erziehung. Weinheim, Basel. HURRELMANN, K. &
Sozialisationsstile ULICH, D. (Hg.) ( 5 1998). Neues Handbuch
der
Sozialisationsforschung.
MOHLBAUER, K R .
(1980).
Weinheim. Sozialisation.
Eine Einführung in Theorien und Modelle. M ü n c h e n . TROMMSDORFF, G. (Hg.) (1989).
Sozialisation im Kulturvergleich. Stuttgart.
Sozialisationsstile S. sind konsistente (und persistente) Muster des erzieherischen Verhaltens. Eine der klassischen Untersuchungen zu Verhaltensstilen geht auf LEWIN zurück: Die Unterscheidung zwischen einem demokratischen, autokratischen und laissez-faire-Stil. Diese Typologie ist später v.a. im Führungsbereich angewandt worden (LIPPITT & WHITE), stand jedoch ursprünglich im Kontext der Sozialisation und betraf Experimente mit 10-jährigen Jungen in einer als Freizeit definierten Situation. Die Befunde erbrachten erwartungsgemäß die geringste Leistung und Zufriedenheit bei laissez-faire, die höchste Zufriedenheit in der demokratischen Variante, ein hohes Leistungsniveau jedoch sowohl beim demokratischen als auch autokratischen Stil. An diesen Studien (-> Führungsstil) wurde u.a. kritisiert, dass der VI einen schroff-autokratischen (= autoritären) S. praktizierte. Abgestuftere Varianten wurden nicht untersucht. Eine weitere klassische Studie zu Verhaltensstilen in Gruppen stammt von BALES mit seiner Unterscheidung von instrumentellem (aufgabenorientiertem) und sozio-emotionalem Grundmuster. Auch hier war der wichtigste Anwendungsfall zunächst das kommunikative Verhalten in ad hoc zusammengestellten Kleingruppen und wurde v.a. im Hinblick auf die Wahrung von -»Lokomotion (Zielerreichung) und -* Kohäsion (Zusammenhalt der 513
Sozialisationsstile
Gruppe) i.R. von —• Führungsfunktionen verwendet. PARSONS & BALES haben jedoch versucht, diese Dichotomie auf S. anzuwenden, u.a. mit der These, dass beim elterlichen Erziehungsverhalten in aller Regel die instrumenteile Funktion vom Vater, die sozio-emotionale Funktion dagegen eher von der Mutter wahrgenommen wird (ZELDITCH bestätigt dies für 93 von 100 untersuchten Kulturen). PARSONS & BALES weisen überdies darauf hin, dass expressive Funktionen der Sozialisation vorwiegend durch die Gleichaltrigen (peers) erfüllt werden. Eine weitere wichtige Dichotomie ist die zwischen einem belohnungsorientierten und einem bestrafungsorientierten S. Lerntheoretisch gilt, dass belohnungsorientierte S. im Hinblick auf das Erlernen neuer Verhaltensmuster effizienter sind. Allerdings kann auf —> Bestrafung allein schon deshalb nicht ganz verzichtet werden, weil Extinktionsprozesse (durch Nichtreaktion bei unerwünschtem Verhalten) zeitraubend und kostspielig sind (Hieran sind zahlreiche Feldexperimente zur antiautoritären Erziehung gescheitert). Die Wirkung von Bestrafung hängt jedoch von einer Reihe von Umständen ab: der Art der Strafe, der Dosierung, der zeitlichen Nähe zur Handlung, der Häufigkeit der Wiederholung sowie auch von den Merkmalen des zu Bestrafenden: Alter und Reifegrad, Einsicht in die Funktion und Legitimität der Strafe usw. Bei all dem bleibt jedoch zu bedenken, dass Bestrafung eine Reihe von meist unerwünschten Nebenwirkungen aufweist und dass Kinder und Jugendliche sehr erfindungsreich im -* Vermeidungslernen sein können. Außerdem ist Bestrafung 514
Sozialisationsstile
lediglich als punktuelle Maßnahme sinnvoll; ein generell punitiver S. dürfte überwiegend zu negativen Ergebnissen fuhren. Unerwünschte Effekte hat auch ein inkonsistenter S. (dieser ist eigentlich ein Nicht-Stil!), sei es, dass der Sozialisierende in gleichen oder ähnlichen Situationen unterschiedlich reagiert (z.B. durch wechselnde Laune oder Stimmung) oder sei es, dass die verschiedenen Sozialisationsinstanzen (z.B. Eltern, Großeltern) unterschiedlich verfahren. Eine mögliche Folge ist gelernte -> Hilflosigkeit, da das Kind durch die wechselnden Erfahrungen keine -* Kontingenzen aufbauen kann. Hat der Heranwachsende jedoch bereits ein gewisses Selbstvertrauen erworben, so kann er die Inkonsistenz z.B. zu seinem Vorteil nutzen und diskriminatives Verhalten mit dem für ihn jeweils günstigsten Ergebnis ausüben. Inkonsistenzen bestehen häufig auch im Hinblick auf die Adressaten der Sozialisation. Bekanntermaßen werden Erstgeborene anders erzogen (z.B. strenger, mit mehr Hingabe) als nachfolgend Geborene. Auch werden Jungen anders sozialisiert als Mädchen, wobei bestimmte Rollenstereotype stilprägend sein können, die dann wieter tradiert werden (-• Geschlechtsrollen). Zumindest ein Teil der Verhaltensunterschiede zwischen den Geschlechtern liegt deshalb in geschlechtsspezifischer S. begründet. Ein zweidimensionales Modell der S. geht auf BECKER zurück. Die erste Dimension enthält die Dichotomie restriktiv (Einschränkung von Freiheitsspielräumen, an der „kurzen Leine" fuhren) vs. permissiv (Erziehung zur Autonomie, an der „lockeren Leine"
Sozialisationstheorien
fuhren). Die zweite Dimension bezieht sich auf die emotionale Qualität (warm und zuneigend vs. abweisend und feindselig). Kombiniert man beide Dimensionen miteinander, so lassen sich viele der in der Literatur verwendeten Dichotomien in diesem zweidimensionalen Modell aufspannen. Meta-Analysen haben ergeben, dass Feindseligkeit - unabhängig von Permissivität und Restriktivität - unerwünschte Sozialisationsergebnisse hervorbringt (insbesondere im Hinblick auf Neurotizismus, Aggressionsneigung, Kriminalität). Kreativität, Selbständigkeit und Freundlichkeit können vorwiegend in einem Sozialisationsklima gedeihen, das von Wärme und Permissivität getragen wird. Ein abweisender und feindseliger S. steht auch im Mittelpunkt der -+Bindungstheorie. Unzureichende oder inkonsistente Befriedigung des Bindungsstrebens - durch mangelnde Empfänglichkeit für die Näherungsversuche des Kindes- fuhren zu erheblichen Störungen des Bindungsverhaltens und beeinflussen u.U. die spätere Liebesfähigkeit des Individuums. Lit.:
Sozialisation
Sozialisationstheorien Metatheoretische Aspekte betreffen v.a. die Frage, in welchem Ausmaß Sozialisationsprozesse das menschliche Verhalten bestimmen. Hier begegnet uns wiederum die alte Streitfrage nach dem Anteil ererbter Verhaltensdispositionen im Gegensatz zu solchen Verhaltensmustern, die durch Lernprozesse erworben werden (-• Anlage vs. Umwelt -> Heritabilität -> Reaktionsnorm -» Soziobiologie), eine Frage, die im Rahmen der Sozialisationsfor-
Sozialisationstheorien
schung auch mit dem Gegensatz von „nature" und „nurture" umschrieben wird. Die heutige Position kann am ehesten durch einen „interaktionistischen" Standpunkt umschrieben werden: Anlagebedingungen stellen einen meist sehr weiten Rahmen von Prädispositionen dar, der durch sozialisatorische Einflüsse dann konkret ausgestaltet wird. Eine Auffassung, die in starkem Maße auf die genetische Vorbestimmtheit menschlicher Verhaltensformen reflektiert, sieht wenig Möglichkeiten für sozialisatorische Bemühungen (z.B. die Aggressionsneigung des Menschen zu beeinflussen). Umgekehrt betrachtet eine milieutheoretische Position den Menschen als plastisches Wesen, das allein oder doch vorwiegend der sozial-kulturellen Formung unterliegt. Eine solche Auffassung wird auch durch gewisse modische Formen des Konstruktivismus gefordert, welche die Beliebigkeit und kulturelle Relativität aller sozialen Sachverhalte betonen (z.B. die Geschlechtsrollenartikulation oder die soziale Definition von Emotionen). Zahlreiche Forschungsbefunde (bspw. aus dem Bereich der Soziobiologie) zeigen jedoch, dass eine derartige konstruktivistische Position nicht haltbar ist. Denn einige Verhaltens- und Erlebensdispositionen (sprachliche vs. mathematische Intelligenz, Feldabhängigkeit, Empathie, Aggressionsneigung u.a.) sind zweifellos auch anlagebedingt (-» Geschlechtsunterschiede). Eine weitere paradigmatische Position betrifft den Umstand, dass viele S. unangemessen repressiv ausgerichtet sind. Nach solchen Vorstellungen wird der Mensch in seiner „Naturgestalt" 515
Sozialisationstheorien
oder seinem natürlichen „Wesen" durch die Gesellschaft verfremdet und verformt. So behauptet etwa die psychoanalytische S., dass der Mensch eines Zensors der Triebe bedürfe und dass die Herrschaft des Über-Ich den Menschen gleichsam an die Kette lege, indem sie bspw. seinen Sexualtrieb unterdrücke. Auch Soziologen denken manchmal in Bahnen repressiver Sozialisation. So behauptet z.B. DAHRENDORF, dass der Mensch durch den Zwangscharakter normativer Erwartungen seiner Naturgestalt beraubt werde und in den sozialen -> Rollen, die ihm auferlegt sind, als „homo sociologicus" in Erscheinung trete und dabei seine Individualität verliere. Diese und ähnliche S. zeichnen ein recht enges und negatives Bild des Sozialisationsprozesses. Gewiss wirken die Mechanismen der Sozialisation manchmal für das Individuum belastend. Andererseits legt gerade der S.Prozess Ressourcen frei, bringt Begabungen und Fähigkeiten zum Durchbruch und führt zur Entfaltung der Persönlichkeit. Der unsozialisierte Mensch ist eine Art Kaspar Hauser, dessen Möglichkeiten nicht realisiert werden konnten. Umgekehrt ist der „übersozialisierte Mensch" (WRONG) eingespannt in die Erwartungen und Zumutungen einer Gesellschaft, die lediglich nach Anpassung verlangt. Aus diesem Grund ist unser heutiges Verständnis von „gelungener" Sozialisation mit der Metapher der aktivschöpferischen Einbindung des Individuums in gesellschaftliche Bezüge in der Lage, diese beiden extremen Positionen zu vermeiden.
Sozialisationstheorien
Im groben Überblick sind insbesondere vier verschiedene Theoriestränge zu unterscheiden, nämlich: (1) Soziologische S. (z.B. von PARSONS), die sich im Wesentlichen auf taxonomische Analysen beschränken und die Übernahme von Werten und Normen auf den Prozess der Internalisierung zurückfuhren (ohne diesen jedoch zu erklären). Das Grundkonzept dieser und ähnlicher Theorien ist anpassungsmechanistischer Natur; es geht dabei lediglich um die Frage, wie das Individuum dazu gebracht werden kann, die vorgegebenen Normen und Werte einzuhalten (-+ Konformität). (2) Psychoanalytische Theorien: Grundelemente dieser S. sind das Instanzenmodell der Persönlichkeit (Entwicklung des Über-Ich als zensierende Instanz) sowie die sexuelle Phasentheorie (-• Sozialisation). Die Theorie enthält viele spekulative Elemente; auch kann sie als Musterbeispiel der bereits kritisierten repressiven S.-Konzepte gelten. (3) Entwicklungspsychologische Theorien (Bsp.: PLAGET oder KOHLBERG): Bei ihnen geht es vor allem um Phasenfolgen der kognitiven und moralischen Entwicklung. Diese Theorien sind im Prinzip kompatibel mit lerntheoretischen Konzeptionen; allerdings bestehen im Hinblick auf die Notwendigkeit von fixierten Phasenabfolgen im Sozialisationsprozess sowie der interkulturellen Evidenz der Entwicklungsschritte berechtigte Zweifel. (4) Lerntheoretische Konzepte: Während die rein behavioristischen Lern-
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Sozialpsychologie (als Disziplin)
theorien nur begrenzte Einsichten zur Sozialisationsproblematik zulassen, dürften kognitive Weiterentwicklungen dieser Forschungstradition einen angemesseneren Zugang zu diesem Fragenkreis eröffnen. Insbesondere wird heute BANDURAS Konzept einer sozial-kognitiven Lerntheorie als erfolgversprechend angesehen (-• Modell-Lernen). Dabei ist u.a. das Konzept der Selbstwirksamkeit im Zusammenhang mit kognizierter -> Kontrolle und dem Erwerb sozialer Kompetenz zentraler Bestandteil der Sozialisationsforschung. Lit.: -* Sozialisation
Sozialpsychologie (als Disziplin) Sozialpsychologie, Geschichte der -* Sozialpsychologie, Gegenstand der —• Sozialpsychologie, angewandte Die SP hat - in Abgrenzung zur Soziologie und zur Psychologie - ihre eigene Geschichte und Identität; HEWSTONE & MANSTEAD s p r e c h e n v o n ei-
ner spezifischen „culture of the discipline". Diese scheint insbesondere durch die folgenden Besonderheiten charakterisiert: (a) Die SP versteht sich eher als psychologische, weniger als soziologische (Sub-) Disziplin. Obgleich sie ursprünglich zumindest mit einem Hauptstrang ihrer Entwicklung eng mit der Soziologie verbunden war, ist sie mittlerweile psychologisch dominiert (z.B. entstammen die weitaus meisten Fachvertreter der SP in Deutschland dem Wissenschaftsbereich der Psychologie);
Sozialpsychologie (als Disziplin)
(b) Die SP versteht sich eher als Grundlagenforschung; Anwendungsbezüge werden nur partikularistisch erschlossen. Im Gegensatz zur Soziologie waren es hier nicht primär „soziale Probleme", die den Entwicklungsverlauf der S. angeregt haben; (c) Die SP hat mittlerweile relativ homogene standardisierte Inhalte; was sich u.a. an den Kapitelüberschriften einschlägiger Lehrbücher ablesen lässt: soziale Wahrnehmung, Einstellungen, Attribution, Interaktionsprozesse, Selbstkonzept usw.; (d) Die SP wird in ihrer heutigen Gestalt sehr stark von der social cognition-Perspektive (-» Kognition, soziale) beeinflusst. Es geht dabei dezidiert um individuelle Strukturen und Prozesse, vorwiedend also mentale Repräsentationen sozialer Sachverhalte; (e) Der SP fehlt eine übergreifende theoretische Perspektive. Allerdings neigt die neuere S. dazu, Theorien der Informationsverarbeitung als lockeren Bezugsrahmen für sp Fragestellungen zu bevorzugen; (f) Die SP besteht weitgehend aus relativ unverbundenen Theorien mittlerer und unterer Reichweite. Diese Theorien haben - um in der Computersprache zu reden - keine systematische Baumstruktur, sondern eher eine Spaghetti-Struktur; (g) Die SP konzentriert sich -ungeachtet einiger Stimmen, welche die interkulturelle Validität sp Ergebnisse in Frage stellen - auf die Erarbeitung nomologischer (Gesetzes-) Aussagen, die möglicherweise jedoch nur für begrenzte
Sozialpsychologie (als Disziplin)
raum-zeitliche Ausschnitte (z.B. westliche Länder) Geltung haben (—> Sozialpsychologie, interkulturelle); (h) Die SP wird methodologisch vom Laborexperiment dominiert, was dieser Disziplin immer schon den Vorwurf mangelnder Generalisierbarkeit der Befunde eingetragen hat. Zweifellos ist es sinnvoll, Fragen der externen Validität (und damit auch des Anwendungsbezugs) stärkere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die hier erfolgte Auflistung kann als kritische Stellungnahme zu einer Wissenschafitsdisziplin gelesen werden. Nichtsdestoweniger wirkt die S. - gemessen am Zustand anderer Teildisziplinen, v.a. auch am Forschungsstand einer paradigmatisch heterogenen und manchmal wildwüchsigen Soziolog i e - erfreulich realitätsnah. Die Beschränkung auf Theorien mittlerer Reichweite kann auch als Vorzug angesehen werden gegenüber Ansätzen, die entweder durch eine zu abstrakte „Theorie" lediglich „Flüge über den Wolken" darstellen oder nur deskriptive Zustandsanalysen betreiben, die weitgehend konzept- und theorielos erfolgen. Die starke Grundlagenorientierung der SP scheint sich überdies auszuzahlen: Mehr und mehr erkennt auch die angewandte Forschung (z.B. die Organisationspsychologie oder die Psychologie des Konsumentenverhaltens) das außerordentlich große Potenzial an Theorien, Konzepten und Befunden, das die SP zur fruchtbaren Nutzung bereitstellt. LIT.:
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Sozialpsychologie (Lehrbücher)
Sozialpsychologie, angewandte
Sozialpsychologie, angewandte Obgleich die SP sich in starkem Maße als Grundlagenforschung verstand, gibt es mittlerweile ein wachsendes Gebiet der S., das sich auf experimentell fundierte Theorien und Befunde stützt (zusammenfassend: HAISCH 1983, SCHULTZ-GAMBARD 1987; STRINGER 1982; FREY & GREIF 2000).
Zu nennen sind v.a. Themenbereiche wie: Umweltpsychologie, Rechtspsychologie, Gesundheitspsychologie, klinische Psychologie, Erziehungsund Entwicklungspsychologie, Wirtschafitspsychologie. So ist bspw. im schulischen Bereich die Anwendung sp Wissens über Sozialisationsprozesse und soziales Lernen von Bedeutung, gleichfalls Aspekte des Lehrer- und Schülerverhaltens, abweichendes Verhalten in der Schule, Kommunikationsstile, Rollenverhalten, Denken in stereotypen Mustern, angemessene und unangemessene Ursachenzuschreibungen usw. Im klinischen Bereich geht es um die Verbindung von (manchmal etwas obskuren) gruppendynamischen Befunden mit Erkenntnissen der Kleingruppenforschung, um die Anwendung unseres Wissens zur Verhaltensmodifikation, Aspekte des —• Modell-Lernens, kognitive Therapien (z.B. Unterstützung der —• Selbstwirksamkeit), Attributionstraining (i.S. der Stärkung von Selbstvertrauen und der -»• Selbstkontrolle), Analyse der Psychotherapie als einer Interaktionssituation, Resozialisation und Rehabilitation, naive Verhaltenstheorien von Therapeuten, kognitive Stile von psychisch Kranken und Gesunden.
Sozialpsychologie, angewandte
Breite Anwendung hat die SP im wirtschaftlichen Bereich gefunden. Dies betrifft zunächst die Verknüpfung von Wirtschafts- und Sozialpsychologie. Eine eigenständige —• Wirtschaftspsychologie hat sich erst verhältnismäßig spät etabliert, was damit zusammenhängt, dass diese Disziplin sich eher als die Summe verschiedenartigster Teildisziplinen verstand, die sich etwas wildwüchsig und manchmal auch theorielos entwickelt haben. Erst neuerdings wird Wirtschaftspsychologie stärker auf grundlegende sp Konzepte und Befunde bezogen; auch deutet sich eine stärkere Integration der verstreuten Teilbereiche an. Die sog. —• Organisationspsychologie hat sich relativ selbständig entwickelt und institutionalisiert (-> ABO-Psychologie). Teile der Arbeitspsychologie sind nicht mit sp Themenstellungen befasst, andere jedoch (z.B. Themen wie Arbeitsmotivation oder Gruppenleistung) sind ohne Rückgriffe auf die Ergebnisse der SP nicht darzustellen. Die Organisationspsychologie weist gleichfalls ausgedehnte sp Anwendungsfelder auf (z.B. Gruppen in Organisationen, Interaktionsprozesse, Konflikte in Organisationen). Obgleich eine Vielzahl von Forschern sich dieses Gebietes angenommen hat, bleibt die Verknüpfung mit allgemeineren sp Konzepten manchmal etwas unterentwickelt. Besser ist es dabei um die -* Marktpsychologie bestellt, die insbesondere auf eine längere Tradition des Bereichs „consumer behavior" zurückgreifen kann. Der Kontakt zur SP ist dabei relativ eng, obgleich auch hier eine gewisse autonome Entwicklung stattgefunden hat. Im Bereich der
Sozialpsychologie, Gegenstand der
Werbepsychologie sind sp Bezüge ebenfalls naheliegend, hier v.a. im Hinblick auf die Thematik der Kommunikations- und Medienwirkungen, die i.R. der spezifisch wirtschaftlichen Themenstellung (nämlich den Absatzerfolg von Produkten zu sichern) eine eigenständige Aufbereitung erfahrt (—> Werbung). Vielfach ist das Anwendungspotential der SP noch nicht genügend erschlossen. Die Gründe für die außerordentliche Fruchtbarkeit der sp Forschung liegen u.a. darin, dass diese Disziplin zahlreiche Theorien mittlerer Reichweite entwickelt und auf die Formulierung sehr abstrakter allgemeiner Theorien, die sich der praktischen Nutzung eher entziehen, verzichtet hat. Die Formulierung von Kausalhypothesen im Rahmen sp -* Experimente hat dazu geführt, dass die theoretischen Konzepte überwiegend manipulierbare Variablen enthalten - e i n e wichtige Voraussetzung für die Praktikabilität solcher Konzepte. L i t . : FREY, D . & GREIF, S . ( H g . ) ( 4 1 9 9 7 ) .
Sozialpsychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. Weinheim. 473-592. HAISCH,
J. (Hg.) (1983). Angewandte Sozialpsychologie. Bern. SCHULTZ-GAMBARD, J. (Hg.) (1987). Angewandte Sozialpsychologie. W e i n h e i m . STEPHENSON, G . M . ( 3 1 9 9 6 ) . A n -
gewandte Sozialpsychologie. In: Stroebe et al. (Hg.). Sozialpsychologie. Eine Einfuhrung. Berlin, 579-618. STRINGER, P. (ed.)
(1982). Confronting social issues. Vol. 1 und 2, London.
Sozialpsychologie, Gegenstand der Die SP beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen im sozialen Kontext. Allerdings sind nur wenige Bereiche menschlichen Ver519
Sozialpsychologie, Gegenstand der
haltens und Erlebens auszumachen, die in einem sozialen Vakuum stattfinden. Deshalb ist es schwierig, Grenzen zwischen SP und Individualpsychologie (hier nicht i.S. ADLERS, sondern als Gegenbegriff zur SP verstanden) auszumachen. Schon KRECH & CRUTCHFIELD vermuten deshalb in ihrem klassischen Lehrbuch, dass im Grunde alle psychischen Gegebenheiten einer sp Perspektive unterworfen seien. In diesem Sinne erwies sich die SP in den letzten Jahrzehnten in der Tat als eine Disziplin mit imperialistischen Ansprüchen. Viele Themenbereiche der allgemeinen Psychologie werden daher in Lehrbüchern der SP unter ähnlichen Überschriften wiederholt, und zwar mit dem zusätzlichen Etikett „sozial": soziale Kognition, soziale Wahrnehmung, soziale Motivation, soziales Lernen. GRAUMANN vermutet, dass dieses Label „sozial" manchmal wie ein Feigenblatt wirke, um eine sp Perspektive zu rechtfertigen, die bei genauerer Betrachtung den sozialen Kontext längst verlassen habe. Einige europäische SPn bemühen sich daher in den letzten Jahren verstärkt um eine Wiederbelebung der eigentlichen sozialen Ausgangsbedingungen dieser Disziplin. In einem weitesten Sinne kann man die beiden hauptsächlichen Themenbereiche mit den Überschriften „soziale Kognition" sowie „soziale Interaktion" abdecken. Zum erstgenannten Bereich gehören (dem Lehrbuch von FISCHER & WISWEDE folgend): (a) Soziales Lernen und Sozialisation; (b) Motivation und Handeln; (c) Soziale Vergleichsprozesse; 520
Sozialpsychologie, Geschichte der
(d) (e) (f) (g)
Soziale Wahrnehmung; Soziale Einstellungen; Attributionsprozesse; Kommunikation und Medienwirkungen; (h) Soziale Aspekte des Selbstkonzepts. Zum zweiten Themenbereich gehören: (a) Dyadische Interaktion; (b) Gerechtigkeit in Sozialbeziehungen; (c) Interaktion und soziale Rollen; (d) Macht und Führung in sozialen Systemen; (e) Norm, Konformität und Abweichung; (f) Gruppenstruktur und Gruppenleistung; (g) Konflikt, Kooperation und Wettbewerb. Dabei fallt auf, dass lediglich der zweite dieser Bereiche genuin und unzweifelhaft der SP zugerechnet werden kann. Bei den erstgenannten Themenkomplexen ist die Zuordnung zur SP prinzipiell möglich, jedoch treten vielfach Überlappungen mit allgemeinpsychologischen Forschungsgebieten auf (z.B. bei den Themen Motivation, Lernen, Wahrnehmung). Trotz des Attributes „sozial" ist allerdings nicht immer gewährleistet, dass eine spezifisch sp Perspektive auch tatsächlich eingebracht und umgesetzt wird. Sozialpsychologie, Geschichte der I.R. dieses Wörterbuches kann lediglich eine grobe Skizze der Entwicklung der Wissenschaftsdisziplin SP gegeben werden. Für Detailbetrachtungen vgl. GRAUMANN 1997, LÜCK 1996, ANGER 1979, PEPITONE 1981;
vgl. auch: -* Sozialpsychologie, Ge-
Sozialpsychologie, Geschichte der
genstand der -* Sozialpsychologie (als Disziplin). (1) Vorläufer: Es ist üblich, die S. mit ihren beiden Hauptsträngen auf PLATON und auf ARISTOTELES zurückzu-
führen. Die platonische Auffassung hat den Vorrang des Kollektivs (des Staates) vor dem des Individuums herausgestellt. Die Sozialität des Menschen müsse - nach dieser Auffassung - erst durch Autoritäten anerzogen werden. Für ARISTOTELES bestehen die Gesellschaft und der Staat letztlich aus Individuen, die von Natur aus sozial seien, so dass die Aufnahme geregelter Beziehungen ohne kollektive Zwänge möglich ist. Diese Gewichtung zieht sich durch das gesamte sozialwissenschaftliche Denken und spiegelt sich - i n der Terminologie von GRAU-
MANN- auch in zwei unterschiedlichen sp Forschungstraditionen wider: der soziozentrierten und der individuozentrierten Perspektive. Zur neueren Vorgeschichte der SP gehören v.a. die Völkerpsychologie (etwa im Verständnis von WILHEM WUNDT) sowie die Massenpsychologie (etwa im Verständnis von GABRIEL TARDE u n d GUSTAVE LEBON).
Beide Entwürfe sind eher soziozentriert; für die Völkerpsychologie gilt die Kernannahme, die primäre Form menschlichen Zusammenlebens sei die kulturelle Gemeinschaft, das „Volk", in dem sich die Erziehung der individuellen Persönlichkeiten zu einem sozialen Wesen vollziehe. Wichtigstes Medium einer solchen Prägung sei die -* Sprache, die für die Einbindung des Individuums und der Identität verantwortlich ist. Ferner ist das Interesse dieser For-
Sozialpsychologie, Geschichte der
schungsrichtung primär der Beziehung zwischen interagierenden Individuen und den Produkten ihrer Interaktionen gewidmet, die rückkoppelnd wiederum das Bewusstsein des Einzelnen beeinflussen. Die Massenpsychologie nimmt Themen vorweg, die später unter Aspekten des Crowding sowie des Kollektivverhaltens neu thematisiert wurden. Der Begriff der psychischen Ansteckung - eine Art wechselseitig infektiöser Prozess, um Irrationalität und Emotionalität (-• DeIndividuation) zu erklären- macht Anleihen in der Epidemiologie; BLUMER spricht später neutraler von „Interstimulation". Kernannahme ist hierbei, dass der Mensch im Rahmen der Masse seine Normalität verliere (vgl. auch den Ausdruck -»Anomie bei DÜRKHEIM). MCDOUGALL dis-
kreditierte diesen Ansatz mit der Vorstellung eines Gruppengeistes (group mind), einer Konstruktion, die gewisse Ähnlichkeiten mit dem Kollektivbewusstsein DÜRKHEIMS aufweist. Als weiteren Vorläufer könnte man hier auch die Arbeiten von COOLEY und MEAD einbeziehen, die später durch BLUMER die Bezeichnung —> Symbolischer Interaktionismus erhielten und die insbesondere i.R. der Soziologie rezipiert und weiterentwickelt wurden. Der Grundgedanke dieses Paradigmas, individuelles Verhalten und Bewusstsein aus dem sozialen Prozess heraus zu klären und diesen selbst durch Muster aufeinander bezogener Interaktionen strukturiert anzusehen, ist durchaus auch in modernen sp Ansätzen wiederzufinden, etwa in der Idee der so521
Sozialpsychologie, Geschichte der
zialen -* Repräsentation (MOSCOVICI): als gemeinsame soziale Vorstellungen, aufbauend auf Allgemeinwissen, dessen Funktion es ist, der Welt Bedeutung zuzuschreiben und die Kommunikation zu erleichtern. Nichtsdestoweniger ist auch dieser „Vorläufer" i.R. der Institutionalisierung von SP aufgegeben bzw. anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen überantwortet worden. (2) Entwicklungsstränge: Obgleich die ersten Publikationen mit dem Titel „social psychology" bereits 1908 er-
schienen (Ross, sowie McDouGALL), liegen die Ursprünge der m o -
dernen SP in den USA später; insbesondere gilt F.H. ALLPORT als einer deijenigen, der die an Kollektiven orientierte SP ablöste und eine individuozentrierte Sichtweise nahe legte. Als eigentlicher „Gründervater" der SP gilt indes v.a. KURT LEWIN, der zugleich die europäische Tradition in die Entwicklung dieser Wissenschaftsdisziplin einbrachte. LEWIN war insofern Sozialpsycholo-
ge, als er seine feldpsychologische (topologische) Theorie auf Gruppen übertrug. Obgleich die Feldtheorie für die weitere Entwicklung der SP an Bedeutung verlor, war sie zu Beginn gewissermaßen eine konzeptionelle Klammer weiterer Entwicklung. Insofern ist die vielfach geäußerte Ansicht, die moderne SP sei eine rein amerikanische Erfindung, mit einem Fragezeichen zu versehen, denn neben LEWIN haben weitere Emigranten, wie KÖHLER, HEIDER, KATONA oder LAZARSFELD, die erste Phase der Entwicklung der amerikanischen SP maßgeblich mitbestimmt. Eine Zeit lang entwickelten sich die 522
Sozialpsychologie, Geschichte der
beiden Forschungsstränge - der individuozentrierte und der soziozentrierte Ansatz - parallel, zumal in der Anfangsphase Verbindungslinien der SP zur Soziologie noch sehr deutlich ausgeprägt waren. Letztere mündet im Wesentlichen in die Tradition der Kleingruppenforschung (-» Gruppe, soziale) ein und ist dort u.a. mit den Namen SHERIF, BALES, HOMANS, THIBAUT & KELLEY verbunden. ANGER betont den starken Einfluss, den SHERIF auf gruppenthema-
tische Entwicklungen hatte, insbesondere mit den Schwerpunkten „Konformität unter Gruppendruck" sowie der emergenten Entwicklung sozialer Normen. Die individuozentrierte Forschung ist mit Forscherpersönlichkeiten
wie
HEIDER,
CARTWRIGHT, FESTINGER und SCHACHTER verbunden. Besondere Wirkung ging hier von HEIDER aus,
der zentrale sp Entwicklungen initiiert hat: die Konsistenztheorien (-»Balancetheorie), das Paradigma der naiven Verhaltenstheorie (-> Theorien, subjektive) sowie die erste Version einer -»• Attributionstheorie. (3) Forschungsphasen und Themenschwerpunkte: Man kann die Entwicklung der SP auch themen- und theorienspezifisch nachvollziehen. In der ersten Phase (etwa in den 50er Jahren) sind zwei Aufgabenschwerpunkte auszumachen: die Einstellungsforschung sowie die Kleingruppenforschung. Die erstere erlebte zunächst im methodischen Bereich eine frühe Blüte („Einstellungen sind messbar!") und fand durch die Dominanz der verschiedenen Konsistenztheorien substanzielle Fundie-
Sozialpsychologie, Geschichte der
rungen. Auch die Kleingruppenforschung erfuhr durch die zahlreichen Experimentalstudien (z.B. aus dem Konformitätsbereich) starke Ausdifferenzierung, hier auch mit etlichen Anwendungsbezügen (z.B. im Bereich der -* Gruppendynamik oder der Führung). In den 70er Jahren tritt die Attributionsforschung mit gewissen imperialistischen Ansprüchen auf und reklamiert alternative oder bessere Erklärungen für Forschungsergebnisse, die traditionell mit Hilfe der -* Dissonanztheorie gedeutet wurden. Diese Euphorie hat sich dann wieder gelegt, nachdem sich gezeigt hat, dass attributive Erklärungsmuster oft lediglich für zusätzliche Aspekte (Epiphänomene) Zuständigkeit beanspruchen können. Die Kerntheorien der Attributionsforschung (z.B. KELLEY)
Sozialpsychologie, Geschichte der
rie, der Gedächtnispsychologie, des information processing etc. i.S. einer allgemeinen Perspektive fruchtbar zu machen. Dabei spielen auch Prozesse eingeschränkter Rationalität, limitierter Entscheidungen und heuristischer Informationsverarbeitung eine Rolle. Positiv ist an dieser Entwicklung zu werten, dass durch dieses Bezugsfeld eine gewisse zentripetale Tendenz in vormals oft zusammenhanglose Befunde und Konzepte eingebracht wird. Als negativ wird empfunden, dass durch die Beschränkung auf die subjektive Repräsentation sozialer Strukturen und Prozesse die eigentlich soziale Perspektive zu kurz gerät, so dass die SP unter dem Diktat des Informationsverarbeitungsansatzes immer mehr ihre eigene Identität verliert.
verloren dadurch an Bedeutung und Reichweite, zumal diese Ansätze zu sehr von einem rationalistischen Menschenbild ausgehen und die Häufigkeit elaborierter Entscheidungsprozesse zu überschätzen schienen. Allerdings blieb die Tatsache bestehen, dass die Aspekte der Attribution in nahezu allen Epithemenbereichen (beginnend bei Motivation und Lernen bis hin zu Fragen der Interaktion und Kommunikation) bedeutsam wurden.
(4) Europäische SP: Nachdem die meisten SPn auch in Europa durch die Rezeption der US-amerikanischen SP geprägt sind - durch die mittlerweile extensiven Forschungsbefunde unvermeidlich- wird diese Haltung bedingungsloser Assimilation durch einige Forscher durchbrochen, die wieder in stärkerem Maße die harten Fakten sozialer Kontextbedingungen beachten und hierbei neue Thematiken erschließen. Beispiele spezifisch europäischer Entwicklung sind etwa die Theorien des
Spätestens seit den 80er Jahren dominiert in der SP eine weitere individuozentrierte Perspektive, nämlich die verschiedenen Ansätze zur -* Informationsverarbeitung, die auf soziale Sachverhalte bezogen wird (-* Kognition, soziale). Diese dient als übergreifender Bezugsrahmen und versucht, Ansätze der Lerntheo-
VICI sowie die Theorie der sozialen Identität im Kontext von Intergruppenbeziehungen. Beide Konzepte sind auch durch die Ausdehnung der Perspektive makropsychologische Theorien mit entsprechendem Anwendungsbereich. Jede Gesellschaft - so sagt es MOSCOVICI - hat
-* Minoritätseinflusses
von MOSCO-
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Sozialpsychologie, Interkulturelle
Sozialpsychologie, interkulturelle
ihre eigene Struktur, die nicht in Begriffen von Merkmalen einzelner Individuen definiert werden kann. Die europäische SP interessiert sich auch in verstärktem Maße für den historischen und interkulturellen Aspekt (-> Sozialpsychologie, interkulturelle), so dass die Frage der interkulturellen Validität sp Forschungsergebnisse erneut auf dem Prüfstand steht. L i t . : ANGER, H . ( 1 9 7 9 ) . D i e h i s t o r i s c h e E n t -
wicklung der Sozialpsychologie. In: HeiglEvers, A. (Hg.). Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Bd. VIII: Lewin und die Folgen.
Zürich,
29-50.
GRAUMANN,
C.F.
(42002). Eine historische Einführung in die Sozialpsychologie. In: Stroebe, W. et al. (Hg.) Sozialpsychologie. Berlin u.a., 3-24. LÜCK, H.E. ( 2 1996). Geschichte der Psycho-
logie. Strömungen, Schulen, Entwicklungen. Stuttgart u.a. PEPITONE, A. (1981). Lessons
from the history of social psychology. American Psychologist. 36,972-985.
Sozialpsychologie, interkulturelle Bedingt durch eine Renaissance der Berücksichtigung des sozialen Kontextes in der sozialpsychologischen Theorienbildung, gewinnt die kulturvergleichende Forschung zunehmend an Relevanz. Es gibt kaum mehr ein aktuelles sozialpsychologisches Lehrbuch, das auf eine interkulturelle Perspektive verzichtet. Dabei lassen sich drei Ziele interkultureller sozialpsychologischer Forschung unterscheiden. Zum einen beschäftigt sie sich mit interkulturellen Differenzen (Kulturpsychologie): Inwiefern ist das Denken, Fühlen, Sein und Handeln von kulturellen Einflüssen bestimmt? Das Ziel, vor allem ethnologisch-anthropologisch beeinflusster Forschimg ist es, die Bandbreite 524
des menschlichen Verhaltens zu erforschen. Zu welchen Variationen ist menschliches Verhalten in der Lage, welche Spielarten gibt es? Häufig wird dieser Forschungsrichtung vorgeworfen, dass das Sammeln neuer, exotischer und aufregender Daten im Vordergrund stehe und die Entwicklung theoretischer, integrativer Ansätze vernachlässigt werde. Eine zweite Forschungsrichtung (Kulturvergleichende Psychologie) verfolgt die entgegengesetzte Fragestellung: welche Konsistenzen gibt es im menschlichen Verhalten? Lassen sich Universalien von kulturell spezifischen Phänomenen unterscheiden? Eine Reihe jüngerer Untersuchungen hat sich auf psychologische Schlüsselkonzepte konzentriert, wie etwa die kulturübergreifende Konstanz von Emotionen (sowohl Empfinden als auch Ausdruck von Emotionen), Persönlichkeitsdimensionen (hier v.a. eine Analyse der Big Five, -* Persönlichkeitsmerkmale), Aggression und —• prosozialem Verhalten. Diese Aspekte werden häufig vor dem Hintergrund kulturvergleichender Typologien (z.B. H O F S T E D E : -»•Individualismus vs. -* Kollektivismus etc.) beschrieben und differenziert. Neben der Erforschung von Variabilität und Universalität des Verhaltens gibt es ein drittes Ziel, das eher forschungslogischer Natur ist. Die interkulturelle Perspektive ermöglicht es, Gültigkeitsgrenzen bisheriger sp Forschung aufzuspüren. Kulturvergleichende Forschung bildet eine Art Resonanzboden für methodische Probleme - in kaum einem anderen Bereich wird so deutlich, wie voraussetzungsvoll hypothetische Konstrukte, Stich-
Sozialpsychologie, interkulturelle
Sozialpsychologie, interkulturelle
probenziehung, Erhebungs- und Interpretationsverfahren sind. Der in diesem Zusammenhang häufig erhobene Vorwurf, dass die Probanden sp Forschung sich in erster Linie aus jungen, weißen Mittelschicht-Amerikanern rekrutiere, ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als interkulturelle Replikationsversuche sp Standardexperimente sehr häufig scheitern. So mussten Modifikationen bei konkreten Theorien, wie etwa im Bereich der Dissonanz- und Attributionsforschung, oder auch in ganzen Forschungsbereichen, wie dem der Selbstkonzept-Theorien, Personenwahrnehmung, Kommunikation und Kleingruppenforschung vorgenommen werden.
den Psychologie bedienen sich in erster Linie des quantitativen Methodenarsenals. Bei der Suche nach Universalien der menschlichen Psyche gilt ein besonderes Augenmerk der kulturellen Vergleichbarkeit von Konstrukten, Messinstrumenten und Stichproben - mit anderen Worten der Sicherstellimg der kulturellen Äquivalenz. Bspw. wird bezüglich der Stichprobenziehung darauf hingewiesen, dass sich scheinbar vergleichbare soziale Gruppen in verschiedenen Ländern unterschiedlich zusammensetzen; etwa können hohe Studiengebühren zur Folge haben, dass in erster Linie Kinder aus sozial privilegierten Familien studieren.
So interessant Replikationsversuche sind, so bedeutsam ist dennoch die Entwicklung eines häufig angemahnten systematischen Ansatzes kulturvergleichender Forschung. Zwar kann nicht von der universalen Gültigkeit sp Befunde ausgegangen werden, jedoch sollte betont werden, dass ein radikaler kultureller Relativismus ebenso wenig zielfuhrend ist. Es muss zwischen den fundamentalen Aussagen einer Theorie und ihren Spezifikationen unterschieden werden. Dies wird am Beispiel der Lerntheorie deutlich. Die Aussage, dass Verhalten eine Funktion seiner Konsequenzen ist, ist universal gültig; kulturell spezifisch ist jedoch die Aussage, welches Verhalten und welche Konsequenzen relevant sind.
Die Kulturpsychologie sieht in der Herangehensweise der kulturvergleichenden Psychologie einen prinzipiell unangemessenen Ansatz: die kulturvergleichende Psychologie läuft in den Augen der Kulturpsychologen Gefahr, soziales Verhalten aus seinem eigentlichen Bedeutungskontext zu reißen und Artefakte zu produzieren. Entsprechend wird bei kulturpsychologischer Forschung großer Wert auf Verfahren gelegt, die die Ganzheit des Verhaltens erfassen. Teilnehmende Beobachtung, narrative Interviews und die explizite Berücksichtigung der kulturellen Insider eines Systems sind verbreitete Methoden.
Mit den beiden erwähnten Forschungsrichtungen Kulturvergleichende Psychologie und Kulturpsychologie sind grundsätzlich verschiedene methodologische Positionen verbunden. Protagonisten der kulturvergleichen-
In der Psychologie hat sich in Anlehnung an zwei Teilbereichen der Sprachwissenschaft (Phonetik und Phonemik) für diese Methodendivergenz das Begriffspaar „etic" und „emic" etabliert. Die Phonetik (Analogie zur Kulturvergleichenden Forschung) hat zum Ziel, Sprachsignale einer jeden Sprache zu analysieren 525
Sozialpsychologie, interkulturelle
Sozialpsychologie (Lehrbücher)
und ihre Produktion und Perzeption zu erklären. Als Phoneme (Analogie zur Kulturpsychologie) werden die kleinsten bedeutungsunterscheidenden lautlichen Segmente bezeichnet, die ihre semantische Bedeutung erst durch den sprachlichen Kontext erhalten (-> Sprache). Der Unterschied einer emischen und einer etischen Perspektive auf soziales Verhalten kann an der Beschreibung eines Autos verdeutlicht werden. In einer emischen Beschreibung würde das Auto als Ganzes beschrieben, alle Einzelteile würden in ihrem Bezug zu anderen Einzelteilen dargestellt; in einer etischen Perspektive würden die Einzelteile jedes für sich beschrieben - so wie wenn sie nach Kategorien sortiert in einer Lagerhalle vorgefunden würden. In der sozialen Interaktion gibt es für ein und dieselbe emische Bedeutung eine Reihe von etisch völlig verschiedenen Ausprägungen - ein „Nein" kann durch das Aussprechen des Wortes oder ein Kopfschütteln ausgedrückt werden. Umgekehrt können etisch gleiche Ausprägungen emisch unterschiedliche Bedeutung haben - eine ernsthafte und eine ironische Äußerung sind etisch häufig identisch - der emische Gehalt kann nur aus dem Kontext erschlossen werden. Es ist deutlich, dass für eine sinnvolle Weiterentwicklung der S., eine Kombination dieser beiden Ansätze unabdingbar ist. Forderungen nach einer methodischen Synthese werden seit langem von verschiedener Seite erhoben.
ral Psychology, Vol. 1, Boston. SMITH, P.B.,
L i t . : FISKE, A . P . e t al. ( 1 9 9 8 ) T h e c u l t u r a l
letzteres als Gemeinschaftsarbeit eines Psychologen und eines Soziologen.
matrix of social psychology. In: D.T. Gilbert et al. (eds.) Handbook of Social Psychology. V o l . 2, B o s t o n , 9 1 5 - 9 8 1 . POORTINGA, Y . H .
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BOND,
M.H.
(21997).
Social
Psychology
Across Cultures. New York u.a. TRIANDIS, H.C. (1988) Cross-Cultural Contributions to Theory in Social Psychology. In: Bond, M.H. (ed.) The Cross-Cultural Challenge to Social Psychology. Newbury Park.
Sozialpsychologie (Journals/Zeitschriften) (1) Deutschsprachige Journals: (a) Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (b) Zeitschrift für Sozialpsychologie (2) Englischsprachige Journals (u.a.): (a) Basic and Applied Social Psychology (b) British Journal of Social Psychology (c) European Journal of Social Psychology (d) Journal of Abnormal and Social Psychology (e) Journal of Applied Social Psychology (f) Journal of Experimental Social Psychology (g) Journal of Personality and Social Psychology (h) Social Cognition and Social Psychology Quarterly
Sozialpsychologie (Lehrbücher) (l)Aus dem angelsächsischen Bereich: Klassische Lehrbücher der SP sind KRECH, CRUTCHFIELD und BALACHEY (1962), ferner die anspruchsvolle Darstellung von JONES & GERARD (1976) sowie SECORD & BACKMAN (1964; dt. zuletzt 1997),
Sozialpsychologie (Lehrbücher)
Neuere Darstellungen sind GERGEN & GERGEN ( 1 9 8 6 ) , ARONSON ( 1 9 9 6 ; dt. 1999), letztere eher eine Einfuh-
rung mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Kommunikation. Ferner: HOGG & VAUGHAN (1998), ein britisches Lehrbuch mit ansatzweise europäischer Perspektive; sowie MYERS ( 1 9 9 9 ) mit einem fundierten Überblick, ohne allzu sehr in eine kognitionspsychologische Darstellung abzugleiten. Häufig verwendete Handbücher sind LINDZEY & ARONSON ( 1 9 8 5 ) sowie HIGGINS & KRUGLANSKI ( 1 9 9 6 ) .
(2) Deutschsprachige Lehrbücher: Klassische Monographien stammen von HOFSTÄTTER (1963), dessen anregende Darstellung schon damals nicht dem Mainstream entsprach, sowie IRLE (1975), der den bisher wohl anspruchvollsten Text vorgelegt hat. Neuere Darstellungen sind HERKNER (1991), ein sehr ausfuhrlicher und äußerst klar formulierter Text. Dann WITTE (1994), der - in Abweichung vom Mainstream- auf drei Ebenen (Makro-, Meso- und Mikro-Ebene) argumentiert und dabei auch zahlreiche Berührungspunkte mit der Soziologie anstrebt. Weit verbreitet ist d a s L e h r b u c h v o n STROEBE, JONAS
& STEPHENSON (2002), das eigentlich ein europäisches Projekt (genauer: ein deutsch-britisch-niederländisches Unternehmen) darstellt, wobei die einzelnen Kapitel jeweils von kompetenten Fachleuten geschrieben wurden. Anregend auch das Lehrbuch von BIERHOFF (2000), mit Schwerpunkten auf „sozialen Beziehungen" sowie „prosozialem Verhalten". Schließlich der unter systemati-
Soziobiologie
schen Gesichtspunkten verfasste Text von FISCHER & WISWEDE (2002) mit Bezügen zu ökonomischen Themenbereichen. Lit.: ARONSON, E. (1994). Sozialpsychologie: Menschliches Verhalten und gesellschaftlicher Einfluss. Heidelberg u.a. BIERHOFF, H.W. ( s 2000). Sozialpsychologie: Ein Lehrbuch. Stuttgart. FISCHER, L. & WISWEDE, G. ( 2 2002). Grundlagen der Sozialpsychologie. München, Wien. GERGEN, K.J. & GERGEN, M.M. ( 2 1986). Social psychology. New York u.a. HERKNER, W. ( 5 1991). Lehrbuch Sozialpsychologie. Bern. HIGGINS, E.T. & KRUGLANSKI, A.W. (1996). Social Psychology. Handbook of Basic Principles. New York, London. HOFSTÄTTER, P.R. ( 3 1963). Einführung in die Sozialpsycholog i e . S t u t t g a r t . HOGG, M . A . &
VAUGHAN,
G.M. ( 2 1998). Social psychology. London u.a. IRLE, M. (1975). Lehrbuch der Sozialpsychologie. Göttingen. JONES, E.E. & GERARD, H.B. (1967). Foundations of social psychology. New York. KRECH, D. et al. (1962). Individual in society. A textbook of social psychology. New York. LLNDZEY, G. & ARONSON, E. (eds.) ( 3 1985). The Handbook of Social Psychology, Vol. 1/11. New York. MYERS, D.G. ( 6 1999). Social psychology. Boston/MA. u.a. SECORD, P.F. & BACKMAN, C.W. ( 4 1983). Sozialpsychologie. Frankfurt ( 5 1997). STROEBE, W. et al. (Hg.) ( 4 2001). Sozialpsychologie. Eine Einfuhrung. Berlin u.a. WITTE, E.H. ( 2 1994). Lehrbuch Sozialpsychologie. München.
Soziobiologie Forschungszweig, der von E.O. WILSON begründet und weitergeführt wurde. Er widerspricht der in der Sozialwissenschaft verbreiteten Auffassung, dass die Untersuchung spezifischer kulturabhängiger Rollen- und Verhaltensmuster vollkommen ausreiche und dass genetische Vorgaben keinen Einfluss auf das Sozialverhalten haben. Befunde der Ethologie, der Evolutionspsychologie sowie der S. legen jedoch nahe, dass die evolutionäre 527
Soziobiologie
Herkunft des menschlichen Verhaltens in vielen Sozialbezügen durchschimmert. Die S. hat sich zunächst auf die Imprägnierung des menschlichen Verhaltens durch evolutionäre Aspekte - d.h. durch die natürliche Auslese- konzentriert und anfangs eine starke genetische Kontrolle des Verhaltens unterstellt. Mittlerweile ist WILSON von einem solch strengen Determinismus längst abgerückt. Es gilt als gesichert, dass spezifische menschliche Verhaltensmuster sich nicht jenseits organisch-biologischer Vorgänge entwikkelt haben, sondern vielfach biologische Anpassungsfunktionen reflektieren. Die S. hat im Übrigen das einzige noch nicht i.S. der (darwinistischen) Evolutionstheorie interpretierte Verhalten, nämlich den Altruismus, einer Erklärung zugeführt. Ein solches Handeln wird (nach HAMILTON) dadurch begründet, dass mit ihm die Wahrscheinlichkeit für das Überleben nahestehender und damit ähnlicher Individuen gesichert wird. TRIVERS weist darauf hin, dass neben dem Aspekt der Erhaltung und Vermehrung der Gene auch unter Nicht-Verwandten Altruismus auftreten wird, wenn die Kosten des Helfens relativ niedrig und der Nutzen vergleichsweise hoch ist (reziproker Altruismus: Ich kratze dir deinen Rücken und du kratzt mir meinen). Auch bei der Evolution der —• Kooperation scheinen evolutionsstabile Strategien von Bedeutung zu sein. I.R. der spieltheoretischen Ansätze (z.B. des iterierten GefangenenDilemmas) sind die verfolgten Strategien lediglich mit Gewinnen und Verlusten verbunden. Im Falle der biolo528
Soziologie
gischen Evolution wird daraus blutiger Ernst: Das Spiel ist hier ein Kampf verschiedener Individuen um das blanke Überleben, denn in der nächsten Generation sind die erfolgreichen Strategien stärker vertreten; die weniger erfolgreichen sterben aus.
Soziogramm Graphische Darstellung der Ergebnisse einer soziometrischen Untersuchung (-* Soziometrie). Dabei werden die Gruppenmitglieder als Kreise dargestellt, die auf sie gerichteten oder von ihnen ausgehenden (positiven oder negativen) Wahlen als Linien oder als Pfeile.
Soziologie SP und S. waren insbesondere in den Anfangsphasen der SP eng miteinander verknüpft, zumal diese - zumindest in einem ihrer beiden Entwicklungsstränge (-* Sozialpsychologie, Geschichte der), nämlich der Kleingruppenforschung - als Tochterdisziplin der S. angesehen werden kann. Während in den Vereinigten Staaten die Allianz zwischen S. und SP weitgehend erhalten blieb, sind in Deutschland die Verbindungen nahezu abgerissen, obgleich es thematisch eine Vielzahl von Überschneidungen gibt. Vielfach wird behauptet, die SP sei mit dem Studium des (sozialen) Verhaltens befasst, während die S. sog. soziale -*Systeme untersuche. Dies ist insofern unzutreffend, als auch die S. sich mit sozialem Handeln (Verhalten) beschäftigt, wenn auch mit einer etwas verlagerten Perspektive, indem sie den sozialen Kontextbedingungen besondere Aufmerksamkeit schenkt. Ver-
Soziometrie
Soziologie
sucht man eine Gegenstandsbestimmung der S., so wäre diese etwa so zu umreißen: S. ist die Lehre vom sozialen Handeln (Mikro-Soziologie) und von sozialen Strukturen (Makro-Soziologie) sowie den Beziehungen zwischen beiden (Mikro-Makro-Verknüpfung).
wird, beeinflussen, also z.B. die Schichtzugehörigkeit, die sozial-ökologische Situation oder die ökonomischen Voraussetzungen. Die S. greift also gewissermaßen weiter aus und bezieht das gesellschaftliche Bedingungsgefiige des Handelns stärker in die Analyse ein.
Dabei beschäftigt sich die Mikro-S. u.a. mit den folgenden Themenbereichen:
Lit.: ESSER, H . ( 1 9 9 6 f i ) . S o z i o l o g i e , B d . 1 6. F r a n k f u r t , N e w Y o r k . GIDDENS, A .
(a) (b) (c) (d) (e)
Sozialisation des Individuums; Interaktion zwischen Individuen; Gruppenstrukturen und -prozesse; Soziale Rollen; Abweichendes Verhalten.
Die Makro-S. befasst sich u.a. mit folgenden Fragenbereichen: (a) Kultur, Kulturvergleich, Wertsysteme; (b) Soziale Ordnung und Institutionen; (c) Soziale Systeme; (d) Herrschaft und Konflikt; (e) Soziale Ungleichheit; (f) Sozialer Wandel. Ein hohes Maß der Überschneidung der S. mit der SP besteht im Bereich der Mikro-S. Allerdings ist die Perspektive eine etwas andere. Will man Unterschiede systematischer Art aufdecken, so lässt sich aussagen, dass die soziologische Betrachtungsweise einen weiteren sozialen Kontext des betreffenden Bereichs einbezieht. Am Bsp.: Die Sozialisationsforschung befasst sich u.a. mit der Wirkung bestimmter Erziehungsstile auf das Verhalten sowie die Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen. Die S. interessiert sich jedoch in besonderem Maße auch für Variablen, die ihrerseits den Sozialisationsstil, der von Eltern praktiziert
( 2 1999). Soziologie. Graz, Wien. JOAS, H. (Hg.) (2001). Lehrbuch der Soziologie. Frankfurt, New York. STARK, R. ( 3 1989). Sociology.
Belmont/CA.
WISWEDE,
G.
( 3 1998). Soziologie. Ein Lehrbuch für den wirtschafte- und sozialwissenschaftlichen Bereich. Landsberg.
Soziometrie Von MORENO begründete Methode zur systematischen Erfassung und Beschreibung affektiver Gruppenstrukturen. Sie soll das Ausmaß der —• Sympathie oder Ablehnung zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern ermitteln. Zu diesem Zweck werden den Beteiligten eine Reihe von Fragen vorgelegt (z.B. direkte Fragen wie: Wer ist Ihnen besonders sympathisch? Wen mögen Sie überhaupt nicht? Oder indirekte Fragen wie: Mit wem würden Sie gern den Arbeitsplatz teilen? Mit wem würden Sie gerne in Urlaub fahren?). Auch kann eine begrenzte Zahl von Nennungen erfolgen (z.B. Beschränkung auf die Nennung von drei Pn bei den oben skizzierten Fragen). Nach der Ermittlung der interpersonellen Beziehungen im Gruppenkontext kann die Affektstruktur der Gruppe mit Hilfe eines Soziogramms dargestellt werden. Auf diese Weise kann auch die Kohäsion einer Gruppe ermittelt werden. Diese ist dann hoch, 529
Spannungsniveau
wenn sehr häufige gegenseitige Wahlen erfolgen und keine isolierten Pn in der Gruppe vorkommen. Die graphische Aufbereitung der soziometrischen Methode wird bei sehr großen Gruppen unanschaulich und deshalb oft durch eine Darstellung in Matrixform ersetzt. Auch ist darauf zu achten, dass soziometrische Wahlen häufig nicht nur Sympathie/Antipathie reflektieren, sondern auch Aspekte der Instrumentalität: A möchte mit X zusammen sein, um davon zu profitieren. Andererseits reflektiert die soziometrische Struktur nicht die Gruppenstruktur schlechthin, denn sie kann einige ihrer Dimensionen nicht angemessen abbilden: die Kommunikationsstruktur, die Rollenstruktur, die Machtstruktur etc. Spannungsniveau In WALTONS Theorie des produktiven sozialen Konflikts die Unterscheidung dreier Niveaustufen (gering, mittel, hoch), wobei die Fähigkeit, Information zu nutzen sowie den Konflikt produktiv zu lösen, bei einem mittleren Niveau am höchsten ist. Bei geringem S. ist der Anreiz zu konfliktlösenden Aktivitäten nur gering, im hohen Spannungsbereich oft dysfunktional (z.B. Aggressivität, Überreaktion). Spannungslinien S. (cleavages) sind Interessengegensätze (-> Konflikt, sozialer), die insbesondere durch Machtasymmetrien gekennzeichnet sind. In Gesellschaften oder Gruppen gibt es auf unterschiedlichen Ebenen S., welche die Beteiligten in verschiedene Teile spalten (z.B. Konfliktlinien zwischen Religionen, Rassen, Geschlechtern, Ethnien, Zu530
Spiele, experimentelle
gang zu Arbeitsplätzen). Solche S. werden insbesondere dann kritisch, wenn einer dieser Gegensätze dominiert oder sich die Trennungslinien überlagern. Deshalb ist es in Sozialsystemen konfliktmindernd, wenn Interessengegensätze auf möglichst verschiedenen Ebenen jeweils andere Populationen betreffen (z.B. im Bereich Wirtschaft, Politik, Religion, Sprache, Geschlecht, Alter). Sparen -> Geld -*• Finanzpsychologie Speichertheorien -»Gedächtnis -* Duale Speicher-Theorie Spiegel-Selbst Als „looking glass seif bezeichnet COOLEY die Auffassung, dass das Selbst eines Individuums durch das Bild zustande kommt, das seine Interaktionspartner von ihm haben. Erst aus den Reaktionen Anderer erschließt P gewissermaßen wie durch einen Spiegel ihr Selbstbild (-»• Selbstkonzept Selbstwahrnehmung -* Selbstüberwachung). Spiele, experimentelle Auch: strategische Spiele. Eine Labormethode, um (logisches und tatsächliches) Entscheidungsverhalten (-»Entscheidungstheorie) in solchen Situationen zu untersuchen, bei denen die handelnden Parteien interdependent sind. Die S. implizieren eine Reihe von Optionen, bestimmte Regeln des Vorgehens und eine Belohnungs- bzw. Bestrafungsstruktur. (1)S. und Spieltheorie: Die Entwicklung von S. ist in starkem Maße von der mathematischen Theorie der Spiele (VON NEUMANN & MORGEN-
Spiele, experimentelle
Spiele, experimentelle STERN, LUCE & RAIFFA) geprägt. Die
Spieltheorie ist eine Form der Entscheidungstheorie, die sich v.a. auf Situationen bezieht, in denen mehrere Pn in Interaktion stehen. Prototypisch stellt sie eine formale Analyse von Interessenkonflikten (-»Konflikt, sozialer) zwischen Parteien dar, die nach bestimmten Regeln (insbesondere nach dem -> Rationalprinzip) interagieren. Sie bezieht sich sowohl auf Glücksspiele als auch auf wirtschaftliche und politische Konflikte. Sie stellt insofern eine mathematische, d.h. formallogische Theorie dar, die jedoch zum Ziel hat, bestimmte Problemstellungen bei interaktiven Prozessen abzubilden. Sie geht davon aus, dass jeder Spieler die möglichen Auszahlungen kennt, rational handelt und voraussetzt, dass auch die Gegner rational handeln. Da sich die Ökonomie vielfach als entscheidungslogisches Kalkül versteht, war es naheliegend, dass hier etliche Allianzen entstanden. Andere Sozialwissenschaftler, etwa Politologen, Soziologen und auch Sozialpsychologen versuchen vielmehr, das tatsächliche Verhalten der Beteiligten in solchen Settings zu studieren und festzuhalten, unter welchen situativen Rahmenbedingungen die Akteure ihre Strategien ändern oder beibehalten. Zwischen der Spieltheorie und den S. besteht daher ein ähnlicher Unterschied wie zwischen präskriptiver und deskriptiver Entscheidungstheorie. (2) Typen: Es sind eine Reihe von Unterscheidungen möglich, z.B. in (a) Wiederholte/einmalige S., wobei sich mit fortgesetzter Dauer Er-
(b)
(c) (d)
(e)
fahrungen akkumulieren und Erwartungen stabilisieren können; S. mit und ohne Kommunikationsmöglichkeiten, wobei diese auch sukzessive eingeführt werden können; Auswahl der Teilnehmer: ZweiPersonen/N-Personen-S.; Symmetrische/asymmetrische S., je nachdem, ob die Ressourcen (Machtmittel) gleich verteilt sind oder nicht; Kompetitive/kooperative S.; auch Mischungen zwischen beiden (mixed motive situations). Die wichtigste Form des Wettbewerbs ist das -»NullsummenSpiel: Was der eine gewinnt, verliert der andere;
(f) PRUITT unterscheidet
zwischen
Matrix-S., sozialen —> Dilemmata, Verhandlungs-S. (-»Verhandlungen) und Koalitions-S. In den beiden letzteren versuchen die Beteiligten, zu einem für beide Seiten günstigen Ergebnis zu gelangen. (3)Exemplarische S.: Ein in sämtlichen Sozialwissenschaften besonders strapaziertes S. ist das -* Gefangenen-Dilemma, ein Zwei-ParteienMatrix-S., das in zahlreichen Varianten (z.B. wiederholtes GD) benutzt worden ist (z.B. auch in anderweitigen Dilemma-Situationen). Ein besonderes Thema sind lebensgefährliche Risikospiele, die sog. Chicken games (Autos rasen aufeinander zu; deijenige hat gewonnen, der als letzter ausweicht). Ein anderes S. ist das Trucking game (-» Exp. 29) von DEUTSCH & KRAUSS, das den Einsatz
von Sanktionen (Drohungen) vorsieht und deshalb zu den asymmetri531
Spiele, experimentelle
sehen S. gehört. Von ähnlicher Struktur sind -*Pazifismus-S., bei denen sich P einer gegnerischen Partei ausliefert. Neben zahlreichen Koalitions-S. und Verhandlungs-S. spielen v.a. die verschiedenen Varianten kooperativer S. eine wichtige Rolle. Ein besonderer Aspekt war das Problem, unter welchen Bedingungen die Akteure zu kooperativen Prozessen (-»Kooperation) und damit zu —> prosozialem Verhalten veranlasst werden können. Hierbei wurden insbesondere die verschiedenen Varianten einer -> tit-for-tat-Strategie studiert. Auch wurde die Equity-Theorie in zahlreichen S. (z.B. -* Ultimatum-Spiel) überprüft und zentrale Annahmen der theoretischen Ökonomie modifiziert. (4) Befunde: Die wohl wichtigste Erkenntnis im Hinblick auf S. besteht darin, dass das tatsächliche Spielerverhalten von rationalen Maßstäben abweicht. Das Ausmaß solcher Divergenzen in Abhängigkeit von verschiedenen Bedingungen des experimentellen Settings ist gerade das Besondere, das die SP interessiert. Ein Thema, das quer durch alle Anwendungsbereiche strategischer S. (Konfliktforschung, Verhandlungsforschung, soziale Beziehungen bzw. sozialer Austausch, soziale Macht, Gerechtigkeit und Fairness) verläuft, ist das Gelingen oder Misslingen von —> Kooperation: Verzicht auf den größtmöglichen individuellen Gewinn zu Gunsten eines guten Ergebnisses für beide Interaktionspartner. Generell scheint die Neigung des Menschen zu kooperativem Verhal532
Spiele, experimentelle
ten ausgesprochen niedrig zu sein. Insbesondere gilt dies dann, wenn es sich um asymmetrische Situationen handelt: Die Verfügung über Machtmittel veranlasst Pn, diese auch einzusetzen. Als Bedingungen für das Auftreten von Kooperation wurden u.a. untersucht: positive Einstellungen zur Kooperation, Vertrauen in den Interaktionspartner, der bisherige Verlauf von Interaktionsprozessen mit diesem oder einem ähnlichen Interaktionspartner, das erwartete Partnerverhalten (z.B. aufgrund bereits gemachter Erfahrungen), das Risiko schlimmer Konsequenzen (die Höhe der Gewinne oder Verluste), die Möglichkeit von Kommunikation zwischen den Interaktionspartnern. Das Verhalten in S. hat eine gewisse Kompatibilität mit lerntheoretischen Vorstellungen (-»Lernen). In der Tat ist die Grundmaxime vieler Spielsituationen mit der Aufforderung verbunden: „Bei Gewinn Verhalten beibehalten, bei Verlust Verhalten wechseln". Eine solche -* GewinnVerlust-Hypothese ist eine Analogie zur zentralen lerntheoretischen Annahme, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens mit jeder Verstärkung steigt, bei ausbleibender Verstärkung bzw. bei Bestrafung dagegen sinkt (—• Effektgesetz). Allerdings kommen lerntheoretischen Erklärungen in gewisse Schwierigkeiten, wenn es darum geht, das kooperative Verhalten von P2 vorauszusagen, wenn Pi die kooperative Alternative gewählt hat. Dies gilt freilich nur kurzfristig. Eine auf längerfristigem Nutzen angelegte Lerntheorie (z.B. eine auf zukünftige und durchschnittlich gute Erträge
Spiele, experimentelle
aufbauende Wert-ErwartungsTheejrie) dürfte - je nach Vorliegen von Erwartungen und Einsicht sowie je nach Reichweite der Zukunftsperspektive - durchaus geeignet sein, kooperatives Verhalten auch in solchen Fällen zu erklären, bei denen ausbeutend-kompetitives Verhalten kurzfristig ertragreicher wäre. Zusätzlich wäre durch eine solche kognitive Lerntheorie plausibel, warum kooperative Verhaltensweisen in stark asymmetrischen Spielsituationen zum unwahrscheinlichen Fall werden: weil hier nämlich auch die langfristig erwartbaren Erfolgsaussichten für die Überlegenen günstig sind. Unabhängig von rationalen Strategien sowie den LernefFekten der Spielsituation werden Spieler auch durch externe oder durch internalisierte soziale -* Normen in ihren Spielzügen beeinflusst. So mögen z.B. Normen des Anstands, des Ausgleichs, der Fairness und der —• Gerechtigkeit Gegenkräfte zu rein rationalen Bemühungen darstellen. Auch ist es manchmal wichtig, ob Dritte das Spielgeschehen beobachten. Ferner könnte das Verhalten Dritter die Möglichkeit zum -* Modell-Lernen (z.B. im Bezug auf Fairness) eröffnen und Aspekte rein instrumentellen Lernens verdrängen oder überlagern. (5) Kritik: An den S. wird ähnliche Kritik geltend gemacht, wie am sp -* Experiment. Einwände bestehen insbesondere im Hinblick auf die Künstlichkeit der Laborsituation. Es wird bestritten, dass z.B. der Gewinn bzw. der Verlust von Spielmarken oder kleinen Beträgen mit realen Le-
Spiele, experimentelle
benssituationen vergleichbar ist, denen die Beteiligten mit erheblich größerem -* Involvement gegenüberstehen. Auch wird betont, dass die spieltheoretisch animierten Konzepte vielfach eher metaphorische als explanative Bedeutung haben. So ist bspw. der theoretische Status der -* Austauschtheorie sowie der —• Interdependenztheorie von KELLEY & THIBAUT weitgehend unabhängig von der üblichen Darstellung in Form von Matrizen; diese fordert lediglich die Anschaulichkeit. Schließlich wird kritisiert (PRUITT & KIMMEL), dass in den S. sämtliche Emotionen ausgeblendet bleiben. Dabei ist evident, dass bei konfliktären Auseinandersetzungen {-+Konflikt, sozialer) Gefühle wie Ärger, Wut oder Enttäuschung eine entscheidende Rolle spielen. Auch können zusätzliche Motive, wie die Erhaltung des Selbstwertes und/oder die Angst vor Gesichtsverlust Bedeutung gewinnen, so dass vernünftige oder rationale Lösungen durchkreuzt werden. Lit.: DEUTSCH, M. (1976). Konfliktregelung: Konstruktive und destruktive Prozesse. München, Basel (Orig. 1973). FRANK, E. & FREY, D. (22002). Theoretische Modelle zu Kooperation und Verhandeln bei interpersonellen Konflikten. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. II, B e r n , 120-155. LUCE, R . D . & RAIFFA,
H. (1957). Games and decisions. New York. NEUMANN,
J.V.
&
MORGENSTERN,
O.
(1944). Theory of games and economic behavior. Princeton./N.J. (dt. 1961). PRUITT, D.G. & KIMMEL, M J . (1977). Twenty years of experimental gaming: Critique, synthesis, and suggestions for the future. Annual Review of Psychology, 28, 363-392.
533
Spontanes Verfahren PRUITT, D . G . & CARNEVALE, P J . (1993).
Negotiation in social conflict. Buckingham.
Sprache THOMAS, A. (1978). Einführung in die Sportpsychologie. Göttingen.
RUBIN, J.Z. et al. ( 2 1994). Social conflict.
Escalation, stalemate, and settlement. New York.
Spontanes Verfahren -» MODEModell
Sport Die S.-Psychologie hat sich abseits von der SP entwickelt; allerdings können in zahlreichen Themenbereichen sp Anleihen gemacht werden, z.B. im Hinblick auf: (a) Aspekte des Mannschaftssports, wobei insbesondere Befunde der Kleingruppenforschung (-• Gruppe, soziale) relevant sind (Gruppenkohäsion, Gruppenproduktivität, Gruppenführung, -> Kooperation in Gruppen); (b) Aspekte der Leistungsmotivation (insbesondere beim Spitzensport), mitsamt der leistungsthematischen Attributionen für Erfolg und Misserfolg; (c) Aspekte der Selbstwirksamkeit mitsamt den dazu führenden -»•Effizienz-Erwartungen, die Erfolgszuversicht einleiten; (d) Einschätzung von Risiken und Umgang mit risikoreichen Alternativen (z.B. Bergsteigen, Drachenfliegen); (e) Formulierung und Beachtung von Regeln sowie Reaktionen auf Regelverstöße; damit im Zusammenhang Aspekte der Fairness und der prozeduralen Gerechtigkeit. Lit.: ABELE-BREHM, A. (41997). Sport. In: Frey, D. & Greif, S. Sozialpsychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. Weinheim, 521-528. BRUHN,C. & STRAUB, B.G. (1990/ 1991). Sozialpsychologie und Sport. Teil 1/2. In: Sportpsychologie 2/4, 5-13, 5-12. 534
Sprache (1) Allgemeines: Die S. ist das Vehikel der sozialen —• Kommunikation. Unser Leben ist durchsetzt mit verbalen Konstellationen; durch die S. teilen wir uns Anderen mit, versuchen wir, Andere zu überzeugen oder zu fuhren; durch die S. nehmen wir viele Informationen auf und geben sie weiter. Durch die S. geben wir unsere Absichten kund, äußern Gefühle und Einstellungen. S. ist integraler Bestandteil sozialer -> Beziehungen, der Gemeinsamkeit kultureller Bedeutungszuschreibungen, des Ausdrucks wie der Regelung sozialer Strukturen; kurzum: durch die S. finden wir uns im Dickicht einer komplexen Welt zurecht. Sie ist insofern ein Interaktions- und Kommunikationsmedium, und ihre Bedeutung für psychische und soziale Prozesse ist so evident, dass sie oftmals als Selbstverständlichkeit nicht weiter hinterfragt wird. Die Linguistik sieht ihre Aufgabe darin, eine Theorie der sprachlichen Kompetenz zu entwickeln - Formulierung von Regeln, nach denen korrekte Sätze gebildet werden können - während sich mit dem tatsächlichen S.-Verhalten (Performance) die S.-psychologie befasst, die nach CHOMSKY eine Art defizitäre Kompetenz ausdrückt, ähnlich wie die Psycho-Logik von der Logik abweicht. CHOMSKY behauptet darüber hinaus, dass die grammatikalische Komplexität natürlicher S. so erheblich sei, dass lediglich eine Spezies, die bereits mit spezifischem Wissen
Sprache
ausgestattet ist, diese innerhalb weniger Jahre erlernen könne. Es müsse daher ein angeborenes Wissen sein, das den rapiden Fortschritt beim Erwerb hochkomplexer Syntax-Strukturen ermöglicht. Denn die dürftigen und fragmentarischen Vorbilder, wie sie die Alltags-S. - etwa über den Elterneinfluss - vermittle, reiche dazu nicht aus. Dieses Modell der intergenerativen Grammatik geht demnach davon aus, dass solche Strukturen nicht durch Lernprozesse erworben werden, sondern wie eine angeborene Blaupause wirken. So brauche z.B. ein Kind keineswegs die „Erzeugungsregeln" der S.-Kompetenz zu lernen, sondern lediglich die Besonderheiten seiner Mutter-S. Obgleich der Ansatz von CHOMSKY nach wie vor umstritten ist, sind die meisten Sprachforscher heute gemäßigte Anhänger der Veranlagungshypothese. Leider hat jedoch die Aufmerksamkeit auf vorgegebene Strukturen von der Tatsache abgelenkt, dass auch Aspekte der kognitiven Entwicklung sowie soziale Einflüsse auf den Spracherwerb nicht vernachlässigt werden dürfen. Die von CHOMSKY als sekundär angesehenen Lernprozesse könnten im übrigen auch zu einer gewissen Universalität semantischer Merkmale fuhren, da alle Menschen in dieser Welt mit ähnlichen Situationen konfrontiert werden und zwangsläufig zwischen belebt und unbelebt, gefährlich und ungefährlich, männlich und weiblich zu unterscheiden lernen. (2)S. und Kognition: Eine (nahezu philosophisch geführte) Debatte betrifft den Zusammenhang zwischen S. und Denkstrukturen. Gemäß der
Sprache
SAPIR-WHORF-Hypothese wird das menschliche Denken durch die S. determiniert; Unterschiede im Denkstil reflektieren dann Verschiedenheiten der S. Eine stark sprachdeterministische Auffassung wird heute weitgehend abgelehnt. Nach einer eingeschränkten These könne das Denken nur dann Gestalt gewinnen, wenn es sich den Ausdrucksmöglichkeiten der S.-Systeme und ihrer semantischen Strukturen fügt. Es gibt offenbar Bereiche, in denen eine geringe linguistische Relativität besteht (z.B. bei Farbbegriffen) und anderen, in denen der Sprachdeterminismus weitgehend gültig ist. Wenn man bedenkt, dass manche Gefühle (-»Emotionen —• Emotionstheorien) kogniziert werden müssen, um zu eindeutigen Interpretationen auch bei Aktivierungszuständen zu gelangen, dann dürfte dieser Akt des Kognizierens gleichfalls über die Sprache vollzogen werden. Begriffe stellen damit die Gedankenhülsen für Gefühlszustände dar, die nur durch die S. von ihrer Diffusität befreit werden können (Bsp.: Empfinde ich Angst oder Furcht? Liebe oder nur Sympathie?). (3) Semantik: Diese befasst sich mit der Bedeutung von Worten und Sätzen. Folgende Ansätze versuchen, solche Bedeutungszuschreibungen zu erklären: (a) Lerntheoretische Ansätze: Bedeutungen könnten i.S. des -* Diskriminationslernens entstehen. Das Kind spricht in Gegenwart des Reizobjektes das Wort aus und wird dafür verstärkt. Allerdings lassen sich in 535
Sprache
(b)
(c)
(d)
(e)
536
vielen Fällen kaum Reizbedingungen für bestimmte abstrakte Worte oder ideologische Begriffe angeben; Assoziative Ansätze: Hier wird behauptet, die Bedeutung eines Wortes sei nichts anderes als die Gesamtheit der mit dem Wort verbundenen Assoziationen. Allerdings dürfte die Menge der möglichen Assoziationen nicht alle Aspekte der „Bedeutung" erschöpfen; Imagery-Ansatz: Hier werden Maße für die Vorstellbarkeit (-> Vorstellungsbild) entwickelt. Aus den Experimenten von PAIVIO et al. weiß man, dass die Variable Vorstellbarkeit die Gedächtnisleistung (encodieren und decodieren) positiv beeinflusst. Allerdings zeigen gerade diese Experimente auch, dass insbesondere abstrakte Begriffe (Freiheit, Menschlichkeit, Frustrationstoleranz u.a.) keine Vorstellungsbilder hervorrufen; Komponenten-Ansatz: Danach ist die Bedeutung eines Wortes die Menge seiner semantischen Komponenten. Dies entspricht einer Art hierarchischer Einordnung in eine Begriffsliste (z.B. ein Junge = physisches Objekt + Lebewesen + Mensch + jung + männlich); Prototypen-Ansatz: Natürliche Kategorien sind oftmals unscharfe Begriffe. Lediglich -> Prototypen erfüllen alle notwendigen Merkmale zu eindeutiger Einordnung. Wichtig ist hierbei auch ein sozialer Konsens im Hinblick auf die Zuordnung;
Sprache
(f) Konnotative Bedeutungskomponenten: OSGOODS Theorie be-
sagt, dass durch die wiederholte Koppelung von Wort und Objekt ursprünglich vom Objekt ausgelöste Verhaltensweisen allmählich auf das Wort konditioniert werden. Die im Zuge dieses Prozesses entstehende konnotative Bedeutung wird üblicherweise durch das semantische Differenzial {-* Einstellungsmessung) ermittelt, das die Wortbedeutungen auf drei Faktoren (evaluation, potency und activity = EPAStruktur) zurückführt. Die Angabe von drei Werten (je eine für Bewertung, Potenz und Aktivität) genügt, um die konnotative Bedeutung eines Wortes vollständig zu beschreiben. (4) Semantische Netzwerke: Von einem Begriff gehen in aller Regel mehrere Relationen aus, die zu verschiedenen anderen Begriffen führen, die wiederum weitere Relationen aktivieren. Hierdurch entsteht ein Netzwerk von Verbindungen zwischen Kognitionen (-> Netzwerke, semantische). ANDERSON unterscheidet zwei Formen des Langzeitgedächtnisses (-»• Gedächtnis): das deklarative Gedächtnis (Wissensspeicher) sowie das Produktionsgedächtnis (Speicher für prozedurales Wissen, bspw. Fähigkeiten, die beim Problemlösen notwendig sind). Damit wird die aktive Rolle des Gedächtnisses unterstrichen. Außerdem wird hierbei die Speicherung von Ereignissen und Handlungsabläufen thematisiert (-»Episode, soziale -* Skripts).
Sprache
Kognitive Strukturnetze sind fur den Gesamtbereich der Social-cognitionForschung (insbesondere für den Bereich —• Einstellungen und soziale Wahrnehmung) von besonderer Bedeutung. Insbesondere ist die Theorie der Erregungsausbreitung (-»• priming) für die Personen-Wahrnehmung sowie für die Selbstwahrnehmung zentral. BOWER zeigt überdies, dass Emotionen und -* Stimmungen in gleicher Weise wie deklarative und prozedurale Kognitionen als „Knoten" in semantischen Netzwerken aufgefasst werden können. So hängt bspw. die Wiedergabe von gelerntem Material weitgehend von den Gefühlen während des Lernens und der Wiedergabe ab. Auch werden kognitive Prozesse in erheblichem Maße von den begleitenden Gefühlen beeinflusst. So produzieren gut gelaunte Vpn durchweg positive, verärgerte Vpn jedoch vorwiegend negative (ärgerbezogene) Assoziationen. (5) Pragmatik und Kommunikation: BÜHLER sieht S. als Kommunikationsmedium und unterscheidet - wie generell in der Kommunikationsforschung - zwischen Sender (Kommunikator) und Empfanger (Rezipient). Dabei werden drei Grundfunktionen der S. wirksam: (a) Darstellungsfunktion: Der Sender übermittelt dem Empfanger die Information über einen bestimmten Sachverhalt; (b) Ausdrucksfünktion: Sie soll dem Empfänger etwas über die Eigenschaften des Kommunikators vermitteln (Signalisierung von Ärger, Müdigkeit, Unmut, Begeisterung);
Sprache
(c) Appellfunktion: Hier appelliert der Sender an den Empfanger und will ihn zu einem bestimmten Verhalten (oder einer Verhaltensänderung/Einstellungsänderung) veranlassen. Während die Ausdrucksfünktion v.a. im Bereich der Personenwahrnehmung von Bedeutung ist, spielt die Appellfunktion vor allem auf dem sp zentralen Gebiet der —• Einstellungsänderungen durch soziale Kommunikation eine bedeutsame Rolle. Dabei muss man sich klar machen, dass ein großer Teil aller Interaktionen und Kommunikationen über die S. vermittelt wird. Trotz des elaborierten Entwicklungsstandes der Forschung zur non-verbalen —• Kommunikation ist das verbale Element nach wie vor für diesen Bereich prototypisch (Weiterentwicklungen von BÜHLERS Modell finden sich bei WATZLAWICK u n d b e i SCHULZ VON THUN).
Ähnlich wie BÜHLER unterscheidet MAHL zwischen repräsentativen und instrumenteilen Sprachmodellen. Erstere beschränken sich weitgehend auf syntaktische und semantische Aspekte, folgen also der Darstellungsfunktion. Instrumentelle Sprachmodelle erfassen darüber hinaus Situationsfaktoren sowie Motive und Absichten des Sprechenden, die vom Empfanger dann in je spezifischer Weise verstanden (oder missverstanden) und aufgegriffen werden. Die Formulierung des Beifahrers: „Die Ampel ist grün" bedeutet dann nicht nur eine informative Aussage der Darstellung, sondern zugleich die Aufforderung: „Fahr doch
537
Sprache
Sprache
endlich" sowie möglicherweise: „Ich habe es eilig". (6)S. und Distinktion: Für die Personenwahmehmung (-• Wahrnehmung, soziale) ist die S. eines von mehreren (relativ) overten Merkmalen, die zur Eindrucksbildung beitragen. So wird man bestimmte Schlüsse ziehen, wenn eine P kurz und prägnant oder weitschweifig und umständlich spricht. Die Art der Verbalisierung im Verbund mit paraverbalen Elementen (Tonfall, Sprechgeschwindigkeit, Dehnungspausen) gibt dann auch Anlass zu Rückschlüssen (z.B. Einstufung als interaktive -*Täuschung oder als Lüge). Vulgäre oder ordinäre S. wird dem Sprechenden als Charakterzug angelastet. S. ist auch ein Medium, um soziale -* Identität herzustellen oder zu wahren. So sind bspw. Minderheiten bzw. Subkulturen oftmals bestrebt, ihre ethnische Zugehörigkeit durch Beibehaltung der Herkunfts-S. zu demonstrieren. In verschiedenen Situationen wird die S. dazu benutzt, sich selbst eine - von anderen unterscheidbare - Gruppenidentität zu schaffen, aufrecht zu erhalten oder zu
stützen
(GILES &
COUPLAND).
Man kommuniziert auch als Repräsentant sozialer Gruppen, der die S. u.a. dazu benutzen kann, andere relative Fremdgruppen negativ zu stereotypisieren (SEMIN & FIEDLER). Über die konnotativen Elemente der S. lassen sich Einstellungen, Vorurteile, Etikettierungen etc. artikulieren. Objekte und Personen erfahren durch die S. ihre Wert-Imprägnierung.
538
Durch Auswahl bestimmter Adjektive oder Verben (nachgiebig statt flexibel, hektisch statt temperamentvoll, flunkern statt lügen etc.) kann man ein sprachliches „Framing" schaffen, so dass die konnotativen Komponenten einer Aussage die Bewertung und Interpretation von Ereignissen in eine bestimmte Richtung lenken. SEMIN & FIEDLER sprechen i.R. ihres -* Linguistischen Kategorienmodells von einem attributiven Bias der Sprachverwendung. So zeigt sich z.B., dass negatives Verhalten der Außengruppe und positives Verhalten der Eigengruppe durch abstraktere Prädikate ausgedrückt wurde als positives Verhalten der Fremdgruppe und negatives Verhalten der Eigengruppe (-> LinguisticIntergroup-Bias). S. kann bisweilen Identität in relativ weiten Kontexten schaffen (Bsp.: Die Verwendung der englischen Sprache hat in Indien einheitsstiftend gewirkt). Viele Völker verbinden mit der S. eine Art Nationalstolz (z.B. Franzosen); auch Dialekte haben gelegentlich eine solche identitätsstiftende Funktion. Das Gleiche gilt für Fach-S., die nicht nur der Verdeutlichung und Abgrenzung von unscharfer Alltags-S. dient, sondern z.B. auch die Identität und den Anspruch der Eigenständigkeit einer Wissenschaftsdisziplin unterstreichen soll. Andererseits sind das Lernen und die Übernahme einer S. als Indiz für gelungene Integration und -* Assimilation zu sehen. Auch steigt - wie GILES & COUPLAND demonstriert haben - die Beliebtheit von Pn, die sich bemühen, die S. des Anderen zu verstehen und zu sprechen (Bsp.: ein
Spreading-apart-effect
Redner, der vor einem franko-kanadischen Publikum französisch spricht). L i t . : GILES, H . & COUPLAND, N . ( 1 9 9 1 ) .
Language: Contexts and consequences. Oxf o r d . OLSON, D . R . ( e d . ) ( 1 9 8 0 ) . T h e s o c i a l
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Spreading-apart-effect Tritt in der Nachentscheidungsphase auf, indem die gewählte Alternative in ihrer Attraktivität erhöht, die verworfene Alternative in ihrer Attraktivität dagegen verringert wird (-* Dissonanztheorie). Jedoch kann vorher ein (meist nur kurzfristiger) -> Regret-Effekt auftreten, bei dem zunächst bedauert wird, nicht doch die andere Alternative gewählt zu haben. S-R-Theorie -* —> Lernen
Behaviorismus
Status Bewertete Position in einem sozialen Gefuge (z.B. Gruppe, Organisation, Gesellschaft). Zu unterscheiden ist der Total-S. als Integration der Einzel-S.; letztere sind z.B. der Einkommens-S., der Bildungs-S., der berufliche S., der Herkunfts-S. Die Integration zu einem Gesamt-S. wird dann schwierig, wenn -* Statusinkonsistenz besteht. In der Kleingruppenforschung ist ebenso wie i.R. der Gesaxntgesellschaft- die Frage diskutiert worden, wie S.-Unterschiede in einer Gruppe entstehen. Eine (allerdings recht allgemeine) Antwort gibt der „expectation
Statusinkonsistenz
states"-Ansatz, in dem die Mitglieder einer Gruppe versuchen, diejenigen Pn zu identifizieren und zu belohnen, die nach ihrer Auffassung am ehesten zur Zielerreichung beitragen können. Die Beurteilenden greifen dabei auf bestimmte Indikatoren zurück (z.B. Erfolg in der Vergangenheit, Selbstsicherheit, häufige aktive Kommunikation). Die Zuweisung von S. ließe sich auch in der Form eines Marktmodells interpretieren. Hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten (Funktionen) stehen in einem Kollektiv mehr oder weniger starke Nachfrage und mehr oder weniger reichhaltiges Angebot gegenüber (d.h. Pn, die bereit und in der Lage sind, die erforderlichen Aufgaben zu erfüllen). S. wäre demnach der Preis in diesem Angebots-Nachfrage-Modell.
Statusinkonsistenz Wenn Individuen in einzelnen Statusbereichen auf unterschiedlicher Höhe rangieren, bezeichnet LENSKI dies als S. (gleichbedeutend mit: Statusinkongruenz). Als mögliche Statusdimensionen kommen in Betracht: Bildung, Beruf, Prestige, Einfluss, Einkommen, Herkunft etc. Nach LENSKI ist die S. einer P umso höher, je unterschiedlichere Rangplätze sie im Hinblick auf solche Merkmale einnimmt (Rangdefinition). Nach MALEWSKI ist S. umso mehr gegeben, je stärker die Merkmalsausprägungen der jeweiligen P von den Erwartungen abweichen, die die Interaktionspartner bezüglich der Ausprägung dieser Merkmale haben (Erwartungsdefinition). Eine Grundannahme der S.-Theorie besteht darin, dass P bestrebt ist, ihre Ränge möglichst auf die Ebene des 539
Statuskristallisation
höchsten Teilranges zu bringen (Maximierungs-These). Dies setzt allerdings die Möglichkeit der Anhebung voraus; ethnische Zugehörigkeit oder Herkunft sind kaum änderbar, allenfalls zu kaschieren. Auch kann die Modifikation der Statusfaktoren zu unterschiedlichen Kosten führen, die höher ausfallen können als der Gewinn durch die Erhöhung des Defizit-Merkmals. Eine weitere Implikation des S.-Konzeptes ist, dass unterschiedliche Ausprägungen von S. zu verschiedenen Verhaltensweisen fuhren. Hier ist insbesondere das Auftreten kompensatorischen Verhaltens angesprochen (—• demonstrativer Konsum —• Selbstergänzung, symbolische). Für unterschiedliche Konstellationen wird - um ein Beispiel aus dem politikwissenschaftlichen Bereich zu nennen - differenzielles Wählerverhalten prognostiziert (z.B. Bildungsgrad > Einkommen: liberale Einstellung). Statuskristallisation
Stereotyp dessen kognitive Komponente es darstellt. Es besteht weitgehend Übereinstimmung im Hinblick auf die Charakteristika von S.: (a) Simplifizierung, d.h. S. haben eine sehr simplexe Struktur; sie sind nicht aufgrund eines elaborierten Informationsverarbeitungsprozesses entstanden; (b) Übergeneralisierung, d.h. das S. wird auf eine große Zahl von Sachverhalten und Objekten angewendet (z.B. im Hinblick auf alle oder die meisten Mitglieder einer Gruppe); (c) Akzentuierung (-»Exp. 6), d.h. die Überschätzung der Ähnlichkeit zwischen den Mitgliedern einer Kategorie (auch aufgrund der mangelnden Kenntnis von Angehörigen der jeweiligen Bezugsgruppe, sowie Unterschätzung der Ähnlichkeit innerhalb der eigenen Gruppe).
Wenn Pn hinsichtlich unterschiedlicher Statusfaktoren übereinstimmen (z.B. Berufsprestige, Einkommen, Bildung), kommt es auf der Kollektivebene zur S. Ist dieser Gleichklang nicht gegeben (—• Statusinkonsistenz), wird S. eher verhindert.
Im Einzelnen werden unterschieden: National-S., Geschlechts-S., Alters-S., Vereins-S. Gelegentlich wird auch nach Auto-S. (Objekt ist die eigene P oder Gruppe oder Nation) und HeteroS. (Objekt ist eine andere P, Gruppe oder Nation) getrennt.
Stereotyp —• Kategorisierung ->• Vorurteil, soziales
S. erweisen sich als äußerst änderungsresistent. Sie werden insbesondere dann unsere Urteile dominieren, wenn detailliertes Wissen über einzelne Individuen nicht vorliegt, S. jedoch verfügbar sind (z.B. durch die Medien verbreitet werden). Werden S. mit motivationalem Gehalt gefüllt (z.B. Tendenz der -»•Selbstwertdienlichkeit, Motiv nach sozialer -* Identität) und
Kognitives Klischee, das die Funktion hat, die Komplexität der Realität durch Vereinfachung überschaubar zu machen. Der Begriff ist zunächst in der Politikwissenschaft, später in der Kommunikationsforschung verwendet worden und berührt sich mit dem Konzept des sozialen —* Vorurteils, 540
Steuerpsychologie
Stimmung
mit negativen Bewertungen versehen, so entstehen soziale -* Vorurteile. S. sind auch zu unterscheiden von —> Prototypen. Diese stellen besonders charakteristische „Exemplare" einer Kategorie dar. Wird bspw. ein offensichtlich gewalttätiger Farbiger demonstrativ als typischer Vertreter einer Ethnie vorgeführt, so wird das S. „Neger sind gewalttätig" durch den Vorzeigestatus gestärkt und das Vorurteil verfestigt.
Stichprobe -* Methoden
Steuerpsychologie Nach ersten Ansätzen von DERS
durch
LEWIS
Steuerzahlern sowie um die Vorstellung, dass der Staat mit den Steuern sinnvoll und gerecht umgeht; (f) Steuerwiderstand: Dieser ist umso höher, je stärker das Steuerbelastungsgefuhl sowie die perzipierte Steuerungerechtigkeit ist. Ein solcher Widerstand kann auch als Einschränkung des Freiheitsspielraums i.S. der Reaktanztheorie erklärt werden.
SCHMÖL-
wiederbelebtes
Teilgebiet der WP, das sich mit dem Verhalten von Steuerzahlern (insbesondere Steuerwiderstand und Steuerhinterziehung) befasst. Die wichtigsten Themenbereiche sind dabei: (a) Steuermerklichkeit, d.h. die Aufmerksamkeit, die ein Steuerzahler der Steuer entgegenbringt (niedrig z.B. bei indirekten Steuern); (b) Steuerbelastungsgefühl, d.h. das subjektive Empfinden, durch die Steuer eingeschränkt oder belastet zu werden; (c) Steuermoral, d.h. internalisierte Normen, die z.B. der Steuerhinterziehung vorbeugen und auf der Kollektiv-Ebene auch durch kulturelle Besonderheiten und Traditionen begründet sind; (d) Steuerliche Möglichkeiten: Hier handelt es sich um differenzielle Gelegenheitsstrukturen (-»Chancenstruktur-Theorie), Steuern auszuweichen oder sie zu hinterziehen; (e) Steuergerechtigkeit: Dabei geht es um wahrgenommene Gerechtigkeit im Vergleich mit anderen
Stigmatisierung
Etikettierung
Stimmung Das Konzept der S. wurde erst zum sp Thema, als man versuchte, die Beziehungen zwischen Informationsverarbeitung und emotionalen Vorgängen zu erforschen. Das Zusammenspiel von -* Emotion und Kognition ist nach wie vor eins der beherrschenden Themen der gesamten Psychologie und bedeutet den Aufbruch zu einer Perspektive, die die isolierte Betrachtung kognitiver Vorgänge überwindet (vgl. die Aufforderung SCHERERS ZU einer „emotionalen Wende"). (l)Begriff: S. sind Gefühlserlebnisse von diffusem Charakter und geringer Intensität, in denen sich die Gesamtbefindlichkeit eines Individuums ausdrückt. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Anlässe oder Ereignisse, sondern bezeichnen eine Art „Klima", mit der die Welt wahrgenommen wird. Konkrete Ereignisse (auch Affekte und Kognitionen) werden dann als in diese Grundtönung „eingelagert" erlebt (-> FigurGrund-Effekt).
541
Stimmung
(2) S.-Kongruenz: Als mood-congruency bezeichnet BOWER die Unterstützung emotionaler Reaktionen durch kognitive Prozesse. Dabei wird eine selektive Tendenz des Menschen angenommen, in positiver S. günstige Informationen effizienter wahrzunehmen, zu codieren und zu decodieren als negative, während für das Individuum ungünstige Informationen in negativen Gemütszuständen besser verarbeitet werden. Man spricht hier auch von einem stimmungsabhängigen Gedächtais: S.kongruente Gedächtnisinhalte werden mit höherer Wahrscheinlichkeit erinnert als inkongruente (PollyannaEffekt). Dieses Phänomen kann nach BOWER anhand der Theorie assoziativer Netzwerke verstanden werden. Sofern nämlich positive S.-Zustände in der assoziativen Nachbarschaft anderer angenehmer Stimuli repräsentiert sind, wird die Erregung, die von diesen S.-Knoten ausgeht, die benachbarten positiven Inhalte mit aktivieren, andere jedoch blockieren. Positive S.-Inhalte fuhren daher zu positiveren und optimistischeren Urteilen. Die Kritik an dieser Erklärung (FIEDLER, ISEN) verweist darauf, dass alle stimmungsabhängigen Leistungen, die nicht in selektivem Erinnern bestehen, nur sehr schwer im Rahmen eines Netzwerkmodells erklärt werden können, zumal die Integration eines emotionalen und semantischen Netzwerks einen viel zu hohen Aufwand erfordern würde. Das Paradigma der S.-Kongruenz war daher kurzfristig aus der Diskussion verbannt, wurde jedoch neuer542
Stimmung
dings durch die Forschungen von revitalisiert. Es zeigte sich, dass die behaupteten Effekte an bestimmte Bedingungen geknüpft sind.
MARTIN
(3)S. als Information: Wie insbesondere SCHWARZ belegt hat, kann - wie jede Form der Aktivation - auch ein S.-Zustand als Informationsstimulus aufgefasst werden, so dass im Individuum der Wunsch nach einer angemessenen Erklärung und Interpretation dieses Zustandes erwächst. Hierbei sind externe Hinweisreize hilfreich, die zum Zeitpunkt des Auftretens mit dem S.-Umschwung kovariieren. Affektive Zustände vom Typ positiver oder negativer S. dienen dem Individuum demnach einerseits als Informationsquelle über Eigenschaften der zu beurteilenden Objekte, andererseits als Grundlage unterschiedlicher Entscheidungen. SCHWARZ & CLORE haben diese Befindlichkeit („Was sagt mir mein Gefühl?") als „How-do-I-feel-about-it"-Heuristik bezeichnet; statt aufwändiger Analysen des Urteilsobjektes verwenden Menschen ihr Gefühl als Urteilsgrundlage. (4)Mood-repair: Das Kongruenz-Prinzip - soweit es sich aufrecht erhalten lässt- dürfte zu sich selbst verstärkenden Prozessen fuhren, d.h. eine pessimistisch gestimmte oder depressive P wird lediglich auf negative Aspekte ihrer Umwelt aufmerksam. Es scheint jedoch einen Regulationsmechanismus zu geben, der allzu extremen (positiven wie negativen) S.Einflüssen entgegen arbeitet. Ausgesprochen euphorische S. wird (lerntheoretisch gesehen) gedämpft, wenn
Stimmung
negative Konsequenzen auftreten (z.B. ein unüberlegter Kauf, eine übereilte Heirat). Ebenso werden depressive S. durch Formen des Vermeidungslernens abgebaut (mood-repair-hypothesis). ISEN ermittelt eine Art Asymmetrie der S.-Reparatur: Es werden schwächere Kongruenz-Effekte für negative als für positive S. ermittelt. (5) Kognitive Disziplin: In zahlreiche Experimenten hat sich gezeigt, dass bei gehobener S. durchweg positivere Urteile gefällt werden. Dies könnte dazu führen, dass Beurteilungen zu optimistisch ausfallen und Informationsverarbeitungsprozesse einem positiv erlebten Bias unterliegen. Bei schlechter S. erfolgt eine aufwändigere und detailbezogenere kognitive Verarbeitung; hier kommt es im Falle persuasiver Beeinflussung eher auf die Argumentqualität an. Entsprechend gilt, dass kognitive Prozesse unter leicht gedrückter S. eher durch logische Stringenz gekennzeichnet sind. In (leicht) gedrückter S. werden demnach Pn im allgemeinen mehr Informationen suchen und diese systematischer verarbeiten (-» depressiver Realismus). Auch wird die Beeinflussbarkeit sowie die Ansteckwirkung durch andere Pn bei gedämpfter S. gemindert. Allerdings gilt dies nicht für kreative Aufgaben. ISEN legt Befunde vor, die nahe legen, dass kreative Lösungen durch gehobene S. wahrscheinlicher werden. (6)S. und Hilfeleistung: In vielen Untersuchungen (z.B. BIERHOFF, ISEN et al., ROSENHAHN et al.) wurde der Nachweis gefuhrt, dass Pn in guter S. hilfsbereiter sind als in neutraler
Stimulus-Wert-Rollen-Theorie (SVR)
S. Diese Verhaltenstendenz lässt sich mit einem durch die S. veränderten Bezugssystem für die Bewertung von positiven und negativen Konsequenzen erklären. Gedrückte S. erzeugen eine höhere Zugänglichkeit für negative Konsequenzen; also werden die antizipierten negativen Folgen aus dem Hilfeverhalten stärker gewichtet, so dass die Hilfeleistung möglicherweise unterbleibt. Lit.: BLESS, H . et al. ( 1 9 9 0 ) . M o o d a n d p e r -
suasion. A cognitive response analysis. Personality and Social Psychology Bulletin, 16, 331-345.
FIEDLER,
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Stimmung als Information. Untersuchungen zum Einfluss von Stimmungen auf die Bewertung des eigenen Lebens. Heidelberg. SCHWARZ, N . & CLORE, G . L . ( 1 9 8 8 ) . H o w
to feel about it? Informative functions of affective states. In: Fiedler, K. & Forgas, J.P. (eds.) Affect, cognition and social behavior. Toronto, 44-62.
Stimulus-Wert-Rollen-Theorie (SVR) Die S. von MURSTEIN beschreibt die Entwicklung von sozialen Beziehungen aus austauschtheoretischer Perspektive (-» Austauschtheorien). In der ersten Phase (Stimulus-Phase) bestimmt v.a. die physische Attraktivität die Beziehung, welche bei kognizierter Gleichwertigkeit in die Wertphase übergeht, in der geprüft wird, ob Einstellungen und Lebensstil übereinstimmen. Ist dies der Fall, so folgt dem eine sog. Rollenphase (-»• Rolle, soziale), in der wechselseitige Rollenerwartungen auf ihre Kompatibilität überprüft und abgeglichen werden. 543
Stolz
Dieser Prozess ist insofern nicht anpassungsmechanistisch aufzufassen, als Erwartungen und Rolleninterpretationen sich noch ändern können. Diese Phasentheorie ist bislang noch nicht ausreichend empirisch dokumentiert, v.a. weil Langzeitstudien fehlen und weil andere wichtige Faktoren, die für die Gestaltung der Beziehung wichtig sind (z.B. Emotionen, Sexualität, Kommunikationsaspekte), ausgeblendet werden. Stolz Erleben eines Erfolgs oder einer Leistung als selbstverursacht (-* Leistungsmotivation —• Leistungsattribution). S. tritt insbesondere auf, wenn die Aufgabe vergleichsweise schwierig war und die Ergebnisse im sozialen -> Vergleich höher ausfallen als diejenigen von relevanten ähnlichen Bezugspersonen. Pn mit hohem -*• Selbstwertgefühl haben eine besondere Neigung, Erfolgserlebnissen mit S. zu begegnen, was rückwirkend wiederum das Selbstwertgefuhl stärkt. Strafreiz Auch: aversiver Reiz. Das Individuum versucht, S. zu vermeiden (-> Vermeidungslernen). Besteht zwischen eigenem Verhalten und S. -* Kontingenz, dann wird das Verhalten tendenziell gelöscht (-> Extinktion). Ist das Verhalten bereits etabliert und stiftet es anderweitig Belohnungsreize, dann wird das Individuum versuchen, unter Beibehaltung des Verhaltens S. zu minimieren. Stress -» Stresskontrolle -* Coping Als unangenehm erlebter Spannungszustand, der eine Anpassungsreaktion 544
Stress
des Individuums an seine Umwelt auslöst. Die auslösenden Stimuli werden Stressoren genannt, die Bewältigungshandlungen des Individuums werden mit Coping bezeichnet. Der Stressbegriff wurde 1950 vom M e d i z i n e r SELYE in die w i s s e n s c h a f t -
liche Diskussion eingeführt. Bezüglich der genauen Definition besteht Uneinigkeit; in jüngerer Zeit scheint sich jedoch in der Psychologie ein Minimalkonsens zwischen der angelsächsischen Stressforschung und der deutschsprachigen Belastungs- und Beanspruchungsforschung i.S. der obigen Definition zu entwickeln. Die vielen Stresskonzepte lassen sich in drei Kategorien einteilen: reiz- bzw. stimulusorientierte, reaktionsorientierte sowie interaktionale (in Anlehnung an LAZARUS auch transaktional genannte) Konzepte. Bei den Stimuluskonzepten stehen die stressauslösenden Situationen im Vordergrund. Der bekannteste Vertreter einer solchen Perspektive ist die „stressful life event" Forschung (einen Überblick liefert z.B. FILIPP). Hierbei werden bestimmte Lebensereignisse zu Krankheitsentwicklungen in Beziehung gesetzt. Problematisch bei solch einem Vorgehen zeigt sich, dass zum einen verschiedene Menschen unterschiedlich auf den selben Stressor reagieren, zum anderen qualitativ unterschiedliche Stressoren bezüglich ihres Stressgehalts nicht miteinander zu vergleichen sind. Reaktionskonzepte fokussieren auf die Stressreaktionen des Organismus und bestimmen Stress damit über das Verhalten, unabhängig davon, wie es ausgelöst wird. Dieser Ansatz wird insbe-
Stress
Stress sondere v o n Medizinern wie SELYE
vertreten. Eine Hauptkritik besteht darin, dass gleiche Reaktionen des Organismus durch die unterschiedlichsten Stimuli ausgelöst werden können; damit lassen sich keinerlei Aussagen über präventive Maßnahmen gegen die Entstehung von Stress ableiten. Interaktionale Stresskonzepte werden aufgrund der Schwächen der anderen beiden Ansätze von den meisten Psychologen vertreten. S. ergibt sich hiernach aus dem Zusammenspiel von Person und Umwelt und kann bspw. mit GREIF definiert werden als unangenehmer Spannungszustand in einer stark aversiven Situation, deren Vermeidung subjektiv wichtig ist. Die meisten sozial- und organisationspsychologischen Stresstheorien folgen einem interaktionalen Ansatz. In der Literatur werden verschiedene Stresstheorien diskutiert, die jeweils auf die Bedeutung einzelner Variablen fokussieren wie bspw. kognitive Bewertungen (LAZARUS), wahrgenommene Kontrolle (KARASEK), Unsicherheit (MCGRATH) oder Ausmaß der Bedürfnisbefriedigung
(FRENCH,
CAP-
LAN). Die bekanntesten Theorien sind: (1) Transaktionale Stresstheorie: LAZARUS geht in seinem Modell von einer phänomenologischen Analyse der durch kognitive Bewertungsprozesse vermittelten Beziehungen (Transaktionen) zwischen Person und Umwelt aus. Die Person-Umwelt-Beziehung, die das Stressgeschehen charakterisiert, wird über einen dreistufigen Bewertungsprozess des Betroffenen vermittelt. In der primären Bewertung wird ein Ereignis auf seine Bedeutung für das
Wohlergehen hin beurteilt (Einschätzung als irrelevant, günstig/positiv oder stresserzeugend). Die sekundäre Bewertung bezieht sich auf die der Person zur Verfugung stehenden Bewältigungsfahigkeiten und -möglichkeiten. Ein als potentiell stresserzeugend eingestuftes Ereignis erzeugt demnach nur dann S., wenn die Person über unzureichende Bewältigungsfahigkeiten verfugt. Den Bewältigungshandlungen folgt in einem Rückkoppelungsprozess eine Neubewertung der Situation, aufgrund derer sich die Beurteilung der Situation gegebenenfalls ändern kann. (2) Person-Environment-Fit-Theorie: Die Kernthese besagt, dass S. aus einer Nicht-Übereinstimmung zwischen Person- und Umweltvariablen entsteht. Dieser Misfit kann auf der Bedürfnisebene vorliegen (durch die Arbeitstätigkeit können die Bedürfnisse der Person nicht in ausreichendem Masse befriedigt werden) oder auf der Ebene der Fähigkeiten der Person (die Person kann die an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllen). Letzterer stellt jedoch nicht per se einen Stressor dar, sondern nur dann, wenn er zu einem Misfit auf der Bedürfnisebene fuhrt. Eine solche Verkettung liegt vor, wenn die Erlangung von Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung an Anforderungserfüllung geknüpft ist oder die Anforderungen internalisiert sind und dadurch quasi als Bedürfnis wirken. Die Folgen von nicht bewältigtem Stress sind vielfaltig und reichen von kurzfristigen Reaktionen bis zu langfristigen (chronischen) Krankheitsbil545
Strukturdimensionen (der Gruppe)
Stresskontrolle
dem. Stressfolgen können eingeteilt werden in (a) physiologische: erhöhter Blutdruck, psychosomatische Beschwerden; (b) psychische: Anspannung, Nervosität, Burnout, (c) verhaltensmäßige: Leistungsminderungen, vermehrter Alkoholkonsum, Arbeitsfehlzeiten. Neuere Entwicklungen der S.-Forschung betreffen integrative Bemühungen, z.B. den Stellenwert des S.Konzepts i.R. der Gesundheitspsychologie, die Rückbesinnung auf die emotionspsychologischen Grundlagen (-»•Emotion) der S.-Forschung sowie die Einstufung des Konzepts als Teil einer umfassenderen Emotionspsychologie. Auch bestehen Versuche, die bislang unverbundenen psychologischen Konzepte als sich wechselartig ergänzende Modellvorstellungen auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau und mit unterschiedlichen Geltungsbereichen aufzufassen. Lit: CAPLAN, R . D . et al. ( 1 9 8 2 ) . A r b e i t u n d
Gesundheit. Stress und seine Auswirkungen bei verschiedenen Berufen. Bern. COOPER, C.L. (1998) (ed.) Theories of organizational stress.
Manchester.
FILIPP,
S.-H.
(1995)
(Hg.) Kritische Lebensereignisse. Weinheim. LAZARUS, R . S . ( 1 9 9 1 ) . E m o t i o n a n d a d a p -
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Stress, appraisal and Coping. New York. NITSCH, J . ( 1 9 8 1 ) ( H g . ) Stress. B e r n .
Stresskontrolle -*• Stress
Coping
Im Hinblick auf die Stressmodelle von LAZARUS und KARASEK ist f ü r die b e -
vorzugte Form der Bewältigungsstrategie entscheidend, ob P glaubt, über 546
Gegenmaßnahmen zur Bewältigung der bedrohlichen Situation zu verfugen. Die S. variiert nach FRESE auf einem Kontinuum zwischen totaler Nicht-Kontrolle (Einflusslosigkeit, gelernte -* Hilflosigkeit) und vollkommener Kontrolle (Beherrschbarkeit). Die wahrgenommene S. hängt dabei ab von (a) der Art der Belastung (z.B. Schwierigkeit und Komplexität der Aufgabe); (b) den Charakteristika der Situation (z.B. Machtverteilung, soziale -*• Unterstützung)', (c) den Merkmalen der P (z.B. perzipierte Belastbarkeit, Kontrollüberzeugung, Selbstvertrauen, Erfahrung). Struktur, soziale Geordnete Konstellation von Elementen, also ein Ordnungsgefüge, das sich auf solche Aspekte sozialer Gegebenheiten bezieht, die als relativ fortdauernd oder beharrend angesehen werden. Gelegentlich werden auch die sozialen -* Institutionen und die sozialen -* Normen als Strukturelemente von Sozialsystemen angesehen. Der Ausdruck S. wird vielfach nicht auf soziale Gebilde bezogen, sondern auf bestimmte Merkmalsverteilungen (z.B. Alters-S., Berufs-S., Schichtungs-S.). BLAU definiert S. insofern als „multidimensionalen Raum differenzierter sozialer Positionen der Menschen in einer Gesellschaft oder in einer anderen sozialen Gesamtheit". Strukturdimensionen (der Gruppe) Gruppenstruktur
Stfltzungstheorie
Stützungstheorie Die S. (support theory) wurde von TVERSKY und seinen Mitarbeitern in Anknüpfung an die Prospect theory als umfassende Theorie der subjektiven Wahrscheinlichkeit entwickelt. Sie geht davon aus, dass Individuen nicht Ereignissen an sich eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zuordnen, sondern vielmehr Beschreibungen von Ereignissen. Mit dieser Annahme kann u.a. der Einfluss unterschiedlicher Interpretationen des gleichen Sachverhalts erklärt werden.
Substitutions theorie
sprechen und dem spezifischen Lebensstil unterer Schichten teilweise zuwiderlaufen. Von S. abzugrenzen sind Kontrakulturen, die nicht lediglich abweichende bzw. alternative Wertvorstellungen vertreten, sondern bewusste Gegenpositionen beziehen und diese vielfach auch aktivistisch und militant durchzusetzen trachten (z.B. Terroristen). Solche Kontrakulturen werden gewöhnlich durch Prozesse des Gruppendrucks und entsprechende Rechtfertigungsideologien abgestützt.
Subkultur
Subliminale Wahrnehmung
Mehr oder weniger gut integriertes Subsystem der Gesamtkultur, wobei dessen Wertsystem sowie der Lebensstil signifikant von der Rahmenkultur abweichen. Der Ausdruck S. wird häufig im Zusammenhang mit dem Problem sozialer -* Minderheiten angewandt (-> Assimilation -* Segregation), die in Folge bestimmter Integrationsprobleme manchmal eine Art abgekoppeltes Eigenleben fuhren. S. entstehen auch, wenn Pn häufig miteinander interagieren, die gleiche oder ähnliche Schwierigkeiten bzw. Probleme haben, sich mit dem geltenden Norm- und Wertsystem zu identifizieren und die es deshalb belohnend finden, in einigen oder sämtlichen Lebensbereichen nach abweichenden Normen zu handeln.
Auch: Unterschwellige Wahrnehmung, die zu bestimmten Reaktionen auf extrem kurzzeitig dargebotene Stimuli fuhren soll, die i.R. normaler Wahrnehmungsprozesse gar nicht perzipiert werden konnten. Als theoretische Hilfskonstruktion dient dabei die Vorstellung eines dualen Wahrnehmungsapparates. Kritische Untersuchungen stellen methodische Unzulänglichkeiten (-»Artefakt) heraus. Auch könnten derartige Effekte i.S. eines probabilistischen Wahrnehmungsverlaufs (-> Signalentdeckungs-Theorie) erklärt werden, der das Wahrnehmen nicht nach dem Prinzip eines „Alles-oder-nichts", sondern als kontinuierlichen Prozess auffasst.
Als (leicht) abweichende S. wird gelegentlich auch angesehen: die S. der Jugendlichen, der Älteren, der Homosexuellen usw. Auch die Unterschicht lässt sich u.U. als leicht abweichende S. begreifen, was letztlich bedeutet, dass sie Rechtsnormen folgen muss, die nicht den eigenen Maßstäben ent-
Das Thema hat im Rahmen der -> Werbung („Die geheimen Verführer") für Furore gesorgt. Der Stand der Dinge: Wenn überhaupt irgendwelche Effekte durch S. auftreten, sind sie eher bescheiden. Substitutionstheorie -»Führungstheorien 547
Subtraktions-Regel
Subtraktions-Regel Das Ausmaß der attribuierten Disposition eines Menschen (-» Attribution) entspricht der Eindeutigkeit des Verhaltens dieser P abzüglich situativer Einflüsse (z.B. Verhaltenszwänge, Rollenvorgaben). Diese S. entspricht dem —> Abwertungsprinzip.
Suchtverhalten (1)Begriff: Der Ausdruck S. wird bedeutungsunscharf verwendet. Als Kernvorstellung bezieht sich S. auf ein exzessives Verhalten, das für den Organismus zumindest auf Dauer schädlich ist und das eine gewisse Abhängigkeit vom Objekt des S. beinhaltet. So spricht man von süchtigem Verhalten in Bezug auf Alkohol, Rauchen und Drogen, auch von Fett-S. oder Mager-S. bis hin zur Arbeits-S. S. wird v.a. in Lernprozessen erworben (insbesondere über das Modell-Lernen). Auch dürften vielfach Prädispositionen (z.B. genetische Voraussetzungen) gegeben sein (z.B. bei Fett-S.). Ein eigenständiges Forschungsfeld einer SP des S. besteht nicht, allerdings lassen sich etliche Zugangsmöglichkeiten zu dieser Thematik finden. (2) Emotionale
Aspekte: SOLOMON postuliert in seiner GegenprozessTheorie (-» opponent process theory), dass zu jeder positiven oder negativen Emotion ein gegensätzlicher Prozess einsetzt. Dieser Gegenprozess tritt leicht verzögert zum ursprünglichen Vorgang in Erscheinung, ist von geringerer Intensität und klingt langsamer ab. Durch wiederholte Reizdarbietung (z.B. Droge)
548
Suchtverhalten
nimmt jedoch die Intensität und Schnelligkeit des Gegenprozesses zu. Damit werden nach SOLOMON die bei Süchtigen eintretenden Sättigungs- und Entzugserscheinungen erklärt. Das Spitzenerlebnis zu Reizbeginn wird dann schnell überlagert von negativen Begleiterscheinungen, so dass man veranlasst wird, zum Ursprungsreiz zurückzukehren, der allerdings dann lediglich noch eine sehr kurzfristige Wirkung entfaltet. Nachdem sich ein solches Verhalten etabliert hat, empfindet man das Leben ohne die Droge (oder ohne das Medikament, ohne den Alkohol) äußerst negativ; aber auch das momentane Glück durch erneuten Konsum stumpft immer mehr ab. (3) Kognitive Aspekte: In SCHACHTERs -> Emotionstheorie wird z.B. Fettleibigkeit attributionstheoretisch gedeutet. Pn, die zu einem solchen S. neigen, pflegen sich eher nach der Uhr zu richten, anstatt ihren Hungergefühlen zu folgen. Andere Pn versuchen, ihr S. dadurch aufrechtzuerhalten, dass sie es rechtfertigen, z.B. um Frustrationen abzubauen oder Schmerzen zu betäuben. Strategien zur Reduzierung von Dissonanz sind typischerweise beim Raucherverhalten untersucht worden (-• Dissonanztheorie). Ferner spielen Aspekte des Selbst-Labeling eine Rolle. Viele Therapeuten weisen darauf hin, dass die Selbsteinstufung als „Alkoholiker", als drogenabhängig - also ein Zugeben der eigenen Probleme - den Therapieerfolg begünstige. (4) Kontroll-Aspekte: S. kann als Kontrollverlust betrachtet werden, wobei die Chance, kognizierte Kontrolle wiederzugewinnen, va-
Suchtverhalten
liieren kann. In vielen Fällen haben die Süchtigen den subjektiven Eindruck, ihr S. jederzeit kontrollieren zu können (z.B. im Prinzip das Rauchen, den Alkoholkonsum, die Drogen oder die Medikamente willkürlich aufgeben zu können). Folgt man etwa dem Modell des -> geplanten Verhaltens, dann ist es hier die „perceived control", die möglicherweise vom betroffenen Individuum falsch eingeschätzt wird (-» Kontroll-Illusion). Nach GOTTFREDSON & HIRSCHI ist S. ein Problem fehlender effizienter Selbstkontrolle, was in dieser spezifischen Sinngebung bedeutet, gegenwärtig verfugbare Belohnungen hoch einzuschätzen und mögliche nachteilige Folgen, die jedoch erst nach längerer Zeit auftreten, zu vernachlässigen. HERRNSTEiNs Überlegungen zur Abdiskontierung möglicher Konsequenzen (->• myopischer Effekt) werden gleichfalls mit dem S. in Verbindung gebracht. Der Gesang der Sirenen, so heißt es bei ELSTER, übertönt die möglichen Gefahren. (5) Soziale Aspekte: Insbesondere soziologische Ansätze betonen den Einfluss von Gruppendruck, v.a. durch die „peers". Zumindest in der Phase der Initiation sind Gruppeneinflüsse (über Identifizierung und Nachahmung) zentral (-> ModellLernen). Das Individuum wird in seinem Verhalten primär durch das Empfinden der Zugehörigkeit Affiliation) und die eher expressiven Komponenten der personalen und sozialen -* Identität verstärkt (z.B. gemeinsames Rauchen, exzessiver Alkohol- oder Drogenkonsum). Später wandeln sich die Verstärkungs-
Sündenbockfunktion
quellen; die Befriedigung liegt dann eher in der instrumenteilen Funktion und den Besonderheiten physischer und psychischer Lustempfindung, nachfolgend dann in der Abwehr negativer Gefühle; man kommt nicht mehr ohne den Suchtgegenstand aus. Allerdings kann die Einbindung in soziale Netze auch Wege aufzeigen, aus der Verstrickung herauszufinden und eine Rehabilitation einzuleiten. Sündenbockfunktion Verschiebung der -*• Aggression auf andere Zielpersonen oder -gruppen, insbesondere wenn eine direkte Vergeltung gegen die frustrierende P oder Gruppe nicht möglich oder mit gravierenden negativen Konsequenzen verbunden ist. Sündenböcke übernehmen daher eine Ersatzfunktion. Bestimmte Gruppierungen (z.B. soziale Minderheiten) werden im Zuge sozialer -* Vorurteile häufig Opfer dieser Projektion, insbesondere wenn sie wehrlos sind. Ihnen wird die Schuld für eigene Fehler, Schwierigkeiten und Enttäuschungen angelastet. Dies soll die Gefahrdung des Selbstbildes Selbstkonzept) verhindern, indem man die Verantwortung für bestimmte Zustände oder Vorfalle abschiebt (Bsp.: Die Juden sind an der Wirtschaftskrise schuld; die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg). Häufig bedienen sich politische Demagogen dieses Mechanismus', um Unzufriedenheit auf andere Personengruppen abzulenken, Solidarität im Hinblick auf den Gegner zu erwirken und damit zugleich die Kohäsion der Eigengruppe zu steigern.
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Suffizienzprinzip
Suffizienzprinzip Annahme im -» Heuristisch-systematischen Modell (HSM), wonach Individuen zu hinreichender Sicherheit bezüglich ihrer Einstellungsurteile neigen (-> Einstellungen Einstellungsänderungen). Ist die Suffizienzschwelle noch nicht erreicht, wird P versuchen, weitere Informationen zu beschaffen (—• Informationssuche) und zu verarbeiten (-»Informationsverarbeitung). Suggestion (I)Form der sozialen Beeinflussung, gegenüber der ein Rezipient keinen kritischen Widerstand leistet, z.B. über das Ansprechen des Gefühlslebens oder das gezielte Erwecken bestimmter Vorstellungen. (II) I.S. der älteren Massenpsychologie die Übertragung eines Bewusstseinsinhalts oder -zustands von einer P auf andere Pn. Suizid Selbstmord, Freitod. S. wird in der Psychologie häufig auf psychische Störungen (v.a. Depression) zurückgeführt. In der Tat ist die S.-Rate bei Depressiven etwa 25-mal so hoch wie bei Vergleichsgruppen nicht-depressiver Pn. Da Frauen häufiger depressiv sind, ist deren S.-Rate auch etwa dreimal so hoch. Bei männlichen Jugendlichen tritt S. am häufigsten auf, wenn Verhaltensstörungen und Drogenmissbrauch zusammentreffen. In soziologischen und auch in sp Untersuchungen wird insbesondere mangelnde soziale Einbettung als Hintergrundfaktor genannt. Defizitäre Status-Integration und eine daraus resul550
Symbolischer Interaktionismus
tierende Einsamkeit (möglicherweise verknüpft mit Depression) kann einen erheblichen Anteil der S.-Rate erklären (GIBBS & MARTIN). Wichtig ist auch der Hinweis, dass in vielen Fällen die Selbsttötung gar nicht beabsichtigt ist (appellativer S.), sondern einen verzweifelten Ruf nach Hilfe oder einen Vorwurf gegen Vernachlässigung ausdrückt. Summenmodell -»•Informationsintegration Wahrnehmung, soziale Sunk cost-Effekt An Entscheidungen wird umso intensiver festgehalten, je höhere Kosten damit im Zusammenhang schon angefallen sind. Häufig werfen Individuen gutes Geld dem schlechten nach (-» Rechtfertigung des Aufwands —• Dissonanztheorie). Symbolischer Interaktionismus So bezeichnet BLUMER ein Forschungsparadigma, das im Wesentlichen auf das Wirken des Sozialphilosophen G. H. MEAD zurückgeht. Obgleich sich der S. auf Sachverhalte bezieht, die auch als Themen der SP angesehen werden (-> Rollentheorie —> Selbstkonzept-Theorien -* abweichendes Verhalten), ist diese Strömung (trotz der Wiederbelebungsversuche von STRYKER) lediglich für die Soziologie bedeutsam gewesen und spielt auch heute noch im größeren Kontext der interpretativen Soziologie eine gewisse Rolle. In der heute vorherrschenden - durch das Labor-Experiment geprägten - SP ist das Konzept MEADS, auch wegen seiner Sperrigkeit gegenüber empirischen Prüfungen, eher randständig und erfahrt allenfalls
Symbolischer Interaktionismus
in der neueren Selbstkonzeptforschung (z.B. in der Theorie der objektiven Selbstaufmerksamkeit) eine gewisse Revitalisierung. Obgleich der S. keineswegs in einheitlicher Gestalt auftritt und sich z.T. von den philosophischen Voraussetzungen MEADS gelöst hat, lassen sich einige Gemeinsamkeiten dieser Perspektive formulieren: (a) Annahmen im Hinblick auf das —• Selbst: Der Mensch kann sich erst entfalten, wenn er fähig ist, sich selbst als Objekt zu erfahren. Er kann dies, weil er die Einstellung von „signifikanten Anderen" übernimmt, d.h. durch eine Perspektivenübernahme bzw. durch. -*• Rollenübernahme. Das Selbst ist dementsprechend als „soziale Struktur im Individuum" verstanden, die sich aus der sozialen Interaktion entwickelt; (b) Der generalisierte Andere: Dieser ist der Repräsentant der Gesellschaft im Individuum, sowohl im Hinblick auf die -* Selbstkontrolle als auch bezüglich sozialer -*Kontrolle. MEAD drückt dies so aus, dass er das „Mich" und das „Ich an sich" als zwei korrespondierende Seiten des „Ich" einander gegenüberstellt. Das „Mich" bildet dabei die kontrollierende, einschränkende und verpflichtende Instanz der P (ähnlich FREUDS „Über-Ich"); (c) Definition der Situation: Individuen stehen in ihrem Handeln nicht einer Umwelt an sich gegenüber, sondern handeln im Hinblick auf die ihnen vermittelte oder auch von ihnen selbst entwickelte Bedeutung der objektiven Umwelt.
Symbolischer Interaktionismus
Das Ergebnis des Symbolisierungsprozesses ergibt - in Anlehnung an das -> THOMAS-Theorem - die Definition der Situation: Menschen handeln nicht aufgrund faktischer Umweltbegebenheiten (objektive Situation), sondern wie sie glauben, dass diese Gegebenheiten wären; (d) Deutungssysteme: Handeln geschieht im Rahmen bestimmter Deutungssysteme, die aus normativen Regeln abgeleitet werden und symbolisch (insbesondere durch die Sprache) vermittelt sind. Interaktionen werden vom Alltagswissen (z.B. Typisierungen, Situationsdefinitionen, Sinndeutungen, Alltagstheorien) geleitet, das man mit dem Interaktionspartner teilt („geteiltes Wissen"). Die Bedeutung von Symbolen und Handlungen wird dabei durch den je spezifischen kulturellen Kontext verständlich; (e) Interpretative Strukturen: Soziale -* Normen und soziale -* Rollen werden in einem interpretativen Gestaltungsprozess artikuliert oder verändert. Dies geschieht durch Vorgänge des Einspielens oder des Verhandeins (allerdings trägt dieses —• interpretative Paradigma lediglich für plastische Normen und gestaltbare „weiche" Rollen). Vielfach, z.B. im Rahmen kohäsiver Gruppen oder innerhalb von Organisationen, sind Regeln und Verhaltensmuster mehr oder weniger festgelegt und enthalten geringe Gestaltungsspielräume. Lit.: BLUMER, H. (1973). Der methodologische Standort des symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.). Alltagswissen, Interaktion und 551
SYMLOG
gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. I. Reinb e k , 80-146. STRYKER, S. ( 1 9 8 0 ) . Symbolic
interactionism: A social structural version. M e n l o Park. STRYKER, S. & STATHAM, A .
( 3 1985). Symbolic interaction and role theory. In: Lindzey, G. & Aronson, E. (eds.) Handbook of social psychology, Vol. I. New Y o r k . 3 1 1 - 3 7 8 . WILSON, T.P. (1970). C o n -
ceptions of interaction and forms of sociological explanations. American Sociological Review, 35,4, 697-710. S Y M L O G
Dieses Verfahren (system for the multiple-level-observation of groups), das als standardisiertes Instrument systematischer Verhaltensbeobachtung in Gruppen gedacht war, ist eine Weiterführung der -> Interaktions-ProzessAnalyse (IPA). Dabei sollte sowohl die Qualität als auch die Entstehimg von Interaktionsprozessen und Strukturen der Beobachtung zugänglich gemacht werden. Das S.-Modell von BALES geht von drei Grunddimensionen aus: Freundlichkeit vs. Unfreundlichkeit, Akzeptanz vs. Nichtakzeptanz von Autorität sowie Dominanz vs. Gefügigkeit (submissiveness). Im zweidimensionalen Modell werden die erstgenannten Dimensionen in einem Felddiagramm verortet und mit bestimmten Wertungen charakterisiert: values on accepting (opposing) task orientation of established authority sowie values of (un)friendly behavior. Die Dimension Dominanz/Unterordnung wird im Diagramm durch die Größe der eingezeichneten Kreise verdeutlicht. Im dreidimensionalen Raum werden die drei Dimensionen durch ihre Endpunkte als abwärts-aufwärts (Dominanz) positiv-negativ (Freundlichkeit) sowie vorwärts-rückwärts definiert (Akzeptanz). Das Erfragen von Mei552
SYMLOG
nungen wird z.B. dem abwärts gerichteten Pol zugeschrieben. Freundlichkeit, Zugänglichkeit und Integrationsfahigkeit werden dem positiven Pol zugeordnet. Pn, die sich mit besonderem Engagement für die Gruppenziele einsetzen, werden als „vorwärts" eingestuft, während eher destruktive, egoistische Verhaltenstendenzen dem Pol „rückwärts" zugeschrieben werden. Der individuelle sowie der innerhalb der Gruppe vorherrschende Interaktionsstil lässt sich in diesem S.Raum durch einen spezifischen Messwert bestimmen und quantifizieren. Der S.-Würfel besteht aus 3 x 3 x 3 Teileinheiten entsprechend (27 1 = 26) Items für das jeweilige Erscheinungsbild des Interakteurs. Die verschiedenen Richtungen werden als „Vektoren" bezeichnet (wobei das Zentrum gewissermaßen vektorlos ist). Die Einstufung erfolgt durch die entsprechenden „value items". Alle Kognitionen und Verhaltensaspekte einschließlich der nonverbalen Signale werden demnach vom Auswerter in einen gemeinsamen Vektorraum überfuhrt, was eine äußerst feinkörnige Beschreibung des Interaktionsstils erlaubt. B A L E S sieht darin eine Weiterführung der sp Arbeiten von LEWIN, dessen individualpsychologischer Ansatz in eine Theorie des sozialen Interaktionsfeldes übergeführt werden soll, in dessen Zentrum der dynamische Wechselwirkungsprozess zwischen Erleben und Verhalten der Gruppenmitglieder steht. Trotz der zweifellos originellen Ansätze und der sehr weit gediehenen Differenzierung zur Verortung von Interaktionsstilen sind BALES' späte Arbeiten für die SP relativ folgenlos geblieben.
Sympathie
Sympathie
Der Grund liegt einmal in der außerordentlichen Komplexität des Konzepts sowie auch in der Tatsache, dass i.R. der gegenwärtigen SP IntragruppenProzesse kaum ein Thema sind; der Fokus liegt vielmehr in der Betrachtung von -* Intergruppen-Beziehungen, wozu BALES' Modell wenig Zugang bietet. Was bleibt, ist eine forschungstechnische Bereicherung im Hinblick auf differenzierte Beobachtungsverfahren und die subtile Erfassung von Interaktionsstilen in aufgabenorientierten Gruppen. Sympathie
Attraktion
Affektiv positive Bewertung einer P. Affektiv deshalb, da man auch Pn etwa wegen ihrer Kompetenz oder wegen ihrer Kreativität - schätzen kann, ohne sie zu mögen. (1) Lerntheoretische Aspekte (-> Lernen): Im Allgemeinen schätzen wir Menschen, die uns Gutes tun. In diesem Fall erwirbt O die S. von P dadurch, dass O für P -> Verstärker anbietet. In Betracht kommen primäre Verstärker (wie Körperkontakt, Nahrung) sowie sekundäre Verstärker (Lob und Anerkennung, Zustimmung, Geld). Auch die Beseitigung aversiver Reize (z.B. Hilfestellung nach einem Unfall) wirkt verstärkend. Umgekehrt wirken ->• Strafreize (z.B. Tadel oder Schmerz) oder der Entzug von Belohnungsreizen (z.B. Kündigung, Einstufung in eine niedrigere Tarifgruppe) negativ auf die Wertschätzung und fuhren zur Antipathie. Die Verstärkung erfolgt dabei in direkter Weise, d.h. es entsteht durch die Kopplung einer P mit Belohnungsreizen eine assoziative Ver-
knüpfung (-» Konditionierung, klassische): Das gemeinsame Auftreten eines Verstärkers mit einem zunächst neutralen Reiz führt dazu, dass dieser durch das Verstärkungsereignis positiv aufgeladen wird. Wie RAZAN u n d später LOTT & LOTT n a c h w e i s e n
konnten, genügt bereits die bloße Anwesenheit von O während der Reizdarbietung (z.B. ist O bei der Einnahme angenehmer Speisen zugegen), um O im Urteil von P sympathischer werden zu lassen. Es ist also nicht notwendig, dass O als direkter Vermittler (z.B. als Schenkender, als Helfender) auftritt. BYRNE spricht i.d.S. von indirekter Verstärkung (bzw. Bestrafung). (2) Balancetheoretische Aspekte (-»• Balancetheorie): In ihrer einfachsten Form seien die Elemente der kognitiven Struktur die Individuen P und O sowie eine positive Einheitsrelation zwischen beiden (z.B. Nachbarschaft, Arbeitskollege, Schulkamerad). Um die Struktur konsistent zu halten, müsste die Wertrelation positiv sein (P empfindet Sympathie für O); bei Inkonsistenz wird eine Änderung der Struktur vorausgesagt (z.B. P zieht aus der Wohnung aus bzw. meidet jedes Zusammentreffen mit O oder aber P findet O doch ganz sympathisch). In der Tat konnte verschiedentlich nachgewiesen werden, dass bei erwarteten Interaktionen (z.B. O wird neues Mitglied der Gruppe, ein neuer Arbeitskollege kündigt sich an) die Tendenz besteht, den künftigen Interaktionspartner positiver zu bewerten als andere Pn, bei denen dies nicht der Fall war.
553
Sympathie
Auch soziale Ähnlichkeit kann eine positive Einheitsrelation darstellen. Dazu ist es notwendig, eine Triade zu bilden und das Objekt zu bestimmen, hinsichtlich dessen Ähnlichkeit bestehen soll. Obgleich Ähnlichkeit in vielen Bezügen sympathiefordernd sein dürfte (z.B. Gleichheit im Hinblick auf Alter, Herkunft, Lebensstil, Interessen), ist im Rahmen der SP insbesondere „Einstellungsähnlichkeit" in ihrer Wirkung auf S. untersucht worden (insbesondere BYRNE und Mitarbeiter). Die Experimente bestätigen eindrucksvoll, dass wahrgenommene Einstellungsähnlichkeit zu vermehrter S. führt, wobei jedoch die betreffenden Einstellungen relevante Lebensbereiche erfassen sollten (z.B. politische Einstellungen für politisch Interessierte). Die Balancetheorie sagt auch die Reziprozität der interpersonellen Bewertung voraus (Wir lieben diejenigen, die auch uns lieben). Wenn P wahrnimmt, dass O sie schätzt, kann eine balancierte kognitive Struktur dadurch hergestellt werden, dass P ihrerseits O positiv beurteilt. DEUTSCH & SOLOMON schränken al-
lerdings ein, dass dies lediglich für Pn mit positiver Selbsteinschätzung gilt. Es gibt Hinweise darauf, dass Pn mit negativem —> Selbstwertgefiihl eher solche Menschen positiv bewerten, von denen sie abgelehnt werden. Obgleich es ein wenig kurios erscheint: Auch dies lässt sich balancetheoretisch erklären, denn P hat mit O ähnliche Einstellungen, allerdings zu sich selbst. Des weiteren lässt sich balancetheoretisch begründen, dass man Pn, die 554
Sympathie
über positive Eigenschaften verfügen, sympathischer findet. Hat O die positiv bewertete Eigenschaft X (z.B. Großzügigkeit), dann liegen bereits zwei Relationen vor (die Einheitsrelation zu O sowie die positive Bewertung von Großzügigkeit). Um die Struktur konsistent zu halten, muss eine dritte positive Relation aufgebaut werden (wachsende S. für 0). Dies erklärt auch, warum Schönheit S. auf sich zieht. Wenn P Schönheit schätzt und 0 aus der Sicht von P schön ist, dann wird sie ihr sympathischer sein; auch schreibt man ihr u.U. weitere positive Attribute zu (DION et al., CUNNINGHAM). (3)Attributionstheoretische Aspekte (-• Attribution): Die diskutierten lern- und balancetheoretischen Modelle beziehen sich auf recht einfache und elementare Konstellationen, die allerdings durch Attributionsprozesse vermittelt und dabei auch konterkariert werden können. Das eben erwähnte Bsp. der Wirkung von Schönheit kann durch negative Attributionen (z.B. durch die Assoziation: „schön, aber dumm" oder „schön, aber arrogant" oder entsprechende Unterstellungen: O setzt ihr gutes Aussehen instrumenteil ein) auch S.schädigend wirken. Normalerweise lassen Menschen sich von sympathischen Pn leichter beeinflussen; allerdings könnten sie (z.B. bei CIALDINI) gelernt haben, dass es zur Validierung einer Einstellung manchmal nützlicher sein kann, diesen Wirkungskreis zu durchbrechen und unähnliche, möglicherweise sogar unsympathische (aber evtl. kompetentere oder verlässlichere) Menschen
Sympathie
Sympathie
zur objektiven Urteilsbildung heranzuziehen. Auch die Belohnungsreize, die uns Pn oftmals sympathisch erscheinen lassen, können die S. mindern, insbesondere dann, wenn hinter dieser Belohnimg (z.B. Geschenk) Absicht vermutet oder die bedrängende Notwendigkeit einer Gegenleistung perzipiert wird. Ähnliches gilt für empfangene Hilfeleistung (-»Hilfe-Empfönger), welche die eigene Schwäche unterstreicht und eine Art Verpflichtung darstellen kann. Umgekehrt kann die Hilfeleistung von P für O so attribuiert werden, dass man O mögen muss (in der dissonanztheoretischen Variante würde dies i.S. der -* Rechtfertigung des Aufwandes zu interpretieren sein).
umgekehrt werden, was die ebenfalls zutreffende Hypothese betrifft, dass Menschen sich ihre Interaktionspartner im Ausmaß der S. aussuchen. ARONSON & LINDER mitersuchten überdies den Sachverhalt, wonach P einer O, die zunächst negativ gegenüber P eingestellt war, weit mehr S. entgegenbringen wird, wenn sich deren Einstellung zum Positiven wandelt, im Vergleich zu einem anderen Interakteur, der schon immer positive (oder neutrale) Urteile über P abgegeben hat. Dieses kuriose Ergebnis lässt sich lerntheoretisch deuten. Bereits der Abbau der negativen Einstellung wird als Belohnungsreiz empfunden, zu dem sich dann zusätzlich die Belohnung aus der nun positiven Einstellung addiert (-> Exp. 10).
Strategien zum Erwerb von S. sind auch Einschmeichelungstaktiken (-•Einschmeichelung), die -insbesondere bei eitlen Pn - durchaus wirksam sein können; aber manchmal werden sie als absichtsvolle und unwahre taktische Äußerungen entlarvt und können Reaktanz auslösen. (4) Interaktionstheoretische Aspekte: Schon HOMANS formuliert - übrigens im Einklang mit der Balancetheorie- als Generalhypothese: „Je häufiger Menschen miteinander interagieren, desto sympathischer werden sie sich finden". Dieser Satz gilt, w i e bereits NEWCOMB v e r m e r k t , n u r
für den Fall freiwilliger Interaktion (also z.B. nicht unbedingt für den Arbeitskollegen, mit dem P zwangsläufig zusammenarbeiten muss oder für den Zellengenossen im Gefängnis). Außerdem kann die Kausalität
(5) Gruppen-Aspekte: Auf der Gruppenebene spricht man von Affektbzw. S.-Struktur. Diese wird meist operationalisiert durch das Ausmaß der gegenseitigen Wahlen im Hinblick auf bestimmte gemeinsame Aktivitäten (-»Soziometrie). Bei der Differenzierung von Führungsrollen kommt es (nach BALES) zu einem Splitting instrumenteller und sozioemotionaler Funktionen, meist auf zwei verschiedene Pn. Während der instrumenteile Führer nur in Ausnahmefallen auch das beliebteste (sympathischste) Gruppenmitglied ist, konzentriert sich die S. der Gruppenmitglieder eher auf den sozio-emotionalen Führer (-• Führung -* Führungsstile). Lit.: BERSCHEID, E . & REIS, H . T . ( 1 9 9 8 ) .
Attraction and close relationships. In: Gilbert, S.T. et al. (eds.) Handbook of social
555
Synergie-Effekt psychology. Vol. 2. New York, 193-281. HASSEBRAUCK, M . & KÜPPER, B . ( 2 2 0 0 2 ) .
Theorien interpersonaler Attraktion. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie. Bd. II. Gruppen-, Interaktions- und Lerntheorien. Bern, 156-177. HUSTON, T.L.
(ed.) (1974). Foundations of interpersonal attraction. New York.
Synergie-Effekt Zusammenwirken von Kräften in eine Richtung (-* Gruppenproduktivität). So erhofft man sich z.B. durch das —• Brainstorming S.-Effekte. Erwünscht sind auch sog. kumulative Wirkungen: Die jeweils vorausgegangenen Beiträge bilden Anregungsbedingungen fiir die Folgebeiträge. Ob solche Effekte allerdings auftreten, ist eine Frage der Aufgabencharakteristik, der Gruppenstruktur sowie der angewandten Prozeduren.
Systeme, soziale
als S. verstehen lassen, die zur Selbstregulierung und zur Erhaltung eines Gleichgewichtszustandes neigen. S. erscheinen in dieser Sicht auch planund steuerbar, wobei chaotische Komplexität reduziert und durch systemische Komplexität ersetzt werden soll (-> Kybernetik).
Das paradigmatische Bezugsfeld der Systemtheorien ist der Organismus. Die Organe des menschlichen Körpers, ja selbst die einzelnen Zellverbände stehen in bestimmten Austauschbeziehungen mit anderen Organen und Zellverbänden, und Eingriffe in diese Struktur bewirken eine Veränderung dieses komplexes Zusammenwirkens. Nach wie vor ist jedoch umstritten, ob die Organismus-Analogie für das Funktionieren von S. zulässig und fruchtbar ist. Man könnte nämlich die Frage der Systemisierung auch als Systematische Verarbeitung empirisches Problem sehen: als Frage —>• Heuristisch-systematisches Monämlich, inwieweit in gesellschaftlidell chen Strukturen tatsächlich InterdeSystematischer Fehler -»Bias pendenz der Teile auftritt. Die lapidare —> Anomalien —> Täuschungen, kog- Feststellung, dass in S. alles mit allem in Verbindung steht, hilft hier nicht nitive viel weiter, zumal sie unzutreffend Systeme, soziale sein dürfte. Eine besondere Art der sozialen StrukEin zentraler Aspekt systemtheoretitur, die durch starke Interdependenz scher Analysen besteht darin, dass die ihrer Teile geprägt ist. Dies bedeutet, Einheiten oder Sub-S. tendenziell der dass Veränderungen in einem Teilbefunktionellen Autonomie unterliegen, reich des S. Veränderungen auch in also eigenständige Ziele verfolgen anderen Teilen (Elementen) auslösen. oder den Anschluss verlieren (z.B. das Je nach Perspektive und Theorie könTechno-System dehnt sich schneller nen die Elemente des Systems sein: aus als das Rechts-System). Mit wachIndividuen, Rollen, Gruppen, Erwarsender Differenzierung von S. werden tungen, Handlungen, Kommunikatiodemnach re-integrierende Mechanisnen usw. Anhänger der Systemtheorie men erforderlich sein, um das S. funksind der Meinung, dass sich soziale tionsfähig zu halten. Hier sind oft lose Gebilde (z.B. die Gruppe, die Gemeingekoppelte S. (loose coupled systems) de sowie die Gesellschaft als Ganzes) von Vorteil, weil sie auf Umweltver556
Szenario Writing
Systeme, soziale
änderungen elastischer reagieren können. In der SP geht man mit dem S.-Begriff im Allgemeinen voraussetzungsloser um, und zwar v.a. in zwei Teilbereichen: auf dem Feld der Interaktion (Interaktionssysteme, soziale Netzwerke, Rollensysteme, Handlungssysteme, Selbstsystem etc.), wobei sich die Vernetzungen auf höherer AggregatEbene ergeben; zum anderen auf dem Feld der Kognitionen (semantische Netzwerke, kognitive Strukturen im Gleichgewicht, Einstellungssysteme, stereotype Systeme, Wissenssystem etc.). Aus dieser Sicht ist z.B. die Konsistenzproblematik systemtheoretisch zu deuten. Auch in der Organisationspsychologie macht man neuerdings stärker vom Gedanken selbstregulierender Systeme Gebrauch und liebäugelt bisweilen auch mit voraussetzungsvolleren systemtheoretischen Annahmen (z.B. der Autopoiesis), die allerdings vielfach bedenkenlos und ohne Klärung der jeweiligen Voraussetzungen der Anwendung übernommen werden. Anwendungsfelder sind u.a. die systemorientierte Organisationsentwicklung sowie die Konzeption der systemischen -* Führung, wobei zunächst meist gemeint ist, dass Entscheidungsträger in komplexen Zusammenhängen denken sollten und dass sie davon auszugehen haben, dass Eingriffe an einer Stelle A auch (manchmal höchst unerwünschte) Nebenwirkungen auf B, C oder D haben können.
Szenario-Technik Eine Verfahrensweise der empirischen Sozialforschung, bei der die Vp mit einer Bedingungskonstellation konfrontiert wird, wobei diese systematisch variiert werden kann. Am Beispiel: Die Vp soll die Deliktschwere einer kriminellen Handlung einstufen, wobei mehrere Szenarien vorgegeben werden, etwa Versicherungsbetrug in verschiedenen Abstufungen (Übertreibung eines Schadens, Vortäuschung eines Schadens, absichtsvolles Herbeifuhren eines Schadens). Gegen die S. wird gelegentlich der Vorwurf der Künstlichkeit von Situationen erhoben; allerdings lassen sich die jeweiligen Konstellationen sehr gut experimentell variieren und daher durchaus kausal interpretieren.
Szenario Writing Hier werden Laien oder Experten bestimmte Zukunftsentwürfe vorgestellt, die vielfach Extrapolationen gegenwärtiger Entwicklungstrends darstellen (—• Delphi-Methode). Ein Bsp. sind Szenarien, die aufgrund bestimmter ökonomischer Fakten (etwa Energieverbrauch, Fortschritte der NanoTechnologie) konzipiert werden und gewisse Konsequenzen deutlich machen. Obgleich es sich hier um wichtige Denkmodelle für politische Entscheidungen handelt, sind Prognose und Prophetie oftmals kaum zu unterscheiden.
557
Tabu
Täuschung, interaktive
T
Tabu Aus dem Polynesischen übernommener Begriff für „Unberührbarkeit", verbunden mit Verboten, bestimmte Handlungen zu begehen (z.B. sexuelle Handlungen unter Geschwistern). Der Begriff wird heute auch in verallgemeinertem Sinne gebraucht (z.B. ein bestimmtes Thema sei „tabu"). Zudem wird der Ausdruck vielfach in abwertendem Sinne für jedes rational nicht begründete Verbot verwendet.
Tätigkeitspsychologie Ehemals sowjetisches Pendant zur Handlungstheorie, das auch die (ost-) deutsche Arbeitspsychologie (z.B. HACKER) beeinflusst hat. D i e sp K o m -
ponente kommt in diesen Konzepten zur —> Handlungsregulation meist zu kurz.
Täuschung, interaktive -*• Lüge T. sind ein Aspekt der Glaubwürdigkeitsdiagnostik (—• Glaubwürdigkeit) wobei insbesondere inkonsistente Aspekte der Darstellung (z.B. Widersprüche zwischen verbalen und nonverbalen Signalen) den Eindruck der T. vermitteln. T. wird v.a. auch dort vermutet, wo der Rezipient beim Kommunikator Eigeninteresse (Interessengebundenheit) vermutet (-* Kommunikation, soziale Kommunikation, non-verbale). Im Hinblick auf den erschwerten Umgang mit T. werden drei theoretische Ansätze diskutiert: (a) Aktivationstheorien, die im Falle der T. verstärkte Erregungssteigerung vermuten, ausgelöst etwa 558
durch Entdeckungsangst, Konflikt zwischen Wahrheit und T. oder durch -» Schuldgeföhle und -* Scham (Affekttheorie des Lügens); (b) Theorie der Selbstkontrolle, wobei man besondere Anstrengungen unternehmen muss, die beim Rezipienten mutmaßlichen Situationsdeutungen zu umgehen und durch entsprechende -* Selbstüberwachung zu verbergen; (c) Theorie erschwerter Informationsverarbeitung: Die T. muss in ein Lügensystem eingebaut werden; alle folgenden Kommunikationen sind darauf abzustimmen. Dies führt dazu, dass die Kommunikation angestrengter verläuft und manchmal -besonders bei hoher Bedeutsamkeit/Motivation - zu einem „overdoing" führt, was wiederum beim Rezipienten den Eindruck der T. verstärkt. Als Determinanten der T. werden diskutiert: (a) Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen (insbesondere Tendenz zur -* Selbstüberwachung, Extraversion, Machiavellismus, Geschlecht sowie Selbstkontrolle); (b) Kontextvariablen (Interaktionssituation, Beobachtbarkeit, Grad der sozialen Präsenz); (c) Motivation (Komponente 1: Das Erreichen des Zieles der T. kann in Frage gestellt sein; Komponente 2: Die Entlarvung als T. muss vermieden werden); (d) T.-Gegenstand (Entdeckungswahrscheinlichkeit, Bedeutsamkeit, Selbstbetroffenheit).
Täuschung, kognitive
Täuschung, kognitive Systematische Urteilsfehler (-> Anomalien). Diese treten auch unter Vorwarnungsbedingungen auf. Professionelle Beurteiler (z.B. Analysten auf Finanzmärkten) sind ebenfalls den gleichen Urteilsfehlern unterworfen, wenn auch in abgeschwächter Form. I.e.S. werden T. mit den zentralen Heuristiken in Verbindung gebracht, nämlich mit der -» Verßigbarkeits-, -* Anker- und der -* Repräsentativitäts-Heuristik (-> Exp. 9). I.w.S. ist insbesondere das von KAHNEMAN & TVERSKY initiierte Forschungsprogramm „biases and heuristics" hier einzubeziehen. Viele der dort untersuchten Denk- und Urteilsfehler wurden auch von Ökonomen aufgegriffen, die in den entdeckten Anomalien Verstöße gegen -* Wert-Erwartungs-Theorien sehen mussten, was jedoch bisher nicht zu einer Gesamtrevision ökonomischer Denkmodelle geführt hat. Da die hierbei diskutierten Effekte inflationär, eklektisch und vielfach anekdotisch wirken, hat man versucht, diese Anomalien auf die zentralen Heuristiken zurückzuführen, z.B. die gamblers fallacy oder die conjunction fallacy auf die RepräsentativitätsHeuristik; den -* hindsight-bias, den falschen -* Konsensus, den Effekt der -* Perseveranz sowie den egozentrischen Irrtum auf die Verfügbarkeitsheuristik; das -* Framing oder die Tendenzen, riskantes Verhalten im Gewinnbereich zu meiden, im Verlustbereich dagegen zu favorisieren Prospect theory) auf die AnkerHeuristik. Noch übergreifender ist der reduktionistische Versuch, alle diese T. auf eine „Mutter-Heuristik" (z.B.
Taylorismus
Verfügbarkeits-Heuristik, -> Zugänglichkeit) zurückzuführen. Taktik Im Gegensatz zur langfristig angelegten Strategie mit festen Zielen, Plänen und Prinzipien verfolgt die T. kurzfristige Beeinflussungserfolge. So wird z.B. beim Impression management explizit zwischen T. und Strategien unterschieden; allerdings hat sich diese Trennung in empirischen Studien nicht bewährt. TAT Thematischer Apperzeptions-Test. Von MURRAY entwickeltes projektives Testverfahren, bei dem eine P aufgefordert wird, zu verschiedenen Bildtafeln je eine Geschichte zu erzählen. Das Reizmaterial ist dabei mehrdeutig und bewusst vage-diffus gehalten; dies soll die P anregen, ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle in die Vorlage zu projizieren. Der T. ist insbesondere in der Erforschung der -*Motivation verwendet worden (auch zur Messung sozialer Motive) und wurde später v.a. im Umkreis der -* Leistungsmotivation angewandt. Das Verfahren wird dabei etwas überstrapaziert; auch ist es im Hinblick auf die wichtigsten Gütekriterien der Messung nicht unumstritten. Tausch theorien
Austausch -> Austausch-
Taylorismus System der Effizienzsteigerung, das auf hoher Arbeitsteilung, kurzzyklischen Taktzeiten und minimalen Handlungsspielräumen beruht. Der Grundgedanke TAYLORS war, den Ar559
Team
beitsprozess zu partikularisieren und unter technologischen Gesichtspunkten neu zusammenzusetzen. Diese Praxis der Arbeitsfragmentierung fand in der arbeitspsychologischen Diskussion zunehmend Kritik: einmal im Hinblick auf die Vervollkommnung der Kontrolle des Arbeitsprozesses i.S. der Herrschaftssicherung, zum anderen hinsichtlich der Zerstückelung von Arbeitsabläufen, die zur Sinnentleerung und -»Entfremdung des Menschen fuhren können. Neue Formen der Arbeitsstrukturierung zielen daher in die Richtung der Arbeitsbereicherung (-> job enrichment).
Team Arbeitsgruppen oder Spielgruppen (—• Sport), die durch bewusst aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken (-> Kooperation) ein bestimmtes Leistungsergebnis anstreben (—> Gruppenproduktivität). T. sind meist durch das Prinzip der Komplementarität geprägt, d.h. durch unterschiedliche Kompetenzen der Mitglieder, die in einer Art Ergänzungsverhältnis zueinander stehen. Typisch für T. sind sog. konjunkte Aufgaben, bei denen die Gruppenleistung dem schwächsten Glied der Gruppe entspricht (z.B. ein Streichquartett), was allerdings zur Voraussetzung hat, dass die einzelnen Leistungsbeiträge gleichwertig und unverzichtbar sind. Üblicherweise wird im Arbeitsbereich zwischen Beratungs-, Produktions-, Projekt- und Handlungs-T. unterschieden. Dabei gilt, dass T. nur für bestimmte Aufgabenbereiche effizient sind und dass Gruppennachteile (—> Gruppendenken -* Faulheit, soziale) auch in T. auftreten können, wenn 560
Terror management
gewisse Rahmenbedingungen starkes -» Commitment) fehlen.
(z.B.
Terror management Die T.-Theorie von SOLOMON et al. sowie GREENBERG et al. befasst sich mit Reflexionsprozessen der eigenen Vergänglichkeit (Tod) und der geringen individuellen Bedeutung im Hinblick auf den Gang der Welt. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod wird als Bedrohung empfunden (hier missverständlich als Terror bezeichnet), die durch kollektive Regelungsmechanismen (-> Religion) in Form bestimmter kultureller Vorstellungen, die dem menschlichen Leben -* Sinn verleihen, abgepuffert wird. Dabei sind Ideen über ein Weiterleben nach dem Tod oder aber die Schaffung überdauernder Werte hilfreich. Säkularisierte Kulturen (-> Wertsystem) haben hier bezüglich Sinnstiftung gewisse Defizite. Diese und ähnliche Vorstellungen lassen sich unschwer aus der -* Dissonanztheorie ableiten. Die Vertreter der T.-Theorie sehen ihren Ansatz jedoch als umfassende Makro-Theorie an, die vielfältige Möglichkeiten der Verknüpfung mit anderen Theorien erlaube. Insbesondere stellen sie Verbindungen zur Selbstkonzept-Forschung her: Das Selbstwertgefiihl dient hierbei der Angstabwehr und trägt dazu bei, dass Menschen sich als bedeutungsvoll erleben, so dass eine entsprechende Pufferwirkung auftritt. In empirischen Untersuchungen wird insbesondere die Mortalitätssalienz (—• Salienz) erhöht, indem die Pn solchen Stimuli ausgesetzt werden, die den Gedanken an den eigenen Tod auslösen. Die bisher vorliegenden Be-
Tests
funde scheinen zu belegen, dass hohe Mortalitätssalienz die BinnengruppenFavorisierung, die Neigung zum Ethnozentrismus und zur Stereotypisierung sowie die Aggressionsneigung verstärkt.
Tests Wichtigste Methode der Psychodiagnostik, wobei meist nicht die Aufdekkung allgemeiner Gesetzmäßigkeiten im Vordergrund steht, sondern die Untersuchung individueller Merkmalsunterschiede. Die Situation ähnelt im Prinzip deijenigen des Experiments, wobei im Unterschied hierzu die Stimulus-Bedingungen konstant bleiben, während die Test-Pn variieren. T. müssen den Hauptkriterien der Messung (Objektivität, -» Reliabilität und Validität) genügen. Nach LIENERT lassen sich Intelligenz-, Leistungsund Persönlichkeits-T. unterscheiden (—• Eignungsdiagnostik). Eine besondere Art von T., die einer anderen Denktradition entstammen, stellen die sog. projektiven Tests dar, die von der Vorlage sehr unstrukturiert sind, also keine „richtige" Lösung beinhalten, sondern von P i.S. ihrer Motive und Bedürfnisse gedeutet werden sollen.
Theorien T. sind Systeme von Aussagen, die dazu dienen, reale Sachverhalte in einem bestimmten Bereich gedanklich zu strukturieren, zu erklären und vorauszusagen. Der -> kritische Rationalismus legt Wert auf die Feststellung, dass T. deduktiv formuliert sein müssen, da es kein induktives Verfahren der T-.Gewinnung gibt.
Theorien (der Sozialpsychologie)
Theorien (der Sozialpsychologie) In der SP wurden außerordentlich viele Theorien mit unterschiedlichstem Informationsgehalt formuliert (—• Sozialpsychologie als Disziplin). Eine informative und neuere Zusammenstellung der wichtigsten T. findet der Leser in den drei Bänden von FREY & IRLE:
(a) Band 1 (2001): Kognitive Theorien (z.B. die —• Dissonanztheorie)', (b) Band 2 (2002): Motivations-, Selbst- und Informationsverarbeitungstheorien (z.B. die Theorie der kognizierten Kontrolle)-, (c) Band 3 (2002): Gruppen-, Interaktions- und Lerntheorien (z.B. Theorien interpersonaler -* Attraktion). I m Lehrbuch v o n FISCHER & WISWE-
DE sind die wichtigsten sp Theorien entweder in Originalfassung oder in zusammenfassenden Explikationen dargestellt. Es empfiehlt sich im Übrigen schon aus Gründen der Übersichtlichkeit, die T. nach dem Ausmaß ihrer Reichweite zu gruppieren. T. mit relativ hoher Reichweite sind z.B. die Lerntheorien, die Konsistenztheorien und die Theorien der Informationsverarbeitung. Gegenwärtig verspricht man sich insbesondere von den letztgenannten eine Integration der SP in die kognitive Psychologie. Die meisten T. sind solche mittlerer Reichweite (z.B. die Theorie sozialer -* Vergleichsprozesse, die —• Reaktanztheorie, die Theorie sozialer Identität). Allerdings gibt es - meist satellitenartig um bestimmte Themenbereiche gruppierte - Minitheorien von sehr eingeschränktem Anwen561
THOMAS-Theorem
Theorie, subjektive
dungsbereich. Einige dieser T. (z.B. die -* Impression-management-Theorie) melden gelegentlich imperialistische Ansprüche an und versuchen auch auf solchem Terrain Lösungen anzubieten, das bisher von anderen T. beansprucht wurde. Reichweite ist daher auch immer eine Frage der Forschungsperspektive. Theorie, subjektive Weitgehend synonym mit: Naiver Theorie, Laientheorie, Alltagstheorie, impliziter Theorie. Manchmal wird der Begriff T. auch als Oberbegriff für eine Reihe von Konzepten verstanden, die „Theorien" (oder „Hypothesen") zum Gegenstand haben, die die P über sich selbst und ihre Umwelt bildet und anwendet. Der Ausdruck „Theorie" wird hier nicht dem Wissenschaftler (Meta-Bereich) zugeschrieben, sondern dem Akteur (Objekt-Bereich). Im Allgemeinen sind T. simplexer als wissenschaftliche Theorien; außerdem sind sie keinen strengen Prüfkriterien ausgesetzt. Die sp besonders wichtigen Konzepte sind:
wobei Hypothesensysteme „Theorien" darstellen; (d) das Konzept der personalen Konstrukte, mit denen ein Mensch (KELLY zufolge) die Welt strukturiert und versteht; (e) das Forschungsprogramm von GROEBEN, wonach T. überdauern-
de Kognitionssysteme darstellen, die mit wissenschaftlichen Theorien strukturelle Ähnlichkeit aufweisen. T. können auch bereichsspezifisch differenziert werden, z.B. im Hinblick auf Vorstellungen zur -* Gerechtigkeit, im Hinblick auf die Wahrnehmung von Gruppen, oder mit Bezug auf die Beurteilung von Mitarbeitern. Lit.: CRONBACH, J . L . (1955). Process affecting scores on understanding of others and assumed similarity. Psychological Bulletin, 52,177-193. GROEBEN, N. et al. (1988). Das Forschungsprogramm subjektive Theorien. Tübingen. HEIDER, F . (1958). The psychology of interpersonal relations. New York (dt. 1977). KELLY, G . A . (1955). The psychology of personal constructs. New York. MONTADA, L. et al. (Hg.) (1983). Kognition und Handeln. Stuttgart. RIEMANN, R . (1987). Struktur und Organisation persönlicher Konstrukte. Regensburg.
(a) Die naive Verhaltenstheorie (nach HEIDER) i.R. der Erforschung von
Verweis-Attributionen, wobei kausale Verknüpfungen im Vordergrund stehen; (b) -* Implizite Persönlichkeitstheorien (nach TAGIURI oder CRONBACH) als Annahmen, wie die Ei-
genschaften der menschlichen Persönlichkeit zusammenhängen; (c) die Hypothesentheorie der Wahrnehmung (nach BRUNER und POSTMAN), die davon ausgeht, dass (soziale) -* Wahrnehmungen stets hypothesenimprägniert sind, 562
THOMAS-Theorem THOMAS formuliert als Leitsatz, dass
gesellschaftliche Akteure nicht danach handeln, wie sich eine Situation objektiv darstellt, sondern wie sie glauben, dass sie wäre (-» Definition der Situation). Wörtlich: „If men define situations as real, they are real in their consequences". Eine solche subjektivistische Sicht ist für Psychologen ohnehin selbstverständlich; sie war von THOMAS eher an die Adresse einer objektivistisch verfahrenden Soziologie gerichtet und wurde insofern auch
TOTE-Modell
THURSTONE-Skala
vom -* Symbolischen Interaktionismus als Kernpostulat in Anspruch genommen. THURSTONE-Skala Einstellungsskala (-»Einstellungsmessung), die nach der Methode der gleich erscheinenden Intervalle konzipiert ist. Zu einem bestimmten Problem (z.B. Abtreibung) werden verschiedene Items formuliert, die unterschiedliche Intensitätsstufen der Einstellung wiedergeben. Dabei platzieren Experten jedes Item auf einer 11stufigen Skala, wobei sie allerdings nicht ihre eigene Einstellung markieren, sondern das Item nach dem Ausmaß der in ihm zum Ausdruck kommenden Einstellung (1-4: konträr zum zu messenden Einstellungsobjekt; 5-7: neutral; 8-11: unterstützend) einordnen. Für die T. werden letztendlich solche Items übernommen, die von den Experten relativ einheitlich zugeordnet wurden und insgesamt das komplette Einstellungsspektrum von 1-11 abdecken. Tiefeninterview Ausführliches qualitatives Interview (-»Methoden), auch: Intensivgespräch, das v.a. in der ersten Forschungsphase das Ausloten nicht unmittelbar evidenter Sachverhalte erlauben soll (z.B. motivationale bzw. emotionale Aspekte). Teilweise wird das T. mit tiefenpsychologischen Implikationen verbunden. Im Hinblick auf strengere Messkriterien handelt es sich hier um ein „weiches" Verfahren mit entsprechenden Entdeckungschancen wie auch Fallgruben.
Tit for tat Im Rahmen experimenteller —• Spiele das Prinzip der -+ Reziprozität: Gleiches mit Gleichem vergelten. Eine solche Strategie erweist sich - neben einem rein kompetitiv-egoistischen Vorgehen- als evolutionsstabil (->• Kooperation). Manchmal (insbesondere bei kompetitivem Beginn) ist die T.-Strategie zu kurzatmig; deshalb kann ein „verzeihendes" Verhalten der Spieler - man lässt einen non-kooperativen Schritt zu und antwortet dennoch kooperat i v - einen kompetitiven Teufelskreis durchbrechen. Top-down-Wahrnehmung Konzeptgesteuerte Wahrnehmungsprozesse, die gewissermaßen von oben nach unten verlaufen (Gegensatz: bottom-up-Wahrnehmung) und daher eher deduktiv gesteuert sind. Das Bezugssystem kann elaboriert sein (z.B. komplexe Konstrukte oder Konzepte) oder aber aus einfachen —• Schemata oder Heuristiken bestehen (-* Wahrnehmung, soziale). Top of the bead-Phänomen Zugänglichkeit -» VerfugbarkeitsHeuristik TOTE-Modell Das T. (test-operation-test-exit) stellt eine Art kybernetisches Motivationsmodell dar. Abweichungen zwischen Erwartungswerten (Soll-Werten) des kognitiven Bezugssystems und den jeweiligen Ist-Werten andererseits (die in einer Testphase festgestellt werden) veranlassen den Menschen zur Entwicklung von Absichten oder Plänen und damit auch zu Handlungen (Ope563
Training
rationen) die geeignet sind, die Diskrepanz zu beseitigen. Es handelt sich beim T. um ein Modell der Handlungsregulation Handlungskontrolle), das auch auf der Basis einer kognitiven Lerntheorie interpretiert werden kann. Training T. kann die verschiedenartigsten Bereiche erfassen; die wichtigsten davon sind leistungsorientiert (Verbesserung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, Erwerb von Fachkompetenz, Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit etc.). Für die SP von besonderer Relevanz sind T.-Bereiche und T.-Methoden, die mit bestimmten sp Konzepten verbunden sind, bspw.: (a) Motivations-T., insbesondere die Förderung der Leistungsmotivation-, (b) Attributions-T., v.a. Schaffung von Erfolgszuversicht durch selbstwertdienliche und leistungssteigernde —• Attributionsstile; (c) Kompetenz-T., wobei insbesondere die über die bloße Fachkompetenz hinausgehende kommunikative bzw. soziale Kompetenz angesprochen ist (z.B. Verkaufs-T.); (d) Kreativitäts-T., v.a. die Förderung innovativen und divergenten Denkens (—• Kreativität)', (e) Belastungs-T., insbesondere im Hinblick auf Siress-Resistenz und —• Stresskontrolle-, (f) Gruppendynamisches T.: z.B. Sensitivity-T., Einübung in kooperatives Denken, Förderung der Teamfahigkeit (—> Gruppenproduktivität -* Teams)',
564
Transfer
(g) Führungs-T., insbesondere Einübung situativ einzusetzender —• Führungsstile. Die Effizienz von T.-Maßnahmen ist in verschiedenen Bereichen durchaus unterschiedlich. Trotz vielfach skeptischer Einschätzung scheinen neuere Evaluations-Studien eine (gedämpft) positive Beurteilung anzudeuten. Die Wirksamkeit von Schulungs- und T.Maßnahmen ist im übrigen auch von Bedingungen abhängig, die den Transfer in die Alltagssituation bzw. die Praxis gestatten. Trait-Ansatz -> Persönlichkeitsmerkmale Transaktionale Führung Belohnungsorientiertes Führungsmuster, das dem Prinzip des Austauschs von Belohnungen folgt. Insofern gehört dieses Verständnis von Führung zur Gruppe der Interaktionstheorien der Führung, die insbesondere die Wechselseitigkeit der Austauschprozesse betont Anreiz-Beitrags-Theorie). Prinzipien der T. sind - wie auch im Falle der Austauschtheorien —> Rationalität und -* Reziprozität. Transfer Einfluss, den eine Lernaktivität auf nachfolgende Lernprozesse ausübt. Als spezifisches Problem wird der T. bestimmter Lehrinhalte (z.B. i.R. der Personalentwicklung) in die Alltagssituation bzw. die Praxis angesehen. Nach BALDWIN & FORD wird ein solcher T. am ehesten erreicht, wenn (a) zwischen Lern- und Realsituation identische Stimulus- und Response-Elemente bestehen;
Transformation
(b) nicht spezifische, sondern allgemeine Regeln oder Prinzipien vermittelt werden; (c) eine Vielzahl unterschiedlicher Schulungs- oder Trainingselemente (Stimulus-Variabilität) eingesetzt wird (typisch v.a. beim —• Modell-Lernen)\ (d) verteilt (anstatt massiert) gelernt wird und entsprechendes Feedback erfolgt. Bleibende Lernresultate dürften sich lediglich dann einstellen, wenn die Anwendung des Gelernten im transferierten Bereich zumindest mittelfristig zu positiven Konsequenzen führt.
Transformation Nach den Vorstellungen der -* Interdependenztheorie (KELLEY & THIBAUT) die Abkehr von der Präferenz des unmittelbaren Eigeninteresses, indem man eine langfristigere Orientierung einnimmt oder den Handlungsergebnissen anderer Pn Bedeutung zukommen lässt. Die häufigsten Fälle sind die kooperative T. (-»• Kooperation: bewusstes Hintanstellen eigener Interessen zu Gunsten des gemeinsamen Ergebnisses) sowie die altruistische T. (Dinge tun, die vorwiegend dem Anderen nutzen). Die Ursachen der T. sind zu sehen: (a) in Dispositionen der Handelnden (z.B. ihren Wertorientierungen); (b) in Überzeugungen im Hinblick auf das Verhalten des Anderen (z.B. gegenseitiges Vertrauen)-, (c) in den Merkmalen der Beziehung (insbesondere deren emotionalen Ladung sowie in der sozialen Bindung); (d) in sozialen Normen (z.B. Gerechtigkeitsnormen, Normen zum
Transformationale Führung
-* Hilfeverhalten, Normen Verantwortung).
der
T.-Prozesse können auch regredieren. So kann z.B. altruistisches Verhalten reduziert oder gelöscht werden, wenn sichtbar wird, dass der Begünstigte einseitig Vorteile anstrebt. Auch kann kooperatives Verhalten vermindert werden, wenn das Vertrauen in die Zusammenarbeit schwindet. Selbst eigennütziges Handeln mag einem feindseligen, kompetitiven Verhalten weichen, wenn der Interaktionspartner aggressiv agiert.
Transformation, altruistische I.R. der -* Interdependenztheorie eine von mehreren Möglichkeiten der -* Transformation. Die T. impliziert, dass Menschen am Wohlergehen Anderer interessiert sind. Insbesondere ist dies bei sozialen —• Beziehungen vom Typ der romantischen -* Liebe und Zuneigung der Fall (-> Altruismus).
Transformationale Führung Führungsmuster, das insbesondere in schwierigen Phasen des Übergangs und des Aufbruchs notwendig ist, um klare Konzeptionen und Zielvorstellungen („Visionen") durch möglichst charismatischen Anspruch gleichsam missionarisch durchzusetzen (-»charismatische Führung). Von einem solchen Führungsstil wird erwartet, dass die Inspiration und intellektuelle Stimulierung Ressourcen an intrinsischer Motivation schafft oder freilegt. Das leitende Prinzip der T. ist demnach Emotionalität. Dabei wird allerdings der Führende stark idealisiert; dies gibt zur Befürchtung Anlass, dass dabei Vorstellungen vom „great man" 565
Transportspiel
als Führungsideologie werden.
Trucking game
wiederbelebt
Transportspiel -*• truckinggame Treatment Einführung eines Stimulus, der bei —" Experimenten als unabhängige Variable gelten soll. Trennung -> Beziehungen, ->• Scheidung
soziale
Treue Das Festhalten an einer Beziehung zu Pn (z.B. eheliche T.) oder Objekten (z.B. Marken-T.). Der Begriff T. ist in der SP nicht explizit definiert; im Hinblick auf mögliche Hintergrund-Motivationen empfiehlt es sich allerdings, verschiedene Formen der T. zu unterscheiden: (a) kognitive T. auf Grund von Überzeugungen (z.B. in Bezug auf positive Konsequenzen); (b) affektive T. auf Grund affektivemotionaler Bindung (z.B. durch —• Sympathie, -> Liebe, Geborgenheit) sowie (c) habituelle T. auf Grund bloßer -* Gewohnheit oder Risikomeidung. Triade Eine aus drei Pn bestehende soziale Gruppe. In der T. treten einige Besonderheiten auf, die weder in der -* Dyade noch in der Vollgruppe vorkommen. Insofern gilt die T. als besonders problematisch, weil sich vielfach zwei Pn gegen die dritte verbünden (tertius miserabilis).
566
Trieb Bezeichnung für einen Handlungsantrieb, der auf einem angeborenen Bedürfiiis (primärer T.) oder auf einem Lernprozess (sekundärer T.) beruht. In der SP geht man mit dem Begriff T. eher sparsam um und verwendet stattdessen den neutraleren Ausdruck -* Motiv bzw. -* Motivation. Von besonderer Tragweite waren Auseinandersetzungen mit dem T.-Modell i.R. der Forschung zur Aggression (z.B. Triebstau-Modell). Anhänger von T.Theorien glauben vielfach, den Einfluss der Lernumwelt und der spezifischen sozialen Randbedingungen vernachlässigen zu können. Trittbrettfahrer-Effekt (I) Der T. (free rider effect) tritt i.R. eines sozialen -* Dilemmas auf (-> Kollektivgut). Es liegt im egoistischen Interesse jedes Einzelnen, keinen Beitrag zur Schaffung eines öffentlichen Gutes zu leisten. Wenn viele Andere sich ebenfalls vor der Leistung drücken, hat dies zur Folge, dass es auch jedem Einzelnen schlechter geht, als wenn alle dazu beigetragen hätten. (II) Der T. wird auch im Gruppenkontext beobachtet, insbesondere dann, wenn man mit der eigenen Anstrengung nachlässt, weil z.B. die Gefahr des Entdecktwerdens sehr gering ist (-»RlNGELMANN-Effekt),
in dem Ver-
trauen darauf, dass die Anderen sich engagieren (-• Faulheit, soziale). Trucking gante Asymmetrisches experimentelles Spiel (-> Exp. 29), in dem die beiden Spieler gegenläufig ein Ziel erreichen müssen, das durch eine kürzere,
Truismen
aber einspurige Strecke oder aber durch eine längere, zeitraubendere Ausweichstrecke erreicht werden kann. Dies macht gegenseitige -* Kooperation notwendig, die jedoch in dem Moment stark eingeschränkt wird, in dem eine der beteiligten Parteien (oder beide) über bestimmte Drohmöglichkeiten verfugt. Truismen Teilklasse von Einstellungen, die i.R. einer Gruppe oder Kultur allgemein akzeptiert und für selbstverständlich gehalten werden. Sie sind durch Argumente leicht angreifbar, denn diejenigen, die T. vertreten, sind weder motiviert noch geübt darin, diese gegen anderslautende Argumente zu verteidigen. MCGUIRE hat betont, dass T. durch -* Inokulation (~> Abwehrmechanismen) vor Angriffen geschützt werden können (Immunisierungsstrategie, die darin besteht, dass Einwände gegen den T. bereitgestellt
Typisierungsschema
werden, die anschließend sofort der Widerlegung ausgesetzt werden; zweiseitige Argumentation). Two-step-flow
-*Meinungsfiihrer
Typ A/B-Verhalten Unterscheidung von FRIEDMAN und ROSENMAN. Pn, die dem Typ A angehören, sind durch starkes Leistungsstreben, Zeitdruck, Ungeduld sowie Aggressivität charakterisiert. Sie sind besonders anfallig für Stress; nach den Autoren ist bei ihnen das Risiko für das Auftreten koronarer Erkrankungen erhöht. Typisierungsschema Der —• Symbolische Interaktionismus versteht soziale Rollen als T. (-> Schema Stereotyp). Im Gegensatz dazu ist der funktionale Rollenbegriff eher an normativen Erwartungen qua Position ausgerichtet.
567
u Überaktivation Zustand der {physiologischen) -* Aktivation oder Erregung, der über das Maß optimaler Anregung hinausgeht. Mit wachsendem Anregungspotenzial wächst zunächst ein positiver Gefühlston, der bei weiterer Steigerung wieder abfallt, um schließlich negative Gefühle auszulösen. BERLYNE sowie HUNT postulieren ein primäres Motiv der Erregungsoptimierung (-> YERKESDODSON-Kurve).
I m Z u s t a n d der Ü .
(auch: Übermotivation) lässt auch die Leistung sowie die Qualität der Informationsverarbeitung nach (umgekehrt u-förmiger Verlauf zwischen Motivationsstärke und Leistungseffizienz).
Überbehütung Übertriebene Form der Fürsorge beim Kind (-• Sozialisationsstile), v.a. durch die Mutter. Mögliche Folgen sind u.a.: Übertragung von Ängsten auf das Kind, Störungen des Bindungsverhaltens, Beeinträchtigung der Entwicklung zur Selbständigkeit und Unabhängigkeit, Neigung zur Konformität.
Überformung Abwandlung von Verhaltensweisen durch soziale oder kulturelle Angleichung (—• Normen, soziale).
Über-Ich In der Psychoanalyse FREUDS eine Persönlichkeitsinstanz, die als Zensor der Triebe fungiert und ein Desiderat der elterlichen Sanktionsinstanz darstellt. Das Ü. repräsentiert internalisierte Normen und Moralvorstellungen (-> Internalisierung) und ist zugleich 568
die Verkörperung des -»• Gewissens. Bei FREUD dominiert in starkem Maße der repressive Aspekt der -» Sozialisation.
Überlegtes Verhalten Im Rahmen der Bemühungen, das Einstellungskonzept näher an faktisches Verhalten heranzuführen - also die Kluft zwischen Einstellung und Verhalten zu schließen (-» Einstellungswirkungen) - haben FISHBEIN & AJZEN eine „theory of reasonned action" formuliert. Diese Theorie (auch: Theorie des vernünftigen bzw. - missverständlicher - begründeten Verhaltens) enthält als abhängige Variable die Verhaltensintention bzw. das faktische Verhalten und geht damit von der Voraussetzung aus, dass die Verhaltensintention die wichtigste Einflussvariable für faktisches Verhalten ist. Die Determinanten der Verhaltensintention sind die Einstellungskomponente sowie die Komponente der subjektiven Norm. Im Gegensatz zu den meisten Einstellungstheorien kennzeichnet „attitude" nicht die Einstellung zu einem Einstellungsobjekt (z.B. Kaufobjekt, Person), sondern zu einem bestimmten Verhalten (z.B. Steuerhinterziehung, Ernährungsverhalten). Die Einstellung setzt sich ihrerseits wieder aus zwei Subkomponenten zusammen, die multiplikativ miteinander verknüpft werden: „beliefs" (Überzeugungen der P, dass ein Verhalten zu bestimmten Konsequenzen führt) sowie „values" (Bewertung dieser Ergebnisse). Da die Überzeugungen auch als Wahrscheinlichkeitsurteile (antizipative —• Erwartungen) inter-
Überreden
Überlegtes Verhalten
pretiert werden können, basiert dieser Erklärungsstrang auf einer —> Wert-Erwartungs-Theorie. Expectation of outcome
Sttueor consequences
Attitude W, Intention W2
Normative beliefs
Motivation to comply
Kontext
/r
Behavior
Situation
Social pressure
Die Norm-Komponente setzt sich gleichfalls aus zwei Subkonstrukten zusammen: „normative beliefs" (Überzeugungen bzw. Wahrscheinlichkeiten, dass seitens bestimmter Bezugspersonen oder Bezugsgruppen normative Erwartungen bestehen), sowie ebenfalls multiplikativ verknüpft „motivation to comply" (Bereitschaft, diesen normativen Erwartungen zu folgen -> Konformität). Subjektive Norm und Einstellung zum Verhalten determinieren die Absicht (Intention), wobei sog. „weights" über die relative Wichtigkeit von Einstellungen und normativen Überlegungen entscheiden. Solange diese „weights" Undefiniert bleiben, kann über die Gewichtung der beiden Komponenten nichts ausgesagt werden. Inzwischen gibt es jedoch Überlegungen im Hinblick auf Anschlusstheorien, die auf interindividuelle Unterschiede hinweisen. Pn mit hoher Tendenz zur —• Selbstüberwachung neigen dazu, die normative Komponente stärker zu gewichten. Pn mit großer -> Selbstaufmerksamkeit sowie starken Bedürfnissen nach -»Selbstkonsistenz werden eher die Einstellungskomponente berücksichtigen.
Auch an einer anderen Stelle ist die Theorie anschlussbedürftig, nämlich dort, wo eine Überbrückung zwischen Verhaltensintention und tatsächlichem Verhalten allzu kurzschlüssig unterstellt wird. Hier wäre die Theorie durch neue volitionale Ansätze (z.B. -* Rubikon-Modell -> Handlungskontrolle) zu ersetzen (-> Volition). Auch der Vorschlag von A j z e n ( - » geplantes Verhalten), die Theorie durch eine dritte Kernvariable, nämlich wahrgenommene Kontrolle (control beliefs) zu ergänzen, macht das Konzept erklärungskräftiger. A j z e n betrachtet die Theorie des Ü. als Spezialfall der Theorie des geplanten Verhaltens, der dann vorliegt, wenn die subjektive Kontrollierbarkeit maximal ist. Die hier vorgelegte Theorie erweist sich demnach - zumal mit der zusätzlichen Kontrollvariablen - für alle Handlungen als fruchtbar und erklärungskräftig, die aufwändige kognitive Prozesse unterstellen. Da das Konzept das Wert-Erwartungs-Konstrukt als bewährtes Grundelement enthält, dürfte es auch für motivations- und lerntheoretische Befunde anschlussfähig sein. Die empirischen Ergebnisse, die mittlerweile ein großes Spektrum verschiedenster Verhaltensbereiche (z.B. Bereitschaft, Blut zu spenden, Steuern zu hinterziehen, Konsumobjekte zu kaufen) demonstrieren - wie diesbezügliche Meta-Analysen zeigen die Leistungsfähigkeit der Theorie. Übermotivation -»• Überaktivierung Überreden Soziale Beeinflussung aufgrund schwacher Argumente. Sie gelingt 569
Übersozialisation
umso eher, je labiler, indifferenter oder ambivalenter die jeweiligen präkommunikativen Einstellungen sind. Die dabei erfolgende Verhaltens- oder Einstellungsänderung ist meist nur temporär und keineswegs stabil (-»• Überzeugen), da i.S. ELM lediglich die periphere Route der Informationsverarbeitung durchlaufen wird. Eine Klassiiikation von Überredungstaktiken, deren sich Einflussgeber häufig bedienen, liefert CIALDINI (-> Beeinflussung). Übersozialisation Konzept von WRONG, nach dem allzu starke und übertriebene Regelbefolgung (-• Konformität) ein unerwünschtes Sozialisationsergebnis sein kann (-> Sozialisation). Häufig wird Ü. durch -»• Überbehütung ausgelöst. Übersummationsprinzip Prinzip von ASCH, der betont, dass der Gesamteindruck von einer P mehr ist als die Summe der Einzeleindrücke (-> Emergenz). Überveranlassung Motivation, intrinsische -> Korrumpierungs-Effekt Überzeugen -* Überreden Soziale Beeinflussung mit Hilfe von guten Argumenten (-* Argumentqualität). Ü. erfolgt meist durch den zentralen Weg der Informationsverarbeitung (-> ELM), zielt also auf bleibende und stabile Einstellungs- oder Verhaltensänderung. Überzeugungen Belief-Komponente einer Einstellung, die von einigen SPn auch als „Meinung" bezeichnet wird. JUDD & KULIK 570
Umwelt
sehen eine Affinität zum Schema-Begriff (-* Schema), der als Wissensbündel aufzufassen ist. Die evaluative (affektive) Komponente der Einstellung bleibt dabei im Hintergrund. Ultimatumspiel Spiele, experimentelle Hierbei müssen zwei Pn einen fix vorgegebenen Geldbetrag G gemäß folgender Regel untereinander aufteilen: Pi macht einen Aufteilungsvorschlag (gi, g2). Gi ist die Geldmenge für Pj, wobei gi + g2 = G. P2 kann den Vorschlag ablehnen, dann erhalten beide nichts. Unter der Bedingung der Gewinnmaximierung ist anzunehmen, dass P2 auch die kleinste monetäre Einheit (z.B. 1 Cent) akzeptieren würde. Im Gegensatz zu dieser „rationalen" Prognose schlägt in Experimenten Pi meist eine Aufteilung vor, die in etwa einer Verteilung von 60 : 40 entspricht. P2 würde bei einem Anteil von weniger als 30 % den Aufteilungsvorschlag ablehnen. Dieses Verhalten wird u.a. durch die -*• Equity-Theorie erklärt (-» Gerechtigkeit -* Fairness). Umwelt (I) U. als Gegensatz zu „Anlage" (genetische Disposition), Anlage vs. Umwelt. (II) U. im Gegensatz zu „Person", z.B. bei LEWIN, der das Verhalten als Funktion von P und U. betrachtet: V = f (P, U). BANDURA entwickelt diese Formel weiter zum Konzept der reziproken Determinierung. (III) U. im weiten Verständnis der sog. Umweltpsychologie (-> ökologische Psychologie).
Uniformitat
Umweltbewusstsein
(IV) U. i.e.S. der Umweltzerstörung, der Umweltverantwortung, des Umweltbewusstseins, des umweltgerechten Verhaltens, der Nachhaltigkeit von Maßnahmen etc. Umweltbewusstsein Einsicht in die Gefahrdung der natürlichen Lebensgrundlagen, verbunden mit der Bereitschaft, solcher Gefahrdung entgegenzuwirken. Umweltpsychologie sche Psychologie
Ökologi-
Unabhängigkeit (I) Speziell bei ASCH der GegenbegrifF
zu —> Konformität: Man handelt unabhängig vom Urteil anderer, verlässt sich lieber auf die eigenen Maßstäbe. (II) U. fungiert auch als -* Persönlichkeitsmerkmal. Pn dieses Typs zeichnen sich durch Autonomie und Selbstbestimmung aus. Wie schon bei (I) liegt hier meist eine implizite Wertung vor: Unabhängiges Verhalten und unabhängige Pn werden als „besser" betrachtet, seien also eher ein wünschbares Ergebnis der -» Sozialisation. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Sozialisationsziele sich oftmals wandeln (-» Wertewandel). So könnte U. in starker Ausprägung auch in Bindungslosigkeit oder Sturheit einmünden.
Unbewusstes Dieser Ausdruck wird in der SP nicht mit den Implikationen der Psychoanalyse (nämlich als Persönlichkeitsinstanz) verstanden, sondern eher i.S. fehlender kognitiver Beteiligung. Unbewusste Prozesse sind daher Formen der Informationsverarbeitung, die spontan, automatisch und gedankenlos verlaufen (-»Gedankenlose Informationsverarbeitung). Ungleichheit, soziale Unterschiedliche Verfügung über Ressourcen (Verstärker und Strafreize). Zentrale Dimensionen sind Unterschiede des Status (Prestiges), der sozialen Macht sowie des Einkommens. Mit Aspekten permanenter U. auf Grund bestimmter Merkmale (z.B. Geschlecht, Rassenzugehörigkeit) beschäftigt sich die soziologische Ungleichheitsforschung. Unifikation Konvergenz der Urteile in Experimenten zur —> Konformität (z.B. beim -* autokinetischen Phänomen), insbesondere bei geringer physikalischer Realität, so dass Urteile sozial validiert und angeglichen werden müssen. Für SHERIF ist dieser Prozess der U.
für die Entstehung sozialer -> Normen verantwortlich. Uniformität
(III) Im Rahmen der -» Austauschtheorien bedeutet U. die freie Option des Handelns, ohne dass die Konsequenzen dieses Handelns von den Entscheidungen des Interaktionspartners abhängen (-+ Abhängigkeit -* Interdependenztheorie).
In FESTINGERS Theorie der informel-
len Kommunikation bedeutet die U. Druck im Ausmaß der Einwirkung der Gruppe auf die Bildung einer einheitlichen Auffassung. Dieser Druck ist abhängig von (a) der Diskrepanz der Urteile zwischen den Gruppenmitgliedern; 571
Universalien
(b) von der Bedeutung des zu beurteilenden Objektes für die Existenz der Gruppe; (c) von der Kohäsion der Gruppe. Universalien Zentrale kulturelle Elemente, die auf Grund ähnlicher Bedingungen der menschlichen Gattung allen oder vielen Kulturen gemeinsam sind. Universalismus Wertorientierung (Gegensatz: -»Partikularismus). Bspw. gelten Normen und Gesetze für alle Menschen in gleicher Weise. Wer jedem Menschen hilft, handelt universalistisch; wer nur seinen Verwandten (Nachbarn, Parteigenossen) hilft, ist partikularistisch. Unterforderung Geringer Anregungs- oder Aufforderungscharakter einer Aufgabe. I.S. der Theorien der —• Leistungsmotivation wird ein Erfolgssucher durch U. wenig angereizt. Auch Lernprozesse werden dabei blockiert. Unterminierung Motivation, intrinsische —• Korrumpierungs-Effekt Unterstützung, soziale (I) U. i.S. kognitiver Bestätigung wird gelegentlich benötigt, um bestimmte Einstellungen oder Urteile im Rahmen sozialer Vergleichsprozesse zu validieren Validierung). U. ist daher auch eine der Möglichkeiten, kognitive -*• Dissonanz zu reduzieren. Auch im Gruppenkontext kann U. für absonderliches oder abweichendes Verhalten durch gemeinsam geteilte Überzeugungen, Vorurteile und Moralvorstel-
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Unterstützung, soziale
lungen legitimatorisch und neutralisierend wirken (-> Gruppendenken). (II) U. i.S. sozialer Netzwerke. U. liegt nach COBB in der Überzeugimg begründet, dass man geschätzt, umsorgt und positiv bewertet wird sowie Teil eines sozialen Netzwerkes gegenseitiger Verpflichtung und Hilfeleistung ist. Zu unterscheiden ist objektive und subjektiv wahrgenommene (erlebte) U. Strukturelle Maße erfassen das individuelle Ausmaß der U. (Zahl der Freunde, der wohlmeinenden Kollegen, der Verwandten). Funktionale Maße sind Indizien dafür, welche Funktion die U. im einzelnen wahrnimmt. U. kann auch als sozialer Prozess aufgefasst werden; denkbar ist steigende oder aber sinkende U.-Bereitschaft (letzteres v.a. dann, wenn die Auffassung besteht, dass die U. zwecklos sei oder die betreffende P die U. nicht wert sei). Typologien der U.-Funktionen unterscheiden: (a) emotionale U. (Bereitstellung von Wärme, Empathie, Fürsorge, Liebe); (b) instrumenteile U. (Hilfeleistung, Einspringen, Lernhilfe, materielle U.); (c) Bewertungs-U. (Beurteilung von Sachverhalten, Anwendimg von Kriterien); (d) motivationale U. (Ansporn, Vermittlung von Kontrollüberzeugungen und Erfolgszuversicht). Das Konzept der U. ist insbesondere in der Stressforschung (-> Stress) sowie in der Gesundheitspsychologie von Bedeutung. Unterstellt wird dabei zweierlei: ein direkter Effekt insofern, weil soziale Netze die Chance eröff-
Unterwürfigkeit
nen, von vornherein nicht in Situationen zu geraten, in denen man allein und hilflos ist, da diese Netze eine Reihe stabiler und sozial belohnter Rollen in der Gemeinschaft bieten. Hier würde eine Gesundheitsgefahrdung oder ein Stressempfinden gar nicht erst auftreten. Neben diesem Primär-Effekt wird auch eine indirekte Wirkung (Puffer-Effekt) gesehen, der besagt, dass Individuen vor dem negativen Einfluss von Stress durch die U. gewissermaßen gepuffert werden. Vermutlich sind beide Effekte (also der Haupteffekt der U. auf Gesundheit) sowie der Puffereffekt (also der Zusammenhang zwischen U. und Stress) wirksam. Allerdings ist die genaue Interaktion beider Prozesse noch ungenügend geklärt. Unterwürfigkeit Nach ALTEMEYER neigen autoritäre Menschen dazu, sich anerkannten Persönlichkeiten oder Institutionen kritiklos zu unterwerfen und deren Meinung auch aggressiv gegen Andersdenkende durchzusetzen (-> Autoritarismus -* autoritäre Persönlichkeit). Untreue
Treue -*• Ehe
Ursachenzuschreibung -»•Attribution Urteilsbildung Informationsverarbeitung -*• Wahrnehmung, soziale -* Informationsintegration Urteilsdiskrepanz Wenn eine P mit einer Einstellung oder einem Urteil konfrontiert wird, dann entsteht eine mehr oder weniger
Utilitaristisches Dilemma
ausgeprägte Diskrepanz zum präkommunikativen Urteil dieser P. Bei geringer U. wird dieser Standpunkt assimiliert, bei sehr ausgeprägter U. kontrastiert (-> Assimilations-Kontrast-Effekt -* Bumerang-Effekt Reaktanz). U. ist eine der zentralen Variablen der Erforschung sozialer -> Konformität. Urteilsheuristiken -»• Heuristiken Urteilsverzerrungen -»• Bias Täuschungen, kognitive Anomalien Utilisation Maß, in dem man bei Anderen Hilfe sucht (—> Hilfeverhalten Hilfe-Empfänger). NADLER unterscheidet Unterbzw. Über-U., d.h. zwischen dem rigiden Verzicht auf Hilfe einerseits und der (zu) ausgeprägten Hilfesuche ohne angemessene Prüfung eigener Kompetenz und —•Selbstwirksamkeit (—• Unterstützung, soziale) andererseits. Utilitarismus Philosophisches oder wissenschaftliches Paradigma, in dem das Prinzip des Eigennutzes dominant ist. Soziales Handeln wäre dann ausschließlich Ergebnis eines überlegten Kosten-Nutzen-Kalküls. Im Gegensatz zur Ökonomie beziehen sp Konzepte zwar auch häufig solche Überlegungen ein (z.B. Kosten/Erträge einer sozialen Rolle, der sozialen Hilfeleistung, der Aggression, der Machtausübung), beschränken sich jedoch nicht darauf. Utilitaristisches Dilemma -*• Dilemma, soziales
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Valenz
Validität
V Valenz Speziell in der Feldtheorie LEWINS die Hauptdeterminante der psychischen Kraft, also der attraktive oder repulsive Charakter eines Objektes (Aufforderungscharakter). V. enthalten als Subkomponenten die Intensität (Stärke) und die Richtung (Ziel). (I)
(II) In Wert-Erwartungs-Theorien Stärke und Ausrichtung eines Bedürfnisses (Motivs). Validierung Hier geht es nicht um Validität im Forschungsprozess, sondern um das meist motivational gestützte - Interesse des Individuums, etwas über sich oder bestimmte Sachverhalte seiner Umwelt zu erfahren. Das V.-Motiv kennzeichnet demnach das Bedürfnis von Menschen, Wahmehmungs- und Interpretationsprozesse angemessen, wahrheitsgemäß und zutreffend zu gestalten (-»• Veridikalität). Dieses Bedürfnis bestimmt u.a. das Ausmaß der -* Informationssuche sowie der -* Informationsverarbeitung. Im -* ELM ist „need for Cognition" eine von mehreren Variablen, die auf elaborierte Informationsverarbeitung motivierend einwirkt. Der Ausdruck „fear of invalidity" (KRUGLANSKI) bedeutet in der Theorie der Laien-Epistemiologie sowie im MODE-Modell eine motivationale Tendenz, bei Vorliegen bestimmter Umstände (z.B. hohe persönliche Relevanz, Unsicherheit bezüglich der Konsequenzen) nach zusätzlichen Informationen zu suchen, um sich abzu-
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sichern bzw. mit seinem Urteil „richtig zu liegen". Das Bedürfiiis nach V. ist ferner ein wichtiges Motiv für soziale -* Vergleichsprozesse. Zur realistischen Einschätzung von Fähigkeiten und Leistungen sowie Einstellungen und Wahrnehmungen bedarf es eines Bezugssystems, wobei die Neigung zum Vergleich in dem Maße steigt, in dem Sachverhalte nicht objektiv prüfbar sind (geringe physikalische Realität). Auch der Aufbau eines realistischen Selbstkonzepts bedarf der V. Diese wird v.a. in den Theorien der -*Selbstaufmerksamkeit sowie der Selbstwahrnehmung thematisiert. Ähnliches gilt für Teilaspekte des Selbst, nämlich die Wahrnehmimg und Interpretation von Gefühlen (-> Emotionstheorien), sofern diese nicht auf offensichtliche Stimuli zurückgeführt werden können. Validierungsmotiv -*• Validierung Validität Reliabilität Gültigkeit von Begriffen, Tests oder Experimenten. Unterschieden wird zwischen: (a) Inhalts-V. (content validity): Bedingt eine Auswahl von Items, die die zu messende Eigenschaft in hohem Maße repräsentiert. Die V.-Anforderung an ein Messinstrument sollte eine möglichst repräsentative Item-Stichprobe umfassen; (b) Kriteriums-V. (auch externe V.): Sie gibt an, in welchem Maße die mit einem Messinstrument erziel-
Vandalismus
ten Resultate mit anderen relevanten Merkmalen verbunden sind. Zur Validierung werden daher meist Außenkriterien herangezogen. Dabei soll v.a. sichergestellt sein, dass z.B. im Experiment erfolgte Messoperationen auch auf die reale Situation generalisiert werden können (externe V.). Ein Sonderfall ist prognostische V.: Hier geht es darum, an entsprechenden Außenkriterien Vorhersagen zu überprüfen (bspw. ob gute Leistungen im —• Assessment-Center auch mit späterem beruflichen Erfolg zusammenhängen); (c) Konstrukt-V.: Diese verlangt, dass das von einem Messinstrument erfasste Konstrukt mit möglichst vielen anderen Variablen in theoretisch begründbaren Zusammenhängen steht. Zentral ist dabei die Frage nach der Kompatibilität mit bestimmten theoretischen Aussagen.
Vandalismus Form -» abweichenden Verhaltens, die v.a. auf mutwillige Sachbeschädigung gerichtet ist. V. ereignet sich vorwiegend dann, wenn die Täter im Gruppenkontext auftreten und anonym bleiben können (-* Anonymität -* De-Individuation). Experimente zeigen, dass V. unter bestimmten Bedingungen insbesondere dann wahrscheinlich wird, wenn erst einmal der Anfang gemacht ist (-»Aggression -* Gewalt).
Varianzanalyse Die V. ist ein Verfahren, das die Wirkung einer (oder mehrerer) unabhängigen (Prädiktor-)Variablen - die lediglich Nominalskalenniveau aufweisen muss - auf eine (oder mehrere) abhän-
Varianzanalyse
gige (Kriteriums-) Variable untersucht. Damit ist die V. das wichtigste Auswertungsverfahren für die statistische Überprüfung von Kausalhypothesen i.R. von -* Experimenten. Bei mehr als einer unabhängigen Variable können neben den Haupteffekten jeder einzelnen Variablen auch Interaktionseffekte berechnet werden. Als Beispiel kann eine Untersuchung zum Fernsehkonsum (durchschnittliche Zeit in Minuten pro Tag) von Pn mit unterschiedlichen Anschlüssen (Antenne, Kabel oder Satellit) dienen. In diesem Fall wird die Wirkung einer abhängigen Variablen (Fernsehanschluss) auf eine abhängige Variable (Fernsehzeit) untersucht. Überprüft wird dabei, ob sich die Differenzen der Gruppenmittelwerte der Prädiktorvariablen (verschiedene Fernsehanschlussformen) hinsichtlich der Kriteriumsvariablen (Fernsehzeit) signifikant voneinander unterscheiden. Könnte dies im vorliegenden Fall bejaht werden (die Anschlüsse bieten eine ungleiche Zahl an Programmen, die durchaus einen Einfluss auf die Sehgewohnheiten ausüben könnte), so müsste in einer weiteren Analyse geklärt werden, zwischen welchen Ausprägungen der unabhängigen Variablen (Anschlussformen) über-zufallige Differenzen bestehen. Vorgehen: Bei der V. sind zwei grundsätzliche Fälle zu unterscheiden: Modelle ohne und mit Messwiederholung. Das obige Beispiel stellt ein Modell ohne wiederholte Messung dar. Würde man hingegen die Fernsehanschlüsse in einem Wohngebiet ans Kabelnetz anbinden und direkt anschließend sowie nach einem Jahr alle Bewohner nach ihrem Fernsehkonsum befragen, 575
VDL-Konzept
Verantwortlichkeit
hätte man ein Modell mit Messwiederholung (identische Vpn zu zwei Erhebungszeitpunkten). Getestet wird in jedem Fall die Nullhypothese „Die Mittelwerte der Gruppen der Prädiktorvariablen unterscheiden sich nicht voneinander" gegen die Alternativhypothese, dass diese Mittelwerte signifikant verschieden sind. Die Berechnung des empirischen Prüfwerts erfolgt über eine Zerlegung der Gesamtvariation in die Streuung zwischen den Gruppen der unabhängigen Variablen und innerhalb dieser Gruppen (Fehlerquadratsumme). Dieses Ergebnis wird mit dem Wert der F-Verteilung für die zugrunde gelegte Irrtumswahrscheinlichkeit und die abgeleiteten Freiheitsgrade in Beziehung gesetzt. VDL-Konzept
vertikale Dyaden
VEBLEN-Effekt
So bezeichnen Soziologen und Ökonomen den Effekt, dass hohe (steigende) Preise verstärkte Nachfrage auslösen können, die auf einem Prestige des hohen Preises beruht. Liest man jedoch VEBLEN im Original, dann ist eher gemeint, dass das mit dem Kauf eines Produktes verbundene Wertschätzungserlebnis durch den hohen Preis zustande kommt Rechtfertigung des Aufwands). Veranlagung Anlage vs. Umwelt -»• Soziobiologie Evolutionspsychologie Veranlassung Als „social prompting" bezeichnet BANDURA einen Typ des -»• ModellLernens. Hierbei wird angenommen, dass das Verhalten bereits im Repertoire von P vorhanden ist und durch 576
Antizipation positiver (sozialer) Konsequenzen (-> Erwartungen, antizipative) ausgelöst wird. Bsp: Ein Werbespot, der ein besseres Aussehen durch die Verwendung des Produkts X suggeriert. Verantwortlichkeit -> Verantwortung (I) Dissonanztheoretischer Kontext: Nach WICKLUND & BREHM sowie SOGIN & PALLAK entsteht kognitive -»Dissonanz nur dann, wenn P für eine Entscheidimg, ein Verhalten und die daraus entstehenden Konsequenzen V. kogniziert. Diese ist nur dann gegeben, wenn eine P volle Entscheidungsfreiheit hatte und auch mögliche negative Konsequenzen hätte voraussehen müssen. Unter bestimmten Bedingungen fühlt sich P jedoch auch für unvorhergesehene Konsequenzen der Entscheidung verantwortlich, wenn ein Zusammenhang zwischen Freiwilligkeit der Entscheidung und den Konsequenzen kogniziert wird. (II) Attributionstheoretischer Kontext: Falls P sich selbst als Verursacher eines Ereignisses sieht, wird sie i.d.R. dafür V. übernehmen (internale Attribution). Sieht sie sich jedoch nicht als Verursacher (z.B. einer Notlage), wird man andere Pn, die als Auslöser angesehen werden, für zuständig betrachten. External ist auch die Attribution auf den Betroffenen, z.B. die Auffassung, dass das betreffende Individuum an seinem Schicksal selbst schuld sei. hat in seiner Theorie der V. die Perspektive der Kausalität (der Mensch als Wissenschaftler) durch eine Perspektive der V. (der Mensch als Richter) ersetzt. Die wichtigste VariaWEINER
Verantwortlichkeit
ble ist hierbei die Kontrollierbarkeit (-> Kontrolle, kognizierte) eines Ereignisses. So wird es bspw. niemand einer Fluggesellschaft anlasten, wenn Ereignisse „höhere Gewalt" bedeuten (z.B. die Wetterlage einen Start nicht zulässt). Dagegen wird man u.U. Beschwerde führen und V. in Rechnung stellen für Ereignisse, die offensichtlich unter der Kontrolle des Dienstleisters stehen (z.B. Freundlichkeit der Bedienung, Auskunft über irritierende Ereignisse, ordnungsgemäße Wartung des Flugzeugs). Einer P oder einer Institution wird V. insbesondere dann zugeschrieben, wenn der verursachende Effekt nicht nur von ihr bewirkt, sondern absehbar, kontrollierbar oder sogar intendiert war. Wird die Ziel-P „freigesprochen", so fließt ihr -> Sympathie zu; wird sie schuldig gesprochen, entstehen Emotionen vom Typ des Ärgers. verweist darauf, dass Attributionsstile im Hinblick auf V. kulturspezifisch variieren. In westlichen Kulturen besteht z.B. die Tendenz, negative Ereignisse einseitig einer P anzulasten (Personalisierung) oder einen Sündenbock zu suchen (-»Sündenbockfunktion). In orientalischen Kulturen werden eher Zuschreibungsprozesse auf das Kollektiv oder das soziale Netzwerk vorgenommen. Europäer attribuieren häufiger external auf den Staat (Staats-Attribution): Der Staat oder das System ist an allem schuld. US-Amerikaner attribuieren eher internal: Jeder ist selbst schuld, wenn er in Not gerät, keinen Job hat oder Leistungsziele nicht erreicht. Dies stärkt die Idee der Selbstverantwortlichkeit, setzt jedoch das einzelne Individuum in Zugzwang (->Stress) und kann das HINDE
Verantwortlichkeitsdiffusion
—• Selbstkonzept gefährden. Auch ist der Glaube an eine gerechte Welt (-> just world) eine Ideologie zur Abwälzung von V.: Der Unterprivilegierte oder in Not Geratene ist an seinem Schicksal selbst schuld. Lit.: AUHAGEN, A . E . & BIERHOFF, H . W .
(eds.) (2001). Responsibility. The many faces of a social phenomenon. London. SHAVER, ICG. (1986). The attribution of blame: causality, responsibility, and self blame. New York. WEINER, B. (1995). Judgements
of responsibility. New York.
Verantwortlichkeitsdiffusion (I) Im Kontext des -> Hilfeverhaltens: Reduktion eigener Verantwortlichkeit unter bestimmten Umständen (—> Norm-Aktivierung —• Verantwortung), insbesondere i.R. des sog. Bystander-Effekts: Wenn mehrere Pn Zeugen einer Notlage sind, wälzt man gerne die Verantwortung auf andere ab, speziell dann, wenn ein Eingreifen als bedrohlich und belastend angesehen wird, und wenn die Hilfeleistung Kenntnisse und persönliches Engagement verlangt (-> Exp. 4). (II) Im Kontext sozialer -* Gruppen: Hier kommt es gelegentlich zur V., wenn Leistungen nicht direkt zurechenbar sind (-+ Trittbrettfahrer-Effekt -> Faulheit, soziale). Der Einzelne drückt sich vor der Verantwortung und „versteckt" sich hinter der Gruppe. Ein besonderer Effekt ist der -* Risikoschub (—> Gruppenpolarisation), bei dem die Mitglieder der Gruppe (im Vergleich zu Einzel-Pn) riskantere Entscheidungen treffen. Dies wird u.a. mit V. bzw. einer Aufteilung des Risikos erklärt, die im Falle des Scheiterns dann nicht selbstwertschädlich wirkt.
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Verantwortung
(III) Im Kontext der -> De-Individuation: Im Zustand der Anonymität (z.B. Vermummung) sind Verhaltensweisen sowie deren Konsequenzen nicht zurechenbar, so dass die Norm der -» Verantwortung keine Angriffsflächen hat. Dadurch wird das Auftreten bestimmter abweichender Verhaltensweisen (z.B. Gewalt, Anzünden von Häusern) durch V. begünstigt. Verantwortung -> Verantwortlichkeit Verantwortlichkeitsdiffusion (I) Kennzeichnet eine soziale Norm im Hinblick auf -* prosoziales Verhalten. I.e.S. wird sie auf Hilfeleistung bezogen, d.h. es besteht eine Norm, dass man anderen Pn in bestimmten Situationen helfen sollte. Das Modell der —> Norm-Aktivierung besagt, dass bestimmte situative Parameter die betreffende Norm salient werden lassen. SCHWARZ u.a. verfolgen dies mit einem Phasenkonzept, an dessen Ende die Bereitschaft oder die Verweigerung zur V.-Übernahme steht (-• Hilfeverhalten). Der Verpflichtungscharakter einer Norm der V. folgt meist aus Prozessen der -* Internalisierung. Aber auch Pn mit stark verinnerlichten V.-Normen benötigen Hinweisreize, die zu deren Aktivierung fuhren. (II) Übernahme von V. entspricht einer generalisierten Erwartung, meist an den Inhaber einer sozialen -* Position bzw. —• Rolle. So sind Führungspositionen häufig mit der Verpflichtung zur Übernahme von V. verbunden. In gewissem Ausmaß lassen sich Teile der V. an andere (z.B. an Mitarbeiter) delegieren. V. kann eine Belastung bedeuten („Last" der V.), ande578
Verbale Kommunikation
rerseits jedoch zur Arbeitsbereicherung beitragen, indem Aspekte der -* Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortlichkeit i.R. autonomen Handelns in den Vordergrund rücken. Verarbeitungsmotivation Neben der Verarbeitungskapazität beeinflusst die V. den Modus der -* Informationsverarbeitung (-> Verarbeitungstiefe -* Duale Prozess-Modelle -* Kategoriengeleitete Wahrnehmung Schema). Je geringer die V., desto wahrscheinlicher wird eine kategorien- bzw. schemagesteuerte Informationsverarbeitung (-• Validierung). Verarbeitungstiefe Nach CRAIK & LOCKHART ist es bei größerer „Tiefe" der Informationsverarbeitung wahrscheinlicher, dass eine Information im Gedächtnis gespeichert wird. Wenn die Verarbeitung gleichzeitig mehr Analyse, Interpretation, Vergleich und Überlegung beinhaltet, dann wird sich daraus eine bessere Erinnerung ergeben. Gedankliche Tiefe der Verarbeitung entspricht auch der elaborierten, zentralen Route im -> ELM. Die Autoren gehen von mehreren Ebenen der kognitiven Verarbeitung aus, die eine Art Hierarchie von Analyseprozessen durchläuft. Die Stärke und Dauerhaftigkeit einer Gedächtnisspur ist bei der eher oberflächlichen physikalisch-strukturellen und der phonemischen Verarbeitung gering, bei semantischer Verarbeitung entsprechend intensiver und tiefer. Verbale Kommunikation munikation, soziale
Kom-
Verbundmessung
Verbundmessung measurement
Vergleich, sozialer
Conjoint
Verfahrensgerechtigkeit -»• Gerechtigkeit, prozedurale Verfügbarkeit (I)V. (availability) kennzeichnet die prinzipiell verfügbare Menge an Informationen (abzugrenzen von -* Zugänglichkeit). (II) V. von Mitteln, Chancen, Kenntnissen (-> Chancenstruktur-Theorie -* MODE-Modell) meint „opportunities" i.S. eines differenziellen Zugangs im Hinblick auf verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Manche Handlungen (z.B. Drogenkonsum) werden erst dadurch ermöglicht, dass der Zugang zu Mitteln (in diesem Fall: Drogen) besteht. Verfttgbarkeits-Heuristik Diese verwendet den Grad der Zugänglichkeit (Abrufbarkeit) von Informationen im Gedächtnis als Basis von Häufigkeits- und Wahrscheinlichkeitsschätzungen. Grundlage dieser Heuristik ist demnach Zugänglichkeit i.e.S. (accessibility) als tatsächliche Abrufbarkeit, nicht dagegen die prinzipiell verfügbare Menge an Informationen (availability). Das Ausmaß der Zugänglichkeit hängt davon ab, wie häufig eine Information bereits verwendet wurde und wann sie (oder eine ähnliche Information) zuletzt aktiviert wurde. Informationen werden also stark gewichtet, die unmittelbar aus dem Gedächtnis abgerufen werden können. Dies bedeutet, dass die zugängliche Information im Gedächtnis zuoberst abgelegt ist (top of the headPhänomen).
KAHNEMAN & TVERSKY betonen insbesondere die Rolle der V. als Fehlerquelle; KRUGLANSKI & AJZEN verweisen jedoch darauf, dass - wie auch andere -*Heuristiken - die V. unter Aspekten der Verarbeitungs-Ökonomie durchaus brauchbare Ergebnisse im Entscheidungsprozess bieten kann.
Vergessen Unfähigkeit, einmal Gelerntes wieder zu erinnern, im Falle des temporären V. das (momentane) Unvermögen, das Gespeicherte wieder abzurufen (-»Zugänglichkeit -* Verfügbarkeit). Die Theorie der Codierungsspezifität besagt, dass die Fähigkeit zum Erinnern davon abhängig ist, inwieweit geeignete Hinweisreize (insbesondere ein gleicher oder ähnlicher Kontext) vorliegen. V. ist nach diesem Konzept ein Versagen der Abrufprozesse. Zerfallstheorien (auch Spurentheorien) betonen den Aspekt eines autonomen Auflösungsprozesses. Interferenztheorien dagegen nehmen an, dass durch die Speicherung anderer Informationen der Vorgang des Speicherns bzw. Aufflndens erschwert wird. Die Kontroverse Zerfall vs. Interferenz hat die Gedächtnispsychologie lange beherrscht. Vermutlich sind beide Prozesse wirksam. Vergleich, sozialer -> Vergleichsprozesse Vergleiche mit anderen Pn oder Gruppen. Diese werden auch als Bezugspersonen oder -* Bezugsgruppen bezeichnet. Der V. dient v.a. der -+ Validierung solcher Sachverhalte, die ohne sozialen Anker nicht ohne weiteres beurteilt werden können.
579
Vergleich, sozialer
Vergleichsniveau
Der V. spielt in verschiedenen Theoriekonzepten eine tragende Rolle. (a) in konstitutiver Weise in der Theorie sozialer Vergleichsprozesse
von FESTINGER, in der
die Frage diskutiert wird, mit welchen Pn und unter welchen Bedingungen V. stattfinden; (b) in der Theorie der -* Bezugsgruppe
v o n MERTON & KITT, in d e r
sich P von bestimmten Gruppen angezogen fühlt, die für sie nicht nur eine normative, sondern auch eine komparative Funktion erfüllen; (c) in der -* Equity-Theorie von ADAMS u n d WALSTER, in der P ih-
re Einsätze und Ergebnisse mit denen von O vergleicht und aufgrund dessen ein Gefühl der Bevorzugung oder der distributiven Ungerechtigkeit erlebt; (d) in der Theorie der -* Selbstwerterhaltung von TESSER, welche die Frage thematisiert, unter welchen Bedingungen V. selbstwertschädigend oder selbstwertdienlich sind; (e) in der Theorie des Modell-Lernens von BANDURA, in der ein
Vergleich zwischen Beobachter und Modell-P mit der möglichen Folge der Imitiation/Identifikation konstitutiv ist; (f) in der Theorie der relativen sozialen
Deprivation
von GURR, in
der ein Konfliktpotential im Hinblick auf Diskrepanzen zwischen tatsächlichem Status und erwartetem (erhofftem) Status vorausgesagt wird; (g) in der Theorie dissonanter Vergleiche von PATCHEN, die der Fra-
ge nachgeht, unter welchen Bedingungen Pn bewusst dissonante und 580
damit frustrierende Vergleiche aufsuchen; (h) in der Theorie der sozialen -» Identität
von TAJFEL & TUR-
NER, die darüber aufklärt, welche Vergleichsdimensionen den Gruppenzusammenhalt (-»Kohäsion) stärken und eine Abhebung gegenüber Fremdgruppen unterstützen; (i) in der Theorie des sozialen -* Austauschs (z.B. THIBAUT & KELLEY), in der verschiedene Vergleichsniveaus unterschieden werden, aufgrund derer vorausgesagt wird, ob soziale -* Beziehungen stabil und zufriedenstellend erlebt werden.
Vergleichsniveau Bei Vergleichsprozessen kann sich P an verschiedenen V. orientieren, die gleichsam zur -* Ankerbildung und zur Validierung beitragen: (a) das Erfahrungsniveau, d.h. die bisherigen Erkenntnisse (Konsequenzen, Ereignisse), z.B. das Gehalt, das man bisher bezogen hat; (b) das Erwartungsniveau, d.h. die erhofften Ergebnisse, z.B. das realistischerweise angestrebte Gehalt; (c) das Idealniveau, d.h. das im optimalen Fall erreichbare Ergebnis, z.B. ein Traumjob mit phantastischem Gehalt; (d) das soziale V., d.h. die Ergebnisse Anderer (z.B. das tatsächliche oder mutmaßliche Gehalt vergleichbarer anderer Pn); (e) das V. für Alternativen, d.h. die Erträge, die man in alternativen Beziehungen (z.B. bei der Konkurrenzfirma) erwirtschaften würde.
Vergleichsniveau für Alternativen
Einige dieser V. sind eingebettet in Theorien von Vergleichsprozessen (-» Vergleich, sozialer). Vergleichsanker sind insbesondere notwendig bei der Beurteilung von Leistungsergebnissen sowie von Meinungen. Vergleichsniveau für Alternativen In der Austauschtheorie von THIBAUT & KELLEY die Ergebnisse nicht gewählter, jedoch erreichbarer Alternativen in sozialen Beziehungen. (Bsp.: Ein Unternehmen hat für eine freiwerdende Position mehrere mögliche Alternativen; umgekehrt: Ein Bewerber hat zahlreiche Angebote). Das V. wird insbesondere dann verhaltensrelevant, wenn die aktuelle Beziehung bzw. Position nicht mehr zufriedenstellende Ergebnisse liefert. Das V. ist auch ein Indikator sozialer Macht; man kann zwischen verschiedenen Optionen wählen und ist dadurch mehr oder weniger unabhängig. Vergleichsprozesse ~> Vergleich, sozialer —• Vergleichsniveau (1) Grundfragen: Konzepte zu V. beschäftigen sich gewöhnlich nicht mit dem Vergleich zwischen verschiedenen Objekten (z.B. i.S. der Präferenzbildung), sondern lediglich mit V., die Ego mit Alter durchführt, indem es seine Fähigkeiten, Einstellungen, Gefühle, Ergebnisse sowie seinen Status vergleicht. Grob kann unterschieden werden zwischen nonsozialen V. (Vergleiche mit früher, Vergleiche mit bisherigen Ergebnissen) und sozialen V. (Vergleiche mit anderen Pn oder Gruppen). Im Vordergrund dieses Stichworts stehen solche sozialen V.
Vergleichsprozesse
(2) Vergleichsmotive: FESTINGER unterstellt ein Motiv zum sozialen Vergleich, dessen Stärke mit der Relevanz des Gegenstandes sowie bestimmten Aspekten des Gruppendrucks variiert. Als die beiden wichtigsten Submotive des Vergleichs werden unterschieden: (a) das Bedürfnis nach —• Validierung und Absicherung; (b) das Bedürfnis nach Selbstverbesserung (-»• Selbstwertdienlichkeit). Nach FAZIO enthält das Submotiv nach Validierung wiederum zwei Komponenten, die Bestandteile eines Phasenmodells sind. Nach dieser Auffassung ist P zunächst damit befasst, Informationen über das Urteilsobjekt zu sammeln (construction). Erst wenn eine ausreichende Informationsbasis erreicht ist, folgt die Überprüfung der durch „construction" gebildeten Überzeugung (Validation). (3) Gegenstand des Vergleichs: Plausiblerweise können alle möglichen Kriterien Vergleichsobjekt sein: Status, die Körpergröße, -»• Schönheit, Hautfarbe, Einkommen, Bildungsgrad, Kleidung usw. FESTINGER konzentriert sich v.a. auf den Vergleich von Fähigkeiten (-> Leistungsmotivation) und Meinungen (-> Einstellungen). Ferner ist der Vergleich von Selbst-Aspekten (auch von Gefühlen) in die Theorie sozialer V. einbezogen worden. FREY et al. (2001) erarbeiten darüber hinaus ein Modell, das zentrale Teile der Theorie
FESTINGERS
mit
TAJFELS
Theorie der sozialen -* Identität verbindet.
581
Vergleichsprozesse
Im Hinblick auf Fähigkeiten geht FESTINGER davon aus, dass ein solcher Vergleich nach oben gerichtet ist (d.h. dass man sich gewöhnlich mit Besseren vergleicht). Dies dürfte allerdings nur für Erfolgssucher, nicht dagegen für Misserfolgsmeider zutreffen. In Bezug auf Meinungen postuliert FESTINGER, dass diese ungerichtet verglichen werden. GOETHALS & DARLEY vermuten, dass für die Wertkomponente der Einstellung (values) andere Vergleichskriterien gelten als für die Überzeugungskomponente (beliefs). Hinsichtlich des Vergleichs von Selbstaspekten werden solche V. bevorzugt, die selbstwertdienliche Konsequenzen haben (-»Selbstwerterhaltung). Vergleichssituationen variieren auch danach, ob die personale oder die soziale Identität im Vordergrund steht. Hinsichtlich der Einschätzung von Gefühlen (—• Emotionstheorien) werden Emotionen, die objektiv nicht angemessen eingeschätzt werden können, einer sozial-vergleichenden Bewertung unterzogen. Hier dienen V. vorwiegend der Validierung. (4) Physikalische und soziale Realität: Die Kernhypothese von FESTINGERS
Theorie sozialer V. lautet, dass diese erst dann einsetzen, wenn objektive (physische bzw. physikalische) -> Validierungen in der Realität nicht möglich sind (Bsp.: wenn P die Qualität eines Produktes nicht selbst überprüfen kann; wenn kein Warentest vorliegt, auf den man zurückgreifen könnte). Dies bedeutet, dass ein Individuum zunächst versucht, objektive Kriterien heranzuziehen (Primat physikalischer Vergleiche) und erst bei deren Scheitern oder 582
Vergleichsprozesse
Fehlen soziale V. einsetzen. Die Ergebnisse der Konformitätsforschung (-+ Konformität) schränken diese These allerdings ein, denn die diesbezüglichen Experimente zeigen deutlich, dass Vpn auch bei Vorliegen objektiver Prüfkriterien sich am Gruppenurteil orientieren. UPMEYER hebt insofern hervor, dass bei erkannter Bedeutsamkeit des Vergleichsgegenstandes beides praktiziert wird: P versucht, ihr Urteil zu objektivieren und zieht gleichzeitig soziale Vergleiche heran. (5)Ähnlichkeit der Vergleichs-P: FESTINGER betont, dass Individuen sich nur dann vergleichen, wenn sie einander ähnlich sind. Je höher z.B. die Differenz zwischen Ego und Alter hinsichtlich einer Meinung oder einer Fähigkeit ist, umso geringer ist die Tendenz zum Vergleich (-» Ähnlichkeit, soziale). GOETHALS & DARLEY machen drauf aufmerksam, dass auch die Feststellung der Unähnlichkeit einen Vergleich voraussetzt; dieser soll jedoch gerade bei unähnlichen Pn ausgeschlossen werden. Die Autoren versuchen, dieses Zirkularitätsproblem dadurch zu lösen, dass sie die Ähnlichkeit von O für P danach einstufen, ob P Ähnlichkeit auf vorgelagerten bedeutsamen Dimensionen perzipiert. Es komme hierbei auf die Ähnlichkeit sog. relevanter -* Attribute an; dies sind Faktoren, die der Vergleichende als kausal relevant für bestimmte Fähigkeiten oder Einstellungen ansieht (z.B. das Alter: ein Sechzigjähriger wird sich beim Tennisspiel wahrscheinlich nicht mit einem Dreißigjährigen vergleichen).
Verhalten
Vergleichsprozesse
Manchmal vergleicht sich P jedoch bewusst mit unähnlichen Pn. Insbesondere hinsichtlich der Überzeugungskomponente von Einstellungen könnte ein Vergleich mit unähnlichen Pn aussagekräftiger sein und in stärkerem Maße zur Validierung beitragen. Denn Individuen mit gleichen oder ähnlichen Merkmalen könnten dem gleichen Fehler oder Vorurteil unterliegen. Ferner gilt, dass Individuen sich in ihrem V. im Binnensystem der Gruppe am Maßstab der Ähnlichkeit orientieren und diese auch überschätzen. Ähnlichkeit im Hinblick auf Fremdgruppen wird jedoch eher als irritierender Sachverhalt wahrgenommen und entsprechend kognitiv marginalisiert (-+ Identitätstheorie, soziale).
ges Selbstwertgefühl charakterisiert sind. Welche Wirkungen unterschiedliche Richtungen des Vergleichs haben, ist ganz wesentlich durch -»Kontrollüberzeugungen bestimmt. Nimmt P eine Situation als unveränderbar wahr, so wird ein abwärtsgerichteter Vergleich selbstwertschädliche Reaktionen auslösen (et vice versa). Dies gilt auch für dissonante Vergleiche ( P A T C H E N ) : Das Individuum wird sich bestimmten Frustrationen nur dann aussetzen, wenn die Überzeugung besteht, die benachteiligte Position mit eigener Kraft (-> Selbstwirksamkeit) zu beseitigen. L i t . : FESTINGER, L . ( 1 9 5 4 ) . A t h e o r y o f s o -
cial comparison processes. Human Relations, 7, 2, 1 1 7 - 1 4 0 . FREY, D . et al. ( 3 2 0 0 1 ) . D i e
(6) Richtung des Vergleichs: Unterschieden werden horizontale und vertikale V., letztere als aufwärts oder abwärts gerichtete. Für Leistungen hatte FESTINGER einen Aufwärtsvergleich postuliert; jedoch dürfte der Vergleich mit Besseren vorwiegend für Pn gelten, deren Motiv nach Erfolgssuche das der Misserfolgsmeidung übersteigt. Ein Aufwärtsvergleich kann für das Individuum auch zu Dauerfrustrationen fuhren, wenn man immer wieder mehr von sich verlangt, als man zu leisten imstande ist (-+ Stress). präsentiert eine Theorie des Abwärtsvergleichs, die davon ausgeht, dass Vergleiche mit Schlechteren (z.B. Krankeren, Hässlicheren, Unglücklicheren, Ärmeren) der —• Selbstwerterhaltung eher dienen. Allerdings dürften abwärts gerichtete Vergleiche eher von solchen Pn bevorzugt werden, die durch ein niedriWLLLS
Theorie sozialer Vergleichsprozesse. In: Frey, D. & Irle, M. (Hg.). Theorien der Sozialpsychologie Bd. 1: Kognitive Theorien. B e r n , 8 1 - 1 2 1 . SULS, J . M . & MILLER, R . L .
(eds.) (1977). Social comparison processes: Theoretical and empirical perspectives. Washington, London. SULS, J. M. & WHEE-
LER, L. (eds.) (2000). Handbook of social comparison. Theory and research. Feltham, U . K . SULS, J . M . & WILLS, T . A .
(eds.)
(1991). Social comparison: Contemporary theory and research. Hillsdale/N.J.
Verhalten V. ist nach Auffassung vieler Psychologen der Oberbegriff für sämtliche Aktivitäten eines Organismus, beginnend bei bloßen Reaktionsautomatismen bis hin zur geplanten intentionalen Handlung. Dieser V.-Begriff liegt auch jener Definition zu Grunde, die die Psychologie als Wissenschaft vom V. und Erleben der Individuen bestimmt.
583
Verhalten, einstellungsdiskrepantes
Einige Psychologen finden jedoch den V.-Begriff als behavioristisch (-• Behaviorismus) vorbelastet und stellen ihm den Begriff des Handelns gegenüber. In der Tat hat der klassische Behaviorismus eine sehr spezifische und enge Auffassung vom V., das zudem meist reaktiv konzipiert ist (-+ Reaktion -* S-R-Theorieri). Obgleich der Neo-Behaviorismus die enge (molekulare) Auffassung vom V. mittlerweile abgestreift hat, fuhrt doch noch ein weiter Weg zur Analyse intentionalen und geplanten Handelns.
Verhaltensgitter
Verhalten, verbales Sprachverhalten (->Sprache). Die Wahl des Begriffes drückt die (behavioristische) Auffassung aus, dass das menschliche Sprachverhalten den gleichen Lerngesetzen unterliegt wie alle übrigen Verhaltensweisen. Diese von SKINNER entwickelte Perspektive gilt insbesondere seit den Forschungen von CHOMSKY als widerlegt oder zumindest eingeschränkt. Verhaltensdispositionen
V. (overt behavior) betrifft alle direkt beobachtbaren Zuständlichkeiten und Veränderungen am Organismus, im Gegensatz zu verdecktem Verhalten (covert behavior), das lediglich durch Messinstrumente als Reaktionen auf bestimmte Reize ermittelt werden kann.
-* Persönlichkeitsmerkmale, —> Motive, generalisierte antizipative -* Erwartungen, Einstellungen, -> Attributionen etc., wobei diese weitgehend von situativen Einflüssen abgekoppelt sind. Während bei Persönlichkeitsmerkmalen und Motiven vielfach auch genetische Dispositionen eine Rolle spielen, gilt für die meisten V., dass sie in Lernprozessen erworben werden. Nur solche Einstellungen, Attributionen, Erwartungen etc. werden etabliert, die sich bewährt haben.
Verhalten, soziales
Verhaltensformung
Verhalten im sozialen Kontext. Der Begriff V. hat eine Doppelbedeutung insofern, als darunter zum einen sozial ausgerichtetes bzw. orientiertes Verhalten gemeint ist, zum anderen jedoch auch dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass das Verhalten (abgesehen von genetischen Anteilen) durch soziale Lernprozesse geprägt und insofern durch soziale Instanzen geformt wird (—• Sozialisation).
V. (shaping) ist i.R. der instrumenteilen ~> Konditionierung der sukzessive Aufbau systematischen Verhaltens aus zunächst zufallig auftretenden Verhaltensweisen durch differenzielle —• Verstärkung.
Verhalten, einstellungsdiskrepantes Einstellungswirkungen Verhalten, overtes
Der Begriff des V. ist abzugrenzen von -*• prosozialem Verhalten -* Altruismus -* Hilfeverhalten.
584
Verhaltensgitter Das managerial-grid-Modell von BLAKE & MOUTON geht von zwei Führungsdimensionen aus (-* Führung —• Führungsstile): Beachtung der Aufgabe (Aufgabenorientierung, initiating structure) oder Beachtung des Menschen (Mitarbeiterorientierung, consideration). Dieses Führungsstilmodell
Verhaltenskontrolle
basiert auf der traditionellen Unterscheidung zwischen instrumenteilen und emotionalen Führungsfunktionen und orientiert sich an empirischen Untersuchungen der Michigan- und Ohio-Schule. Die Dimensionen werden dabei in neun Intensitätsstufen unterschieden. Die Kombination 1/1 steht dann für „laissez faire", 9/1 für autoritär, 1/9 für Harmonie bei fehlender Leistungsorientierung, 9/9 dagegen für partizipativ (gleichzeitig leistungsmotivierend und zufriedenstellend). Aus normativer Sicht wird das 9/9-Verhalten angeraten: ein Vorgesetzter, der zielund aufgabenorientiert vorgeht, gleichzeitig aber auch die Belange seiner Mitarbeiter berücksichtigt. Das Modell widerspricht den empirischen Ergebnissen von BALES, wonach es unwahrscheinlich ist, dass die instrumentelle und die sozio-emotionale Funktion bei der Führung von Gruppen in einer P vereinigt ist. Zum Zweiten berücksichtigt dieses simple Modell keinerlei situative Parameter (-> Führungstheorien).
Verhaltenskontrolle (I) Lerntheoretischer Grundbegriff: Beeinflussung und Steuerung des Verhaltens durch differenzielle Umweltbedingungen (Stimuli). In einem spezifischeren Sinne bezeichnet V. auch die sog. Reiz-Kontrolle (-» Selbstkontrolle), in dem man sich z.B. bewusst solchen Reizen nicht aussetzt, die ein Verhalten auslösen könnten (bspw. Geld in die unzugängliche Spardose zu werfen, anstatt es disponibel zu haben und Konsumwünschen nachzugeben).
Verhaltensmuster
(II) Nach THIBAUT & KELLEY eine Form sozialer Macht: In Abhebung von der -» Ergebniskontrolle ist V. eine besondere Form des Einflusses auf das Verhalten einer anderen P2. Positive Verhaltensergebnisse ergeben sich immer dann, wenn P2 ihr Verhalten der Wahl von Pi anpasst (—> Austauschtheorie).
Verhaltensmodifikation Zusammenfassende Bezeichnung für Techniken zur Beeinflussung und Veränderung menschlicher Verhaltensweisen auf der Basis lernpsychologischer Prinzipien. Die V. gilt oft auch als Synonym für Verhaltenstherapie.
Verhaltensmuster (I) Allgemein: Mehr oder weniger standardisiertes, in sich zusammengehöriges Geflecht von Verhaltenseinheiten. So ist z.B. ein isolierter Akt (etwa ein Mord, ein Kaufakt) in einen größeren Handlungszusammenhang eingebettet (z.B. Planung, Entscheidungsbildung, Handlungsfolgen). V. sind demnach Komplexe von Verhaltenselementen oder Verhaltensweisen, die in charakteristischer Weise miteinander verbunden sind. In statischer Sicht entspricht dies einer Konfiguration, in dynamischer Betrachtung einem spezifischen Ablauf (Sequenz, Episode, Skript). (II) I.R. elementarer Lernprozesse werden nicht spezifische Verhaltensweisen verstärkt, sondern V., die so lange umgruppiert und modifiziert werden, bis sie (im Vergleich zu anderen Alternativen) befriedigende Ergebnisse einbringen. V. sind aus dieser Perspektive das Produkt von Bewährungs- und Selektionsprozessen 585
Verhaltensmuster
(—• Verhaltensformung). Zur Übernahme ganzer V. (z.B. sozialer Rollen) bedarf es komplexerer Lernprozesse, z.B. i.R. des kognitiven Lernens oder des —• Modell-Lernens. (III) Rollen und Schemata-. Soziale Rollen werden meist verstanden als zusammenhängende, in sich relativ konsistente Bündel von normativen Erwartungen, die an den Träger einer sozialen Position gerichtet sind. Da sie meist relativ komplexe Strukturmuster darstellen (können), erfolgt ihr Erwerb nicht partikularistisch als Erlernen einzelner Rollenelemente; vielmehr werden die Rollen als Ganzheit angeeignet und gegebenenfalls internalisiert. Diese Orientierung an Rollenmustern trägt zur Erleichterung der ->• Interaktion bei, indem man Interaktionsprozesse nicht ständig aufs Neue einspielen oder aushandeln muss, sondern gewissermaßen auf „Fertigprodukte" in Form bewährter Muster zurückgreifen kann. Auf die gleiche Art werden Schemata gelernt, die elaborierte Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsprozesse ersetzen. Sie dienen der Kategorisierung von Wirklichkeit, die es dem Individuum ermöglicht, auch komplexe Ereignisse rasch einzuordnen. Der dynamische Aspekt eines Schemas ist das -* Skript als typische Verlaufssequenz im Rahmen von Interaktionen. Ein ähnliches V. i.S. des Ablaufs stellen soziale -* Episoden dar. (IV) I.R. der Kulturanthropologie behandelt man V. als typische Verhaltensabläufe (-»Anthropologie), die kulturell geregelt und geprägt sind (z.B. bestimmte Zeremonien oder die 586
Verhaltensrelevanz
besondere Form der Begrüßung oder Verabschiedung von Gästen). Der entscheidende Gesichtspunkt ist hierbei, dass Handlungsmuster lediglich durch ihre „Kulturwertbedeutung" (MAX WEBER) verständlich werden.
(V)Auf einer eher kollektiven Ebene konvergiert der Begriff V. mit dem der sozialen -* Institution, die als normatives Regelungssystem höherer Ordnung fungiert. Auf dieser kollektiven Ebene sind auch die -»pattern variables von PARSONS (dessen Strukturfunktionalismus in zentralen Punkten der Kulturanthropologie verpflichtet ist) anzusiedeln, ebenso HOFSTEDES Dichotomien zur Kennzeichnung bestimmter Kulturen. Ein typisches kulturelles Grundmuster westlicher Kulturen ist z.B. das „deferred gratification pattern", das die Unmittelbarkeit für Bedürfnisbefriedigung durch —• Belohnungsaufschub verhindern soll (-• Selbstkontrolle). Verhaltensnormen le
Norm, sozia-
Verhaltensrelevanz Das Ausmaß, in dem eine bestimmte Disposition sich im faktischen Verhalten niederschlägt. Ein diesbezügliches Kernthema ist die V. von Einstellungen (-» Einstellungswirkungen), die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Viele Dispositionen (z.B. akquisitorisches Lernen, Motive, Einstellungen, Erwartungen, Attributionen) sind latente Variablen, die erst im Verhalten manifest werden, wenn auslösende Situationen auftreten.
Verhaltenstheorie
Verhaltenstheorie I.w.S. Theorien (oder eine integrative Theorie), die sämtliche Äußerungen des Organismus erklären will. Da Menschen z.T. durch genetische Vorgaben zu bestimmten Verhaltensweisen tendieren, andererseits jedoch Verhalten auch Produkt des Lernens ist, hat sich die V. v.a. auch mit der Interaktion zwischen Dispositionen und Lernprozessen zu beschäftigen. I.e.S. wird der Ausdruck V. vorwiegend mit behavioristischen Ansätzen (-> Verhalten) in Verbindung gebracht und als Ansatz aus lerntheoretischer Perspektive verstanden.
Verhandlungen (1) Begriff und Typen: V. bezeichnet einen Prozess, der bei Interessenkonflikten der Beteiligten (-> Konflikt, sozialer) auf eine Einigung abzielt (bargaining). Verbales bargaining wird häufig als „negotiation" bezeichnet. Je nach Zielsetzung können exemplarisch unterschieden werden: Kauf-V., Koalitions-V., Tarif-V., militärische V. usw. Die V.-Forschung wird von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen getragen, neben der SP auch von der Soziologie und der Politologie. Sie ist in starkem Maße von spieltheoretischen Überlegungen (-» Spiele, experimentelle) inspiriert, enthält jedoch eine ausgeprägtere bereichsspezifische Komponente. I.R. des -»symbolischen Interaktionismus werden V. paradigmatisch fur das Verständnis von Interaktionsprozessen verwendet: Soziale Normen und soziale -* Rollen sind nicht von vornherein festgelegt, sondern wer-
Verhandlungen
den erst in einem Prozess des Aushandelns gestaltet. V. werden meist als Zwei-ParteienSituationen (-> Dyade) untersucht; Mehr-Parteien-V. werden selten thematisiert (allenfalls bei Koalitions-V. oder beim Buying-Center). Grundsätzlich werden vier mögliche Ergebnisse unterschieden: „Sieg" einer Partei, Kompromiss (Einigung), winwin (beide Parteien erlangen Vorteile) sowie Scheitern (Abbruch). Winwin-Situationen sind v.a. in Fällen des Problemlösens gegeben (neue Lösungen werden erarbeitet, die Manövriermasse wird erweitert, andere oder bisher nicht beachtete Optionen werden gefunden). Manchmal sind win-win-Lösungen auch geschlossen oder eingeschränkt (z.B. bei entweder-oder-Konstellationen oder bei Nullsummen-Spielen). Man spricht auch von Situationen mit geringem Integrationspotential. Umgekehrt gibt es Situationen mit naheliegenden Lösungen (z.B. bei leistungsgerechter Verteilung oder bei Wahrung des Gleichheitsprinzips), bei denen die Einigung problemloser erfolgen kann. (2) Merkmale der Parteien: Von Bedeutung sind u.a. Einstellungen (kooperativ/kompetitiv), Orientierung an Normen (z.B. die Equity-Norm), Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Prinzipienbewusstsein, Aggressivität, Selbstsicherheit), soziale -* Kompetenz (V.-Kompetenz) sowie die V.Erfahrungen beider Parteien in dieser oder in zurückliegenden V., auch die sog. „pre-existing-relationships" der Verhandler. Gerade letztere sind geeignet, das Ausmaß des -» Vertrauens oder Misstrauens zu beeinflus587
Verhandlungen
sen. Wichtig ist auch die soziale —>• Position (-» Rolle, soziale), in der eine P die V. führt. Empirische Befunde zeigen z.B., dass die Inhaber einer professionellen Rolle, die nicht für sich selbst, sondern stellvertretend für eine Organisation agieren, härter verhandeln (und deshalb auch manchmal scheitern). Bedeutsam ist ferner die Machtposition der Parteien. Auch angesichts monopolistischer V.-Positionen - Pi ist z.B. auf den Auftrag von P2 angewiesen - bestehen V.-Spielräume, die umso größer sind, je nachdrücklicher auch der mächtigere Partner die Interaktion (z.B. die Geschäftsbeziehung) fortsetzen möchte. Überhaupt trägt die Zukunftsperspektive, in der auch Machtverhältnisse als änderbar erlebt werden, dazu bei, dass keine der Parteien ihren Vorteil ganz ausreizt. Überdies existieren meistens gesellschaftlich etablierte Equity-Normen, die ein rücksichtsloses Vorgehen tendenziell als nicht opportun erscheinen lassen (-» Gerechtigkeit). (3) Taktiken und Strategien: RUBIN et al. legen ein -* Dual concern-Modell vor, in dem zwei intervenierende Variablen für die Wahl von Strategien bzw. Taktiken unterschieden werden: high own concern (bedacht auf eigenen Vorteil) und high other concern (das Ausmaß, in dem man am Erfolg der anderen Partei interessiert ist). Ersteres führt zu hohen und oft maßlosen Forderungen, geringer Konzessionsbereitschaft und Anwendung von Streit-Taktiken. Hohes Eigeninteresse in Kombination mit hohem Interesse auch am Ergebnis des Anderen führt zu einem V.-Typus des Problemlösens. Hohes Eigeninte588
Verhandlungen
resse, gepaart mit geringem Interesse am Ergebnis des Anderen mündet in Strategien des Kämpfens und Durchsetzens. Geringes Eigeninteresse und hohes Interesse am Ergebnis des Anderen (wohl eher ein seltener Fall) führt zu Nachgeben; ist beides gering ausgeprägt, führt dies zu Passivität sowie fehlender strategischer Einstimmung. Die Ausprägung des jeweiligen Interesses ist eine Frage des V.-Gegenstands (z.B. der persönlichen Relevanz), dispositioneller Unterschiede (soziale Wertorientierungen) sowie situativer Bedingungen (z.B. Erwartung zukünftiger Interaktion). Es gibt eine Reihe von Strategien und Taktiken, die Verhandler anwenden, um ihre Ziele zu erreichen. Dazu gehört Einsatz von Emotionen, Setzen unter Zeitdruck, „Draufsatteln", Drohungen, Täuschungen, Einsatz Dritter usw. Das wichtigste Element von V.-Strategien ist die Formulierung einer Ausgangsforderung (V.-Basis) und ein daraus resultierendes Konzessionierungsmuster. Hohe Ausgangsforderungen enthalten zwar genügend Spielräume für ein „Nachgeben", können jedoch den Partner in -»• Reaktanz versetzen, mit der möglichen Folge, dass es bereits frühzeitig zum V.-Abbruch kommt. In der Kommunikationsforschung entspricht dies der -* door in the face-Taktik; möglichst hohe Ausgangsforderungen stellen und dann sukzessive Konzessionsbereitschaft signalisieren. CIALDINI interpretiert eine solche Konzession i.S. der Reziprozität, also gewissermaßen als Verpflichtung des Partners, auf eine Konzession von P seinerseits
Verhandlungen
Verhandlungen
mit einem Nachgeben zu antworten (-> tit for
tat). DEDREU & M c C u s -
KER machen im Übrigen darauf aufmerksam, dass man (i.S. des Konzepts der Verlustaversion von KAHNEMAN
&
TVERSKY)
das
eigene
Nachgeben als größeren Verlust betrachtet, weshalb man geneigt ist, lieber am Status Quo festzuhalten (-> Prospect theory). Ebenso fuhren ungeschickte und ritualistische Formen des Konzessionierens oftmals zur reaktiven Abwertung (ROSS & STILLINGER), in dem man das Entge-
genkommen des Anderen gering schätzt. Ross u.a. haben sich mit der Attribution von -» Glaubwürdigkeit im Hinblick auf verschiedene Konzessionierungsmuster beschäftigt und kommen zu dem Ergebnis, dass einem im Zeitablauf abnehmender Konzessionsgrad (zu Beginn hoch, später immer geringer) die höchste Glaubwürdigkeits-Attribution zugeschrieben wird. Bei zu unnachgiebiger V.-Führung typisch für kompetitive Verhandlet die wenig flexibel und kreativ vorgehen - können sich -*Emotionen ausbreiten, die einer Einigung im Wege stehen: Gefühle, die aus der Reaktanz rühren, Ärger infolge überzogener Positionen, Aggression auf den uneinsichtigen V.-Partner, Gefahr des Gesichtsverlusts bei Nachgiebigkeit usw. Entscheidend ist daher das V.-Klima, das auch bewusst beeinflusst werden kann: Schaffung von freundlicher, vertrauensvoller Atmosphäre, die Förderung einer positiven -*• Stimmung, in welcher der Nährboden eines zufriedenstellenden V.-Verlaufs bereitet wird.
Mit psychischen Barrieren der Konfliktlösung haben sich verschiedene kognitive Ansätze (z.B. BAZERMAN oder Ross & WARD) beschäftigt. Auch V. stehen unter dem Einfluss vereinfachender Heuristiken und Wahrnehmungsverzerrungen, die sich meist ungünstig auf den V.-Erfolg auswirken. So können das Auftreten von kognitiver -*• Dissonanz sowie kognitiver Reaktanz rationale Lösungen verhindern. Auch wird gelegentlich die eigene V.-Position als besonders gerechtfertigt betrachtet (optimistic overconfidence). Da die wichtigsten Informationen bei V. den individuellen -* Schemata oder -*Skripts angepasst werden, kann dies zu Interpretationen führen, bei welchen die Perspektive der Gegenseite vernachlässigt wird (—• Perspektivenübernahme). (4) Mediatoren: Vielfach werden dritte Parteien einbezogen, die eine Einigung bewirken sollen. CARNEVALE & PRUITT machen deutlich, dass solche Interventionen insbesondere dann erfolgreich sein werden, wenn (a) die V.-Situation ein hohes Einigungspotential enthält; (b) die Parteien motiviert sind, zu einer Übereinkunft zu gelangen; (c) die Partner nicht an starken Prinzipien orientiert sind; (d) kein zu großer Machtunterschied zwischen den Parteien existiert; (e) kein Missklang zwischen den Gruppen entsteht und (f) der Mediator beiderseits auf Akzeptanz stößt. Die Aufgaben des Mediators sind dabei etwa die folgenden: Verdeutlichung und Interpretation der Standpunkte, Vorschläge für geeignetes 589
Verhandlungsstil
Verinnerlichung
Vorgehen, Nachdruck im Hinblick auf beiderseitige Konzessionen, die Parteien mit neuen Ideen konfrontieren, Kompensationsmöglichkeiten erschließen, Anreize für eine evtl. Einigung schaffen, Reaktanzgefahren mildern. CARNEVALE diskutiert die hier bestehenden Möglichkeiten auf der Basis des -* Concern likelihood-Modells, wonach Mediatoren Win-win-Lösungen insbesondere dann inszenieren können, wenn sie Sympathie für die Interessen beider Parteien entfalten und wenn sie Gemeinsamkeiten (Verfügbarkeit von Win-win-Argumenten) zwischen den Parteien ausfindig machen. Lit: CARNEVALE, P J .
& PRUITT, D . G .
(1992). Negotiation and mediation, Annual Review of Psychology. 43, 531-582. CROTT, H. et al. (1977). Verhandlungen I und II. Stuttgart. DEDREW, K.W. et al. (2000). In-
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(b) Durchsetzen oder kämpfen: durch positionale Bekenntnisse, -* Drohungen, Einsatz überzeugender Argumente, die Möglichkeiten für einen Kompromiss zulassen; (c) Problemlösen: Diese integrative Strategie umfasst eine Reihe unterschiedlichster Verhaltensweisen, die dem Ziel dienen, für beide Seiten befriedigende Lösungen zu finden (-> Verhandlungen). (II) I.R. der Theorie zum -> Minoritätseinfluss unterscheidet MOSCOVICI einen rigiden V. (der Attributionen auf Sturheit und Unverbesserlichkeit impliziert) und einen flexiblen V., der auf konziliante, aber auch konsequente Weise dazu veranlasst, die vertretene Minderheitsposition zur Kenntnis zu nehmen und darüber zu reflektieren. Veridikalität ZutrefFendheit. V. bezeichnet das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen —• Wahrnehmung, Urteilsbildung oder —• Attribution mit der tatsächlichen Realität (z.B. die zutreffende Beurteilung eines Bewerbers). I.S. der Attributionsforschung bedeutet V., dass keinerlei -* Attributionsfehler vorliegen.
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Verhandlungsstil Nach CARNEVALE & PRUITT lassen sich insbesondere drei V. oder V.Strategien unterscheiden: (I)
(a) Zugeständnisse machen oder nachgeben: Beides impliziert die Reduzierung der eigenen Ansprüche und Forderungen; 590
Von eingeschränkter V. lässt sich dann sprechen, wenn Sachverhalte nicht objektivierbar sind (geringe physikalische Realität); hier könnte V. am Urteil der Mehrheit festgemacht werden (—• Vergleichsprozesse -* Konformität). Verinnerlichung rung
Internalisie-
Verkäuferverhalten
Verpflichtung
Verkäuferverhalten Während das -*• Konsumentenverhalten in marktpsychologischen Untersuchungen gut erforscht ist, wurde das faktische V. verhältnismäßig selten analysiert. Schwierigkeiten ergeben sich auch durch den Umstand, dass eine „Verkaufspsychologie" vorwiegend als Rezeptliteratur existiert. Wichtige Forschungsbereiche sind: (a) Verkaufserfolg im Hinblick auf relevante -* Persönlichkeitsmerkmale', (b) Untersuchungen zu spezifischen sozialen Kompetenzbereichen; (c) Aspekte der -•Perspektivenübernahme und der -»Empathie; (d) Subjektive -*• Theorien, Schemata und „Rezepte" für erfolgreiches Verkaufen; (e) Typischer Verlauf von Interaktionsprozessen zwischen Käufer und Verkäufer in Form von sozialen Episoden oder Skripts; (f) Rollentheoretische Aspekte: normative -* Erwartungen im Hinblick auf Käufer bzw. Verkäufer; (g) Strategien und Sozialtechniken in Bezug auf Beeinflussungsversuche und mögliche Gegenreaktionen (z.B. Reaktanz) des Kunden (-»Beeinflussung -* Überreden). Verkaufs-Interaktionen käuferverhalten Verkaufspsychologie ferverhalten
VerVerkäu-
Verlegenheit Im Gegensatz zur Schüchternheit, die vorrangig als -* Persönlichkeitsmerkmal betrachtet wird, beschreibt V. einen eher vorübergehenden sozial-emo-
tionalen Zustand, der auf einer Fehlleistung oder einem Missgeschick beruht. Indikatoren der V. sind u.a. Vermeidung von Blickkontakt, Erröten, verlegenes Lachen oder sprachliche Irritationen. V. löst bestimmte typische Handlungstendenzen aus, wie Flucht oder Meidung sowie die Entwicklung von Strategien zur Wiederherstellung eines beschädigten Selbstbildes (-> Selbstwertdienlichkeit). Roos weist darauf hin, dass V. mit Scham korreliert ist. Verhalten und Erleben bei Scham und bei V. sind sehr ähnlich, wobei Scham Normverletzungen impliziert. Verlustaversion -> Prospect theory Verlustbereich
Prospect theory
Vermeidungslernen Form der operanten -* Konditionierung, bei der ein diskriminativer Stimulus vorliegt, der einen aversiven Reiz ankündigt. Auf diese Weise gelingt es dem Organismus, bestimmte Konstellationen zu umgehen (Bsp.: das Kind, das sich der Mutter zuwendet und die Nähe des Vaters meidet; der Mitarbeiter, der seinem Chef möglichst ausweicht, um dessen Meckerei zu entgehen). Vernünftiges Verhalten -» Überlegtes Verhalten Verpflichtung (I) Verinnerlichte soziale -* Norm (Pflichtgefühl) gegenüber einzelnen Pn einer Gruppe, Organisation oder einer Sache. Ähnliches meint auch der Begriff der Selbstbindung (-> Commitment) i.S. einer freiwilligen Übernah-
591
Verschiebung
me von Pflichten, an die man sich gebunden fühlt. (II) I.S. der Norm der -»•Reziprozität bedeutet ein empfangenes -*Geschenk oder eine Hilfeleistung (-»Hilfe-Empfänger) eine Art V. gegenüber dem Gebenden. CIALDINI und GREENBERG versuchen den Nachweis zu führen, dass das Gefühl der V. eine unangenehme Erfahrung darstellt, die auf Rückzahlung drängt. Aufgrund der Aversivität der V. kann auch der Helfende (Gebende) abgewertet werden. Ob dies der Fall ist, hängt u.a. von den vermuteten Motiven des Handelnden sowie vom Ausmaß der eigenen Hilfsbedürftigkeit ab. Verschiebung Aus der Psychoanalyse entlehnter Begriff: V. auf ein Ersatzziel. Der Terminus wird v.a. im Zusammenhang mit -* Aggression benutzt: Kann der Betroffene nicht gegen den Aggressor vorgehen (weil dieser stärker oder unzugänglich ist), wird ein Ersatzobjekt gewählt. Einen ähnlichen Prozess beschreibt der —> Sündenbockfunktion: die Suche nach Schuldigen (oder der schuldigen Gruppe). Versprechungen Die Ankündigung einer Belohnung, manchmal an Bedingungen geknüpft. Das V. lässt eine -»• Erwartung entstehen; die Nichteinhaltung führt zur Frustration. Im Gegensatz zur Drohung (im Hinblick auf Bestrafungen) drängt ein V. zur Erfüllung. Falsche V. führen zu einem Bruch des -* Vertrauens sowie der —• Glaubwürdigkeit.
Verstärkerpläne
Verstärker bzw. Verstärkung LS. der instrumenteilen -* Konditionierung jedes Ereignis, das gleichzeitig bzw. mit nicht allzu großer Verzögerung mit einem Verhalten auftritt und dieses verstärkt (-• Effektgesetz). Wird ein Verhalten belohnt (positive V.) oder entstraft (negative V.), so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verhaltensmuster in Zukunft wieder auftritt. Diese Wahrscheinlichkeit variiert mit der Häufigkeit bzw. Seltenheit der Verstärkung, der Valenz (Qualität/Quantität) eines V. in Bezug auf mögliche Alternativen, der Kontinuität (-* Verstärkerpläne) der V. (wobei diskontinuierliche Abfolgen das Verhalten zwar langsamer, jedoch dauerhafter etablieren) sowie der Kontiguität (zeitliche Nähe) und - stärker noch- der Kontingenz (erlebter Zusammenhang) des V. in Abhängigkeit von bisherigen V.-Erfahrungen. Primäre V. beruhen auf biologischen Dispositionen und befriedigen angeborene Bedürfnisse (insbesondere im physiologischen Bereich). Wenn ein Reiz erst durch häufige Kopplung mit primären V. seine V.-Wirkung erhält, bezeichnet man diesen als sekundären V., der auf Lernprozessen beruht. Von generalisierten V. spricht man immer dann, wenn der V. viele verschiedene Verhaltensweisen verstärken kann (z.B. -* Geld). Von stellvertretender V. ist die Rede, wenn durch die Beobachtung eines Modells die Wahrscheinlichkeit einer gezeigten Reaktion entsprechend steigt (~> Modell-Lernen). Verstärkerpläne System, in dem Belohnungen oder Strafreize verabfolgt werden. Wird je-
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Verteidigungsmotivation
Verstehen
des Auftreten eines bestimmten Operanten verstärkt, spricht man von kontinuierlicher Verstärkung; wird es nur manchmal bekräftigt, so ist von intermittierender oder diskontinuierlicher Verstärkung die Rede. Es gibt viele Möglichkeiten, intermittierend zu verstärken; die wichtigsten Formen sind Verhältnispläne (Häufigkeitspläne) und Intervallpläne (Zeitpläne). Diskontinuierliche V. bewirken eine langsamere -> Verhaltensformung, fuhren jedoch zu einer stärkeren Extinktionsresistenz, d.h. das Verhalten wird auch dann noch -zumindest eine Weileaufrecht erhalten, wenn keine externe Verstärkung mehr erfolgt.
Verstehen Methodologische Vorgehensweise, wobei behauptet wird, Verhaltenswissenschaften seien nicht (wie z.B. Naturwissenschaften) in der Lage, Sachverhalte zu erklären; man könne sie lediglich durch einfühlendes Verstehen analysieren. Das V. kann jedoch auch als Vorstufe zur Erklärung (zumal im —• Entdeckungszusammenhang) interpretiert werden (-» Methodologie).
Versuchsleiter-Effekt Bezeichnet die nicht intendierte Beeinflussung von Vpn durch die Merkmale (z.B. Status, Alter, Attraktivität) oder vermuteten normativen Erwartungen des VI (z.B. signalisiert durch zustimmendes Kopfnicken).
Versuchsperson Bezeichnung für Pn, die - zumeist unter Laborbedingungen- als Objekte psychologischer Forschung fungieren. Das Interesse des Forschers richtet sich hierbei meist nicht auf die spezifischen Eigenheiten der Vp, sondern auf
ihre jeweiligen Reaktionen bezüglich der von ihm gesetzten Bedingungen (-» treatments). Dabei wird die Vp in aller Regel über den eigentlichen Zweck des Experimentes getäuscht (—> Coverstory). Dennoch gibt es Motive der Vp (z.B. es dem VI recht zu machen oder das Experiment zu torpedieren), die als Störfaktoren wirken können. Des weiteren gibt es meistens implizite Hypothesen über den Zweck des Experiments, die bestimmte Ergebnisse verfalschen können, insbesondere wenn die Coverstory nicht besonders glaubhaft klingt.
Versuchsplan Bezeichnung für die Planung und Durchführung eines —• Experiments (Versuchsanordnung, experimentelles Design). Der V. beinhaltet insbesondere Angaben darüber, (a) welche Variablen als abhängige und als unabhängige fungieren; (b) welche Variablen zu kontrollieren sind; (c) an welchen Stellen Messungen vorgenommen werden sollen und (d) nach welchen Gesichtspunkten die Vpn ausgesucht und auf die verschiedenen Bedingungen verteilt werden.
Verteidigungsmotivation Bezeichnet das Motiv, bestimmte Standpunkte, die mit zentralen Einstellungen und Wertvorstellungen konsistent sind, aufrechtzuerhalten und gegen Angriffe in Schutz zu nehmen (-> Bestätigungstendenz). Dies führt i.d.R. zu starker Selektivität in der Informationsverarbeitung (z.B. Leugnen der Schädlichkeit des Rauchens).
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Verteilungsgerechtigkeit
Verteilungsgerechtigkeit -* Gerechtigkeit Equity-Theorie Verteilungskonflikt Form sozialer -* Konflikte, welche die Verteilung von Ressourcen betrifft (-> Gerechtigkeit). V. sind insbesondere dann prekär, wenn es um -* Nullsummen-Spiele geht. V. bestehen oftmals nicht nur zwischen einzelnen Individuen, sondern auch zwischen Gruppen (-> Intergruppen-Konflikt). Sie verschärfen das Bedürfnis nach sozialer Identität und fördern den Antagonismus zwischen Gruppen. Vertikale Dyaden Vertical-dyad-linkage: Eine von GRAEN u.a. entwickelte Vorstellung, dass Führungsverhalten {-* Führung) meist nicht durch einen einheitlichen —• Führungsstil im Hinblick auf sämtliche Mitarbeiter charakterisiert ist, sondern dass recht inkonsistente Interaktionsmuster entstehen, im Extremfall also eine der Gruppengröße entsprechende Menge einzelner differenzieller Interaktionsbeziehungen. argumentiert, dass es aufgrund einer attributiven Einschätzung der Führungs-P zumindest zur Differenzierung in Ingroup und Outgroup komme: Da der Führende lediglich von Mitgliedern der Ingroup Unterstützung für seine Anliegen erwartet, werden die Beziehungen zu deren Mitgliedern fordernd und wohlwollend, zu Mitgliedern der Outgroup hingegen indifferent oder ablehnend sein. GRAEN
Verträglichkeit Konzept von SCHUTZ, wonach die V. in sozialen -* Beziehungen umso höher ist, je stärker das Affiliationsmotiv 594
Vertrauen
(-» Affiliation), das Kontrollmotiv sowie das Bedürfnis nach Affekt (i.S. der -» Intimität) ausgeprägt ist. Der Grundgedanke ist eine Art Diskrepanz-Modell: Je geringer die Differenz zwischen dem Wunsch des einen Partners und dem Verhalten des anderen ist, umso größer ist die reziproke V. zwischen den Partnern. Das Modell lässt offen, ob es sich hierbei vorwiegend um ähnliche Interessenausrichtungen der Partner handelt oder um ein Prinzip komplementärer Bedürfnisse. Außerdem ist zu konstatieren, dass V. durch unterschiedliche Wertsetzungen -zeitlich und interkulturell - sozial definiert wird. So wäre z.B. eine emanzipierte Frau vor hundert Jahren als wenig verträglich eingestuft worden. Vertrauen (I) In d e r T r a d i t i o n v o n DEUTSCH b e -
deutet V. in Interaktionsbeziehungen, dass der jeweilige Partner (z.B. im -» Gefangenendilemma) nicht den maximal möglichen Gewinn realisiert, sondern sich kooperativ (-> Kooperation) verhält, d.h. ein für beide Partner gutes Ergebnis zu erzielen versucht. In ähnlicher Weise vertraut P im Konfliktfall darauf, dass O seine evtl. Machtposition nicht voll ausreizt, sondern - insbesondere durch starken Zukunftsbezug - sich in Konfliktsituationen kooperativ verhält oder an bestimmten Normen (z.B. Equity-Normen) orientiert. DEUTSCH ermittelte in einem GD-Spiel Verhaltensunterschiede zwischen autoritären und liberalen Vpn. Jede Vp musste an zwei Durchgängen teilnehmen. Entschied sie sich im ersten Abschnitt für die kooperative Alternative, wurde sie als vertrau-
Vertrauen
ensvoll eingestuft. Wählte sie die nicht-kooperative Alternative, wurde sie als misstrauisch bezeichnet. Daraufhin wurde der Vp (unabhängig von ihrem Verhalten) mitgeteilt, der Spielpartner habe sich für die kooperative Alternative entschieden. Wählte nun die Vp beim zweiten Zug das kooperative Verhalten war sie vertrauenswürdig, bei der Entscheidimg für die kompetitive Option war sie nicht vertrauenswürdig. Im Gegensatz zu den extrem autoritären Vpn erwiesen sich liberalere Vpn größtenteils als vertrauensvoll und auch vertrauenswürdig. (II) In der T r a d i t i o n v o n ROTTER ist V .
die generalisierte antizipative -* Erwartung einer P oder einer Gruppe, dass man sich auf das Wort, das Versprechen sowie auf die verbalen oder geschriebenen Aussagen anderer Individuen oder Gruppen verlassen kann. In der Literatur wird vielfach auf zwei Definitionsmerkmale hingewiesen: Ungewissheit (man kann nicht genau wissen, ob das V. berechtigt ist) sowie Risikohaftigkeit (d.h. dass bei einem V.-Bruch bedeutsame negative Konsequenzen auftreten). V. ist abzugrenzen von -> Vertrauenswürdigkeif, dieser Ausdruck ist i.R. der Kommunikationsforschung anderweitig belegt. -* Vertrautheit wird m i t u n t e r (z.B. b e i LUHMANN) als V o r -
stufe zum V. angesehen. -* Glaubwürdigkeit verweist auf kommunikative Prozesse und ist allenfalls ein Teilaspekt des V. Letzteres ist vielschichtiger und durchwirkt den gesamten Kommunikationsprozess. (1) Funktionen des V.: Die erste Grundfunktion besteht in der Reduk-
Vertrauen
tion von Komplexität (LUHMANN). Mit steigender Komplexität wächst die Neigung, vereinfachte Entscheidimgshilfen zu akzeptieren und der P, die Hilfe anbietet, zu vertrauen. Bei persuasiven Prozessen sind nicht nur Informationen bezüglich der Aussageninhalte notwendig, sondern auch Informationen über den Informierenden (Meta-Information) im Hinblick auf dessen Absichten, Motive, Interessen. Die zweite Grundfunktion besteht in der Erleichterung der Interaktion. Diese wird durch V. erleichtert, manchmal sogar erst ermöglicht. Fehlt das V., so entstehen u.U. hohe Interaktionskosten (z.B. rechtliche Absicherung, Auskünfte, Schriftform). Vielfach ist eine völlige Absicherung nicht möglich, so dass starkes Misstrauen bestimmte Interaktionen lähmen oder verhindern kann. Das V. ist dabei nicht nur von den Merkmalen des Interaktionspartners (z.B. seiner offenkundigen Seriosität) abhängig, sondern auch von der Geltung bestimmter Normen (z.B. Gerechtigkeitsnorm, Reziprozitätsnorm) sowie der Vermutung, dass der Interaktionspartner sich an diese halten wird. (2) Zeitbezug: Aspekte der V.-Bildung sind insbesondere im Zusammenhang mit romantischen Beziehungen (-+ Beziehungen, soziale -* Liebe) untersucht worden. REMPEL et al. unterscheiden drei Entwicklungsphasen: (a) Vorhersagbarkeit: Sie bezieht sich auf die subjektive Sicherheit, das Verhalten des Partners voraussagen zu können; (b) Verlässlichkeit: Sie bezieht sich auf die Attribution von Ehrlich595
Vertrauen
keit und Vertrauenswürdigkeit; (c) Treue: Diese bezieht sich auf unbedingtes und unerschütterliches V. (Gott-V.). Parallel hierzu verläuft ein Prozess zunehmender —> Selbstöffhung; man kann sich dem Anderen ohne Risiko anvertrauen. Vorschnelle Selbstöffnung bietet Angriffsflächen und Risiken, indem der Andere den V.-Vorschuss missbräuchlich ausnutzen könnte (-• Machiavellismus). In Geschäftsbeziehungen werden die einzelnen Phasen oftmals abgekürzt; NEUBAUER spricht von „schnellem Vertrauen", d.h. V. in temporären Beziehungen mit dem Ziel, sich als verlässlicher Interaktionspartner zu zeigen. (3) Misstrauen und Leichtgläubigkeit: Während Misstrauen hohe Interaktionskosten und starke soziale Kontrolle zur Folge hat, sind leichtgläubige Menschen dadurch gekennzeichnet, dass sie wesentliche Hinweisreize übersehen, die auf mangelnde V.-würdigkeit hindeuten. Es muss folglich die Wahrnehmung der jeweiligen Situation einbezogen werden. Leichtgläubigkeit kann bedeutsame Konsequenzen nach sie ziehen (Betrug, Bereicherung, Verlust des Arbeitsplatzes, Heiratsschwindel). Im Interaktionsprozess bedarf es demnach einer Balance zwischen Misstrauen und Leichtgläubigkeit. (4)V.
als
Persönlichkeitsmerkmal: begreift Persönlichkeitsmerkmale als Desiderate gelernten Verhaltens, die lediglich durch Generalisierung ihren situationsübergreifenden Charakter annehmen. Solche generalisierten Erwartungen ROTTER
596
Vertrauen
sind zwar relativ stabil, können jedoch durch neue Erfahrungen verändert werden. Sich selbst etföllende -> Prophezeiungen fuhren allerdings dazu, dass Individuen mit konfirmatorischem Bias (-*Bestätigungstendenz) an ihre soziale Umwelt herangehen. konstruiert eine Skala zur Messung des interpersonellen V. (ITS) und unterscheidet zwei polare Orientierungen: Trusters und NonTrusters. Trusters sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet: ROTTER
(a) Sie räumen den Mitmenschen einen hohen persönlichen Kredit ein, bis zum Beweis des Gegenteils; (b) Sie erfahren von Anderen Zutrauen und V., werden leichter akzeptiert, haben weniger Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen; (c) Sie versuchen sich des V. Anderer als würdig zu erweisen; sie stehlen, lügen und betrügen in geringerem Maße; (d) Sie haben im Hinblick auf möglicherweise schlechte Absichten Anderer wenig Befürchtungen, Ängste und Verdachtsmomente. Für Non-Trusters gilt folgendes: (a) Sie räumen anderen Menschen keinen Kredit ein; die Bezugsperson wird vielmehr einem Bewährungsprozess ausgesetzt; (b) Sie müssen aufgrund ihres Misstrauens Kooperationsangebote von wohlmeinenden und vertrauenswürdigen Pn zurückweisen; (c) Sie versuchen, ihren Vorteil zu sichern, bevor sie von Anderen „ausgenommen" werden;
Vertrauenswürdigkeit
(d) Sie gehen vielfach davon aus, dass man Mitmenschen kritisch im Auge behalten und kontrollieren muss. Non-Trusters haben demnach ein ausgeprägteres Kontrollbedürfnis. (5) Korrelate des V.: Nach PETERMANN sind u.a. folgende Aspekte positiv mit V. korreliert: Verringerung von Angst, Selbstöfinung, psychisches Wohlbefinden, geringere Konfliktneigung, größere Selbstsicherheit, geringeres Kontrollbedürfnis; negative Korrelationen bestehen zu Delinquenz, Faschismus, Machiavellismus, Lügen und Betrügen. Wichtig ist auch, dass V. auf der Gegenseite V. erzeugt (reziprokes V.). Ein spezifischer Fall ist V. in V. (MetaV.), d.h. ein durchschauendes (reflexives) V. Lit.: DEUTSCH, M. (1976). Konfliktregelung: Konstruktive und destruktive Prozesse. München/Basel. KRAMPEN, G. (Hg.). (1989). Diagnostik von Attributionen und Kontrollüberzeugungen. Göttingen. LUHMANN, N. (21989). Vertrauen. Stuttgart. PETERMANN, F. (31993). Psychologie des Vertrauens. Göttingen. REMPEL, J . K . et al. (1985). Trust in close relationships. Journal of Personality and Social Psychology 49, 95112. ROTTER, J . B . (1966). Generalized expectancies for internal versus external control of reinforcement. Psychological Monographs 80, 1, N.609. SCHWEER, M . K . W . (Hg.) (1997). Vertrauen und soziales Handeln. Facetten eines alltäglichen Phänomens. Neuwied.
Vertrauenswürdigkeit (I) Im Kontext des -* Vertrauens in Interaktionsbeziehungen der Glaube, dass eine andere P Vertrauen verdient. (II) Im Zusammenhang mit Kommunikationsprozessen (neben der fachlichen Kompetenz) eine der Kernvaria-
VIE-Theorie
blen, welche die ->• Glaubwürdigkeit eines Kommunikators bestimmen. V. wird attributiv erschlossen, d.h. P vermutet, dass der Kommunikator keine „falschen" Absichten (z.B. starke Interessengebundenheit) hat.
Vertrautheit (I) Wird vielfach i.S. des seins verstanden.
Vertraut-
(II) Ergibt sich in sozialen Beziehungen durch starke -> Intimität, soziale Durchdringung sowie Selbstöffnung. Stadien zunehmender V. werden gewöhnlich in Phasenmodellen erschlossen (-» Vertrauen).
Vertrautsein V. mit einem Stimulus heißt, dass ein bestimmter Reiz dem Individuum bekannt ist (-> Mere exposure-Effekt). So ist z.B. ein Rezipient mit einem Werbespot, der häufig wiederholt und gesehen wurde, vertraut. Im Übrigen wird V. auch i.S. der ->• Vertrautheit verstanden. Verzerrungen, kognitive
Bias
VIE-Theorien Variante allgemeiner ->• Wert-Erwartungs-Theorien. Innerhalb der V. („V" steht fur valence, „I" steht fur instrumentality und „E" fur expectancy) wird versucht, die Verhaltensintention zu errechnen aus der Wertigkeit der Ziele, der Instrumentalität der Handlung für das Erreichen dieser Ziele und der subjektiven Wahrscheinlichkeit, solche Ziele zu erreichen. Der wichtigste Ansatz dieser Theoriegruppe ist die -*• Instrumentalitätstheorie von VROOM. Andere Spielarten der V.
sind im arbeitspsychologischen Be597
Vigilanz
reich entwickelt worden
(PORTER & LAWLER, GRAEN, WISWEDE u.a.). In
diesen Modellen werden auch zwei Arten von —• Erwartungen unterschieden (—• Effizienz-Erwartungen, —• Konsequenz-Erwartungen). Vigilanz Nach MACKWORTH ein Bereitschaftszustand, spezifische kleine Veränderungen, die in der Umwelt in Zufallsintervallen auftreten, zu erkennen und auf sie zu reagieren. Dies dient der Bewältigung von bedrohlichen und überraschenden neuen Situationen und hat zweifellos eine evolutionäre Wurzel. Da ein solcher Bereitschaftszustand Grenzen hat, ist V. von einem Nachlassen der Aufmerksamkeit bedroht. Allerdings lernt P im Laufe der Zeit, nur auf bestimmte Reizklassen mit Aufmerksamkeit zu reagieren (—• Diskrimination), während nachlassende V. für jeweils andere Stimuli unschädlich ist. Viktimologie Teilgebiet der Forschung zum abweichenden Verhalten, das die Stellung der Opfer beim Tathergang untersucht. Bei etlichen Delikten stehen Täter und Opfer bereits vorher in enger Beziehung. Eigenes Verhalten (z.B. aufreizende Handlungen) kann die Chance steigern, Opfer (z.B. einer Vergewaltigung) zu werden. Vielfach wird jedoch auch das Opferverhalten durch den Täter (oder durch Dritte) legitimatorisch verwendet: O sei selber schuld (-> Verantwortlichkeit). Visibiliät, soziale Soziale Sichtbarkeit, Einsehbarkeit, Beobachtbarkeit. Dies sind Situationen oder Verhaltensweisen, die von 598
Visibilität, soziale
anderen Menschen (insbesondere von -* Bezugspersonen) beobachtet werden können. Sichtbare Merkmale, die ungewöhnlich sind, geben den Anlass zu —• Attributionen. Individuen entwickeln Strategien, um V. zu erzeugen oder zu vermeiden (-+ Selbstdarstellung -* Impression management). Das Erstere wird dann der Fall sein, wenn bestimmte Verhaltensaspekte (z.B. Erfolg) selbstwertdienlich sind oder das soziale -* Prestige erhöhen (-> Selbstergänzung, symbolische). Vermeidungsstrategien setzen dann ein, wenn Pn daran interessiert sind, dass bestimmte Dinge privat oder intim zu behandeln sind. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn es sich um deviante Merkmale oder um -»abweichendes Verhalten handelt. Männer, die zuhause in Frauenkleidern herumlaufen oder „anrüchige" sexuelle Obzessionen pflegen, sind im allgemeinen daran interessiert, dass solches Verhalten im Verborgenen bleibt und nicht ans Licht der Öffentlichkeit gerät. Manchmal ist es unvermeidlich, mitunter jedoch auch „befreiend", sich zu „outen", z.B. sich als Homosexueller oder als Alkoholiker zu bekennen. Die Sichtbarmachung kann jedoch auch negative Folgen haben, indem sie die Handlungsspielräume der Betroffenen einschränkt (-> Etikettierung -* Stigmatisierung), und Sanktionsinstanzen könnten ein Interesse daran haben, dass Menschen mit abweichenden Merkmalen (z.B. die Angehörigen einer sozialen -»Minderheit) sofort erkennbar sind. Personalunterlagen gestatten oft Einblick in ansonsten nicht zugängliche Sachverhalte, sind jedoch bei der Suche nach Arbeit aufschluss-
Vividness
reich (z.B. Berichte über Vorstrafen), für den Betroffenen im Hinblick auf Resozialisation eher hinderlich.
Vividness Lebendigkeit und Lebhaftigkeit eines Reizmaterials entscheiden u.a. über die Effizienz der Informationsverarbeitung. Wird ein Sachverhalt sehr lebhaft beschrieben oder in Bildvorlagen entsprechend lebendig dargestellt, dann werden diese Stimuli leichter codiert und decodiert. Dies ist u.a. für die Werbepsychologie von Bedeutung.
Volition Wille, das Wollen. Teilaspekt menschlicher Motivation, der insbesondere darauf gerichtet ist, eine gewählte Entscheidung in praktisches Handeln umzusetzen (postdezisionale Phase). Theorien der Handlungskontrolle beschäftigen sich mit der Frage, auf welche Weise das Individuum auch gegenüber widrigen Umständen (z.B. Ablenkung, konkurrierende Motive, Irrwege) sein Ziel verfolgt und Handlungen abschließen kann. Man spricht hier auch von volitionalen Konzepten der Motivation (-• Handlungskontrolle -* Rubikon-Modell).
Vorausurteil Nach ALLPORT ein vorläufiges Urteil, das für den Fall widersprechender Erfahrungen hinreichend offen für Änderungen ist. Der Mensch lebt im allgemeinen mit einer Vielzahl von kognitiv gelernten, jedoch nicht an der Erfahrung geprüften Überzeugungen. Allerdings ist der Übergang zu einer resistenteren Form, nämlich dem -> Vorurteil durchaus fließend.
Vorsatz
Vorbild Eine P, die durch ihr Verhalten und ihre Einstellungen ein Ideal verkörpert, das zur Nachahmung und Identifikation einlädt (-» Referenzmacht -* Modell-Lernen) und oftmals auch von anderen Instanzen für gerichtete Verhaltensänderungen eingesetzt wird.
Vorhersehbarkeit Inhaltliche und/oder zeitliche V. gehört zu den Möglichkeiten sekundärer Kontrolle (-> Kontrolle, kognizierte). Sie führt zur Reduzierung emotionaler Belastung. Durch V. können aversive Reize oft abgewendet werden, sofern die Möglichkeit besteht, die Situation zu beeinflussen. Retrospektiv wird häufig V. unterstellt (-> Knew-it-all-along-Ejfekt, ->• Hindsight bias); man hat das alles „kommen sehen".
Vorsatz (I) Der Begriff V. ist in der Willenspsychologie (-> Wille) angesiedelt (z.B. bei LEWIN). E i n V. begründet ei-
ne „Vornahme-Handlung" (i.S. von: Ich nehme mir vor,..."). Vielfach wird der Begriff auch i.S. einer Absicht (Intention) verstanden. Einige Psychologen betrachten V. als relativ allgemeine und vage Absicht, Intention dagegen als konkrete Veranlassung, Entscheidungen oder Einstellungen in konkretes Handeln umzusetzen. (-» Volition -*• Geplantes Verhalten). Nach GOLLWITZER stellen V. eine wirkungsvolle Strategie der -* Selbstregulierung dar, die das Überwinden von Handlungsbarrieren begünstigt (-• Zielsetzungstheorie). Andererseits
599
Vorsichtsschub
Vorurteil, soziales
gilt, dass so mancher gute V. über Bord geworfen wird. (II) Im Kontext der Attributionsforschung bedeutet V. oder Vorsätzlichkeit, dass eine P eine bestimmte Handlung bewusst - willentlich und zielfuhrend umsetzt, demnach für dieses Verhalten als voll verantwortlich (-* Verantwortlichkeit) zeichnet (z.B. bei einem vorsätzlichen Mord).
Vorsichtsschub (cautious shift) Erste Befunde über -* Gruppenentscheidungen hatten eine Tendenz zu risikofreudigen Entscheidungen (-»• Risikoschub) ergeben. Wie bereits BROWN vermutete, entscheiden Gruppen deshalb riskanter, weil und insofern risikobereitschaft normativ höher eingeschätzt wird. Entscheidungsprobleme, bei denen jedoch eher vorsichtiges als riskantes Verhalten normgerecht ist (z.B. Berufsunfähigkeit als Risiko einer Operation, Sicherheitsvorkehrungen bei Kernkraftwerken) wird der Vorsichtige nicht als ängstlich, sondern als verantwortungsbewusst angesehen und der riskante Draufgänger nicht geschätzt. Im Rahmen des übergreifenden Konzepts zur Gruppenpolarisation
(MOSCOVICI
& ZAVALLONI) sind sowohl risky shift als auch cautious shift Spezialfälle einer allgemeinen Tendenz zu extremeren (polarisierten) Gruppenurteilen.
Vorstellungsbild Inneres Abbild (Imagery), visuelle, analoge Wissensrepräsentation. Die hier zentrale Theorie der dualen Codierung (PAIVIO) geht davon aus, dass verbale und bildliche Inhalte in verschiedenen Gedächtnisspeichern codiert werden (-> Duale Speicher-Theo600
rien). Hintergrund dieser Annahme ist die Idee der Hemisphären-Asymmetrie, wonach die rechte Gehirnhälfte hauptsächlich die bildlichen (non-verbalen) Prozesse, die linke Hälfte jedoch Vorgänge des Sprachverstehens und der Sprachproduktion kontrolliert. Nach den Vorstellungen der dualen Speichertheorie werden bildliche Inhalte leichter codiert und decodiert (Bildüberlegenheits-Effekt). Unterschiedliche Auffassungen gibt es im Hinblick auf die Frage, ob V. primär das Ergebnis sensorischer Vorgänge sind oder ob sie auch als Resultat abstrakterer Denkprozesse erklärt werden können (Imagery-Debatte).
Vorstellungs-Effekt Nach CARROLL neigen Individuen dazu, die Auftretenswahrscheinlichkeit solcher Ereignisse zu überschätzen, die sie sich plastisch ausmalen können. Vorstellungen pflegen nämlich die -* Zugänglichkeit der Gedächtnisinhalte zu fordern, deren Aktivierung dann zu bestimmten -* Erwartungen führt, dass das betreffende Ereignis tatsächlich auch auftreten wird (-»belief creates reality Prophezeiung, sich selbst erfiillende). Das Phänomen lässt sich auch als -* Heuristik beschreiben, nämlich als Teilaspekt der —> Verßigbarkeitsheuristik. Gelegentlich wird auch eine eigenständige Simulations-Heuristik unterschieden.
Vorurteil, soziales (1) Begriff: V. sind affektiv abwertende -* Einstellungen gegenüber anderen Pn, Gruppen oder Merkmalsträgern, die auf sozialer -* Kategorisierung i.S. eines generalisierenden und
Vorurteil, soziales
simplifizierenden Zuschreibungsprozesses beruhen, sozial konstituiert sowie geteilt werden und die besonders stabil und änderungsresistent sind. V. basieren auf Stereotypen, genauer: Sie ergänzen vorgefasste, simplifizierende und kategorisierende Elemente des stereotypen Systems durch eine affektive Komponente der Abwertung. V. sind demnach durch die Merkmale stereotyper Systeme gekennzeichnet, die u.a. (a) an äußeren Attributen anknüpfen, die besonders salient sind und der sozialen ->• Visibilität unterliegen (Hautfarbe, Aussehen, Geschlecht etc.); (b) sozial geteilt sind, für die also soziale Unterstützung (durch die Eigengruppe) vorliegt; (c) auf Pn gerichtet sind, die als mehr oder weniger homogene Einheit einer sozialen Gruppierung gesehen werden; (d) in starkem Maße simplifiziert und übergeneralisiert werden, also eine unangemessene Form der Komplexitätsreduktion darstellen; (e) Kategorisierung zur Voraussetzung hat, die wiederum die schnelle Zuordnung von Merkmalen gestattet; (f) bei Vorliegen eines dichotom klassifizierenden Orientierungsmerkmals die Überbetonung (Dichotomisierung, Polarisierung) der Unterschiede zwischen der Eigengruppe und der Fremdgruppe bei gleichzeitiger Überbetonung der Ähnlichkeit innerhalb der Eigengruppe veranlassen (-» Akzentuierung).
Vorurteil, soziales
(2)Entwicklung von V.: Hier sind Aspekte der -* Sozialisation und des sozialen -»Lernens von Bedeutung. ALLPORT arbeitet mit einem DreiStufen-Modell der kognitiven Entwicklung und unterscheidet: (a) prä-generalisiertes Lernen (z.B. das Kind weiß noch nicht genau, was ein Jude oder was ein Neger ist); (b) totale Ablehnung (z.B. generalisierte Verdammung; den Betroffenen werden überwiegend schlechte Eigenschaften zugesprochen); (c) kognitive Differenzierung (Abkehr vom Schwarz-Weiß-Denken). Die Rigidität von V. sei im Alter von 7-8 Lebensjahren am größten; später setzen (im guten Falle) differenziertere Urteile ein, die nicht mehr ausschließlich auf ethnozentrischen Vorstellungen beruhen. V. können durch alle möglichen Lernmechanismen initiiert werden (nachgewiesen z.B. durch instrumenteile und klassische -* Konditionierung, ebenso durch Imitation und —• Modell-Lernen). Hierbei kommt es umso leichter zu kollektiven V., wenn die Gesellschaft fertige Gebrauchsmuster in Form geeigneter Stereotype bereithält (z.B. „Heimchen am Herd", der „aggressive Schwarze", „geldgierige Ärzte"). Diese Stereotype werden meist begleitet durch legitimierende Mythen (—• Dominanztheorie, soziale), die Modi der Rechtfertigung liefern. (3) Persönlichkeitsmerkmale: Ein wichtiger Erklärungsstrang zur Thematik der V.-Bildung beruht auf der 601
Vorurteil, soziales
Annahme entsprechender Verhaltensdispositionen. Genannt werden v.a. -* Autoritarismus (autoritäre Persönlichkeit), soziale Dominanz (—• Dominanztheorie, soziale), toughness und Dogmatismus (hier v.a. die Dichotomie -* open mindedness vs. closed mindedness) sowie Konservativismus. Besonders einflussreich war die ältere und neuere Autoritarismus-Forschung (vgl. ALTEMEYER), wobei insbesondere drei Merkmale zur Definition des Autoritarismus-Konstrukts herangezogen werden: (a) autoritäre Unterwürfigkeit; (b) autoritäre Aggression (die von anderen Autoritätsinhabern gebilligt wird); (c) Konventionalismus (Festhalten an sozialen Konventionen). Neuerdings beansprucht die Theorie der sozialen Dominanz (SIDANIUS & PRATTO) eine integrative Erklärung für Rassismus, Stereotype, V., Diskriminierung und Intergruppen-Beziehungen, die über Persönlichkeitsmerkmale hinaus weist und insbesondere legitimierende Mythen als moderierende Variablen enthält. Eine nochmals übergreifende Perspektive entwickelt DUCKITT, der die zentralen Annahmen von ALTEMEYER einerseits und das Konzept von SIDANIUS & PRATTO andererseits in einem Zwei-Prozess-Modell zusammenfasst. (4) Kontakthypothese: Die allgemeine Aussage, dass bei näherem Kontakt V. verschwinden, hat sich in dieser pauschalen Form nicht bestätigen lassen. Eine neuere Übersicht von PETTIGREW zeigt, dass es - neben der 602
Vorurteil, soziales
Stärke des V. - v.a. auf die Art des Kontakts ankommt: Dauer, Häufigkeit, Anzahl der Pn, Tiefgang des Kontakts, Statusunterschiede, Kooperation oder Wettbewerb, Kontext des Kontakts, Freiwilligkeit usw. Zufallige und oberflächliche Kontakte ändern wenig am V. Unfreiwillige Kontakte führen eher zu einer Verstärkung von V., Kontakte mit gemeinsamen Zielvorstellungen sowie die Aufdeckung gleichgerichteter Interessen reduzieren V. (-»De-Kategorisierung). (5)~*Illusionäre Korrelation: HAMILTON versucht zu zeigen, dass V. das Resultat kognitiver Fehlinterpretationen sein können. Es handelt sich dabei um einen Bias, bei dem zwei Ereignisklassen, die in Wirklichkeit nichts miteinander zu tun haben, als zusammengehörig empfunden werden. Trifft die Wahrnehmung zweier distinkter Ereignisse zusammen, dann wird die Koinzidenz dieser beiden Ereignisse überschätzt (Bsp.: Man beobachtet ein Mitglied einer Minoritätsgruppe, das zu diesem Zeitpunkt ein abweichendes Verhalten zeigt). Auf diese Weise werden Ereignisse geringer Häufigkeit und (relativ) seltene Merkmalsgruppen allein aufgrund ihrer Seltenheit assoziiert. Im Falle eines existierenden V. wird dieses daraufhin bekräftigt und assoziativ verstärkt. Später auftretende Ereignisse lassen sich dann mühelos in das illusorisch verzerrte Stereotyp einbauen. Es handelt sich hier um den Versuch, das Auftreten von V. i.R. rein kognitiver Konzepte zu erklären. Allerdings dürfte diese rein kognitive Deutung unzureichend sein. Eine
Vorurteil, soziales
Theorie der Genese und der Wirkung von V. hat darüber hinaus soziale Aspekte des Intergruppen-Verhaltens sowie sozialer -* Konflikte zu berücksichtigen. (6) Soziale Identität'. Die Forschungsfront zur V.-Thematik wird heute entscheidend durch die Theorie der sozialen Identität bestimmt. Hier ist es insbesondere das Verdienst von TAJFEL, einen Brückenschlag zwischen den rein kognitiven Hypothesen zur einseitigen Informationsverarbeitung (-+ Akzentuierung) über die Bildung sozialer -*Stereotype bis hin zur V.-Forschung vollzogen zu haben. So konnte gezeigt werden, dass auch ohne Verteilungskämpfe und ohne Ressourcenbeschränkung Prozesse der Kategorisierung mit anschließender Tendenz zur Distinktheit und Diskriminierung (in Ingroup und Outgroup) stattfinden, wobei (i.S. der selbstwertdienlichen Attribution) die eigene Gruppe aufgewertet, die fremde Gruppe abgewertet wird. Liegen noch dazu verschärfende situative Randbedingungen vor (z.B. Verteilungskonflikte, kämpferische Auseinandersetzungen, ideologisch verhärtete Positio-
Vorwarnung
nen), wird die Tendenz zur Diskriminierung verstärkt, das V. demnach stabilisiert und weiter mit emotional negativen Komponenten aufgeladen. L i t . : ALLPORT, G . ( 1 9 5 4 ) . T h e n a t u r e o f p r e -
judice. Reading, M A . (dt. 1971). HAMIL-
TON, D.L. (1981). Illusory correlation as a basis for stereotyping. In: Hamilton, D.L. (ed.) Cognitive processes in stereotyping and intergroup behavior. Hillsdale/N.J., 115-144. RUSCHER, J.B. (1989). Prejudice and stereo-
typing in everyday communication. In: Zanna, M.P. (ed.), Advances in experimental social psychology. Vol. 30, San Diego, CA. 2 4 1 - 3 0 7 . SCHÄFER, B . & S i x , B . ( 1 9 7 8 ) . S o -
zialpsychologie des Vorurteils. Stuttgart. TAJFEL, H. (1981). Human groups and so-
cial categories: Studies in social psychology. Cambridge. ZICK, A. (1997). Vorurteile und
Rassismus - eine sozialpsychologische Analyse. Münster.
Vorwarnung Ankündigung gegenüber einer Vp, dass ein bestimmter Effekt auftreten wird (z.B. die Gefahr, einem ->Bias zu unterliegen). Ein Bsp. aus der Einstellungsforschung ist der Befund, wonach die Wirksamkeit einer einstellungsändernden Mitteilung durch V. einer beabsichtigten Einflussnahme nach erfolgter Ankündigung geringer war.
603
Wahrnehmungsgenauigkeit
Waffen-Effekt
W Waffen-Effekt Die Gegenwart und Verfügbarkeit von Schusswaffen als Objekte mit aggressiver Bedeutung fuhrt zu verstärkter -»• Aggression. BERKOWITZ fuhrt diesen Effekt darauf zurück, dass Waffen als aggressive Hinweisreize dienen. Wahlfreiheit Entscheidungsfreiheit W. ist gegeben, wenn P zwischen mehreren Alternativen (Ergebnissen oder Verhaltensweisen) wählen kann, ohne dass strukturelle oder normative Zwänge ausgeübt werden. Im Allgemeinen gilt, dass die W. umso größer ist, je mehr Optionen zur Verfugung stehen. Wahrheits-Attribution Es ist subjektiv effizienter, Aussagen zunächst einmal als wahr anzusehen. Diese Tendenz wird verstärkt, wenn man nur selten eine korrigierende Rückmeldung erhält, da viele kognitive Täuschungen gar nicht bemerkt werden. Unterstellt wird dabei eine erhebliche „Dunkelziffer" unerkannter Täuschungen. Wahrnehmung Allgemeine und zusammenfassende Bezeichnung für den Vorgang, durch den Individuen Informationen über ihre Umwelt und ihr eigenes Selbst (—• Selbstwahrnehmung) aufnehmen und verarbeiten. LR. der W. werden i.d.R. Prozesse des Perzipierens und des Kognizierens als Einheit gesehen. Es wird betont, dass die W. nicht nur durch die physikalische Beschaffenheit der wahrgenommenen Reizkonfi604
gurationen bestimmt wird, sondern auch von Zuständen (z.B. Motiven, Stimmungen, selektive Aufmerksamkeit) und Vorstellungen (Erwartungen, Hypothesen) des Wahrnehmenden. Informationen werden daher nicht lediglich passiv rezipiert, sondern aktiv gefiltert und verarbeitet (-» cognitive response). Die SP zeigt auf, dass die W. auch von vielfaltigen sozialen Faktoren mit geprägt wird (-» Wahrnehmung, soziale). Wahrnehmungsabwehr Selektive Wahrnehmung -*• Furchtappelle Die Hypothese der W. besagt, dass die Wahrnehmung negativer Reize schwieriger ist als die neutraler oder positiver Reize. Dieser Effekt tritt jedoch nur auf, wenn die Wahrnehmung der Reize keine weiteren Konsequenzen hat. Schon aus evolutionären Gründen ist die Wahrnehmung negativer Ereignisse (-» Negativitätstendenz) manchmal überlebenswichtig. Wahrnehmung, selektive -> selektive Wahrnehmung Wahrnehmungsgenauigkeit Konzept im Rahmen der Personenwahrnehmung (—> Wahrnehmung, soziale). Als Maße für die W. kommen in Betracht die Übereinstimmung zwischen der (a) Selbst- und Fremdbeurteilung bezüglich eines Merkmals; (b) eigenen Einschätzung und der eines Expertengremiums; (c) subjektiven Bewertung und einem psychologischen Test.
Wahrnehmung, soziale
In einer klassischen Studie zeigte CRONBACH, dass sich das Maß für die W. eigentlich aus vier Komponenten zusammensetzt, nämlich: (a) konstanter Fehler: der Beurteiler schätzt alle Pn um einen konstanten Betrag zu hoch/zu niedrig ein; (b) Variabilität: der Beurteiler schätzt die Streuung zwischen den zu beurteilenden Individuen zu hoch/zu niedrig ein; (c) stereotype Genauigkeit: P kann nur die durchschnittliche Höhe der Merkmalsausprägung angeben, nicht jedoch die interindividuellen Differenzen; (d) differenzielle Genauigkeit: Diese Komponente wird als „reines" Maß der Urteilsgenauigkeit angesehen. Neuere Ansätze verändern die Fragestellung: Im Vordergrund steht nicht mehr die Frage: „Wer ist wahrnehmungsgenau?" sondern die Frage: „Wann und unter welchen Umständen sind Menschen wahrnehmungsgenau und wie äußert sich dies in einer spezifischen Situation?". In einem „social relations-model" versucht man die Anteile „Einfluss des Urteilers", „Einfluss des Beurteilten" und Einfluss der Interaktion zwischen Urteiler und Beurteiltem i.R. einer -»• Varianzanalyse zu zerlegen.
Wahrnehmung, soziale (1) Grundsätzliches: Aspekte der Wahrnehmung sind in einer doppelten Hinsicht sozial: Zum einen sind Wahrnehmungsprozesse durch soziale Wertsetzungen (-» Wertsystem), soziale -* Normen, -* Vergleichsprozesse etc. geprägt. Der Mensch lernt bereits im Prozess frühkindlicher
Wahrnehmung, soziale
-»• Sozialisation, worauf der Focus der Aufmerksamkeit gerichtet werden sollte und welche Stimuli möglicherweise irrelevant sind. In diesem Verständnis ist W. sozial geprägt und durchwirkt. Zum anderen sind W. an sozialen Objekten ausgerichtet; sie beziehen sich demnach auf Pn oder Gruppen. In diesem letzteren Sinn spricht man auch von Personenwahrnehmung: Gegenstand der Perzeption sind andere Pn, deren Verhaltensweisen und Merkmale. Dabei wird der Begriff W. hier in einem weiteren Sinne verstanden, der nicht lediglich auf die Perzeption oder Beachtung von Reizen abhebt, sondern Vorgänge des Kognizierens (z.B. Beurteilungs- und Bewertungsprozesse) mit einschließt. Insofern ist auch häufig von sozialer Urteilsbildung die Rede (-> Eindruck, erster -* Primacy-Effekt —• Recency-Effekt Zentralität von Eigenschaften Halo-Effekt). Der Ausdruck Personenwahrnehmung. scheint aus der sp Literatur zu verschwinden, obgleich die entsprechende Forschungstradition (vgl. BRUNER, POSTMAN, TAGIURI, CRON-
BACH) sowie die mittlerweile klassische Darstellung im Lehrbuch von SECORD & BACKMAN nach wie vor lebendig ist. Es besteht angesichts des gegenwärtig dominanten Paradigmas die Neigung, die Themenbereiche „Personenwahrnehmung", ,Attribution" und „Einstellungen" unter dem gemeinsamen Dach der Social-Cognition-Forschung zu subsumieren. Dabei werden ältere Ansätze aus dem Bereich der Personenwahrnehmung in anderem Lichte gesehen, neuen Theorien unterworfen 605
Wahrnehmung, soziale
und insbesondere gedächtnispsychologisch weiterverfolgt. Da die meisten Forschungsfragen und -befunde bereits in speziellen Stichworten abgehandelt sind, wird auf diese verwiesen und hier lediglich eine kurze Zusammenschau möglicher Themenfelder skizziert. (2) Hypothesenimprägnierte W. (—> Hypothesentheorie der Wahrnehmung). Der sog. „new look of perception" hatte gezeigt, dass Individuen nie voraussetzungslos wahrnehmen, sondern implizite Hypothesen darüber entwickeln, worauf sich ihre Aufmerksamkeit richten soll. „Hypothesen" (des Individuums) steuern demnach die W. und bestimmen in maßgeblicher Weise Selektions- und Inferenzprozesse (-• Selektive Wahrnehmung). Zum anderen sind sie auch handlungsleitend, d.h. sie regulieren bis zu einem gewissen Grad das Verhalten (hypothesengeleitetes Handeln). Ein zentraler Begriff dieser Theorie ist die Hypothesenstärke. CAMPBELL zeigte, dass kognitive Dispositionen (hier: Hypothesen) nach lerntheoretischen Gesichtspunkten verstärkt oder abgeschwächt werden („Bewährung" einer Hypothese). Aus dieser Überlegung folgt auch, warum Menschen gewöhnlich an einmal gebildeten Hypothesen festhalten und daher einer Tendenz zur Hypothesenbestätigung unterliegen (-»conflrmation bias). Da „Hypothese" als Oberbegriff verwendet werden kann, lassen sich auch andere Dispositionen als Teilklassen von Hypothesen definieren: Einstellungen als permanente, bewertete Hypothesen; Attributionen 606
Wahrnehmung, soziale
als Kausalhypothesen; antizipative -* Erwartungen als Wahrscheinlichkeitsurteile im Hinblick auf das Auftreten von Ereignissen. (3) Aspekte des W.-Aktes: Primär ist zunächst der Mechanismus der Selektion (-> selektive Wahrnehmung), der besagt, dass von allen gegebenen und zugänglichen Reizen nur ein geringer Teil aufgenommen und verarbeitet wird. So werden z.B. bei einer Fernsehsendung viele Werbespots überhaupt nicht beachtet, und von denen, die Aufmerksamkeit finden, werden nur einige auch wirklich kogniziert, d.h. gedanklich weiterverfolgt. Diese Selektion erfolgt nicht zufallswahrscheinlich; vielmehr bilden kognitive Faktoren (z.B. Zustände intensiver Aufmerksamkeit), motivationale Faktoren (z.B. bedürfnisakzentuierte W.) sowie soziale Faktoren (z.B. W. solcher Stimuli, die von Bezugspersonen hervorgehoben werden) Generatoren, die Richtung und Umfang der Selektion festlegen. Der zweite wahrnehmungspsychologische Prozess ist die Inferenz, indem der Wahrnehmende über die tatsächlich gegebenen Informationen hinausgeht und implizite Schlussfolgerungen auf weitere Eigenschaften des W.-Objektes zieht. Die Kenntnis bestimmter Merkmale oder Verhaltensweisen einer P fuhrt dann dazu, dass diesem Eindruck passende Merkmale hinzugefügt, unpassende dagegen ausgeschlossen werden. Dieser Prozess ist weitgehend kulturabhängig. Innerhalb bestimmter Kulturen oder Gruppen gibt es verbreitete und recht einheitliche Auffassungen darüber, welche Merkmale ver-
Wahrnehmung, soziale
einbar sind und welche nicht. CRONBACH spricht von einer impliziten Persönlichkeitstheorie (-> Theorie, subjektive), wobei „Theorie" hier die naiven Annahmen des Beurteilers darstellt. Der Ausdruck „implizit" bedeutet, dass solche Schlussfolgerungen (Wie wahrscheinlich ist es, dass eine P, die die Merkmale A und B aufweist, auch die Eigenschaften X und Y hat?), mehr oder weniger unbewusst verlaufen, also kaum kognitiv kontrolliert werden. Anspruchsvollere Schlussfolgerungen sind Kausal-Attributionen, in denen bestimmte Informationsstimuli (z.B. über Distinktheit, -* Konsistenz und -* Konsens) zu Ursachenzuschreibungen auf verschiedene Bereiche (z.B. Person, Umstände, Stimuluscharakteristik) fuhren (-» Attributionstheorien). Inferenzprozesse bilden bereits die Vorstufe zur Organisation bzw. Strukturierung der wahrgenommenen Information. Dieser Aspekt ist v.a. im Rahmen der Gestaltpsychologie betont worden; Gestalt bedeutet dabei, dass die einzelnen Elemente zueinander einen bestimmten Bezug aufweisen, durch den sie eine übergeordnete Bedeutung erlangen können. Einzelne Elemente des W.-Feldes werden zu bestimmten bedeutungshaltigen Klassen zusammengefasst -*• Klassifikation bzw. -»Kategorisierung bedeutet dass die wahrgenommenen Gegenstände bekannten oder vertrauten Kategorien zugeordnet werden. Sehr häufig ist mit dieser Kategorisierung auch eine soziale Akzentuierung verbunden, in der bestimmte Charakteristika durch Assimilations- und Kontrastprozesse
Wahrnehmung, soziale
systematisch unterschätzt oder überschätzt werden. Die Subsumierung von Eindrücken unter einer Kategorie ist meist mit der Aktivierung eines -> Schemas verbunden. Schemata über verschiedene Personen-Kategorien sind z.B. „Fußballspieler", „Extravertierte", „Beamte", „Popsänger", „Boxer", wobei die Schemata oftmals mit bestimmten sozial geteilten Rollenstereotypen zusammenhängen. Pn, die dem Prototyp einer Kategorie entsprechen, können dieser schnell und sicher zugeordnet werden (z.B. ein typischer Boxer). Hierbei spielt auch die -> Zugänglichkeit von Begriffen, Konzepten und Schemata eine entscheidende Rolle. Personenschemata sind dabei entweder chronisch (permanent) zugänglich (weil z.B. über zentrale Aspekte des menschlichen Zusammenlebens häufig nachgedacht wird) oder lediglich momentan (situational) zugänglich (weil sie z.B. vor kurzem zufallig aktiviert wurden). (4) Modi der -* Informationsverarbeitung-. In verschiedenen Kontexten sozialer Kognition wurden -* DualeProzess-Theorien diskutiert (-» ELM -»Heuristisch-systematisches Modell MODE-Modell usw.). Für die Personenwahrnehmung erwies sich insbesondere die Unterscheidung zwischen aufsteigender (datengesteuerter, induktiver, bottom-up) und absteigender (kategoriengesteuerter, deduktiver, top-down) Informationsverarbeitung als fruchtbar. Beide Formen können kontrolliert oder automatisch verlaufen (SCHNEIDER &
SHIFFRIN); die Kategorien können mehr oder weniger komplex sein und 607
Wahrnehmung, soziale
durchdachte Konzepte und „Theorien" beinhalten, und umgekehrt kann auch die datengesteuerte Verarbeitung kurzschlüssig und nahezu autom a t i s c h e r f o l g e n . FISKE & PAVELCHAK formulieren eine Theorie, die
Aussagen darüber enthält, unter welchen Bedingungen Individuen datengesteuerte oder konzept- (Kategorien) gesteuerte W.-Routen bevorzugen. Als Leitsatz gilt, dass der bequemere Weg bevorzugt wird, weil er in den Augen der P. einfacher und schneller zum Ziel fuhrt. Kategoriengesteuerte W. ist dann besonders wahrscheinlich, wenn (a) der Wahrnehmende lediglich die Kategorienzugehörigkeit kennt, ansonsten jedoch über keine Detailinformation verfugt (Bsp.: W.-Objekt ist Ingenieur); (b) außer der Kategoriebezeichnung Detailinformationen verfügbar sind, die mit dem Kategorienschema konsistent sind (Bsp.: W.-Objekt ist Ingenieur, W.-Objekt repariert Zuhause alles selber); (c) neben der Kategoriebezeichnung nur belanglose (-* Diagnostizität) Informationen vorliegen (Bsp.: W.-Objekt ist Ingenieur und isst gerne Spaghetti). Umgekehrt sind aufsteigende W.Prozesse wahrscheinlich, wenn (a) die Detailinformationen mit der Kategorie inkonsistent sind (Bsp.: W.-Objekt ist Ingenieur und liest Gedichte); (b) dabei Informationen vorliegen, für die keine passende Kategorie verfügbar ist (Bsp.: W.-Objekt ist herzlos, interessant, liebenswürdig, ernst). 608
Wahrscheinlichkeitsfunktion
Neben diesen Aspekten der Information spielen auch motivationale Gesichtspunkte eine Rolle. Hohes Involvement fuhrt meist eher zu aufsteigender Informationsverarbeitung, bei extremer Ausprägung jedoch zu erheblicher Verzerrung. Lit.: FISKE, S . T . & TAYLOR, S . E . ( 3 1 9 9 1 ) .
Social cognition. New York. HASTIE, R. et al. (eds.) (1980). Person memory: the cognitive basis of social perception. Hillsdale. R o s s , M. & FLETCHER, J.O. ( 3 1980). Attribution and social perception. In: Lindzey, G. & Aronson, E. (eds.) The HB of Social Psychology, Vol. II. New York, 73-122. SECORD, P . F . & BACKMAN, C . W . ( s 1 9 9 7 ) . S o -
zialpsychologie. Frankfurt.
Wahrscheinlichkeit Die Frage, in welcher Weise Menschen eine objektive (z.B. statistisch gegebene) W. kognitiv repräsentieren ist eine wichtige Frage der Entscheidungstheorien sowie der —> WertErwartungs-Theorien. Empirisch zeigt sich, dass Vpn niedrige W. überschätzen und hohe W. unterschätzen (-> Prospect theory). Menschen revidieren ihre W.-Urteile nicht in dem Maße, das die verfügbaren (oder neu hinzukommenden) Informationen eigentlich nahe legen (-* BAYES-Theorem). GIGERENZER differenziert (in Abhebung zur Prospect theory) zwischen einer Repräsentation i.S. einer W. sowie einer Repräsentation i.S. eines Häufigkeits-Modells. Letzteres bringe adäquatere Ergebnisse hervor.
Wahrscheinlichkeitsfunktion (l)Objektiv: die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer diskreten Zufallsvariablen. Sie gibt an, wie wahrscheinlich die Ereignisse (z.B. der Zahl 4)
Wandel (von Einstellungen)
Werbung
eines Zufallsexperiments (Würfeln) sind (p=l/6).
verarbeitungspsychologisch ausgerichtet sind.
(2) Subjektiv: die Einschätzung der individuellen Wahrscheinlichkeit (spezifische antizipative -* Erwartung), dass ein bestimmtes Verhalten eine spezifische Konsequenz nach sich zieht, wenn es in einer bestimmten Situation ausgeführt wird (-» WertErwartungs-Theorie).
(1)Begriff: W. kann als interessengebundene, intentionale beeinflussende soziale -* Kommunikation aufgefasst werden, die bestimmten absatzwirtschaftlichen Zielen dient: meist Verhaltensbeeinflussung i.S. der Absatzsteigerung oder -erhaltung, aber auch indirekt Einstellungs- oder Imageänderungen. Insofern soll W. nicht nur neue Käufer gewinnen, sondern auch dazu beitragen, dass bereits erschlossene Kunden einem Produkt oder einer Dienstleistung treu bleiben. Ein erheblicher Teil der W. hat insofern auch eine verhaltensstabilisierende und - etwa i.S. der -* Dissonanztheorie rechtfertigende Funktion.
(3) Nach Befunden der -* Prospect theory werden geringe Wahrscheinlichkeiten, die nur wenig über Null liegen im Vergleich zur Unmöglichkeit (Null-Wahrscheinlichkeit) überschätzt, und höhere Wahrscheinlichkeiten werden im Bezug auf 100prozentige Sicherheit unterschätzt. Wandel (von Einstellungen) Einstellungsänderungen Wandel (von Werten) -* Wertewandel Weg-Ziel-Ansatz -» Führungstheorien Well-Being Wohlbefinden -> Zufriedenheit -* Lebenszufriedenheit Werbung Die experimentelle Werbepsychologie hat - zumal in Deutschland - eine verhältnismäßig lange Tradition (MÜNSTERBERG, MOEDE u.a.). Sie hat sich innerhalb der -*Marktpychologie als eigenständiges methodenorientiertes Forschungsfeld etabliert, wobei frühere Entwicklungsphasen vorwiegend gestaltpsychologisch, neuere Forschungsansätze jedoch überwiegend kommunikations- und informations-
Neben dieser in der Marktwirtschaft typischen Form üblicher Beeinflussung gibt es auch informelle Prozesse (z.B. Mund-zu-Mund-Werbung), die weniger intentional verlaufen, sondern in gegenseitigem Austausch eher beiläufig (Konsumgespräche) erfolgen. Diese informelle Spielart ist nach vorliegenden Untersuchungen häufig wirksamer, da sie mehr -* Salienz schafft, glaubwürdiger (nicht interessengebunden) und interaktionaler (d.h. die Möglichkeit gegenseitigen interpersonellen Austauschs zulässt) zu wirken vermag. (2) W. als Kommunikation: Zahlreiche Werbewirkungsmodelle - beginnend bei simplen AIDA-Konzepten: (attention, interest, desire, action) über die Hierarchie der Effekte (Exposition, Perzeption, Akzeptanz, Erinnerung, Aktion) bis hin zur differenzierteren Stufenmodellen der ->• In609
Werbung
formationsverarbeitung - sind konzipiert worden. Ein Modell der Wirkungspfade trennt nach involvierten und nicht-involvierten Konsumenten; —• Involvement kann - ungeachtet differenzierterer Unterscheidung e n - nach Bedarfsinvolvement (P hat aktuellen Bedarf) sowie nach Interesseninvolvement (P hat permanentes Interesse an einem Produktbereich, z.B. als —• Meinungsfiihrer) getrennt werden. Bei Konsumenten mit Low-Involvement (meist die Regel) besteht wenig Aufmerksamkeit, so dass durch W. vorwiegend emotionale Formen der Aktivierung (z.B. durch ansprechende Bilder oder andere aufmerksamkeitslenkende Signale) inszeniert werden. Für Konsumenten mit High-Involvement ist dagegen eher informative und argumentative W. funktional, da hierbei vorwiegend kognitive Vorgänge aktiviert werden sollen. Dieser Sachverhalt lässt sich auch durch Modelle der Informationsverarbeitung (z.B. ELM -* Heuristisch-systematisches Modell) abbilden, wobei die W. fur wenig involvierte Konsumenten oftmals passende Heuristiken bereitstellt hat (Bsp.: Dieses Produkt ist der Marktfiihrer; Es war schon immer etwas teurer, einen guten Geschmack zu haben). (3)W. und Gedächtnis: Speicherwirkungen von Werbebotschaften hängen eng mit der jeweiligen Informationsverarbeitung zusammen. Nach NISBETT & Ross dürften folgende Merkmale die Gedächtnisrepräsentation und die Abrufleistung begünstigen:
610
Werbung
(a) die Anschaulichkeit, Konkretheit, Augenfälligkeit (-> Saliern)-, (b) die Lebendigkeit und Dynamik (-*vividness)', (c) die -* Vertrautheit mit dem Stimulus (->Mere exposure-Effekt); (d) die räumliche und zeitliche „Nähe" der Information (insbesondere auch ähnliche situative Bedingungen sowohl bei der eigentlichen Handlung [Kauf] als auch der Informationsaufnahme [Betrachtung der W.]). Von besonderer Effizienz erweist sich (v.a. bei low involvement) die Werbung mit Bildern. Gemäß der Theorie der dualen Codierung von PAIVIO gilt, dass bildliche Informationen sowie sprachliche Stimuli, die sich leicht in Bilder umsetzen lassen, wesentlich leichter gelernt und besser behalten werden als verbale Reize. Lernkurven verlaufen daher für bildliche Reize steiler, Vergessenskurven fallen flacher ab. Ferner hat sich erwiesen, dass zeitlich verteilte W. auf die Dauer höhere Recall-Effekte bewirkt als massierte W., die zwar hohe Anfangseffekte, jedoch gleichzeitig steile Vergessenskurven impliziert. Für ständige Wiederholungen gilt zwar ein hoher Lerneffekt; daneben besteht jedoch die Gefahr der Sättigung, insbesondere bei monotoner Wiederholung (Abnutzungserscheinungen). (4)W. und -»Lernen: W. beruht z.T. auf elementaren Lernprozessen, insbesondere (a) der klassischen -* Konditionierung, wobei ein zunächst noch neutraler Stimulus (z.B. ein neu-
Werte
Werbung
es Produkt) mit einem Reiz gepaart wird, dessen verstärkende (emotional-positive) Ladung bekannt ist (z.B. attraktive Frau), in der Erwartung, dass es zu einem emotionalen Transfer kommt; (b) der instrumenteilen -> Konditionierung, wobei der besondere Verstärkerwert des angesonnenen Verhaltens betont wird (Nutzenerwartung, Problemlösung, Belohnungseffekt), z.B. höhere Rendite, Imageverbesserung, Selbstwertdienlichkeit. Auch durch Strafreize können (mit Einschränkungen) Werbeeffekte erzielt werden (-»Furchtappelle, die Darstellung von negativen Stimuli, z.B. Mundgeruch, Gesundheitsrisiko). (c) des -* Modell-Lernens, wobei bestimmte Leitbilder für die W. eingesetzt werden, die die Voraussetzungen des Imitationslernens (z.B. Ähnlichkeit, Attraktivität, Aufmerksamkeitslenkung) erfüllen müssen. (5) Soziale Aspekte: W. wirkt durch ein Netzwerk sozialer Brechungen (z.B. im Rahmen von Gruppenstrukturen, Diffusionsagenten, Innovato. ren und Meinungsfiihrern). Insbesondere die Wirkungen von Meinungsführern sind im Kontext von Werbeappellen gut erforscht, obgleich vereinfachende Vorstellungen - wie etwa das Konzept des zweistufigen Kommunikationsflusses - aufgegeben werden mussten. Auch ist der wichtige Einfluss von Bezugsgruppen und Bezugspersonen (z.B. der Peers) einzubeziehen. Gut untersucht sind auch Sozialisations-Effekte durch W. Hier stehen langzeitliche
Lerneffekte sowie die Übernahme von Rollenmustern und Werthaltungen der in den Werbespots agierenden Modell-Pn im Vordergrund. Die längerfristigen Sozialisationswirkungen der W. haben vielfach auch zu sozialkritischen Diskussionen geführt, etwa i.R. der Fixierung an traditionellen Rollenmustern oder im Hinblick auf die Übernahme materialistischer, konsumorientierter Werthaltungen oder aber bezüglich des sozialen Drucks, der durch soziale —> Vergleichsprozesse und ständige Bedürfnisstimulierung (z.B. soziale Zwänge hinsichtlich der Verwendung bestimmter Marken) entsteht. Allerdings ist die W. nur eine Einflussgröße unter vielen, die vornehmlich im konsistenten Gleichklang mit Zeitströmungen operiert, denen sie sich lediglich anpasst. Lit.: FELSER, G. ( 2 2001). Werbe-und Konsu-
mentenpsychologie: Eine Einfuhrung. Stuttgart. KROEBER-RIEL, W . ( 4 1993). Bildkom-
munikation in der Werbung. München. MAYER, H . & ILLMANN, T. ( 3 2000). Markt- u n d
Werbepsychologie. Stuttgart. MOSCHIS, G.P. (1987). Consumer socialization. A lifecycle perspective. Lexington/MA. SCHENK, M. et al. (1990), Wirkungen der Werbekommunikation. SPIEGEL, B. (1970). Werbepsy-
chologische Untersuchungsmethoden. Berlin
Werte Nach einer klassischen kulturanthropologischen Definition bezeichnet der Ausdruck W. eine „conception, explicit or implicit, distinctive of an individual or characteristic of a group, of the desirable which influences as the selections from available modes, means and ends of action" (KLUCKHOHN). W. gelten als Kollektivbegriff, sofern sie der Gesellschaft oder Kultur zugeschrieben werden (-• Wertsystem). Als 611
Wert-Erwartungs-Theorien
Individualbegriff sind W. sozial geteilte Verhaltensziele der Individuen; sie sind dann gewissermaßen die Spiegelungen oder kognitiven Repräsentationen dieser W. auf der Ebene der Akteure. W. sind von —• Einstellungen abzugrenzen; letztere sind spezifischer und objektbezogen. W. sind dagegen allgemeinere Prinzipien, die allerdings konkrete Einstellungen auslösen (ROKEACH). Sie sind zum einen durch primäre Bedürfhisse geprägt, zum anderen jedoch durch die Fülle sekundärer Verstärker, die der kulturellen Formung unterliegen. In der psychologischen Forschung werden W. meist in Form gegebener Präferenzen eingeführt (z.B. in -* Wert-Erwartungs-Theorien). Aspekte der Präferenzbildung werden eher unter formalen Gesichtspunkten durch Lerntheorien erklärbar, die jedoch die kulturelle Prägung der jeweiligen -* Verstärker einbeziehen müssen. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten wie: Präferenz, Verstärker, -> Anreiz, -> Valenz usw. sind sämtlich Ausdruck unterschiedlicher Wertigkeiten, die häufig emotional besetzt sind. Wert-Erwartungs-Theorien —>• Erwartungen, antizipative Motivation -> Lernen -*• Einstellungswirkungen —• Entscheidungen —• Entscheidungstheorien (1) Grundgedanke: Das Erleben und Verhalten von Menschen ist häufig durch die gedankliche Vorwegnahme von Handlungskonsequenzen charakterisiert. Motivierend ist daher nicht allein der Anreizwert eines 612
Wert-Erwartungs-Theorien
Handlungsergebnisses (auch: Valenz, value, Utility), sondern zusätzlich die subjektive Wahrscheinlichkeit (expectancy, Instrumentalität, belief, anticipation), mit der ein bestimmtes Resultat auftritt. Dabei geht es vornehmlich um solche Konsequenzen, die ein Individuum durch eigenes Handeln herbeiführen (oder vermeiden) kann. Für den Akteur besteht demnach eine mehr oder weniger stark ausgeprägte -»Kontingenz zwischen Handeln und Ergebnis. Anders formuliert bestimmt sich nach dieser Theoriegruppe menschliches Verhalten: (a) durch die subjektive Erwartung, dass einer bestimmten beabsichtigten Handlung ein Ergebnis folgt oder nicht; (b) die subjektive Bewertung (Wichtigkeit, Valenz) der Handlungsergebnisse sowie etwaiger Handlungsfolgen. Am Beispiel: Ein Angestellter, der gerne Abteilungsleiter werden möchte (Wert), macht sich Gedanken darüber, welche Handlungen dazu beitragen, dass dieses Ziel mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann (z.B. durch Teilnahme an einer qualifizierenden Schulung, durch besonderen Leistungseinsatz, durch -* Impression management, durch Ableistung von Überstunden). Dabei können (i.S. von VROOM) auch vorgelagerte Ziele in ihrer Instrumentalität für das eigentliche Ziel angepeilt werden (-> Instrumentalitätstheorie). (2) Forschungstraditionen: Nach Vorarbeiten von TOLMAN und LEWIN hat insbesondere ROTTER eine W. formuliert, die den Bezug zur Lerntheo-
Wert-Erwartungs-Theorien
rie herstellt. Nach diesem Autor kann die Entstehung von Werten durch Verstärkungsmechanismen erklärt werden - er spricht daher von reinforcement values -, und auch Erwartungen kommen durch Erfahrungen mit bisherigen Situations-Ergebnis und Handlungs-Ergebnis-Zusammenhängen zustande (-* Erwartungen, antizipative). Neben dieser lerntheoretischen Verankerung des Konzepts sind W. das Kernstück der neueren —• Aforivarionsforschung (vgl. HECKHAUSEN 1989) sowie der verschiedenen -> Entscheidungstheorien (SEU: subjectitve expected Utility, vgl. EDWARDS 1954 u n d FEATHER 1982). Auch dort wird angenommen,
dass der Anreizwert einer Alternative mit ihrer Erreichbarkeit steigt, wobei diese durch den besonderen Einsatz von P aus subjektiver Sicht ermöglicht wird. Die im einzelnen diskutierten Theorien unterscheiden sich im Ausmaß der Einbeziehung verschiedener Formen von antizipativen -* Erwartungen. Volitionale Ansätze (-* Volition -* Handlungskontrolle) betonen in Auseinandersetzung mit den W., dass diese lediglich das Entstehen von Handlungsintentionen erklären können. Für die Umsetzung dieser Absichten in konkretes Handeln seien über Werte und Erwartungen hinaus Aspekte der Handlungsregulierung einzubeziehen. Einen Sonderstatus hat in diesem Zusammenhang die Theorie der Leistungsmotivation (sog. RisikowahlModell), bei der Anreiz und Erwartung nicht mehr als unabhängige Variablen angesehen werden; sie stehen nach diesem Modell vielmehr in ei-
Wert-Erwartungs-Theorien
ner invers-linearen Beziehung. ATKINSON gewichtet die Anreizvariable mit einer überdauernden Motiwariable (Erfolgssuche vs. Misserfolgsmeidung), so dass bei positiver Erfolgstendenz - d.h. das Motiv der Erfolgssuche übersteigt die Angst, einen Misserfolg zu erleiden - mittlere Wahrscheinlichkeiten für das Erreichen eines Ergebnisses am stärksten zur Leistung motivieren. Diese Besonderheit des Risikowahl-Modells könnte u.a. darin gesehen werden, dass dieses Konzept überwiegend ->• Effizienz-Erwartungen thematisiert, für die wahrscheinlich andere Verknüpfiingsregeln existieren als für —> Konsequenz-Erwartungen. Auf Konsequenz-Erwartungen (sensu BANDURA) zugeschnitten sind auch spezifische Einstellungsmodelle, nämlich die Theorien des -* überlegten Verhaltens (FISHBEIN & AJZEN) sowie des geplanten Verhaltens (AJZEN), die im primären Erklärungsstrang eine W. beinhalten; die Einstellung zu einem bestimmten Verhalten wird dabei ausgedrückt durch die Value-Komponente (Wert) sowie durch die Belief-Komponente (Erwartung), soweit sich die Erwartungen auf die mutmaßlichen Konsequenzen des Handelns beziehen. (3) Probleme multiplikativer Verknüpfung: Während die soziale Lerntheorie von ROTTER die Verbindung von Werten und Erwartungen offen lässt (das Verhaltenspotential ist lediglich eine Funktion beider Größen) sind andere Autoren (z.B. LEWIN, BOLLES, VROOM, KRAMPEN) sorgloser, indem sie eine multiplikative Verknüpfung vorschlagen (Wert-mal-Erwartungs-Theorien). Obgleich diese 613
Wert-Erwartungs-Theorien auf den ersten Blick plausibel erscheint (weil kompensierende Effekte ausgeschlossen sind), ist dieses Vorgehen nicht unproblematisch, zumal -*• Meta-Analysen kein einhelliges Bild ergaben (vgl. HECKHAUSEN 1989 sowie den Überblick über die verschiedenen Formen der Verknüpfung bei RANK 1997). Bei einer angenommenen multiplikativen Verknüpfung müssen beide Größen völlig voneinander unabhängig sein. Eine methodische Schwierigkeit besteht auch darin, dass mathematische Vorannahmen über das für eine Multiplikation erforderliche Skalenniveau keineswegs sichergestellt sind: Die einzelnen Komponenten sind allenfalls intervallskaliert, so dass eine Transformation des Nullpunktes zu einer Veränderung der Korrelationskoeffizienten von E mal W Kombinationen und Kriterium fuhren kann. Auch aus theoretischen Gründen ist die vorausgesetzte Unabhängigkeit zu relativieren. MISCHEL & MASTERS finden bspw., dass eine geringe Wahrscheinlichkeit, einen Verstärker zu erhalten, dessen Wert erhöht. Zudem besteht empirische Evidenz für die Annahme, dass Individuen vielfach davon ausgehen, dass wertvolle Verstärker besonders schwer oder selten zu erreichen sind. (4) Entscheidungsanomalien: In den letzten 20 Jahren wurde anhand vieler Beispiele und zahlreicher experimenteller Studien - m e i s t Simulationsstudien- gezeigt, dass die Modell-Annahmen der SEU-Theorie in vielen Fällen systematisch verletzt werden. Insbesondere KAHNEMAN & TVERSKY haben diese -* Anomalien systematisch untersucht, wobei die 614
Wertematrix wichtigsten davon in die sog. -* Prospect theory eingeflossen sind. Im Wesentlichen geht es um einen Asymmetrie-Effekt: Mögliche Gewinne und Verluste werden unterschiedlich bewertet. Während gegenüber potenziellen Gewinnen risikoaverses Verhalten auftritt, verhalten sich viele Individuen gegenüber drohenden Verlusten risikofreudig (-> Wertfiinktion). Außerdem zeigen die Autoren, dass geringe Wahrscheinlichkeiten (die nur wenig über Null liegen) im Vergleich mit einer Null-Wahrscheinlichkeit überbewertet und höhere Wahrscheinlichkeiten im Bezug auf 100 %ige Sicherheit (Wahrscheinlichkeit = 1 ) unterschätzt werden (-> Wahrscheinlichkeitsfunktion). Ein anderer Bias ist der sog. Myopische Effekt (HERRNSTEIN): In der Zukunft liegende Belohnungen/Bestrafungen werden deutlicher abdiskontiert, als es unter rationalen Aspekten ökonomisch sinnvoll wäre. Umstritten ist, ob die systematischen Verletzungen der W. ausreichen, um dieses Konzept zu falsifizieren (-> Entscheidungstheorie). Eine konservative Strategie bestünde darin, SEU als Theoriekern beizubehalten und unter bestimmten Randbedingungen zu modifizieren. Lit.: -» Entscheidungen -* Erwartungen, antizipative
Wertematrix I.R. der -» Austauschtheorie sowie der —• Interdependenztheorie übliche Darstellung, wobei die möglichen Verhaltensalternativen beider Partner und die jeweiligen Werte dieser Alternativen
Wertewandel für jeden Partner mittels einer Matrix verdeutlicht werden. Man spricht auch von Ergebnismatrix oder von Pay-offMatrizen.
Wertewandel (1) Grundsätzliche Fragen: W. betrifft längerfristige Veränderungen von Wertvorstellungen (-» Wertsystem) i.R. einer Kultur bzw. Gesellschaft. Die Diskussion um den W. wird soziologisch dominiert und ist insbesondere seit INGLEHARTS „silent revolution" ein Thema, das - w e n n auch eher randständig - die SP, stärker dagegen die WP tangiert. Umstritten ist häufig, ob es sich beim W. nicht vielmehr lediglich um einen Einstellungswandel (-> Einstellungsänderungen) handelt und ob der Wandel von Wertvorstellungen nicht eher mit verschiedenen Rollenstadien im Lebenszyklus erklärbar ist. Ferner ist der Zusammenhang zwischen W. und Veränderung struktureller Bedingungen ungeklärt. Der W. könnte nämlich nicht die Ursache, sondern die Folge bestimmter materieller oder struktureller Veränderungen sein (z.B. Änderungen im Versorgungsniveau, Demokratisierung des Luxus, Änderungen im Bildimgssystem). In diesem Fall wäre der W. lediglich Reflex, bloßes Epiphänomen materieller Veränderungen. ( 2 ) Postmaterialismus: INGLEHART be-
hauptet, dass materialistische Wertvorstellungen (z.B. Einkommenserzielung, Besitzausweitung) sog. postmaterialistischen Werten Platz machen und dass dieses Verhaltensmuster insbesondere bei jüngeren Pn auszumachen ist. Begründet wird dies
Wertewandel mit zwei Hypothesen sowie einer psychologischen Theorie. Die Knappheitsthese besagt, dass Menschen diejenigen Dinge für besonders wertvoll ansehen, die nur begrenzt verfügbar sind. Auf hohem Versorgungsniveau wird man insofern den Wohlstandsgütern geringeren Stellenwert einräumen. Die Sozialisationsthese besagt, dass Individuen, die nicht in Kargheit und Entbehrung, sondern im Wohlstand groß geworden sind, materielle Bedürfnisse und Sicherheitsaspekte geringer schätzen. Beide Hypothesen werden mit MASLOWS (empirisch zweifelhafter) Theorie der Bedürfnishierarchie (-» Motivation) begründet. Die Postmaterialismus-These ist Gegenstand subkultureller und interkultureller Untersuchungen gewesen und gilt für verschiedene Lebensbereiche (z.B. Arbeit, Konsum, Freizeit, politische Präferenzen) als schwach bestätigt. (3) Andere Verschiebungen: KLAGES u.a. betonen, dass insbesondere in den Jahren 1965-1975 in Deutschland ein W.-Schub in Form eines Übergangs von traditionellen Pflichtund Akzeptanzwerten hin zu Selbstentfaltungswerten stattgefunden habe. Disziplin und Fügsamkeit wurden ersetzt durch einen Hang nach Auflockerung kollektiver Zwänge und durch Zielvorstellungen wie -* Autonomie, -* Selbstverwirklichung und Individualismus. Die zuletzt genannte Individualisierungstendenz steht im Zentrum der Analyse von BECK. Dieser Autor sieht darin die Herauslösung aus traditionellen Gemeinschaftsbindungen, 615
Wertfunktion
Wertewandel
die in der Gegenwart mit verstärkten Anonymisierungs- und Autonomisierungsprozessen einhergeht. Die Aufhebung der Gemeinschaftsbindung („Entbettung") wird von BECK in verschiedene Lebensbereiche hinein verfolgt: die Entwicklung der Familie, der Geschlechterrollen, der Bildungswege, der Arbeitsverhältnisse, bis hin zu neueren Privatisierungstendenzen im Konsum- und Freizeitbereich. Eng mit dieser Thematik verknüpft ist auch die These zunehmenden -* Hedonismus. Diese sei -nach SCHULZE - eingebettet in eine allgemeine Erlebnisorientierung. In Überflussgesellschaften sei der dominante Verhaltensstil die Suche nach Erlebnissen durch ein besonderes Situationsmanagement, in dem Waren, Reisen, Kontakte, Veranstaltungen („events") zu Instrumenten erlebnisrationalen Verhaltens werden. (4) Spezifische W.-Tendenzen: Für den Arbeitsbereich wird eine Abkehr vom puritanischen Ethos und eine Hinwendung zu „dosiertem Arbeitsengagement" (PAWLOWSKY) diagnostiziert. Auch werden berufliche Ziele nicht mehr ausschließlich oder vorwiegend durch finanzielle Anreize sowie Karrierevorstellungen bestimmt. Im Konsumbereich sind Trends zu postmaterialistischen, individualistischen und hedonistischen Werthaltungen nachgewiesen, auch wenn lediglich Teile der Bevölkerung (z.B. bestimmte soziale Milieus) davon erfasst sind. Empirisch am besten belegt ist insbesondere der Hang zum Erlebniskonsum im Zusammenhang 616
mit aktivistischen Freizeitbeschäftigungen. Lit.: BECK, U. (121996). Risikogesellschaft. Frankfurt. INGLEHART, R. (1995). Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt. Frankfurt/New York. KLAGES, H. (1984). Wertorientierungen im Wandel. F r a n k f u r t . KLIPSTEIN, M . v . & STRÜMPEL,
B. (Hrsg.) (1985). Gewandelte Werte - Erstarrte Strukturen. Wie die Bürger Wirtschaft und Arbeit erleben. Bonn. PAWLOWSKY, P. (1986). Arbeitseinstellungen im Wandel. München. SCHULZE, G. ( 1996). Die Erlebnisgesellschaft. Frankfurt/M. SZALLIES, R. & WISWEDE, G. (Hrsg.) (21991). Wertewandel und Konsum. Landsberg.
Werther-Effekt Nach dem Erscheinen von Goethes „Die Leiden des jungen Werther" haben manche Jugendliche nach Werthers Vorbild (-> Modell-Lernen) gleichfalls Selbstmord begangen. Im verallgemeinerten Sinne bedeutet der W. die Wahrscheinlichkeit, Nachahmungstäter anzureizen.
Wertfimktion (1)I.R. der -* Entscheidungstheorie die mathematische bzw. grafische Abbildung der Präferenzen für die zur Auswahl stehenden Optionen anhand deren bewerteter Konsequenzen. Dabei wird jeder möglichen Option eine reelle Zahl derart zugeordnet, dass der Wert einer Alternative a genau dann größer als der Wert einer Alternative b ausfallt, wenn der Entscheider a gegenüber b vorzieht. (2) Nach Befunden der Prospect theory ist die W. für Gewinne (relativ zu einem subjektiven Referenzpunkt) konkav, für Verluste dagegen konvex. P verhält sich demnach im Gewinnbereich risikoaversiv, im Verlustbereich dagegen riskant.
Wertorientierungen, soziale
Wertsystem
Wertorientierungen, soziale Orientierungen,
soziale
Wert-Pluralismus-Modell Ansatz v o n
TETLOCK, wonach
die
Komplexität von Einstellungen (->• Einstellungsstruktur) geringer ist, je extremer (polarisierter) die Einsteiiiingen sind. Intermediäre Positionen sind dagegen mit hoher „integrativer Komplexität" verbunden, sofern sie nicht auf Indifferenz beruhen.
Wertsystem System miteinander verbundener -* Werte, meist nicht auf Individuen, sondern auf Gesellschaften, soziale -* Gruppen oder Kulturen bezogen. Nach KROEBER & KLUCKHOHN ist das W. die wichtigste Essenz der Selektivität von Kulturen, weil es gewissermaßen den „funktionalen Befehlsstand" bildet, aus dem heraus zum einen die Ausgestaltung von Normen und Institutionen stattfindet und zum anderen auf Individualebene spezifische und objektbezogene Einstellungen entstammen. Mit der Analyse von W. (auf der Kollektivebene) hat sich insbesondere die Kulturanthropologie sowie die Soziologie beschäftigt. Beispiele für dichotome Raster sind: (a) sacred vs. secular: das Ausmaß, in dem sakrale, religiös verankerte Werthaltungen dominieren oder in dem Werte säkularisiert, d.h. gegenüber der religiösen Basis weitgehend funktionell autonom geworden sind; (b) innengeleitet vs. außengeleitet, je nachdem ob Werte auf stark verinnerlichten Haltungen oder auf
häufig wechselnden normativen Anforderungen beruhen; (c) Schuldkulturen vs. Schamkulturen, erstere auf der Basis internalisierter Kontrolle, letztere auf der Grundlage externer Kontrollinstanzen; (d) ascription vs. achievement, wobei der Statuserwerb entweder auf —> Zuschreibung (Abstammung, Herkunft) oder aber auf persönlicher Leistung beruhen kann; (e) Bewahrung vs. Veränderung, d.h. überwiegend konservative im Gegensatz zu eher innovativen Haltungen. Während man sich in der Soziologie meist auf die genannten Wert-Alternativen oder aber auf die —• pattern variables bezieht, wird in der SP häufig ein Ansatz von SCHWARTZ - eine Weiterentwicklung der Werteliste von RoKEACH - verwendet, der eine motivationale Basis aufweist. Die beiden Grunddimensionen sind: Offenheit gegenüber Veränderungen vs. konservatives Festhalten einerseits und Selbsterhöhung vs. Selbsttranszendenz andererseits. Letzteres konzentriert sich auf die Frage, inwieweit Menschen ihre eigenen Interessen verfolgen oder aber von persönlichen Vorteilen absehen, um andere Menschen zu schützen oder ihnen Vorteile zukommen zu lassen (-»Orientierungen, soziale). Auf der Basis der beiden Dimensionen werden sodann von SCHWARTZ zehn Werttypen abgeleitet, nämlich: (a) Selbstbestimmung (Verlangen nach Kontrolle, Autonomie und Unabhängigkeit); (b) Leistung (Streben nach Erfolg und Kompetenz); 617
Wertsystem
Wettbewerb
(c) Hedonismus (Verlangen nach Genuss und Selbstbelohnung); (d) Stimulation (Wunsch nach Aufrechterhaltung eines optimalen Aktivationsniveaus); (e) Macht (Erlangung von Status und Kontrolle über andere); (f) Universalismus (Anteil am Wohlergehen aller); (g) Wohlwollen (Wunsch nach Wohlergehen von nahe stehenden Pn); (h) Tradition (Respekt und Bindung an die eigene Kultur); (i) Konformität (Streben nach Selbstbeherrschung in Alltagssituationen). I Selbstüberwindung!
/|Unlversallsmus|
1 Wohlwollen r \ | Tradition | \
/|Selbstbe$tlmmung| |Konformltät| \| Stimulation | \
| Hedonismus | \
\
| Sicherheit 11 | Macht |
/
| Leistung
| Selbsterhöhung |
Im Zusammenhang mit dem W. einer Gesellschaft sind u.a. folgende Problembereiche von Interesse: Veränderung und Verlagerung von Werten (-» Wertewandel), Inkonsistenzen und subkulturelle Differenzen (z.B. W. der Jugendlichen, W. sozialer -* Minderheiten), interkulturelle Aspekte (z.B. unterschiedliche W. in verschiedenen Kulturen, Implikationen auch im Hinblick auf erschwerte Interaktion und Kommunikation) sowie Diskrepanzen zwischen W. und materiellem System, z.B. ein nachhinkendes W. angesichts neuer technologischer Entwicklungen (cultural lag) oder umgekehrt gewan-
618
delte Wertvorstellungen bei erstarrten Strukturen. Lit.: ROKEACH, M . (1973). The nature of
human valúes. New York. SCHWARTZ, S.H. (1992). Universals in the content and structure of valúes: Theoretical advance and empirical tests in 20 countries. In Berkowitz, L. (eds.) Advances in experimental social psychology. Vol. 25, San Diego/CA, 1-65.
Werturteil Sofern die SP als empirisch-deskriptive (und nicht als normativ-präskriptive) Wissenschaftsdisziplin firmiert, sind W. im Begründungszusammenhang (d.h. im Forschungsprozess) nicht zugelassen. Dies schließt nicht aus, dass Werte selbst zum Erkenntnisobjekt gemacht werden können (-»• Werte im Objektbereich). W. sind dagegen zulässig (und notwendig) im —• Entdeckungszusammenhang (Auswahl des Problems, der Vorgehensweise, der Methoden und Theorien) sowie im Verwertungszusammenhang (z.B. Wertentscheidungen im Hinblick auf die praktische Anwendung von Ergebnissen).
Wettbewerb (Kompetition) (I) In der sp Verwendung des Begriffes bezeichnet W. die Maximierung des relativen Gewinns in interpersonellen Beziehungen (-» Orientierungen, soziale). W. ist daher nicht lediglich das Verfolgen eigener Vorteile (max a), sondern legt die Strategie max (a - b) nahe (a ist dabei der eigene Gewinn, b der des Partners). DEUTSCH konnte in verschiedenen Experimenten zeigen, dass kooperative Verhaltensweisen zumindest auf längere Sicht bessere Ergebnisse für alle Beteiligten erbringen als kompetitive Strategien. Im einzelnen werden fol-
Widerstand
Wettbewerb
gende negative Auswirkungen von W. diskutiert: (a) Soziale -* Kommunikation: Kompetitive Parteien werden Kontakte möglichst meiden. Informationen werden oftmals zurückgehalten oder dienen der Irreführung des Gegners; (b) -» Wahrnehmung-. Kompetitive Prozesse erhöhen die Sensitivität im Hinblick auf Gegensätze, gefolgt von einer abwertenden Tendenz im Hinblick auf die Gegenseite; (c) -* Einstellungen: Kompetitive Haltungen erhöhen eher die Feindseligkeit und das Misstrauen. Unter Umständen nimmt man sogar lieber persönlichen Schaden in Kauf, als dem anderen einen Erfolg zu gönnen. Auch die Einstellung zum Konflikt ist hier nicht lösungsorientiert; vielmehr erscheint der Konflikt als Machtkampf, und Zwangsmittel scheinen zu seiner Beilegung durchaus legitim. (d) Arbeitsteilung: Da in einer kompetitiven Situation eine Partei ihr Ziel nur auf Kosten der Anderen erreicht, müssen die Kontrahenten die gleichen Aktivitäten ausfuhren, während es in einer kooperativen Konstellation ausreicht, wenn eine Partei arbeitsteilig auf einem Gebiet erfolgreich agiert; (e) -» Gruppenstruktur: Bei W. dürfte die interne Statusstruktur hierarchischer sein; ein autokratische Fühnmgsstil ist wahrscheinlicher, und die Konformitätsforderungen dürften höher sein (-» Gruppendruck).
Allerdings machen die Experimente von DEUTSCH nicht deutlich, dass auch Kooperation kostspielig sein kann (-> Kooperationskosten), z.B. durch erzwungene Zusammenarbeit, durch mangelnde kooperative Fähigkeiten, Kooperation auf Kosten Anderer, notwendigen Koordinationsbedarf). Vielfach sind Aspekte des W. und der Kooperation auch miteinander verschmolzen (z.B. bei Mannschaftssport Kooperation nach innen und W. nach außen). (II) W. im eher ökonomischen Verständnis ist nicht ganz deckungsgleich mit dem in der SP üblichen Begriff. Im wirtschaftlichen Kontext wird W. meist nicht der Kooperation gegenübergestellt, sondern der Planung (z.B. im Rahmen einer Planwirtschaft, in einer zentralisierten Ökonomie). Dabei steht insbesondere der Aspekt des Leistungs-W. im Vordergrund, so dass von hier aus eine andere Einschätzung der Vor- und Nachteile des W. nahe liegt (z.B. nach Gerechtigkeitsgesichtspunkten [-> Equity-Theorie]).
Widerstand Wahrscheinliche Reaktion auf die Einschränkung von kognizierter Freiheit und Kontrolle (-> Reaktanz). W. ist typisch bei kommunikativ-appellativer Beeinflussung, sofern beim Rezipienten das Gefühl besteht, dass er unter Druck gesetzt werden soll (->• Bumerang-Effekt). Gleiches ist der Fall, wenn ein Außenstehender mit Bestrafungsmacht (-• Macht, soziale) droht oder diese anwendet. Sollte aktives W.-Handeln gegenwärtig nicht möglich oder sinnvoll sein, besteht latenter W. (z.B. Flucht in den Untergrund), der erst dann manifest 619
Wiederholen
wird, wenn das Individuum Kontrollmöglichkeiten sieht, die eingebüßte Freiheit wiederzuerlangen. W. kann auch das Ergebnis einer als ungerecht oder unangemessen empfundenen Behandlung sein (-> Gerechtigkeit -*• Deprivation, relative soziale) und damit einen emanzipatorischen Charakter haben. Vielfach wird W. sozial gebündelt (-» kollektives Handeln) oder durch -* Koalitionsbildung auf eine breitere Basis gestellt.
Wirtschaftliches Verhalten (Handeln)
nen", indem z.B. neue Lösungsmöglichkeiten erschlossen werden, die Manövriermasse erweitert wird oder indem man neue und bisher nicht beachtete Optionen findet. Wirksamkeitsmotivation -> Eßzienz-Erwartungen ->• Selbstwirksamkeit -* EJfektanzmotiv Wir-Gefühl -» Kohäsion -*• Gruppe, soziale -*• Identität, soziale Wirkungsforschung
Wiederholen - • Lernen -* Vertrautsein Wille Fähigkeit, zwischen verschiedenen Zielen und Verhaltensweisen bewusst und ohne äußeren Druck frei entscheiden zu können. Der W. wird meist als spezifische Kraft (Willenskraft) betrachtet, die eine Steuerung des Verhaltens auf ein bestimmtes Ziel hin bewirkt. Die bewusste Bildung einer Absicht (-> Intention) wird als „Wollen" bezeichnet. Der Begriff W. wird v.a. in volitionalen Ansätzen der Motivationsforschung (-• Volition) verwendet, wo es um die Umsetzung der Entscheidung in konkretes Handeln geht (-> Motivation —> Handlungskontrolle —> Rubikon-Modell). I.R. der —• Dissonanztheorie wird diskutiert, welche Rolle der W. bei der Entstehung kognitiver Dissonanzen spielt. Diese dürften umso ausgeprägter sein, je stärker der P bewusst ist, dass die Entscheidung aus ihrem freien W. erfolgte. Win-win-Situation —• Verhandlungen i.S. einer Problemlösung, bei der beide Parteien „gewin620
(I) Kommunikationswirkungen —• Medienwirkungen (Gegensatz: Nutzungsforschung -»• Gratifikationsforschung) (II)
Evaluation
Wirtschaftliches Verhalten (Handeln) (I) Im Verständnis der Ökonomie rationales Verhalten mit dem Ziel der Nutzenmaximierung. Entscheidend ist hier der Gesichtspunkt der Effizienz im normativen Sinne. (II) Ähnlich wie der Begriff des sozialen Handelns nicht auf -»• prosoziales Verhalten beschränkt bleibt, bedeutet W. im Verständnis der Soziologie und der SP die Gesamtheit aller Verhaltensweisen im ökonomischen Kontext, unabhängig davon, ob ein solches Verhalten irgendwelchen Rationalitäts- oder Effizienzkriterien unterliegt. Dennoch war auch i.R. der WP die Diskussion teilweise geprägt von der Überlegung, in wie weit die Modellannahmen der Ökonomie für eine empirische Analyse des W. tragfähig sind. Diese Frage muss skeptisch beurteilt werden, da selbst im Rahmen kognitiv geprägter Verhaltensweisen erhebliche
Wirtschaftliches Verhalten (Handeln)
Verletzungen zentraler SEU-Annahmen (subjective expected Utility) vorliegen (-» Wert-Erwartungs-Theorien). Zwar spielen Nutzenerwägungen auch i.R. sp und wp Konzepte eine wichtige Rolle; allerdings reichen solche Erklärungsprinzipien für das Verständnis des Verhaltens im wirtschaftlichen Kontext nicht aus. Wie gezeigt werden kann, sind statt formaler Prinzipien inhaltlich differenzierte Theorien auf W. anzuwenden, z.B. die verschiedenen Motivations- und Lerntheorien, Interaktions- und Gruppentheorien sowie kognitive Theorien, die in aller Regel von rationalen Modellen abweichen. Auch modifizierte SEUTheorien (z.B. unter Einbeziehung der Prospect theory) reichen nicht aus, um das gesamte Spektrum des W. abzubilden. Denn diese berücksichtigen nicht die Rolle von -»• Emotionen und —»• Stimmungen und vernachlässigen den Stellenwert nicht-überlegten Verhaltens, das durch Routinen, Gedankenlosigkeit, Gewohnheiten und —• Heuristiken bestimmt wird. W. ist im Übrigen durch eine Anzahl von Besonderheiten geprägt, die durch die spezifischen Randbedingungen des ökonomischen Kontext charakterisiert sind. Als solche werden genannt: (a) Rationalitätsdruck: Trotz der meist eingeschränkten -> Rationalität des W. besteht -gleichsam als normative Forderung - ein Druck zu rationalem Handeln (stärker ausgeprägt im Produktionsbereich, schwächer im Konsumbereich, deutlich auch bei professioneller Tätigkeit, z.B. innerhalb von Rollen, in denen der Nachweis der Rationalität geliefert werden muss (etwa bei einem Ein-
Wirtschaftspsychologie
kaufsleiter); oder bei Aufgaben, die mit rationaler Planung zu tun haben. Vielfach bewirkt jedoch der Druck zur Rationalität lediglich Rechtfertigungsstrategien (rationalisiertes Handeln Dissonanztheorie). (b) Knappe Ressourcen: Im Allgemeinen geht man davon aus, dass in ökonomischen Zusammenhängen mit begrenzten (knappen) Ressourcen zu rechnen ist. Dies gilt mit Einschränkungen auch für Wohlstandsgesellschaften, in denen Knappheit v.a. im -> Vergleichsprozess erlebt wird (relative soziale -* Deprivation)-, (c) Geldwerte Objekte: Ökonomische Güter haben im allgemeinen einen Preis. Sie werden gewöhnlich auf dem Markt angeboten und nachgefragt. Im Zuge der Konsumfelderweiterung werden immer mehr Güter dem Markt erschlossen, andere Güter (z.B. nicht beliebig vermehrbare Positionsgüter) dem Markt entzogen. Das Medium Geld verleiht hierbei den Interaktionsprozessen ihren besonderen Stellenwert. Lit. —>
Wirtschaftspsychologie
Wirtschaftspsychologie (1) Geschichtliche Entwicklung: Die allgemeine WP hat zwei verschiedene Traditionen, die nach einem Vorschlag von FURNHAM & LEWIS als „psychological economics" (behavioral economics) und als „economic psychology" unterschieden werden können. Die Träger der erstgenannten sind v.a. Ökonomen, die bereit sind, ökonomische Aussagen mit psychologischen Konstrukten anzureichern. Die andere Tradition wird 621
Wirtschaftspsychologie
überwiegend von Psychologen repräsentiert, stellt sich jedoch außerordentlich heterogen dar. Letztere entwickelte sich in drei Schüben (WISWEDE 2000): Die erste Phase ist mit den Namen GABRIEL TARDE (in Frankreich) und HUGO MÜNSTERBERG (in Deutschland) verbunden. TARDE verstand seinen Ansatz als Kontrastprogramm zur österreichischen Schule der Nationalökonomie, die sich zwar durch die Psychologisierung des Grenznutzenkonzepts als „psychologische Schule" verstand, durch die Eigenart ihrer Annahmen jedoch die Bindung zur empirischen Psychologie abgeschnitten hatte. MÜNSTERBERG, ein Schüler WUNDTS, setzte den Akzent auf die empirisch-experimentelle Ausrichtung der WP, einer Perspektive, die dann später insbesondere für die sp Forschung zur dominierenden wurde. Seine Forschungsprojekte beziehen sich ganz konkret auf betriebsund arbeitspsychologische Fragestellungen; auch die experimentelle Werbewirkungsforschung (-> Werbung) nahm hier ihren Anfang. und MÜNSTERBERG blieben weitgehend folgenlos, zumindest was die Entwicklung einer einheitlichen WP anbelangt. Erst in der 50er Jahren verzeichnen wir eine zweite „Welle", die mit KATONA in den Vereinigten Staaten und REYNAUD in Frankreich verknüpft ist. REYNAUD betont die Theorielosigkeit der bisherigen Ansätze; sein Interesse gilt vornehmlich Makroprozessen, z.B. der wirtschaftlichen Entwicklung, der Problematik der Entwicklungsländer, der Ausbreitung des Unternehmertums. KATONA, zugleich TARDE
622
Wirtschaftspsychologie
Ökonom und Psychologe, entwirft gleichfalls eine Makroperspektive und wirkt programmatisch in jene Richtung, die heute als „Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse" klassifiziert wird. Sein Interesse gilt v.a dem Verhalten von Verbrauchern und Unternehmern, wobei insbesondere das scheinbar so irrationale Konsumentenverhalten einer psychologischen Analyse unterzogen wird. Neben einer typologischen Betrachtung von Kaufentscheidungen verfolgt KATONA v.a. den Einfluss unterschiedlicher antizipativer -* Erwartungen auf das Konsum- und Investitionsverhalten. Auch werden Messinstrumente entwickelt - z.B. der „Index of consumer sentiment" die als Indikatoren der Früherkennung bestimmter Konjunkturentwicklungen fungieren sollen. Die dritte Welle in der Entwicklung einer eigenständigen WP setzt sich zu Beginn der 80er Jahre fort. 1981 erscheint erstmals das „Journal of Economic Psychology", dessen Initiatoren v.a. niederländische, britische und skandinavische Ökonomen bzw. Psychologen sind. Ab Mitte der 80er Jahre erscheinen in schneller Folge auch Sammelwerke und Handbücher sowie erste Lehrbücher. Dabei gibt es zaghafte Versuche einer Synthese von „psychological economics" und „economic psychology" und eine partielle Öffnung ökonomischer Modelle (z.B. im Hinblick auf wichtige Modifikationen, die durch die Prospect theory oder die —> Equity-Theorie nahe gelegt werden). (2) Allgemeine WP: Generell beschäftigt sich die WP zunächst mit wirtschaftlichem Verhalten und seinen
Wirtschaftspsychologie
Besonderheiten. Dabei führt sie eine Auseinandersetzung mit ökonomischen Modell-Annahmen und wendet sich gegen die Brüchigkeit und Realitätsferne ökonomischer Prinzipien (wie z.B. das Rationalprinzip oder die das Postulat der Nutzenmaximierung). Besondere Beachtung fanden die sog. Entscheidungsanomalien (-»• Anomalien ->Täuschungen, kognitive) an der Nahtstelle zwischen Ökonomie und Psychologie. Bei den einzelnen Thematiken verfolgt die WP eine dreifache Perspektive. Im Makrobereich geht es z.B. um Fragen wirtschaftlicher Entwicklung, der Schattenwirtschaft, der Wirtschaftskriminalität, also Anwendungsbereiche, die auch unter der Bezeichnung „Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse" firmieren. Im Mesobereich geht es dagegen um psychologische Prozesse in größeren Gruppierungen oder Organisationen. Im Mikrobereich stehen Individualentscheidungen in verschiedenen Kontexten zur Debatte, z.B. -> Konsumentenverhalten, Arbeitszufriedenheit oder Belastung durch -* Stress. Im Makro-Bereich steht die Affinität zur Volkswirtschaftslehre (Nationalökonomie) im Vordergrund, im Meso- und Mikrobereich eher die Berührung mit betriebswirtschaftlichen Fragen (z.B. Marketing oder Management). (3) Teilbereiche der WP: Die Entwicklung der einzelnen Gebiete erfolgt in Spezialisierungen, die jeweils unterschiedlichen Forschungstraditionen folgen. Die Geschichte der W P ist - wie WIENDIECK dies ausdrückt - eher eine Geschichte ih-
Wirtschaftspsychologie
rer Teildisziplinen und bietet einen bunten Strauß heterogener Perspektiven, unterschiedlicher theoretischer Fundierungen und sehr differenzieller Bestände an empirischen Befunden. Das Forschungsfeld ist auch als angewandte Forschung konzipiert, und naturgemäß sind viele Ansätze und Forschungsfragen von technologisch-praxeologischer Provenienz, manchmal akademisch anspruchsvoll, bisweilen jedoch allenfalls als bloße Rezeptliteratur (z.B. „Verkaufspsychologie") tauglich. Ein Überblick über die wichtigsten Teilbereiche der WP weist u.a. folgende Themen aus: (a) Gesamtwirtschaftliche Prozesse: Entstehung von Konjunkturen und Krisen, die Bedeutung wirtschaftlicher antizipativer -*Erwartungen, Angebot und Nachfrage auf Arbeitsmärkten, Arbeitslosigkeit, Schattenwirtschaft, Wirtschaftskriminalität, Verhältnis von Ökonomie zur Ökologie, Probleme der Entwicklungsländer etc.; (b) Ökonomische -* Sozialisation: Alltagsverständnis ökonomischer Prozesse, Bedeutung materieller Güter, Konsumenten-Sozialisation, Umgang mit Geld, Sozialisation durch Arbeit, Beruf und Organisation; (c) Geld und Finanzen (->• Finanzpsychologie -* Geld): Geldwert und Inflation, Spar- und Anlageverhalten, Geldanlage und Risikopräferenzen, Spekulation und Börse, Einkommen und Einkommensvergleiche, Besteuerung und Steuerhinterziehung etc.;
623
Wirtschaftspsychologie
(d) Arbeit und Organisation (-> Arbeitspsychologie Organisationspsychologie -* ABO-Psychologie): Personalselektion, Arbeitsgestaltung, Arbeitsmotivation und -Zufriedenheit, Arbeitsbelastung, organisationale Rahmenbedingungen, Gruppen in Organisationen, Führung in Organisationen etc. (e) Markt und Konsum (-»Marktpsychologie —> Konsumentenverhalten -* Werbung)-. Psychologische Aspekte von Produkten und Dienstleistungen, Innovation und Mode, Preispsychologie, Werbung und Verkauf, Motivation und Einstellungen von Konsumenten, Konsumentscheidungen und -gewohnheiten, Einstellungen und Attributionsprozesse, konsumrelevante Gruppeneinflüsse, Haushaltsentscheidungen etc. Das Feld (d) „Arbeit und Organisation" wird im Verständnis der meisten Wirtschaftspsychologen ausgegliedert und gilt als eigenständiges Gebiet mit spezifischer Forschungstradition. Das Feld (e) ist in starkem Maße mit Problemstellungen und Befunden aus dem Marketing-Bereich verbunden und hat daher primär absatzpolitische Forschungsstrukturen. Die Anbindung der jeweiligen Bereiche an die theoretische SP ist unterschiedlich: strikter im Falle der Marktpsychologie, weniger deutlich bei der Organisationspsychologie, die vielfach psychologische „Eigenbauten" mit unterschiedlichem Maß an wissenschaftlicher Dignität entwickelt hat.
624
Wirtschaftspsychologie Lit.: GRUNERT, K . G . & ÖLANDER, F . (eds.) (1989). Understanding economic behavior. Dordrecht. HOYOS, C. GRAF et al. (21987). Wirtschaftspsychologie in Grundbegriffen. München. KATONA, G . (1951). Psychological analysis of economic behavior. New York. KIRCHLER, E . (21999). Wirtschaftspsychologie. Göttingen et al. LEA, S . E . G . et al. (1987). The individual in the economy. A textbook of economic psychology. Cambridge. LEWIS, A . & WEBLEY, P . et al. (1995). The new economic mind - The social psychology of economic behavior. Hertfordshire. PELZMANN, L . (21988). Wirtschaftspsychologie: Arbeitslosenforschung. Schattenwirtschaft. Steuerpsychologie. Wien. 3 WISWEDE, G . ( 2000). Einfuhrung in die Wirtschaftspsychologie. München, Basel.
Wissen ->• Lernen Ergebnis eines Erkenntnisprozesses über Gegebenheiten, deren Eigenschaften und Beziehungen zu anderen Einheiten. Nach anderer Perspektive umfasst W. die auf Daten, Informationen und Erfahrungen beruhende Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten zur Lösung von Problemen. Unterschieden werden isoliertes vs. verbundenes W., explizites vs. implizites W., beschreibendes und erklärendes W. ANDERSON differenziert in deklaratives (d.h. Inhalte abbildendes) und prozedurales (auf die Handlungsausfuhrung bezogenes) W. Typische Fragestellungen der W.-Psychologie sind u.a. (a) Wie sind W.-Bestände im menschlichen Gedächtnis repräsentiert und organisiert? (b) Wie werden neue Erfahrungen in vorhandene W.-Strukturen integriert? (c) Wie wird gespeichertes Wissen aktiviert und abgerufen?
Work-activity-Ansatz
Wissenskluft
(d) Wie werden W.-Bestandteile deaktiviert und vergessen? (e) Wie wird das W. in Denkvorgänge integriert? (f) Welche Einflüsse haben emotionale Vorgänge auf den Erwerb und den Abruf des W.? SPn betrachten Schemata als Wissensbündel, die mehr oder weniger abstrakt sein können. Für die SP besonders wichtig sind soziale Schemata (z.B. das W. über Pn). Einerseits enthält unser Gedächtnis konkretes und anschauliches W. über einzelne Pn, andererseits besteht unser soziales W. aus relativ abstrakten Schemata über verschiedene Gruppen oder Kategorien (z.B. Ausländer, Nationen, Berufe). W. betrifft auch die eigene P; so stellt z.B. das -* Selbstkonzept das im Langzeitgedächtnis gespeicherte W. eines Menschen über sich selbst dar. Der Begriff des W. konvergiert z.T. mit der Belief-Komponente von -»• Einstellungen und repräsentiert dort Meinungen oder Überzeugungen.
Wohlbefinden Hedonistische Ansätze betonen Aspekte des Glücks und definieren W. in Begriffen von „pleasure attainment" und „pain avoidance". Andere Ansätze (z.B. „eudemonic approach") betonen Aspekte der Sinnhaftigkeit und der Selbstverwirklichung und definieren W. in Begriffen von körperlicher und geistiger Funktionsfahigkeit (-> Zufriedenheit —• Lebenszufriedenheit). RYAN & DECI stellen Zusammenhänge zwischen W. und Selbstwirksamkeit sowie —• Selbstregulierung her. Unterschiedliche Konzeptionen sind angesprochen, wenn es (etwa im soziologischen Sinne) um die Erfassung der objektiven Lebensumstände geht oder aber um die Ermittlung des tatsächlichen Lebensgefiihls. Zudem bestehen Wechselwirkungen mit funktionierenden sozialen Beziehungen (-> Netzwerk, soziales) und dem Gesundheitsstatus. Wohlfühl-Abstand -» Crowding
Wissenskluft
World mindedness
Die These von der wachsenden W. besagt, dass Pn oder Gruppierungen mit guter Ausbildung und hohem Wissensstand Informationen leichter aufnehmen als solche mit niedrigem Ausbildungsgrad. Salopp formuliert: Die Klugen werden immer klüger, die Dummen bleiben dumm. Die W.-These ist ins besondere im Zusammenhang mit -» Medienwirkungen und -* Mediennutzung untersucht worden (-> Informationssuche).
Eine Verlagerung des Begriffes —• open mindedness in den interkulturellen bzw. internationalen Bereich. Gemeint ist die Offenheit gegenüber fremden Kulturen und die Toleranz gegenüber anderen sozialen -* Normen, —• Werten, Sitten und Gebräuchen, was sich auch in einem differenzierten und verständnisvollen Verhalten gegenüber den Mitgliedern dieser Kulturen niederschlägt. Work-activity-Ansatz ->Führungsverhalten
625
Yale-Gruppe
YERKES-DODSON-Kurve
Y
Yale-Gruppe (I) Vertreter der systematischen Verhaltenstheorie in der lerntheoretischen Tradition von HULL (z.B. MILLER, DOLLARD, SEARS), u.a. wegbereitend für moderne Theorien der -> Aggression und des Modell-Lernens. Forschergruppe um HOVLAND, die sich in einem groß angelegten Programm mit -* Kommunikationswirkungen beschäftigte (insbesondere mit (II)
626
Aspekten der Glaubwürdigkeit eines Kommunikators). YERKES-DODSON-Kurve und DODSON zeigten bereits 1908, dass zwischen dem Grad der physiologischen -* Aktivation und der Leistung kurvilineare Beziehungen bestehen. Die Aktivation kann auch als Angst oder als Stress interpretiert werden (Stress-Kurve). YERKES
Ziele
Zentrale Route
Z
Zentrale Route -» ELM Zentralität (von Eigenschaften) Die Z.-Tendenz betrifft die relative Gewichtung bestimmter Eigenschaften im Prozess der Eindrucksbildung (-• Wahrnehmung, soziale). Diese bestimmen den Gesamteindruck in stärkerem Maße als andere. Im Experiment von ASCH ( - • Exp. 8) erwies sich die Dimension warm und kalt als zentrale Eigenschaft, da sie den Gesamteindruck dominierte (-» Halo-Effekt —> implizite Persönlichkeitstheorie). WISHNER deutet dies so, dass die warm-kalt-Dimension in der Vorstellung der Vpn mit außerordentlich vielen anderen Eigenschaften korrelierte. Andererseits waren die Korrelationen z.B. zwischen höflich-grob und den übrigen Merkmalen der Antwortliste im Durchschnitt gering.
Zentralität (von Strukturen) (I)Das Ausmaß, in dem eine soziale Position in einem Kommunikationsnetz (-» Kommunikationsstruktur) mit anderen Positionen verknüpft ist (auch: Zentralisierung). (II) In der Soziometrie ist Z. definiert als Verhältnis der Anzahl der von P gesendeten und empfangenen Kommunikationen zur Zahl der gesamten Kontakte in dem betreffenden System (z.B. Gruppe).
Ziele (l)Begriff: Nach LEWIN weisen Z. Objekten und Ereignissen einen Aufforderungscharakter zu. Dieser besteht darin, die Diskrepanz zwischen der jetzigen Situation und dem wün-
schenswerten Zustand zu überbrükken. Z. sind demnach Orte, an denen Werte realisiert werden können. Im Allgemeinen gibt es mehrere und unterschiedlich rationale Wege zum Z. Auch der Weg zum Z. kann wertbesetzt sein oder dies bei der Befolgung von Zielen werden (Bsp.: P verfolgt das Z., Abteilungsleiter zu werden; einen Berggipfel zu erreichen; eine Frau zu erobern). Die Problematik von Z. steht im unmittelbaren Zusammenhang mit intentionalem Verhalten (-»Intention). (2) Arten von Z.: Im einzelnen lassen sich unterscheiden (a) konkrete vs. abstrakte Z., je nachdem, ob der Intention abstrakte oder konkrete Planungen zu Grunde liegen; (b) ideale vs. reale Z., wobei sich letztere auf realistische, machbare Z. beziehen; (c) do-Z. vs. be-Z., in der Notation von CARVER & SCHEIER: erstere befassen sich mit konkretem Handeln, be-Z. regulieren das Verhalten auf einer höheren Ebene, in dem die P selbstaufmerksam wird; (d) übergeordnete vs. untergeordnete Z., was andeutet, dass Z. entweder als Verkettung (Vor-, Zwischen-, End-Z.) oder als Hierarchie in Erscheinung treten können; (e) eigene vs. fremde Z., eine Unterscheidung, die sich darauf bezieht, ob Z. selbst gesetzt sind oder von fremden Instanzen (z.B. dem Vorgesetzten oder der 627
Ziele
(f)
(g)
(h)
(i)
Ziele
Organisation) vorgegeben werden bzw. aus normativen -* Erwartungen resultieren; Leistungs-Z. vs. Lern-Z., wobei sich letztere auf die Zunahme der eigenen Fähigkeiten beziehen (—• Wissen); Herausfordernde vs. anspruchslose Z., je nach Schwierigkeitsgrad und Herausforderungscharakter (-> Leistungsmotivation); intrinsische vs. extrinsische Z., wobei erstere auf Autonomie und Kompetenz ausgerichtet sind (—• Motivation, intrinsische -> Selbstregulierung)-, proximale vs. distale Z., in der Diktion
von
BANDURA
&
SCHUNK, wobei sich erstere auf
die nahe Zukunft beziehen, während distale Z. in die ferne Zukunft weisen (-» Phantasierealisierung). Es empfiehlt sich, neben distalen zusätzlich proximale Z. zu formulieren, da dies zu besserer Leistungsrückmeldung führt (zumindest gilt dies für Erfolgssucher, weniger dagegen für Misserfolgsmeider). (3)Z.-Theorien: Diese lassen sich grob einteilen in Theorien der Z.-Setzung (Z.-Findung) und des Z.-Strebens (Z.-Realisierung). Theorien der ersten Kategorie sind vergleichsweise spärlich entwickelt. In historischer Betrachtung lassen sich behavioristische (z.B. HULL, MILLER et al.) und kognitive Z.-The-
orien (z.B. ACH, LEWIN) unterscheiden. Die heutige Perspektive, zielgerichtetes Handeln in Relation zu subjektiven Z. zu sehen, geht im Wesentlichen auf die kognitive Traditi-
628
on der Willenspsychologie zurück (-+ Wille). Die wichtigsten zielrelevanten Theorien sind: (a) die
Theorie
von
CARVER
&
SCHEIER, die zwischen aktuellen do-Z. (z.B. ein Fachbuch lesen) und übergeordneten be-Z. (z.B. ein guter Arzt zu werden) unterscheidet. Be-Z. sind mit dem —> Selbstkonzept (seif defining goals nach WICKLUND & GOLLWITZER) verknüpft; (b) die T h e o r i e v o n DECI & RYAN
sowie RYAN, die frühere Auffassungen von intrinsischer Motivation erweitert haben und die das Strategiekonzept der —• Selbstregulierung in den Vordergrund rücken; (c) das -* Rubikon-Modell von HECKHAUSEN
&
GOLLWITZER,
das zwischen prädezisionaler, präaktionaler und aktionaler Volition unterscheidet, die jeweils durch unterschiedliche Prozesse der -> Informationsverarbeitung charakterisiert sind; (d) die Theorie der -»• Handlungskontrolle von KÜHL, die sich mit verschiedenen Kontrollmechanismen befasst, die dazu fuhren, dass ein bereits beschlossenes Verhalten (Intention) auch zu einem erfolgreichen Abschluss gelangt; (e) BANDURAS Theorie der -> Selbstwirksamkeit, wobei der Erfolg im Erreichen von Z. das Setzen immer anspruchsvollerer Z. bewirkt, indem die aufgrund der erfolgreichen Z.-Erreichung gestärkte —>• Effizienz-Erwartung
Zielinduktion
Ziel-Erwartungs-Hypothese
eine gesteigerte Z.-Setzung auslöst; (f) die -* Zielsetzungstheorie von LOCKE & LATHAM, die eigent-
lich eine Theorie des Z.-Strebens darstellt und Variablen wie Z.Schwierigkeit sowie Exaktheit der Z.-Bestimmung thematisiert. Lit.:
CARVER,
C.S.
&
SCHEIER,
M.F.
(1998). On the self regulaton of behavior. N e w Y o r k . GOLLWITZER, P . M . ( 1 9 9 1 ) . A b -
wägen und Planen: Bewusstseinslagen in verschiedenen Handlungsphasen. GOLLWITZER, P . M . & BARGH, J A . (eds.) ( 1 9 9 6 ) . T h e
psychology of action: Linking cognition and motivation to behavior. New York. HECKHAUSEN, H . ( 2 1 9 8 9 ) . M o t i v a t i o n u n d H a n -
deln. Berlin. Göttingen u.a. KÜHL, J. (1983). Motivation, Konflikt und Handlungskontrolle. Berlin. LOCKE, E.A. & LATHAM, G.P.
(1990). A theory of goal setting and task performance. Englewood Cliffs./N.J. OETTINGEN, G . &
GOLLWITZER, P . M .
(22002).
Theorien der modernen Zielpsychologie. In Frey, D. & Irle, M. (Hg.) Theorien der Sozialpsychologie, Bd. III, Bern u.a.. 51-73.
Ziel-Erwartungs-Hypothese D i e Z . (PRUITT & KIMMEL) ist eine
Anwendung der -* Wert-ErwartungsTheorie auf soziale -> Dilemmata, insbesondere auf die Neigung zu kooperativem Verhalten (-> Kooperation —> Spiele, experimentelle). Dabei werden zunächst Faktoren diskutiert, die das Ziel, zu kooperieren, aktivieren (z.B. Erfahrung mit der Spielsituation, Anreize der Kooperation, hohe eigene Ansprüche, die ohne Kooperation nicht einzulösen sind), sodann Determinanten, die die Erwartung bestimmen, dass sich der Interaktionspartner kooperativ verhalten wird (z.B. bisherige Erfahrungen mit dieser P, Signale fur kooperative und freundschaftliche Beziehungen, Einschätzung als ähnlich).
Zielgradient Allgemein: Grafische Abbildung der Beziehung zwischen der Stärke einer Verhaltenstendenz und der Zielnähe. Nach MILLER ist die Tendenz eines Organismus, ein Ziel zu erreichen, umso stärker, je näher er dem Ziel kommt (Appetenz-Gradient). Das Gleiche gilt für die Meidungstendenz (Aversions-Gradient). Der letztere setzt später ein als der Appetenz-Gradient, verläuft allerdings steiler, so dass er ab einer gewissen Nähe zum Ziel dominant wird (-* AppetenzAversions-Konflikt). Die Versuchsergebnisse sind an Experimenten mit Ratten orientiert; ob solche Gesetzmäßigkeiten auch für komplexeres menschliches Verhalten (z.B. auch soziales Handeln, wie etwa die Kontaktaufnahme zu einer attraktiven Frau) gelten, ist umstritten.
Zielinduktion -> Ziele werden im allgemeinen als attraktiv verstanden, indem sie das Individuum zu erreichen wünscht (-• Motivation). Z. sind demnach wertbesetzt und fungieren als kognitiv explizierte Anreize (-> Wert). Im Gegensatz zu solchen motivationalen Ansätzen werden kognitiv „kalte" Konzepte diskutiert, wonach Z. lediglich Leistungsstandards spezifizieren. Nach BANDURA haben Ziele per se keinerlei motivationale Konsequenzen; allerdings führt das Erreichen oder Nichterreichen von Zielen zu Aspekten der Selbstbewertung, die ihrerseits motivational wirken. Innerhalb der leistungsthematischen Forschung können vier zielrelevante Mechanismen unterschieden werden: 629
Zufallsauswahl
Zielsetzungstheorie
(a) Ausrichtungs-Effekte: sie lenken Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft in eine bestimmte Richtung und strukturieren damit das relevante Handlungsfeld; (b) Impuls-Effekte: sie verstärken den Einsatz des Akteurs, sein -* Involvement und sein Bemühen um die Bewältigung einer Aufgabe; (c) Persistenz-Effekte: sie fordern die Intensität und Zähigkeit, mit der man sich einer Aufgabe widmet, auch im Hinblick auf die Überwindung von Barrieren; (d) Strategie-Effekte: sie veranlassen das Individuum zur Entwicklung einer Handlungsplanung in Bezug auf die Bewältigung von Aufgaben.
Zielsetzungstheorie Die Z. von LOCKE sowie LOCKE & L A THAM befasst sich eigentlich nicht i.e.S. mit der Setzung von Zielen, sondern mit Aspekten des Zielstrebens (-> Ziele Motivation). Das ursprüngliche Konzept enthält lediglich zwei Kernvariablen: (a) die Schwierigkeit des Ziels: je schwerer ein Ziel zu erreichen ist, desto stärker ist die zielgerichtete Bemühung; (b) die Exaktheit der Zielbestimmung: je präziser (exakter) ein Ziel formuliert wird, desto stärker ist die zielgerichtete Bemühung. In der erweiterten Fassung wirken auch Zielakzeptanz sowie Zielcommitment auf die Anstrengungsbereitschaft ein. Die These (a) steht in gewissem Widerspruch zu den Befunden der -> Leistungsmotivations-Forschwig, wonach - zumindest für Erfolgssu630
cher - mittlere Schwierigkeitsgrade den größten Anreizwert haben. LOCKE & LATHAM betonen jedoch, dass die Erreichbarkeit eines Ziels realistisch sein muss. Eine weitere Irritation besteht darin, dass die Autoren der Auffassung sind, es spiele keine Rolle, ob die Ziele selbst gesetzt oder fremd bestimmt sind. Durch zahlreiche Befunde zur Problematik der -* Partizipation und der Akzeptanz ist jedoch hinreichend dokumentiert, dass die Mitwirkung an der Aufstellung/Formulierung von Zielen deren Akzeptanz verstärkt. LOCKE & LATHAM haben in diesem Punkt auch eingelenkt; möglich ist freilich, dass bei niedrigem Involvement - insbesondere i.R. einfacher Tätigkeiten - die Mitwirkungsmöglichkeit keine Rolle spielt. Die ursprüngliche Annahme dieser Theorie ist also nur dann einzulösen, wenn die Motivation zur Partizipation fehlt.
Zivilcourage Teilklasse -* prosozialen Verhaltens, bei dem sich eine P besonders mutig für andere Pn oder gegen unzumutbare Zustände einsetzt, ohne besondere Rücksicht auf eigene Gefahrdung oder sonstige Risiken (bspw. P greift ein, um einem Ausländer Beistand zu leisten, der von einer Horde randalierender Jugendlicher bedroht wird; P setzt sich aktiv gegen die Obrigkeit für die Wahrung von Menschenrechten ein).
Zufallsauswahl Wahrscheinlichkeitsauswahl oder Zufallsstichprobe (-»• Methoden), d.h. Bildung einer Stichprobe aus einer Grundgesamtheit, bei der für jedes Element die gleiche und von Null ver-
Zufriedenheit
schiedene Chance besteht, in die Auswahl zu gelangen. Zufriedenheit -»Arbeitszufriedenheit Lebenszufriedenheit Z. wird vielfach mit well-being (-* Wohlbefinden) gleichgesetzt, sofern man eine ganzheitliche Perspektive wählt. Hedonistische Ansätze betonen den Aspekt des Glücks (happiness); auch gibt es Querverbindungen zur Analyse von „mental health". Ein Teil der Forschung beschäftigt sich mit Indikatoren zur Messung von Z. Ähnlich wie im Falle der Arbeitszufriedenheit (die theoretisch und v.a. empirisch am differenziertesten untersucht worden ist), kann man Z. unter verschiedenen Aspekten definieren: (a) als Einstellung, in diesem Fall als generalisierte Einstellung gegenüber der gesamten Lebenssituation; (b) als Maß der Bedürfnisbefriedigung, wobei Z. als „fit" zwischen Bedürfnissen und empfundener Realsituation in Erscheinung tritt; (c) als Erfüllung bestimmter Erwartungen (Diskonfirmationsmodell); (d) als Vergleichsprozess mit anderen (indem man z.B. mehr verdient als ähnliche andere); (e) als besonderer Erlebens- oder Emotionszustand. Z. als emotionaler Zustand dürfte einen mittleren Erregungspegel charakterisieren (im Gegensatz zu Lust oder Glück) und eher kognitiv-rational besetzt sein. Deshalb ist Z. vielfach mit dem Charakter des Selbstverständlichen ausgestattet; wie HERZBERG im Falle der Arbeits-Z. betont, gerät UnZ. in stärkerem Maße ins Bewusstsein
Zugänglichkeit
als Z. Auch die (z.B. in der Befragungssituation gegebene) gegenwärtige -* Stimmung kann als Information für Z. fungieren; deshalb sind Z.-Äußerungen vielfach stimmungsanfallig. Die Ermittlung eines globalen Z.-Wertes (-» Lebenszufriedenheit) ist im Übrigen problematisch, wenn das Gesamturteil als Durchschnitt der Einzelurteile in verschiedenen Lebensbereichen (Ehe-Z., Arbeits-Z., Berufs-Z. usw.) angesehen wird. Ermittelt man zunächst ein Globalurteil und sodann die Einzelurteile, kommt man zu anderen Ergebnissen, als wenn man zuerst die Einzelwertungen durchführt und dann die Gesamt-Z. erfragt. Auch gibt es Dominanz- oder Zentralitäts-Effekte. So genügt z.B. ein erhebliches Defizit des Gesundheitszustandes, um die gesamte Zufriedenheit drastisch zu reduzieren (-> Halo-Effekt). Zugänglichkeit (I) Die sog. -»• Vetfiigbarkeits-Heuristik basiert auf Z. Gemeint ist dort, dass der Grad der Z. von der Häufigkeit des Abrufs sowie vom Zeitpunkt des letzten Abrufs abhängt. (II) Im Kontext der Erforschung von -> Einstellungen ist Z. zugleich ein Maß für -* Einstellungsstärke. Nach FAZIO gilt, dass Einstellungen nur dann das Verhalten beeinflussen können, wenn sie im -* Gedächtnis zugänglich sind und entsprechend abgerufen werden können. Diese Z. ist bedingt durch die Stärke der Assoziation zwischen dem Objekt und der jeweiligen Einstellung. Lediglich im Falle einer starken Assoziation zwischen einem Einstellungsobjekt und seiner Bewertung ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Einstellung allein 631
Zugangschancen
durch das Gewahrwerden eines entsprechenden Objektes aktiviert wird. Die Z. von Einstellungen und damit auch der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten (-» Einstellungswirkungen) wird erhöht, wenn (a) Einstellungen auf eigenen Erfahrungen beruhen; (b) Einstellungen in der Vergangenheit häufig abgerufen wurden; (c) die -» Selbstaufmerksamkeit groß und die Tendenz zur -»• Selbstüberwachung niedrig ist. Empirisch wird der Grad der Z. durch Reaktionszeiten gemessen. (III) Erhöhte selektive Z. ankerkonsistenter Argumente ist nach Strack & Mussweiler eine Erklärung für den sog. -* Anker-Effekt (-> Priming, semantisches) Zugangschancen Gemessen an strukturellen Ausgangsbedingungen (Geschlecht, Herkunft, Rassenzugehörigkeit) bestehen unterschiedliche Möglichkeiten eines Akteurs, bestimmte soziale -> Positionen zu besetzen und damit Einfluss, Status und Privilegien zu realisieren. Zugehörigkeit Gruppe, soziale —> Identität, soziale Zukunfts-Erwartung —• Erwartung, antizipative Zuschreibung Durch Z. definierte Positionen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht durch eigene Anstrengung und Leistung erworben werden, sondern ohne eigenes Zutun allein aufgrund biologischer Merkmale (Alter, Geschlecht, 632
Zwei-Komponenten-Modell
Rassenzugehörigkeit) oder sozialstruktureller Merkmale (Herkunft, Kastenzugehörigkeit) definiert sind (-» pattern variables). Zuverlässigkeit (von Pn) trauen Glaubwürdigkeit
Ver-
Zuverlässigkeit (eines Instruments) -> Reliabilität Zwang Starke soziale Einflussnahme, die gegen den Widerstand des anderen stattfindet und Formen der Bestrafungsmacht einsetzt (-* Macht, soziale). Die Ausübung von Z.-Macht ist außerordentlich kostspielig (-»Machtkosten). I.e.S. bezieht sich Z. auf die Androhung physischer Eingriffe Gewalt). Zweck
Ziel -* Plan
Zwei-Komponenten-Modell (der Einstellung) Manche Einstellungsmodelle (z.B. die Theorien des überlegten Verhaltens, des geplanten Verhaltens) gehen von zwei Einstellungskomponenten aus: values (Bewertungen: affektive Komponente) sowie beliefs (Überzeugungen, subjektive Wahrscheinlichkeiten: kognitive Komponente). Im Gegensatz zum Z. gehen Ein-Komponenten-Modelle allein von der Bewertung des Einstellungsobjektes aus; beim Drei-Komponenten-Modell wird neben der kognitiven und der affektiven Komponente auch die Verhaltensneigung (konative Komponente) berücksichtigt (-> Einstellungen).
Zweier-Beziehung
Zwillingsforschung
Zweier-Beziehung -*• Beziehung, soziale -*• Dyade
klassische -* Konditionierung zusammenspielen (-»Lernen).
Zwei-Prozess-Modelle (I) I.R. der Theorie des Minoritätseinflusses unterscheidet MOSCOVICI zwei verschiedene Arten Auswirkungen des Minderheits- und des Mehrheitseinflusses. Während beim Konformitätsparadigma eher Prozesse des sozialen Vergleichs wirksam seien, bewirkt die Minderheit eine ausgeprägte kognitive Auseinandersetzung mit der Position der Minorität i.S. eines Validierungsprozesses.
Zweiseitige Argumentation gumentation, zweiseitige
(II) Gelegentlich werden auch die -* Dualen Prozess-Modelle ELM —> Heuristisch-systematisches Modell) als Z. bezeichnet. (III) Mitunter wird auch der zweistufige Kommunikationsfluss (-• Meinungsführer) als Z. beschrieben. Zwei-Prozess-Theorien (der Konditionierung)
Ar-
Zwei-Speicher-Modell -> Gedächtnis Zweistufiger Kommunikationsfluss —• Meinungsführer Zwillingsforschung Hauptmethode zur Schätzung des genetischen Anteils an der Variation von Merkmalen (-> Heritabilität -* Anlage vs. Umwelt). Die Differenz zischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen dient dabei als Näherungswert für den Beitrag der Erbmasse zur Variationsbreite eines Merkmals. Wie z.B. IRLE gezeigt hat, steht die scheinbar so elegante Methode der Z. vor erheblichen Interpretationsproblemen und Fallgruben, welche die Eindeutigkeit der Ergebnisse in Frage stellen.
Diese nehmen an, dass bei den meisten Lernvorgängen instrumenteile und
633
Anhang
Anhang: Klassische Experimente der Sozialpsychologie
Anhang: Klassische Experimente der Sozialpsychologie Nachfolgend werden 32 klassische Experimente in Kurzform dargestellt, die für die Entwicklung der Sozialpsychologie folgenreich gewesen sind. Die Zuordnung zu den jeweiligen Stichworten des Lexikons ist vermerkt. Die ausgewählten Experimenten sind in vier Bereiche aufgeteilt: (I) SOZIALES LERNEN UND SOZIALE MOTIVATION EXP. EXP. EXP. EXP. EXP.
1: 2: 3: 4: 5:
MODELL-LERNEN UND AGGRESSIONSNEIGUNG (BANDURA 1965) REAKTANZ UND FREIHEITSBEDROHUNG (WORCHEL & BREHM 1970) BEDROHUNG RUFT EIN AFFILIATIONSBEDÜRFNIS HERVOR (SCHACHTER 1959) VERANTWORTUNGSDIFFUSION BEI HILFELEISTUNG (DARLEY & LATANÉ 1968) LERNEN IN EINER MINIMALEN SOZIALEN SITUATION (SIDOWSKI ET AL. 1956)
(II) SOZIALE WAHRNEHMUNG UND ATTRIBUTION EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP.
6: AKZENTUIERUNG VON WAHRNEHMUNGEN (TAJFEL & WILKES 1963) 7: MÜNZSCHÄTZVERSUCH (BRUNER & GOODMAN 1947) 8: ZENTRALITÄTSTENDENZ (ASCH 1946) 9: REPRÄSENTATIVITÄTS-HEURISTIK (KAHNEMAN & TVERSKY 1973) 10: WERTSCHÄTZUNGSVERÄNDERUNGEN (ARONSON & LINDER 1965) 11: WAHRNEHMUNG VON GEFÜHLEN (SCHACHTER & SINGER 1962) 12: WER SCHÖN IST, IST AUCH GUT (CUNNINGHAM 1986) 13: SELBSTWAHRNEHMUNG (FAZIO ET AL. 1977)
(III) EINSTELLUNGEN UND KOMMUNIKATION EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP.
14: 15: 16: 17: 18: 19: 20:
EINSTELLUNGSDISKREPANZ (LA PIERE 1934) KONDITIONIERUNG VON EINSTELLUNGEN (STAATS & STAATS 1957) DISSONANZ NACH ENTSCHEIDUNGEN (BREHM 1956) EINSTELLUNGSKONTRÄRES VERHALTEN (FESTINGER & CARLSMITH 1959) FOOT IN THE DOOR (FREEDMAN & FRAZER 1966) GLAUBWÜRDIGKEIT EINES KOMMUNIKATORS (ARONSON ET AL. 1963) WIRKUNG VON FURCHTAPPELLEN (JANIS & FESHBACH 1953)
(TV) INTERAKTION UND GRUPPENPROZESSE EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP. EXP.
21: 22: 23: 24: 25: 26: 27: 28: 29: 30: 31: 32:
VERHALTENSRELEVANZ VON EINSTELLUNGEN (AJZEN & FISHBEIN 1970) EQUITY IN SOZIALEN BEZIEHUNGEN (WALSTER ET AL. 1978) DIFFERENZIERUNG VON FÜHRUNGSROLLEN (BALES & SLATER 1955) KONFORMITÄT UNTER GRUPPENDRUCK (ASCH 1951) AUTOKINETISCHES PHÄNOMEN (SHERIF 1936) AUTORITÄT UND GEHORSAM (MILGRAM 1969) MINORITÄTSEINFLUSS (MOSCOVIA ET AL. 1 9 6 9 ) RISIKOSCHUB IN GRUPPEN (WALLACH ET AL. 1964) ZUR WIRKUNG VON DROHUNGEN (DEUTSCH & KRAUSS 1960) FERIENLAGER-EXPERIMENT (SHERIF & SHERIF 1953) MINIMALE GRUPPENSITUATION (TAJFEL 1982) GEFÄNGNIS-EXPERIMENT (HANEY ET AL. 1973)
II II III IV V VI
VIII VIII IX X XI XII XIII XIV XV
XVII XVII XVIII XIX XX XXI XXII XXIII
XXV XXV XXV XXVI XXVII XXVIII XXIX XXX XXXI XXXII XXXIV XXXV XXXVI
I
Modell-Lernen und Aggressionsneigung (BANDURA 1965)
(I) Soziales Lernen und soziale Motivation Exp. 1: Modell-Lernen und Aggressionsneigung (BANDURA 1965) Fragestellung: Kann Verhalten (Nachahmung) allein durch die bloße Beobachtung von (verstärkten bzw. bestraften) Handlungen einer Person hervorgerufen werden? Genereller Aufbau/Ablauf: 3 Gruppen von Kindern (4-6 Jahre) sahen einen Film, in dem ein Erwachsener (Modell) sich in einer für sie neuartigen körperlich und verbal aggressiven Weise gegenüber einer lebensgroßen Puppe verhielt. Anschließend bekam der Erwachsene durch eine andere Person ein Feedback für sein aggressives Verhalten. Unabhängige Variablen: Die Verhaltenskonsequenzen (Feedback) für das Modell wurden variiert: In der ersten Gruppe wurde das Modell belohnt sowie gelobt, in der zweiten bestraft sowie beschimpft und in der dritten Gruppe erlebte es keinerlei Rückmeldungen. Abhängige Variablen: Welches Ausmaß aggressiven Verhaltens zeigen die Kinder der einzelnen Gruppen, wenn sie direkt im Anschluss an den Film Gelegenheit bekommen, mit einer - der Filmpuppe ähnlichen - Puppe und anderen Gegenständen zu spielen? Daran anschließend wurden die Kinder gebeten nachzuerzählen, wie sich das Modell im Film verhalten hatte. Für jede zutreffende Aussage gab es eine Belohnung Ergebnisse: Die höchste Aggressionsneigung war in der ersten Gruppe festzustellen, die niedrigste in der zweiten. Allerdings stand die dritte Gruppe der ersten kaum nach. Jungen zeigten generell mehr Modell-Verhalten als Mädchen. Kinder in allen drei Gruppen konnten die gleiche Anzahl an Beobachtungen wiedergeben, d.h. es gab keine Lernunterschiede in Abhängigkeit vom Verstärkungsplan des Modells. Damit zeigt sich, dass die stellvertretende Verstärkung im Wesentlichen auf die Ausfuhrungsphase einwirkt und weniger auf die Speicherung der Modell-Ereignisse. Original-Quelle: BANDURA, A. (1965) Influence of m o d e l ' s reinforcement con-
tingencies on the acquisition of imitative responses. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 1, Nr. 6, 589-595. Rel. Stw.
II
Lernen
Modell-Lernen -*• Aggression -*Aggressionstheorien.
Reaktanz und Freiheitsbedrohung (WORCHEL & BREHM 1970)
E x p . 2: R e a k t a n z u n d F r e i h e i t s b e d r o h u n g (WORCHEL & BREHM 1970)
Fragestellung: Wie wirken sich starke Bedrohungen der Entscheidungsfreiheit eines Individuums auf Einstellungsfragen aus und in welcher Form hängt die Art der Reaktion vom Ausmaß der ursprünglichen Zustimmung oder Ablehnung einer vom Sender kommunizierten Position ab? Genereller Aufbau/Ablauf: In einem Vorversuch wurde die Einstellung der Vpn zur Gleichbehandlung der kommunistischen Partei erhoben. Die Vpn wurden in Abhängigkeit ihrer Antworten in 2 Gruppen aufgeteilt, jene, die für eine Gleichbehandlung (positiv) stimmten und jene, die sich dagegen (negativ) aussprachen. Im zwei Wochen später folgenden Kommunikationsexperiment wurden die Vpn mit unterschiedlich positionierten Aussagen zum Umgang (Gleichbehandlung oder stärkere Überwachung) mit der kommunistischen Partei konfrontiert. Zum Abschluss füllten die Vpn einen Fragebogen aus. Unabhängige Variablen: Das Ausmaß an Freiheitseinengung wurde über die Formulierung der Statements zur Position gegenüber der kommunistischen Partei variiert. Eine hohe Bedrohung erfolgte über Aussagen wie „Sie können gar nicht anderer Meinung sein", während eine niedrige Bedrohung überhaupt keinerlei Bemerkungen dieser Art enthielt. Somit lag ein drei-faktorielles Untersuchungsdesign vor, in dem jeder Faktor (ursprüngliche Einstellung der Vpn, Freiheitsbedrohung und Botschaft des Kommunikators) zweifach (positiv/negativ, stark/schwach und positiv/negativ) gestuft war. Abhängige Variablen: Antworten der Vpn auf verschiedene Einstellungsfragen (China in die UNO aufnehmen, Behandlung der kommunistischen Partei als gleichberechtigt zu anderen Parteien und härtere Strafen bei Gesetzesverstößen) sowie zur Einschätzung des Kommunikators der vorgelegten Botschaften. Ergebnisse: Es gab weder Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts, noch bezüglich der anfänglich vertretenen Position (Pro oder Kontra) sowie in der Bewertung des Kommunikators in verschiedenen Dimensionen (z.B. Expertenstatus). Sehr hohe Abweichungen traten in den Gruppen auf, in denen unter starker Freiheitsbedrohung der Kommunikator eine mit der ursprünglichen Einstellung der Vpn übereinstimmende Meinung vertrat. In diesen Fällen verkehrte ein signifikanter Teil der Vpn ihre ursprüngliche Einstellung ins Gegenteil, d.h. am Anfang für eine Gleichbehandlung der kommunistischen Partei votierende Vpn waren jetzt dagegen und umgekehrt. In den 6 anderen Gruppen erfolgte eine Änderung der ursprünglichen Einstellungsposition in Richtung auf den vom Kommunikator vertretenen Standpunkt, d.h. ursprünglich für eine Gleichbehandlung der kommunistischen Partei eintretende Vpn waren jetzt dagegen et v.v. Für die Gruppen mit schwacher Freiheitsbedrohung mögen diese Resultate nachvollziehbar sein; was aber zu Irritationen führte, war die Tatsache, dass auch unter der Bedingung einer starken Bedrohung der Freiheit in den Gruppen, in denen die Vpn vorher konträre III
Bedrohung ruft ein Afflliationsbedflrfiiis hervor (SCHACHTER 1959)
Einstellungen angaben, ein Wechsel in Richtung auf die Position des Kommunikators erfolgte. Die Erklärung fur das ausschließliche Auftreten des Bumerang-Effekts unter der Bedingung einer starken Freiheitsbedrohung, wenn der Kommunikator sich in gleicher Weise äußert wie die ursprünglich vertretene Einstellung, wird dadurch erklärt, dass alleine das anfangliche Vertreten einer gegenteiligen Einstellung (Vpn ursprünglich dagegen, Kommunikator argumentiert - m i t starker Freiheitseinschränkung- dafür et v.v.) keine Wahrnehmung einer Freiheitseinschränkung zur Folge hat. Man schloss sich in diesen Fällen dem Kommunikator (Beurteilung als Experte) an, wenn auch nicht unbedingt im von ihm gewünschten Ausmaß. Original-Quelle: WORCHEL, S. & BREHM, J. (1970) Effects of threats to attitudinal freedom as a function of agreement with the communicator. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 14, Nr. 1,18-22. Rel. Stw. -> Reaktanz -*Reaktanztheorie —> Hilflosigkeit, gelernte ziale.
Macht, so-
Exp. 3: Bedrohung ruft ein Affiliationsbedürfnis hervor (SCHACHTER 1959) Fragestellung: Suchen Menschen in Spannungssituationen (z.B. Angst oder Stress) eher die Gesellschaft anderer Personen, oder sind sie lieber alleine? Genereller Aufbau/Ablauf: 2 Gruppen von Vpn wurden mit unterschiedlichen Instruktionen auf zu erwartende Elektroschocks vorbereitet. Vor dem Erhalt der elektrischen Schläge war aber noch ein kurzer Zeitraum zu überbrücken, in dem die Vpn einen Fragebogen ausfüllten. Anschließend war das Experiment beendet, d.h. die Verabreichung der angekündigten Stromstöße erfolgte nicht. Unabhängige Variablen: Den Vpn der ersten Gruppe wurden die elektrischen Schläge als außerordentlich schmerzhaft - aber ohne Zurückbleiben dauerhafter Schäden - dargestellt, während sie den Vpn der zweiten Gruppe als völlig harmlos und kaum spürbar beschrieben wurden. Abhängige Variablen: Im Fragebogen hatten die Vpn anzugeben, ob sie die Wartezeit bis zum Beginn des eigentlichen Experiments lieber alleine oder gemeinsam mit anderen Vpn verbringen wollten. Ergebnisse: Ungefähr 2/3 der Vpn aus Gruppe 1 bevorzugten ein gemeinsames Warten mit anderen Vpn, aber nur etwa 1/3 der Vpn aus Gruppe 2. Das Ausmaß
IV
Verantwortungsdiffusion bei Hilfeleistung (DARLEY & LATAN£ 1968)
der Angstinduktion durch die unterschiedlichen Anweisungen wurde ebenfalls im Fragebogen erhoben und bestätigte den Versuchsaufbau. Replikationen/Abwandlungen/Erweiterungen: Um zu testen, ob das Affiliationsbedürfnis eher unspezifisch (es ist egal, welche Personen in der Wartegruppe sind, Hauptsache man kann überhaupt mit anderen Menschen zusammen sein) oder spezifisch auf bestimmte Personen (die Wartenden müssen dem gleichen Schicksal ausgesetzt sein) bezogen ist, wurde eine entsprechende Variation durchgeführt. Den Vpn beider Gruppen wurden diesmal die Elektroschocks als sehr schmerzhaft angekündigt. Die Vpn der Gruppe 1 konnten entweder alleine oder zusammen mit den anderen Vpn warten, während die Vpn der Gruppe 2 alleine oder mit Personen, die ihnen zwar ähnlich (auch Studenten) waren, aber vor einer Prüfungssituation standen, warten konnten. Ca. 60 % der Vpn aus Gruppe 1 wollten lieber gemeinsam warten, aber keine einzige Vp der Gruppe 2. Original-Quelle: SCHACHTER, S. (1959) The psychology of affiliation: Experimental studies of the sources of gregariousness. Stanford. Rel. Stw. -*Affiliation -*Affiliationstheorien -* Gruppe, soziale -*• Beziehungen, soziale.
Exp. 4: Verantwortungsdiffusion bei Hilfeleistung (DARLEY & 1968)
LATANE
Fragestellung: Test der Hypothese: Je mehr potenzielle Hilfeleistende in einer Notsituation anwesend sind, desto weniger wahrscheinlich wird eine Intervention bzw. desto später wird die Hilfe angeboten. Genereller Aufbau/Ablauf: Eine Person partizipiert als einzig echte Vp (die anderen Beiträge werden per Tonband eingespielt) an einer Gruppendiskussion, deren Teilnehmer sich aus Gründen der Anonymität, einzeln in verschiedenen nebeneinander liegenden Räumen aufhalten müssen, und ausschließlich durch akustisch-technische Systeme miteinander kommunizieren können, wobei immer nur eine Person reden kann, aber alle anderen dies hören. Zunächst erhalten alle Teilnehmer die Möglichkeit, ihren Standpunkt zur Thematik darzulegen. Dabei erklärt die erste Person, dass sie in Stress-Situationen immer wieder zu epileptischen Anfallen neige. Die eigentliche Vp hat in dieser Runde den letzten Wortbeitrag. Anschließend ergreift erneut die erste Person das Wort. Ihre Ausführungen lassen erkennen, dass sie offensichtlich gerade einen Anfall erleidet und zu ersticken droht (sie verstummt nach einem eindringlichen Hilfeappell). Unabhängige Variablen: Anzahl der suggerierten möglichen Hilfeleistenden - für die Vp durch die Anzahl der übrigen Beiträge in der ersten Diskussionsrunde V
Lernen in einer minimalen sozialen Situation (SIDOWSKI et al. 1956)
zu erkennen - im Experiment (0, 1 oder 4 weitere Personen, neben der eigentlichen Vp und der hilfebedürftigen Person). Abhängige Variablen: Häufigkeit und Schnelligkeit der Hilfeleistung, nachdem die hilfesuchende Person ihren zweiten Wortbeitrag begonnen hatte. Ergebnisse: Der Zusammenbruch der ersten Person war für jeden Teilnehmer spätestens nach 70 Sekunden offensichtlich. Wenn die Vp alleine mit der unterstützungsbedürftigen Person die Diskussionsrunde bildete (keine weiteren potenziellen Helfer) leisteten 85 % in diesem Zeitraum Hilfe, wobei die durchschnittliche Zeitspanne bis zum aktiven Eingreifen 52 Sekunden dauerte. War noch ein weiterer möglicher Helfer vorhanden (Gruppe der Diskutanten umfasste 3 Personen), reduzierte sich der Anteil der intervenierenden Vpn auf 62 %, die im Mittel nach 93 Sekunden aktiv wurden. Bei 4 vermeintlichen Hilfskräften entschlossen sich nur noch 31 % der Vpn zur Hilfeleistung, die eine durchschnittliche Latenzzeit von 166 Sekunden aufwiesen. Wenn 6 Minuten nach Beginn des zweiten Wortbeitrags der hilfesuchenden Person immer noch keine Reaktion der Vp erfolgt war, wurde diese vom VI - der für die Vp erkennbar während des Experiments nicht in das Kommunikationssystem integriert war - aufgesucht und aufgeklärt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten alle Vpn der 2er Gruppe die Notsituation angezeigt, ca. 80 % der Vpn in der Experimentsituation mit 3 Personen aber nur etwas über 60 % in der 6er Gruppe (4 weitere potenzielle Helfer). Original-Quelle: DARLEY, J. M. & LATANÉ, B. (1968) Bystander intervention in emergencies: Diffusion of responsibility. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 8, Nr. 4, 377-383. Rel. Stw. -* Verantwortung -* Verantwortlichkeit -* Verantwortlichkeits-Diffusion -* Bystander-Effekt -»Hilfeverhalten.
Exp. 5: Lernen in einer minimalen sozialen Situation 1956)
(SIDOWSKI
et al.
Fragestellung: Lässt sich soziales Verhalten in einer minimalen sozialen Situation (Ausbiendimg von Einstellungen, Verständnis, Wahrnehmung etc. zum Gegenüber) alleine über Verstärkung und Bestrafung kontrollieren, d.h. können Lernerfolge allein aus dem Effektgesetz abgeleitet werden (behavioristischer Ansatz)? Genereller Aufbau/Ablauf: In Anlehnung an das Gefangenen-Dilemma agieren 2 Personen miteinander, ohne dass sie von der jeweils anderen Person Kenntnis haben. Die Aufgabe besteht darin, durch Betätigen eines von zwei möglichen Knöpfen (L und R), Pluspunkte (angezeigt über ein Zählwerk) zu sammeln bzw. Strömstöße (über Elektroden an zwei Fingern der linken Hand) zu vermeiden. Die vi
Lernen in einer minimalen sozialen Situation (SlDOWSKI et al. 1956)
Vpn erhalten keinerlei Information darüber, unter welchen Konstellationen die Belohnung bzw. Bestrafung auftreten wird. Tatsächlich resultiert die Verteilung aus folgendem Muster: Werden von beiden Vpn identische Knöpfe betätigt, so erhalten beide bei L-L einen Pluspunkt und bei R-R einen Elektroschock. Werden unterschiedliche Knöpfe gedrückt, so erhält die Vp einen Elektroschock, die L betätigt hat, ihr Pendant (hatte R gedrückt) bekommt einen Pluspunkt. [Diese Erklärung hat vereinfachenden Charakter, da im wirklichen Experiment die Tastenbelegung für Person 1 „gedreht" war, um systematische Verzerrungen auszuschließen.] Damit ist der Gewinn einer Vp nicht nur von ihrer eigenen Reaktion abhängig, sondern auch von der ihres Mitspielers.
L Person 1 R
Person 2 R L \ + + \
>N
Unabhängige Variablen: Stärke des Elektroschocks, der für die zweite Gruppe fast doppelt so kräftig ausfiel, wie fur die erste. Abhängige Variablen: Lernerfolg: Anzahl an Pluspunkten. Ergebnisse: Geht man von einer a-priori-Wahrscheinlichkeit von 50 % für das Drücken eines der beiden Knöpfe aus, so steigerte sich diese innerhalb kurzer Zeit (3 Minuten) in der Gruppe mit den stärkeren Stromstössen auf fast 70 % für den Knopf L. Bis zum Versuchsende nach 25 Minuten pendelte sich der Wert auf über 60 % ein. Beide Spieler hatten also „gelernt", dass ein (gemeinsames) Betätigen des linken Knopfs ihren Ertrag maximiert. In der Gruppe mit den schwächer dosierten Elektroschocks war der Lerneffekt allerdings in den ersten Minuten nicht nachzuweisen. Dort fiel der Anteilswert des L-Knopfes erst, bevor er nach ca. 10 Minuten ein Niveau von 50 % erreichte, das auch am Versuchsende knapp erzielt wurde. Original-Quelle: SIDOWSKI, J. B. & WYCKOFF, L. B. & TABORY, L. (1956) The
influence of reinforcement and punishment in a minimal social situation. Journal of Abnormal Social Psychology, Vol. 52, Nr. 1,115-119. Rel. Stw. Minimale Interaktion -* Interaktion, soziale -* Interaktionstheorien -* Kooperation Lernen -* Gefangenen-Dilemma.
VII
A k z e n t u i e r u n g v o n W a h r n e h m u n g e n (TAJFEL & WLLKES 1963)
(II) Soziale Wahrnehmung und Attribution Exp. 6: Akzentuierung von Wahrnehmungen (TAJFEL & WILKES 1 9 6 3 ) Fragestellung: Reichen minimale zusätzliche Hinweisreize aus, um Stimuli zu kategorisieren? Wird das Urteil über eine objektiv feststellbare physische Eigenschaft von Stimuli beeinflusst, wenn die urteilende P weiß, dass diese verschiedenen Klassen zugeordnet sind und die Eigenschaft mit der Klasse offensichtlich in einer bestimmten Beziehung steht? Genereller Aufbau/Ablauf: Die Vpn hatten die Länge von Linien zu beurteilen. Dazu wurden sie zunächst mit den verschiedenen Stimuli (8 Linien mit einer Länge von ca. 16 bis 23 cm) vertraut gemacht. Es gab 3 unterschiedliche Bedingungen: (I) Classified: Die vier kürzeren Linien (bis maximal 18,8 cm) waren auf den Präsentationstafeln alle mit dem Buchstaben A gekennzeichnet, die 4 längeren (ab minimal 19,7 cm) mit B; (II) Randomly classified: Hier waren die Linien ebenfalls mit den Buchstaben A und B bezeichnet, allerdings längenunabhängig, also zufällig; (III) Unclassified: Die Linien wurden alle ohne Buchstabenlabel gezeigt. Damit bildeten (II) und (III) die Kontrollgruppe(n) für die Experimentalbedingung (I). Nach der Vorstellung der Linien wurden diese den Vpn in zufalliger Reihenfolge mehrmals gezeigt, wobei jede Linie in der Bedingung (II) in der Hälfte der Fälle mit dem Buchstaben A und in der anderen Hälfte mit B gekennzeichnet war; in den beiden anderen Konditionen (I) und (III) fanden keine weiteren Veränderungen zur Vorstellungssituation statt. Unabhängige Variablen: Die Präsentation der Linien in den 3 Formen (I) Classified, (II) Randomly classified und (III) Unclassified. Abhängige Variablen: Die geschätzte Länge der einzelnen Linien. Ergebnisse: Beim Mittelwertvergleich der Experiment- mit den Kontrollgruppen treten die größten Schätzunterschiede zwischen den Linien 4 und 5 auf, also der längsten der kürzeren Linien (4) und der kürzesten der längeren Linien (5). Bedingt durch die Kennzeichnungen A für Linie 4 und B für Linie 5 weichen die Längenschätzungen beider Linien unter der Bedingung (I) erheblich von denen der beiden Gruppen (II) und (III) ab. In der Konnotation der Assimilations-KontrastHypothese ist dies eine eindeutige Bestätigung des Inter-Klassen-EfFekts (Kontrast) - alleine die unterschiedliche zusätzliche Beschriftung zweier eigentlich eng beieinander liegender Stimuli (Länge 18,8 und 19,7 cm) fuhrt dazu, dass ihr Unterschied größer eingeschätzt wird, als er tatsächlich ist. Alle anderen 6 Linien - die zur nächstlängeren bzw. -kürzeren Linie einen vergleichbaren Abstand aufwiesen, wie die Differenz zwischen den Linien 4 und 5 - wurden hingegen in Experiment- und Kontrollgruppe ähnlich taxiert (Assimilation; Intra-KlassenEffekt).
VIII
M ü n z s c h ä t z v e r s u c h (BRUNER & GOODMAN 1947)
Original-Quelle: TAJFEL, H . & WILKES, A . L . (1963) Classification and quantitative judgement. British Journal of Psychology, Vol. 54, Nr. 2,101-114. Rel. Stw. —• Wahrnehmung, —• Assimilations-Kontrast-Effekt
soziale
Akzentuierung
—> Stereotyp
E x p . 7: M ü n z s c h ä t z v e r s u c h (BRUNER & GOODMAN 1947)
Fragestellung: Hat die Größe des sozialen Wertes eines Objekts einen Einfluss auf dessen Beurteilung? Beeinflusst das individuelle Bedürfnis (z.B. Armut) nach einem sozial bewerteten Objekt dessen Beurteilung? Genereller Aufbau/Ablauf: Die 30 Vpn waren zehn Jahre alte Kinder, von denen der eine Teil aus wohlhabenden Familien stammte, der andere aus Familien mit geringem Einkommen. Es gab einen Projektor, mit dem anhand einer Irisblende in ihrer Größe variierende Lichtkreise an die Wand geworfen werden konnten. Die Aufgabe für die Kinder bestand darin, die Größe von Objekten mit dem Diaprojektor abzubilden. Dabei wurden zwei Gruppen zusammengestellt. Die Kinder der Experimentalgruppe mussten die Größe ihnen geläufiger amerikanischer Münzen (1, 5, 10, 25 und 50 Cent) mit der Irisblende nachempfinden. Dabei mussten die Kinder die Münzen zunächst dem Wert nach in aufsteigender und dann in absteigender Reihenfolge abbilden. Beide Durchläufe wurden je zweimal durchgeführt: einmal war die Blende zu Beginn geschlossen, und ein anderes Mal musste eine offene Blende entsprechend geschlossen werden. Die Kinder der Kontrollgruppe hatten runde Pappscheiben, die der Größe der zu beurteilenden Münzen entsprachen, abzubilden. Unabhängige Variablen: Die runden Gegenstände (Münzen oder Pappscheiben), die von den Kindern nachzuzeichnen waren. Abhängige Variablen: Die Größe der Lichtkreise, die den Objekten von den Kindern zugemessen wurde. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass die Münzen (sozial bewertete Objekte) größer nachempfunden wurden als die Pappscheiben. Dieser Unterschied war bei Kindern aus einkommensschwachen Familien noch ausgeprägter als bei den Kindern mit einem relativ begüterten familiären Hintergrund. Erstere schätzten die Größe der Münzen noch übermäßiger ein als Kinder aus wohlhabenderen Familien. Damit ist auch die Frage nach dem Einfluss von individuellen Bedürfnissen beantwortet.
IX
ZentraUtätstendenz (ASCH 1946) Original-Quelle: BRUNER, J. S. & GOODMAN, C. C. (1947) Need and value as or-
ganizing factors in perception. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 42, Nr. 1,33-44. Rel. Stw. —• Wahrnehmung, soziale —•Akzentuierung -* Hypothesentheorie der Wahrnehmung
E x p . 8: Z e n t r a U t ä t s t e n d e n z (ASCH 1946)
Fragestellung: Ist es möglich, aus verschiedenen Teilinformationen über eine Person ein vollständiges Bild über diese zu entwickeln? Haben diese Teilinformationen einen unterschiedlichen Stellenwert? Genereller Aufbau/Ablauf: Einer ersten Gruppe von Vpn wurde zweimal eine Liste mit 7 Persönlichkeitsmerkmalen vorgelesen, von denen eines „warmherzig" lautete. Ihnen wurde mitgeteilt, dass diese Merkmale eine Person X beschrieben. Zunächst sollten die Vpn nun die Person X mit eigenen Worten charakterisieren und sie anschließend auf 18 bipolaren Eigenschaftsskalen (z.B. egozentrisch altruistisch) verorten. Eine zweite Gruppe erhielt ebenfalls diese Liste der 7 Persönlichkeitsmerkmale, allerdings wurde das Attribut „warmherzig" variierend gegen die Eigenschaften „kühl", „höflich" oder „grob" ausgetauscht. Das weitere Vorgehen entsprach dem der ersten Gruppe. Im zweiten Teil des Experiments wurde eine weitere Gruppe geteilt. Beide Teilgruppen bekamen erneut eine Liste mit Persönlichkeitsmerkmalen, die der ersten in der Sequenz „Intelligent, fleißig, impulsiv, kritisch, stur und neidisch" vorgelegt wurde, der zweiten in umgekehrter Reihenfolge. Unabhängige Variablen: Zusammensetzung der Liste der Persönlichkeitsmerkmale: „warmherzig" versus „kühl", „höflich" oder „grob". Reihenfolge, in der die Persönlichkeitsmerkmale präsentiert wurden. Abhängige Variablen: Die Darstellung und Beurteilung der Person X. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass sich die Vpn bei der ersten Liste („warmherzig") über das Wesen von Person X einig waren. Dies besagt, dass einige Teilinformationen genügen, um ein vollständiges Bild über eine Person entstehen zu lassen. Bei der Liste, die das Merkmal „kühl" enthielt, zeigte sich das Bild eines völlig anderen Menschen als bei dem in der ersten Liste. Die Merkmale „höflich" und „grob" zeigten in der Regel neutralere, ähnlichere Beschreibungen von X. Bestimmte Merkmale wiegen also schwerer als andere bzw. können als zentrale Eigenschaften angesehen werden.
x
Repräsentativitäts-Heuristik (KAHNEMAN & TVERSKY 1973)
Bei der unterschiedlichen Reihenfolge der Merkmale ergab sich, dass die Vpn, deren Liste mit dem Merkmal „intelligent" begann, ein positiveres Bild von X beschrieben als die andere Gruppe. Die Reihenfolge der Informationen hat also eine besondere Bedeutung. Original-Quelle: ASCH, S.(1946) Forming impressions of personality. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 41, Nr. 3, 258-290. Rel. Stw. -* Zentralität von Eigenschaften -* Halo-Effekt ~> Wahrnehmung, soziale.
E x p . 9: R e p r ä s e n t a t i v i t ä t s - H e u r i s t i k (KAHNEMAN & TVERSKY 1 9 7 3 )
Fragestellung: Werden Urteile über eine Person eher aufgrund von semantischen Ähnlichkeiten (Repräsentativität) oder eines Wissens über die Basisrate (z.B. Anteil der Bevölkerung) getroffen? Genereller Aufbau/Ablauf: Es gab zwei verschiedene Gruppen von Vpn. Beiden wurde gesagt, dass man 100 Personen befragt und getestet hätte. Dann wurden kurze Beschreibungen über mehrere dieser Personen gegeben; im Anschluss daran sollten die Vpn beurteilen, ob die jeweilige Person Ingenieur oder Jurist sei. Die Beschreibung lautete folgendermaßen: "Jack ist ein 45-jähriger Mann. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Er ist im Allgemeinen konservativ, sorgfaltig und ehrgeizig. Er interessiert sich nicht für politische und soziale Themen und verbringt den größten Teil seiner Freizeit mit seinen vielen Hobbies. Dazu zählen Tischlerei, Segeln und mathematische Rätsel. Die Wahrscheinlichkeit, dass Jack einer der Ingenieure in der Stichprobe von hundert Personen ist, beträgt X %." Unabhängige Variable: Die Information über die Basisrate X. Der Gruppe A wurde mitgeteilt, dass die 100 getesteten Personen zu 30% aus Ingenieuren und zu 70% aus Juristen bestehe, während die Gruppe B die entgegengesetzte Information erhielt: 70% der Personen seien Ingenieure und 30% Juristen. Abhängige Variablen: Der Anteil derer, die Jack für einen Ingenieur hielten. Ergebnisse: Die Basisrate schien keinen Einfluss auf das Urteil der Vpn zu haben. Der größte Anteil war der Ansicht, dass Jack Ingenieur sei. Die Repräsentativität der Beschreibimg hatte einen größeren Einfluss auf die Entscheidimg der Vpn. Orginal-Quelle: KAHNEMAN, D. & TVERSKY, A. (1973) On the psychology of prediction. Psychological Review, Vol. 80, Nr. 4, 237-251. Rel. Stw. —• Repräsentativitäts-Heuristik -> Täuschungen, kognitive Anomalien.
—• Zugänglichkeit
-* Heuristiken
XI
Wertschätzungsveränderungen (ÄRONSON & LINDER 1965)
E x p . 10: W e r t s c h ä t z u n g s v e r ä n d e r u n g e n (ARONSON & LINDER 1965)
Fragestellung: Ändert sich die Attraktion einer Person (O) für eine andere Person (P) in Abhängigkeit davon, ob 0 positive oder negative Äußerungen über P macht? Wann ist die Sympathie für O am größten? Genereller Aufbau/Ablauf: 80 Studentinnen wurde mitgeteilt, dass sie an einem Experiment zur verbalen Konditionierung teilnehmen. Der VI und die Vp (P) sollten abwechselnd ein Gespräch mit einer zweiten Vp (O) führen. Die erste Vp würde das Gespräch mit dem VI jeweils in einem Nebenraum mithören und sollte dabei bestimmte Wörter zählen. Der zweiten Person wäre gesagt worden, dass es in dem Experiment darum gehe, wie Personen Eindrücke über andere Personen bilden; aus diesem Grund würde die zweite Vp ihre Eindrücke von der ersten Vp darstellen und beide Vpn müssten zum Abschluss eine Einschätzung der jeweils anderen abgeben. Die zweite Vp war jedoch eine Assistentin des VI, und die Eindrücke über die erste, eigentliche Vp standen schon vor Beginn des Experiments fest. Nachdem die Gespräche mit dem VI und der zweiten Vp beendet waren, wurde die erste Vp in einen anderen Raum geführt, um noch abschließende Fragen zu beantworten. Dabei wurde so vorgegangen, dass der wahre Grund des Experiments nicht zu erkennen war. Die Fragen bezogen sich auf die Sympathie für die zweite Vp, die auf einer Skala von - 1 0 bis +10 (eine Bewertung von 0 bedeutete, dass die Sympathie indifferent war) gemessen wurde. Zusätzlich musste auf weiteren Skalen deren Intelligenz, Freundlichkeit etc. eingeschätzt werden. Die abschließende Frage thematisierte die Gefühle (verwirrt, außer Fassung, gequält oder ärgerlich) der ersten Vp, während die zweite Vp sie bewertet hatte. Unabhängige Variablen: Die dargestellten Eindrücke der Assistenten über die Versuchsperson: (1) erst negative, dann positive Eindrücke (2) ständig positive Eindrücke (3) ständig negative Eindrücke sowie (4) erst positive, dann negative Eindrücke. Abhängige Variablen: Die Beurteilung der Assistentin (O) durch die erste Vp (P). Ergebnisse: Die größte Sympathie wurde der Assistentin entgegengebracht, wenn ihre Eindrücke über die Vp zunächst negativ und dann positiv gewesen waren (7,67). Dann folgte der Fall, bei dem die Eindrücke über die Vp ständig positiv gewesen waren (6,42), gefolgt von ständig negativen Eindrücken (2,52). Am wenigsten Sympathie wurde der Assistentin bekundet, wenn diese sich zunächst positiv und dann negativ geäußert hatte (0,87). Original-Quelle: ARONSON, E. & LINDER, D . (1965) Gain and loss of esteem as determinants of interpersonal attractiveness. Journal of Experimental Social Psychology, Vol. 1, Nr. 2, 156-171. Rel. Stw. —> Interaktion, soziale XII
Sympathie.
Wahrnehmung von Gefühlen (SCHACHTER & SINGER 1962)
E x p . 11: W a h r n e h m u n g v o n G e f ü h l e n (SCHACHTER & SINGER 1962)
Fragestellung: Wann wird eine Aktivierung als Emotion erlebt? Was bestimmt die Intensität und Qualität der Emotion? Genereller Aufbau/Ablauf: Es gab vier Gruppen von Vpn, denen jeweils eine Injektion verabreicht wurde. Allen wurde ausgerichtet, dass es sich dabei um ein Vitamin („Suproxin") handelt, dessen Einfluss auf die optische Wahrnehmung beobachtet werden sollte. Der ersten (informierten) Gruppe wurde weiterhin mitgeteilt, dass der Stoff die folgenden Nebenwirkungen habe: Herzklopfen, leichtes Zittern, Erröten und Wärmeempfindungen im Gesicht. Der zweiten (uniformierten) Gruppe wurde nichts gesagt. Der dritten (falsch informierten) Gruppe wurde erklärt, dass die Substanz leichte Kopfschmerzen, Juckreiz und Gefühllosigkeit in den Füßen auslösen würde. Es gab eine Experimentalgruppe, welcher in Wahrheit Adrenalin (stark aktivierende Substanz) verabreicht wurde und eine Kontrollgruppe, der Placebos (Kochsalzlösung) gegeben wurden. Nachdem den Vpn die Injektion verabreicht worden war, wurden sie in einen Raum gesetzt, um die Wirkung des Mittels abzuwarten. Mit den Vpn wartete eine Person, die scheinbar ebenfalls Vp war, jedoch in Wirklichkeit zu den Forschern gehörte. Bei der einen Hälfte der Vpn zeigte diese „Vp" nun ein sehr verärgertes Verhalten (außer unter der Bedingung „falsch informiert"); sie zeriss einen Fragebogen, schimpfte und ging aus dem Raum. Bei der anderen Hälfte legte die „Vp" ein euphorisches Verhalten an den Tag und spielte mit Papierflugzeugen. Die Vpn wurden währenddessen durch einen Einwegspiegel beobachtet. Außerdem mussten sie anschließend auf einer Skala ihre Emotionen einschätzen. Unabhängige Variablen: Die drei unterschiedlich informierten (korrekt, gar nicht und falsch) Gruppen und die uninformierte Placebo-Gruppe. Zusätzlich variiert wurde die Stimmung der „falschen Vp", die mit den anderen Vpn in dem Raum wartete: ärgerlich oder euphorisch. Abhängige Variablen: Die wahrgenommenen Gefühle der Vpn, von glücklich bis verärgert, sowie deren beobachteten Gefühle von euphorisch bis ärgerlich. Ergebnisse: Euphorie-Bedingung: Die Ergebnisse der euphorischen Gruppe offenbarten, dass die Gefühlsintensität in der informierten Gruppe relativ schwach empfunden wurde - sie schrieb ihre Erregung dem verabreichten Mittel zu. In der Gruppe, die Placebos bekommen hatte, war die Gefühlsintensität stärker. Sie erreichte jedoch nicht die der uninformierten Gruppe, deren Gefühlsintensität wiederum noch unter jener der falsch informierten Gruppe lag. Interessant waren also vor allem die Ergebnisse der uninformierten und der falsch informierten Gruppe. Beide hatten keinen direkten Anhaltspunkt für ihre Erregung und griffen daher nach äußeren Reizen als Erklärung. Bezüglich der Variable „Verhalten" zeigte sich, dass die falsch-informierte Gruppe euphorischer war als die nichtXIII
Wer schdn ist, ist auch gut (CUNNINGHAM 1986)
informierte Gruppe. Diese waren aber wiederum euphorischer als die informierte Gruppe. Ärger-Bedingung: Bezüglich der Ärger-Bedingung zeigte sich das folgende Bild: die Teilnehmer der nicht-informierten Gruppe waren weniger glücklich als die Teilnehmer der informierten Gruppe. Auch zeigten sie ein ärgerliches Verhalten. Die Teilnehmer der Placebo-Gruppe lagen sowohl bezüglich ihrer eigenen Einschätzung als auch bezüglich der beobachteten Verhaltensweisen „zwischen" der informierten und der nicht-informierten Gruppe. Die informierte Gruppe widersprach z.T. sogar der „falschen Vp". Original-Quelle: SCHACHTER, S. & SINGER, J. E. (1962) Cognitive, social, and psychological determinants of emotional state. Psychological Review, Vol. 69, Nr. 5, 379-399. Rel. Stw. —• Emotion
Emotionstheorien —• Attribution.
Exp. 12: Wer schön ist, ist auch gut
( C U N N I N G H A M 1986)
Fragestellung: Welche physischen Gesichtsmerkmale lassen eine Frau attraktiv erscheinen? Beeinflusst die Wahrnehmung einer Person als physisch attraktiv die Zuschreibung positiver Eigenschaften? Genereller Aufbau/Ablauf: Das Experiment war aufgeteilt in zwei Quasi-Experimente. Im ersten Experiment wurden 75 männlichen Vpn die Fotos von 50 Frauen gezeigt. Die Versuchspersonen sollten die physische Attraktivität (6 Kategorien mit den Polen „extrem attraktiv" und „extrem unattraktiv") der Frauen beurteilen. Im zweiten Experiment wurden 82 männliche Vpn die Fotos von 16 Frauen aus dem ersten Experiment gezeigt, von denen je vier als sehr attraktiv, recht attraktiv, weniger attraktiv und nicht attraktiv galten. Zunächst sollten die Vpn die Attraktivität der Frauen einschätzen und sie anschließend auf einer Skala bezüglich verschiedener Persönlichkeitsmerkmale beurteilen. Daraufhin sollten sie die Frauen bezüglich 13 bestimmter Verhaltensweisen einschätzen, die sich den folgenden Kategorien zuordnen ließen: altruistisches Verhalten, körperlich riskantes Verhalten und finanzielle Investitionen. Am Ende sollte jede Vp angeben, mit welcher Frau sie am liebsten Essen gehen würde, welche man einstellen würde und welche wohl am besten Kinder erziehen könnte. Jede Frau durfte dabei auch mehrmals ausgewählt werden.
XIV
Selbstwahrnehmung (FAZIO et aL 1977)
Unabhängige Variablen: Die metrischen Eigenschaften der Frauengesichter (1. Experiment). Die physische Attraktivität der Frauen (2. Experiment). Abhängige Variablen: Die beurteilte physische Attraktivität der Frauen (1. Experiment). Die zugeordneten Eigenschaften der Frauen (2. Experiment). Ergebnisse: Im ersten Experiment wiesen u.a. folgende Merkmale eine Bedeutung zur Einstufung als attraktiv auf: große Augen, eine schmale Nase, ein schmales Kinn, hohe Augenbrauen und weite Wangenknochen. Im Experiment 2 zeigte sich, dass den attraktiven Frauen eher positive soziale Eigenschaften und eine höhere Intelligenz zugeschrieben wurden. Ebenso stieg die Bereitschaft zur Interaktion mit dem Anwachsen der wahrgenommenen physischen Attraktivität. Auch die altruistischen Verhaltensweisen der Frauen waren positiv mit der wahrgenommenen Schönheit korreliert. Original-Quelle: CUNNINGHAM, M. R. (1986) Measuring the physical in physical attractiveness: Quasi-experiments on the sociobiology of female face beauty. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 50, Nr. 5,925-935. Rel. Stw.
Schönheit -* Attraktionstheorien
Implizite Persönlichkeitstheorien.
Exp. 13: Selbstwahrnehmung (FAZIO et al. 1977) Fragestellung: Wann dient die Dissonanztheorie und wann die Selbstwahrnehmungstheorie als Erklärungsmodell für eine Einstellungsänderung? Genereller Aufbau/ Ablauf: Zunächst wurde davon ausgegangen, dass jede P einen Zustimmungsbereich bezüglich ihrer Einstellungen hat. Dieser umfasst nicht nur eine einzige Position, sondern auch an diese angrenzende Gebiete. Alle Haltungen außerhalb des Zustimmungsbereichs gehören dagegen zum Ablehnungsbereich. Die Vpn mussten nun einen Aufsatz schreiben, in dem sie einen politischen Standpunkt begründen sollten, der ihnen vorgegeben wurde. Bei der Hälfte lag dieser Standpunkt im Zustimmungsbereich (betraf jedoch nicht genau die eigene Position), bei der anderen Hälfte im Ablehnungsbereich. Zusätzlich mussten einige Vpn den Aufsatz in einer engen Kabine schreiben, die als mögliche Erregungsursache gelten sollte (Möglichkeit einer Fehlattribution der dissonanzbedingten Erregung an die enge Kabine). Um auf diese mögliche Ursache aufmerksam zu machen, wurden sie gefragt, wie entspannt oder nervös sie sich in der Kabine fühlen würden.
xv
Selbstwahrnehmung (FAZIO et al. 1977)
Unabhängige Variablen: Lokation der zu begründenden Position (Zustimmungsoder Ablehnungsbereich der Vp). Abhängige Variablen: Ausmaß der Dissonanz. Ergebnisse: Der Einfluss der Fehlattribution der disssonanzbedingten Erregung an die enge Kabine war nur zu bemerken, wenn die Vp einen Aufsatz zu einer Position außerhalb ihres Zustimmungsbereichs schreiben musste. Das heißt: Wenn der Unterschied zwischen Einstellung und Verhalten sehr groß (einstellungskonträres Verhalten) ist, kann man die Dissonanztheorie als Erklärungsmodell heranziehen. In den anderen Fällen mit einer geringen Diskrepanz (einstellungskongruentes Verhalten) kommt die Selbstwahrnehmungstheorie zum Zuge. Original-Quelle: FAZIO, R . H . & ZANNA, M . P. & COOPER, J. (1977) Dissonance and self-perception: an integrative view of each theory's proper domain of application. Journal of Experimental Social Psychology, Vol. 13, Nr. 5,464-479. Rel. Stw.
XVI
Selbstwahrnehmung -* Dissonanztheorie -*Selbstkonzept.
Einstellungsdiskrepanz (LAPIKRE 1934)
(III) Einstellungen und Kommunikation Exp. 14: Einstellungsdiskrepanz (LA PIERE
1934)
Fragestellung: Besteht eine direkte positive Beziehung zwischen Einstellungen und Verhalten, bzw. beeinflussen Einstellungen das Verhalten? Genereller Aufbau/ Ablauf: Ein chinesisches Ehepaar, welches im Zeitraum von zwei Jahren mit La Piere viele Reisen in den Vereinigten Staaten unternommen hatte, war (aus den damals aktuellen ethnischen Vorurteilen) nur in einem einzigen Fall die Logis verwehrt worden. Nachdem ein halbes Jahr vergangen war, wurden alle besuchten Unterkünfte und Gaststätten angeschrieben. In dem Brief wurde entweder mit einer einzigen Frage erkundet, ob man bereit wäre, chinesische Gäste zu beherbergen bzw. bewirten („Will you accept members of the Chinese race as guests in your establishment?") oder es wurden mehrere Fragen gestellt, die sich zum Teil auch auf Personen anderer Nationalitäten bezogen. Eine Kontrollgruppe wurde gebildet, indem auch Lokalitäten angeschrieben wurden, in denen das chinesische Ehepaar nicht übernachtet oder gespeist hatte. Insgesamt wurden 256 Einrichtungen angeschrieben. Unabhängige Variablen: Die unterschiedliche Form der Briefe: (a) eine einzige Frage zu chinesischen Besuchern oder (b) mehrere Fragen, auch zu Personen anderer Herkunft. Abhängige Variablen: Akzeptanz der fraglichen Personen als Gast (Ja oder Nein). Ergebnisse: Es gab 128 beantwortete Anfragen. Unter diesen Antwortschreiben gab es nur einen Fall, bei dem die Frage nach der Gewährung einer Unterkunft bejaht wurde. In 92% der Fälle wurde eine Unterkunftsgewährung abgelehnt und der Rest der Hoteliers antwortete ambivalent („hängt von den Umständen ab"). Es ist zu erkennen, dass das Verhalten häufig abweichend von der Einstellung ist. Original-Quelle: LAPIERE, R . T . ( 1 9 3 4 ) Attitudes vs. actions. Social Forces, Vol. 13, N r . 2 , 2 3 0 - 2 3 7 .
Rel. Stw. Einstellungen -* Einstellungskonträres wirkungen -* Korrespondenzprinzip.
Verhalten -* Einstellungs-
XVII
Konditionierung von Einstellungen (STAATS & STAATS 1957) E x p . 1 5 : K o n d i t i o n i e r u n g v o n E i n s t e l l u n g e n (STAATS & STAATS 1 9 5 7 )
Fragestellung: Können Einstellungen durch Prozesse der klassischen Konditionierung etabliert und verändert werden? Genereller Aufbau/ Ablauf: Es gab zwei Experimente mit unterschiedlichen Reizworten. Im Experiment I benutzte man Nationalitätsbezeichnungen als Stimulus (Deutsch, Schwedisch, Italienisch, Französisch, Holländisch und Griechisch); im Experiment II männliche Vornamen (Harry, Tom, Jim, Ralph, Bill und Bob). Diese Worte wurden den Vpn jeweils 5 Sekunden mittels eines Diaprojektors gezeigt. Ihnen wurde eröffnet, dass man testen wollte, ob sie visuell und akustisch wahrgenommene Reize getrennt lernen können. Nachdem die jeweiligen Begriffe gezeigt worden waren, wurden den Vpn unterschiedliche Adjektive vorgelesen. Dabei war die Nationalitätsbezeichnung "Niederländisch" mit positiven Adjektiven und "Schwedisch" mit negativen Adjektiven gekoppelt. Bei einer zweiten Gruppe verhielt sich dies genau umgekehrt. Die übrigen Nationalitäten wurden im Zusammenhang mit zufälligen, neutralen Adjektiven gezeigt. Im zweiten Experiment waren die Stimuli Tom und Bill mit ausgewählten Adjektiven gekoppelt. In der ersten Gruppe war Tom mit positiven Adjektiven und Bill mit negativen Adjektiven gekoppelt, und in der zweiten Gruppe war dies vertauscht. Nach Abschluss dieser Darstellung sollten die Vpn alle 6 Nationalitäten bewerten. Um der vorgegebenen Aufgabenstellung gerecht zu werden, sollten sie zudem angeben, ob die zu beurteilenden Nationalitäten auch zuvor präsentiert worden waren. Zusätzlich waren sie aufgefordert, alle Adjektive anzugeben, an die sie sich erinnern konnten. Unabhängige Variablen: Die Stimuli (Nationalität und Vornamen) und die bewusste Zuordnung von wertbesetzten Adjektiven. Außerdem die unterschiedliche Aufteilung von positiven und negativen Adjektiven zwischen beiden Gruppen. Abhängige Variablen: Die Beurteilung der Nationalitäten und Vornamen auf der 7-Punkte-Skala zwischen angenehm (1) und unangenehm (7). Ergebnisse: Die Einstufung der beiden Nationalitäten (Niederländisch und Schwedisch) war positiver, wenn diese mit positiven Adjektiven gekoppelt waren. Eine Konditionierung von Einstellungen konnte sowohl bei den Nationalitäten als auch bei den Vornamen nachgewiesen werden. Original-Quelle: STAATS, C. K. & STAATS, A. W . (1958) Attitudes established by classical conditioning. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 57, Nr. 1, 37-40.
Rel. Stw.
XVIII
Einstellungsbildung -* Konditionierung, klassische -* Lernen.
Dissonanz nach Entscheidungen (BREHM 1956)
Exp. 16: Dissonanz nach Entscheidungen (BREHM 1956) Fragestellung: Wenn man sich zwischen zwei Alternativen entscheiden muss, wie verändern sich nach der Entscheidung die Bewertungen der gewählten und nicht-gewählten Optionen? Genereller Aufbau/ Ablauf: Den 225 weiblichen Vpn wurden acht Produkte (im Wert zwischen $15 und $30) gezeigt, die sie in Bezug auf ihre persönliche Nützlichkeit bewerten sollten. Im Anschluss bekamen die Vpn mitgeteilt, dass man zufallig zwei Produkte ausgewählt habe, von denen sie sich eines aussuchen und behalten dürfen. Die Vorauswahl der zwei Produkte war jedoch nicht zufällig erfolgt, sondern es gab drei verschiedene Bedingungen: (1) ein Artikel war von der jeweiligen Person sehr hoch bewertet worden und der zweite lag nur ca. 14 bis 1 14 Punkte darunter (hohe Dissonanz); (2) ein Artikel war ebenfalls sehr hoch bewertet worden und der zweite lag 2 Punkte niedriger (mittlere Dissonanz) sowie (3) der erste Artikel war sehr hoch bewertet worden und der zweite lag 3 Punkte niedriger (niedrige Dissonanz). Eine Kontrollgruppe musste nicht wählen (keine Dissonanz), sondern bekam einen sehr hoch bewerteten Artikel geschenkt. Nachfolgend erhielten die Vpn vier angebliche Forschungsberichte, welche die Firmen von vier Produkten in Auftrag gegeben hatten. Jeder der Berichte enthielt sowohl zwei bis drei negative als auch positive Aspekte zu dem jeweiligen Produkt. Bei der Hälfte der Teilnehmer waren ihre Wahlalternativen enthalten und bei der anderen Hälfte nicht; in jeder Gruppe befanden sich sowohl Vpn der niedrigen als auch der hohen Dissonanzbedingung. In der Kontrollgruppe befand sich unter den vier Berichten immer einer über das zuvor erhaltene Produkt. Die Forschungsberichte, in denen die Wahlalternativen enthalten waren, wurden als Bedingung mit Information, die anderen als Bedingung ohne Information gesehen. Die Vpn mussten dann Fragen zu den Forschungsberichten beantworten und erneut die einzelnen Produkte bewerten. Unabhängige Variablen: Die unterschiedlichen „Grade" der Dissonanz: geringe, mittlere, hohe und keine Dissonanz. Eine zweite unabhängige Variable bezog sich auf die Information: hohe und niedrige Dissonanz wurde jeweils gepaart mit bzw. ohne Information. Abhängige Variablen: Die Differenz zwischen der ersten und zweiten Produktbewertung. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass die Bewertung der einzelnen Produkte im zweiten Teil des Experiments unverändert blieb, wenn keine Dissonanz vorhanden war, d.h. wenn die Vpn keine Entscheidung zwischen zwei Produkten treffen mussten, sondern ein hoch bewertetes Produkt geschenkt bekamen. Bei den Gruppen mit hoher und niedriger Dissonanz zeigte sich eine Neubewertung. Das ausgewählte Produkt wurde aufgewertet und das „verschmähte" Produkt wurde abgewertet. Diese Auf- bzw. Abwertung war bei einer starken Dissonanz größer als bei einer niedrigen Dissonanz. Es fand also eine DissonanzXIX
Einstellungskonträres Verhalten (FESTINGKR & CARLSMITH 1959)
reduktion statt. Die Dissonanz fiel umso stärker aus, je ähnlicher die beiden zur Wahl stehenden Alternativen bewertet worden waren. Die Variable „Information" erzeugte dabei keine signifikanten Unterschiede. Original-Quelle: BREHM, J. W. (1956) Postdecision changes in the desirability of alternatives. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 52, Nr. 3, 384-389. Rel. Stw. —• Dissonanz —> Dissonanztheorie -* Entscheidungen.
Exp.
17:
Einstellungskonträres Verhalten (FESTINGER &
CARLSMITH
1959)
Fragestellung: Kann einstellungsdiskrepantes Verhalten Einstellungen verändern? Genereller Aufbau/ Ablauf: Zunächst mussten die 71 Vpn eine sehr langweilige Aufgabe (Spulen wickeln) verrichten. Im Anschluss daran erklärte ihnen der VI, dass sein Mitarbeiter heute fehle, und fragte eine Vp, ob sie aushelfen könnte. Er erklärte, dass er eine Untersuchung darüber durchführe, inwiefern die Erwartungen einer Person deren Leistung beeinflussen. Die Aufgabe des „Assistenten" sei es nun, der nachfolgenden Vp zu vermitteln, dass sie mit einer äußerst interessanten und anregenden Aufgabe (Spulen wickeln) konfrontiert wird. Dabei gab es jedoch unterschiedliche Anreize: der einen Gruppe von „Assistenten" wurde eine Entschädigung in Höhe von $1 angeboten, der anderen in Höhe von $20. Die Kontrollgruppe bestand aus „Assistenten", welche die Arbeit nicht als interessant beschreiben mussten und somit nicht zu „lügen" brauchten. Zum Abschluss hatte jede Vp noch einmal einige Fragen zum Experiment zu beantworten. Unabhängige Variablen: Die unterschiedliche Höhe der „Entschädigung" ($1 oder $20; bzw. $0 in der Kontrollgruppe). Abhängige Variablen: Die abschließende Bewertung der Aufgabe (anregend oder nicht), die Bereitschaft, an weiteren ähnlichen Experimenten teilzunehmen, der durch die Aufgabe erzielte subjektive Lerneffekt und die Einschätzung der wissenschaftlichen Bedeutsamkeit des Versuchs durch die Vpn. Ergebnisse: Relevant waren v.a. die Ergebnisse auf die Fragen, als wie anregend die Aufgabe empfunden worden war und ob eine Bereitschaft bestünde, an weiteren Experimenten teilzunehmen. Es zeigte sich, dass die 1$-Gruppe die Aufgabe positiver als die 20$-Gruppe bewertete. Letztere bewertete die Aufgabe aber immer noch positiver als die Kontrollgruppe. XX
Foot In the door (FREEDMAN &
FRAZER
1966)
Mit diesen Ergebnissen wird die Prognose der Dissonanztheorie bestätigt. Die Dissonanz bei der 1$-Gruppe wird dadurch unterdrückt, dass die Versuchspersonen die eigene Beurteilung der Arbeit ebenfalls zum Positiven verändern; hier findet also eine Einstellungsänderung statt. Dies funktioniert bei der 20$Gruppe nicht, da hier nur eine vergleichsweise geringe Dissonanz entsteht. Die $20 fungieren als Rechtfertigung für das einstellungsdiskrepante Verhalten. Die Kontrollgruppe muss gar nicht lügen, und empfindet dementsprechend auch keine Dissonanz. Auch die Resultate bezüglich der Bereitschaft, an weiteren, ähnlichen Experimenten teilzunehmen, zeigte dieses Bild: Die 1$-Gruppe gab ein positives, die 20$-Gruppe ein leicht negatives und die Kontrollgruppe ein sehr negatives Urteil ab. Original-Quelle: FESTINGER, L. & CARLSMITH, J. M. (1959) Cognitive conse-
quences of forced compliance. Journal of Abnormal and Social Psychology. Vol. 58, Nr. 2,203-211. Rel. Stw. Einstellungskonträres Verhalten -* Einstellungsänderungen -* Dissonanztheorie.
E x p . 18: F o o t i n t h e d o o r (FREEDMAN & FRAZER 1 9 6 6 )
Fragestellung: Wie kann man eine Person dazu bringen, einer Bitte nachzukommen, ohne dabei einen besonderen Druck ausüben zu müssen? Ist eine P eher bereit eine „große Bitte" zu erfüllen, wenn sie zuvor schon eine „kleinere Bitte" erfüllt hat? Genereller Aufbau/ Ablauf: Es wurden 144 Vpn zweimal telefonisch kontaktiert und um Mitarbeit gebeten. Die beim ersten Anruf an sie herangetragenen Wünsche lauteten wie folgt: Performance: Der Anrufer bat die Vp, ihm einige Fragen zu Haushaltsprodukten zu beantworten. Bei einer Zustimmimg wurden dann die betreffenden Fragen gestellt. Dieses Treatment galt als eine „kleine Bitte". Agree only: Zunächst einmal bat der Anrufer ebenfalls um eine Teilnahme an der kurzen Befragung. Nachfolgend erklärte er, dass er nur Personen suche, die überhaupt ein Interesse hätten, an einer Befragung teilzunehmen. Die Fragen wurden also nicht gestellt. Familiarity: Hier erfolgte keine vorherige Einigung mit der Vp. Der VI stellte sich und die Fragen vor, aber die Vp musste keine Antworten geben.
XXI
Glaubwürdigkeit eines Kommunikators (Aronson et al. 1963)
One-contact: Diese Bedingung stellte für die oben genannten Gruppen den zweiten Anruf (nach 3 Tagen Pause durch denselben VI) dar, fur ein Viertel der Vpn allerdings den Erstkontakt. Dieses Treatment wurde als eine „große Bitte" gewertet. Der Anrufer bat die Vp, in einer zweistündigen Bestandsaufnahme vor Ort alle ihre Haushaltsprodukte erfassen zu dürfen. Unabhängige Variablen: Die Form bzw. das „Ausmaß" der ersten Bitte (Performance, Agree only und Familiarity). Abhängige Variablen: Die Erfüllung der „großen Bitte" (One-contact). Ergebnisse: Der Anteil derer, die bereit sind, die „große Bitte" zu erfüllen, ist bei den Pn am größten, die bereits die „kleine Bitte" erfüllt haben (52,8%) und am geringsten in der One-contact-Bedingung (22,2%). Agree only mit 33,3% und Familiarity (27,8) sind dazwischen platziert. Ein Wechsel der „Bittsteller", eine thematische Variation (Autofahren und Landschaftspflege) zwischen der ersten und zweiten Bitte sowie eine Variation in der Art der Bitte (Aufkleber und Unterschrift) erbrachte keine abweichenden Ergebnisse zum ursprünglichen Vorgehen. Original-Quelle: FREEDMAN, J. L.& FRASER, S. C. (1966) Compliance without pressure: The foot-in-the-door technique. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 4, Nr. 2, 195-202 Rel. Stw. —• Foot in the door-Taktik flussung.
Überreden -»• Einßitss, sozialer -* Beein-
Exp. 19: Glaubwürdigkeit eines Kommunikators (ARONSON et al. 1963) Fragestellung: Hat die Glaubwürdigkeit, die eine Person X vermittelt, einen Einfluss auf das Ausmaß einer Einstellungsänderung einer Person Y? Hat die Diskrepanz zwischen dem Standpunkt des Empfängers und der Einstellung des Senders eine Wirkung auf den Umfang einer Einstellungsänderung? Genereller Aufbau/ Ablauf: Die Vpn bekamen 9 Gedichte unterschiedlicher Verfasser zu lesen, in denen eines der gebrauchten Stilmittel die Alliteration war. Sie sollten diese Gedichte in eine Rangfolge - d i e dem Ausmaß des Erfolges entsprach, mit dem es dem jeweiligen Dichter gelungen war, seine Gedanken auszudrücken - bringen. Daraufhin wurde den Vpn ein Aufsatz über den „Gebrauch der Alliteration in der Poesie" ausgehändigt, den sie lesen sollten. Ein Beispiel dieses Aufsatzes betraf ein zuvor bewertetes Gedicht, und zwar immer dasjenige, dem die Vp den achten Platz zugeordnet hatte. In unterschiedlichen Bedingungen wurde dieses Gedicht XXII
Wirkung von Furchtappellen (JANIS & FESHBACH 1953)
nun sehr gut (3=geringe Diskrepanz), mittelmäßig (5=mittlere Diskrepanz) oder schlecht (7=große Diskrepanz) bewertet, womit das Ausmaß der Diskrepanz variiert wurde. Der differierende Grad der Glaubwürdigkeit wurde durch zwei variierende Autoren erreicht: der glaubwürdige Autor sollte T. S. Elliot sein und der unglaubwürdige war eine namenlose, angehende Englischlehrerin. Nachdem die Vpn den Aufsatz gelesen hatten, sollten sie die Gedichte erneut beurteilen, da die erste Bewertung nur der Übung gedient habe. Sie waren ebenfalls angehalten, den Aufsatz und den Autor zu bewerten. Unabhängige Variablen: Glaubwürdigkeit des Senders (hoch bzw. niedrig) und das Ausmaß der Meinungsdiskrepanz (1,3 und 5). Abhängige Variablen: Der Umfang der Einstellungsänderung und die mögliche Abwertung des Senders. Ergebnisse: Bei einem glaubwürdigen Sender konnte beobachtet werden, dass die Einstellungsänderung bedeutender ausfiel. Bei einem nur mäßig glaubwürdigen Sender stieg die Änderung der Einstellung zunächst mit steigender Diskrepanz an, um ab dem Punkt, an dem die Diskrepanz zwischen dem Standpunkt des Empfangers und der Einstellung des Senders zu groß wurde, wieder zu sinken. Unabhängig vom Ausmaß der Meinungsdiskrepanz waren die Unterschiede zwischen der Abwertung eines glaubwürdigen Senders und der eines mäßig glaubwürdigen Senders hoch signifikant. Letzterer wurde wesentlich stärker abgewertet als ein glaubwürdiger Sender. Original-Quelle: ARONSON, E., TURNER, J. & CARLSMITH, J. M. (1963) Communicator credibility and communication discrepancy as determinants of opinion change. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 67, Nr. 1, 31-36. Rel. Stw. -* Glaubwürdigkeit
Kommunikation
Kommunikationswirkungen.
Exp. 20: Wirkung von Furchtappellen (JAMS & FESHBACH 1953) Fragestellung: Ändert sich die Einstellung eines Rezipienten leichter, wenn er durch die Botschaft Furcht empfindet? Führt eine geringe Ausprägung von Furchtappellen zu einer umfassenderen Einstellungsänderung als starke Appelle? Genereller Aufbau/ Ablauf: Als Vpn fungierten 200 Schüler im Alter von 15 Jahren, die nach dem Zufallsprinzip auf 4 Gruppen verteilt wurden. Ihre Aufgabe bestand zunächst darin, einen Fragebogen ausfüllen, der unter anderem auch Fragen zur Zahnpflege enthielt. Nach einer Woche nahmen drei der vier Gruppen an XXIII
Wirkung von Furchtappellen (JANIS & FESHBACH 1953)
einen Vortrag zum Thema „Zahnpflege" teil, in dem zunächst auf die Gefahren unzureichender Zahnpflege hingewiesen wurde. Dieser angstauslösende Faktor wurde in 3 Stufen variiert (schwach, mittel und stark). Im schwach angstauslösenden Referat wurden Zeichnungen und Röntgenbilder gezeigt, im stark angstauslösenden Krankheiten und mögliche Schmerzen beschrieben und im mittlere Angst auslösenden sehr realistische Fotos von kariösen Zähnen gezeigt. Nach dem Vortrag musste jede Vp einen Fragebogen ausfüllen; dabei wurde u.a. nach erworbenen Informationen, emotionalen Reaktionen und Einstellungen gefragt. Ein zweiter Fragebogen eine Woche später sollte mögliche Effekte der unterschiedlichen Vorträge abbilden. Die vierte Gruppe diente als Kontrollgruppe und wurde mit einen anderen Vortrag zu einem anderen Thema („Der Aufbau und die Funktion des menschlichen Auges") konfrontiert. Unabhängige Variablen: Ausmaß der Furchtinduktion (schwach, mittel und stark). Abhängige Variablen: Umfang der Einstellungsänderung zwischen den beiden Befragungen. Ergebnisse: Am stärksten war die Angst um die eigenen Zähne in der Gruppe, die der stark angstauslösenden Kommunikation ausgesetzt war. Ihr folgte die Gruppe, die dem mittleren Angstinduktionsniveau beigewohnt hatte, während diejenigen, die mit der nur schwache Angst erzeugenden Botschaft konfrontiert waren, auch die geringste Furcht zeigten. In Bezug auf die Einstellungsänderung war jedoch zu sehen, dass diese negativ abhängig ist vom Ausmaß der heraufbeschworenen Angst. Sie war in der schwach angstauslösenden Gruppe am größten. Replikationen / Abwandlungen / Erweiterungen: Die Ergebnisse von JANIS & FESHBACH hatten zu dem voreiligen Schluss geführt, dass schwache Furchtappelle beeinflussender sind als starke. Spätere Arbeiten mit andern Sujets (insbesondere von LEVENTHAL und Mitarbeitern) stützen mehr die gegenteilige Annahme, wobei zwei gegenläufige Reaktionen unterstellt werden (-»Parallelen-Modell). Original-Quelle: JANIS, I. L. & FESHBACH, S. (1953) Effects of fear-arousing
communications. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 48, Nr. 1, 7892.
Rel Stw. —• Furchtappelle —• Schutzmotivation.
XXIV
->• Parallelen-Modell
—> Kommunikation,
soziale
Verhaltensrelevanz von Einstellungen
(AJZEN & FISHBEIN 1 9 7 0 )
(IV) Interaktion und Gruppenprozesse Exp. 21: Verhaltensrelevanz von Einstellungen (AJZEN & FISHBEIN 1970)
Fragestellung: Ist es möglich, allein aufgrund der Einstellung zu einer Person auch das Verhalten gegenüber dieser vorherzusagen? Genereller Aufbau/ Ablauf: 96 Vpn nahmen paarweise an einem Spiel auf Basis des Gefangenen-Dilemmas teil. Als Optionen standen bei dem Spiel Kooperation (mit der höchsten gemeinsamen Gewinnmöglichkeit) und Wettbewerb (mit dem maximalen Gewinn für einen Spieler und dem minimalen für den anderen) zur Verfugung. Die Teilnehmer konnten frei entscheiden, ob sie kooperieren wollten oder nicht. Nach 8 Spielzügen mussten beide Spieler einen Fragebogen ausfüllen. Anschließend wurde das Spiel fortgesetzt. Unabhängige Variablen: Die im Fragebogen thematisierten Aspekte: Einstellung zum Partner und zu kooperativem Spielverhalten, der erwartete Gewinn bei Wahl der kooperativen Spielstrategie und die angenommenen Erwartungen des Partners bezüglich des eigenen Verhaltens. Abhängige Variablen: Das gezeigte Verhalten (Anzahl kooperativer Spielzüge). Ergebnisse: Es zeigte sich, dass die Einstellung zu dem Spielpartner keinen Einfluss auf das kooperative Verhalten hatte. Ein großes Gewicht für kooperatives Verhalten war jedoch bei den übrigen Variablen zu konstatieren, also der Einstellung zu kooperativem Spielverhalten, dem erwarteten Gewinn bei Wahl der kooperativen Spielstrategie und den angenommenen Erwartungen des Partners bezüglich des eigenen Verhaltens. Original-Quelle: AJZEN, I. & FISHBEIN, M . ( 1 9 7 0 ) The prediction of behavior from attitudinal and normative variables. Journal of Experimental Social Psychologe Vol. 6, Nr. 4 , pp. 4 6 6 - 4 8 7 Rel. Stw. -> Einstellungswirkungen —• Überlegtes Verhalten.
-* Verhaltensrelevanz
Kooperation
Exp. 22: Equity in sozialen Beziehungen (WALSTER et al. 1978) Fragestellung: Ist eine Beziehung glücklicher und stabiler, in der beide Partner ähnliche Kosten bzw. Erträge haben, oder sind ungleiche Verteilungen ein besserer Garant? Genereller Aufbau/ Ablauf: Es wurden 500 Studenten nach ihrer Beziehung zu ihrem aktuellen sexuellen Partner befragt. Sie mussten das Ausmaß und die QuaXXV
Differenzierung von Fflhrungsrollen (BALES & SLATER 1955)
lität (positiv oder negativ) ihrer Beiträge und Ergebnisse, sowie derer ihres Partners einschätzen. Zusätzlich wurde thematisiert, wie zufrieden, glücklich, verärgert oder schuldig sie sich fühlten, und wie stabil sie ihre Beziehung bewerteten. Unabhängige Variablen: Die Position der Vpn innerhalb der Beziehung (benachteiligt, gerecht oder ausbeutend). Abhängige Variablen: Die Zufriedenheit mit der Beziehung bzw. die momentane Stimmung (zufrieden, glücklich, verärgert oder schuldig). Ergebnisse: Nach der Auswertung dieser Antworten wurden die Studenten anhand ihrer Position in der Beziehung in drei Gruppen (sehr bzw. etwas benachteiligt, gerecht und ausbeutend) eingeteilt. Die größte Anzahl (220) der Vpn war Mitglied der Gruppe mit gerechten Beziehungen. Diese Personengruppe war am zufriedensten und glücklichsten. Ihre Beziehungen wurden als stabil eingeschätzt. Die Personen, die zu der Gruppe der Benachteiligten gehörten, war am unglücklichsten und unzufriedensten. Ihre Werte glichen sehr stark denen der „Ausbeuter", die jedoch höhere Schuldgefühle angaben. Original-Quelle: WALSTER, E., WALSTER, G. W . & TRAUPMANN, J. (1978) Equity and premarital sex. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 36, N r . 1, pp. 82-92.
Rel. Stw. Gerechtigkeit aktion, soziale.
Equity-Theorie —• Beziehungen, soziale -* Inter-
Exp. 23: Differenzierung von Ffihrungsrollen (BALES & SLATER 1955) Fragestellung: Bilden sich in einer ad hoc zusammengestellten, aufgabenorientierten Gruppe auch ohne formale Vorgaben Führungsrollen aus? Genereller Aufbau/ Ablauf: Die Vpn waren in mehrere Kleingruppen aufgeteilt, die in diversen Sitzungen ein Problem behandeln und schließlich einen Lösungsvorschlag darstellen mussten. Die Diskussion wurde vom VI protokolliert und später anhand des IPA-Kategorienschemas von BALES eingeordnet und analysiert. Zudem wurden Daten über die Gruppenstruktur erfasst. Unabhängige Variablen: Das Verhalten der Teilnehmer und die Zuordnimg zu den einzelnen Kategorien. Abhängige Variablen: Ausbildung von Führungspositionen in den Gruppen. XXVI
Konformität unter Gruppendruck (ASCH 1951)
Ergebnisse: Die einzelnen Teilnehmer zeigten sehr unterschiedliche Werte in den einzelnen Verhaltenskategorien. Zunächst kristallisierte sich eine Führungspersönlichkeit heraus, die zugleich die beliebteste und ideenreichste Person der Gruppe war. In weiteren Sitzungen änderte sich dieses Bild jedoch und es zeigten sich pro Gruppe zwei Führungscharaktere, zum einen das produktivste Mitglied der Gruppe (aufgabeorientierter Führer), das respektiert wird, zum anderen der beliebteste Teilnehmer der Gruppe (sozio-emotionaler Führer), der für die zwischenmenschliche Komponente sorgte. Beim aufgabenorientierten Führer bestand also eine hohe positive Korrelation zwischen Aktivität und Äußerung von Ideen, aber eine negative Korrelation bezüglich seiner Beliebtheit. Die Beziehung zwischen beiden Führern war von gegenseitigem Respekt geprägt. Original-Quelle: BALES, R. F. & SLATER, P. E. (1955) Role differentiation in small decision-making groups. In T. Parsons & R. F. Bales (eds.) Family, Socialization and Interaction Process. Glencoe, 259-306. Rel. Stw. -* Führung -* Rolle, soziale
Rollendifferenzierung.
Exp. 24: Konformität unter Gruppendruck (ASCH 1951) Fragestellung: Ist es möglich, die Einschätzung einer Person durch bewusst falsch geäußerte Bewertungen anderer Personen so sehr zu beeinflussen, dass sie sich dem falschen Urteil anschließt? Genereller Aufbau/ Ablauf: Acht Vpn bekamen zunächst einmal einen Referenzlinie gezeigt. Dann hatten sie die Aufgabe, 18-mal aus drei Linien diejenige zu benennen, die mit der Länge der Referenzlinie übereinstimmte. Das Untersuchungsdesign war so gewählt, dass immer genau eine Linie der Referenzlinie entsprach und die beiden anderen kürzer und/oder länger sein konnten. Auch die Differenz der Längen wurde variiert. Eine Kontrollgruppe zeigte, dass die Aufgabe leicht zu bewältigen war. In der Experimentalgruppe war sichergestellt, dass unter den acht Vpn nur eine einzige wirkliche Vp zugegen war, die anderen sieben Personen waren Assistenten des VI, deren Antwortverhalten vorher abgesprochen war. Der VI präsentierte also die Liniensätze und fragte nach jedem, welche der Linien mit der Referenzlinie identisch ist. Alle Teilnehmer hatten ihre Einschätzung offen und verbal kundzutun, wobei die Sitzordnung so gewählt war, dass alle Teilnehmer in einem Halbkreis saßen und die echte Vp ihr Urteil immer als letzte Person abzugeben hatte. In sechs Durchgängen waren die Antworten der Assistenten richtig. In den übrigen 12 gaben alle Assistenten die gleiche falsche Linie als die der Referenzlinie gleichende an. Dabei hatten sie die Aufgabe, sich möglichst neutral zu verhalten. Bei den echten Vpn konnte man jedoch zum Teil ein deutlich polarisiertes Verhalten (sich wundern etc.) feststellen. XXVII
Autokinetisches Phänomen (SHERIF 1936)
Unabhängige Variablen: Das Antwortmuster der „falschen" Vpn. Abhängige Variablen: Die Anzahl konformer Antworten der wirklichen Vpn bei falschen Vorgaben. Ergebnisse: In den 12 „kritischen" Durchgängen gaben 74% der Vpn mindestens eine konforme - das heißt falsche - Antwort. Bei allen Durchgängen waren durchschnittlich 32% der Antworten falsch. Der Konformitätseffekt nahm jedoch ab, wenn die falsch vorgegebenen Antworten eines Durchgangs nicht auf eine einzige Linie beschränkt waren. Original-Quelle: ASCH, S. E. (1951) Effects of group pressure upon the modification and distortion of judgments. In: Guetzkow, H. (ed.). Groups, leadership, and men. Pittsburgh, pp. 177-190. Rel. Stw. -»• Konformität -* Gruppendruck —• Gruppe, soziale -* Norm, soziale.
Exp. 25: Autokinetisches Phänomen (SHERIF 1936) Fragestellung: Wie entstehen soziale Normen in Situationen der Unsicherheit? Genereller Aufbau/ Ablauf: Die Aufteilung der Vpn erfolgte in zwei Gruppen. Alle Personen wurden in einen dunklen Raum geführt, in dem in einer Entfernung von 5m ein einziger Lichtpunkt zu sehen war. Aufgrund einer Wahrnehmungstäuschung (autokinetisches Phänomen) erschien es so, dass sich dieser Punkt bewegen würde. Die Vpn sollten nun einen Signalknopf drücken, falls sich dieser Punkt bewegen würde und daraufhin eine Einschätzung darüber abgeben, wie groß die zurückgelegte Strecke gewesen sei. Diese Aufgabe war entweder alleine oder in Gruppen von 2-3 Teilnehmern zu absolvieren. Dabei erfolgte eine Variation der Chronologie, so dass die eine Hälfte der Vpn erst ca. 100 Einzelschätzungen vorzunehmen hatte, bevor die Gruppensituation begann, die andere Hälfte das Prozedere aber in umgekehrter Reihenfolge durchlief. Unabhängige Variablen: Durchführung der Lichtweg-Erkennung (alleine oder in der Gruppe).E Abhängige Variablen: Die wahrgenommene Distanz, die der Lichtpunkt zurückgelegt hat. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass die Teilnehmer bei den Einzeldurchläufen eine persönliche Norm fanden, an der sie die weiteren Bewegungen ausrichteten. Diese schwankte zwar zwischen den einzelnen Vpn, war aber individuell stabil. Die Urteile, die danach in der Gruppe abgegeben werden sollten, pendelten sich nach einigen Durchläufen bei einer Gruppennorm ein (Konvergenz). Startete das Experiment allerdings mit der Gruppensituation, so wichen die Vpn in den nachfolgen XXVIII
Autorität und Gehorsam (MILGRAM 1969)
den Einzeldurchgängen kaum noch von der vorhergehenden Gruppeneinschätzung ab. Original-Quelle:
SHERIF,
M. (1936) The psychology of social norms. New York.
Rel. Stw. -> Autokinetisches Phänomen —> Konformität -* Unifikation soziale.
Norm,
Exp. 26: Autorität und Gehorsam (MILGRAM 1969) Fragestellung: Inwieweit sind Menschen bereit, sich einer Autorität zu unterwerfen und andere Menschen sehr hart zu bestrafen? Genereller Aufbau/ Ablauf: Die Vpn wurden über ein Zeitungsinserat angeworben, an einem Experiment zum Thema Lernen und Gedächtnis teilzunehmen. Im Labor trafen die Vpn dann auf den VI und eine weitere Vp, die in Wirklichkeit ein Assistent des VI war. Als Instruktion wurde den Teilnehmern gesagt, dass es in diesem Experiment um Bestrafung und Lernen ginge, eine Vp somit die Rolle des Lehrers auszuüben habe, die andere die des Schülers. Bei der Auslosung der Rollen fiel die Position des Lehrers immer der eigentlichen Vp zu. Der Schüler wurde in einen Raum gebracht, wo ihm Elektroden an den Handgelenken befestigt wurden. Der Lehrer kam in einen anderen Raum, in dem einen große Maschine stand. Man teilte ihm mit, dass er mit dieser Apparatur dem Schüler bei einer falschen oder verweigerten Antwort einen Stromstoß in Höhe von 15Volt versetzen sollte. Bei jeder weiteren fehlerhaften Antwort sollte er die Stromstärke um 15 Volt steigern. Die Stromstöße würden zwar sehr schmerzhaft sein, dem Schüler aber keinen ernsthaften Schaden zufügen. Die Maschine hatte mehrere Knöpfe an denen die unterschiedlichen Stromstärken gut sichtbar notiert waren, jeweils mit den Bezeichnungen: „leichter Schock" (bis 60Volt), „mittlerer Schock" (bis 120 Volt), „starker Schock" (bis 180 Volt), „sehr starker Schock" (bis 240 Volt), „intensiver Schock" (bis 300 Volt), „extrem intensiver Schock" (bis 360 Volt) und „Gefahr: höchster Schock" (bis 420 Volt). Die beiden höchsten Stufen waren zusätzlich mit „XXX" gekennzeichnet. Der Schüler musste eine Liste von Wortpaaren auswendig lernen. Er gab nachfolgend viele falsche Antworten, auf die der Lehrer reagieren musste. Von 75 bis 105 Volt stöhnte der Schüler leicht, nachdem ihm der vermeintliche Stromstoß versetzt worden war, bei 120 Volt bat der Schüler, mit den Stromstößen aufzuhören, da diese sehr schmerzhaft seien, bei noch höheren Voltzahlen intensivierte er sein Flehen um Versuchsabbruch, um bei den höchsten Stufen gar keine Reaktionen mehr zu zeigen. Wenn der Lehrer zögerte, forderte ihn der VI mit vier unterschiedlich abgestuften Appellen auf, weiterzumachen. Das Experiment war beendet, wenn die Vp 3-mal die höchste Voltstärke „verabreicht" hatte oder sich weigerte, fortzufahren.
XXIX
Minoritätseinfluss (MOSCOVICI et al. 1969)
Unabhängige Variablen: Die Form der Aufforderung an die Vp, das Experiment fortzusetzen: „Bitte machen Sie weiter!", „Das Experiment verlangt von Ihnen, dass Sie weitermachen", „Es ist ganz wichtig, dass Sie jetzt weitermachen" und „Sie haben keine andere Wahl, Sie müssen jetzt weitermachen". Abhängige Variablen: Die Voltzahl der vermeintlich abgegebenen Stromstöße. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass 62,5% der Teilnehmer bereit waren, dem Schüler Stromstöße der höchsten Stufe zuzufügen. Dabei zeigten jedoch viele ein auffalliges Verhalten wie z.B. Zittern. Die durchschnittliche Stärke der maximal bereiteten Stromschläge betrug 368 Volt. Original-Quelle: MILGRAM, S. (1969) Obedience to authority. An experimental view. New York. Rel. Stw. soziale.
Gehorsam -*Autorität -*Autoritarismus
-* Konformität -* Macht,
Exp. 27: Minoritätseinfluss (MOSCOVICI et al. 1969) Fragestellung: Gibt es Bedingungen, unter denen Einstellungen einer Minorität einen Einfluss auf die Majorität ausüben können? Genereller Aufbau/ Ablauf: Es gab Gruppen, die aus jeweils sechs Personen bestanden, von denen zwei Assistenten des VI waren und die Minorität darstellen sollten. Die Gruppen nahmen zunächst an einem Test auf Farbenblindheit teil. Danach zeigte man ihnen 6 Dias in 36 Durchgängen, die alle blau waren, jedoch unterschiedliche Schattierungen aufwiesen. Die Vpn mussten nacheinander laut sagen, welche Farbe und Helligkeit sie wahrnahmen; dabei saßen die Assistenten entweder auf Platz 1 und 2 oder auf Platz 1 und 4. In einem zweiten Experiment wurde zunächst dieselbe Abfolge wie im ersten Experiment wiederholt. Anschließend führte ein anderer VI ein weiteres Experiment durch. Die Vpn mussten sich so setzen, dass sie einander nicht sehen konnten. Es wurden ihnen 16 Dias aus dem blau-grünen Bereich gezeigt, wobei jeweils drei Dias eindeutig grün bzw. blau waren. Die Vpn sollten ihre Farbwahrnehmung aufschreiben. In einem dritten Experiment war die Versuchsanordnimg wieder wie im ersten Experiment. Variiert wurde hier jedoch der Konsistenzgrad der Assistenten: Je nach Bedingung antworteten die Assistenten entweder konsistent (sie behaupteten, die Farbe sei Grün bei allen Dias) oder inkonsistent (sie sagten in zufalliger Reihenfolge 24-mal, dass die Farbe Grün sei und 12-mal, dass sie blau sei). Die Kontrollgruppe bestand ausschließlich aus echten Vpn. Unabhängige Variablen: Die Sitzordnung der Assistenten. XXX
Risikoschub in Gruppen (WALLACH et al. 1964)
Das Antwortverhalten der Assistenten (konsistent oder inkonsistent) Abhängige Variablen: Der prozentuale Anteil der Antwort „Grün" bei den echten Vpn. Ergebnisse: In den ersten beiden Experimenten antworteten 8,42% mit „grün". In der Kontrollgruppe antworteten 0,25 % der Teilnehmer, dass die gezeigte Farbe Grün sei. Unter der Bedingung der inkonsistenten Minderheit lag der Anteil derer, die Grün angaben bei 1,25%. Es ist offensichtlich, dass eine Minderheit einen Einfluss auf die Majorität ausüben kann. Ebenso erkennt man, dass der Verhaltensstil der Minderheit wichtig ist: eine konsistente Gruppe hat - im Vergleich zu einer inkonsistenten - mehr Einfluss. Die Farbkategorisierung der Majorität war durch die Minorität verändert worden. Dieses Ergebnis zeigte sich sogar bei den Vpn, die ihre Meinung nicht der Majorität angepasst hatten. Original-Quelle: Moscovia, S., LAGE, E. & NAFFRECHOUX, M. (1969). Influence of a consistent minority on the response of a majority in a color perception task. Sociometry, Vol. 32, Nr. 4, pp. 365-380. Rel. Stw. —• Minoritätseinfluss -* Minderheit, soziale -* Innovation.
Exp. 28: Risikoschub in Gruppen (WALLACH et al. 1964) Fragestellung: Ist die Risikobereitschaft bei Entscheidungen einer Gruppe größer als bei Individualentscheidungen? Hat das Verantwortungsgefühl für die Gruppe einen Einfluss auf die Neigung, sich riskant zu verhalten? Genereller Aufbau/ Ablauf: Die Vpn waren 168 weibliche und männliche Studierende. Diese hatten zunächst 5 Fragen alleine zu beantworten. Die Vp durfte zuvor zwischen unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden wählen. Für jede richtige Beantwortung bekam sie einen - in Abhängigkeit von der Aufgabenschwierigkeit unterschiedlich hohen - Geldbetrag ausgehändigt, im Falle einer falschen Antwort erhielt sie kein Geld. Im zweiten Teil des Experiments wurden dann gleichgeschlechtliche Triaden gebildet. Auch diese mussten wieder Fragen beantworten, deren Schwierigkeitsgrad jedoch unter verschiedenen Bedingungskonstellationen festgelegt wurde. Nachdem dies geschehen war, wurden die Fragen gestellt. Der maximal zu erzielende Gewinn pro Vp betrug $15. Unabhängige Variablen: Die Bedingungen zur Festlegung der Fragenschwierigkeit in der Gruppensituation: (l)Die Triaden mussten gemeinsam einen Schwierigkeitsgrad auswählen, auf dessen Grundlage alle Gruppenmitglieder geprüft werden würden.
XXXI
Zur Wirkung von Drohungen (DEUTSCH & KRAUSS 1960)
(2) Jede Vp sollte eine Schwierigkeitsstufe festlegen, zu der sie bereit wäre, stellvertretend Fragen für die ganze Gruppe zu beantworten. Nach deren Bestimmung sollte dann der Stellvertreter gewählt werden. (3) Alle Gruppenmitglieder sollten sich auf einen gemeinsamen Schwierigkeitsgrad einigen, auf dessen Grundlage später ein zufällig ausgewähltes Stellvertreter Fragen beantworten sollte. (4) Wie in 3, der Stellvertreter wird jedoch nicht zufällig ausgewählt, sondern von der Gruppe bestimmt. (5) Hier bestimmt jede Vp ihren eigenen Schwierigkeitsgrad selbst, beantwortet die entsprechenden Fragen und trägt hierfür auch die Konsequenzen. Abhängige Variablen: Das Ausmaß und die Richtung der Änderungen in der Risikobereitschaft zwischen dem ersten und zweiten Teil des Experiments. Ergebnisse: Die Gruppenentscheidungen fielen jeweils risikofreudiger (höherer Schwierigkeitsgrad gewählt) aus, als die Individualentscheidungen. Unter der Versuchsbedingung 2. sank die Risikobereitschaft jedoch im Vergleich zur Situation der alleinigen Entscheidung. Bei der Bedingung 3. war wieder eine Tendenz zum Eingehen höherer Risiken zu erkennen. Diese wird möglicherweise durch die gemeinsam zu treffende Gruppenentscheidung ausgelöst, die in der zweiten Bedingung nicht gegeben war. Original-Quelle: WALLACH, M . A., KOGAN, N. & BEM, D. J. (1964). Diffusion of responsibility and level of risk taking in groups. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 68, Nr. 3, pp. 2 6 3 - 2 7 4 . Rel. Stw. ->• Risikoschub
Gruppen-Entscheidungen
Gruppenpolarisation.
E x p . 2 9 : Z u r W i r k u n g v o n D r o h u n g e n (DEUTSCH & KRAUSS 1 9 6 0 )
Fragestellung: Sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vereinbarung zwischen zwei Partnern zustande kommt, wenn einer - oder beide - gegenüber dem anderen Drohungen aussprechen und auch anwenden können? Genereller Aufbau/ Ablauf: Jeweils zwei Vpn hatten die Aufgabe, einen LKW auf dem Papier so schnell wie möglich zu einem bestimmten Ziel zu steuern; dabei spielte jedes Paar 20 Durchgänge. Beide saßen voneinander getrennt in einer Kabine und konnten ihren LKW sowohl vorwärts als auch rückwärts fahren lassen. Zudem hatten sie die Möglichkeit, zwischen zwei verschiedenen Fahrtrouten zu wählen. Die Route A war wesentlich zeitaufwendiger als die alternative Route B. Diese hatte jedoch den Nachteil, dass ihr Mittelstück für beide Spielpartner XXXII
Zur Wirkung von Drohungen (DEUTSCH & KRAUSS 1960)
identisch und nur einspurig zu befahren war. Am Ziel angelangt, erhielt jeder Spieler $0,60 abzüglich 1 Cent pro Sekunde, die er zum Erreichen des Ziels benötigt hatte. Falls jemand länger als 60 Sekunden Fahrtzeit gebraucht hatte, musste er also zahlen. Beide Spieler wussten jeweils nur, wo sich der eigene LKW befand; falls beide LKWs in das gemeinsame Mittelstück gelangten, leuchtete eine Kontrolllampe auf. In dieser Situation standen den Spielern folgende Lösungsmöglichkeiten zur Verfugung: Entweder fuhr einer der Spieler mit seinem Wagen zurück und benutzte den langen Weg, oder er wartete ab, bis der andere Spieler die lange Route wählte und seinerseits den Weg freimachte. Bevor das Spiel startete, konnte der Spieler sich außerdem überlegen die kurze Route gar nicht zu nutzen oder abzuschätzen, wann der Mitspieler ggf. die Mittelstrecke passiert hatte und dann erst losfahren. Unabhängige Variablen: Die Spielbedingungen wurden folgendermaßen variiert: (1) Zweiseitige Drohung: An beiden Enden der gemeinsamen Mittelstrecke war jeweils eine Schranke aufgebaut, wobei jeder Spieler nur diejenige Schranke kontrollieren konnte, die an der Stelle platziert war, an der für ihn der einspurige Weg begann. Weiterhin durfte die eigene Schranke nur dann geschlossen werden, wenn man selbst diese Strecke befuhr. Geöffnet werden konnte sie ohne Einschränkungen. (2) Einseitige Drohung: Nur Spieler A verfugte über eine Schranke, die er nach den oben beschriebenen Regeln einsetzen konnte. (3) Keine Drohung: Weder Spieler A noch B besaßen eine Schranke. Abhängige Variablen: Die Gewinnsituation beider Spieler, sowohl in der Einzelbetrachtung als auch für die Dyade. Ergebnisse: Bei der ein- und zweiseitigen Drohung erlitten beide Spieler starke Verluste, die aber im Falle der einseitigen Variante für den die Schranke kontrollierenden Spieler A geringer ausfielen als für B. Allein in der Spielsituation ohne Schranken - und somit fehlendem Drohpotenzial - konnten beide Spieler Gewinne erzielen. Original-Quelle: DEUTSCH, M . & KRAUSS, R . M . ( 1 9 6 0 ) . The effect of threat upon interpersonal bargaining. Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 61, p p . 181-189.
Rel. Stw. -* Trucking game -» Spiele, experimentelle -*Drohungen -*• Macht, soziale.
XXXIII
Ferienlager-Experiment (SHERIF & SHERIF 1953)
Exp. 30: Ferienlager-Experiment (SHERIF & SHERIF 1953) Fragestellung: Hat die Veränderung einer Inter-Gruppenbeziehung einen Einfluss auf das Verhalten der jeweiligen Gruppenmitglieder? Genereller Aufbau/ Ablauf: Es wurden ca. 25 Jungen im Alter von 12 Jahren ausgewählt, die zu einem Ferienlager eingeladen wurden. Alle Kinder hatten bislang keinerlei Verhaltensauffalligkeiten gezeigt und kannten einander nicht. Nach einer kurzen Phase des gegenseitigen Kennenlernens wurden zwei Gruppen gebildet, wobei Wert darauf gelegt wurde, dass sich die Jungen einer Gruppe hinsichtlich psychischer und physischer Eigenschaften einigermaßen ähnlich waren. Kinder, die während der ersten Phase begonnen hatten, untereinander Freundschaften zu schließen, wurden nie zusammen belassen, sondern gerade diese Paare wurden auf verschiedene Gruppen aufgeteilt. Einige Tage lang fanden nun innerhalb der Gruppen Aktivitäten statt, ohne dass die andere Gruppe beachtet wurde (Gruppenbildung). Später erklärte man den Jungen, dass nun Wettkämpfe (Ballspiele etc.) zwischen den Gruppen ausgetragen werden. Die Gewinner-Gruppe würde einen Pokal bekommen und jedes Mitglied ein Taschenmesser (Inter-Gruppenwettbewerb). Anschließend wurde versucht, eine Reduktion des Intergruppenkonflikts durch gemeinschaftliche Aktivitäten (z.B. gemeinsamer Filmbesuch) herbeizufuhren (Konfliktreduktion). Außerdem mussten die Jungen eine Aufgabe erfüllen, die von einer Gruppe allein nicht bewältigen werden konnte (z.B. der Wiederaufbau des Wassersystems). Unabhängige Variablen: Es gab drei unterschiedliche Inter-Gruppenbedingungen: (1) Gruppenbildung, (2) Inter-Gruppenwettbewerb und (3) Konfliktreduktion. Abhängige Variablen: Das Verhalten der einzelnen Gruppen zueinander und innerhalb der Gruppe. Ergebnisse: Schon sehr bald nach der Aufteilung der Jungen auf die beiden Gruppen zeigte sich ein neues Bild: Freundschaften wurden nur noch innerhalb der neuen Gruppe gebildet und die eigene Gruppe wurde stark begünstigt. Nach Beginn des Inter-Gruppenwettbewerbs verstärkte sich diese Struktur von zwei konkurrierenden Gruppen, denn sie griffen sich sowohl verbal als auch physisch an. In der Phase der Konfliktreduktion verschwand die Aggression gegenüber der anderen Gruppe erst nach einigen Aufgaben, die nur mit gemeinsamer Anstrengung erfolgreich zu erledigen waren. Allein die gemeinsamen Unternehmungen hatten dazu nicht ausgereicht. Original-Quelle: Sherif, M. & Sherif, C. W. (1953). Groups in harmony and tension: an integration of studies on intergroup relations. New York. Rel. Stw. Intergruppen-Konflikt -> Kooperation.
XXXIV
-* Konflikt,
sozialer
-* Wettbewerb
Minimale Gruppensituation (TAJFF.L 1982)
Exp. 31: Minimale Gruppensituation (TAJFEL 1982) Fragestellung: Ist die Maximierung einer Gewinndifferenz zwischen 2 (Klein-) Gruppen wichtiger als die Maximierung des Gewinns der eigenen Gruppe, obgleich die Aufteilung der Gruppen marginalen Gesichtspunkten folgte? Genereller Aufbau/ Ablauf: Die Vpn waren eine Gruppe von Schülern, die in zwei Fraktionen aufgeteilt wurden. Das Kriterium, nach dem diese Klassifikation vollzogen wurde, war die jeweilige Präferenz für einen Maler: entweder PAUL KLEE oder WASSILY KANDINSKI. Weiterhin wurde den Vpn mitgeteilt, dass bei dem Experiment Entscheidungsprozesse untersucht werden sollten. Sie hatten nun die Aufgabe, mehrmals einen Geldbetrag an zwei andere Vpn auszuzahlen, jedoch niemals an sich selbst. Über die als Geldempfänger zur Wahl stehenden Vpn waren nur deren jeweiligen Künstlerpräferenzen bekannt und damit ihre Gruppenzugehörigkeiten. Unabhängige Variablen: Aufteilungsmodus für den Geldbetrag auf die Eigenund/oder Fremdgruppenmitglieder: (1) Maximaler gemeinsamer Gewinn: In diesem Fall wäre das Ziel, dass beide Gruppen den größtmöglichen Nutzen haben (M.G.G.). (2) Maximaler Gewinn für die Mitglieder der eigenen Gruppe (M.E.G.). (3) Maximaler Unterschied zugunsten der eigenen Gruppe. In diesem Fall werden jedoch die Vorteile der beiden vorgenannten Strategien geopfert (M.U.). (4)Fairness. Abhängige Variablen: Der Geldbetrag beider Gruppen am Ende des Versuchs. Ergebnisse: Die am häufigsten angewandte Strategie war die des maximalen Unterschieds. Am wenigsten konnte die Strategie des größten gemeinsamen Gewinns beobachtet werden. Beachtlich war, dass die fremde Gruppe sogar dann benachteiligt wurde, wenn ein Mitglied der eigenen Gruppe dadurch absolut weniger Geld bekam. Die Ursache dafür, dass die Strategie des maximalen Gewinns für die eigene Gruppe vernachlässigt wurde, hängt möglicherweise mit der auch zur Wahl stehenden Faimess-Strategie zusammen. Original-Quelle: TAJFEL, H . ( 1 9 8 2 ) . Social psychology of intergroup relations. Annual Review of Psychology, Vol. 33, pp. 1-30. Rel. Stw. -> Minimal-group-paradigm Identität, soziale ->• Identitätstheorie, soziale —• Vorurteile, soziale -* Akzentuierung -* Intergruppen-Konflikt.
XXXV
Gefängnis-Experiment (HANEY et al. 1973)
Exp. 32: Gefängnis-Experiment (HANEY et al. 1973) Fragestellung: Begünstigt die Übernahme spezifischer Rollen selektiv bestimmte Verhaltensweisen und kann dies möglicherweise sogar zu einer Persönlichkeitsveränderung fuhren? Genereller Aufbau/ Ablauf: Es gab 21 Vpn, die sich bereit erklärten, an einem 14 Tage dauernden Experiment mitzuwirken. Als Entschädigung erhielten sie $15 pro Tag. Die Teilnehmer wurden zufallig auf die beiden Rollen Wärter (Aufseher) oder Gefangener aufgeteilt. Das gesamte Experiment fand in einem hergerichteten Gefängnis statt. Die VI konnten die Vpn permanent durch einen Ein-Weg-Spiegel beobachten. Die Gefangenen bekamen Gefängniskleidung und die Wärter eine Uniform. Letzteren wurde zudem gesagt, dass es ihnen verboten sei, körperliche Gewalt oder Strafen gegenüber den Gefangenen anzuwenden. Ihre Aufgabe sollte nur darin bestehen, einen vernünftigen Grad an Ordnimg innerhalb des Gefängnisses zu gewährleisten, damit es effektiv funktioniert. Jeder Teilnehmer sollte sich so verhalten, wie es seiner Ansicht nach der Rolle entspräche. Unabhängige Variablen: Die beiden auszufüllenden Rollen (Gefangener oder Wärter). Abhängige Variablen: Das Rollenverhalten der Wärter und der Gefangenen. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass das Verhalten der Teilnehmer über die eigentliche Rollenvorgabe weit hinausging. Die Wärter wurden sehr bösartig und wandten körperliche Gewalt an. Die Gefangenen probten zunächst einen Aufstand, brachen aber nach und nach psychisch zusammen. Das Experiment musste nach 6 Tagen vorzeitig beendet werden, um körperliche und seelische Schäden von den Vpn abzuwenden. O r i g i n a l - Q u e l l e : HANEY, C . et al. ( 1 9 7 3 ) I n t e r p e r s o n a l d y n a m i c s in a s i m u l a t e d
prison. International Journal of Criminology and Penology, Vol. 1, Nr. 1, pp. 6997.
Rel. Stw. -»• Rolle, soziale -* Bestrafung.
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