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German Pages [440] Year 2001
Sowjetische Militärtribunale Band 1 Die Verurteilung deutscher Kriegsgefangener 1941 - 1 9 5 3 Herausgegeben von Andreas Hilger, Ute Schmidt und Günther Wagenlehner
Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Herausgegeben von Klaus-Dietmar Henke und Clemens Vollnhals
Band 17
Sowjetische Militärtribunale Band 1 Die Verurteilung deutscher Kriegsgefangener 1941-1953 Herausgegeben von Andreas Hilger, Ute Schmidt und Günther Wagenlehner
» 2001 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Sowjetische Militärtribunale / hrsg. von Andreas Hilger .... - Köln ; Weimar ; Wien : Böhlau (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung ; Bd. 17) Bd 1. Die Verurteilung deutscher Kriegsgefangener 1941-1953. - 2001 ISBN 3-412-06701-6 Umschlagabbildung : Montage aus Akten im IfA/HAIT-Archiv © 2001 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Alle Rechte vorbehalten Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem, säurefreiem Papier Satz: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V., Dresden Printed in Germany ISBN 3-412-06701-6
Inhaltsverzeichnis Einleitung I.
Grundlagen Die Dokumentationstätigkeit deutscher Stellen und die Entwicklung des Forschungsstands zu den Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener in der UdSSR in den Nachkriegsjahren Manfred Zeidler Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene Friedrich-Christian Schroeder Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene: Wege in eine terra incognita der Kriegsgefangenengeschichte Andreas Hilger
II. Fallgruppen Lageralltag und Strafjustiz Cordula Wohlmuther Der „Ukaz 43": Entstehung und Problematik des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 Andreas Hilger/Nikita Petrov/Günther Wagenlehner Faustpfand im Kalten Krieg? Die Massenverurteilungen deutscher Kriegsgefangener 1949/50 und die Repatriierung Verurteilter 1950 bis 1956 Andreas Hilger Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"? Die Gruppe der 749 „Nichtamnestierten" Ute Schmidt III. Aufarbeitung und Rehabilitierung Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung widerrechtlich repressierter deutscher Staatsangehöriger Leonid Kopalin
IV. Anhang Ungedruckte Quellen Gedruckte Quellen Nachschlagewerke, Handbücher Zeitzeugenberichte, Biographien Monographien, Sammelbände, Beiträge in Sammelbänden Zeitschriftenartikel Abkiirzungsverzeichnis Personenregister Ortsregister Autorinnen und Autoren
385 387 388 395 396 400 414 418 427 431 437
Einleitung „Ganz für sich floss in den letzten Jahren des Krieges der Strom der deutschen Kriegsverbrecher; sie wurden aus dem System der allgemeinen Kriegsgefangenenlager herausgeholt und via Gericht ins GULAG-System überstellt."1 Mit dokumentarischer Nüchternheit beschreibt Aleksandr Solzenicyn ein Geschehen, das in der (west) deutschen Öffentlichkeit von Anbeginn mit starken Emotionen und großer Anteilnahme behandelt wurde: 2 In der Bundesrepublik Deutschland galt die „Heimführung" der letzten verurteilten deutschen Kriegsgefangenen ab September 1955 als die größte Leistung des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, die - wie Meinungsumfragen bis in die siebziger Jahre hinein zeigen - noch vor der „Aussöhnung mit Frankreich" rangierte. 3 Dennoch hat die zeitgeschichtliche Forschung das komplexe Thema der Verurteilungen deutscher Soldaten durch sowjetische Militärtribunale viele Jahre lang höchst stiefmütterlich behandelt. 4 Frühe, aus Heimkehrerbefragungen gewonnene Erkenntnisse 5 blieben nahezu vergessen. 6 Selbst die vielbändige Dokumentation „Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges" 7 schwieg sich über den Kontext und die Problematik der Verurteilungen weitgehend aus. 1 2
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Alexander Solschenizyn, Der Archipel GULag. Versuch einer künstlerischen Bewältigung, 3 Bände, Reinbek 1994-1995, hier Band 1, S. 86. Vgl. Peter Steinbach, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion. Ein Beitrag zur deutsch-sowjetischen Beziehungsgeschicljte. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Β 2 4 / 1991, S. 37-52. Ebd. Vgl. Günther Wagenlehner (Hg.), Stalins Willkürjustiz gegen die deutschen Kriegsgefangenen. Dokumentation und Analyse, Bonn 1993. Vgl. Reinhart Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Gefangene in der Sowjetunion, Hamburg 1950; Conrad Roediger/Helmut Strebel, Völkerrechtliches Gutachten über die strafgerichtliche Aburteilung deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion, Heidelberg 1950; Boris Meissner, Sowjetunion und HLKO. Gutachten und Dokumentenzusammenstellung (Hektographierte Veröffentlichungen der Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg 1), Hamburg 1950. Vgl. Eberhard Becker, Das Rätsel des „Ukaz 43" und eine Erkundung des Archipel GULag. Ein Bericht, Hamburg 1991, S. 1-27. Erich Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung. In: ders. (Hg.), Die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Eine Zusammenfassung (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges XV), München 1974. Siehe dazu auch Andreas Hilger, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, 1941-1956. Kriegsgefangenenpolitik, Lageralltag und Erinnerung (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, Neue Folge 11), Essen 2000, S. 21.
Hilger/Schmidt/Wagenlehner
δ
Damit blieb nicht nur ein wichtiger Aspekt in der jüngeren deutschen und russischen Geschichte sowie der deutsch-sowjetischen Beziehungen ungeklärt. Auch das berechtigte Interesse der Verurteilten, die ihr besonderes Schicksal im großen Heer der deutschen Kriegsgefangenen in der UdSSR von der historischen Forschung wie im öffentlichen Bewusstsein aufgearbeitet wissen wollten, blieb unerfüllt. So verwundert es kaum, dass aus den Reihen ehemaliger Kriegsgefangener, die in den Kriegs- und Nachkriegsjahren selbst durch sowjetische Tribunale verurteilt worden waren, immer wieder Anstöße zu einer eingehenden Erforschung der Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener kamen. 8 Die Forschungen konnten indes erst in einer Zeit realisiert werden, als Russland sich nach dem Umbruch in der Sowjetunion seiner historischen Verantwortung bewusst wurde und im Zuge der Rehabilitierung all jener Personen, die ab Oktober 1917 auf dem Hoheitsgebiet Russlands Opfer politischer Gewalt geworden waren, auch für ausländische Opfer der sowjetischen Justiz umfangreiche Rehabilitierungsbestimmungen erließ. 9 Es war ein Glücksfall, dass es Dr. Günther Wagenlehner - selbst ein Betroffener, der sich für die Dokumentation und wissenschaftliche Aufarbeitung des brisanten Themas engagierte - als Direktor des Instituts für Archivauswertung in den neunziger Jahren gelungen ist, in Moskau einen wertvollen Fundus von Akten und Dokumenten zu erschließen. In langjähriger Arbeit und mit hohem persönlichen Einsatz wurden so auf diesem Forschungsfeld die Materialgrundlagen für eine umfassende Darstellung und wissenschaftliche Aufarbeitung gelegt. 10 Dass das Forschungsthema heute größere Aufmerksamkeit genießt als in den vergangenen Jahren, liegt auch daran, dass sich im Zuge eines Perspektivenwechsels in der historischen Wissenschaft und mit der Einbeziehung gesellschafts- und erfahrungsgeschichtlicher Dimensionen in die zeitgeschichtliche Forschung das Interesse der Fachhistoriker verstärkt dem „Krieg des Kleinen Mannes" zuwandte 11 und den Niederschlag der dadurch geprägten kollektiven Erfahrungen in den Blick nahm. 12 Unter solchen, auf die deutsche Nachkriegsgeschichte und die Entwicklung in den beiden deutschen Staaten gerichteten 8 9
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Vgl. Wagenlehner, Stalins Willkürjustiz. Vgl. Günther Wagenlehner, Die russischen Bemühungen um die Rehabilitierung der 1941-1956 verfolgten deutschen Staatsbürger. Dokumentation und Wegweiser (Gesprächskreis Geschichte 29), Bonn-Bad Godesberg 1999. Zur innerrussischen Entwicklung und Bedeutung vgl. Galina F. Vesnovskaja, Statistika o reabilitacii. In: I.V. Dobrovol'skij (Hg.), GULAG: ego stroiteli, obitateli i geroi. Raskulacivanie i gonenie na Pravoslavnuju Cerkov' popolnjali lagerja GULAGa, Frankfurt a. M. 1999, S. 408-418. Vgl. Günther Wagenlehner, Aktenauswertung in den russischen Archiven. Eine Zwischenbilanz nach vier Jahren. In: Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und in der Sowjetunion 1941-1956. Hg. von Klaus-Dieter Müller, Konstantin Nikischkin, und Günther Wagenlehner (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 5), Köln 1998, S. 2 5 5 - 2 6 3 . Vgl. Wolfram Wette (Hg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992. Vgl. Steinbach, Deutsche Kriegsgefangene.
Einleitung
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Fragestellungen zog gerade auch die Kriegsgefangenschaft von rund elf Millionen deutscher Soldaten ein ganz neues Forschungsinteresse auf sich. 13 Schließlich und nicht zuletzt ermöglichte es die (partielle) Öffnung der russischen Archive sowohl deutschen als auch russischen Historikern, die Kriegsgefangenschaft ehemaliger deutscher Soldaten in der UdSSR erstmals auch anhand sowjetischer Akten zu untersuchen. 1 4 So war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Initiativen der Heimkehrer und die Forschungsinteressen der Zeithistoriker in konkrete Projekte umsetzen ließen. In einem Forschungsprojekt des Instituts für Archivauswertung (IfA) und des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden (HAIT) wird gegenwärtig die stalinistische Rechtsprechung gegenüber deutschen Staatsbürgern in und nach dem Zweiten Weltkrieg analysiert. Forschungsgegenstand dieses Projekts sind die Urteile, die von sowjetischen Tribunalen in den Jahren 1941 bis 1955 sowohl gegen deutsche Kriegsgefangene als auch gegen deutsche Zivilisten verhängt worden sind. Ziel des Gesamtprojekts, das vom Bundesministerium des Innern gefördert und von der Deutsch-Russischen Historikerkommission begleitet wird, ist es zum einen zu ergründen, welcher Stellenwert den Verurteilungen in der stalinistischen Deutschland- und Außenpolitik zukam und welche konkreten politischen Motive und Intentionen sich in den Strafurteilen gegen deutsche Kriegsgefangene und Zivilisten niederschlugen. Z u m anderen ermöglichen die mittlerweile verfügbaren und ausgewerteten Archivalien und Dokumente neue und aufschlussreiche Einblicke in das stalinistische Justizsystem selbst. Die detaillierte Untersuchung der Gerichtsverfahren gegen rund 80 000 Deutsche in der UdSSR und in der S B Z / D D R wirft ein Schlaglicht auf die Funktionsweisen, aber auch die inneren Widersprüche der Ermittlungs- und Justizapparate der Stalinzeit. Sie leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung dieses Regimes. Der vorliegende Sammelband fasst die Ergebnisse der Forschungen über die verurteilten deutschen Kriegsgefangenen zusammen. 1 5 In ihren Beiträgen betonen die Autoren zu Recht die einzigartigen Forschungsmöglichkeiten, die sich aus der intensiven Kooperation der beteiligten deutschen und russischen Institutionen und Wissenschaftler ergeben haben. Einige Spezifika der schwierigen Quellenlage sollen hier nur kurz erwähnt werden. 13
14 15
Vgl. Albrecht Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr. Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, München 1986, sowie Frank Biess, „Pioneers of a New Germany". Returning POWs from the Soviet Union and the Making of East German Citizens, 1945-1950. In: Central European History, 32 (1999), S. 143-180; Michael Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1949-1955 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 35), Düsseldorf 2000. Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene. Mit Blick auf die beiden Gruppen (Kriegsgefangene und Zivilisten) ist das Projekt zweiteilig angelegt: Dem hier vorgelegten Band soll 2002 ein weiterer Band folgen, in dem die Verurteilungen deutscher Zivilisten in der SBZ und DDR analysiert werden.
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Hilger/
Schmidt/Wagenlehner
Die Forschungsarbeiten stützen sich zum einen auf normative Dokumente und Berichte der relevanten Dienststellen - unter anderem des MGB, des NKVD-MVD, des Justiz- oder des Außenministeriums - , die zum Teil in sonst unzugänglichen Beständen des Zentralarchivs des FSB, des Präsidentenarchivs oder des GARF lagern. Darüber hinaus konnten in diesem Projekt erstmals Gerichts- und Personalakten verurteilter Kriegsgefangener ausgewertet werden, die für die Untersuchung der faktischen Umsetzung zentraler Vorgaben besonders aufschlussreich sind. Schon ein kurzer Überblick über die Ermittlungs- und Justizorgane, die in der UdSSR der Stalin-Zeit für die Verurteilungen von Kriegsgefangenen von Bedeutung waren, illustriert, wie aufwendig allein die Bestimmung der möglichen Aufbewahrungsorte der Akten war; denn für die Stalin-Ära kann nahezu als Prinzip gelten, dass mehrere Verfolgungsorgane mit wechselnden personellen und sachlichen Zuständigkeiten die Lage bewusst verwirrten.16 Gegen Kriegsgefangene ermittelten sowohl die Organe des NKVD (ab 1946 MVD) als auch die Mitarbeiter der Hauptverwaltung für Gegenspionage des Volkskommissariats für Verteidigung (GUKR Smers NKO). Aus dem MVD wurde 1946 wiederum das MGB ausgegliedert, dem zugleich die Smers als dritte Hauptverwaltung inkorporiert wurde. Es gab keine genauen Kriterien, nach denen die Kriegsgefangenen auf die MGB-Gefängnisse und die normalen GUPVI MVD-Kriegsgefangenenlager verteilt wurden. Beide Behörden konkurrierten vielmehr miteinander in dem Bemühen, die wichtigsten und „interessantesten" Gefangenen zu bekommen und so die für Stalin bedeutsamsten Informationen zu erhalten oder die spektakulärsten Fälle aufzuklären. Meist scheint es der GUKR Smers und später dem MGB gelungen zu sein, aus den Haftbeständen der GUPVI jene Kriegsgefangenen in ihre Gefängnisse gebracht zu haben, die von besonderem „operativem Interesse" waren, d. h. Mitarbeiter des deutschen Spionage- und Gegenaufklärungsdienstes, Diplomaten und führende politische Vertreter des „Dritten Reichs" sowie ranghohe Armeeangehörige - Generalfeldmarschälle, Generaloberste usw. Schließlich interessierte sich auch die Hauptaufklärungsverwaltung (GRU) des Generalstabs der Roten Armee für ausgewählte, oftmals hochrangige Gefangene. Da die Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte zum NKVDMVD gehörte, war in erster Linie dieses Ministerium für die Verhaftung von Kriegsgefangenen zuständig. Wenn die Inhaftierung durch das NKVD/MVD verfügt wurde, fanden auch die Vernehmungen sowie Untersuchung und Prozess in diesem Bereich statt. Die umfangreiche Strafakte gelangte dann in das MVD-Zentralarchiv (CA MVD), in dem sie bis heute zu finden ist. Wurde die Verhaftung hingegen vom Smers bzw. dem MGB angeordnet, so erfolgte das entsprechende Verfahren bis zum Prozess dort, d.h., die Registrierakte 16
Ein eindrucksvolles Bild vermittelt Rudolf G. Pichoja (Hg.), Lubjanka. VCK - O G P U NKVD - Ν KGB - M G B - MVD - KGB 1 9 1 7 - 1 9 6 0 . Spravocnik ( X X vek. Dokumenty), Moskau 1997.
Einleitung
11
liegt heute im Zentralarchiv der Nachfolgebehörde, des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB). Unberührt von den strafrechtlichen Zuständigkeiten sind die Personalakten aller Kriegsgefangenen, also auch der Verurteilten, in der Regel im Bestand der Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte im Russischen Staatlichen Militärarchiv (RGVA) archiviert. Parallel zur Auswertung von Unterlagen für individuelle Fälle wurde auf Dr. Wagenlehners Initiative hin seit 1994 die statistische Erfassung aller im Zentralarchiv des MVD und im RGVA dokumentierten Verurteilungen von Kriegsgefangenen betrieben. Russische Mitarbeiter gaben anhand der in den Archiven aufbewahrten Karteikarten mit Hilfe eines Kodierungssystems die jeweiligen Personal- und Urteilsdaten in eine Datenbank ein. Diese Datenbank steht nunmehr im HAIT für Auswertungsprogramme und weitere Recherchen zur Verfügung. Die Bestände des CA MVD und des RGVA sind inzwischen vollständig in diese Datenbank eingearbeitet worden. Damit waren bis zum 30. November 2000 insgesamt 31284 Urteile gegen 30 782 Kriegsgefangene erfasst. (502 Gefangene waren wegen verschiedener Vorwürfe zweimal verurteilt worden.) Nach Auskunft des Zentralarchivs des FSB lagern in dessen Beständen zusätzlich rund 3 000 Strafakten deutscher Kriegsgefangener. Somit können wir mit ca. 34 000 Fällen erstmals eine durch Akten gesicherte Größenordnung deutscher Kriegsgefangener angeben, die von 1941 bis 1953 von sowjetischen Gerichten und Sonderbehörden verurteilt wurden. Aufgrund der nahezu vollständigen Erfassung sind fundierte quantitative Aussagen über die Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener in der UdSSR möglich. Zunächst muss allerdings geklärt werden, wer dem sowjetischen Verständnis nach als deutscher Kriegsgefangener galt.17 Die Kriegsgefangenen-Definition, die der Rat der Volkskommissare am 1. Juli 1941 aufstellte, entsprach weitgehend dem Kriegsvölkerrecht. Die praktische Politik der Roten Armee und des Innenministeriums in den folgenden Jahren zeigte indes, dass es der UdSSR schlicht darum ging, den deutschen Militär- und Besatzungsapparat möglichst umfassend als „Kriegsgefangene" in ihre Gewalt zu bekommen. 18 Da die Angaben in den Akten auf oft unklaren Übersetzungen der (mitunter bewusst ungenauen) Selbstbezeichnungen von Gefangenen beruhen, erlauben sie keine auch nur annähernd genaue Aufschlüsselung der Verurteilten nach militärischem oder zivilem Status in allen Untergliederungen. Dies gilt im übrigen auch für die erfassten Wehrmachts- und SS-Dienstränge. Die Untersuchungsund Verurteilungsvorgaben der sowjetischen Führung legen es allerdings nahe, 17
18
Zur Definition vgl. schon Kurt Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, 3 Bände (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges V / l - 3 ) , München 1965, hier Band 1, S. 8 - 1 5 . Zu dieser Problematik mit weiterführenden Hinweisen siehe Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 6 2 - 6 4 , sowie Manfred Zeidler/Ute Schmidt (Hg.), Gefangene in deutschem und sowjetischem Gewahrsam 1 9 4 1 - 1 9 5 6 : Dimensionen und Definitionen (Berichte und Studien 23), Dresden 1999.
12
Hilger/Schmidt/Wagenlehner
dass SS-Leute in deutlich höherem Maße gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurden, als das bei Wehrmachtsangehörigen der Fall war. Als ähnlich komplex erwies sich die sowjetische Definition eines „Deutschen". Erstes Ordnungsprinzip sowjetischer Statistiken war die Nationalität bzw. die Armee der Gefangenen, während die Staatsbürgerschaft oft erst im Zusammenhang mit den Repatriierungen eine wesentliche Rolle spielte. Die Herkunftsregionen der deutschen Kriegsgefangenen, die nicht nur aus dem deutschen Reichsgebiet, sondern auch aus den Siedlungsgebieten der deutschen Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa stammten, waren weit gefächert. Infolge des „Hitler-Stalin-Paktes" im August 1939 kam es hier zudem zu weiträumigen Grenzverschiebungen und Umsiedlungen, die sich auch in den Angaben zur Herkunft bzw. Staatsangehörigkeit der verurteilten deutschen Kriegsgefangenen niederschlagen. (Beispielsweise verzeichnet die Datenbank 418 deutsche verurteilte Kriegsgefangene aus Rumänien - einschließlich der 1940 abgetrennten und von der UdSSR beanspruchten Gebiete, aus denen die deutsche Bevölkerung 1940 ausgesiedelt wurde. Von den damals Umgesiedelten gaben manche jedoch auch ihren neuen Wohnort als Herkunftsort an.) Um gesicherte quantitative Angaben zu den Herkunftsländern bzw. zur Staatsangehörigkeit der Verurteilten machen zu können, wären differenzierte Analysen erforderlich, ansonsten sind nur Mindestangaben möglich. Die unterschiedliche Herkunft der volks- und auslandsdeutschen Kriegsgefangenen blieb für die Urteilspraxis der sowjetischen Tribunale ohne erkennbaren Einfluss. Hingegen wurden ehemalige Bürger der Sowjetunion, die zwischenzeitlich die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatten, vor sowjetischen Gerichten zumeist nicht als deutsche Kriegsgefangene, sondern als sowjetische „Deserteure" und „Vaterlandsverräter" behandelt und nach Art. 58,1 a und b abgeurteilt: In 279 Fällen befanden Richter diese Deutschen für schuldig, „Vaterlandsverrat, d.h. Handlungen, begangen von Bürgern der UdSSR [sie!] zum Nachteil der militärischen Macht der UdSSR, ihrer staatlichen Unabhängigkeit oder der Unantastbarkeit ihres Gebiets, wie Spionage, Preisgabe dines militärischen oder Staatsgeheimnisses, Überlaufen zum Feind, Flucht ins Ausland", 19 verübt zu haben. Der zeitliche Schwerpunkt der Verurteilungen liegt in der späten Nachkriegszeit. Waren es 1946 noch nicht einmal 1000 Fälle, so stieg die Zahl der Verurteilten bis 1948 sprunghaft an. Ihren Höhepunkt erreichte sie in der Phase der Massenverurteilungen 1949/1950. Dieser zeitliche Verlauflässt sich für alle Dienstgrade nachweisen (vgl. Tabelle 1). Die jährliche Verteilung der 218 belegbaren Todesurteile gegen deutsche Kriegsgefangene sieht aufgrund der sowjetischen Gesetzeslage und Prozessregie anders aus: Hier fallen die Jahre 1945 und besonders das Jahr 1946 ins 19
Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik vom 22. November 1926 in der am 1. Januar 1952 gültigen Fassung mit Nebengesetzen und Materialien, übersetzt von Wilhelm Gallas (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher Band LX), Berlin 1953, S. 16.
13
Einleitung
Auge. In den zahlreichen Schauprozessen vor Abschaffung der Todesstrafe im Mai 194720 wurde relativ häufig die Höchststrafe verhängt. Trotzdem erscheint der Anteil von Todesurteilen an der Gesamtzahl der Verurteilungen verhältnismäßig gering - selbst unter der Annahme, dass die Zahl der tatsächlich in jenen Jahren verhängten Todesurteile die der im Zentralarchiv des M V D und im R G V A dokumentierten Fälle um vier- bis fünfhundert übersteigen könnte (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1 : Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener nach Jahren Jahr
1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 keine Angabe
Urteile Verurteilte Kriegsgefangene nach Dienstgradgruppen Todesinsges. urteile Generäle StabsOffiziere Mannschaft/ offiziere Unteroffiziere 2 2 22 2 18 17 2 42 46 12 22 1 22 4 167 2 1 19 34 129 10 11 48 687 859 101 4185 22 58 276 3 640 42 22 72 402 4 878 4255 1053 4 074 18 931 101 13 458 1 117 284 1858 906 526 59 75 20 2 2
1 16 1
2 1
2 1
32
1
39 10 2
6
-
-
-
-
-
-
-
-
156
11
16
159
720
8
Gesamt 31284
303
1498
5 894
23 589
218
20
-
-
Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 16. Mai 1947. In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 71.
•t ι·» ΟΟ 00 cs r— CS XI CS
1858
1 2,19 7,19 8,14 6,96 62,93 10,45
0,15
0,35 0,30
1
absolut
jährl. Anteil an Gesamtzahl nach Art. 162-178 Ukaze vom 4.6.1947 in % (gerundet)
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Lageralltag und Strafjustiz Cordula Wohlmuther 1.
Einführung
Am 17. März 1950 „gestattete" der Ministerrat der UdSSR dem Innenministerium gemäß Beschluss des Politbüros, 5 1 2 6 Kriegsgefangene, die „in den Jahren 1943 bis 1949 wegen Bandentums, wegen Verbrechen gegen das Leben und die Gesundheit, wegen Entwendungen und Diebstahl, wegen [Selbst-] Verstümmelung, wegen Verstoßes gegen das Lager [regime] sowie wegen anderer Daseins- und Militärdelikte"1 verurteilt worden waren, nach Deutschland zu entlassen. Bei den genannten Delikten handelte es sich um Vergehen, die Kriegsgefangene unter den extremen Bedingungen des Lageralltags begangen hatten. Mit ihrem Repatriierungsbeschluss gab die sowjetische Führung zu erkennen, dass sie nur ein geringes Interesse an dieser Gruppe Kriegsgefangener hatte: Ihnen wurden weder Kriegsverbrechen angelastet, noch waren sie sicherheitspolitisch von Gewicht. 2 Über die Verfolgung der sogenannten Lagervergehen und -verbrechen waren wir bislang nur unzureichend informiert. Heimkehrerberichte bildeten die einzige Quelle. Sie schilderten freilich primär die Sicht der Betroffenen und gewährten kaum einen Blick hinter die Kulissen der Militärtribunale des NKVD/ MVD. In den russischen Archiven konnte nun ein Aktenfundus erschlossen werden, der erstmals über solche Verfahren Aufschlüsse bietet, und zwar in zweifacher Hinsicht: 3 Die bisher nicht zugänglichen Quellen - Prozessakten deutscher Kriegsgefangener - enthalten authentische Berichte, die die Lebenswirklichkeit der Kriegsgefangenen veranschaulichen und in einzigartiger Dichte die Ursachen und den Kontext der Lagervergehen dokumentieren.
1
2
3
Beschluss des Ministerrats der UdSSR Nr. 1 1 0 8 - 3 9 6 s s vom 1 7 . 3 . 1 9 5 0 (APRF, f. 3, op. 5 8 , d. 5 0 5 , 1. 8 6 - 9 1 ) , hier zitiert nach Leonid Resin, Der Moskauer Prozeß gegen General von Seydlitz im Spiegel russischer Dokumente. In: Gerd R. Ueberschär (Hg.), Das Nationalkomitee „Freies Deutschland" und der Bund deutscher Offiziere (FischerTaschenbücher 1 2 6 3 3 : Die Zeit des Nationalsozialismus), Frankfurt a. M. 1995, S. 2 5 9 f . , hier S. 2 6 0 . Beschluss des Politbüros des Z K der KPdSU ( B ) Nr. P 7 3 / 2 5 , siehe ebd. Zur Entscheidungsfindung für die Repatriierungen 1 9 5 0 vgl. Andreas Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg? Die Massenverurteilungen deutscher Kriegsgefangener 1 9 4 9 / 5 0 und die Repatriierung Verurteilter 1 9 5 0 bis 1956, in diesem Band, S. 2 1 1 - 2 7 2 . Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Akten im Zentralarchiv des MVD (CA MVD) und im RGVA.
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Cordula
Wohlmuther
Anhand dieser Prozessakten wird zudem erstmals eine detaillierte Dokumentation der sowjetischen Strafverfolgung von Kriegsgefangenen wegen unpolitischer Vergehen möglich. Bei der Analyse der hier dokumentierten Verfahren fallen drei für die stalinistische Justizpraxis charakteristische Merkmale ins Auge: 1 ) Die sowjetischen Gerichte verhängten in der Regel extrem harte Strafen für vergleichsweise geringfügige Delikte. Dieses Missverhältnis war kein Spezifikum der Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener; genau dasselbe erlebten straffällig gewordene sowjetische Bürger. 4 Die Verordnung des Ministerrats der UdSSR Nr. 1798-800s vom 1. Juli 1941 bestimmte (in Punkt 26), dass „Verbrechen von Kriegsgefangenen [...] von den Kriegstribunalen nach den Gesetzen der UdSSR und deren Gliedstaaten" 5 zu behandeln seien. Mit anderen Worten: Die UdSSR wandte ihre Strafvorschriften auf ausländische Kriegsgefangene an, ohne deren spezifische Situation zu berücksichtigen. Ihre Handlungen und Vergehen wurden statt dessen in Interpretationsmuster gepresst, die von innenpolitischen Bedingungen geprägt und von sowjetischen Untersuchungsbehörden und Gerichten seit den zwanziger Jahren entwickelt worden waren. Auf diese Weise kamen selbst Normen wie das Gesetz vom 7. August 1932 oder der Art. 58 des StGB RSFSR gegen Kriegsgefangene zur Anwendung. 6 2) Die ermittelnden operativ-cekistischen Organe verfügten über eine relativ große Bandbreite von Zwangsmitteln. So konnten die Untersuchungsorgane in Absprache mit den Lagerkommandanten entscheiden, ob bei Lagervergehen bloß disziplinarrechtliche Schritte oder strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden. Im letzteren Fall bot das sowjetische Strafrecht wiederum die Handhabe, ein und dasselbe Vergehen höchst unterschiedlich zu qualifizieren: Arbeitsverweigerung konnte beispielsweise als politisch motiviertes „Staatsverbrechen" („Sabotage") oder als bloßes „Militärdelikt" („Befehlsverweigerung") eingestuft werden. 7 Die in diesem Beitrag dokumentierten exemplarischen Fälle zeigen, dass die Untersuchungsbehörden häufig dazu tendierten, die Lagervergehen aus ihren tatsächlichen Handlungskontexten herauszulösen und als politische Verbrechen zu werten.
4
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Vgl. Peter H. Solomon, Soviet Criminal Justice under Stalin, New York 1996, S. 4 0 4 - 4 5 3 . Zur sowjetischen Rechtspraxis vgl. Friedrich-Christian Schroeder, Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene, in diesem Band, S. 6 9 - 9 2 . Befehl NKVD Nr. 0 3 4 2 vom 21.7.1941 mit der Bekanntgabe der Verordnung des Rats der Volkskommissare (SNK) vom 1.7.1941 (GARF, f. 9401, op. la, d. 98, 1. 134ff.). Deutsche Übersetzung laut Vortragsnotiz des Chefs des Amtes Ausland/Abwehr, Admiral Canaris, vom 15.9.1941 zur Anordnung für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener. Siehe Gerd R. Ueberschär, Dokumente zum Unternehmen Barbarossa als Vernichtungskrieg im Osten. In: ders./Wolfram Wette (Hg.), Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa" 1941, Überarb. Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1991, S. 301 - 3 0 5 , hier S. 3 0 3 - 3 0 5 . Vgl. Schroeder, Sowjetrecht, in diesem Band. Beispiele in Abschnitt 5.1.
Lageralltag und
Strafjustiz
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3) Die Verfolgungsmaschinerie von operativen Organen, MVD-Tribunalen und oberen Justizbehörden funktionierte selbst im Fall der Lagervergehen nicht reibungslos. An den Schnittstellen von Ermittlungsbehörden und Justiz und nicht nur hier - zeigen sich systemimmanente Widersprüche, Bürokratismen und banalste Unzulänglichkeiten, die durch das Eigenleben der jeweiligen Apparate und Funktionärsgruppen bedingt waren. 8 Der folgende Abschnitt gibt zunächst einen kursorischen Uberblick über die quantitative Dimension der Lagervergehen.
2.
Gesamtzahl der Verurteilungen u n d Deliktstruktur
In der IfA/HAIT-Datenbank sind 31284 Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener verzeichnet. Demnach waren 6 563 Personen - etwa ein Fünftel der hier erfassten verurteilten deutschen Kriegsgefangenen - aufgrund von „Lagerverbrechen" verurteilt worden. Eine weitere Aufschlüsselung dieser „Lagerverbrechen" ergibt folgendes Bild: 5 176 Kriegsgefangene, d. h. knapp 80 Prozent, wurden wegen Diebstahls vor Gericht gestellt. Als zweitgrößte (wenngleich mit 902 Fällen weit kleinere) Gruppe folgen die wegen „Militärvergehen" verurteilten Kriegsgefangenen. Ein Sammelsurium höchst unterschiedlicher Artikel der sowjetischen Strafgesetzbücher fand schließlich bei 485 Kriegsgefangenen Anwendung: Sie wurden beispielsweise homosexueller Handlungen (Art. 154a), der Körperverletzung (Art. 136-142) oder „rowdyhafter Handlungen" (Art. 74,1 sowie 74,2) StGB RSFSR beschuldigt und strafrechtlich belangt. Wie viele Lagervergehen als „Staatsverbrechen" nach Art. 58 StGB RSFSR eingestuft wurden, kann hingegen nicht genau bestimmt werden. Wir verfügen hier nur über eine Mindestzahl von 362 Fällen, in denen Gefangene wegen „konterrevolutionärer Sabotage" aufgrund von Art. 58,14 StGB RSFSR verurteilt worden waren. Daraus kann geschlossen werden, dass es sich um Lagervergehen handelte; denn „Sabotageakte", die vor der Gefangennahme begangen worden waren, wurden von sowjetischen Gerichten ausschließlich nach „Ukaz 43 " 9 bzw. Art. 58,2 StGB RSFSR abgeurteilt. Eine konkrete Zuordnung der statistischen Angaben über Verurteilungen, die nach Art. 58,4 oder 58,6 StGB RSFSR erfolgten, ist hingegen nicht möglich. Das Gros dieser Verurteilungen bezog sich aufgrund der operativen Ermittlungsaufgaben und -ziele auf Taten, die angeblich vor der Gefangennahme begangen wurden; 10 gleichwohl finden sich darunter auch etliche Einzelfälle, in denen Handlungen im Gefangenenlager als „Staatsverbrechen" bewertet wurden: So wurden etwa Aufzeich8 9
10
Vgl. dazu die Studie von Solomon, Soviet Criminal Justice. Vgl. Andreas Hilger/Nikita Petrov/Günther Wagenlehner, Der „Ukaz 43": Entstehung und Problematik des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943, in diesem Band, S. 177-210. Vgl. die Verfügung MVD/Militärstaatsanwaltschaft Nr. 1 8 8 / 6 2 s s vom 1.4.1949 (GA RF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16, 1. 84).
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nungen über verstorbene Gefangene als „Spionage" (Art. 58,6), Materialsammlungen über Aktivisten der Antifa als „Unterstützung der internationalen Bourgeoisie" (Art. 58,4) und laut geäußerte Unzufriedenheit mit der sowjetischen Kriegsgefangenenpolitik als „antisowjetische Agitation" (Art. 58,10)11 eingestuft. Der zeitliche Höhepunkt der Lagerverurteilungen fiel in das Jahr 1947. Von den 2 684 in diesem Jahr ergangenen Urteilen waren 2 315 (d.h. 86 Prozent) Diebstahlsdelikte. Der bittere Hunger in der Nachkriegszeit 12 und die weitere Verschärfung der sowjetischen Gesetzgebung gegen Diebstahl durch die Dekrete vom 4. Juni 194713 schlugen sich in der Strafverfolgung der Kriegsgefangenen unmittelbar nieder. Die Lagerkriminalität war eine direkte Folge der katastrophalen Lebensbedingungen in den Kriegsgefangenenlagern.
3.
Alltagsdelikte u n d Kriminalverbrechen: Diebstähle
Diebstähle von Lebensmitteln aus Vorratslagern, Küchen oder von den Feldern waren schon seit Kriegsbeginn zwangsläufig eine alltägliche Erscheinung des Lagerlebens. 14 Die Moskauer Zentrale hielt die Lagerverwaltungen ständig an, die lagereigenen Lebensmittelmagazine besonders zu bewachen. 15 Neben solche Vorsichtsmaßnahmen traten rigide Strafbestimmungen des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten. Gefangene, denen man Diebstahl zur Last legte, wurden in der Regel disziplinarisch belangt. Die mehrtägigen Karzerstrafen oder die Strafzüge mit ihren Hungerrationen waren äußerst hart. 16 Die operativen Lagermitarbeiter konnten die Beschuldigten darüber hinaus aber auch vor ein Militärtribunal bringen. Ob sie sich dafür entschieden, hing zumeist von der Menge des Diebesguts ab. Auch Fälle von gemeinschaftlich organisiertem Diebstahl wurden in der Regel gerichtlich geahndet. Allerdings wurden mitunter selbst bei geringfügigen Diebstählen öffentliche Prozesse durchgeführt, um andere Lagerinsassen von ähnlichen Handlungen abzuschrecken. 17 Bei den sogenannten „Kameradendiebstählen" sahen die Straforgane ihre Interessen indessen zumeist nicht berührt. Die Lagerverwaltungen überließen 11 12
13 14
15 16 17
Vgl. u. a. die Fälle Kurt P. und Josef G. (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. G01269 und G00312). Vgl. Andreas Hilger, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, 1941-1956. Kriegsgefangenenpolitik, Lageralltag und Erinnerung (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, Neue Folge 11), Essen 2000, S. 135. Vgl. Abschnitt 3. Vgl. Hedwig Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Hunger (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges III), München 1965. Erste Verurteilungen wegen Diebstahls sind bereits für das Jahr 1943 dokumentiert (IfA/ H AIT- Archiv). Verfügung NKVD Nr. 209 vom 6.10.1945 (RGVA, f. 1, op. 21, d. 6); Verfügung NKVD NR. 219 vom 23.10.1945 (ebd.); Verfügung MVD Nr. 114 vom 3.5.1946 (ebd.). Zu den Strafzügen vgl. Befehl NKVD Nr. 00311 vom 16.4.1945, hier Punkt 15 f. (RGVA, f. lp, op. 23a, d. 1,1. 32-35). Vgl. die Fallbeispiele in den Abschnitten 3.1 und 5.1. Vgl. Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 431 ff.
Lageralltag und
Strafjustiz
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solche Taten nahezu ausschließlich der Selbstjustiz oder gaben sich mit Disziplinarstrafen zufrieden.18 Für die strafrechtliche Ahndung von Diebstählen standen den Militärgerichten verschiedene Rechtsnormen zur Verfügung: - Art. 162 StGB RSFSR sah zwischen einem halben Jahr und acht Jahren Freiheitsentzug vor. Von den sechs Unterpunkten dieses Paragraphen kamen gegen deutsche Kriegsgefangene vor allem die Bestimmungen der Abschnitte „c", „d" und „e" zur Anwendung.19 - In der Zeit der „Dekulakisierung", der Kollektivierung und der großen Hungersnöte war Stalin in den dreißiger Jahren das bereits existierende Instrumentarium des Strafgesetzbuches von 1926 als unzureichend erschienen. 20 Er hatte daher das „Gesetz zum Schutz des Eigentums staatlicher Unternehmen, Kolchosen und Genossenschaften und über die Verstärkung des Schutzes sozialistischen Eigentums" initiiert, das am 7. August 1932 erlassen wurde.21 Der Volksmund sprach vom „Ährengesetz" oder den „Sieben Achteln". Jeder, der sich am „heiligen" und „unantastbaren" Kollektiveigentum22 vergriff, galt als „Volksverräter" und hatte mit schwersten Strafen zu rechnen: dem Tod durch Erschießen als Höchststrafe, mindestens zehn Jahren ITL bei mildernden Umständen; das Eigentum des Verurteilten wurde komplett beschlagnahmt.
18 19
Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 161 f. „Heimliche Entwendung fremder Vermögensgegenstände (Diebstahl) zieht nach sich: [...] c) wenn sie unter Anwendung von technischen Hilfsmitteln oder wiederholt oder nach vorheriger Verabredung mit anderen Personen oder, wenn auch ohne die vorbezeichneten Merkmale, in Bahnhöfen, auf Landungsplätzen, Dampfschiffen, in Eisenbahnwagen oder Gasthäusern begangen wird - Freiheitsentziehung bis zu einem Jahr; d) wenn sie durch eine Privatperson aus staatlichen oder öffentlichen Lagerhäusern, Eisenbahnwagen, Schiffen oder sonstigen Aufbewahrungsorten erfolgt oder an den im vorhergehenden Absatz bezeichneten öffentlichen Orten [Bahnhöfen, Landungsplätzen, Dampfschiffen, Eisenbahnwaggons, Gasthäusern] unter Anwendung technischer Hilfsmittel oder auf Verabredung mit anderen Personen oder wiederholt begangen wird; ferner wenn sie, wenn auch ohne die vorbezeichneten Merkmale, von einer Person, die eine besondere Zutrittserlaubnis zu diesen Lagerhäusern besitzt oder sie zu bewachen hat, oder während einer Feuersbrunst, eines Hochwassers oder eines sonstigen öffentlichen Notstandes begangen wird - Freiheitsentziehung bis zu 2 Jahren oder Besserungsarbeit bis zu einem Jahr; e) wenn sie aus staatlichen oder öffentlichen Lagerhäusern oder Aufbewahrungsorten durch eine Person, die eine besondere Zutrittserlaubnis zu diesen besitzt oder sie zu bewachen hat, unter Anwendung technischer Hilfsmittel oder wiederholt oder auf Verabredung mit anderen Personen erfolgt, sowie jeder Diebstahl aus den vorbezeichneten Lagerhäusern und Aufbewahrungsorten bei besonders großem Ausmaß des Entwendeten - Freiheitsentziehung bis zu fünf Jahren." Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik vom 22. November 1926 in der am 1. Januar 1952 gültigen Fassung mit Nebengesetzen und Materialien, übersetzt von Wilhelm Gallas (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher LX), Berlin 1953, S. 51 f.
20 21 22
Vgl. Solomon, Soviet Criminal Justice, S. 112. Materialien zur Genese in GARF, f. 9474 (Oberstes Gericht der UdSSR), op. 16s, d. 319. Solomon, Soviet Criminal Justice, S. 112.
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Im März 1942 wurde der Schutz des Gesetzes auf das Eigentum der Roten Armee ausgedehnt. Allein in den beiden folgenden Monaten verurteilten die Gerichte 5 973 sowjetische Bürger wegen Diebstahls, Verschwendung oder Unterschlagung von Militäreigentum nach dem Gesetz vom 7. August 1932, 2 697 von ihnen (45 Prozent) zum Tode. 23 - Andererseits versuchten die Justizapparate - übrigens nicht nur bei Diebstahl 24 - einer allzu harten Strafpolitik entgegenzusteuern. Alarmiert durch die hohe Zahl von Todesurteilen, machte Justizminister Ryckov am 15. Juni 1942 Stalin den Vorschlag, geringfügige Vergehen nach Art. 162 oder Art. 193,17 StGB RSFSR zu ahnden. Ryckov empfahl, die Strafverbüßungen in solchen Fällen bis zum Kriegsende aufzuschieben und die Verurteilten an die Front zu versetzen. 25 Der zynische Pragmatismus des Justizministers entsprach der gängigen Übung, Lagerhäftlinge in den Kampf zu schicken; Stalin zeigte sich denn auch „einverstanden". 26 Eine neuerliche Verschärfung der Verfolgung von Diebstählen an staatlichem, öffentlichem oder privatem Eigentum erfolgte nach den schweren Hungersnöten der Jahre 1946/1947. 27 Bereits am 25. Oktober 1946 verabschiedete die Regierung ein Dekret „Über die Verteidigung des staatlichen Getreides", das dem Justizministerium vorschrieb, bei Getreidediebstählen die Untersuchungen innerhalb von zehn Tagen abzuschließen und das Gesetz vom 7. August 1932 mit aller Strenge anzuwenden. Dadurch kam es Ende 1946 zu mehr als 53 300 Verurteilungen, die sich vor allem gegen Kolchosbauern richteten. 28 In Stalins Augen blieben die bestehenden Gesetze jedoch auch weiterhin unzureichend. Auf seine Intervention hin wurde das Dekret im Justizministerium bis Mai 1947 nochmals überarbeitet. Die verschärften Strafen waren Stalin - nach Abschaffung der Todesstrafe im Mai 1947 - aber noch immer zu mild, weshalb er zwei Tage vor der Proklamation der Dekrete den Strafkatalog selbst nochmals änderte: Die Mindeststrafe sollte jetzt bei Diebstählen von persönlichem Eigentum statt bisher drei fünf Jahre, bei Diebstahl von Staatseigentum statt bisher sechs sieben Jahre betragen. Für Wiederholungstäter oder bei schwerem Diebstahl hielt Stalin eine Höchststrafe von zwanzig Jahren ITL für angemessen. 23
24
25 26 27
28
Beschluss Ν KO vom 3 . 3 . 1 9 4 2 (GARF, f. 9 4 9 2 , o. 16s, d. 227). Ungezeichnete Statistiken von Juni 1942 (ebd.). Vgl. auch Nicolas Werth, Ein Staat gegen sein Volk. Gewalt, Unterdrückung und Terror in der Sowjetunion. In: Stéphane Courtois (Hg.), Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror, 5. Auflage, München 1998, S. 2 5 2 f. Zu der latenten Unzufriedenheit von Teilen der Justiz in den 30er und 40er Jahren mit den äußerst harschen Gesetzesmaßnahmen vgl. die Studie Solomons, Soviet Criminal Justice. Schreiben des lustizminister Ryckovs an Stalin vom 1 5 . 6 . 1 9 4 2 (GARF, f. 9 4 9 2 , o. 16s, d. 228). Ebd. Vgl. Alee Nove, An Economic History of the USSR: 1917-1991, London 1992, S. 2 9 9 f „ S. 3 0 3 f.; Eugène Zaleski, Stalinist Planning for Economic Growth: 1 9 3 3 - 1 9 5 2 , London 1980, S. 354f. Vgl. Solomon, Soviet Criminal Justice, S. 4 0 8 - 4 1 5 , 4 3 4 - 4 3 8 .
Lageralltag und Strafjustiz
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Am 4. Juni 1947 erließ das Präsidium des Obersten Sowjets schließlich auftragsgemäß die beiden Dekrete „Über die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die rechtswidrige Aneignung von staatlichem und öffentlichem Vermögen" und „Zur Verstärkung des Schutzes des Eigentums der Bürger". 2 9 Innerhalb von sechs Jahren wurden 1 3 0 0 0 0 0 sowjetische Bürger nach den Erlassen vom 4. Juni 1947 verurteilt. Da der Text der Dekrete den Gerichten eine Individualisierung des Strafmaßes verbot, kam es zu unverhältnismäßig harten Urteilen bei vergleichsweise geringfügigen Diebstählen: 7 5 Prozent der erwähnten 1 3 0 0 0 0 0 Sowjetbürger wurden zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt. 3 0 Diese allgemeine Verschärfung des Strafrechts machte das Leben in den Gefangenenlagern noch schwieriger; den Kriegsgefangenen drohten in ihrem Existenzkampf nun noch schwerere Strafen. Da es laut Plenarbeschluss des Obersten Gerichtshofs der UdSSR untersagt war, die „in den [...] Dekreten vorgesehenen Verbrechen" 3 1 nach dem Gesetz vom 7. August 1 9 3 2 oder nach den Art. 162, 166 und 167 StGB RSFSR zu bestrafen, 3 2 nimmt es nicht wunder, dass bei den wegen Diebstahls verurteilten Kriegsgefangenen die Verurteilungen nach den beiden Erlassen vom 4. Juni 1947 das Gros der Fälle ausmachten: Rund drei Viertel der 5 176 Urteile ( 3 8 1 3 ) wurden aufgrund dieser Dekrete verhängt. Hinzu kamen 1 1 4 0 Verurteilungen ( 2 2 Prozent) nach den Art. 162 bis 178 („Verbrechen gegen das V e r m ö g e n " ) ; 3 3 nur 4 , 3 Prozent der Richtersprüche erfolgten nach dem Gesetz vom 7. Augüst 1932.
29 30 31 32
33
Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 72f. Aufstellungen des Justizministeriums in GARF, f. 9492, op. 2, d. 24,1. lOff. Plenarbeschluss des Obersten Gerichtshofs der UdSSR vom 22.8.1947 über die Anwendung der Dekrete vom 4.6.1947. In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 73f. Der zitierte Plenarbeschluss zeigt das Problem, die Stalinschen Dekrete korrekt und politisch genehm in das existierende Recht zu integrieren. Darauf weisen auch die vergleichsweise zahlreichen Neuverhandlungen hin, in denen die erstinstanzlichen Urteile auf andere Rechtsgrundlagen umqualifiziert wurden: 37 Urteile wurden von Art. 162 auf das Gesetz vom 7.8.1932 umgeändert, mindestens zehn von Art. 162 auf die Dekrete vom 4.6.1947, sieben von diesen Dekreten auf Art. 193,14 (IfA/HAIT-Datenbank). Bis 1949 lassen sich zudem immer wieder Verurteilungen nach den genannten Parallelbestimmungen nachweisen (IfA/HAIT-Datenbank). Ohne Kenntnis der genauen Tatbestände ist nicht feststellbar, ob hier untere Gerichte die höchsten Vorgaben aus verschiedenen Gründen ignorierten oder ob die Tatbestände tatsächlich nicht den neuen Ukazen entsprachen. Aufgrund der Darstellung Solomons, Soviet Criminal Justice, S. 4 0 8 - 4 5 3 , und den analogen Umsetzungsproblemen beim „Ukaz 4 3 " ist jedoch davon auszugehen, dass der stalinistische Justizapparat nicht bruch- und reibungslos funktionierte. Vgl. die Überlegungen zu „Maßnahmen-" und „Normenstaat" bei Hilger/Petrov/Wagenlehner, „Ukaz 4 3 " , in diesem Band. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 51. Hier war vor allem der Art. 162 von Bedeutung, während nur 75 Fälle nach den Art. 166 und 167 verfolgt wurden (Diebstahl von Schusswaffen und Raub). Vgl. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 53.
152 3.1.
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Verfolgung von Diebstählen: Fallbeispiele
Wie diese verschiedenen Strafbestimmungen angewendet wurden, soll anhand der neu erschlossenen Quellen an einigen exemplarischen Fällen dargestellt werden. Am 24. Mai 1947 stellte der Bevollmächtigte der operativen Abteilung des Lagers Nr. 216 im Oblasf Kalinin einen Haftbefehl gegen den Kriegsgefangenen Heinz M. aus. Der aus Leipzig stammende ehemalige Feldwebel eines Fallschirmspringerregiments war „im Lager als Nachtwache im Kuhstall tätig. [...] Bei einer Razzia im Kuhstall fand man zwei Säcke Kartoffeln unter den Futterkrippen, bedeckt mit Heu und Mist". 34 Aus den Verhören des Kriegsgefangenen Heinz M. und anderer Kriegsgefangener ergab sich, dass sie die gestohlenen Kartoffeln nachts in einer Schmiede kochten und gemeinsam mit weiteren Mitgefangenen verzehrten. Die Gerichtsverhandlung am 27. Juni 1947 vor dem Militärtribunal des Oblasf Kalinin (heute Tver') unter dem Vorsitz eines Oberleutnants der Justiz war öffentlich, mit einem Verteidiger, einem Ankläger und drei Zeugen. Der Angeklagte Heinz M. gestand während der Gerichtsverhandlung seine Schuld ein. Möglicherweise geschah das auf Drängen seines Verteidigers, der seine Bitte um eine milde Strafe mit dem freimütigen Geständnis des Angeklagten begründete. Das Militärtribunal verhängte jedoch die schwerste Strafe, die nach Art. 162d möglich war: zwei Jahre Freiheitsentzug in einer allgemeinen Haftanstalt. Wenige Wochen, nachdem der in den Kriegsgefangenenlagern aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen verhängte Ausnahmezustand aufgehoben worden war, sollte ein hartes Urteil in einem öffentlichen Prozess abschreckend wirken. 55 Am 28. August 1945 wurden im Lager 193 in Leningrad (Sankt Petersburg) drei deutsche Kriegsgefangene unter Arrest gestellt, weil sie „am 4. Juni 1945 gewaltsam in einen Lagerraum eingedrungen waren und von dort zwei Kisten mit 22,4 kg Zucker, zwei Kisten Fleischkonserven und 2 kg Fett gestohlen hatten". 36 Die gestohlenen Sachen hatten sie im Wald versteckt, sich dort bei Bedarf bedient und ihre Vorräte auch mit anderen Gefangenen geteilt. Bei der Gerichtsverhandlung am 1. Oktober 1945 wurde der jüngste der drei Angeklagten, der damals erst siebzehnjährige Hans F., gemäß Art. 162e als Anstifter des Vergehens zu fünf Jahren ITL verurteilt. Die beiden Mitangeklagten erhielten je vier Jahre ITL. Zwei Tage später reichten die drei Verurteilten ihre Berufungsschreiben ein. Die hilflos-naiven Formulierungen im Schreiben Hans F.s belegen, wie fremd vielen deutschen Kriegsgefangenen die Mentalität der sowjetischen Organe blieb: „Ich bitte das Gericht dieser Stadt, meine Strafsache an ein höheres Gericht zwecks nochmaliger Verhandlung zu überweisen. Da mir die Verurteilung zu fünf Jahren Arbeitslager als zu hoch bemessen scheint, bitte ich das hohe Gericht um Milderung der Strafe. Gleich34 35 36
Akte Nr. V-80 (CA MVD). Direktive MVD Nr. 2 2 vom 28.1.1947 (RGVA, f. lp, op. 5i, d. 14,1. 12). Akte Nr. V-367 (CA MVD).
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zeitig erfrage ich, ob die Möglichkeit besteht, den Schaden durch einen Geldbetrag zu begleichen, den meine Eltern überweisen könnten." Nachdem das Militärtribunal des Bezirks Leningrad die Berufung Ende Oktober 1945 abgelehnt hatte, verbüßte Hans F. fast seine gesamte Strafe, bis er im April 1950 in die Heimat „ausgewiesen" wurde.37 Über das weitere Schicksal der beiden Mitangeklagten liegen keine Zeugnisse vor. Im folgenden Fall wurde das Gesetz vom 7. August 1932 angewendet. Das Beispiel zeigt schlaglichtartig die unverhältnismäßige Härte dieses sowjetischen Gesetzes. Wie in vielen gleichgelagerten Fällen ermittelte hier das Gericht den finanziellen Schaden der Tat, der das Strafmaß mitbestimmte. Zugleich wird deutlich, dass die Untersuchungs- und Gerichtsorgane einen gewissen Ermessenspielraum besaßen: Obwohl dem Angeklagten eine absichtliche Schädigung von Maschinen unterstellt wurde, blieb es bei einer Anklage nach dem Gesetz vom 7. August 1932. Ähnliche Fälle wurden andernorts als „Sabotage" nach Art. 58,14 StGB RSFSR verfolgt. Der aus Westfalen stammende Tischler Paul W. wurde im Oktober 1946 im Lager 217 in Kramatorsk, südlich von Char'kov, verhaftet, weil er einen Riemen von einer Zerkleinerungsmaschine abgeschnitten hatte - mit der Folge, dass die Arbeit in der Halle, in der die Maschine stand, für anderthalb Tage ruhen musste. In seinen Aufzeichnungen zum Tathergang führte der Beschuldigte aus, dass er den Riemen für seine Stiefel hatte verwenden wollen. 38 Obwohl der Mangel an Kleidung in den Gefangenenlagern in der Kriegsgefangenenverwaltung in Moskau aktenkundig war, 39 argumentierte die Anklage unerbittlich: „Der Diebstahl des Riemens erfolgte bewusst, da seine Stiefel keiner Reparatur bedurften. Mit seinem Diebstahl fügte er dem Staat einen Schaden von 2 029 Rubeln zu, da in der Zeit, als die Zerkleinerungsmaschine nicht arbeitete, 150 Stahlbetonplatten nicht bearbeitet werden konnten." In der Gerichtsverhandlung vom 20. November 1946 folgte das Militärtribunal des Bezirks der Anklage und verurteilte Paul W. nach dem Gesetz vom 7. August 1932 zu 10 Jahren ITL. Dass es innerhalb der Justiz selbst uneinheitliche Rechtsauffassungen gab, belegt das folgende Fallbeispiel. Obwohl das höchste Gericht den milderen Artikel des Strafgesetzbuchs für angemessen hielt, urteilte das MVD-Tribunal nach dem Gesetz vom 7. August 1932. Im Februar 1947 wurden 16 deutsche Kriegsgefangenen in einem Lager bei Leningrad inhaftiert, weil sie beim Abladen eines Waggons Säcke mit insgesamt angeblich 746 kg Gerste an sich genommen und versteckt hatten. Die Anklageschrift basierte auf dem Gesetz vom 7. August 1932 und wurde in dieser Form in der am 16. Mai 1947 stattfindenden vorbereitenden Sitzung des Gerichts akzeptiert. Das Militärkollegium des Obersten Gerichts forderte je37 38 39
Zur Repatriierung vgl. Anm. 1 sowie Hilger, Faustpfand, in diesem Band. Akte Nr. V-14 241 (CA MVD). Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 126, Anm. 682, sowie S. 146f. Vgl. die Verfügung NVKD Nr. 13 vom 13.1.1945 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 193,1. 22).
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doch die Umqualifizierung der Anklage auf den Art. 162d. Trotzdem beharrte das Militärtribunal in einer zweiten vorbereitenden Sitzung auf der Anwendung des Gesetzes vom 7. August 1932. Dementsprechend wurden die 16 Angeklagten am 25. August 1947 durch das Militärtribunal des Bezirks Leningrad verurteilt, 13 von ihnen zu zehnjährigen ITL-Strafen. Die anderen drei erhielten als angeblich Hauptschuldige (nach Abschaffung der Todesstrafe) eine 25jährige ITL-Strafe. Trotz der hohen Haftstrafen wurden die 13 Gefangenen im Jahr 1950 repatriiert. 40 Der Verbleib der drei anderen blieb ungeklärt. Für einen von ihnen wurde am 26. Dezember 1947 in einem Lager bei Novosibirsk eine Sterbebescheinigung ausgestellt, von der seine Ehefrau fast dreißig Jahre später durch die sowjetischen Rotkreuzgesellschaften erfuhr. Die Todesursache wurde nicht genannt. 41 Im folgenden Fallbeispiel geht es um eine Verurteilung nach den Dekreten vom 4. Juni 1947, die den „Schutz des öffentlichen und staatlichen Vermögens" verstärken sollten. In dem hier beschriebenen Fall ist ebenfalls ein gewisses Maß an juristischer Selbständigkeit in der Rechtsfindung zu erkennen; solche Spielräume kommen in vielen Verhandlungen zum Vorschein, wirkten sich jedoch nicht immer zugunsten des Angeklagten aus. Der deutsche Kriegsgefangene Alfred P. wurde am 8. September 1947 im Lager 236 in Tiflis durch den operativen Bevollmächtigten verhaftet. Der Grund: „Der Kriegsgefangene P. befand sich auf einer Baustelle in Tiflis, von wo er sich am 30. August 1947 entfernte und in Tiflis drei Einbrüche in Wohnungen verübte, bei welchen er Lebensmittel und Kleidung an sich nahm." 4 2 Mit dieser Beute wurde er nach einer Leibesvisitation schließlich festgenommen. In den Verhören gestand Alfred P. den Diebstahl von Kartoffeln, Hosen, Brot, Seife und Wurst. Laut den Verhörprotokollen gab er zu, auch Diebstähle im Lager verübt und aus einem Magazin 100 Packungen Papirossy entwendet zu haben. Andere Kriegsgefangene sagten in den Verhören aus, dass sie dem Kriegsgefangenen P. Papirossy abgekauft hätten. In der Charakteristik der Lagerverwaltung erschien P. als Arbeitsverweigerer und Simulant. Am 6. Dezember 1947 wurde P. die Anklageschrift vorgelegt. Die Anklage nach dem Dekret vom 4. Juni 1947 wurde in der Gerichtsverhandlung am 15. Dezember durch das Militärtribunal des Bezirks Tiflis um den zweiten Ukaz vom 4. Juni „Über die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die rechtswidrige Aneignung von staatlichem und öffentlichem Vermögen" erweitert. Das Gericht sah den Diebstahl der Papirossy aus staatlichem Besitz als schwerwiegender an als den Diebstahl von Lebensmitteln aus Privathaushalten: 15 Jahre ITL lautete die Strafe für die Papirossy, acht Jahre ITL für die Wohnungseinbrüche - zusammengezogen: 15 Jahre ITL. 40
41 42
Vgl. auch Akte Nr. V-20 8 4 6 (CA MVD). Im Februar 1948 nach den Dekreten vom 4 . 6 . 1 9 4 7 zu 20-jähriger ITL-Haft verurteilt, wurden die beiden Gefangenen im April 1950 ebenfalls aus der UdSSR „ausgewiesen" und repatriiert. Akte Nr. V-561 (CA MVD). Akte Nr. V-21477 (CA MVD).
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Gefangene konnten auch für Diebstähle an ihren Mitgefangenen belangt werden. Allerdings kam das nur selten vor. Das Strafrecht bot den Ermittlungsorganen durchaus die Möglichkeit, gegen die „Kameradendiebe" zu ermitteln. In der Regel überließen die Organe die Regelung solcher Taten indes den Betroffenen selbst. Implizit gestanden sie den Gefangenen damit einen besonderen Status zu, der sie nicht den Gesetzen der Gewahrsamsmacht unterwarf. Dieser Sonderstatus galt freilich nur, solange er deren unmittelbaren Interessen nicht zuwiderlief. 43 Letzteres war bei Arno F. aus Riegenhausen bei Meiningen der Fall; er wurde im Februar 1948 im Lager 4 4 4 in Mingecaur, Azerbajdzan, verhaftet. „Der Kriegsgefangene Arno F. hat seit Januar 1947 systematisch Privat- und Staatseigentum gestohlen. Von Juli 1947 bis 2 5 . Januar 1948 entwendete er sowohl persönliche Sachen von Mitgefangenen als auch Lagereigentum, darunter eine Decke, sieben Mehlsäcke, Wattejacken, eine Hose, ein Kopfkissen, eine Jacke, ein Hemd und ca. 2 0 1 Roggen aus der Kriegsgefangenenküche. Die gestohlenen Sachen hat er an Privatpersonen verkauft." 4 4 Die bestohlenen Kameraden zählten die diversen Gegenstände auf, die F. an sich genommen hatte. In den Verhören gestand F. die Diebeszüge: Der Hunger habe ihn dazu getrieben. Die Anklage datierte vom 17. März. Drei Tage nach der vorbereitenden Sitzung am 28. März folgte die Gerichtsverhandlung vor dem Militärtribunal Azerbajdzans. Wegen Diebstahls von staatlichem Vermögen wurde gegen F. eine 20-jährige ITL-Strafe verhängt, die Kameradendiebstähle schlugen mit lediglich sechs Jahren zu Buche. Beide Strafen wurden zu 2 0 Jahren zusammengezogen. In seiner Berufung führte F. als Tatmotiv nochmals den ständigen Hunger an: „Viele dieser genannten Sachen sind mir wieder abgenommen und dem Staat zurückgegeben worden. [...] Obwohl ich versucht habe, mir zusätzliche Nahrung zu beschaffen, befinde ich mich in der 3. Kategorie Dystrophie. [...] Ich bitte um mildere Bestrafung." Trotz des unstrittigen Krankheitsbildes lehnte das Militärkollegium des Obersten Gerichts am 15. Mai 1948 die Berufung ab. Die Anwendung des Art. 193,14a 4 5 entsprang dem Bemühen, Alltagsdelikten der Kriegsgefangenen passende militärstrafrechtliche Artikel des StGB der R S F S R zuzuordnen. Art. 193,14a stellte ζ. B. die unerlaubte Veräußerung von Bekleidungsstücken, die Militärpersonen zum Gebrauch überlassen worden waren, unter Strafe. 4 6 Mit den Verurteilungen wurden Kriegsgefangene krimi43
44 45
46
Z u m ausgeprägt pragmatischen Handeln, das sich kaum an existierende Normen gebunden fühlte, vgl. Hilger/Petrov/Wagenlehner, „Ukaz 4 3 " , sowie Hilger, Die sowjetischen Straflager, in diesem Band. Akte Nr. V-17 0 2 0 (CA MVD). Art. 193,14a: „Gesetzwidrige Veräußerung, Verpfändung oder Gebrauchsüberlassung von fiskalischen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken, die zu vorübergehender oder dauernder Benutzung ausgegeben sind (Vergeudung), vorsätzliche Vernichtung oder Beschädigung dieser Gegenstände sowie Verletzung der Bestimmungen über ihre Aufbewahrung ziehen nach sich - Freiheitsentziehung bis zu einem Jahr." Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 6 3 . Vgl. Befehl NKVD Nr. 0 0 1 2 8 6 vom 1 9 . 1 0 . 1 9 4 4 (GARF, f. 9 4 0 1 , o. l a , d. 162,1. 2 1 6 ) .
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nalisiert, die Kleidungsstücke tauschten oder verkauften und auf diese Weise in den Lagern oder außerhalb neue Quellen für ihre Zusatzversorgung suchten und fanden. Die IfA/HAIT-Datenbank verzeichnet für diesen Unterpunkt des Art. 193 insgesamt 66 Fälle. Das Strafmaß betrug in der Regel ein Jahr, sofern die Tat nicht mit anderen Vergehen in Zusammenhang stand. Im Fall des Kriegsgefangenen Oskar B. zeigt sich erneut, mit welchen Unwägbarkeiten in der sowjetischen Rechtsprechung zu rechnen war. In diesem konkreten Fall hatte die Berufung eines Verurteilten Erfolg, weil die Richter des Militärkollegiums des Obersten Gerichtshofs ausnahmsweise die Befehle des Innenministeriums in ihre Erwägungen mit einbezogen. Im Januar 1949 wurde der aus Köln stammende Kriegsgefangene Oskar B. im Lager 315 in Dnepropetrovsk verhaftet, weil er, so der Haftbefehl, „von November bis Dezember 1948 aus Sabotageabsichten systematisch den Arbeitsplan nicht erfüllt hat. Außerdem hat er am 29. November neue Stiefel, die er im Lager erhalten hatte, aus der Lagerzone herausgeschafft und an einen unbekannten Mann für 45 Rubel weiterverkauft. Demzufolge hat er sich nach Art. 206,2a und nach Art. 206,14a StGB USSR [entspricht den Art. 193,2a und 193,14a StGB RSFSR, d. Verf.] schuldig gemacht." 47 B. hatte nach eigener Aussage mit dem Glauben an eine Heimkehr auch jeden Arbeitswillen verloren. So tauschte er seine Stiefel, die er Ende November zugeteilt bekommen hatte, für 45 Rubel, anderthalb Kilo Brot sowie ein Paar alte Stiefel ein. Mit dem Geld wollte er sich zusätzliche Nahrung kaufen, da er wegen ständiger Normunterfüllung kein Geld besaß. Eine Expertise des Lagers bezifferte die finanzielle Einbuße durch den Stiefelverkauf auf 140 Rubel. Am 22. Februar wurde Oskar B. vor das Militärtribunal des Bezirks Dnepropetrovsk gestellt, das ihn gemäß der Anklage nach den Art. 206,2a und 206,14a zu fünfjähriger ITL-Haft verurteilte. B. reichte die übliche Berufung ein, die in seinem Fall unerwartete Folgen zeitigte. Das Militärkollegium verlangte eine Neuaufnahme des Verfahrens. Die Anklage nach Art. 206,2a sei fallen zu lassen, da sie unmöglich bewiesen werden könne: Der NKVD-Befehl Nr. 0249 vom 29. September 1945 schreibe vor, nur die Leistungen der Arbeitsbrigaden, nicht aber die einzelner Personen zu berechnen. 48 B. wurde am 6. April 1949 durch das Militärtribunal des Bezirks Kiev nach Art. 206,14a StGB USSR zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt.
47 48
Akte Nr. V-12 9 2 4 (CA MVD). Art. 193,2a verfolgt die Verweigerung eines Dienstbefehls. Gemeint waren die Normvorgaben im Arbeitseinsatz. Befehl NKVD Nr. 0 2 4 9 vom 2 9 . 9 . 1 9 4 5 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 20,1. 1 2 7 - 1 2 9 ) .
Lageralltag und Strafìustiz 4.
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Alltagsdelikte u n d Kriminalverbrechen: „Amtsverbrechen" u n d „Verbrechen gegen das Leben, die Gesundheit, die Freiheit u n d die W ü r d e der Persönlichkeit" 4 9
Die Verurteilungen aufgrund dieser höchst unterschiedlichen Artikel illustrieren die Bandbreite von Verhaltensweisen und Delikten, die eine strafrechtliche Verfolgung auslösten. Mit 485 Fällen ist der Anteil der Verurteilungen in dieser Kategorie zwar relativ gering. Doch auch sie verweisen darauf, dass die Mehrzahl der Straftaten im Kontext der Lagerbedingungen zu sehen ist und dass die juristischen Interpretationen der Ermittlungs- und Gerichtsbehörden sowie die Strafzumessungen die Zwangslage der Kriegsgefangenen kaum berücksichtigten. 41 Gefangene wurden wegen Körperverletzung (Art. 142-146), neun wegen homosexueller Handlungen (Art. 154a) und knapp 90 wegen „rowdyhafter Handlungen" (Art. 74 ) 50 verurteilt. Drei Gefangenen legte man gar die Weitergabe von Dienstgeheimnissen (Art. 121) zur Last. Ein solcher Fall wurde im August 1946 in Celjabinsk verhandelt. Der aus Frankfurt am Main stammende Kriegsgefangene Werner Th. wurde wegen der „Verbreitung, Mitteilung, Weitergabe oder zwecks Weitergabe vorgenommene [n] Sammlung von Nachrichten, deren Bekanntgabe nicht gestattet ist, durch einen Beamten" 51 [sie!] verurteilt. Einzig und allein das MVD-Tribunal in Celjabinsk sah diesen Tatbestand bei Kriegsgefangenen, die als Informanten des NKVD/MVD ihren Mitgefangenen gegenüber ihre Schweigepflicht brachen, als gegeben an. Werner Th. hatte im Verhör im Juni 1946 folgende Aussage gemacht: "Ab September 1945 war ich geheimer Mitarbeiter, ich machte das freiwillig. Da ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte, als man mir den Vorschlag machte, Geheimagent im Lager zu werden, beriet ich mich mit F., den ich als Zeugen haben wollte, auch für den Fall, dass wir in die Heimat zurückkommen. [...] F., den ich gut kenne, riet mir, den Vorschlag anzunehmen, wenn sich dadurch meine Lage im Lager verbessern würde. [...] Auch anderen Kameraden erzählte ich im Lauf der Zeit von meiner geheimen Tätigkeit. [...] Mein Pseudonym lautete Klepke." Die Vertrauensseligkeit des Informanten wurde mit drei Jahren ITL bestraft. 52 Urteile wegen Körperverletzung oder gar Mord spiegeln den brutalen Überlebenskampf wider, der in den Kriegsgefangenenlagern herrschte. Streitigkeiten, vor allem um das Essen oder um Ungerechtigkeiten im Arbeitseinsatz, mussten unter den eingeschränkten Lebensverhältnissen der Gefangenen zu schweren Konflikten führen. Bis heute ist dazu nur sehr wenig aus Erzählun49 50 51 52
Sechstes Kapitel des StGB der RSFSR. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 46. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 28. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 42. Akte Nr. V-16 410 (CA MVD). Vgl. dazu Akte Nr. V-16427 mit einem nahezu identischen Fall aus dem Sommer 1947 (CA MVD).
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gen bekannt. 5 3 Tatsächlich wurden Kriegsgefangene wegen tätlicher Angriffe auf Kameraden oder sogar wegen Mordes an Mitgefangenen in einigen Fällen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. 5 4 Häufig ging es in solchen Fällen um Selbstjustiz, mit der Diebstähle von Lebensmitteln oder persönlicher Habe sowie Spitzel abgestraft wurden. Auch wenn die Lagerverwaltungen bei den sogenannten „Kameradendiebstählen" in der Regel die Augen schlossen, so griffen sie doch in schweren Folgen von Selbstjustiz ein. Ein solcher Fall spielte sich im Februar 1947 im Lager Nr. 441 (Georgien) ab. Die drei Kriegsgefangenen Paul H. aus Bochum, Karl G. aus Bistritz in Rumänien und Hans Sch. aus Hansenberg in der Pfalz hatten, so die Beschuldigung, „die beiden Kriegsgefangenen Kurt A. und Walter K. mit Gummistöcken und Riemen so verprügelt, dass der Kriegsgefangene Kurt A. seinen Verletzungen erlag und Walter K. bis auf weiteres in stationärer Behandlung bleiben" musste. 5 5 In den Verhören stellte sich folgender Tathergang heraus: Paul H. hatte am 2 8 . Januar 1947 nach der Arbeit entdeckt, dass seine Decke verschwunden war. Er meldete dies umgehend einem deutschen Funktionsträger der Selbstverwaltung, der daraufhin alle Arbeitskollegen H.s überprüfte. Die Decke fand sich beim Kriegsgefangenen Kurt Α., der sie unter seinem Mantel um den Körper gewickelt hatte. Mit den beiden Ohrfeigen, die Paul H. dem vermeintlichen Dieb auf Anweisung des Funktionsträgers gab, war der Fall jedoch nur scheinbar „bereinigt". Paul H., Karl G. und Hans Sch. beschlossen nämlich, Kurt A. einen „Denkzettel zu verpassen" und fingen ihn bei seiner Rückkehr um Mitternacht ab. Mit einem Gummistock, einem Holzprügel und einem Lederriemen schlugen die drei auf das Opfer ein, bis Kurt A. bewusstlos wurde und später an Nierenversagen verstarb. Ein ihm zu Hilfe geeilter Gefangener, Walter K., war, wie sich im folgenden Wortgefecht ergab, der wirkliche Dieb gewesen, von dem A. die Decke nur zum Weiterverkauf erhalten hatte. H., G. und Sch. verprügelten nun auch Walter K., der schwere Blutergüsse davontrug. Während der deutsche Funktionsträger die brutale Aktion hinnahm, ging der sowjetischen Lagerverwaltung diese Form von Selbstjustiz zu weit. Sie verhängte über den Funktionsträger und zwei weitere Zuschauer der Schlägerei zehn Tage strengen Arrests, weil sie den Totschlag nicht verhindert hatten. Gegen die Schläger selbst bereiteten die operativen Organe eine Anklage wegen „vorsätzlicher schwerer Körperverletzung" mit Todesfolge nach Art. 151 StGB G S S R (entspricht Art. 142 StGB R S F S R ) 5 6 vor. Nachdem die Zuschauer in der Gerichtsverhandlung am 25. Oktober 1947 vor dem Militärtribunal der Georgischen S S R den Tathergang noch einmal bezeugt hatten, wurde Paul H. 53
54 55 56
Vgl. Diether Cartellieri, Die Lagergesellschaft. Eine Untersuchung der zwischenmenschlichen Beziehungen in den Kriegsgefangenenlagern (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges II), München 1967. Vgl. Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. 3 6 9 f f . IfA/HAIT-Datenbank: 2 6 Fälle Akte Nr. V - 2 1 4 7 0 (CA MVD). Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 4 8 .
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zu acht Jahren ITL verurteilt; Karl G. und Hans Sch. kamen mit je fünf Jahren davon. Alle drei wurden im Frühjahr 1950 repatriiert. Die folgende Fallgeschichte beleuchtet eine andere Konfliktsituation in den Kriegsgefangenenlagern. Hier ging es um einen Mord, den zwei Kriegsgefangene an einem Mitgefangenen begangen hatten. Bei der Strafbemessung stellte das Gericht in diesem Fall eine Mischung persönlicher und politischer Motive in Rechnung. Am 12. Juni 1947 verhaftete der operative Offizier des Lagers 57 (Litauen) zwei Kriegsgefangene wegen Mordverdachts. 57 Der Verdacht erwies sich als begründet: Gerhard B. aus Württemberg und Klaus W. aus Heidelberg hatten in der Nacht vom 4. zum 5. Juni 1947 ihren Mitgefangenen K. erschlagen. Der Mordfall hatte eine komplizierte Vorgeschichte. Gerhard B. war 1944 von einem deutschen Militärgericht zum Tode verurteilt worden. Nachdem ihm die Flucht geglückt war, schloss er sich sowjetischen Partisanen an. In der Roten Armee war er dann für erste Vernehmungen deutscher Kriegsgefangener und in den Kriegsgefangenenlagern schließlich für die Fahndung nach „verbrecherischen Gruppierungen" zuständig. Bis zu dem Mord hatte sich Klaus W. aus der Sicht der Lagerverwaltung nichts zuschulden kommen lassen. Auch über das Mordopfer hatten die operativen Organe bis zur Tat keinerlei belastende Materialien gesammelt. In seiner Charakteristik durch die Lagerverwaltung hieß es, K. sei bis zu seiner Gefangennahme als Major Militärrichter in der 131. Infanteriedivision gewesen. „Während seiner Gefangenschaft ging er keiner Arbeit nach und verhielt sich ruhig." In der Gerichtsverhandlung am 2 2 . Dezember 1947 sagte Gerhard B. aus, er habe bei einer Leibesvisitation des Majors ein Tagebuch gefunden, in dem K. seine Tätigkeit als Militärrichter festgehalten hatte. „Ich empfand gegenüber K. reinen Hass. Solche Menschen wie er waren schuld, dass ich meine ganze Familie verloren habe." Anstatt K. jedoch den sowjetischen Organen für weitere Ermittlungen zu übergeben, lockten B. und W. ihn in der Nacht in eine Werkstatt. Sie zwangen ihn niederzuschreiben, wie viele Personen er als Militärrichter zum Tode verurteilt habe. Der Major zeichnete demnach für Todesurteile gegen zwei Russen, zwölf Esten, sieben Letten und fünf Litauer verantwortlich. Daraufhin schlugen B. und W. mit einem Hammer und einem Lötkolben so lange auf K. ein, bis er tot war. Anschließend schnitt ihm B. noch die Kehle durch. B. und W. wurden nach Art. 137 StGB R S F S R zu fünf Jahren ITL, davon ein Jahr auf Bewährung, verurteilt. Art. 137 verfolgte die vorsätzliche Tötung, die nicht „aus Gewinnsucht, Eifersucht [...] oder aus anderen niedrigen Beweggründen" 58 verübt wurde. Ein besonderes Kapitel unter den Verurteilungen wegen Lagervergehen ist die Verfolgung von Homosexualität. Zum einen war dieses Thema unter den Kriegsgefangenen nach ihrer Entlassung in der Regel tabuisiert; zum andern spiegelt sich in den Urteilen die konservative Kehrtwende des sowjetischen 57 58
Akte Nr. V - 2 0 9 4 0 (CA MVD). Daraus auch die folgenden Zitate. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 4 6 .
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Strafrechts seit den dreißiger Jahren wieder. 59 An Sexualität war während der schweren Hungerjahre ohnehin kaum zu denken. In nur wenigen Berichten von Heimkehrern ist von Sexualität in der Gefangenschaft die Rede: Manche Kriegsgefangene hatten z.B. zu den Frauen des Lagerpersonals oder am Arbeitsplatz sexuelle Beziehungen. 60 Nach unseren Informationen wurden neun Kriegsgefangene wegen Homosexualität verurteilt; das durchschnittliche Strafmaß betrug fünf Jahre. In dem hier skizzierten Fall handelte es sich um den Chefbäcker des Lagers Nr. 256 in Krasnyj Luc (Ukraine), Friedrich D., der im Mai 1948 verhaftet wurde. D. hatte einen ihm untergebenen Gefangenen unter der Androhung, ihn aus der Bäckerei zu entfernen, zu sexuellen Beziehungen mit ihm genötigt. Das Militärtribunal des Vorosilovgrader Bezirks (heute Lugansk) verurteilte den Bäcker nach Art. 154a („Homosexualität mit Abhängigen") zu sieben Jahren ITL. Der genötigte Kriegsgefangene Michael S. aus Bayern wurde nicht strafrechtlich verfolgt. Friedrich D. wurde im April 1950 repatriiert. 61
5.
L a g e r v e r g e h e n als „militärische" 6 2 u n d „staatspolitische" V e r b r e c h e n
Als „Militärverbrechen" betrachtete das sowjetische Militärstrafrecht 63 „Verbrechen, die gegen die die Leistung des Militärdienstes regelnden Vorschriften verstoßen und von [aktiven] Militärpersonen und Reservisten der Roten Armee der Arbeiter und Bauern während ihres Dienstes in der Roten Armee der Arbeiter und Bauern begangen werden". 6 4 In 31 Artikeln waren die Tatbestände definiert und ihre Ahndung durch straf- oder disziplinarrechtliche Verfolgung vorgegeben. 65 59 60
61 62 63
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Vgl. Albrecht Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr. Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, München 1986, S. 86ff. Vgl. Heinz-Heinrich Meyer, Kriegsgefangene im Kalten Krieg. Die Kriegsgefangenenpolitik der Bundesrepublik Deutschland im amerikanisch-sowjetischen Machtkampf von 1950 bis 1955. Hg. von Hein Mayer, Osnabrück 1998, S. 40; Josef Bukin, Das Schicksal und sein Dämon. Elf Jahre, vier Monate und sechzehn Tage Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion 1 9 4 4 - 1 9 5 5 , Bad Godesberg 1985, S. 237 über Prostitution am Arbeitsplatz. Frühere Belege betreffen ausnahmslos deutsche Funktionsträger der Lagerselbstverwaltung. Vgl. den Bericht über den Zustand des NKVD/MVD-Lagers Nr. 163 zum 1.1.1945. Aus dem NKWD-Archiv Stalingrad (Wolgograd) 1 9 4 3 - 1 9 5 5 , Wolfsburg o. J„ S. 4 5 - 5 0 . Akte Nr. V-12 4 2 0 (CA MVD). Neuntes Kapitel des StGB der RSFSR. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 59. Die Bestimmungen der Verordnung von CIK und SNK vom 27. Juni 1927 waren in der Regel in eigene Artikel der Strafgesetzbücher der Republiken übernommen worden. Nur in Georgien urteilten die Gerichte auf der Grundlage der ursprünglichen Verordnung. Art. 193,1 StGB RSFSR. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 59. Art. 193,14 beispielsweise sah für die „gesetzwidrige Veräußerung und Verpfändung von fiskalischen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken, die zu vorübergehender oder
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Die Verordnung über die Kriegsgefangenen vom 1. Juli 1941 antizipierte zunächst nur die „Nichtausführung von Befehlen der [den Kriegsgefangenen] vorgesetzten Personen, Widerstand gegen solche Personen und Beleidigung derselben bei der Ausführung ihrer Befehle" und stellte sie den entsprechenden „Verbrechen" in der Roten Armee gleich. 6 6 Für andere Verbrechen verwies die Verordnung pauschal auf die „Gesetze der UdSSR und deren Gliedstaaten". 6 7 „Für Vergehen, die nicht unter das allgemeine Strafrecht fallen, werden die Kriegsgefangenen disziplinarisch bestraft [...] - in Anlehnung an die Disziplinarordnung der Roten Armee." 6 8 Die Gruppe der wegen militärischer Vergehen Verurteilten bildet - wie gesagt - mit insgesamt 9 0 2 Personen die zweitgrößte der wegen Lagervergehen verurteilten Kriegsgefangenen. Die meisten Verurteilungen (514 Urteilssprüche) basierten auf Art. 193,2 („Nichtbefolgung eines Dienstbefehls"), 6 9 der vorrangig Fälle von Arbeitsverweigerung verfolgte. In immerhin 4 5 2 Fällen wurden tatsächliche oder vermeintliche Selbstschädigungen militärstrafrechtlich verfolgt (Art. 193,12). Nur 3 0 deutsche Kriegsgefangene wurden nach Art. 193,3 („Widerstand gegen eine ihre militärischen Dienstpflichten erfüllende Person") 7 0 und 6 6 , wie bereits erwähnt, nach Art. 193,14a vor Gericht gestellt. 71 Wie die Verurteilungspraxis nach Art. 193,14a gezeigt hat, ließ die Juli-Verordnung auch in der Anwendung des Strafrechts auf Kriegsgefangene Gerichten und Untersuchungsbehörden weite Interpretationsmöglichkeiten. Schwerwiegende Folgen zeitigten solche Spielräume vor allem dann, wenn bestimmte Handlungen aus ihren Kontexten gerissen, als „konterrevolutionäre Verbrechen" interpretiert und nach den Artikeln aus dem berüchtigten ersten Kapitel des Besonderen Teils des StGB der R S F S R („Staatsverbrechen") abgeurteilt wurden. 7 2 Arbeitsverweigerung oder Ungehorsam konnten dann nämlich entgegen den Bestimmungen der Verordnung vom 1. Juli 1941 - in stalinistischer Tradition als „Staatsverbrechen" interpretiert und nach Art. 5 8 geahndet werden. Diese Umdeutungen lassen sich nur aus der Tradition der Repressionsapparate des N K V D / M V D erklären, die - mehr aus Gewohnheit denn aus Erfahrung - selbst kriegsgefangenen Ausländern umstandslos politisch motivierte, in sowjetischem Duktus „konterrevolutionäre" oder „besonders gefähr-
66 67 68 69 70 71 72
dauernder Benutzung ausgegeben worden waren", Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder, „bei Vorliegen mildernder Umstände", die „Anwendung der Bestimmungen der Disziplinarordnung der Roten Armee der Arbeiter und Bauern" vor. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 6 3 . Wie Anm. 5. Ebd. Ebd. Zu den disziplinarrechtlichen Regelungen im Arbeitseinsatz vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 1 8 4 f. mit den entsprechenden Belegen. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 5 9 . Ebd., S. 6 0 . Vgl. Abschnitt 3.1. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 16.
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liehe" „Staatsverbrechen" und „Verbrechen gegen die Verwaltungsordnung" 7 3 , anlasteten und damit zugleich ihre eigene Wachsamkeit gegenüber politischen Gegnern demonstrierten. Im Ergebnis ist dies die zwingende Konsequenz eines insgesamt recht einfach gestrickten, aber von höheren Instanzen forcierten Weltbildes, in dessen Kategorienschema gewandelte oder neu auftretende Phänomene nur schwer eingepasst werden konnten. Die Tendenz zur politisierenden Strafverfolgung ist bereits in den wenigen, während der Kriegsjahre durchgeführten Verfahren wegen angeblicher Lagerverbrechen festzustellen, in denen Kriegsgefangene wegen „antisowjetischer Agitation", „konterrevolutionärer Aufstände" im Gefangenenlager oder der „Spionage" angeklagt wurden. 74 In der Tat entsprach die Verfahrensweise der lokalen und regionalen Dienststellen sowie vieler Gerichte in diesen Jahren den Erwartungen der operativen Führung der UPVI/ GUPVI und des N K V D / M V D , die die Aufmerksamkeit der Organe vor Ort gezielt und mit expliziter Interpretationsvorgabe nicht auf konkrete Fälle von Befehlsverweigerungen lenkte, sondern der „Bandenbildung", „Wühlarbeit" oder ,,organisierte[r] Sabotage" nachspürte. 7 5 In diametralem Gegensatz zu solchen Anweisungen hatte das Militärkollegium des Obersten Gerichts im Juni 1945 in einem Prozess wegen Selbstschädigung die Abänderung eines Urteils (von Art. 58,14 auf Art. 193,12) entschieden, da - so die wichtige, für weitere Verfahren allerdings folgenlose Begründung - Verstöße der Kriegsgefangenen gegen die Lagerordnung gemäß Punkt 2 6 der Verordnung vom 1. Juli 1941 zu ahnden seien. 7 6 Die „richtige" Interpretation der Vergehen und ihre Einordnung unter die „Staats- und Militärverbrechen" stellte die zuständigen Militärgerichte immer wieder vor große Probleme. Davon zeugen 63 Umqualifizierungen höherer Instanzen, die die Urteilsgrundlagen von Art. 5 8 auf Art. 193 - oder umgekehrt - abänderten. 7 7 Diese Berufungsverfahren deuten zugleich auf gewisse, wenn auch begrenzte Freiräume unterer Ebenen und auf Diskrepanzen innerhalb der stalinistischen Justiz- und Polizeiapparate hin, die noch weiterer Forschungen bedürfen. Einen weiteren wichtigen Anlass für die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsgefangenen boten, wie die folgenden Fallbeispiele veranschaulichen, Vergehen im Zusammenhang mit dem Arbeitseinsatz der Gefangenen. Seit jeher hatte 73 74
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Art. 5 8 f . StGB RSFSR. Ebd., S. 16 und S. 2 0 . Vgl. das Schreiben Vysinskijs an Molotov vom 5 . 1 2 . 1 9 4 2 über einzelne Todesurteile gegen deutsche Kriegsgefangene (AVP RF, f. 0 5 4 , op. 21, p. 5 2 3 a , d. 57,1. 2 5 ) , hier zitiert nach dem Abdruck in Viktor B. Konasov, Sud'by nemeckich voennoplennych ν SSSR: diplomaticeskie, pravovye i politiceskie aspekty problemy. Ocerki i dokumenty, Vologda 1 9 9 6 , S. 108. Vgl. Akte Nr. V-17 8 2 2 (CA MVD). Vgl. u. a. die Direktive NKVD Nr. 136 vom 1 5 . 8 . 1 9 4 5 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. l a , d. 192, 1. 21 f.). Vgl. den Vortrag des Operativen Leiters der GUPVI, Kobulov, am 2 3 . 3 . 1 9 4 6 vor Mitarbeitern der Lagerverwaltungen (GARF, f. 9 4 0 1 , op. la, d. 2 1 4 , 1 . 103ff.). Akte Nr. V-1 8 7 0 (CA MVD). IfA/ HAIT-Datenbank.
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der sowjetische Staat (sowjetische) „Bummelanten", Arbeitsverweigerer oder „Saboteure" mit unerbittlicher Härte verfolgt. 7 8 Die immense wirtschaftliche Bedeutung, die der Arbeit der Kriegsgefangenen beigemessen wurde - ihr Einsatz in der sowjetischen Kriegs- und Volkswirtschaft war ein Hauptziel sowjetischer Kriegsgefangenenpolitik - , führte dazu, dass die operativen Abteilungen auch die Kriegsgefangenenarbeii strikt überwachten. Nach sowjetischer Auffassung galt es, die Arbeitsleistung der Gefangenen auch mit Mitteln des Strafrechts zu steigern. Ihre Informationen erhielten die operativen Organe von ihren Zuträgern sowie aus den Beurteilungen der Brigadiere oder Zugkommandanten über die ihnen unterstellten Kriegsgefangenen. Der starke Druck, der aus Moskau auf Lagerverwaltungen und -personal ausgeübt wurde, erklärt, dass nicht nur offene Streiks, sondern auch die Nichterfüllung von Arbeitsnormen über einen längeren Zeitraum hin als Arbeitsverweigerung verstanden wurden: Obwohl die katastrophale Ernährungslage und die extremen Arbeitsbedingungen, denen die Kriegsgefangenen unterworfen waren, ihre Arbeitskraft zwangsläufig erheblich reduzierten, sahen die operativen Offiziere der Stalinzeit in der Nichterfüllung der vorgegebenen Normen oft nur den systematischen Versuch der Gefangenen, die propagierte „Wiedergutmachungsarbeit" zu sabotieren.
5.1.
Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz: Arbeitsunfähigkeit, Befehlsverweigerung oder Sabotage?
Der im Folgenden geschilderte Fall wirft erneut ein Schlaglicht auf die Ermessensspielräume und unterschiedlichen Interpretationsschwerpunkte der Gerichte und Untersuchungsbehörden. In diesem Beispiel setzte das MVD-Militärtribunal seine Sicht der Dinge gegen die Untersuchungsorgane durch. Ein solcher Vorgang konnte - sowohl des geringeren Strafmaßes als auch der Urteilsbegründung wegen - direkte Konsequenzen für die Repatriierung haben: Die Chancen, im Frühjahr 1950 entlassen zu werden, waren für nach Art. 193 Verurteilte weitaus größer als für „konterrevolutionäre" Gefangene. 7 9 Im September 1946 wurden vier deutsche Kriegsgefangene vom Leitenden Untersuchungsführer der operativen Abteilung des Lagers 82 in Voronez verhaftet, „weil sie seit Mai des Jahres 1947 die Arbeit systematisch sabotierten, die Normen nicht erfüllten, den Großteil der Arbeitszeit auf der Arbeitsstelle untätig waren und den Anweisungen und Verwarnungen nicht Folge leisteten. Am 3. August desselben Jahres haben sie beim Niederreißen einer Wand des Voronezer Krankenhauses den Kriegsgefangenen R., ihren Brigadier, verprügelt". Die Anklage lautete auf „gegenrevolutionäre Sabotage, d.h. bewusste Nichterfüllung bestimmter Verpflichtungen oder deren vorsätzlich unzulängli78 79
Vgl. Solomon, Soviet Criminal Justice, besonders S. 2 9 9 f f . und S. 4 0 4 f f . Vgl. Anm. 1. Vgl. Hilger, Faustpfand, in diesem Band.
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che Erfüllung in der speziellen Absicht, die Macht der Regierung und das Funktionieren des Staatsapparates zu beeinträchtigen" (Art. 58,14). 80 Das MVD-Militärtribunal änderte die Anklage in der vorbereitenden Sitzung auf Art. 193,2c („Nichtbefolgung eines Dienstbefehls" durch eine Gruppe) und Art. 193,4b (gewaltsame „Nötigung einer militärische Dienstpflichten erfüllenden Person zur Verletzung dieser Pflichten" durch eine Gruppe). 8 1 Die neuen Anklagepunkte beschrieben den Tathergang ausführlicher. Vor allem aber nahmen sie der Anklage tatgerecht die politische Schärfe: Die Gefangenen hatten in den Verhören ausgesagt, dass der Brigadier sie systematisch um Arbeitsprozente betrogen hatte und sie aus Protest weniger gearbeitet hätten. Die Gerichtsverhandlung vor dem Militärtribunal des Bezirks Voronez am 12. November 1946 endete für zwei der Kriegsgefangenen mit einer Verurteilung nach Art. 193,2c und 193,4b zu je sechs Jahren ITL: Die Gesamtstrafe wurde nach Art. 193,4b mit sechs Jahren ITL festgesetzt. Die zwei anderen Kriegsgefangenen erhielten gemäß Art. 193,2c eine vier- bzw. dreijährige ITLStrafe. Die Berufungsschreiben, in welchen sie um mildere Strafen baten, wurden am 29. November 1946 durch das Militärtribunal des Bezirks Moskau abgelehnt. Ungeachtet der unterschiedlichen Strafmaße wurden alle vier Haftstrafen am 30. April 1950 auf Beschluss des Militärkollegiums des Obersten Gerichts hin - durch die „Ausweisung" aus der UdSSR ersetzt. 82 Die pauschale Regelung galt selbst für den Gefangenen, dessen dreijährige Haftstrafe zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Monate abgelaufen war. Ahnliche Mechanismen der Rechtsfindung lassen sich auch in anderen Fällen beobachten. Arbeitsverweigerung mit ihren ganz verschiedenen Ursachen Entkräftung oder Enttäuschung darüber, nicht bei den Repatriierten zu sein, Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen oder zu geringe Entlohnung, mangelnde Arbeitsmotivation oder politische Einstellung u. a. m. - konnte von den Militärtribunalen als „gegenrevolutionäre Sabotage" (Art. 58,14) eingestuft werden und mit dem Tod durch Erschießen, aber auch als „Nichtbefolgung eines Dienstbefehls" (Art. 193,2c) mit ITL-Strafen geahndet werden. So wartete Paul S. zwei Monate lang auf die Vollstreckung seines Todesurteils, bis er erfuhr, dass das Militärkollegium des Obersten Gerichts in letzter Instanz sein Urteil aufgehoben und statt dessen eine fünfjährige ITL-Haft festgesetzt hatte. Der in diesem Verfahren mitangeklagte Werner M. war noch vor der Gerichtsverhandlung an Dystrophie 3. Grades verstorben. 83 Wegen Befehlsverweigerung oder Widerstands gegen eine Militärperson sah das StGB der RSFSR nur in Ausnahmefällen die Todesstrafe vor. Die beiden einzigen dokumentierten Todesurteile nach Art. 193,3c („Widerstand", bei Vorliegen „erschwerender Umstände") verhängte das Militärtribunal Karagan80 81 82 83
Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 19 f. Ebd., S. 59 f. Akte Nr. V-21 5 0 0 (CA MVD). Akte Nr. V-17 0 0 4 (CA MVD). Zu ähnlich gelagerten Fällen vgl. die Akte Horst R. ( IfA/ H AIT-Archiv, Nr. G 0 0 6 8 2 ) sowie die Akte Otto G. ( If A / H AIT-Archiv, Nr. G0600).
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da (Kazachstan) Anfang 1945. In dem hier beschriebenen Fall war das Todesurteil, das in einem öffentlichen Prozess ausgesprochen wurde, weniger den „erschwerenden Begleitumständen" der Tat zuzuschreiben; in der Endphase des Kriegs sollte es vielmehr der Abschreckung dienen. Der in Potsdam geborene Kriegsgefangene Hermann B. wurde am 21. September 1944 im Lager Nr. 99 (Karaganda) verhaftet, weil er während seiner Arbeit im Schacht in der Nacht vom 13. zum 14. September 1944 den Aufseher Matveev geschlagen habe. Die Untersuchungsorgane befragten andere Kriegsgefangene über den Angeklagten, die B. unisono als schlechten Arbeiter bezeichneten, der ständig „antisowjetische Äußerungen" von sich gegeben habe. Der Aufseher selbst beschuldigte B. generell der Sabotage. Diese Aussagen flössen in die Anklage nach Art. 58,14 ein, die allerdings der gerichtlichen Prüfung nicht standhielt: Auf Vorschlag des Vorsitzenden änderte das Tribunal in der vorbereitenden Sitzung die Anklage auf die Art. 193,2d und 193,3c um. Das Gericht zeigte sich höchst unzufrieden mit der Ermittlungsarbeit der Organe und forderte zusätzliche Ermittlungen über den Gesundheitszustand B.'s. Die belastenden Aussagen der Zeugen waren dem Vorsitzenden zu pauschal. Neue Ermittlungen ergaben weitere Vorwürfe zu Befehlsverweigerungen, Sabotageakten und antisowjetischen Äußerungen, die indes allesamt unter die genannten Artikel des Militärstrafrechts subsumiert wurden. Trotz alledem wurde Hermann B. in der öffentlichen Verhandlung am 10. Februar 1945 vom Militärtribunal des Bezirks Karaganda zur Höchststrafe - Tod durch Erschießen - verurteilt. Das Militärkollegium des Obersten Gerichts lehnte die Berufung am 24. März 1945 ab. Ob das Urteil vollstreckt wurde, ist der Akte nicht zu entnehmen. Im Unterschied zu den bisher geschilderten Fällen kam zuweilen tatsächlich der Art. 58,14 StGB RSFSR zur Anwendung. Hinsichtlich der Tatbestände unterscheiden sich diese Fälle freilich kaum von jenen Delikten, die mitunter entgegen den Wünschen der Anklage - von den Gerichten nach militärstrafrechtlichen Vorschriften verfolgt wurden. Bernhard G. aus Oberschlesien wurde am 20. Januar 1947 im Lager 75 (Udmurtien, Russland) verhaftet, weil er angeblich „während seines Lageraufenthaltes die Arbeit sabotiert, Geräte kaputtgemacht und dem Zugführer angedroht hatte, ihn zu verprügeln, als dieser ihn zur Arbeit aufforderte". 84 Der Verhaftung gingen Befragungen der deutschen Lagerältesten und Zugführer voraus, in welchen sie über ihr Verhältnis zu dem Kriegsgefangenen G. Auskunft gaben. Die befragten Kriegsgefangenen sowie der Zugführer äußerten sich durchgehend negativ über ihn. Sie berichteten von Arbeitsverweigerungen, Simulationen, Schimpfkanonaden und Zerstörungen von Arbeitsmaterial. Die Aussagen und Arbeitsberichte sowie eine Gegenüberstellung des Gefangenen G. mit den Lagerfunktionären mündeten in ein Verfahren nach Art. 58,14 StGB RSFSR vor dem Militärtribunal der Tatarischen Autonomen Sozia84
Akte Nr. V-20 901 (CA MVD).
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listischen Republik ein. Die öffentliche Gerichtssitzung schloss mit G.s Verurteilung zu zehn Jahren ITL. Trotz des hohen Strafmaßes - als Mindeststrafe sah Art. 58,14 eine einjährige Haftstrafe vor - und obwohl seine „konterrevolutionäre" Gefährlichkeit nunmehr gerichtsnotorisch war, wurde Bernhard G. Anfang 1950 repatriiert. Der Kriegsgefangene Kurt R. aus Stettin war ebenfalls nach Art. 58,14 sowie wegen Körperverletzung nach Art. 142 angeklagt und vom Militärtribunal des Bezirks Voronez am 11. September 1946 zu fünf Jahren ITL verurteilt worden. Dieser Fall macht das problematische Verhältnis der kleinen Schicht kriegsgefangener Funktionsträger zu ihren Mitgefangenen aus der viel zu selten überlieferten Perspektive der Funktionäre sichtbar. Wie R. angab, war er nach der für ihn erschütternden Nachricht, im Bombenkrieg in Deutschland alles verloren zu haben, im März 1944 freiwillig in Gefangenschaft gegangen. In der ersten Zeit seiner Kriegsgefangenschaft habe er alles getan, was von ihm verlangt wurde. Im Lager 82 sei die Situation „sehr schwer" gewesen: Als „Bataillonskommandant wurde ich von den anderen Kriegsgefangenen für die schlechte Versorgung und Unterbringung verantwortlich gemacht und somit auch für die hohe Sterblichkeit unter den Kriegsgefangenen. Das haben mir die Kameraden nicht verziehen und deswegen die negativen Aussagen und Berichte über mich gemacht." 8 5 Das Militärkollegium des Bezirks Moskau lehnte die Berufung am 1. Oktober 1946 ohne Angabe von Gründen ab. Kurt R. wurde Anfang 1950 repatriiert, noch bevor er seine Strafe verbüßt hatte.
5.2.
Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz: Krankheit, Selbstverstümmelung oder Sabotage?
Neben der direkten Arbeitsverweigerung verfolgten Militärtribunale in hoher Zahl tatsächliche und angebliche Selbstschädigungen und die Simulation von Krankheiten. Gefangene fügten sich mitunter Verletzungen zu, schwächten absichtlich ihren Körper oder gaben Krankheiten vor, um als Invaliden eher in einen Heimkehrertransport eingeteilt zu werden. Die Lagerinsassen schädigten sich selbst auf vielerlei Weise. 86 Oft war die Lebenssituation der Gefangenen tatsächlich so verzweifelt, dass Selbstverletzungen ihnen als letzter Ausweg erschienen. Kriegsgefangene schädigten sich mit übermäßigem Tabak- oder Salzkonsum, hackten sich Finger ab, stachen sich die Pulsadern auf oder ließen sich Zehen abfrieren. Die schweren Folgen für Leib und Leben konnten sie oft nicht absehen. Kriegsgefangene Ärzte unterstützten mitunter die Versuche, der extrem harten Arbeit und der quälen85 86
Akte Nr. V-16 9 0 4 (CA MVD) Vgl. neben den im folgenden geschilderten Fällen zum GULag auch Jacques Rossi, Spravocnik po GULagu, Band II, Moskau 1996, S. 347.
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den Gefangenschaft zu entfliehen, indem sie eine trockene Pleuritis diagnostizierten, die lediglich auf Angaben des Patienten basierte. 8 7 Das operative Misstrauen machte sich freilich nicht nur an solchen Täuschungsversuchen fest. So war beispielsweise Kobulov, der Leiter der Operativen Abteilung der GUPVI, im März 1947 schnell bereit, die rapide ansteigende Zahl von Kriegsgefangenen in den sogenannten Genesungslagern auf „verbrecherische Simulation" zurückzuführen und „Selbstschädigern" anzulasten. 8 8 Er übersah geflissentlich, dass die GUPVI selbst den katastrophalen Gesundheitszustand der Kriegsgefangenen genau kannte, ihn der Unterversorgung, den kaum erträglichen Lebensbedingungen im Winter und der schweren Arbeit zuschrieb und ab Januar 1947 durch die Verhängung des Ausnahmezustands über die Lager eine Fortsetzung des Massensterbens verhindern wollte. 89 Die sowjetischen Verwaltungen glaubten, mit disziplinar- 90 und strafrechtlichen Mitteln gegen angebliche und tatsächliche Fälle von Simulation und Selbstschädigung vorgehen zu müssen. Die strafrechtliche Verfolgung wurde in der Regel erst im Wiederholungsfall bzw. bei längeren Ausfallzeiten eingeleitet. Den Ermittlungs- und Gerichtsorganen standen dabei wiederum konkurrierende Bestimmungen aus dem militärstrafrechtlichen (Art. 193,12) oder dem politischen Strafrecht (Art. 58,14) mit allen Implikationen und praktischen Problemen zur Verfügung. In den geschilderten Beispielen wird zudem die Rolle deutlich, die den gefangenen Funktionsträgern im Verlauf der Ermittlungen zukam: Die Berichte der Brigadiere und auch der Denunzianten, die der Lagerkommandantur regelmäßig über einzelne Vorkommnisse im Lager berichten mussten, konnten über Jahre des Lebens ihrer Mitgefangenen entscheiden. 91 Der Kriegsgefangene Nathan R. aus Berlin wurde am 14. Juli 1947 vom operativen Bevollmächtigten des 4 3 8 . Sonderarbeitsbataillones ( O R B MVS) in der Tatarischen ASSR verhaftet. Nach Ansicht des Bevollmächtigten hatte sich R. „absichtlich gesundheitlich geschädigt, indem er sein Essen gegen Tabak tauschte und viel rauchte. Dadurch wurde sein Organismus so stark geschwächt, dass er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit in ein Genesungskommando kam." 9 2 Im Bericht des Kompanieführers über den Kriegsgefangenen N. hieß es: „N. klagte mir gegenüber oft über seine Schwäche, seine immer öfter auftretenden Schwindelanfälle, über Wasser usw. N. wurde revierkrank geschrieben, erhielt Sonderrationen und verrichtete leichte Lagerarbeiten, die seinem körperlichen Zustand entsprachen. In dieser Zeit wurde festgestellt und mir mitgeteilt, dass N. seine Verpflegung gegen Raucherwaren eintauschte. Ich untersuchte diesen Fall und 87 88 89 90 91 92
Beispiele gesammelt in Berichten der U P V I / G U P V I (GARF, f. 9 4 0 1 , o. 1, d. 4 7 7 ) . Ungezeichnetes Rundschreiben Kobulovs von März 1947 an die Lagerverwaltungen und M V D / UMVD der Republiken (GARF, f. 9 4 0 1 , o. 1, d. 2 0 6 ) . Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 135f. Vgl. Befehl NKVD Nr. 00311 vom 1 6 . 4 . 1 9 4 5 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 2 0 5 , 1 . 1 7 - 2 0 ) . Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 185, Anm. 1127f. Vgl. neben den folgenden Beispielen auch Akte Nr. V-1 8 7 0 (CA MVD). Akte Nr. V - l 8 2 4 (CA MVD).
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stellte fest, dass dies den Tatsachen entsprach. Ich stellte N. daraufhin zur Rede, belehrte und verwarnte ihn aufs schärfste. [...] Auf die Frage, warum er meine Vorhaltungen denn nicht annehme, weiterhin sein Brot gegen Tabak eintausche, antwortete er mir: ,Ich hoffe so, eher nach Hause zu kommen.'" Nathan R. wurde am 23. Juli 1947 nach Art. 193,12b 93 angeklagt und am 6. August zu acht Jahren ITL verurteilt. Der Akte liegt eine Todesbescheinigung bei. Aus dieser Bescheinigung geht hervor, dass N. am 9. August 1947, also knapp zwei Wochen nach dem Prozess, aufgrund körperlicher Schwäche, Gesichts- und Gliedmaßenschwellungen, Schwellungen im Bauchbereich sowie unregelmäßiger und schwacher Herztöne in ein Gefängniskrankenhaus eingeliefert wurde. Er verstarb am 11. August 1947 an Dystrophie 3. Grades. Wilhelm M. (Jg. 1906) hatte als Schlosser in einer Fabrik gearbeitet, bevor er 1940 zur deutschen Wehrmacht eingezogen wurde. Am 16. April 1945 geriet er in Gefangenschaft und kam in das Lager 75 in Udmurtien (Udmurtskaja ASSR, Russland), wo er noch im selben Jahr verhaftet wurde. Der Grund: „Der Kriegsgefangene M. verweigerte die Arbeit, das heißt, er versuchte am 23. Juli 1945 von der Arbeitsstelle aus zu fliehen, wobei er aber festgenommen werden konnte. Am 8. August hat er sich, weil er nicht arbeiten wollte, die linke Hand abgehackt." 9 4 In dem zehn Tage später stattfindenden Verhör sagte M. aus, er sei nicht gewillt gewesen, „irgendeine Arbeit als Kriegsgefangener zu verrichten", und habe „auf irgendeine Art und Weise aus diesem Lager ausreißen" wollen. Nachdem sein erster Fluchtversuch gescheitert sei, habe er einen neuen Plan gefasst. „Als ich das Beil in die rechte Hand nahm und auf die linke Hand hieb, wollte ich nur die Finger treffen, doch ich war verwirrt und aufgeregt und traf viel höher." Am 7. September wurde M. die Anklageschrift vorgelegt, die auf Art. 58,14 StGB RSFSR beruhte. Das Militärtribunal des Bezirks Izevsk qualifizierte die Anklage in seiner vorbereitenden Sitzung am 5. Oktober 1945 auf Art. 193,12a um und wurde - gegen den Protest des Militärstaatsanwaltes - vom Militärkollegium des Obersten Gerichts in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Bevor es zur Gerichtsverhandlung kam, verstarb der Kriegsgefangene M. allerdings am 17. Dezember im Krankenhaus des Gefängnisses Nr. 1 von Udmurtien, in das er zwei Tage zuvor aufgrund „völliger Erschöpfung" eingeliefert worden war. Der Autopsiebericht vermerkte als Todesursache Lungentuberkulose. Am 10. Januar 1946 wurde die Untersuchung des Falles M. offiziell eingestellt. M. hatte noch im September eine Bittschrift verfasst: „Ich habe ein großes Verbrechen gegen den Sowjetstaat begangen. [...] Ich bitte die Herren Untersuchungsrichter innigst in Betracht zu ziehen, dass ich eine Familie mit sechs Kindern habe. Das Älteste ist fünfzehn Jahre alt und das Jüngste zwei Jahre. Ich habe zu Hause nie ein Vermögen besessen, sondern war immer ein guter Fabrikarbeiter." 93
94
„Umgehung der Erfüllung der Militärdienstpflichten durch eine Militärperson mittels Selbstverletzung irgendwelcher Art oder mittels Vortäuschung einer Krankheit [...] bei Vorliegen erschwerender Umstände". Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 63. Akte Nr. V-l 8 2 2 (CA MVD).
Lageralltag und Strafjustiz
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Auch im Fall des Kriegsgefangenen Herbert S. aus Zittau waren die Untersuchungsbehörden und Gerichte zwischen Art. 193,12 und 58,14 hin und her gerissen. Gegen S. liefen im Lager Vinnica bereits Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen [Erschießung zweier sowjetischer Bürger und Beteiligung an der Fahndung nach Partisanen, Anm. d. Verf.], als er am 13. Juni 1947 wegen eines zusätzlichen Lagervergehens verhaftet wurde. 95 Herbert S. hatte sich mit einer Nähnadel die Pulsadern aufgestochen und sich an den Augenbrauen und Unterschenkeln verletzt. Die ersten Verhöre konzentrierten sich auf seinen Selbstmordversuch; die operativen Offiziere unterstellten Herbert S. die Absicht, er habe sich der Arbeit entziehen wollen. Doch der zuständige Militärstaatsanwalt dehnte die Anklage wegen der angesprochenen „Gräueltaten" auf Art. 54,2 StGB USSR 9 6 (!) aus. Ohne weitere Begründung ließ das zuständige Militärtribunal in seiner vorbereitenden Sitzung diesen Anklagepunkt wieder fallen. Die Gerichtsverhandlung am 28. August 1947 endete schließlich mit einem völlig anderen Urteilsspruch: Nach Art. 206,12 StGB USSR - der dem Art. 193,12 StGB RSFSR entsprach - wurde Herbert S. zu fünf Jahren Freiheitsentzug in einem ITL verurteilt. In seinem Berufungsschreiben, in dem er um eine vorzeitige Haftentlassung bat, schrieb Herbert S., er habe in seiner Verzweiflung nicht bedacht, dass er sich, falls sein Selbstmordversuch gelungen wäre, „der Wiedergutmachung der in Russland entstandenen Kriegsschäden entzogen haben würde. [...] Tatsächlich bin ich auch nicht arbeitsunfähig gewesen. Ich bin am 6. Juni aus dem Karzer entlassen worden und sofort wieder zur Arbeit auf die Ziegelei, meine alte Arbeitsstelle, gegangen. Ich bitte ferner zu berücksichtigen, dass ich meine Arbeitspflicht als Kriegsgefangener bisher ehrlich erfüllt habe. Mein Brigadeführer und der Ingenieur der Ziegelei, wo ich Dachdecker war, können bezeugen, dass ich fleißig gearbeitet habe. Ich habe stets 126 Prozent Normerfüllung im Monat gehabt und noch im April 118 Rubel ausgezahlt bekommen. Ich bin seit 1940 verheiratet und Vater eines jetzt siebenjährigen Sohnes. Infolge meiner Einberufung zur Deutschen Wehrmacht bin ich von meiner Familie seit meiner Verheiratung stets getrennt gewesen. Wenn ich aus der Kriegsgefangenschaft erst nach Verbüßung meiner Strafe entlassen würde, so würde es nicht nur mich, sondern auch meine Frau und mein Kind sehr hart treffen. [...] Ich werde mich bemühen, mich des erbetenen Gnadenerweises dadurch würdig zu erweisen, dass ich bis zu meiner Entlassung fleißig und gewissenhaft meiner Arbeitspflicht nachkomme." Das Militärkollegium lehnte die Berufung am 15. September 1947 ab. Gut zwei Jahre später wandelte dasselbe Organ die Haftstrafe in die „Ausweisung aus der UdSSR" um: Ende April 1950 wurde Herbert S. repatriiert.
95 96
Akte Nr. V - 1 2 122 (CA MVD). Der Art. entspricht Art. 5 8 , 2 StGB RSFSR: „Bewaffneter Aufstand oder Eindringen von bewaffneten Banden in das Sowjetgebiet in gegenrevolutionärer Absicht". Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 17.
170 5.3.
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Kriegsgefangene auf der Flucht: Heimweh oder Banditentum?
Fluchtversuche der Gefangenen konnten sowohl mit dem Instrumentarium des Militärstrafrechts geahndet als auch als Gefährdung staatspolitischer Ziele interpretiert werden. In diesem Fall handelte es sich entweder um „gegenrevolutionäre Verbrechen" oder um schwerwiegende „Verwaltungsverbrechen" nach Art. 59 StGB RSFSR. Immer wieder haben deutsche Kriegsgefangene versucht, aus den russischen Gefangenenlagern zu fliehen, sich durch die Frontlinien hindurchzuschlagen bzw. sich über die Landesgrenzen hinweg in Sicherheit zu bringen. Von Kriegsbeginn an war das sowjetische Lagerregime dementsprechend darauf gerichtet, Fluchtversuche zu unterbinden. 97 Angesichts der sowjetischen Maßnahmen, der Weite des Landes, der Unkenntnis der Sprache und des geschwächten körperlichen Zustands der Gefangenen verwundert es nicht, dass die zahlreichen Fluchtversuche der Gefangenen fast ausnahmslos scheiterten. Nach häufig brutaler Misshandlung brachte man die Entwichenen ins Lager zurück. Ihre weitere Bestrafung spiegelt nicht nur die Bandbreite sowjetischer Strafmöglichkeiten wider; sie belegt wiederum die inneren Widersprüchlichkeiten und Unsicherheiten sowie die Unerbittlichkeit des stalinistischen Verfolgungsapparats. Die Kriegsgefangenenverwaltung respektive das NKVD/MVD schrieben für Fluchtversuche grundsätzlich und ausnahmslos disziplinarische und administrative Strafen vor. Wie streng die Ausbruchsversuche bestraft wurden, belegt der Befehl NKVD Nr. 001130 vom 9. September 1944. Diesem Befehl zufolge waren Regimelager nicht nur für Kriegsgefangene vorgesehen, die beschuldigt wurden, an „Verbrechen und Gräueltaten" gegen die sowjetische Zivilbevölkerung in den okkupierten Gebieten beteiligt gewesen zu sein bzw. sich als Mitarbeiter der deutschen Aufklärung, der Gegenspionage oder deutscher Straforgane zudem als „aktive Faschisten" hervorgetan zu haben, sondern auch für Gefangene, die Fluchtversuche unternommen oder geplant hatten. 1945 wurden schließlich in den Arbeitslagern für Kriegsgefangene besondere Strafzüge und -abteilungen eingerichtet. Sie nahmen Gefangene nach Ausbruchsversuchen oder mit solchen Plänen für bis zu drei Monate auf. 98 Die Strafzüge wie auch die Regimelager waren durch strengere Bewachungsvorschriften, Minderverpflegung sowie längere und härteste Arbeit gekennzeichnet. Die drakonische Härte der Disziplinarmaßnahmen zeigt die Bedeutung, die die sowjetische Führung Fluchtversuchen beimaß: „Jede Maßnahme ist zu ergreifen, um die Geflohenen einzufangen. Auch die Mitarbeiter des NKWD sind zu aktivieren, weil die Gefahr besteht, dass die Entflohenen Bandengruppen bilden und sich
97 98
Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 119-122 und S. 148f. mit weiteren Angaben. Befehl NKVD Nr. 00311 v. 16.4.1945, Punkt 15f. (RGVA, f. lp, op. 23a, d. 1,1. 32ff.); Befehl NKVD Nr. 001130 v. 9.9.1941 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 205, t. 14,1.255-258).
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durch die Frontlinie schlagen. Es ist alles zu unternehmen, um jede Flucht zu verhindern." 9 9 Trotz dieser grundsätzlichen Regelungen, die die Leitungsebenen frühzeitig getroffen und bekannt gegeben hatten, wurden Kriegsgefangene für Fluchtversuche bereits während der Kriegsjahre auch strafrechtlich belangt. Wie aus den vorliegenden Akten hervorgeht, waren es oftmals die operativen Mitarbeiter der Lager, die diese Strafverschärfungen initiierten. Sie präferierten die „höherwertigen" Interpretationen der politischen Artikel der sowjetischen Strafgesetzbücher, während die Bestimmungen des Militärstrafrechts über „Desertion" (Art. 193,7 „eigenmächtige Entfernung seitens eines Gemeinen") zumindest in der Frühzeit kaum Beachtung fanden. Analoge „zivile" und mit geringeren Strafen einhergehende Bewertungen, die das Strafgesetzbuch der R S F S R in Art. 82 für die „Flucht eines Gefangenen aus dem Gewahrsam oder der Internierungsanstalt" anbot, wurden von den operativen Offizieren und MVD-Militärrichtern kaum in Betracht gezogen. 1 0 0 Im folgenden Fallbeispiel handelt es sich um eines der wenigen sehr frühen Verfahren gegen deutsche Kriegsgefangene, das zudem mehrere Besonderheiten aufweist. Nachdem die beteiligten Offiziere und Juristen monatelang unschlüssig gewesen waren, wie die Tat zu bewerten sei, wurde der Fall schließlich völkerrechtskonform - aber systemwidrig - in Anlehnung an die Haager Landkriegsordnung von 1907 gelöst. Karl A. (Jg. 1917) war bereits Ende 1941 in Kriegsgefangenschaft geraten. Im Januar 1942 sprang er während des Transportes in das Hinterland vom fahrenden Zug und zog sich dabei eine Beinverletzung zu. Nach seinem Krankenhausaufenthalt leiteten die operativen Organe die Ermittlungen ein und verhafteten Karl A. am 21. Januar 1942 in Sysran (Oblasf Kujbysev, heute Samara). In einem ersten Verhör schilderte der Häftling das Geschehen: „In einer der Ortschaften im Gebiet von Sumy trafen wir - wir waren zwölf Soldaten - auf sowjetische Kavalleristen, mit denen wir zu kämpfen begannen. Sieben von unseren Leuten ergriffen die Flucht. Ich und die anderen kämpften weiter, aber die Gegner waren in der Überzahl, weshalb ich mich ergab. Infolgedessen kam ich in Kriegsgefangenschaft, und man schickte uns nach Char'kov und von dort weiter ins Landesinnere. Mit jedem Tage wurde das Essen schlechter; im Waggon waren 6 0 Leute, von denen nur 3 0 liegen konnten. Mit zehn anderen entschloss ich mich zur Flucht. Dazu schlugen wir in das Dach des Waggons ein Loch, durch das wir dann rausstiegen. All das geschah bei fahrendem Zug. Als ich rausgeklettert war, sprang ich auf die Erde und versuchte aufzustehen, doch ich konnte nicht, da ich mir das Bein gebrochen hatte. Nach einiger Zeit kamen Leute, die mich in ein Krankenhaus brachten, wo ich vom 13. November 1941 9 9 Anweisung des Leiters der UPVI, Generalmajor Petrov, Nr. 2 8 I/I 4 1 3 9 vom 3 1 . 8 . 1 9 4 3 . In: Aus dem NKWD-Archiv, S. 8 3 - 8 5 , hier S. 8 5 . Für die Nachkriegszeit vgl. die Belege bei Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 119 f. 100 Art. 8 2 StGB RSFSR sah eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor (Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 3 2 ) .
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bis 19. Januar 1942 war und wo man mir das linke Bein unterhalb des Knies abnahm." 1 0 1 Die Anklage subsumierte den Fluchtversuch während des Krieges mangels Alternativen unter Art. 58,2 StGB R S F S R („Bewaffneter Aufstand oder Eindringen von bewaffneten Banden in das Sowjetgebiet in gegenrevolutionärer Absicht" 1 0 2 ): Der Fluchtversuch sei nur erfolgt, so die Begründung, um in den Reihen der Wehrmacht den Kampf gegen die Rote Armee fortsetzen zu können. Darüber hinaus wurde Karl A. „antisowjetische Propaganda" (Art. 58,10) im Krankenhaus zur Last gelegt. Das Militärtribunal der Mordovskaja ASSR, in die A. zwischenzeitlich verbracht wurde, änderte die Anklage gänzlich um und verurteilte Karl A. am 31. Oktober 1942 allein wegen „Flucht eines Gefangenen aus dem Gewahrsam oder der Internierungsanstalt" 103 nach Art. 82 StGB R S F S R zu drei Jahren ITL. Die Militärstaatsanwaltschaft beharrte jedoch darauf, dass Karl A. geflohen sei, um weiter am Krieg gegen die UdSSR teilnehmen zu können, und erhob am 10. Dezember 1942 Einspruch. Auf ihr Betreiben hin wurde das Urteil aufgehoben; die neue Anklage lautete nun auf „gegenrevolutionäre Sabotage" [sie!]. Gemäß Art. 58,14 wurde A. zur Höchststrafe - Tod durch Erschießen - verurteilt. Nach der zweiten Gerichtsverhandlung zog das Militärkollegium des Obersten Gerichts den Fall am 1. Juni 1943 zur nochmaligen Überprüfung an sich. Ende Juni 1943 konnte der Leiter des Kriegsgefangenenlagers 58 den Fall - wohl auf Anraten des Militärkollegiums - endgültig und ohne Urteil abschließen. Die Haager Landkriegsordnung von 1907, so die überraschende Begründung, verbiete die strafrechtliche Verfolgung von Fluchtversuchen von Kriegsgefangenen. A. wurde aus der Haft entlassen und der Kriegsgefangenenverwaltung übergeben. Zu völlig konträren juristischen Einschätzungen kamen hingegen das Militärtribunal von Izevsk (ASSR Udmurtien, Russland) und seine höheren Instanzen im Jahr 1942 - auch dies ein Beleg für die juristischen Unklarheiten in der Beurteilung kriegsgefangenenspezifischer Lagervergehen. Der Unteroffizier Horst L., geb. 1920 in Breslau, und der Soldat Fritz G., geb. 1916 in Salzwedel, befanden sich seit Februar 1942 in Kriegsgefangenschaft. Laut Haftbefehl des NKVD der A S S R Udmurtien vom 31. Juli 1942 hatte Horst L. am 19. Juli „im Einverständnis mit Fritz G. die Arbeitsstätte im Lager von Rjabovsk verlassen. Sie sind in der Absicht geflüchtet, nach Deutschland zurückzukehren. Während ihrer Flucht haben sie gestohlen und Banditentum betrieben. Am 28. Juli wurden sie gefasst und dem Volkskommissariat für Inneres der ASSR Udmurtien übergeben." 1 0 4 In den Verhören schilderte Fritz G. den gescheiterten Fluchtversuch: „Horst L. stieg durch ein Fenster in ein versperrtes Haus, wo wir einen Laib Brot, 2 kg Kartoffeln, Zwiebeln, zwei Paar Hosen, eine Jacke, ein Messer, Zündhölzer 101 102 103 104
Akte Nr. V-3 5 6 4 (CA MVD). Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 17. Ebd., S. 32. Akte Nr. V-3 7 8 0 (CA MVD).
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[und] Filzstiefel mitnahmen. Die Filzstiefel nahmen wir, weil wir keine Schuhe hatten und unsere Füße schon ganz zerschnitten waren, und die Pelze nahmen wir, damit wir unsere deutschen Uniformen darunter verstecken konnten. Danach gingen wir in einen Wald, wo wir uns schlafen legten. Aber es kamen zwei Männer vorbei, und wir flüchteten. Wir marschierten die ganze Nacht durch, am Morgen machten wir uns auf einem Reisighaufen ein Mahl, danach schliefen wir. Beim Weitermarschieren kamen wir in ein Dorf, in welchem wir zwei Hühner, zehn Eier, Kartoffeln und Kraut stahlen. Danach entschlossen wir uns, in einem Strohhaufen zu schlafen, wo uns schließlich Kolchozniki entdeckten. Wir versuchten zu flüchten, doch sie holten uns ein." Die erste Anklage vom 4. August 1942 nahm den Tatbestand der Desertion als gegeben (Art. 193,7) und ergänzte ihn durch den Vorwurf des Diebstahls (Art. 162). Das Militärtribunal der 18. Reserveschützenarmee stufte den Fluchtversuch ebenfalls als Desertion ein und verurteilte beide Angeklagten gemäß Art. 193,7 zum Tode durch Erschießen. Der Militärstaatsanwalt forderte in seinem prompt erfolgten Einspruch zusätzlich eine Bestrafung der Todeskandidaten wegen Diebstahls und erhielt vom Militärkollegium Recht. Im Januar 1943 wurden die Angeklagten erneut verhört; am 9. Februar tagte nunmehr das Tribunal der Garnison von Izevsk. Völlig unerwartet befanden die Richter die Kriegsgefangenen des ,,Banditentum[s], d.h. [der] Organisation von bewaffneten Banden und Teilnahme an ihnen und den von ihnen veranstalteten Ausschreitungen" 1 0 5 für schuldig und verurteilten Horst L. und Fritz G. nach Art. 59,3 ebenfalls zum Tode. Gegen diese neuartige Verknüpfung von Fluchtversuch und Diebstahl hatte die Militärstaatsanwaltschaft nichts mehr einzuwenden. Die Berufungen der Kriegsgefangenen wurden abgelehnt. Am 26. März 1943 wurde Horst L. hingerichtet. Fritz G. verstarb fünf Tage nach dem zweiten Prozess an Lungentuberkulose. Die folgenden Fälle wurden in den Jahren 1943 und 1945 verhandelt und bringen weitere Interpretationsvarianten in den Blick. 106 Am 31. März 1943 flohen die Kriegsgefangenen Helmut V., Julius R. und Karl W. aus dem Lager 108 in Stalingrad (Volgograd). Dabei überwältigten und entwaffneten sie den wachhabenden Offizier. Zwei Tage später wurden zwei der flüchtigen Gefangenen gefasst. Über den Verbleib des dritten Kriegsgefangenen, Karl W., geht aus der Akte nichts hervor. Helmut V. und Julius R. wurden in das Gefängnis in Stalingrad überstellt und nach dem allgegenwärtigen Art. 58,14 („Gegenrevolutionäre Sabotage") angeklagt. Das NKVD-Tribunal des Bezirks Stalingrad erweiterte die Anklage in seiner vorbereitenden Sitzung auf Art. 193,3 StGB RSFSR und wertete die Entwaffnung des Wachhabenden damit zusätzlich als „Widerstand gegenüber einer militärische Dienstpflichten
105 Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 20. Vgl. zu einer Verurteilung nach Art. 59,3 StGB RSFSR zu zehnjährigen ITL-Strafen die Akte Gerhardt Sch. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G02485). 106 Akte Nr. V-21 2 0 6 (CA MVD).
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erfüllenden Person". 107 Nachdem Julius R. im Gefängnis aus unbekannten Gründen verstorben war, stand am 19. April Helmut V. allein vor den Richtern und wurde ausschließlich nach Art. 193,3 zu einer zehnjährigen ITL-Strafe verurteilt. Das Militärkollegium hob dieses Urteil erwartungsgemäß auf und forderte eine Neuverhandlung - wieder nach Art. 59,3 („Banditentum"), um so den Uberfall auf den Offizier und die Kleidungsdiebstähle während der Flucht zu erfassen. Zu einer zweiten Verhandlung kam es indes nicht mehr, da Helmut V. am 18. November 1943 im Evako-Hospital Nr. 4939 in Stalingrad verstarb. Rudolf W., geboren 1921 in Frankfurt an der Oder, geriet im Mai 1944 bei Sevastopol' in Kriegsgefangenschaft und arbeitete danach im Donezker Becken in einem Kohlenschacht. Am 6. Januar 1945 wurde er nach einem gescheiterten Fluchtversuch verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht. In der Strafakte befinden sich eine ausführliche Schilderung und eine persönliche Erklärung zu seiner Flucht. Kurz vor Weihnachten habe ihn ein so starkes Heimweh übermannt, dass er beschlossen habe zu fliehen. Unterwegs wurde er von Arbeitern einer Kolchose entdeckt, die ihn nach einem Handgemenge der Miliz übergaben. 108 Am 2. März 1945 wurde die Untersuchung abgeschlossen und Rudolf W. nach Art. 54,8 StGB USSR (entspricht Art. 58,8 StGB RSFSR) wegen „terroristischer Handlungen gegen Vertreter der Sowjetmacht oder Funktionäre revolutionärer Organisationen der Arbeiter und Bauern" 109 angeklagt. Am 7. April 1945 übernahm das NKVD-Tribunal des Bezirks Vorosilovgrad (Lugansk) diese spezifische Sichtweise und verurteilte Rudolf W. zum Tode. In der Strafakte befindet sich kein Hinweis auf die Vollstreckung des Urteils.
6.
Zusammenfassung
Die neu erschlossenen Strafprozessakten beleuchten die Umstände und Hintergründe der von den sowjetischen Straforganen verfolgten Handlungen deutscher Kriegsgefangener aus einer bisher unbekannten Perspektive. Motivationen und Intentionen, aber auch die extremen Lebenssituationen der Kriegsgefangenen treten klar zutage. Die hier dokumentierten Fallbeispiele haben exemplarischen Charakter. Sie zeigen das individuelle Schicksal der Kriegsgefangenen - oft sind es menschliche Tragödien - erstmals anhand sowjetischer Gerichtsakten und der darin enthaltenen authentischen Zeugnisse der Verurteilten auf. Der nur eingeschränkt zugängliche Aktenfundus ermöglicht es uns darüber hinaus, genauere Einblicke in die Bandbreite der angewandten Rechtsgrund-
107 Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 60. 108 Akte Nr. V-12 3 8 9 (CA MVD). 109 Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 19.
Lageralltag und
Strafjustiz
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lagen sowie die immanenten Widersprüchlichkeiten der stalinistischen Strafjustiz zu gewinnen. Mit der Verordnung über Kriegsgefangene vom 1. Juli 1941 wurde die rechtliche Stellung der Kriegsgefangenen definiert. Ihre Reglements boten den Untersuchungs- und Gerichtsbehörden grundsätzlich die Möglichkeit, das gesamte sowjetische Strafrecht in seiner ganzen Härte und Dehnbarkeit auch auf ausländische Kriegsgefangene anzuwenden. Den sowjetischen Lagerverwaltungen ging es primär um die Aufrechterhaltung einer strikten Lagerordnung. Das entsprechende Strafinstrumentarium zeichnete sich durch unbarmherzige Härte aus. Dabei fällt auf, dass nicht nur, aber besonders (Lebensmittel-)diebstähle unverhältnismäßig streng geahndet wurden. Die Kriegsgefangenen, die unter kaum erträglichen Lebensbedingungen in den Lagern ums Überleben kämpften, waren damit gleichsam „doppelt" gestraft. Das zweite Charakteristikum der strafrechtlichen Verfolgung von Lagervergehen ist die Unklarheit der (auf die innenpolitischen Bedingungen der UdSSR im Stalinismus zugeschnittenen) sowjetischen Strafbestimmungen, mit denen die inkriminierten Handlungen der Kriegsgefangenen nicht adäquat zu erfassen waren. Das sowjetische Strafgesetzbuch stellte zudem für solche Vergehen qualitativ höchst unterschiedliche Artikel zur Verfügung, deren Anwendung bei nicht immer klaren Vorgaben durch die verschiedenen Instanzen und die Justizkontrolle letzlich nicht nur im Ermessen der Militärstaatsanwälte sowie der Militärrichter, sondern vor allem der operativen Organe lag. So verwundert es nicht, dass in den einzelnen Lagern jeweils unterschiedliche Verfahrensweisen praktiziert werden konnten. Schließlich treten - vor allem bei der Verfolgung von Fluchtversuchen, Arbeitsverweigerung oder Simulation und Selbstschädigung 110 - unterschiedliche Wahrnehmungen und Interpretationsweisen der beteiligten Organe und Apparate zutage, die Widersprüchlichkeiten und Brüche in den auf den ersten Blick so glatt und monolithisch erscheinenden stalinistischen Repressionsmechanismen sichtbar machen. Die völlig unterschiedlichen Urteilsgrundlagen und Urteilssprüche mussten bei den verurteilten Gefangenen den Eindruck sowjetischer Willkürjustiz verstärken - selbst dann, wenn in den Gerichtsverfahren die prozessualen Grundlagen formaljuristisch eingehalten wurden.
110 Am 1 4 . 8 . 1 9 4 8 wandelte das MVD-Tribunal des Bezirks Privolzskij eine Anklage nach Art. 58,7 auf die Dekrete vom 4.6.1947. Akte Wolfgang D. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G01286).
Der „Ukaz 43": Entstehung und Problematik des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 Andreas Hilger/Nikita Petrov/Günther 1.
Wagenlehner
Einleitung
Auf der Festsitzung des Moskauer Sowjets zum 26. Jahrestag der Oktoberrevolution am 6. November 1943 zog Stalin eine Zwischenbilanz des Kriegs gegen das Dritte Reich. Nach der Wiedereroberung von Smolensk und Brjansk sowie mit Blick auf den weiten Rückzug der Wehrmacht führte Stalin aus: „Die Offensive der Roten Armee hat in noch größerem Umfang als bisher die Barbarei und das Banditentum der Hitlerarmee enthüllt. Die Deutschen haben in den von ihnen besetzten Gebieten Hunderttausende unserer friedlichen Bürger ausgerottet. Wie die mittelalterlichen Barbaren oder die Horden Attilas zerstampfen die deutschen Missetäter die Felder, brennen Dörfer und Städte nieder, zerstören Industriebetriebe und Kulturstätten. [...] Und je hoffnungsloser die Lage der Hitlerfaschisten wird, desto hemmungsloser sind sie in ihren Bestialitäten und Räubereien. Unser Volk wird den deutschen Unmenschen diese Verbrechen nicht verzeihen. Wir werden die deutschen Verbrecher zwingen, für alle ihre Untaten Rede und Antwort zu stehen!" 1 Die Anklage gegen die deutsche Kriegsführung und das Besatzungsregime griff Vorwürfe auf, die das sowjetische Außenministerium seit dem deutschen Überfall auf die UdSSR öffentlich gemacht hatte. 2 Zugleich spiegelte sie die 1
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Bericht des Vorsitzenden des GKO in der Festsitzung des Moskauer Sowjets der Deputierten der Werktätigen gemeinsam mit den Partei- und gesellschaftlichen Organisationen der Stadt vom 6.11.1943. In: Josef W. Stalin, Werke, Band 14: Februar 1934 bis April 1945, Dortmund 1976, S. 320ff., hier S. 3 2 9 . Vgl. den Befehl Ν KO Nr. 3 0 9 vom 7.11.1943 und Befehl NKO Nr. 16 vom 2 3 . 2 . 1 9 4 4 , ebd., S. 3 3 6 - 3 4 1 , hier S. 338, S. 3 4 1 - 3 4 6 , hier S. 344. Vgl. Note des NKID vom 25.11.1941. In: Viktor B. Konasov, Sud*by nemeckich voennoplennych ν SSSR: diplomaticeskie, pravovye i politiceskie aspekty problemy. Ocerki i dokumenty, Vologda 1996, S. 8 9 - 9 3 ; Note NKID vom 2 7 . 4 . 1 9 4 2 , ebd., S. 9 6 - 1 0 0 ; das Protesttelegramm der Union der Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes der UdSSR an das IKRK von 1941, ebd., S. 65f.; Aleksandr E. Epifanov/ Hein Mayer, Die Tragödie der deutschen Kriegsgefangenen in Stalingrad von 1942 bis 1956 nach russischen Archivunterlagen, Osnabrück 1996, S. 105-113; Aleksandr E. Epifanov, Crezvycajnaja gosudarstvennaja kommissija po ustanovleniju i rassledovaniju zlodejanij nemecko-fasistskich zachvatcikov i ich soobscnikov i pricinennogo imi
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seit Herbst 1 9 4 2 vertretene Linie der U d S S R wider, die individuelle Verantwortung v o n „Kriegsverbrechern" festzustellen. 3 Stalin befand sich dabei im Einklang mit seinen westlichen Alliierten. D i e G r o ß e n Drei hatten nur w e n i g e Tage vor d e n sowjetischen Revolutionsfeierlichkeiten in M o s k a u postuliert, dass „jene deutschen Offiziere, Soldaten u n d Mitglieder der Nazipartei, die für die [...] Grausamkeiten, Massaker und Exekutionen verantwortlich g e w e s e n sind oder an ihnen z u s t i m m e n d t e i l g e n o m m e n haben, nach d e n Ländern zurückgeschickt w e r d e n , in d e n e n ihre abscheulic h e n Taten ausgeführt w u r d e n , u m g e m ä ß d e n G e s e t z e n dieser befreiten Länder u n d der freien Regierungen, [...], vor Gericht gestellt und bestraft z u werden." 4 D a s Publikum, das Stalin i m N o v e m b e r 1 9 4 3 „stürmisch [ u n d ] lang anhaltend" 5 applaudierte, ahnte nicht, dass die sowjetische S p i o n a g e a b w e h r Smers unter der Leitung v o n Viktor A b a k u m o v s c h o n seit M o n a t e n an der Vorbereitung eines S c h a u p r o z e s s e s g e g e n deutsche Kriegsgefangene „mit Aufklärung durch die Presse" 6 arbeitete. 7 D i e Vorarbeiten m ü n d e t e n am 6. D e z e m b e r 1 9 4 3 in eine vorläufige Anklageschrift g e g e n vier D e u t s c h e und z w e i Russen, die allesamt Verbrechen nach d e m U k a z des Präsidiums des Obersten Sowjets v o m 19. April 1 9 4 3 „Über M a ß n a h m e n zur Bestrafung der deutschen faschisti-
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uscerba grazdanam, kolchozam, obscestvennym organizacijam, gosudarstvennym predprijatijam i ucrezdenijam SSSR. Istoriko-pravovoj aspekt, Diss. (A), Volgograd 1995, S. 20f., S. 40-54; Erwin Peter/Aleksandr E. Epifanov, Stalins Kriegsgefangene. Ihr Schicksal in Erinnerungen und nach russischen Archiven, Graz 1997, S. 265. Vgl. den Bericht des Vorsitzenden des GKO in der Festsitzung des Moskauer Sowjets der Deputierten der Werktätigen gemeinsam mit den Partei- und gesellschaftlichen Organisationen der Stadt Moskaus vom 6.11.1942. In: Stalin, Werke, Band 14, S. 279-298, hier S. 292. Die UdSSR setzte sich erst im Zusammenhang mit internationalen Initiativen ausdrücklich mit der individuellen Strafverfolgung auseinander. Vgl. Epifanov/Mayer, Die Tragödie, S. 106f., S. 116. Vgl. außerdem die instruktive Darstellung Aleksandr E. Epifanovs, Strafverfolgung von Kriegsverbrechern aus den Reihen der Wehrmacht in der UdSSR. In: Gabriele Gorzka u. a. (Hg.), Der Vernichtungskrieg im Osten - Verbrechen der Wehrmacht in der Sowjetunion aus der Sicht russischer Historiker (Ost-West-Dialog 3), Kassel 1999, S. 111-130, hier S. 114ff. Zur „Außerordentlichen Staatlichen Kommission für die Feststellung und Untersuchung der Gräueltaten der deutsch-faschistischen Eindringlinge und ihrer Helfershelfer und des von ihnen den Bürgern, den Kolchosen und gesellschaftlichen Organisationen, den staatlichen Unternehmen und Einrichtungen der UdSSR verursachten Schadens" (CGK) vgl. auch Aleksandr E. Epifanov, Die Außerordentliche Staatliche Kommission, Wien 1997. Erklärung über Grausamkeiten auf der Drei-Mächte-Konferenz in Moskau vom 30.10. 1943, abgedruckt in Gerd R. Ueberschär, Ausgewählte Dokumente und Übersichten zu den alliierten Nachkriegsprozessen. In: ders. (Hg.), Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943-1952, (Fischer-Taschenbücher 13589: Die Zeit des Nationalsozialismus), Frankfurt a. M. 1999, S. 277-301, S. 285f., hier S. 285. Wie Anm. 1. Schreiben Abakumovs Nr. 251/A an Stalin/Molotov vom 28.9.1943 (CA FSB, f. 14os, op. 1, d. 5,1. 256-264). Vgl. Abschnitt 4.
Der „Ukaz 43"
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sehen Übeltäter, schuldig der Tötung und Misshandlung der sowjetischen Zivilbevölkerung und der gefangenen Rotarmisten, der Spione, der Verräter der Heimat unter den sowjetischen Bürgern und deren Mithelfern" 8 beschuldigt wurden. 9 Im öffentlichen Prozess von Char'kov wurden dann vom 15. bis 18. Dezember 1943 nur noch drei deutsche Kriegsgefangene und ein sowjetischer Bürger gemäß Artikel 1 des so genannten „Ukaz 43" zum Tode durch den Strang verurteilt. 10 Die Urteilsvollstreckung erfolgte nach Artikel 5 des Erlasses „öffentlich, vor dem Volk, der Körper der Gehenkten [blieb] einige Tage am Galgen, damit alle wissen, wie bestraft wird." 11 Mit dem „Ukaz 43" wandte das Char'kover Gericht - das Militärtribunal der 4. Ukrainischen Front - eine noch junge Rechtsvorschrift gegen deutsche Kriegsgefangene an, die Kriegsverbrechen beschuldigt wurden. Nach der Auswertung der bisher verfügbaren dokumentierten Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener durch sowjetische Tribunale steht heute fest, dass im weiteren Verlauf der strafrechtlichen Verfolgung deutscher Kriegsgefangener durch sowjetische Gerichte über die Hälfte aller Verurteilungen auf der Grundlage eben dieses „Ukaz 43" erfolgte: 2 0 0 3 5 der 31 284 in der IfA/ HAIT-Datenbank erfassten Urteilssprüche (oder 58,9 Prozent der angenommenen 34 000 Verurteilungen insgesamt) stützten sich auf das Dekret. Der allgemeine Kenntnisstand über diese zentrale Rechtsvorschrift ist indes auch heute noch rudimentär, obwohl der Jurist Reinhart Maurach schon 1950 anhand von Heimkehrerberichten ihre besondere Bedeutung herausgearbeitet und ihren Inhalt beschrieben hatte. 12 Doch erst die Auswertung ansonsten unzugänglicher Materialien Moskauer Archive gewährt über die genaue Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte und der praktischen Handhabung des Ukaz hinaus verlässlichen Einblick in die sowjetischen Intentionen. Darüber hinaus gibt die Analyse der normativen Dokumente sowie der entsprechenden Justiz- und Prozessakten wichtige Aufschlüsse über das gesamte stalinistische Strafverfolgungssystem.
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Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19.4.1943 (GARF, f. 7523, op. 67, d. 6, 1. 5f.) Dt. Übers, in Ueberschär, Ausgewählte Dokumente, S. 2 7 9 - 2 8 1 , hier S. 279. Anklageschrift im Schreiben Abakumovs an Molotov vom 6 . 1 2 . 1 9 4 3 (CA FSB, f. 14os, op. 1, d. 6,1. 161-163). Vgl. die Gerichtsprotokolle in deutscher und englischer Sprache. In: Deutsche Greuel in Rußland. Gerichtstag in Charkov, Wien o. J., und The people's verdict. A full report of the proceedings at the Krasnodar and Kharkov German Atrocity trials, London 1944. Zur letzten Etappe der Prozessvorbereitung vgl. Abschnitt 4. W i e A n m . 8. Vgl. Reinhart Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Gefangene in der Sowjetunion, Hamburg 1950, S. 30, S. 70f.; Eberhard Becker, Das Rätsel des Ukas 4 3 und eine Erkundung des Archipel GULag. Ein Bericht, Hamburg 1991, S. 7 - 9 . Vgl. die Beschreibung des Forschungsstandes bei Becker, Das Rätsel, S. 1 - 2 3 .
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Die Entstehung des „Ukaz 43"
Für die strafrechtliche Verfolgung von deutschen Kriegsgefangenen galt seit dem 1. Juli 1941 die von Stalin unterschriebene Grundsatzweisung Nr. 1798800s, und hier speziell Abschnitt V: „Straf- und disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit der Kriegsgefangenen". 13 Faktisch bedeutete das die Anwendung des Strafgesetzbuchs der RSFSR von 1926, das in Artikel 193 die „Militärische[n] Verbrechen" 14 zusammenfasste, sowie der Disziplinarordnung der Roten Armee. Die Initiative zu einer exklusiven Neuregelung tatsächlicher oder angeblicher Vergehen der gegnerischen Truppen und Verbände ging im Frühjahr 1943 von Stalin aus. Angesichts der strategischen Entwicklung und in Erwartung der Befreiung aller okkupierten Gebiete hielt es der Vorsitzende des GKO für angebracht, spezielle Strafregelungen für die Gegner im Großen Vaterländischen Krieg zu entwerfen, da das vorhandene Instrumentarium bei „Bluttaten gegen die friedliche Bevölkerung und gefangene Rotarmisten [...] Strafmaßnahmen" vorsah, „die ganz offenkundig den begangenen Verbrechen nicht angemessen"15 seien. Die entsprechenden Artikel der sowjetischen Strafgesetzbücher sahen in der Regel Freiheitsstrafen und nur im Ausnahmefall die Todesstrafe durch Erschießen vor. 16 „Wiederholte oder mit besonderer Grausamkeit verbundene oder gegen Kranke oder Verwundete gerichtete schlechte Behandlung
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Befehl NKVD Nr. 0342 vom 21.7.1941 (RGVA, f. lp, op. 5e, d. 1,1. 73-76), hier zitiert nach Inostrannye voennoplennye vtoroj mirovoj vojny ν SSSR (Russkij archiv: Velikaja Otecestvennaja 24 [13]), Moskau 1996, S. 37-40. Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik vom 22. November 1926 in der am 1. Januar 1952 gültigen Fassung mit Nebengesetzen und Materialien, übersetzt von Wilhelm Gallas (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher Bd. LX), Berlin 1953, S. 5 9 - 6 8 . So die Begründung im ersten Entwurf des Ukaz. Schreiben Malenkov vom 9.4.1943 an Stalin (APRF, f. 3, op. 50, d. 540,1. 124-126). Sie wurde mit leichten redaktionellen Änderungen in die Endfassung übernommen: Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19.4.1943 (GARF, f. 7523, op. 67, d. 6,1. 5f.). Dt. Übers, in Ueberschär, Ausgewählte Dokumente, S. 279-281. Vgl. N. A. Petuchov/Aleksandr E. Epifanov, Ne zabyt' vovek. (Gitlerovskie voennye prestupniki i ich posobniki pered sovetskim voennym sudom ν period Velikoj Otecestvennoj vojny). In: Zakon i pravo, Heft 4 / 2 0 0 0 , S. 51-56, S. 56. Vgl. Art. 109-121, bes. Art. 115, dazu Art. 136, Art. 142-147 und Art. 193 StGB RSFSR. In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 3 9 - 4 2 , S. 46, S. 48, S. 5 9 - 6 8 . Zur Todesstrafe vgl. bes. Art. 136 und Art. 193,28: Einerseits ging es um „Tötung, die von einer Militärperson unter besonders erschwerenden Umständen begangen wird", andererseits um die im „Ukaz 43" nicht erfassten Tatbestände von „Raub, Plünderung, gesetzwidrige[r] Zerstörung von Vermögenswerten und Gewalttätigkeit sowie gesetzwidrige[r] Wegnahme von Vermögensgegenständen unter dem Vorwand einer militärischen Notwendigkeit, die gegenüber der Bevölkerung im Gebiet der Kriegshandlung begangen werden [...] - bei Vorliegen erschwerender Umstände". Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 46f., 67.
Der „Ukaz
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v o n Gefangenen" 1 7 beispielsweise konnte mit einer Freiheitsstrafe v o n maximal drei Jahren bestraft werden. D i e zitierte Begründung rechtfertigte in d e n A u g e n der sowjetischen Legislative u n d der Judikative in der Folgezeit offensichtlich auch die rückwirkende (!) Geltung des „Ukaz 4 3 " . 1 8 D a s n e u e Strafmaß - die öffentliche Hinrichtung durch Erhängen - sollte z u d e m eindeutig abschreckend wirken. Es kam zugleich d e m Vergeltungsbedürfnis weiter Teile der Bevölkerung e n t g e g e n . 1 9 D e r „Ukaz 4 3 " war so auch ein Mittel der sowjetischen bedingungs- u n d oftmals schrankenlosen Propaganda g e g e n d e n deutschen Gegner: D i e Kriegsfeldgerichte hatten nach einer Weisung des Leiters der Hauptverwaltung des Justizkommissariats für Militärtribunale, Generalmajor Zejdin, in ihren Verhandlungen u n d Urteilen g e g e n Kriegsgefang e n e gar d e n Terminus „Kriegsgefangene" z u v e r m e i d e n : D e r Begriff passte laut Zejdin nicht auf „deutsch-faschistische Schurken, die schändliche Verbrechen" b e g a n g e n hatten. 2 0 Vor allem aber zielte die sowjetische Führung auf die sowjetische Kollaboration. 2 1 Einer Aufstellung des Leiters der Abteilung des Volkskommissariats für Justiz für Militärtribunale der Roten Armee zufolge verurteilten sowjetische Militärtribunale allein i m Jahr 1 9 4 2 (!) auf der Grundlage zweier Artikel des Strafgesetzbuchs 15 7 4 3 Sowjetbürger w e g e n Beihilfe für d e n Feind. 2 2 S c h o n im
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Art. 193,29 StGB RSFSR. In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 67. Vgl. Manfred Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen. Die Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR in den Jahren 1943-1952. Kenntnisstand und Forschungsprobleme (Berichte und Studien 9), Dresden 1996, S. 26. Vgl. Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse, S. 70f.; Friedrich-Christian Schroeder, Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene, in diesem Band, S. 69-92. Zur öffentlichen Resonanz der Hinrichtungen: Bericht über die öffentliche Hinrichtung. In: Izvestija vom 21.12.1943; vgl. zu den Dokumentarfilmen insgesamt Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen, S. 29 f.; Rundschreiben des Leiters der UPVI NKVD SSSR und seines Stellvertreters vom 11.1.1944 (Archiv des UVD VO, f. 6, op. 1, d. 262,1. 37), hier zitiert nach Peter/Epifanov, Stalins Kriegsgefangene, S. 282 f. Schreiben Zejdins vom 15.11.1943, hier zitiert nach Petuchov/Epifanov, Ne zabyf, S. 56. Zur Kollaboration vgl. die differenzierte Darstellung von Bernhard Chiari, Alltag hinter der Front. Besatzung, Kollaboration und Widerstand in Weißrußland 1941-1944 (Schriften des Bundesarchivs 53), Düsseldorf 1998, S. 97ff; ders., Mythos und Alltag: Voraussetzungen und Probleme eines west-östlichen Dialogs zur Historiographie des Zweiten Weltkriegs. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 54 (1995), S. 560ff. Dagegen fällt die offiziöse Geschichtsschreibung Russlands ab. Vgl. N. M. Ramanicev, Sotrudnicestvo s vragom. In: Velikaja Otecestvennaja vojna 1941-45, Kniga 4: Narod i vojna, Moskau 1999, und aktuell Michail I. Semirjaga, Kollaboracionizm. Priroda, tipologija i projavlenija ν gody vtoroj mirovoj voiny, Moskau 2000. Aufstellung des Leiters der Abteilung für Militärtribunale der Roten Armee, Oberst der Justiz Botvinnik, vom April 1943, hier zitiert nach Petuchov/Epifanov, Ne zabyf, S. 52. Die Abteilung war Bestandteil der zum Justizkommissariat gehörenden Hauptverwaltung für Militärtribunale.
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Mai 1 9 4 2 hatte die Staatsanwaltschaft für diesen K o m p l e x eine einheitliche 2 3 und insgesamt härtere Rechtssprechung eingefordert. Zugleich sollte aber auch die Bewertung einzelner Handlungen d e m Besatzungsalltag gerechter w e r d e n . 2 4 D e r Generalstaatsanwalt u n d der Volkskommissar für Justiz riefen im August 1 9 4 2 d e n Justizorganen erneut in Erinnerung, dass „die Kriegssituation die maximale Verstärkung des Kampfes g e g e n alle konterrevolutionären Verb r e c h e n fordere, u n d dass speziell die Vergehen der Helfershelfer der deuts c h e n Truppen strengste Bestrafung" 2 5 verdienten. N a c h der Schlacht u m Stalingrad war bis Frühjahr 1943 ein deutlicher Anstieg der untersuchten Fälle zu verzeichnen.26 D i e Wiederherstellung der sowjetischen Staatsgewalt in d e n befreiten - u n d in d e n n o c h z u b e f r e i e n d e n - G e b i e t e n bedurfte in d e n A u g e n der sowjetischen Führung nicht nur der strafrechtlichen Verfolgung v o n Gewaltverbrechen sowjetischer Bürger, s o n d e r n auch einer u m f a s s e n d e n Generalabrechnung mit d e m e r w i e s e n e n oder nur potenziellen „inneren" politischen Feind. 2 7 D u r c h 23
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Nach der Aufstellung Botvinniks wurden 1942 9 790 sowjetische Bürger nach Art. 58,1a und 5 953 nach Art. 58,3 belangt (Aufstellung des Leiters der Abteilung für Militärtribunale der Roten Armee, Oberst der Justiz Botvinnik, vom April 1943, hier zitiert nach Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 5). Vgl. die folgende Anm. Befehl des Staatsanwalts der UdSSR Nr. 46ss vom 15.5.1942 (Auszug), abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov o repressijach i reabilitacii zertv politiceskich repressi]', Moskau 1993, S. 39-41. Er untersagte Anklagen nach Art. 58,3 („Vorschubleistung jeder Art zugunsten eines ausländischen Staates, der sich mit der Union der SSR im Zustand des Krieges [...] befindet" [Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 17]). Dagegen wollte der Befehl sowjetische Amtsträger im besetzten Gebiet, die im Geheimen aktiv im Untergrund arbeiteten, sowie Arbeiter oder niedere Ränge, die sozusagen von Berufs wegen zu kollaborieren hatten und in deren Tätigkeit keine „Anzeichen" von Verrat festzustellen waren, von der Bestrafung ausgenommen wissen. Gemeinsame Instruktion des Generalstaatsanwalts und des Volkskommissars für Justiz vom 14.8.1942, hier zitiert nach der Zusammenfassung von Aleksandr E. Epifanov/ V. S. Lomov, Besatzungsregime der deutschen Wehrmacht und die Kollaborateure während der Stalingrader Schlacht 1942/1943. In: Epifanov/Mayer, Die Tragödie, S. 143 f. Zum 25.3.1943 zählte man allein in der Region Krasnodar über 10 000 Verhaftete, im Oblast' Voronez 3 773. Vgl. Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 52. Täterbilder der sowjetischen Abwehr dokumentieren Berichte der Inneren Truppen des NKVD oder des NKVD von 1941/1942. Vgl. Ivan Κ Belik/Elena V. Sumilova, „Nemeckaja razvedka javljaetsja dovol'no sil'nym protivnikom". O metodach raboty germanskoj razvedki ν vojskovom tylu dejstvujuscej Krasnoj Armii. 1942 g. In: Istoriceskij Archiv, Heft 5/2000, S. 27-62; Oleg B. Mozochin/Vladimir P. Jampol'skij, „Analiz del po vskrytoj vrazeskoj agenture svidetel'stvuet ..." O metodach raboty germanskich specsluzb na Ukraine. Dekabr' 1941 g. In: Istoriceskij Archiv, Heft 4/2000, S. 35-48; Nikolaj Sinewirskij, Smersch (Tod den Spionen). Ein Jahr im Lager des Feindes, Frankfurt a.M. 1954, S. 95f„ S. 106-109. Chiari beschreibt ζ. B., dass sowjetische Militärs Weißrussland „als eine jahrelang indoktrinierte, undurchdringliche und antisowjetische Wildnis, die nur durch blanke Gewalt zu beherrschen sei", betrachteten. Chiari, Alltag, S. 304f. Vgl. auch Michael Parrish, The Lesser Terror. Soviet State Security, 1939-1953, Westport CT 1996, S. 116; überspitzt ebd., S. 126f., S. 130; Borys Lewytzkyj, Vom roten Terror zur sozialistischen Gesetzlichkeit. Der sowjetische Sicherheitsdienst, München 1961, S. 143,
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kollektive Deportationen konnte und wollte man sich seiner nur im Falle (kleinerer) ethnischer Gruppen entledigen. 2 8 Für die juristische Aufarbeitung entwickelte die sowjetische Führung mit dem „Ukaz 43" ein Instrument, das die Ziele zügiger und propagandistisch wirkungsvoller erreichen sollte als es die schwerfälligen Verfahren nach den Strafgesetzbüchern erlaubt hätten. 2 9 Das abstoßende Strafmaß sollte zudem die weitere Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den gegnerischen Kriegsund Besatzungsmächten minimieren, unabhängig davon, ob die Bürger gegen das „Vaterland" oder gegen die sowjetische Staatsordnung revoltierten. Die Verquickung so unterschiedlicher Ziele, wie es die Ahndung (deutscher) Kriegs- und Gewaltverbrechen, die Verfolgung krimineller und menschenmordender Kollaboration und die Säuberung von antisowjetischen Elementen waren, in einer Verfügung stellte wieder einmal einen direkten Zusammenhang zwischen „sowjetfeindlichen" Aktivitäten sowjetischer Bürger und brutalen Verbrechen oder staatsbedrohenden Aktionen „des Auslands" her. 30 Auf diese Weise fiel es dem stalinistischen Propagandaapparat leicht, die harsche Verfolgung aller neu auftretenden oder entdeckten politischen Gegner zu rechtfertigen. Überlegungen, die die strafrechtliche Verfolgung im Rahmen der existierenden Gesetze sicherstellen wollten, hatten gegenüber den Vorzügen, die ein neuer Erlass mit sich brachte, keine Chance auf Realisierung. 31 Dagegen spielte entgegen weit verbreiteter Auffassung die Aufdeckung und propagandistische Ausschlachtung der Massengräber von Katyn' durch die Maschinerie Goebbels' in der Entstehung des „Ukaz 43" keine Rolle. 32 Als die
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S. 160f.; Sinewirskij, Smersch, S. 187; Jakob Ajzenstat, Zapiski sekretarja voennogo tribunala, London 1991, S. 70-89; Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse, S. 70f. Vgl. Nicolas Werth, Ein Staat gegen sein Volk. Gewalt, Unterdrückung und Terror in der Sowjetunion. In: Stéphane Courtois (Hg.), Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror, 5. Auflage, München 1998, S. 243-249; Dimitrij Wolkogonow, Stalin. Triumph und Tragödie. Ein politisches Porträt, Düsseldorf 1989, S. 607-609. Auf die nationalistische Dimension dieser Deportationen kann hier nur hingewiesen werden. Vgl. Manfred Hildermeier, Geschichte der Sowjetunion 1917-1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates, München 1998, S. 628-631. Siehe auch Anm. 40. Zu den schleppenden Ermittlungen nach Artikel 58 vgl. Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 52. Der kurze Instanzenzug entlang der militärischen Befehlslinien, der ursprünglich bei den Prozessen nach „Ukaz 43" galt, weist ebenfalls auf den Wunsch hin, die Säuberungen schnell zum Abschluss bringen zu können, ebd., S. 55f. Hier sei nur an die abstrusen Vorwürfe der Schauprozesse der 30er Jahre und an die sowjetische Spionomanie aller Zeiten erinnert. Zu Befehlsentwürfen aus der Hauptverwaltung des Volkskommissariats für Justiz für Militärtribunale noch von April 1943 vgl. Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 54. So irrtümlich Gerd R. Ueberschär, Die sowjetischen Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene 1943-1952. In: ders. (Hg.), Der Nationalsozialismus vor Gericht, S. 240-261, hier S. 241. Auch die Vermutung Viktorovs, dass das Dekret die Selbstjustiz sowjetischer Soldaten und Zivilisten verhindern sollte, spiegelt eher den Wunsch des Autors, die strikte Gesetzestreue der Militärstaatsanwälte herauszustellen wider und ist aufgrund des hier Gesagten nicht haltbar. Vgl. Boris A. Viktorov, Bez grifa „Sekretno". Zapiski voennogo prokurora, Moskau 1990, S. 289 f.
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Gräberfunde am 13. April im Berliner Rundfunk publik gemacht wurden, waren die Vorbereitungen in Moskau schon längst angelaufen. Im stalinistischen Justizsystem war es keineswegs unüblich, anstelle der Bestimmungen des Strafgesetzbuchs spezielle Erlasse zur Anwendung zu bringen, oder, um die von Ernst Fraenkel geprägte Terminologie aufzugreifen: Die spät-stalinistische Führung griff häufiger mit „Maßnahmen" in das existierende System (strafrechtlicher) „Normen" ein, 3 3 obwohl dieses die Rechtsauffassung des ersten sozialistischen Staats der Welt widerspiegelte. 34 Dies war vorzugsweise dann der Fall, wenn die Behörden auf ernsthafte Abweichungen von den sozialistischen Normen aufmerksam geworden waren, die es so schnell wie möglich zu stoppen galt. Der Verabschiedung eines entsprechenden Erlasses folgten in der Regel umfangreiche Verhaftungen und Gerichtsverfahren, die von Pressekampagnen begleitet wurden. Diese Vorgehensweise lässt sich nicht nur beim „Ukaz 4 3 " , sondern beispielsweise auch bei den Dekreten des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 4. Juni 1947 beobachten. 3 5 Stalin legte gerade auf den innersowjetischen Aspekt des „Ukaz 4 3 " besonderen Wert, wie sein Engagement in den Entwurfsarbeiten verdeutlicht. Im Auftrag Stalins erarbeiteten Malenkov als ZK-Sekretär und Mitglied des GKO, der Generalstaatsanwalt der UdSSR, Bockov, der Vorsitzende des Obersten Gerichts der UdSSR, Goljakov, sowie der Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjets, Gorkin, im Frühjahr 1943 einen Entwurf für ein Dekret „Uber Maßnahmen zur Bestrafung der deutsch-faschistischen Übeltäter, die der Ermordung und Misshandlung der sowjetischen Zivilbevölkerung und der gefangenen Rotarmisten schuldig sind, sowie der Spione und Vaterlandsverräter unter den Sowjetbürgern und deren Helfershelfern." 36 Stalin selbst brachte 33
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Vgl. Ernst Fraenkel, Der Doppelstaat. Recht und Justiz im „Dritten Reich", ungekürzte Ausgabe, Frankfurt a. M. 1 9 8 4 . Eine tiefergehende Analyse des Verhältnisses von „Normen- und Maßnahmenstaat" in seiner Entwicklung von den 3 0 e r bis zu den 5 0 e r Jahren kann hier nicht geleistet werden. Vgl. Anm. 3 4 . Bei einem Vergleich des Nationalsozialismus und des Stalinismus, der auch auf die Analyse Fraenkels zurückgreifen will, wird der völlig unterschiedliche Charakter der jeweils existierenden Normsysteme zu beachten sein: im Dritten Reich die „bürgerlichen" Rechtsinstrumente der Vergangenheit, in der UdSSR der 1 9 4 0 e r Jahre Gesetzbücher, denen der Schutz des sozialistischen Staates aufgegeben war. Weitere „Maßnahmen" wirkten hier möglicherweise eher komplementär oder korrigierend und weniger richtungsändernd. Vgl. Robert Sharlet, Stalinism and Soviet Legal Culture. In: Robert C. Tucker (Hg.), Stalinism, New York 1977, besonders S. 155f. mit Anm. 2. Den Hinweis auf diesen Beitrag verdanken wir Herrn Dr. Jürgen Zarusky, IfZ München. Zarusky plant eine großangelegte Untersuchung politischer Justiz im Dritten Reich und im Stalinismus, die die Tragfähigkeit dieses Konzepts auch für den Diktaturenvergleich erforscht. Vgl. auch Robert C. Tucker, Stalin in Power. The Revolution from Above 1 9 2 8 - 1 9 4 1 , New York 1 9 9 0 . S. 4 6 7 - 4 6 9 und besonders S. 5 4 2 - 5 4 5 . Vgl. in weiterem Zusammenhang Hildermeier, Geschichte, S. 2 2 7 , S. 4 4 2 f. Vgl. auch die Überlegungen Peter H. Solomons, Soviet Criminal Justice under Stalin, Cambridge 1 9 9 6 , S. 4 6 5 - 4 6 8 . Vgl. u. a. Solomon, Soviet Criminal Justice, S. 4 2 8 - 4 3 2 . Siehe auch Wohlmuther, Lageralltag und Strafjustiz, in diesem Band, S. 1 4 5 - 1 7 6 . Schreiben Malenkovs an Stalin vom 9 . 4 . 1 9 4 3 (APRF, f. 3, op. 5 0 , d. 5 4 0 , 1 . 1 2 4 - 1 2 6 ) .
Der „ Ukaz 43"
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in dem Entwurf vom 9. April 1943 einige Änderungen an, die ausschließlich die sowjetischen Täter betrafen. Jedes Mal, wenn in dem Ukaz von ihnen die Rede war, fügte Stalin zur Verdeutlichung „unter den sowjetischen Bürgern" oder den Zusatz „aus der örtlichen Bevölkerung" 37 ein. Schon die Vorlage sah öffentliche Hinrichtungen für „Gräueltäter", „Spione" und „Vaterlandsverräter" 38 vor. Dagegen sollten „Helfershelfer", „wenn ihre Taten aufgrund der Merkmale nicht notwendigerweise eine vom Gesetz vorgesehene Gefängnishaft nach sich ziehen, öffentlich körperlich [...] [ge]züchtig[t] [werden], und zwar mit 5 0 bis 100 Rutenhieben". Das Politbüro des Zentralkomitees der VKP (b) bestätigte am 19. April 1943 ohne jede weitere Beratung den von Stalin geänderten Entwurf mit seinem Beschluss Nr. P 4 0 / 1 1 2 . 3 9 Im Unterschied zum Konzept Malenkovs hatte Stalin auf die mittelalterlich-zaristische Strafe der Auspeitschung verzichtet, verschärfte aber - dann doch im Rückgriff auf die Zarenzeit - die Sanktionen gegen Helfershelfer durch die Einführung der 15- bis 20-jährigen Katorgastrafe. 40 Noch am gleichen Tage folgte der formelle Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets. Dass der Vorsitzende des Präsidiums, Kalinin, nie seine Unterschrift unter das Dekret setzte, 41 deutet nicht nur auf ein gewisses Chaos in den bürokratischen Spitzen hin, sondern spricht für den klaren Vorrang politischer vor rechtlichen Erwägungen. Obwohl der „Ukaz 43", der zudem während sei-
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Ebd. Vgl. die Endfassung des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19.4.1943 (GARF, f. 7523, op. 67, d. 6, 1. 5f.); Dt. Übers, in Ueberschär, Ausgewählte Dokumente, S. 279-281. Stalin sorgte sich auch um die stilistische Gestaltung des Erlasses: Der literarische Begriff „zlodej" unterstrich den episch-heroischen Charakter des Krieges gegen Deutschland. Schreiben Malenkovs an Stalin vom 9.4.1943 (wie Anm. 36). Hier auch das folgende Zitat. Beschluss des Politbüros Nr. P40/112 vom 19.4.1943 (APRF, f. 3, op. 57, d. 40, 1. 1-4). Dazu das Protokoll der Sitzung des Politbüros vom 19.4.1943 (RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1366,1. 61). Es sei hier im Übrigen nur darauf hingewiesen, dass über diese Strafbestimmungen hinaus - analog zu Anverwandten von Überläufern oder „Verrätern" aus der Roten Armee - auch die unbeteiligten Familienmitglieder der „aktiven deutschen Handlanger" administrativ repressiert wurden: „Das NKVD sieht es als zweckmäßig an", meldete Berija nach der Befreiung des Nordkaukasus an Stalin, „aus Stavropol', Kislovodsk, Pjatigor'sk, Mineral'nye Vody, Esentuki die Familienmitglieder der Banditen, der aktiven deutschen Handlanger, Verräter, Heimatverräter und freiwillig zu den Deutschen Übergelaufenen zum ständigen Aufenthalt in die Tadschikische SSR als Spezialumsiedler umzusiedeln. Umzusiedeln wären 735 Familien - 2 238 Personen. Ich bitte um Ihre Anweisungen." Wolkogonow, Stalin, S. 605. Vgl. dazu die Verordnung der GKO vom 27.12.1941 über die „Aussiedlung der Familien von Personen, die in den Verwaltungs- oder Straforganen der deutschen Mächte gedient haben oder sich freiwillig mit den faschistischen Armeen zurückgezogen haben, in ferne Oblaste", abgedruckt in Bjulleten' rassekrecennych dokumentov federal'nych gosudarstvennych archivov i centrov chranenija dokumentacii, Moskau 1998, S. 61. Exemplar Nr. 1 des Dekrets (GARF, f. 7523, op. 67, d. 6,1. 5f.).
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ner Geltungszeit nie veröffentlicht wurde, so formal nicht rechtskräftig war, ließ die sowjetische Führung in den Folgejahren auf seiner Grundlage abertausende Prozesse durchführen. Im Grunde setzte nicht das Präsidium des Obersten Sowjets, sondern Stalin in seiner Funktion als Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR das Dekret in Kraft: Am 2 0 . April 1943 erließ das Volkskommissariat für Verteidigung den von Stalin unterschriebenen Geheimbefehl Nr. 0 2 8 3 an alle Militärräte, bestehend aus zwei Punkten: 1. Text des Dekrets vom 19. April 1943. 2. Befehl an die Militärräte der Fronten und Armeen, die Divisionskommandeure anzuhalten, zur Durchführung des Dekrets bis spätestens zum 10. Mai 1943 die zuständigen Kriegsfeldgerichte zu bilden. 4 2
3.
D e r „ U k a z 4 3 " u n d die sowjetische Justiz
3.1
Probleme der gerichtlichen Zuständigkeit
Für Stalin war das Thema „Ukaz 4 3 " mit seinem Befehl vom 2 0 . April 1943 offensichtlich abgeschlossen. Doch das Vorhaben, vor Kriegsfeldgerichten der Divisionen „kurzen Prozess" mit angeblichen und tatsächlichen Kriegsverbrechern und „Vaterlandsverrätern" zu machen, scheiterte an den Widrigkeiten der Realität. Die Schwierigkeiten der Frontdivisionen, in kürzester Zeit die befohlenen Gerichte zu bilden, überließ Stalin seinem Stellvertreter Vysinskij, der als graue Eminenz der Jurisprudenz agierte. Der vorgesehene Termin, der 10. Mai, war auf keinen Fall einzuhalten. Selbst die Vorschriften für die Prozessführung erließ der Leiter der Hauptverwaltung des Volkskommissariats für Justiz für Militärtribunale erst am 19. Mai 1943. 4 3 Um den Unzulänglichkeiten in der Gerichtspraxis beizukommen, wurden am 2. August durch Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets auch bei den Kavallerie-, Panzer- und mechanisierten Korps Kriegsfeldgerichte eingerichtet, die „sich in ihrer Arbeit vom Ukaz des Präsidiums des Obersten Sow-
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Befehl Ν KO Nr. 0 2 8 3 vom 2 0 . 4 . 1 9 4 3 (GARF, f. 9 4 9 2 , op. 2s, d. 2 9 , 1 . 1 8 8 - 1 9 1 ) . Die Untersuchungsabteilungen bei den Fronten und Armeen, die am 1 9 . 4 . 1 9 4 3 gebildet worden waren, um eine „qualifiziertere Befragung der Kriegsgefangenen" zu gewährleisten, waren allerdings für die militärische Aufklärung zuständig. Befehl NKO Nr. 0 0 7 1 vom 1 9 . 4 . 1 9 4 3 (RGVA, f. 4, op. 11, d. 74, 1. 1 6 3 - 1 6 6 ) , hier zitiert nach Aleksandr I. Kolpakidi/Dmitrij P. Prochorov, Imperija GRU. Ocerki rossijskoj voennoj razvedki, 2 Bände, Bd. 1, Moskau 2 0 0 0 , S. 2 5 2 - 2 5 6 .
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Direktive Nr. 0 0 2 0 6 6 des Leiters der Hauptverwaltung für Militärtribunale, Generalmajor der Justiz Zejdin, vom 1 9 . 5 . 1 9 4 3 . Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 5 5 . Die genaue Amtsbezeichnung und die Zuordnung zum NKJu geht unter anderem aus einem Schreiben Zejdins an die CGK hervor. Schreiben des Generalmajors der Justiz Zejdin an die CGK Nr. 0 0 3 5 1 8 vom 1 6 . 9 . 1 9 4 3 (GARF, f. 7 0 2 1 [CGK], op. 149, d. 13,1. 3 0 f . ) .
Der „Ukaz 43"
187
jets der U d S S R vom 19. April 1943 leiten" 4 4 ließen. Zudem wurden „in einigen Fällen und aus politischen Erwägungen" 4 5 (!) heraus im Sommer 1943 auch die bereits bestehenden Militärgerichte höherer Ebene mit Aburteilungen nach „Ukaz 4 3 " betraut. Als Beispiel für derartige Fälle führte Justizminister Ryckov gegenüber Vysinskij den Krasnodarer Prozess von Juli 1943 an. Neben der öffentlichen Wirkung von Schauprozessen mit hochrangigen Richtern sprachen nach Ansicht Ryckovs aber vor allem pragmatische Gründe dafür, die Tribunale der Fronten und Armeen in „unumgänglichen Fällen" 4 6 in die Verfahren nach „Ukaz 4 3 " einzuschalten: Die ,,deutsch-faschistische[n] Übeltäter sowie Vaterlandsverräter unter den Sowjetbürgern und deren Helfershelfer [werden] nicht selten erst dann entdeckt, wenn das entsprechende Gebiet schon lange von den Okkupanten befreit ist, sich die Divisionen sowie die bei ihnen gebildeten Feldgerichte schon weit voraus befinden und in dem jeweiligen Gebiet das Militärtribunal einer Armee oder gar einer Front tätig ist". 4 7 Den entsprechenden Anderungsentwurf legte Ryckov seinem Schreiben an Vysinskij vom 5. August 1943 gleich bei. Die umfassende Neuregelung der Kompetenzen ging Vysinskij zunächst zu weit. „Entsprechend dem Beschluss der Juristischen Kommission des Rats der Volkskommissare der UdSSR vom 2 6 . August 1 9 4 3 " 4 8 lieferte Ryckov dem Stellvertretenden Vorsitzenden des SNK am 27. August 1943 nach weiteren Versuchen Mitte August eine neue, weit weniger ambitionierte Vorlage ab. Sie sah den Einsatz von Militärtribunalen der Fronten und Armeen nur noch in Verfahren nach Artikel 2 des „Ukaz 4 3 " gegen „Helfershelfer" und nur dann vor, „wenn unter den Umständen der Kriegszeit eine Übergabe an Feldgerichte unmöglich ist". 4 9 Das formalrechtlich erforderliche Dekret zur Änderung des „Ukaz 4 3 " erließ das Präsidium des Obersten Sowjets am 8. Sepember 1943: „Militärtri-
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Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 2 . 8 . 1 9 4 3 (GARF, f. 7 5 2 3 , op. 67, d. 6,1. 10). Vgl. Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 6 6 . Schreiben des Justizkommissars Ryckov an den Stellv. Vorsitzenden des SNK, Vysinskij, vom 5 . 8 . 1 9 4 3 (GARF, f. 9 4 9 2 , op. 2s, d. 2 9 , 1 . 1 9 0 - 1 9 4 ) . Hier auch das Folgende. Vgl. dazu den Entwurf einer „Anweisung des Volkskommissariats für Justiz der UdSSR und des Staatsanwalts der UdSSR", den Ryckov und Bockov am 19. Juli 1943 Vysinskij zusandten und die Militärräten der Fronten und Armeen das Recht einräumen sollte, Verfahren nach „Ukaz 4 3 " generell an die Militärtribunale der Fronten und Armeen weiterzuleiten (GARF, f. 9 4 9 2 , op. 2s, d. 2 9 , 1 . 1 8 8 - 1 9 6 ) . Schreiben des Justizministers Ryckov an den Stellv. Vorsitzenden des SNK, Vysinskij, vom 5 . 8 . 1 9 4 3 (GARF, f. 9 4 9 2 , op. 2s, d. 2 9 , 1 . 1 9 0 - 1 9 4 ) . Ebd. Schreiben Ryckovs an Vysinskij vom 2 7 . 8 . 1 9 4 3 mit Beschlussentwurf (GARF, f. 9 4 9 2 , op. 2s, d. 2 9 ) . Ebd. Eine zweite Entwurfsvariante schränkte die Möglichkeiten explizit auf die Fälle ein, in denen „unter den Umständen der Kriegszeit die dieser Taten Beschuldigten in das Hinterland evakuiert werden, wo es keine Feldgerichte gibt", ebd. Die Militärräte der Fronten und Armeen waren in beiden Entwürfen von der Bestimmung der Zuständigkeiten ausgeschlossen.
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bunale" durften nun generell Verhandlungen nach Punkt 2 des „Ukaz 43" durchführen, wenn die „Umstände der Kriegszeit" 50 die Übergabe an Kriegsfeldgerichte unmöglich gemacht hatten. Damit wurde ein weiteres Mal die ursprüngliche Hauptstoßrichtung des „Ukaz 43" unterstrichen: Der sowjetischen Führung ging es primär darum, dem erwarteten Zuwachs an Verfahren gegen sowjetische Kollaborateure Herr zu werden. 5 1 Die halbherzige und unvollständige Regelung der Zuständigkeiten, die je nach Artikel des „Ukaz 43" unterschiedliche Gerichte mit den Prozessen befasste, konnte nicht von Dauer sein. „Die Praxis zeigt", so unterstützte Vysinskij im Mai 1944 gegenüber Molotov die frühen Einwände Ryckovs, dass eben auch die Personen, die nach Artikel 1 des „Ukaz 43" belangt werden sollten, oftmals „in das Hinterland evakuiert worden waren oder lange nach der Befreiung eines Orts [...] entdeckt werden, wenn es dort schon keine Kriegsfeldgerichte mehr gibt". 52 Mit Ukaz vom 24. Mai 1944 erhielten die „Militärtribunale" 53 folgerichtig auch die Zuständigkeit für Verfahren nach Punkt 1 des „Ukaz 43" zugesprochen, sofern die „Umstände der Kriegszeit" Verhandlungen vor Kriegsfeldgerichten unmöglich machten. Damit konnten von diesem Zeitpunkt an „Militärtribunale" ganz legal auch die kriegsgefangenen „Gräueltäter" richten.54 Indes schienen der sowjetischen Führung öffentliche Hinrichtungszeremonien im Hinterland der Fronten, in dem sich die Sowjetmacht neu konsolidieren wollte, nicht mehr angemessen. Die Militärtribunale durften ausschließlich zum Tode durch Erschießen verurteilen. 5 5 Das hinderte sie allerdings nicht daran, mit Sanktion der politischen Instanzen in den Schauprozessen der Nachkriegszeit gegen (deutsche) Kriegsgefangene weiterhin Todesstrafen durch Erhängen auszusprechen! 5 6
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Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 8.9.1943, hier auszugsweise zitiert nach Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 56. Vgl. das Schreiben Vysinskijs an Molotov vom 15.5.1944 (GARF, f. 7523, op. 4, d. 221,1. 97f.). Vgl. Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 66. „Der Vormarsch der Einheiten der Roten Armee nach Westen und die Säuberung des zeitweilig okkupierten Territoriums von den deutsch-faschistischen Eroberern zieht unweigerlich einen Anstieg der Fälle, die der Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 vorsieht, nach sich." Schreiben Ryckovs an Vysinskij vom 27.8.1943 mit Beschlussentwurf (GARF, f. 9492, op. 2s, d. 29). Schreiben Vysinskijs vom 15.5.1944 an Molotov (GARF, f. 7523, op. 4, d. 221,1. 97 f.). Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 24.5.1944 über die Übertragung des Rechts an die Militärtribunale, Fälle über Verbrechen, die in Art. 1 des Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 vorgesehen sind, zu verhandeln (GARF, f. 7523, op. 4, d. 221,1. 97). Vgl. Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 56. Entgegen dieser Rechtslage fand schon der Char'kover Prozess - wohl aus Gründen der größeren Publizität - vor einem Fronttribunal statt. Vgl. Anm. 45 und Abschnitt 4. Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 24.5.1944 (GARF, f. 7523, op. 4, d. 221,1. 97). Vgl. auch Peter/Epifanov, Stalins Kriegsgefangene, S. 268. Vgl. ebd.
Der „Ukaz 43" 3.2
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Probleme der Anwendung
Auch in anderen Punkten zeigt sich, dass die stalinistische Justiz- und Verwaltungspraxis existierende Normen und Vorschriften bei Bedarf modifizierte und aushöhlte: Nach 1945 richteten beispielsweise das O S O pri NKVD und das Militärkollegium des Obersten Gerichts der Sowjetunion ebenfalls aufgrund des „Ukaz 43", 5 7 ohne dass es entsprechende Gesetzesänderungen gegeben hätte. Besonders auffällig sind jedoch Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener nach „Ukaz 43" zu Katorga-Strafen. Diese Strafart sah das Dekret nur für „Mithelfer aus der örtlichen Bevölkerung, die der Unterstützung der Übeltäter bei Ausschreitungen und Gewalttaten [...] überführt sind", 5 8 vor. Feindliche Soldaten hingegen, die „der Tötung und Misshandlung der Zivilbevölkerung und der gefangenen Rotarmisten überführt sind", waren ausnahmslos hinzurichten. Trotz dieser klaren Regelung verurteilte beispielsweise das Militärtribunal des Minsker Militärbezirks am 29. Januar 1946 nach einem öffentlichen Prozess wegen „Verbrechen, die in Artikel 1 des Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjet der Sowjetunion vom 19. April 1943 vorgesehen werden", 5 9 zwei der 18 Angeklagten zu 20-jähriger und zwei zu 15-jähriger Katorga; 14 Angeklagte erlitten den Tod durch den Strang. Nur einen Tag vorher hatte das Militärtribunal des Kiever Militärbezirks drei von 15 angeklagten Deutschen zu 15- bis 20-jährigen Katorga-Strafen verurteilt. 60 Dass es sich hier nicht um Einzelfälle handelte, belegt die Direktive Nr. 219 des MVD vom 31. August 1946, die Vorkutlag (Komi ASSR) als Haftort für alle zu Katorga-Strafen verurteilten kriegsgefangenen „Gräueltäter" vorschrieb und sogar noch Haftorte für kriegsgefangene Katorga-Sträflinge festlegte, die nicht wegen Mord und Misshandlung verurteilt worden waren. 6 1 Auch nachdem die Todesstrafe in der UdSSR generell durch 25-jährige ITL-Strafen ersetzt wor57
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Aufstellung über vollstreckte Todesurteile in der Lubjanka (CA FSB, f. 7, op. 1, d. 196). Urteil des Militärkollegiums des Obersten Gerichts vom 11.2.1952 gegen Generalfeldmarschall Schörner, Akte Ferdinand Schörner (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G00178). Wie Anm. 8. Hier auch das folgende Zitat. Siehe Fall Bruno Max G. ( I f A / H AIT- Archiv, Nr. G 0 0 2 8 3 ) . Urteil im Namen der UdSSR des Militärtribunals des Kiever Militärbezirks vom 28.1. 1946. Kyïvs'kij procès. Dokumenty ta materialy, Kyïv 1995, S. 192-201. Vgl. den nichtöffentlichen Prozess des MVD-Tribunals des Ural-Militärkreises am 20. November 1946, bei dem von 2 2 Angeklagten sechs zu 15- bis 20-jährigen Katorga-Strafen verurteilt wurden. Epifanov/Mayer, Die Tragödie, S. 163. Daneben weisen die erhobenen Daten auch einige frühe Verurteilungen zu 25-jährigen ITL-Strafen aus, und eine Direktive des MVD Nr. 731 vom 21.11.1947 rechnete auch mit niedrigeren ITL-Strafen für „Gräueltäter" (GARF, f. 9401, op. 1, d. 837,1. 147-149 und IfA/HAIT-Datenbank). Für diese Strafmaße gelten analoge Überlegungen. Direktive MVD Nr. 219 vom 3 1 . 8 . 1 9 4 6 (GARF, f. 9401, o. 12, d. 215,1. 63). Die Direktive spricht ausdrücklich von Kriegsgefangenen. Vgl. Andreas Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene: Wege in eine terra incognita der Kriegsgefangenengeschichte, in diesem Band, S. 9 3 - 1 4 2 .
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d e n w a r , 6 2 w u r d e n G e f a n g e n e vereinzelt weiterhin zu K a t o r g a h a f t 6 3 o d e r alternativ zu 15- bis 2 0 - j ä h r i g e n I T L - S t r a f e n 6 4 verurteilt. Die auffälligen A b w e i c h u n g e n k o n n t e n sich auf keine rechtliche G r u n d l a g e s t ü t z e n . 6 5 D a sich die Militärtribunale des M V D in d e r P h a s e der Massenverurteilungen in ihren U r t e i l s s p r ü c h e n n a c h „ U k a z 4 3 " strikt an die U m w a n d lung der Todesstrafe in 2 5 - j ä h r i g e I T L - S t r a f e n h i e l t e n , 6 6 k ö n n e n die w e n i g e n K a t o r g a - S t r a f e n n a c h M a i 1 9 4 7 als P r o d u k t einer Ü b e r g a n g s p h a s e a n g e s e h e n w e r d e n , in der sich n e u e z e n t r a l e V o r g a b e n n u r mit einer gewissen Verzöger u n g g e g e n die alte P r a x i s d u r c h s e t z t e n . Diese frühe u n d z u m a l in d e n S c h a u p r o z e s s e n v o n d e n „ I n s t a n z e n " öffentlich sanktionierte P r a x i s mit ihren A b w e i c h u n g e n v o n d e n eindeutigen Vorschriften des „ U k a z 4 3 " w a r politischen E r w ä g u n g e n der sowjetischen Führ u n g geschuldet. Sie w a n d t e die differenzierte S t r a f z u m e s s u n g , die sich bei d e r Verfolgung sowjetischer „ V a t e r l a n d s v e r r ä t e r " u n d „Helfershelfer"
entwickelt
hatte, stillschweigend a u c h auf K r i e g s g e f a n g e n e an, u m auf diese W e i s e d e n unterschiedlichen G r a d an Verantwortlichkeit v o n verurteilten G e n e r ä l e n o d e r Gefreiten zu d o k u m e n t i e r e n : Die U d S S R b e t r a c h t e t e die Kriegs- u n d Besatz u n g s m a s c h i n e r i e des D r i t t e n Reichs als „ein System militarisierten Banditent u m s " , 6 7 in d e m u n t e r e n D i e n s t r ä n g e n teilweise bloß die Rolle a u s f ü h r e n d e r 62 63
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Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 2 6 . 5 . 1 9 4 7 „Über die Abschaffung der Todesstrafe". In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 71. Urteil des MVD-Militärtribunal der Tatarischen ASSR vom 27.10.1947 gegen Hans R, Erich R. und Hans R., Akte Erich R. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G 0 0 5 3 0 ) . Von 138 Angeklagten der Schauprozesse 1947 wurden 10 zu 15- bis 20-jährigen Katorga-Strafen verurteilt. Vgl. Petrov, Sudebnye processy protiv nemeckich voennoplennych ν S S S R ν 1 9 4 3 - 5 3 gg., Vortragsmanuskript, 1998. Vgl. dazu die Justizakten im GARF, f. 9 4 9 2 , op. 1-a, d. 4 9 7 , 1 . 2 0 - 2 3 und 1. 1 2 3 - 1 2 6 . Vgl. Armin Germann, ... in Rußland gefangen ..., Ilvesheim 1970, S. 4 5 - 4 7 . Vgl. die Direktive MVD Nr. 731 vom 21.11.1947 (wie Anm. 60). Mit Urteil des Militärtribunals des Kiever Militärbezirks im öffentlichen Prozess vom 22. - 2 9 . 1 1 . 1 9 4 7 in Poltava wurde der Gefangene Rudolf H. nach Art. 1 des „Ukaz 4 3 " zu 2 0 Jahren ITL verurteilt. Akte Helmut B. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G 0 0 0 4 6 ) . Die bearbeiteten Archivalien enthalten keinerlei Hinweis auf eine entsprechende Änderung des „Ukaz 4 3 " durch spätere Erlasse des Präsidiums des Obersten Sowjets oder anderer Stellen. Zudem berief sich jeder der hier zitierten Richtersprüche allein auf den „Ukaz 4 3 " , während sich die Verurteilungen nach Abschaffung der Todesstrafe in der Regel auf den „Ukaz 4 3 " zusammen mit dem Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 2 6 . 5 . 1 9 4 7 „Über die Abschaffung der Todesstrafe" stützten. Der Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 11.1.1983 schließlich, der den „Ukaz 4 3 " mitsamt seiner Ergänzungen vom 8 . 9 . 1 9 4 3 und 2 4 . 5 . 1 9 4 4 aufhob, kennt ebenso wenig weitere Änderungsbestimmungen (GARF, f. 7 5 2 3 , op. 136, d. 973,1. 5f.). Vgl. Andreas Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg? Die Massenverurteilungen deutscher Kriegsgefangener 1 9 4 9 / 5 0 und die Repatriierung Verurteilter 1950 bis 1956, in diesem Band, S. 2 1 1 - 2 7 2 . So Rudenko in seiner einleitenden Rede vor dem Nürnberger Gerichtshof vom 8 . 2 . 1946. In: Roman A. Rudenko, Die Gerechtigkeit nehme ihren Lauf! Die Reden des sowjetischen Hauptanklägers im Nürnberger Prozeß der deutschen Hauptkriegsverbrecher, Berlin 1946, S. 2 8 - 5 0 , hier S. 35. Vgl. auch Andreas Hilger, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, 1 9 4 1 - 1 9 5 6 . Kriegsgefangenenpolitik, Lageralltag und
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Organe oder von „Helfershelfern" zufiel: Getreu dieser Auffassung und gegen Gesetzestext und -logik verurteilte das Militärtribunal des Kiever Militärbezirks im Oktober 1947 zwei deutsche kriegsgefangene Regimentskommandeure in einem öffentlichen Prozess ausdrücklich nach Artikel 2 ( ! ) des „Ukaz 43" zu 15- bzw. 20-jährigen ITL-Strafen. 68 Der mit Billigung der politischen Planungsstäbe 69 und höchster Gerichtsinstanzen 70 herangezogene Artikel sah die 15- bis 20-jährigen Katorga-Strafen nur für „Mithelfer aus der örtlichen Bevölkerung"71 vor. Die Rechtsauslegung der Kiever Militärrichter war kein Einzelfall: Die IfA/HAIT-Datenbank weist immerhin 56 Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener nach Artikel 2 des „Ukaz 43" aus, die in den Jahren 1945 bis 1950 erfolgten. 72 Weitere sechs Urteile nach Artikel 2 des „Ukaz 43" trafen deutsche Kriegsgefangene, die in der Sowjetunion in den Grenzen von 1941 geboren worden waren. Solche Kriegsgefangene, die der UdSSR durchweg als sowjetische Staatsbürger galten, wurden von der sowjetischen Politik und den sowjetischen Ermittlungs- und Gerichtsorganen in der Regel als „Vaterlandsverräter" gebrandmarkt und nach Artikel 58,1 StGB RSFSR verurteilt. Als Beispiel kann der Fall Johann L. dienen: Als Volksdeutscher blieb er im August 1941 im deutsch besetzten Teil der UdSSR und folgte nach Uberzeugung des MVDMilitärtribunals des Uraler Militärbezirks 1943 freiwillig dem Rückzug der Wehrmacht. Im selben Jahr nahm L. die deutsche Staatsbürgerschaft an. Seit April 1944 kämpfte er in den Reihen der SS an der Ostfront und wurde 1945 in Budapest von der Roten Armee gefangengenommen. Obwohl L. vor Gericht aussagte, dass er nach Deutschland verschleppt und zwangsweise „eingedeutscht" worden sei, verurteilte ihn das Militärtribunal am 24. Juli 1946 nach
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Erinnerung (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, Neue Folge 11), Essen 2 0 0 0 , S. 267f.; Nikita Petrov, Deutsche Kriegsgefangene unter der Justiz Stalins. Gerichtsprozesse gegen Kriegsgefangene der deutschen Armee in der UdSSR 1 9 4 3 - 1 9 5 2 . In: Stefan Karner (Hg.), Gefangen in Rußland. Die Beiträge des Symposiums auf der Schallaburg 1995 (Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung 1), Graz 1995, S. 196f. Urteil des Militärtribunals des Kiever Militärbezirks im Prozess vom 2 5 . - 3 0 . 1 0 . 1 9 4 7 in Stalino vom 30.10.1947, Akte Walter H. (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. G 0 0 8 7 0 ) . Beschluss des Politbüros Nr. P - 5 9 / 2 0 0 - o p vom 10.9.1947 (APRF, f. 3, op. 50, d. 552, 1. 128f.). Vom gleichen Tag datiert der entsprechende Folgebeschluss des Ministerrats Nr. 3209-1046SS. Vgl. Petrov, Deutsche Kriegsgefangene, S. 1 9 2 - 2 0 0 . Schreiben Ryckovs und Kruglovs Nr. 4 9 4 2 / K vom 2.10.1947 an Molotov (APRF, f. 50, op. 1, d. 902, 1. 4 7 - 4 9 ) . Direktive MVD/MJu/Staatsanwaltschaft Nr. 7 3 9 / 1 8 / 1 5 / 3 1 1 s s vom 24.11. 1947 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 205, t. 16,1. 239f.). Das Militärkollegium des Obersten Gerichts wies alle Kassationsbeschwerden der Verurteilten ab und beließ das Urteil „ohne Änderungen" in Kraft. Beschluss Nr. 2 - 6 3 7 8 des Militärkollegiums des Obersten Gerichts vom 10.12.1947, Akte Walter H. (IfA/ HAIT-Archiv, Nr. G 0 0 8 7 0 ) . Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19.4.1943 (GARF, f. 7523, op. 67, d. 6, 1. 5f.) Dt. Übers, in Ueberschär, Ausgewählte Dokumente, S. 2 7 9 - 2 8 1 , Hervorhebung d. Verf. IfA/HAIT-Datenbank.
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Art. 58,1a StGB R S F S R zu zehnjähriger ITL-Haft mit Aberkennung der politischen und bürgerlichen Rechte. 7 3 Die sowjetischen Gerichte und Justizverwaltungen hatten von Beginn an große Probleme, die „summarischen [und] unklar weitgefassten" 7 4 Bestimmungen des politisch motivierten „Ukaz 4 3 " in den 1943 schlagartig einsetzenden Verfahren gegen sowjetische Bürger juristisch einwandfrei umzusetzen: Seine Vorschriften standen doch hinsichtlich der „Vaterlandsverräter" und „Spione" in direkter Konkurrenz zu Artikeln der sowjetischen Strafgesetzbücher. Der Leiter der Hauptverwaltung des Justizkommissariats für Militärtribunale, Generalmajor der Justiz Zejdin, gab daher zunächst die Devise aus, den „Ukaz 4 3 " möglichst eng auszulegen und nur die Fälle von Spionage, Vaterlandsverrat und Mithelferschaft, die direkt mit „Gräueltaten" in Verbindung standen, nach dem neuen Dekret zu behandeln. 7 5 Schon die Unterscheidung von „Vaterlandsverrat" und bloßer Unterstützung der Besatzer stellte in der Praxis ein schwerwiegendes und häufig unzureichend gelöstes Problem dar. 76 Das Präsidium des Obersten Sowjets der U d S S R musste im Juli 1943 beschließen, dass das Oberste Gericht der U d S S R im Zuge der gerichtlichen Aufsicht von unteren Instanzen verhängte Todesstrafen gegen „Helfershelfer" in 15- bis 20-jährige Katorgastrafen umwandeln könne, 7 7 und reagierte damit auf Prozesse, in denen der von Punkt 2 des „Ukaz 4 3 " vorgesehene Tatbestand als „Vaterlandsverrat" fehl- und überinterpretiert worden war. Auch das Plenum des Obersten Gerichts sah sich im November 1943 zu deutlicher Kritik an Militärtribunalen veranlasst, die „unabhängig vom Charakter der Mitwirkung" jede beliebige Unterstützung der deutschen Okkupanten durch sowjetische Bürger als Vaterlandsverrat qualifizierten und damit den vermeintlichen Wünschen Stalins nachzuspüren meinten oder schlicht von der Rechtsfindung überfordert waren. 7 8 73
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Fall Johann L. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G 0 6 0 0 4 ) . Vgl. auch den Fall Helmut G. (IfA/ HAIT-Archiv, Nr. G 0 6 0 0 5 ) , seit 1 9 4 4 deutscher Staatsbürger und 1947 trotz Desertion aus der Wehrmacht nach Art. 5 8 , 1 a ebenfalls zu zehn Jahren ITL verurteilt. Dokumentiert sind 2 7 9 entsprechende Verurteilungen. Bei den genannten sechs Verurteilungen nach „Ukaz 4 3 " wurde in vier Fällen der Artikel 2 des Ukaz mit Art. 58,1 StGB RSFSR kombiniert (IfA/HAIT-Datenbank). Zur statistischen Aufschlüsselung der Deutschen nach Nationalität und Staatsbürgerschaft siehe Einleitung, S. 7 - 2 2 . Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse, S. 7 0 f. Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 5 5 f . Unklar ist hierbei, ob diese Bestimmungen in der Direktive Nr. 0 0 2 0 6 6 vom 1 9 . 5 . 1 9 4 3 enthalten sind oder späteren Anweisungen entstammen. Verordnung des Plenums des Obersten Gerichts der UdSSR Nr. 2 2 / M / 1 6 / U / s s vom 2 5 . 1 1 . 1 9 4 3 , abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 4 3 - 4 5 . Sache Nr. V-31 / s , Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Präsidiums des Obersten Sowjets Nr. 14 (GARF, f. 7 5 2 3 , op. 67, d. 6, 1. 7 ) , abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 4 3 . Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 5 5 , führen ohne weitere Belegstelle an, dass die Divisionskommandeure aufgrund des „Ukaz 4 3 " gefällte Todesurteile der Feldgerichte letztinstanzlich in Katorgastrafen umwandeln konnten. Verordnung des Plenums des Obersten Gerichts der UdSSR Nr. 2 2 / M / 1 6 / U / s s vom 2 5 . 1 1 . 1 9 4 3 , abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 4 3 - 4 5 , hier S. 4 3 . Für die Vorjahre vgl. Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 5 2 f .
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Die Orientierungshilfe, die das Plenum am 25. November 1943 den Juristen in Form einer Verordnung zuteil werden ließ, sollte die Abgrenzung erleichtern. Gemäß der November-Verordnung waren die sowjetischen Bürger, die während der Besatzung in der Gestapo oder „auf verantwortlichen Posten" gedient hatten (hierunter zählte das Plenum die Tätigkeit als Bürgermeister, Polizeichef, Kommandant „usw."), die Staats- oder Militärgeheimnisse verraten, Partisanen, Rotarmisten, Aktivisten oder deren Familien verraten oder verfolgt hatten, die unmittelbar an Morden und Gewalttaten an der Zivilbevölkerung und an Raub und Vernichtung von staatlichem, gesellschaftlichem oder privatem Eigentum beteiligt oder als Militärpersonen übergelaufen waren, nach Art. 58,1 a und b 7 9 oder „in Fällen, die das Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 vorsah", 8 0 nach Punkt 1 dieses Ukaz zu verfolgen. Als „Helfershelfer" definierte das Plenum nurmehr diejenigen sowjetischen Bürger, die sich in irgendeiner Form an der Versorgung der Deutschen beteiligt oder ihnen anderweitig „aktive Unterstützung erwiesen" hatten. 8 1 Den Gerichten standen gegen diese Personen nun doch wieder Art. 58,3 StGB RSFSR ( ! ) 82 und in den „entsprechenden" Fällen der „Ukaz 43" zur Verfügung. Die Abgrenzung von „Staatsverbrechen" nach Artikel 58 StGB RSFSR und „Vaterlandsverrat" und „Spionage" nach Artikel 1 des „Ukaz 43" oblag so weiterhin den urteilenden Gerichten. Die unklare Definition der Tatbestände und die unsichere Auswahl, die Gerichte unter den existierenden Rechtsnormen trafen, waren nicht die einzigen Probleme, die das Dekret vom 19. April 1943 mit sich brachte. Die ausschließliche Ausrichtung des Textes an aktuellen politischen Notwendigkeiten und die Schnelligkeit des informellen Gesetzgebungsprozesses führten dazu, dass sich aufgrund der ergriffenen „Maßnahme" 8 3 innerhalb des sowjetischen Normsystems schwerwiegende Diskrepanzen in der Strafzumessung ergeben hatten. 8 4 Der Vorrang politischer Überlegungen verhinderte es auf Dauer, diese Widersprüche aufzulösen. Solange Militärtribunale im Gegensatz zu Kriegsfeldgerichten „Helfershelfer" und „Vaterlandsverräter" grundsätzlich nur nach Art. 58,1 verfolgen konn79 80 81 82 83 84
Art. 58,1 a und b verfolgte Vaterlandsverrat von Zivilisten und Militärpersonen. Verordnung des Plenums des Obersten Gerichts der UdSSR Nr. 2 2 / M / 1 6 / U / s s vom 25.11.1943, abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 4 3 - 4 5 . Ebd. Vgl. Abschnitt 2 mit Anm. 23 f. Vgl. Anm. 33 f. Ahnlich die faktische Einführung einer zweimaligen Bestrafung politischer Häftlinge durch die Einführung der Zwangsverschickung nach Haftentlassung durch den Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 2 8 . 2 . 1 9 4 8 , abgedruckt in V bessrocnuju ssylku. In: Istocnik, Heft 2 / 1 9 9 4 , S. 9 2 f . „Unsere Gesetzgebung sieht zweimalige Bestrafung für ein und dasselbe Verbrechen nicht vor". Schreiben des Leiters der Abteilung für Verwaltung des ZK, A. Dedov, vom 19.3.1955 an das ZK. In: ebd., S. 92. Vgl. I.V. Dobrovol'skij (Hg.), GULAG: ego stroiteli, obitateli i geroi. Raskulacivanie i gonenie na Pravoslavnuju Cerkov' popolnjali lagerja GULAGa, Frankfurt a. M. 1999, S. 35.
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ten - das war bis September 1943 bzw. Mai 1944 eine Konsequenz der Zuständigkeitsverteilung 85 - , solange erhielten die Täter „bei Vorliegen mildernder Umstände" 86 eine zehnjährige Freiheitsstrafe zudiktiert. Damit wurde die Zielsetzung des „Ukaz 43", nämlich Strafen zu vermeiden, „die ganz unverkennbar nicht den [...] begangenen Übeltaten entsprechen", 87 direkt unterlaufen. Zudem wurden identische Taten der „Helfershelfer" von Kriegsfeldgerichten statt mit zehnjährigen ITL- mit 15- bis 20-jährigen Katorga-Strafen belegt! „Zwecks Verstärkung der Strafmaßnahmen gegen Personen, die derart schwere Untaten begangen haben [„Vaterlandsverräter" und „Helfershelfer", d.Verf.], und um einheitliche Repressionsmaßnahmen festzulegen", erschien es daher Justizminister Ryckov im August 1943 „zweckmäßig", dass „Militärtribunale bei der Verhandlung von Strafsachen gegen Helfershelfer des Feindes, die unter den Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 fallen", 15 bis 20 Jahre Katorga verhängen könnten. 88 Ryckov erkannte die Probleme, die sich aus dem unkoordinierten Neben- und Durcheinander konkurrierender Rechtsnormen ergaben. Doch selbst der Justizminister sah alternativ zur oben beschriebenen Neuregelung der gerichtlichen Zuständigkeit durchaus auch in einer unsystematischen, kurzfristigen und technokratischen Aushebelung einzelner Rechtsvorschriften einen gangbaren Ausweg. Die formelle Ermächtigung für Militärtribunale, ab September 1943 Fälle nach Punkt 2 des „Ukaz 43" und ab Mai 1944 Fälle nach Punkt 1 zu verhandeln, nahm den Vorstellungen Ryckovs ihre Dringlichkeit. Das zugrundeliegende Problem blieb allerdings bestehen: Der Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 24. Mai 1944 löse „die Schwierigkeiten in der Praxis nicht vollständig", 89 so die diplomatische Umschreibung Ryckovs und Goljakovs, des Vorsitzenden des Obersten Gerichts der UdSSR. Beide unternahmen im Juni 1944 einen gemeinsamen zweiten Anlauf, der „juristischen Logik" 90 zum Sieg zu verhelfen. Militärtribunale, so erläuterten sie Molotov die neue Rechtslage, könnten Vaterlandsverräter nach „Ukaz 43" zum Tode durch Erschießen verurteilen. Lapidar stellten sie fest, dass diese Möglichkeit auch schon „vor dem Erlass" - und zwar nach Art. 58,1 a und Art. 58,1 b StGB RSFSR - , bestanden habe. Ganz nebenbei legten sie damit die juristische Sinnlosigkeit der hektischen Betriebsamkeit des vergangenen Jahres
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Vgl. Abschnitt 3.1. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 16. Wie Anm. 8. Schreiben Ryckovs an den Stellv. Vorsitzenden des SNK, Vysinskij, vom 19.8.1943 mit Entwurf für einen Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR (GARF, f. 9492, op. 2s, d. 29,1. 1 9 0 - 1 9 4 ) . Zum eng mit den hier geschilderten Bemühungen verknüpften Problem der gerichtlichen Zuständigkeiten vgl. Abschnitt 3.1. Schreiben des Justizministers und des Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Goljakov, vom 6 . 6 . 1 9 4 4 an den Vorsitzenden des SNK, Molotov (GARF, f. 5446, op. 46a, d. 4479,1. 2 - 4 ) . Ebd. Hier auch das Folgende.
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ebenso bloß wie die Haltlosigkeit der bisherigen Versuche, die unterschiedlichen Rechtsvorschriften überzeugend voneinander abzugrenzen. Doch häufig, so fuhren die oberen Juristen fort, sähen die Tribunale die Todesstrafe als unangemessen hoch an: Das Problem, dass Verräter aufgrund mildernder Umstände mit zehn Jahren ITL davonkommen könnten, 9 1 während „Helfershelfer" ausnahmslos härtere Strafen zu verbüßen hatten, war geblieben. Analog zu den früheren Vorschlägen strebten Ryckov und Goljakov nun eine Verordnung des Plenums des Obersten Gerichts an, die Militärtribunalen das Recht einräumte, auch Taten nach Punkt 1 des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 mit 15- bis 20-jähriger Katorga abzustrafen. Ihr beigelegter Verordnungsentwurf machte keinen Unterschied zwischen „Gräueltätern" sowie „Vaterlandsverrätern" und „Spionen". Wie in den Vormonaten, so stand indes auch jetzt die Verfolgung sowjetischer Bürger im Mittelpunkt der Erwägungen. Staatsanwalt Gorsenin gab am 13. Juni 1944 sein Einverständnis mit den Änderungsvorschlägen zu Protokoll. Dennoch blieb es bei der alten Rechtslage. Es war Vysinskij, der sich auf Anfrage Molotovs am 18. Juni deutlich gegen weitere Anpassungen des „Ukaz 43" an das bestehende Rechtssystem aussprach: „Von einem Ersatz [der Todesstrafe, d. Verf.] kann nur in Form von Begnadigungen die Rede sein." 92 Die rechtsstaatlichen Erwägungen Ryckovs und Goljakovs, wie rudimentär sie auch anmuten mögen, konnten sich letztlich nicht durchsetzen. Die Justizapparate hatten die politischen Vorgaben zu exekutieren und blieben selbst auf ihrem ureigensten Gebiet, der Rechtsprechung, ohne prägenden Einfluss.
4.
Die Schauprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene nach „Ukaz 43"
In den ersten Prozessen, die 1943 auf der Grundlage des „Ukaz 43" stattfanden, wurde bezeichnenderweise gegen sowjetische Kollaborateure verhandelt. Am bekanntesten wurde der Prozess von Krasnodar gegen Sowjetbürger, die bei der deutschen Polizei tätig gewesen waren. 9 3 Auch in der Folgezeit hatte die Verfolgung sowjetischer Kollaborateure Vorrang: Bis zum 20. Mai 1945 waren allein über 29 000 Personen zu Katorga-Strafen verurteilt worden. 9 4 91 92 93
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Das Szenario, das Ryckov und Goljakov entwarfen, fußt auf den Strafbestimmungen des Art. 58,1a. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 16. Handschriftlicher Vermerk Vysinskijs vom 18.6.1944 (GARF, f. 5446, op. 49a, d. 4479, 1. 9). Vgl. Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen, S. 25; Ajzenstat, Zapiski, S. 87 f., berichtet von einem Prozess in Armavir schon kurz nach Erlass des „Ukaz 43". Das Urteil lautete, so Ajzenstat, in Unkenntnis des Ukaz auf Erschießen und wurde vom Militärkollegium des Obersten Gerichts in Tod durch den Strang umgewandelt. Schriftlicher Bericht des Stellv. NKVD, V. Cernysov, für Berija vom 2 0 . 5 . 1 9 4 5 (Archiv Memorial), hier zitiert nach Vjaceslav N. Sostakovskij (Hg.), GULAG: 1918-1960,
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Gegen (deutsche) Kriegsgefangene hingegen wurde der „Ukaz 43" in den ersten Jahren seltener angewandt. Eine offizielle sowjetische Statistik über die während des Krieges nach „Ukaz 43" verurteilten deutschen Soldaten gibt es nicht. Neben dem schon erwähnten Char'kover Prozess mit drei deutschen Angeklagten lassen sich nur wenige Prozesse nachweisen. Am 25. August 1943 führten Kriegsfeldgerichte zweier Schützendivisionen Verhandlungen gegen die Gefreiten Hans F. und Kaspar W. 95 Des weiteren gibt es Berichte über öffentliche Hinrichtungen deutscher „Kriegsverbrecher" in Mariupol', Kiev und Kremencug. 96 Neben den genannten Verurteilungen verzeichnet die IfA/ HAIT-Datenbank für 1943 nur vier Schuldsprüche nach „Ukaz 43", für das Jahr 1944 zwei 9 7 und bis zum 9. Mai 1945 weitere acht. 98 Diese Zahlen dürften sich nach der Auslieferung der fehlenden rund 3 0 0 0 Daten über verurteilte Kriegsgefangene durch den Föderalen Sicherheitsdienst (früher: KGB) um mehrere Hundert erhöhen, da in dessen Zentralarchiv unter anderem frühe Ermittlungsfälle der Smers archiviert sind: Immerhin hatte es der Leiter der GUVT, Zejdin, am 15. November 1943 für nötig erachtet, den Gerichten eine eigene Sprachregelung für die nach „Ukaz 43" verurteilten Kriegsgefangenen vorzuschreiben. 99 Beim Vormarsch der Roten Armee wurden 1945 zudem gemäß NKVDBefehl Nr. 0061 vom 6. Februar 1945 Standgerichte eingerichtet, um „Personen, die überführt sind, Terror- und Diversionsakte verübt zu haben [...] erbar-
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Moskau 2000, S. 132f., hier S. 132. Nach Aleksandr Kokurin/Jurij Morukov, Gulag: Strukture i kadry. Teil 1-16. In: Svobodnaja mysl', 21 (2001), S.112, zählte der GULag am 1.1.1944 981 Katorga-Häftlinge, zum 1.1.1945 12 254 (!). Es handelt sich aufgrund der bestehenden Rechtslage trotz aller Ausnahmen in der Regel um sowjetische Bürger und nicht um Kriegsgefangene. Noch 1955 waren einige zehntausend Sowjetbürger in Haft, die seit April 1943 nach „Ukaz 43" verurteilt worden waren. Vgl. Aufstellung über sowjetische Bürger, die wegen Kollaboration oder „Vaterlandsverrat" verurteilt wurden (CA FSB, f. 80s, op. 1, d. 229, 1. 33f.). Vgl. Lewytzkyj, Vom Roten Terror, S. 143; Ajzenstat, Zapiski, S. 7 0 - 8 9 ; G. S. Beloborodov, Brali vraga „ezovymi" rukavicami. Vnutrennie vojska NKVD ν gody Velikoj Otecestvennoj vonjy. In: Voennoistoriceskij zumal Heft 9/1993, S. 12. Schreiben Nr. 003518 und Nr. 003519 des Leiters der GUVT, Generalmajor der Justiz Zejdin, vom 16.9.1943 an die CGK (GARF, f. 7021 [CGK], op. 149, d. 13,1. 30f. und 1. 28 f.). Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 262 mit Anm. 1637. Von öffentlichen Hinrichtungen Deutscher in Kiev im November 1943 und in der weißrussischen Stadt Pinsk im August 1944 berichteten amerikanische Quellen: Office of Strategie Services, Research and Analysis Branch: Soviet Intentions to punish war criminals (NA Suitland, RG 153, Judge Advocate General, Box 10, War Crimes Branch, Res ROW, hier S. 41, Kopie IfA/ H AIT-Archiv ). Dazu kommen zwei Todesurteile gegen Stalingradgefangene. Diese Angaben basieren auf der Verurteilten-Kartothek des Haupt-Informationszentrums des russischen Innenministeriums (GIC MVD RF). Bis zu den Vorbereitungen für die ersten Schauprozesse der Nachkriegszeit im September 1945 folgten 13 weitere Ukaz-Urteile (IfA/HAIT-Datenbank). Schreiben Zejdins am 15.11.1943, hier zitiert nach Petuchov/Epifanov, Ne zabyt', S. 56.
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mungslos [zu] vernichte[n]". 100 Sie verurteilten nach kurzer Verhandlung nach „Ukaz 43" zum Tode. Die Urteile wurden sofort vollstreckt. 101 Aus den Akten wissen wir, dass es sich bei den Verurteilten meist um ältere Zivilisten handelte; aber es waren auch Soldaten darunter. Die Zahl der nach „Ukaz 43" gefällten Todesurteile wird so über den 108 Fällen liegen, die sich anhand der in den Zentralarchiven des MVD und des FSB sowie der im RGVA erhobenen Daten derzeit belegen lassen (Stand Juni
2001 ).102 Trotz der Überlieferungslücken steht fest, dass die überwiegende Mehrheit der Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener aufgrund des „Ukaz 43" nach dem Kriege und hier vor allem in den Jahren 1949 und 1950 ( 16 530 dokumentierte Fälle) erfolgte. Dennoch spielte der „Ukaz 43" in den früh einsetzenden Schauprozessen gegen deutsche Kriegsgefangene eine wichtige Rolle. Neben öffentlicher Vergeltung und Abschreckung 103 und der publikumswirksamen Absetzung von der zögerlicheren Haltung der Westalliierten gegenüber deutschen Kriegsverbrechern 104 war das weltweite Bekanntwerden der Verbrechen des Stalinregimes eine der Ursachen für den Wunsch der sowjetischen Führung, einen solchen Prozess noch vor Kriegsende zu organisieren. 105 In den Jahren 1941 bis 1943 wurden die Erschießungen Verhafteter in Lemberg (Juni 1941) publik. Man erfuhr von den Massengräbern in Vinnica, und auch die Untersuchungsergebnisse einer internationalen Kommission, die sich mit den Gräbern der im Früh100 Befehl NKVD Nr. 0061 vom 6.2.1945 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 178), hier zitiert nach Achim Kilian, Stalins Prophylaxe. Maßnahmen der sowjetischen Sicherheitsorgane im besetzten Deutschland. In: Deutschland Archiv 30 ( 1997), S. 533. Der Befehl fußte auf der Verordnung Nr. 7467ss des GKO vom 3.2.1945, abgedruckt in Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950. Hg. von Sergej Mironenko, Lutz Niethammer und Alexander von Plato, Band 2: Ralf Possekel (Hg.), Sowjetische Dokumente zur Lagerpolitik, Berlin 1998, S. 146-148. Vgl. dazu Ralf Possekel, Einleitung. Sowjetische Lagerpolitik in Deutschland. In: ebd., S. 44f., S. 47. Vgl. Vladimir A. Kozlov, Die Operationen des NKVD in Deutschland während des Vormarsches der Roten Armee (Januar bis April 1945). In: ebd., Band 1: Alexander von Plato (Hg.), Studien und Berichte, Berlin 1998, S. 135f., S. 138f. 101 Durch Initiative der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft wurden 1997/98 Hunderte Akten von Deutschen geprüft, die beim Vorrücken der Roten Armee aufgrund der NKVDBefehle vom 11.1.1945 und 6.2.1945 erschossen worden waren. Der damalige Behördenleiter, Generaloberst Dëmin, übergab bei seinem Besuch in Bonn im Bundeskanzleramt Anfang Juli 1998 260 entsprechende Rehabilitierungsbescheinigungen. 102 Zur Datenbasis der IfA/HAIT-Datenbank vgl. die Einleitung der Herausgeber, in diesem Band, S. 7 - 2 2 . 103 Vgl. Abschnitt 2 mit Anm. 19f. 104 Vgl. hierzu Arieh J. Kochavi, Prelude to Nuremberg. Allied War Crimes Policy and the Question of Punishment, Chapel Hill 1998, S. 2 7 - 8 8 . 105 Das Folgende nach Nikita Petrov, Verurteilungen deutscher und österreichischer Kriegsverbrecher in der Sowjetunion 1943-1952. In: Stefan Karner/Gerald Schöpfer (Hg.), Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941-1945. Die Beiträge des Symposiums an der Universität Graz 1997 (Unserer Zeit Geschichte 4), Graz 1998, S. 55. Vgl. Parrish, The Lesser Terror, S. 48.
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jähr 1940 in Katyn' bei Smolensk erschossenen polnischen Offiziere befasst hatte, waren eindeutig. Mit ihren Anschuldigungen gegen die Deutschen versuchte die UdSSR durchaus auch, vom NKVD begangene Verbrechen zu vertuschen: So wurde ζ. B. in einem öffentlichen Prozess, der Ende Dezember 1945 in Leningrad stattfand, die deutsche Verantwortung für die „scheußlichen Verbrechen" 106 in Katyn' herausgestrichen. Die Schauprozesse der Nachkriegszeit bewiesen darüber hinaus die innere Konsolidierung der Sowjetmacht. 107 Sie demonstrierten ihr Durchsetzungsvermögen gegen äußere Gegner und lenkten von aktuellen Problemen im Wiederaufbau ab. Die UdSSR führte mit den - nicht nur deutschen - Angeklagten der Schauprozesse ausländische Schuldige an der sowjetischen Nachkriegsmisere vor und mobilisierte gleichzeitig Bevölkerung und Apparate zu weiteren Aufbauanstrengungen sowie zu allgemeiner Wachsamkeit gegen neue äußere Feinde und innere „Saboteure". International propagierten die Prozesse in Auseinandersetzung mit gesamtalliierten oder westlichen Urteilen weiterhin das sowjetische Täterverständnis, das über Nürnberg, das Kontrollratsgesetz Nr. 10 oder die Kontrollratsdirektiven Nr. 24 und Nr. 38 hinausging. Dabei stellten sie die angeblich höhere Gerechtigkeit der Sowjetunion heraus. Die Verurteilung von Angeklagten, die aus Vertretern aller Formationen, Ränge und Organisationen rekrutiert wurden, untermauerte die sowjetische Auffassung, dass die gesamte Politik sowie die Kriegs- und Besatzungsapparate des Dritten Reichs verbrecherisch waren. 108 Demgegenüber war die sorgfältige gerichtliche Prüfung der vorgebrachten Anklagen zweitrangig. Die politischen Vorgaben wurden vielmehr mit rechtlich und moralisch ungenügenden Mitteln umgesetzt: Daher geben die Prozessund Ermittlungsakten stalinistischer Justizorgane keine Antwort auf die Frage nach individueller Schuld oder Unschuld der kriegsgefangenen Angeklagten. 109 106 Sudebnyj process po delu o nemecko-fasistskich zverstvach ν Leningradskoj oblasti. In: Pravda vom 2 9 . 1 2 . 1 9 4 5 . 107 Die Motive nach Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 267. Dort auch Hinweise auf weitere Fundstellen. 108 Vgl. Abschnitt 3.2 mit Anm. 67. Vgl. auch die Rede Rudenkos vom 2 9 . 7 . 1 9 4 6 . Rudenko, Die Gerechtigkeit, S. 66ff., hier S. 77; ausführlich auch Aron Ν. Trajnin, Zascita mira i ugolovnyj zakon. Izbrannye proizvedenija, R.A. Rudenko (Hg.), Moskau 1969, S. 153ff., S. 182ff. sowie S. 3 0 2 f . 109 Vgl. mit einer ähnlichen Einschätzung der Urteile Sowjetischer Militärtribunale gegen deutsche Zivilisten Peter Erler, Zur Tätigkeit der sowjetischen Militärtribunale in Deutschland. In: Peter Reif-Spirek/Bodo Ritscher (Hg.), Speziallager in der SBZ. Gedenkstätten mit „doppelter" Vergangenheit, Berlin 1999, S. 2 0 5 f. Die Überlegungen Messerschmidts zur Einbettung des Prozessgeschehens in die Kriegs- und Besatzungserfahrungen beispielsweise der Minsker Region arbeiten dagegen zwar noch einmal den Kontext der Schauprozesse heraus, bergen aber die Gefahr, von den politischen Zielen und juristischen Unzulänglichkeiten abzulenken. Vgl. Manfred Messerschmidt, Der Minsker Prozeß 1946. Gedanken zu einem sowjetischen Kriegsverbrechertribunal. In: Hannes Heer/Klaus Naumann (Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1 9 4 1 - 1 9 4 4 , 2. Auflage, Hamburg 1995, S. 5 5 1 - 5 6 8 . Zum Rehabilitierungsprozess vgl. Leonid Kopalin, Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung widerrechtlich repressierter deutscher Staatsangehöriger, in diesem Band, S. 3 5 3 - 3 8 4 .
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Angesichts der immensen politischen Bedeutung der Schauprozesse mussten sie nach stalinistischer Auffassung gründlich vorbereitet werden. Die Justizapparate waren allerdings nicht beteiligt. Während die Gerichte lediglich als ausführende Organe betrachtet wurden, erwiesen sich die Geheimdienste und Untersuchungsbehörden unter Anleitung der höchsten „Instanzen" und ihres justizpolitischen Vertrauensmanns Vysinskij als treibende Kraft der Verfahren. Die Schauprozesse hatten keinen spontanen Charakter. Die Entscheidungen zu ihrer Durchführung fielen ganz oben, jedes Detail wurde mit der Parteiführung abgestimmt. Die Planung des Char'kover Prozesses kann diesen internen Mechanismus zur Vorbereitung der Schauprozesse nach „Ukaz 43" veranschaulichen. 110 Nach dem Sieg von Stalingrad hatte die Verwaltung für Gegenspionage des Volkskommissariats für Verteidigung, die Smers, gezielte Ermittlungen durchgeführt, um Belastungsmaterial gegen die Verantwortlichen für das Massensterben sowjetischer Kriegsgefangener im Dulag 205 (Alekseevka, Oblast' Stalingrad, heute Volgograd) zu erhalten. 111 Vier Kriegsgefangene der Schlacht von Stalingrad hatten sich, so Abakumov am 2. September 1943 in einem Schreiben an Vysinskij, während der Untersuchungen zu verschiedenen Verbrechen bekannt. Es handelte sich hierbei um den Lagerkommandanten, Oberst Rudolf Kerpert, um den Oberquartiermeister der 6. Armee, Oberstleutnant Werner von Kunowski, um den Abwehroffizier Wilhelm Langheld und um den Adjudanten des Lagerkommandanten, Oberleutnant Otto Meder. Vor allem Langheld habe gestanden, dass er persönlich Kriegsgefangene misshandelt und Fluchtversuche provoziert habe, bei denen Gefangene erschossen worden seien. Langheld hatte nach eigener Aussage vor Stalingrad unter anderem in den Lagern Darnica (bei Kiev), Dergacy (bei Char'kov) und Poltava gearbeitet. 112 Überlebende Kriegsgefangene des Dulag 205 bestätigten in ihren Verhören durch die Smers die menschenunwürdigen Zustände im Lager. 113 Abakumov hatte aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse parallel zur Unterrichtung Vysinskijs „vor der Regierung die Frage nach der Organisation eines öffentlichen Prozesses mit Erläuterung in der Presse" aufgeworfen 114 und Molotov um „Instruktionen" 1 1 5 ersucht. Sein Vorschlag fand jedoch höheren Orts keinen Widerhall. Über die Gründe schweigen sich die vorliegenden Quellen aus. Grundzüge der sowjetischen 110 Das Folgende ist eine wesentlich erweiterte Fassung der Ausführungen von Petrov, Verurteilungen, S. 5 5 - 5 9 . 111 Schriftliche Mitteilung Abakumovs an Vysinskij vom 2 . 9 . 1 9 4 3 (CA FSB, f. 14, op. 5, d. 1,1. 2 2 8 - 2 3 5 ) , hier zitiert nach Stalingradskaja èpopeja. Materialy NKVD SSSR i voennoj cenzury iz Central'nogo archiva FSB RF, Moskau 2 0 0 0 , S. 3 5 6 - 3 6 3 . Die ersten Verhöre, auf die sich Abakumov hier bezieht, wurden im Juli 1943 durchgeführt. 112 Ebd. 113 Ebd. 114 Ebd., hier S. 363. 115 Schreiben Abakumovs Nr. 2 2 3 / A vom 2 . 9 . 1 9 4 3 an Molotov (CA FSB, f. 14-os, op. 1, d. 21,1. 2 9 2 ) .
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Politik und die weitere Entwicklung lassen jedoch drei Motive als wahrscheinlich hervortreten. Der sowjetischen Führung, die überlebende Kriegsgefangene aus deutschen Lagern zunächst einmal durchweg als potenzielle oder gar wahrscheinliche „Vaterlandsverräter" betrachtete, konnte deren neuer Opferstatus nicht behagen. Ein öffentlicher Prozess, bei dem ehemalige Kriegsgefangene als Kronzeugen des sowjetischen Staates aufgetreten wären, wäre der sowjetischen Politik gegenüber den gefangenen Rotarmisten direkt zuwidergelaufen. Daneben mochte der Landesleitung die intensive internationale Beschäftigung mit Gefangenenmisshandlungen und -ermordungen, die ein Schauprozess unweigerlich mit sich bringen würde, so kurz nach der Öffnung der Gräber von Katyn' wenig opportun erscheinen. Außerdem hatte die mörderische Besatzungspolitik des Dritten Reichs mit bis dahin nicht gekannten Zielen neue Dimensionen von Kriegs- und Gewaltverbrechen erreicht, die es überzeugend zu dokumentieren galt. Die UdSSR traute dabei der öffentlichen Behandlung von Grausamkeiten gegen wehrlose Zivilisten einen höheren propagandistischen Stellenwert zu. Die Lage im Dulag 205 bei Stalingrad werde zudem von der Weltöffentlichkeit möglicherweise nicht als repräsentativ für die deutsche Kriegsgefangenenpolitik angesehen. Abakumov ließ sich in seiner Ermittlungsarbeit durch die fehlende Resonanz nicht entmutigen. Am 28. September 1943 schickte er ein weiteres Schreiben an Stalin und Molotov. Er berichtete darin, dass die Organe für Gegenspionage in den Monaten August und September große Mengen an Beweismaterial sichergestellt hätten, die die Vernichtung sowjetischer Bürger in dafür speziell ausgestatten Gaswagen belegten. Während im Krasnodarer Prozess nur Sowjetbürger von der Existenz solcher Wagen berichtet hatten, vernahm die Smers jetzt auch verhaftete deutsche Kriegsgefangene zu diesem Komplex, und zwar: - Reinhard Retzlaff, geb. 1907, Unteroffizier der Hilfspolizei, Mitarbeiter der 560. Gruppe der Geheimen Feldpolizei (GFP) beim Stab der 6. Deutschen Armee, im Januar 1943 bei Stalingrad gefangen genommen. - Robert Kirschfeld, geb. 1905, Übersetzer, Unteroffizier, gefangen genommen im April 1943 bei Smolensk. - Hans Loida, geb. 1912, Unteroffizier, Spezialist für Dechiffrierungen bei der 612. Kompanie des 2. Funkaufklärungsstabs bei der Zentralen Front und im Februar 1943 zur Roten Armee übergelaufen. Von diesen drei Personen war, so Abakumov, Retzlaff persönlich an Exekutionen in Char'kov beteiligt gewesen, während Kirschfeld und Loida nur Augenzeugen gewesen seien (Kirschfeld in Char'kov, Loida in Smolensk). Zusätzlich war ein Chauffeur der Gestapo in Char'kov, Bulanov, verhaftet worden. Obwohl die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren, empfahl Abakumov am
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Briefende ein zweites Mal: „Ich würde es für sinnvoll halten, in dieser Angelegenheit einen Schauprozess mit Aufklärung durch die Presse zu organisieren." 116 Stalin reagierte dieses Mal offensichtlich positiv, denn Abakumov konnte am 18. November 1943 in einem weiteren Schreiben an Stalin und Molotov über neue Untersuchungsergebnisse und detaillierte Prozessvorbereitungen berichten. Jetzt erschien neben Retzlaff und Kirschfeld an dritter Stelle ein schon bekannter Name: - Wilhelm Langheld, geb. 1891, seit 1933 Mitglied der NSDAP, Hauptmann im Abwehrdienst und am 31. Januar 1943 in Gefangenschaft geraten. 117 Der Unteroffizier Hans Loida wurde nurmehr als Zeuge erwähnt. In einem Verhör am 16. November gestand 118 Langheld nach Aussage Abakumovs weitere Morde und Misshandlungen. Außerdem habe Kirschfeld am 15. November zugegeben, an Partisanenaktionen, Folterungen und Erschießungen teilgenommen zu haben. In dem Schreiben Abakumovs tauchte unvermittelt ein weiterer Russe auf: Viktor Kovalevskij, geb. 1918, ein ehemaliger Unteroffizier der Roten Armee, der bei einer Vergeltungseinheit der SS in Smolensk gedient hatte. Abschließend trat mit dem Leutnant und NSDAP-Mitglied Hans-Georg Rietz ein zweiter deutscher Zeuge auf. Abakumov wies in seinem Bericht erstmals auf eine Akte der CGK über in Smolensk begangene „Gräueltaten" hin. In dieser Akte war die Rede von der Ermordung russischer Zivilisten, wofür der Kommandeur der SS-Division „Totenkopf" verantwortlich gemacht wurde. Abakumov schlug vor, das Verfahren - ungeachtet der Regeln des „Ukaz 43"Π9 _ dem Militärtribunal der 4. Ukrainischen Front unter dem Vorsitz des Generalmajors der Justiz, Mjasnikov, zu übertragen. Es sollte als öffentlicher Prozess unter Beteiligung von Staatsanwaltschaft und Verteidigern abgehalten werden. Als Ankläger sah Abakumov den Militärstaatsanwalt des Char'kover Militärkreises, den Obersten der Justiz Dunaev, vor. Abakumov empfahl, die „Angeklagten: Retzlaff, Kirschfeld, Langheld, Bulanov und Kovalevskij zum Tode durch den Strang zu verurteilen". 1 2 0 In dieser Phase waren somit drei Deutsche und zwei Russen als Angeklagte vorgesehen. Doch war das noch keineswegs die endgültige Version. Am 26. November 1943 schickte Abakumov eine Beschlussvorlage „bezüglich des Fal-
116 Schreiben Abakumovs Nr. 251/A vom 28.9.1943 an Stalin und Molotov (CA FSB, f. 14-os, op. 1, d. 5,1. 2 5 6 - 2 6 4 ) . 117 Zum weiteren Schicksal Kerperts, Meders und Kunowskis, vgl. Anm. 134. 118 Es ist erwiesen und allgemein bekannt, dass die stalinistischen Untersuchungsführer in großem Umfang psychische und physische Foltermethoden zur Erpressung von Geständnissen einsetzten. 119 Zur gerichtlichen Zuständigkeit vgl. Abschnitt 3.1. 120 Schreiben Abakumovs Nr. 313/A an Stalin/Molotov vom 18.11.1943 (CA FSB, f. 14os, op. 1, d. 5,1. 241-249).
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les Retzlaff, Kirschfeld, Langheld, Ri[e]tz und anderer" 121 für das ZK der VKP (b) an Malenkov. Demnach war der Prozess in Char'kov für die Zeit vom 10. bis zum 12. Dezember 1943 geplant. In dem Entwurf wurden Scerbakov (Leiter des Sovinformbüros), Gorsenin (Staatsanwalt) und Abakumov selbst die allgemeine Führung des Prozesses und die „Aufklärung durch die Presse" 122 anvertraut. Noch am selben Tage verabschiedete das Politbüro den Plan per Beschluss Nr. P42/185. 1 2 3 Neben den beiden Russen sollte jetzt schon gegen vier Deutsche Anklage erhoben werden. Wenige Tage später, am 6. Dezember 1943, legte Abakumov Molotov die Anklageschrift betreffend der „Gräueltaten der deutsch-faschistischen Okkupanten in den Städten Char'kov und Smolensk" vor. 124 Die Anklageschrift war von Oberst Leonov, dem Leiter der Untersuchungsabteilung der GUKR Smers, erstellt und am 3. Dezember von Abakumov persönlich bestätigt worden. Aus diesem Dokument werden die Vorwürfe gegen Hans Rietz, der gemäß Beschluss des Politbüros vom 26. November als Angeklagter figurierte, ersichtlich: Er wurde angeklagt, als stellvertretender Kompanie-Führer einer SS-Kompanie eines SD-Sonderkommandos Erschießungen befohlen zu haben. Auch gegen andere Untersuchungsgefangene wurden neue Anschuldigungen erhoben. Kirschfeld wurde die Teilnahme an Vergasungen, Langheld die persönliche Teilnahme an Erschießungen vorgeworfen. Als neuer Zeuge trat der Mitarbeiter eines Offiziers der deutschen Spionageabwehr im Kriegsgefangenenlager Dulag 231, Heinz Janci, auf. Zeugenaussagen und Geständnisse waren die einzigen Beweismittel der Untersuchungsbehörden. Die Angeklagten befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch allesamt im Inneren Gefängnis Lubjanka. Sie sollten nach dem Dekret vom 19. April 1943 verurteilt werden. Erst zu diesem späten Zeitpunkt beschloss die sowjetische Führung, Verbrechen im Raum Smolensk aus dem Prozessmaterial auszuschließen und den Prozess auf das Geschehen in Char'kov zu konzentrieren. Der Grund hierfür ist eindeutig in den Morden von Katyn' zu suchen. Hier waren die sowjetischen Staatssicherheitsorgane zeitgleich zu den geschilderten Prozessvorbereitungen mit der Fabrikation von Belegen beschäftigt, die bei einer für Januar 1944 geplanten neuerlichen Öffnung der Massengräber durch eine sowjetische Kommission den hinzugezogenen internationalen Vertretern ein deutsches Verbrechen beweisen sollten. 125 Im Dezember 1943 waren diese neuen „Beweise" 121 Schreiben Abakumovs an Malenkov vom 26.11.1943 (CA FSB, f. 14-os, op. 1, d. 6, 1. 194 f.). 122 Ebd. 123 Beschluss des Politbüros Nr. P42/185 vom 26.11.1943 (APRF, f. 3, op. 57, d. 40,1. 25). 124 Schreiben Abakumovs vom 6.12.1943 an Molotov (CA FSB, f. 14-os, op. 1, d. 6, 1. 161-163), Hervorhebung d. Verf. 125 Schlussfolgerungen der sowjetischen Sonderkommission in Report of the Special Soviet Commission for Ascertaining and Investigating the circumstances of the shooting of Polish officers Prisoners of War by the Germans in the Katyn Forest vom 24.1.1944. In: Documents on Polish-Soviet Relations 1939-1945, Band II: 1943-1945, London o. J., S. 646f.
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indes noch nicht präpariert, und entsprechende Geständnisse von Kriegsgefangenen waren nicht zu erhalten. Wegen deutscher Gräueltaten bei Smolensk einen Prozess zu führen und die Erschießung der Polen zu verschweigen wäre einem indirekten Eingeständnis gleichgekommen, dass die sowjetische Version von Katyn' nicht stimmen könne. 1 2 6 In aller Eile wurden neue Anklageschriften verfasst. In der letzten Variante vom 10. Dezember ging es nun ausschließlich „um Gräueltaten deutsch-faschistischer Okkupanten in Char'kov und im Char'kover Gebiet". 1 2 7 Beim Prozess selbst, der aufgrund der kurzfristigen Umdisponierungen mit fünftätiger Verspätung in der Zeit vom 15. bis zum 18. Dezember in Char'kov stattfand, saßen nur noch vier Personen auf der Anklagebank: Langheld, Rietz, Retzlaff und Bulanov. Langheld wurde der Teilnahme an Erschießungen und Gräueltaten, Misshandlungen und Provokationen von Gefangenen angeklagt. Zudem habe er Akten gefälscht, aufgrund derer 100 Personen erschossen worden seien. Rietz warf die Anklage die Beteiligung an Erschießungen und Verprügelungen vor, Retzlaff Folterungen und Fälschungen von Untersuchungsprotokollen und -ergebnissen. Außerdem habe er Menschen persönlich in die Gaswagen gezwungen und an der Leichenverbrennung teilgenommen. Bulanov hatte nach Überzeugung der Anklage die Mordopfer zu Erschießungen transportiert und persönlich an der Ermordung von 60 Kindern mitgewirkt. 128 Unmittelbar vor Prozessende schickte Abakumov den vorgesehenen Wortlaut des Urteils mit der Bitte um Zustimmung an Stalin und Molotov: „In Ubereinstimmung mit Ihren Weisungen lege ich hiermit einen Entwurf des Urteils des Militärtribunals der 4. Ukrainischen Front über die Gräueltaten der deutschfaschistischen Okkupanten in Char'kov und im Char'kover Gebiet vor. Der Urteilsentwurf wurde aus Char'kov von Mjasnikov, Generalmajor der Justiz und Vorsitzender des Kriegsgerichts, vorgelegt. Dieser Entwurf wurde vom Genossen Gorsenin, dem Genossen Perlov, dem stellvertretenden Volkskommissar für Justiz der RSFSR, und von mir zum Teil abgeändert. Z u m neuen Wortlaut gab Genösse Scerbakov seine Zustimmung." 1 2 9 Molotov vermerkte in der Endversion: „Bestätige unter Durchführung von Korrekturen." 1 3 0 Ein Vergleich der Urteilstexte zeigt, dass in Moskau nur redaktionelle Korrekturen vorgenommen worden waren. Das ganze Verfahren freilich belegt die völlige Abhängigkeit der Gerichtsinstanzen in der UdSSR von Partei und Staat. Abakumov erbat selbst zum Text 126 C. Madajcik, Katynskaja drama. In: O.V. Jasnov (Hg.), Katynskaja drama: Kozel'sk, Starobel'sk, Ostaskov; sud'ba internirovannych pol'skich voennosluzascich, Moskau 1991., S. 65 f. 127 Schreiben Abakumovs Nr. 3 3 0 / A vom 10.12.1943 an Molotov (CA FSB, f. 14-os, op. 1, d. 6,1, 110 und 1. 127). 128 Urteil des Militärtribunals der 4. Ukrainischen Front vom 18.12.1943. Deutsche Greuel in Rußland. Gerichtstag in Charkov, Wien o. J., S. 91 - 9 5 . 129 Schreiben Abakumovs Nr. 3 3 8 / A vom 18.12.1943 an Molotov/Stalin (CA FSB, f. 14os, op. 1, d. 6,1. 5 6 - 6 8 ) . 130 Ebd.
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des TASS-Berichtes über die Urteilsvollstreckung die Billigung Stalins,131 der diese Entscheidung allerdings Molotov überließ. Ohne weitere Änderungen bestätigte Molotov die Vorlage. 132 Der Prozess wurde abgewickelt, die Verurteilten wurden hingerichtet. „Mit Ausdrücken der Zustimmung und mit Hurra-Rufen begrüßt [e] die tausendköpfige Menge, die den Platz überflutet hatfte], die Bekanntgabe des Urteils." 133 Es stellt sich die Frage, was mit den übrigen beteiligten Häftlingen und Zeugen geschah. Der ursprünglich als Angeklagter vorgesehene Russe Kovalevskij wurde am 2. Mai 1944 auf der Grundlage des Dekrets vom 19. April 1943 vom Feldgericht der 70. Schützendivision zur Höchststrafe - dem Tod - verurteilt. Kirschfeld stand dagegen erst zwei Jahre nach dem Char'kover Prozess in einem Schauprozess in Smolensk (15. bis 20. Dezember 1945) vor Gericht. Er wurde ebenfalls nach dem Ukaz vom 19. April 1943 zum Tode durch den Strang verurteilt. Die Untersuchungsgefangenen Kerpert, Meder und Kunowski blieben nach den ersten Ermittlungen weiterhin in Haft. Kerpert und Meder wurden am 10. Oktober 1944 vom Militärtribunal der Dritten Baltischen Front in einem nichtöffentlichen Prozess nach „Ukaz 43" zum Tode verurteilt und am 13. Oktober hingerichtet. Kunowski verurteilte das Militärtribunal des Militärbezirks Moskau erst am 15. Januar 1947 zur Höchststrafe. 134 Der Smers und weiterhin dem MGB schien es zudem nicht möglich, die ehemaligen Zeugen in die Freiheit zu entlassen. Zu gut kannten diese die Mechanismen zur Vorbereitung der Schauprozesse. Nach langen Haftzeiten in MGBGefängnissen wurden sie in den fünfziger Jahren schließlich selbst abgeurteilt: Loida, der am 14. April 1951 von der OSO pri MGB gemäß Artikel 58,6 StGB RSFSR (Spionage) zu 25 Jahren verurteilt worden war, wurde am 15. Januar 1954 nach Deutschland repatriiert. Den zweiten deutschen Zeugen, Heinz Janci, verurteilte das Kriegsgericht des Moskauer Militärkreises am 12. Januar 1952 nach Artikel 58,6 StGB RSFSR und „Ukaz 43" zu 25 Jahren ITL. Am 10. Oktober 1955 wurde auch er nach Deutschland entlassen. 135 1943 stiêBen die ausführliche Berichterstattung über den Char'kover Prozess in der Sowjetpresse 136 und der Film137 bei den Westalliierten und, wie gleich gezeigt wird, auch beim deutschen Kriegsgegner auf großes Interesse. Aber die Wirkung entsprach nicht Stalins Erwartungen. Vielmehr stand zu befürchten, 131 Schreiben Abakumovs Nr. 3 3 9 / A vom 19.12.1943 an Stalin (CA FSB, f. 14-os, op. 1, d. 6,1. 54f.). Der Entwurf war mit dem ZK-Sekretariat und dem Leiter des Sovinformbiiros, Scerbakov, abgestimmt. 132 Ebd. 133 Bericht über die öffentliche Hinrichtung. In: Izvestija vom 21.12.1943. 134 Die Angaben basieren auf der Verurteilten-Kartothek des Haupt-Informationszentrums des russischen Innenministeriums (GIC MVD RF). 135 Ebd. 136 Vgl. u. a. die verschiedenen Berichte in der Izvestija vom 21., 22. und 2 3 . 1 2 . 1 9 4 3 . 137 Vgl. zu den Dokumentarfilmen insgesamt Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen, S. 2 9 f.
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dass der Widerstandswille der deutschen Truppen durch die Aussicht auf öffentliche Hinrichtungen nach einer Gefangennahme nur noch gestärkt würde. Diese Perspektive erschwerte außerdem die Ermittlungsarbeit der operativen Organe unter den Kriegsgefangenen: „Die Beschlüsse der Moskauer Konferenz über die Verantwortlichkeit für die verübten Gräueltaten und die Urteile in Krasnodar und Char'kov riefen unter einem bestimmten Teil der [bjetroffenen [Kriegsgefangenen, d. Verf.] natürlich Reaktionen hervor", 1 3 8 hatten der Leiter der UPVI, Generalleutnant Petrov, und sein Stellvertreter, Oberst Belov, schon am 11. Januar 1944 bemerken müssen. „Sie versuchten, alle bekannt gewordenen Gräueltaten und die daran Schuldigen zu verheimlichen. Es gab Fälle, in denen einige Kriegsgefangene bei der Ankunft in den Frontaufnahmeund Verteilungslagern ihren Dienstgrad und ihre Tätigkeit in der Armee verheimlichten oder zu vertuschen suchten, aus Angst, entlarvt und zur Verantwortung gezogen zu werden." Doch auch die Sorge der Westalliierten vor deutschen Vergeltungsmaßnahmen gegen westliche Kriegsgefangene in deutschem Gewahrsam 139 mag dazu beigetragen haben, 140 dass während des Krieges in der Sowjetunion entgegen den Ankündigungen der sowjetischen Presse141 kein weiterer Schauprozess durchgeführt wurde. Die Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 hatte wohl aus dem gleichen Grunde die strafrechtliche Verfolgung auf die Zeit nach einem Waffenstillstand vertagt. 142 Die Sorge war, wie wir wissen, nicht unbegründet. Die Führungskreise des nationalsozialistischen Deutschlands widmeten dem Prozess von Char'kov im Dezember 1943, ohne freilich die Hintergründe und inneren Zusammenhänge zu kennen, große Aufmerksamkeit. Zunächst bemühten sich das Auswärtige Amt und die SS um die Feststellung der „wahren" Identität des angeklagten SS-Mannes Rietz. 143 138 Rundschreiben des Leiters der UPVI NKVD SSSR und seines Stellvertreters vom 11.1. 1 9 4 4 (Archiv des UVD VO, f. 6, op. 1, d. 2 6 2 , 1 . 3 7 ) , hier zitiert nach Peter/Epifanov, Stalins Kriegsgefangene, S. 2 8 2 f. Hier auch das folgende Zitat. 139 Vgl. Kochavi, Prelude, besonders S. 7 0 - 7 3 . In den westlichen politischen Reaktionen auf den Char'kover Prozess und die ihn begleitende Pressekampagne ging es daneben um das Problem, die Moskauer Erklärung und den Prozess in Einklang zu bringen. Vgl. die Dokumente in FRUS 1 9 4 4 IV, S. 1 1 9 8 - 1 2 1 1 . 140 Es steht zu vermuten, dass die amerikanische Militärmission in Moskau, der diese Argumentation beispielsweise am 1 9 . 9 . 1 9 4 4 mitgeteilt wurde, die Sichtweise auch den sowjetischen Kollegen übermittelte. Cable ( W A R X - 3 3 0 2 1 ) , War Department, to US Military Mission, Moscow (National Archives, Washington, D. C.), hier zitiert nach Holger Lessing, Der erste Dachauer Prozeß ( 1 9 4 5 / 4 6 ) (Fundamenta Jurídica 2 1 ) , Baden-Baden 1 9 9 3 , S. 6 0 mit Anm. 27. 141 Vgl. Kochavi, Prelude, S. 6 8 f . , S. 7 3 . 142 Erklärung über Grausamkeiten auf der Drei-Mächte-Konferenz in Moskau vom 3 0 . 1 0 . 1 9 4 3 , abgedruckt in Ueberschär, Ausgewählte Dokumente, S. 2 8 5 f . 143 Gerd R. Ueberschär, Anmerkungen zur Reaktion der deutschen Führung auf die sowjetischen Kriegsverbrecherprozesse. In: Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und der Sowjetunion 1941 - 1 9 5 6 . Hg. von Klaus-Dieter Müller, Konstantin Nikischkin und Günther Wagenlehner (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 5), Köln 1 9 9 8 , S. 2 1 5 - 2 2 4 , hier S. 2 2 1 .
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Hitler selbst strebte als Vergeltungsschlag die Aburteilung „anglo-amerikanischer Kriegsverbrecher" 144 an. Diesen Gedanken griff er - weiterhin folgenlos - auch aufgrund von Gerüchten über einen zweiten Schauprozess in Kiev 1944 wieder auf. 145 Im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Stabsführung IV/3 schließlich wurde unter dem Titel „Der Charkower Schauprozess gegen deutsche Offiziere" am 14. April 1944 eine ausführliche Darstellung gefertigt mit den Vermerken: „Bolschewistische Propaganda! Streng vertraulich!" 1 4 6 Diese Darstellung basierte auf den ausführlichen Berichten der sowjetischen Zeitung Izvestija vom 16. bis 21. Dezember 1943 und enthielt auch Aussagen der Angeklagten. Auf Kommentare wurde weitgehend verzichtet, aber gelegentlich erfolgten Erläuterungen: „Als ,Hauptangeklagte', die der Gewalttaten und Plünderungen in der Stadt Charkow und im Charkower Gebiet während der deutschen Besatzungszeit beschuldigt werden, gelten nach der Anklage des .Kriegsgerichts der 4. Ukrainischen Front' unter dem Vorsitz des Generalmajors der Justiz Α. N. Mjassnikow folgende deutsche Persönlichkeiten: SS-Obergruppenführer Dietrich, SS-Gruppenführer Simon (Division Totenkopf), SS-Sturmbannführer Hanebitter, Chef des SD in Charkow, Polizeikommissar Karrhan von der Geheimen Feldpolizei und dessen Stellvertreter, Polizeisekretär Wulf, Polizeikommissar Moritz von der Geheimen Feldpolizei (Gruppe 560 beim Stabe der 6. Armee) und deren Formationen." 1 4 7 Der Einsatzstab des RL Rosenberg wertete den Prozess als Versuch, den Hass der Bevölkerung gegen die Deutschen zu schüren. Dass die Angeklagten alle Vorwürfe zugaben, wurde mit den „berüchtigten Trotzkistenprozessen in Moskau" verglichen. Der Rosenberg-Bericht schloss mit folgender Passage: „Der Prozess endete mit der Verurteilung der 3 deutschen Angeklagten und des Russen Bulanov zum Tode durch Erhängen. Das Urteil wurde am 19. Dezember 1943 vormittags um 11 Uhr auf dem Roten Platz in Charkow in Anwesenheit von mehr als 40 000 Rotarmisten und Einwohnern der Stadt Charkow vollstreckt. Die Gerichtsverhandlung wurde auch im Film festgehalten; der Film wird heute in unzähligen Kinos der Sowjetunion gezeigt." Der Prozess von Char'kov war der erste und zugleich der letzte Schauprozess gegen Deutsche während des Krieges. Auch die Zahl der nichtöffentlichen Verfahren gegen deutsche Kriegsgefangene nach „Ukaz 43" war, wie bereits dargelegt, vergleichsweise gering. 148 Unmittelbar nach Kriegsende aber begannen die sowjetischen Verfolgungsund Justizbehörden mit intensiveren Ermittlungen. Stalin selbst hatte schon im September 1945 die Generallinie hinsichtlich deutscher - nicht nur kriegsge144 Ebd. 145 Ebd., S. 2 2 1 - 2 2 3 . Vgl. auch Kochavi, Prelude, S. 7 0 - 7 2 . 146 Rundschreiben des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg und weiteres Material im Archiv der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg (Kopie im Privatarchiv Dr. Wagenlehner). 147 Ebd. Vgl. Deutsche Greuel, S. 6 f. 148 Vgl. Anm. 9 5 - 1 0 2 .
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fangener - Kriegsverbrecher vorgegeben: Durch einen Bericht Berijas über Verhaftungen in der SBZ auf die SD- bzw. SS-Angehörigen Erwin Derre (evt. Dörre) und Hans Sandner aufmerksam geworden, die vielfacher Morde und Verhaftungen in Char'kov und Nikolaev verdächtigt wurden, wies er Berija an, schon einmal mit der Auswahl von Personen wie „Derre und Sandner, die vor ein strenges Volksgericht gestellt werden müssen", zu beginnen. 1 4 9 Aus der gleichen Zeit datieren konkrete Anweisungen zur Aburteilung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger. 1 5 0 Die notwendigen Koordinierungsarbeiten übertrug Stalin, der ab Mitte Oktober 1945 für zwei Monate im Urlaub weilte, Molotov. Berija konnte sich im weiteren Verlauf der Vorbereitungen dann auf Vorarbeiten der operativen Organe stützen und schnell einige Dutzend potenzielle Angeklagte namhaft machen. Das Politbüro betraute am 10. November 1945 eine Kommission unter dem Vorsitz Vysinskijs mit der praktischen Vorbereitung der ersten acht öffentlichen Prozesse 151 und beschloss elf Tage später die „Durchführung von Gerichtsprozessen": 1 5 2 „Gegen alle der Begehung von Gräueltaten für schuldig befundene Angeklagte", so die verbindliche Vorgabe des Politbüros für die Gerichte, „sind die Bestimmungen des Ukaz vom 19. April 1943 zur Anwendung zu bringen." 1 5 3 Über den Verlauf der Verfahren wurde Stalin persönlich regelmäßig informiert. 1 5 4 Ebenso detailliert geplant und penibel beaufsichtigt wurde die Durchführung neun weiterer Schauprozesse „gegen ehemalige Angehörige der feindlichen Armeen", 1 5 5 die das Politbüro am 10. September 1947 beschlossen hatte. 156 In althergebrachter Weise wurde eine interministerielle Kommission unter dem Vorsitz des Justizministers Ryckov mit den Vorbereitungen betraut. Dieser konnte, gemeinsam mit Innenminister Kruglov und dem Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats, Molotov, schon am 2. Oktober 1947 die planerischen Eckdaten mitteilen: Den Ermittlungs- und Anklagebehörden „wurde vorgeschlagen, [...] alle Angeklagten noch einmal zu verhören [und] sie nach dem Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 anzuklagen". 157 149 Vermerk Stalins vom 10.9.1945 (APRF, f. 3, op. 50, d. 552,1. 43). 150 Zitiert in einem Schreiben Berijas und Merkulovs an Molotov vom 5.11.1945 (GARF, f. 9401, op. 2, d. 104,1. 323). 151 Beschluss des Politbüros Nr. P-47/ 107-op vom 10.11.1945 (APRF, f. 3, op. 50, d. 552, 1. 49). 152 Beschluss des Politbüros Nr. P-47/ 132-op vom 21.11.1945 (APRF, f. 3, op. 50, d. 552, 1. 85). 153 Ebd. 154 Meldungen von Kruglov, Abakumov und Ryckov Nr. N3/245ss vom 29.12.1945, Nr. N 3 / 1 S S vom 3.1.1946, Nr. N3/13ss vom 15.1.1946 und Nr. N2/16ss vom 25.1.1946 (APRF, f. 3, op. 50, d. 552,1. 92-109). 1 5 5 Beschluss des Politbüros Nr. P - 5 9 / 2 0 0 - o p vom 1 0 . 9 . 1 9 4 7 (APRF, f. 3 , op. 5 0 , d. 5 5 2 , 1. 128f.). Vom gleichen Tag datiert der entsprechende Folgebeschluss des Ministerrats Nr.
3209-1046SS.
156 Vgl. Petrov, Deutsche Kriegsgefangene, S. 192-200. 157 Schreiben Ryckovs und Kruglovs Nr. 4942/K vom 2.10.1947 an Molotov (APRF, f. 50, op. 1, d. 902,1. 47-49).
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/Wagenlehner
Für die im gleichen Zeitraum gegen mehr als 800 Kriegsgefangene stattfindenden nichtöffentlichen Prozesse schrieb eine gemeinsame Direktive von MVD, Justizministerium und Staatsanwaltschaft am 24. November 1947 gleichermaßen Verurteilungen nach „Ukaz 43" vor. 158 Generell zog es Moskau in den folgenden Jahren vor, die Prozesse gegen Kriegsgefangene unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen. Zweieinhalb Jahre nach Kriegsende war die Propagandawaffe der Schauprozesse abgestumpft, 159 zumal gleichzeitig immer mehr Kriegsgefangene in die Heimat repatriiert wurden. 160 Generell war das westliche Publikum durch derartige Schauprozesse nicht mehr zu erreichen, und in einer gewandelten Welt standen Probleme an, für die öffentliche Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene keine Lösung boten. 161 Obendrein waren die Prozesse trotz aller Kontrollen und Planungen nie perfekt verlaufen: Angeklagte hatten urplötzlich ihre Unschuld beteuert. 162 Selbst sowjetischen Prozessbeobachtern fiel mitunter die schlampige Ermittlungsarbeit der operativen Organe auf: Die Untersuchungsbehörden hatten es über Jahre hinweg nicht für nötig erachtet, selbst allgemein zugängliches Beweismaterial auszuwerten. 163 Nach den beiden Wellen öffentlicher Prozesse gegen insgesamt 221 Kriegsgefangene 164 und nach über dreitausend nichtöffentlichen Verfahren, deren Mehrzahl zwischen Januar 1948 und Herbst 1949 abgewickelt wurde, 165 spiel158 Direktive MVD/MJu/Staatsanwaltschaft Nr. 7 3 9 / 1 8 / 1 5 / 3 1 1 ss vom 24.11.1947 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 205, t. 16,1. 239f.). 159 Vgl. zu den ursprünglichen Motiven Anm. 104-108. 160 Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 314-331. 161 So wurden die sicherheitspolitisch motivierten Verurteilungen angeblicher „Reaktionäre" und „Revanchisten", die die UdSSR als potenzielle Kader neuer westdeutscher Militärverbände betrachtete, durchweg in Geheimprozessen verurteilt: Die juristischen Konstruktionen waren wahrlich nicht öffentlichkeitstauglich. Das Gleiche galt für die Verfahren, in denen der „Ukaz 43" aufgrund bloßer Zugehörigkeit zu bestimmten Einheiten angewendet wurde. Vgl. Hilger, Faustpfand, in diesem Band. 162 Vgl. den Bericht des Generalmajors Drozdov über den Prozessverlauf in Nikolaev vom 11.1.1946 (GARF, f. 9401, op. 1, d. 2433,1. 9), den Bericht des Obersten Majorov über Velikie Luki vom 24.1.1946, ebd., 1. 59, sowie den Bericht einer CGK-Mitarbeiterin an den Leitenden Sekretär der CGK, Bogojavlenskij, über den Prozess von Bobrujsk von Dezember 1947 (GARF, f. 7021, op. 149, d. 170,1. 11-15). 163 „Die Angeklagten von Bobrujsk wurden mehrheitlich 1944 gefangengenommen. Bis zum Beginn der Untersuchungen haben die Ermittlungsorgane keinerlei Materialien gegen die betreffenden Personen zusammengetragen [...]. Das Archiv des deutschen Kommissars von Minsk, das sich nun in Mogilev befindet, wurde nicht ausgehoben [...]." Bericht einer CGK-Mitarbeiterin an den Leitenden Sekretär der CGK, Bogojavlenskij, über den Prozess von Bobrujsk von Dezember 1947 (GARF, f. 7021, op. 149, d. 170,1. 11-15). 164 Vgl. Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen, S. 34. 165 1946 wurden nach Maßgabe der IfA/HAIT-Datenbank insgesamt 160 Urteile nach „Ukaz 43" gefällt, 1947 835, 1948 2 4 3 2 und 1949 15 145. Nach Auswertung der noch ausstehenden Fälle werden sich auch hier keine grundlegenden Verschiebungen der Schwerpunkte ergeben.
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te der „Ukaz 4 3 " in den Massenverurteilungen um den Jahreswechsel 1 9 4 9 / 1950 nochmals eine gewichtige Rolle: Es galt, neben tatsächlichen und vermeintlichen Kriegsverbrechern auch „Reaktionäre" und „Revanchisten" von der Heimreise auszuschließen: In der Zeit vom 1. November 1949 bis zum 31. August 1950 wurden 13 910 deutsche Kriegsgefangene nach „Ukaz 4 3 " verurteilt. Das waren über 6 9 Prozent der Urteile gegen deutsche Gefangene, die nach heutigem Kenntnisstand nach diesem Dekret gefällt wurden. 1 6 6 Die politische Instrumentalisierung der strafrechtlichen Norm gegen (deutsche) Kriegsgefangene fand erst mit den Repatriierungen der letzten Verurteilten 1 9 5 5 / 5 6 ihren Abschluss. Der „Ukaz 4 3 " , der Hunderten deutscher Soldaten das Leben gekostet und Tausende für lange Jahre in Straflager gebracht hatte, verlor erst am 11. Januar 1983 seine Gültigkeit. 167 Gleichzeitig traten die Änderungsbestimmungen vom 8. September 1943 und vom 24. Mai 1944 außer Kraft. Die Begründung hatte der Stellvertretende Verteidigungsminister der UdSSR, Marschall Sergej Sokolov, am 27. November 1982 in einer Vorlage dem Ministerrat geliefert: Die Dekrete, so schrieb er in bürokratischer Vollendung, würden „in der Gegenwart nicht mehr angewandt". 1 6 8
166 IfA/HAIT-Datenbank. Vgl. dazu Hilger, Faustpfand, in diesem Band. Selbst wenn alle noch ausstehenden Fälle Verurteilungen nach „Ukaz 4 3 " bis 1 9 4 9 beträfen, beliefe sich der Anteil der Massenverurteilungen auf 6 0 , 4 % ! 167 Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 1 1 . 1 . 1 9 8 3 (GARF, f. 7 5 2 3 , op. 136, d. 9 7 3 , 1 . 4ff.). 168 Schreiben des Stellv. Verteidigungsministers, Sokolov, an den Ministerrat vom 27.11. 1 9 8 2 (GARF, f. 7 5 2 3 , op. 136, d. 9 7 3 , 1 . 9 ) .
Faustpfand im Kalten Krieg? Die Massenverurteilungen deutscher Kriegsgefangener 1949/50 und die Repatriierung Verurteilter 1950 bis 1956 Andreas 1.
Hilger
Einleitung
Als die Pravda am 5. Mai 1 9 5 0 d e n Abschluss der Repatriierung deutscher 1 Kriegsgefangener aus der S o w j e t u n i o n meldete, reagierte die w e s t d e u t s c h e Öffentlichkeit ungläubig u n d entsetzt. 2 D i e in der sowjetischen Presse genannten Z a h l e n widersprachen allen Erwartungen der A n g e h ö r i g e n v o n rund 1,1 Millionen Wehrmachtsvermissten u n d konnten angesichts der offiziellen sowjetischen D a t e n von 1947 einfach nicht s t i m m e n . 3 Statt auf verlässliche Angab e n sah m a n sich auf Spekulationen über die wahre Zahl zurückgehaltener Kriegsgefangener verwiesen. D i e Ungewissheit w u r d e n o c h dadurch verstärkt, 1
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In den sowjetischen Quellen ist wechselweise von „Angehörigen der Deutschen Armee", eingeschränkt von Gefangenen deutscher Nationalität oder (ab 1947/1948) von deutschen Staatsangehörigen, in der Regel aber schlicht von „Deutschen" die Rede. Das schloss unter anderem österreichische Wehrmachtsangehörige aus, die seit 1943/ 1944 gesondert erfasst wurden und über die die sowjetische Führung in eigenen Befehlen entschied. Die Definitionsprobleme waren und sind vor allem für die statistische Erfassung der „deutschen Kriegsgefangenen" von Bedeutung. Vgl. Manfred Zeidler/ Ute Schmidt (Hg.), Gefangene in deutschem und sowjetischem Gewahrsam 1941-1956: Dimensionen und Definitionen (Berichte und Studien 23), Dresden 1999. Ausführlich Andreas Hilger, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, 1941-1956. Kriegsgefangenenpolitik, Lageralltag und Erinnerungen (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, Neue Folge 11), Essen 2000, S. 63 f. und S. 378-428. Vgl. Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Hand. Eine Bilanz (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges VII), München 1966, S. 133ff. Vgl. ders., Hilfen für die deutschen Kriegsgefangenen 19391956. In: Erich Maschke, Die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs. Eine Zusammenfassung (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs XV), Bielefeld 1974, S. 415 ff. Vgl. Arthur L. Smith, Die „vermißte Million". Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 65), München 1992, S. 75ff. Vgl. Michael Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1949-1955 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 35), Düsseldorf 2000, S. 105-113. Die spezifischen Probleme der DDR mit der sowjetischen Verlautbarung schildert Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 87f. und besonders S. 113-117. Vgl. für die Folgejahre ebd., S. 159-168. Legt man die offiziellen Zahlen von 1947 und 1950 zugrunde, wäre in fast drei Jahren kein Gefangener gestorben!
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Andreas Hilger
dass Heimkehrer seit Herbst 1949 von Kollektiwerurteilungen zu 25 Jahren „Straflager" berichteten.4 Keine fünf Jahre nach dem Ende des Dritten Reichs und mitten im Kalten Krieg war sich Westdeutschland der sowjetischen Motive sicher: Die Kriegsgefangenen seien ein Faustpfand des Kreml' und Arbeitssklaven der Moskauer Herren. Wie die heute zugänglichen sowjetischen Akten belegen, wurde man damit den Beweggründen der sowjetischen Führung kaum gerecht. Am 1. Januar 1949 befanden sich nach Angaben der Registratur der sowjetischen Hauptverwaltung des Innenministeriums für Angelegenheiten von Kriegsgefangenen und Internierten (GUPVI MVD SSSR) noch 430 670 deutsche Kriegsgefangene - darunter rund 421 000 deutsche Staatsbürger - in Spezialhospitälern, Arbeits- und Erholungslagern (410366), in Antifaschulen oder in Arbeitsbataillonen des Ministeriums für Streitkräfte der UdSSR (ORB MVS SSSR). 5 In dieser Statistik fehlten allerdings die verurteilten Kriegsgefangenen, die in Lagern des GULag untergebracht waren. Ihre damalige Zahl kann mit knapp 7 000 nur geschätzt werden.6 Dass die Sowjetunion Anfang 1949 noch nicht alle deutschen Kriegsgefangenen entlassen hatte, war ein klarer Bruch eines auf der Moskauer Außenministerkonferenz am 23. April 1947 gefassten alliierten Beschlusses: Er sah die Repatriierung aller Gefangener bis zum 31. Dezember 1948 vor.7 Doch schon der entsprechende Zeitplan, den der Alliierte Kontrollrat bis zum 1. Juli 1947 erarbeiten sollte, war im Zuge des eskalierenden Kalten Krieges nie vorgelegt worden. In der sowjetischen Führungsspitze ging man infolge der verschärften außenpolitischen Spannungen und angesichts immenser Transport- und Wiederaufbauprobleme spätestens im Frühling bzw. Frühsommer 1948 davon aus, dass der Termin nicht eingehalten würde: Innenminister Kruglov schrieb am 4
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Die entsprechenden Erhebungen der Suchdienste hat noch 1 9 5 0 Reinhart Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Gefangene in der Sowjetunion, Hamburg 1 9 5 0 ausgewertet. Vgl. auch Conrad Roediger/Helmut Strebel, Völkerrechtliches Gutachten über die Strafgerichtliche Aburteilung deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion, Heidelberg 1 9 5 0 . Belegungsangaben in Einzelaufstellungen der GUPVI (RGVA, f. lp, op. Ole, d. 6 7 , 7 2 , 74, 8 2 , 8 4 und 8 6 ) . Vgl. auch die Mitteilung des Leiters der 2 . Abteilung der GUPVI, Major Makov, vom 2 7 . 1 . 1 9 4 9 (RGVA, f. lp, op. lOi, d. 1,1. 13). Für die Zahl der Staatsbürger vgl. Kruglov am 2 0 . 1 . 1 9 4 9 über die Anzahl (deutscher) Kriegsgefangener zum 1. Januar 1 9 4 9 an Stalin, Molotov, Berija, Malenkov (RGVA, f. l a , op. 9, d. 10, 1. 9 1 - 1 0 1 ) , hier zitiert nach Erwin Peter/Aleksandr E. Epifanov, Stalins Kriegsgefangene. Ihr Schicksal in Erinnerungen und nach russischen Archiven, Graz 1997, S. 3 2 2 - 3 2 6 , hier S. 3 2 2 . Vgl. Andreas Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene: Wege in eine terra incognita der Kriegsgefangenengeschichte, in diesem Band, S. 9 3 - 1 4 2 . Pravda vom 2 5 . 4 . 1 9 4 7 , hier zitiert nach Viktor B. Konasov, SudTjy nemeckich voennoplennych ν SSSR: diplomaticeskie, pravovye i politiceskie aspekty problemy. Ocerki i dokumenty, Vologda 1 9 9 6 , S. 198. Zu den westalliierten Terminproblemen vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 3 2 2 - 3 2 4 und Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 4 0 - 4 2 .
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Krieg
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10. Juli 1 9 4 8 an den Stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats (SovMin), Außenminister Molotov, dass sich z u m 1. Januar 1 9 4 9 n o c h 4 2 1 2 2 1 deutsche Kriegsgefangene in der U d S S R b e f ä n d e n . 8 D e r Stellvertretende Innenminister Ivan Serov hatte sogar s c h o n am 2 6 . Mai 1 9 4 8 die Innenminister der Republiken u n d die Leiter der regionalen Verwaltungen des Innenministeriums darüber informiert, dass über das Jahr 1 9 4 8 hinaus Kriegsgefangene aller Nationalitäten aus operativen „und anderen Erwägungen" zurückgehalten würden. Z u d e m verblieben weiterhin deutsche G e f a n g e n e der Arbeitskategorien I und II in der U d S S R . 9 D i e Ursachen für die u m ein Jahr verzögerte Entlassung mehrerer hunderttausend deutscher Kriegsgefangener sind somit vorrangig i m wirtschaftlichen Bereich z u s u c h e n . 1 0 D a s Gleiche gilt im Übrigen auch für die japanischen Kriegsgefangenen in der UdSSR. 1 1 D i e Westmächte reagierten s c h o n a m 3. Januar 1 9 4 9 mit Protestnoten auf d e n o f f e n e n , endgültigen Bruch der alliierten Absprachen. 1 2 D i e sowjetische Nachrichtenagentur T A S S w i e s a m 4. Januar die Vorwürfe scharf zurück u n d konstatierte, dass die „überwältigende Mehrheit" der G e f a n g e n e n bereits repatriiert sei. „Die Repatriierung der übrigen Kriegsgefangenen wird nach e i n e m Plan durchgeführt, der v o n der Sowjetischen Regierung a n g e n o m m e n wurde, und wird im Laufe des Jahres 1 9 4 9 b e e n d e t sein." 1 3 D i e offizielle Antwortnote des Außenministeriums der U d S S R an die Regierungen der U S A , Großbritan8
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Schriftlicher Bericht des MVD Kruglov an Molotov vom 10.7.1948 (GARF, f. 9401, op. 2, d. 204,1. 149), hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye ν SSSR 1941-1955 gg., Sbornik dokumentov, Band 1 (Russkij archiv: Velikaja Otecestvennaja 24 [13-2]), Moskau 1999, S. 421. Dt. Fassung in Andrej Kosteneckij, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion: Heimatkontakte und Rückkehr. In: Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und der Sowjetunion 1941-1956. Hg. von Klaus-Dieter Müller, Konstantin Nikischkin und Günther Wagenlehner (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 5), Köln 1998, S. 66f. Entwürfe liegen schon vom 10.6. vor (RGVA, f. lp, op. Ole, d. 70,1. 271, 288). Telegramm des Stellv. MVD, I. Serov, vom 26.5.1948 (GARF, op. 1112, d. 205, t. 17, 1. 353 f.), hier zitiert nach Inostrannye voennoplennye vtoroj mirovoj vojny ν SSSR (Russkij archiv: Velikaja Otecestvennaja 24 [13]), Moskau 1996, S. 477f. Seit Juli 1942 wurde die Arbeitsfähigkeit der Gefangenen monatlich in ärztlichen Untersuchungen bestimmt. Die Kategorien I und II galten als tauglich für mittelschwere bis schwerste körperliche Arbeit. In der Praxis entschieden die ärztlichen Kommissionen schematisch nach äußeren Anzeichen, und oftmals wurden die unterschiedlichen Kategorien gemeinsam eingesetzt. Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 128. Ausführlich dazu Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 322-331. Neue offiziöse Darstellungen aus Russland fallen heute wieder hinter den Forschungsstand zurück, den russische Historiker wie Konasov in der letzten Dekade erarbeitet haben. Vgl. hier beispielhaft V. K. Luzerenko, Plen. Tragedija millionov. In: Velikaja Otecestvennaja vojna. 1941-1945. Voenno-istoriceskie ocerki. Kniga cetvertaja: Narod i vojna, Moskau 1999, S. 200. Viktor Karpov, Plenniki Stahna. Sibirskoe internirovanie japonskoj armii. 1945-1956 gg., Kiev 1997, S. 225ff., S. 250f. und S. 255. Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Eine Zusammenstellung von Dokumenten und Verlautbarungen. In: Ost-Probleme, 2 (1950), S. 758764, hier S. 759. Pravda vom 4.1.1949, hier zitiert nach Konasov, Sud*by, S. 216.
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niens und Frankreichs vom 24. Januar 1949 wiederholte die Aussagen nahezu wörtlich. 14 Zeitgleich polemisierte die SBZ-Presse gegen die angebliche Zurückhaltung von ,,Hunderttausende[n] von Kriegsgefangenen zur Zwangsarbeit" 15 durch die Westmächte. Auf weitere Nachfragen der USA antwortete das MID am 4. Juni 1949 nur noch lakonisch, dass die Regierung „keine Notwendigkeit sieht, nach ihren Feststellungen in der Note vom 24. Januar 1949 in eine weitere Prüfung der Fragen einzutreten". 16 Der detaillierte Plan, auf den TASS am 4. Januar 1949 verwiesen hatte, lag dem sowjetischen Ministerrat erst am 18. Januar als Entwurf vor. 17 Allerdings war in der sowjetischen Führung der 31. Dezember 1949 als Endtermin der Repatriierungen schon Ende 1948 unstrittig. 18 Wie in den Vorjahren, so trugen die Repatriierungsvorschläge des Innenministeriums von Januar 1949 zwei Hauptzielen sowjetischer Kriegsgefangenenpolitik Rechnung. Zum einen sollte auch in diesem letzten Jahr ein effektiver Einsatz der gefangenen Arbeitskräfte sichergestellt werden: 373 744 deutsche Kriegsgefangene seien über die Jahresquartale verteilt so zu entlassen, „dass für die Baustellen und Unternehmen, bei denen Kriegsgefangene [arbeiten], die notwendigen Bedingungen für den Ersatz von Kriegsgefangenen durch andere Arbeitskräfte gewährleistet sind". 19 Das Innenministerium nannte, fußend auf einer Aufstellung der GUPVI vom 17. Januar 1949, pro Quartal und Ministerium konkrete Entlassungszahlen. In dem anschließenden Feilschen der
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Pravda vom 30.1.1949, hier zitiert nach Konasov, Sud'by, S. 217-219. Dt. Fassung der wesentlichen Passagen abgedruckt in: Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen, S. 759f. Tägliche Rundschau vom 11.1.1949, hier zitiert nach Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 77 mit Anm. 238. Weitere Beispiele ebd., S. 76f. Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen, S. 759. Brief Kruglovs an Berija mit Verordnungsentwurf vom 18.1.1949 (GARF, f. 5446, op. 51a, d. 5011, 1. 34). Kruglov begründete seinerseits die Vorlage u.a. mit der TASSMeldung vom 4.1.1949! Am 6.11.1948 legten Innenminister Kruglov und der Stellvertretende Außenminister Zorin Molotov einen Entwurf für einen Brief an Stalin vor, der „in Verbindung mit der Entscheidung des Außenministerrates über die Repatriierung der deutschen Kriegsgefangenen und unseren mehrfachen öffentlichen Erklärungen" die endgültige Repatriierung der deutschen Kriegsgefangenen - mit Ausnahme Belasteter - bis zum 31. Dezember 1949 vorschlug (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Molotova, d. 204, 1. 384-390), hier zitiert nach Kosteneckij, Deutsche Kriegsgefangene, S. 62 f. Molotov wollte diese Frage „demnächst" mit den Autoren erörtern, ebd., S. 63. Für die sowjetischen Wirtschaftsbehörden befahl dann die Verordnung Nr. 4750-1850ss SovMin vom 28.12. 1948, „die Arbeit von Kriegsgefangenen völlig durch die Arbeit von sowjetischen Arbeitern zu ersetzen". Modest A. Kolerov, Arbeitsverwendung der Kriegsgefangenen und Internierten in der UdSSR (1946-1950). Nach dem Material in den Sondermappen des Sekretariats des NKVD/MVD der UdSSR. In: Stefan Karner (Hg.), „Gefangen in Rußland". Die Beiträge des Symposiums auf der Schallaburg 1995 (Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung 1), Graz 1996, S. 109 und Kosteneckij, Deutsche Kriegsgefangene, S. 63 f. Wie Anm. 17. Hier auch das Folgende.
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betroffenen Ministerien um den jeweils letztmöglichen Abzugstermin liegt eine der Ursachen für die zögerliche Verabschiedung der Verordnung. 20 Außerdem schlug sich die operativ-cekistische bzw. strafrechtliche Verfolgung deutscher Kriegsgefangener wegen vermeintlicher und tatsächlicher Verbrechen während und vor der Gefangenschaft im Entwurf nieder: Kruglov regte an, im Laufe des Jahres 1949 6 1 8 0 Personen Gerichten zu übergeben. Es handele sich hierbei um Kriegsgefangene, die seit 1946 in den Kriegsgefangenenlagern der UdSSR aufgrund der Kriterien der Kontrollratsdirektive Nr. 38 als „Hauptverbrecher" und „Verbrecher" ermittelt worden seien. 21 Über das weitere Schicksal von 41 297 Angehörigen von SS, SA, SD, Polizei, Gendarmerie, Straf- und anderen Sonderorganen des Dritten Reiches, die seit jeher unter besonderer Beobachtung der operativ-cekistischen Organe standen, wollte das Innenministerium dagegen erst im letzten Quartal 1949 endgültig entscheiden. Für die gefangene Generalität schlug Kruglov gesonderte, doch analoge Regelungen vor: Generäle, gegen die keinerlei Belastungsmaterial vorlag, könnten ab Juli 1949 entlassen werden. Gleichzeitig intensivierte das Innenministerium die Ermittlungen gegen 148 Generäle: Gerade die Kommandeure bestimmter Einheiten, argumentierte der Stellvertretende Innenminister Serov in einer am 20. Januar erlassenen Verordnung, trügen die Hauptverantwortung für Kriegsund Gewaltverbrechen. 22 Schon jetzt stand also fest, dass die operativ-cekistischen Organe ihre Ermittlungsarbeit erheblich forcieren würden, um keine „Kriegsverbrecher" freizugeben.
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Strafverfolgung von Kriegsgefangenen 1941 bis 1 9 4 9
Auch wenn in den sowjetischen Akten gerade nach 1949 häufig von „verurteilten Kriegsverbrechern aus den Reihen der ehemaligen Kriegsgefangenen" 23 die Rede ist, so ging es in der sowjetischen Ermittlungspraxis und Rechtspflege stets um mehr als nur um die Aufdeckung kriegsbedingter Verbrechen feindlicher Soldaten. Schon die sowjetische Definition eines Kriegsgefangenen um20 21
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Stellungnahmen verschiedener Ministerien zum Verordnungsentwurf des Innenministeriums (GARF, f. 5 4 4 6 , op. 51a, d. 5011, u. a. 1. 3,1. 19). Umgesetzt mit Befehl MVD Nr. 0 0 1 7 6 vom 2 3 . 2 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. l a , d. 2 9 7 , 1. 1 7 8 - 1 8 6 , hier 1. 178f.). Terminologie nach Befehl MVD Nr. 0 0 9 1 9 vom 2 . 6 . 1 9 4 8 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. l a , d. 2 2 6 , 1 . 1 7 2 - 1 8 0 , hierl. 173 und 1. 177). Es handelte sich um Anklagen wegen „Gräueltaten und andere[r] Verbrechen gegen die Sowjetunion und die Länder der Volksdemokratie". Verfügung MVD Nr. 31ss vom 2 0 . 1 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 3 3 0 , 1 . 4 0 - 5 6 ) . Zur deutschen Generalität in sowjetischer Gefangenschaft siehe jetzt auch die biographischen Daten, die Irina V. Bezborodova, Generäle des Dritten Reiches in sowjetischer Hand (Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung 4 ) , Graz 1 9 9 8 , publiziert hat (russ.: dies., Generaly Vermachta ν plenu, Moskau 1 9 9 8 ) . So u. a. in der Korrespondenz der Verwaltung Nr. 3 6 2 nach 1 9 5 0 (RGVA, f. lp, op. 0 7 e , d. 1 0 5 9 ) .
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fasste unter a n d e r e m Mitglieder der S A o d e r das Personal v o n G e f ä n g n i s s e n u n d K o n z e n t r a t i o n s l a g e r n . 2 4 I n s g e s a m t ging das s o w j e t i s c h e Verständnis v o n Kriegsverbrechen w e i t über d e n R a h m e n der M o s k a u e r „Erklärung ü b e r die Verantwortlichkeit der Hitleranhänger für b e g a n g e n e Gräueltaten" v o m 3 0 . Oktober 1 9 4 3 , 2 5 ü b e r die Kontrollratsdirektiven Nr. 2 4 u n d Nr. 3 8 u n d sogar über die B e s t i m m u n g e n d e s U k a z d e s Präsidiums d e s O b e r s t e n S o w j e t s der U d S S R v o m 19. April 1 9 4 3 h i n a u s . 2 6 G i n g es bei der l e t z t g e n a n n t e n R e c h t s n o r m n o c h u m U n t a t e n ,,deutsche[r], italienische[r], r u m ä n i s c h e f r ] , u n g a r i s c h e [ r ] u n d finn i s c h e f r ] Verbrecher" g e g e n die sowjetische Z i v i l b e v ö l k e r u n g u n d g e g e n gefang e n e Rotarmisten, s o n a h m e n die o p e r a t i v e n O r g a n e - i m Z u s a m m e n h a n g mit der B e k ä m p f u n g sowjetischer Kollaboration - die g e s a m t e Arbeit g e g n e r i s c h e r A b w e h r - u n d A u f k l ä r u n g s d i e n s t e ins Visier, u n d z w a r unabhängig v o n einer institutionellen u n d p e r s ö n l i c h e n V e r a n t w o r t u n g für V ö l k e r m o r d , Kriegs- u n d B e s a t z u n g s v e r b r e c h e n . 2 7 D a b e i galten die S t r a f b e s t i m m u n g e n über die „gegenrevolutionären V e r b r e c h e n " 2 8 , w i e sie die S t r a f g e s e t z b ü c h e r der s o w j e t i s c h e n R e p u b l i k e n k a n n t e n , g e m ä ß d e m Territorialrecht n a c h Art. 4 S t G B R S F S R auch für Ausländer, die d i e s e Taten in der U d S S R b e g i n g e n . 2 9 Eine Entschei24
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Befehl NKVD Nr. 00315 vom 18.4.1945, Punkt 3. Siehe dazu Bodo Ritscher, Zur Herausbildung und Organisation des Systems von Speziallagern des NKVD der UdSSR in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im Jahre 1945. Dokumentation. In: Deutschland Archiv, 26 (1993), S. 727 f., hier S. 728. Befehl NKVD Nr. 00101 vom 22.2.1945, Punkt la, ebd., S. 7 2 6 f „ hier S. 726. Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 63 f. Die Moskauer Konferenz der Außenminister der UdSSR, der USA und Großbritanniens ( 1 9 . - 3 0 . Oktober 1943). Dokumentensammlung (Die Sowjetunion auf internationalen Konferenzen während des Großen Vaterländischen Krieges 1941 bis 1945, 1 ), Moskau 1988, S. 316f. In russ. und dt. Fassung u. a. abgedruckt in Manfred Zeidler, Stalinjustiz contra NSVerbrechen. Die Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR in den Jahren 1943-1952. Kenntnisstand und Forschungsprobleme (Berichte und Studien 9), Dresden 1996, S. 5 2 - 5 6 und Gerd R. Ueberschär, Ausgewählte Dokumente und Übersichten zu den alliierten Nachkriegsprozessen. In: ders. (Hg.), Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943-1952 (Fischer-Taschenbücher 13589: Die Zeit des Nationalsozialismus), Frankfurt a. M. 1999, S. 277-301, hier S. 2 7 9 - 2 8 4 . Vgl. den Beitrag Andreas Hilger/ Nikita Petrov/Günther Wagenlehner, Der „Ukaz 43": Entstehung und Problematik des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943, in diesem Band, S. 177-210. Deutlich v. a. in dem Schriftlichen Bericht des MVD Kruglov an Stalin, Molotov, Berija u. a. über die Bilanz der Kriegsgefangenenarbeit vom 24.5.1950 (GARF, f. 9401, op. 2, d. 269, 1. 309-319), hier zitiert nach Inostrannye voennoplennye, S. 5 2 5 - 5 3 0 , hier S. 529. Besonderer Teil, Erstes Kapitel des StGB der RSFSR, zitiert nach Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik vom 22. November 1926 in der am 1. Januar 1952 gültigen Fassung mit Nebengesetzen und Materialien, übersetzt von Wilhelm Gallas (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher Band LX), Berlin 1953, S. 16. Hier wie im Folgenden nehme ich Bezug auf das StGB der RSFSR. Analoge Bestimmungen fanden sich unter zum Teil anderer Zählung in den StGB der übrigen Republiken. Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 1.
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dung des Plenums des Obersten Gerichts der U d S S R vom 11. Dezember 1941 bekräftigte diesen Grundsatz noch einmal ausdrücklich für alle Personen in den deutsch besetzten Gebieten. 3 0 Zusätzlich bestimmte „kraft der internationalen Solidarität der Interessen aller Werktätigen" Art. 58,1 StGB R S F S R , dass Handlungen auch dann als „gegenrevolutionär" eingestuft wurden, „wenn sie gegen einen anderen - der Union der S S R nicht angehörenden - Staat der Werktätigen gerichtet sind". 3 1 Diese Grundsätze sollten jenseits aller sachlichjuristischen Probleme 3 2 auch 1949 ihre Rolle in den Ermittlungen gegen Kriegsgefangene spielen. Im voll entbrannten Kalten Krieg ging es nunmehr unter anderem um die ehemalige Kollaboration in ganz Osteuropa. 3 3 Folgerichtig wurden die Tatbestände Spionage, Sabotage und „antisowjetische Tätigkeit" seit dem 1. Dezember 1944 von den operativ-cekistischen Organen erfasst, 3 4 und im April 1948 führte das M V D explizit Angehörige der Aufklärungs- und Abwehrorgane, die Agenten und Mitarbeiter angeworben und eingesetzt hatten, unter den besonders verdächtigen Gefangenen auf. 3 5 Das Untersuchungsfeld wurde ständig ausgeweitet und umfasste 1949 sogar „Agenten des englischen, französischen oder amerikanischen Geheimdienstes". 3 6 Mit der Frontstellung der ehemaligen Verbündeten des Zweiten Weltkriegs fielen grundsätzliche Präventivbemühungen der Sowjetunion gegen einen neuerlichen deutschen Uberfall zusammen. Die Teheraner Idee Stalins, rund 5 0 0 0 0 Offiziere und militärische Sachverständige zu erschießen, wurde nie weiterverfolgt. 37 Stattdessen äußerte Stalin im Mai 1945 gegenüber hochrangigen britischen und amerikanischen Vertretern, „dass es gut wäre", einige zehntausend deutsche Offiziere der „Frontstäbe" rund 2 0 Jahre länger in Gefangenschaft zu behalten. „Einige von ihnen muss man natürlich verurteilen." 3 8 30
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Ausdrücklich betont im wichtigen Kommentar Aron Trajnin/Vladimir Men'sagin/ Zinaida Vysinskaja, Ugolovnyj kodeks RSFSR. Kommentarii. Hg. von Ivan T. Goljakov, 2. Auflage Moskau 1 9 4 6 , S. 6f. Vgl. daneben George Ginsburgs, Moscow's Road to Nuremberg. The Soviet Background to the Trial (Law in Eastern Europe 4 7 ) , The Hague 1 9 9 6 , S. 6 6 - 6 9 . Vgl. Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse, S. 3 5 . Art. 58,1 StGB RSFSR. In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 16. Die sowjetischen Behörden berücksichtigten in ihren Ermittlungen nicht, dass diese Länder zum Zeitpunkt der jeweiligen Taten Deutscher andere Regierungssysteme hatten. Meldungen über deutsche Agententätigkeit in den „Ländern der Volksdemokratie" finden sich häufig in der Sondermappe Molotovs. Osobaja Papka Molotova, u. a. Einträge zum 3 0 . 1 0 . 1 9 4 7 , zum 1 3 . 3 . 1 9 4 8 , zum 2 2 . 5 . , 2 9 . 5 . und zum 1 . 6 . 1 9 4 8 . Befehl NKVD Nr. 0 0 1 4 6 4 vom 1 . 1 2 . 1 9 4 4 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. la, d. 163,1. 139ff.). Befehl NKVD Nr. 0 0 4 7 9 vom 3 0 . 4 . 1 9 4 8 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. la, d. 2 6 2 , 1 . 2 2 9 f f . ) . Verfügung MVD Nr. 541 vom 2 4 . 8 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , tem.sb. 2 0 5 , t. 16, 1. 66ff.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/ HAIT-Archiv. Winston S. Churchill, Der Zweite Weltkrieg, 6 Bände, Stuttgart 1951 ff., V / 2 , S. 4 8 f . und S. 6 3 . Vgl. Bradley F. Smith, Der Jahrhundert-Prozess. Die Motive der Richter von Nürnberg. Anatomie einer Urteilsfindung, Frankfurt a. M. 1979, S. 56f. Vgl. Jost Dülffer, Jaita, 4. Februar 1 9 4 5 . Der Zweite Weltkrieg und die Entstehung der bipolaren Welt ( 2 0 Tage im 2 0 . Jahrhundert, dtv 3 0 6 0 6 ) , München 1 9 9 8 , S. 13 f. Aus den Aufzeichnungen eines Gesprächs Stalins mit Hopkins und Harriman vom 2 8 . 5 . 1 9 4 5 , hier zitiert nach SSSR i germanskij vopros 1 9 4 1 - 1 9 4 9 . Dokumenty iz Archiva
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Schon im August 1945 wies die Moskauer NKVD-Zentrale ihre Mitarbeiter vor Ort darauf hin, dass kriegsgefangene „reaktionäre" deutsche Offiziere wieder an Plänen zur Wiederaufstellung deutscher Armeen arbeiteten. 3 9 Zehn Monate später warnte Innenminister Kruglov den ZK-Sekretär Zdanov in einem Bericht über die politische Stimmung der deutschen Gefangenen, dass „faschistische Gruppen [...] unter den Kriegsgefangenen außerdem Propaganda für die Orientierung auf die Westmächte und für eine Aggression gegen die Sowjetunion in einem Block mit Großbritannien und den USA" treiben würden. 4 0 Darüber hinaus erstreckte sich das Aufgabenfeld der operativ-cekistischen Organe - im Folgenden der Einfachheit halber operative Organe genannt auch auf Taten aus der Gefangenschaftszeit. Nicht nur Diebstähle, sondern auch eine mangelnde antifaschistische Begeisterung, Arbeitsunfälle oder Fluchtversuche riefen die operativen Organe mit ihren einseitigen Deutungsmustern auf den Plan: Jedwedes normabweichende Verhalten von Gefangenen wurde schnell politisiert und als „antisowjetische", „reaktionäre" und „faschistische" „Bandenbildung" oder als „feindliche" „Wühlarbeit" und organisierte „Sabotage" verfolgt. 41 Angesichts der tatsächlichen Verhältnisse in den Lagern lassen sich diese Einschätzungen nur mit der hybriden Übersensibilität Moskaus erklären. In den Ermittlungen konnten schließlich unterschiedliche Straftatbestände leicht vermengt und in der Konsequenz aus einer angeblichen antisowjetischen Einstellung gleich auf Lager- und Kriegsverbrechen geschlossen werden: Schon im September 1944 richtete das NKVD erste Regimelager für die isolierte Verwahrung von „aktiven Faschisten" 42 , vermutlichen Teilnehmern an Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und Partisanen und von Gefangenen mit Fluchtplänen ein. Die hier nur knapp skizzierten Ermittlungsziele schlugen sich in den operativen Listen nieder. Das waren Sonderlisten für die Kriegsgefangenen, die als
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Vnesnej politiki Rossijskoj Federacii, Tom 2: 9 maja 1945 g . - 3 oktjabrja 1946 g., bearbeitet von Georgij P. Kynin u. a., Moskau 2 0 0 0 , S. 1 4 0 - 1 4 5 , hier S. 141. Vgl. Anm. 37. Direktive NKVD Nr. 136s vom 15.8.1945 (GARF, f. 9401, op. la, d. 192,1. 21 f.). Schreiben Kruglovs vom 15.6.1946, zitiert in Leonid Resin, Feldmarschall im Kreuzverhör. Friedrich Paulus in sowjetischer Gefangenschaft 1 9 4 3 - 1 9 5 3 , Berlin 1996, S. 193 f. Termini nach dem Vortrag des operativen Leiters und 1. Stellv. Chefs der GUPVI, Amajak Kobulov, vom 2 1 . 3 . 1 9 4 6 vor Mitarbeitern der Lagerverwaltungen (GARF, f. 9401, op. la, d. 214,1. 103obff., hier 1. 104). Dazu die Direktive NKVD Nr. 136 vom 15.8. 1945 (GARF, f. 9401, op. la, d. 192,1. 21 f.). Vgl. auch die Verfügung MVD Nr. 3 8 9 s vom 1 6 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. la, d. 333,1. 16ff„ hier 1. 19ob). Vgl. hierzu auch Maksim M. Zagorul'ko (Hg.), Voennoplennye ν SSSR 1 9 3 9 - 1 9 5 6 , Moskau 2000, S. 51, und die ebd., S. 656, S. 667, S. 674, S. 680, S. 690, S. 6 9 2 f . und S. 6 9 9 abgedruckten Verfügungen und Erlasse. Befehl NKVD Nr. 001130 vom 9 . 9 . 1 9 4 4 (RGVA, f. lp, op. 37a, d. 2,1. 112-116). Vgl. auch die sowjetischen Einschätzungen von Angehörigen der SS als „wahrscheinliche Teilnehmer an Gräuel- und Missetaten" und zugleich als „Initiatoren und Organisatoren von Diversions- und Sabotagetätigkeit" in den Lagern. Direktiven NKVD Nr. 216s vom 22.11.1945 und Nr. 91s vom 5 . 5 . 1 9 4 7 (GARF, f. 9401, op. la, d. 192,1. 109 und ebd., d. 257,1. 1 2 3 - 1 2 6 , hier 1. 124).
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„poducetnye" unter besonderer Beobachtung der operativen Organe standen. Im August 1949 waren beispielsweise folgende Personengruppen wegen Kriegs-, Gewalt-, Staats- und Lagerverbrechen auf operativen Listen vereint: Mitarbeiter der Gestapo, der Abwehr, von SD, GFP und ähnlichen Formationen, alle Angehörigen der Kriminalpolizei, von Gerichten und Staatsanwaltschaften, die Mitglieder von SS, SA, von Feld- und Ortskommandanturen sowie von Wach- und Strafeinheiten und von Gruppen „zur besonderen Verwendung", Mitarbeiter politischer, wirtschaftlicher und anderer Verwaltungsorgane auf dem besetzten Gebiet der UdSSR und der Volksdemokratien, das Personal deutscher Konzentrationslager sowie von Lagern für sowjetische Kriegsgefangene, das leitende Personal der NSDAP (ab Kreis- oder Abteilungsleiter), höhere Regierungsbeamte, Angehörige von Einheiten, die als belastet galten, weil sie „Verbrechen begangen oder Zivilisten verschleppt hatten", HJund Werwolffiihrer, schließlich Personen mit „terroristischen Absichten" gegen die Führung der UdSSR oder der Volksdemokratien sowie Agenten der westlichen Geheimdienste 43 - „und übrige" 44 , ergänzte das MVD zu Beginn der „heißen Phase" am 14. Oktober 1949 pauschal die Liste der Verdächtigen. Ein Schreiben des Innenministers Kruglov an Molotov, Berija und Malenkov vom 23. September 1949 gibt über die Verteilung von rund 37 000 „belasteten" Kriegsgefangenen auf die verschiedenen Kategorien Aufschluss: Verzeichnet waren 1719 Mitarbeiter der Aufklärungs- und Abwehrorgane (Abwehr, SD, Gestapo, GFP u.a.), 12 869 Offiziere und Mannschaften der SS sowie 4 488 Angehörige der SA, dazu 561 Mitarbeiter von Gerichten, Staatsanwaltschaften und anderen Straforganen. 824 Gefangene waren ehemalige Mitarbeiter von Feld- und Ortskommandanturen, 187 hatten leitende Positionen innerhalb der NSDAP (Kreisleiter, Abteilungsleiter etc.) bekleidet. 4159 Offiziere und Mannschaften dienten vor ihrer Gefangennahme in „Straf- und Vergeltungsorganen", 10 299 in belasteten Einheiten und 1309 in Kriegsgefangenen- oder Konzentrationslagern. 324 Gefangene waren Leiter oder Mitarbeiter politischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Verwaltungsstellen in besetzten Gebieten der UdSSR oder der neuen Volksdemokratien. 450 galten als profaschistisch gesinnt und immerhin 60 Gefangene wurden als Agenten der französischen, britischen oder amerikanischen Geheimdienste betrachtet. 45 Die schematisierten Ermittlungen und die pauschalen Verurteilungen lassen sich ohne den Erfolgsdruck, der auf den operativen Organen lastete, nicht verstehen. Sie standen zwar einer großen Zahl wirklicher Kriegs- und Gewaltver-
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Verfügung MVD Nr. 541s vom 2 4 . 8 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, tem.sb. 205, t. 16,1. 66ff.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Verfügung MVD Nr. 634ss vom 14.10.1949 (GARF, f. 9421 [2 Specotdeel MVD], op. 1, d. 42,1. 2 6 8 - 2 7 1 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Schreiben Kruglovs vom 2 3 . 9 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Molotova, d. 240, 1. 2 5 2 - 2 5 5 ) .
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b r e c h e n gegenüber, k o n n t e n aber k a u m Täter namhaft oder dingfest m a c h e n . 4 6 Ständig rügte die Zentrale, dass die G e f a n g e n e n z u oberflächlich befragt würd e n u n d die Ermittlungsarbeit schlecht organisiert u n d dokumentiert werde. 4 7 D a b e i maß M o s k a u d e n operativen Erfolg stur an der Zahl überführter G e f a n g e n e r und machte dies auch in d e n Befehlen deutlich. S o schloss beispielsweise die Benachrichtigung der örtlichen Organe über die Einstufung der Totenkopf-Division als verbrecherische Einheit mit d e m deutlichen Hinweis, „dass die operativen Mitarbeiter des G U P V I - S y s t e m s vor der Aufgabe stehen, unter A u s n u t z u n g aller Möglichkeiten das Personal der SS-Division ,Totenkopf', das in Gefangenschaft geraten ist, z u f i n d e n u n d als Beteiligte an Gräueln z u entlarven". 4 8 Es verwundert nach alldem nicht, dass die Untersuchungen mit großer Härte durchgeführt wurden. Psychischer D r u c k u n d physische Folterungen sind in vielen Fällen belegt oder sehr wahrscheinlich, 4 9 u n d wissentliche Falschaussag e n sind in d e n Akten der operativen Organe selbst nachweisbar. 5 0
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Vgl. auch Aleksandr E. Epifanov, Strafverfolgung von Kriegsverbrechern aus den Reihen der Wehrmacht in der UdSSR. In: Gabriele Gorzka/Knut Stang (Hg.), Der Vernichtungskrieg im Osten. Verbrechen der Wehrmacht in der Sowjetunion - aus Sicht russischer Historiker (Reihe Ost-West-Dialog), Kassel 1999, S. 111-130, S. 123 und bes. S. 128f., sowie ders., Die Außerordentliche Staatliche Kommission, Wien 1997, bes. S. 51 ff. Vgl. die Sondermeldung OO NKVD der Südfront an die UOO NKVD SSSR über Gräueltaten. Fixiert wurden verschiedene Verbrechen, ohne dass - obwohl Augenzeugen befragt worden waren - konkrete Täter benannt werden konnten (CA FSB, f. 14, op. 4, d. 1330, 1. 17), hier zitiert nach Stalingradskaja épopeja. Materialy NKVD SSSR i voennoj cenzury iz Central'nogo archiva FSB RF, Moskau 2000, S. 336f. Hervorgehoben noch einmal in der Verfügung MVD Nr. 181ss vom 31.3.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16,1. 85 ff.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAITArchiv. Vgl. auch die Verfügung MVD Nr. 380 vom 14.6.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16,1. 1 ff.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Direktive MVD Nr. 230 vom September 1946 (GARF, f. 9401, op. la, d. 215,1. 80f., hier 1. 81 ). Ähnlich zur SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer" in der Verfügung MVD Nr. 556 vom 2.9.1948 (GARF, f. 9401, op. la, d. 292,1. 167ff.). Beispielhaft Karl Bauer, Gedächtnisprotokoll. Ein Prozeß in Minsk, Herford 1990. Er ist übrigens kein Gewährsmann für die Untersuchungen 1949/1950, wie Gerd R. Ueberschär, Die sowjetischen Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene 1943-1952. In: ders. (Hg.), Der Nationalsozialismus vor Gericht, S. 248f., irrtümlicherweise annimmt. Zur Gewaltanwendung durch Untersuchungsorgane des MVD vgl. den Befehl MVD Nr. 0068 vom 4.4.1953, der die „Anwendung von beliebigen Zwangsmaßnahmen und körperlicher Gewalteinwirkung durch Organe des MVD" „grundsätzlich" verbot. Lina Pleines, Der „Neue Kurs" Berijas nach Stalins Tod. In: Osteuropa-Archiv, 48 (1998), S. A367-A375, S. A372. Vgl. auch den Bericht Abakumovs vom 17.7.1947, der Stalin die Untersuchungspraxis des MGB gegenüber Staatsfeinden erläuterte. Dobit'sja polnogo razoblacenija. In: Istocnik, Heft 6/1994, S. 112-115, hier S. 114. Verfügung MVD Nr. 106 vom 16.2.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 330,1. 187). Vgl. Nikita Petrov, Die Gerichtsprozesse gegen die kriegsgefangenen Deutschen und ihre außergerichtliche Verfolgung in der UdSSR 1943-1952, unveröffentlichtes Manuskript, o. O. 1997, S. 16ff. Vgl. Aleksandr E. Epifanow/Hein Mayer, Die Tragödie der deutschen Kriegsgefangenen in Stalingrad von 1942 bis 1956 nach russischen Archivunterlagen, Osnabrück 1996, S. 167 f.
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Im April 1948 wurde die Abwicklung der Gerichtsverfahren gestrafft, indem die Moskauer Zentrale bei der Übergabe von Gefangenen an Militärtribunale umgangen wurde: Das ließ den örtlichen Stellen mehr Raum, die hohen Anforderungen der Führung zu erfüllen. Innerhalb der nächsten vierzehn Monate wurden immerhin 3 750 Gefangene wegen Verbrechen vor der Gefangennahme verurteilt, mehr, als im gesamten Zeitraum davor.51 3.
Februar bis Juni 1949: Erste Vorbereitungen der Filtration
Der eingangs zitierte Entwurf, den der Innenminister am 18. Januar 1949 vorlegte, wurde mit redaktionellen Änderungen vom Ministerrat der Sowjetunion am 19. Februar 1949 als Verordnung Nr. 751-287ss verabschiedet. Der Beschluss verpflichtete das MVD, im ersten Quartal 1949 45 271 Kriegsgefangene zu repatriieren, im zweiten 60 404, im dritten 124 697 und im vierten Quartal mit 143 372 Gefangenen den größten Anteil. Von der Repatriierung blieben - neben den Transportunfähigen bis zu ihrer Genesung - alle Gefangenen ausgeschlossen, über die prozesstaugliches Material über Verbrechen gegen die Sowjetunion oder andere Volksdemokratien vorhanden war. Außerdem hatte das MVD bis zum 1. Oktober Vorschläge zur Entlassung oder Rückstellung der rund 42 000 auf operativen Listen erfassten deutschen Kriegsgefangenen zu unterbreiten. Die gesonderten Bestimmungen über die deutsche Generalität folgten den geschilderten Grundsätzen: Bis zum 1. Juni musste das MVD Empfehlungen zur Repatriierung von Generälen vorlegen und dabei vor allem Kranke oder Betagte, die nicht im Fronteinsatz gestanden hatten, berücksichtigen. Der Ministerrat behielt sich auch in diesen Fällen die endgültige Entscheidung vor. Nach individueller Überprüfung konnten die Generäle frühestens ab Juli 1949 mit ihrer Repatriierung rechnen.52 Das MVD setzte die Entscheidung des Ministerrates am 23. Februar mit seinem Befehl Nr. 00176 an die GUPVI, die Innenminister der Republiken, die Leiter der Gebiets- und Kreisverwaltungen des Inneren sowie an die Leiter der MVD-Hauptverwaltungen bzw. -Abteilungen für Versorgung, für Eisenbahnund Schiffstransporte sowie der Grenztruppen um.53 Am 12. März legte die GUPVI, vertreten unter anderem durch den für die operative Arbeit zuständigen Ersten Stellvertreter Amajak Kobulov, einen „Maßnahmenplan zu Grundsatzfragen der Arbeit der GUPVI MVD SSSR in der Zeit 51
52 53
Brief Kruglovs an Stalin vom 7 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , Osobaja Papka Stalina, d. 2 3 5 , 1. 130 ff.). Vgl. auch Nikita Petrov, Deutsche Kriegsgefangene unter der Justiz Stalins. Gerichtsprozesse gegen Kriegsgefangene der deutschen Armee in der UdSSR 1 9 4 3 1 9 5 2 . In: Karner (Hg.), „Gefangen in Russland", S. 2 0 3 . Verordnung SovMin Nr. 7 5 1 - 2 8 7 s s vom 1 9 . 0 2 . 1 9 4 9 (GARF, f. 5 4 4 6 , op. 51a, d. 5011, 1. 47f.). Vgl. ähnlich zu japanischen Gefangenen Karpov, Plenniki, S. 2 6 6 - 2 6 8 . Befehl MVD Nr. 0 0 1 7 6 vom 2 3 . 2 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. l a , d. 2 9 7 , 1 . 1 7 8 - 1 8 6 , hier 1. 178 f.).
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von März bis Dezember 1949" 5 4 vor, den der Stellvertretende Innenminister Ivan Serov abzeichnete und den Innenminister Sergej Kruglov am 17. März genehmigte. Auftragsgemäß zählte die Kriegsgefangenenverwaltung die Ausarbeitung von Vorschlägen „über Ablauf und Fristen der Repatriierung von deutschen kriegsgefangenen Generälen [...] und des Kontingents unter besonderer Beobachtung" 5 5 zu den wichtigsten Aufgaben der nächsten zehn Monate. Die GUPVI sah vor, das „verdächtige" Kontingent bis September 1949 in bestimmten Lagern - „den vom technischen Zustand, der Einrichtung, der Versorgung, der territorialen Verteilung und den Bedingungen des Arbeitseinsatzes her besten" 5 6 - zusammenzufassen. Da Moskau Wert auf eine verschärfte Bewachung legte, wurden vornehmlich Lager bei Unternehmen des MVD - „Steinbrüche der G U S O S D O R , Baustellen der Glavgidrostroj u. a." 57 - beschickt. Es waren Baustellen, die gemäß der Verordnung über Regimelager von 1944 zugleich härtere Arbeitsbedingungen boten. 5 8 Kriegsgefangene, die unbegründet auf den operativen Listen verzeichnet waren, sollten gestrichen und damit nach mehreren Jahren grundloser Zurückstellung zur Repatriierung freigegeben werden. Dabei strebte die GUPVI unvermittelt an, die Maßstäbe der operativen Organe in der UdSSR und in der SBZ einander anzugleichen: Gruppen, die „die Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland rehabilitiert habe" 5 9 - das betraf seit Anfang 1948 „nominelle Mitglieder der Nazipartei und ihrer Gliederungen" 6 0 - galten jetzt auch in den
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RGVA, f. lp, op. lOi, d. 1, 1. 8 3 - 1 0 1 . Am 3 1 . 3 . 1 9 4 9 lud das MVD die operativen Mitarbeiter der MVD/UMVD und der Lagerverwaltungen nach Moskau, um ihnen die Grundsätze und Bedeutung ihrer Arbeit zum wiederholten Male darzulegen. Verfügung MVD Nr. 1 8 1 S S vom 3 1 . 3 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 1 2 , tem.sb. 2 0 5 , t. 1 6 , 1. 8 5 - 9 0 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Vgl. den Bericht Kruglovs vom 7 . 6 . 1 9 4 9 über die durchgeführte Ermittlungsarbeit an Stalin/Molotov/Berija/ Malenkov/Vysinskij (GARF, f. 9 4 0 1 , Osobaja Papka Stahna, d. 2 3 5 , 1 . 1 3 0 - 1 3 7 ) . Maßnahmenplan zu Grundsatzfragen der Arbeit der GUPVI MVD SSSR vom 12./17.3.1949 (RGVA, f. lp, op. lOi, d. 1,1. 83-101). Ebd. Ebd. Befehl NKVD Nr. 001130 vom 9.9.1944 (RGVA, f. lp, op. 37a, d. 2,1. 112-116). Maßnahmenplan zu Grundsatzfragen der Arbeit der GUPVI MVD SSSR vom 12./17.3.1949 (RGVA, f. lp, op. lOi, d. 1,1. 83-101). Befehl SMAD Nr. 35 vom 26.2.1948, abgedruckt in Clemens Vollnhals/Thomas Schlemmer (Hg.), Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949, München 1991, S. 212ff. Vgl. Manfred Wille, Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1948, Magdeburg 1993, S. 163 f., S. 174f. und S. 185-190. Vgl. Helga A. Welsh, Revolutionärer Wandel auf Befehl? Entnazifizierungs- und Personalpolitik in Thüringen und Sachsen (1945-1948) (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 58), München 1989, S. 78ff. und S. 107 f. Vgl. Damian v. Melis, Entnazifizierung in Mecklenburg-Vorpommern. Herrschaft und Verwaltung 1945-1948 (Studien zur Zeitgeschichte 56), München 1999, S. 245ff. und S. 297 f. Zu den Entlassungen deutscher Internierter aus den Speziallagern in der SBZ 1948 vgl. Melis, Entnazifizierung, S. 316f. Vgl. dazu Ralf Possekel, Einleitung. Sowjetische Lagerpolitik in Deutschland. In: Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950. Hg. von Sergej Mironenko, Lutz Niethammer und Alexander von Plato,
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Kriegsgefangenenlagern als unbelastet. Für die Überprüfung blieb den lokalen operativen Organen gut sechs Wochen Zeit: Moskau setzte eine Frist bis zum 1. Mai 1949. Aufgrund der Bedeutung des Arbeitseinsatzes lenkte die GUPVI für die allgemeine Überarbeitung der Listen den Blick vornehmlich auf chronisch Kranke, invalide und ältere Gefangene, die, sofern konkretes Belastungsmaterial fehlte, entlassen werden könnten (Frist: 1. Juni). Die Repatriierungslisten der Generäle waren bis zum 15. Mai zu erstellen, die Abschlussberichte und Materialien für eine Auslieferung von Gefangenen an die volksdemokratischen Nachbarn bis zum 15. September 1949. Generell sollte die Ermittlungsarbeit unter allen Kriegsgefangenen noch einmal intensiviert werden. Als probates Mittel empfahl die operative Zentrale den verstärkten Einsatz von Informanten. Bei aller operativen Anstrengung durfte der Arbeitseinsatz der „poducetnye" nicht vernachlässigt werden. Zur Wahrung von Staatsgeheimnissen wurden sie allerdings von sensiblen Produktionsstätten abgezogen. 61 „Gräueltäter" und andere Verbrecher - gemeint waren hier die 6180 Gefangenen, die Gerichten übergeben werden sollten - seien bis Mitte Juni in zwei oder drei Lagern mit - sichererem - Gefängnisregime einzuweisen; diese Sondermaßnahme wurde Mitte des Jahres jedoch stillschweigend fallengelassen. Es ist der Initiative Amajak Kobulovs, des operativen Leiters der GUPVI, zuzuschreiben, dass neben der Generalität nun auch die Stabsoffiziere genauer ins Visier genommen wurden. Man wolle, so das Grundsatzpapier der GUPVI, dem MVD bis zum 25. März anraten, diverse Gruppen von Stabsoffizieren bis Dezember 1949 im Lande zu behalten und zwecks operativer Überprüfung in zwei Lagern (Nr. 185 im Oblast' Ivanovo und Nr. 74 bei Gor'kij [heute Niznij Novgorod]) zusammenzulegen. Kobulov ging es darum, die „Teilnahme dieser Offiziere an Gräueln und Bestialitäten und anderen Verbrechen auf dem Gebiet der Sowjetunion oder der volksdemokratischen Länder" zu untersuchen. 62 Unter Verbrechen wurde weiterhin auch die Tätigkeit deutscher Aufklärungs- und Abwehrdienste subsumiert: Über die jeweili-
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Band 2: Ralf Possekel (Hg.), Sowjetische Dokumente zur Lagerpolitik, Berlin 1998, S. 82 ff., mit Angabe der entsprechenden Dokumente. Maßnahmenplan zu Grundsatzfragen der Arbeit der GUPVI MVD SSSR vom 1 2 . / 1 7 . 3 . 1 9 4 9 (RGVA, f. Ι ρ , ο ρ . lOi, d. 1,1. 8 3 - 1 0 1 ) . Dazu Verfügung MVD Nr. 181ss vom 3 1 . 3 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 16,1. 8 5 - 9 0 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Vgl. auch den Bericht Kruglovs vom 7 . 6 . 1 9 4 9 über die geleistete Ermittlungsarbeit an Stalin/Molotov/Berija/Malenkov/Vysinskij (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Stalina, d. 235,1. 1 3 0 - 1 3 7 ) . Maßnahmenplan zu Grundsatzfragen der Arbeit der GUPVI MVD SSSR vom 1 2 . / 1 7 . 3 . 1 9 4 9 (RGVA, f. lp, op. lOi, d. 1, 1. 8 3 - 1 0 1 ) . In der Praxis wurde über den Versand von Fotografien und Namenslisten an die verschiedenen Aufenthaltsorte der Stabsoffiziere versucht, konkretes Belastungsmaterial der örtlichen Organe sowie Zeugenaussagen zu erhalten.
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gen Stabsoffiziere erhoffte man sich gleichzeitig den Zugriff auf alle angeworbenen „sowjetischen Verräter". 63 Die operativ-cekistische Arbeit der nächsten Monate orientierte sich grundsätzlich an diesem Arbeitsplan der GUPVI MVD SSSR. Seine wesentlichen Bestandteile wurden bis September 1949 durch Direktiven und Verordnungen des MVD in die Tat umgesetzt - immer begleitet von Ermahnungen zur Wachsamkeit, zur allgemeinen Verbesserung der operativen und der Informantentätigkeit und von der gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderung, keinen einzigen Verbrecher ungestraft davonkommen zu lassen. 64 Parallel zu den Ermittlungsarbeiten legte man auf höherer Ebene das weitere Vorgehen für erste fällige Verurteilungen fest. Schon am 1. April 1949, lange vor dem Beginn der eigentlichen Massenverurteilungen, bestimmten MVD und Militärstaatsanwaltschaft die Paragraphen des Strafgesetzbuches, nach denen Angehörige der Aufklärungsdienste „Deutschlands und seiner Satelliten" 65 durch die Bezirks-Militärtribunale verurteilt werden sollten. Straftatbestände waren hierbei die Anwerbung von Agenten aus der örtlichen Bevölkerung der besetzten Gebiete, die Durchführung von Aufklärungs- und Abwehraufgaben, die Organisation und Durchführung von „terroristischen und Diversionsakten" im Hinterland der Roten Armee „und andere feindliche Handlungen, die auf die Schwächung der Macht der UdSSR gerichtet waren". 66 Nach sowjetischer Lesart handelte es sich bei all diesen Handlungen durchweg um „gegenrevolutionäre Verbrechen", „Staatsverbrechen", die einmal in der „Unterstützung des Teiles der internationalen Bourgeoisie, der die Gleichberechtigung des das kapitalistische System ablösenden kommunistischen Systems nicht anerkennt und seinen Sturz erstrebt", andererseits in „Spionage, [...] zugunsten ausländischer Staaten, gegenrevolutionärer Organisationen oder Privatpersonen" bestanden. 67 Der als „Spione", „Diversanten" und „Terroristen" definierte Personenkreis umfasste Mitarbeiter der Abwehr, des SD, der Gestapo und der Stabsabteilungen Ic, Angehörige der GFP, von Feld- und Ortskommandanturen, der Kriegswirtschaftlichen Inspektionen oder von Kommandanturen und Kommandos sowie Angehörige diverser rumänischer und ungarischer Dienststellen. Serov für das MVD und Generalleutnant Afanas'ev für die Generalstaatsanwaltschaft und für den Militärstaatsanwalt der Streitkräfte der UdSSR befahlen, alle 63
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Begriff nach der Verfügung MVD Nr. 181ss vom 3 1 . 3 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16, 1. 8 5 - 9 0 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Argumentation nach dem Maßnahmenplan zu Grundsatzfragen der Arbeit der GUPVI MVD SSSR vom 1 2 . / 1 7 . 3 . 1 9 4 9 (RGVA, f. lp, op. lOi, d. 1,1. 8 3 - 1 0 1 ) . Vgl. die Verfügung MVD Nr. 106ss vom 1 6 . 2 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 16,1. 91 f.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Vgl. die Verfügung MVD Nr. 181ss vom 3 1 . 3 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16,1. 85ff.),hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Verfügung MVD/Militärstaatsanwaltschaft Nr. 1 8 8 / 6 2 s s vom 1.4.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16,1. 84), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Ebd. Art. 58,4 und Art. 58,6 StGB RSFSR. In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 16f.
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Gefangenen, gegen die unabhängig vom konkreten Charakter der Handlungen „Beweise über Spionage- oder Zersetzungsarbeit gegen die U d S S R " 6 8 vorlagen, zu verhaften und nach Art. 5 8 , 4 und 5 8 , 6 StGB R S F S R abzuurteilen. Obwohl noch nach Beweisen gefragt wurde, konnte das weite Feld der verfolgten Tatbestände in der Praxis zudem die Verurteilung aufgrund bloßer Zugehörigkeit rechtfertigen. In der Zeit vom 1. April 1949 bis zum 31. August 1950 ergingen weit über 1 3 0 0 Urteilssprüche nach Art. 5 8 , 4 und rund 1 1 0 0 nach Art. 5 8 , 6 StGB R S F S R . Dagegen sind für die Jahre 1945 bis 1948 und ab 1951 gerade einmal 2 8 Verurteilungen nach Art. 5 8 , 4 dokumentiert. Die genannten Bestrafungen nach Art. 5 8 , 6 machen 95 Prozent aller Urteile auf der Grundlage dieses Artikels ab 1941 aus. 6 9 Die grundsätzliche Absurdität gerade des pauschalen Spionagevorwurfs nahm der Militärstaatsanwalt des Militärbezirks Karpaten im März 1955 zum Anlass, in einem einzigartigen Antrag die Aufhebung eines Urteils wegen Spionage gegen zwei Kriegsgefangene zu betreiben und zu erreichen! Auch wenn dieser Vorgang im Gesamtmaßstab ohne jede Bedeutung blieb, so soll doch diese frühe und einzig dastehende Rehabilitierung verurteilter deutscher Kriegsgefangener durch das Militärtribunal des Militärbezirks Karpaten am 9. März 1955 im Folgenden kurz dokumentiert werden. 7 0 Eugen F. und Wolf W. waren am 24. Dezember 1949 vom MVD-Militärtribunal des Oblast' Zitomir nach den Art. 19 und 5 4 , 6 StGB U S S R (entspricht den Art. 17 [Teilnahme] und 5 8 , 6 StGB R S F S R ) zu jeweils 25-jährigen ITLStrafen verurteilt worden. F. habe als Ic-Dolmetscher durch Verhöre sowjetischer Kriegsgefangener und „Vaterlandsverräter" sowjetische „Staatsgeheimnisse" ausspioniert und zudem andere Dolmetscher ausgebildet. W. waren in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer Abteilung Ic ähnliche Vergehen vorgeworfen worden. Zudem hatten beide nach Ansicht des Gerichts „den Aufklärungsorganen [geholfen], unter den Vaterlandsverrätern Spione, Diversanten und Provokateure anzuwerben, die dann für die Agententätigkeit in Lager für sowjetische Kriegsgefangene, in das Hinterland der Roten Armee usw. gebracht wurden". 1955 begründete der Staatsanwalt seinen Protest gegen das Urteil, das am 2 9 . Mai 1950 durch das MVD-Militärtribunal des Kiever Militärbezirks bestätigt worden waren, damit, dass F. und W. „Offiziere der deutschen Wehrmacht waren, die gegen die UdSSR Krieg führte, und in der Abteilung Ic einer Infanteriedivision ihre Dienstpflichten als Ubersetzer erfüllten. Sie wurden als Angehörige der gegnerischen Armee bei der Zerschlagung ihres Truppenverbands durch sowjetische Truppen gefangengenommen und gelangten daher als Kriegsgefangene und nicht als Spione [...] in das Hinterland der 68 69 70
Verfügung MVD/Militärstaatsanwaltschaft Nr. 1 8 8 / 6 2 s s vom 1 . 4 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 16,1. 8 4 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. IfA/HAIT-Datenbank. Beschluss Nr. N z - 3 5 7 3 des Militärtribunals des Militärbezirks Karpaten vom 9 . 3 . 1 9 5 5 , Akte Wolf W. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G 0 6 0 0 1 ) .
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sowjetischen Truppen. Die aktive dienstliche Tätigkeit von F. und W. weist keine Merkmale einer Straftat auf, da sie keine Verbrechen oder Gräueltaten verübten." Das Militärtribunal des Militärbezirks Karpaten schloss sich der Auffassung des Staatsanwalts an und entschied, das Urteil von 1949 aufzuheben und das Verfahren einzustellen: „F., Eugen und W., Wolf, sind unverzüglich aus der Haft zu entlassen". Der verschärfte Ermittlungs- und Verfolgungsdruck, der ab dem Frühjahr 1949 ausgeübt wurde, zehrte an den psychischen Kräften der Gefangenen, deren Hoffnungen auf eine Heimkehr 1948 bitter enttäuscht worden waren. Der Stellvertretende Innenminister Serov wies am 10. Juni 1949 die MVD der Republiken, die Leiter der UMVD und der Lagerverwaltungen auf die erhöhte Zahl von Selbstmorden hin. Der Text seiner Verordnung wirft ein grelles Licht auf das eindimensionale Wahrnehmungsvermögen operativer Stellen, die diese Verzweiflungstaten allesamt als Versuch interpretierten, auf „diesem Weg der Verantwortung für [die] Verbrechen zu entgehen und [den Ermittlungsbehörden] die Möglichkeit zu nehmen, [...] Mittäter zu entlarven". 71 Heimkehrer begründen die Selbstschädigungen und -tötungen nach mindestens fünf Jahren Gefangenschaft dagegen überzeugender mit der Verzweiflung vieler Gefangener, die sich unter härtesten Lebensbedingungen dem Druck operativer Ermittlungsmethoden ausgesetzt sahen. 7 2
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Verfügung MVD Nr. 371ss vom 1 0 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 16, 1. 11 f.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Besondere Maßnahmen gegen Selbstmorde verdächtiger Generäle wurden am 1.11.1949 empfohlen: Mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft waren sie in Gefängnissen mit einem Informanten zusammenzulegen. Die Mitarbeiter der Gefängnisse waren zur sorgfältigen Beobachtung angehalten, um Selbstmordversuche zu verhindern. Vgl. die Verfügung MVD Nr. 669ss (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16, 1. 5 7 - 5 9 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Vgl. hier auch den Vortrag des MVD für die ersten Führer des Landes über feindliche Stimmungen der Kriegsgefangenen aufgrund der Verzögerung der Repatriierung vom 2 7 . 5 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. 2, d. 235,1. 3 7 - 4 1 ), hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye, S. 4 3 6 - 4 3 8 . Olof Ehlers, Bilder aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft Mai 1945 bis Oktober 1949, 2. Überarb. Auflage, Selbstverlag, Münster/Wf. 1994, S. 106. Vgl. den Heimkehrerbericht aus dem Lager Nr. 1 0 8 / M , Dezember 1949 (BA MA, B 2 0 5 / 5 8 0 ) . Vgl. Das Kriegsgefangenenlager am Rande der Steppe. Stalingrad-Beketowka 1 0 8 / 2 , Frankfurt a. M. 1988, S. 8 4 f . Vgl. WKS 126 (BA MA, B 2 0 5 / 9 4 ) .
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4.
Krieg
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Juni 1949 bis September 1949: Intensivierung der Ermittlungen
Dieser Druck wurde Mitte Juni 1949 noch erheblich verstärkt. Ob sich Stalin mit einem Bericht Kruglovs zum Stand der Ermittlungen am 7. Juni 1949 unzufrieden gezeigt hatte, muss Spekulationen überlassen bleiben. 73 Sicher ist, dass die MVD-Zentrale selbst um die fristgemäße und effektive Erledigung ihrer Aufgaben fürchtete. Schon im Mai hatte Kobulov hinsichtlich der forcierten Überprüfung der Generäle feststellen müssen, dass nach drei Monaten nur „unbedeutende Resultate" vorlägen. 74 Am 14. Juni erinnerte Kruglov persönlich die operativen Organe daran, dass am 15. September die „Filtration" der „poducetnye" abgeschlossen sein müsse: Kein Gefangener dürfe ohne ausreichende Gründe zurückgehalten, vor allem aber kein Verbrecher repatriiert werden, setzte der Innenminister die Mitarbeiter erneut unter Druck und verlangte nicht zum letzten Mal die genaue Beachtung aller einschlägigen operativen Vorschriften der letzten Jahre. 75 Am gleichen Tage brachte Kruglovs Stellvertreter Serov eine von Kobulov verfasste „Vorläufige Verordnung über operative Untersuchungsgruppen für Kriegsverbrecher aus den Reihen der Kriegsgefangenen" 76 in Umlauf - über einen Monat nach dem Gründungsbefehl, der die Bildung solcher Gruppen in Teilen des ehemals okkupierten Gebietes vorsah. 77 Die Verfügung schrieb vor, verdächtige Kriegsgefangene an die Tatorte zu verlegen und möglichen Zeugen gegenüberzustellen. Es habe sich gezeigt, so erläuterte Kobulov, dass diese Vorgehensweise bei der Entlarvung einzelner Verbrecher „großen Effekt" zeitigte; ein ähnliches Verfahren wurde am 1. November auch hinsichtlich der gefangenen Generäle angeordnet. 78 Nur zwei Tage später, am 16. Juni 1949, erhielten die operativen Organe zwecks „erfolgreiche^] Ausführung des Regierungsbeschlusses über [...] die
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Brief Kruglovs vom 7 . 6 . 1 9 4 9 über die durchgeführte Ermittlungsarbeit an Stalin/ Molotov/Berija/Malenkov/Vysinskij (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Stahna, d. 2 3 5 , 1. 1 3 0 - 1 3 7 ) . Brief des 1. Stellv. Leiters der GUPVI, A. Kobulov, an die MVD der Republiken, Leiter der UMVD der Kreise und Bezirke und Leiter der Lagerverwaltungen vom 2 1 . 5 . 1 9 4 9 (Archiv U V D VO, f. 10, 1. 1, d. 5 4 3 ) , hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye, S. 4 3 5 f. Verfügung MVD Nr. 3 8 0 und Nr. 3 8 7 S S vom 1 4 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. la, d. 3 3 3 , 1. 2 ff. und 1. 13 f.). Unzufriedenheit mit der Arbeit vor Ort auch ausgedrückt in der Verfügung MVD Nr. 4 6 5 vom 2 1 . 7 . 1 9 4 9 , in der Fälle unrechtmäßiger Repatriierungen beklagt werden (GARF, f. 9401, op. 12, d. 333, 1. 169). Ähnlich die Verfügung MVD Nr. 6 2 5 S S vom 1 1 . 1 0 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 1 2 , tem.sb. 2 0 5 , t. 1 6 , 1. 6 1 f.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Verfügung MVD Nr. 3 8 2 vom 14.6.1949 (GARF, f. 9401, op. la, d. 333,1. 7-8ob). Befehl MVD Nr. 0 0 4 3 5 vom 1 0 . 5 . 1 9 4 9 zitiert in der Verfügung MVD Nr. 3 8 2 vom 14.6.1949 (GARF, f. 9401, op. la, d. 333, 1. 7 - 8 o b ) . Die Gruppen wurden in den Oblasten Smolensk, Brjansk, Orel, Velikie-Luki, Tula, Kursk, Krim, Rostov-na-Donu, Novgorod, Voronez und Leningrad sowie in der Region Krasnodar eingerichtet. Verfügung MVD Nr. 669ss vom 1.11.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16, 1. 5 7 - 5 9 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv.
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Andreas Hilger
Vorlage von Angaben über Kriegsgefangene, die nicht der Repatriierung unterliegen", eine genaue, wiederum von Kobulov erarbeitete „Instruktion über die Filtration der Gefangenen" 79 in die Hand. Sie diente über die offizielle Begründung hinaus auch dazu, wenigstens in der Endphase die Einheitlichkeit der operativen Arbeit in den Lagern zu gewährleisten. Kobulov forderte erneut die operative Überprüfung aller Gefangenen unter Berücksichtigung der schon benannten Tatbestände und Zugehörigkeiten. Bevor nominelle Mitglieder der NSDAP und ihrer Organisationen auch tatsächlich als unbelastet betrachtet wurden, 80 ließ Kobulov jetzt gerade die Gefangenen, die bislang ausschließlich wegen ihrer bloßen Zugehörigkeit zu SS, SA oder SD oder wegen ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP, der HJ und in anderen amtlichen und parteiamtlichen Organisationen auf operativen Listen erfasst waren, durchleuchten.81 Bei allen „poducetnye" müsse die „Rolle, die der Gefangene in der verbrecherischen Organisation oder militärischen Einheit spielte", sowie „seine Tätigkeit innerhalb der verbrecherischen Organisation oder militärischen Einheit auf dem Gebiet der UdSSR und der volksdemokratischen Länder" festgestellt werden. 82 Weiterhin fragte Kobulov nach Namen, Rängen und Dienststellungen von Leitern und Mitarbeitern der jeweiligen Organisationen und endlich nach den konkreten Verbrechen, „wegen derer der Kriegsgefangene vor einem sowjetischen Gericht oder vor einem Gericht der volksdemokratischen Länder zur Verantwortung gezogen werden soll". Die operative Schlussakte hatte Antworten auf diese Fragen zu enthalten, dazu eine handschriftliche Autobiographie, Verhörprotokolle des Gefangenen und anderer Zeugen „unter den Kriegsgefangenen", eine medizinische Expertise über die Tätowierung (von SS-Angehörigen), Dienstnachweise sowie überprüfte Angaben von Informanten. 83 Der verantwortliche Lageroffizier musste in 79 80 81
82 83
Verfügung MVD Nr. 3 8 9 vom 1 6 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. l a , d . 3 3 3 , 1 . 1 6 - 1 9 o b ) . Maßnahmenplan zu Grundsatzfragen der Arbeit der GUPVI MVD SSSR vom 1 2 . / 1 7 . 3 . 1 9 4 9 (RGVA, f. lp, op. 10i, d. 1,1. 8 3 - 1 0 1 ) . Vgl. Anm. 6 0 . Die Verfügung verweist auf die genaue Aufschlüsselung des Befehls MVD Nr. 0 0 9 1 9 vom 2 . 6 . 1 9 4 8 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 2 6 6 , 1. 1 7 2 - 1 7 6 ) . Dieser Befehl erging in Anlehnung an die Kontrollratsdirektive Nr. 3 8 . Wieder werden die Probleme der Organe deutlich, für die dokumentierten Verbrechen eine angemessene Zahl von Tätern zu finden. Verfügung MVD Nr. 3 8 9 vom 1 6 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. la, d. 3 3 3 , 1 . 1 6 - 1 9 o b ) . Hier auch das Folgende. Der Informantentätigkeit deutscher Kriegsgefangener wurde seitens der UdSSR doppelter Wert beigemessen. Ihre Unterstützung bei der Suche nach „Kriegsverbrechern" machte sie in den Augen des KGB später erpressbar. 1957 plante die sowjetische Aufklärung die Aktivierung von rund 100 ehemaligen Informanten, die in der Bundesrepublik ansässig waren. Die verdeckten Kontaktaufnahmen verliefen nach Angaben des damaligen Stellvertretenden Leiters der Aufklärungsabteilung des Stabes der sowjetischen Streitkräfte in der DDR, Generalmajor GRU V. Nikol'skij, trotz des Einsatzes alter Dossiers aus der Gefangenschaft allesamt erfolglos. Vgl. Aleksandr I. Kolpakidi/ Dmitrij P. Prochorov, Imperija GRU. Ocerki istorii rossijskoj voennoj razvedki, 2 Bände, Moskau 2 0 0 0 , Band 2, S. 19 f. Die Möglichkeit, mittels ehemaliger Kriegsgefangener langfristig einen Verbindungsapparat in Deutschland aufzubauen, hatte das NKVD
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einer abschließenden Stellungnahme die Übergabe an ein Gericht oder die Entlassung des Gefangenen begründen. Die MVD/UMVD, auf deren Territorium die Lagerverwaltung lag, hatte den Beschluss zu bestätigen. Existierte nach Meinung von MVD/UMVD ausreichendes Belastungsmaterial, so war der Gefangene nach Genehmigung des Staatsanwaltes zur Untersuchung in ein Gefängnis einzuweisen. Die Abschlussakte wurde zur Be- und Verurteilung an das zuständige MVD-Militärtribunal gesandt. Verweigerte der Staatsanwalt „fälschlicherweise" (!) diese letzten Schritte, wurden die entsprechenden Materialien dem MVD UdSSR vorgelegt, „damit diese Frage im Zentrum entschieden werde". Bei dem operativen Selbstverständnis, das in den Formulierungen anklang, war es höchst unwahrscheinlich, dass in Moskau selbst begründete Einwände der Staatsanwaltschaft überhaupt nur in Betracht gezogen wurden. Damit die genauen Planvorgaben für die Arbeit eines jeden operativen Mitarbeiters erfüllt werden konnten, war nach Meinung Kobulovs ein erhöhter Informanteneinsatz erforderlich. Zugleich sollten nach dem Vorbild der operativen Untersuchungsgruppen die operativen Mitarbeiter aller Gebiete gegebenenfalls die Verlegung einzelner Gefangener beantragen bzw. selber am Ort des Geschehens entsprechende Untersuchungen durchführen. Den Mitarbeitern musste schließlich zum wiederholten Male ans Herz gelegt werden, dass sie in den Fällen, in denen die Akten an ausländische Regierungen übergeben werden sollten, besondere Sorgfalt walten ließen und alle Vorschriften der StPO streng beachteten (!). Dass selbst den Bruderländern genaue Angaben über den Aufenthaltsort des Gefangenen oder die Dienststellung des vernehmenden Lageroffiziers verborgen blieben, 84 war Ausfluss der sowjetischen Geheimhaltungssucht. Natürlich richtete Kobulov sein Augenmerk auch auf die Arbeit der Gefangenen: Im effektiven Einsatz mussten Sabotageakte oder „Disziplinlosigkeiten" der Gefangenen verhindert werden. 8 5 Dass Kobulov zudem anregte, den Repatrianten durch möglichst gute Lebensbedingungen einen versöhnlichen letzten Eindruck von der UdSSR zu verschaffen, mutet vor dem Hintergrund der umfangreichen operativen Planungen und der tatsächlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen zynisch an. Doch Kobulov verkannte nur gründlich die tiefen Aversionen deutscher Kriegsgefangener gegen die Sowjetunion. 8 6
84 85 86
schon frühzeitig ins Auge gefasst. Vgl. die Direktive NKVD Nr. 4 8 9 vom 7.10.1943 (GARF, f. 9401, op. la, d. 154, 1. 4 8 9 ) . Kruglov berichtete am 2 4 . 5 . 1 9 5 0 der Führungsspitze, dass insgesamt 9 8 6 Perspektivagenten angeworben worden seien. Vgl. die schriftliche Mitteilung Kruglovs an Stalin, Molotov, Berija, Malenkov, Mikojan, Kaganovic, Bulganin vom 2 4 . 5 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9401, op. 2, d. 2 6 9 , 1 . 3 0 9 - 3 1 9 ) , hier zitiert nach Inostrannye voennoplennye, S. 5 2 5 - 5 3 0 , hier S. 529. Vgl. dazu Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 2 3 4 mit Anm. 1459-1461. Noch einmal bekräftigt mit der Verfügung MVD Nr. 741 vom 26.11.1949 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44,1. 3), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Verfügung MVD Nr. 3 8 9 vom 1 6 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9401, op. la, d. 333,1. 16-19ob). Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 3 7 0 - 3 7 6 .
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Gemäß dem Maßnahmenplan von März 1949 widmete das MVD seit Ende Mai zahlreiche Lagerverwaltungen und -abteilungen zu Regimelagern mit verstärkter Bewachung, strengerem Regime und intensivierter Ermittlungsarbeit um: 8 7 Hierzu zählten in der Ukraine Lagerabteilungen der Verwaltungen Nr. 110 (entlang der südwestlichen Eisenbahnlinie mit den Stationen Korosten', Polonnoe, Ovruc und Ponizevici) und Nr. 471 (bei Katyk) für 3 100 bzw. 6 0 0 Gefangene und in Weißrussland Teile der Verwaltung Nr. 5 6 für 2 5 0 0 Gefangene (Bobrujsk). Dazu kamen im Sverdlovsker Oblast' (heute Ekaterinburg) 2 7 0 0 Plätze in Abteilungen der Verwaltung Nr. 476 (Asbest und Degtjarka), 4 2 0 0 Plätze im Oblast' Voronez (Nr. 8 2 ) und 5 100 in Georgien (Nr. 181). Im Oblast' Kemerovo stand eine Abteilung der Verwaltung Nr. 4 6 4 an der Station Usjaty der Tomsker Eisenbahnlinie (2 7 5 0 Plätze) zur Verfügung, im Novgoroder Oblast' (Nr. 2 7 0 ) weitere 3 100 Plätze. Neu eingerichtet wurde im Rostover Oblast' die Verwaltung Nr. 4 7 5 mit einer Belegung von 5 0 0 0 Mann, während in der Rostover Verwaltung Nr. 182, in Stalingrad (heute Volgograd [Nr. 3 6 2 ] ) , in Moskau (Nr. 3 8 8 ) und in Molotov (heute Perm' [Nr. 2 0 7 ] ) einzelne Abteilungen mit je 5 0 0 0 bis 5 2 0 0 Mann umstrukturiert wurden - insgesamt schuf das MVD 4 9 2 5 0 (zusätzliche 8 8 ) Plätze in Regimelagern. Schließlich begann im Mai/Juni die gesonderte Überprüfung der rund 4 0 0 0 deutschen Stabsoffiziere in sowjetischer Gefangenschaft. Sie waren, da ihr „Verhalten im Krieg auf dem Territorium der U d S S R und der volksdemokratischen Länder nur unzureichend überprüft" 8 9 worden war, vorläufig bis Dezember 1949 von der Entlassung ausgenommen und in sieben Lagerverwaltungen zusammenzufassen: In Krasnogorsk (Nr. 2 7 ) , Bobrujsk (Nr. 5 6 ) , Novgorod (Nr. 2 7 0 ) , Kiev (Nr. 6 2 ) , in den Oblasten Gor'kij (Nr. 74; heute: Niznij Novgorod), Ivanovo (Nr. 185) und Vologda (Nr. 4 3 7 ) . Zumindest die Abteilungen in Bobrujsk, Novgorod und Vologda galten dabei als Regimelager. 9 0 Die Ermittlungsarbeit hatte den Anweisungen vom 14. und vom 16. Juni zu folgen. Über den Nachweis persönlicher Schuld hinaus verlangte das MVD Aussagen allgemeineren Charakters: Man wollte Verbrechen unterstellter Einheiten und 87
Befehle MVD Nr. 0 0 5 1 2 , Nr. 0 0 5 2 7 und Nr. 0 0 5 2 8 vom 3 1 . 5 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 1, d. 9 3 1 , 1 . 2 0 3 , 2 3 6 , 2 4 9 f . ) . Dazu Befehl MVD Nr. 0 0 6 0 4 vom 2 1 . 6 . 1 9 4 9 (IfA/ HAIT-Archiv). Vgl. auch die Befehle MVD Nr. 0 0 6 8 3 vom 1 9 . 7 . 1 9 4 9 und Nr. 0711 vom 2 3 . 7 . 1 9 4 9 zur Anbindung von Spezialhospitälern und Erholungslagern an einzelne Regimelager (GARF, f. 9 4 0 1 , Liste Befehle N K V D / M V D 1 9 3 4 - 1 9 5 3 ) . Vgl. analog zu japanischen Kriegsgefangenen Karpov, Plenniki, S. 128f.
88
Schon 1 9 4 4 , 1 9 4 6 / 1 9 4 7 und 1 9 4 8 waren Regimelager eingerichtet worden. So existierte beispielsweise die Verwaltung Nr. 108, Stalingrader Oblast', die 1 9 4 8 zu einem Regimelager umgewidmet worden war, 1 9 4 9 weiter und nahm ebenfalls zu verurteilende Kriegsgefangene auf. Siehe dazu den Befehl MVD Nr. 0 0 5 2 8 vom 3 1 . 5 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 1, d. 931,1. 2 4 9 f . ) . Verfügung MVD Nr. 413 vom 2 3 . 6 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 3 3 3 , 1 . 4 5 f . ) . Befehl MVD Nr. 0 0 5 2 9 vom 3 1 . 5 . 1 9 4 9 zu 3 5 0 0 Plätzen allein in Vologda (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 1, d. 9 3 1 , 1 . 2 6 3 ) . Dazu Befehl Nr. 0 0 6 0 4 vom 2 1 . 6 . 1 9 4 9 für Bobrujsk und Novgorod (IfA/HAIT-Archiv). Aufgrund der Gesamtzahl ist die Belegung für Vologda wahrscheinlich nicht erreicht worden.
89 90
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Krieg
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Befehle höhergestellter Führer aufdecken, die „gegen die Regeln der Kriegsführung und die Menschlichkeit" gerichtet waren. 91 Trotz der Intensivierung hatten die Ermittlungen gegen diese vorgesetzten Generäle seit Januar 1949 offenbar noch keine befriedigenden Ergebnisse gebracht. Zum 1. Juli liefen erst gegen 62 von 2 5 2 deutschen Generälen, die sich in der Verfügungsgewalt des MVD befanden, 92 Untersuchungsverfahren, 124 unterlagen weiteren Überprüfungen. Kruglov und Vysinskij schlugen Stalin am 9. Juli die Entlassung von 66 Generälen vor, da diese schon älter seien und sich im Ruhestand befunden (42 Personen) oder sich in der Gefangenschaft „positiv"93 verhalten hätten (24): Als Positiva galten Innen- und Außenministerium unter anderem öffentliche Erklärungen gegen das Hitlerregime. Die Gesamtzahl war gegenüber einem ersten Schreiben Kruglovs vom 1. Juni 1949 bereits um zehn Personen verringert, 94 aber offensichtlich immer noch zu hoch. Schließlich verfügte das Politbüro am 2. August 1949 die Repatriierung von 49 Generälen. 95 Zwei Generäle verstarben vor ihrer Entlassung, ein dritter war noch im November krankheitsbedingt transportunfähig, und ein vierter wurde trotz der Verfügung des Politbüros vom MVD zurückgehalten. 96
91 92
93 94 95
96
Verfügung MVD Nr. 413 vom 23.6.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 333,1. 45 f.). In einem früheren Schreiben Kruglovs an Stalin, Molotov und Berija gibt der Innenminister eine genaue Übersicht über das Schicksal kriegsgefangener Generäle: Von 357 wurden bis Mai 1949 68 Personen verurteilt - darunter 22 zum Tode - , vier Personen an Polen ausgeliefert, ein General dem MGB übergeben, einer an die Tschechoslowakei ausgeliefert, 24 waren verstorben und sieben wurden im August 1948 als ehemalige Mitglieder von N K F D / B D O repatriiert (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Stahna, d. 235, 1. 53-66), zitiert in Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 64. Petrov vermerkt, dass Generäle, die unmittelbar nach der Gefangennahme in den Verantwortungsbereich des MGB gerieten, keinen Eingang in diese Gesamtaufstellung fanden. Vgl. Bezborodova, Generäle des Dritten Reiches, S. 13-25. Schreiben Kruglov/Vysinskij Nr. 186-VK an Stalin vom 9.7.1949 (GARF, f. 9401, op. 2, d. 235,1. 269), hier zitiert nach Konasov, Sud'by, S. 219f. Schreiben Nr. 2376/K an Stalin, Molotov und Berija. Siehe dazu Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 64 f. Beschluss des Politbüros P70/251, dazu die Verordnung SovMin Nr. 3308-1384ss vom gleichen Tage (APRF, f. 3, op. 58, d. 504, 1. 139f.), hier zitiert nach Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 66. Oberst Filatov, geschäftsführender Repatriierungsbevollmächtigter der UdSSR, im Schreiben Nr. 04013 vom 9.11.1949 an den stellvertretenden Außenminister Gromyko (GARF, Bestand der Verwaltung des Repatriierungsbevollmächtigten des Ministerrats der UdSSR, op. 6, por. Nr. 57, d. 40,1. 147-150), hier zitiert nach Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 66. Die SMAD erwartete in den Monaten Oktober bis Dezember 1949 die Rückkehr von 48 Generälen. Vgl. ein undatiertes Schreiben der UVD SMAD an Semenov und Mel'nikov (AVP, f. 457a, op. 7, por. 5, p. 37,1. 49).
232 5.
Andreas Hilger S e p t e m b e r 1 9 4 9 bis Mai 1 9 5 0 : D i e Massenverurteilungen und der offizielle Abschluss der Repatriierungen
Kobulovs Instruktion vom 16. Juni 1949 hatte für die abschließende Entscheidungsfindung über die „belasteten" Kriegsgefangenen Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Stellen vorausgesehen, die den prekären Zeitplan noch weiter durcheinanderbringen konnten. Darüber hinaus war das Ministerium für Staatssicherheit (MGB), das in der zweiten Hälfte der 40er Jahre immer neue Kompetenzen vom MVD erhalten hatte, 97 von dem bislang geschilderten Verfahren noch gänzlich ausgeschlossen. Das MGB hielt nur wenige Deutsche in seinen eigenen Gefängnissen fest. 98 Es hatte sich allerdings all die Jahre hindurch bei Fragen, die es als für die Staatssicherheit relevant einstufte, in die Kriegsgefangenenverwaltung eingemischt. 99 Um den verschiedenen Ansprüchen in der noch verbleibenden Zeit gerecht werden zu können, regte Kruglov am 2 3 . September 1949 nach Absprache mit den beteiligten Ministerien in einem Schreiben an Molotov, Malenkov und Berija an, auf Republik-, Kreis- und Bezirksebene interministerielle Kommissionen aus Vertretern des MVD, des MGB und der Militärstaatsanwaltschaft zu bilden. Diese sollten auf der Grundlage der operativen Gutachten über das weitere Schicksal der Gefangenen abschließend entscheiden. 100 Dem Vorschlag Kruglovs folgte das Politbüro am 28. September 1949 mit seinem Beschluss Nr. P71/236-op. Es bekräftigte damit zugleich den 1. Januar 1950 als Endtermin der Repatriierungen und der Verurteilungen. 101 Die Bitte der in Moskau weilenden DDR-Delegation, die im Zusammenhang mit der Gründung der DDR wünschte, „dass bis Ende 1949 alle Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion entlassen werden", 1 0 2 blieb ohne Einfluss auf die Entschei97
Vgl. Rudol'f G. Pichoja (Hg.), Lubjanka. VCK - O G P U - NKVD - NKGB - MGB MVD - KGB 1 9 1 7 - 1 9 6 0 . Spravocnik (Rossija X X vek. Dokumenty), Moskau 1997. 9 8 Hierzu aus Beständen des CA FSB Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 4 - 6 , S. 4 7 - 4 9 und S. 8 9 - 9 8 . 9 9 Vgl. zur Organisation des Char'kover Prozesses 1 9 4 3 Hilger/Petrov/Wagenlehner, „Ukaz 4 3 " , in diesem Band. Z u nennen ist hier auch eine gemeinsame Direktive von M V D / M G B zum Abzug von kriegsgefangenen Arbeitskräften von rüstungs- und sicherheitspolitisch relevanten Baustellen. Direktive M V D / M G B Nr. 7 7 / 2 9 s s vom 2 . 4 . 1 9 4 6 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. l a , d. 2 1 4 , 1 . 7 7 ) . 100 GARF, f. 9 4 0 1 , Osobaja Papka Molotova, d. 2 4 0 , 1 . 2 5 2 - 2 5 5 . Ein undatierter Arbeitsplan für diese Kommissionen befindet sich in GARF, f. 9 4 9 2 , op. 9, d. 4 9 , 1 . 1 - 4 . Aktiv an der Ausarbeitung beteiligt waren demnach Kruglov, Abakumov ( M G B ) und Safonov (Generalstaatsanwaltschaft), während das MJu nur sein Einverständnis zu Protokoll gab (Gorsenin). 101 Petrov, Deutsche Kriegsgefangene, S. 2 0 6 . 102 Brief der SED-Delegation an Stalin über die Pläne der SED zu Vorbereitung und Vollzug der DDR-Gründung vom 1 9 . 9 . 1 9 4 9 und der Antwortbrief von „M." vom 2 7 . 9 . 1 9 4 9 . Vgl. Dietrich Staritz, Die Gründung der DDR. Von der sowjetischen Besatzungsherrschaft zum sozialistischen Staat (Deutsche Geschichte der neuesten Zeit), 3. überarbeitete und erweiterte Neuauflage, München 1 9 9 5 , S. 2 4 3 - 2 4 7 , hier S. 2 4 7 und S. 2 4 8 - 2 5 2 , hier S. 251 f. Zur Moskaureise vgl. auch Reise nach Moskau vom
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dungsfindung der sowjetischen Spitzen. Die UdSSR hatte Endtermin und Ausnahmeregelungen seit Anfang des Jahres im Auge und versprach der SED nur das, was ihrer ureigenen Linie entsprach - bezeichnenderweise war im Schreiben der SED-Delegation keine Rede von Verurteilungen. So konnte die ostdeutsche Bitte maximal den Termindruck verschärfen. Dass der Vorschlag Kruglovs vom 23. September in Kenntnis der SED-Initiative vom 19. September erfolgte, ist angesichts der sowjetischen Teilnehmer an der ersten Sitzung mit der SED-Delegation vom 17. September und der Adressaten des Schreibens Kruglovs nicht unwahrscheinlich, im Gesamtzusammenhang aber sekundär: Vorbereitung und Abwicklung der Entlassungen und der Verurteilungen 1949/1950 waren genuin sowjetisch. In Ausführung des aktuellen Politbüro-Beschlusses erließ das MVD am 1. Oktober die Verfügung Nr. 609ss. Die operativen Organe wurden angewiesen, die Untersuchungsakten und alle Materialien über gefangene deutsche (und österreichische) Staatsbürger, die wegen ihrer Taten vor der Gefangennahme auf operativen Listen standen, zum Vortrag bei den interministeriellen Kommissionen vorzubereiten.103 Diese lokalen Kommissionen - in Lagern mit einer großen Zahl von zu überprüfenden Gefangenen wurden gleich mehrere eingesetzt - nahmen ihre Arbeit erst am 14. Oktober auf: Ihnen stand für ihre Aufgabe gerade einmal ein Monat (bis zum 15. November) zur Verfügung.104 Das Verfahren ging folgendermaßen vor sich: Ein operativer Mitarbeiter legte der Kommission für jeden Kriegsgefangenen die Belastungsmaterialien vor. Das entsprechende Beschlussprotokoll ging an MVD, MGB und an die Staatsanwaltschaft, um von der zentralen Moskauer Kommission bestätigt zu werden. Die Bestätigung von Verurteilungen war reine Formsache: Der Protokollversand durfte die Übergabe der Fälle an die Militärtribunale „nicht verzögern". 105 Gemäß der Bedeutung, die die sowjetische Führung angeblicher Spionage und Kollaboration beimaß, war, abweichend von der geschilderten Regelung, für die Entscheidung über leitende und operative Mitarbeiter der Aufklärungsund Abwehrorgane Deutschlands (sowie Ungarns und Rumäniens) ausschließlich die Zentralkommission zuständig. Beschlossen die Kommissionen die Auslieferung an die volksdemokratischen Nachbarländer, so erhielt die Operative Verwaltung der GUPVI die Akten. Sie sollte über das MID mit den vorgesehen Empfängerstaaten (Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien) die not1 6 . - 2 8 . 9 . 1 9 4 9 . In: Rolf Badstübner/Wilfried Loth (Hg.), Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1 9 4 5 - 1 9 5 3 , Berlin 1 9 9 4 , S. 2 9 4 f f . , hier S. 3 0 2 . Vgl. Wilfried Loth, Helsinki, 1. August 1975. Entspannung und Abrüstung ( 2 0 Tage im 2 0 . Jahrhundert), München 1998, S. 1 5 8 - 1 6 0 . 103 Verfügung MVD Nr. 6 0 9 vom 1 . 1 0 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 3 3 5 , 1. 4 5 [Spravka]). 1 0 4 Anordnung MVD Nr. 6 3 4 s s vom 1 4 . 1 0 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 3 3 5 , 1. 123 [Spravka] und GARF, f. 9 4 2 1 , op. 1, d. 4 2 , 1 . 2 6 8 - 2 7 1 [Volltext]), hier zitiert nach der Kopie im IfA/ HAIT-Archiv. 105 Ebd.
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wendigen Modalitäten abstimmen. 106 Für die Phase der Massenverurteilungen sind trotz dieser Vorbereitungen weder in Befehlen des MVD oder des Ministerrats noch in den Statistiken der Kriegsgefangenenverwaltung Überstellungen an Drittstaaten nachweisbar. Erst im Oktober 1950 wurden demnach drei Generäle der Tschechoslowakei übergeben. 107 Parallel zur hier ausführlich zitierten MVD-Verfügung vom 14. Oktober 1949 sandte das MGB seinen regionalen Gliederungen analoge Vorschriften zu. Die Staatsanwälte, die von Moskau aus zu Kommissionsmitgliedern ernannt wurden, waren darauf angewiesen, dass sie von den jeweiligen MVDMitarbeitern unterrichtet wurden. Stichtag für den Abschluss der Verurteilungen blieb der 1. Januar 1950. Die kriegsgefangene Generalität wurde auch in der letzten Phase - ungleich den Stabsoffizieren - aufgrund gesonderter Befehle überprüft. Tatverdächtige Generäle verlegte man noch im November an die Orte ihres früheren Wirkens. Aus Sicherheitsgründen - Informanten als Zellennachbarn sollten Selbstmorde verhindern - wies man die Generäle schon während der Ermittlungen in Gefängnisse ein. Die Akten waren hier bis zum 15. Dezember 1949 gerichtsfertig zu machen. 108 Mit der Anweisung vom 14. Oktober 1949 schienen die interessierten Ministerien und Dienststellen alle notwendigen Maßnahmen getroffen zu haben, um die letzten Entlassungen und Verurteilungen erfolgreich abwickeln zu können. Natürlich kontrollierten sie über die Entscheidungsprotokolle und über wöchentliche Berichte der Kommissionen weiterhin deren Arbeit. 109 Diese Vor-
106 Verfügung MVD Nr. 741 vom 26.11.1949 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44, 1. 31), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 107 Es handelt sich um den Kommandeur der 540. Sicherungsdivision, Generalmajor Gottschalk, den Generalleutnant der Polizei Hitzegrad und den Kommandeur der 254. Infanteriedivision, Generalmajor Schmidt. Bezborodova, Generäle des Dritten Reiches, S. 88, S. 104f., S. 196f. 108 Verfügung MVD Nr. 669ss vom 1.11.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16, 1. 57-59), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Generäle waren schon vor November an die MVD der Ukraine, Weißrusslands, Lettlands und Estlands sowie an die UMVD Novgorods, Voronezs und Ivanovos übergeben worden. Im November war die Übergabe von 13 Generälen an verschiedene MVD/UMVD geplant, u. a. wurde General Karl Strecker nach Stalingrad verbracht. Vgl. dazu auch seinen Erlebnisbericht Karl Strecker, Von Moskau bis Ischia. Sonderdruck aus: Gen Ostland: Mitteilungsblatt des Bundes der Kameraden ehemaliger Deutsch-Orden, Infanterie-Reg. Nr. 152, Freiburg 1974. 109 Zur wöchentlichen Berichtspflicht Anordnung MVD Nr. 634ss vom 14.10.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 335, 1. 123 [Spravka] und GARF, f. 9421, op. 1, d. 42, 1. 268-271 [Volltext]), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Die - aussageschwachen - Ergebnisprotokolle finden sich in RGVA, f. lp, op. 22e, d. 50. Vgl. aus Einzelakten u. a. den Auszug aus dem Kommissionsprotokoll des Moskauer Oblast' vom 31.10.1949, Fall Alfred K. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G00310). Vgl. auch die Spravka der Kommission des Lagers Nr. 85 aus Oktober/November mit der Freigabe zur Repatriierung, Akte Dietrich S. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G06002).
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sichtsmaßnahme sollte sich aus der Sicht der Moskauer Zentralen sehr bald als gerechtfertigt erweisen. Schon nach zweiwöchiger Kommissionstätigkeit drückte das Innenministerium aufs Arbeitstempo. 110 Eine Woche später kritisierte es die Arbeit explizit als zu langsam.111 Wichtiger aber war, dass man höheren Orts Entlassungsbeschlüsse der lokalen Kommissionen nicht nachvollziehen konnte. Am 19. November ordnete Serov an, dass „bis zu einer besonderen Verfügung des MVD der UdSSR auf keinen Fall ein Kriegsgefangener, dessen Fall von den Kommissionen überprüft wurde, repatriiert" werden dürfe. 112 Die zentrale interministerielle Kommission ergänzte diese Verfügung am 28. November durch einen generellen Repatriierungsstop für Offiziere der SS, des SD, der Gestapo sowie aller Polizei- und Strafeinheiten, der nicht nur für die Offiziere galt, die schon zur Repatriierung freigegeben worden waren, sondern auch für die wenigen Offiziere, die aufgrund fehlenden Belastungsmaterials nie einer Kommission vorgestellt worden waren - man prüfe, so die offenherzige Begründung, „unabhängig vom Vorhandensein konkreter Materialien über begangene Verbrechen" „die Frage der Heranziehung der Offiziere [...] zur gerichtlichen Verantwortung". 113 Es war eindeutig, dass selbst die weitgehend schematisierten, oberflächlichen und teilweise vorbestimmten Ermittlungen und Kommissionsentscheidungen den Zielen der sowjetischen Führung noch nicht ausreichend dienten. In Moskau benötigten der Innenminister, der Minister für Staatssicherheit und die Generalstaatsanwaltschaft nur einen weiteren Tag, um ihre untergebenen Dienststellen mit neuen Direktiven zu versorgen, die die Aburteilung von „Kriegsverbrechern" in die richtigen Bahnen lenken sollten.114 Eine direkte Beteiligung oder aktuelle Einflussnahme Stalins, Molotovs oder anderer Größen aus Politbüro und Ministerrat ist in den Dokumenten nicht nachweisbar. Es steht aber angesichts der langjährigen Erfahrungen in der Kriegsgefangenenpolitik und der langwierigen Vorbereitungen der Verurteilungen außer Frage, dass den Ministern die straf-, außen- und sicherheitspolitischen Ziele der „Instanzen" bekannt waren, wie sie sich in den anschließenden Repatriierungsbeschlüssen dann auch ausdrücklich niederschlugen. 110 Verfügung MVD Nr. 6 6 3 s s vom 31.10.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 17, 1. 2 2 5 f . ) . 111 Verfügung MVD Nr. 687ss vom 9.11.1949 (GARF, f. 9401, op. 12, tem.sb. 205, t. 16, 1. 54f.), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 112 Verfügung MVD Nr. 710ss vom 19.11.1949 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44,1. 23), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 113 Verfügung MVD Nr. 743ss vom 2 8 . 1 1 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44,1. 33), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 114 Diese Vorgehensweise erinnert wieder an das von Fraenkel hinsichtlich des Dritten Reichs thematisierte Verhältnis von „Maßnahmen" und „Normen". Ernst Fraenkel, Der Doppelstaat. Recht und Justiz im „Dritten Reich", ungek. Ausg., Frankfurt a. M. 1984. Vgl. hierzu die Überlegungen in Hilger, Straflager, und Hilger/Petrov/Wagenlehner, „Ukaz 43", in diesem Band.
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Die neuen Richtlinien vom 29. November 1949 machten endgültig klar, dass die Kommissionsentscheidungen unter straf-, außen- und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten völlig unzureichend gewesen waren: „Aus den eintreffenden Beschlüssen der interministeriellen Kommissionen über die Prüfung der Materialien über Kriegsgefangene der ehemaligen deutschen Armee wird deutlich, dass einige Kommissionen die Repatriierung von Kriegsgefangenen vorschlagen, die in den Truppen der SS sogar auf Kommandeursposten gedient haben, von Mitarbeitern der Straf- und Aufklärungsorgane [und] von revanchistisch gesonnenen Offizieren, die ihren Wohnsitz in den westlichen Zonen Deutschlands haben, wobei sie sich auf das Fehlen ausreichenden Untersuchungsmaterials über deren konkrete verbrecherische Tätigkeit stützen", beschwerten sich Kruglov (MVD), Abakumov (MGB) und Safonov (Generalstaatsanwaltschaft). 115 Damit, so darf man zwischen den Zeilen lesen, war jetzt Schluss: Fehle derartiges Belastungsmaterial, so seien alle Offiziere, die Kommando- oder operative Posten der SS bekleidet hatten, „wegen ihrer Zugehörigkeit zur SS" 116 den Gerichten nach dem Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 in Verbindung mit Art. 17 StGB RSFSR als Kriegsverbrecher zu übergeben - Art. 17 StGB RSFSR bestimmte, dass nicht nur die unmittelbaren Täter, sondern auch „Personen [...], die daran teilgenommen haben - Anstifter und Gehilfen" - für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wurden. 117 Sofern es möglich sei, solle dabei auf die Akten der CGK verwiesen werden, die die Verbrechen der jeweiligen Einheit verzeichnet habe. 118 Aufgrund der gleichen Paragraphen-Kombination mussten, sofern konkrete Beweise fehlten, das gesamte Personal von Konzentrationslagern, von Lagern für sowjetische Kriegsgefangene und Zivilisten sowie Mitarbeiter der Gerichte, der Staatsanwaltschaft, der Polizei und der Untersuchungsorgane verurteilt werden. Auf Mitarbeiter der Aufklärungs- und Abwehrorgane fanden unter den gleichen Voraussetzungen die Art. 17 und 58,6 (Spionage) Anwendung. Um eine gegenüber der Instruktion vom 14. Oktober schnellere Abwicklung dieser
115 Verfügung MVD/MGB/Staatsanwaltschaft Nr. 7 4 6 / 3 6 4 / 2 1 3 s s vom 2 9 . 1 1 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44,1. 46), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 116 Ebd. 117 Die genauen Definitionen lauten: „Als Anstifter gelten Personen, die (den Täter) zur Begehung des Verbrechens bestimmt haben. Als Gehilfen gelten Personen, die zur Ausführung des Verbrechens durch Ratschläge, Hinweise, Zur-Verfügung-Stellen von Mitteln, Beseitigen von Hindernissen oder die zum Verbergen des Täters oder der Spuren des Verbrechens beitragen." Zitiert nach Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 4. 118 Zur Geschichte der CGK vgl. Aleksandr E. Epifanov, Crezvycajnaja gosudarstvennaja kommissija po ustanovleniju i rassledovaniju zlodejanij nemecko-fasistskich zachvatcikov i ich soobscnikov i pricinennogo imi uscerba grazdanam, kolchozam, obscestvennym organizacijam, gosudarstvennym predprijatijam i ucrezdenijam SSSR. Istorikopravovoj aspekt, Diss. (A), Volgograd 1995, und als Kurzfassung in deutscher Sprache ders, Die Außerordentliche (zur Qualität des Belastungsmaterials). Vgl. ebd., S. 28f., S. 4 9 f. und S. 51 ff.
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Fälle zu gewährleisten, wurde die Entscheidungsgewalt über leitende und operative Mitarbeiter am 8. Dezember den örtlichen Kommissionen übertragen. 119 Punkt 4 der Verfügung vom 29. November zielte schließlich auf die „revanchistisch gesonnenen Kommandeure": 120 Die Kommissionen hatten „unter Berücksichtigung der Unzweckmäßigkeit der Repatriierung [!] noch einmal die gefassten Repatriierungsbeschlüsse" zu überdenken. Alle Fälle waren bis zum 10. Dezember zu überprüfen. Die Verurteilungsanweisungen galten, wie das MVD am 30. November noch einmal betonte, auch für die Gefangenen, die nie den Kommissionen vorgestellt worden waren. 121 Dieselbe Mischung außen-, sicherheits- und strafpolitischer Motive kam auch bei der Verfolgung der Generalität zum Tragen. Nach einer Vorlage Vysinskijs und Kruglovs vom 24. Dezember für Stalin waren von insgesamt 202 Generälen bislang 57 wegen Kriegs- oder Gewaltverbrechen verurteilt worden, gegen 51 liefen die Ermittlungen. Für weitere neun Personen schlugen MID und MVD die Verurteilung aufgrund bloßer Zugehörigkeit zu belasteten Einheiten vor. Daneben wollten sie weitere 59 Generäle wegen „revanchistischer" Ansichten und Aussagen hinter Gitter bringen: Die Generäle, unter anderem von Seydlitz, beabsichtigten aus sowjetischer Sicht, „sich nach ihrer Heimkehr dem Kampf gegen die demokratischen Elemente in Deutschland anzuschließen". 1 2 2 Die Minister schlugen daher nur 23 Generäle zur Repatriierung vor, darunter Feldmarschall Paulus. Die Vorschläge mit ihren späteren Redaktionen 123 mündeten im Beschluss des Ministerrates Nr. 1108396ss vom 17. März 1950. Danach wurden insgesamt 240 Generäle wegen Kriegsverbrechen oder „reaktionärer" und „revanchistischer" Einstellung in der UdSSR zurückgehalten, drei an die Tschechoslowakei ausgeliefert und 22, „über die es keine kompromittierenden Daten gibt", 124 repatriiert. Paulus verblieb - unverurteilt - bis 1953 in der UdSSR. 119 Verfügung (Telegramm) MVD Nr. 779ss vom 8 . 1 2 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44, 1. 64), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Im Oktober war die Entscheidung dieser Fälle durch die zentrale interministerielle Kommission vorgeschrieben worden. Vgl. Verfügung MVD Nr. 634ss vom 14.10.1949 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 42, 1. 2 6 8 - 2 7 1 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 120 Verfügung MVD/MGB/Staatsanwaltschaft Nr. 7 4 6 / 3 6 4 / 2 1 3 s s vom 2 9 . 1 1 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44,1. 46), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 121 Verfügung MVD Nr. 757ss vom 3 0 . 1 1 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44, 1. 46), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Eine wenig später ergangene Verfügung des MVD wirft ein düsteres Licht auf die Kompetenz der operativen Organe: Obwohl die operativen Offiziere immer in den lokalen Repatriierungskommissionen mitarbeiteten, musste das MVD anmahnen, die betroffenen Kriegsgefangenen auch wirklich nicht zu repatriieren. Vgl. Verfügung MVD Nr. 764 vom 2 . 1 2 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44,1. 50), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 122 Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 75 f. Ein identisches Schreiben datiert Konasov auf den 12.1.1950. Konasov, Sud'by, S. 2 2 1 - 2 2 3 . 123 Hierzu Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 7 6 - 8 3 . 124 APRF, f. 3, op. 58, d. 505, 1. 8 6 - 9 1 , zitiert in Leonid Resin, Der Moskauer Prozeß gegen General von Seydlitz im Spiegel russischer Dokumente. In: Gerd R. Ueberschär (Hg.), Das Nationalkomitee „Freies Deutschland" und der Bund Deutscher Offiziere
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Nahezu alle Gerichtsurteile aus der Phase der Massenverurteilungen lauteten auf 25 Jahre „Besserungsarbeitslager" (ITL). Die IfA/HAIT-Datenbank dokumentiert für die Zeit vom 1. November 1949 bis zum 31. August 1950 16 587 Verurteilungen, von denen nur 314 auf Zeitstrafen unter 25 Jahren lauteten. 125 Der Begründungsmechanismus der Verurteilungen aufgrund bloßer Zugehörigkeit wird in einem Urteilsspruch des MVD-Militärtribunals der Krasnodarer Region vom 16. Dezember 1949 beispielhaft deutlich: „[Der Angeklagte] kam im Juli 1941 im Verband der SS-Division Wiking auf das zeitweise besetzte Gebiet der Sowjetunion. Die genannte Division, die im Gebiet der Städte TarnopoF, Zitomir, Belaja Cerkov' [und] Dnepropetrovsk [im Einsatz] war, verübte Gräueltaten und Verbrechen an sowjetischen Bürgern. [Der Angeklagte] diente bis Dezember 1941 in der SS-Division Wiking als Motorradfahrer im Range eines Gemeinen. Für die gewissenhafte Ausführung der HitlerBefehle wurde er in die Offiziersschule der SS geschickt und nach Abschluss zum Leutnant der Waffen-SS befördert. Nachdem er zum Zugführer des 3. Panzerlehrbataillons ernannt worden war, bereitete er die Auffüllung der SSEinheiten der Hitler-Armee vor, indem er die Soldaten im Geiste der Ergebenheit zum faschistischen Hitlerregime erzog. Auf der Grundlage des Ausgeführten hat das Militärtribunal die vorgelegte Anklage gem. Art. 17 StGB RSFSR und Art. 1 Ukaz des Obersten Sowjet der UdSSR vom 19. April 1943 für erwiesen erkannt." 126 Gegen die Urteilssprüche konnte jeweils binnen 72 Stunden Kassationsbeschwerde beim Militärgericht des zuständigen Militärkreis des MVD eingelegt werden. Sie wurde zum Teil erst nach acht bis neun Monaten verhandelt und „wegen fehlender Grundlage" 127 förmlich abgelehnt; der Verurteilte war hiervon in Kenntnis zu setzen. Parallel zur Abwicklung der Verurteilungen machte man sich im MVD auch schon über die weitere Behandlung der Verurteilten Gedanken. Am 30. November setzte Serov die Lagerverwaltungen davon in Kenntnis, dass entgegen bisheriger Praxis alle verurteilten Kriegsgefangenen - also auch die Verurteilten der Vorjahre - im System der GUPVI und nicht in Lagern des GULag zusammengefasst werden sollten. 128 Bevor aber die Lagerorte für die Verwah-
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(Fischer-Taschenbücher 12633: Die Zeit des Nationalsozialismus), Frankfurt a. M. 1995, S. 2 5 9 - 2 6 1 , hier S. 2 5 9 f . IfA/ H AIT- Archiv. Akte Gerd G. ( If A / HAIT-Archiv, Nr. G 0 3 0 0 7 ) . Vgl. hierzu schon die Ermittlungen der ZRS oder des BMVt mit einer Gesamtbewertung deutscher Stellen vom 14.8.1950 (BA MA, B 2 0 5 / 5 8 2 ) . Zum Ablauf der Prozesse vgl. Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen, S. 22, S. 29f., S. 4 0 und S. 47 f. Vgl. Maurach, Die Kriegsverbrecherprozesse, S. 75ff. und S. 85ff. Vgl. Epifanow/Mayer, Die Tragödie, S. 181-197. So die stereotype Formulierung in den Personal- und Strafakten, die das IfA und das HAIT gesammelt haben (IfA/HAIT-Archiv). Erfolgreiche Kassationsbeschwerden der Verurteilten sind dem Autor nicht bekannt geworden. Verfügung MVD Nr. 7 5 9 vom 30.11.1949 (GARF, f. 9421, op. 1, d. 44, 1. 47), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv.
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rung der als Kriegsverbrecher verurteilten Kriegsgefangenen festgelegt und die kriegsgefangenen GULag-Sträflinge verlegt werden konnten, 1 2 9 waren Profil und Anzahl der Kriegsgefangenen, die tatsächlich in der UdSSR verbleiben mussten, zu bestimmen. Dies zog sich bis zum März 1950 hin. Die Verfahren, deren Zielrichtung und Durchführung von den „Instanzen" vorgegeben worden waren, produzierten eine Zahl von Verurteilten, die die Erwartungen der sowjetischen Führung offensichtlich überstieg. Sie hatte sich zunächst auf das Ziel konzentriert, die „richtigen" Gefangenenkategorien zu isolieren und per Verurteilung zurückzuhalten, ohne diese Gruppen in ihrer straf- und außenpolitischen Bedeutung zu differenzieren. Als sich zum 1. Januar 1950 noch 30 771 verurteilte und unverurteilte Kriegsgefangene in der UdSSR aufhielten, 130 zog Molotov - möglicherweise auf Geheiß Stalins und eventuell aus außenpolitischen oder rein propagandistischen Gründen - die Notbremse: In einem Schreiben Kruglovs vom 6. Januar 1950 an den Stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats, Molotov, und seinen Außenminister Vysinskij ging der Innenminister unter Berufung auf eine erhaltene Anordnung von 15 0 0 0 deutschen Kriegsgefangenen aus, die zum endgültigen Verbleib in der Sowjetunion auszuwählen seien. 131 Kruglov nannte 15 771 mögliche Repatrianten, die er nach den Urteilsbegründungen aussuchte. Gefangene, die wegen so genannter „Alltags-Delikte" wie Diebstahl oder Unterschlagung während der Gefangenschaft oder wegen der bloßen Zugehörigkeit zu SS, SA, Gestapo und anderen Einheiten verurteilt worden waren, schlug der Innenminister zur Entlassung vor. Dazu sollten Unverurteilte stoßen, die wegen ihrer Arbeit auf geheimen Objekten bislang zurückgehalten worden waren. 1 3 2 Dagegen hielt Kruglov die Zurückhaltung von 6 6 9 9 in den Monaten November und Dezember 1949 wegen konkreter Verbrechen und von 8 031 ab 1943 wegen „Gräueltaten" Verurteilter ebenso für geboten wie den weiteren Zwangsaufenthalt der Gefangenen, die wegen „terroristischer Absichten", wegen „Sabotage" im Arbeitseinsatz, wegen Spionage und ähnlicher „konterrevolutionärer" Vergehen des Art. 58 StGB R S F S R vor Gericht gestanden hatten. 1 3 3 Die Vorschläge Kruglovs beruhten nicht nur auf ungenauen Daten, sie liefen in ihrer Pauschalität auch wichtigen Zielen der Verurteilungen zuwider. Zudem hatten sich MGB und Generalstaatsanwaltschaft in der Kürze der Zeit nicht an der Ausarbeitung beteiligt. So wurde dieser erste Versuch in Zusam-
129 Vgl. Hilger, Straflager, in diesem Band. 130 Schreiben Kruglovs vom 6 . 1 . 1 9 5 0 an Molotov/Vysinskij (GARF, f. 9 4 0 1 , Osobaja Papka Molotova, d. 2 7 0 , 1 . 2 - 4 ) . 131 Ebd. 132 Vgl. Abschnitte 6 und 8. 133 Schreiben Kruglovs vom 6 . 1 . 1 9 5 0 an Molotov/Vysinskij (GARF, f. 9 4 0 1 , Osobaja Papka Molotova, d. 2 7 0 , 1 . 2 - 4 ) .
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menarbeit der betroffenen Ministerien sofort ausdifferenziert und den Zielen der sowjetischen Führung besser angepasst. Dafür forderte die Operative Abteilung der GUPVI am 10. Januar zunächst einmal alle unerledigten Straf- und Gerichtsakten an. 1 3 4 Wichtiger war, dass am gleichen Tag an alle M V D / U M V D sowie an alle Leiter der ITL und der Sonderlager des MVD der Befehl des Generalstaatsanwalts und des Innenministers erging, innerhalb von fünf Tagen - hier kam es zu den üblichen Verzögerungen 135 - detaillierte Aufstellungen über die bis zum 1. November 1949 verurteilten Häftlinge einzusenden. 136 Es ging bei allen Angehörigen der deutschen (und der japanischen) Armee „unabhängig von der Nationalität" darum, die genauen Verurteilungsgründe zu erfahren. Nachrichten über Gefangene mit „Alltags- und Militärverbrechen" sowie über nach Art. 58,4 StGB R S F S R Verurteilte waren mit Eilpost an die Operative Verwaltung zu schicken. Damit waren Gruppen hervorgehoben, deren Vergehen im Falle der „Alltags- und Militärverbrechen" nicht als „antisowjetisch" eingestuft worden waren oder, im Falle des Art. 58,4 StGB RSFSR, in sowjetischer Sicht unkonkreter und weniger bedeutsam als andere Vorwürfe waren: „Jegliche Art der Unterstützung der internationalen Bourgeoisie, der die Gleichberechtigung des das kapitalistische System ablösenden kommunistischen Systems nicht anerkennt und seinen Sturz erstrebt, oder der sozialen Gruppen und Organisationen, die unter dem Einfluss dieser Bourgeoisie stehen oder unmittelbar von ihr organisiert sind, bei Ausübung der der Union der S S R feindlichen Tätigkeit", lautete der Tatbestand, der ja schon ab April 1949 zur Anwendung empfohlen und daneben auch für Aktivitäten während der Gefangenschaft verhängt worden war. 137 MGB, MVD und Staatsanwaltschaft warteten das endgültige Ergebnis der Umfrage nicht ab. Auf der Grundlage der Ausführungen Kruglovs vom 6. Januar und der laufend eintreffenden Lagermeldungen erarbeiteten sie in Verbindung mit dem MID und dem MJu neue Vorschläge zur Repatriierung von rund 134 Verfügung MVD Nr. 21ss vom 1 0 . 1 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 16 [Spravka-Zamestitel']), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 135 Verfügung MVD Nr. 53ss vom 2 9 . 1 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 16 [Spravka-Zamestitel']), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 136 Verfügung MVD/Generalstaatsanwalt Nr. 2 2 s s vom 1 0 . 1 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9 4 0 1 , tem.sb. 2 0 5 , t. 16,1. 2 8 f . ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. 137 Verfügung MVD/Militärstaatsanwaltschaft Nr. 1 8 8 / 6 2 s s vom 1 . 4 . 1 9 4 9 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, tem.sb. 2 0 5 , t. 16,1. 8 4 ) , hier zitiert nach der Kopie im IfA/ H AIT- Archiv. Beispiele für die Verurteilungen aufgrund von Art. 5 8 , 4 wegen Taten während der Gefangenschaft sind: Friedrich-Karl von K. Er war am 1 8 . 1 2 . 1 9 4 9 in Karaganda nach Art. 5 8 , 4 zu 2 5 Jahren verurteilt worden, weil er im Lager Material über Antifaschisten gesammelt haben sollte, um es nach der Heimkehr westlichen Behörden zu übergeben. Darüber hinaus habe er den Antifaschisten mit Vergeltung gedroht, Akte Friedrich-Karl v. K. (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. G 0 2 3 0 5 ) . Vgl. die ähnliche Begründung des MVD-Tribunals im Prozess vom 2 7 . 1 0 . 1 9 4 8 gegen Paul E„ der nach Art. 5 4 , 4 StGB USSR (entspricht Art. 5 8 , 4 StGB R S F S R ) verurteilt wurde. Urteil des MVD-Militärtribunals des Dnepropetrovsker Oblast', Akte Paul E. (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. G 0 0 9 9 1 ) .
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17 500 deutschen Kriegsgefangenen, die am 25. Januar 1950 Molotov vorlagen 1 3 8 und in mehreren Redaktionen bis zum Beschluss des Ministerrates vom 17. März nur unwesentlich quantitativ verändert wurden. 1 3 9 Kruglov (MVD), Abakumov (MGB), Vysinskij (MID), Gorsenin (MJu) und Safonov (Staatsanwaltschaft) gingen (in der Fassung vom 2. Februar) 1 4 0 davon aus, dass sich zum 1. Januar 1950 3 1 0 3 5 deutsche Kriegsgefangene, darunter 267 Generäle und 19 ehemalige Angehörige des N K F D / B D O , in der Sowjetunion befunden hatten. Bis 1949 seien insgesamt 10278 Gefangene verurteilt worden, davon 5 126 wegen Alltags- und Militärdelikten. In den Monaten November und Dezember 1949 kamen 13 603 Verurteilte dazu. Gegen 7112 Gefangene lief im Januar noch ein Untersuchungsverfahren. Die Entscheidung, welche Gefangenen zu repatriieren seien, ging zunächst von Art und Schwere der verfolgten Taten aus. Zur Entlassung sollten die 5 1 2 6 Gefangenen kommen, die in den Jahren 1943 bis 1949 wegen „Banditentums", wegen Verbrechen gegen Leben und Gesundheit und aufgrund anderer Alltags- und Militärdelikte verurteilt worden waren und die ihre Haftzeit im GULag überlebt hatten. Von den in den vergangenen zwei Monaten für die bloße Zugehörigkeit zu SS, SA oder anderen Gruppierungen und Organisationen Verurteilten - „in der Hauptsache Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgrade" - schlugen die Minister 7 038 zur Entlassung vor, ebenso 5 293 Gefangene, gegen die aus analogen Gründen Untersuchungsverfahren liefen. Die Zahl der Repatrianten belief sich in diesem Vorschlag auf insgesamt 17499 verurteilte und unverurteilte deutsche Kriegsgefangene. Entlassen werden sollten auch die schon im Dezember erwähnten 23 unverurteilten Generäle, gegen die keinerlei Belastungsmaterial vorlag. Schließlich sahen die Minister die Repatriierung von 19 ehemaligen Mitgliedern des NKFD und des BDO vor, die in die Westzonen entlassen werden wollten; dieses Reiseziel war auch der G r u n d für die bisherige Zurückhaltung. Der vorgeschlagene Restbestand belief sich auf 13 536 Gefangene. Darunter befanden sich 5 152 Gefangene (104 Generäle), die seit 1943 wegen „Gräuelund Gewalttaten", Spionage, Diversion, Sabotage, wegen Terror oder terroristischer Absichten sowie wegen der Mitgliedschaft in „faschistischen Organisationen" in den Gefangenenlagern verurteilt worden waren. 138 Schreiben Kruglovs/Abakumovs/Vysinskijs/Gorsenins/Safonovs ( M V D / M G B / M I D / MJu/Staatsanwaltschaft) vom 2 5 . 1 . 1 9 5 0 an Molotov (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Molotova, d. 270,1. 5 - 7 ) . 139 Schreiben Kruglovs/Abakumovs/Vysinskijs/Gorsenins/Safonovs ( M V D / M G B / M I D / MJu/Staatsanwaltschaft) vom 2 . 2 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Molotova, d. 2 7 0 , 1. 3 5 - 5 3 ) . Ein darauf basierender Entwurf Kruglovs und Vysinskijs für einen Ministerratsbeschluss vom 5 . 3 . 1 9 5 0 an Stalin in dt. Übers, abgedruckt in Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 81 f. Hier wieder unwesentlich andere Gesamtzahlen. 140 Schreiben Kruglovs/Abakumovs/Vysinskijs/Gorsenins/Safonovs ( M V D / M G B / M I D / MJu/Staatsanwaltschaft) vom 2 . 2 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9401, Osobaja Papka Molotova, d. 270,1. 3 5 - 5 3 ) . Hier auch das Folgende.
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Dazu kamen 4 6 8 4 im November und Dezember 1 9 4 9 verurteilte Gefangene, gegen die nach Auffassung der Minister konkretes Material über Verbrechen gegen die Sowjetunion oder die Volksdemokratien sowie - eigens für Angehörige der Aufklärungsorgane - über die Anwerbung von Agenten oder Repressionen gegen die Bevölkerung vorlag. Außerdem, so die Autoren in offener Darlegung justizfremder Motive, war bei 1 7 7 0 Ende 1 9 4 9 ausschließlich wegen ihrer Zugehörigkeit zu S S , SA, Aufklärungs-, Gegenaufklärungs-, Polizei-, Wach- und Justizorganen verurteilten Offizieren und 111 aus den gleichen Gründen verurteilten Berufs- und Stabsoffizieren in Rechnung zu stellen, dass sie, je nach Qualifikation, „als Kader für die deutsche Armee und ihre Aufklärungsorgane, die von den anglo-amerikanischen Besatzungsmächten wieder erneuert werden", 1 4 1 oder, im Falle von 1 5 7 0 weiteren, sich in U-Haft befindlichen Offizieren und 109 Berufs- und Stabsoffizieren, „für verschiedene Formierungen gegen die Sowjetunion benutzt werden können". 137 weitere Generäle verdankten es dem gleichen Ursachenkonglomerat, dass sie über 1 9 5 0 hinaus festgehalten werden sollten: Gegen 5 6 liefen Ermittlungen wegen konkreter Verbrechen, gegen 2 2 wegen ihrer Arbeit in Aufklärungs- und Straforganen. Die Mehrheit, 5 9 , wurde als Reaktionäre und Revanchisten eingestuft, die abgeurteilt werden sollten. Obwohl keine grundsätzlichen Änderungen an diesem Entwurf mehr vorgenommen wurden, dauerte es noch einmal über sechs Wochen, bis die dargestellten Regelungen vom Politbüro abgesegnet wurden. 1 4 2 Ein Grund für die mehrwöchige Verzögerung war das Schicksal von Friedrich Paulus, der wohl auf Forderung des Politbüros respektive Stalins im letzten Verordnungsentwurf vom 5. März 1 9 5 0 - als Unverurteilter! - nicht mehr zur Repatriierung vorgesehen wurde. 1 4 3 Darüber hinaus stand die Sowjetunion aufgrund der gefälschten Zahlenangaben über Lagerinsassen und repatriierte deutsche Kriegsgefangene, die Molotov während der vierten Sitzung des Außenministerrats in Moskau am 14. März 1947 verkündet hatte, 1 4 4 vor dem Problem, der Welt eine Gesamtzahl von 9 4 8 6 3 5 Repatrianten seit März 1947 zu erklären: Das waren immerhin 5 8 103 mehr, als sich nach Angaben Molotovs 1947 in der U d S S R aufhielten. Kruglov und Vysinskij schlugen in ihrem März-Entwurf vor, die Diskrepanz durch „deutsche Kriegsgefangene, die in der Zeit von 1947 bis 1 9 4 9 unter den 141 „vozrozdaf". Vgl. zu diesen Befürchtungen Anm. 174 bis 177. 142 Die wesentlichen Teile in dt. Übers, abgedruckt in Resin, Der Moskauer Prozeß. In: Ueberschär (Hg.), Das Nationalkomitee „Freies Deutschland", S. 2 5 9 - 2 6 1 . 143 GARF, f. 9 4 0 1 , Osobaja Papka Molotova, d. 2 7 0 , 1. 4 2 ff. Dazu das Schreiben Nr. 9 2 6 / k vom 5 . 3 . 1 9 5 0 an Stalin, abgedruckt in Konasov, Sud'by, S. 2 3 0 f . Dafür war nun das kriegsgefangene Bedienungspersonal des Lagers Nr. 6 9 (Frankfurt/Oder) zur Entlassung vorgesehen. 144 Hierzu Konasov, Sud'by, S. 1 4 4 - 1 4 8 . Statt der von der GUPVI genannten 9 8 8 2 8 7 Deutschen, die sich in ihrem Verantwortungsbereich befanden und der 7 8 5 9 7 5 repatriierten Deutschen gab Molotov 8 9 0 5 3 2 (in der UdSSR) und 1 0 0 3 9 7 4 (Repatriierte) an.
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Kriegsgefangenen anderer Nationalitäten entdeckt wurden", zu erklären 145 dieser Vorschlag fand Gefallen. Das Politbüro billigte am 17. März 1950 „die vom Außenministerium und Innenministerium der UdSSR vorgelegten Beschlussentwürfe des Ministerrates der Union der SSR über die deutschen und japanischen Kriegsgefangenen sowie die Entwürfe der TASS-Mitteilungen über die Beendigung der Repatriierung der deutschen und japanischen Kriegsgefangenen". 1 4 6 Noch am gleichen Tag setzte der Ministerrat diese Entscheidung mit seinem Beschluss Nr. 1108-396ss um: 147 17 752 Kriegsgefangene der Wehrmacht wurden, aufgeschlüsselt nach den Vorgaben der schon zitierten Entwürfe, nach Deutschland entlassen. Die 22 unbelasteten Generäle und die 19 Mitglieder des N K F D / B D O waren namentlich verzeichnet. Das MVD wollte bis Mai 1950 die Rücktransporte durchführen. 1 4 8 Der entsprechende Ausführungsbefehl des MVD vom 22. März 1950 149 folgte den Organisationsgrundsätzen, die Kobulov im Einvernehmen mit dem Innenminister Kruglov und seinem Stellvertreter Serov schon am 8. Februar entwickelt hatte. 150 Die Auswahl der wegen der Alltags- und Militärdelikte verurteilten Repatrianten oblag Offizieren und Stabsoffizieren der operativen Verwaltung der GUPVI. Für alle verurteilten Repatrianten änderte sich der terminus technicus ihrer Heimschaffung: Die Haftstrafen wurden in jedem Einzelfall per Beschluss des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR durch eine Ausweisung „ersetzt". 151 „Zwecks der Ausgestaltung der Ausweisung" 152 erhielt das Militärkollegium nach der Auswahl der Repatrianten eine Personenliste mitsamt der jeweiligen Urteile. Auf gleiche Weise bereiteten die Gerichts- und Verwaltungsorgane die Ausweisung der 7 038 im November und Dezember 1949 wegen „formaler Kennzeichen" Verurteilten vor. Als Grundlage dienten 145 146 147 148
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Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 8 0 - 8 2 . Resin, Der Moskauer Prozeß, S. 2 5 9 . Ebd., S. 2 5 9 f . Befehl MVD Nr. 00201 vom 2 2 . 3 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9401, op. la, d. 340, 1. 1 7 0 - 1 8 2 ) . Dieser Vorgang liegt wohl auch der Mitteilung Semenovs gegenüber Otto Dibelius vom Frühjahr 1950 zugrunde, nach der bis Juli ein ,,große[r] Teil der verurteilten Gefangenen amnestier[t] und nach Hause [ge]schick[t]" würde. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 95. Befehl MVD Nr. 0 0 2 0 1 vom 2 2 . 3 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9401, op. la, d. 340,1. 1 7 0 - 1 8 2 ) . Plan der grundsätzlichen Maßnahmen zur Erfüllung der Regierungsentscheidung über die Repatriierung deutscher Kriegsgefangener und über die Konzentration verurteilter Kriegsverbrecher in besonderen Lagern des MVD (RGVA, f. lp, op. 21a, d. 4,1. 2 6 - 3 1 ) , abgedruckt u. a. in Konasov, Sud'by, S. 2 2 5 - 2 3 0 , und in (ausreichender) dt. Übers, bei Peter/Epifanov, Stalins Kriegsgefangene, S. 3 1 2 - 3 1 9 . Die Vorlage Kobulovs mit dem Einverständnis Serovs datiert vom 8.2., die Bestätigung durch Kruglov vom 9 . 2 . 1 9 5 0 . So die entsprechenden Formulierungen in den Akten, die in Kopie im IfA/HAlT archiviert sind. Vgl. auch Art. 2 0 und 35f. StGB RSFSR. In: Strafgesetzbuch der RSFSR, S. 5 f. und S. 9. 1950 war nie die Rede von Entlassungen „zur weiteren Verbüßung ihrer Strafen", wie Ueberschär, Die sowjetischen Prozesse, S. 2 4 9 annimmt. Wie Anm. 150. Hier auch das Folgende.
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hier die Beschlüsse einer interministeriellen Kommission aus MVD, MGB, MJu, MID und Staatsanwaltschaft, der Ministerien also, die im Januar und Februar den Repatriierungsplan vorgelegt hatten. Bei 5 2 9 3 Gefangenen schließlich war vor der Ausweisung nur ein Ermittlungsverfahren niederzuschlagen. Wie bei den vorhergehenden Repatriierungen, so wurden auch 1950 die Gefangenen vor der Abfahrt penibel durchsucht, „Dokumente und Aufzeichnungen, die geheime Mitteilungen enthalten und die gegen die UdSSR benutzt werden können", wurden konfisziert. Eine genaue Überprüfung der Waggons zielte nicht nur auf Missstände des Transportwesens, sondern auch auf „Personen, die nicht der Repatriierung unterliegen". Die Wagen waren „mit den Kräften und den Mitteln der Verwaltungen MVD für Kriegsgefangene", das heißt mit der Arbeitskraft der Repatrianten, für den Menschentransport herzurichten. Im Grenzbahnhof Brest wurden die Gefangenen noch einmal „gefilzt". Nur persönliche Gegenstände und Dokumente durften nach Deutschland ausgeführt werden. Eine sanitäre Abschlussbehandlung, saisongemäße Kleidung, ausreichende Verpflegung und die medizinische Versorgung während der Transporte sollte die Heimkehr gesunder Gefangener sicherstellen. Für die Generalität standen Passagierzüge bereit. Alle Transporte standen unter der Aufsicht ausgewählter Lageroffiziere. Die Akten der 1 6 7 9 Untersuchungsgefangenen, deren Verurteilung die oben genannte interministerielle Kommission beschlossen hatte, wurden mit dem „Vorschlag" an die entsprechenden M V D / U M V D übergeben, innerhalb eines Monats die Untersuchung abzuschließen und die Fälle an Militärtribunale zu überweisen. 153 Die Verurteilung von 137 Generälen - 18 befanden sich im Verantwortungsbereich des MGB - hatte an den Orten ihrer mutmaßlichen Verbrechen stattzufinden. Die abschließende Bearbeitung der Fälle „revanchistischer" Generäle übernahmen die operativen Offiziere der Verwaltung Nr. 27 in Krasnogorsk. Die Verfahren gegen die Generalität mussten ebenfalls binnen Monatsfrist abgeschlossen werden. Obwohl das MVD am 2 3 . März die beschleunigte Abwicklung der letzten Verurteilungen anmahnte, 1 5 4 zog sich die Aburteilung der Generäle bis zum
153 Der Zeitdruck wurde aktenkundig: Das MVD-Tribunal des Kiever Militärbezirkes gab am 8 . 4 . 1 9 5 0 einem Protest der Staatsanwaltschaft statt. Der richtete sich gegen den Wunsch des untergeordneten Tribunals, gezielte Nachuntersuchungen anzustellen. Die Kiever Richter machten noch einmal explizit deutlich, dass es sich in den Prozessen weniger um Wahrheitsfindung, als um die Erfüllung politischer Vorgaben handelte: „Die Forderung des [erstinstanzlichen, Anm. d. Verf.] Tribunals, festzustellen, seit wann die Division .Großdeutschland' eine SS-Division war, lässt sich nicht erfüllen, da die Ermittlungsbehörden über keine derartigen Angaben verfügen. Ebenso haben die Behörden keine Angaben, welche Gräueltaten von dem Angeklagten S. verübt wurden." Beschluss des Militärgerichts des Kiever Militärbezirks vom 8 . 4 . 1 9 5 0 , Akte Wilhelm S. (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. 0 6 0 0 3 ) . 154 Verfügung MVD Nr. 213ss vom 2 3 . 3 . 1 9 5 0 (GARF, f. 9 4 2 1 , op. 1, d. 4 6 , 1 . 164), hier zitiert nach der Kopie im IfA/HAIT-Archiv. Vgl. Petrov, Deutsche Kriegsgefangene, S. 2 0 9 .
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2 5 . August hin. Sie erreichte erst im Juni mit 5 8 von 108 Verurteilungen des Jahres 1950 ihren Höhepunkt; 1 5 5 zwei Generäle verstarben vor ihrer Verurteilung. Generäle, die sich im Verantwortungsbereich des M G B befanden, wurden sogar erst nach dem Sturz des Ministers für Staatssicherheit, Abakumov, im Juli 1951 in den Jahren 1951 und 1952 von Militärtribunalen oder dem Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR abgeurteilt. 1 5 6 Nach Meinung des Stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit, Pitovranov, vom 5. August 1951 handelte es sich auch bei diesen Gefangenen um „Kriegsverbrecher und hochrangige Geheimdienstleute und Angehörige von Straforganen". 1 5 7 Die bekanntesten Fälle sind die Feldmarschälle Kleist und Schörner, der General der Artillerie und Kampfkommandant von Berlin, Weidling, die allesamt als „Kriegsverbrecher" eingestuft wurden, sowie Generalleutnant Bentivegni, der als „leitender Mitarbeiter deutscher Geheimdienstorgane" verurteilt wurde. 1 5 8 Im Gegensatz zu den Verurteilungen wurden die vorgesehenen Entlassungen tatsächlich bis zum Mai 1950 abgeschlossen. Die entsprechende TASSMeldung nannte am 4. Mai 1950 insgesamt noch 13 5 3 2 Kriegsgefangene, die als Verurteilte oder Untersuchungshäftlinge in der UdSSR verblieben waren. 1 5 9 An dieser Meldung war schon die Zusammensetzung falsch: Statt 9 717 hatten schon 11717 Gefangene das Gerichtsverfahren hinter sich, und statt 3 815 standen nur noch 1815 Gefangene in einem Untersuchungsverfahren - die geschönten Zahlen mochten die Massenabfertigungen der Vormonate kaschieren. 1 6 0 Davon unabhängig war die tatsächliche Gesamtzahl derer, die in der UdSSR verbleiben mussten, höher, als es TASS meldete. Die monatlichen Belegungsstatistiken der GUPVI für die Jahre ab 1950 zeigen, dass die vor 1949 verurteilten Gefangenen nur unvollständig in der Pressemeldung erfasst 155 Bezborodova, Generäle des Dritten Reiches, S. 2 2 , zur Gesamtzahl 1 9 5 0 , zu Juni eigene Zählung anhand der ebd., S. 26ff., abgedruckten Personalangaben. 156 Dazu ausführlich Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 8 6 - 9 8 , auf der Basis von Akten des FSB-Archivs. Vgl. auch ders., Verurteilungen deutscher und österreichischer Kriegsverbrecher in der Sowjetunion 1 9 4 3 - 1 9 5 2 . In: Stefan Karner/Gerald Schöpfer (Hg.), Der Krieg gegen die Sowjetunion (Unserer Zeit Geschichte 4 ) , Graz 1998, S. 7 2 f . Einzelinformationen bei Viktor B. Konasov, Sudebnoe presledovanie nemeckich voennoplennych ν SSSR. Vnesnepoliticeskij aspekt problemy, Moskau 1 9 9 8 , S. 6 7 - 7 0 . 157 Schreiben an Molotov/Malenkov/Berija. Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 9 0 . 158 Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 104, dazu die entsprechenden Einträge in Bezborodova, Generäle des Dritten Reiches. Zu Weidling vgl. auch Konasov, Sud*by, S. 2 8 5 ff., zu Kleist und Schörner die offizielle sowjetische Lesart in Sergej Mireckij: Prestupniki ν fel'dmarsal'skich mundirach. In: Neotvratimoe vozmezdie. Po materialam sudebnych processov nad izmennikami Rodiny, fasistskimi palacami i agentami imperialisticeskich razvedok. Hg. von Nikolaj F. Cistjakov u . a . , Moskau 1973, S. 2 5 3 - 2 7 0 . Als Urteilsgrundlage diente in diesen späten Verurteilungen sogar das Gesetz Nr. 10 des Alliierten Kontrollrats vom 2 0 . 1 2 . 1 9 4 5 ! 159 Die 14 krankheitsbedingt Zurückgehaltenen waren zu repatriieren und sind hier nicht gezählt. 160 Auch hier liegen in den unterschiedlichen Quellen wieder Zahlen vor, die nie vollständig in Deckung zu bringen sind, ohne dass sich an den Relationen etwas verändern würde. Vgl. zu den falschen Angaben auch Petrov, Deutsche Kriegsgefangene, S. 211 f.
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waren: Die - nie ganz genauen - Angaben sprechen für Oktober 1 9 5 0 von 18 4 7 5 D e u t s c h e n , für F e b r u a r 1951 immerhin noch von 15 4 0 4 . 1 6 1 Aufstellungen von S o m m e r 1 9 5 2 geben schließlich 1 4 1 9 4 verurteilte deutsche Kriegsgefangene an. 1 6 2 Die Gründe für diese Diskrepanzen waren buchhalterischer und archivalischer Natur: Noch nach Juli 1 9 4 9 waren verurteilte Kriegsgefangene entgegen den ursprünglichen Bestimmungen in 4 0 ITL und 4 2 OITKU I T L K verstreut untergebracht. Außerdem wurden im Mai 1 9 5 0 Gefangene im Verantwortungsbereich des M G B ebenso wenig mitgezählt wie Verurteilte, die fälschlicherweise nicht als Kriegsgefangene klassifiziert worden waren. 1 6 3 1953 schließlich musste eine interministerielle Kommission feststellen, dass im Fall von 6 5 5 inhaftierten Ausländern „Schwierigkeiten bei der Suche nach den Gerichtsakten" bestanden. 1 6 4 Darüber hinaus verschwieg T A S S , dass deutsche unverurteilte Kriegsgefangene aus den unterschiedlichsten Gründen zurückgehalten wurden: Hierzu zählten eine ungeklärte Staatszugehörigkeit, laufende Untersuchungsverfahren, die doch nicht in Verurteilungen mündeten, 1 6 5 sowie der Arbeitseinsatz in Projekten, die für die Staatssicherheit relevant w a r e n ; 1 6 6 auch die Anzahl der transportunfähigen Kranken überschritt wohl die angegebenen vierzehn. 1 6 7 Die Zahl unverurteilter Kriegsgefangener mit deutscher Staatsbürgerschaft betrug - im Verantwortungsbereich des M V D - zum 3 0 . März 1 9 5 2 immerhin noch 751, darunter ein General (Paulus), 5 6 Offiziere und 6 9 4 Mannschaftsund Unteroffiziersdienstgrade. 1 6 8 An dieser Stelle lässt sich ein Resümee der Massenverurteilungen von 1 9 4 9 und 1 9 5 0 ziehen. 161 Monatsaufstellungen in RGVA, f. lp, op. Ole, d. 91, 9 2 , d. 97. Die IfA/HAIT-Datenbank hat 15 139 Repatrianten seit dem 1.1.1951 erfasst (IfA/HAIT-Archiv). 162 Aufstellung des Oberstleutnant Denisov, Leiter der I. Verwaltung, zum 3 0 . 3 . 1 9 5 2 (RGVA, f. lp, op. Ole, d. 9 8 , 1 . 2 6 ) . 1 4 1 8 5 Gefangene - darunter 2 0 4 Generäle und 5 4 7 2 Offiziere - nach einer Aufstellung zum 1 . 6 . 1 9 5 2 (RGVA, f. lp, op. Ole, d. 9 8 , 1. 60f.). 163 Bericht des Oberstleutnant Denisov vom 1 . 4 . 1 9 5 2 . Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 8 4 f . 164 Schreiben G o r s e n i n s / S a f o n o v s / K r u g l o v s / P u s k i n s / F e d o t o v s vom 2 0 . 5 . 1 9 5 3 an Malenkov, zitiert nach dem Abdruck in Konasov, Sud'by, S. 241 f., hier S. 2 4 2 . Generell ging es um die vorzeitige Repatriierung Verurteilter. Vgl. dazu Abschnitt 7. 165 Diese beiden Begründungen in Befehl MVD Nr. 0 0 3 8 7 vom 7 . 4 . 1 9 5 2 (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 4 4 7 , 1 . 164ff.). 166 Leiter der Gefängnisverwaltung MVD, M. Kuznecov, am 2 1 . 8 . 1 9 5 3 . Konasov, Sud'by, S. 2 4 3 . Vgl. auch Resin, Feldmarschall, S. 2 7 5 , S. 2 9 2 und S. 3 0 3 , über zwei Unverurteilte, die als Bedienstete Paulus' noch 1 9 5 3 in der Sowjetunion waren. 167 Zwölf dieser im Mai 1 9 5 0 angeführten Gefangenen wurden bis 1 9 5 2 entlassen. Konasov, Sud'by, S. 167. Der Befehl MVD Nr. 0 0 3 8 7 vom 7 . 4 . 1 9 5 2 nennt aber ebenfalls noch krankheitsbedingte vorläufige Zurückhaltungen (GARF, f. 9 4 0 1 , op. 12, d. 4 4 7 , 1. 164 ff.). 168 Aufstellung des Stellvertretenden Leiters der I. Verwaltung, Oberstleutnant Denisov, vom 3 0 . 3 . 1 9 5 2 (RGVA, f. lp, op. Ole, d. 9 8 , 1. 2 6 ) . Insgesamt waren noch 14 9 4 5 Kriegsgefangene und 1 4 5 9 Internierte ( 9 2 6 verurteilt) in der UdSSR. Vgl. Zagorul'ko (Hg.), Voennoplennye ν SSSR, S. 5 8 .
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Der monatelange und ständig intensivierte Druck, der von der politischen Führung auf die Ermittlungs- und Gerichtsorgane ausgeübt wurde, erbrachte direkte Resultate: Für den Zeitraum vom 1. November 1949 bis zum 31. August 1950 verzeichnet die IfA/HAIT-Datenbank insgesamt 16 587 Verurteilungen. Das sind 53 Prozent (!) aller derzeit aktenmäßig belegbaren Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener überhaupt und 48,8 Prozent der angenommenen Gesamtzahl von 3 4 0 0 0 Verurteilungen insgesamt. 13 910 Urteile wurden aufgrund des „Ukaz 43" gefällt. 2 508 Richter zogen Art. 58 StGB RSFSR heran, davon allein 1044 Art. 58,6 StGB RSFSR. Bedenkt man die eingangs zitierten operativen Maßnahmen der Vorjahre, so wird deutlich, dass die Massenverurteilungen den Abschluss einer langjährigen sowjetischen Strafpolitik gegen deutsche Kriegsgefangene darstellen. 169 Es ging der UdSSR hierbei auch um die Sühne der vielfachen Gewalttaten, die in den Zeiten von Krieg und Besatzung unter anderem von der Wehrmacht an sowjetischen Staats- oder Armeeangehörigen begangen worden waren. 1 7 0 So schlug Kobulov noch im März 1950 - erfolglos - vor, gegen „Organisatoren und aktive Vollstrecker" besonders schwerer Verbrechen die Todesstrafe zu verhängen. 171 Hierzu zählte er die Massenvernichtung von Zivilisten und die Ermordung von Kriegsgefangenen, Verbrechen also, die in der mittlerweile umfangreichen historischen Literatur vielfach belegt sind. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Verfahren gegen vermeintliche oder tatsächliche ( K r i e g s v e r b r e c h e r , die ab 1943 öffentlich oder geheim geführt wurden, und den Massenverurteilungen seit November 1949 lag darin, dass Ende 1949 ein großer Teil der Gefangenen aufgrund ihrer bloßen Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen, Einheiten oder Dienststellen auf der Basis extensiv ausgelegter sowjetischer Normen verurteilt wurden, während bei den früheren Prozessen noch konkretes Belastungsmaterial von unterschiedlicher, mitunter möglicherweise größerer Stichhaltigkeit vorgelegt wurde. 1 7 2 169 Vgl. auch Epifanov, Strafverfolgung, S. 120f. und S. 123. 170 Zum Forschungsstand vgl. die Bibliographien in Rolf-Dieter Müller/Gerd R. Ueberschär (Hg.), Hitler's War in the East, 1 9 4 1 - 1 9 4 5 . A Critical Assessment, Oxford 1997, S. 2 5 3 ff., S. 315ff.; Martin Lang: Stalins Strafjustiz gegen deutsche Soldaten. Die Massenprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in den Jahren 1949 und 1950 in historischer Sicht, Herford 1981, S. 122 f., lässt mit seiner Einstufung aller Verurteilungen als „Vergeltung" die gesamte Vorgeschichte der Prozesse und der Gefangenschaft außer Betracht. 171 Entwurf vom 2 3 . 3 . 1 9 5 0 aus dem Sekretariat des MVD und von Kobulov, ohne Unterschrift (RGVA, f. lp, op. 21a, d. 4,1. 32). Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 62. Vgl. Hilger, Straflager, in diesem Band. 172 Vgl. Epifanov, Strafverfolgung, S. 128 f. Vgl. z. B. die Verurteilung von Friedrich Jeckeln als „Kriegsverbrecher" in Riga. Zur Verurteilung von Generalleutnant Bernhard, Korück 532, 1945 vgl. Theo J. Schulte, The German Army and Nazi Policies in Occupied Russia, Oxford 1989, S. 39, dazu ebd., S. 125 ff., S. 172 ff.; Manfred Messerschmidt, Der Minsker Prozeß 1946. Gedanken zu einem sowjetischen Kriegsverbrechertribunal. In: Klaus Naumann/Hannes Heer (Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1 9 4 1 - 1 9 4 4 , 2. Auflage Hamburg 1995, S. 5 5 1 - 5 6 8 , S. 5 6 6 f . , und Ueberschär, Die sowjetischen Prozesse, S. 2 4 8 f . , übersehen in ihrer strikten
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Nach welchen Paragraphen und auf welches Strafmaß hin angeklagt werden sollte, das hatten MVD, MJu und Staatsanwaltschaft indes beispielsweise auch schon im November 1947 vorgegeben. 1 7 3 Der zweite wichtige Unterschied ist die zunehmende Bedeutung außen- und vor allem sicherheitspolitischer Erwägungen für die eigentliche Urteilsfindung: Explizit verwiesen die Ministerien 1950 auf die generelle Unzulässigkeit, mögliche Kader neuer westdeutscher militärischer Formationen jedweder Art zu entlassen: Diese Vorstellungen speisten sich unabhängig vom unklaren Kenntnisstand über westliche Planspiele oder Überlegungen vor allem aus dem Stalinschen Bedrohungsgefühl: „the training and preparation of German soldiers and officers is already taking place on the territory of Western Germany [...]. Preference is given to men who formerly served in the SS troops, parachute or tank units, and also former servicemen decorated in the Hitlerite army and possessing references that they were .exemplary soldiers'", 174 meldete beispielsweise die Pravda vom 12. Januar 1949. Es bedurfte angesichts verschiedener westlicher öffentlicher Äußerungen, langjähriger sowjetischer Verdächtigungen über den Zusammenhalt westdeutscher Kerntruppen innerhalb der Kriegsgefangenenheere in britischem Gewahrsam, 1 7 5 des eskalierenden Kalten Krieges und nur fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg allerdings keiner besonderen Phantasie Stalins, um mit der Möglichkeit der Wiederverwendung deutscher Militärs oder Truppenteile durch die ehemaligen Verbündeten zu rechnen. 1 7 6 Darüber hinaus wusste Stalin aus eigener
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Gegenüberstellung des Minsker Prozesses mit den Massenverurteilungen von 1949/1950 die zahlreichen nichtöffentlichen Verfahren seit 1943 ebenso wie die stringenten Argumentationslinien der operativen und politischen Stellen. Verfügung MVD/MJu/Staatsanwaltschaft vom 24.11.1947 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 203). Vgl. zu den Festlegungen für die Schauprozesse insgesamt Hilger/Petrov/Wagenlehner, „Ukaz 43", in diesem Band. Pravda vom 12.1.1949, hier zitiert nach Caroline Kennedy-Pipe, Stalin's Cold War. Soviet Strategies in Europe 1943 to 1956, Manchester 1995, S. 129. Die Nähe einiger hier angesprochener Auswahlkategorien zu den entsprechenden Verurteilungskriterien 1949/1950 spricht für sich. Vgl. zur sowjetischen Perzeption weiterhin Kennedy-Pipe, Stalin's, S. 130-132, S. 143 und S. 145 f. Vgl. Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 268f. mit Anm. 1677-1684. Vgl. Georgij Schukow, Erinnerungen und Gedanken, Stuttgart 1969, S. 636, S. 643f., S. 656-658. Vgl. die Angaben in Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 268f. mit Anm. 1680. Ein ähnlich ausgeprägtes Sicherheitsdenken formulierte Abakumov schon im August 1948, als er gegen die Repatriierung von 7 000 Österreichern opponierte: „Aufgrund der Tatsache, dass die österreichische Regierung diese Heimkehrer aktiv zur Propagierung antisowjetischer Ziele sowie als Organisatoren und Anführer einer illegalen faschistischen Bewegung einsetzen würde, deren Aktivitäten sich in erster Linie gegen die sowjetischen Besatzungstruppen in Österreich richteten, hält es das MGB der UdSSR für zielführend, die Repatriierung der sich noch in der UdSSR befindlichen Kriegsgefangenen und der internierten österreichischen Staatsbürger vorübergehend einzustellen." Petrov, Deutsche Kriegsgefangene, S. 204. Dazu mögen sowjetischen Stellen Erkenntnisse über die Remilitarisierung Westösterreichs vorgelegen haben. Vgl. Günter Bischof, Austria in the First Cold War, 1945-55. The Leverage of the Weak (Cold War History Series), London 1999, S. 116-123.
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Erfahrung, dass deutsche Wehrmachtsangehörige auch für neudeutsche bewaffnete Kräfte gewonnen werden konnten: Schon 1948 hatte die UdSSR gut 5 0 0 0 deutsche Kriegsgefangene als Kader der kasernierten ostdeutschen Polizeibereitschaften vorzeitig nach Hause geschickt. 177 So dienten die Verurteilungen ursprünglich nicht unmittelbar dazu, der UdSSR ein diplomatisches „Faustpfand" zu beschaffen. Diese Interpretation hat ausschließlich die Moskauer Verhandlungen von September 1955 im Auge. 1 7 8 Die Massenentlassungen der Jahre 1953 und 1955 waren, wie im Folgenden gezeigt wird, in dieser Form erst nach dem Tod Stalins möglich. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich unter den bis zum Oktober 1951 verurteilten Kriegsgefangenen rund drei Prozent rumänische und rund zwei Prozent ungarische Armeeangehörige befanden, 1 7 9 deren Schicksal kaum mit diplomatischen Erwägungen zu erklären ist. Auch müssen alle Deutungen fehlschlagen, die im Arbeitskräftebedarf der Sowjetunion das Hauptmotiv für die Verurteilungen suchen. Das Alters- und Sozialprofil der Verurteilten, vor allem aber ihre vergleichsweise sehr geringe Zahl sprechen eindeutig dagegen. 1 8 0 In der gerichtlichen Verfolgung deutscher Kriegsgefangener hatten strafrechtliche Überlegungen trotz des steigenden Einflusses sicherheitspolitischer Erwägungen bis zu den Massenverurteilungen eine wichtige Rolle gespielt. In der Frage der Entlassungen verurteilter (aber auch unverurteilter) deutscher - wie übrigens auch japanischer 1 8 1 - Kriegsgefangener lässt sich für die letzten Lebensjahre Stalins eine grundsätzliche Stagnation feststellen. Der Stillstand wurde erst nach März 1953 überwunden, wobei die früheren strafrechtlichen Motivationen kaum mehr von Bedeutung waren. Zunächst Berija, dann Chruscev passten die Repatriierungspolitik in ihre politischen Ziele ein. Schlusspunkt dieser Entwicklung waren die Abmachungen der UdSSR mit Konrad Adenauer im September 1955.
177 Vgl. hierzu Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 2 3 7 - 2 4 2 . 178 Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 4 6 f. resümiert im Grunde den alten Forschungsstand, der ohne Kenntnis sowjetischer Interna erarbeitet wurde, und muss damit zu kurz greifen. 179 Stefan Karner: Im Archipel GUPVI. Kriegsgefangenschaft und Internierung in der Sowjetunion 1 9 4 1 - 1 9 5 6 (Kriegsfolgen-Forschung 1), München 1 9 9 5 , S. 175. 180 So auch Sistema ispravitel'no-trudovych lagerej ν SSSR. 1 9 2 3 - 1 9 6 0 . Spravocnik, Moskau 1 9 9 8 , S. 53, und Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 4 6 f. Nicht nachvollziehbar die Überlegungen Ueberschärs, Die sowjetischen Prozesse, S. 2 4 8 , der schon die Schauprozesse 1947 als Mittel zur Zurückhaltung deutscher Gefangener im Rahmen umfangreicher Repatriierungen missversteht. 181 Karpov, Plenniki, S. 2 7 3 - 2 7 6 .
250 6.
Andreas
Hilger
D i e Repatriierungen 1 9 5 0 bis 1 9 5 3 : D i e Phase der Stagnation182
O b w o h l die R e p a t r i i e r u n g e n i m Mai 1 9 5 0 offiziell b e e n d e t w a r e n , w u r d e n ab 1 9 5 0 i m m e r w i e d e r e i n z e l n e G e f a n g e n e n a c h D e u t s c h l a n d e n t l a s s e n . 1 8 3 In dies e n Fällen griffen E i n z e l f a l l e n t s c h e i d u n g e n d e s Ministerrats, d e n e n politische U n b e d e n k l i c h k e i t s b e s c h e i n i g u n g e n , n a c h t r ä g l i c h e Status- u n d Staatsbürg e r s c h a f t s ä n d e r u n g e n o d e r kurzfristige P r o p a g a n d a z i e l e z u g r u n d e l a g e n . 1 8 4 E b e n s o w u r d e n bis Januar 1 9 5 2 11 der i m Mai 1 9 5 0 g e n a n n t e n 14 G e f a n g e n e n repatriiert, die aus g e s u n d h e i t l i c h e n G r ü n d e n vorerst in s o w j e t i s c h e n L a g e r n g e b l i e b e n w a r e n . 1 8 5 D a s E n d e der Strafzeit - relevant nur für G e f a n g e n e , die vor 1 9 4 9 verurteilt w u r d e n - brachte k e i n e s w e g s die sofortige Entlassung n a c h D e u t s c h l a n d mit sich: N a c h d e n alten R e g e l u n g e n w a r e n derartige Fälle in K r i e g s g e f a n g e n e n l a g e r z u ü b e r s t e l l e n , 1 8 6 u n d n a c h 1 9 5 0 k o n n t e der E i n s p r u c h der o p e r a t i v e n O r g a n e o d e r der ersten H a u p t v e r w a l t u n g b e i m Ministerrat der S o w j e t u n i o n die w e i t e r e G e f a n g e n s c h a f t b e g r ü n d e n . 1 8 7 D i e Generallinie der S o w j e t u n i o n blieb v o n d e n f a l l w e i s e n R e p a t r i i e r u n g e n u n b e r ü h r t . 1 8 8 A u c h die s o w j e t i s c h e N o t e v o m 10. M ä r z 1 9 5 2 sah vor, dass ehe182 Die Ausführungen zu den Repatriierungen nach 1950 sind eine überarbeitete und wesentlich erweiterte Fassung von Hilger, Deutsche Kriegsgefangene, S. 353-367. 183 Vgl. hierzu schon die monatlichen Aufstellungen der WK in Werner Ratza, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Arbeit (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges IV), München 1973, S. 226. Die - für die Frage der Repatriierungen allerdings lückenhafte - IfA/HAIT-Datenbank verzeichnet für 1951 nur 51 Entlassungen (IfA/HAIT-Archiv). 184 Das Ursachenkonglomerat ergibt sich - teilweise ex negativo - aus den Repatriierungsbeschlüssen der fahre 1950 bis 1953. Vgl. hier auch Konasov, Sud'by, S. 160, und Otto Boss, Die deutschen Kriegsgefangenen in Polen und der Tschechoslowakei (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges IX), München 1974, S. 323. Vgl. Konasov, Sud'by, S. 235, zur Entlassung von Polendeutschen in die DDR im April 1951 und S. 167 zu Repatriierungen im April 1952. Zur Entlassung Schörners Anfang 1955 vgl. Anm. 249f. 185 Note MID an die USA vom 20.1.1952 in der Pravda vom 25.1.1952, hier zitiert nach Konasov, Sud'by, S. 235f. Konasov, Sud'by, S. 167, nennt 12 Repatriierte dieser Gruppe. 186 Verfügung MVD Nr. 771 vom 4.12.1947 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 256). Vgl. Beispiele bei Kurt Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, 3 Bände (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges V / l - 3 ) , München 1965, Band V/2, S. 292, und ebd., Band V / 3 , S. 39f. 187 Fälle gesammelt in RGVA, f. lp, op. 27e, d. 8, mit Rückstellungen aufgrund neuen „kompromats" 1952: Die Vorwürfe drehen sich um antisowjetische Einstellungen, die soziale Stellung oder verwandtschaftliche Beziehungen und den bisherigen Arbeitseinsatz. Ausschließlich den brisanten Arbeitseinsatz (in der Atomindustrie) hatte die Erste Hauptverwaltung beim SovMin im Blick (RGVA, f. lp, op. 27e, d. 9). Zur Repatriierung von einigen Ungarn, Rumänen und Polen nach Ablauf der Straffrist oder nach Genesung vgl. den Befehl MVD Nr. 00572 vom 4.8.1952 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 450,1.3). 188 Vgl. die Note des MID an die USA vom 20.1.1952 in der Pravda vom 25.1.1952, hier zitiert nach Konasov, Sud'by, S. 235f. Eine am 30.9.1950 veröffentlichte sowjetische Note an Großbritannien, Frankreich und die USA hatte ebenfalls auf die TASS-Meldung von Mai 1950 verwiesen. Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 84. Vgl. auch Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 80 f.
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malige Wehrmachtsangehörige, „die nach Gerichtsurteil eine Strafe für von ihnen begangene Verbrechen verbüßen", von den allgemeinen Rechten ausgeschlossen blieben. 189 Ob eine Rückschaffung der verurteilten Kriegsgefangenen nach Deutschland in diesem Zusammenhang möglicherweise verhandelbar war, muss noch offen bleiben, ist aber unwahrscheinlich: Selbst die Entlassungsaktionen in diesem Zeitraum standen in keinem direkten Bezug zu den sowjetischen deutschlandpolitischen Vorschlägen, sondern waren das Ergebnis langwieriger Diskussionen im Staatsapparat seit 1951 und wurden nur als - leise propagandistische Begleitmusik genutzt. 190 Im Juni 1951 hatte A. Kobulov als kommissarischer Leiter der UPVI191 das MVD darüber informiert, dass die Straffristen einiger verurteilter Kriegsgefangener und Internierter entweder abgelaufen waren oder in nächster Zukunft ablaufen würden. Daneben verwies er auf unverurteilte Kriegsgefangene, die sich immer noch in den Lagern des MVD befanden. Kobulov schlug - wieder einmal - die Gründung einer interministeriellen Kommission aus Vertretern des MVD, MGB, MID und der Staatsanwaltschaft der UdSSR vor, die über die Repatriierung dieser Gruppen befinden sollte. Das MID unterstützte den Vorschlag, der Molotov in seiner Eigenschaft als Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats vorgelegt werden sollte. Es blieb Ulbricht vorbehalten, auf bilateraler Ebene Einspruch gegen die im weiteren Verlauf geplante Repatriierung von 637 deutschen Bürgern (Kriegsgefangene und Internierte) zu erheben: Er forderte in einer Besprechung mit dem Politischen Berater der SKK, Semenov, „sozial gefährliche Personen, die von den Amerikanern zur Komplettierung einer westdeutschen Armee benutzt werden können", nicht zu repatriieren. 192 Der Einspruch blieb nicht ohne negative Folgen: Im Februar 1952 wurde Stalin der Entwurf einer Verordnung des Ministerrates vorgelegt, der die Repatriierung von 693 deutschen Staatsbürgern vorsah - trotz der Erhöhung der Gesamtzahl waren auf Bitten Ulbrichts, so das Begleitschreiben, 42 Gefangene von der Repatriierung zurückgestellt worden - „vor allem Offiziere der ehemaligen deutschen Armee". 193 Am 2. April 1952 fasste der Ministerrat der UdSSR den entsprechenden Beschluss Nr. 1676-576ss. Die Ausführungsbestimmungen des MVD folgten 189 Punkt 6 der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland. Rolf Steininger, Deutsche Geschichte seit 1945. Darstellung und Dokumente in vier Bänden, erw. Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1996, Band 2, S. 2 0 8 - 2 1 0 , hier S. 2 0 9 . 190 Gegenüber Konasov, Sud'by, S. 166, vgl. die neuen Interpretationen auf breiterer Quellenbasis in Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 8 9 - 9 3 . Aufstellungen der GUPVI von März und April 1952 über die genauen Zahlen deutscher Verurteilter sind im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Repatriierungsbefehls von April 1952 zu sehen (RGVA, f. l p , op. Ole, d. 98,1. 26,1. 2 9 und 1. 42ff.). 191 Zu den Reorganisationen der Kriegsgefangenenverwaltung nach 1950 siehe Hilger, Straflager, in diesem Band. 192 Gribanov/Buev an den 1. Stellv. Außenminister, Gromyko, vom 4.12.1951 (AVP, f. 082, op. 38, p. 231, d. 53,1. 183), hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye, S. 4 5 8 f . 193 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 90.
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am 7. April: 194 Bis zum 25. Mai waren „den deutschen Verwaltungen" 109 Deutsche zu übergeben, deren Straffristen abgelaufen waren. 544 unverurteilte Deutsche, die wegen Krankheit, ungeklärter Staatsbürgerschaft oder U-Haft bislang zurückgehalten worden waren, durften ebenfalls nach Deutschland fahren, wenngleich die SKK Bedenken äußerte: „Wenn diese Personen keine Verbrecher sind und aus anderen Gründen [...] zurückgehalten wurden, dann könnte ihre Rückkehr nach Deutschland von unseren Feinden als Beweis dessen genutzt werden, dass in der UdSSR bis heute eine große Anzahl von Kriegsgefangenen zurückgehalten wird." 195 In der Zeit vom 1. Juni 1952 bis zum 4. Januar 1953 wurden schließlich auch 37 verurteilte Deutsche repatriiert, deren Straffrist in dieser Periode ablief. 196 Zehn weitere deutsche Kriegsgefangene und Internierte, deren Familien nunmehr in Polen wohnten, wurden den polnischen Dienststellen übergeben. 197 Noch Ende Februar 1953 legte Serov dem Ministerrat ein weiteres Repatriierungsprojekt für 63 deutsche Staatsbürger vor, die ihre Strafen verbüßt hatten. Gleichzeitig regte er an, derartige Entlassungen in Zukunft automatisch MVD, MGB und MID zu überlassen 198 - die schwerfälligen Apparate der sowjetischen Bürokratie arbeiteten offenbar auch dem Stellvertretenden Innenminister zu langsam. Bis zum 5. März 1953 blieb die Frage unentschieden. Die Sowjetunion verweigerte bis 1953 nicht nur die Erörterung vorzeitiger Entlassungen, sondern überhaupt jede internationale Zusammenarbeit in der Kriegsgefangenenfrage. Dies betraf vor allem die Ad Hoc-Kommission der UNO, die seit Dezember 1950 erst einmal genaue Zahlen über verstorbene und zurückgehaltene Kriegsgefangene in allen kriegführenden Ländern des Zweiten Weltkrieges ermitteln wollte. 199 Auch die Versuche des IKRK, mit der 194 Befehl MVD Nr. 0 0 3 8 7 vom 2 . 4 . 1 9 5 2 auf der Grundlage der Verordnung SovMin Nr. 1616-576ss (GARF, f. 9401, op. la, d. 447,1. 164ff.). 195 Dienstschreiben des Leiters der 3. Europäischen Abt. MID, M. Gribanov, Nr. 2 6 9 4 / Z e o an den Leiter der UPVI, Kobulov, vom 21.10.1952 (AVP, f. 082, op. 30, p. 257, d. 30,1. 96f.), hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye, S. 463. Da keine Änderung des zitierten Ministerratsbeschlusses bekannt ist, ist trotz dieser Einwände von der Repatriierung der Unverurteilten auszugehen. 196 Schriftlicher Bericht des kommissarischen Vertreters des Bevollmächtigten des Ministerrats für Repatriierung, Oberst Starov, an den Stellv. MID Malik und den Leiter der UPVI Kobulov vom 15.1.1953 (AVP, f. 082, op. 41, p. 271, d. 26,1. 21 ), hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye, S. 4 6 5 . Es handelte sich um verurteilte Kriegsgefangene und Internierte. 197 Befehl MVD Nr. 0 0 3 8 7 vom 2 . 4 . 1 9 5 2 auf der Grundlage der Verordnung SovMin Nr. 1616-576SS (GARF, f. 9401, op. la, d. 447,1. 164ff.). 198 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 92 f. 199 Hierzu Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 8 1 - 8 3 . Vgl. jetzt Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 123-157. Vgl. Heinz-Heinrich Meyer, Kriegsgefangene im Kalten Krieg. Die Kriegsgefangenenpolitik der Bundesrepublik Deutschland im amerikanisch-sowjetischen Machtkampf von 1950 bis 1955. Hg. von Hein Mayer, Osnabrück 1998. Meyer konnte seine geplante Arbeit leider nicht mehr abschließen. Aus dem Nachlass hat Hein Mayer das Manuskript herausgegeben, das bei aller Eindimensionalität und unzureichender Quellenbasis Bedenkenswertes enthält.
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U d S S R eine solide Basis zur h u m a n i t ä r e n Z u s a m m e n a r b e i t z u f i n d e n , b l i e b e n e r f o l g l o s . 2 0 0 D i e u n b e w e g l i c h e H a l t u n g der U d S S R w a r i m Januar 1 9 5 2 auch der G r u n d dafür, dass das Mitglied d e s Rates der E K D u n d Leiter des Kirchlichen A u ß e n a m t e s N i e m ö l l e r bei s e i n e m M o s k a u b e s u c h keine Fortschritte in der K r i e g s g e f a n g e n e n f r a g e e r r e i c h e n k o n n t e , w e n n g l e i c h er dort ihre „menschliche B e d e u t u n g " u n d ihre Wichtigkeit „für die V e r s t ä n d i g u n g u n d d e n Frieden z w i s c h e n u n s e r e n b e i d e n Völkern" unterstrich. 2 0 1 N i e m ö l l e r s Reise, vor allem aber die V e r s u c h e d e s D R K - P r ä s i d e n t e n Weitz, ü b e r die Rotkreuzgesellschaft e n der B u n d e s r e p u b l i k u n d der U d S S R die Entlassung der d e u t s c h e n Kriegsg e f a n g e n e n z u e r r e i c h e n , 2 0 2 sind v o n Z e i t g e n o s s e n u n d Historikern i m m e r wieder unter d e m A s p e k t diskutiert w o r d e n , w e l c h e Erfolgsaussichten derartige „humanitäre" u n d b e t o n t unpolitische A n s ä t z e hätten h a b e n k ö n n e n . Mit dieser Fragestellung ist bis h e u t e Kritik a n der K r i e g s g e f a n g e n e n p o l i t i k K o n r a d A d e n a u e r s v e r b u n d e n . 2 0 3 Für die U d S S R w a r die Entlassung der G e f a n g e n e n 200 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 8 4 - 8 9 . Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 140f. und S. 181-184. 201 Martin Rohkrämer, Kirchliche Ost-West-Begegnungen zwischen 1952 und 1959. In: Ein Richter, ein Bürger, ein Christ. Festschrift für Helmut Simon. Hg. von Willy Brandt, Helmut Simon und Marion Eckertz-Höfer, Baden-Baden 1987, S. 933. Heinemann schrieb der Initiative Niemöllers gar die Heimkehr von 600 Gefangenen zu, ebd. Die völlige Fehleinschätzung Niemöllers nach seinem Gespräch mit dem Stellv. Außenminister Zorin, „dass die Kriegsgefangenenfrage unter Berücksichtigung der von mir in die Waagschale geworfenen Gesichtspunkte tatsächlich bis zur zuständigen Stelle gehen und dann im Ministerrat vorgebracht werden soll", mag auch die Überbewertung Heinemanns mitbegründet haben. Jan Niemöller, Erkundung gegen den Strom. 1952: Martin Niemöller reist nach Moskau. Eine Dokumentation, Stuttgart 1988, S. 50. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Entlassungen - ja vornehmlich unverurteilter Gefangener! - von April 1952 seit 1951 aus anderen Gründen vorbereitet wurden. Zum Verlauf der Reise Niemöllers vgl. Niemöller, Erkundung, S. 38-51, S. 7 5 78. Es muss in der Diskussion beachtet werden, dass die Reise für Niemöller eindeutig „kirchlichen Charakter" besaß, ebd., S. 49. 202 Hierzu jetzt ausführlich Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 185-208 mit Angabe der relevanten Literatur. 203 Vgl. Wolfgang Benz, Einleitung. In: Wolfgang Benz/Heinz Pust (Hg.), Deutsche Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg. Erinnerungen, erw. Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1995, S. 24-27. Er stützt sich hierbei auch auf Zeitungs- und Zeitschriftenberichte, die auf den Arbeiten des Hamburger Historikers Heinrich Meyer fußen (wie Anm. 199). Vgl. hier Ulrich Völklein, Die Heimkehrer-Lüge. In: Stern vom 23.9.1992, S. 76-87; Karl-Heinz Janßen, Heimkehr - fünf Jahre zu spät. In: Die Zeit vom 1.1.1993, S. 9-11. An weiteren nichtregierungsamtlichen Anfragen oder Initiativen sind hier auch die Bemühungen Heinemanns (1954), der SPD (1955) oder Wirths (v. a. 1954) zu nennen. Im Zusammenhang mit dem Moskaubesuch vgl. die recht kritische Sicht auch bei Josef Foschepoth, Adenauers Moskaureise 1955. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B22/ 1986, S. 3 0 - 4 6 , S. 40ff., bes. S. 42 und S. 45. Zur Problematik insgesamt vgl. neben den in den beiden vorhergegangenen Anm. genannten Titeln zusätzlich Dieter Riesenberger (Hg.), Das Deutsche Rote Kreuz, Konrad Adenauer und das Kriegsgefangenenproblem. Die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion ( 19521955) (Schriftenreihe Geschichte und Frieden 7), Bremen 1994, S. 9 - 2 4 . Vgl. Michael W. Krekel, Verhandlungen in Moskau. Adenauer, die deutsche Frage und die Rückkehr der Kriegsgefangenen (Rhöndorfer Hefte), Bad Honnef 1996. Vgl. Der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages. Sitzungsprotokolle 1949-1953. 1. Halbband: Okto-
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eine Regierungsangelegenheit, die nur auf dieser h o h e n politischen E b e n e entschieden w u r d e bzw. verhandelbar war: Betont unpolitische Aufrufe u n d Initiativen eines N i e m ö l l e r o d e r eines Weitz' f a n d e n daher in sowjetischen Überleg u n g e n keinen erkennbaren Niederschlag. In diesem Z u s a m m e n h a n g sei darauf hingewiesen, dass auch die Kontakte des japanischen Roten Kreuzes z u d e n sowjetischen Rotkreuzgesellschaften 1 9 5 3 erst möglich wurden, nachdem die sowjetische politische Führung die Repatriierung v o n rund 4 0 0 japanischen Kriegsgefangenen b e s c h l o s s e n hatte: D i e japanisch-sowjetische Zusammenarbeit auf der E b e n e der Rotkreuzgesellschaften diente nur der U m s e t z u n g der politischen E n t s c h e i d u n g . 2 0 4 D a h e r wird sich die künftige D i s k u s s i o n auf d e n Stellenwert konzentrieren m ü s s e n , d e n die Regierung A d e n a u e r angesichts v o n Westintegration u n d Wiederbewaffnung der Kriegsgefangenenfrage in d e n frühen fünfziger Jahren tatsächlich b e i m a ß . 2 0 5 ber 1949 bis Mai 1952, 2. Halbband: Juni 1952 bis August 1953 und Unterausschuß „Besatzungsregime" 1951/52, bearb. von Wolfgang Hölscher (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Vierte Reihe: Deutschland seit 1945, 13/1—III), Düsseldorf 1998. Vgl. Böhme, Hilfen für die deutschen Kriegsgefangenen 1939-1956. In: Maschke (Hg.), Die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, S. 347-444. Vgl. Ulrike Hörster-Philipps, Joseph Wirth 1879- 1956. Eine politische Biographie (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen 82), Paderborn 1998, S. 852f. Vgl. Heinrich Küppers, Joseph Wirth. Parlamentarier, Minister und Kanzler der Weimarer Republik (Historische Mitteilungen, Beiheft 27), Stuttgart 1997, S. 326f. Vgl. Fajna I. Novik (Faina Nowik), Konrad Adenauers Besuch in Moskau. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland 1955. In: Kriegsgefangene - Voennoplennye. Sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland, deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, Düsseldorf 1995, S. 96f. Vgl. Ueberschär, Die sowjetischen Prozesse, S. 251; Konasov, Sud"by, S. 173; Hans-Peter Schwarz, Adenauer, 2 Bände, Stuttgart 1986/87, 2, S. 217-219; Konrad Adenauer, Erinnerungen 1953-1955, Stuttgart 1966, S. 538f„ S. 544 f. 204 Gemeinsames Kommuniqué des Vorsitzenden des japanischen Roten Kreuzes und des Vorsitzenden des Vollzugskomitees der sowjetischen Rotkreuzgesellschaften vom 19.11. 1953, abgedruckt in der Pravda vom 20.11.1953, hier zitiert nach Sergej I. Kuznecov, Japoncy ν sibirskom plenu ( 1945-1956), Irkutsk 1997, S. 241 -243. 205 Die kürzlich von Borchard vorgelegte Arbeit zielt genau in die hier angedeutete Richtung. Sie leidet insgesamt aber darunter, dass die sowjetische Politik nur rudimentär und fehlerhaft erfasst wird, so dass die Argumentation oftmals auf falschen oder sehr unsicheren Grundannahmen basiert. Dazu gehört besonders die undifferenzierte und zu oberflächliche Bewertung der Massenverurteilungen, die nach Borchards Ansicht nur „ein politisches Faustpfand für künftige Verhandlungen mit den Westmächten oder der Bundesrepublik geschaffen" haben. Damit werden nicht nur die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen zu grobschlächtig interpretiert, sondern auch bedeutsame innersowjetische Entwicklungen, wie sie hier dargestellt werden, ausgeblendet. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 15, S. 46f. und S. 65-68. Zudem nimmt Borchard die von Meyer, Kriegsgefangene (wie Anm. 199), angeregten Fragestellungen zum innenpolitischen, propagandistischen Stellenwert der Kriegsgefangenenfrage bzw. ihrer Instrumentalisierung in der bundesdeutschen Innenpolitik kaum auf. Auch durch den Nachweis des sehr begrenzten außenpolitischen Spielraums scheint diese Frage noch nicht geklärt. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 14f., S. 26f„ S. 92, besonders S. 95-103, S. 117-121 und S. 123 ff.
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Die Repatriierungen 1953/1954: Sowjetische Entspannungsbemühungen
D i e g r o ß e Entlassungsaktion v o n Herbst 1 9 5 3 resultierte aus Plänen Berijas, d e n G U L a g z u entlasten u n d seine Bedeutung z u b e s c h n e i d e n , aus d e m Versuch Moskaus, gegenüber den Westmächten und der D D R einen Politikwechsel z u vollziehen und aus d e n inneren Machtkämpfen i m Kreml'. 2 0 6 D i e D D R Führung selbst war nur insofern beteiligt, als sie die Entlassungen mit verzögerte. 2 0 7 Auf der anderen Seite hinkte Eisenhower mit seiner Rede v o m 16. April 1 9 5 3 , in der er unter a n d e r e m „eine Lösung des Problems der deutschen Kriegsgefangenen" 2 0 8 einforderte, d e n Entwicklungen im Kreml' hinterher. Ende M ä r z / A n f a n g April 1953 beauftragte Berija eine hochrangige Kommission von Vertretern des M V D , der Staatsanwaltschaft, des M I D 2 0 9 und des MJu, die Anwendbarkeit des Amnestieerlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets v o m 27. März 1 9 5 3 auf ausländische Strafgefangene z u prüfen. 2 1 0 D i e Amnestie hatte Berija mit Blick auf über 2 , 5 Millionen Insassen des G U L a g und der Gefängnisse der U d S S R initiiert, v o n d e n e n rund eine Million „für Verbrechen verurteilt wurde, die keine große Gefahr für die Gesellschaft darstellen". 2 1 1 206 Vgl. Vojtech Mastny, The Cold War and Soviet Insecurity. The Stalin Years, New York 1996, S. 170 ff. Vgl. Wladislaw Subok/Konstantin Pleschakow, Der Kreml im Kalten Krieg. Von 1945 bis zur Kubakrise, Heidelberg 1997, S. 222ff. Aktuelle Forschungen unterstreichen, dass die Führungsspitze einschließlich namentlich Molotovs nach Stalins Tod außenpolitisch geschlossener handelte, als es die historische Forschung früher angenommen hat. Vgl. Mark Kramer, The Early Post-Stalin Succession Struggle and Upheavals in East-Central Europe. Internal-External Linkages in Soviet Policy Making, Part 1 and 2. In: Journal of Cold War Studies, 1 (1999), S. 3 - 5 5 . Vgl. Aleksej M. Filitov, Sovetskij Sojuz i germanskij vopros ν period pozdnego stalinizma (k voprosu o genezise „stalinskoj noty" 10 marta 1952 goda). In: Stalin i cholodnaja vojna, Moskau 1998, S. 315-349. Vgl. schon Adam Β. Ulam, Stalin. The Man and his Era, Reprint, Boston 1989, S. 670. 207 Ihme-Tuchel überschätzt in Unkenntnis der sowjetischen Entscheidungsprozesse die Rolle der SED-Führung. Vgl. zuletzt Beate Ihme-Tuchel, Zwischen Tabu und Propaganda. Hintergründe und Probleme der ostdeutsch-sowjetischen Heimkehrerverhandlungen. In: Annette Kaminsky (Hg.), Heimkehr 1948, München 1998, S. 38-54. 208 Zitiert nach Subok/Pleschakow, Der Kreml, S. 225. Vgl. Mastny, The Cold War, S. 175 f. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 95f. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 144 f. 209 Das auch in der III. Europa-Abteilung des MID der Gedanke an vorzeitige Entlassungen deutscher Kriegsgefangener virulent war, hat Elke Scherstjanoi, Die Sowjetische Deutschlandpolitik nach Stalins Tod 1953. Neue Dokumente aus dem Archiv des Moskauer Außenministeriums. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 46 ( 1998), S. 497-549, hier S. 508, S. 534, S. 542f„ gezeigt. Vgl. Anm. 206. 210 Bericht Kruglovs/Gorsenins/Safonovs/Fedotovs/Dolgichs vom 10.4.1953. „Peresmotreny prigovory ν otnosenii inostrancev". In: Istocnik, Heft 4/1994, S. 108-112, S. 108-110, hier S. 108. Zur Übertragung der Amnestiebestimmungen auf japanische Gefangene vgl. Karpov, Plenniki, S. 277 f. 211 Notiz des Innenministers der UdSSR, Berija, an das Präsidium des ZK der KPdSU „Uber die Notwendigkeit der Durchführung einer Amnestie" vom 26.3.1953. Pleines, Der „Neue Kurs", S. A368ff., hier S. A369. Hier auch das Folgende.
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Vorgesehen war eine vorzeitige Haftentlassung für „bis zu fünf Jahren Verurteilte; [für] wegen Amts-, Wirtschafts- oder bestimmter Militärverbrechen unabhängig von der Haftdauer" Verurteilte, für Frauen, Kinder, betagte Männer und für schwer- und unheilbar Kranke. Der angeforderte Bericht lag Berija am 10. April vor. 2 1 2 Die Kommission schlug vor, über die Amnestiebestimmungen hinaus - die nur für 217 zu vergleichsweise geringen Haftstrafen „verurteilte Kriegsverbrecher aus der Zahl der früheren Kriegsgefangenen und Internierten" relevant waren - weitere 2 6 8 wegen Diebstahls und „Verletzung der Lagerdisziplin" Verurteilte, deren Strafmaß durch die Amnestie halbiert worden war, „aus den Strafverbüßungsorten zu befreien". Vor allem aber regten die Ministerialen an, 4 7 6 5 wegen „weniger schwerer Kriegsverbrechen" aufgrund des Ukaz vom 19. April 1943 verurteilte Kriegsgefangene und Internierte verschiedener Nationalitäten freizulassen. Zu den minderschweren Verbrechen rechneten die Verfasser des Berichts die bloße Zugehörigkeit zu Einrichtungen der Militärjustiz, zu SA, SS oder anderen nationalsozialistischen Organisationen sowie zu belasteten Einheiten oder die Polizeiarbeit auf deutschem Gebiet, „Alltags- und Militärdelikte", die Konfiszierung des Eigentums sowjetischer Bürger durch Soldaten sowie die Beschlagnahme landwirtschaftlicher und industrieller Anlagen durch Angehörige deutscher Wirtschaftskommandos. Zusätzlich sprachen sich Kruglov und seine Genossen für die Repatriierung von elf aufgrund des „Ukaz 4 3 " verurteilten ehemaligen deutschen Generälen („vier Generäle im Ruhestand, ein Regierungsrat, drei Ärzte, ein Radiokommentator und andere") aus, wobei sie zur Begründung deren hohes Alter und kränklichen Zustand anführten. Berija und Molotov übergaben die Vorschläge am 14. April 1953 dem Präsidium des Z K der KPdSU. Sie bevorzugten eine von Kruglov und Genossen nur angedeutete, noch radikalere Lösung des „Kriegsgefangenenproblems" und regten an, durch eine interministerielle Kommission alle Verurteilungen von Ausländern in der Sowjetunion, darunter auch die von 19 0 4 8 ehemaligen Kriegsgefangenen und Internierten, überprüfen zu lassen. Binnen Monatsfrist sollten diejenigen ausgewählt werden, deren weitere Haft keine „Unumgänglichkeit" 213 darstelle. Berija und Molotov wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „viele Ausländer in der Periode des Großen Vaterländischen Krieges für weniger wichtige Verbrechen verurteilt worden waren und heute keine ernst-
2 1 2 Bericht Kruglovs/Gorsenins/Safonovs/Fedotovs/Dolgichs vom 1 0 . 4 . 1 9 5 3 . Siehe dazu Peresmotreny, S. 109f. Hier auch das Folgende. Deutsche Teilübersetzung bei Leonid Resin, General zwischen den Fronten. Walter von Seydlitz in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und Haft 1 9 4 3 - 1 9 5 5 , Berlin 1 9 9 5 , S. 3 0 8 f . Unklar die Zahlenangabe für Kriegsgefangene bei Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 9 4 f., da aufgrund der von ihm genannten Quelle keine Unterscheidung zwischen Kriegsgefangenen und Internierten möglich ist. 213 Peresmotreny, S. llOf.
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hafte Gefahr für unseren Staat darstellen". 214 Das ZK-Präsidium nahm die Anregung am 15. April auf und setzte eine Kommission aus Vertretern des MJu, der Staatsanwaltschaft, des MVD und des MID ein. 215 Letzteres wurde beauftragt, die entsprechenden Absprachen mit den Heimatländern zu treffen. 216 Die Aufgabe des MIu war formaljuristischer Natur: Fälle, in denen die Kommission auf „die vorzeitige Entlassung aus den Strafverbüßungsorten" entschied, wurden in einem vereinfachten Gerichtsverfahren abgesegnet. 6162 ehemalige Kriegsgefangene und Internierte wurden bis zum 20. Mai 1953 von der Kommission zur Repatriierung bestimmt. 217 Darunter befanden sich 13 Generäle, 3 037 Offiziere und 2 673 Unteroffiziers- und Mannschaftsdienstgrade. Bei den Generälen wurde die Entscheidung erwartungsgemäß nicht nur mit dem „Charakter der Verbrechen" 218 , sondern auch mit ihrem fortgeschrittenen Alter und der Tatsache, dass sie nicht im Truppendienst gestanden hatten, begründet. Die restlichen Kriegsgefangenen, die zur Entlassung vorgesehen waren, saßen Strafen für die Zwangsaushebung von Ostarbeitern, für Diebstahl, für die Vernichtung von Staatseigentum und als Angehörige von Aufklärungsorganen feindlicher Armeen ab. 219 Nach weiteren Überprüfungen und Redaktionen der Kommissionsbeschlüsse sollten schließlich „in Übereinstimmung mit dem Amnestieerlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 27. März 1953 bzw. nach Beschluss des Obersten Gerichts der UdSSR" sogar 6 994 verurteilte Deutsche aus Lagern der UdSSR „befreit" werden. 220 Darüber hinaus waren 6143 deutsche Zivilisten, die von Militärtribunalen in der SBZ verurteilt worden waren und in der DDR einsaßen, zur Entlassung vorgesehen. 221 Über die sowjetische Absicht, fast 7 000 verurteilte Kriegsgefangene und Internierte aus der UdSSR nach Deutschland zu repatriieren, erhielt Ulbricht möglicherweise noch vor dem 17. Juni 1953 Mitteilung. 222
214 Ebd.; Konasov, Sud'by, S. 239f. Die Kommission bestand aus je einem Vertreter von MJu, der Staatsanwaltschaft und des MID und - nachdem das MGB wieder im MVD aufgegangen war - zwei Vertretern des MVD. 215 Protokoll Nr. 6. Siehe dazu Peresmotreny, S. 111. 216 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 95. 217 Schon am 18.5.1953 wies Berija die 1. Hauptverwaltung und die Gefängnisverwaltung des MVD an, aufgrund der Materialien der Kommission Pläne zur Repatriierung auszuarbeiten. Befehl MVD Nr. 00277 vom 18.5.1953 (GARF, f. 9401, op. 12, d. 510). 218 Abschlussbericht der interministeriellen Kommission vom 20.5.1953. Peresmotreny, S. l l l f . , hier S. 112. 219 Ebd. 220 Aide mémoire der Regierung der UdSSR vom 26.6.1953. Beziehungen DDR - UdSSR 1949 bis 1955. Dokumentensammlung, 2 Halbbände, Berlin 1975, S. 437f., hier S. 437. 221 Konasov, Sud'by, S. 169. Die Verurteilungen deutscher Zivilisten durch sowjetische Tribunale sind Gegenstand aktueller Forschungen am Hannah-Arendt-Institut, deren Ergebnisse 2002 vorgelegt werden. 222 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 96 f.
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Das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR goss in den Monaten Mai und Juni 1953 nach angeblicher Überprüfung des jeweiligen „Materials über die vorzeitige Befreiung [...] und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die weitere Verwahrung des Verurteilten in Strafverbüßungsorten keine Unumgänglichkeit darstellt", die politischen Vorgaben befehlsgemäß in die Einzelfallentscheidungen um, den Gefangenen „vorzeitig von der weiteren Strafverbüßung zu befreien". 223 Die Ereignisse des 17. Juni 1953 in der DDR berührten die geplanten Repatriierungen zunächst nicht: In einem Aide mémoire wurde der DDR noch am 26. Juni ganz offiziell für Juli 1953 die Entlassung von 6 9 9 4 „Kriegsgefangene(n) und andere(n) deutsche(n) Bürger(n)" angekündigt, 224 und die SED-Abteilung Bevölkerungspolitik entwarf noch am 27. Juni 1953 einen ersten „Organisationsplan zur Übernahme von 7 000 Verurteilten aus der Sowjetunion". 225 Auf höchster Ebene bat indes Otto Grotewohl die UdSSR um die kurzfristige Verschiebung der Entlassungen. Der Sturz Berijas, des Initiators der Entlassungen, am 26. Juni erschwerte und verzögerte dann merklich die weitere Durchführung. Nach den Wirren im Kreml' stand die Frage der Repatriierung deutscher Kriegsgefangener erst am 21. Juli wieder auf der Tagesordnung des Präsidiums des ZK. Eine neue Kommission wurde zur Überprüfung der kurz vorher getroffenen Entscheidungen eingesetzt. Molotov, Gorsenin und Kruglov plädierten in ihrem neuen Schlussbericht dafür, die Zahl der zu repatriierenden Deutschen auf rund 400 zu reduzieren - als Entlassungsgründe wurden nur noch der Ablauf der Straffrist oder die Amnestie vom 27. März 1953 anerkannt. Selbst in den Fällen, in denen die Kommissionen bis Juni 1953 die Schuldlosigkeit erkannt hatten, war für die drei Minister die Idee einer „vorzeitigein) Befreiung und Repatriierung" gänzlich diskreditiert und schien nicht mehr „zweckdienlich". 226 Malenkov und Chruscev, die Empfänger dieses Schreibens, forderten im Zeichen einer ansatzweisen außenpolitischen Entspannung eine positivere Herangehensweise und verlangten einen neuen Bericht. Im Zusammenhang
2 2 3 Vgl. u.a. Akte Kurt H. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G01693); Akte Joachim C. (IfA/HAITArchiv, Nr. G 0 4 4 6 1 ) und Akte Peter F. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G 0 4 8 4 0 ) . Der mir derzeit bekannte letzte Beschluss des Kollegiums zur Freilassung eines verurteilten Kriegsgefangenen datiert vom 10.6.1953, Akte Gerhard E. Sch. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G 0 3 3 0 2 ) . Vgl. Peresmotreny, S. l l l f . 2 2 4 Aide mémoire der Regierung der UdSSR vom 2 6 . 6 . 1 9 5 3 . Beziehungen D D R - U d S S R 1949 bis 1955, S. 437f. Dies auch gegen die Darstellung Possekels, Einleitung, S. 104. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, muss in Unkenntnis der sowjetischen Entscheidungsabläufe irren, wenn er diese Entlassungen schon dem Wunsch zuschreibt, die innere Konsolidierung der D D R nach dem 17.6.1953 zu stützen. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 169 f. 2 2 5 Rohentwurf für einen Organisationsplan der Abt. Bevölkerungspolitik vom 2 7 . 6 . 1 9 5 3 (SAPMO-BArch, D Y 3 0 / I V 2 / 1 3 / 4 0 3 , Bl. 1 - 3 ) . 2 2 6 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 99.
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mit dem Moskaubesuch einer DDR-Regierungsdelegation schlug Molotov am 20. August mit Bezug auf die Vorarbeiten von April die Entlassung von 5 380 deutschen Kriegsgefangenen, darunter 4 000 bundesdeutschen Bürgern, vor. Das Schicksal der übrigen 14 468 verurteilten Deutschen, die sich in der UdSSR oder in Lagern der DDR befanden, sollte durch eine neue interministerielle Kommission entschieden werden. Die Initiative zur Freilassung der 5 380 Gefangenen wurde, offensichtlich auf Vorschlag Molotovs, gleichsam zur Imagepflege in einem sowjetisch-ostdeutschen Kommuniqué der DDR gutgeschrieben. 227 Außenpolitische Gründe bestimmten auch den genauen Zeitpunkt der Heimschaffungen. Hier sollten die bundesdeutschen Wahlen vom 6. September abgewartet werden, um zumindest keine antisowjetisch gestimmten Heimkehrer in den Wahlkampf gelangen zu lassen und im übrigen der KPD mit dem DDR-UdSSR-Kommuniqué schärfere Wahlkampfmunition zu verschaffen. 228 Auf diese Weise traten viele, aber nicht alle Entscheidungen des Militärkollegiums des höchsten sowjetischen Gerichts der Sowjetunion, das seit April Entlassungen beschlossen hatte, mit einer Verzögerung von über drei Monaten in Kraft - ein deutlicherer Beleg für die faktische Macht- und Bedeutungslosigkeit des Obersten Gerichts im Staatsgebäude der damaligen Sowjetunion lässt sich wohl kaum beibringen. Die Pravda zählte am 31. Oktober 1953 5 374 entlassene Kriegsgefangene. 229 Unter ihnen waren entgegen dem interministeriellen Vorschlag vom 20. Mai, aber gemäß der Anregung vom 10. April, elf Generäle. 230 Die Gefangenen wurden in Frankfurt/Oder einer Vertreterin des Innenministeriums der DDR übergeben, die Akten mit der Übergabe endgültig geschlossen. 231 4 057 Heimkehrer fuhren in die Bundesrepublik Deutschland. 232 Noch im gleichen Jahr startete die UdSSR eine zweite große Entlassungsaktion. Molotov hatte schon Mitte August die Bildung einer interministeriellen Kommission zur Überprüfung der letzten rund 14 500 Fälle verurteilter Deutscher in der UdSSR und der DDR empfohlen. Diese wurde unmittelbar nach 227 Resin, General zwischen den Fronten, S. 3 0 9 f. und Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 9 9 f. Das gemeinsame Kommuniqué über die Verhandlungen zwischen der Regierung der UdSSR und der Regierungsdelegation der D D R vom 2 2 . 8 . 1 9 5 3 abgedr. in Beziehungen D D R - U d S S R , S. 4 6 5 - 4 6 7 . 2 2 8 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 100f. Vgl. auch Konasov, Sud'by, S. 170. 2 2 9 Konasov, Sud'by, S. 244. Vgl. auch die Mitteilung der Pressestelle des Ministeriums des Innern der Regierung der D D R über die Entlassung amnestierter ehemaliger deutscher Kriegsgefangener aus der UdSSR vom 13.10.1953. Beziehungen D D R - U d S S R 1949 bis 1955, S. 507. 2 3 0 Schreiben des Leiters der Gefängnisabteilung MVD, Kuznecov, an das Mitglied des Kollegiums des MID, Puskin, vom 5 . 9 . 1 9 5 3 . Konasov, Sud'by, S. 244. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 172 zu der negativen Reaktion Ulbrichts auf die geplante Entlassung des Generals von Quade. 231 Das geht aus den in IfA/HAIT gesammelten Personal- und Strafakten hervor. 2 3 2 Mitteilung der Pressestelle des Ministeriums des Innern der Regierung der D D R vom 13.10.1953. Beziehungen D D R - UdSSR, S. 507.
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dem Besuch der DDR-Delegation eingesetzt, 233 ohne dass sich ein innerer Zusammenhang zu der Visite herstellen lässt. 234 Der Kommissionsentscheid zur Entlassung von 4 823 verurteilten Kriegsgefangenen und Internierten aus Lagern der UdSSR wurde am 30. November 1953 vom ZK-Präsidium gutgeheißen. 2 3 5 „Dem Obersten Gericht der UdSSR sind Namenslisten aller Deutschen vorzulegen, die vorfristig entlassen werden sollen, um die Unterlagen für die vorzeitige Entlassung der in diesen Listen verzeichneten Personen entsprechend der im Beschluss des Präsidiums des Zentralkomitees der KPdSU vom 15. April 1953 festgelegten Weise auszufertigen." 2 3 6 Das Militärkollegium des Obersten Gerichts erwies sich wieder als gehorsamer Diener der Politik: Weisungsgemäß und analog zu den Sommermonaten postulierte es im Fließbandverfahren für jeden Einzelfall, den Gefangenen „vorzeitig von der weiteren Strafverbüßung zu befreien", da die „weitere Verwahrung in Strafverbüßungsorten keine Unumgänglichkeit darstelle". 237 Mitunter verfügte das Militärkollegium die Entlassung von Gefangenen, die schon wenige Tage vorher nach Hause geschickt worden waren! 2 3 8 Gleichzeitig wurde nun auch die Entlassung der rund 6 000 zivilen Häftlinge in Lagern der DDR, deren Freilassung vor dem 17. Juni beschlossen, dann aber vertagt worden war, durchgeführt. Damit erhöhte sich die Zahl der vorzeitig entlassenen Kriegsgefangenen und Zivilisten gegenüber den auf Berija zurückgehenden Sommervorschlägen um über 3 000 Mann. Der Grund für die Fortsetzung umfangreicher Repatriierungen bis zum Vorabend der Berliner Außenministerkonferenz (25. Januar bis 18. Februar 1954) ist primär in der sowjetischen, geschmeidigeren Außenpoli-
233 Vom 28.8.1953 datiert ein Beschluss des ZK-Präsidiums zur Prüfung der Fälle von deutschen Bürgern, die von sowjetischen Gerichten verurteilt wurden und ihre Strafe in der DDR verbüßten. Sowjetische Speziallager in Deutschland, Band 2, S. 382. Hier wurde nach Maßgabe des auszugsweisen Abdrucks des Beschlusses auch über eine interministerielle Kommission für die Kriegsgefangenen beschlossen, auf deren Vorlage sich der Repatriierungsbeschluss vom 30.11.1953 stützte: Der Kommission waren zwei Monate Zeit - bis Ende Oktober, nach dem Abschluss der Sommer/Herbstrepatriierungen also - gegeben, ihre Vorschläge zu unterbreiten. 234 Der Leiter der diplomatischen Mission der DDR in Moskau, Appelt, erhielt am 7.11. 1953 erste Hinweise auf die bevorstehenden Entlassungen. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 173 f. 235 Beschluss des ZK-Präsidiums zur vorzeitigen Entlassung von Kriegsgefangenen, Internierten und Zivilisten, die von sowjetischen Gerichten verurteilt wurden. Sowjetische Speziallager in Deutschland, Band 2, S. 383 f. Vgl. auch Resin, General, S. 309-311, der 4 832 Gefangene angibt. 236 Beschluss des ZK-Präsidiums zur vorzeitigen Entlassung von Kriegsgefangenen, Internierten und Zivilisten, die von sowjetischen Gerichten verurteilt wurden. Sowjetische Speziallager, Band 2, S. 383 f. 237 Vgl. u. a. Akte Heinz von H. (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. G00408), und Akte Helmut H. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G00314). 238 Vgl. u.a. Akte Reinhold S. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G03479); Akte Heinrich A. (IfA/ HAIT-Archiv, Nr. G03303); Akte Burchard von S. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G03405).
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tik mit ihrer Stoßrichtung gegen die EVG und lediglich sekundär in einer Prestigespritze für das zu konsolidierende Regime der D D R zu suchen. 2 3 9 Die statistischen Daten der IfA/HAIT-Datenbank sind zu unspezifisch und unvollständig, um über die hier zitierten unmittelbaren Auswahlkriterien hinaus einer eventuellen Auslese der Repatrianten etwa nach sozialen G r u p p e n oder Altersklassen nachzuspüren. Die sowjetischen Erwägungen nahmen auf derartige Prinzipien indes auch keine Rücksicht, sieht man von der Generalität einmal ab. Es bleibt die Frage, inwieweit sich die sowjetischerseits behauptete Schwere der Verbrechen der Gefangenen bzw. ihre „Gefährlichkeit" statistisch niederschlug. Das Repatriierungsdatum der Gefangenen ist allerdings nur auf knapp 80 Prozent der Karteikarten vermerkt, die die Basis der befragten Datenbank bildeten. Ein Vergleich der vorliegenden Jahresangaben mit den sowjetischen Akten zeigt, dass die Daten der ab 1953 Entlassenen vollständiger erhoben werden konnten, als es für die Vorjahre der Fall war. Die folgenden Zahlen können insgesamt nur als ungefähre Richtgrößen betrachtet werden. Für die Jahre 1953/1954 verfügen wir über Daten von insgesamt 8 333 deutschen entlassenen Gefangenen. 2 4 0 Das waren 55,95 Prozent aller in der Datenbank dokumentierten Repatrianten ab 1953. Darunter waren 114 SS-Angehörige (52,1 Prozent aller ab 1953 entlassenen SS-Mitglieder), von denen 4 9 (65,3 Prozent) Generals-, Offiziers- und Stabsoffiziersränge bekleideten. 65 SS-Angehörige (45 Prozent) kamen aus den Mannschafts- und Unteroffiziersrängen. Insgesamt fuhren 1 9 5 3 / 5 4 2 9 3 3 Offiziere (69,3 Prozent) und 645 Stabsoffiziere (55 Prozent), 4 612 Unteroffiziers- und Mannschaftsdienstgrade (51 Prozent) und 21 Generäle (10,5 Prozent) (!) nach Hause. An diesen Zahlen wird die gezielte Zurückhaltung von Generälen deutlich. O b dagegen Stabsoffiziere und vor allem Offiziere wirklich tendenziell früher entlassen wurden als Mannschaften und Unteroffiziersdienstgrade, ist auf der recht unsicheren Datenbasis nicht zweifelsfrei zu entscheiden. Auf jeden Fall war 1 9 5 3 / 5 4 ein höherer Dienstgrad unterhalb der Generalsränge kein Hindernisgrund für die vorzeitige Entlassung. Das Gleiche galt offensichtlich für die Zugehörigkeit zur SS. Diese Ergebnisse lenken den Blick auf die Urteilsgründe zurück, die nach Maßgabe der sowjetischen Planungen in der Regel den Ausschlag für oder wider die Entlassung geben sollten.
239 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 103-105, überschätzt meines Erachtens den öffentlichen Druck und unterschätzt den sowjetischen Wunsch, im Zusammenhang mit einer außenpolitischen Konsolidierung und spannungsfreieren Politik Zeichen zu setzen. Vgl. knapp dazu Loth, Helsinki, S. 3 6 - 4 2 . Vgl. auch Steininger, Deutsche Geschichte 2, S. 2 8 5 - 2 9 2 . 240 Frau H. Georgi sei an dieser Stelle noch einmal herzlich für ihre kompetente und geduldige Arbeit bei der statistischen Auswertung der IfA/HAIT-Datenbank gedankt.
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Hier ergibt sich auf der gleichen Datenbasis folgendes Bild: Mit 6 212 Mann kamen 51,38 Prozent der nach „Ukaz 43" verurteilten, dokumentierten Repatrianten der Jahre 1953 bis 1956 1 9 5 3 / 5 4 zur Entlassung. Der Anteil unter den nach Art. 58 Verurteilten betrug dagegen mit 1 2 8 7 Gefangenen 62,7 Prozent. In Verbund mit den dargestellten Auswahlgründen belegen die Daten, dass formale Kriterien und sicherheitspolitische Präventivüberlegungen nach Stalin in der Repatriierungspolitik erheblich an Einfluss verloren hatten. Auf diese Weise korrigierten die ersten Massenentlassungen nach Stalins Tod besonders die Ergebnisse der Massenverurteilungen von 1 9 4 9 / 5 0 und können nicht als stringente Fortführung Stalinscher Politik gedeutet werden.
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Die Repatriierungen 1955: Die Wiederaufnahme diplomatischer B e z i e h u n g e n z w i s c h e n der B u n d e s r e p u b l i k u n d der S o w j e t u n i o n
Ab April 1954 entließ die Sowjetunion die letzten unverurteilten Kriegsgefangenen aus ihren Lagern. 241 So waren nach offizieller Lesart nur noch Gefangene in sowjetischem Gewahrsam, die „besonders schwere Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit verübt hatten", 242 als Adenauer am 8. September 1955 seinen Moskaubesuch antrat. Trotzdem standen diese Verurteilten zur Disposition, seitdem die Sowjetunion im weltpolitischen Kontext diverser Entspannungsbemühungen die drohende Remilitarisierung der Bundesrepublik vor Augen und nach der einseitigen Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland am 25. Januar 1955 die 241 Konasov, Sud'by, S. 171. Zu Grunde lag die Verordnung SovMin Nr. 711 -310ss vom 14.4.1954. Zeitgleich wurden Wissenschaftler und Spezialisten der DDR repatriiert. Die genaue Anzahl der entlassenen unverurteilten Kriegsgefangenen ist unklar: Nach einer ungezeichneten Aufstellung befanden sich zum 1.6.1952 noch 648 Unverurteilte in der UdSSR, darunter Paulus und 52 Offiziere (RGVA, f. lp, op. Ole, d. 98,1. 60f.). Vladimir P. Galickij, Repatriacionnaja politika Sovetskogo Pravitel'stva vo vtoroj mirovoj vojne i posle nee. In: Tragedija plena. Sbornik materialov mezdunarodnoj naucnoprakticeskoj konferencii „Okoncanie vojny, zaversenie dejatel'nosti NKSG/SNO i nacaIo repatriacii voennoplennych" 31 oktjabrja-2 nojabrja 1995 goda, Krasnogorsk 1996, S. 112, gibt zum 1.4.1952 die Zahl von 129 unverurteilten Kriegsgefangenen und 518 unverurteilten Internierten, insgesamt also nur noch 647 Unverurteilte an. 242 Gemeinsames [Communiqué der DDR/UdSSR vom 22.8.1953. Konasov, Sud'by, S. 243. Im Abschlussbericht der interministeriellen Kommission vom 20.5.1953 war allg. die Rede von „schweren Verbrechen". Zitiert nach Peresmotreny, S. 112. Diese Lesart war mehr als nur außenpolitische Propaganda: Am 13. Dezember 1954 beschloss das Kollegium des Stalingrader Bezirksgerichts für Strafsachen, der vorzeitigen Entlassung des im September 1949 nach Art. 58,4 und 58,11 zu 25 Jahren ITL verurteilten Kriegsgefangenen Karl Sch. nicht zuzustimmen. Der Vorschlag kam von einer medizinischen Kommission, die für den an schwerer Tbc leidenden Sch. in Gefangenschaft keine Heilungschancen sah - verweigert wurde die Entlassung angesichts „der Schwere der von Sch. gegen den sowjetischen Staat begangenen Verbrechen", Akte Karl Sch. (IfA/HAIT-Archiv, Nr. G01742).
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Normalisierung der B e z i e h u n g e n auch zur Bundesrepublik anstrebte. 2 4 3 D i e U d S S R war sich bei ihrer Initiative zur A u f n a h m e diplomatischer B e z i e h u n g e n und z u m Abschluss eines Handelsvertrags sowie eines Kulturabkommens am 7. Juni 1955 klar darüber, dass z u der Normalisierung der politischen Beziehung e n - übrigens in Analogie zur Politik gegenüber Japan 2 4 4 oder Österreich 2 4 5 auch die L ö s u n g der „Kriegsgefangenenfrage", das heißt die Entlassung der w e g e n Kriegsverbrechen verurteilten Kriegsgefangenen (und Zivilisten) gehört e . 2 4 6 D i e U d S S R hatte d e m e n t s p r e c h e n d s c h o n vor Juni signalisiert, dass eine einvernehmliche L ö s u n g dieses Problems im Bereich des M ö g l i c h e n läge. D i e frühesten A n d e u t u n g e n m ü s s e n im Z e i c h e n des Kampfes g e g e n die Ratifizierung der Pariser Verträge v o n O k t o b e r 1 9 5 4 g e s e h e n w e r d e n , die der Bundestag Ende Februar 1 9 5 5 vollzog: 2 4 7 Anfang Januar 1 9 5 5 n a h m e n sowjetische Kontaktleute Fühlung z u S P D - B u n d e s t a g s a b g e o r d n e t e n auf. 2 4 8 Z u m Monatse n d e w u r d e n z u d e m 108 G e f a n g e n e aus der U d S S R nach Deutschland entlassen, unter i h n e n Feldmarschall Schörner. 2 4 9 D i e s e r trug der Presse vor, dass 243 Vgl. Fajna I. Novik, Ustanovlenie diplomaticeskich otnosenij mezdu SSSR i FRG. In: Otecestvennaja istorija, Heft 6/1995, S. 106-119, hier S. 106-108. Zu ersten sowjetischen Vorstößen ab Januar 1955 vgl. Foschepoth, Adenauers, S. 33 f. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 107 f. 244 Vgl. A.M. Petrov, Poslednie plenniki vtoroj mirovoj vojny. Dokumenty iz fondov CK KPSS o japonskich voennoplennych. In: Istoriceskij archiv, Heft 1/1993, S. 68-78. Vgl. Kuznecov, laponcy, S. 151 ff.; Karpov, Plenniki, S. 278-283. 245 Vgl. die Besprechung beim Bundesminister zur Vorbereitung der Reise der österreichischen Delegation nach Moskau vom 2.4.1955 und die Erklärung der Regierung der UdSSR „in Sachen der Kriegsgefangenen" als Anlage zum österreichisch-sowjetischen Memorandum vom 15.4.1955. Alfons Schilcher, Österreich und die Großmächte. Dokumente zur österreichischen Außenpolitik 1945-1955 (Materialien zur Zeitgeschichte 2), Wien 1980, S. 267ff., hier S. 272 und S. 284ff., hier S. 288f. Vgl. auch Art. 18 des österreichischen Staatsvertrags. Gerald Stourzh, Kleine Geschichte des österreichischen Staatsvertrages. Mit Dokumententeil, Graz 1975, S. 199. Ein Entwurf über Österreicher, ausgearbeitet von MID, MJu, MVD/MGB und der Staatsanwaltschaft, lag Chruscev am 9.4.1955 vor (Osobaja Papka Chrusceva, S. 72). Vgl. knapp auch Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 228. 246 In der Verhandlungsanweisung für die sowjetische Delegation ist von ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen die Rede. Konasov, SudTay, S. 246f., hier S. 246. 247 Steininger, Deutsche Geschichte 2, S. 295. 248 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 107 und Foschepoth, Adenauers, S. 33. Vgl. jetzt Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 207f. und S. 219-228. 249 Laut freundlicher Mitteilung von Nikita Petrov, Moskau, beschloss das ZK-Präsidium schon am 25.11.1954 die Freilassung von Schörner und Vizeadmiral Hans Voss. Das Präsidium des Obersten Sowjets gab am 22.12.1954 Begnadigungsersuchen statt (GARF, f. 9401, op. 2, d. 463, 1. 24). Schörner und Voss waren im August 1945 von der UdSSR sogar als mögliche Angeklagte für den Internationalen Gerichtshof ins Auge gefasst worden (Osobaja Papka Molotova, Eintrag zum 18.08.1945). Zu Kontakten der deutschen und sowjetischen Rotkreuzgesellschaften, bei denen nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes bestimmte Bedingungen für die Entlassung einiger hundert Kriegsgefangener gestellt wurden, vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 204 f. Inwieweit hier die sowjetische Außenpolitik beteiligt war, ist unklar wenn die sowjetischen Vorschläge wirklich den bei Borchard beschriebenen Inhalt hatten, so sind sie doch nie realisiert worden.
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„der Leiter der innerhalb der sowjetischen Regierung für die Kriegsgefangenen zuständigen Abteilung, Oberst Kusnezow, ihn beauftragt habe, der deutschen Öffentlichkeit mitzuteilen, „dass alle deutschen Kriegsgefangenen in Kürze freigelassen würden". 250 Im März 1955 kam es endlich auch zu einer Unterredung des Präsidenten des DRK, Weitz, mit dem sowjetischen Botschafter in der DDR, Puskin, in der dieser dem DRK-Präsidenten nach jahrelangem Warten Verhandlungen der beiden nationalen Rotkreuzgesellschaften in Aussicht stellte. 251 Bis August 1955 erhielt das DRK von sowjetischer Seite denn auch erste Auskünfte über „vermisste Wehrmachtsangehörige". 252 Schon im Mai teilten hochrangige Vertreter des Schwedischen Roten Kreuz dem deutschen SPD-Bundestagsabgeordneten Menzel als ihren Eindruck aus Gesprächen mit sowjetischen Rotkreuz-Funktionären mit, dass für die verurteilten Deutschen „eine Amnestie nicht nur möglich sei, sondern vorbereitet werde" - als Gegenleistung erwarte die UdSSR eine „Intervention von höchster zu höchster Stelle, also von Bundespräsident Heuss an den Präsident der UdSSR, Woroschilow". 253 Die außenpolitischen Signale entsprachen den internen Entscheidungen in der UdSSR: Am 14. März 1955 beauftragte das Präsidium des ZK eine neue interministerielle Kommission aus Vertretern des MID, des MJu, des MVD, des KGB und der Staatsanwaltschaft, bis Anfang Mai alle Materialien über verurteilte Kriegsgefangene und Zivilpersonen deutscher Staatsbürgerschaft zu überprüfen. 254 Im Juni wurden die deutschen Gefangenen nach dem Wohnsitz der
250 Foschepoth, Adenauers, S. 33 f. Schörner hatte zumindest Namen, Dienstgrad und Dienststellung des sowjetischen Obersten richtig wiedergegeben. Vgl. zur politischen Instrumentalisierung der Entlassung in der DDR Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 177-179. 251 Vermerk Kurt Wagner über das Gespräch Weitz - Puskin vom 26.3.1955. Dieter Riesenberger (Hg.), Das Ringen um die Entlassung deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion (1952-1955). In: ders. (Hg), Das Deutsche Rote Kreuz, Konrad Adenauer und das Kriegsgefangenenproblem. Die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion ( 1952-1955) (Schriftenreihe Geschichte und Frieden 7), Bremen 1994, S. 149ff., hier S. 152f. Zu dem bis dahin vergeblichen Bemühen Weitz' um sowjetische Gesprächspartner vgl. ebd., S. 16-20 mit weiteren Angaben. Zu den vorhergegangenen deutsch-sowjetischen Kontakten der Rotkreuzgesellschaften vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 204 f. 252 Keesing's Archiv der Gegenwart vom 7.8.1955, S. 5300A. 253 Schreiben des dpa-Chefredakteurs Sänger an Menzel vom 17.5.1955, zitiert in Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 207 f. 254 Schriftlicher Bericht Kruglovs/Semenovs/Zolotuchins vom 16.9.1955 an das ZK KPdSU über deutsche Kriegsverbrecher und Vertragsarbeiter (GARF, f. 9401, op. 2, d. 466,1. 409-413), hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye, S. 479-481, hier S. 480. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 108; Resin, General zwischen den Fronten, S. 311. Vgl. das Schreiben Molotovs an das Präsidium ZK vom 29.4.1955. Resin, Feldmarschall, S. 320. Vgl. auch Osobaja Papka Molotova, Eintrag zum 30.3.1955 über die Anzahl der Kriegsgefangenen der deutschen Armee. Verurteilte Kriegsgefangene und Zivilisten berichteten nach ihrer Heimkehr über erste vorbereitende Zusammenlegungen Deutscher ebenfalls im März 1955. Vgl. Bährens, Deutsche in Straflagern, Band V/1, S. 290, S. 305ff. und ebd., Band V/2, S. 83.
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Familie u n d d e n e i g e n e n Vorstellungen über d e n zukünftigen Heimatort befragt. 2 5 5 Alle Vorarbeiten m ü n d e t e n in die Entscheidung des Z K v o m 4. Juli 1955, die grundsätzlich die Repatriierung aller ausländischen Verurteilten vorsah.256 D a b e i w u r d e die Repatriierung der über 9 0 0 0 d e u t s c h e n Bürger im Rahm e n der n e u e n Linie der sowjetischen Deutschlandpolitik mit der A u f n a h m e diplomatischer B e z i e h u n g e n zur Bundesrepublik verknüpft. Sollte hier die S o w j e t u n i o n das G e w ü n s c h t e erreichen, so wolle m a n 3 7 0 8 deutsche Kriegsg e f a n g e n e repatriieren u n d 2 7 2 8 d e n deutschen B e h ö r d e n „als Kriegsverbrecher" übergeben, ließ Chruscev a m 14. Juli das Z K der S E D w i s s e n . 2 5 7 D a s Z K der K P d S U hatte intern n o c h konsequenter formuliert: „Nach d e m erfolgreic h e n Abschluss der Verhandlungen mit der B R D : a) Straferlass u n d Repatriierung für 5 614 deutsche Staatsbürger ( 3 7 0 8 Kriegsgefangene und 1 9 0 6 Zivilisten) u n d 180 Generäle der e h e m a l i g e n Wehrmacht, [...] b) Ü b e r g a b e v o n 3 917 deutschen Staatsbürgern als Kriegsverbrecher ( 2 7 2 8 Kriegsgefangene und 1 1 8 9 Zivilisten)". 2 5 8 Wieder einmal stellte die U d S S R ihre o s t d e u t s c h e n G e n o s s e n vor vollendete Tatsachen. 2 5 9 W i e in d e n Vorjahren w u r d e n die S E D - S p i t z e n im S o m m e r 1 9 5 5 nur vorab informiert, nicht konsultiert, ihre B e d e n k e n in d e n endgültigen
255 Die Fragebogen finden sich in den jeweiligen Personalakten. Für den Transport war dann offensichtlich der Wohnort der Familie entscheidend. Vgl. Bährens, Deutsche in Straflagern, Band V / 2 , S. 324f. Vgl. auch die Notiz über ausländische und deutsche Verurteilte vom 8.6.1955 in der Sondermappe Chruscevs (Osobaja Papka Chrusceva, Eintrag zum 8.6.1955). 256 Verordnung des ZK der KPdSU (GARF, f. 9401, o. 2, d. 465,1. 159-163), hier zitiert nach dem Abdruck in Nemeckie voennoplennye, S. 470 f. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 109, und Resin, General zwischen den Fronten, S. 312f., datieren die Verordnung auf den 14.7. Da am 14.7. das beschlossene Schreiben an das ZK der SED abgesandt wurde, scheint mir die frühere Datierung sinnvoller. 257 Schreiben Chruscevs an das ZK SED vom 14.7.1955. Streng geheimer Brief. Vgl. auch Ihme-Tuchel, Die Entlassung, S. 459f. 258 Ebd. 259 Noch am 18. April hatte Grotewohl dem Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter der UdSSR in der DDR, G.M. Puskin, ein Begnadigungsgesuch von Paulus für seine ehemaligen Mithäftlinge überreicht und stolz berichtet: „Ich habe Herrn Paulus darauf hingewiesen, dass es sich bei den Angehörigen der faschistischen Armee, die sich heute noch in der Sowjetunion befinden, um Personen handelt, die wegen krimineller Straftaten und Kriegsverbrechen verurteilt wurden und ihre Strafe verbüßen. Mit sozialistischem Gruß O. Grotewohl." Resin, Feldmarschall, S. 319. Vgl. hierzu auch Alexander Blank/Boris Chavkin, Vtoraja zizn' fel'dmarsala Pauljusa, Moskau 1990, S. 199 f. Es ist vor dem Hintergrund des hier Gesagten wenig überzeugend, wenn Wilfriede Otto eine direkte Linie von den Moskauer Gesprächen Grotewohls im Dezember 1954 zu den Entlassungen 1955 zieht. Vgl. Wilfriede Otto, Auch Unschuldige wurden verhaftet und verschleppt. Internierungslager und Deportationen - in der Vergangenheit ein Tabuthema in der DDR-Geschichtsschreibung. In: Neues Deutschland vom 24./25.3.1990, S. 13.
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Beschlüssen ignoriert. 260 Mehr noch: Nachdem das ZK der SED am 28. Juli 1955 notgedrungen sein Einverständnis zu den sowjetischen Plänen gegeben hatte, wurde ihm von Botschafter Puskin bedeutet, dass eine nochmalige Verurteilung der Repatrianten durch ostdeutsche Gerichte, wie sie den deutschen Genossen vorschwebte, nicht in Frage käme. 2 6 1 Puskin empfahl vielmehr Wilhelm Pieck, dem Präsidenten des Obersten Sowjet, Kliment E. Vorosilov, eine Bittschrift für die Amnestierung der Verurteilten zu senden. Sie ging pünktlich vor Adenauers Eintreffen in Moskau am 31. August 1955 ab. 2 6 2 Die Moskauer Verhandlungslinie gegenüber der bundesdeutschen Delegation entsprach im Kern den brieflichen Ausführungen Chruscevs vom 14. Juli. Schon bei deutsch-sowjetischen Vorbereitungsgesprächen wäre man notfalls bereit gewesen, auf entsprechende deutsche Forderungen hin zu erklären, „dass die sowjetische Regierung bereit ist, diese Frage bei den offiziellen Gesprächen in Moskau zu behandeln, und darauf rechnet, dass es in dieser Frage gelingt, die notwendige Vereinbarung zu erreichen". 2 6 3 Die sowjetische Delegation, so lauteten dann auch die entsprechenden Verhandlungsanweisungen für September, könne „erklären, dass die sowjetische Regierung unter Berücksichtigung der Verhandlungen über die Repatriierung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener, die vom 24. bis 27. Juli zwischen der Regierung der D D R und einer Regierungsdelegation der UdSSR in Berlin stattgefunden haben, sowie des Bittgesuchs des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, und in Anbe260 Gleiche Einschätzung der Rolle der SED-Führung bei Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 239-243, dazu ebd., S. 278 zur offensichtlichen Verärgerung der ostdeutschen Führung. Zu den Befürchtungen der DDR wegen neuer westlicher Kameradenschinderprozesse vgl. Ihme-Tuchel, Die Entlassung, S. 452-454, und Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 241-245, zu Wünschen Ulbrichts Krekel, Verhandlungen, S. 17 f. 261 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 109f., und Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 239-241. 262 Schreiben des Präsidenten der DDR an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 31.8.1955. Beziehungen DDR-UdSSR, S. 971. Vgl. Resin, General, S. 313 f., mit einer ursprünglich früheren Datierung. 263 Instruktion der sowjetischen Regierung an den Botschafter der UdSSR in Frankreich, S.A. Vinogradov, undatiert, vor dem 3.8.1955. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 136f. Dasselbe Dokument wird von den Herausgebern des Sammelbandes Nemeckie voennoplennye auf den 1.8.1955 datiert und nur als Entwurf einer Instruktion für den Botschafter gekennzeichnet. Nemeckie voennoplennye, S. 472. Darüber hinaus vgl. wieder die Verordnung des ZK der KPdSU vom 4.7.1955: „Während der bevorstehenden Verhandlungen mit Kanzler Adenauer über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ist zu erklären, dass die Frage der ehemaligen Kriegsgefangenen, die wegen ihrer gegen das sowjetische Volk begangenen Verbrechen eine Strafe verbüßen, von den entsprechenden sowjetischen Instanzen geprüft wird und eine positive Entscheidung dieser Frage zu erwarten sei." (Schreiben Chruscevs an das ZK SED vom 14.7.1955. Streng geheimer Brief. Vgl. auch Ihme-Tuchel, Die Entlassung, S. 459f.). Solche Vorbedingungen wurden deutscherseits nicht gestellt. Zur Begründung Adenauers nach seiner Rückkehr im CDU-Bundesvorstand siehe das Protokoll Nr. 9 vom 30.9.1955. Adenauer, Erinnerungen, S. 587. Vgl. auch Foschepoth, Adenauers, S. 36.
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tracht der Bitte der Regierung der BRD die Frage über die Repatriierung der ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen prüfen und nach der Erörterung dieser und anderer Fragen der Beziehungen zwischen der UdSSR und der DDR mit der am 16. September in Moskau eintreffenden Regierungsdelegation der DDR dem Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ihre Vorschläge unterbreiten wird". 264 Im Falle einer Vereinbarung „in der Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der BRD und der UdSSR, kann man der Delegation der BRD bestimmter zu verstehen geben, dass die Frage über die ehemaligen Kriegsgefangenen wohlwollend geprüft wird". Die Sowjetunion erreichte mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik ihr großes Ziel. 265 Auf die problematische Kriegsgefangenenpolitik der Bundesrepublik ist hier schon hingewiesen worden. 2 6 6 Die UdSSR hatte im Zuge der allgemeinen Entspannungsbemühungen die Repatriierung der letzten deutschen Kriegsgefangenen fest ins Auge gefasst. Sie waren nurmehr taktische Verhandlungsmasse der Sowjetunion, ihre Entlassung weder an den westdeutschen Nichtbeitritt zur NATO noch unabänderlich an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen geknüpft. Ob die Sowjetunion die Gefangenen schon 1955 entlassen hätte, wenn es im September nicht zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen gekommen wäre, ist vor dem Hintergrund der sowjetischen Verhandlungsanweisungen und des Verhandlungsablaufs allerdings fraglich und unwahrscheinlich. 267 Die Vorbereitungen zur Rückführung der letzten deutschen Kriegsgefangenen liefen parallel zur Abreise Adenauers an. Nachdem bis August mehrmals Aufstellungen über die verschiedenen Kategorien ausländischer Verurteilter erarbeitet worden waren, 2 6 8 beauftragte das Präsidium des ZK der KPdSU am 14. September Vertreter des MID, MVD und des MJu, 269 eine Übersicht über 2 6 4 Undatierte Verhandlungsanweisungen zu den Verhandlungen (AVP, f. 06, op. 14, p. 14, d. 203,1. 22,1. 30f.), hier zitiert nach dem Abdruck bei Konasov, Sud"by, S. 246f., hier S. 247. Hier auch das Folgende. 2 6 5 Michael Borchard, Zwischen den Fronten des Kalten Krieges. Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion 1 9 4 9 - 1 9 5 5 . In: Kriegsgefangene - Voennoplennye. Sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland, deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion. Hg. vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1995, S. 90. Vgl. Novik, Ustanovlenie, S. 112ff. Novik, Konrad Adenauers, bietet eine deutsche Übersetzung wesentlicher Teile des russischen Aufsatzes. 2 6 6 Vgl. Anm. 1 9 9 - 2 0 5 . 267 Vgl. eine ähnliche Einschätzung des Mitglieds der deutschen Delegation Grewe. Borchard, Zwischen den Fronten, S. 91. Wichtig hier auch die Hinweise Borchards zu der Veröffentlichung des Bittschreibens Piecks erst nach den Moskauer Verhandlungen. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 241 f. Vgl. resümierend ebd., S. 2 9 7 - 3 0 0 . 2 6 8 Osobaja Papka Chrusceva, S. 9 4 zum 2 9 . 8 . 1 9 5 5 betr. Zurückhaltungen und Überstellungen ausländischer Verurteilter, ebd., S. 8 6 zum 4 . 7 . 1 9 5 5 betr. zurückgehaltene Deutsche, ebd., S. 82 zum 8 . 6 . 1 9 5 5 betr. Zurückhaltungen und Befreiungen Deutscher. 2 6 9 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 114. In der Osobaja Papka Chrusceva findet sich eine derartige Liste über „ausländische" Bürger schon zum 13.9.1955 (Osobaja Papka Chrusceva, S. 98).
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die „deutschen Kriegsverbrecher" und die deutschen Vertragsarbeiter vorzulegen. Aus der Kommissionsmeldung vom 16. September geht hervor, dass sich noch 9 624 deutsche Verurteilte, darunter 6 4 3 5 Kriegsgefangene, in Lagern der Sowjetunion befanden. 270 Am 21. September erfolgten konkrete Repatriierungsvorschläge, die in Entwürfen zu einer ZK-Verordnung und zu einem ausführenden Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets zusammengefasst waren. 271 Obwohl sie die Übergabe von nunmehr 3 917 Personen als Kriegsverbrecher an die deutschen Behörden anrieten, reduzierte das ZK - eventuell als Zeichen guten Willens gegenüber der Bundesrepublik, auf jeden Fall als Beweis einer teilweise recht willkürlichen Einstufung - diese Zahl auf 749. 2 7 2 „Unter Berücksichtigung des Bittgesuchs des Präsidenten und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 27. Juli und des Bittgesuchs der Regierung der Bundesrepublik Deutschland" verfügte das Präsidium des Obersten Sowjets am 28. September 1955 gemäß ZK-Beschluss, 8 877 deutsche Bürger „vorzeitig von der Strafverbüßung zu befreien" und in ihren Wohnort zu „repatriieren". 273 Vor Ort wurden die Gefangenen „auf der Grundlage des Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjet der UdSSR vom 28.9.1955 aus der Haft entlassen" 274 und in Deutschland den Behörden übergeben. Vorher hatten sie noch allesamt unterschreiben müssen, dass sie „gegenüber den Lagerverwaltungen keine Ansprüche auf Vermögen, Wertgegenstände und [andere] Arten von Ausrüstung" stellten. 275 749 Deutsche wurden „als Kriegsverbrecher in die Verfügung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland übergeben". 276 Das Präsidium hatte es „in Anbetracht der besonderen Schwere der von ihnen verübten Verbrechen"
2 7 0 Schriftlicher Bericht Kruglovs/Semenovs/Zolotuchins vom 1 6 . 9 . 1 9 5 5 . Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 114-117. 271 Kruglov/Zorin vom 2 1 . 9 . 1 9 5 5 . Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 116. Vgl. Osobaja Papka Chrusceva, S. 9 9 f. 2 7 2 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 116. Vgl. die Erinnerungen eines Betroffenen an die eher zufällige Auswahl zumindest einiger „Nichtamnestierter" vor Ort. „Ihr verreckt hier bei ehrlicher Arbeit!" Deutsche im GULAG 1 9 3 6 - 1 9 5 6 . Anthologie des Erinnerns. Hg. von Eva Donga-Sylvester, Günter Czernetzky, Hildegard Toma, Graz 2 0 0 0 , S. 2 9 8 - 3 0 1 , hier S. 2 9 9 f . 2 7 3 Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 2 8 . 9 . 1 9 5 5 , hier zitiert nach Konasov, Sud"by, S. 2 5 6 . Das ZK-Präsidium bestätigte den Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets am 2 6 . 9 . 1 9 5 5 . Resin, General zwischen den Fronten, S. 313f. 2 7 4 So das Prozedere nach einer Notiz, die allen Personalakten beigegeben wurde. 2 7 5 Diese Notiz wurde ebenfalls allen Personalakten beigegeben. 2 7 6 Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 2 8 . 9 . 1 9 5 5 , hier zitiert nach Konasov, Sud'by, S. 2 5 6 .
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für unmöglich befunden, auch diese 749 vorzeitig zu befreien. 277 471 so genannte „Nichtamnestierte" fuhren in die Bundesrepublik, 278 2 73 in die DDR. 2 7 9 Die ost- und westdeutschen Behörden erhielten nach heutigem Kenntnisstand trotz gegenteiliger Ankündigung unmittelbar keine Akten für die weitere strafrechtliche Verfolgung oder Haftverbüßung. 280 Stattdessen erbat Ulbricht Materialien über 2 0 bis 30 „Kriegsverbrecher, die nach Westdeutschland geschickt" 281 worden waren: Er wollte „diese Dokumente zur Gegenpropaganda" gegen die sich in Westdeutschland abzeichnende Kampagne „zur .Rehabilitierung' der Kriegsverbrecher, die aus der UdSSR in die BRD repatriiert werden", nutzen. Es ist anzunehmen, dass das ZK der KPdSU den Vorstellungen Ulbrichts, die vom sowjetischen Innen- und Außenministerium wärmstens unterstützt wurden, entsprach. Auch das sowjetische MID bemühte sich um Material über Verbrechen, die Gefangenen aus der westdeutschen Gruppe der 749 zugeschrieben wurden. 282 Am 4. Oktober erhielt Chruscev die Meldung über die Abfahrt der ersten beiden Transporte aus dem Sverdlovsker Oblast'.283 Beigelegt waren kollektive und individuelle Resolutionen der Repatrianten. Obwohl die Repatriierungen bis zum 22. Oktober 1955 abgeschlossen sein sollten, 2 8 4 wurden die Transporte am 18. Oktober vorübergehend eingestellt - und zwar wegen der „Nichterfüllung einiger Verpflichtungen durch die Regierung der BRD", wie es
277 Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28.9.1955, hier zitiert nach Konasov, Sud"by, S. 256. Der Planungsstab des deutschen Auswärtigen Amtes hatte im August dieser Variante mit Sorge entgegengesehen. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 234. Ähnliche Einschränkungen hat es im Übrigen für japanische Kriegsgefangene 1956 nicht gegeben, wohl aber für Österreicher 1955. Zagorufko (Hg.), Voennoplennye ν SSSR, S. 58, und Karpov, Plenniki, S. 279. 278 Gesamtzahl nach der Meldung des ZK an den SovMin vom 18.1.1956. Konasov, Sudebnoe, S. 139-142. 279 Ebd. Über die restlichen fünf Gefangenen schweigt sich das ZK aus. Ueberschär, Die sowjetischen Prozesse, kommt S. 252 nur auf 452 Westheimkehrer. 280 Zur Gruppe der „Nichtamnestierten" und ihrem weiteren Schicksal vgl. Ulrich Brochhagen, Nach Nürnberg. Vergangenheitsbewältigung und Westintegration in der Ära Adenauer, Hamburg 1994, S. 246-252. Vgl. auch Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung. 1956, bearb. von Ursula Hüllbüsch (Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 9), München 1998, S. 122-124. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 279 f. und S. 286 f. Insgesamt vgl. Ute Schmidt, Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"? Die Gruppe der 749 „Nichtamnestierten", in diesem Band, S. 2 7 3 - 3 5 0 . 281 Schriftlicher Bericht Kruglov/Zorin Nr. 2 2 2 9 / k mit einem Verordnungsentwurf (GARF, f. 9401, op. 2, d. 466, 1. 296f.), hier zitiert nach Nemeckie voennoplennye, S. 485. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 116f., geht von der Annahme des Entwurfs aus. 282 Vortragsnotiz Baranovs/Lunevs/Perevertkins vom 26.10.1955 (Osobaja Papka Chrusceva, S. 106). 283 Osobaja Papka Chrusceva, S. 102. 284 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 118.
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in einer Vorlage für Chruscev h i e ß . 2 8 5 D i e v o r ü b e r g e h e n d e Unterbrechung der Transporte ereilte z u m Beispiel den Heimkehrer Ernst-Günther Schenck mit 5 9 7 Mitgefangenen auf freier Strecke: „Wir drängten uns an d e n Türen und kletterten aus d e n Waggons, w i e betäubt u n d mit e i n e m H a m m e r vor d e n Kopf geschlagen, w i e d e r u m in d e n Abgrund der Angstigung, der Hoffnungslosigkeit u n d völligen Ungewissheit geschleudert. S c h i e n e n die einen w i e gelähmt, so w a r e n die anderen v o n einer plötzlich rasenden Wut erfüllt, die sinnlos war, k o n n t e n sie d o c h nichts u n t e r n e h m e n . " 2 8 6 Erst am 6. D e z e m b e r rollten die Z ü g e weiter, u n d a m 18. Januar 1 9 5 6 meldete das Z K der K P d S U d e m Ministerrat die Beendigung der Repatriierung v o n 9 5 3 6 deutschen verurteilten Bürgern. 2 8 7 Von d e n 9 6 2 6 G e f a n g e n e n , die im September zur Repatriierung bestimmt w o r d e n waren, w a r e n 2 9 P e r s o n e n verstorben, 2 8 w u r d e n „zeitweilig" v o m KGB zurückgehalten. 2 8 8 D i e sowjetis c h e n Organe hatten darüber hinaus einen sowjetischen Staatsangehörigen unter d e n G e f a n g e n e n entdeckt, der ebenfalls im Lande blieb. Fünf G e f a n g e n e ersuchten u m die Ansiedlung in der U d S S R , ein D e u t s c h e r bat, z u seinen Verw a n d t e n nach Polen entlassen z u werden. 2 6 G e f a n g e n e , so das Z K in s e i n e m Abschlussbericht, b e f a n d e n sich n o c h in psychiatrischen Kliniken u n d sollten in e i n e m g e s o n d e r t e n Transport nach Deutschland gebracht werden. In Ebersw a l d e w u r d e am 2 8 . Februar die Ankunft dieses letzten Transportes - aller-
285 Osobaja Papka Chrusceva, S. 105. Es ging - vermutlich - um die zögerliche Erteilung des Agréments für den künftigen Botschafter Zorin. Vgl. den Tagesordnungspunkt (D) auf der 104. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 2.11.1955. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung. 1955, bearb. von Michael Hollmann u.a. (Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 8), München 1997, S. 633 f. mit Anm. 47. In diese Richtung deutet auch eine Aufzeichnung des zuständigen Referenten Dr. Hergt im AA vom 15.11.1955 (PA AA, II, Band 1931). Die UdSSR verwies allerdings nach den Wintermonaten 1955/56 - ohne einen direkten Zusammenhang herzustellen immer wieder auf die angebliche Zurückhaltung sowjetischer Bürger (ehemalige Kriegsgefangene bzw. Ostarbeiter, Flüchtlinge o. ä.) in der Bundesrepublik. Vgl. Boris Meissner (Hg.), Moskau - Bonn. Die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland 1955-1973. Dokumentation, Band 1 (Dokumente zur Außenpolitik, III/l), Köln 1975, S. 154, S. 171 ff. Andere Überlegungen hoben den feierlichen Empfang der Spätestheimkehrer in der Bundesrepublik als Ursache hervor. Vgl. insges. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 280-282. 286 Ernst-Günther Schenck, Woina Plenni. 10 Jahre Gefangenschaft in sowjetischen Lagern, Stockach 1985, S. 436. Die Fahrt wurde am 9.12.1955 fortgesetzt, der Transport erreichte Herleshausen am 13.12.1955. Zur Person Prof. Schenks vgl. Ernst Klee, Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer, Frankfurt a.M. 1997, S. 179-189. 287 Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 139ff., hier S. 139f. Hier auch die folgenden Zahlen. Unklar ist der Status von 16 Personen, die sich nach einer Mitteilung des kommissarischen Leiters der Spezabt. des GULag, Hauptmann Mogil, als deutsche Staatsbürger oder Staatenlose aus Deutschland noch zum 1.4.1956 im GULag befanden. Anlage 1 zum Übergabeakt des GULag von Generalmajor Egorov an Bakin (GARF, f. 9414, op. 1, d. 258, 1. 1-17), hier zitiert nach Sostakovskij (Hg.), GULAG (Glavnoe upravlenie lagerej) 1917-1960 (Rossija. XX vek. Dokumenty), Moskau 2000, S. 398407, hier S. 403. 288 Ihr weiteres Schicksal geht aus den vorliegenden Akten nicht hervor.
Faustpfand im Kalten Krieg
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dings mit 28 Kranken - aus der Nervenheilanstalt Kazan' registriert. 289 Nach westdeutscher Rechnung waren insgesamt 6 557 Kriegsgefangene heimgekehrt. 290 3 104 aller seit September 1955 Entlassenen wurden in die DDR repatriiert. 291 In der Repatriierungspolitik gewannen nach der Bewegungsunfähigkeit unter Stalin ab 1953 außenpolitische Konsolidierungs- und Annäherungsinteressen endgültig die Oberhand. Der Stalinsche Gedanke, potenzielle Kader westdeutscher Einheiten von der Rückkehr nach Deutschland auszuschließen, verlor dagegen seine Bedeutung. Auch strafpolitischen Erwägungen über die Sühne von Kriegs- und Gewaltverbrechen wurde in den Repatriierungsentscheidungen faktisch kein eigener Stellenwert mehr eingeräumt. Die Übergabe der so genannten „Nichtamnestierten" mochte diesen Bedeutungsverlust nur propagandistisch verbrämen. Doch auch wenn die verurteilten Kriegsgefangenen gerade 1955 als Verhandlungsmasse, als „Faustpfand im Kalten Krieg" erscheinen, so greift die retrospektive Übertragung dieser Sichtweise auf die gesamte Kriegsgefangenenpolitik Stalins deutlich zu kurz. Sicherheitspolitische Prävention, die Abstrafung von Kriegs- und Gewaltverbrechern und der Kampf gegen ausländische „Spione" und einheimische Kollaborateure waren die Kernziele sowjetischer Strafpolitik gegenüber den deutschen Kriegsgefangenen, die 1949/1950 in den Massenverurteilungen kulminierten. Dass die UdSSR ihre Spionophobie gegenüber Kriegsgefangenen auslebte, eigene Sicherheit durch widerrechtliche Verurteilungen von Kriegsgefangenen zu erreichen suchte und die Verfolgung von Kriegs- und Gewaltverbrechen in eine Farce kollektiver Prozesse verwandelte, lag in der Konsequenz der stalinistischen Deformation von Staats- und Justizapparat: Administrativ-operative und kollektiv-repressive Maßnahmen waren bei außenpolitischen wie bei juristischen Problemen den Führungszirkeln allzu vertraute Mittel, die indes immer nur Scheinlösungen bieten konnten.
2 8 9 Krekel, Verhandlungen, S. 37. 2 9 0 Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen, S. 45 f. Er stützt sich auf die Arbeitsmaterialien für die Auskunft des BMVt, Mischnick, vor dem Deutschen Bundestag am 6 . 2 . 1 9 6 3 . Die Suchdienst-Leitstelle des DRK nannte am 2 9 . 1 . 1 9 6 3 6 657 Kriegsgefangene, die aus Lagern der UdSSR entlassen worden waren. Aufzeichnung Dr. Wagner betr. Verlautbarungen über Verschollene in der Sowjetunion vom 2 9 . 1 . 1 9 6 3 (Kopie im Besitz des Verf.). Nach einer Statistik der Gefängnisverwaltung des MVD befanden sich im Februar 1955 allerdings nur noch 6 4 6 3 deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR. Petrov, Die Gerichtsprozesse, S. 105 f. Die IfA/HAIT-Datenbank weist für die Zeit ab dem 1.1.1955 6 6 2 9 Repatriierungen aus ( IfA/ H AIT- Archiv). 291 Meldung des ZK an den SovMin vom 18.1.1956. Konasov, Sudebnoe, S. 139ff., hier S. 139.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"? Die Gruppe der 749 „Nichtamnestierten" Ute Schmidt Zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich - nach internen sowjetischen Statistiken - noch immer ca. 10 0 0 0 „verurteilte deutsche Kriegsgefangene und Zivilisten" in sowjetischem Gewahrsam. Erst nach Adenauers Moskau-Reise und den Verhandlungen über eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion im September 1955 wurden sie - wie es hieß - „vorzeitig" entlassen. 1 Insgesamt kamen (nach Auskunft der Bundesregierung vom Februar 1963) ab Oktober 1955 10 928 Personen frei, 9 663 von ihnen aus diversen Gefangenenlagern, in denen viele von ihnen zehn oder mehr Jahre hatten zubringen müssen. Zwei Drittel (6 557 Personen) waren Kriegsgefangene darunter 177 Generäle 2 - , ein Drittel (3 0 0 6 Personen) Zivilgefangene. Bei den übrigen Personen handelte es sich zumeist um deportierte Russlanddeutsche oder Deutsche aus anderen Gebieten Ost- und Südosteuropas, die bis dahin in so genannten „freien Ansiedlungen" gelebt hatten. 3 Die bewegenden Bilder von der Heimkehr der Kriegsgefangenen, der Zivilgefangenen und Verschleppten, 4 die vor Weihnachten 1955 im Grenzdurch-
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Laut Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets „Über die vorfristige Freilassung deutscher Staatsbürger, die von Gerichtsorganen der UdSSR für die von ihnen begangenen Verbrechen gegen die Völker der Sowjetunion während des Krieges verurteilt wurden" vom 28.9.1955 (veröffentlicht in der Prawda vom 29.9.1955). Die Angaben differieren zwischen 177 und 181. Konasov nennt 177 Generäle und Admírale, einige namentlich. Fünf von ihnen wurden in die DDR, 172 in die Bundesrepublik entlassen. Vgl. Viktor B. Konasov, Sudebnoe presledovanie nemeckich voennoplennych ν SSSR. Vnesnepoliticeskij aspekt problemy, Moskau 1998, S. 140. Laut Auskunft von Vertriebenenminister Wolfgang Mischnick vor dem Deutschen Bundestag am 6.2.1963 auf eine Parlamentsanfrage. Vgl. Manfred Zeidler, Die Dokumentationstätigkeit deutscher Stellen und die Entwicklung des Forschungsstands zu den Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener in der UdSSR in den Nachkriegsjahren, in diesem Band, Anm. 90. Das Schicksal der deutschen Zivilverschleppten ist bis heute weder umfassend dokumentiert worden, noch war es Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschungen. Während in der Nachkriegszeit zu den Flüchtlingen und den Kriegsgefangenen mehrbändige wissenschaftliche Dokumentationen erarbeitet wurden und zahlreiche Publikationen erschienen, blieb die Gruppe der Verschleppten weithin unbeachtet. Zumeist handelte es sich um Frauen, Kinder und kriegsuntaugliche, ältere Männer aus den Flucht- und Ver-
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gangslager Friedland eintrafen, sind als emotional hoch aufgeladene Momentaufnahmen tief im kulturellen Gedächtnis der frühen Bundesrepublik verankert. Sie werfen nochmals ein Schlaglicht auf die traumatischen Kriegserfahrungen, auf die Verheerungen und das menschliche Leid, das das „Dritte Reich" nicht nur über andere europäische Länder gebracht, sondern auch in der eigenen Bevölkerung angerichtet hatte. Die Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen Mitte der fünfziger Jahre bildete zugleich eine wichtige sozialpsychologische Zäsur, die nicht nur die Kriegszeit, sondern auch die erste Nachkriegsdekade abschloss. Vielen Heimkehrern, die noch die Extremsituation der Gefangenschaft verkraften mussten, häufig schwere körperliche und seelische Schäden davongetragen hatten, veränderte familiäre Verhältnisse vorfanden und erst jetzt - oft ohne eine gute Ausbildung - einen beruflich-sozialen Anschluss suchen konnten, fiel es allerdings nicht leicht, sich in der neuen Normalität des Alltagslebens zurechtzufinden. Zu den letzten Spätheimkehrern zählte auch die Gruppe der 749 so genannten „Nichtamnestierten". Gemäß der Zusage der Sowjets bei den Moskauer Verhandlungen im September 1955, alle deutschen Kriegsgefangenen freizugeben, wurden im Zuge dieser Entlassungsaktion auch die als „Schwerstkriegsverbrecher" bezeichneten Gefangenen nach Deutschland überführt. Im Unterschied zu den anderen Entlassenen sollten sie jedoch nicht freikommen, sondern den Justizbehörden der Bundesrepublik und der DDR als Kriegsverbrecher zur „weiteren Strafverbüßung" übergeben werden. 5 Ob die „Nichtamnestierten" in den östlichen oder den westlichen Teil Deutschlands repatriiert wurden, hing davon ab, wo ihre Angehörigen wohnten bzw. welche Entlassungsadresse sie bei einer Befragung im Sommer 1955 angegeben hatten. 6
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treibungsgebieten jenseits von Oder und Neiße, aus denen in den letzten Kriegsmonaten und danach Hunderttausende Zivilisten als „lebende Reparationen" in sowjetische und polnische Arbeitslager deportiert wurden. Neuere Publikationen zu diesem Thema: Freya Klier, Verschleppt ans Ende der Welt. Schicksale deutscher Frauen in sowjetischen Arbeitslagern, Berlin 1996; Helga Hirsch, Die Rache der Opfer, Deutsche in polnischen Lagern 1944-1950, Berlin 1998. Neuerdings liegt eine russischsprachige Untersuchung zum Thema „Zwangsdeportation in der Sowjetunion" vor, die auch die Deportation deutscher Volksgruppen (ζ. B. der Wolgadeutschen) behandelt. Vgl. Pavel Poljan, Ne po svoej vole. Istorija i geografija prinuditel'nych migracij ν SSSR, Moskau 2001. Vgl. auch ders., „Vestarbajtery". Internirovannye nemcy ν SSSR. Predystorija, istorija, geografija, Moskau 1999. Ein Teil der Zivilisten, die die Verschleppung überlebt hatten, wurde 1955 mit den letzten Kriegsgefangenen nach Deutschland entlassen, andere kamen erst in den folgenden Jahren als „Spätaussiedler" in den Westen. Laut Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 2 8 . 9 . 1 9 5 5 (vgl. Anm. 1). Die Kriegsgefangenen hatten die Möglichkeit, die von ihnen gewünschten Entlassungsorte anzugeben. Im Juni 1955 wurden sämtliche Kriegsgefangenen nach der Wohnsitznahme in Deutschland befragt. Ein großer Teil der Wünsche wurde allerdings nicht berücksichtigt. In weiteren Befragungen wurden die „Nichtamnestierten" des DDRTransports, die zwar in der DDR gelandet waren, aber nach Westdeutschland entlassen werden wollten, ζ. T. massiv beeinflusst.
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Die DDR übernahm das für sie bestimmte Kontingent von insgesamt 275 „nichtamnestierten Kriegsverurteilten" (darunter drei Frauen) in der Zeit vom 11. Oktober 1955 bis zum 9. Februar 1956. Der größte DDR-Transport mit 269 Personen erreichte die Grenze in Frankfurt (Oder) am 17. Dezember 1955 7 und wurde - unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen und von einem Massenaufgebot von Volkspolizisten streng bewacht - unverzüglich ins Gefängnis Bautzen weitergeleitet; die Frauen verlegte man tags darauf nach Hoheneck. 8 Etwa einen Monat später, am 14. Januar 1956, traf der Transport E 5/56, der mit 452 Personen das Gros der „Nichtamnestierten" in die Bundesrepublik brachte, in Herleshausen ein. 9 Auch im Westen wurde die Übergabe als eine äußerst heikle Angelegenheit betrachtet. Aus diesem Grund kamen die „Nichtamnestierten" - anders als die übrigen Heimkehrer - nicht ins Grenzdurchgangslager Friedland, sondern wurden von der Öffentlichkeit abgeschirmt und zunächst einmal in einer eigens dafür geräumten Bundesgrenzschutz-Kaserne in Hannoversch-Münden untergebracht. Von dort aus wurden sie erst nach einer eingehenden Befragung durch Vertreter des Roten Kreuzes, des Auswärtigen Amtes sowie westlicher Geheimdienste in die von ihnen angegebenen Orte entlassen. 10 Welche besonders schweren Verbrechen wurden den „Nichtamnestierten" zur Last gelegt, bzw. aufgrund welcher tatsächlicher oder vermeintlicher Verbrechen waren sie von Sowjetischen Militärtribunalen oder der Moskauer Sonderjustiz (OSO) verurteilt und erst als letzte repatriiert worden? Handelte es sich ausschließlich um die Ahndung schwerster Kriegsverbrechen bzw. von „Verbrechen gegen das sowjetische Volk" oder waren darunter auch andere Delikte? Wieso bestand die sowjetische Führung bei dieser Gruppe von Verurteilten darauf, dass sie die volle Strafe verbüßten, während andere, ebenfalls wegen Kriegsverbrechen zu ähnlichen Strafen verurteilte Deutsche längst entlassen worden waren? 1 1 Anhand welcher Kriterien waren also gerade sie aus der Gesamtgruppe der Verurteilten ausgesucht worden, und wer hatte die 7
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Laut Übernahmeprotokoll. Weitere Übergaben erfolgten am 11.10.1955 und 7.1.1956 (je eine Person) sowie am 9.1. und 9 . 2 . 1 9 5 6 (je zwei Personen). Vgl. Innenminister Karl Maron an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Otto Grotewohl, 2 2 . 2 . 1956 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 2 , Bl. 3 0 9 - 3 1 0 ) . Siehe auch namentliche Liste der 2 7 5 „Nichtamnestierten" des DDR-Transports (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 4 - 1 0 ) . Zur Planung, Durchführung und Bewachung des Transports nach Bautzen vgl. Abschnitt 3. Weitere Transporte hatten am 11.10.1955 acht Personen, am 15.10.1955 eine Person und am 9 . 1 . 1 9 5 6 zehn Personen (insgesamt 19 „Nichtamnestierte") gebracht. Vgl. Auswärtiges Amt an den Bundesminister der Justiz, 31.1.1956, Anlage: namentliche Liste (BA, Β 141, 71129, Bl. 1 2 0 - 1 2 2 ) . Liste der 4 5 2 Personen im Transport E 5 / 5 6 (BA, Β 141, 71129, Bl. 7 9 - 9 5 ) . Zum Transport E 5 / 5 6 sowie zur Übergabe und Aufnahme der 4 5 2 „Nichtamnestierten" in der Bundesrepublik vgl. Abschnitt 4. Vgl. Michael Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1 9 4 9 - 1 9 5 5 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 35), Düsseldorf 2 0 0 0 , S. 45, 72.
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Liste zu welcher Zeit zusammengestellt? Wie setzte sich die Gruppe der 749 „Nichtamnestierten" nach Dienstgrad und Truppenteil zusammen? Was erwartete die „Schwerstkriegsverbrecher" nach ihrer Ankunft in Deutschland? Worin unterschied sich ihre Behandlung in den beiden deutschen Teilstaaten? Wie verhielten sich die Behörden der Bundesrepublik bzw. der DDR, und wie reagierte die Öffentlichkeit? Welche Maßnahmen ergriffen Justiz und Strafvollzug in beiden Ländern? Wurden die „Nichtamnestierten" - wie von den Sowjets gefordert - tatsächlich einer „weiteren Strafverbüßung" zugeführt oder wurden sie entlassen? Welche Fälle wurden überprüft, und welche Konsequenzen hatte das für die Betroffenen? Und schließlich: Wie sahen die in dieser Gruppe zusammengefassten Personen sich selbst, und wie beurteilten sie ihre Mitgefangenen? Um diese Fragen zu klären, soll die Gruppe der 749 „Nichtamnestierten" genauer betrachtet werden. Anhand bisher noch nicht ausgewerteter Quellen und Daten 1 2 versuche ich im Folgenden, ein Bild dieser Gruppe zu zeichnen, deren Angehörige von regierungsoffizieller sowjetischer Seite als „Gewalttäter, Brandstifter, Mörder von Frauen, Kindern und Greisen" bezeichnet wurden, die „ihr menschliches Antlitz verloren" hätten und deshalb „hinter Schloss und Riegel gehörten". 1 3 Da die Freigabe der 749 „Nichtamnestierten" zum einen in den Kontext der sowjetischen Repatriierungspolitik einzuordnen ist und zum anderen in direktem Zusammenhang mit der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland im Herbst 1955 erfolgte, wird diese Vorgeschichte zunächst knapp skizziert. Danach beschreibe ich die Zusammensetzung des Kontingents der 749 „Nichtamnestierten" in der Sowjetunion nach den Moskauer Verhandlungen, die Transporte in den Westen sowie den Empfang der Züge in der Bundesrepublik bzw. in der DDR. Die Untersuchung konzentriert sich sodann auf die Gruppe der 749 selbst und ihre Charakteristika. Auf der Grundlage der in der IfA/ HAIT-Datenbank gespeicherten Personendaten können sowohl sozialstatistische Merkmale und Häufigkeiten (ζ. B. Herkunft, Alter, Beruf, Dienstgrad, 12
Dieser Beitrag basiert vor allem auf einer Auswertung der im IfA/HAIT-Archiv zu dieser Thematik vorhandenen Quellen: IfA/HAIT-Datenbank, Kopien russischer Personal· und Strafakten sowie weitere Materialien, die Günther Wagenlehner und Günther Kowalczyk zusammengetragen haben. Zudem wurden verschiedene Bestände aus dem Bundesarchiv (BA, BAB), Unterlagen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Bundesarchiv, Außenstelle Ludwigsburg ( Z S L / B A L ) sowie Materialien des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) hinzugezogen.
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So der sowjetische Ministerpräsident Bulganin in seiner Eröffnungsrede bei den Moskauer Verhandlungen am 10. September 1 9 5 5 , zitiert nach Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 2 5 5 . Siehe auch Beate Ihme-Tuchel, Die SED und die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion zwischen 1 9 4 9 und 1 9 5 5 . In: Deutschland Archiv, 2 7 ( 1 9 9 4 ) , S. 4 9 0 - 5 0 3 , hier S. 4 9 8 , sowie dies., Zwischen Tabu und Propaganda. Hintergründe und Probleme der ostdeutsch-sowjetischen Heimkehrerverhandlungen. In: Annette Kaminsky (Hg.), Heimkehr 1 9 4 8 , München 1 9 9 8 , S. 3 8 - 5 4 , hier S. 5 0 .
Spätheimkehrer
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Truppenteil, Kampfräume usw.) herausgefiltert als auch konkrete und quantifizierbare Aussagen über Verurteilungsgründe, Strafmaß, Datum und Ort der Gefangennahme bzw. Verurteilung, Lager u. a. m. gemacht werden. Für einen Teil der 749 „Nichtamnestierten" - etwa ein Drittel - sind überdies Auszüge aus sowjetischen Akten überliefert, in denen die den Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen aus der Sicht der Untersuchungsorgane detailliert dargestellt sind.14 Dieses Material ist insofern von besonderem Wert, als es Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der inkriminierten Tatbestände durch die sowjetische Militärjustiz sowie auf deren Rechtsdenken und Strafpraxis erlaubt. Dass die förmliche Durchführung der Prozesse rechtsstaatlichen Normen in keiner Weise genügte und eine inhaltliche Uberprüfung der Anklagepunkte bzw. der Nachweis individueller Schuld bei den festgestellten Tatbeständen in den allermeisten Fällen nicht geleistet wurde, steht auf einem anderen Blatt. 15 Die Problematik dieser Urteile, die auf stalinistisch deformierten Rechtsgrundlagen, fragwürdigen Ermittlungsmethoden und einer die Persönlichkeitsrechte der Angeklagten grob missachtenden Verfahrenspraxis der sowjetischen Militär- und Sondergerichte basieren, ist ein zentraler Grund für die Rehabilitierungen, die die russische Hauptmilitärstaatsanwaltschaft aufgrund des Präsidentenerlasses vom 13. August 1991 „Über die Wiederherstellung der Rechte aller Opfer politischer Repressionen der 20er bis 50er Jahre" und des am 18. Oktober 1991 erlassenen Rehabilitierungsgesetzes der Russischen Föderation seit den neunziger Jahren durchführt. 16 Doch auch nach den Überprüfungen durch das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR in den Jahren 1953/54 und 1956 wurden nicht wenige Urteile aus der Stalin-Zeit differenziert, gemildert und in manchen Fällen sogar ganz aufgehoben.17 Schließlich werfe ich einen Blick auf das Leben der „Nichtamnestierten" nach ihrer Entlassung - in der DDR wie in der Bundesrepublik - und greife einige Einzelfälle heraus, um die politische Dimension dieses Themas auch in konkreten Lebensgeschichten bzw. aus biographischer Perspektive zu veranschaulichen.
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Die Übersetzungen aus dem Russischen besorgte Hannelore Georgi, der ich - auch für ihre sachkundigen Literaturrecherchen und die Mitarbeit bei den Abfragen aus der Datenbank - herzlich danke. Vgl. dazu Schroeder, Sowjetrecht, in diesem Band. Vgl. Günther Wagenlehner, Die russischen Bemühungen um die Rehabilitierung der 1 9 4 1 - 1 9 5 6 verfolgten deutschen Staatsbürger. Dokumentation und Wegweiser (Gesprächskreis Geschichte 2 9 ) , Bonn-Bad Godesberg 1 9 9 9 . Siehe auch Leonid Kopalin, Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung, in diesem Band. Auch „Nichtamnestierte" haben unterdessen mit Erfolg Rehabilitierungsanträge gestellt. Vgl. Aufstellung von Günther Kowalczyk, 1 8 . 3 . 1 9 9 9 (IfA/HAIT-Archiv). Entsprechende Angaben finden sich in einigen Akten von „Nichtamnestierten" (IfA/ HAIT-Archiv). Zur Tätigkeit des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR in den Jahren 1 9 5 3 / 5 4 siehe Hilger, Faustpfand, sowie Kopalin, Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung, in diesem Band.
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Kriegsgefangene o d e r verurteilte Kriegsverbrecher?
Obwohl die Repatriierung aller deutschen Kriegsgefangenen - gemäß der gemeinsamen Erklärung, die die Siegermächte auf der Moskauer Außenministerkonferenz am 23. April 1947 abgegeben hatten - eigentlich schon bis zum 31. Dezember 1948 endgültig abgeschlossen sein sollte, hatte die UdSSR die Entlassung der von ihr zurückgehaltenen Angehörigen der Wehrmacht bzw. anderer Kampfverbände und Zivilgefangenen immer wieder verzögert. 18 Im Januar 1949 teilte die sowjetische Regierung in einem Memorandum an die Westmächte mit, dass die überwältigende Mehrheit der deutschen Kriegsgefangenen inzwischen repatriiert worden sei und die Freigabe der übrigen bis zum Ende des Jahres 1949 erfolgen werde. Über die Zahl der deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen, die 1949/50 in der Sowjetunion zurückgehalten wurden, gab es damals nur Schätzungen. Angesichts dieser Unklarheit 19 wirkte die Meldung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS vom 4. Mai 1950 in der westdeutschen Öffentlichkeit wie ein Schock. Denn darin wurde von sowjetischer Seite offiziell erklärt, dass die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion nunmehr abgeschlossen sei. Seit der Kapitulation Deutschlands seien bisher - so hieß es - fast zwei Millionen ( 1 9 3 9 0 6 3 ) deutsche Kriegsgefangene aus sowjetischem Gewahrsam entlassen worden. In der Sowjetunion befänden sich keine deutschen Kriegsgefangenen mehr, sondern nur noch 9 717 Deutsche, die wegen schwerer Kriegsverbrechen verurteilt worden seien. Außerdem würden knapp 3 815 Personen zurückgehalten, gegen die noch gerichtliche Untersuchungsverfahren wegen Kriegsverbrechen liefen, sowie 14 nicht transportfähige Kranke. 20 Im Jahr 1950 gab es freilich noch Hunderttausende vermisster ehemaliger deutscher Soldaten und Zivilgefangener. Die Hoffnung ihrer Angehörigen, dass sie noch lebten und in Lagern der UdSSR festgehalten würden, wurde durch die TASS-Meldung bitter enttäuscht. 21 Außerdem entstand nun plötzlich 18
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Zu den Hauptzielen der sowjetischen Kriegsgefangenenpolitik: der Ausnutzung von Arbeitskraft einerseits und der operativ-cekistischen bzw. strafrechtlichen Verfolgung tatsächlicher oder vermeintlicher Verbrechen vor und während der Gefangenschaft andererseits vgl. Hilger, Faustpfand, in diesem Band. Zu Beginn der Moskauer Außenministerkonferenz hatte der sowjetische Außenminister Molotow am 14. März 1947 mitgeteilt, dass sich nach den bisherigen Repatriierungen von 1 0 0 3 974 ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht bzw. anderer Kampfverbände derzeit noch 8 9 0 5 3 2 in sowjetischem Gewahrsam befänden. Die gravierende Differenz zu der vom Oberkommando der Roten Armee gegen Kriegsende (am 4. Mai 1945) genannten Zahl von 3 1 8 0 0 0 0 deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion blieb damit ebenso ungeklärt wie die Frage, w o eine Million deutscher Kriegsgefangener im Osten inzwischen verblieben sein sollte. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 19. Bei einer im März 1950 durchgeführten Registrierung der Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und Vermissten gingen 1 4 0 7 0 0 0 Meldungen ein. Sie bezogen sich auf 69 0 0 0 Kriegs-, Straf- und Untersuchungsgefangene, 1148 0 0 0 Vermisste der ehemaligen deutschen Wehrmacht und auf 190 0 0 0 vermisste Zivilpersonen. Vgl. Kurt Böhme,
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oder „ Schwerstkriegsverbrecher
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eine ganz neue Situation, weil die noch in sowjetischem Gewahrsam verbliebenen Kriegsgefangenen und Internierten faktisch zu Kriegsverbrechern umdefiniert wurden. Das hieß konkret, dass mit ihrer baldiger Rückführung nicht zu rechnen war und dass ihr weiteres Schicksal Anlass zu schlimmsten Befürchtungen gab. Tatsächlich befanden sich im Januar 1950 noch rund 3 1 0 0 0 Kriegsgefangene in sowjetischem Gewahrsam. 2 2 Auch die in der TASS-Erklärung vom 4. Mai 1950 angegebene Zahl von 13 5 4 6 Gefangenen, die bereits wegen Kriegsverbrechen verurteilt bzw. noch in Untersuchungshaft seien, entsprach nicht der Realität und war um mindestens 2 5 0 0 zu niedrig angesetzt. 2 3 Im Herbst 1953 wurden im Anschluss an die Moskauer Verhandlungen zwischen den Regierungen der D D R und der UdSSR vom 20. bis 22. August mehrere Tausend Kriegsgefangene entlassen. 24 Obwohl die DDR-Führung die Sprachregelung der Sowjets umgehend übernommen hatte und die nach 1949 noch in der UdSSR zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen ebenfalls durchweg als „Kriegsverbrecher" bezeichnete, verbuchte sie das Zustandekommen dieser Entlassungsaktion, von der sie sich - nach dem Desaster des 17. Juni 1953 - eine innenpolitische Stabilisierung erhoffte, als ihren Erfolg. 25 Allerdings wurden die Heimkehrer nicht mehr so emphatisch empfangen wie in früheren Jahren. Schließlich handelte es sich bei ihnen aus DDR-Sicht um „Kriegsverbrecher, die von der weiteren Abbüßung der Strafen [...], zu denen sie für während des Krieges begangene Verbrechen verurteilt wurden", befreit worden seien. Von dieser Begnadigung ausgenommen seien „Personen, die besonders schwere
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Hilfen für die deutschen Kriegsgefangenen 1939-1956. In: Erich Maschke (Hg.), Die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Eine Zusammenfassung (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges XV), München 1974, S. 347-446, hier S. 415f. Im Jahr 1965, also 25 Jahre später, wurden noch immer über eine Million (1170 412) Soldaten vermisst. 103 362 waren verschollen, nachdem von ihnen bereits ein Lebenszeichen übermittelt worden war. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 11, 45, sowie Hilger, Faustpfand, in diesem Band. Zur Manipulation der Kriegsgefangenenzahlen durch politische Stellen vgl. generell Manfred Zeidler/Ute Schmidt (Hg.), Gefangene in deutschem und sowjetischem Gewahrsam 1941-1956: Dimensionen und Definitionen (Berichte und Studien 23), Dresden 1999, S. 25 f. mit Bezug auf die Berechnungen Konasovs. Als fundierte Schätzung gilt, dass zwischen 700 000 und einer Million deutscher Soldaten nach ihrer Gefangennahme in der Sowjetunion umgekommen sind. Die Angaben reichen von rund 4 000 bis ca. 12 000. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 177; Martin Lang, Stalins Strafjustiz gegen deutsche Soldaten. Die Massenprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in den fahren 1949 und 1950 in historischer Sicht, Herford 1981, S. 117; Ihme-Tuchel, Tabu, S. 48f., 53; Hilger nennt mit Bezug auf eine Meldung der Pravda die Zahl von rund 5 500 entlassenen Kriegsgefangenen bis Oktober 1953, siehe Hilger, Faustpfand, in diesem Band, S. 259. Zu den drei Phasen der Kriegsgefangenenpolitik der DDR von 1949 bis 1955 vgl. Ihme-Tuchel, Tabu, S. 45-54; dies., Die SED, S. 491-503. Wie Hilger zeigt, war die DDR-Führung an der Entlassungsaktion vom Herbst 1953 nur insofern beteiligt, als sie die Entlassungen verzögern wollte. Vgl. Hilger, Faustpfand, in diesem Band, S. 255.
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Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit begangen haben". 2 6 Der Großteil der im Jahr 1953 Repatriierten ging in die Bundesrepublik. 27 Seit Anfang 1955 häuften sich die Hinweise darauf, dass die UdSSR im Zuge ihrer neuen deutschlandpolitischen Orientierung eine Normalisierung der Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland anstrebte und die Absicht hatte, sich auch in der Kriegsgefangenenfrage zu bewegen. 2 8 Als ein erstes Signal war der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Beendigung des Kriegszustandes zwischen der Sowjetunion und Deutschland" vom 25. Januar 1955 zu verstehen; damit war indirekt auch das Recht der noch auf sowjetischem Territorium festgehaltenen ehemaligen deutschen Soldaten bzw. Zivilisten auf eine Rückkehr nach Hause angesprochen. 2 9 Da die Sowjetunion die letzten unverurteilten deutschen Kriegsgefangenen ab April 1954 aus den Lagern entlassen hatte, 3 0 waren nurmehr solche Gefangene in sowjetischem Gewahrsam verblieben, die man schwerer Kriegsverbrechen bezichtigte. Am 14. März 1955 wurde eine Kommission aus Vertretern des Außenministeriums, des Justizministeriums, des Innenministeriums, des Komitees für Staatssicherheit und der Staatsanwaltschaft der UdSSR eingesetzt, die im Auftrag des Präsidiums des ZK der KPdSU die Unterlagen der verurteilten deutschen Kriegsgefangenen und Zivilisten prüfen sollte. Einen Monat später, im April 1955, gab das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ein weiteres Signal für die Verständigungsbereitschaft in der Kriegsgefangenenfrage: Auf Bitten des österreichischen Präsidenten wurden im Zusammenhang mit dem Abschluß des Staatsvertrages 613 österreichische Staatsbürger vorzeitig entlassen und weitere 113 Personen als Kriegsverbrecher an die Regierung Raab übergeben. 31 Am 4. Juli 1955 fasste das ZK der KPdSU dann einen Beschluss, demzufolge - wie von der Kommission empfohlen 3 2 - alle auslän26 27 28 29
30 31
32
Ihme-Tuchel, Tabu, S. 48. Vgl. auch Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 20. Vgl. Ihme-Tuchel, Tabu, S. 49; genauere Zahlenangaben bei Hilger, Faustpfand, in diesem Band, S. 259. Vgl. dazu ausführlich ebd., Abschnitt 8. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 107; Abdruck in: Nemeckie voennoplennye ν SSSR 1941-1955 gg. Sbornik dokumentov (Russkij archiv: Velikaja Otecestvennaja, 24 [13-2]), Moskau 1999, Dok. Nr. 94, S. 469f. Vgl. Hilger, Faustpfand, in diesem Band. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 108. Abweichend vom Votum der interministeriellen Kommission: Demnach sollten von insgesamt 729 Männern (392 Kriegsgefangenen und 337 Zivilisten) 300 Kriegsgefangene und 306 Zivilisten entlassen werden. 92 Kriegsgefangene sollten den österreichischen Behörden als „Kriegsverbrecher" übergeben werden. Hingegen sollten 31 Zivilisten, die als „Spione" verurteilt worden waren, weiterhin in der Sowjetunion verbleiben und ihre Strafen hier verbüßen. 17 „Spezialsiedler" sollten aus der Verbannung freikommen. Vgl. Maksim M. Zagorul'ko (Hg.), Voennoplennye ν SSSR 1939-1956. Dokumenty i materialy, Moskau 2000, Dok. Nr. 8.57, S. 903. Vgl. „Berichtsschreiben der Mitglieder der behördenübergreifenden Kommission an das ZK der KPdSU über die Zweckmäßigkeit der Entlassung und Repatriierung aller Personen, die wegen während des Zweiten Weltkrieges begangener Verbrechen verurteilt wurden", 4.7.1955. In: ebd., Dok. Nr. 8.58, S. 904.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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dischen Bürger repatriiert werden sollten, die während des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit Verbrechen begangen hätten, deren Freilassung jedoch die Sicherheitsinteressen der UdSSR nicht mehr tangieren würde. 33 Insgesamt waren dies 10 895 Personen aus 22 Staaten, davon 9 531 Deutsche, die in die Bundesrepublik und die DDR repatriiert werden sollten. 34 In seinem Schreiben vom 14. Juli 1955 an Walter Ulbricht und Otto Grotewohl informierte der Generalsekretär der KPdSU, Nikita Chruscev, die SEDSpitze über diesen Beschluss und unterlegte ihn mit den vom ZK genannten Zahlen: Aufgrund einer Amnestie sollten demnach 5 614 verurteilte deutsche Staatsbürger (3 708 Kriegsgefangene - darunter 180 Generäle - und 1 9 0 6 Zivilisten) entlassen werden; 3 917 deutsche Kriegsverurteilte (2 728 Kriegsgefangene und 1189 Zivilpersonen) sollten hingegen nicht amnestiert, sondern als Kriegsverbrecher entsprechend ihrem Wohnsitz den Behörden der DDR oder Westdeutschlands übergeben werden. 35 Chruscev kündigte an, dass sich ein offizieller Beschluss in dieser Frage noch in einem Präsidiumserlass niederschlagen werde, der auf entsprechende Gesuche beider deutscher Regierungen Bezug nehmen werde. 36 Bei der in Chruscevs Schreiben an die SED-Spitze anvisierten Gesamtzahl von 9 531 Personen sollte es jedoch nicht bleiben. Gleich zu Beginn der Verhandlungen zwischen den Regierungsdelegationen der UdSSR und der Bundesrepublik am 9. September 1955 nannte der sowjetische Ministerpräsident Bulganin, der seine Eröffnungsrede im Spiridonovka-Palais am 10. September zu einer zornigen Abrechnung mit den Verbrechen Hitler-Deutschlands nutz33
34
35 36
Laut Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 109, wurde der ZK-Beschluss am 14.7. 1955 gefasst. Das Dokument, abgedruckt in: Nemeckie voennoplennye (Dok. Nr. 95, S. 470f.) ist jedoch auf den 4.7.1955 datiert. Der Entwurf des Briefes, den Chruscev am 14.7.1955 an Ulbricht und Grotewohl sandte, liegt dem Dokument vom 4.7.55 als Anlage bei. Vgl. ebd., S. 471. Zur Datierung vgl. auch Hilger, Faustpfand, in diesem Band, S. 265, Anm. 256. Zu den über 9 000 deutschen Staatsbürgern kamen hinzu: 1064 Personen aus Ostblockstaaten (davon 696 „Kriegsverbrecher") sowie 300 Bürger kapitalistischer Staaten (davon 111, die als „Spione" verurteilt worden waren). Vgl. Zagorullco (Hg.), Voennoplennye ν SSSR 1939-1956, Dok. 8.58, Anlage, S. 905. Vgl. Ihme-Tuchel, Tabu, S. 49. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 109. Der angekündigte Präsidiumserlass erfolgte am 28.9.1955 (vgl. Anm. 1). Ein Gesuch seitens der DDR kam erst auf sowjetische Anforderung hin zustande. Wie Ihme-Tuchel resümiert (Tabu, S. 53 f.; SED, S. 502f.), war die DDR-Führung im Jahr 1955 nicht mehr daran interessiert, Initiativen in der Frage der Entlassung der Kriegsgefangenen zu ergreifen. Im Gegenteil: fetzt versuchte sie die Freilassung zu verhindern oder doch wenigstens zu verzögern - nicht zuletzt deshalb, weil ihr nicht daran gelegen war, dass Informationen aus weiteren, von den Heimkehrer-Verbänden in Gang gebrachten „Kameradenschinder-Prozessen" (DDR-Terminologie: „westdeutsche Provokationsprozesse" gegen „missliebige Antifaschisten") in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Die UdSSR war jedoch nicht gewillt, bei ihren außenpolitischen Prioritätensetzungen auf solche Bedenken der SED Rücksicht zu nehmen. Der DDR-Führung blieb daher nichts anderen übrig, als die Vorgaben der Brudermacht nachzuvollziehen. Das hinderte sie nicht daran, die Entlassungsaktion im Nachhinein in einen eigenen Erfolg umzumünzen.
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te, eine andere Zahl. In der Sowjetunion, so sagte er, gebe es überhaupt keine deutschen Kriegsgefangenen mehr: „Alle deutschen Kriegsgefangenen sind entlassen und zurückgekehrt. In der Sowjetunion befinden sich nur Kriegsverbrecher aus der ehemaligen Hitlerarmee, Verbrecher, die von sowjetischen Gerichten wegen besonders schwerer Verbrechen gegen das sowjetische Volk, gegen den Frieden und die Menschlichkeit verurteilt wurden. Tatsächlich befanden sich [sie!] in unserem Lande 9 626 solcher Personen. Aber das sind Menschen, die nach den Gesetzen und Regeln der Menschlichkeit als Verbrecher hinter Schloss und Riegel gehören. Das sind Menschen, die die Menschenwürde verloren haben." 3 7 Im Ergebnis führten die Moskauer Verhandlungen dazu, dass über die Repatriierung der jetzt genannten 9 626 Personen eine mündliche Einigung in Gestalt eines „Ehrenwortes" erzielt wurde. 3 8 Dass damit keineswegs alle noch in der Sowjetunion zurückgehaltenen deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen erfasst waren, dürfte nicht nur der bundesrepublikanischen Delegation, sondern auch der sowjetischen Seite klar gewesen sein. 39 Unmittelbar nach der Abreise der bundesdeutschen Delegation beauftragte das Präsidium des ZK der KPdSU am 14. September 1955 Vertreter des Außen-, des Innen- und des Justizministeriums damit, eine Übersicht über die deutschen Kriegsgefangenen und Vertragsarbeiter vorzulegen. 40 Einer von dieser Gruppe verfassten Dienstmitteilung zufolge setzte sich die Gruppe der 9 624 Repatrianten (zwei waren inzwischen verstorben) aus 6 435 Kriegsgefangenen und 3189 Zivilisten zusammen. Unter den Kriegsgefangenen waren 181 Generäle, 1695 Offiziere, 4 559 Unteroffiziere und Soldaten. Die meisten früheren Wehrmachtsangehörigen verbüßten ihre Strafe im Lager 476 im Gebiet Sverdlovsk, während die Generäle im Lager 48 der Siedlung Cernzy (Gebiet Ivanovo) zusammengezogen worden waren. Die verurteilten Zivilisten 37 38
39
40
Zitiert nach Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 2 5 5 . Im Schlusskommuniqué konnte diese Absprache nicht festgehalten werden, weil es nach offizieller sowjetischer Version bzw. für die sowjetische Öffentlichkeit keine deutschen Kriegsgefangenen und sonstigen Zurückgehaltenen gab. Für das Zustandekommen dieser Einigung spielte in der bundesrepublikanischen Delegation nicht nur Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), sondern auch der sozialdemokratische Parlamentarier Carlo Schmid eine wichtige Rolle. Aufgrund von Briefen aus den letzten beiden Jahren, ging man im Auswärtigen Amt davon aus, dass in der Sowjetunion noch etwa 130 0 0 0 Deutsche gewaltsam festgehalten würden. Adenauer sprach dies auch in den Moskauer Verhandlungen an. Bulganin, der sich während der Verhandlungen gegenüber Adenauer dazu hinreißen ließ, „alle, alle, alle" - also nicht nur die Verurteilten, sondern auch „die anderen" - freigeben zu wollen, nahm dies später wieder zurück: „Zusagen hinsichtlich anderer Deutscher als der 9 6 2 6 so genannten Kriegsverbrecher" habe er nicht gemacht. „Andere Deutsche existierten nicht." Schließlich willigte Bulganin, nach längerem Hin und Her, doch noch ein, auch jene deutschen Internierten freizugeben, deren Aufenthalt in der Sowjetunion durch deutsche Stellen nachgewiesen werden könne. Zitiert nach Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 2 6 0 - 2 6 3 ; vgl. auch Rolf-Dietrich Keil, Mit Adenauer in Moskau. Erinnerungen eines Dolmetschers, Bonn 1997, S. 131. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 114f.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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befanden sich in „Arbeits- und Besserungslagern" in den Gebieten Gorkij und Sverdlovsk sowie in der Region Krasnojarsk und in der Mordwinischen ASSR. 41 In der Dienstmitteilung wurde übrigens an eine schon seit Juni vorliegende Ausarbeitung der Mitte März 1955 eingesetzten behördenübergreifenden Kommission erinnert, gegen die das ZK der KPdSU bisher nichts einzuwenden gehabt habe. Demzufolge sollten 5 707 deutsche Staatsbürger vorfristig entlassen und 3 917 Personen zur weiteren Strafverbüßung an die Regierungen der DDR ( 1751 Personen) und der Bundesrepublik (2 166 Personen) übergeben werden (zusammen 9 624 Personen). 42 Diese Aufstellung sowie weitere Informationen über deutsche Gefangene in verschiedenen „Sondersiedlungen" und noch nicht repatriierte „Spezialisten" aus dem Gebiet Suchumi hatten der sowjetischen Seite demnach zu Beginn der Moskauer Verhandlungen bereits vorgelegen. 43 Am 26. September fiel dann auf der Sitzung des Präsidiums des ZK der KPdSU - überraschenderweise abweichend von den bisherigen Vorschlägen die Entscheidung, nur 749 Kriegsverurteilte zur weiteren Strafverbüßung an die Behörden der DDR und der Bundesrepublik zu übergeben. Der weitaus größte Teil der Repatrianten, nämlich 8 877 Personen, sollte vorfristig entlassen werden. Welche Gründe zu dieser Modifikation geführt haben, die die Zahl der an die DDR und die Bundesrepublik zur weiteren Strafverbüßung zu übergebenden „Nichtamnestierten" faktisch auf ein Fünftel reduzierte, ist nicht bekannt. Eine Rolle könnte dabei gespielt haben, dass sich die sowjetische Führung über die mangelhafte Rechtsgrundlage vieler Verurteilungen, die einer ernsthaften Prüfung nicht standhalten würden, durchaus im Klaren war. 44 Am 29. September veröffentlichte die sowjetische Presse dann eine Mitteilung, die den Text des Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 28. September „Über die vorfristige Entlassung deutscher Staatsbürger, die von Gerichtsorganen der UdSSR für die von ihnen begangenen Verbrechen gegen die Völker der Sowjetunion während des Krieges verurteilt wurden" publik machte. 45 Gemäß dem Erlass vom 28. September sollte die Rückführungsaktion bis zum 22. Oktober 1955 abgeschlossen sein. Nach dem 15. Oktober wurden die Transporte jedoch gestoppt - vermutlich deshalb, weil sich die Akkreditierung des sowjetischen Botschaftspersonals verzögert hatte und andere, technische Probleme aufgetreten waren. Anfang Dezember wurden die Repatriierungen wieder aufgenommen. Insgesamt wurden bis zum 18. Januar 1956 - so der Abschlussbericht des stellvertretenden Innenministers Perevertkin an das ZK
41 42 43 44 45
Vgl. Nemeckie voennoplennye ν SSSR 1941 -1955 gg., S. 479f. Vgl. ebd., S. 480. Uber die baldige Repatriierung dieser Personen wurde nun ebenfalls entschieden. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 115. Diese Vermutung äußert ζ. B. Konasov. Vgl. ebd., S. 116. Vgl. Anm. 1.
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der KPdSU und an den Ministerrat 46 - 9 536 deutsche Kriegs- und Zivilgefangene nach Ost- und Westdeutschland zurückgeführt. Die Gesamtzahl fächert sich in Perevertkins Bericht folgendermaßen auf: Repatriierungen laut Beschluss: Vorzeitig entlassen und repatriiert: Als Kriegsverbrecher übergeben: Insgesamt:
8 877 749 9 626
In Ausführung der Beschlüsse: Entlassen und repatriiert in die DDR: in die Bundesrepublik: Insgesamt:
3 104 6432 9 536
Von den 9 536 als Kriegsverbrecher übergeben an die DDR: an die Bundesrepublik: Insgesamt:
273 471 744
Unter den 9 536 Repatriierten waren Generäle und Admiräle der ehemaligen Deutschen Wehrmacht: in die DDR: in die Bundesrepublik:
177 5 172
Die Differenz zwischen den gemäß Beschluss zu repatriierenden 9 626 Gefangenen (8 877 plus 749) und den tatsächlich repatriierten 9 536 ergab sich daraus, dass 28 Personen aus nicht näher erläuterten Gründen vom KGB vorläufig zurückgehalten wurden. Vier Deutsche und ein Tscheche nahmen freiwillig die sowjetische Staatsbürgerschaft an, ein Russlanddeutscher war bereits sowjetischer Staatsbürger. Ein Repatriant wurde zu seinen Verwandten nach Polen entlassen. 29 Personen waren inzwischen verstorben, 26 befanden sich noch schwerkrank in psychiatrischen Spezialkliniken und sollten später repatriiert werden. 47
46 47
Abschlussbericht Perevertkins an das ZK der KPdSU und an den Ministerrat vom 18.1.1956, Nr. 572/p, zitiert nach Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 139. Vgl. ebd., S. 140 f. Über das weitere Schicksal der 28 vom KGB zurückgehaltenen Personen sowie der anderen Personen geben die vorliegenden Akten keine Auskunft. 28 Kranke aus der Nervenheilanstalt Kazan' trafen am 28. Februar 1956 in Eberswalde ein. Vgl. Hilger, Faustpfand, in diesem Band, S. 270f.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"? 2.
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Die Z u s a m m e n s t e l l u n g der T r a n s p o r t e nach d e n M o s k a u e r Verhandlungen u n d die Fahrt nach Westen
Die Berichte von Heimkehrern aus dem Kontingent der „Nichtamnestierten" kreisen immer wieder um zwei zentrale Punkte: Zum einen blieb das Prinzip, nach dem die Transporte im Entlassungslager Revda (5110/24) zusammengestellt wurden, für sie nicht erkennbar. Ihnen erschien das Verfahren als ein eher zufälliges „Zusammenwürfeln" oder „Zusammentreiben" verurteilter deutscher Kriegs- und Strafgefangener, um eine bestimmte Vorgabe zu erfüllen. Zum andern waren die Gefangenen bis kurz vor der Abfahrt nicht darüber informiert worden, wer von den Repatrianten unter die Amnestie fiel und wer nicht; auch das Lagerpersonal und die verantwortlichen Offiziere konnten ihnen darüber keine Auskunft geben. Bis zur Abfahrt war ihnen also nicht klar, ob sie in Deutschland als freie Bürger oder als Kriegsverbrecher ankommen würden, die den Behörden im Heimatland zur weiteren Strafverbüßung zu übergeben waren. So berichtete der ehemalige Oberst Günther E., der mit dem DDR-Transport am 17. Dezember 1955 nach Bautzen kam, dass am Abend des 7. Oktober 1955 in Revda ein Abschiedsabend für die Repatrianten veranstaltet worden sei, an dem auch der Chef der Lagerverwaltung, General Tutuskin, teilgenommen habe. 48 Bei dieser Gelegenheit habe der General allen Anwesenden ausdrücklich versichert, in der ganzen Lagergruppe Sverdlovsk zähle niemand zu den 749 „Nichtamnestierten". Die Freude über diese Erklärung sei bei allen Anwesenden so groß gewesen, dass sich die Abschiedsfeier bis spät in die Nacht ausgedehnt habe. Die Erklärung Tutuskins sei von den anderen Lagerchefs übernommen worden. Alle Lagerkommandanten hätten „feierlichst erklärt, dass sich in ihrem Lager keine Nichtamnestierten befinden". 49 Überall sei der Erlass über die bevorstehende Heimkehr verlesen worden. Nach der Darstellung von Günther E. vollzog sich die „Zusammenziehung" der Gruppe im Lager Revda in mehreren Schüben von Anfang bis Mitte Oktober 1955. In diesen Tagen seien verurteilte Kriegsgefangene und Zivilisten in kleineren Gruppen in das Lager gekommen. Sie seien zumeist nicht oder kaum bewacht worden, hätten sich unterwegs frei bewegen und sogar Einkäufe tätigen können. Den Gefangenen aus Suchobezvodnoe habe man auf der Fahrt nach Revda täglich 10 Rubel ausgezahlt, was Günther E. als „einmaligen" Vorgang bezeichnete. Unterwegs sei diese Gruppe übrigens von einer Parteidienst48
49
In einer Befragung durch Vertreter des Suchdiensts des DRK, des DRK-Landesverbandes Niedersachsen, der Rechtsschutzstelle München u. a. am 14.4.1956. Günther E. wurde am 13.4.1956 aus der StVA Bautzen nach Westdeutschland entlassen und nach der Ankunft dieses Transports im Lager Friedland als einer von fünf Berichterstattern ausgewählt. Vgl. DRK-Suchdienst, Arbeitsgruppe Friedland, „Bericht über den Transport E 3 5 / 5 5 - Nichtamnestierte - aus Swerdlowsk, über die StVA Bautzen in Friedland am 14.4.1956 eingetroffen", 1 9 . 4 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Vgl. ebd.
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stelle eingeladen worden, die zu ihren Ehren ein Fest gegeben habe. Auf der Feier sei auch ein Beauftragter des Ministeriums namens Komarov zugegen gewesen, der den Gefangenen gesagt habe, sie seien amnestiert und hätten „das Glück, bald nach Hause fahren zu können". 50 Auch in anderen Lagern gab es Freudenfeste. Im Lager Resety luden die Gefangenen die gesamte sowjetische Lagerleitung und die Wachmannschaften ein und feierten mit ihnen zwei Tage lang. Alle Gruppen seien davon ausgegangen, dass sie im Lager Revda gesammelt würden, um von hier aus als Amnestierte entlassen zu werden. Die folgende Aufstellung gibt eine Übersicht über die Lager, aus denen die Gefangenen nach Revda kamen. Es sind nicht die Lager, in denen sie ihre Strafen verbüßt hatten, sondern Durchgangslager oder „Etappen", in denen die Gefangenen vor ihrer Entlassung eine Zeitlang in klimatisch günstigeren Zonen und unter wesentlich besseren Bedingungen untergebracht worden waren. 51 Nr.
Ankunft in Revda
1
6.10.1955
Aus: Lager 1 (Bunker-
Anzahl 84
lager) 2
7.10.1955
Lager 2 2 - 2 8
80
3 4 5 6
9.10.1955 12.10.1955 12.10.1955 o. D.
Lager 25 Lager Asbest Pot'ma Suchobezvodnoe
83 42 25 55
7
13.10.1955
Resety
34
8 9
13.10.1955 8.12.1955
Vladimir Pervouralsk
6 55
Zusammen
über Sverdlovsk über Sverdlovsk 53 Zivilgefangene 2 Kriegsgefangene 31 Männer 3 Frauen
464
Zusammenstellung nach den Angaben im „Bericht über den Transport E / 5 5 - Nichtamnestierte - aus Swerdlowsk über die StVA Bautzen in Friedland am 14.4.1956 eingetroffen", 19.4.1956 (vgl. Anm. 48). Die Zahl der Gefangenen in den einzelnen Transporten war nicht in jedem Fall exakt feststellbar und ist daher als Annäherungswert zu verstehen. Fest steht, dass das Lager am 8. Dezember mit genau 6 0 4 Personen belegt war.
50 51
Vgl. ebd. Vgl. Kurt Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges V / l - 3 ) , Band V/1, München 1965, S. 310.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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Am 15. Oktober 1955 erfuhren die Gefangenen bei einer Versammlung im Lager Revda von einem Gesandten der Lagerverwaltung, dass die Repatriierungen gestoppt worden seien, weil die Bundesregierung die Bedingungen dafür nicht erfüllt habe. Die Frage, ob sie zu den 749 „Nichtamnestierten" gehörten, konnte der Gesandte ihnen nicht beantworten, da er über keine solche Liste verfüge. Günther E. bemerkte, dass die Bewachung des Lagers nach dem Repatriierungsstopp wieder verstärkt und ein Ausgehverbot verhängt wurde - diesmal ironischerweise nicht, um Ausbruchsversuche von Gefangenen zu verhindern, sondern angeblich, um die einheimische Bevölkerung von dem gut verpflegten Lager fernzuhalten. Dennoch betrachteten viele Gefangene die undurchsichtige und von vielen Gerüchten, Mutmaßungen und Desinformationen durchzogene Situation mit sehr gemischten Gefühlen. Ihre Unruhe und ihr Misstrauen verstärkten sich noch, als sich herumsprach, dass sich unter den Neuzugängen auch Strafgefangene befanden, die wegen ihrer Verbrechen im KZ Sachsenhausen oder wegen Kriminaldelikten verurteilt worden waren, und dass auch verurteilte Zivilisten aus der SBZ/DDR im Lager Revda gesammelt wurden. 52 Am 8./9. Dezember wurde der Zug, der 272 Nichtamnestierte (darunter 3 Frauen) in die DDR bringen sollte, in Revda abgefertigt. Den Gefangenen wurde eine Liste verlesen, aus der hervorging, in welchen Transport (DDR oder Bundesrepublik) sie eingeteilt waren. Allerdings stellte sich heraus, dass die bei der Juni-Befragung zur Wohnsitznahme gemachten Angaben oft nicht berücksichtigt worden waren. Auf die Frage, ob sie zur Kategorie der „Nichtamnestierten" gehörten, antwortete ihnen der Transportführer, er habe den Auftrag, den Transport nach Berlin zu führen und dort einer Internationalen Kommission zu übergeben. Bei dieser Kommission könnten sie ihre Wünsche vortragen. Vor der Abfahrt erhielten die Gefangenen neue Wattekleidung und eine ungewohnt üppige Marschverpflegung; ein besonderes Kommando brachte ihr Gepäck zum Bahnhof. Dann marschierten sie in kleineren Gruppen zum Bahnhof und bestiegen zu jeweils 43 Personen die Waggons, die danach verschlossen wurden. Am Abend des 9. Dezember um 21.30 Uhr Moskauer Zeit fuhr der Zug ab. Trotz der Sicherungsmaßnahmen 53 erhielten die Gefangenen unterwegs warme Verpflegung und durften auch auf einigen Bahnhöfen einkaufen. In Brest mussten sie ihr letztes Geld ausgeben 54 und wurden dann in deutsche Waggons umgeladen. 52
53
54
Vgl. Siegfried B., Meine Heimkehr aus sowjetischer Gefangenschaft als „Nichtamnestierter" in die Bundesrepublik Deutschland am 14.1.1956, 2 2 . 4 . 1 9 9 9 (Kopie im IfA/ HAIT-Archiv). Der Zug wurde von einer Wachmannschaft von ca. 25 bis 30 Mann begleitet. Die einzelnen Waggons waren mit Telefonen verbunden. Auf den Bremserhäuschen waren MG-Türme errichtet. Laut Abschlussbericht des Stellv. Innenministers Perevertkin vom 18.1.1956 wurden von Kriegsgefangenen bei den Einkäufen vor und auf der Heimreise immense Warenmengen umgesetzt: „Jeder Repatriant hatte die Möglichkeit, auf Wunsch Industriewaren und Lebensmittel in den bei den Sammelpunkten speziell dafür eingerichteten
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Das Kontingent, das für die Bundesrepublik bestimmt war, wurde einen Monat später, am 4. Januar 1956, in Revda zusammengestellt und am Abend des nächsten Tages, am 5. Januar, zum Bahnhof gebracht. Auch diese Gruppe erhielt bis zu ihrer Abreise von den Sowjets keine offizielle Erklärung, dass sie zu den „Nichtamnestierten" gehörte. Sie erfuhr es erst vom Transportleiter, der die russische Liste gesehen hatte - mit der Information, diese Heimkehrer müssten der Bundesregierung übergeben werden, da man sie wegen schwerer Kriegsverbrechen nicht habe amnestieren können. In den Schilderungen der Beteiligten erscheint die Heimfahrt wie eine Collage von Sequenzen aus dem sowjetischen Kino der dreißiger Jahre und Agentenfilmen aus den Jahren des Kalten Krieges: Eiseskälte, verschlossene, mit Stacheldraht gesicherte und außen von Scheinwerfern angestrahlte Güterwagen, Postenstände an den Waggonenden, aufgepflanzte Seitengewehre, an der Spitze des Zuges ein Salonwagen für den Bevollmächtigen des Obersten Sowjets, einen General, über 20 Offiziere, in den Güterwagen 60 bis 70 Rotarmisten. 5 5 Nach der Umladung auf Normalspur in Brest dann eine nächtliche Non-Stop-Fahrt durch Polen bis an die Grenze in Frankfurt (Oder). Dort wurde der Zug von einem Aufgebot der NVA und der Volkspolizei im Empfang genommen, bis er, wieder in der Nacht und ohne Halt, die DDR durchquerte und schließlich kurz vor dem Bahnhof Herleshausen stoppte. Nun wurden die Sicherheitseinrichtungen demontiert und, im Morgengrauen des 14. Januar 1956, der ganze Zug auf das Gebiet der Bundesrepublik geschoben. Die Übergabe der „Nichtamnestierten" fand auf der Westseite des Bahnhofs Herleshausen in Anwesenheit der bewaffneten Rotarmisten statt. Eine Abordnung des Bundesgrenzschutzes/Kommando Nord riegelte das Bahnhofsgelände nach außen ab, um die Öffentlichkeit fernzuhalten. Die Gefangenen wurden vom sowjetischen Bevollmächtigten namentlich aufgerufen und dann dem Ver-
55
Läden zu erwerben. Beispielsweise kauften allein die Repatrianten aus dem Lager 476 im Gebiet Sverdlovsk verschiedene Waren mit einem Gesamtbetrag von mehr als 4 0 0 0 0 0 Rubel, u. a.: mehr als 9 0 0 kg Wurstwaren, ca. 3 0 0 kg Butter und Margarine, 11 Zucker, 3 0 0 kg Käse, 1 5 0 0 Flaschen Sekt und Wein sowie 3 5 0 Taschen- und Armbanduhren, 150 Koffer, 50 Damen-Handtaschen, 10 Fotoapparate und andere Waren. Damit die Repatrianten das verbliebene sowjetische Geld ausgeben konnten, wurde in Brest, dem Umverladeort, der Handel mit Lebensmitteln, Industriewaren, Juweliererzeugnissen, Parfüm, Büchern und Zeitungen organisiert. Hier gab es auch eine Postfiliale, wo Telegramme entgegengenommen sowie Karten, Briefumschläge u. ä. verkauft wurden. Vom Handelsnetz der Stadt Brest wurden Waren im Wert von mehr als 3 0 0 0 0 0 Rubel verkauft." Zitiert nach Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 141 f. Die Zahlen über die Begleitmannschaften differieren in den verschiedenen Berichten. Nach einem ersten „Übersichtsbericht über den Transport E 5 / 5 6 " vom 15.1.1956 waren es 150 bewaffnete Soldaten, davon 2 5 Offiziere, unter ihnen zwei Oberste (Kopie im IfA/HAIT-Archiv).
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treter der Bundesrepublik, Legationsrat Hergt 56 , einzeln übergeben. 57 Nach der Übergabe und einer ersten Versorgung durch Rote-Kreuz-Schwestern wurden die „Nichtamnestierten" in 14 Omnibussen und Krankenwagen auf einer Sonderroute in die Bundesgrenzschutz-Kaserne in Hannoversch-Münden gebracht. Panzerspähwagen des Bundesgrenzschutzes eskortierten den Transport, der ohne Halt die auf Grün geschalteten Ampeln passierte. Der offizielle Empfang der Heimkehrer fand dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Turnhalle der Grenzschutz-Kaserne in HannoverschMünden statt und fiel - wie der DRK-Berichterstatter vom Sondereinsatz Hannoversch-Münden in seinem Kurzprotokoll festhielt - recht kühl aus: „Alle Herren vermieden die Heimkehrer herzlich willkommen zu heißen." 5 8 Die Ausführungen Hergts waren „äußerst zurückhaltend": Er verlas eine mit der Bundesregierung abgestimmte Verlautbarung, in der den Heimkehrern mitgeteilt wurde, dass sie in Kürze zu ihren Angehörigen entlassen würden. Es sei ihnen bekannt, dass sich die Bundesregierung bei den Moskauer Verhandlungen verpflichtet habe, ihre Fälle durch die deutschen Justizbehörden überprüfen zu lassen. Dieser Verpflichtung wolle man sich nicht entziehen. Allerdings könnten die Heimkehrer davon ausgehen, dass es in der Bundesrepublik keine politische, sondern eine demokratische Justiz gebe. Für die 452 Ankömmlinge gab es keine Ovationen der Bevölkerung, kein Glockengeläut wie sonst üblich, keine Predigt des Lagerpfarrers und keine Journalisten. Die Presse wurde erst auf einer anschließend anberaumten Pressekonferenz über die „delikate Angelegenheit" informiert und auch in ihrer Berichterstattung um Diskretion gebeten. Im Unterschied zur sonst üblichen Praxis wurden die Namen der übergebenen Personen auf Wunsch des Auswärtigen Amtes von Legationsrat Hergt nicht veröffentlicht. 59 Hergt teilte mit, dass die Prozessakten von den Sowjets auf diplomatischem Wege über die Bonner Botschaft ausgehändigt würden. Da der Bund nicht die Justizhoheit 56
57
58
59
Raimund Hergt ( 1 9 1 6 - 1 9 7 7 ) war von 1 9 5 0 bis 1 9 5 8 - anfangs im Bundesjustizministerium, ab 1951 im Auswärtigen Amt - für die Kriegsgefangenen (Kriegsverurteilten) in Ost und West sowie für die Zivilverschleppten zuständig. Hergt an Wagenlehner, 2 4 . 6 . 1 9 9 3 (IfA/ H AIT- Archiv); vgl. auch die Kurzbiographie in Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen, S. 3 0 5 f. Vgl. Siegfried B., Abreise, Ankunft und Übernahme der „Nichtamnestierten" am 14.1. 1 9 5 6 in Herleshausen, 3 0 . 1 1 . 1 9 9 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv), sowie ders., Meine Heimkehr (vgl. Anm. 5 2 ) . Nach dieser Darstellung wurden der deutschen Seite auch Schriftstücke übergeben. Dabei handelte es sich allerdings nicht um die Akten der Übergebenen; ihre Übergabe sollte erst später auf diplomatischem Wege erfolgen. Nach bisherigem Kenntnisstand sind diese Akten der Bundesrepublik weder bei der Übergabe noch später übergeben worden. Bei der Begrüßung des Transportes in Hannoversch-Münden waren neben Legationsrat Hergt der Lagerleiter von Friedland, Dr. Frehsen, Präsident Hausmann ( D R K Niedersachsen) sowie Lagerpfarrer Dr. Krähe zugegen. Vgl. suchdienst hmb, Sondereinsatz h.m., 14.55 Uhr, betr.: e 5 / 5 6 , 1 4 . 1 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). suchdienst hmb, sondereinsatz h.m., 11.50 Uhr, betr.: e 5 / 5 6 , 1 4 . 1 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv).
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besitze, würden die Akten an die zuständigen Landesjustizministerien weitergereicht. Lagerleiter Dr. Frehsen gab bekannt, dass auch die „Nichtamnestierten" nach dem Heimkehrergesetz behandelt würden; sie bekämen 300 DM Unterstützung und die Heimkehrer-Bescheinigung. Sollte sich jedoch herausstellen, dass sie sich tatsächlich irgendwelcher Verbrechen schuldig gemacht hätten, so könnte ihnen die jetzt ausgestellte „Heimkehrereigenschaft" wieder entzogen und das Geld zurückverlangt werden. 60 Die klandestine Übergabe, die besonderen Sicherheitsvorkehrungen und der mehr als zurückhaltende Empfang der „Nichtamnestierten" illustrieren die prekäre Situation und das Geheimnis, das diese Transporte im Unterschied zu den anderen Heimkehrer-Zügen im Westen wie im Osten umwitterte. Von Seiten der Bundesregierung war das Bemühen deutlich, möglichst große Vorsicht beim Empfang walten zu lassen; damit wollte sie erstens zeigen, dass sie zwischen den Kategorien der „Amnestierten" und der „Nichtamnestierten" zu unterscheiden wisse, und sich zweitens von den Sowjets nicht vorwerfen lassen, dass sie die Spätheimkehrer zu „antisowjetischer Propaganda" missbrauche. Der folgende Abschnitt schildert in einer Rückblende, welche hypertrophen Sicherungsmaßnahmen die DDR-Führung einen Monat zuvor angeordnet hatte. Im Abschnitt 4 komme ich nochmals auf den Transport E 5 / 5 6 zurück.
3.
D e r T r a n s p o r t nach Bautzen
Der DDR-Transport war bereits vor Weihnachten, am 17. Dezember 1955, um 9.30 Uhr auf dem Güterbahnhof in Frankfurt (Oder) eingetroffen. 61 Die gespenstische Szenerie, die sich den Gefangenen hier bot, zeigte, für wie gefährlich man sie in der DDR tatsächlich hielt: Der gesamte Bahnhof war von Volkspolizisten gesichert, die in vier Absperrlinien aufgestellt waren: „Alle 1 bis 2 Meter ein Posten mit MG und Sturmgewehr im Anschlag auf die Waggontüren gerichtet. Die zweite Linie war in Höhe des Bahnkörpers, die dritte ungefähr auf 150 m Entfernung, die vierte Linie 400 bis 500 Meter entfernt. Diese Absperrkette war noch mit Hunden gesichert. Alle 50 Meter war ein SMG in Stellung gebracht worden." 62 60 61
62
suchdienst hmb, sondereinsatz h.m., 14.55 Uhr, betr.: e 5 / 5 6 , 14.1.1956 (Kopie im IfA/ H AIT- Archiv); vgl. auch Süddeutsche Zeitung vom 16.1.1956. Die Angaben zur Zahl der Ankömmlinge in der D D R differieren. Ich beziehe mich hier auf die Angaben bei der Abfahrt des Zuges in Revda ( 2 7 2 Personen, darunter drei Frauen). Im Übergabeprotokoll verzeichnete der Beauftragte der DDR, VP-Rat Herzog, 2 6 9 Personen. Anderen Quellen zufolge waren es 2 7 0 oder 271 Personen. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 16.1.1956. Wie der Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für Kriegsgefangenenarbeit Bischof D. Heckel am 24.1.1956 an Legationsrat Hergt vom AA schrieb, waren von ursprünglich 271 Personen zwei Mann unterwegs (in Polen) zurückgeblieben (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). „Bericht" (vgl. Anm. 48), S. 7.
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Nach dem Bericht von Günther E. wurde jeder Waggon durch einen SSDoder VP-Offizier übernommen, der den Gefangenen Verhaltensmaßregeln bekannt gab und darauf hinwies, dass die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen jeden Fluchtversuch scheitern lassen würden. Das Ziel des Transports wurde nicht mitgeteilt. Nach kurzem Aufenthalt ging die Fahrt mit D-Zug-Geschwindigkeit weiter. Die passierten Bahnhöfe waren menschenleer. Uberall gab es Absperrketten. Jeder Bahnübergang und jede Brücke war durch Kradschützen gesichert. Auf freier Strecke standen im Abstand von 100 Metern Posten mit Gewehren. 63 Der Transportzug soll außerdem von zwei Flugzeugen begleitet worden sein. Auch der Zielbahnhof Bautzen war vollständig abgesperrt. Außerdem war ein Wasserwerfer aufgefahren für den Fall, dass sich die Gefangenen weigerten, aus dem Zug auszusteigen. Nach ihrer Ankunft in Bautzen wurden sie erneut gezählt und dann in normalen Gefängniswagen und LKWs in die Haftanstalt abtransportiert. „Hinter jedem Wagen fuhr als Sicherung ein B-Krad mit schussbereitem Maschinengewehr. Der Soziusfahrer hielt ebenfalls sein Gewehr im Anschlag. Die Straßen [...] waren vollkommen leer. Selbst an den Fenstern war niemand zu sehen. Auf den Bürgersteigen patrouillierte Volkspolizei." 64
3.1
Die Aktion „Winter" - „HORNISSEN", „BIENEN", „AMEISEN"
Die grotesk anmutenden Sicherheitsvorkehrungen waren bereits Wochen vor dem Eintreffen des Transportes geplant und angeordnet worden. Der Leiter der Verwaltung Strafvollzug, Mayer, verband die Aufgabe der Transportsicherung zugleich mit einem Übungs- und Ausbildungsprojekt für den Nachwuchs der Volkspolizei: In seinem Sicherungskonzept war der Zentralschule der Volkspolizei für den Strafvollzug (ZSdVP) Radebeul eine tragende Rolle zugedacht. Am 12. Oktober 1955 erging an den Leiter der ZSdVP Radebeul eine erste „Sonderanweisung" 65 , die den Personaleinsatz und die Aufgaben der ZSdVP umriss. 66 Während des Einsatzes der Polizeischüler wurde der Lehrbetrieb unterbrochen, sodass für die „Zeit, in der keine Transporte stattfinden", ein „Sonderlehrplan" ausgearbeitet werden musste.
63 64 65
66
Vgl. ebd. Ebd. Verwaltung Strafvollzug, „Sonderanweisung zum Einsatzbefehl anlässlich der Übernahme der Gefangenen aus der Sowjetunion", 12.10.1955 (Kopie im IfA/HAITArchiv). Zur „reibungslosen Übernahme der aufgrund des Beschlusses des Obersten Sowjets der Sowjetunion an die Regierung der D D R zu übergebenden Gefangenen sowie zur Organisierung und Durchführung des Weitertransportes in die entsprechenden StVA" sollte ein Zug (Offiziersklasse) nach Frankfurt (Oder) kommandiert und im Ausbildungslager Nunen bei Frankfurt (Oder) untergebracht werden.
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Wenige Tage bevor die „Nichtamnestierten" dann tatsächlich am 17. Dezember eintrafen, erließ Mayer einen weiteren Einsatzbefehl; 67 damit wurden die am 12. Oktober gegebenen Anweisungen außer Kraft gesetzt und die Aufgaben der ZSdVP Radebeul, die für die Bewachung des Transports vom Zeitpunkt der Übernahme bis zum Zeitpunkt der Übergabe Sorge zu tragen hatte, konkretisiert. Demnach sollten am 15. Dezember insgesamt 85 Angehörige des Strafvollzuges nach Frankfurt (Oder) in Marsch gesetzt werden. Die Einsatzkompanie war mit drei Tagen Marschverpflegung auszustatten und in Frankfurt (Oder) unterzubringen. Den Kompanie- und die Zugführer sowie deren Stellvertreter PA (Politische Arbeit) hatte die Lehrerschaft zu stellen. Für die Ausrüstung und Bewaffnung des Kommandos gab es klare Anweisungen: „Großer Marschanzug, kleines Marschgepäck. Kompanie-, Zug- und Gruppenführer und Kompanie- und Zug-PA Pistole 08. Die Gruppe je 2 MPi, sonst Karabiner 98. Munition je Pistole 16 Schuss, je MPi 2 Magazine 60 Schuss, je Karabiner 30 Schuss. Außerdem je ein Polizeiknüppel." Einen Tag später, am 16. Dezember, sollte ein Einsatzzug mit 31 Mann nach der StVA Bautzen kommandiert werden, um die „Entladung der Strafgefangenen in Bautzen" zu sichern. 68 Die Verwaltung Strafvollzug war zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht darüber informiert, um wie viele Ankömmlinge bzw. welche Personengruppen es sich handelte. Offensichtlich rechnete man mit einem größeren Kontingent. 69 So wurde angeordnet, „für Notunterkünfte oder besondere Fälle" in Frankfurt (Oder) einen Haftraum von 50 Plätzen bereit zu halten und dafür zu sorgen, dass ab dem 17. Dezember in der StVA Bautzen zusätzlich 500 Essensportionen ausgegeben werden könnten. Die weiblichen Gefangenen sollten am 18. Dezember mit drei Spezialfahrzeugen nach Hoheneck gebracht werden. Wie schlecht die DDR-Behörden von den Sowjets über die ihnen übergebenen Gefangenen informiert waren, lässt sich auch daran ablesen, dass Mayer die Leitung der Strafvollzugsanstalten Bautzen und Hoheneck „streng vertraulich" und „persönlich!" aufforderte, unverzüglich „zu gewährleisten, dass den staatlichen Stellen schnellstens ein Überblick [über die .Nichtamnestierten'] gegeben werden" könne. Unmittelbar nach der Einlieferung sollten die Gefangenen einen Fragebogen zu ihrem Lebenslauf ausfüllen, in dem sie vollständige und wahrheitsgemäße Angaben über ihre Personalien (Name, Geburtsdatum und 67 68
69
Verwaltung Strafvollzug, „Einsatzbefehl zur Übernahme von Kriegsverurteilten aus der Sowjetunion", 12.12.1955 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Vgl. ebd.; am 14. Dezember informierte Mayer zudem die Leitung der Strafvollzugsanstalten Bautzen und Hoheneck in einem ebenfalls streng vertraulichen Schreiben über die erforderlichen und von ihnen unverzüglich einzuleitenden Maßnahmen (Verwaltung Strafvollzug an den Leiter der Strafvollzugsanstalt[en] Bautzen und Hoheneck, „Übernahme von Kriegsverbrechern aus der SU", 14.12.1955 (Kopie im IfA/HAITArchiv). Im „Einsatzbefehl" (siehe Anm. 67) ist ganz allgemein „von einer größeren Anzahl Kriegsverbrecher" die Rede. Auch die Zahl der Frauen (und evtl. Kinder) sowie der Kranken wird nicht genannt.
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-ort, Wohnort vor der Inhaftierung), ihre frühere Tätigkeit (Organisationszugehörigkeit, Funktionen in der NSDAP, Dienstgrad bei der Wehrmacht, Truppenteil usw.) sowie über den Grund ihrer Verurteilung und das Strafmaß machen sollten. Anhand dieser Unterlagen sollte dann binnen einer Woche eine Zusammenfassung der Daten erstellt und Mayer selbst noch vor Weihnachten durch Sonderkurier überbracht werden. Die Verwaltung Strafvollzug verfügte also weder vor der Ankunft der „Nichtamnestierten" über sowjetische Unterlagen noch rechnete sie damit, dass die Akten demnächst nachgeliefert würden. Bei der Durchführung und Bewachung des Transports gingen die Verwaltung Strafvollzug und die Transportpolizei arbeitsteilig vor: Wie Mayer als Chefinspekteur der DVP und Leiter der Verwaltung Strafvollzug dem Stellvertretenden Chef der DVP in seinem streng vertraulichen Schreiben vom 14. Dezember mitteilte, war die Verwaltung Strafvollzug für die Übernahme und Sicherung des Transports zuständig, während die unmittelbare Streckensicherung „in den Händen der Transportpolizei" liege. Das an der Strecke gelegene VPKA sollte die „Tiefensicherung" übernehmen, um evtl. „Kundgebungen, Provokationen oder andere Zwischenfälle zu verhindern." 70 Ein eigens dafür eingesetzter Verbindungsoffizier sollte schließlich die Ankunft des Transports in der StVA Bautzen dem OP-Stab der HVDVP melden. 71 Zur Nachrichtenübermittlung bei der „Übernahme der Kriegsverbrecher aus der Sowjetunion durch die Behörden der DDR" wurden in einem streng vertraulichen und in nur vier Exemplaren für die Verantwortlichen ausgefertigten Schreiben 72 besondere Codes ausgegeben. Die ganze Aktion lief unter dem Kennwort „Winter". 73 Aufschlussreich ist der Assoziationsbereich, dem die Kennwörter für die „Nichtamnestierten" entstammten: „Männliche Kriegsverbrecher" waren „Hornissen", „Kriegsverbrecher (weiblich)" zwar weniger aggressive, aber durchaus stechbereite „Bienen" und Kinder ungefährliche, wenn auch lästige „Ameisen". Die anderen Code-Wörter zeigen, auf welche „Vorkommnisse" man sich einstellte: Aktion WINTER Abfahrt: Ankunft: Entladung: Kriegsverbrecher Männlich: Kriegsverbrecher Weiblich: Kinder: 70
71 72 73
MONDSCHEIN HAGELSCHLAG WEIHNACHTSBAUM HORNISSE BIENE AMEISE
Verwaltung Strafvollzug an den Stellv. Chef der DVP, Gen. Chefinspekteur Seifert, „Sicherung des Transportes der von der UdSSR übergebenen Kriegsverbrecher", 14.12. 1955 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Vgl. ebd. Die Ausfertigungen 1 bis 3 wurden laut Vermerk am 27.12.1955 vernichtet. Verwaltung Strafvollzug, „Kennwort-Verzeichnis", 14.12.1955 (Kopie im IfA/HAITArchiv).
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Transportschwierigkeiten : Übernahme:
NEBEL LADENSCHLUSS
Vorkommnisse:
a) b) c) d)
Angriff bzw. Provokation: Entweichung: Meuterei: Schusswaffengebrauch:
SCHNEEFALL RODELBAHN GLATTEIS FROSTGEFAHR
Trotz der Verschlüsselung war auch nach vollzogener Erfolgsmeldung „WINTER - WEIHNACHTSBAUM - LADENSCHLUSS 17.35 Uhr" das einzige „besondere Vorkommnis", das in Hoyerswerda registriert wurde - vermutlich ein abgeworfener Kassiber - brisant genug, um nicht per Telefon durchgegeben werden zu können. 74
3.2
Die Inhaftierung der „Nichtamnestierten" in der StVA Bautzen
In der Strafanstalt angekommen, wurden die Gefangenen nach einem Bad und einer erneuten Einkleidung 75 teils in mit je drei bis vier Mann belegten Einzelzellen, teils in einem Saal untergebracht. Bei dieser Massenunterkunft, die 175 Personen fasste, handelte es sich um eine eigens dafür hergerichtete Werkstatt. Nach wenigen Tagen fand die von Mayer angeforderte Fragebogenaktion statt, 76 aus der die Gefangenen zu Recht den Schluss zogen, dass die Sowjets ihre Unterlagen nicht mitgeschickt hatten. Obwohl die Sicherheitsmaßnahmen allmählich gelockert wurden, herrschte in der Anstalt eine Art militärischer Drill. Die strenge Isolierung von den anderen Strafgefangenen werteten die „Nichtamnestierten" positiv, weil sie darin ein Anzeichen für ihre baldige Freilassung erblickten. Fast alle waren der Auffassung, dass sie zu Unrecht festgehalten würden, da man sie bereits in der UdSSR amnestiert habe. Außerdem bestanden diejenigen, die in der JuniBefragung West-Adressen als Entlassungsorte angegeben hatten, darauf, in die Bundesrepublik ausgeliefert zu werden. 77 74 75
76
77
Verwaltung Strafvollzug, „Meldungen über Aktion ,Winter' vom 17.12.-18.12.1955" (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Die provisorische Gefängniskleidung bestand aus gestreiften Hosen, gefärbten Wehrmachtsblusen, ausgetretenen Schuhen und einer Art Baskenmütze. Vgl. „Bericht" (Anm. 48). Verwaltung Strafvollzug an den Leiter der Strafvollzugsanstalt[en] Bautzen und Hoheneck, „Übernahme von Kriegsverbrechern aus der SU", 14.12.1955 (Kopie im IfAHAIT-Archiv). Manche Gefangenen weigerten sich strikt, den Fragebogen auszufüllen - mit dem Argument, dass die D D R zu einer solchen Befragung nicht berechtigt sei, weil sie „Bürger der Bonner Bundesrepublik" seien. Strafvollzugsanstalt Bautzen an das Ministerium des Innern, Verwaltung Strafvollzug, „Stimmungsbericht über die Kriegsverurteilten", 2 8 . 1 2 . 5 5 (Kopie im IfA/HAITArchiv).
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In ihren „Stimmungsberichten über die Kriegsverurteilten in Bautzen" registrierte die Gefängnisleitung schon bald eine Ausdifferenzierung der Gruppe. Während die einen sich nolens volens fügten und sich ζ. B. nach Arbeitsmöglichkeiten erkundigten, beharrten andere steif und fest darauf, dass sie nach Hause entlassen werden müssten, und beschwerten sich darüber, dass ihnen Kontakte zu ihren Angehörigen verwehrt wurden. Eine dritte Gruppe nahm sogar eine drohende Haltung ein und forderte die Mitgefangenen unverhüllt zu Protestaktionen auf. 7 8 Es gebe „Stimmen", die drohten: „Ein paar Wochen lassen wir uns das noch gefallen, aber wenn sich dann nichts ändert, machen wir K r a c h ! " 7 9 Nach Ansicht der Anstaltsleitung waren diese „Provokateure" dieselben, die bereits in der Sowjetunion Mitgefangene schikaniert und misshandelt hätten. Der Versuch des Gefangenen Heinz B., einen Hungerstreik zu organisieren, wurde „schnellstens unterbunden". Ende Januar 1956 verlegte man die Aufwiegler von Haus II in den Ostflügel des Hauses I, wo die Möglichkeiten der Isolierung „bestens gegeben" waren; die Kapazität von Haus II könne nun „mehr ausgenützt" werden. 8 0 Offensichtlich setzte das MfS auch Spitzel ein. Sie fanden ζ. B. heraus, dass Gefangene auf dem Transport nach Bautzen die Parole ausgegeben hätten, dort nicht auszusteigen. Erst angesichts des massiven Vopo-Aufgebots sei dieses Vorhaben aufgegeben worden; inzwischen besäßen die Gefangenen „großen Respekt vor den Angehörigen des Strafvollzuges". 81 Ob solche Spitzel-Berichte die Stimmung unter den „Nichtamnestierten" zutreffend widerspiegelten oder eher dazu dienten, den Großeinsatz der Vopo noch nachträglich zu legitimieren, muss hier offen bleiben. 82 Sicher ist, dass die 78
79
80 81
82
Zu dieser Gruppe wurde ζ. B. der Gefangene Heinz B. gerechnet, der während des Transports nach Bautzen einen Kassiber abgeworfen haben sollte, sowie der frühere Adjutant Hitlers, SS-Sturmbannführer Otto Günsche, der es sich strikt verbat, als Strafgefangener bezeichnet zu werden. Vgl. Strafvollzugsanstalt Bautzen an das Ministerium des Innern, Verwaltung Strafvollzug, „Stimmungsbericht", 7 . 2 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/ HAIT-Archiv). Vgl. ebd.; auch in der Sowjetunion habe man mit Streiks Forderungen durchsetzen können. Vgl. Strafvollzugsanstalt Bautzen an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium des Innern, „Stimmungsbericht über die Kriegsverurteilten", 5 . 1 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Vgl. Strafvollzugsanstalt Bautzen an das Ministerium des Innern, Verwaltung Strafvollzug, „Stimmungsbericht", 7 . 2 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Vgl. Strafvollzugsanstalt Bautzen an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium des Innern, „Stimmungsbericht über die Kriegsverurteilten", 5 . 1 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Zu solchen, angeblich von Adenauer befohlenen „Aufruhrparolen" vgl. auch: Warum Gustav Bolck eine schlechte Reise hatte. In: Neues Deutschland vom 2 0 . 1 2 . 1 9 5 5 , S. 2. In dem sehr ausführlichen Bericht eines „Nichtamnestierten" (Friedbert L.) heißt es vielmehr, die Gefangenen seien sich darüber im Klaren gewesen, dass sie sich selbst und der Bundesregierung bei ihren zweifelsfrei einsetzenden Bemühungen nur schaden würden, wenn sie sich provozieren ließen und in irgendeiner Form Widerstand leisteten: „Deshalb herrschte eine mustergültige Disziplin, es wurde kaum ein Wort gesprochen, alles fügte sich schweigend den Anordnungen." Vgl. „Bericht des Bundes-
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Unruhe unter den Gefangenen ständig wuchs und dass sie immer dringlicher Auskunft darüber verlangten, was weiter mit ihnen geschehen solle. Jedoch hatte die Anstaltsleitung noch keine „besonderen Vorkommnisse", „Ausschreitungen" oder „Widersetzlichkeiten" zu vermelden. Immerhin sah sie sich veranlasst, den Gefangenen im Januar und Februar 1956 einige Hafterleichterungen zuzugestehen, um die Situation zu entspannen. 83 Sie gestattete ihnen auch, einen „Eingangsbrief" an ihre Angehörigen zu schreiben. Damit war das Problem freilich nur vertagt, denn gerade um die Ausweitung der restriktiv gehandhabten Schreiberlaubnis und um Besuchsmöglichkeiten der Angehörigen wurde in den folgenden Wochen heftig gestritten. 84 Aufschlussreich ist eine Beobachtung, die der Anstaltsleiter in seinem zweiten „Stimmungsbericht" bereits Anfang Januar festhielt; sie zeigt, dass sich die „Nichtamnestierten" untereinander keineswegs solidarisierten. Im Gegenteil: „Zur Zeit ist zu verzeichnen, dass eine Teilung unter den Kriegsverurteilten eintritt, d. h., dass sich diese Strafgefangenen, welche wegen Spionage in den Jahren 1 9 4 8 - 1 9 5 4 verurteilt wurden, von denen absondern, die wegen ihrer strafbaren Handlung von [vor, U. S.] 1945 verurteilt worden sind. Sie sagen wörtlich, ,mit denen stellen wir uns nicht auf eine Stufe'." 8 5
3.3
Begnadigung, Neuverurteilung oder weitere Strafverbüßung?
Nachdem die SED-Führung durch Chruscevs Schreiben vom 14. Juli 1955 darüber in Kenntnis gesetzt worden war, dass die Sowjets beabsichtigten, im Zuge der Repatriierung der letzten Kriegsgefangenen auch die in der D D R beheimateten, nichtamnestierten verurteilten Kriegsgefangenen und Zivilpersonen zur weiteren Strafverbüßung an die DDR-Behörden zu übergeben, 86 reagierte das Politbüro der SED prompt. In einem vom Sekretär des Z K der SED, Karl Schirdewan, unterschriebenen Entwurf für ein Antwortschreiben hieß es, „dass von uns Maßnahmen ausgearbeitet werden, die es ermöglichen, diejenigen Personen, die uns als Kriegsverbrecher übergeben werden, auf-
83
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86
ministeriums für gesamtdeutsche Fragen I 2 - 3 3 1 . 3 - 2 7 4 7 / 5 6 " an das AA, 1 7 . 8 . 1 9 5 6 , S. 2 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Ζ . B. die Erlaubnis, Zeitungen und Bibliotheksbücher zu lesen sowie Schach zu spielen. Ab Weihnachten durften auch täglich drei der von den Gefangenen selbst aus der Sowjetunion mitgebrachten Zigaretten nach einem besonderen Ritual geraucht werden. Wie die Gefangenen beklagten, waren ihnen in der Sowjetunion größere Hafterleichterungen gewährt worden als im Strafvollzug der DDR, nämlich Weiterbildung, Fremdsprachen-Studium, Paketempfang usw. Hierin stimmen die Berichte der Anstaltsleitung und der Gefangenen überein. Vgl. ζ. B. „Bericht" (Anm. 4 8 ) . Strafvollzugsanstalt Bautzen an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium des Innern, „Stimmungsbericht über die Kriegsverurteilten", 5 . 1 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Vgl. Abschnitt 1.
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grund deutscher Gesetze wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzuurteilen". Das eilfertige SED-Angebot wurde jedoch offensichtlich schon vom russischen Botschafter Puskin abgebogen und Schirdewans Brief durch eine von Puskin selbst autorisierte Fassung ersetzt. Das neu formulierte Schreiben, das am 4. August an das ZK der KPdSU abging, enthielt nur noch eine Empfangsbestätigung sowie eine Zustimmungserklärung des Politbüros zu den sowjetischen Vorschlägen. Der SED-Führung war es also verwehrt, in dieser Frage eigene Initiativen und Maßnahmen zu starten - und dies, obwohl es sich gerade bei diesem letzten Kontingent verurteilter Kriegsgefangener und Zivilisten in ihren Augen um besonders verabscheuungswürdige „Kriegsverbrecher" und „Banditen" handelte. Walter Ulbricht brachte das in seiner drastischen Formulierung, mit der er die Übergebenen „zum Teufel" wünschte, auf den Punkt: „Sollen sie wo anders verfaulen wegen mir!" 8 7 Der SED blieb freilich nichts anderes übrig, als die sowjetischen Vorgaben nachzuvollziehen.
3.3.1 „Aufklärung" und „Gegenpropaganda" der SED in der DDR-Presse Nachdem das Bundeskabinett am 6. Oktober 1955 gebilligt hatte, dass die an die Bundesrepublik Deutschland übergebenen „Nichtamnestierten" nach ihrer Ankunft „in ihre Heimatorte geleitet werden" sollten, 88 nutzte die SED dies umgehend für eine eigene „Aufklärungs"-Kampagne. Walter Ulbricht bat die Sowjets darum, ihm so schnell wie möglich Unterlagen über die verbrecherischen Taten von 20 bis 30 Kriegsverurteilten zur Verfügung zu stellen, die zur „Gegenpropaganda" verwendet werden könnten. 89 Seiner Bitte wurde offenbar entsprochen, denn seit Oktober 1955 brachte das „Neue Deutschland" in lockerer Folge Artikel zum Thema der „Kriegsverurteilten", die Informationen aus russischen Quellen verwerteten, aber auch auf kritische Kommentare in der Westpresse Bezug nahmen. Die Argumentationsstrategie im „Neuen Deutschland", dem Sprachrohr der SED, war dreigleisig angelegt: Sie verstärkte die aktuelle Agitation gegen die „Remilitarisierung" Westdeutschlands und behauptete, die „Kriegsverurteil87
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Zu Schirdewans Brief und zum Schlusswort Walter Ulbrichts auf einer ZK-Sitzung im Frühjahr 1956 (anlässlich der Freilassung eines Teils der „Nichtamnestierten" im April 1956) vgl. Ihme-Tuchel, Tabu, S. 50 f.; vgl. auch dies., SED, S. 500 f. Bereits im September 1955 hatte sich Otto Grotewohl dagegen ausgesprochen, dass „die Frage von 9 626 Kriegsverbrechern zu der Frage zwischen dem deutschen und dem sowjetischen Volk" gemacht werde. „Aufzeichnung - Betr.: Maßnahmen in Bezug auf die nichtamnestierten, den deutschen Behörden übergebenen Gefangenen aus der Sowjetunion" (Dr. Brückner), 16.1.1956 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Im Sitzungsprotokoll der 99. Kabinettssitzung findet sich darauf kein Hinweis. Vgl. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 1955, bearb. von Michael Hollmann u.a. (Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 8), München 1997. Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 117.
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ten" würden von den „Zynikern in Bonn" nur zu neuerlicher „Kriegshetze missbraucht". Während „eingefleischte Militaristen" und „unverbesserliche Nazigenerale" in der Bundesrepublik von der Regierung und vom Klerus gefeiert und - faktisch reingewaschen und rehabilitiert - von der Bevölkerung mit „Blumen und Lorbeerkränzen" umjubelt würden, sähen sich „Einsichtsvolle" wie General von Seydlitz mit „Maulkorb" und „wirtschaftlichem Druck" konfrontiert. 90 Zweitens legitimierte die SED noch im Nachhinein die Repatriierungspolitik der UdSSR und klagte statt dessen die Regierung der Bundesrepublik der Propagandalüge und der herzlosen Täuschung von hinterbliebenen Müttern, Frauen und Kindern an. Jetzt endlich erweise sich die Behauptung, dass die Sowjetunion die wirkliche Anzahl der deutschen Kriegsgefangenen in ihrem Gewahrsam verheimlicht habe, als Legende. Die Verurteilungen seien im Übrigen rechtmäßig und gerecht gewesen und hätten eben jene zur Rechenschaft gezogen, die für die NS-Verbrechen und den Krieg gegen die Sowjetunion verantwortlich seien. In der „vorfristigen Freilassung" der „Kriegsverurteilten" erblickte die SED eine großmütige Geste der Sowjetführung und ein Zeichen der Humanität. „Mitten im chauvinistischen Taumel", der zur Rückkehr der „Kriegsverurteilten" im Westen inszeniert werde, komme selbst in der Bundesrepublik Nachdenklichkeit auf, wenn ζ. B. Generäle, die ihre Untergebenen wie die Zivilbevölkerung zu sinnlosem Sterben gezwungen und sich selbst feige in Sicherheit gebracht hätten, nun mit „komfortablen Autos abgeholt" und „gefestigten Verhältnissen entgegenfahren" würden, 91 während schuldlose Kriegsheimkehrer aus einfachen Verhältnissen der Arbeitslosigkeit anheim fielen. Nicht nur die Generäle seien zu Recht verurteilt worden, sondern auch andere Protagonisten des NS-Systems wie ζ. B. ein Bruder von Alfried Krupp als Mitglied der Rüstungsindustriellen-Familie, der Gauleiter von Magdeburg, Rudolf Jordan 9 2 , der NS-Polizeipräsident von Frankfurt, SA-Gruppenführer Adolf Beckerle, Prof. Carl Clauberg, der im KZ Auschwitz jüdische Frauen sterilisiert hatte, sowie Angehörige von SS-Einsatzgruppen und Mitarbeiter der diplomatischen Dienste. 9 3
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Vgl. Humanität und Missbrauch. In: Neues Deutschland vom 1 1 . 1 0 . 1 9 5 5 , S. 2. Mit Bezug auf verschiedene Artikel in westlichen Zeitungen: Neues Deutschland vom 1 2 . 1 0 . 1 9 5 5 , S. 2. Zum Fall des Generals Lasch: Fragt General Lasch! In: Neues Deutschland vom 12.10. 1 9 5 5 , S. 2. Mehrfach erwähnt auch: General Niehoff, der die Stadt Breslau zur Festung erklärt und unter hohen Opfern an Soldaten und der Zivilbevölkerung der sinnlosen Zerstörung preisgegeben hatte. Vgl. Der Gauleiter von Magdeburg, In: Neues Deutschland vom 1 6 . 1 0 . 1 9 5 5 , S. 2. Siehe auch: So begann das Unheil schon einmal. In: Neues Deutschland vom 1.11. 1 9 5 5 , S. 5, mit Bezug auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung zu Clauberg. Vgl. Sind Kriegsverbrecher selig zu preisen? In: Neues Deutschland vom 2 3 . 1 0 . 1 9 5 5 , S. 2.
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Das dritte Argumentationsmuster lief schließlich auf ein Integrationsangebot hinaus und stellte den „Bestien" die „Geläuterten" gegenüber: Anhand von Beispielen, die zumeist aus Facharbeiter- oder Handwerksberufen und jüngeren Altersgruppen ausgewählt waren, wurde betont, dass einsichtsvolle und aufbauwillige Rückkehrer, die aus der Vergangenheit gelernt hätten, in der DDR als gleichberechtigte Bürger aufgenommen würden und „in ein glückliches, neues Leben eintreten" könnten. 94 In Westdeutschland müssten sie als „friedliebende Menschen" hingegen mit Morddrohungen und Terroranschlägen seitens ihrer früheren Kriegskameraden rechnen. 95 Am 15. Dezember, also kurz vor dem Eintreffen der „Nichtamnestierten" in der DDR, brachte das „Neue Deutschland" dann einen ganzseitigen Bericht, der - wie es hieß - aus sowjetischen Gerichtsakten zusammengestellt war und „die Verbrechen einiger der Personen, die von sowjetischen Militärgerichten verurteilt wurden", illustrieren sollte. 96 Darin wurde die DDR-Öffentlichkeit zugleich darauf vorbereitet, dass nach dem Beschluss der obersten sowjetischen Volksvertretung ein Teil der „Kriegsverurteilten" den Regierungen beider deutscher Staaten als „Kriegsverbrecher" übergeben und in den kommenden Tagen erwartet werde. Die nächste Folge am 20. Dezember breitete weiteres Material aus sowjetischen Akten aus, das beweisen sollte, dass die übergebenen „Kriegsverurteilten" Verbrecher und „unmenschliche Kreaturen" seien, die „die allerschwerste Strafe" verdient hätten. Von „den herrschenden Kreisen in Bonn" würden sie hingegen als „Helden" und „Märtyrer" glorifiziert: „Adenauer und seine Helfershelfer verfolgen mit der Verherrlichung der Kriegsverbrecher ganz offensichtlich den Zweck, einen neuen imperialistischen Krieg mit neuen, noch schlimmeren Verbrechen vorzubereiten." 97 94 95 96
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Vgl. An der Schwelle ... Kriegsverurteilte treten in ein neues Leben ein. In: Neues Deutschland vom 12.10.1955, S. 2. Vgl. Mord ist sein Handwerk geblieben. In: Neues Deutschland vom 17.12.1955, S. 2. Vgl. den groß aufgemachten Bericht: Kreaturen der imperialistischen Kriegspolitik. In: Neues Deutschland vom 15.12.1955, S. 3. Zwei Tage später lieferte das Neue Deutschland auf Nachfragen aus der Leserschaft hin einen Quellennachweis für die publizierten Bilder: Sie seien den Tätern, die sie als Andenken bei sich getragen hätten, von den sowjetischen Untersuchungsorganen abgenommen worden. Vgl. Neues Deutschland vom 17.12.1955, S. 2. Alle in diesem und den folgenden Berichten genannten Personen waren „Nichtamnestierte" aus dem Transport E 5 / 5 6 , der im Januar 1956 in der Bundesrepublik eintreffen sollte. Unter ihnen waren: ein Leutnant der Abteilung „Ic" der Hauptverwaltung Gestapo (Ralf von G.), der auf Befehl Reinhard Heydrichs an Deportationen sowjetischer Kriegsgefangener nach Auschwitz beteiligt gewesen und zudem wegen Folterungen und Misshandlungen von Häftlingen in mehreren KZs verurteilt worden sei; der stellvertretende Lagerleiter des KZ Sachsenhausen, August Höhn; mehrere höhere Wehrmachtsoffiziere, die in Schauprozessen (Vitebsk, Novgorod u. a.) verurteilt worden waren, aber auch einfache Soldaten, die sich z. T. auf Befehlsnotstand berufen hatten. Laut Gerichtsprotokoll hatten sie Gräueltaten an der sowjetischen Bevölkerung (Partisanen, Rotarmisten, Zivilisten) während der deutschen Besatzung gestanden. Sie seien zudem - so hieß es - durch Gutachten der „Staatlichen Kommission" (CGK) oder durch Zeugenaussagen belastet. Sie verdienen die allerschwerste Strafe. In: Neues Deutschland vom 2 0 . 1 2 . 1 9 5 5 , S. 2.
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3.3.2 Die Entlassung aus Bautzen Trotz der mit sowjetischen Akten unterlegten Propagandakampagne im „Neuen Deutschland" befiel die zuständigen DDR-Behörden eine gewisse Unsicherheit, als sie sich - nach dem Eintreffen der 275 „Nichtamnestierten" und deren Einweisung in die Haftanstalten Bautzen und Hoheneck - mit der Frage konfrontiert sahen, wie mit dieser Häftlingsgruppe weiter zu verfahren sei. Die Sowjets hatten ihnen nur eine namentliche Liste der 275 Übergebenen mit weiteren Angaben zur Staatsangehörigkeit und zum Dienstgrad in der Wehrmacht bzw. dem Vermerk „Internierter" ausgehändigt. Unterlagen zur Straftat und zum Strafmaß waren jedoch nicht verfügbar. (Die bisher publizierten Aktenauszüge betrafen ausschließlich „Nichtamnestierte" aus dem West-Transport.) Wie Innenminister Karl Maron Ende Februar 1956 beklagte, war es ihm „trotz ständiger Nachfragen sowohl beim Ministerium der Justiz wie auch beim Ministerium für Staatssicherheit [...] bisher nicht gelungen, etwas darüber zu erfahren, wann und über welchen Weg die Unterlagen [Strafakten] über diese Kriegsverbrecher übergegeben werden, um Vorschläge über eine weitere Behandlung dieser Menschen - Begnadigung, erneute Verurteilung oder weitere Strafverbüßung - unterbreiten zu können." Maron bat daher den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Otto Grotewohl, „dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten den Auftrag zu erteilen, sich über den diplomatischen Weg an die Regierung der UdSSR zu wenden, um die Übergabe der notwendigen Unterlagen in baldmöglichster Frist zu erreichen bzw. andere Ihnen geeignet erscheinende Maßnahmen zur Klärung dieser Fragen anzuweisen". 98 Vom Leiter der Verwaltung Strafvollzug, Mayer, war Maron über die explosive Situation in den beiden Haftanstalten informiert. Aufgrund des unklaren Status der „Nichtamnestierten" und der Androhung eines Hungerstreiks steigerte sich hier die Nervosität zusehends - und zwar nicht nur bei den Gefangenen, sondern auch beim Anstaltspersonal. 99 Nach den ersten Zugeständnissen bei der Schreiberlaubnis häuften sich beim Leiter der StVA Bautzen wie beim Innertminister nun erst recht die Anträge, in denen eine Ausweitung der Schreiberlaubnis und Besuchsmöglichkeiten gefordert wurden. Über die verschiedensten Ministerien und sonstigen staatlichen Dienststellen gingen zahlreiche Gnadengesuche, Anfragen über den Gesundheitszustand der Inhaftierten und Schreiben ein, in denen Auskunft über die Gründe der Inhaftierung verlangt wurde. Anfang April 1956 beschloss das Politbüro des Zentralkomitees völlig überraschend, „die von der Sowjetunion verurteilten und uns übergebenen Kriegsverbrecher [...] ohne Behandlung in der Presse zu entlassen". Falls der Minister für Staatssicherheit im einen oder anderen Fall Bedenken habe, möge er sie 98
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Maron an Otto Grotewohl, 2 2 . 2 . 1 9 5 6 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 2 , Bl. 3 0 9 - 3 1 0 ) . Der Brief Marons an Grotewohl ging in Kopie auch an die Justizministerin Hilde Benjamin, an die Verwaltung Strafvollzug und an das Innenministerium. Vgl. ebd.
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dem Politbüro zur Kenntnis bringen. Im Beschluss hieß es: „Die Freilassung erfolgt ab sofort. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Minister für Staatssicherheit und der Minister des Innern sofort die entsprechenden Maßnahmen durchführen." 1 0 0 Tatsächlich wurden diese Maßnahmen noch im April 1956 eingeleitet. So berichtete der Leiter der Verwaltung Strafvollzug, Mayer, dem Innenminister am 2. Mai 1956, dass, dessen Anweisungen entsprechend, 101 bis dahin von den „aus der Sowjetunion übernommenen Kriegsverurteilten" insgesamt 242 Personen entlassen worden seien. Von ihnen wurde etwa die Hälfte (125 Gefangene) in die DDR, 79 nach Westdeutschland und 37 nach Berlin (West) entlassen. Sieben Gefangene überwies man vorübergehend in ein Krankenhaus. Ein „Nichtamnestierter" entschied sich dafür, nach Polen zurückzugehen. 102 Nach der Entlassungsaktion waren nach Angaben des Ministeriums für Staatssicherheit noch 32 „Nichtamnestierte" in der Haftanstalt Bautzen verblieben. 103 Einer von ihnen stand auf der Entlassungsliste; die übrigen 31 sollten nunmehr, gemäß einem im Politbüro am 9. Mai 1956 gefassten Beschluss, entsprechend „den gesetzlichen Bestimmungen der DDR" in den „ordnungsgemäßen Strafvollzug des Ministers des Innern" aufgenommen werden, um ihre Strafe zu verbüßen. Dem stand freilich entgegen, dass die Generalstaatsanwaltschaft der DDR bis dahin noch immer nicht im Besitz der sowjetischen Unterlagen bzw. Strafakten war, die sie zur Durchführung des PolitbüroBeschlusses benötigte. Zum weiteren Verfahren mit den noch inhaftierten „Nichtamnestierten" wies Erich Mielke vom Ministerium für Staatssicherheit in seinem Schreiben an Innenminister Maron im Juni 1956 „streng vertraulich" darauf hin, dass die Entscheidung über eine eventuelle Strafminderung bei der zuständigen Kommission beim Minister der Justiz liege. Eine Entlassung aus der Gruppe der „Nichtamnestierten" könne jedoch nur nach vorheriger Rücksprache mit dem Ministerium für Staatssicherheit verfügt werden. 104 Auf Mielkes Liste der „Nichtamnestierten", die nach Meinung des MfS auf keinen Fall entlassen 100 Wie der Beschluss zu diesem stillschweigenden Verfahren zustande kam, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Vermutlich steht er im Zusammenhang mit der gleichzeitig beschlossenen Freilassung anderer in der D D R inhaftierten „Personen, die wegen Kriegsverbrechen oder damit im Zusammenhang stehenden Verbrechen in der D D R nach 1945 verurteilt wurden" (BAB, DY 3 0 / I V 2 / 2 / 4 7 0 , 4 . 4 . 1 9 5 6 , Bl. 2 - 3 ) . 101 Verwaltung Strafvollzug an den Minister des Innern, „Zwischenbericht über die Entlassung von Strafgefangenen", Anweisungen des Innenministers vom 10.4., 2 0 . 4 . , 2 4 . 4 . und 2 6 . 4 . 1 9 5 6 , 2 . 5 . 1 9 5 6 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 5 1 0 0 6 ) . 102 Vgl. ebd.; 68 Personen trafen am 14.4.1956 in Friedland ein, die übrigen am 2 9 . 4 . 1956. 103 Vgl. Ministerium für Staatssicherheit, 1. Stellv. des Ministers, Erich Mielke, an Innenminister Maron, 4 . 6 . 1 9 5 6 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 5 1 0 0 6 , Bl. 130). Tatsächlich waren es nach Angaben der Verwaltung Strafvollzug noch 34. Die im „Zwischenbericht" der Verwaltung Strafvollzug vom 2. Mai 1956 vermerkte „Differenz" betraf zwei ungeklärte Fälle und wurde später korrigiert. 104 Vgl. ebd.
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werden dürften, standen - neben sechs Personen, die als ehemalige KZ-Aufseher galten - 23 Zivilisten, die in der SBZ/DDR als „Spione" und „Agenten" verurteilt worden waren. Bei drei weiteren Inhaftierten bestehe noch Klärungsbedarf. Mielkes Vorstoß hinsichtlich der „Spione" und „Agenten" ist im Zusammenhang mit den gravierenden Differenzen zu sehen, die schon seit 1955 in der Frage der Entlassung von SMT-Verurteilten aus DDR-Gefängnissen zwischen den Ministerien für Inneres und Justiz einerseits und dem MfS andererseits bestanden. In den um die Jahreswende 1954/55 gebildeten interministeriellen Kommissionen, die Tausende SMT-Urteile überprüfen und Vorschläge für Strafminderungen und Entlassungen machen sollten, waren ständige Konflikte vorprogrammiert, weil die Vertreter der Staatssicherheit in der Frage der Entlassungen eine wesentlich härtere Linie verfochten als die anderen Kommissionsmitglieder. Während Mielke und seine Mitarbeiter in vielen Fällen der Ansicht waren, dass die Haftentlassungen zu Unrecht beantragt worden seien, berief sich der Beauftragte des Justizministeriums und Vorsitzende der Kommission I, Spranger, auf Anweisungen der Justizministerin Hilde Benjamin sowie aus dem ZK: Demzufolge sollten die Kommissionen „in der Beurteilung der Vorgänge großzügig verfahren". In Waldheim seien - so Spranger „größere Faschisten" entlassen worden. Der entscheidende Punkt in Sprangers Argumentation dürfte freilich gewesen sein, dass er sich auf den „Genossen Molotow" berufen konnte, der gesagt habe, „dass der Stein des Anstoßes endgültig beseitigt werden müsse". Obwohl die Vertreter der Staatssicherheit dieser Linie zunächst nolens volens nachgaben, verweigerten sie später wieder ihr Plazet zu zahlreichen Kommissionsbeschlüssen. Sie glaubten verhindern zu müssen, dass „aktive Verbrecher, wie Mörder, aktive Spione und Kriegsverbrecher" freigelassen würden. 105 Dass das MfS auch bei den „Nichtamnestierten" nicht darauf erpicht war, die Entlassung zu beschleunigen, zeigen zwei in den Akten belegte Fälle: Walter K. 106 war bereits laut Politbürobeschluss vom 4. April 1956 zur Entlassung vorgesehen. Anfang September 1956 saß der ehemalige Unteroffizier 105 Vgl. Bericht über den Stand der Arbeit der Kommissionen 1 und 2 zur Überprüfung der SMT-Verurteilten, Berlin 15.2.1955 (BStU, AS 2 / 5 9 , Bl. 4 4 0 - 4 4 3 ) . Die Ministerin versuchte Mielke zu besänftigen und schlug vor, anhand der von ihr aufgestellten „Grundsätze" zunächst einmal eine endgültige Entlassungsliste zusammenzustellen. Die fünf Punkte der in der Anlage beigefügten „Richtlinien für die Arbeit der Kommission" bezogen sich vor allem auf das Verfahren bei Entlassungen von Personen, die wegen „Spionage" verurteilt worden waren. Die Entlassungen sollten über die nächsten drei bis fünf Jahren gestreut werden. Keinesfalls dürften Verurteilte freikommen, die „eine organisierte Schulung als Agent erhalten haben", sowie „Militär- und SS-Ränge". Bei „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" komme eine sofortige Entlassung nur in Fällen von Kollektivschuld in Frage sowie dann, wenn nur eine geringe Beteiligung nachgewiesen sei und lediglich eine kurze Reststrafe ausstehe. Vgl. Benjamin an Mielke, 9 . 3 . 1 9 5 5 sowie Anlage (BStU, AS 2 / 5 9 , Bl. 4 5 3 f., 4 5 5 ) . 106 Der Unteroffizier Walter K. war 1948 nach „Ukaz 43" zu 2 5 Jahren ITL verurteilt worden (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 4 , Bl. 227).
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noch immer in der StVA Bautzen, weil sein Geburtsdatum nicht mit dem auf der sowjetischen Originalliste übereinstimmte. 107 Innenminister Maron drängte das MfS, den Fall K. sowie den des Gefangenen Kurt G., in dem wegen der österreichischen Staatsbürgerschaft des Gefangenen Komplikationen zu erwarten seien, umgehend zu klären und sich wegen der „Beschaffung der benötigten Grundunterlagen mit den entsprechenden Stellen in Verbindung zu setzen". 108 Er sei sich in diesem Punkt mit der Justizministerin völlig einig. Noch immer - so beschwerte sich Maron - verfüge das Ministerium des Innern über keinerlei „Unterlagen, die als Urteilsauszüge bzw. -begründungen gewertet werden könnten", was sich für die Durchführung des Strafvollzuges „erschwerend" auswirke. Selbst für die leitenden Offiziere sei es nicht einfach, die sich aufgrund von Presseveröffentlichungen ständig ergebenden Fragen zu beantworten. 109 In dem sich über ein Jahr lang hinziehenden Briefwechsel zwischen Maron und Mielke sowie der Generalstaatsanwaltschaft über die Entlassung bzw. Verwahrung der verbliebenen „Nichtamnestierten" reproduzierten sich also einerseits interne Querelen der DDR-Behörden; andererseits illustriert er das ungelöste grundsätzliche Dilemma: Die der DDR von der UdSSR zur weiteren Strafverbüßung übergebenen „Schwerstkriegsverbrecher" konnten nicht alle einfach entlassen werden; andererseits fehlte der DDR-Justiz für ihre weitere Inhaftierung in der DDR jede rechtliche Grundlage. Der Beschluss des Politbüros vom 9. Mai 1956, demzufolge ca. 30 Personen in den ordnungsgemäßen Strafvollzug übernommen werden sollten, war einerseits bindend, hatte aber andererseits zur Voraussetzung, dass für eine solche Maßnahme seitens der verantwortlichen Organe die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden. Sowohl Innenminister Maron als auch der Leiter der Verwaltung Strafvollzug, Mayer, wurden nicht müde, immer wieder auf diese Lücke und ihre wesentliche Ursache, nämlich das Fehlen der russischen Strafakten hinzuweisen. Gegenüber Maron formulierte Mayer seine Bedenken im Februar 1957 sehr deutlich: „Es kann in keinem Fall festgestellt werden, zu welchen Freiheitsstrafen die einzelnen Inhaftierten verurteilt sind bzw. auf welchen Tag das Strafende festgelegt ist. Das bedeutet praktisch, dass der Strafvollzug nicht im Besitz der Dokumente ist, die eine Inhaftierung dieses Personenkreises gesetzlich rechtfertigen." 110 107 Solche Unstimmigkeiten, die z.T. auf Verwechslungen beruhten, kamen - mit den für die Betroffenen negativen Folgen - auch in anderen Fällen vor. Walter K. gehörte zu den drei genannten Fällen, in denen „Klärungsbedarf" bestand. Vgl. Anlage Nr. 5 zum Protokoll Nr. 2 2 / 5 6 vom 9 . 5 . 1 9 5 6 (BAB, DY 3 0 / I V 2 / 2 / 4 7 6 , Bl. 1 8 - 2 0 ) . 108 Akte Kurt G. (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 4 , Bl. 2 2 0 ) . Die sowjetischen Behörden hatten die österreichischen „Schwerstkriegsverbrecher" bereits 1955 nach Österreich entlassen. Mit den 749 „Nichtamnestierten" sollten gemäß den Übergabeverhandlungen in Moskau nur deutsche Staatsbürger zur weiteren Strafverbüßung übergeben werden. Trotzdem waren darunter offenbar mehrere Österreicher (vgl. Anm. 132). 109 Maron an Minister Wollweber, Ministerium für Staatssicherheit, 3 . 9 . 1 9 5 6 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 2 , Bl. 319). 110 Mayer an Maron, 4 . 2 . 1 9 5 7 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 3 9 7 2 2 , Bl. 313).
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Wie hilflos Maron angesichts der ungeklärten Situation selbst war, klingt in seinem im Januar 1957 verfassten Antwortbrief an den Volkskammerabgeordneten Rolf Kaulfersch durch. Der Abgeordnete hatte sich bei ihm für zwei aus Halle stammende „Nichtamnestierte" eingesetzt111 und dabei auf die politisch schädlichen Auswirkungen von Rechtsunsicherheit und Willkür im Strafvollzug hingewiesen. Maron schrieb, es handele sich „noch um notwendige, aber schwierige Überprüfungen der Ursache und Vorgeschichte der Verurteilungen". Der Behauptung der Häftlinge, sie seien bereits amnestiert worden, stehe die Tatsache gegenüber, dass sie zu der Gruppe verurteilter Kriegsverbrecher gehörten, deren Begnadigung oder Freilassung die Regierung der UdSSR definitiv ausgeschlossen habe. Er bat um Verständnis dafür, dass es ihm nicht möglich sei, „eigenmächtige Entscheidungen vor Abschluss der Uberprüfungen zu treffen" und vertröstete den Abgeordneten damit, „dass die Fragen nicht auf Eis gelegt" seien „und ein baldiger Abschluss zu erwarten" sei. 112 Ein persönliches Schreiben, das Maron einen Monat später, am 20. Februar 1957, an den Generalstaatsanwalt der DDR, Dr. Melsheimer, richtete und in dem die sattsam bekannten Argumente wiederholt wurden,113 weist freilich daraufhin, dass sich, gut ein Jahr nach der Übernahme der 275 „Nichtamnestierten", am Grundproblem nichts geändert hatte. Walter K., der schon am 4. April 1956 auf der Entlassungsliste gestanden hatte, aber vom MfS nicht freigegeben worden war, wurde schließlich am 13. Juni 1957 entlassen. Auch der österreichische Staatsbürger Kurt G. kam an diesem Tag frei - ein Jahr nachdem die Sowjets die Repatriierung der 113 österreichischen „Nichtamnestierten" beschlossen hatten. 114 Ein Teil der bis dahin nicht entlassenen „Nichtamnestierten" wurde später in andere Gefängnisse überführt. 115 Von den 23 Zivilisten, die auf Mielkes Liste der „Spione und Agenten" standen, wurden - soweit bekannt - 16 Perso111 Beide Personen waren 1 9 5 3 in der D D R in Haft genommen und dann in die Sowjetunion deportiert worden. Beiden wurden keine Kriegsverbrechen zur Last gelegt, und beide behaupteten, im September 1 9 5 5 in der Sowjetunion amnestiert worden zu sein. Franz K. (Jg. 1912), gab an, er wisse nicht, welche Strafe er für welches Vergehen zu verbüßen habe. Fritz E. (Jg. 1917), der nach Art. 5 8 , 6 StGB RSFSR zu 15 Jahren Arbeitserziehungslager verurteilt worden war, glaubte, er werde aufgrund einer Namensverwechslung mit einem im Sachsenhausen-Prozess 1947 verurteilten SS-Führer zum harten Kern der Gruppe der 7 4 9 „Nichtamnestierten" gezählt. Dieser Namensvetter [es handelte sich um den Leiter des Zellenbaus, Kurt E., U. S.] sei an seiner Stelle unter die Amnestie vom April 1 9 5 6 gefallen und in den Westen entlassen worden. Kaulfersch an Maron, 1 1 . 1 2 . 1 9 5 6 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 2 , Bl. 3 1 7 - 3 1 8 ) . 112 Maron an Kaulfersch, 1 2 . 1 . 1 9 5 7 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 2 , Bl. 315). Maron übersandte die Eingabe des Abgeordneten Kaulfersch an Erich Mielke mit der Bitte um Klärung und dem Hinweis, dass er sich mit der Justizministerin Benjamin in Verbindung gesetzt habe, die der gleichen Auffassung sei wie er selbst. Vgl. ebd., Bl. 314. 113 Maron an Melsheimer, 2 0 . 2 . 1 9 5 7 (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 2 2 , Bl. 312). 114 Vgl. Abschnitt 1. 115 Im November 1 9 5 6 befanden sich nach Angaben des D R K noch 3 5 „Nichtamnestierte" in der StVA Bautzen; 3 0 von ihnen wurden von Angehörigen oder vom D R K mit Paketen betreut. Vgl. namentliche Liste (Kopie im IfA/HAIT-Archiv).
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nen nach Brandenburg und zwei nach Waldheim gebracht. Ein Gefangener, der wegen Spionage verurteilte Berliner Journalist Herbert H. (Jg. 1891), der älteste in der Gruppe, starb 1958 im Zuchthaus Bautzen; vier Fälle sind noch ungeklärt. 116 Wann die Auszüge aus den russischen Originalakten der 275 „Nichtamnestierten" bei der Generalstaatsanwaltschaft eingegangen sind, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass sie im November 1959 dort vorlagen und sich die Frage stellte, bei welcher Behörde sie abgelegt werden sollten. Eine Überprüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft ergab, dass sich von den 275 Personen zu diesem Zeitpunkt noch 24 in Haft befanden. 117 Da die „Nichtamnestierten" in den Strafvollzug der DDR eingegliedert und statistisch nicht mehr gesondert ausgewiesen wurden, verliert sich ihre Spur in den DDR-Gefängnissen.
4.
H e i m k e h r der „Unseligen"?
Zwei Tage nach ihrer Ankunft in der Bundesgrenzschutz-Kaserne in Hannoversch-Münden wurden die 452 „Nichtamnestierten" aus dem West-Transport E 5 / 5 6 zu ihren Angehörigen weitergeschickt. Die gesamte Abwicklung des Transports bis zur Weiterleitung in die Wohnorte hatte das Auswärtige Amt (AA) übernommen, da sich sowohl das Bundesministerium für Vertriebene als auch die Landesregierung Niedersachsen für diese Fragen unzuständig erklärt hatten. Wie Legationsrat Hergt vom AA konstatierte, war die Aktion planmäßig verlaufen. Die Übergabemodalitäten der folgenden Heimkehrer-Transporte hätten, im Unterschied zum E 5/56, wieder in einer freundlichen und zuvorkommenden Atmosphäre stattgefunden. In seinem Fernschreiben an das AA in Bonn vom 16. Januar 1956 teilte Hergt weiter mit, dass sich unter den „Nichtamnestierten" auch frühere KZ-Wächter aus dem Lager Sachsenhausen befanden, so der stellvertretende Lagerleiter August Höhn, ein Lagerarzt sowie zwei für ihre Grausamkeit berüchtigte Blockführer. Eine erste Überprüfung dieser Fälle lasse „erhebliche Belastungen" möglich erscheinen. Auch „unter Berücksichtigung der seit längerer Zeit bereits erfolgenden ausländischen Pressestimmen" empfahl er eine baldige Untersuchung. 118 116 Nach Recherchen von Günther Kowalczyk (Liste im IfA/ H AIT- Archiv). 117 Vgl. Verwaltung Strafvollzug an die Oberste Staatsanwaltschaft der DDR, 25.11.1959 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Die Akten sollten demnach ins Archiv Brandenburg gegeben werden. 118 Hergt an das Auswärtige Amt, Bonn, 16.1.1956. Das AA schickte diese Information mit Namen der KZ-Wärter an den Bundesinnenminister (BA, Β 141,71129, Bl. 79). Die Angehörigen der Kommandantur des Lagers waren im Oktober 1947 durch ein Sowjetisches Militärtribunal zu lebenslänglicher Haft mit Zwangsarbeit verurteilt worden. Nach der Urteilsverkündung wurden sie am 28.11.1947 in die Sowjetunion gebracht, wo sie im Januar 1948 im Lagerkomplex Vorkuta am Polarmeer eintrafen und dort Zwangsarbeit in den Kohlengruben leisten mussten. Vgl. Winfried Meyer, Stalinistischer Schauprozeß gegen KZ-Verbrecher? Der Berliner Sachsenhausen-Prozeß vom Oktober 1947. In: Gericht und Gerechtigkeit (Dachauer Hefte 13), Dachau 1997,
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Ute
Schmidt
Die Befragung in Hannoversch-Münden
Die Bundesregierung war von sowjetischer Seite ebenfalls nicht über die Personalien der Heimkehrer im Transport E 5 / 5 6 unterrichtet worden. Bei der Ubergabe waren zwar Namenslisten übergeben worden, jedoch keine Unterlagen oder Akten, die weiteren Aufschluss über die „Nichtamnestierten" gegeben hätten. Nach ihrer Ankunft wurden sie zunächst von Teams des DRKSuchdienstes und der Rechtsschutzstelle befragt. In einer ersten Übersicht, die der Suchdienst Friedland zusammenstellte, wurde eine Erfassung nach Dienstgraden, Kampfräumen, dem Datum der Gefangennahme sowie ehemaligen Wehrmachtsteilen durchgeführt. Demnach setzte sich der Transport E 5 / 5 6 überwiegend (zu etwa 65 Prozent) aus Mannschaften zusammen. Der Anteil der Unteroffiziere und der Offiziere war mit ca. 14 bzw. ca. 15 Prozent etwa gleich; Stabsoffiziere, einschließlich der Ärzte und Richter, machten ca. sechs Prozent aus. Die große Mehrheit war im Mittel- und Nordabschnitt gefangengenommen worden (37 bzw. 15 Prozent). 65 Prozent der „Nichtamnestierten" waren 1945 in Gefangenschaft geraten; ein großer Teil von ihnen waren Kapitulationsgefangene. Drei Viertel gehörten zu Heereseinheiten, nur drei Prozent zur Luftwaffe, ca. ein Prozent zur Marine und etwa ein Fünftel zu SS und Polizei.119 Nach welchen Gesichtspunkten der Transport zusammengestellt worden war, sei - so der erste Eindruck des „Suchdienst"-Teams - nicht erkennbar. So befanden sich unter den Ankömmlingen nicht nur verurteilte Kriegsgefangene und versprengte Verschleppte, sondern auch der stellvertretende KZ-Kommandant von Sachsenhausen sowie ein Sozialdemokrat, der viele Jahre sowohl unter den Nazis als auch in der SBZ und seit 1950 in der Sowjetunion im Lager gesessen hatte. 120 Nach dem Eindruck der Heimkehrer waren in ihrem Transport - neben den Überlebenden der im Berliner „Sachsenhausen-Prozess" Verurteilten - vor allem Kriegsgefangene, die in Schauprozessen verurteilt oder „im Partisaneneinsatz" gewesen seien, sowie solche, die sich „während der Gefangenschaft tätlich gegen sowjetische Bürger vergangen hätten". 121 Nach der Auswertung und Systematisierung der Befragungsergebnisse legte die Rechtsschutzstelle zwei Wochen später, am 31. Januar 1956, einen ausführlichen Bericht vor. Darin hieß es ausdrücklich, es sei nicht Aufgabe der Rechtsschutzstelle, den von den Heimkehrern vorgetragenen Sachverhalt rechtlich zu würdigen, da die hierzu erforderliche eingehende „Klärung der Fälle infolge
S. 153-180, hier S. 177; zu Prozess und Urteilsverkündung siehe auch Tägliche Rundschau vom 24.10.1947, S. 1 - 3 . 119 Vgl. suchdienst frdl, betr.: e 5 / 5 6 , 15.1.1956, 15 Uhr (Kopie im IfA-HAIT-Archiv). 120 Zum Fall Kapp vgl. Abschnitte 5 und 6. 121 Vgl. „Übersichtsbericht über den Transport E 5 / 5 6 " Friedland, 15.1.1956 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv).
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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der Kürze der Befragungszeit nicht durchführbar war". 122 Der Bericht gliederte sich in drei Teile: (1) eine deskriptive Darstellung des Auskunftsmaterials, (2) „unverbindliche Betrachtungen" über die Hintergründe, die für die Zusammenstellung der Gruppe der „Nichtamnestierten" von Bedeutung waren, und (3) eine Übersicht mit Angaben zu den Schauprozessen im Jahr 1947. Im ersten Teil ging es zunächst um den Inhalt der von der Anklage erhobenen Anschuldigungen, die einen strafbaren Tatbestand erfüllen dürften. Es bleibe allerdings noch offen, inwieweit ζ. B. Massenerschießungen in Konzentrationslagern rechtlich als „Kriegsverbrecher!" betrachtet werden könnten. Vereinzelt hätten die Befragten die ihnen vorgeworfenen Handlungen ganz oder teilweise zugegeben; allerdings hätten sie Tatsachen vorgetragen, die ihr Verhalten im Zusammenhang der „ganz besonderen Lage in den Kampfgebieten in Russland" erklärt hätten. Dazu gehörten ζ. B. „die Beteiligung an Exekutionen, denen aber Kriegsgerichtsurteile und dienstliche Befehle zur Teilnahme zugrundegelegen hätten, weiter die Vernichtung von Dörfern im Partisanengebiet nach Evakuierung der Bevölkerung zur Schaffung von toten Zonen auf höheren Befehl, da die Partisanenbekämpfung erst nach Beseitigung von Schlupfwinkeln einige Aussicht auf Erfolg geboten habe, ferner Erschießungen von Partisanen und anderen örtlichen Bewohnern, auch ohne Kriegsgerichtsurteil als Repressalie für die grausame und heimtückische Kampfesweise der Partisanen". Der überwiegende Teil der zu ihrem Fall Befragten habe die Beschuldigungen empört zurückgewiesen und „als völlig frei erfunden" bezeichnet. Die ungeheuren Anschuldigungen in den Urteilen seien aufgrund von durch Folter erpressten Geständnissen, Protokollfälschungen, Aussagen von angeblichen Belastungszeugen, Angaben gekaufter Zuträger, Missachtung der Aussagen von Entlastungszeugen, Verdrehungen usw. zustande gekommen. Immer wieder hätten die Befragten berichtet, dass sie das Protokoll trotz größten Druckes nicht unterschrieben und z.T. auch Widerstand gegen die Untersuchungsbeamten geleistet hätten. Der Bericht hält fest, dass die Verurteilungen zum großen Teil bereits in den Jahren 1947/48 und bis Herbst 1949 - also noch vor dem Höhepunkt der Verurteilungswelle in den Massenverurteilungen ab November 1949 - erfolgt waren. Allerdings sei festzustellen, dass mehrere im gleichen Verfahren und aufgrund desselben Sachverhalts Verurteilte teils amnestiert, teils nicht amnestiert worden seien. Die „Nichtamnestierten" seien fast ausschließlich nach „Ukaz 43" verurteilt worden. Als Tatbestände würden dabei überwiegend Massenerschießungen, Verschleppung von Sowjetbürgern, Inbrandstecken von Häusern u. a. sowie vereinzelt auch Vergewaltigung genannt. Grundlage für die Verurteilung habe 122 „Bericht über die Befragung der Nichtamnestierten aus dem Transport E 5 / 5 6 in Hannoversch-Münden durch die Rechtschutzstelle München", 31.1.1956. Abschrift zu 9 2 5 0 / 1 - 4 - 2 3 2 6 6 / 5 6 , S. 2 (BA, Β 141, 71130, Bl. 6 5 - 7 4 ) .
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meist das Material gebildet, das die seit 1942 in der Sowjetunion eingesetzte staatliche Kommission 1 2 3 zusammengetragen habe. In wenigen Fällen habe den Verurteilungen das Kontrollratsgesetz Nr. 10 und in einem Spionage-Fall der Art. 58,6 StGB RSFSR zugrundegelegen. Die Gruppe der „Nichtamnestierten" setze sich überwiegend aus Wehrmachtsangehörigen der kämpfenden Truppe, nur zum geringen Teil aus SS, SD, KZ-Wachmannschaften, Geheimer Feldpolizei, Feldgendarmerie und Polizei zusammen. Kurioserweise sei unter den „Nichtamnestierten" auch eine Person, die gar nicht verurteilt worden sei. 1 2 4 Im zweiten Teil des Berichts kamen die Verfasser zu dem Schluss, dass in der Auswahl der „Nichtamnestierten" im Großen und Ganzen doch ein gewisses System erkennbar sei: 1) Es war ihrer Ansicht nach kein Zufall, dass es sich fast ausschließlich um Personen handelte, die nach „Ukaz 43" verurteilt worden waren. „Ukaz 43" drohte Personen, denen „Gräueltaten gegen die sowjetische Zivilbevölkerung und gefangene Rotarmisten" vorgeworfen wurden, die Todesstrafe durch Erhängen an, die jedoch nach dem Dekret vom 26. Mai 1947 in eine 25-jährige ITL-Strafe umgewandelt wurde. 125 Der Ukaz sei bekanntlich das „sowjetische Kriegsverbrechergesetz", das in der „Moskauer Deklaration" vom Oktober 1943 eine Bestätigung gefunden habe insofern, als auch hier von der Verantwortlichkeit deutscher Offiziere und Soldaten sowie Mitgliedern der NSDAP für die Grausamkeiten, Massaker und Exekutionen die Rede sei und demzufolge bei der Ahndung von Verbrechen das nationale Recht maßgebend sein sollte. 126 2) Obwohl auf diese Weise nach außen hin der Eindruck vermittelt werde, es handele sich fast ausschließlich um Kriegsverbrecher, die nach international anerkannten Bestimmungen abgeurteilt worden seien, dürften - so der Bericht - für die Auswahl „rein politische Gesichtspunkte maßgebend" gewesen sein: „Denn unter ihnen befanden sich zahlreiche Personen, die während der Vernehmung auf irgendeine Weise Widerstand geleistet haben." Nicht wenige Befragte hätten berichtet, dass ihre Vernehmung nur den Zweck gehabt habe, Namen von V-Leuten herauszubekommen, die mit den Deutschen gegen die Russen zusammengearbeitet hätten. Weil sie deren Namen nicht genannt hätten, habe man sie verurteilt und später in die Gruppe der „Nichtamnestierten" eingereiht. Widersetzlichkeit gegenüber den sowjetischen Organen sowie Begünstigung oder Verschweigen von tatsächlicher oder vermeintlicher Kollaboration waren demnach ebenfalls Kriterien für die Auswahl der „Nichtamnestierten". 3) Als weiteres Kriterium wurde genannt, dass sich die Betreffenden bei „Antifa-Leuten" unbeliebt gemacht hätten. Unbotmäßigkeit bzw. aggressives Verhalten gegenüber der „Antifa" oder der Lagerverwaltung sei in Spitzelberichten notiert und später verwendet worden. Nach Einschätzung der Berichterstatter war also oft weniger die
123 „Außerordentliche Staatliche Kommission" zur Verfolgung von Kriegsverbrechen. Vgl. dazu Aleksandr E. Epifanov, Die Außerordentliche Staatliche Kommission, Wien 1997. 124 Diese Person könnte evtl. die einzige Frau im West-Transport gewesen sein. Der Sozialdemokrat Karl Kapp, auf den diese Information häufig bezogen wird, ist 1950 von einem SMT verurteilt worden (siehe dazu Abschnitte 5 und 6). 125 Abdruck in: Zeidler, Stalinjustiz, S. 55f. Siehe auch Hilger/Petrov/Wagenlehner, „Ukaz 43", in diesem Band. 126 „Bericht über die Befragung der Nichtamnestierten aus dem Transport E 5/56" (siehe Anm. 122), S. 4f.
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Schwere des Delikts für die Auswahl der „Nichtamnestierten" von Bedeutung „als vielmehr das Verhalten der Kriegsgefangenen während der Kriegsgefangenschaft". Dies bestätige nachträglich die Hinweise von früher Entlassenen, die Gruppe der „Nichtamnestierten" sei aufgrund von Angaben der „Antifa-Leute" zusammengestellt worden.
Die Tatsache, dass sich in der Gruppe fast ausschließlich Gefangene befanden, die noch vor den Massenverurteilungen ab November 1949 und zudem in verschiedenen Schauprozessen abgeurteilt worden waren, erklärten die Verfasser des Berichts damit, dass die Prozessunterlagen dieser Verfahren im Unterschied zu dem bei den Kollektiv-Verurteilungen verwendeten Material den Sowjets für eine Übergabe an die westlichen Behörden besser geeignet erschienen seien. Die Beimischung einiger weniger Krimineller zeige die „Raffiniertheit" bei der Zusammenstellung der Gruppe, denn dadurch solle auf den Großteil der unschuldig Verurteilten ein Schatten fallen. „Die widerstandskräftigsten und eindeutigsten Gegner des Bolschewismus" - so der Bericht nun im Tonfall des Kalten Krieges - sollten „in den Geruch einer kriminellen Vergangenheit geraten und damit paralysiert werden." 127 Im dritten Teil des Berichts folgt eine Übersicht über die Schauprozesse, in denen auch etliche „Nichtamnestierte" verurteilt worden waren. An erster Stelle steht der Pankower „Sachsenhausen-Prozess" vom Oktober/November 1947. Von den hier verurteilten 16 Personen, die ihre lebenslänglichen Strafen in Vorkuta verbüßen sollten, waren sieben bereits 1947/48 gestorben. Bei den neun Überlebenden handelte es sich zwar nicht um Soldaten; sie wurden aber teils als verurteilte Kriegsgefangene, teils auch als verurteilte Zivilisten kategorisiert und den „Nichtamnestierten" zugeschlagen. 128 23 Kriegsgefangene aus dem Transport E 5 / 5 6 waren 1947 in Schauprozessen in Poltava, Vitebsk, Gomel', Novgorod und Bobrujsk wegen Erschießungen von Juden, Sowjetbürgern, sonstiger Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung, Misshandlungen, Erschießung von Partisanen u. a. von sowjetischen Tribunalen verurteilt worden. 129
127 Ebd., S. 6. 128 Es waren dies: August Höhn, stellvertretender Lagerleiter; Dr. Heinz Baumkötter, Lagerarzt; Martin Knittler, Blockführer; Gustav Sorge, Rapportführer; Wilhelm Schubert, Blockführer; Kurt Eccarius, Leiter des Zellenbaues; Horst Hempel, Schreiber und Blockführer; Ludwig Rehn, Leiter der Abteilung für Arbeitseinsatz. Paul Sakowski befand sich im DDR-Transport. 129 Vgl. „Bericht über die Befragung der Nichtamnestierten aus dem Transport E 5/56" (siehe Anm. 122), S. 6 - 9 . Mitangeklagte Generäle und hohe Offiziere waren demzufolge mit früheren Transporten im Westen eingetroffen (General Gollwitzer, Generalleutnant Gitter, General Ochsner, Generalleutnant Traudt, Oberstleutnant Konradi) oder bereits verstorben (General Herzog, General Rupprecht, Oberst Sasse).
310 4.2
Ute
Schmidt
Reaktionen in Politik und Öffentlichkeit
Nachdem die „Nichtamnestierten" eingehend befragt worden waren, sahen die zuständigen Behörden keine Veranlassung, sie länger festzuhalten oder, nach ihrer Ankunft in den Heimatorten, unter polizeiliche Aufsicht zu stellen. Wie Dr. Brückner in seiner „Aufzeichnung" für das AA vom 16. Januar 1956 festhielt, waren die Voraussetzungen für die Verhängung einer polizeilichen Meldepflicht nicht erfüllt. 130 Nach Auskunft des Justizministeriums könne eine solche Maßnahme nur auf eine richterliche Entscheidung hin angeordnet werden. Auch unter polizeilichen Gesichtspunkten (Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) könne - nach einer Stellungnahme des Innenministeriums - eine Meldepflicht nicht auferlegt werden. Im Falle des früheren Lagerpersonals des KZ Sachsenhausen sei allerdings das Innenministerium gebeten worden „zu veranlassen, dass die örtlichen Polizeibehörden unauffällig" feststellten, ob sich diese Personen tatsächlich in die von ihnen angegebenen Wohnorte begeben hätten. 131 Dr. Brückner verwies im Übrigen auf das von der österreichischen Regierung praktizierte Verfahren: Die nach Osterreich überstellten 76 Gefangenen seien eine Nacht lang in einer Kaserne untergebracht und anschließend nach Hause entlassen worden. Nach der Prüfung der gegen sie erhobenen Beschuldigungen anhand sowjetischer Unterlagen habe man den weitaus größten Teil der Verfahren eingestellt bzw. im Gnadenwege erledigt. Nur in sehr wenigen (ca. 3) Fällen sei Anklage erhoben worden. 132 Dass die an die Bundesrepublik Deutschland übergebenen „Nichtamnestierten" nach ihrer Ankunft in der Heimat freikommen sollten, löste in der bundesdeutschen Presse eine Welle von Kommentaren aus. Kritische Stimmen befürchteten, dass sich im letzten Kontingent verurteilter Kriegsgefangener viele zu Recht verurteilte Kriegsverbrecher befänden. Sie würden nun nicht nur amnestiert, sondern als „Spätheimkehrer" freudig begrüßt und zu Opfern des Kommunismus umstilisiert. Mit der letzten Repatriierungswelle werde nicht nur das Verhältnis von NS-Tätern und Opfern des Nationalsozialismus verkehrt, sondern faktisch auch ein Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit gezogen. Auch ausländische Zeitungen griffen das Thema auf. 133 Die Reaktionen der ausländischen Presse und der Verfolgtenkreise im Inund Ausland wurden vom Auswärtigen Amt sehr ernst genommen. Am 24. Januar 1956, einen Tag vor der Bundeskabinettssitzung, auf der über die weitere „Behandlung der von den Sowjets nicht amnestierten Kriegsgefangenen" dis130 „Aufzeichnung" (vgl. Anm. 8 8 ) . 131 Vgl. ebd. 132 Die Aufzeichnung Dr. Brückners (siehe Anm. 88) enthält keine näheren Angaben zur Überstellung der 76 nach Österreich überführten Personen. Um welche Art von Unterlagen es sich bei der Übergabe handelte, ist mir nicht bekannt. 133 Solche Warnungen in der westlichen Presse wurden wiederum in der DDR-Propagandakampagne im Neuen Deutschland begierig aufgegriffen. Vgl. Abschnitt 3.3.1.
Spätheimkehrer oder „ Schwerstkriegsverbrecher " ?
311
kutiert wurde, empfahl Legationsrat Hergt vom AA mit deutlichen Worten, die Landesjustizbehörden aufzufordern, möglichst bald mit der Überprüfung des Sachsenhausener Lagerpersonals zu beginnen. Zwar habe die erste Untersuchung in Hannoversch-Münden gezeigt, „dass der weitaus größte Teil dieser Nichtamnestierten keine Verbrechen oder Vergehen im Sinne der deutschen Gesetze begangen" habe. Unter ihnen befänden sich aber auch solche Heimkehrer, die erheblich belastet seien. Bereits vor der Ankunft der „Nichtamnestierten" sei die Bundesregierung Angriffen der Auslandspresse ausgesetzt gewesen, die ihr Untätigkeit und undemokratisches Verhalten vorgeworfen habe. In der Kabinettssitzung plädierte Bundeskanzler Adenauer dann - mit Blick auf die Moskauer Vereinbarungen und die anschließenden Verlautbarungen, in denen es geheißen hatte, die Fälle der „Nichtamnestierten" müssten nach deutschen Gesetzen behandelt werden - dafür, die Gesetze „elastisch" auszulegen. Bei den Sachsenhausener KZ-Wächtern kannte Adenauer allerdings kein Pardon: „Es müsse die Möglichkeit bestehen, diese jetzt entlassenen KZ-Bewacher in Haft zu nehmen." Nach Andeutungen des Justizministers war bereits in einer vorausgegangenen Sitzung des Bundeskabinetts über die Frage einer gerichtlichen Prüfung von Belastungsmaterial diskutiert worden. Aus politischen, nicht juristischen Gründen habe man damals entschieden, die belasteten Personen nicht in Haft zu nehmen, sondern erst „eine gewisse Wartezeit verstreichen zu lassen". Diese gewünschte Schonfrist sei nunmehr um und „die Möglichkeit zum Handeln gegeben". Auf seine Feststellung, es seien noch keine Unterlagen eingegangen, erwiderte Bundeskanzler Adenauer, dass „Bewacher des ehemaligen KZs Sachsenhausen auch ohne besondere Unterlagen verschiedener Straftaten dringend verdächtig seien." Der „Unwillen weiter Bevölkerungskreise wegen mangelnder Wiedergutmachung" richte sich vielfach gegen die Bundesregierung, und auch im Ausland entstehe ein schlechter Eindruck, obwohl meist Länderinstanzen zuständig seien. Adenauer erklärte abschließend, dass es - schon im Interesse der von den Sowjets noch zu entlassenden Gefangenen - den „Nichtamnestierten" zuzumuten sei, sich in gewissen Abständen bei der Polizei zu melden, und dass die schwer belasteten KZ-Funktionäre verhaftet werden sollten. 134 Die Entlassung der „Nichtamnestierten" und besonders des KZ-Personals aus sowjetischer Gefangenschaft hatte besonders im liberalen und linken Spektrum der bundesdeutschen Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt. So äußerte der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Dr. Adolf Arndt in seinem Brief an Justizminister Fritz Neumayer sein völliges Unverständnis darüber, dass die Bundesregierung „ausgerechnet in diesem Falle davon abgesehen" habe, die Namen der Rückkehrer bekannt zu geben, obwohl gegen sie öffent134 Vgl. „Aufzeichnung betr. Behandlung der von der Sowjetunion nichtamnestierten Gefangenen", 24.1.1956 (Raimund Hergt), (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 1956, bearb. von Ursula Hüllbüsch (Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 9), München 1998, 115. Kabinettssitzung am 25.1. 1956, S. 1 2 2 - 1 2 5 .
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Schmidt
lieh der Verdacht schwerer Verbrechen, insbesondere des mehrfachen Mordes, erhoben werde. Arndt kündigte an, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 3. Februar die Bundesregierung darüber zu befragen, ob ihr der gegenwärtige Aufenthalt dieser Personen bekannt sei und warum, entgegen der bisherigen Übung, die Namen nicht bekannt gegeben worden seien. 135 Der Minister sei aufgefordert zu erwägen, ob es hier nicht seitens des Bundeskriminalamtes eine Verpflichtung gebe, sich an der Aufklärung der erhobenen Vorwürfe bzw. strafbarer Handlungen zu beteiligen, und er nannte Zeugen, die sich bereits in der Presse geäußert oder bei ihm gemeldet hatten. So hatte ζ. B. Oberregierungsrat Otto Hafner gegenüber Arndt seine Empörung darüber geäußert, dass zu einer Zeit, in der die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts noch nicht abgeschlossen sei, „Spätheimkehrer" wie Sorge und Schubert „anständigen, ehemaligen Soldaten und Kriegsgefangenen gleichgestellt" würden. Nicht nur würden dadurch „echte Heimkehrer" diskriminiert; den „Schändern des deutschen Namens" solle damit auch „eine Entschädigung zuerkannt werden, bevor die Opfer ihrer Verbrechen auch nur teilweise entschädigt worden sind". 136 Es sei ihm unverständlich, „dass Sorge und Schubert von den Russen entlassen wurden, obwohl sie doch - dem Vernehmen nach - maßgebend an der Liquidation der russischen Kriegsgefangenen im KL Sachsenhausen beteiligt waren". Es gehe den ehemaligen politischen Häftlingen nicht darum, ihre „einstigen Peiniger nunmehr in der Rolle von jämmerlichen Befehlsempfängern vor dem Richter zu sehen". Sie wollten aber ihre Stimme erheben, weil in der noch jungen bundesrepublikanischen Demokratie eine gefährliche Tendenz bestehe, auch „Menschen vom Schlage eines Sorge und Schubert als Märtyrer fremder Gewalt sehen zu wollen und die grauenvolle Schuld, die diese Männer im Dienst einer entmenschten Staatsführung auf sich geladen haben, zu bagatellisieren". Die „unechten Spätheimkehrer" müssten „vor ordentliche Gerichte gestellt werden, um durch die Wahrheitsfindung gegenüber der Vergangenheit der breiten Öffentlichkeit die Stärke der demokratischen Staatsform durch das Recht auf die politische Freiheit des Einzelnen - im Gegensatz zur Gewaltherrschaft [...] - und nicht zuletzt den Einsatz der Gegner des Nationalsozialismus für diese Freiheit, deutlich werden zu lassen". Hafner plädierte dafür, die in Russland verbüßten Strafen voll anzurechnen. Die KZ-Täter jedoch ohne ein Ermittlungsverfahren freikommen zu lassen, „hieße die Verbrechen des Nationalsozialismus zu sanktionieren". 137
135 Arndt an Neumayer, 31.1.1956 (BA, Β 141, 71129, Bl. 109-110). 136 Hafner an Arndt, 27.1.1956 (BA, Β 141, 71129, Bl. 111-113), mit eindringlichen Beispielen der Untaten von Sorge und Schubert. Hafner war langjähriges Mitglied der baden-württembergischen DVP/FDP. Er war selbst in den KZs Sachsenhausen, Buchenwald und Auschwitz inhaftiert gewesen und befasste sich seit 1946 mit Wiedergutmachungsfragen. 1950 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 137 Ebd.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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Das „Streiflicht" der Süddeutschen Zeitung verknüpfte die Ubergabe der „Nichtamnestierten" mit der „bangen" Frage, ob mit dem Hinweis auf die Fragwürdigkeit der in der Sowjetunion durchgeführten Prozesse „die rechtliche Revision, zu der wir verpflichtet sind, nur noch zum Schein betrieben" werde: „Immer noch haben wir ein ganzes Volks-Antlitz reinzuwaschen, vergessen wir das nicht, und das Erschrecken bei der Heimkehr der Unseligen wächst nicht aus Hass auf sie, sondern aus der jähen Erkenntnis, dass unter der heiter gefärbten Decke unseres Wohlergehens noch vieles Dunkle lauert. [...] Adenauers in Moskau gegebenes Wort wird erfüllt werden - wie es aber erfüllt wird, das geht uns alle an." 138
5.
Profile der 749 „Nichtamnestierten"
In diesem Abschnitt soll auf der Basis der in der IfA/HAIT-Datenbank gespeicherten Personendaten und der im IfA/ H AIT- Archiv vorhandenen russischen Aktenbestände sowie anderer verfügbarer Quellen ein Profil der Gruppe der 749 „Nichtamnestierten" gezeichnet werden. Die Auswertung der Datenbank ermöglicht quantitative Aussagen zu den Gründen der Verurteilung, zum Strafmaß, zum Datum und Ort der Gefangennahme sowie der Verurteilung, zu den Gefangenenlagern u. a. m. Außerdem gibt die Datenbank Auskunft über sozialstatistische Merkmale der Verurteilten (ζ. B. Herkunft, Alter und Beruf sowie Dienstgrad und Waffengattung). Unter Berücksichtigung der verschiedenen Fehlerquellen 139 können auf dieser Datenbasis außerdem partielle Vergleiche zwischen der Gruppe der 749 „Nichtamnestierten" und der gesamten Gruppe der Verurteilten gezogen werden. Die Akten - speziell die Auszüge aus russischen Strafakten - enthalten detaillierte Beschreibungen der den Verurteilten zur Last gelegten Verbrechen bzw. inkriminierten Handlungen. Hier finden sich zudem konkretere Angaben hinsichtlich der Zugehörigkeit der Verurteilten zu bestimmten Truppenteilen und Organisationen. Die im HAIT vorhandenen Personalakten geben uns darüber hinaus - neben weiteren biographischen Details - auch Auskunft über Stationen des Lagerlebens, die gesundheitliche Verfassung und Arbeitsleistung der Verurteilten sowie gegebenenfalls über das Kassationsverfahren. Allerdings sind solche Akten nur für einen Teil der „Nichtamnestierten" vorhanden. 140 Dennoch bieten diese Darstellungen aus der Optik der sowjetischen Untersuchungsorgane ein höchst aufschlussreiches, wenngleich - angesichts fragwürdiger Quellen für die Anschuldigungen und einer rechtsstaatlichen Normen nicht entsprechenden Verfahrens- und Beweisführung - stark inter138 Süddeutsche Zeitung vom 17.1.1956. 139 Ζ. B. unklare oder falsche Angaben, Zuordnungsprobleme, Eingabefehler u. a. m. 140 Für 224 von 275 „Nichtamnestierten" aus dem DDR-Kontingent liegen Urteilsauszüge aus russischen Strafakten vor (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 und 39708a); außerdem: Sammlung russischer Straf- und Personalakten im IfA/HAIT-Archiv.
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pretationsbedürftiges Material. Offenbar handelt es sich bei diesem Konvolut um eben jenen Aktenfundus, aus dem auch das Material stammte, das der SED Ende 1955 von den Sowjets für ihre „Aufklärungs- und GegenpropagandaKampagne" zur Verfügung gestellt und im „Neuen Deutschland" ausgeschlachtet worden war, um die in die Bundesrepublik repatriierten „Kriegsverurteilten" als besonders verdammungswürdige „Kreaturen" darzustellen. 141 Zusätzlich zur Auswertung der Straf- und Personalakten müssen daher auch Quellen aus deutschen Archiven herangezogen werden, 142 um die russischen Angaben zu prüfen und durch andere Informationen zu ergänzen. Die Kombination dieser verschiedenen Quellen ermöglicht es, parallel zur statistischen Auswertung verschiedene Einzelfälle zu konkretisieren und ein plastischeres Bild der Gruppe der „Nichtamnestierten" zu gewinnen.
5.1
Kriegsgefangene und Zivilisten
Insgesamt enthält die IfA/HAIT-Datenbank die Daten von fast 31000 verurteilten Kriegsgefangenen sowie von über 7 000 Zivilisten. 143 Von den 275 an die DDR übergebenen „Nichtamnestierten" sind in der Datenbank 252 Personen verzeichnet; von den 471 Personen des für die Bundesrepublik bestimmten Kontingents sind 447 Personen erfasst. Mit dieser fast vollständigen Erfassung der „Nichtamnestierten" (699 von insgesamt 746 bzw. 94 Prozent der tatsächlich Übergebenen) ist für eine quantitative Auswertung eine aussagefähige Datenbasis vorhanden, die fast an eine Totalerhebung heranreicht.
141 Vgl. Abschnitt 3.3.1. Als Quellen für die Anschuldigungen wurden die Dokumentation der „Außerordentlichen Staatlichen Kommission zur Feststellung und Untersuchung der Verbrechen der deutschen faschistischen Eindringlinge", Aussagen von Zeugen sowie Geständnisse der Verurteilten angeführt. Zur Einschätzung dieser Quellen durch die Zentrale Rechtsschutzstelle (ZRS) vgl. ausführlich Zeidler, Dokumentationstätigkeit deutscher Stellen, in diesem Band, Abschnitt 2. 142 Hier: Bundesarchiv Berlin (BAB), Bundesarchiv-Außenstelle Ludwigsburg (BAL), vormals: Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen (ZSL) sowie Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) Berlin. 143 Die Datenbank erfasst 31 2 8 4 Urteile (einschließlich der Zweiturteile) sowie 30 7 8 2 Datensätze verurteilter Kriegsgefangener (Stand: März 2001). In der Gruppe der Zivilisten ist für rund 1 0 0 0 Personen ein militärischer Rang angegeben (darunter ein Generalleutnant, ein Konteradmiral und ein Kapitänleutnant), sodass zumindest ein Teil dieser Gruppe ebenfalls den Kriegsgefangenen zuzurechnen sein dürfte.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
315
Tabelle 1: „Nichtamnestierte" in der IfA/HAIT-Datenbank (Übergebene und Verzeichnete) „Nichtamnestierte" (NA)
übergeben
%
verzeichnet in der IfA/HAIT-Datenbank
an die DDR an die BRD
275 471
252 447
92 95
Insgesamt
746
699
94
Vergleicht man die beiden Gruppen von „Nichtamnestierten" in der Bundesrepublik und in der DDR, so fällt schon auf den ersten Blick deren unterschiedliche Zusammensetzung auf. Im West-Transport befanden sich fast ausschließlich Kriegsgefangene. Hingegen betrug der Anteil der Zivilisten im DDR-Transport fast ein Drittel: 179 Kriegsgefangenen stehen 73 Zivilisten gegenüber (vgl. Tabelle 2); die verurteilten Zivilisten stammten - mit anderen Worten - in der Regel aus der SBZ/DDR. Tabelle 2: „Nichtamnestierte" in der IfA/HAIT-Datenbank (Kriegsgefangene und Zivilisten) Kriegsgefangene NA-DDR NA-BRD Ν (IfA/HAIT) 1 2
179 438 617
% 71 98 88
Zivilisten 1 73 9 82
% 29 2 12
Insgesamt 2 252 447 699
% 100 100 100
In dieser Rubrik ist zwischen „echten" und „unechten" Zivilpersonen zu unterscheiden (siehe Abschnitt 5.1.3). Verzeichnet in der IfA/HAIT-Datenbank.
5.1.1
„Nichtamnestierte" Kriegsgefangene - Gefangennahme und Verurteilung, Urteilsgründe und Strafmaß
Die große Mehrheit der „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen war 1944/45 in Gefangenschaft geraten. Ein Viertel waren „Kapitulationsgefangene", die nicht mehr während des Krieges, sondern erst nach dem 8. Mai 1945 in sowjetischen Gewahrsam kamen. Auffallend groß ist wiederum der Anteil jener Soldaten, die in den letzten Kriegstagen und nach der Kapitulation in der Tschechoslowakei aufgegriffen wurden. 1 4 4 144 Laut IfA/HAIT-Datenbank 120 Personen bzw. ca. 20% aller „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen.
316
Ute Schmidt
Das Gros der Verurteilungen (ca. vier Fünftel) liegt in den Jahren 1948 und 1949. Für die Jahre 1945/46 ist nur ein einziges Urteil verzeichnet, 1951/52 sind es lediglich drei Urteile, auf deren Spezifik im folgenden noch einzugehen ist. Ein knappes Fünftel der „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen war 1947 vor Gericht gestellt und z.T. in den in diesem Jahr durchgeführten Schauprozessen abgeurteilt worden. 145 Die „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen waren fast durchgängig nach „Ukaz 43", Absatz l, 146 verurteilt worden. Mit 95 Prozent liegt der Anteil der nach „Ukaz 43" Verurteilten noch um ein Drittel höher als in der Gesamtgruppe der Verurteilten. 147 Nicht einmal zwei Prozent der in der IfA/HAITDatenbank für die „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen verzeichneten Urteile wurden wegen „Kriegsverbrechen" aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 ausgesprochen; im Vergleich zur Gesamtgruppe ist das dennoch ein relativ hoher Anteil. Verurteilungen wegen „Staatsverbrechen" nach Art. 58,1 -14 des Strafgesetzbuchs der RSFSR waren mit gut zwei Prozent bei den „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen ebenfalls ausgesprochen selten; in dieser Urteilskategorie verzeichnet die IfA/HAIT-Datenbank für die Gesamtgruppe der verurteilten Kriegsgefangenen mit 12,4 Prozent einen erheblich höheren Anteil. 148 Die „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen waren - wie aus Tabelle 3 ersichtlich - in den allermeisten Fällen zu einer 25-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, was angesichts der Häufigkeit der „Ukaz 43"-Urteile nicht verwundert. 149
145 Siehe auch „Bericht" (vgl. Anm. 122) sowie Abschnitt 4.1. 146 Im Absatz 1 des „Ukaz 43" wird angeordnet, „dass deutsche, italienische, rumänische, ungarische und finnische faschistische Verbrecher, die der Tötung und Misshandlung der Zivilbevölkerung und gefangener Rotarmisten überführt sind, ebenso Spione und Vaterlandsverräter aus den Reihen der Sowjetbürger mit der Todesstrafe durch Erhängen zu bestrafen sind." Abgedruckt in: Manfred Zeidler, Stalinjustiz contra NS-Verbrechen. Die Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR in den Jahren 1943-1952. Kenntnisstand und Forschungsprobleme (Berichte und Studien 9), Dresden 1996, S. 55f. Mit dem Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 26.5.1947 wurde die Todesstrafe in eine 25-jährige ITL-Strafe umgewandelt. 147 Insgesamt 64 % der verzeichneten Urteile. 148 Nach KG 10 sind in der Datenbank lediglich 33 Urteile eingetragen; nach Durchsicht der Akten sind hier jedoch geringfügige Abweichungen einzukalkulieren. Bährens, Deutsche in Straflagern, Band V/1, S. 147, ermittelte bei insgesamt 1025 Urteilsgründen (Mehrfachverurteilungen eingeschlossen) anhand von Aussagen der „Nichtamnestierten" im Westtransport einen Anteil von ca. 8% der Urteile wegen Lagervergehen und sonstiger Delikte nach dem StGB der RSFSR. 149 Vgl. Hilger/Petrov/Wagenlehner, „Ukaz 43", in diesem Band, Abschnitt 3.2.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
317
Tabelle 3 : „Nichtamnestierte" Kriegsgefangene - Strafmaß 10 Jahre
15 Jahre
18 Jahre
-
-
-
-
-
NA-DDR NA-BRD
2
Summe
2
1 2 3 4 5 6
20 Jahre
25 Jahre
Lebenslänglich
-
21 64
177 424 5
32 66
182 438
-
8
601
9
620
3
nach KG 10, davon 1 Urteil nicht in der Datenbank verzeichnet, aber durch Akten belegt nach KG 10, davon 2 Urteile nicht in der Datenbank verzeichnet, aber durch Akten belegt 1 Urteil nach Art. 58,7 sowie 1 Urteil nach Art. 59,3 StGB RSFSR nach „Ukaz 43" davon 413 nach „Ukaz 43"; 5 nach Art. 58; 4 nach „Ukaz 43"+Art. 58; 1 nach „Ukaz 43"+KG 10; 1 nach KG 10 nach KG 10
Bei den 179 „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen des DDR-Kontingents verzeichnet die IfA/HAIT-Datenbank nur wenige Abweichungen. Zwei der auf KG 10 basierenden Verurteilungen zu lebenslänglichen Haftstrafen fallen insofern aus dem Rahmen, als sie erst im Jahr 1951 erfolgten, und zwar im Zusammenhang mit einem Sammelprozess, der vom SMT Halle gegen frühere Angehörige der Gruppe 13 der Geheimen Feldpolizei (GFP-13) beim ArmeeOberkommando (AOK) 17 geführt wurde. Die beiden verurteilten Kriegsgefangenen, Rudi W. und Helmut E., wurden beschuldigt, von November 1941 bis 1942 an Strafaktionen, Massenverhaftungen und -erschießungen dieser Polizeitruppe im Raum Artemovsk am Asowschen Meer, ab 1943 in Simferopol'/Krim, direkt beteiligt gewesen zu sein und persönlich viele sowjetische Bürger, Geiseln sowie als Partisanen oder deren zivile Helfer verdächtigte Personen getötet zu haben. 1 5 0 Nicht in der Datenbank, aber durch Akten belegt sind zwei weitere KG 10-Urteile: Ein Wachtmeister der Schutzpolizei und Angehöriger des Polizei-Reserve-Bataillons Nr. 9, der laut Anklage mehrere Personen erschossen haben soll, wurde 1950 zu lebenslänglicher Haft verurteilt;151 der Gestapo-Dolmetscher Alexander D., dem Gräueltaten an sowjeti150 Laut Auszug aus den russischen Strafakten (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 148-151; BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 687-689). Mit ihnen wurden weitere fünf „Zivilisten" ebenfalls nach KG 10 zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt. Siehe dazu Abschnitt 5.1.3. Abdruck des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 „Bestrafung von Personen, die sich der Kriegsverbrechen, der Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben", 20.12.1945. In: Zur Entlassung werden vorgeschlagen ...: Wirken und Arbeitsergebnisse der Kommission des ZK zur Überprüfung von Angelegenheiten von Parteimitgliedern 1956. Dokumente, Berlin 1991, S. 127-133. 151 Das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR sah bei der Überprüfung dieses Urteils im September 1956 die Schuld Harald H.s als erwiesen an, reduzierte die Strafe jedoch auf 25 Jahre (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 242-245). Laut ZSL-Kar-
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sehen Deportierten zur Last gelegt wurden, erhielt mit einer 20-jährigen Freiheitsstrafe ein milderes Urteil. 152 Tatsächliche oder vermeintliche Grausamkeiten und Verbrechen deutscher Soldaten gegen die sowjetische Zivilbevölkerung, ebenso Misshandlungen und Tötungen gefangener Rotarmisten und Partisanen, wurden jedoch im allgemeinen nach „Ukaz 43", nicht nach KG 10, geahndet. Angesichts der Tatsache, dass die „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen fast durchgängig zu der 25-jährigen Standardstrafe verurteilt wurden, erstaunt die breite Palette von Anklagepunkten, die in den russischen Urteilsauszügen bis ins einzelne beschrieben sind. 153 Die Dimension der den Verurteilten angelasteten Verbrechen oder die Form der Beteiligung bzw. der Grad an individueller Verantwortlichkeit der Beschuldigten spielten jedoch aufgrund der Bestimmungen des „Ukaz 43" bei der Strafbemessung keine Rolle. Die detaillierten Beschreibungen in den (nur für einen Teil der „Nichtamnestierten" vorliegenden) russischen Strafakten enthalten durchweg schwerste Anschuldigungen und beziehen sich in einigen Fällen auf geradezu ungeheuerliche Handlungen. In jedem einzelnen Fall wird die Behauptung aufgestellt, der Verurteilte habe eigenhändig eine bestimmte Anzahl unschuldiger Menschen getötet. Bei den Taten handelt es sich zumeist um Erschießungen, Erhängungen, Deportationen, Beschlagnahmungen von Vieh und Lebensmitteln, Plünderungen, Niederbrennen von Dörfern, Vergewaltigungen u. a. m. Es sind aber auch Taten von besonderer Grausamkeit 154 oder Beteiligung an Massentötungen und Vergasungsaktionen aufgeführt, in denen Tausende von Menschen (sowjetische Bürger, Juden, Insassen von Gefängnissen und Heilanstalten sowie Kriegsgefangene) ums Leben kamen. 155 In diesen Schilderungen finden sich auch Anhaltspunkte dafür, welche Zielgruppen oder einzelnen Personen aus der Sicht der sowjetischen Militärjustiz
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tei/BAL war gegen H. wegen seiner Zugehörigkeit zum Polizei-Reserve-Bataillon Nr. 9, Einsatzkommando 6, ein Verfahren anhängig. Er wurde beschuldigt, von Juni bis November 1941 in Ostpolen und Russland an mehr als 10 Exekutionen beteiligt und bis 1945 beim K d S / S D Stalino tätig gewesen zu sein. Alexander D. war Gestapo-Dolmetscher in Reichenberg. Das Strafmaß wurde 1956 vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR auf 10 Jahre herabgesetzt (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 1 2 7 - 1 2 8 ) . In der Regel sind das Gebiet bzw. der Ort und das Datum, manchmal auch die konkreten Umstände des Geschehens sowie die Beteiligten - die Zahl der teilweise namentlich genannten Opfer sowie die als Täter Beschuldigten mit Rang, Funktion und militärischer Einheit - angegeben. Beispielsweise: Anbinden von Menschen auf Panzern vor Angriffen, besondere Verhörmethoden, Folterungen und sadistische Quälereien, Verbrennen eingeschlossener oder versteckter Menschen bei lebendigem Leibe in Bergwerksstollen oder Steinbrüchen, Scheunen, Baracken, Wohn- und Krankenhäusern, Ertränken von Kindern u. a. m. Als Orte für Vernichtungsaktionen größeren Ausmaßes werden in den Akten u.a. genannt: die Wälder von Brjansk, Bielostok, Char'kov, Mogilev, Beresino, Priluki, Ternopol', Reçu, Odessa, Sarna, Kaunas/Litauen, Bobrujsk, Kamenec-Podol'sk, Simferopol', Feodosia, Smolensk, Zitomir, Berdicev, Vinnica, das Ghetto von Lublin, Cholm/Polen, sowie nicht näher spezifiziert, die Tschechoslowakei.
Spätheimkehrer
oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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als b e s o n d e r s belastet galten. D a z u g e h ö r t e n z u n ä c h s t e i n m a l jene, d e n e n M i s s h a n d l u n g e n u n d T ö t u n g e n v o n g e f a n g e n e n sowjetischen R o t a r m i s t e n z u r L a s t gelegt w u r d e n , ζ. B. als K o m m a n d a n t e n v o n sowjetischen Kriegsgefang e n e n l a g e r n bzw. A u f s e h e r n in s o l c h e n L a g e r n o d e r A n g e h ö r i g e v o n W a c h u n d B e g l e i t k o m m a n d o s . 1 5 6 U n t e r d e n „ N i c h t a m n e s t i e r t e n " w a r e n a u c h zahlreiche A n g e h ö r i g e d e r G e h e i m e n Feldpolizei ( G F P ) , der F e l d g e n d a r m e r i e sowie d e r Polizeibataillone, S D - E i n s a t z g r u p p e n u n d S o n d e r e i n s a t z k o m m a n d o s , denen
Verhaftungen,
Erschießungen
und
Strafaktionen
vorgeworfen
d e n , 1 5 7 a u ß e r d e m Gefängnisleiter u n d W a c h p e r s o n a l in Gefängnissen G h e t t o s . Einige „ N i c h t a m n e s t i e r t e " w a r e n beschuldigt, an
wurund
Massentötungen
v o n sowjetischen B ü r g e r n bzw. J u d e n beteiligt g e w e s e n zu sein, sowohl als A u s f ü h r e n d e ( z . B . in E x e k u t i o n s - K o m m a n d o s , 1 5 8 als F a h r e r v o n Vergasungsautos, d u r c h Injektionen, B r u n n e n - o d e r Brotvergiftung u. a. m . ) als a u c h als V e r a n t w o r t l i c h e für die E r r i c h t u n g v o n G h e t t o s . 1 5 9 W e i t e r h i n w u r d e n A n g e h ö rige b e s t i m m t e r Divisionen - v o r allem v o n S S - E i n h e i t e n 1 6 0 - für E r s c h i e ß u n 156 Ein Beispiel dafür: In der Urteilsbegründung für Wilhelm S. heißt es, er habe sich von September 1941 bis Februar 1942 als Aufseher eines Wachbataillons an der Massenvernichtung sowjetischer Kriegsgefangener im Lager Cholm/Polen beteiligt. Dort seien in diesem Zeitraum 5 0 0 0 0 Kriegsgefangene umgekommen, von denen S. persönlich 6 0 0 erschossen habe. Weitere 100 habe er absichtlich erfrieren oder verhungern lassen (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 5 6 2 - 5 6 4 ) . Anderen Verurteilten wurde vorgeworfen, erschöpfte oder verletzte sowjetische Kriegsgefangene getötet zu haben. 157 So soll ζ. B. Gerhard V. als Chef der Feldgendarmerie in Mogilev im September 1942 veranlasst haben, dass 6 0 Sowjetbürger aus dem KZ vor die Stadt gebracht und dort als Rache für einen getöteten deutschen Soldaten erschossen wurden. Im gleichen fahr soll V. persönlich mehrere Partisanenfamilien im KZ erschossen haben (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 6 6 9 - 6 7 1 ) . 158 Ein krasses Beispiel dafür: Otto J. war nach „Ukaz 4 3 " verurteilt worden, weil er im August 1941 an Massenerschießungen in Bielostok teilgenommen haben sollte, bei denen mehr als 10 0 0 0 luden vernichtet worden seien. Ab Februar 1943 habe er im Freiwilligen-Sonderstrafbataillon bei Mogilev gedient und sich am Niederbrennen von acht Dörfern beteiligt. Von den 6 0 0 0 Bewohnern seien die Arbeitstauglichen ins deutsche Hinterland deportiert, die Alten und Kinder erschossen worden. 1943 sei J. in Beresino an der Vernichtung von bis zu 1 0 0 0 Partisanen und Zivilisten beteiligt gewesen (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 3 0 1 - 3 0 3 ) . Laut Personenkartei der Z S L / B A L war J. Angehöriger eines Polizeiregiments (Sicherungstruppen Heeresgebiet Mitte, Nachrichtenabteilung); nach seiner Repatriierung in die Bundesrepublik wurden gegen ihn keine Vorwürfe erhoben. 159 In der Urteilsbegründung für Ernst S. heißt es, er sei als „Sonderbevollmächtigter des deutschen Außenministeriums" für die Organisation des Ghettos in Smolensk verantwortlich gewesen, in das man 2 0 0 0 Juden getrieben habe (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 6 0 5 - 6 0 7 ) . Laut ZSL-Kartei/BAL war S. als SS-Stubaf. und Major der Schupo mit den Aufgaben eines SS- und Polizei-Standortführers in Smolensk beauftragt. 160 Z. B. folgende Divisionen oder Einheiten: „Leibstandarte Adolf Hitler", „Das Reich", „Totenkopf", „SS-Polizei-Division", „Wiking", „Florian Geyer", „Galizien", „Horst Wessel", „Dirlewanger", „20. Waffengrenadier-Division (estnische Nr. 1)", „SS-Ausbildungs- und Ersatzeinheiten", „Großdeutschland" sowie weitere SS-Einheiten ohne klare Bezeichnung. Ein Beispiel dafür: In der Urteilsbegründung für Otto W. heißt es, er habe sich im Mai 1943 als Angehöriger der Division „Großdeutschland" an der Erschießung von etwa 10 0 0 0 Zivilisten in Berdicev beteiligt, wo er persönlich 4 0 0 Men-
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gen und andere Gewaltmaßnahmen gegen sowjetische, polnische, ungarische, tschechoslowakische oder jugoslawische Zivilisten und Partisanen verantwortlich gemacht. Angehörigen von Panzer- oder Pionierbataillons legte man sowohl Dorfzerstörungen im Zuge von Kampfhandlungen als auch weitere Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung zur Last (Beschuss von Ortschaften ohne militärische Notwendigkeit, Überfahren von Menschen mit Panzern, Sprengen von Wohnhäusern, Bahnhöfen, Krankenhäusern, Brücken und Kasernen ohne Rücksicht auf Menschenleben usw.). Die sowjetischen Organe fahndeten ferner nach höheren Offizieren mit Befehlsgewalt161 und Stäben von Orts- und Feldkommandanturen, nach Sonderführern, denen vorgeworfen wurde, in den Kolchosen Getreide, Vieh und landwirtschaftliches Gerät requiriert sowie Sowjetbürger zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert zu haben, 162 oder nach Verwaltern von Fabriken in den besetzten Gebieten. Besonderes Interesse zeigten die Sowjets auch für Gefangene, die bei der deutschen Abwehr und Gegenspionage tätig gewesen waren oder antikommunistische Kampferfahrung besaßen, nicht zuletzt auch für sprachkundige Deutsche, die bei Verhören als Dolmetscher mitgewirkt hatten. 163 Etliche „Nichtamnestierte" waren laut Anklage zumindest zeitweise als Blockleiter, Rapportführer, Wachmänner, Helfer bei Hinrichtungen und in sehen mit dem Maschinengewehr erschossen habe. Im Dezember 1943 sei er an der Erschießung von 2 000 Menschen beteiligt gewesen und habe persönlich 50 Menschen getötet. Im Januar 1944 sei er an der Vernichtung von 800 Menschen in Vinnica beteiligt gewesen und habe wiederum selbst 50 von ihnen erschossen (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 39708, Bl. 684-686). 161 Ζ. B. Oberstleutnant Werner H., der als Chef der Abt. Ia der 36. Division den Befehl zur Vernichtung sowjetischer Ortschaften gegeben haben soll (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 39708, Bl. 2 8 5 - 2 8 7 ) . 162 Z.B. Gustav P. (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 4 9 2 - 4 9 4 ) und Georg M. (BAB, DO 1/ 32.0/39708, Bl. 445-447). Wie der ehemalige Sonderführer Johann F. bei seiner späteren Vernehmung in der Bundesrepublik aussagte, war er 1949 aufgrund einer Falschaussage von einem SMT zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Er selbst sei zum fraglichen Zeitpunkt nachweislich nicht an diesem Ort gewesen. Die ihm außerdem vorgeworfenen Erschießungen seien von anderen Personen veranlasst worden (ZSLKartei/BAL). 163 Zwei Beispiele: Hans H. soll in „Spionageabwehrorganisationen der Wehrmacht" gedient und Agenten angeworben haben, mit deren Hilfe er „patriotisch eingestellte Menschen" und Partisanengruppen aufgespürt habe: ζ. B. 20 Personen, die eine Diversionsaktion auf das städtische Krankenhaus in Borisovo vorbereitet hätten. Alle, einschließlich eines bekannten tschechischen Antifaschisten, seien verhaftet und anschließend erschossen worden (BAB, DO 1/32.0/39708, Bl. 2 5 2 - 2 5 5 ) . Sylvester P. war laut Urteilsbegründung während des Ersten Weltkrieges in sowjetische Gefangenschaft geraten und hatte dann 1919/20 in der Armee Kolcaks gedient. Dort habe er persönlich ca. 100 Sowjetbürger erschossen. 1920 sei er Kommandeur einer Strafeinheit gewesen und habe im Baikalgebiet etwa 300 sowjetische Partisanen und Zivilisten erschossen. 1922 nach Deutschland zurückgekehrt, habe er 1941 bis 1945 bei der Gestapo als Dolmetscher gearbeitet und mit Hilfe angeworbener Geheimagenten etwa 100 sowjetische Patrioten aufgespürt und an die Gestapo ausgeliefert (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 511-513).
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anderen Funktionen in den KZs Buchenwald, Sachsenhausen, Dachau, Auschwitz, Birkenau u. a. sowie in Außen- und Nebenstellen solcher Lager tätig gewesen. Unter den „Nichtamnestierten" finden sich ferner mehrere GestapoLeute, die sich meist im deutschen Reichsgebiet, ζ. T. jedoch zeitweise auch in den Okkupationsgebieten aufgehalten hatten. 164 Beim KZ- und Gestapo-Personal fällt - wie auch bei den Angehörigen von Polizeieinheiten - die Unschärfe der Gefangenenkategorien und der Urteilssystematik besonders ins Auge: Diese Personen tauchen sowohl in der Gruppe der „Kriegsgefangenen" als auch bei den „Zivilisten" auf. Teils waren sie nach KG 10, teils nach „Ukaz 43", manchmal auch nach Art. 58 und seinen Untergliederungen oder in Kombination von Art. 58 und KG 10 verurteilt worden. 165 Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, waren die in die Bundesrepublik repatriierten „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen ebenfalls größtenteils nach „Ukaz 43" zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden: 416 der 424 Standardstrafen waren „Ukaz 43 "-Urteile, nur sechsmal war das Ukaz-Urteil milder ausgefallen. 166 In allen Fällen, in denen lebenslängliche Haftstrafen verhängt worden waren, handelte es sich um Angehörige der Sachsenhausener Lagerkommandantur, die 1947 im Berlin-Pankower Sachsenhausen-Prozess nach KG 10 verurteilt worden waren. 167 Ebenfalls nach KG 10, aber „nur" zu einer 25-jährigen Freiheitsstrafe, waren zwei hochrangige „Nichtamnestierte" - Major Ernst Wilhelm Keitel, ein Sohn des Generalfeldmarschalls Wilhelm Keitel, sowie der SS-Oberführer und Sipo-Offizier Friedrich Panzinger - verurteilt worden.
164 Zu diesem „Karrieremuster" vgl. Abschnitt 5.1.3. 165 So wurde z. B. Willy P. (laut Anklage „Chef der Lagerwache" im KZ Sachsenhausen) im Jahr 1949 nicht - wie anderes Lagerpersonal - nach KG 10 oder „Ukaz 43", sondern nach Art. 58,4 („Unterstützung der internationalen Bourgeosie") zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 489-491). Bei dem GestapoMann Heinrich G. kam zur Anklage nach KG 10 neben dem Spionage-Vorwurf (Art. 58,6) noch Art. 58,14 („Gegenrevolutionäre Sabotage") hinzu (BAB, DO 1/ 32.0/39708, Bl. 2 2 5 - 2 2 6 ) . Nach Art. 58,4 sowie 58,14 wurde auch Gerhard F. (Kripo, laut Anklage später „Operativbevollmächtigter der Gestapo" in Berlin) verurteilt (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 181-183). Roman K. kam 1948 nicht wegen der Anschuldigung, er sei als SS-Mann im KZ Auschwitz-Monowitz an Morden beteiligt gewesen, vor ein SMT, sondern wurde 1948 wegen „Spionage" (Art. 58,6) sowie der ihm unterstellten Absicht, den „bewaffneten Kampf gegen die sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland zu führen," nach Art. 58,2 zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 3 9 4 - 3 9 6 ) . 166 Aus dem geringeren Strafmaß lässt sich - wie aus den im HAIT vorliegenden Straf- und Personalakten ersichtlich - keineswegs auf weniger schwere Anschuldigungen schließen. Bei den sechs zu 20 Jahren Haft Verurteilten fällt eher die zeitliche Nähe und die Verurteilung an nur zwei Orten ins Auge: Zwei von ihnen standen am selben Tag (am 27.10.1947) in Gomel', die vier anderen zur gleichen Zeit (25.-28.10.1947) in Kazan' vor einem SMT. 167 Baumkötter, Eccarius, Höhn, Hempel, Schubert und Sorge. Zwei weitere, Knittler und Rehn, die ebenfalls nach KG 10 zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren, tauchen in der Gruppe der „Zivilisten" auf. Vgl. Abschnitt 5.1.3.
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Im bürgerlichen Beruf Regierungsdirektor, war Panzinger im „Dritten Reich" Generalmajor der Polizei und Oberregierungsrat beim Reichssicherheitshauptamt ( R S H A ) gewesen. 1 6 8 Als Gruppenleiter des Amtes IV A 2 a unterstand Panzinger direkt Heinrich Müller, dem Chef des Amtes IV (Gegnererforschung und -bekämpfung) im R S H A , mit dem er engen Kontakt pflegte. Panzinger wurde überdies beschuldigt, von November 1 9 4 3 bis Mai 1 9 4 4 als „BdS O s t l a n d " 1 6 9 im Raum Riga/Lettland eingesetzt und für nationalsozialistische Gewaltverbrechen (ζ. B. Befehl für die Aufstellung eines „Einsatz-Kommandos") verantwortlich gewesen zu sein. Panzinger war freilich auch in die Verfolgung politischer Gegner im Reich involviert. Er war einer der Leiter der „Sonderkommission Rote Kapelle" und auch an der „Aktion Gitter" beteiligt: Nach dem Attentat auf Hitler am 2 0 . Juli 1 9 4 4 wurden nicht nur das Todesurteil gegen den inhaftierten KPD-Vorsitzenden Thälmann vollstreckt, sondern auch alle früheren Reichs- und Landtagsabgeordneten sowie Stadtverordneten der K P D , der S P D und der Zentrumspartei festgenommen. 1 7 0 Die undurchsichtige Geschichte der Gefangennahme Panzingers und anderer Personen aus seinem unmittelbaren R S H A - U m f e l d in den letzten Kriegstagen in Berlin sowie sein Selbstmord nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft bei der vorläufigen Festnahme durch die bundesdeutsche Justiz im August 1 9 5 9 1 7 1 haben Anlass zu vielen Spekulation geboten. S o wurde gemutmaßt, dass die Sowjets versucht hätten, Panzinger für sich zu gewinnen und er möglicherweise die Seite gewechselt habe. 1 7 2 Offensichtlich hatten die Sowjets ein starkes Interesse daran, herauszufinden, wie es der NSGegenspionage gelungen war, die sowjetischen Nachrichtendienste auszuhe-
168 Z S L - K a r t e i / B A L . 169 „Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD" (vermutlich ein Grund dafür, dass Panzinger nicht nur nach KG 10, sondern zugleich nach „Ukaz 4 3 " verurteilt wurde). Panzinger war anderen Angaben zufolge zeitweise auch als Amtschef im RSHA Amt V und im Amt IV A l e tätig ( Z S L - K a r t e i / B A L ) . 170 Vgl. Klaus-Michael Mallmann, Brüderlein & Co. Die Gestapo und der kommunistische Widerstand in der Kriegsendphase. In: Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. „Heimatfront" und besetztes Europa, Darmstadt 2 0 0 0 , S. 2 7 0 - 2 9 0 , hier S. 2 8 5 . Vgl. auch Gilles Perrault, Auf den Spuren der Roten Kapelle, Wien 1 9 9 0 , S. 201, 3 3 8 ; Leopold Trepper, Die Wahrheit. Autobiographie, München 1975, S. 2 0 7 . 171 Z S L - K a r t e i / B A L . Hier auch Informationen über Voruntersuchungen und Ermittlungen, die seit Sommer 1 9 5 6 gegen Panzinger hinsichtlich weiterer Beschuldigungen geführt wurden, z. B. die „Aussonderung" von Tausenden „untragbarer" Kriegsgefangener aus Kriegsgefangenenlagern in den Wehrkreisen VII und VIII „zum Zwecke der Sonderbehandlung" ( O r t : Dachau, Flossenbürg), Beteiligung an der Ermordung des Generals Mesny u. a. m. Panzinger soll Leiter des SD-Gefángnisses in der lettischen Stadt Aispute gewesen sein; er wurde auch der Tötung von Geisteskranken sowie der Verschleppung von Zivilisten aus den baltischen Staaten zur Zwangsarbeit nach Deutschland beschuldigt. Dem Haftbefehl, der am 5. August 1 9 5 9 erging, entzog sich Panzinger durch die Einnahme von Gift. 172 Im Zusammenhang mit Nachforschungen über Müller, der als Letzter im Keller der Reichskanzlei zurückblieb, um hier Selbstmord zu begehen. Müllers Leiche wurde nie
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beln. P e r m a n e n t auf der S u c h e n a c h Verrätern u n d Kollaborateuren in d e n e i g e n e n R e i h e n , b e f ü r c h t e t e n sie, dass die A b t e i l u n g e n IV A 2 u n d A 3 (Spion a g e u n d G e g e n s p i o n a g e ) über e i n N e t z hochgestellter S o w j e t f u n k t i o n ä r e in M o s k a u verfügt h a b e , die S t a a t s g e h e i m n i s s e p r e i s g e g e b e n h ä t t e n . 1 7 3 Jedenfalls w u r d e Panzinger, e b e n s o w i e sein R S H A - K o l l e g e H e i n z Pannwitz, 1 7 4 n a c h seiner G e f a n g e n n a h m e in Berlin ins M o s k a u e r G e f ä n g n i s Lubjanka gebracht u n d dort i m S o m m e r 1 9 4 5 m o n a t e l a n g v o m s o w j e t i s c h e n N a c h r i c h t e n d i e n s t vern o m m e n . D a s Urteil g e g e n Panzinger erging i n d e s - w i e i m Fall d e s ebenfalls „nichtamnestierten" G e n e r a l l e u t n a n t s H a n s Friedrich P i e k e n b r o c k - erst i m M ä r z 1 9 5 2 . Es sind dies die b e i d e n letzten V e r u r t e i l u n g e n i m K o n t i n g e n t der „ N i c h t a m n e s t i e r t e n " . 1 7 5 P i e k e n b r o c k w a r bis 1 9 4 3 A b t e i l u n g s l e i t e r u n d gefunden, sodass über seinen Verbleib viel spekuliert wurde: vom südamerikanischen Versteck bis zur Mitwirkung beim Aufbau der Polizei in der SBZ/DDR. 173 Verfahren gegen Karl Wolff (BAL, Akte 208 AR-Z 2 0 3 / 5 9 ) . Der sowjetische Verdacht lief jedoch offenbar ins Leere; denn die Erkenntnisse seien - wie Beteiligte später aussagten - durch Erfassung von Fallschirmagenten und andere Mittel („Funkspielumdrehung") gewonnen worden. 174 Zu Pannwitz vgl. ebd.; Heinz Pannwitz hatte nach Abschluss seines Theologiestudiums eine Polizeikarriere begonnen. Der Kriminalrat und SS-Hauptsturmführer leitete als Kommunismus-Spezialist der Gestapo seit 1943 das „Kommando Rote Kapelle", eine kurz zuvor neu gebildete Stelle des RSHA, der Angehörige aller bisherigen, miteinander rivalisierenden Organe der deutschen Gegenspionage (aus Abwehr, Gestapo, SD u. a.) zugeteilt worden waren. Das Kommando besaß weitgehende Vollmachten und trieb seine Aktionen bis nach Holland, Belgien und Frankreich vor. Seine erste, unmittelbare Aufgabe war es, den sowjetischen Nachrichtenapparat zu zerschlagen; längerfristig sollte es „umgedrehte" Sowjetagenten und ihre Funkstellen für eine großangelegte Nachrichtenoffensive gegen die UdSSR einsetzen. Vgl. David J. Dallin, Die Sowjetspionage. Prinzipien und Praktiken, Köln 1956, S. 200f., 298, 301. Pannwitz ließ sich 1945 gezielt von der französischen Militärpolizei verhaften und wurde von Osterreich aus auf eigenen Wunsch hin nach Moskau überstellt. Zu den Unterlagen, die er mit sich führte, gehörten u. a. Verhörprotokolle von Leopold Trepper und Anatoli Gurewitsch. Vgl. Johannes Tuchel, Die Gestapo-Sonderkommission „Rote Kapelle". In: Hans Coppi/Jürgen Danyel/Johannes Tuchel, Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S. 145-160, hier S. 156. Pannwitz, der für das Funkspiel mit Moskau verantwortlich war, soll angeblich möglicherweise mit Zustimmung Müllers, am Ende des Krieges noch ein „großes Spiel" gespielt haben, indem er den Sowjets persönlich das Material von „Phoenix", einem im Amt IV entwickelten Gegenspionagespiel, überbrachte. Pannwitz kam mit den letzten Kriegsheimkehrern aus russischer Gefangenschaft zurück. Er gehörte allerdings nicht zu den „Nichtamnestierten" und traf bereits zwei Tage vor dem Transport E 5 / 5 6 , am 12. Januar 1956, in Friedland ein. Seinen Aussagen zufolge hatte man ihn in der Lubjanka im Juli/August 1945 ununterbrochen über seine nachrichtendienstlichen Verbindungen sowie zu Gestapochef Heinrich Müller befragt. Vgl. Verfahren gegen Karl Wolff (BAL, Akte 208 AR-Z 203/59). Pannwitz starb 1975. Zur Karriere von Pannwitz vgl. auch Stanislav F. Berton, Das Attentat auf Reinhard Heydrich vom 27. Mai 1942. Ein Bericht des Kriminalrats Heinz Pannwitz. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 33 (1985), S. 6 6 8 - 7 0 6 , hier S. 670f. 175 Ungefähr zeitgleich mit den Verurteilungen von RSD-Chef Hans Rattenhuber und General Wilhelm Mohnke, die wie Panzinger und Piepenbrock in den letzten Kriegstagen in Berlin von den Sowjets gefangen genommen wurden, aber nicht zu den „Nichtamnestierten" zählen. Rattenhuber und Mohnke kehrten ebenfalls im Oktober 1955 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück.
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Vertreter des Leiters der Abwehr, Admiral Canaris, 176 und wurde nicht nach KG 10 oder „Ukaz 43", sondern wegen „Spionage" nach Art. 58,6 belangt. Wie Panzinger wurde auch Piekenbrock zu einer 25-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt und im Oktober 1955 den westdeutschen Behörden übergeben. Zeugenaussagen von Mitgefangenen werfen ein Schlaglicht auf einen weiteren Prominenten im Kontingent der „Nichtamnestierten": SS-Sturmbannführer Otto Günsche. Der persönliche Adjutant der Waffen-SS bei Adolf Hitler war mit einer der letzten gewesen, die sich bis zum 2. Mai 1945 im Bunker der Reichskanzlei verschanzt hatten. Noch Ende April soll er einen Befehl an den Generalmajor der Waffen-SS Wilhelm Mohnke überbracht haben, demzufolge alle noch verfügbaren Einheiten der Waffen-SS zu einer Kampfgruppe zur Verteidigung des Regierungsviertels zusammengefasst werden sollten. Nach dem Selbstmord Hitlers und seines Gefolges sollen sich Günsche und die anderen Anwesenden mit Ehrenbezeugungen von den Leichen verabschiedet haben. Günsche selbst habe den Leichnam Eva Brauns aus dem Bunker der Reichskanzlei herausgetragen, ihre und die anderen Leichen mit Benzin Übergossen und in Brand gesteckt. Wie Angehörige des „Führer-Begleitkommandos" des Reichs-Sicherheitsdienstes (RSD) unter der Führung von SS-Gruppenführer Hans Rattenhuber später aussagten, 177 brach das letzte Häuflein (ca. 120 bis 150 Personen) tags darauf - die Reichskanzlei war bereits von der Roten Armee umstellt - in kleinen Gruppen aus und schlug sich durch den U-BahnTunnel in den Norden Berlins durch, wo sie im Keller der Schultheiß-Brauerei Unterschlupf fanden. Trotz einer Beinverwundung habe sich Rattenhuber im Schützenpanzer ebenfalls dorthin begeben, sei dann aber von den Russen aufgegriffen worden. Günsche und Mohnke hätten beschlossen, mit einem PKW zu den Russen zu fahren. In russischer Gefangenschaft habe man sich schließlich wiedergetroffen. Genau ein Jahr nach ihrer Gefangennahme sei Günsche dann zusammen mit vier Mitgefangenen in einer russischen Maschine nach Berlin ausgeflogen worden. Zwei bis drei Wochen lang habe man sie hier im Margarethen-Gefängnis untergebracht, ausführlich vernommen und einander gegenübergestellt. Einer der Zeugen erzählte anderen Mitgefangenen, dass man ihn sogar zu einem Lokaltermin in der zerstörten Reichskanzlei beordert habe. Ein weiterer Zeuge berichtete, dass er auch in den späteren Jahren seiner Gefangenschaft unzählige Male über die Geschehnisse der letzten Tage in Berlin vernommen worden sei. 178 Nach Art. 58 StGB RSFSR und seinen Untergliederungen („Gegenrevolutionäre Verbrechen") waren nur zehn Kriegsgefangene aus dem westdeutschen Kontingent der „Nichtamnestierten" verurteilt worden (davon vier in
176 ZSL-Kartei/BAL. Piekenbrock starb am 16.12.1959. 177 Diese Zeugen kamen ebenfalls im Oktober 1955 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Nach ihrer Repatriierung waren sie wieder als Polizeibeamte tätig. Rattenhuber verstarb 1960 in München. 178 Verfahren gegen Karl Wolff (BAL, Akte 2 0 8 , AR-Z 2 0 3 / 5 9 ) .
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Kombination mit „Ukaz 43"), neun von ihnen zu 25-jährigen Freiheitsstrafen. Neben dem Spionage-Paragraphen (Art. 58,6) kamen hier auch andere Abschnitte (bzw. Kombinationen) vor, etwa: „Eindringen bewaffneter Banden in das Sowjetgebiet in gegenrevolutionärer Absicht" (Art. 58,2), „Jegliche Art der Unterstützung der internationalen Bourgeoisie" (Art. 58,4), „Unterhöhlung der staatlichen Industrie" (Art. 58,7), „Begehung terroristischer Handlungen gegen Vertreter der Sowjetmacht" (Art. 58,8), „Propaganda und Agitation zum Sturz der Sowjetmacht" (Art. 58,10) sowie „Organisatorische Tätigkeit zur Vorbereitung oder Begehung von Verbrechen" gegen die Sowjetherrschaft (Art. 58,11).
5.1.2 „Nichtamnestierte" Kriegsgefangene - Waffengattung und Dienstgrad Schlüsselt man die Daten in der IfA/HAIT-Datenbank nach Waffengattung und Dienstgrad auf, so erhält man eine wenn auch nur grobe Übersicht für die Gruppe der „Nichtamnestierten" und die Basis für einen vorsichtigen Vergleich mit der Gesamtgruppe der Verurteilten. 179 Für eine detailliertere Analyse müssten freilich weitere Quellen hinzugezogen werden. Mehr als die Hälfte der „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen gehörten nach diesen Angaben zur Infanterie, Artillerie und den Panzertruppen, d. h. zu den kämpfenden Truppen. Knapp 20 Prozent verteilten sich zudem auf Waffen-SS und Polizei. Der Vergleich der „Nichtamnestierten" - sie stellten etwa zwei Prozent der verurteilten Kriegsgefangenen - mit der Gesamtgruppe der Verurteilten ist insofern aufschlussreich, als sich in der Größenordnung der Waffengattung kaum Unterschiede finden: Aus der Übersicht in Tabelle 4 geht hervor, dass sowohl der weit überwiegende Teil des Kontingents der „Nichtamnestierten" als auch das Gros der Verurteilten den Heeresgruppen zuzurechnen ist; kaum vertreten waren hingegen Luftwaffe, Marine oder Gebirgsjäger. Waffen-SS sowie Polizei stellen in dieser Übersicht in beiden Gruppen nur jeweils ein knappes Fünftel, wobei bei den „Nichtamnestierten" die Waffen-SS und beim Gros der Verurteilten die Polizeitruppen etwas stärker hervortreten. Hinsichtlich der Zugehörigkeit zu SS- oder Polizeieinheiten sind die Daten in der IfA/HAIT-Datenbank - dies ergibt sich auch aus Vergleichen mit anderen Quellen 180 - allerdings ausgesprochen lückenhaft und häufig ungenau. 179 Wie gesagt, sind bei der Auswertung dieser Daten, die nach russischen Quellen in die Datenbank eingegeben wurden, Fehler nicht auszuschließen. Die Aufstellung für die „Nichtamnestierten" und der Vergleich mit der Gesamtgruppe der Verurteilten anhand dieses Materials sollen daher nur einen ersten Uberblick bieten. 180 So errechnet sich schon aus dem uns vorliegenden Teilbestand russischer Akten zu 224 der 275 in die DDR repatriierten „Nichtamnestierten" - auf das gesamte DDR-Kontingent der „Nichtamnestierten" einschließlich der „Zivilisten" bezogen - ein leicht höherer Anteil von Angehörigen einzelner Divisionen der Waffen-SS sowie von KZ-
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Tabelle 4: „Nichtamnestierte" Kriegsgefangene und verurteilte Kriegsgefangene insgesamt (Waffengattung/Truppenteil) NA Kgf.
%
Infanterie Artillerie Waffen-SS Panzertruppen Polizei Kavallerie Pioniertruppen Nachrichtentruppen Abwehr/Nachrichtentruppen Luftwaffe Marine Gebirgsjäger Transport Begleittruppen Technische Truppen Sonstige 2 Sanitäter Volkssturm Keine Angabe
266 73 72 42 44 17 19 12 3 11 6 2 7 2 3 4 9 2 23
43,1 11,8 11,7 6,8 7,1 2,8 3,0 1,9 0,5 1,8 1,0 0,3 1,1 0,3 0,5 0,6 1,5 0,3 3,7
11762 4 063 2 576 2 205 3 317 527 1431 768 102 890 326 114 395 525 246 264 768 99 404
38,2 13,2 8,4 7,2 10,8 1,7 4,6 2,5 0,3 2,9 1,0 0,4 1,3 1,7 0,8 0,9 2,5 0,3 1,3
Ν (IfA/HAIT)
617
100
30 782
100
Truppenteil
1 2
Alle VU Kgf.1
%
Stand: März 2001 Darunter fallen Nennungen wie : Luftabwehr, Veterinärdienst, Landetruppen, Intendanzdienst
Für die Dienstränge kann ebenfalls nur ein grober Überblick gegeben werden. 181 Klar ist jedoch, dass sich die Gruppe der „Nichtamnestierten" zum überwiegenden Teil aus Rängen der mittleren Befehlshierarchie und aus Mannschaftsgraden speiste. Nur ein knappes Fünftel der „Nichtamnestierten" hatte Offiziersränge vom Leutnant bis zum Oberst bekleidet. 182 Die anderen vier Fünftel rekrutierten sich aus den Mannschaften vom einfachen Soldaten bis zum Ober- und Stabsfeldwebel. Feldwebel, Unteroffiziere, Gefreite und OberBewachungspersonal (ca. 15%). Unzuverlässig sind auch die Angaben für die Polizeieinheiten, deren Angehörige manchmal anderen Truppenteilen wie ζ. B. der Infanterie zugerechnet wurden. 181 Bei einem Teil der 30 782 in der Datenbank erfassten verurteilten Kriegsgefangenen, die mit Rangangaben verzeichnet sind, gibt es bei den Dienstgraden Mehrfachnennungen. Eine Unterscheidung nach Diensträngen in Wehrmachtsteilen, Waffen-SS und Polizeitruppen ist auf unserer Datenbasis rechnerisch nicht möglich. 182 IfA/HAIT-Datenbank.
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gefreite waren neben einfachen Soldaten - wie auch in der Gesamtgruppe der verurteilten Kriegsgefangenen - am stärksten vertreten. Sofern in der Datenbank SS-Ränge verzeichnet sind, handelt es sich bei den „Nichtamnestierten" zumeist um untere bis mittlere Ranggruppen vom Rottenführer bis zum Obersturmführer; auch bei Polizei und Gendarmerie dominieren mit den Wacht-, Ober- und Hauptwachtmeistern die Rangstufen des unteren Drittels dieser Formationen. 1 8 3 Die oberste militärische Führung fiel bei den „Nichtamnestierten" überhaupt nicht ins Gewicht. 184 Ranghöchste Offiziere waren der bereits erwähnte Generalleutnant Piekenbrock sowie der SS-Oberführer Panzinger.
5.1.3 „Echte" und „unechte" Zivilisten Die in Tabelle 2 vermerkte Differenz zwischen „echten" und „unechten" Zivilisten hat ihre Ursache in einem Definitionsproblem, nämlich dem sowjetischen Verständnis des „Kriegsgefangenen": Im Unterschied zur Internierungspraxis der Westalliierten hatten die Sowjets ehemalige Angehörige paramilitärischer Truppen (wie ζ. B. SS, SD, Gestapo, Polizei und andere Sicherheitsdienste, Organisation Todt), das KZ-Personal sowie andere NSBelastete im allgemeinen dem Heer der Kriegsgefangenen zugeordnet. Wie sich an unserem Datenmaterial zeigt, wurden Angehörige solcher Personenkategorien z.T. jedoch auch in der Gruppe der „Zivilisten" registriert. Im Überschneidungsbereich ergibt sich eine Grauzone, die bei der Auswertung nicht gänzlich aufgehellt werden kann. Solche Zuordnungsschwierigkeiten resultieren allerdings nicht allein aus diesem Definitionsproblem, sondern haben auch einen sachlichen Hintergrund, nämlich die zeitweilige Verschränkung von Tätigkeiten in der zivilen Verwaltung, der Kriminalpolizei oder im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) innerhalb des Reichsgebietes mit Funktionen im „sicherheitspolizeilichen Einsatz" in den besetzten Ländern (Sicherheitspolizei und SD, Sonderkommandos, Einsatzgruppen und andere Formationen): So wurden ζ. B. Angehörige von Polizeibataillons in ihren Dienststellen rekrutiert, um in den Okkupationsgebieten eingesetzt zu werden; später kehrten sie in ihre Heimatorte 183 Vgl. auch die Einschätzung des DRK-Teams, das die im April 1956 aus Bautzen in den Westen entlassenen „Nichtamnestierten" in Friedland befragte: Die Gruppe sei „recht farblos". Es handle sich zumeist um kleine Dienstgrade. Sie weise „auch sonst keine besonderen Persönlichkeiten auf". Die Betreffenden kämen aus allen möglichen Einheiten; darunter seien einige GFP- und SD-Angehörige sowie ein Blockführer aus Auschwitz. DRK-Rechtsschutzstelle München, „Vertraulicher Bericht über die am 1 4 . 4 . 1 9 5 6 in Friedland eingetroffenen Nichtamnestierten", 16.4.1956, S. l f . (Kopie im IfA/ HAIT-Archiv). 184 Im Unterschied dazu lag der Anteil höher- und hochrangiger Offiziere in der Gesamtgruppe der Verurteilten deutlich höher (Generalität: knapp 1 % gegenüber 0,3 % bei den „Nichtamnestierten").
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zurück, um dort wieder ihre zivilen Berufe auszuüben bzw. als normale Polizeibeamte ihren Dienst zu tun. Für ambitionierte Leute im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) war es ein geradezu übliches Karrieremuster, sich durch Einsätze in den besetzten Gebieten für höhere Posten in Berlin zu qualifizieren. 185 Aber auch einfache RSHA-Mitarbeiter, die nach 1939 zum „sicherheitspolizeilichen Einsatz" abgeordnet wurden, waren in dieses Rotationssystem eingebunden. Beim Einsatz in den besetzten Gebieten trugen alle RSHAAngehörigen, gleich ob Gestapo oder Polizei, die feldgraue Uniform der Waffen-SS mit der SD-Raute am Unterarm; diese einheitliche Uniformkennzeichnung tat ein Übriges, um Unterschiede zu verwischen. 186 Die immer wieder zu beobachtenden Ungereimtheiten in der Anwendung von Strafvorschriften in der Gerichtsbarkeit der SMTs dürften durch solche Unschärfen und die flexiblen Strukturen des sicherheitspolizeilichen Apparats des NS-Regimes noch befördert worden sein. Von den neun „Zivilisten" im Westkontingent der „Nichtamnestierten", die die IfA/HAIT-Datenbank verzeichnet, sind im Grunde nur drei als „echte" Zivilpersonen anzusehen; bei den anderen sind (frühere) militärische Ränge angegeben. Fünf waren nach KG 10 verurteilt worden, drei - unter ihnen Knittler und Rehn 187 - zu einer lebenslänglichen, die beiden anderen zu einer 25-jährigen Freiheitsstrafe. Unter den letzteren befand sich auch ein ehemaliger SS-Sturmscharführer und Frontführer der „Organisation Todt" (OT), der u. a. beschuldigt wurde, als Angehöriger eines Einsatzkommandos im Raum Lublin sowie der Sipo Warschau an NS-Gewaltverbrechen beteiligt gewesen zu sein. 188 Die härteste Strafe - ein Todesurteil, das später in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wurde - hatte ein sowjetisches Militärtribunal 1947 nach „Ukaz 43" gegen einen in Wien festgenommenen Exportkaufmann und früheren Angehörigen der Waffen-SS verhängt. Von den drei wegen „Spionage" (nach Art. 58,6) Verurteilten waren zwei „echte" Zivilisten. So unterschiedlich die einzelnen Fälle sein mögen, so haben die „nichtamnestierten" Zivilisten des Westkontingents doch gemeinsam, dass sie erst in den Nachkriegsjahren - zwischen 1946 und 1953 - auf dem Territorium der 185 Nach den Recherchen Wildts gab es „unter den Führungsangehörigen des RSHA nur wenige, die nicht im so genannten sicherheitspolizeilichen Einsatz gewesen sind"; von den 44 Führern der SS-Einsatzkommandos in der Sowjetunion bis Ende 1942 seien mehr als ein Drittel aus dem RSHA rekrutiert worden. Vgl. Michael Wildt, Radikalisierung und Selbstradikalisierung 1939. Die Geburt des Reichssicherheitshauptamts aus dem Geist des völkischen Massenmordes. In: Paul/Mallmann (Hg.), Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, S. 11-41, hier S. 40f. 186 Vgl. Johannes Tuchel, Gestapa und Reichssicherheitshauptamt. Die Berliner Zentralinstitutionen der Gestapo. In: Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Die Gestapo: Mythos und Realität, Darmstadt 1996, S. 84-100, hier S. 98. 187 Angehörige des Sachsenhausener Lagerkommandos mit SS-Rängen. Die im selben Prozess verurteilten, sechs weiteren Überlebenden dieser Gruppe - Baumkötter, Eccarius, Höhn, Hempel, Schubert und Sorge - finden sich in der Rubrik der „Kriegsgefangenen". Vgl. Abschnitt 5.1.1. 188 Nach seiner Repatriierung wurde Karl S. in dieser Sache sowie als Zeuge mehrfach vernommen; das Verfahren gegen ihn wurde 1969 eingestellt (ZSL-Kartei/BAL).
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SBZ/DDR bzw. in Wien verhaftet und vor ein sowjetisches Militärtribunal gestellt wurden. 189 Auffällig ist der im Vergleich zur Gruppe der „nichtamnestierten" Kriegsgefangenen relativ hohe Anteil der Schwerstbestraften sowie der OSO-Urteile: Ein Drittel der Urteile hatte die Moskauer Sonderjustiz (OSO) verhängt. Tabelle 5: „Nichtamnestierte" Zivilisten - Strafmaß 10 15 18 20 Jahre fahre Jahre Jahre NA-DDR NA-BRD Summe 1 2 3 4 5
-
21
-
-
-
2
l1 -
1
25 Jahre
Lebenslänglich
-
55 2 54
63 33
71 l5
73 9
2
60
9
8
82
21
Todesstrafe (nicht vollstreckt)
nach Art. 58 4 0 nach Art. 58; 8 nach „Ukaz 43"; 4 nach KG 10; 3 nach KG 10+Art. 58 nach KG 10 2 nach Art. 58; 1 nach Art. 58+ KG 10; 1 nach KG 10; 1 nach „Ukaz 43" nach „Ukaz 43"
Die fließenden Übergänge zwischen „Kriegsgefangenen" und „Zivilisten" sind auch bei den in die DDR repatriierten „Nichtamnestierten" unübersehbar: So haben elf Prozent der 73 in der IfA/HAIT-Datenbank verzeichneten „Zivilisten" militärische oder polizeiliche Ränge - im unteren Segment der Hierarchie und mit einem deutlichen Übergewicht der polizeilichen gegenüber den militärischen Funktionen. 190 Diese Angabe liegt jedoch mit Sicherheit unter dem tatsächlichen Anteil der früheren Militärs und Polizeikräfte. Wie schon in der West-Gruppe, so fallen auch im DDR-Kontingent die als „Kriegsverbrecher" nach KG 10 verurteilten „Zivilisten" mit ihren relativ hohen Strafen ins Auge ( 13 KG 10-Urteile, davon drei Verurteilungen zugleich wegen „Spionage", insgesamt sechs lebenslange Freiheitsstrafen). Acht Urteile wurden nach „Ukaz 43" gefällt - mit einer Ausnahme durchweg von der Moskauer Sonderjustiz (OSO) und alle mit dem 25-jährigen Standardstrafmaß. Überraschend hoch (nämlich drei Viertel der Zivilisten bzw. 55 Urteile) ist hier jedoch der Anteil derer, die nicht wegen „Kriegsverbrechen" oder „Gräueltaten", sondern aus politischen Gründen („Gegenrevolutionäre Verbrechen", Art. 58,1-14 StGB RSFSR) vor ein sowjetisches Tribunal gestellt und zu eklatant hohen Strafen verurteilt worden: In sieben Fällen (d.h. 13 Prozent der Urteile nach Art. 58) ergingen Todesurteile, die später in Freiheitsstrafen um-
189 Leider sind über ihre Fälle keine Akten verfügbar. 190 Wachtmeister, Oberwachtmeister, Polizist, Obergefreiter, Unteroffizier, Sonstige.
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gewandelt wurden. 44 von 55 der nach Art. 58 verurteilten Zivilisten (80 Prozent) wurden für 25 Jahre ins „Besserungsarbeitslager" geschickt. Ordnet man die Verurteilungen in dieser Gruppe in den zeitlichen Rahmen des ersten Nachkriegsjahrzehnts ein, so zeigt sich, dass alle „Ukaz 43 "-Urteile in die endvierziger Jahre fallen (1948 bis 1950); danach folgen die KG 10-Urteile, die mit einer Ausnahme 191 durchweg zwischen April 1950 und März 1952 gesprochen wurden, während die Phase, in der die Urteile nach Art. 58 StGB RSFSR gefällt wurden, die ganze zeitliche Spanne von 1947 bis 1953 umfasst. Etwa die Hälfte der Urteile in dieser Rubrik verteilt sich auf die Jahre 1948 bis 1950; doch häufen sich gerade die Todesurteile in den frühen fünfziger Jahren: Nur ein - nicht vollstrecktes - Todesurteil erging im Jahr 1947, also noch vor der Abschaffung der Todesstrafe, die anderen sechs nach ihrer Wiedereinführung im Jahr 1950 - fünf allein in den Jahren 1952/53; sie wurden ebenfalls nicht vollstreckt. Bei näherer Betrachtung der vergleichsweise großen Gruppe der „nichtamnestierten" Zivilisten im DDR-Kontingent schält sich ein Muster heraus, das neben dem bereits erwähnten extrem hohen Anteil der wegen „gegenrevolutionärer Verbrechen" Verurteilten weitere Zielgruppen sichtbar macht. 1. Verurteilungen
nach „Ukaz 43"
(1948-1950)
Von den insgesamt acht „Zivilisten" in der Gruppe der nach „Ukaz 43" zu einer 25-jährigen Freiheitsstrafe Verurteilten hatten allein sechs zu einem Gendarmerie-Sonderkommando gehört, das laut Anklage 1942/43 an Erschießungen sowjetischer Zivilisten im Gebiet von Krasnodon 192 und speziell in Rovenki beteiligt gewesen war. Besonders schwer wurde diesem GendarmerieKommando das Vorgehen gegen eine Untergrundorganisation des Komsomol, die „Junge Garde", angelastet, deren Führungsgruppe am Abend vor ihrer Flucht aus Rovenki im Januar 1943 gefasst und hingerichtet wurde. Unter ihnen waren auch eine junge Frau, Ljubov' Sevcova, eine Ikone des sowjetischen Jugendwiderstandes, sowie der Leiter der „Jungen Garde", Oleg Kosevoj. Die breite Identifikation mit dieser „Gruppe junger Patrioten" in der sowjetischen Nachkriegsgesellschaft 193 dürfte erklären, warum das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR bei der Überprüfung der Urteile in diesen Fällen hart blieb: Entgegen einer Empfehlung der Generalstaats191 Der Regimentskommandeur S. wurde bereits 1947 vom SMT Brandenburg verurteilt (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 6 0 8 - 6 1 0 ) . 192 Gendarmerie-Einsatzkommando Stalino, Außenstelle Krasnodon ( 3 0 0 km entfernt). Einer der Beteiligten, Otto D., soll sich laut Anklage außerdem als Angehöriger des Sonderkommandos 1005a (Kiev) an der Verbrennung von 5 0 0 0 0 Sowjetbürgern sowie im Oktober 1943 an weiteren Leichenverbrennungen in Belaja Cerkov' beteiligt haben (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 1 2 2 - 1 2 3 ) . 193 Vgl. dazu den Jugendroman von Alexander Fadejew, Die Junge Garde (Titel der Originalausgabe: Aleksandr Fadeev, Molodaja gvardija). Von der SMAD lizenzierte Organisationsausgabe für die Freie Deutsche Jugend, Ost-Berlin 1950. Für den freundlichen Hinweis auf dieses Buch danke ich Hannelore Georgi.
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anwaltschaft der UdSSR, die bei einigen Verurteilten eine Strafminderung vorschlug, beschloss das Militärkollegium, die Strafen nicht herabzusetzen und allenfalls Haftorte mit weniger harten Bedingungen zu empfehlen. 194 Das Urteil gegen fünf der sechs beschuldigten Polizisten, die im Sommer 1948 in Thüringen bzw. in Mecklenburg und Berlin verhaftet worden waren, fällte die Moskauer Sonderjustiz (OSO) in einem Sammelverfahren am 29. Oktober 1949; der sechste Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem inhaftiert. Unter den acht nach „Ukaz 43" verurteilten „Zivilisten" war weiterhin der SS-Unterscharführer Rudolf P., der von 1942 bis 1945 zum Kommando „Kloster Blankenburg" (KZ Buchenwald) gehört hatte. Nach dem üblichen Procedere wäre er nach KG 10 zu belangen gewesen. 1 9 5 Über den achten Verurteilten in dieser Gruppe liegen uns keine Informationen vor. 2. Verurteilungen nach KG 10 (1950-1952) Dass es die sowjetische Militärjustiz auf bestimmte Polizeitruppen abgesehen hatte, zeigt sich auch in der Sparte der nach KG 10 verurteilten „Zivilisten". Die lebenslänglichen Strafen waren en bloc vom SMT Halle verhängt worden, und zwar im August (bzw. Dezember) 1951 - und zwar in einem Sammelverfahren gegen Angehörige der bereits erwähnten Gruppe 13 der Geheimen Feldpolizei, die im Operationsgebiet des Armee-Oberkommandos 17 in der südlichen Ukraine zur „Bandenbekämpfung" eingesetzt war. 196 Neben den schon genannten beiden Kriegsgefangenen 197 wurden vom SMT Halle weitere fünf ehemalige GFP-Leute beschuldigt, 1941/42 im Raum Arte-
194 Nur in einem der sechs Fälle betrachtete die Revisionsbehörde die Strafe als zu hart und setzte sie auf 10 Jahre herab. Zu den Umständen und Gründen für die Revision der SMT-Urteile in den fünfziger Jahren vgl. Kopalin, Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung, in diesem Band. 195 BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 4 8 6 - 4 8 8 . Gegen P. lief noch gegen Ende der achtziger Jahre in der Bundesrepublik ein Verfahren wegen Mordverdachts (ZSL-Kartei/BAL). 196 Die einzelnen Gruppen der GFP waren entweder einem Armee-Oberkommando, einer Division oder einzelnen Orts- und Feldkommandaturen beigeordnet. Aufgabe der GFP war (laut Dienstvorschrift vom Juli 1939) neben der Verfolgung von Angehörigen der Wehrmacht auch die „Erkennung" von Partisanen, Saboteuren und Spionen. Diese abwehr- und sicherheitspolitischen Funktionen sollte die GFP nur innerhalb des Heeres ausüben; für die Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten war sie nicht zuständig, GFP und Sipo waren voneinander abgegrenzt. In der Praxis des Partisanenkampfes übernahmen sie jedoch häufig gleiche Funktionen, wie z. B. „Erkundung", „nachrichtendienstliche Tätigkeit", „abwehrmäßige Überprüfung" in der örtlichen Bevölkerung. Im Rahmen bzw. unter dem Deckmantel der Partisanenbekämpfung kooperierten GFP-Gruppen auch mit den Einsatzgruppen der Sipo und des SD bei „Judenaktionen". In den ersten sechs Monaten des Jahres 1942 wurden von der GFP rund 12 000 Menschen erschossen. Vgl. Geisel- und Partisanentötungen im Zweiten Weltkrieg. Hinweise zur rechtlichen Beurteilung. Hg. von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, Ludwigsburg 1968 sowie NS-Verbrechen und Partisanenkampf, UdSSR 1941-1944, Ludwigsburg 1969. 197 Helmut E. und Rudi W. (siehe Abschnitt 5.1.1).
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movsk und ab 1943 in Simferopol' an Strafaktionen gegen die Zivilbevölkerung, Massenverhaftungen, Erschießungen, Erhängungen und anderen Gräueltaten beteiligt gewesen zu sein. Einem der Verurteilten, Willy M., wurde ζ. B. vorgeworfen, als Chef der Kanzlei des Stabs des Polizeikommandos GFP-13 für Erschießungen u. a. auch von Kindern mitverantwortlich zu sein. Außerdem warf ihm die Anklage vor, zusammen mit anderen GFP-Leuten 55 Einwohner von Artemovsk in einem Bergwerksstollen eingemauert zu haben. 1 9 8 Einer der Verurteilten, der frühere Unteroffizier Kurt D., der sich laut Anklage als Untersuchungsführer des Kommandos GFP-13 ebenfalls an systematischen Verhaftungen, Erschießungen und Erhängungen in Artemovsk, Simferopol' und anderen Ortschaften im Operationsgebiet des AOK 17 beteiligt haben soll, beschrieb Jahre nach seiner Repatriierung in einer Vernehmung durch die bundesdeutsche Justiz, die Ende der sechziger Jahre ebenfalls gegen frühere Angehörige der GFP-13 zu ermitteln begann, wie die Verhaftungen und das Verfahren vor dem SMT Halle vor sich gegangen waren. D. war nach seiner Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft in seine Heimatstadt Magdeburg zurückgekehrt, woher auch andere ehemalige Angehörige der GFP-13 stammten. Die Verhaftung der ganzen Gruppe führte D. auf die Aussage eines seiner früheren GFP-Kollegen zurück. Dass die Sowjets sie 1955/56 entlassen hatten, sah D. als Beweis dafür an, dass nichts gegen sie vorlag und auch keine neuerlichen Vorwürfe mehr erhoben werden könnten. 1 9 9 Die relativ spät aufgenommenen Vorermittlungen der bundesdeutschen Justiz über die Tätigkeit der GFP-13 und deren Zusammenwirken mit dem Einsatzkommando 10a gestalteten sich in den folgenden Jahren schwierig; die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens wurden von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg als gering eingeschätzt. Zwar enthielten die erhalten gebliebenen Tätigkeitsberichte der GFP-Gruppen erhebliches Belastungsmaterial, jedoch war die für eine Mordanklage erforderliche Klärung der Tatumstände kaum mehr zu leisten; als Totschlag gewertete Taten waren inzwischen verjährt. 2 0 0 Neben den GFP-Angehörigen waren nach KG 10 außerdem der Regimentskommandeur Alexander S., ein Angehöriger eines Polizeiregiments, Gerhard F., 198 Akte Willy M. (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 4 6 3 - 4 6 5 ) . In der ZSL-Kartei/BAL findet sich ein Hinweis darauf, dass M. im Verfahren gegen Angehörige des Sonderkommandos 4b, die beschuldigt wurden, von November 1941 bis Januar 1942 in Artemovsk Exekutionen durchgeführt zu haben, vernommen wurde. Dieses Verfahren wurde 1977 eingestellt. 199 Akte Kurt D. (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 105-108). Vgl. auch ZSL-Kartei/BAL sowie Verfahren gegen Gerhard W. (BAL, 1-110 AR 1207/66). 200 Die ZSL gab das Verfahren 1972 an das Landgericht Hannover ab. Vgl. „Abschlussvermerk" vom 14.6.1972 (BAL, II 213 AR-Z 9 0 / 7 2 ) . Die Exekution gefangener Partisanen und Spione galt demnach durch das Kriegsvölkerrecht als zumindest teilweise gedeckt und als nicht strafbar. Klar rechtswidrig seien allerdings Erschießungen bei Vorliegen niedriger Beweggründe; darunten fielen ζ. B. die Vernichtungsaktionen gegen Juden oder Angehörige des Komsomol.
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sowie ein Gefreiter der 11. Panzerdivision, Franz Α., verurteilt worden. Auch sie wurden beschuldigt, Strafaktionen gegen sowjetische Partisanen durchgeführt zu haben. 201 Dass der Regimentskommandeur Festungskommandant der Stadt Glogau gewesen war, fiel in der Urteilsbegründung, die primär die Gräueltaten auf sowjetischem Territorium im Visier hatte, nicht ins Gewicht. In dieser Urteilskategorie (KG 10) stoßen wir schließlich noch auf drei Gestapo-Leute: Theodor K. wurde in seiner Funktion als Regierungsoberinspektor und stellvertretender Gruppenleiter im Berliner Gestapo-Apparat die aktive Verfolgung politischer Gegner in der NS-Zeit, insbesondere auch des KPD-Führers Ernst Thälmann, zur Last gelegt. Er sei zudem mitverantwortlich für die Einweisung sowjetischer Zivilisten in Konzentrationslager gewesen. 2 0 2 Heinrich H., ebenfalls bei der Berliner Gestapo tätig, wurde beschuldigt, Antifaschisten in Deutschland aufgespürt und gefangene sowjetische Militärangehörige verhört zu haben. 2 0 3 Heinrich G. sei - so die Anklage - als Chef der Verwaltungs- und Wirtschaftsabteilung der Gestapo in Kaunas/Litauen an der Ermordung von Zivilisten und Geiseln sowie an Massenerschießungen beteiligt gewesen. 2 0 4 G. wurde außerdem nach Art. 58,6 („Spionage") und Art. 58,14 („Gegenrevolutionäre Sabotage in der speziellen Absicht, die Macht und das Funktionieren des Staatsapparates zu beeinträchtigen") verurteilt, weil er nach der Kapitulation als Beschäftigter im Berliner Polizeipräsidium sein Vorleben verheimlicht habe und sich zudem vom britischen Geheimdienst als Agent habe anwerben lassen. 205 201 Akte Alexander S. (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 608-610). Das Urteil gegen Gerhard F. wurde im September 1956 vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR revidiert. Nach Aktenlage sei - so hieß es jetzt - erwiesen, dass F. in Polizeieinheiten der SS Offizier des technischen Dienstes und nicht unmittelbar an Erschießungen von Zivilisten und Partisanen beteiligt gewesen sei. Das Strafmaß müsse auf sechs Jahre reduziert werden bzw. Freilassung erfolgen (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 181-183 [Gerhard F.]; BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 5 3 - 5 5 [Franz A.]). 202 Das Urteil gegen K. wurde von einer Kassationsinstanz am 12.4.1952 nochmals bestätigt (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 375-377). Laut ZSL-Kartei/BAL war K. 1939/40 bei der Sipo S (PP II A) und 1942/43 im RSHA (Referat IV C2) beschäftigt. Nach seiner Repatriierung in die Bundesrepublik wurden gegen K. Ende der sechziger Jahre Vorermittlungen wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord eingeleitet, das RSHA-Verfahren jedoch 1969 eingestellt. 203 Bei der Überprüfung des Urteils durch das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR wurde die Strafe auf sechs Jahre herabgesetzt und als verbüßt betrachtet (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 2 8 3 - 2 8 4 ) . Laut ZSL-Kartei/BAL war Heinrich H. Kriminalsekretär im Referat IV A 2 gewesen. Zwei Ermittlungsverfahren gegen ihn wurden 1967/68 mangels hinreichenden Mordverdachtes eingestellt. 204 Laut ZSL-Kartei/BAL hatte G. den Dienstrang eines SS-Obersturmführers im SD-Abschnitt Riga, KdS Riga. Zur Struktur und zum Personal der Zivil- und Polizeiverwaltung in Kaunas siehe Knut Stang, Kollaboration und Völkermord. In: Paul/Mallmann (Hg.), Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, S. 4 6 4 - 4 8 0 , hier S. 467f. (vgl. auch BAB, D O 1/ 32.0/39708, Bl. 2 2 5 - 2 2 6 ) . 205 Die Überprüfung des Urteils durch das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR im September 1956 erbrachte keine Strafminderung; jedoch wurde einer der Anklagepunkte nach Art. 58,14 wegen fehlenden Tatbestandes fallengelassen. Im Ver-
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In zwei weiteren Fällen, in denen sowohl KG 10 als auch Art. 5 8 zur Anwendung kamen, ging es ebenfalls um Spionagevorwürfe, die mit angeblichen Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht wurden. So wurde der frühere Oberfeldwebel Hans N. der Agententätigkeit für den amerikanischen Geheimdienst in der S B Z / D D R bezichtigt; bereits in den letzten Kriegsjahren sei er auf einem Minensuch-Vorposten bei der Kriegsmarine für die deutsche Abwehr tätig gewesen. 2 0 6 Herbert S. warf man vor, sich nicht nur am Kampf gegen sowjetische Partisanen beteiligt zu haben, sondern auch seit 1949 für das Ostbüro der SPD spioniert zu haben. 2 0 7 Von den insgesamt 13 Urteilen nach KG 10 waren sieben vom S M T Halle und fünf - obwohl KG 10 eigentlich keine Norm für außerhalb Deutschlands tätige Gerichte darstellte - von der O S O gesprochen worden. Während ersteres sich vor allem mit der GFP-13-Truppe befasste, interessierte sich die Moskauer Sonderjustiz für die Gestapo-Leute und die Spionage-Fälle. 3. Verurteilungen nach Art. 58 StGB RSFSR (1947-1953) In dieser Rubrik fällt zunächst die Häufung der OSO-Urteile auf: Ein Fünftel der Urteile (11 von 55) wurde von der Moskauer Sonderjustiz ausgestellt, das letzte im Jahr 1951. Danach betätigten sich, neben den SMTs Halle und Chemnitz, vor allem die nach ihren Truppenteilen mit fünfstelligen Feldpostnummern bezeichneten „w.tsch."-Tribunale ( v / c : voennaja cast', d. h. Truppenteil): Fast die Hälfte der wegen „gegenrevolutionärer Verbrechen" in dieser Gruppe registrierten Urteile ( 2 3 von 5 5 ) wurden von „w.tsch."-Tribunalen verhängt. Unter ihnen tat sich besonders das berüchtigte, u.a. in BerlinLichtenberg tagende „w.tsch. 4 8 2 4 0 " hervor, 2 0 8 das allein ein knappes Drittel
lauf der Vorermittlungen, die Anfang der siebziger Jahre in der Bundesrepublik zum Fall G. eingeleitet worden waren, wurden keine „Anhaltspunkte über noch verfolgbare Tötungshandlungen, für die Angehörigen des ,Schuma-Btl.s 4 8 ' verantwortlich zu machen" gewesen wären, festgestellt. Das Verfahren konnte daher 1 9 7 5 „weggelegt werden" ( Z S L - K a r t e i / B A L ) . 2 0 6 N. sei - so hieß es in der Anklage - 1 9 4 8 in den Westsektor von Berlin geflohen, wo er Spionagematerial an einen CIC-Agenten übergeben habe. Nach einer fünf Monate langen Ausbildung in einer amerikanischen Geheimdienstschule sei er dreimal in die D D R zurückgekommen, um weiteres Material für den CIC zu sammeln (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 4 6 7 - 4 6 9 ) . 2 0 7 Das Urteil gegen S. wurde vom Militär-Kollegium des Obersten Gerichts bei der Revision im September 1 9 5 6 aufgehoben, da die Voruntersuchung keine objektiven Beweise für die Schuld des Angeklagten erbracht habe (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 6 1 6 - 6 1 7 ) . 2 0 8 Vgl. Klaus-Dieter Müller, Bürokratischer Terror. Justitielle und außerjustitielle Verfolgungsmaßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht 1 9 4 5 - 1 9 5 6 . In: Roger Engelmann/Clemens Vollnhals (Hg.), Justiz im Dienste der Parteiherrschaft: Rechtspraxis und Staatssicherheit in der DDR, Berlin 1 9 9 9 , S. 5 9 - 9 2 , hier S. 6 9 : Seit 1 9 4 8 war dieses Tribunal des Truppenteils 4 8 2 4 0 tätig, „das in besonders wichtigen Verfahren mindestens bis 1 9 5 3 eingesetzt wurde. Das Gericht fungierte ab 1 9 5 0 gleichzeitig als oberstes Militärgericht in der D D R und war auch als Revisionsinstanz für Urteile niederer SMT-Instanzen zuständig".
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der 55 Urteile ausfertigte. Sechs der insgesamt sieben Todesurteile gehen auf seine Rechnung. Die in diesen Verfahren verurteilten Personen sind weitgehend identisch mit eben jenen, die nach der Entlassungsaktion vom April 1956 in der DDR nicht freikamen, sondern in andere Haftanstalten überführt wurden. Fast alle standen auf Mielkes Liste der „Spione und Agenten", die keinesfalls entlassen werden dürften. 209 Die meisten der wegen „gegenrevolutionärer Verbrechen" verurteilten Zivilisten waren der „Spionage" beschuldigt worden: 46 von 55 Urteile ergingen nach Art. 58,6 StGB RSFSR. Anhand der verfügbaren Strafakten können die Vorwürfe näher konkretisiert werden. Zumeist ging es dabei um den Vorwurf, im Gebiet der S B Z / D D R für westliche Nachrichtendienste Informationen gesammelt oder als Agent (bzw. „Resident") ausländischer Geheimdienste professionelle Spionage in verschiedenen Sektoren der SBZ-Gesellschaft betrieben zu haben. 210 Manche Angeklagten wurden darüber hinaus beschuldigt, „antisowjetischen" Organisationen angehört oder - sei es aus eigenem Antrieb oder auf Anweisung fremder Mächte 211 - die Initiative zur Bildung solcher Gruppen ergriffen zu haben. Das hier entfaltete Panorama oppositioneller bzw. „antisowjetischer" Gruppen in der S B Z / D D R lässt freilich eher auf die Befürchtungen und Projektionen der sowjetischen Besatzungsmacht schließen als auf den realen Wirkungsgrad der von ihr verfolgten Widersacher. Deutlich wird jedenfalls, dass die präventiven Maßnahmen der sowjetischen Organe 212 schon die frühesten Ansätze oppositioneller Betätigung oder der Kontaktnahme zu westlichen 209 Vgl. Abschnitt 3.3. 210 So soll z. B. Hans A. im September 1950 als Agent des US-Geheimdienstes angeworben worden sein, mit dem Auftrag, Informationen über sowjetische Militäreinheiten und Volkspolizeigruppen zu sammeln, was er auch getan habe. Hans A. sei mehrfach mit Agenten des CIA im Westsektor von Berlin zusammengekommen und habe auch Kontakte zur KgU geknüpft. Vom „Residenten" des amerikanischen Geheimdienstes habe A. den Auftrag erhalten, Informationen über Militäreinheiten der Sowjetarmee im Raum Halle zu besorgen und die Standorte in einen Plan der Stadt Halle einzutragen. Außerdem habe er Erkundungen über den Flugplatz in Schkeuditz, die Landebahnen und Flugzeuge sowie über das Gefängnis in Halle eingezogen. Zusammen mit anderen Deutschen habe Hans A. schließlich einen Anschlag auf die Züge geplant, die die Teilnehmer des Weltjugendfestivals nach Berlin transportieren sollten und einen Raum ausfindig machen sollen, in dem Waffen und ein Funkgerät versteckt werden könnten (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 5 6 - 5 9 ) . 211 Zumeist amerikanische, aber auch britische und französische Dienste. Hubert G. wurde z.B. beschuldigt, 1945/46 für Agenten der „Sécurité Militaire" Spionageinformationen über den Zustand der Industrie und die Demontage von Betrieben sowie über die Standortverteilung sowjetischer Truppen und Kommandanturen eingeholt und an den französischen Geheimdienst übergeben zu haben. G. habe nicht nur selbst, sondern auch mit Hilfe zweier von ihm angeworbener Inhaber von Fotolabors Filme und Fotos sowjetischer Militärangehöriger erschlichen und an die „Sécurité Militaire" weitergegeben (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 2 2 7 - 2 2 9 ) . 212 Charakteristisch war, dass die „rechtzeitige" Verhaftung der Verdächtigten bewirkte, dass sie ihren „Auftrag" nicht mehr erfüllen konnten und ein Beweis für den Verdacht sich somit erübrigte.
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O r g a n i s a t i o n e n u n d M e d i e n im K e i m zu ersticken v e r s u c h t e n : Mit der gleichen H ä r t e , mit der die sowjetische Militärjustiz g e g e n v e r m e i n t l i c h e Verbindungsleute d e r a m e r i k a n i s c h e n , britischen o d e r f r a n z ö s i s c h e n G e h e i m d i e n s t e vorging, verfolgte sie a u c h P e r s o n e n , die sie verdächtigte, K o n t a k t e z u m W e s t - B e r liner R I A S
oder
zur
„Kampfgruppe
gegen
Unmenschlichkeit"
(KgU)
zu
u n t e r h a l t e n , 2 1 3 S y m p a t h i s a n t e n u n d Mitglieder zu w e r b e n o d e r d e n westdeuts c h e n D i e n s t e n auf a n d e r e W e i s e in die H ä n d e zu a r b e i t e n . 2 1 4 D a s S p e k t r u m d e r in d e n Anklageschriften aufgeführten G r u p p e n reicht v o n kleinen örtlichen G e s p r ä c h s z i r k e l n ü b e r Sprengsei der J u g e n d b e w e g u n g o d e r J u g e n d g r u p p e n b ü r g e r l i c h e r P a r t e i e n 2 1 5 bis hin zu angeblichen „antisowjetischen U n t e r g r u n d o r g a n i s a t i o n e n " , „ W i d e r s t a n d s b e w e g u n g e n " 2 1 6 u n d „ T e r r o r g r u p p e n " , die nicht n u r „ k o n t e r r e v o l u t i o n ä r e F l u g b l ä t t e r " bzw. „faschistische" u n d „antisowjetis c h e L i t e r a t u r " verteilten o d e r M a ß n a h m e n d e r B e s a t z u n g s m a c h t wie d e r S E D „ s a b o t i e r t e n " , s o n d e r n „ D i v e r s i o n " in B e r e i c h e n der Grundstoffindustrie, d e r 213 Günther K. wurde ζ. B. beschuldigt, er habe sich gegen die „demokratischen Umgestaltungen in Deutschland" gestellt und sich deshalb im Sommer 1949 von einem RIASMitarbeiter als Informant anwerben lassen. U. a. habe er seinem Kontaktmann Informationen über die Tätigkeit des Landrats der Stadt Stolberg zukommen lassen. Von einem Mitarbeiter der KgU habe er den Auftrag erhalten, Informationen zu Wirtschaft und Politik zu sammeln und, zusammen mit einer Gruppe von Gleichgesinnten, „antisowjetische" Literatur in der SBZ zu verbreiten (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 3 5 3 355). 214 Rosemarie B. wurde 1953 angeklagt, regelmäßig ihre Schwester im Westsektor Berlins besucht und sich in deren Wohnung mit einer „Residentin" des westdeutschen Geheimdienstes getroffen zu haben. In deren Auftrag habe sie zusammen mit anderen, bei der „SAG Wismut" Beschäftigten, Spionageinformationen über diesen Betrieb gesammelt und weitergegeben, wofür sie auch Geld erhalten habe (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 7 5 - 7 8 ) . 215 Wolfgang S., von 1942 bis 1945 Mitglied der DJ (Deutsche Jungenschaft), wurde 1950 als 19-Jähriger verhaftet und wegen „Spionage", „antisowjetischer Propaganda" und „Organisationsbildung zur Vorbereitung eines Verbrechens" verurteilt. Die Anklage warf ihm vor, er habe zum Führungskern einer „antisowjetischen Untergrundorganisation" gehört, die vom ehemaligen (und inzwischen nach West-Berlin geflüchteten) Leiter der LDPD-Jugendgruppe im Landkreis Schwerin aus der „reaktionär eingestellten" Parteijugend gegründet worden sei. Die Organisation habe „antisowjetische" Flugblätter verteilt sowie „antisowjetische" und „antidemokratische Parolen" auf Häuserwänden und Zäunen angebracht. S. habe Mitglieder für die Organisation geworben und außerdem Kontakte zur West-Berliner KgU hergestellt, von der er weiteres antisowjetisches Material erhalten habe. Er selbst habe mehr als 7 0 0 solcher Flugblätter, Aufrufe und Broschüren verteilt und eigenhändig Aufschriften auf Häuser und Zäune gemalt. S. habe selbst auch Texte verfasst, auf einem Vervielfältigungsgerät gedruckt und unter den Mitgliedern der Gruppe verbreitet. Seine Organisation habe von der KgU den Auftrag erhalten, Informationen über die Stimmung in der SBZ-Bevölkerung zu sammeln sowie Deutsche aufzuspüren, die mit den sowjetischen Behörden zusammenarbeiteten, und darüber der KgU zu berichten (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 6 2 1 - 6 2 3 ) . 216 Hans-Georg L. wurde 1949 nicht nur der „Spionage" für den amerikanischen Geheimdienst angeklagt, sondern auch beschuldigt, im Frühsommer 1948 eine illegale Organisation gebildet zu haben, die unter der Bezeichnung „Widerstandsbewegung Westthüringens" Spionage sowie „antisowjetische und antidemokratische Propaganda" unter der deutschen Bevölkerung betrieben habe (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 4 0 9 - 4 1 1 ) .
Spätheimkehrer
oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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Landwirtschaft o d e r d e s V e r k e h r s w e s e n s betrieben 2 1 7 u n d sogar d e n bewaffn e t e n A u f s t a n d g e p l a n t h a b e n sollten. 2 1 8 M a n c h e dieser K o n s t r u k t i o n e n wurd e n selbst v o m Militärkollegium d e s O b e r s t e n Gerichts der U d S S R bei der i m A u g u s t / S e p t e m b e r 1 9 5 6 d u r c h g e f ü h r t e n Urteilsrevision als nicht b e w e i s k r ä f t i g a n g e s e h e n u n d ad acta gelegt. 2 1 9 D i e sowjetische Militärjustiz hatte es nicht nur auf „reaktionäre Kräfte" a b g e s e h e n , s o n d e r n sicherte a u c h innerhalb d e s linken Lagers die strikte Einhaltung d e s S E D - K u r s e s ab. D a s s s o w o h l die traditionelle S o z i a l d e m o k r a t i e als auch linkssozialistische S t r ö m u n g e n verfolgt w u r d e n , b e l e g e n die B i o g r a p h i e n d e s bereits e r w ä h n t e n Karl K a p p s o w i e v o n H e r m a n n M. B e i d e w a r e n in d e n Nachkriegsjahren in der S B Z / D D R verhaftet w o r d e n u n d k e h r t e n 1 9 5 5 / 5 6 mit d e m K o n t i n g e n t der „ N i c h t a m n e s t i e r t e n " als „vorzeitig e n t l a s s e n e Kriegsverbrecher" nach D e u t s c h l a n d zurück: W ä h r e n d M. mit d e m D D R - T r a n s p o r t n a c h B a u t z e n eingeliefert w u r d e , traf K a p p mit d e m E 5 / 5 6 in H e r l e s h a u s e n ein. K a p p (Jg. 1 8 9 8 ) , der vor Hitlers M a c h t ü b e r n a h m e SPD-Stadtrat in Nürnb e r g g e w e s e n war, hatte v o n 1 9 3 3 bis 1 9 4 5 - w i e a u c h Kurt S c h u m a c h e r - i m 217 Heinz O. wurde z. B. beschuldigt, er sei gegenüber der „demokratischen Ordnung in der DDR feindlich eingestellt" gewesen und habe deshalb im Dezember 1948 im Dorf Groß-Kaine eine Untergrundorganisation aufgebaut, mit dem Ziel, gegen die sowjetischen Truppen zu kämpfen. Man habe geplant, „Diversionakte in Kohlenbergwerken" durchzuführen, „konterrevolutionäre Flugblätter" in der Bevölkerung zu verteilen und „auf jegliche Art Widerstand gegen die Maßnahmen der SED" zu leisten. Im April 1949 habe O. zudem Kontakte zu einer West-Berliner Organisation geknüpft (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 4 8 3 - 4 8 5 ) . Erich M. wurde angeklagt, nach seiner Heimkehr aus englischer Gefangenschaft im Sommer 1946 unter der Jugend in seinem Dorf (Oppitz) „antisowjetische und antidemokratische Agitation" betrieben zu haben und eine aus sieben Personen bestehende Untergrundorganisation gebildet zu haben. Im Jahr 1948 habe M. fünf „Diversionsakte" durchgeführt, und zwar habe er an den Lagerhallen für Lebensmittel, Futter und landwirtschaftliches Gerät, die der „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe" gehörten, Feuer gelegt (BAB, DO 1/32.0/39708, Bl. 4 4 8 - 4 5 0 ) . Siegfried K. sollte, laut Anklage, „Diversionsakte" in der „SAG-Wismut" geplant haben (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 3 6 6 - 3 6 8 ) . 218 Solche „Terrororganisationen" soll es laut Anklage in mehreren Orten gegeben haben (z. B. in Ostrau, Döbeln, Kothen und Rochlitz). Beispielsweise soll die von Gerhard Ö. im Juni 1946 im Kreis Rochlitz initiierte „illegale Terrororganisation" mit fünf Gewehren, vier Pistolen, einer Maschinenpistole sowie Munition ausgerüstet gewesen sein (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 474-476); Helfried P. wurde beschuldigt, er habe im Frühjahr 1948 von einem Agenten des amerikanischen Geheimdienstes den Auftrag erhalten, im Land Sachsen eine „illegale Spionage- und Terrorgruppe" zu bilden. Um diesen verbrecherischen Auftrag auszuführen, habe er zusammen mit einem weiteren Deutschen in Ostrau eine „Terrororganisation" gegründet, der 60 Personen angehört hätten. Im Sommer und Herbst 1948 habe P. für eine zweite „Terrororganisation" in Döbeln mehr als 20 Einwohner dieser Stadt gewonnen. Im August 1948 habe er schließlich „Kontakte zu Vertretern militärischer Formationen in den Westzonen" aufgenommen, die ihm „Instruktionen zur Formation der illegalen Organisation" gegeben hätten (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 508-510). 219 Laut Anklage sollte Rudolf S. 1949 einen sowjetischen Dolmetscher entführt und in den amerikanischen Sektor verbracht haben. Der OSO-Beschluss wurde 1956 aufgehoben, der Fall S. eingestellt (BAB, D O 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 614-615).
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KZ Dachau gesessen. Dass der Sozialdemokrat auf Wunsch von Mitgefangenen in Dachau eine Funktion als Lagerältester übernommen hatte, sollte ihm nach dem Krieg zum Verhängnis werden: KPD-Leute nutzten diese Konstellation, um ihn als früheren „KZ-Kapo" denunzieren und einen unbequemen politischen Gegner bekämpfen zu können. Inzwischen SED-Mitglied, aber Kritiker der Zwangsfusion, wurde Kapp im März 1947 in Jena, wo er inzwischen eine Baufirma betrieb, von einem „Mitarbeiter des Jenaer Operativsektors" festgenommen und in das Bezirksgefängnis Gera eingeliefert. Er wurde beschuldigt, im KZ Dachau „Kontakte zur SS-Leitung" gehabt und an der Hinrichtung ausländischer Arbeiter beteiligt gewesen zu sein, weshalb er nach „Ukaz 43" verurteilt werden sollte. Bis zu seiner Verurteilung durch die Moskauer Sonderjustiz (OSO) im August 1950 saß Kapp über zwei Jahre im Gefängnis, dann in Berlin-Hohenschönhausen in Dunkelhaft in einer Isolierzelle. Die O S O verurteilte ihn schließlich nicht nach „Ukaz 43", sondern nach KG 10 „wegen Zugehörigkeit zur faschistischen Partei und grausamen Verhaltens gegenüber Sowjetbürgern" zu 25 Jahren „Besserungsarbeitslager". Da Kapps „aktive Straftätigkeit als Oberaufseher im KZ Dachau" als besonders schweres Verbrechen anzusehen sei, wurde er in ein „Sonderlager" eingewiesen und „mit verstärkter Bewachung" dorthin transportiert. Anfangs noch gesund und „zu körperlicher Arbeit tauglich", wurde der Gefangene Kapp 1952 als „arbeitender Invalide" geführt und in ein Lager mit „allgemeinem Regime" gebracht. Seine Anträge auf Revision des OSO-Urteils wurden 1953 als unbegründet abgewiesen. 220 Hermann M. (Jg. 1900) war bis 1933 Journalist gewesen und hatte die NSZeit als Inhaber eines Tabakgeschäfts überlebt; später arbeitete er wieder als Journalist und Redakteur der Zeitschrift „Pro und Contra". 1918 bis 1933 SPD-Mitglied, schloss M. sich nach 1945 wieder der SPD an und war nach der Zwangsfusion bis zu seinem Parteiausschluss 1948 SED-Mitglied; 1947/48 arbeitete er in der SED-Parteihochschule „Karl Marx" und fiel dort als Kritiker der Politik der SMAD und der SED auf. Um seiner Verhaftung zu entgehen, ging M. 1948 in den Westsektor Berlins. Bei einem Besuch in Ost-Berlin wurde er im November 1952 verhaftet und bis März 1953 über hundertmal von Mitarbeitern des „Referats A-5 des Apparats des MGB-Bevollmächtigten für Deutschland" verhört. Im Mai 1953 verurteilte ihn das berüchtigte Militärgericht „w.tsch. 48240" in Lichtenberg nach Art. 58,4, Art. 58,10 und Art. 58,11 („Unterstützung der internationalen Bourgeoisie", „Agitation zum Sturz der Sowjetherrschaft" und „Organisatorische Vorbereitung dieses Verbrechens") zu 25 Jahren ITL. In der Urteilsbegründung hieß es, M. habe sich mit der Politik der SED und den in der SBZ durchgeführten Maßnahmen unzufrieden gezeigt, „insbesondere mit der Ostgrenze Deutschlands", „mit dem Aufbau der SED als Partei 2 2 0 Personalakte Karl Kapp (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. G01144). Zum weiteren Schicksal Kapps in der Bundesrepublik vgl. Abschnitt 6.
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neuen Typs" und der „Umgestaltung der SBZ". Solche „antisowjetischen und antidemokratischen" Auffassungen habe er auch gegenüber Mitarbeitern der Parteischule geäußert. Aus „Angst vor Enttarnung" sei er nach West-Berlin geflohen und habe dort bis zu seiner Verhaftung eine „aktive Tätigkeit" entfaltet. Sein Ziel sei es gewesen, verschiedene trotzkistische Gruppen und Einzelpersonen zusammenzuführen, um eine „Unabhängige Sozialdemokratische Partei" zu gründen und verschiedene Gruppen, vor allem die Arbeiter in Westdeutschland, auf einen antisowjetischen und antidemokratischen Kurs zu bringen. Als organisatorisches Zentrum habe M. zunächst die antisowjetische Zeitschrift „Pro und Contra" gegründet und ab August 1951 als deren Redakteur fungiert. Ihre politische Plattform habe die Gruppe in einem „Manifest" dargelegt, das an viele DDR-Bürger verschickt worden sei. Den Verfassern wurde vorgeworfen, trotzkistische Positionen zu vertreten, mit Vertretern trotzkistischer Gruppen zusammenzuarbeiten und Verbindungen zu Vertretern der jugoslawischen Botschaft in Berlin zu unterhalten. Bei der Festnahme habe M. ein Exemplar seiner Zeitschrift bei sich gehabt, in der Artikel mit „Verleumdungen über die Kollektivierung der Landwirtschaft in der UdSSR" und gegen „führende Repräsentanten der KPdSU und des Sowjetstaates" abgedruckt seien. Hermann M. wurde ebenfalls in ein „Sonderlager" eingewiesen; zweieinhalb Jahre später kam er als „Kriegsverbrecher" in die DDR zurück. 221 Das berufliche Spektrum bei den nach Art. 58 verurteilten Zivilisten ist breit und weist eine leichte Häufung bei Kaufleuten, Angestellten, Schülern, Studenten sowie Handwerkern und Facharbeitern auf. Zum Teil waren die Zivilisten bei ihrer Verhaftung noch sehr jung: fünf von ihnen waren erst 19 Jahre alt, 20 der Verhafteten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren 222
6.
Die schwierige Suche nach Gerechtigkeit: unterschiedliche Wege in Ost und West
Nach regierungsoffizieller sowjetischer Darstellung bestand das Kontingent der 749 „Nichtamnestierten" ausschließlich aus „Kriegsverurteilten", die sich schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit, den Frieden und das sowjetische Volk schuldig gemacht hätten: Es handele sich um „Kriegsverbrecher, Gewalttäter, Brandstifter und Mörder von Frauen, Kindern und Greisen", die „ihr menschliches Antlitz verloren" hätten. 223 Gemäß den Moskauer Vereinbarungen vom September 1955 sollten sie zwar mit den letzten Kriegsgefangenen
221 Personalakte Hermann M. ( If A / H AIT-Archiv, Nr. G0475). 2 2 2 IfA/HAIT-Datenbank. Zur Personenstatistik vgl. auch Günther Kowalczyk, Ein Betroffener nimmt Stellung, Manuskript S. 16 (IfA/HAIT-Archiv). 2 2 3 Vgl. Anm. 13. Abdruck der Erklärung Bulganins vom 10.9.1955 in: Dokumente zur Deutschlandpolitik. Hg. vom Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen, III. Reihe/Band 1, bearb. von Ernst Deuerlein, Frankfurt a. M. 1961, S. 3 0 9 - 3 1 2 .
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repatriiert, aber nicht freigelassen, sondern den Justizbehörden der DDR und der Bundesrepublik „zur weiteren Strafverbüßung übergeben" werden. Eine nähere Untersuchung lässt freilich erkennen, dass die als Kern der verurteilten „Schwerstkriegsverbrecher" bezeichnete Gruppe weder quantitativ (749 statt knapp 4 000 Personen) noch qualitativ (nach dem Grad der Belastung) anhand eindeutig definierter Kriterien ausgewählt und zusammengestellt worden war. Das Kontingent der 749 „Nichtamnestierten" war vielmehr eine Gemengelage verschiedener Gruppen: Zum überwiegenden Teil bestand es aus Soldaten der Heeresgruppen, denen Gräueltaten gegen die sowjetische Zivilbevölkerung, gefangene Rotarmisten oder Partisanen vorgeworfen wurden. Angehörige der Waffen-SS und anderer besonders „belasteter Einheiten" sowie verschiedener Polizeitruppen (Polizeibataillons, Feldgendarmerie, Geheime Feldpolizei, Sonderkommandos, Einsatzgruppen usw.) machten zusammen - grob geschätzt - über 30 Prozent aus. Hinzu kamen mehrere Funktionsträger aus dem Apparat des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), höhere Gestapo-Beamte sowie eine nicht unbeachtliche Zahl von Personen, die in den Lagerführungen verschiedener KZs bzw. als Aufsichts- und Wachpersonal in Außenstellen solcher Lager tätig gewesen waren; darunter waren auch neun Überlebende des 1947 in Berlin-Pankow durchgeführten Schauprozesses gegen Angehörige der Lagerleitung des KZs Sachsenhausen. Im Kontingent der „Nichtamnestierten" befanden sich jedoch nicht nur Kriegsgefangene, die als angebliche oder tatsächliche Kriegsverbrecher verurteilt worden waren, sowie NS-Täter, sondern auch viele Zivilisten: Neben einigen versprengten Zivilverschleppten, die unter die Kriegsgefangenen und in die sowjetischen Straflager geraten waren, waren das Personen, die erst Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre in der sowjetisch besetzten Zone bzw. der DDR gefangen genommen, von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) oder durch die Administrativjustiz der OSO verurteilt und in die sowjetischen Straflager verschickt worden waren. Nur einem Teil der in der Nachkriegszeit von SMTs in der SBZ/DDR oder per Fernurteil aus Moskau verurteilten Zivilisten wurden „Kriegsverbrechen" oder „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zur Last gelegt. Der weitaus größere Teil war wegen „konterrevolutionärer Verbrechen", d. h. aus politischen Gründen angeklagt und zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Diese Verurteilungen standen entweder in gar keinem oder in nur indirektem Zusammenhang mit angeblichen „Kriegsverbrechen". Ihr Zweck war es vielmehr, jede vermeintliche oder tatsächlich aufkeimende Opposition gegen die repressiven Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht und die SED-Politik der „Umgestaltung" von vornherein auszuschalten oder im Frühstadium zu ersticken. Den Verurteilten wurde größtenteils „antisowjetische" bzw. „antidemokratische Agitation und Propaganda" vorgeworfen; sie wurden beschuldigt, Kontakte zu Personen, Organisationen und Medien in Westdeutschland bzw. in West-Berlin aufgenommen und „Spionage" für westliche Geheimdienste betrieben zu haben. In anderen Fällen ging es um „Diversion" und „Sabotage" sowie um angebliche Ansätze zur Bildung
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„illegaler Organisationen" oder sogar von „Terrororganisationen", die den bewaffneten Kampf gegen die Sowjets und die SED-Führung im Schilde geführt haben sollten. Die verurteilten Kriegsgefangenen waren von der sowjetischen Strafjustiz schwerster, ja ungeheuerlicher Verbrechen beschuldigt worden. In jedem einzelnen Fall wurde behauptet, die Angeklagten seien eigenhändig an detailliert geschilderten Verbrechen beteiligt gewesen oder trügen dafür die Verantwortung. Dass die in den Strafakten dokumentierten Anschuldigungen generell nicht als erwiesen angesehen werden können, liegt freilich auf der Hand. Dies ist - wie gesagt - nicht nur auf fragwürdiges Belastungsmaterial, sondern vor allem auch auf eine rechtsstaatlichen Prinzipien nicht entsprechende Untersuchungs-, Verfahrens- und Beweisführung der sowjetischen Tribunale zurückzuführen. So musste ζ. B. nach stalinistischer Rechtsauffassung ein Nachweis individueller Schuld von den ermittelnden Organen nicht erbracht werden. Es genügte ein Geständnis, auch wenn es erpresst war, und schließlich wurde nach Aktenlage entschieden, selbst wenn die konkrete Wirklichkeit damit nicht übereinstimmte: In einigen Fällen konnten die Verurteilten die ihnen zur Last gelegten Taten schon deshalb nicht begangen haben, weil sie sich zum fraglichen Zeitpunkt nachweislich gar nicht am angegebenen Ort aufgehalten hatten. Manchmal waren die Anschuldigungen so überdimensioniert, dass die vermeintlichen Täter sie wohl kaum hätten ausführen können. Offensichtliche Personenverwechslungen waren ebenfalls nicht ausgeschlossen.224 Wie Anschuldigung und subjektive Wahrnehmung auseinanderklaffen konnten, zeigt das Beispiel des ehemaligen Stabsgefreiten Willi D., dessen angebliche Taten (Erschießungen von Partisanen und Kriesgefangenen im Raum Mogilev) auch in einem der „Aufklärungsberichte" im „Neuen Deutschland" ausgebreitet worden waren. D. hatte - nach der Aussage eines Mitgefangenen bei der Rechtsschutzstelle des DRK am 16. Dezember 1955 - erreicht, dass im Rahmen der von den sowjetischen Organen geführten Untersuchung in dem als Tatort bezeichneten Dorf eine Gegenüberstellung mit den Dorfbewohnern im Beisein des Untersuchungsrichters und eines Dolmetschers stattfand. Man habe ihn dort sofort wiedererkannt und sämtliche Fragen des Unterschungsrichters zu den angeblichen Erschießungen entschieden verneint. Ein Teil der Dorfbewohner sei sogar für ihn eingetreten, sodass der Untersuchungsrichter unverrichteter Dinge habe zurückfahren müssen. Weiterhin sei D. beschuldigt worden, in einem zweiten Dorf 100 Sowjetbürger erschossen zu haben. Diesen Ort habe der Untersuchungsrichter in zweitägigen Bemühungen geographisch nicht nachweisen können, obwohl ihm umfangreiches Kartenmaterial zur Verfügung gestanden habe. Vor Gericht seien dann die Aussagen der Bevölkerung als unerheblich betrachtet worden; aufgrund der zweijährigen Besetzung urtei2 2 4 Ζ . B. konnte der 1 9 2 8 geborene Kurt H „ laut Aktenlage in den Jahren 1 9 4 2 bis 1 9 4 5 „Gestapoführer von Breslau", schon aufgrund seines jugendlichen Alters nicht identisch mit dem Breslauer Gestapochef H. sein, der mit Vornamen übrigens Karl hieß (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 2 4 6 - 2 4 8 ) .
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le sie nicht objektiv, und es genüge, wenn der Vorgang dem NKVD bekannt sei. Auch das in dem von der Heeresgruppe besetzten Gebiet nicht existente Dorf sei kein Hinderungsgrund für die Verurteilung gewesen, weshalb D. schließlich resigniert und auf jede Verteidigung verzichtet habe. 225 Nach Stalins Tod bildete die sowjetische Führung, die sich über den repressiven Charakter und die formalen Mängel der Arbeit der Militärtribunale wie der Moskauer Sonderjustiz (OSO) durchaus im Klaren war, in allen Unionsrepubliken der UdSSR besondere Kommissionen, die Verurteilungen, die wegen „konterrevolutionärer Verbrechen" erfolgt waren, überprüfen sollten. 226 Im August/September 1956 - ironischerweise zu einer Zeit, in der die betreffenden Personen längst repatriiert und größtenteils entlassen worden waren überprüfte das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR noch im Nachhinein auch einige Urteile von „Nichtamnestierten", die vermutlich schon früher, allerdings ohne Erfolg, angefochten worden waren. Im Ergebnis führte diese Revision zu (nun freilich irrelevanten) Erleichterungen im Strafvollzug oder zur Reduzierung des Strafmaßes; in manchen Fällen wurden einzelne Anklagepunkte wegen fehlenden Tatbestandes gestrichen oder aus einer falschen Urteilskategorie heraussortiert und umqualifiziert. Zwei OSO-Urteile wurden mangels Beweisen gänzlich annulliert. 227 Einige Urteile wurden jedoch - auch entgegen anderslautenden Empfehlungen der Generalstaatsanwaltschaft der UdSSR - ausdrücklich erneut bestätigt. Dass manche Anschuldigungen bei späteren Nachprüfungen kaum zu belegen waren, geht auch aus einer internen Recherche hervor, die die Hauptabteilung Untersuchung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Auftrag des „Komitees für Staatssicherheit" des Innenministeriums der UdSSR 1978/79 unternahm. Mit Bezug auf das 1947 in einem SMT-Verfahren abgelegte Geständnis eines „Nichtamnestierten" 228 sollten insgesamt 60 Angehörige zweier Ausbildungs- und Ersatz-Bataillone der Waffen-SS daraufhin überprüft werden, ob sie Anfang Mai 1945 tatsächlich an „völkerrechtswidrigen Straftaten bei der Niederschlagung des Prager Aufstandes" beteiligt gewesen waren. Der zusammenfassende MfS-Bericht schließt mit der Feststellung, „eine zweifelsfreie Klärung" der Frage, inwieweit die angegebenen Formationen der 17. Panzergrenadier-Division „zur Niederschlagung des Prager Aufstandes eingesetzt und Angehörige der Einheiten an den Ausschreitungen gegenüber der
225 Rechtsschutzstelle DRK (RA Brockhaus) an Dr. Wagner, Generalsekretariat des DRK, 23.12.1955 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv). 2 2 6 Vgl. dazu Kopalin, Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung, in diesem Band. 227 Nach den Angaben in den uns vorliegenden Akten wurden insgesamt 41 Urteile überprüft. Von 13 OSO-Beschlüssen wurden 9 revidiert, 2 annulliert. 2 2 8 Heinz Z. war noch im April 1945 als 18-Jähriger zur 17. SS-Panzergrenadier-Division („Götz von Berlichingen") eingezogen worden. Laut Gerichtsprotokoll soll er am letzten Kriegstag, dem 7. Mai 1945, in einem Vorort von Prag an Kampfhandlungen, Kellerdurchsuchungen, Straßenkämpfen mit Partisanen und Erschießungen beteiligt gewesen sein (BAB, DO 1 / 3 2 . 0 / 3 9 7 0 8 , Bl. 711-713).
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Zivilbevölkerung beteiligt waren", sei „aufgrund fehlender Beweismittel nicht möglich". 2 2 9 Knapp vier Monate nachdem die in die D D R repatriierten „Nichtamnestierten" - nach einer großaufgemachten Propagandakampagne im „Neuen Deutschland" und unter grotesk anmutenden Sicherheitsvorkehrungen - in die Haftanstalten Bautzen bzw. Hoheneck eingeliefert worden waren, wurde der größte Teil von ihnen ebenso überraschend wie stillschweigend nach Westdeutschland bzw. West-Berlin und in die D D R entlassen. Die Gründe dafür dürften in dem Dilemma liegen, in dem sich die DDR-Führung nach der Übernahme der von ihr als besonders verdammungswürdige „Kreaturen" betrachteten „Nichtamnestierten" befand: Sie hätte die ihr von der UdSSR übergebenen „Kriegsverbrecher" am liebsten in der D D R vor Gericht gestellt, musste aber akzeptieren, dass die Brudermacht ihr Vorpreschen schon im Vorfeld abgebogen hatte. Da die sowjetische Seite der D D R im Übrigen keine gerichtsverwertbaren Unterlagen zu den „Nichtamnestierten" aushändigte, sahen sich die zuständigen DDR-Justizbehörden nicht in der Lage, neue Strafverfahren einzuleiten. 2 3 0 Sie verfügten aber auch über keine ausreichende Rechtsgrundlage, um die Gefangenen weiterhin festhalten zu können. Andererseits konnten in der Sowjetunion zu hohen Strafen verurteilte „Schwerstkriegsverbrecher" in der D D R wiederum nicht sämtlich und ohne weiteres auf freien Fuß gesetzt werden. In der Frage, wie mit den „Nichtamnestierten" weiter zu verfahren sei, kam es in der Folge zu erheblichen Differenzen zwischen dem DDR-Innenministerium, dem Justizministerium und der Generalstaatsanwaltschaft einerseits und dem MfS andererseits. Die Staatssicherheit drängte darauf, dass KZ-Wächter sowie verurteilte „Spione" und „Agenten" keinesfalls freikommen dürften. Bei ihrer Entlassung wurden manchen „Nichtamnestierten" verlockende Angebote gemacht (Arbeitsplätze, berufliches Fortkommen, Wohnungen usw.). Wie wir heute wissen, hatte das MfS versucht, die Situation zu nutzen; unter den SMT-Verurteilten, die in den Westen entlassen werden sollten, wollte es Mitarbeiter anwerben, die zur „Desinformation des Gegners" eingesetzt wer-
2 2 9 Akte Heinz Z. (BStU, R H E 1 - 7 8 CSSR, Teil 1 - 2 6 ) . 2 3 0 Dr. Wagner vom DRK-Suchdienst ging schon im Februar 1 9 5 6 davon aus, dass die in Bautzen eingelieferten „Nichtamnestierten" nicht noch einmal vor ein deutsches Gericht gestellt würden. Er bezog sich auf eine Mitteilung des DDR-Justizministeriums, das die Ansicht vertrat, die „Nichtamnestierten" seien nach „gründlicher Voruntersuchung" von den sowjetischen Gerichten als „Kriegsverbrecher" rechtskräftig abgeurteilt worden. Für ein neues Verfahren vor einem deutschen Gericht fehlten in allen Fällen Zeugen, sodass „solche Verfahren bei nichtgeständigen Gefangenen wegen Mangels an Beweisen eingestellt werden müssten". Sobald jedoch die Gerichtsakten übergeben seien, solle überprüft werden, ob nach deutschem Recht eine geringere Strafe in Frage komme und das Strafmaß entsprechend herabgesetzt werden könne. Vgl. Vermerk, 7 . 2 . 1 9 5 6 (Kopie im IfA/HAIT-Archiv).
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den sollten. 231 Auf die „Nichtamnestierten" hatte das MfS auch nach ihrer Entlassung ein wachsames Auge, selbst wenn sie längst in die Bundesrepublik übergesiedelt waren und nur besuchsweise in die D D R kamen oder im Westen Besuche von ihren Angehörigen aus der D D R erhielten. 2 3 2 Anders als in der D D R wurden in der Bundesrepublik die repatriierten „Nichtamnestierten" nach einer ersten Befragung auf freien Fuß gesetzt. Nach einer staatsanwaltlichen Überprüfung aller in der Sowjetunion verurteilten, nichtamnestierten Heimkehrer 2 3 3 wurden die Untersuchungen in den meisten Fällen zunächst einmal vorläufig eingestellt. Das galt allerdings nicht für die Überlebenden des Lagerkommandos im KZ Sachsenhausen, die bereits 1947 in Berlin zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt worden waren. Sie wurden nach ihrer Rückkehr aus der Sowjetunion erneut verhaftet und vor Gericht gestellt, nachdem die bundesrepublikanischen Strafverfolgungsbehörden entweder von sich aus tätig geworden waren oder auf Hinweise von Häftlingen hin Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet hatten. Für die DDR-Behörden bot die vorläufige Freilassung der „Nichtamnestierten" in der Bundesrepublik einen willkommenen Anlass, um die in die D D R überführten „Schwerstkriegsverbrecher", die in Westdeutschland beheimatet waren, weiterhin zurückzuhalten. In mehreren Besprechungen mit dem Vorsitzenden des Zentralausschusses des DRK in der DDR, Dr. Ludwig, hatte der Präsident des DRK in Bonn, Dr. Weitz, Anfang 1956 vergeblich versucht, ihn dazu zu bewegen, bei der Regierung der D D R in dieser Frage vorstellig zu wer231 In einem Schreiben Mielkes (MfS) an die Bezirksverwaltungen wurden die „operativen Prinzipien" für eine bis Januar 1956 zur Entlassung kommende kleine Gruppe minderbelasteter „Kriegsverurteilter" erläutert, die laut Ministerratsbeschluss „vorzeitig aus der Haft entlassen" werden sollten. Die Anordnung sollte auch „für die Kriegsverurteilten, die aus der UdSSR kommen", gelten. Darin hieß es u. a.: „Es ist ferner zweckmäßig, geeignete Personen herauszusuchen, die zur ehrlichen Mitarbeit mit dem MfS bereit sind und sich auf Anweisung des MfS nach Westen absetzen, zur Durchführung genau festgelegter Aufgaben: Panik, Demoralisation, Missstimmung zu erzeugen, Misstrauen zu wecken, Briefe in die DDR zurückzuschreiben über ihre schlechte Lage und um die westlichen Agentenzentralen zu beschäftigen." (BStU, MfS AS Band 2 / 5 9 , Bl. 347-349, hier Bl. 348). Tatsächlich erging in mehreren Fällen die Aufforderung, für die Staatssicherheit zu arbeiten. In einem Fall wurde der Betreffende erst freigelassen, nachdem er eine Verpflichtungserklärung unterschrieben hatte. Vgl. DRK-Rechtsschutzstelle München, „Vertraulicher Bericht" (vgl. Anm. 183), S. 2. 232 Hinweise in Akte Heinz Z. (BStU, RHE 1-78 CSSR, Teil 26, Bl. 49-53). 233 Das Bundesjustizministerium gab Mitte Januar bekannt, dass die weitere Behandlung der von der UdSSR übergebenen so genannten Schwerkriegsverbrecher Sache der Landesjustizbehörden sei und nicht in die Zuständigkeit des Bundes falle. An diese Instanzen würden alle Unterlagen weitergeleitet, die von der sowjetischen Regierung übergeben würden. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 17.1.1956. Der Bundesjustizminister, selbst vom Auswärtigen Amt in Kenntnis gesetzt, informierte die Landesjustizverwaltungen und sandte ihnen bis Anfang März 1956 die Namensliste der „Nichtamnestierten" sowie den Bericht der Rechtsschutzstelle des DRK vom 31.1.1956 zu. Vgl. Auswärtiges Amt an den Bundesminister der Justiz, 31.1.1956 (BA, Β 141, 71129, Bl. 79, 120-122); Der Bundesminister der Justiz an die Landesjustizverwaltungen einschließlich Berlin, 6.3.1956 (BA, Β 141, 71130, Bl. 64).
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den. Um das Argument zu entkräften, der Bundeskanzler habe seine in Moskau gegebene Zusage, die „Nichtamnestierten" nicht in Freiheit zu lassen, nicht eingehalten, zitierte Dr. Weitz aus einem persönlichen Brief, den er von Adenauer am 10. März 1956 erhalten hatte. Darin hieß es, dass bei den Verhandlungen des Bundeskanzlers mit Ministerpräsident Bulganin und Generalsekretär Chruscev „von diesen Herren" weder eine „Verpflichtung, die nicht amnestierten deutschen Gefangenen nicht auf freien Fuß zu setzen" verlangt worden sei, noch habe er selbst sich dazu verpflichtet. 234 Wie Adenauer schrieb, sollte eine individuelle Prüfung stattfinden, ob die Übergebenen sich strafbar gemacht hätten; im Übrigen wies er darauf hin, dass „z. B. der so genannte .Eiserne Gustav' und der ,Pistolen-Schubert' und andere nicht Amnestierte verhaftet" worden seien. 235 Das Deutsche Rote Kreuz bemühte sich auch weiterhin nach Kräften um die Freilassung der noch in der DDR zurückgehaltenen „Nichtamnestierten" mit Entlassungsorten im Westen 236 und erreichte schließlich, dass die Transporte aus den DDR-Haftanstalten Bautzen und Hoheneck im April 1956 nach West-Berlin und Westdeutschland abgingen. 237 Die Verhandlungen gegen die Sachsenhausener Blockführer Sorge und Schubert fanden 1958/59 vor dem Landgericht Bonn statt; der Mitangeklagte Knittler hatte in der Untersuchungshaft Selbstmord begangen. Beide wurden wegen mehrfachen Mordes und Beihilfe zum Mord bzw. Totschlag zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Höhn wurde 1960 vom Schwurgericht in Düsseldorf wegen mehrfachen Mordes zu lebenslangem Zuchthaus und dauerndem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Hempels Strafe (fünf Jahre Zuchthaus) galt durch die sowjetische Haft als verbüßt, ebenso die achtjährige Strafe für Dr. Baumkötter (Landgericht Münster, 1962). Eccarius, der wegen der Erschießung von Häftlingen auf dem Todesmarsch sowie wegen der in seiner Funktion als Leiter des Zellenbaues verübten Straftaten eine Gesamtstrafe von acht Jahren und sechs Monaten erhielt, brauchte wegen Haftunfähigkeit nur zwei Jahre abzusitzen. Ein Ermittlungsverfahren gegen Rehn wurde bereits 1956 eingestellt. 238
2 3 4 Zitiert nach Schreiben Dr. Weitz (DRK Bonn) an Dr. Ludwig (DRK Dresden), 13.3. 1956, S. 1 (Abschrift im IfA/ H AIT- Archiv). 2 3 5 Ebd. 2 3 6 Viele Schriftwechsel und Belege dafür im IfA/HAIT-Archiv. 237 „Bericht" (vgl. Anm. 48). 2 3 8 Vgl. Meyer, Schauprozeß, S. 178f.; siehe auch ZSL-Kartei/BAL. Der neunte „Nichtamnestierte" aus dieser Gruppe, Paul Sakowski, verbüßte seine Reststrafe im Zuchthaus Brandenburg in der D D R und wurde 1972 entlassen. Sakowski war als 17-Jähriger, zusammen mit seinem Vater, einem damals bekannten KPD-Mann, ins KZ Sachsenhausen eingeliefert worden. Beide wurden dort zu Arbeiten im Krematorium eingesetzt. Später war Paul Sakowski auch an Hinrichtungen beteiligt gewesen, weshalb er auch als „Henker von Sachsenhausen" tituliert wurde. Personalakte Paul Sakowski (IfA/ H AIT- Archiv, Nr. 4 6 1 1 9 4 6 9 2 0 ) .
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Die bundesdeutsche Justiz ermittelte in dieser Zeit auch gegen weitere „Nichtamnestierte", denen eine Tätigkeit in den Kommandanturstäben verschiedener KZs (bzw. deren Außen- und Nebenlagern) zur Last gelegt wurd e . 2 3 9 Diese Verfahren, in denen die Beschuldigten teils als Zeugen, teils in eigener Sache aussagen mussten, zogen sich allerdings nicht selten über Jahre hin und wurden - auch weil die Betroffenen unterdessen oftmals verstorben waren - häufig eingestellt. 240 Hatten sich die Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik bis Ende der fünfziger Jahre schwerpunktmäßig mit NS-Straftaten befasst, die in Deutschland gegen Deutsche begangen worden waren (Konzentrationslager, Euthanasie, „Endphaseverbrechen"), so gerieten im Zuge einer in den sechziger Jahren einsetzenden, neuen Verfahrenswelle zunehmend die gegen Juden sowie die in den besetzten Gebieten (vorwiegend Polen und Sowjetunion) verübten Massenvernichtungsverbrechen in den Blick. Die umfangreichen und systematischen Vorermittlungen der nach dem „Ulmer Einsatzgruppenprozess" 1 9 5 8 gegründeten „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen" in Ludwigsburg führten nicht nur zu zahlreichen neuen Verfahren, sondern auch zur Ahndung bis dahin fast völlig unbekannter Tatkomplexe: Die Zahl der Verfahren gegen Angehörige von Einsatzgruppen, Wachmannschaften von Konzentrations-, Vernichtungs- und Zwangsarbeitslagern in den besetzten Gebieten sowie gegen Angehörige der Polizei stieg deutlich an. 2 4 1 Die Verlagerung auf solche Strafverfolgungsschwerpunkte und Tätergruppen setzte sich bis in die achtziger und neunziger Jahre fort. Seit Anfang der sechziger Jahre wurden jedoch fast nur noch Mord und Beihilfe zum Mord geahndet; alle anderen nationalsozialistischen Tötungsverbrechen waren seit 1 9 6 0 verjährt. 2 4 2 Davon 2 3 9 Ermittlungen wurden laut ZSL-Kartei/BAL (einschließlich der Sachsenhausener) gegen mindestens 18 Block- bzw. Rapportführer, Wachmänner, Helfer usw. aus verschiedenen Lagerverwaltungen (Auschwitz, Birkenau, Buchenwald, Dachau, Mauthausen sowie verschiedene Neben- und Außenstellen dieser Lager) geführt, außerdem gegen Heinrich K., der beschuldigt wurde, als Stadtkommandant von Lodz Grausamkeiten im Ghetto verübt zu haben. 240 So wurde ζ. B. ein Verfahren gegen Franz M., Blockführer im KL Auschwitz, Nebenlager Lagischa, im Jahr 1977 eingestellt. In drei weiteren Fällen erledigten sich die Verfahren ebenfalls durch Tod der Angeklagten (ZSL-Kartei/BAL). 241 Vgl. C. F. Rüter/D.W. de Mildt, Die westdeutschen Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1997. Eine systematische Verfahrensbeschreibung mit Karten und Registern, Amsterdam 1998. (Eine entsprechende Publikation für die DDR wird derzeit erarbeitet. Vgl. http://www.jur.uva.nl/junsv/ddr/DDRErgebnisse.htm). Das von der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in mehr als 7 0 0 0 Vorermittlungsfällen gesammelte Material ist eine einzigartige Quelle für die wissenschaftliche Erforschung sowohl der „Verbrechensgeschichte des Dritten Reiches" als auch der justiziellen und gesellschaftlichen Aufarbeitung und Bewältigung der NS-Verbrechen nach 1945. Im Jahr 2001 wurde an der Universität Stuttgart eine „Forschungsstelle zur NS-Geschichte" eingerichtet, die die Ludwigsburger Bestände auswerten soll. Vgl. Hans-Christof Kraus, Täterforschung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8 . 5 . 2 0 0 1 , S. 52. 242 Die Verjährung von Mord wurde 1965 und 1969 aufgeschoben und schließlich 1979 aufgehoben. Vgl. Rüter/de Mildt, Strafverfahren, S. IX-XIV, hier S. XII.
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h a b e n z.B. frühere A n g e h ö r i g e d e s R e i c h s s i c h e r h e i t s h a u p t a m t s - auch aus d e m K o n t i n g e n t der „ N i c h t a m n e s t i e r t e n " - profitiert; da die i h n e n zur Last gelegte Beihilfe z u m M o r d i n z w i s c h e n verjährt war, m u s s t e das RSHA-Verfahren eingestellt w e r d e n . D a s w i e d e r e r w a c h t e Interesse a n d e n N S - V e r b r e c h e n u n d ihrer A h n d u n g hatte für die „nichtamnestierten" H e i m k e h r e r zur Folge, dass etliche bereits 1 9 5 6 „ w e g g e l e g t e " Fälle n e u aufgegriffen u n d w e i t e r g e h e n d e U n t e r s u c h u n g e n eingeleitet w u r d e n . M a n c h m a l traten dabei Tatbestände zutage, für die sich die s o w j e t i s c h e n Richter gar nicht interessiert h a t t e n o d e r die i h n e n schlicht entg a n g e n w a r e n . 2 4 3 H i n z u kam, dass bei der B e r e c h n u n g v o n R e n t e n - u n d Vers o r g u n g s a n s p r ü c h e n a u c h A u s k ü n f t e ü b e r die Ergebnisse der Z S L - R e c h e r c h e n e i n g e h o l t w u r d e n . I n s o f e r n v e r w u n d e r t es nicht, dass sich viele „ N i c h t a m n e s tierte", die sich für u n s c h u l d i g hielten, g e g e n ü b e r d e n a n d e r e n „amnestierten" H e i m k e h r e r n benachteiligt fühlten. Familiäre u n d b e r u f l i c h e P r o b l e m e , Verzög e r u n g e n o d e r A b l e h n u n g s b e s c h e i d e in Beförderungs-, Renten- u n d Versorg u n g s a n g e l e g e n h e i t e n w u r d e n h ä u f i g auf d e n unklaren Status der „Nichta m n e s t i e r t e n " zurückgeführt. N i c h t w e n i g e betrachteten ihre Entlassung aus der s o w j e t i s c h e n G e f a n g e n s c h a f t nur als „bedingt" u n d drängten auf eine endgültige Rehabilitierung. 2 4 4 243 So war ζ. B. Roman K. 1948 von einem SMT verurteilt worden, weil er sich einer „antisowjetischen Untergrundorganisation" angeschlossen haben sollte, nicht wegen seiner Straftaten als Rapportführer im KZ Auschwitz. Manfred B. war bei der Verurteilung durch ein SMT mit einem relativ milden „Ukaz 43"-Urteil von 20 Jahren ITL davongekommen. Vom Landgericht Hamburg wurde B. 1966 „wegen Mordes in drei Fällen und wegen versuchten Mordes in einem Fall, jeweils begangen im Zustand der erheblich verminderten Zurechnungsfähigkeit", zu einer Gesamtstrafe von 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er war bereits 1942 durch das Feldgericht der 3. Infanterie-Division wegen Totschlags in vier Fällen, begangen in Tateinheit mit Gehorsamsverweigerung im Felde zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren Gefängnis sowie zum Rangverlust verurteilt worden. Dieses Urteil war durch Hitler selbst aufgehoben worden (ZSLKartei/BAL). 244 Vgl. die Aufzeichnungen und Briefwechsel zu den Lebensverhältnissen nach der Entlassung im IfA/ H AIT- Archiv. So wurde ζ. Β. der frühere Leutnant der Wehrmacht Siegfried B., als er die ihm rechtlich zustehende Heimkehrer-Entschädigung bei dem für ihn zuständigen Landratsamt beantragte, mit der durch einen amtlichen Hinweis unterlegten Auskunft abgespeist, die Zahlung könne erst nach Prüfung der sowjetischen Unterlagen [sie!] erfolgen. Seine Bemühungen um eine berufliche Integration blieben bis 1957 ohne Erfolg. Siegfried B. führte diese Benachteiligungen auf Vereinbarungen zwischen dem Auswärtigen Amt und der sowjetischen Führung zurück. Das Bundesministerium des Innern habe damals eine Rehabilitierung der nicht belasteten „Nichtamnestierten" angestrebt, die jedoch vom Auswärtigen Amt aus „außenpolitischen Opportunitätsgründen" abgelehnt worden sei (vgl. Siegfried B., Aufzeichnung vom 22.7.1993 sowie AeV-Fragebogen vom 14.1.1956, Kopie im IfA/HAIT-Archiv). Auch der ehemalige Obergefreite Herbert K. (Jg. 1923), der nach seiner Entlassung aus Bautzen in seinem Heimatort Kothen „sehr zurückgezogen" lebte, blieb monatelang ohne Arbeit. Vgl. Ministerium für Staatssicherheit, Bezirksverwaltung Halle, 5.5.1956 (BStU, AR 3, Bl. 70). Nicht wenige „Nichtamnestierte" beschrieben ihre ersten Erfahrungen mit dem sozialen Rechtsstaat nach ihrer Heimkehr in die Bundesrepublik als enttäuschend und deprimierend. So fühlte sich ζ. B. Heinz H. (Jg. 1922), der einen
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Im Fall des „ N i c h t a m n e s t i e r t e n " Karl K a p p 2 4 5 vollzog sich die Rehabilitierung auf g e r a d e z u tragische W e i s e . 2 4 6 N a c h seiner Entlassung in die Bundesrepublik w u r d e er, obwohl schwer krank - aufgrund politisch motivierter Denunziationen, die sich später als völlig haltlos erweisen sollten - , im August 1 9 5 8 für zwei Jahre in Untersuchungshaft g e n o m m e n . 2 4 7 Die Belastungszeugen w a r e n meist ehemalige K P D - L e u t e , deren Angriffe auf K a p p im G r u n d e gegen die P e r s o n und Politik Kurt S c h u m a c h e r s zielten. K a p p , der insgesamt 2 5 Jahre seines L e b e n s im Konzentrationslager, in Gefängnissen und Zwangsarbeitslagern v e r b r a c h t hatte, betrieb selbst seine Rehabilitierung in einem öffentlichen Gerichtsverfahren und w u r d e schließlich im O k t o b e r 1 9 6 0 v o m Schwurgericht M ü n c h e n aufgrund von Z e u g e n a u s s a g e n und wegen erwiesener Unschuld f r e i g e s p r o c h e n . 2 4 8 Mit seinem Tod im Jahr 1 9 6 5 hatten a u c h n a c h dem Freispruch n o c h laufende Ermittlungen gegen ihn „ein E n d e
gefun-
den".249 Angesichts der n a c h d e m Uberfall der deutschen W e h r m a c h t auf die Sowjetunion a m 2 2 . Juni 1941 in den besetzten Gebieten unzweifelhaft verübten Kriegsverbrechen und V e r b r e c h e n gegen die Menschlichkeit stellt sich die
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jahrzehntelangen Kampf um die Festsetzung seiner Rente führte, als aus der Gesellschaft „ausgestoßen". Die 800 DM, die er als Entschädigung für elf Jahre „hinter Stacheldraht bei Hunger und Kälte" erhalten hatte, seien für „einige andere Gruppen in der Gesellschaft nur ein Taschengeld gewesen." (Kopie im IfA/HAITArchiv). Die Fremdheit, die alle Spätheimkehrer nach ihrem Eintreffen in der Bundesrepublik empfanden, war auch ein Thema in der Lokalpresse: „Wer Spätheimkehrern gegenübertritt, die zehn Jahre ihres Lebens und mehr in Kriegsgefangenschaft verbracht haben, steht immer wieder erschüttert vor der Tatsache, dass diese Menschen vielfach ihr Leben ganz von vorn neu aufbauen müssen. Der Fortschritt der Technik im vergangenen Jahrzehnt ersteht vor ihnen wie ein Wunderwerk; Berufs- und Familienleben sind unter neuen Voraussetzungen zu beginnen." (Siegener Stadtnachrichten vom 19.4.1956). Zur Vorgeschichte vgl. Abschnitt 5.1.3. Für die freundliche Überlassung der deutschen Unterlagen zum Fall Kapp danke ich Horst-Peter Schulz, Archiv der sozialen Demokratie in Bonn-Bad Godesberg. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde bereits im Juni 1956 die gerichtliche Voruntersuchung eröffnet. Zwei Jahre später reichte der Staatsanwalt eine Anklageschrift gegen Kapp wegen des Verdachts des vierfachen Mordes und der Beihilfe zum Mord in einem Fall sowie der Anstiftung zum zweifachen Mord ein. Ferner wurden Kapp durch neue (später als nicht begründet abgewiesene) Beschuldigungen eines früheren Mithäftlings weitere 17 Morde angelastet. Viele Zeugen - unter ihnen der Berliner Propst Dr. Heinrich Grüber, der sich im Namen aller Theologen, die in Dachau gewesen waren, zur Aussage verpflichtet fühlte hatten geradezu leidenschaftliche Plädoyers für den Angeklagten gehalten. Der frühere österreichische Bundeskanzler Leopold Figi sandte eine Grußbotschaft, in der er den Angeklagten als „Engel von Dachau" bezeichnete. Die Verteidigung warf der bundesdeutschen Justiz vor, „sie hätte Kapp bei dieser von vornherein sehr schwachen Beweislage nicht eine Minute in Untersuchungshaft halten dürfen". Karl Stankiewitz, Nach 25 Jahren Gefangenschaft endlich rehabilitiert: Der Kapo, der ein Engel war. In: Hannoversche Presse vom 15./16.10.1960. ZSL-Kartei/BAL. Weiteren Erkenntnissen aus den siebziger Jahren zufolge waren auch diese Anschuldigungen unbegründet.
Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"?
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Frage, ob und wie die daran Beteiligten bzw. dafür Verantwortlichen gerichtlich zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden konnten. Am Beispiel der hier untersuchten Gruppe der „Nichtamnestierten", die von den Sowjets als harter Kern der „Schwerstkriegsverbrecher" tituliert wurde, wird deutlich, dass die sowjetische Militärjustiz dieses Problem nicht bewältigen konnte. Zwar hatten die Strafverfolgungsorgane von Anfang an ein breites Spektrum von Tatbeständen und „Tätern" bzw. „Tätergruppen" im Blick: das Personal rückwärtiger Einheiten, das zur Durchsetzung und Sicherung der nationalsozialistischen Besatzungspolitik eingesetzt war, Einsatzgruppen und Sonderkommandos, die Vernichtungsfeldzüge gegen Juden und Strafaktionen gegen Partisanen durchführten, in militärische Operationen eingebundene Fronttruppen, denen Misshandlungen und Erschießungen von Rotarmisten und Zivilisten angelastet wurden, 2 5 0 hochrangige Militärs ebenso wie Soldaten aus den mittleren und unteren Rangstufen. Im Mittelpunkt der Verfahren stand freilich nicht die Aufklärung von Handlungen oder Verbrechen, die die Beschuldigten tatsächlich begangen hatten, bzw. das Ziel, die individuelle Schuld der Angeklagten nachzuweisen, sondern deren Überführung und Bestrafung, wobei die Urteilskategorie und das Strafmaß in der Regel vorgegeben waren. Dass der diesen Verfahren immanente Widerspruch zwischen persönlicher Schuldzuweisung einerseits und schematischer Kollektiwerurteilung andererseits der Wahrheitsfindung nicht dienlich war, liegt auf der Hand. Die DDRFührung übernahm die Sprachregelung der Brudermacht und wagte es im Fall der von sowjetischen Gerichten bereits verurteilten „Nichtamnestierten" trotz ihrer „antifaschistischen" Emphase nicht, eigene Strafverfahren gegen die vermeintlichen NS-Täter einzuleiten. Am Beispiel der „Nichtamnestierten" werden freilich auch die Schwierigkeiten der rechtsstaatlich-demokratischen Justiz in der Bundesrepublik deutlich, die Beteiligung an nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, Massentötungen, Deportationen usw., die während des Zweiten Weltkrieges in den Okkupationsgebieten stattfanden, zu ahnden. Diese Tatkomplexe waren der bundesdeutschen Justiz in den ersten Nachkriegsjahren, die sich primär auf die Inlandsvergehen konzentrierte, kaum bekannt oder wurden ignoriert und verdrängt. 251 Spätere Verfahren scheiterten nicht selten an der abgelaufenen Verjährungsfrist oder „erledigten" sich infolge des vorgerückten Alters bzw. des Todes der Angeklagten von selbst. Allerdings war aus heutiger Sicht die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hier ein längerfristiger und weit in die Gesellschaft hineinreichender Prozess, zu dem, trotz aller Mängel, die Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit der Justiz einen wichtigen Beitrag leistete.
2 5 0 Vgl. dazu Christian Gerlach, Verbrechen deutscher Fronttruppen in Weißrußland 1 9 4 1 - 1 9 4 4 . Eine Annäherung. In: Karl Heinrich Pohl (Hg.), Wehrmacht und Vernichtungspolitik. Militär im nationalsozialistischen System, Göttingen 1999, S. 8 9 - 1 1 4 . 251 Vgl. Riiter/de Mildt, Die westdeutschen Strafverfahren, S. X-XII.
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Ute Schmidt
Es bleibt schließlich die Frage, weshalb die Sowjets die „Schwerstkriegsverbrecher" überhaupt freigegeben haben. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die poststalinistische sowjetische Führung sich über die mangelhafte Rechtsgrundlage vieler Verurteilungen, die einer ernsthaften Prüfung nicht standhalten würden, durchaus im Klaren war. Die Herstellung diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland und die Repatriierung der „Nichtamnestierten" boten ihr zudem den Rahmen, ein seit langem schwelendes politisch-juristisches Problem im eigenen Land anzupacken: Stalins Nachfolger konnten nun auch die einheimischen „Helfershelfer der deutsch-faschistischen Gräueltäter" begnadigen. Am 17. September 1955 verabschiedete das Präsidium des Obersten Sowjets der U d S S R eiligst den Erlass „Über die Amnestie sowjetischer Bürger, die mit den Okkupanten während des Großen Vaterländischen Krieges 1941 bis 1945 zusammengearbeitet haben." Nach diesem Gnadenerweis für die „Kollaborateure" sollte es immerhin noch fast ein Jahr dauern, bis den Soldaten der Roten Armee, die in deutscher Kriegsgefangenschaft gewesen waren, und ihren Familien mehr Gerechtigkeit widerfuhr: Am 2 9 . Juni 1956 erging der gemeinsame Beschluss des Z K der KPdSU und des Ministerrats der U d S S R Nr. 8 9 8 - 4 9 0 s „Über die Beseitigung der Folgen grober Verstöße gegen die Gesetzlichkeit in Bezug auf ehemalige Kriegsgefangene und deren Familienmitglieder". 2 5 2 Es gehört zur bitteren Ironie der sowjetischen Nachkriegsgeschichte, dass die in Kriegsgefangenschaft geratenen Rotarmisten und ihre Familienangehörigen von ihrer eigenen Regierung erst nach den ausländischen „Schwerstkriegsverbrechern" und den „Kollaborateuren" im eigenen Land rehabilitiert wurden.
2 5 2 Vgl. Konasov, Sudebnoe presledovanie, S. 116; siehe auch Pavel Polian, Deportiert nach Hause. Sowjetische Kriegsgefangene im Dritten Reich und ihre Repatriierung, München 2 0 0 1 , S. 1 9 6 - 2 0 1 .
Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung widerrechtlich repressierter deutscher Staatsangehöriger1 Leonid Kopalin Die Frage der politischen Repression und der Rehabilitierung unschuldig verfolgter Personen ist im weiteren Sinn ein Problem des wechselseitigen Verhältnisses zwischen gesetzestreuen Menschen und den staatlichen Organen in der Epoche des Totalitarismus und, nach dem Umbruch, bei der Errichtung einer demokratischen Rechtsgesellschaft. Unter der Sowjetmacht fielen alle Grundprinzipien eines Rechtsstaates der Vergessenheit anheim. Lücken, die in der juristischen Regelung der Beziehungen von Staat und Gesellschaft entstanden, wurden durch die „revolutionäre Zweckmäßigkeit", „außerordentliche Maßnahmen", „Klasseninteressen" und Zwang ausgefüllt. Die Persönlichkeitsrechte genossen niemals staatliche Priorität. In allen Entwicklungsphasen des sowjetischen Staats stellten sich die herrschende Partei und die Nomenklatura immer über die Verfassung und die Gesetze, was zwangsläufig zu Willkür führte. Das System des Totalitarismus selbst gebar die politischen Massenrepressionen und rechtfertigte die Existenz eines riesigen Strafverfolgungsapparats. Leider sind die Traditionen der sowjetischen Vergangenheit, die den Umfang politischer Rechte und Freiheiten dem Ermessen der Obrigkeit überlassen, auch heute noch stark. Nicht ohne Grund konstatierte der erste Präsident der Russischen Föderation Boris El'cin in einem Schreiben an das Parlament, in dem er Probleme des Persönlichkeitsschutzes analysierte: „Russland weiß sehr gut, was das Recht der Stärke ist. Sich der Stärke des Rechts bewusst zu werden, steht uns noch bevor." Bemerkenswerterweise wird Russland im neuen Grundgesetz - der durch Volksentscheid am 12. Dezember 1993 angenommenen Verfassung der Russischen Föderation - erstmals offiziell als demokratischer und föderaler Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform bezeichnet, in der der Mensch, seine Rechte und Freiheiten den höchsten Wert darstellen und die Staatsmacht auf der Grundlage der Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative ausgeübt wird. Die allgemein anerkannten Völkerrechtsprinzipien und -normen und die internationalen Verträge der Russischen Föderation sind Bestandteil ihres Rechtssystems (vgl. Artikel 1, 2, 10, 15). 1
Übersetzt von Hannelore Georgi.
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Leonid
Kopalin
Nur vor einem solchen rechtlichen Hintergrund konnte die demokratische Macht in einer Zeit, in der sich die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Russland rigoros ändern, ernsthaft die wichtige Mission auf sich nehmen, die in der Vergangenheit verletzten Bürgerrechte, u. a. auch die von ausländischen Staatsangehörigen, wiederherzustellen. Das findet zu Recht die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit.
1.
Objekt und rechtliche Grundlagen des Rehabilitierungsprozesses in der UdSSR
Das vergangene Jahrhundert war für Russland bekanntlich ein Jahrhundert einmaliger sozialer Erschütterungen und revolutionärer Experimente, die im Oktober 1917 ihren Anfang nahmen. Der Preis, den unsere Gesellschaft für diese Experimente bezahlen musste, war hoch. Alle wesentlichen Klassen und sozialen Gruppen der russischen Gesellschaft fielen ihnen zum Opfer: werktätige Bauern und Arbeiter, Kosaken und Militärangehörige, die Intelligenz und die Geistlichkeit. Repressiert wurden nicht nur solche Bürger, die offen ihre Illoyalität gegenüber der neuen Macht zeigten, sondern auch jene, die für das Regime selbst vom offiziellen Standpunkt aus nur eine „potenzielle" Gefahr darstellten: so genannte „klassenfremde" und „sozial gefährliche Elemente", Kinder und andere Familienangehörige von wegen „konterrevolutionärer" Verbrechen Verurteilten, Kriegsgefangene und Ausländer. Nach Angaben der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft - im Folgenden nach dem russischen Begriff als GVP abgekürzt [d. Übers.] - wurden von 1926 bis 1954 in Strafsachen, die der Aufsicht der Militärstaatsanwaltschaft unterstanden, 1373 397 sowjetische Bürger durch Militärtribunale und außergerichtliche Organe verurteilt und zur Verantwortung gezogen, darunter auch Militärangehörige, die wegen „Staatsverbrechen", und Zivilpersonen, die wegen „Spionage" verurteilt wurden. Gemäß den Beschlüssen der höchsten Partei- und Staatsführung der UdSSR wurden elf Völker (Deutsche, Polen, Kalmyken, Karatcaever, Balkarzen, Ingusen, Cecenen, Krymtataren, Koreaner, Griechen, Finnen) auf dem Gebiet der Russischen Föderation vollständig, weitere 48 Völker teilweise deportiert. Die politischen Repressionen in der UdSSR dauerten in unterschiedlichen Variationen bis zu Stalins Tod im Jahre 1953 an. Es ist auch heute praktisch unmöglich, die Gesamtzahl der Opfer politischer Repression zu ermitteln, aber sie ist mit den Verlusten, die das Land während des Zweiten Weltkrieges erlitt, vergleichbar. Auf Beschluss der höchsten Partei- und Staatsgremien der UdSSR begann im Zusammenhang mit zahlreichen Beschwerden von Verurteilten über eine ungesetzliche und unbegründete Anwendung politischer Repressionen im Jahr 1954 die Überprüfung von Strafsachen derjenigen (sowohl Sowjetbürger als
Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung
355
auch Ausländer), die wegen „Staatsverbrechen" („konterrevolutionärer Verbrechen") verurteilt worden waren. Rechtsgrundlage dieser umfangreichen Arbeit war der in der Presse nicht veröffentlichte Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 1. September 1953 „Über die Abschaffung der Sonderberatung beim Ministerium für Innere Angelegenheiten der UdSSR". 2 In Ausführung dieses Erlasses gaben der Generalstaatsanwalt und der Innenminister der UdSSR am 29. Dezember 1954 einen gemeinsamen Befehl heraus, der die Staatsanwälte der Unionsrepubliken, Regionen und Gebiete, die Militärstaatsanwälte der Militärbezirke und Flotten sowie die Staatsanwälte für den Eisenbahn- und Wassertransport verpflichtete, Beschwerden und Eingaben von Personen, die per Beschluss des früheren OGPU-Kollegiums, einer NKVD- bzw. UNKVD-Trojka oder der Sonderberatung eine Strafe verbüßt hatten, zu prüfen und bei Feststellung einer zu Unrecht erfolgten Verurteilung die Akten zusammen mit dem Einspruch des entsprechenden Staatsanwalts beim Obersten Gericht der UdSSR an den Generalstaatsanwalt weiterzuleiten. Dafür gab es besondere Kommissionen, die gemäß Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 24. März 1956 „Über die Prüfung von Verfahren gegen Personen, die eine Strafe wegen politischer, Amts- oder Wirtschaftsverbrechen verbüßen", 3 in allen Unionsrepubliken, Regionen und Gebieten der ehemaligen UdSSR gebildet wurden. Diese Kommissionen waren berechtigt, vor Ort abschließend zu entscheiden, sie konnten unter anderem Verurteilte vollständig rehabilitieren, ihre Taten nach milderen Artikeln des Strafrechts einstufen, sie konnten das Strafmaß reduzieren usw. Zusammen mit den Kommissionen beschäftigten sich auch die Organe der Staatsanwaltschaft und Gerichte sowie Dienststellen des MVD mit der Prüfung der Strafverfahren und lieferten Vorabgutachten zu allen überprüften Fällen. Innerhalb der GVP beschäftigte sich in den Jahren 1954 bis 1962 eine spezialisierte Verwaltung, die rund 500 Militärstaatsanwälte umfasste, mit der Rehabilitierung; an der Arbeit beteiligten sich außerdem 259 Offiziere der Militärstaatsanwaltschaften der Militärbezirke. Insgesamt wurde zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit gegenüber widerrechtlich Verurteilten bedeutsame Arbeit geleistet. Von 1954 bis 1962 wurden 269 913 Personen rehabilitiert, von denen viele in ein normales Leben zurückfanden. Es wurden nur die Strafsachen der Personen geprüft, die noch lebten und sich in Haft befanden. Die Strafsachen derjenigen, die nach einem Gerichtsurteil erschossen worden oder aus anderen Gründen in den Lagern verstorben waren, wurden nicht überprüft. Bei einem Großteil der Repressierten wurden nur halbherzige Beschlüsse gefasst: Ihre Taten wurden auf minderschwere militärische oder allgemeine 2
3
Abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov o repressijach i reabilitacii zertv politiceskich repressij. Hg.: Verchovnyj Sovet Rosijskoj Federaci!, Moskau 1993, S. 71 (Anm. d. Übers.). Abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 8 0 f . (Anm. d. Übers.).
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Leonid Kopalin
Verbrechen umqualifiziert, das Strafmaß wurde auf die Anzahl der bereits verbüßten Jahre gesenkt, und sie wurden freigelassen. Zusatzstrafen wie die Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte, Verbannung oder Ausweisung wurden gestrichen. Viele entließ man nicht aufgrund einer Rehabilitierung, sondern aufgrund der Amnestie, die am 17. September 1955 durch Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR verkündet wurde („Über die Amnestierung der sowjetischen Staatsbürger, die während des Großen Vaterländischen Krieges 1941 bis 1945 mit den Okkupanten zusammengearbeitet haben"). Folglich blieb die Frage offen, inwieweit die Repressionen gerechtfertigt waren. Im Ergebnis dieser Tätigkeit wurden bis 1956 auch alle Strafsachen ausländischer Staatsbürger überprüft. Die meisten Verurteilten wurden von der weiteren Strafverbüßung befreit und repatriiert. Lediglich einem unbedeutenden Teil der wegen Kriegsverbrechen Verurteilten versagte man die Freilassung; sie wurden den deutschen Behörden zur weiteren Strafverbüßung in Deutschland übergeben. 4 Indessen wurde die Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen 1962 faktisch eingestellt. Die Verwaltung der GVP für Rehabilitierung sowie die entsprechenden Abteilungen der Militärstaatsanwaltschaften löste man auf. Bis 1989 gab es in der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft lediglich eine kleine Abteilung mit elf Offizieren und in den Militärbezirken je einen Assistenten (außer Fragen der Rehabilitierung gehörte auch die Dienstaufsicht über das KGB zu ihrem Aufgabenbereich). Mit vereinten Kräften rehabilitierten sie innerhalb eines Vierteljahrhunderts ( 1 9 6 2 bis 1989) 2 5 687 Personen. Der Rehabilitierungsprozess wurde im Zusammenhang mit dem am 16. Januar 1989 vom Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR verabschiedeten Ukaz „Über zusätzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit für die Opfer politischer Repressionen, die in den dreißiger, vierziger und zu Beginn der fünfziger Jahre stattfanden", aktiviert. 5 Nach diesem Ukaz unterlagen alle Personen, die von außergerichtlichen Organen repressiert worden waren, automatisch der Rehabilitierung (bis auf „Verräter", Angehörige von Strafkommandos, Nazi-Verbrecher, Angehörige „nationalistischer Banden" und ihre „Handlanger", Fälscher von Strafsachen, Mörder und einige andere Kategorien). Zur Ausführung dieses Erlasses wurde im August des Jahres 1989 in der GVP wiederum eine Verwaltung für Rehabilitierung (51 Offiziere) und in den 14 Militärbezirken Abteilungen aus jeweils vier Offizieren gebildet. Dadurch
4
5
Vgl. Andreas Hilger, Faustpfand im kalten Krieg? Die Massenverurteilungen deutscher Kriegsgefangener 1 9 4 9 / 5 0 und die Repatriierung Verurteilter 1 9 5 0 bis 1 9 5 6 , in diesem Band, S. 2 1 1 - 2 7 2 , und Ute Schmidt, Spätheimkehrer oder „Schwerstkriegsverbrecher"? Die Gruppe der 7 4 9 „Nichtamnestierten", in diesem Band, S. 2 7 3 - 3 5 0 (Anm. d. Übers.). Abgedruckt in Sbornik zakonodatel'nych i normativnych aktov, S. 186f. (Anm. d. Übers.).
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war es möglich, innerhalb von drei Jahren ( 1988 bis 1991 ) 86176 Personen zu rehabilitieren (bei 5 968 Ablehnungen). Im Zeitraum von 1954 bis 1991 rehabilitierten die Organe der Militärstaatsanwaltschaft insgesamt 381776 Personen.
2.
Objekt und rechtliche Grundlagen des Rehabilitierungsprozesses in der Russischen Föderation
Die erste - „Chruscev'sche" - Etappe der Prüfung von Strafakten und der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Freiheitsentzug oder von Arbeitseinsatz mit vollständigen oder teilweisen Freiheitsbeschränkungen führte nicht zur völligen Rehabilitierung von mehreren Hunderttausend repressierten sowjetischen und ausländischen Staatsangehörigen. Selbst wenn sie vorzeitig aus ihren Haftorten entlassen worden waren, trugen sie noch viele Jahre lang das Kainsmal eines Vaterlandsverräters oder Kriegsverbrechers. Ein Teil von ihnen trägt dieses Zeichen noch heute. Erst mit dem Zusammenbruch des totalitären Sowjetregimes wurde es möglich, allen Opfern der ungesetzlichen politischen Massenrepressionen ohne jede Ausnahme ihren unbescholtenen Namen zurückzugeben und ihnen und ihren unschuldig betroffenen Verwandten und Angehörigen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Mit dem 18. Oktober 1991, als der russische Präsident Boris N. El'cin das Gesetz der Russischen Föderation „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen" 6 unterzeichnete, begann eine neue, noch heute andauernde Etappe der Rehabilitierung und Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit. Die Verabschiedung dieses Gesetzes, einer der ersten gesetzgeberischen Akte des freien Russland, hatte historische Bedeutung. Erstmals wurde nicht nur eine juristische und moralische Bewertung des staatlichen Terrors gegen das eigene und andere Völker gegeben, sondern auch die Notwendigkeit betont, die Folgen dieses Terrors zu beseitigen. Damit demonstrierte die neue demokratische Macht ihr unbeirrtes Bestreben, reale Garantien für die Gewährleistung der Gesetzlichkeit sowie der Rechte und Freiheiten der Bürger zu erlangen. In der Präambel des Gesetzes wird offen zugegeben, dass Millionen von Menschen in den Jahren der Sowjetmacht der Willkür des totalitären Staates zum Opfer fielen und wegen ihrer politischen und religiösen Überzeugungen, aus sozialen, nationalen oder anderen Gründen repressiert wurden. Den Op6
Gesetz der Russischen Föderation über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen (mit Änderungen und Ergänzungen vom 3. September 1993), deutsche Ubersetzung hier zitiert nach Günther Wagenlehner, Die russischen Bemühungen um die Rehabilitierung der 1941-1956 verfolgten deutschen Staatsbürger. Dokumentation und Wegweiser, Bonn 1999 (Reihe Gesprächskreis Geschichte der Friedrich-EbertStiftung 29), S. 92-110 (Anm. d. Übers.).
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Leonid Kopalin
fern der ungerechtfertigten Repressionen und ihren Verwandten und Angehörigen gegenüber wird tiefes Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Auf diese Weise wurde der Grundstein für die breite Tätigkeit zur Rehabilitierung aller Opfer politischer Repressionen auf dem Territorium der Russischen Föderation, beginnend mit dem 2 5 . Oktober (7. November) 1917, und zur Wiederherstellung ihrer staatsbürgerlichen Rechte, zur Beseitigung sonstiger Folgen der Willkür und zur Gewährung einer für den Staat tragbaren Entschädigung für den erlittenen materiellen und moralischen Schaden gelegt. Das Gesetz bestimmte auch die Verfahrensweise für die Rehabilitierung der Bürger. Im Unterschied zu früheren Zeiten kann der Rehabilitierungsprozess nicht nur vom Staat, sondern auch von den Repressierten selbst und von beliebigen anderen Personen oder gesellschaftlichen Organisationen eingeleitet werden. Auf neuerlichen Antrag hin sind auch die Fälle von solchen Personen zu prüfen, deren Rehabilitierung früher abgelehnt worden war. Es versteht sich von selbst, dass das Gesetz „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen" nicht alle Probleme der Repressierten auf einen Schlag lösen konnte. Daher wurden in den darauffolgenden Jahren sowohl im Gesetz selbst als auch in den Durchführungsbestimmungen Änderungen und Ergänzungen vorgenommen. Wichtige Änderungen erfolgten vor allem am 2 2 . Dezember 1992. Mit deren Verabschiedung erstreckt sich das Gesetz - neben seiner Gültigkeit für Staatsangehörige der Russischen Föderation und der anderen ehemaligen Republiken der U d S S R - auch auf ausländische Staatsangehörige, die entweder auf russischem Territorium politischen Repressionen unterworfen waren oder die auf Beschluss sowjetischer Gerichte bzw. außergerichtlicher Organe außerhalb der UdSSR wegen Taten gegen sowjetische Bürger und gegen die Interessen der UdSSR repressiert wurden. Darin besteht ein weiterer prinzipieller Unterschied dieses Gesetzes zu allen vorherigen Rehabilitierungsbestimmungen. Bereits am 17. September 1992 war die Verfügung des Stellvertretenden Generalstaatsanwalts Nr. 1 3 / 3 - 18d-92 erschienen, die die GVP mit der Überprüfung der Fälle beauftragte, in denen ausländische Staatsangehörige und Staatenlose im Ausland sowie Angehörige ausländischer Armeen und Kriegsgefangene während ihrer Gefangenschaft in der U d S S R verurteilt worden waren. Das Recht auf Rehabilitierung oder auf die Anerkennung als Betroffener politischer Repressionen wurde nun auch auf die Familienmitglieder der Repressierten ausgedehnt: die Kinder, die Ehepartner und die Eltern. Die mit Beschluss des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation vom 2 3 . Mai 1995 vorgenommenen Gesetzesänderungen gestatteten es, nun auch Kinder, die sich gemeinsam mit den Eltern in Lagern und Gefängnissen, in der Verbannung oder in einer Spezialansiedlung aufgehalten hatten, zu rehabilitieren. Nach der Verabschiedung des Rehabilitierungsgesetzes wurden in dem Gesetz der R S F S R „Über die staatlichen Renten in der R S F S R " ebenfalls Änderungen vorgenommen, die rehabilitierten Bürgern einen fünfzigprozentigen Zuschlag zur Rente gewährleisten.
Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung
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In Ausführung des Rehabilitierungsgesetzes legte die russische Regierung weiterhin fest: - die Verfahrensweise für die Zahlung einer finanzieller Entschädigung für die Zeit des Freiheitsentzugs (bestätigt durch den Beschluss der russischen Regierung Nr. 160 vom 16. März 1992); - die Verfahrensweise für die Gewährung von Vergünstigungen für Rehabilitierte und Personen, die als Betroffene politischer Repressionen anerkannt sind (bestätigt durch den Beschluss der russischen Regierung Nr. 419 vom 3. Mai 1994); - die Verfahrensweise für die Bestattung verstorbener rehabilitierter Personen auf Staatskosten (bestätigt durch den Beschluss der russischen Regierung Nr. 616 vom 1. Juni 1994); - die Verfahrensweise für die Rückgabe von widerrechtlich beschlagnahmten, eingezogenen oder anderweitig im Zusammenhang mit politischen Repressionen eingebüßten Vermögenswerten sowie den Modus für die Erstattung bzw. für die finanzielle Entschädigung für rehabilitierte Personen und deren direkte Erben (bestätigt durch den Beschluss der russischen Regierung Nr. 926 vom 12. August 1994). Der Prozess der Demokratisierung der Gesellschaft und der Herausbildung eines Rechtsstaats schuf günstige Voraussetzungen für die Rehabilitierung ganzer Völker, die widerrechtlichen Repressionen unterworfen worden waren. Entsprechend dem Gesetz der Russischen Föderation vom 26. April 1991 „Über die Rehabilitierung repressierter Völker" wurden Normen verabschiedet, die zahlreiche russische Staatsbürger unterschiedlicher Nationalität rehabilitieren. 7 Als rechtswidrig wurden Regelungen außer Kraft gesetzt, die als Grundlage für gegen diese Völker gerichtete Repressionen gedient hatten: Zwangsaussiedlung aus den angestammten Wohnsitzen, Einweisung in Spezialsiedlungen, Zwangsarbeit mit Freiheitsentzug sowie sonstige Beschränkungen von Rechten und Freiheiten. Bei der Umsetzung des Rehabilitierungsgesetzes spielen die Dienststellen der russischen Staatsanwaltschaft, die über die persönliche Rehabilitierung jener Bürger entscheiden, die aus politischen Motiven strafrechtlich repressiert wurden, eine wichtige Rolle. Den Dienststellen der Staatsanwaltschaft obliegt es nach dem Gesetz, alle Strafsachen festzustellen und zu prüfen, bei denen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes die gerichtlichen bzw. außergerichtlichen Beschlüsse noch nicht aufgehoben worden waren. 1992 bis 1997 prüften die Dienststellen der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft 42 514 Strafsachen über 58 788 Personen, von denen 3 8 7 8 8 (davon etwa 8 0 0 0 Ausländer) rehabilitiert wurden; 11 988 Personen (darunter etwa 2 0 0 0 Ausländer) wurde eine Rehabilitierung verweigert. Als von politischer Repression Betroffene wurden 12 757 Personen anerkannt. 7
Gesetz über die Rehabilitierung repressierter Völker vom 2 6 . 4 . 1 9 9 1 . In: Nikolaj F. Bugaj/Vjaceslav A. Michajlov (Hg.), Reabilitacija narodov Rossii. Sbornik dokumentov, Moskau 2000, S. 7 4 - 7 6 (Anm. d. Übers.).
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Überprüfungen galten auch mehrere Fälle mit großer öffentlicher Resonanz: Die Angehörigen der Zarenfamilie wurden vollständig rehabilitiert (die Großfürsten Pavel Aleksandrovic, Nikolaj Michajlovic, Georgij Michajlovic und Dmitrij Konstantinovic aus dem Hause Romanov), ebenso der namhafte Wissenschaftler V. N. Timofeev-Resovskij, der prominente Balletttänzer Rudolf Nureev sowie etwa 9 000 Beteiligte des „Kronstädter Aufstands" von 1921, die aus politischen Gründen repressiert worden waren. Teilweise rehabilitiert (hinsichtlich der Anklage wegen antisowjetischer Agitation) wurde Stalins Sohn, der Kommandierende der Luftstreitkräfte des Moskauer Militärbezirks, Generalleutnant Vasilij Stalin (Dzugasvili). Abgelehnt wurde die Rehabilitierung der ehemaligen Leiter der sowjetischen Straforgane und Organisatoren der Repressionen wie Ν. I. Ezov, L. R Berija, V. S. Abakumov, M. P. Frinovskij, die der Generäle der weißen Armee R N. Krasnov, A. G. Skuro, G. M. Semenov, R. F. Ungern von Sternberg, die Rehabilitierung des Admirals Α. V. Kolcak und der Beteiligten des „Aufstands von Jaroslavl'" von 1918. Die Staatsanwaltschaft misst der Aufsicht über die Umsetzung des Rehabilitierungsgesetzes durch die Exekutive, der in- und ausländischen Propagierung der rechtssichernden Rolle des Gesetzes und der Erläuterung der entsprechenden staatlichen Politik große Bedeutung bei. Dem Präsidenten der Russischen Föderation wurde ein umfangreicher Bericht über den Stand der Durchführung des Rehabilitierungsgesetzes, über auftretende Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten vorgelegt. In einigen Regionen Russlands ist die Rehabilitierungstätigkeit praktisch abgeschlossen, im Land insgesamt ist man jedoch noch längst nicht so weit. Nach Angaben der Archivbehörden sind noch über 2 5 0 0 0 0 Strafsachen zu überprüfen; sie betreffen mehr als 50 000 ausländische Staatsangehörige.
3.
Repressionen gegen deutsche Staatsbürger
Im Folgenden soll auf einige juristische Aspekte und reale Umstände der Repressionen in der sowjetischen Besatzungszone hingewiesen werden. Während des Großen Vaterländischen Krieges wurden von der NKVDHauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte (GUPVI) 4 1 2 6 964 Personen registriert, die sowjetische Truppen gefangen genommen hatten. Darunter waren 2 385 560 deutsche Wehrmachtsangehörige, 636 635 Japaner, 513 767 Ungarn, 156 682 Österreicher, außerdem Rumänen, Tschechen, Polen und Finnen. 1944/45 befanden sich in den Filtrationslagern des NKVD und in den Kriegsgefangenenlagern etwa 39 000 Polen: Es handelte sich um Angehörige der „Armija Krajowa" oder um Zivilisten, die vom NKVD oder der militärischen Spionageabwehr Smers verhaftet worden waren. Nach Angaben der GUPVI verstarben 1941 bis 1945 571695 Menschen in sowjetischer Gefangenschaft. Im Krieg und in der Nachkriegszeit verloren ins-
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gesamt mehr als eine Million Kriegsgefangene ihr Leben in sowjetischen Lagern. Ein Teil von ihnen wurde auf der Grundlage eines Urteils sowjetischer Militärgerichte oder außergerichtlicher Organe hingerichtet. Es sei daran erinnert, dass im gleichen Zeitraum etwa 5 Millionen Soldaten und Offiziere der Roten Armee in deutsche Gefangenschaft gerieten. Die Mehrheit der Kriegsgefangenen wurde unter Missachtung der Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 und anderer völkerrechtlicher Bestimmungen sowohl von deutscher als auch von sowjetischer Seite nicht mit entsprechenden Unterkünften, Lebensmitteln und Medikamenten versorgt; sie wurden in der Regel unter Haftbedingungen zu schwersten und gesundheitsschädigenden Arbeiten eingesetzt. Viele sowjetische Militärangehörige wurden nach ihrer Gefangennahme ermordet bzw. starben, weil sie die grausame Behandlung und die unmenschliche Unterbringung nicht aushielten. Nach Angaben des OKW waren bis zum 1. Mai 1944 insgesamt 3 291 157 sowjetische Kriegsgefangene umgekommen. 8 Sowohl in den Kriegsjahren als auch danach betrieben die NKVD-Organe in den Lagern, in denen Kriegsgefangene der feindlichen Armeen untergebracht waren, intensive Nachforschungen, um die Personen zu ermitteln, die in den besetzten Gebieten Verbrechen gegen Zivilisten und Kriegsgefangene bzw. außerhalb der Sowjetunion (im Hoheitsgebiet anderer besetzter Staaten bzw. in Deutschland selbst) Verbrechen gegen sowjetische Staatsbürger oder gegen die Interessen der UdSSR begangen hatten. Solche Personen wurden zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen und abgestraft. Die juristische Basis für Anklage und Verurteilung war der Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 „Über Maßnahmen zur Bestrafung der deutschen faschistischen Übeltäter, schuldig der Tötung und Misshandlung der sowjetischen Zivilbevölkerung und der gefangenen Rotarmisten, der Spione und Vaterlandsverräter unter den sowjetischen Bürgern und deren Mithelfern", 9 dazu kamen mehrere Artikel des Strafgesetzbuches der RSFSR, die die Verantwortung für Spionage, für die Mitgliedschaft in diversen antisowjetischen und revanchistischen Organisationen, für Sabotage, Diversion und einige andere Verbrechen regelten. Die genannten Normen sahen als Sühne die Todesstrafe oder bis zu 25-jährige Haftstrafen vor. 8
9
Vgl. die Aufstellung des OKW, Abt. Kriegsgef. Org. (Id), über die „Nachweisung des Verbleibs der sowjetischen Kriegsgefangenen nach dem Stand vom 1.5.1944" mit ergänzenden Angaben über den Kriegsgefangenenbestand bis zum 31.12.1944. In: Gerd R. Ueberschär, Dokumente zum „Unternehmen Barbarossa" als Vernichtungskrieg im Osten. In: ders./Wolfram Wette (Hg.), Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa" 1941, überarbeitete Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1991, S. 310-313 (Anm. d. Übers.). Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjet der UdSSR vom 19.4.1943, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Gerd R. Ueberschär, Ausgewählte Dokumente und Übersichten zu den alliierten Nachkriegsprozessen. In: ders. (Hg.), Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943-1952, (Fischer-Taschenbücher 13589: Die Zeit des Nationalsozialismus), Frankfurt a. M. 1999, S. 279-281, hier S. 279 (Anm. d. Übers.).
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Zugleich gerieten aufgrund verschiedener Umstände viele Menschen unter Verdacht und dann vor Gericht, die keine der ihnen zur Last gelegten Handlungen begangen hatten. Die häufigste Ursache für unrechtmäßige Urteile waren verleumderische Anschuldigungen durch ehemalige Kollegen der Angeklagten bzw. Geständnisse der Angeklagten, die unter Anwendung physischer und psychischer Gewalt erpresst wurden. Die formale Herangehensweise führte dazu, dass massenhaft Verurteilungen ohne ausreichende Beweismittel ausgesprochen wurden. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs legte die Krimkonferenz der Regierungsoberhäupter der drei alliierten Mächte - UdSSR, USA und Großbritannien - im Februar 1945 die Grundprinzipien einer gemeinsamen Politik nach dem Krieg fest und beschloss die Bildung von Besatzungszonen und eines gesamtdeutschen Alliierten Kontrollorgans, womit auch die spätere Teilung Deutschlands vorbestimmt war. Die NKVD- bzw. MVD-Organe, die die Vorgaben der Stalinschen Führung ausführten, dehnten ihre Tätigkeit auf die befreiten Gebiete der Länder Südosteuropas und anschließend auch auf Ostdeutschland aus. Der repressiven Politik lagen vor allem die Beschlüsse des Staatlichen Verteidigungskomitees ( G K O ) und des Rates der Volkskommissare der U d S S R über die Internierung arbeitsfähiger Deutscher und ihre Verbringung zum Arbeitseinsatz in die U d S S R sowie die Befehle und Instruktionen des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der UdSSR, Lavrentij Berija, von 1944 bis 1946 zugrunde. Den NKVD-Bevollmächtigten der Fronten war befohlen, auf dem weiteren Vormarsch der Roten Armee durch Deutschland die Personen, die der Terror- und Diversionsakte überführt seien, am Ort ihres Verbrechens zu vernichten, generell bestimmte Kategorien von Deutschen zu verhaften und in Gefängnisse oder Speziallager des NKVD einzuweisen, die in den befreiten Gebieten eingerichtet wurden. Da es in Deutschland in jener Zeit keine legitimen Machtorgane gab, wurden alle erforderlichen Verfügungen, die die deutsche Bevölkerung betrafen, im Namen der sowjetischen Frontkommandeure verfasst. Die wesentliche praktische Arbeit bei der Verwaltung der Gebiete und der zivilen Angelegenheiten leisteten eigene Vertreter des NKVD, die für die Durchführung der von der Militärleitung beschlossenen Maßnahmen und für die Auswahl sowie den Einsatz der örtlichen Kader verantwortlich waren und zudem die gebildeten Machtorgane kontrollierten. In ihren Zuständigkeitsbereich fielen außerdem Fragen der Ermittlung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Spionen, Diversanten, Terroristen und sonstigen Feinden der Sowjetunion. Am 5. Juni 1945 verkündeten die Siegermächte die „Deklaration über die Niederlage Deutschlands". 1 0 Zur Kontrolle der Erfüllung der Kapitulationsbe10
Erklärung in Anbetracht der Niederlage, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland. Dokumente aus den Jahren 1 9 4 5 1949, Berlin 1 9 6 8 , S. 4 3 - 5 0 (Anm. d. Übers.).
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dingungen bildete man in der Ostzone die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) und die Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland. Auf der Berliner Dreimächtekonferenz (Juli bis August 1945) wurde gemäß der „Übereinkunft über den Kontrollapparat in Deutschland" unterstrichen, dass die „höchste Regierungsgewalt in Deutschland von den Oberbefehlshabern der Streitkräfte der UdSSR, der USA, des Vereinigten Königreichs und der Französischen Republik nach den Weisungen ihrer entsprechenden Regierungen ausgeübt" werde, „und zwar von jedem in seiner Besatzungszone sowie gemeinsam in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Kontrollrates in Fragen, die Deutschland als Ganzes betreffen". 11 Alle nationalsozialistischen Gesetze, die die Grundlage des Hitlerregimes gebildet hatten, wurden aufgehoben. Kriegsverbrecher und diejenigen Personen, die an der Planung oder Durchführung nazistischer Gräueltaten und Kriegsverbrechen mitgewirkt hatten, waren zu verhaften und vor Gericht zu stellen; führende Nationalsozialisten, ihre einflussreichen Anhänger sowie Personen, die eine Gefahr für die Besatzungsziele darstellten, waren zu verhaften und zu internieren. Bei der Ausübung der obersten Gewalt war es in jeder Besatzungszone möglich, gegenüber der deutschen Bevölkerung das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung des siegreichen Landes, d. h. die eigenen Rechtsnormen, anzuwenden. Diese Regelung wurde später in den Dokumenten der Alliierten Kontrollbehörde offiziell fixiert, so zum Beispiel im Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945 über die „Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens" 12 und im Gesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 „Über die Bestrafung von Personen, die sich [der] Kriegsverbrechen, [der] Verbrechen gegen [den] Frieden oder gegen [die] Menschlichkeit schuldig gemacht haben". 1 3 Auch die Gerichtsbarkeit der Militärgerichte der Besatzungstruppen (der Militärtribunale der SMAD) wurde von der der neuen deutschen Gerichte abgegrenzt. Gemäß Artikel 3 des Kontrollratsgesetzes Nr. 4 erstreckte sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte auf alle „Zivil- und Strafsachen mit folgenden Ausnahmen: a) strafbare Handlungen, die sich gegen die alliierten Besatzungsmächte richten; b) strafbare Handlungen, die von Nazis oder von anderen Personen begangen wurden und die sich gegen Staatsangehörige Alliierter Nationen oder deren Eigentum richten, sowie Versuche zur Wiederherstellung des Naziregimes oder zur Wiederaufnahme der Tätigkeit der Naziorganisationen; 11
12 13
Mitteilung über die Berliner Konferenz der drei Mächte, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Alexander Fischer (Hg.), Teheran, Jaita, Potsdam, die sowjetischen Protokolle von den Kriegskonferenzen der „Großen Drei". Dokumente zur Außenpolitik 1, 3. Auflage Köln 1985, S. 3 9 2 - 4 0 4 , hier S. 3 9 3 (Anm. d. Übers.). Gesetz Nr. 4, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, 1 9 4 5 - 1 9 4 8 , Berlin 1 9 4 5 - 1 9 4 8 , S. 2 6 f . (Anm. d. Übers.). Gesetz Nr. 10, deutsche Übersetzung bei Ueberschär, Ausgewählte Dokumente, S. 2 9 5 - 3 0 1 , hier S. 2 9 5 (Anm. d. Übers.).
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c) strafbare Handlungen, in die Militärpersonen der Alliierten Streitkräfte oder Alliierte Staatsangehörige verwickelt sind; d) andere Zivil- oder Strafsachen, die der Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den Anordnungen des Alliierten Militärbefehlshabers entzogen werden; e) wenn eine strafbare Handlung ihrem Wesen nach die Sicherheit der Alliierten Streitkräfte nicht gefährdet, kann der Militärbefehlshaber sie den deutschen Gerichten zur Aburteilung überlassen." 14 Auf diese Weise wurde der Gültigkeitsbereich der sowjetischen Gesetze erweitert und auf die sowjetische Besatzungszone ausgedehnt. Personen, die im Zuständigkeitsbereich der SMAD beschuldigt wurden, die oben genannten, gesellschaftlich gefährlichen Taten begangen zu haben, wurden meist nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuch der RSFSR in der Fassung von 1926 strafrechtlich verfolgt. Anfangs betrachtete die sowjetische Besatzungsmacht die deutsche Bevölkerung nahezu ausnahmslos als schuldige Nation, und erst später lässt sich eine differenzierte Herangehensweise beobachten. Zur politischen Unterstützung des sowjetischen Besatzungsregimes wurde mit dem Befehl Nr. 2 des Oberbefehlshabers der SMAD, Marschall Zukovs, am 10. Juni 1945 die Tätigkeit aller antifaschistischen Parteien zugelassen, die die „Reste des Faschismus endgültig ausrotten", die „Prinzipien der Demokratie und der Bürgerfreiheiten" festigen und die breiten Massen der Bevölkerung für diese Ziele gewinnen wollten. 15 Ein anderer SMAD-Befehl (Nr. 201 vom 16. August 1947) hob die Einschränkungen der politischen und staatsbürgerlichen Rechte der „nominellen, nicht aktiven Mitglieder" der ehemaligen faschistischen Partei auf und legte fest, dass dieser Personenkreis keiner gerichtlichen Verfolgung ausgesetzt werden dürfe, weil das „nur der Sache des demokratischen Aufbaus Deutschlands schaden" würde. 16 Zugleich jedoch intensivierten die NKVD-Organe ihre Tätigkeit. Es wurden zahlreiche Maßnahmen zur Entnazifizierung, zur so genannten Filtration und zur Ergreifung von Personen, die an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen waren, und deren Helfershelfern durchgeführt. Die Untersuchung der Strafpraxis jener Zeit zeigt, dass die NKVD-Organe, die in der Ostzone Deutschlands vom Stellvertretenden Volkskommissar für Inneres, Ivan Serov, geleitet wurden, parallel zur tatsächlich notwendigen und nützlichen Arbeit zur Beseitigung der Überreste des Faschismus zahlreiche Rechtsverstöße begingen, da sie völlig unkontrollierbar agierten.
14 15 16
Wie Anm. 12. Vgl. den Befehl Nr. 2 der SMAD, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 5 4 - 5 6 (Anm. d. Übers.). Befehl SMAD Nr. 201 vom 16.8.1947, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Rolf Steininger, Deutsche Geschichte seit 1945. Darstellung und Dokumente in vier Bänden, Band 1: 1 9 4 5 - 1 9 4 7 , erweiterte Neuausgabe Frankfurt a.M. 1996, S. 1 9 6 - 1 9 9 , hier S. 196f. (Anm. d. Übers.).
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Das erklärt sich zum einen daraus, dass dem deutschen Volk, dessen faschistische Führer einen blutigen Krieg gegen die Sowjetunion entfesselt hatten, mit der gleichen Grausamkeit „geantwortet" wurde. Dazu kamen die geringe Professionalität und der Machtmissbrauch einzelner Mitarbeiter. Die Hauptursache war jedoch das Bestreben der Stalinschen Führung, Aufsässige und Andersdenkende möglichst schnell zu „neutralisieren", in der östlichen Besatzungszone „Einmütigkeit" herzustellen und die deutsche Bevölkerung sowie die staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu „sowjetisieren". Die Entnazifizierung erfolgte mit Methoden, die nach der Oktoberrevolution in Russland breite Anwendung gefunden hatten: Verhaftung von Oppositionellen, besonders von reichen und einflussreichen Personen, von Angehörigen der Intelligenz, von Industriellen und wohlhabenden Bauern, Zwangsenteignung usw. Historische Parallelen sind auch anderweitig erkennbar. Die gängige Praxis der Massenrepressionen wurde in der einen oder anderen Form auch auf die besetzten Gebiete übertragen. So erfolgte die Internierung und Deportation von Bürgern deutscher Nationalität 1944/45 durch dieselben NKVD-Kräfte und im selben Stil wie die vorangegangenen Deportationen der Russlanddeutschen und anderer repressierter Völker der UdSSR. Gegenüber deutschen Staatsangehörigen wurden folgende Repressionsmaßnahmen angewendet: 1. Verurteilung durch Militärtribunale der sowjetischen Besatzungstruppen auf der Grundlage der verhandelten Strafsachen und 2. strafrechtliche Ahndung (ohne Gerichtsverhandlung) aufgrund der Unterlagen der Voruntersuchung durch außergerichtliche Organe, die mit gerichtlichen Funktionen ausgestattet waren (so genannte Sonderberatungen des NKVD-MVD und des MGB der UdSSR). Die Anklage gegen diese Personengruppen erfolgte vor allem nach den Artikeln des Strafgesetzbuches der RSFSR, die politische („konterrevolutionäre") Verbrechen ahndeten: so zum Beispiel bewaffneter Aufstand, Spionage, Diversion, Terror, antisowjetische Agitation und Propaganda, konterrevolutionäre Sabotage, Mitgliedschaft in antisowjetischen Organisationen usw. Einige deutsche Bürger wurden wegen Kriegs- und anderer Verbrechen verurteilt. Als Rechtsgrundlage diente neben dem Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 „Über Maßnahmen zur Bestrafung der deutschen faschistischen Übeltäter, schuldig der Tötung und Misshandlung der sowjetischen Zivilbevölkerung und der gefangenen Rotarmisten, der Spione und Vaterlandsverräter unter den sowjetischen Bürgern und deren Mithelfern" 1 7 auch das Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 „Über die Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen Frieden und gegen Menschlichkeit schuldig gemacht haben". 1 8
17 18
Wie Anm. 9. Wie Anm. 13.
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Die erwähnten Rechtsvorschriften sahen eine strenge Bestrafung bis hin zur Todesstrafe oder Freiheitsentzug bis zu 25 Jahren vor. Die Gesamtzahl der verurteilten Deutschen in der Ostzone beläuft sich auf ca. 35 000 bis 40 000. In den Jahren 1948/49, einer Zeit, in der die Entwicklung Ostdeutschlands und die Bildung der DDR festgelegt wurde, stieg die Zahl der Repressionen gegen die deutsche Bevölkerung an, was augenscheinlich durch die politische Konjunktur der sowjetischen Führung hervorgerufen war. Auch in der UdSSR verurteilte man damals auf beschleunigtem Wege eine große Anzahl (etwa 25 000 bis 3 0 0 0 0 ) deutscher Kriegsgefangener, vorwiegend nach dem bereits genannten „Ukaz 43". Die größte Gruppe schließlich bildeten deutsche Staatsbürger, die von den sowjetischen Machtorganen auf dem Verwaltungswege repressiert wurden und als Internierte bezeichnet werden (nach verschiedenen Angaben bis zu 270 000 Personen). 19 Wenige Jahre später erkannte die sowjetische Führung im Beschluss des Ministerrats der UdSSR von Juni 1953 „Über Maßnahmen zur Gesundung der politischen Situation in der DDR" offiziell an, dass ihre politische Linie fehlerhaft gewesen war und in Ostdeutschland zu einer ungünstigen politischen und wirtschaftlichen Situation geführt hatte. Als Hauptursache der gespannten Lage wurde angeführt, dass entsprechend den Beschlüssen der SED, die vom Politbüro des ZK der KPdSU (B) der UdSSR gebilligt worden waren, in den letzten Jahren ein falscher Kurs auf den beschleunigten Aufbau des Sozialismus in Ostdeutschland genommen worden war, obwohl die notwendigen inneren und internationalen Voraussetzungen noch gar nicht vorgelegen hätten. Ein schwerwiegender Fehler sei die Unterschätzung der politischen Arbeit unter den Angehörigen der Intelligenz gewesen. 20 Um die Lage zu entspannen und die sowjetische Position in Deutschland zu festigen, wurde empfohlen, eine Reihe unaufschiebbarer Maßnahmen zu beschließen, insbesondere „zur Stärkung der Gesetzlichkeit und zur Gewährung der Bürgerrechte" sowie „von harten Strafmaßnahmen, die durch Notwendigkeit nicht hervorgerufen werden, abzusehen". 21 Die UdSSR ordnete an, die „Gerichtsunterlagen der bestraften Bürger zu prüfen zwecks Befreiung der ohne genügende Gründe zur Verantwortung gezogenen Personen." Der Oberste Kommissar der UdSSR in Deutschland und der Oberkommandierende der
19 20
21
Die Probleme bei der Rehabilitierung dieses Personenkreises werden weiter unten erläutert. Vgl. die Dokumente in Christian F. Ostermann (Hg.), „This is not a Politburo, But A Madhouse". The Post-Stalin Succession Struggle, Soviet Deutschlandpolitik and the SED: New Evidence from Russian, German, and Hungarian Archives. In: Cold War International History Project Bulletin, Nr. 1 0 / 1 9 9 8 , S. 6 1 - 1 1 0 (Anm. d. Übers.). Anweisungen der sowjetischen Führung zum Neuen Kurs, ohne Datum, in der Anlage zur Sitzung des Politbüros der SED vom 5 . 6 . 1 9 5 3 , deutsche Übersetzung hier zitiert nach Dierk Hoffmann u.a. (Hg.), Die D D R vor dem Mauerbau, München 1993, S. 1 5 2 - 1 5 8 , hier S. 155f. Hier auch die folgenden Zitate (Anm. d. Ubers.).
Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung
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sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland wurden verpflichtet, die „bestehenden Mängel in der Ausübung des Besatzungsregimes durch sowjetische Truppen zu beseitigen".
4.
D i e Tätigkeit d e r H a u p t m i l i t ä r s t a a t s a n w a l t s c h a f t bei d e r Rehabilitierung ungesetzlich r e p r e s s i e r t e r d e u t s c h e r S t a a t s b ü r g e r
Im Unterschied zu allen vorangegangenen Rechtsvorschriften über die Rehabilitierung erstreckt sich das Gesetz „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen" auf Bürger der Russischen Föderation und der anderen ehemaligen Republiken der UdSSR und zugleich auf ausländische Staatsangehörige, die entweder auf russischem Territorium politische Repressionen erlitten oder auf Beschluss von Gerichten der UdSSR bzw. außergerichtlicher Organe außerhalb der UdSSR wegen Handlungen gegen Bürger der UdSSR oder gegen die Interessen der UdSSR repressiert worden waren. In den Jahren der Repressionen wurden etwa 100 000 ausländische Staatsbürger, die meisten davon Deutsche, zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen und zu unterschiedlichen Strafen verurteilt. Das Recht, über die Rehabilitierung von Personen zu entscheiden, die von Gerichten und außergerichtlichen Organen verurteilt wurden, haben laut Rehabilitierungsgesetz Staatsanwaltschaft und Gerichte, während das Innenministerium der Russischen Föderation über die Rehabilitierung von Personen befindet, die administrativ repressiert wurden. Die Tätigkeit der Behörden, die mit der Rehabilitierung und der Anerkennung als Betroffener politischer Repressionen sowie mit der Gewährung von Vergünstigungen, der Wiedergutmachung und Entschädigung befasst sind, wird von der Kommission für die Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen koordiniert, die beim Präsidenten der Russischen Föderation angesiedelt ist. Diese Kommission unterbreitet dem Präsidenten auch Vorschläge zur Vervollkommnung der Gesetzgebung über die Rehabilitierung. Aus dem Gesagten wird die bestimmende Rolle deutlich, die die Dienststellen der Staatsanwaltschaft und darunter auch die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft bei der Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen spielen. Die Prüfung der Anträge und die Überprüfung von Strafsachen gegen Ausländer und Staatenlose, die durch sowjetische Militärtribunale oder außergerichtliche Organe sowohl auf sowjetischem Hoheitsgebiet als auch außerhalb, beispielsweise in Deutschland, repressiert wurden, nimmt einen wichtigen Platz in ihrer Tätigkeit ein. Die GVP erhält aus mehr als 20 Staaten Rehabilitierungsanträge - Österreich, Ungarn, Deutschland, China, Polen, Slowakei, Schweden, Japan u. a. Aus Japan erreichten uns beispielsweise etwa 1 0 0 0 Rehabilitierungsanträge (abgelehnt wurden davon nur 13), aus Österreich etwa 600 (abgelehnt wurden etwa 300), aus Ungarn 400 (abgelehnt wurden 50).
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Die weitaus meisten Rehabilitierungsanträge kommen aus Deutschland hauptsächlich über die Deutsche Botschaft. Die SPD-Führung hat dazu rund 8 0 0 Gesuche als Sammelantrag bei der GVP eingereicht. Durch Verfügung des Generalstaatsanwalts der Russischen Föderation wurde dieser Arbeitsbereich einer spezialisierten Verwaltung der GVP übertragen: der Verwaltung für Rehabilitierung. Bis 1954 und von 1962 bis 1989 existierte in der GVP ein Referat, das die Dienstaufsicht über den KGB ausübte und für Rehabilitierungsfragen zuständig war. Auf dessen Basis wurde 1954 und 1989 eine Verwaltung mit gleichem Profil gebildet. 1989 gingen außer dem Referat für die Dienstaufsicht über den F S B zwei Referate für Rehabilitierung, die sich hauptsächlich mit sowjetischen Bürgern befassten, in der neuen Verwaltung auf. 1991 wurden die beiden Referate zusammengefasst, und im Januar 1994 bildete man erstmals ein spezialisiertes Referat für die Rehabilitierung ausländischer Bürger, das im April 1994 zur oben genannten Verwaltung kam. Sie steht unter der Leitung von Generalmajor V . K . Kondratov. In dieser Verwaltung sind derzeit 2 5 ausgebildete Militärstaatsanwälte tätig (zusammen mit den Abteilungen für Rehabilitierung bei den Militärstaatsanwaltschaften der Militärbezirke beläuft sich ihre Gesamtzahl auf etwa 5 0 ) . Der Beschluss über die Rehabilitierung ausländischer Bürger und die Ausstellung der entsprechenden Bescheinigungen erfolgt strikt individuell und geht von den konkreten Unterlagen in den Strafakten aus. Die Praxis zeigt, dass eine beträchtliche Zahl ausländischer Bürger, darunter auch Deutsche, ungerechtfertigt strafrechtlich verfolgt wurden. Aufgrund verschiedener Umstände wurden viele Menschen in der Nachkriegszeit verdächtigt und verurteilt, obwohl sie keine der ihnen zur Last gelegten Handlungen begangen hatten. Der Grund für die unrechtmäßigen Urteile waren häufig verleumderische Anschuldigungen durch ehemalige Kollegen bzw. Geständnisse, die durch physische und psychische Gewaltanwendung erpresst wurden. Nach der Verabschiedung des russischen Rehabilitierungsgesetzes am 18. Oktober 1991 wurden die Probleme der Rehabilitierung Deutscher mehrfach auf höchster bilateraler Ebene beraten. So sprachen sich die damaligen Staats- und Regierungschefs Russlands und Deutschlands - Präsident Boris El'cin und Bundeskanzler Helmut Kohl - in ihrer gemeinsamen Erklärung zu Fragen der Rehabilitierung unschuldig repressierter deutscher Staatsbürger vom 16. Dezember 1992 für eine beschleunigte Fortführung der entsprechenden Tätigkeit der GVP aus. 2 2 In den neunziger Jahren nahm diese Arbeit unter der Kontrolle der Hauptmilitärstaatsanwälten der Russischen Föderation Valentin N. Panicev, Jurij G. Dëmin und Michail K. Kislicyn einen sehr erfolgreichen Fortgang. An dieser Stelle sei auf einige wichtige juristische Nuancen und Auslegungen aufmerksam gemacht. So konstatiert Artikel 1 des Rehabilitierungsgesetzes, dass 22
Gemeinsame Erklärung von Bundeskanzler Helmut Kohl und Präsident Boris N. El'cin über die Rehabilitierung unschuldig Verfolgter, deutsche Übersetzung in Wagenlehner, Die russischen Bemühungen, S. 112f. (Anm. d. Übers.).
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politisch motivierte Repressionen nicht nur in gerichtlichen Verfahren, sondern auch auf dem Verwaltungswege erfolgten. Dabei wurden die gerichtlichen Repressionen, wie es im Gesetz heißt, durch sowjetische Gerichte sowie andere Organe, denen gerichtliche Funktionen übertragen worden waren (so genannten „Dvojkas", „Trojkas", Sonderberatungen, Kollegien usw.) ausgeführt; administrative Repressionen oblagen sowohl der Exekutive und ihren Amtspersonen als auch gesellschaftlichen Organisationen und deren Gremien. Artikel 2 des Rehabilitierungsgesetzes bestimmt in Abhängigkeit von der Staatsangehörigkeit, dem Wohnort und dem Repressionsort den Personenkreis, auf den das Gesetz angewendet wird. Wenn beispielsweise die politische Repression per Gerichtsverfahren oder auf dem Verwaltungswege auf dem Territorium der Russischen Föderation (in ihren heutigen Grenzen) erfolgte, so fallen alle Personen, die dieser Repression ausgesetzt waren, unter das Gesetz, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem ständigen Wohnsitz, das heißt, es gilt dann nicht nur für russische Staatsangehörige, sondern auch für die Staatsangehörigen der ehemaligen Republiken der UdSSR, für ausländische Staatsbürger und für Staatenlose. Wenn aber sowjetische Gerichte und administrative Organe, seien es Militärtribunale, zentrale Gerichte der UdSSR oder außergerichtliche Organe, außerhalb der Grenzen der Sowjetunion politische Repressionen verhängten, so gilt das Gesetz nur für die Repressierten, die ihren ständigen Wohnsitz auf russischem Territorium haben. Für ausländische Staatsangehörige, die außerhalb der UdSSR repressiert wurden, gilt das Rehabilitierungsgesetz der Russischen Föderation nur in den Fällen, in denen die politische Repression durch ein Gerichtsverfahren erfolgte (durch ein Militärtribunal oder ein außergerichtliches Organ), und nur dann, wenn Handlungen gegen Staatsbürger der UdSSR bzw. gegen die Interessen der UdSSR geahndet wurden. Demzufolge gilt das Rehabilitierungsgesetz gemäß Artikel 2 nicht für Ausländer, die außerhalb der Grenzen der UdSSR administrativ repressiert wurden und gegenwärtig ihren ständigen Wohnsitz außerhalb Russlands haben, das heißt, dass dieser Personenkreis auf der Grundlage des genannten Gesetzes nicht rehabilitiert werden kann. Das ist auch der Grund dafür, dass die GVP Russlands vielen Deutschen, die administrativen Repressionen unterworfen waren, keine Rehabilitierung ausspricht. Ein Rehabilitierungsverfahren wird nur für die deutschen und anderen ausländischen Staatsangehörigen eingeleitet, die durch ein Gerichtsverfahren repressiert wurden und deren Verurteilungen bis heute nicht annulliert wurden bzw. deren Verfahren durch die Untersuchungsorgane aus Gründen eingestellt wurden, die keiner Rehabilitierung gleichkommen. Um zu erreichen, dass das Gesetz im selben Umfang auf ausländische Staatsangehörige wie auf Russen angewendet wird, müssen
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a) im gesetzgeberischen Verfahren die bislang im Gesetz nicht erwähnten Zwangsmaßnahmen (Festnahme, Arrest, Einweisung in NKVD-Speziallager), die von den NKVD-Organen und der Militärverwaltung administrativ verhängt wurden, als politische Repressionen anerkannt werden und b) muss die Gültigkeit des Gesetzes auf Ausländer mit ständigem Wohnsitz im Ausland ausgeweitet werden, die außerhalb der UdSSR administrativen politischen Repressionen unterworfen waren. Obwohl der Geltungsbereich des Gesetzes „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen" hinsichtlich des erfassten Zeitraums, des Territoriums und des Personenkreises ziemlich weit gefasst ist, bedeutet das nicht, dass alle vom Gesetz erfassten Personen, zwangsläufig rehabilitiert werden. Artikel 4 des Gesetzes sieht Einschränkungen vor, nach denen eine Rehabilitierung nicht erfolgt, wenn die betreffende Person von einem Gericht oder durch außergerichtliche Organe begründetermaßen wegen Spionage, Terrors, Diversion, wegen Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung und Kriegsgefangene, wegen Verbrechen gegen den Frieden und gegen die Menschlichkeit oder wegen militärischer oder einiger anderer Verbrechen verurteilt oder bestraft wurde. Daher wird jede Strafsache bei ihrer Überprüfung durch die Militärstaatsanwälte der GVP-Verwaltung für Rehabilitierung sorgfältig studiert, um zu ergründen, ob die erforderlichen Beweise vorliegen und die vorgebrachten Beschuldigungen stichhaltig sind. Dabei wird strikt das Prinzip der Unschuldsvermutung beachtet, das in der Ära der Repressionen im sowjetischen Gerichtssystem ignoriert wurde. Da die Anklage vieler Verurteilter nur auf ihren Geständnissen (die nicht selten widersprüchlich waren) beruhte, erklären wir solche Gerichtsbeschlüsse meist für unbegründet und die Verurteilten für rehabilitiert. Die Rehabilitierungsanträge deutscher Staatsbürger und Organisationen werden in der Regel innerhalb von wenigen Monaten bearbeitet. Wenn nach der Überprüfung der Strafakte die Rehabilitierung beschlossen wird, erstellt der bearbeitende Militärstaatsanwalt ein Gutachten, das entweder vom Verwaltungsleiter, seinem Stellvertreter oder vom Leiter der Abteilung für die Rehabilitierung ausländischer Staatsangehöriger bestätigt und der Strafakte beigelegt wird. Auf den Namen der rehabilitierten Person wird ein standardisierter Rehabilitierungsbescheid ausgestellt, den einer der drei genannten Amtsträger unterschreibt und der durch das Dienstsiegel der GVP beglaubigt wird. Das erste Exemplar des Bescheides geht über die deutsche Botschaft an den Antragsteller, das zweite Exemplar verbleibt bei den Akten der GVP. Die Strafakte wird nach der Überprüfung zur weiteren Aufbewahrung an das Archiv zurückgegeben. Wenn wir der Ansicht sind, dass eine Rehabilitierung des Antragstellers nicht möglich ist, wird die Strafakte mit dem vom Hauptmilitärstaatsanwalt oder seinem Stellvertreter bestätigten Gutachten über die Ablehnung der Rehabilitierung an das zuständige Gericht zur endgültigen Beschlussfassung weitergeleitet. Das Gericht kann dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft zustimmen und dem Antragsteller die Rehabilitierung verweigern, oder es kann anderer
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Meinung sein und ihn rehabilitieren. Gegen den Gerichtsentscheid kann die betroffene Person Rechtsmittel bei einer höheren Instanz einlegen, und der Staatsanwalt kann in einem festgelegten Verfahren Protest gegen das Urteil einlegen. Betrachten wir nun einige konkrete Beispiele. 23 Am 27. Oktober 1945 wurde auf Beschluss der Sonderberatung des NKVD der Bordtechniker eines Transportflugzeugs, der Fähnrich H. Wild, erschossen, der der Spionage gegen die UdSSR beschuldigt worden war. Die Überprüfung der Strafakte ergab, dass Wild zu Unrecht repressiert wurde. Im Oktober 1944 war er in Weißrussland mit dem Fallschirm bei einem von sowjetischen Truppen eingekesselten deutschen Truppenteil abgesetzt worden, um eine Start- und Landebahn für deutsche Flugzeuge (für die Evakuierung Verwundeter) einzurichten. Nach seiner Landung wurde er jedoch vom NKVD festgenommen und konnte seinen Auftrag nicht ausführen. Da Wild als Wehrmachtsangehöriger und Bürger Deutschlands, das sich mit der UdSSR in Kriegszustand befand, Befehle seiner Vorgesetzten und seine Dienstpflichten ausführte, verstieß er nicht gegen die Kriegsgesetze und -bräuche und betrieb keine Spionage gegen die UdSSR. Seine Handlungen erfüllen keinen der angeführten Verbrechenstatbestände, und daher wurde er rehabilitiert. Am 7. September 1945 verhaftete der NKVD-Operativsektor des Landes Thüringen Walter Nicolai, der vor dem und im Ersten Weltkrieg (von 1913 bis 1918) Geheimdienstchef des deutschen Generalstabs war. Er wurde ohne konkrete Anklage nach Moskau gebracht, wo er in Haft blieb und im Mai 1947 (im Alter von 74 Jahren) im Gefängniskrankenhaus starb. Im Verlaufe der gesamten Ermittlungen beteuerte er, dass er, nachdem er 1918 seinen Dienst quittiert hatte, keine Aufklärungstätigkeit mehr betrieben habe. Seine Angaben wurden durch die Unterlagen in den Akten nicht widerlegt. Die lange Haftzeit ohne formalen Prozess lässt die Schlussfolgerung zu, dass Nicolai de facto aus politischen Motiven zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen wurde und in seinen Handlungen jeder verbrecherische Tatbestand fehlt. Im März 1946 wurden sechs Jugendliche aus Woltersdorf und Rüdersdorf (Land Brandenburg) - Ulrich Lehmann, Gerhard Ganschow u. a. - durch ein Militärtribunal nach Artikel 58,8, 58,9 und 58,11 StGB RSFSR zu je zehnjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Laut Urteil waren sie angeklagt, Mitte April 1945 beim Vorrücken der Roten Armee auf Berlin dem „Werwolf" beigetreten zu sein, um mit Diversions- und Terrorakten den Kampf im Hinterland der Roten Armee fortzusetzen. In der Praxis hatten die Angeklagten nichts dergleichen getan. Die Überprüfung der Strafakte ergab, dass die genannten Jugendlichen ohne ausreichenden Grund verurteilt worden waren. Bei den Ermittlungen und während der Beweisaufnahme bekannten sich die Angeklagten nicht schuldig und erklärten, dass sie beim Anmarsch der Roten Armee gezwungenermaßen 23
Die Akten zu den jeweiligen Fällen liegen der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft vor.
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dem „Werwolf beitraten, da sie anderenfalls mitsamt ihrer Familien durch die Faschisten hätten repressiert werden können. Terror- oder Diversionsanschläge gegen die sowjetischen Truppen hätten sie nicht beabsichtigt. Bis September 1945 seien sie in Kriegsgefangenenlagern gewesen, anschließend hätten sie bei ihren Eltern gewohnt und keine gesetzwidrigen Handlungen begangen. Dass minderjährige Deutsche unter dem Druck der Kriegsumstände in ähnliche Verteidigungsorganisationen („Volkssturm" u. a.) eintraten, ist, sofern sie keine verbrecherischen Handlungen begangen hatten, für sich genommen kein Verbrechen. Deshalb werden diese Personen rehabilitiert. Im Oktober 1948 wurden vier Studenten der Universität Jena (H.-J. Mütel u. a.) wegen „Spionage" und „antisowjetischer Agitation" zu jeweils 20 Jahren Haft und Konfiszierung ihrer Wertsachen verurteilt. Das Gericht befand sie für schuldig, aufgrund ihrer feindlichen Einstellung gegenüber der Sowjetunion im März 1948 der Redaktion der Zeitung „Der Tag", des CDU-Organs in den Westzonen Deutschlands, mehrere Artikel antisowjetischen Charakters über die wirtschaftliche und politische Lage in der sowjetischen Besatzungszone zur Publikation übergeben zu haben. Die Anklage wegen „Spionage" beruhte lediglich auf dem Geständnis der Angeklagten und wurde durch keinerlei Beweise gestützt. Die in den Artikeln verwendeten Informationen waren allgemein zugänglich und stellten kein militärisches oder Staatsgeheimnis dar. Was ihre Verurteilung wegen antisowjetischer Agitation und Propaganda betrifft, so gelten diese Handlungen nach Artikel 5, Punkt a des Gesetzes „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression" nicht als gesellschaftlich gefährliche Taten, und Personen, die deswegen verurteilt wurden, werden unabhängig davon rehabilitiert, ob die Beschuldigung faktisch begründet war oder nicht. Der Magdeburger H. Stauch, CDU-Mitglied, beteiligte sich am 17. Juni 1953 an einer Demonstration gegen das Besatzungsregime und gegen die örtlichen Machtorgane der DDR und wurde noch am gleichen Tag verhaftet. Die Ermittlungen dauerten insgesamt nur wenige Stunden, und bereits am nächsten Tag wurde er von einem Militärtribunal wegen bewaffneten Aufstands gegen die UdSSR (Art. 58,2 StGB RSFSR) zur Höchststrafe mit Vermögenskonfiskation verurteilt und erschossen. Die Überprüfung der Akte hat gezeigt, dass sich Stauch tatsächlich an einer Massenkundgebung der deutschen Bevölkerung mit ökonomischen und politischen Forderungen beteiligt hatte. Als Beauftragter des Volkes war er unbewaffnet in das örtliche Polizeipräsidium gekommen, wo er Forderungen nach Freilassung der „politischen und wirtschaftlichen" Gefangenen, Gewährung demokratischer Freiheiten und Rücktritt der DDR-Regierung vorbrachte. In der Akte gibt es keine Beweise für einen bewaffneten Aufstand oder sonstige Verbrechen Stauchs, die er zum Schaden der UdSSR oder ihrer Bürger begangen hätte. Deshalb wurde H. Stauch vollständig rehabilitiert, als sich Verwandte bzw. Vertreter der Öffentlichkeit an die GVP wandten.
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Gleichermaßen wurde der ehemalige Ingenieur der LOWA-Werke in Görlitz, H. Tschirner, rehabilitiert, der wegen analoger Vorwürfe verurteilt worden war (er hatte an einer friedlichen Arbeiterdemonstration teilgenommen, die eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation zum Ziel hatte). Man überprüfte auch Strafverfahren gegen Angehörige der ehemaligen Wehrmacht, die nach dem bekannten Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 verurteilt worden waren. Dabei muss gesagt werden, dass die Prüfungspraxis dieser Fälle wesentlichen Änderungen unterlag. Das oberste Gerichtsorgan Russlands - das Präsidium des Obersten Gerichts der Russischen Föderation - gelangte in einem Beschluss vom 21. Januar 1998 zu dem Ergebnis, dass das Rehabilitierungsgesetz nicht für die nach dem Ukaz vom 19. April 1943 verurteilten Personen gelte, da die in diesem Ukaz genannten Taten nicht explizit zu den vom Gesetz genannten politisch motivierten Staats- und anderen Verbrechen zählen. 24 Unter Berücksichtigung dieser Gerichtsentscheidung legen wir in Fällen dieser Kategorie, in denen es keine Beweise für die Anklage gibt, den Einspruch zwecks Einstellung des Verfahrens aufgrund fehlender Straftatbestände nicht im Rahmen der Rehabilitierungsgesetzgebung, sondern nach den üblichen Normen des Strafprozessrechts ein. In den Fällen, in denen die Schuld der Verurteilten durch das Aktenmaterial objektiv belegt ist und es keinen Grund für einen Einspruch gegen das Urteil gibt, erstellen wir ein Gutachten über die Ablehnung des jeweiligen Rehabilitierungsantrags und teilen dies der Botschaft der Bundesrepublik mit. In den letzten Jahren wurden aufgrund erhobener Einsprüche die Strafsachen gegen mehrere Wehrmachtsoffiziere eingestellt. So bekannte sich der Kommandeur des 2. Infanterieregiments der 111. Division, Hasso Heinrich von Puttkamer, der als Kriegsgefangener im Dezember 1949 nach Artikel 17 StGB RSFSR und Artikel 1 des Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden war, in den Ermittlungen und vor Gericht nicht schuldig und gab an, dass er während seines aktiven Dienstes auf sowjetischem Territorium kein ungebührliches Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung zugelassen und seinen Untergebenen niemals befohlen habe, Gräueltaten zu begehen. Die Überprüfung ergab, dass das 2. Infanterieregiment der genannten Division in den Akten der „Außerordentlichen Staatlichen Kommission der UdSSR über die Gräueltaten der deutschen Truppen in den besetzten sowjetischen Gebieten" nicht aufgeführt ist. Die Ermittlungen in der Strafsache wurden oberflächlich geführt, und es gibt keine konkreten Beweise für eine Schuld Puttkamers an den Verbrechen, für die er verurteilt wurde. Das Militärkollegium des Obersten Gerichts der Russischen Föderation, das die Strafsache auf den Einspruch des Hauptmilitärstaatsanwalts hin überprüfte, stimmte unseren 24
Beschluss des Präsidiums des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 21.1.1998, deutsche Übersetzung in Wagenlehner, Die russischen Bemühungen, S. 122-125, hier S. 124f. (Anm. d. Übers.).
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Argumenten zu, hob die früheren Gerichtsbeschlüsse auf und stellte das Verfahren gegen Puttkamer wegen fehlender Beweise ein. Somit ist er rehabilitiert. Aufgrund analoger Beschuldigungen wurden im Dezember 1949 in der Sowjetunion der Adjutant eines Divisionskommandeurs, Major Nikolaus Chorinski, der Militärrichter und Oberstleutnant der Justiz Herbert Schimmelpfennig, der Kompaniechef Leutnant A. Braunstädter und viele andere zu Unrecht zu je 2 5 Jahren Freiheitsentzug verurteilt: Schuldbeweise gab es in den Strafakten ebenfalls nicht. Es gibt allerdings auch Beispiele dafür, dass Verurteilte in den besetzten Gebieten tatsächlich Gräueltaten begangen haben, die zu Recht als Schwerstverbrechen eingestuft wurden. In solchen Fällen wird eine Rehabilitierung kategorisch abgelehnt. So hatte am 31. Januar 1946 das Militärtribunal des Leningrader Militärbezirks den Kommandeur des 277. Infanterieregiments und ehemaligen Chef der deutschen Garnison in Velikie Luki, Oberst Eduard Georg von Sass, der am 16. Januar 1943 in Velikie Luki gefangengenommen worden war, nach Artikel 1 des „Ukaz 4 3 " zum Tode durch den Strang verurteilt. Er war angeklagt, mehrfach Befehle und Anweisungen zur Tötung von Zivilisten und Kriegsgefangenen im Gebiet Velikie Luki, zur Zerstörung von Ortschaften und zur Deportation sowjetischer Bürger nach Deutschland erteilt zu haben. Im Ergebnis der Aktionen der deutschen Armee waren in diesem Gebiet 6 0 0 0 0 Zivilisten und Kriegsgefangene getötet und mehr als 4 2 0 0 0 Personen nach Deutschland deportiert worden; dazu hatte man viele Vermögenswerte sowie über 1 4 0 0 0 0 Rinder nach Deutschland verbracht und mehr als 1 0 0 0 Ortschaften zerstört. Ein bedeutender Teil dieser Verbrechen war auf direkte Anweisung oder zu der Zeit begangen worden, als von Sass Garnisonschef war. Oberst Eduard Georg von Sass' Schuld wurde durch Aussagen von Betroffenen und Zeugen, u. a. von Vorgesetzten und Untergebenen des Verurteilten sowie durch zahlreiche Dokumente und Protokolle der Untersuchungskommissionen im Gebiet Velikie Luki zweifelsfrei bewiesen. Es war daher nur natürlich, dass eine Rehabilitierung abgelehnt wurde. Weitere Beispiele: 1 9 4 5 / 4 6 wurden 15 faschistische Angehörige von Strafkommandos mit dem Kommandanten der Rückwärtigen Dienste der 6. Armee, Generalleutnant Karl Burckhardt, an der Spitze wegen Verbrechen gegen sowjetische Bürger in den zeitweilig besetzten ukrainischen Gebieten zu Recht verurteilt, ebenso weitere zehn Wehrmachtsangehörige unter dem Befehl des Stadtkommandanten von Pskov, Generalmajor Heinrich Remlinger, wegen ähnlicher Gräueltaten in den Gebieten von Leningrad und Pskov. Sie waren verschiedener Gräueltaten gegen das sowjetische Volk angeklagt: Man warf ihnen vor, mehrfach Befehle und Anweisungen zur Tötung von Zivilisten und Kriegsgefangenen, zur Zerstörung von Ortschaften und zur Deportation sowjetischer Staatsbürger nach Deutschland erteilt zu haben und anderes mehr. Gemäß den Gutachten der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft bestätigten Militärgerichte ein
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weiteres Mal die Rechtmäßigkeit der früheren Urteile und lehnten die Rehabilitierung ab. Abgelehnt wurde auch die Rehabilitierung der Mitglieder einer Diversionsund Terrororganisation in Bernburg, die im April 1948 vom Militärtribunal des Landes Sachsen-Anhalt begründet zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen wurden. Für den bewaffneten Kampf gegen die Besatzungstruppen und gegen deutsche demokratische Organisationen hatten sie Schusswaffen und Sprengstoff erworben, die dann bei Durchsuchungen beschlagnahmt wurden. Von Oktober 1947 bis Januar 1948 warfen Gruppenmitglieder zweimal Granaten in das Gebäude des SED-Vorstands, sprengten ein Auto der sowjetischen Militärkommandantur in die Luft und brachten aus reiner Provokation eine Granate auf dem Platz neben dem Gebäude zur Detonation, in dem die Entnazifizierungskommission ihre Versammlungen abhielt. Weitere Terroranschläge waren schon vorbereitet worden, wurden jedoch unterbunden. Die Rehabilitierung wird auch bei den Personen abgelehnt, die allgemeine (kriminelle) Verbrechen begangen haben - Diebstähle, Raub, Raubüberfall, unerlaubter Waffenbesitz usw. Dadurch ist der Anteil von Personen (unter den Ausländern), denen derzeit die Rehabilitierung verweigert wird, recht hoch und liegt bei ungefähr 25 Prozent. Nach Angaben der GVP bearbeiteten die Organe der Militärstaatsanwaltschaft seit dem Inkrafttreten des Rehabilitierungsgesetzes (d. h. seit dem 18. Oktober 1991) etwa 13 000 Rehabilitierungsanträge ausländischer Bürger. Davon wurden mindestens 7 500 Personen rehabilitiert und rund 2 000 Rehabilitierungen abgelehnt. Die Zahl der rehabilitierten Deutschen beträgt etwa 7 500, die Zahl der abgelehnten Anträge Deutscher ungefähr 1800. Außerdem wurden einige Deutsche von zivilen Staatsanwälten der Generalstaatsanwaltschaft Russlands rehabilitiert. Hier arbeiten Mitarbeiter einer spezialisierten Abteilung, die von der Oberreferentin des Generalstaatsanwalts der Russischen Föderation, Staatsrat der Justiz Galina F. Vesnovskaja, geleitet wird. Nach Informationen der Deutschen Botschaft sah die laufende Statistik der Rehabilitierungen deutscher Staatsbürger zum 30. November 2000 folgendermaßen aus: 2 5 Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft bearbeitete 12 658 Anträge, die sie über die Botschaft Deutschlands erreichten. In 7 251 Fällen erfolgte die Rehabilitierung, 1054 Anträge wurden abgelehnt und in 1400 Fällen wurde das Rehabilitierungsverfahren eingestellt, weil es keine Archivunterlagen gab. Zwei Gruppen von Anträgen wies die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft ab: Anträge der administrativ Repressierten (583 Fälle) und Anträge zu Vermögensfragen ( 143 Fälle). Von diesen beiden Kategorien wird weiter unten noch die Rede sein, an dieser Stelle sei zunächst der augenfällige Unterschied zwischen den nur ungefähren und höheren Angaben der GVP und den Daten der deutschen Botschaft 25
Deutsche Botschaft Moskau. Rechts- und Konsularreferat. Dok. RK 5 4 4 . 1 0 / 2 : Statistik der vorhandenen Rehabilitationsfälle. Stand: 3 0 . 1 1 . 2 0 0 0 .
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kommentiert. Dahinter steht die Besonderheit unterschiedlicher Zählungen. Die Botschaft registriert nur die Anträge, die von deutschen Staatsbürgern an das Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland gesandt werden. Auf Bitten des Deutschen Botschafters Ernst-Jörg von Studnitz informiert die GVP die Botschaft über alle eingegangenen Anträge, allerdings erst seit ungefähr 1996, als diese Bitte ausgesprochen wurde. Einzelne Deutsche hatten jedoch schon vorher Rehabilitierungsanträge eingereicht, die allerdings nicht über das deutsche Außenministerium, sondern über das Außenministerium Russlands oder sogar direkt an die GVP gesandt wurden. Diese Anträge wurden leider nicht statistisch erfasst, und die Akten gingen nach Gebrauch ins Archiv zurück, so dass schon die Ermittlung der bloßen Anzahl dieser Anträge ein ernsthaftes Problem darstellt. Experten schätzen ihre Zahl auf maximal 1 0 0 0 Fälle (eher dürfte es sich um 7 0 0 bis 8 0 0 handeln). Diese ungenaue Zahl ergibt den Unterschied in den Rehabilitierungsbilanzen und macht die Angaben der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft etwas diffus.
5.
Die Rehabilitierung ausländischer Staatsbürger, die auf dem Verwaltungswege repressiert wurden
Die Beschäftigung mit der Rehabilitierung ausländischer Staatsangehöriger, die durch sowjetische Organe im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit administrativ repressiert wurden, hat gezeigt, dass das Problem sehr komplex ist und nicht nur völkerrechtliche, sondern auch moralische Aspekte aufweist. Es sei daran erinnert: Das Recht, Entscheidungen über die Rehabilitierung von Personen zu treffen, die von Gerichten und außergerichtlichen Organen verurteilt wurden, haben die Organe der Staatsanwaltschaft und Gerichte, hinsichtlich der Personen, die auf dem Verwaltungswege repressiert wurden, indes das Innenministerium der Russischen Föderation. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass das geltende russische Rehabilitierungsgesetz den rechtlichen Status der Ausländer, die durch Beschlüsse von NKVD- bzw. MVD-Mitarbeitern für einen langen Zeitraum in die Speziallager in Deutschland verbracht wurden, und jenen von Ausländern, die zum Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten Volkswirtschaft in die UdSSR deportiert wurden, nicht definiert. Es handelt sich hier um die zwei größten Personengruppen, die in den vom Faschismus befreiten Gebieten Osteuropas und Deutschlands festgenommen und ohne Gerichtsentscheid in Lagern isoliert wurden. Beide Gruppen galten damals als „interniert", obwohl sie aus unterschiedlichem Anlass und auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage repressiert wurden. Die erste Gruppe wurde als „verhaftete Internierte" bzw. „administrativ Inhaftierte" bezeichnet (Personen, die bis 1950 in den auf der Basis ehemaliger faschistischer Konzentrationslager in Buchenwald, Sachsenhausen, Bautzen und anderswo errichteten Speziallagern isoliert wurden), die zweite als „mobilisierte Internierte" bzw. „Depor-
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tierte" (Personen, die zur Zwangsarbeit mit Freiheitsbeschränkung in die UdSSR deportiert wurden). Nach deutschen Quellen betrug die Anzahl der internierten und offensichtlich in die UdSSR deportierten deutschen Zivilisten 160 000, davon verstarben in der UdSSR 65 000. 2 6 Nach Angaben des deutschen Innenministeriums 2 7 wurden in der Zeit von Januar bis April 1945 etwa 218 000 deutsche Staatsbürger, in der Hauptsache Zivilisten, zur Arbeit in die UdSSR verbracht. Nach Angaben sowjetischer Archive wurden auf diese Weise rund 300 000 Ausländer repressiert, bei denen es sich in der Mehrzahl um Deutsche handelte. Unter den bei der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft eingereichten Anträgen deutscher Bürger gab es mehr als 2 000, die die Rehabilitierung Internierter betrafen. Anfangs, das heißt 1994/95, wurden diese Anträge ebenso wie die Anträge Verurteilter geprüft, und einige Hundert Internierte wurden sogar rehabilitiert, unter ihnen beispielsweise der prominente Schauspieler Heinrich George. Die Tätigkeit des NKVD hinsichtlich der Festnahme und Inhaftierung von „internierten" Deutschen wurde als eine Art strafrechtliche Verfolgung betrachtet (ohne konkrete Anklage), und die betroffenen Personen wurden größtenteils rehabilitiert, da in den Registratur- und Überprüfungsakten keine Schuldbeweise vorlagen. Ab 1996 wurde diese Praxis bei der Bearbeitung von Anträgen administrativ Repressierter eingestellt, weil sie nicht durch das Rehabilitierungsgesetz gedeckt war. Den Antragstellern wurden nun lediglich Archivbescheinigungen ausgehändigt, in denen das Verhaftungsdatum und die Gründe für die Verwahrung im Speziallager dokumentiert wurden. Die deutsche Seite sprach dieses Problem mehrfach, auch auf höchster Ebene, an und bat, den Geltungsbereich des Rehabilitierungsgesetzes auf alle administrativ repressierten Deutschen auszudehnen. Ohne Änderungen und Ergänzungen im Gesetz scheint eine Lösung des Problems schlechterdings nicht möglich. Beleuchten wir anhand einiger Fakten die Geschichte dieses Problems. 2 8 Zunächst einige Worte über die entsprechende Tätigkeit des NKVD-MVD der UdSSR, das das „Spezkontingent" „aus dem Verkehr zog", das heißt, es verhaftete deutsche Bürger im Zuge der Entnazifizierung und verbrachte sie in Speziallager (in den Archiven des FSB der Russischen Föderation liegen für 128 000 Ausländer Registrier- und Überprüfungsakten vor). 1944/45 wurde gemäß den Beschlüssen des Staatlichen Verteidigungskomitees und des Rates 26
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Antwortschreiben der Deutschen Botschaft an die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft vom 11.1.1994 auf eine Anfrage der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft vom 17.8.1993 zu deutschen Staatsbürgern, die von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt wurden, mit Verweis auf Gerhard Finn, Die politischen Häftlinge der Sowjetzone 1 9 4 5 - 1 9 5 8 , Berlin 1958, Neudruck 1989, S. 66. Es ist anzunehmen, dass sich diese Zahl nur auf die „verhafteten Internierten" bezieht. Schreiben an die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft vom 6. Februar 1995. Vgl. allgemein Pavel M. Poljan, „Vestarbajtery": internirovannye nemcy ν SSSR (predystorija, istorija, geografija). Ucebnoe posobie dlja speckursa, Stavropol' 1999.
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der Volkskommissare der UdSSR im Rahmen der Säuberung des Hinterlandes der kämpfenden Armee, in der Nachkriegszeit gemäß den Beschlüssen des Alliierten Kontrollrats über die Entnazifizierung Deutschlands und seiner Satelliten von den Organen des NKVD-MVD eine beträchtliche Anzahl Deutscher, die in Deutschland, Polen, der Tschechoslowakei, in Österreich, Rumänien, Ungarn und Jugoslawien lebten, verhaftet und in Speziallager eingewiesen. Ein Teil dieses Kontingents wurde später zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert. Die augenfälligsten Merkmale für Repressionen gegenüber diesen Bürgern sind der langanhaltende Freiheitsentzug (einige Monate bis mehrere Jahre) und die Zwangsarbeit (unter Einschränkung der persönlichen Freiheit). Unter den administrativ repressierten Ausländern, insbesondere unter den „verhafteten Internierten", gab es zweifellos nicht wenige Kriegs- und Naziverbrecher, die man nicht als zu Unrecht Betroffene und politisch zu Rehabilitierende betrachten kann. Es gab unter ihnen jedoch auch viele Minderjährige, Frauen, Betagte oder Vertreter so genannter „sozial gefährlicher Gruppen", das heißt Vermögende, technische Spezialisten, die für die Arbeit in der Verteidigungsindustrie der UdSSR gebraucht wurden, und andere Personen, die unter dem einen oder anderen Vorwand (beispielsweise zur angeblichen Entnazifizierung Deutschlands und seiner Verbündeten) unbegründet festgenommen wurden und sich in Speziallagern wiederfanden. Im Zuge der kampagnenartigen Internierungen begingen die Mitarbeiter der NKVD-MVD-MGB-Operativsektoren zahlreiche Rechtsverstöße, wie die Archivalien belegen. So teilte beispielsweise ein Offizier des Operativsektors Thüringen in einem Bericht an den Stellvertretenden Minister für Staatssicherheit der UdSSR im September 1946 mit: „Seitens der Leitung des Operativsektors wurde keine Kontrolle über die Tätigkeit der operativen Mitarbeiter ausgeübt. Hauptsächliches Ziel war es, die aktiven Faschisten vom Blockleiter an aufwärts aus dem Verkehr zu ziehen, und die Bewertung der Arbeit richtete sich nach der Anzahl der in ein Speziallager eingewiesenen Personen. In der Folgezeit hat sich herausgestellt, dass manche Operativgruppen ihre Angaben über die in Speziallager Eingewiesene erhöhten, indem sie den Lagerleiter mit Alkohol bestachen. Vor dem Hintergrund der Massenverhaftungen aktiver Faschisten und der unkontrollierbaren Operativgruppen blühte die Beschlagnahmung von Wertgegenständen und ihre Unterschlagung durch das operative Personal." Aus einem Schreiben des Militärstaatsanwalts der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen Saver an den Leiter der Abteilung Speziallager Sviridov vom 24. Juni 1947 geht hervor, dass „die Festnahme von Personen, die im Rahmen des NKVD-Befehls Nr. 00315 vom 18.4.1945 in die Speziallager überstellt werden, [...] in einem Sonderverfahren [erfolgt], gegen sie wird keine Anklage erhoben, und Ermittlungsunterlagen, wie sie die Strafprozessordnung vorsieht, gibt es nicht." Die fehlende Sanktion eines Militärstaatsanwalts könne
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„nicht als Grund für eine Verweigerung der Aufnahme des Spezkontingents in die Lager" gelten. 29 Nach einem Informationsschreiben des Staatsarchivs der Russischen Föderation (GARF) befanden sich zum 1. Juli 1947 in den MVD-Speziallagern in Deutschland auch Ausländer unterschiedlicher Nationalität. Folglich kann man die beschriebenen Verhaftungen, die Unterbringung in Lagern und andere unrechtmäßige Einschränkungen von Rechten und Freiheiten ausländischer Bürger außerhalb der UdSSR, die durch Angehörige des NKVD-MVD auf der Grundlage behördlicher normativer Akte ohne eine entsprechende Kontrolle und ohne Beweise für eine Beteiligung an Verbrechen vorgenommen wurden, als politische Repressionen betrachten, die von Organen der Exekutive auf dem Verwaltungswege angewendet wurden. Zweifellos verdient auch der Arbeitseinsatz „internierter und mobilisierter" Deutscher in der Nachkriegszeit in der UdSSR Beachtung. Die Frage nach der „Verwendung deutscher Arbeitskräfte" 3 0 wurde von sowjetischer Seite im Februar 1945 auf der Krimkonferenz angesprochen. Die Praxis zeigte, dass man darunter die gewaltsame Deportation von Teilen der deutschen Zivilbevölkerung zur Zwangsarbeit in die UdSSR verstand. Die sowjetische Führung hatte diese Frage einseitig bereits früher entschieden. Am 24. November 1944 hatte Lavrentij Berija, der Volkskommissar für Innere Angelegenheiten, Stalin gemeldet, dass in die durch sowjetische Truppen befreiten Gebiete Osteuropas Gruppen von Operativmitarbeitern des NKVD abkommandiert würden, die die dort lebenden Personen deutscher Nationalität registrieren sollten. Am 15. Dezember 1944 erstattete er über die Ergebnisse der Registrierung Bericht: Es wurden 551 049 Deutsche erfasst, davon 2 4 0 4 3 6 Männer und 310 613 Frauen (in Rumänien 4 2 1 8 4 6 Personen, in Jugoslawien 73 572, in Ungarn 5 0 2 9 2 , in der Tschechoslowakei 4 250, in Bulgarien 1089). Die meisten waren Staatsangehörige des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz hatten. 31 Am 16. Dezember 1944 erließ das Staatliche Verteidigungskomitee die Anordnung Nr. 7161 ss, die in den oben erwähnten Ländern die „Mobilisierung und Internierung aller arbeitsfähigen Deutschen - Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren, Frauen von 18 bis 30 Jahren - [.·•] und ihre Verbringung zur Arbeit in die UdSSR" 3 2 vorsah. Die Mobilisierung und Internierung dieses Personen29
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Schreiben des Militärstaatsanwalts der GSBT, Saver, vom 24.6.1947, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950. Hg. von Sergej V. Mironenko, Lutz Niethammer und Alexander von Plato, Band 2 : Ralf Possekel (Hg.), Sowjetische Dokumente zur Lagerpolitik, Berlin 1998, S. 2 8 5 (Anm. d. Übers.). Vgl. das Protokoll über die Tätigkeit der Krim-Konferenz, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Fischer (Hg.), Teheran, Jaita, Potsdam, S. 1 8 9 - 1 9 4 , hier S. 192 (Anm. d. Übers.). Bericht des Volkskommissars für Inneres Berija an Stalin und Molotov vom 15.12.1944, deutsche Übersetzung hier zitiert nach Sowjetische Speziallager, Band 2, S. 1 3 0 - 1 3 3 (Anm. d. Übers.). Beschluss GKO Nr. 7161ss vom 16.12.1944, deutsche Übersetzung hier zitiert nach ebd., S. 1 3 3 - 1 3 6 , hier S. 133f. (Anm. d. Übers.).
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kreises sollte das NKVD in den Monaten Dezember 1944 und Januar 1945 vornehmen, der Transport an die jeweiligen Arbeitsorte sollte bis zum 15. Februar 1945 abgeschlossen sein. Zum gleichen Thema verabschiedete das Staatliche Verteidigungskomitee am 29. Dezember 1944 die Anordnung Nr. 7252ss „Zum Arbeitseinsatz der internierten Deutschen". Von den 140000 zur Entsendung vorgesehenen Deutschen sollten 20 000 in Betrieben des Volkskommissariats für Buntmetallurgie eingesetzt werden, 40 000 in Betrieben des Volkskommissariats für Schwarzmetallurgie und 80 000 in Betrieben des Volkskommissariats für Kohlebergbau. 33 Der Status der Internierten wurde in einer eigens vom NKVD erarbeiteten „Verordnung über Aufnahme, Unterhalt und Arbeitseinsatz der mobilisierten und internierten Deutschen" geregelt. 34 In Deutschland selbst ließ sich das NKVD bei der Internierung deutscher Bürger von dem Befehl Nr. 0016 vom 11. Januar 1945 „Über Maßnahmen zur Säuberung des Hinterlandes der Roten Armee von feindlichen Elementen" 35 und von dem Ausführungsbefehl Nr. 0061 „Zu Maßnahmen für die Umsetzung des GOKO-Beschlusses Nr. 7467ss vom 3. Februar 1945" vom 6. Februar 1945 leiten, in dem bekannt gegeben wurde, dass der Mobilisierung unterliegende Deutsche bei Nichterscheinen an den Sammelpunkten „vor ein Kriegsgericht gestellt werden". 36 In einem Bericht an Stalin teilte Berija mit, dass zum 15. April 1945 im Verlaufe dieser Operationen insgesamt mehr als 215 000 Menschen festgenommen worden seien. Darunter seien 138200 Deutsche, die man in die UdSSR verbracht habe. 37 Bis zum Sommer 1945 hatte man aus ihnen 392 Arbeitsbataillone gebildet, die beim Wiederaufbau von Bergwerken, Betrieben und Ortschaften oder der Errichtung neuer Industrieobjekte beschäftigt waren. Das Regime an den Standorten der Bataillone entsprach dem der Lager, die Lebensmittelversorgung hingegen war weitaus schlechter. Wie sich herausstellte, konnte ein Großteil der Internierten infolge ihres Alters und des schlechten Gesundheitszustands nicht bei körperlichen Arbeiten eingesetzt werden. In dieser Zeit sind etwa 47 000 Menschen gestorben. Ein Augenzeuge dieser Ereignisse, der deutsche Staatsangehörige O. Bendyk, teilt in seinem Rehabilitierungsantrag mit, dass er im Januar 1945 im Alter von 16 Jahren von den sowjetischen Militärbehörden an seinem Wohnort in Polen festgenommen und mit einer Gruppe Gleichaltriger zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden sei. Fünf Jahre lang habe er unter schweren Bedin33 34 35 36 37
Beschluss GKO Nr. 7252ss vom 29.12.1944, deutsche Übersetzung hier zitiert nach ebd., S. 136-141, hier S. 136 (Anm. d. Übers.). Anlage 2 zum Beschluss GKO Nr. 7252ss vom 29.12.1944, abgedruckt in ebd., S. 139-141 (Anm. d. Übers.). Abgedruckt in ebd., S. 142-146 (Anm. d. Übers.). Befehl des Volkskommissars für Inneres Nr. 0061 vom 6.2.1945, deutsche Übersetzung hier zitiert nach ebd., S. 149-151, hier S. 150 (Anm. d. Übers.). Schreiben des Volkskommissars für Inneres Berija an Stalin Nr. 438/b, deutsche Übersetzung hier zitiert nach ebd., S. 175-177, hier S. 175f. (Anm. d. Übers.).
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gungen in einem Steinbruch, einem Aluminiumwerk und in einer Ziegelei gearbeitet, er sei krank geworden und erst 1949 nach Deutschland repatriiert worden. Die Deportationen deutscher Zivilisten gingen in den Nachkriegsjahren weiter. Der Beschluss des Ministerrats der UdSSR Nr. 2728-1124ss vom 23. Dezember 1946 „Zum Abtransport von in Gefängnissen und Lagern inhaftierten Deutschen aus Deutschland" und der Befehl des Innenministers Nr. 001196 vom 26. Dezember 1946 „Zur Überstellung von 27 500 Deutschen aus den Speziallagern und Gefängnissen des MVD aus Deutschland und zum Abtransport derselben Anzahl kranker und arbeitsunfähiger Kriegsgefangener und Internierter deutscher Nationalität nach Deutschland" 3 8 schrieben vor, es seien: ,,a) von den in Speziallagern und Gefängnissen des MVD in Deutschland Inhaftierten körperlich gesunde deutsche Männer, insgesamt 27 500, auszuwählen, die für den Arbeitseinsatz in den Betrieben des Ministeriums für Kohlebergbau der Ostregionen der UdSSR und des Ministeriums für den Bau von Betrieben der Brennstoffindustrie tauglich sind, und [...] in die UdSSR zu überstellen, [...] entsprechend der Transportdisposition des MVD der UdSSR". 3 9 Die gleichen Dokumente legten fest, kranke und arbeitsunfähige deutsche Staatsangehörige nach Deutschland zurück zu schicken. Die angeführten Fakten über die Verfolgungen ausländischer Staatsangehöriger, die die Organe des NKVD-MVD in Ausführung von Anweisungen der sowjetischen Führung vornahmen, standen oft im Widerspruch zu den Haager (1907) und Genfer ( 1 9 2 9 / 4 9 ) Abkommen über den Schutz der Zivilbevölkerung im Krieg und glichen in ihrer Form den politischen Repressionen gegen die Völker der Sowjetunion. Die Wiederherstellung der Gerechtigkeit gegenüber diesem Personenkreis ist zweifellos erforderlich und begründet. Das hier behandelte Problem harrt seiner gesetzgeberischen Lösung. Ab 1997 wurde es auf eine Initiative der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft hin von Experten der beim Präsidenten angesiedelten und vom Akademiemitglied Aleksandr Jakovlev geleiteten Kommission für Rehabilitierungsfragen untersucht. Am 29. September 1999 fasste die Kommission den Beschluss: „Der Präsident der Russischen Föderation ist über die bestehende Situation bei der Rehabilitierung ausländischer Bürger, die in Speziallagern des NKVD-MVD der UdSSR untergebracht und (oder) im Krieg und in der Nachkriegszeit in der UdSSR interniert waren, um zur Zwangsarbeit eingesetzt zu werden, sowie über die Notwendigkeit einer Gesetzesinitiative zur entsprechenden Novellierung des Gesetzes der Russischen Föderation ,Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression' zu informieren."
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Beschluss SM Nr. 2728-1124ss vom 2 3 . 1 2 . 1 9 4 6 , abgedruckt in ebd., S. 2 6 8 - 2 7 0 . Befehl des Innenministers Nr. 001196 vom 2 6 . 1 2 . 1 9 4 6 , abgedruckt in ebd., S. 2 7 0 275 (Anm. d. Übers.). Befehl des Innenministers Nr. 001196 vom 2 6 . 1 2 . 1 9 4 6 , deutsche Übersetzung hier zitiert nach ebd., S. 271 (Anm. d. Übers.).
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Parallel dazu beschäftigte man sich in den Ausschüssen der Staatsduma der Russischen Föderation mit diesen Fragen, ohne dass allerdings ein entsprechender Gesetzentwurf in die Duma eingebracht worden wäre. Die endgültige Lösung des Problems liegt jetzt bei der russischen Legislative und beim Präsidenten der Russischen Föderation.
6.
Restitution und Auszahlung von Entschädigungen
Abschließend einige Worte zu den vermögensrechtlichen Problemen repressierter ausländischer Bürger. Artikel 15 des Gesetzes „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen" legt fest, dass Personen, die aus politischen Gründen durch Freiheitsentzug bzw. Zwangseinweisung in eine psychiatrische Anstalt in Russland repressiert und später rehabilitiert wurden, von den russischen Sozialbehörden für jeden Monat dieser Repressionen eine finanzielle Entschädigung in Höhe von drei Vierteln des gesetzlich festgelegten Mindestlohnes, höchstens jedoch das Hundertfache des gesetzlich festgelegten Mindestlohnes erhalten. (Der Mindestlohn liegt in Russland derzeit bei 132 Rubeln, so dass sich die maximale Summe auf 13 2 0 0 Rubel oder weniger als 5 0 0 US-Dollar beläuft.) So kann jeder Ausländer, der in der genannten Weise auf russischem Gebiet repressiert wurde, unabhängig von seinem ständigen Wohnsitz innerhalb von drei Jahren nach Erhalt der Rehabilitierungsbescheinigung bei den Sozialbehörden des Ortes, an dem er verurteilt wurde, einen Antrag auf Entschädigung stellen. Die Verfahrensweise für die Rückgabe von widerrechtlich konfiszierten, eingezogenen oder anderweitig im Zusammenhang mit politischen Repressionen eingebüßten Vermögenswerten und der Modus für eine Erstattung oder finanzielle Entschädigung werden in Artikel 16,1 des Rehabilitierungsgesetzes und den Bestimmungen des Regierungsbeschlusses Nr. 9 2 6 vom 12. August 1994 geregelt. Demnach haben Ausländer nur dann ein Recht auf Rückgabe der Vermögenswerte oder Erstattung ihres Wertes, wenn sie in der UdSSR repressiert wurden. Wurde das Vermögen jedoch durch Entscheidungen sowjetischer Gerichte und außergerichtlicher Organe außerhalb der U d S S R konfisziert, so haben nur die Personen das Recht auf eine Erstattung, die ständig in der Russischen Föderation leben, und auch nur dann, wenn ihr beschlagnahmtes Vermögen auf russischem Hoheitsgebiet veräußert wurde. Die Höhe der Entschädigung darf unabhängig vom Wert des beschlagnahmten Vermögens und Wohnraumes das Hundertfache des in Russland gesetzlich festgelegten Mindestlohns nicht überschreiten. Auf administrative Konfiskation und Beschlagnahmung ausländischen Vermögens außerhalb der UdSSR findet das Rehabilitierungsgesetz keine Anwendung. Somit ist die Rehabilitierung für deutsche oder andere ausländische
Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung
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Staatsbürger, die nicht in Russland leben, hauptsächlich von moralischer Bedeutung. Die von der russischen Staatsanwaltschaft ausgestellten Rehabilitierungsbescheide ziehen keinerlei vermögensrechtliche Verpflichtungen der Regierungsund Verwaltungsorgane ausländischer Staaten nach sich und begründen somit für die Rehabilitierten auch keinen Rechtsanspruch, um von ihren Ländern irgendwelche Vergünstigungen, Entschädigungszahlungen oder Vermögensrückgaben zu fordern. Die prinzipielle Position der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft (die mit dem russischen Außenministerium abgestimmt ist) lautet, dass die Eigentumskonfiszierungen, die 1945 bis 1949 in Deutschland auf der Grundlage der Rechte und der Befehlsgewalt der Besatzungsmächte vorgenommen wurden, heutzutage keiner Überprüfung unterliegen. Die angesprochenen vermögensrechtlichen Fragen gehören nicht in den Kompetenzbereich der Staatsanwaltschaften. Die Unumkehrbarkeit der Eigentumskonfiskationen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands ist bekanntermaßen in den völkerrechtlichen Dokumenten über die Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR verankert (Vertrag vom 12. September 1990 und einige andere). Die genannten Bestimmungen des Gesetzes gelten für russische Staatsbürger und für Ausländer, so dass Kinder, Ehegatten und Eltern rehabilitierter ausländischer Staatsangehöriger auf einen entsprechenden Antrag hin als Betroffene politischer Repressionen anerkannt werden können. Dazu ist es erforderlich, dem Antrag eine Kopie des Rehabilitierungsbescheids des Vaters (der Mutter, des Vormundes), eine Kopie der Geburtsurkunde sowie Kopien anderer Unterlagen beizulegen, die die Verwandtschaft der jeweiligen Person mit dem Rehabilitierten belegen. Diese Dokumente müssen bei der Behörde eingereicht werden (Staatsanwaltschaft oder MVD RF), die den Rehabilitierungsbescheid für den Vater (die Mutter, den Vormund) ausgestellt hat, das heißt, die die erste Entscheidung in dieser Sache getroffen hat. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass nach Artikel 1,1 des Rehabilitierungsgesetzes Kinder, die zusammen mit ihren unrechtmäßig repressierten Eltern in Lagern, in der Verbannung oder in Sondersiedlungen gelebt haben oder dort geboren wurden, nicht als Betroffene, sondern als Opfer politischer Repressionen eingestuft und wie ihre Eltern rehabilitiert werden. Personen, die als Betroffene politischer Repressionen anerkannt sind, stehen von Staats wegen einige Vergünstigungen zu. Insbesondere haben sie das Recht auf eine bevorzugte ärztliche Versorgung, auf die um 50 Prozent verbilligte Abgabe ärztlich verordneter Medikamente, die vorrangige Zuteilung von Sanatoriums-, Kur- und Urlaubsplätzen, die kostenlose Benutzung aller städtischen Verkehrsmittel sowie der Züge und Schiffe des Nahverkehrs sowie auf die fünfzigprozentige Ermäßigung der Mietkosten und der Kosten für kommunale Dienstleistungen und andere Vorrechte mehr. Diese Privilegien gelten allerdings nur für diejenigen Personen, deren Eltern (Ehegatten, Vormunde) aufgrund ihrer nationalen oder anderen Zugehörigkeit
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Leonid Kopalin
in Russland politisch repressiert wurden, und zwar unter der Bedingung, dass sie selbst behindert oder Rentner sind und in Russland leben. Im demokratischen Russland von heute, das Vladimir Putin zufolge auf die „Diktatur des Gesetzes" orientiert ist, das heißt auf die strikte und verbindliche Einhaltung der geltenden Gesetze durch ausnahmslos alle Staatsbürger, ist die Herausbildung der Rechtsstaatlichkeit bereits ein unumkehrbarer Prozess. Das belegt auch die fortschreitende Rehabilitierung politisch Verfolgter - eine Erscheinung, die nicht nur in der Geschichte der russischen Jurisprudenz, sondern in der ganzen Welt einmalig und beispiellos ist. Das historische Gedächtnis des deutschen Volkes ist ein Hauptelement des demokratischen Gepräges der Bundesrepublik Deutschland und trägt zur bewussten Distanzierung von der diktatorischen Vergangenheit und zur humanitären Unterstützung der Opfer faschistischer Verfolgung bei. Aufrichtigen Beifall und Hochachtung verdient die offizielle Entschuldigung, die Bundespräsident Johannes Rau im Namen des deutschen Volkes allen Opfern des Nationalsozialismus aussprach. Der Prozess der Annäherung Russlands und Deutschlands hängt ganz und gar von einem offenen und ehrlichen, in einer Atmosphäre gegenseitiger Achtung und Partnerschaft geführten Dialog über die dramatischsten Perioden der gemeinsamen Geschichte ab. Dies ist der kürzeste und effektivste Weg zum Herzen eines jeden Menschen, zu echter Versöhnung und zur Verständigung. Wir hoffen, dass auch unser historisches Gedächtnis an die unrühmlichen Zeiten des Totalitarismus es ermöglichen wird, das gesellschaftliche Bewusstsein von seinen Deformationen zu befreien und den ehrlichen Namen aller unschuldig Repressierten wiederherzustellen, und zwar unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und Nationalität. Die Militärstaatsanwälte werden auch weiterhin ihren Beitrag zu dieser ehrenvollen Sache leisten. 40
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Anmerkung der Herausgeber: Aleksandr Morin, stellvertretender Hauptmilitärstaatsanwalt der RF und Valerij Kondratov, Leiter der GVP-Verwaltung für Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen nannten in ihrem am 18.6.2001 in Dresden gehaltenen Vortrag aus politischen Gründen verurteilt'. Zur Arbeit der russischen Militärstaatsanwaltschaft bei der Rehabilitierung zu Unrecht verurteilter Deutscher" u.a. folgende neue Zahlen: Inzwischen haben die Archivbehörden festgestellt, dass noch 4 0 0 0 0 0 Strafsachen zu prüfen sind. Seit 1991 wurde über 16 0 0 0 Rehabilitierungsanträge ausländischer Staatsbürger entschieden (13 3 0 0 von deutschen Staatsbürgern). In 13 5 0 0 Fällen erfolgte eine Rehabilitierung (8 2 0 0 betrafen deutsche Staatsbürger). In 3 100 Fällen deutscher Staatsbürger wurde eine Rehabilitierung abgelehnt. In ca. 1 4 0 0 Fällen deutscher Staatsbürger wurde das Rehabilitationsverfahren eingestellt, weil es keine Archivunterlagen gab.
Ungedruckte Quellen
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Ungedruckte Quellen Bundesarchiv Koblenz (BA) Β 106 Β 136 Β 141 Β 305 Ζ 35 Ν 1266
Bundesministerium des Innern Bundeskanzleramt Bundesministerium der Justiz Zentrale Rechtsschutzstelle Deutsches Büro für Friedensfragen Nachlass Walter Hallstein
Bundesarchiv Berlin (BAB)/Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) DO 1/32.0 DY 30/IV 2 / 2 DY 30/IV 2 / 1 3
Abteilung DDR, Ministerium des Innern (Mdl), Strafvollzug Politbüro des ZK der SED Abteilung Staats- und Rechtsfragen
Bundesarchiv Ludwigsburg (BAL) Unterlagen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg (BA MA) Β 205
Msg.
Sammlung zur Geschichte deutscher Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg - Akten und Geschäftsunterlagen der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte 1957-1972 Elsa-Brandström-Gedächtnis-Archiv
Deutsches Rotes Kreuz, Suchdienst München (DRK) SU 29
Bezirk Stalingrad
Institut für Archivauswertung, Bonn (IfA)/Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Dresden (HAIT) Straf- und Personalakten verurteilter Kriegsgefangener (Kopien) Einzelakten des GARF (Kopien) Einzelakten des BStU (Kopien) Sammlung Wagenlehner Sammlung Kowalczyk IfA/HAIT-Datenbank Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn (PA AA) Abteilung Inland II Geheim, R 100710-100711 Abteilung 2, Az 514: Kriegs- und Zivilgefangenenrecht Abteilung 7
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Anhang
Archiv vnesnej politiki RF, Moskau (AVP) f. 457
Politischer Berater der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland
Central'nyj archiv Federal'noj sluzby bezopasnosti RF, Moskau (CA FSB RF) Einzelakten Central'nyj archiv Ministerstva vnutrennich del RF, Moskau (CA MVD) Strafprozessakten verurteilter Kriegsgefangener Gosudarstvennyj archiv Rossijskoj Federacii, Moskau (GARF) f. f. f. f.
5446 9401 9492 9474
Rat der Volkskommissare/Ministerrat Sekretariat N K V D / M V D Justizkommissariat/-ministerium Oberster Gerichtshof
Rossijskij gosudarstvennyj archiv social'no-politiceskoj istorii, Moskau (RGASPI) (ehemals: Rossijskij centr chranenija i izucenija dokumentov novejsej istorii RCChlDNI) f. 17
Abteilung Internationale Information/Abteilung Außenbeziehungen des ZK der KPdSU
Rossijskij gosudarstvennyj voennyj archiv, Moskau (RGVA) (ehemals: Centr chranenija istoriko-dokumental'nych kollekcij CChlDK) f. l p UPVI/GUPVI f. 47p OPVI UMVD Stalingrader Oblasf f. 4 6 0 p Personalakten Kriegsgefangener
Gedruckte Quellen 50 Jahre Suchdienst in Deutschland. Dokumentation. Hg. vom DRK, München 1995. Adenauer, Konrad: „Wir haben wirklich etwas geschaffen". Die Protokolle des CDUBundesvorstands 1953-1957, bearb. von Günter Buchstab (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 16), Düsseldorf 1990. Altrichter, Helmut (Hg.): Die Sowjetunion. Band 1, München 1986. Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland, Berlin 1945-1948. Aus dem NKWD-Archiv Stalingrad (Wolgograd) 1943-1955, Wolfsburg o. J. Der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages. Sitzungsprotokolle 19491953. 1. Halbband: Oktober 1949 bis Mai 1952, bearb. von Wolfgang Hölscher (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Vierte Reihe: Deutschland seit 1945 13), Düsseldorf 1998. Der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages. Sitzungsprotokolle 19491953. 2. Halbband: Juni 1952 bis August 1953 und Unterausschuß „Besatzungs-
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Politischer Berater der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland
Central'nyj archiv Federal'noj sluzby bezopasnosti RF, Moskau (CA FSB RF) Einzelakten Central'nyj archiv Ministerstva vnutrennich del RF, Moskau (CA MVD) Strafprozessakten verurteilter Kriegsgefangener Gosudarstvennyj archiv Rossijskoj Federacii, Moskau (GARF) f. f. f. f.
5446 9401 9492 9474
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Abteilung Internationale Information/Abteilung Außenbeziehungen des ZK der KPdSU
Rossijskij gosudarstvennyj voennyj archiv, Moskau (RGVA) (ehemals: Centr chranenija istoriko-dokumental'nych kollekcij CChlDK) f. l p UPVI/GUPVI f. 47p OPVI UMVD Stalingrader Oblasf f. 4 6 0 p Personalakten Kriegsgefangener
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Zeitzeugenberichte, Biographien Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1953-1955, Stuttgart 1966. Agafonow (Agafonov), Alexander: Erinnerungen eines notorischen Deserteurs, Berlin 1993. Ajzenstat, Jakov: Zapiski sekretarja voennogo tribunala, London 1991. Bauer, Karl: Gedächtnisprotokoll. Ein Prozeß in Minsk, Herford 1990.
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418
Anhang
Abkürzungsverzeichnis AA Abt. ADC AdG ADW AeV AHR Anm. AOK APRF Art. ASK ASSR
AVK AVP RF BA BAB BAL BA MA BDO BdS BMVt BSSR BStU
CA FSB RF
CA MVD RF
CChlDK
Auswärtiges Amt Abteilung Archiv Deutscher Caritasverband Archiv der Gegenwart Archiv des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland Aussage über eigene Verurteilung American Historical Review Anmerkung Armee-Oberkommando Archiv Prezidenta Rossijskoj Federacii, Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation Artikel Außerordentliche Staatskommision (= CGK) Avtonomnaja Socialisticeskaja Sovetskaja Respublika, Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (innerhalb einer Unionsrepublik) Archiv der Völkerkundlichen Kommission für Westfalen Archiv vnesnej politiki Rossijskoj Federacii, Archiv des Außenministeriums der Russischen Föderation Bundesarchiv Bundesarchiv Berlin Bundesarchiv Ludwigsburg Bundesarchiv-Militärarchiv Bund Deutscher Offiziere Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte Belorusskaja Socialisticeskaja Sovetskaja Respublika, Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik Der/Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Central'nyj archiv Federal'noj sluzby bezopasnosti Rossijskoj Federacii, Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation Central'nyi archiv Ministerstva vnutrennich del Rossijskoj Federacii, Zentralarchiv des Innenministeriums der Russischen Föderation Centr chranenija istoriko-dokumental'nych kollekcij, Zentrum zur Aufbewahrung historisch-dokumentarischer Sammlungen
Abkürzungsverzeichnis CDNI VO
CDU CFO NKVD/ MVD CGK
CIA CIC CIK VKP (b) CSSR d. DDR DJ DM DRK DVdl, DZdl DVP DVP/FDP EAC ed.ehr. EKD EKK EvH f. FAZ FPPL FSB RF GA VO
419
Centr dokumentacii novejsej istorii Volgogradskoj oblasti, Dokumentationszentrum der neuesten Geschichte des Volgograder Oblast' Christlich Demokratische Union Central'nyj finansovyj otdel, Zentrale Finanzabteilung des NKVD/ MVD Crezvycajnaja gosudarstvennaja komissija po ustanovleniju i rassledovaniju zlodejanij nemecko-fasistskich zachvatcikov i ich soobsenikov i pricinennogo imi uscerba grazdanam, kolchozam, obscestvennym organizaeijam, gosudarstvennym predprijatijam i ucrezdenijam SSSR, Außerordentliche Staatliche Kommission für die Feststellung und Untersuchung der Gräueltaten der deutschfaschistischen Eindringlinge und ihrer Mitschuldigen und des von ihnen den Bürgern, den Kolchosen und gesellschaftlichen Organisationen, den staatlichen Unternehmen und Einrichtungen der UdSSR verursachten Schadens Central Intelligence Agency, US-Geheimdienst Counter Intelligence Corps, US-Spionageabwehr Central'nyj ispolnitel'nyj komitet VKP (b), Zentrales Exekutivkomitee der KPdSU (B) Tschechoslowakische Sozialistische Republik delo, Akte Deutsche Demokratische Republik Deutsche Jungenschaft Deutsche Mark Deutsches Rotes Kreuz Deutsche (Zentral-)Verwaltung des Innern (SBZ) Deutsche Volkspolizei Deutsche Volkspartei/Freie Demokratische Partei European Advisory Commission ( 1943-1945) edinica chranenija, Aufbewahrungseinheit Evangelische Kirche in Deutschland Evropejskaja konsul'tativnaja komissija (= EAC) Evangelisches Hilfswerk für Kriegsgefangene und Internierte e.V. fond, Bestand Frankfurter Allgemeine Zeitung Frontovoj Priemno-peresyl'nyj lager', Front-Aufnahme- und -Verteilungslager Federal'naja sluzba bezopasnosti RF, Föderaler Sicherheitsdienst der Russischen Föderation Gosudarstvennyj archiv Volgogradskoj oblasti, Staatsarchiv des Volgograder Oblast'
420
Anhang
GARF
Gosudarstvennyj archiv Rossijskoj Federacii, Staatsarchiv der Russischen Föderation gen. general'nyj, General-/HauptGeheime Staatspolizei Gestapo Geheime Feldpolizei GFP Glavnyj informacionnyj centr MVD RF, HauptinformationszenGIC MVD RF trum des Innenministeriums der Russischen Föderation Gosudarstvennyj komitet oborony, Staatliches Verteidigungskomitee GKO Glavnoe upravlenie lagerej gidrotechniceskogo stroitelstva MVD, Glavgidrostroj MVD MVD-Hauptverwaltung der Lager für Wasser(straßen)bau Glavnoe upravlenie lagerej po stroitelstvu Volgo-Donskogo sudoGlavgidrovolgodonstroj MVD chodnogo kanala MVD, MVD-Hauptverwaltung der Lager für den Bau des Volga-Don-Schifffahrtkanals Glavnoe politiceskoe upravlenie Raboce-Krest'janskoj Krasnoj GlavPURKKA Armii, Politische Hauptverwaltung der Roten Arbeiter- und Bauernarmee Gosplan SSSR Gosudarstvennyj planovyj komitet SSSR, Staatliches Plankomitee der UdSSR GRU Glavnoe razvedyvatel'noe upravlenie, Hauptverwaltung für Aufklärung (der Roten Armee) GSBT Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen (= GSOVG) Gruppa Sovetskich okkupacionnych vojsk ν Germanii, Gruppe GSOVG der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland Gruzinskaja Socialisticeskaja Sovetskaja Respublika, GruziniGSSR sche (Georgische) Sozialistische Sowjetrepublik Geschichte und Gesellschaft GuG GUKR/Smers
GULag NKVD/MVD GULZDS NKVD/MVD GUMZ NKVD/MVD GUPVI NKVD/MVD GUSOSDOR NKVD/MVD GUVS NKVD/MVD
Glavnoe upravlenie voennoj kontrrazvedki, Hauptverwaltung der militärischen Gegenaufklärung (Smert' spionam, Tod den Spionen) Glavnoe upravlenie lagerej NKVD/MVD, Hauptverwaltung der Lager des NKVD/MVD (1934-1956) Glavnoe upravlenie lagerej NKVD/MVD zeleznodoroznogo stroitelstva, Hauptverwaltung NKVD/MVD der Lager für den Bau von Eisenbahnstrecken Glavnoe upravlenie mest zakljucenija NKVD/MVD, Hauptverwaltung der Haftorte des NKVD/MVD Glavnoe upravlenie po delam voennoplennych i internirovannych NKVD/MVD, Hauptverwaltung des NKVD/MVD für Kriegsgefangene und Internierte (1945-1951) Glavnoe upravlenie NKVD/MVD sossejnich dorog, Hauptverwaltung NKVD/MVD für den Fernstraßenbau Glavnoe upravlenie voennogo snabzenija NKVD/MVD, Hauptverwaltung des NKVD/MVD für Militärversorgung
Abkürzungsverzeichnis GUVT GUWO NKVD/MVD GVP GWU HAIT HLKO HVDVP HZ ID IfA IKRK IMG IMT ITP ITK ITL JbGO JCH Jg. JMH KdS KG KGB SSSR KgU KL KPD KPdSU (B) KV NKVD/ MVD KZ 1. LBI LDPD LKW Mdl MfS
421
Glavnoe upravlenie voennych tribunalov, Hauptverwaltung der Militärtribunale (im Volkskommissariat für Justiz) Glavnoe upravlenie vnutrennich vojsk NKVD/MVD, Hauptverwaltung der Inneren Truppen des NKVD/MVD Glavnyj voennyj prokuror/Glavnaja voennaja prokuratura, Hauptmilitärstaatsanwalt ( schaft) Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907 Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei Historische Zeitschrift Infanterie-Division Institut für Archivauswertung Internationales Komitee vom Roten Kreuz Internationaler Militärgerichtshof (= IMT) International Military Tribunal, Internationaler Militärgerichtshof Ispravitel'no-trudovoe pravo, Besserungsarbeitsrecht Ispravitel'no-trudovaja kolonija, Besserungsarbeits-Kolonie Ispravitel'no-trudovoj lager', Besserungsarbeits-Lager Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas Journal of Contemporary History Jahrgang Journal of Modern History Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Kontrollratsgesetz Komitet gosudarstvennoj bezopasnosti SSSR, Komitee für Staatssicherheit der UdSSR (ab März 1954) Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit Konzentrationslager Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion (Bolschewiken) Konvojnye vojska NKVD/MVD, Konvojtruppen des NKVD/ MVD Konzentrationslager list, Blatt Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung, Graz Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Lastkraftwagen Ministerium des Innern Ministerium für Staatssicherheit
422 MG MGB SSSR MGM MID SSSR MinVoor SSSR MJu SSSR MPi MPS SSSR MVD SSSR MVS SSSR NA NKFD NKGB
Anhang Maschinengewehr Ministerstvo/Ministr gosudarstvennoj bezopasnosti SSSR, Minister(ium) für Staatssicherheit der UdSSR Militärgeschichtliche Mitteilungen Ministerstvo/Ministr inostrannych del, Außenminister(ium) der UdSSR Ministerstvo/Ministr vooruzenija, Rüstungsminister(ium) der UdSSR Ministerstvo/Ministr justicii, Justizminister(ium) der UdSSR Maschinenpistole Ministerstvo/Ministr putej soobscenij, Verkehrsminister(ium) der UdSSR Ministerstvo/Ministr vnutrennich del SSSR, Innenminister(ium) der UdSSR Ministerstvo/Ministr vooruzennych sil, Minister(ium) der Streitkräfte der UdSSR Nichtamnestierte Nationalkomitee „Freies Deutschland" Narodnyj Komissar(iat) gosudarstvennoj bezopasnosti, Volkskommissariat) für Staatssicherheit der UdSSR
NKID SSSR
Narodnyj Komissar(iat) inostrannych del, Volkskommissar(iat) für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR
NKO SSSR
Narodnyj Komissar(iat) oborony, Volkskommissar(iat) für Verteidigung der UdSSR Narodnyj Komissar(iat) putej soobscenij, Volkskommissar(iat) für Verkehrswesen der UdSSR Nacional'nyj komitet „Svobodnaja Germanija", Nationalkomitee „Freies Deutschland" (= NKFD) Narodnyj Komissar(iat) vnutrennich del, Volkskommissar(iat) des Innern der UdSSR Narodnyj Komissar(iat) zdravoochranenija SSSR, Volkskommiss a r i a t ) für Gesundheitswesen der UdSSR Nationalsozialismus, nationalsozialistisch Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationale Volksarmee
NKPS SSSR NKSG NKVD SSSR NKZ SSSR NS NSDAP NVA 0. ob ODSK NKVD/ MVD OG OGPU
opis', Verzeichnis, Inventar obratnaja storona, Rückseite Osobyj dorozno-stroitel'nyj korpus, Besonderes Straßenbaukorps des N K V D / M V D Oberstes Gericht Ob-edinennoe gosudarstvennoe politiceskoe upravlenie, Vereinigte staatliche politische Verwaltung ( 1 9 2 2 - 1 9 3 4 )
Abkürzungsverzeichnis OITK UMVD
423
Otdel ispravitel'no-trudovych kolonij, Abteilung für Besse-
rungsarbeits-Kolonien bei den UMVD OK Ozdorovitel'naja komanda, Genesungskommando OKW Oberkommando der Wehrmacht O O NKVD Osobyj otdel NKVD, Sonderabteilung des NKVD OP Operativop. opis', Verzeichnis, Inventar, Teibestand OPVI UNKVD/ Otdel/Otdelenie po delam voennoplennych i internirovannych, UMVD Abteilung/Unterabteilung für Kriegsgefangene und Internierte bei den UNKVD/UMVD ORB MVS Osobyj rabocij batal'on, Arbeitssonderbataillon des Ministeriums der Streitkräfte OSMC Osobaja stroitel'no-montaznaja cast', Bau- und Montagesondereinheit OSMU Otdel'noe stroitel'no-montaznoe upravlenie, Separate Bau- und Montageverwaltung OSO pri NKVD/Osoboe sovescanie pri N K V D / M V D / M G B , Sonderberatung, MVD/MGB Sonderkommission beim NKVD/MVD/MGB (= OSO) OSSO OT Organisation Todt OURZ GULag Otdel uceta i raspredelenija zakljucennych, Abteilung der GULag für Registrierung und Verteilung der Strafgefangenen papka, Akte(ndeckel), Mappe P· PA Politische Arbeit PA AA Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Politkultur PK PKW Personenkraftwagen por. portfel', Aktentasche, -mappe PPO Proizvodstvenno-planovyj otdel/otdelenie, Produktions- und Planungsabteilung einer Lagerverwaltung/-abteilung Priemnyj punkt voennoplennych, Aufnahmepunkt für KriegsgePPV fangene prokuror, Staatsanwalt Prok. PURKKA Politiceskoe upravlenie Raboce-Krest'janskoj Krasnoj Armii, Politische Verwaltung der Roten Arbeiter- und Bauernarmee Prezidium Verchovnogo Soveta, Präsidium des Obersten PVS Sowjets PzDiv Panzer-Division RCChlDNI Rossijskij centr chranenija i izucenija dokumentov novejsej istorii, Russisches Zentrum zur Aufbewahrung und Erforschung von Dokumenten der neuesten Geschichte Rossijskij gosudarstvennyj archiv social'no-politiceskoj istorii, RGASPI Russisches Staatliches Archiv für sozialpolitische Geschichte
424 RGVA
Anhang
Rossijskij gosudarstvennyj voennyj archiv, Russisches Staatliches Militärarchiv RIAS Rundfunksender im amerikanischen Sektor (in Berlin) RL Reichsleiter RSD Reichs-Sicherheitsdienst RSFSR Rossijskaja Socialisticeskaja Federativnaja Sovetskaja Respublika, Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik RSHA Reichssicherheitshauptamt s sekretno, geheim SA Sturmabteilung SAG Sowjetische Aktiengesellschaft SBZ Sowjetische Besatzungszone SD Sicherheitsdienst SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SFB Sowjetischer Frontbericht Sipo Sicherheitspolizei SKK Sowjetische Kontrollkommission SMA(D) Sowjetische Militäradministration (in Deutschland) Smers Smert' spionam, Tod den Spionen (= GUKR/Smers) SMG schweres Maschinengewehr SMT Sowjetisches Militärtribunal SNK SSSR Sovet Narodnych Komissarov SSSR, Rat der Volkskommissare der UdSSR SNO Sojuz nemeckich oficerov, Bund Deutscher Offiziere (= BDO) SOKKiKP SSSR Sojuz Obscestv Krasnogo Kresta i Krasnogo Polumesjaca, Allianz der Gesellschaften vom Roten Kreuz und vom Roten Halbmond der UdSSR SovMin SSSR Sovet Ministrov SSSR, Ministerrat der UdSSR SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPV Sbornyj punkt voennoplennych, Sammelpunkt für Kriegsgefangene ss soversenno sekretno, streng geheim SS Schutzstaffeln der NSDAP SS-Stubaf. SS-Sturmbannführer SS-UStf. SS-Untersturmführer SSD Staatssicherheitsdienst SSR Sovetskaja Socialisticeskaja Respublika, Sozialistische Sowjetrepublik SSSR Sojuz Sovetskich Socialisticeskich Respublik, Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (= UdSSR) StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung
Abkürzungsverzeichnis
425
Strafvollzugsanstalt Sowjetunion torn, Band Telegrafnoe Agentstvo Sovetskogo Sojuza, Telegrafenagentur der Sowjetunion tem.sb. tematiceskij sbornik, Themenband trudovoj fond, Anzahl der einsatzfähigen Kriegsgefangenen trudfond eines Lagers Technische Universität TU Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UdSSR UITLK UMVD/ Upravlenie ispravitel'no-trudovych lagerej i kolonij, Verwaltung MVD der Besserungsarbeitslager und -kolonien der UMVD/MVD UK Ugolovnyj kodeks, Strafgesetzbuch UKR Upravlenie Kontrrazvedki, Verwaltung der militärischen Gegenaufklärung ULLP MVD Upravlenie lagerej lesnoj promyslennosti MVD, MVD-Verwaltung Lager des Ministeriums für Holzindustrie UMVD SSSR Upravlenie Ministerstva vnutrennich del SSSR, Verwaltung des MVD (auf Republiks-, Bezirks- oder Kreisebene) UNKVD SSSR Upravlenie Narodnogo komissariata vnutrennich del SSSR, Verwaltung des NKVD (auf Republiks-, Bezirks- oder Kreisebene) Upravlenie osobych otdelov NKVD, Verwaltung SonderabteilunUOO NKVD gen des NKVD Ugolovno-processual'nyj kodeks, Strafprozessordnung UPK Upravlenie NKVD po delam voennoplennych, Verwaltung des UPV NKVD NKVD für Kriegsgefangene ( 1939) UPVI NKVD/ Upravlenie NKVD/MVD po delam voennoplennych i interniroMVD vannych, Verwaltung des NKVD/MVD für Kriegsgefangene und Internierte (1939-1945, 1951-1953) USSR Ukrainskaja Socialisticeskaja Sovetskaja Respublika, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik USVR Upravlenie stroitel'no-vosstanovitel'nych rabot, Verwaltung für (Auf)bauarbeiten UVD Upravlenie vnutrennich del, Verwaltung für Inneres UVS NKVD Upravlenie NKVD voennogo snabzenija, Verwaltung des NKVD für Militärversorgung UVSR Upravlenie Voenno-stroitel'nych rabot, Verwaltung für Bauarbeiten für Militärzwecke v/c voinskaja cast', Truppenteil VCK Vserossijskaja crezvycajnaja komissija (bor'by s kontrrevoljuciej i sabotazem), Allrussische Sonderkommission (zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage), Tscheka (Dezember 1917-Februar 1922) StVA SU t. TASS
426 VdH Verf. VEZ VK VKP (b) VMN Vopo VP VPKA VT VTK
vu WK WUSt ZfG ZK ZRS ZSdVP ZSL
Anhang Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V. Verfasser/-in Verurteilungserklärung über Zurückgehaltene Vspomogatel'naja komanda, Hilfskommando/-konvoj Vsesojuznaja Kommunisticeskaja partija (bol'sevikov), Allunions- Kommunistische Partei (Bolschewiken) (= KPdSU) Vyssaja mera nakazanija, „Höchstes Strafmaß", Todesstrafe Volkspolizei, Volkspolizist Volkspolizei Volkspolizei-Kreisamt Voennyj tribunal, Militärtribunal Vracebno-trudovaja komissija, Arbeitsmedizinische Kommission Verurteilte Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte Wehrmacht-Untersuchungsstelle Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zentralkomitee Zentrale Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes Zentralschule der Volkspolizei (für den Strafvollzug) Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Ludwigsburg
Personenregister
427
Personenregister Seitenangaben mit Stern beziehen sich auf eine Fußnote.
Abakumov, Viktor S. 178, 1 9 9 - 2 0 3 , 232*, 236, 241, 245, 248*, 3 6 0 Adenauer, Konrad 7, 19, 29*, 38, 41, 43, 50*, 52*, 136, 249, 2 5 3 , 254, 2 6 2 , 266, 267, 273, 282*, 295*, 299, 311, 313, 345 Afanas'ev, Ν. P. 224 Appelt, Rudolf 260* Arndt, Adolf 311,312 Bährens, Kurt 57-61, 93 Baumkötter, Heinz 309*, 321*, 328*, 345 Becker, Eberhard 61, 104*, 114* Becker, Helmut 97 Beckerle, Adolf 2 9 8 Belov, Oberst, Stellv. Leiter der UPVI 2 0 5 Bendyk, O. 3 8 0 Benjamin, Hilde 300*, 302, 304* Bentivegni, Franz 96*, 245 Berija, Lavrentij P. 67*, 112*, 185*, 2 0 7 , 2 1 9 , 231*, 232, 249, 255, 256, 257*, 2 5 8 , 260, 360, 362, 379, 3 8 0 Bernhard, Friedrich G. 247* Bezborodova, Irina V. 65* Bezymenskij, Lev Α. 63* Bitter, Margarethe 30 Bockov, Viktor M. 184, 187* Böhme, Kurt W. 36*, 54, 57*, 59,
62
Borchard, Michael 52*, 62 Braun, Eva 324 Braunstädter, A. 374 Brockhaus, Andreas 45, 46, 47*, 48, 49, 59* Brückner, Hardo 310 Bulanov, Michail 200, 201, 203,
206
Bulganin, Nikolaj A. 276*, 281, 282*, 345 Burckhardt, Karl 374
Canaris, Wilhelm 324 Cchikvadze, Viktor M. 47* Cel'cov, Michail A. 90 Cernysov, Vasilij V. 106 Chorinski, Nikolaus 374 Chruscev, Nikita S. 50*, 106, 249, 258, 265, 266, 269, 270, 281, 296, 345,357 Clauberg, Carl 2 9 8 Demin, Jurij G. 197*, 3 6 8 Derre (Dörre), Erwin 207 Dibelius, Otto 243* Dietrich, Joseph (Sepp) 2 0 6 Dobrynin, Georgij P. 125 Dolgich, Ivan I. 120* Dreßler, Helmuth von 60* Dunaev, Oberst der Justiz, Militärstaatsanwalt 201 Eccarius, Kurt 309*, 321*, 328*, 345 Eisenhower, Dwight D. 50*, 255 El'cin, Boris N. 353, 357, 3 6 8 Epifanov, Aleksandr E. 66 Ezov, Nikolaj I. 3 6 0 Fadeev, Aleksandr A. 330* Figi, Leopold 348* Fraenkel, Ernst 18, 110*, 184, 235* Frehsen, Lagerleiter Friedland 289*, 290 Frey, Georg 60 Frinovskij, Michail P. 3 6 0 Ganschow, Gerhard 371 Gawlik, Hans 55, 59* George, Heinrich 377 Gerstenmaier, Eugen 36*, 41* Goebbels, Josef 183 Goljakov, Ivan T. 184, 194, 195 Gollwitzer, Fritz W. 309* Gorkin, Aleksandr F. 184
428 Gorsenin, Konstantin P. 195, 202, 203, 232*, 241, 258 Gottschalk, Friedrich 234* Grewe, Wilhelm 267* Gromyko, Andrej A. 126* Grotewohl, Otto 258, 265*, 281, 297*, 300 Grüber, Heinrich 348* Günsche, Otto 295*, 324 Guerrero, José 38, 39*, 40, 50* Gurewitsch, Anatoli 323* Hafner, Otto 312 Hallstein, Walter 39*, 43 Hanebitter, Chef des SD in Char'kov
206
Harriman, William Avereil 110*, 217* Hausmann, Präsident DRK Niedersachsen 289* Heckel, Theodor 290* Heinemann, Gustav 44, 253* Hempel, Horst 309*, 321*, 328*, 345 Hergt, Raimund 36*, 289, 305, 311 Herzog, Kurt 309* Heuss, Theodor 38, 264 Heydrich, Reinhard 299* Heyers, Karl 60 Hilger, Andreas 62 Hirschfeld, Hans-Richard 40* Hitler, Adolf 12, 101*, 109, 206, 322, 324, 337, 347* Hitter (Gitter), Alfons A. 309* Hitzegrad, Ernst 234* Höhn, August 299*, 305, 309*, 321*, 328*, 345 Hopkins, Harry 110*, 217* Jakovlev, Aleksandr N. 381 Janci, Heinz 202, 204 Jeckeln, Friedrich 247* Jordan, Rudolf 298 Kalinin, Michail I. 185 Kant, Immanuel 86 Kapp, Karl 306*, 308*, 337, 338, 348 Karner, Stefan 63
Anhang Karrhan, Polizeikommissar der GFP
206
Kaulfersch, Rolf 304 Keitel, Ernst W. 321 Keitel, Wilhelm 321 Kerpert, Rudolf 1 9 9 , 2 0 4 Kirschfeld, Robert 2 0 0 - 2 0 2 , 204 Kislicyn, Michail K. 368 Kleist, Ewald von 95*, 96*, 245 Knittler, Martin 309*, 321*, 328, 345 Kobulov, Amajak Z. 126*, 127-130, 167, 221, 223, 2 2 7 - 2 2 9 , 232, 243, 247, 251 Kobulov, Bogdan Z. 128* Koch, Hans 53, 54, 55* Kohl, Helmut 368 Kolcak, Aleksandr V. 320*, 360 Konasov, Viktor B. 66 Kondratov, Valerij K. 368, 384* Konradi, Max R. 309* Kosevoj, Oleg 330 Kovalevskij, Viktor 201, 204 Krähe, Josef 289* Krasnov, Petr N. 360 Kraus, Herbert 28 Kruglov, Sergej N. 104, 114*, 126*, 207, 212, 214*, 215, 218, 219, 222, 227, 229*, 2 3 1 - 2 3 3 , 236, 237, 2 3 9 - 2 4 3 , 256, 258 Krupennikov, Arkadij A. 67 Krupp, Alfried 298 Kuhn, Joachim 111 Kunowski, Werner von 199, 204 Kuznecov, Michail V. 264 Lang, Martin 60, 61 Langheld, Wilhelm 199, 2 0 1 - 2 0 3 Lasch, Bernhard-Otto G. 298* Lehmann, Ulrich 371 Lenin, Vladimir I. 74 Leonov, Oberst, Untersuchungsabteilung der GUKR Smers 202 Lie, Trygve 36, 38 Lodge, Henry Cabot 41 Loida, Hans 200, 201, 204 Ludwig, Werner 344
Personenregister Malenkov, Georgij M. 184, 185, 202, 219, 232, 258 Maron, Karl 300, 301, 303, 304 Marx, Karl 71 Maschke, Erich 53-56, 57*, 93 Maurach, Reinhart 34, 60, 85, 92*, 179 Mayer, August 291-294, 300, 301, 303 Meder, Otto 199, 204 Melsheimer, Ernst 304 Menzel, Walter 264 Mesny, Maurice 322* Mielke, Erich 3 0 1 - 3 0 4 , 3 3 5 , 3 4 4 * Mischnik, Wolfgang 50* Mjasnikov, Α. N. 201, 203, 206 Mohnke, Wilhelm 323*, 324 Molotov, Vjaceslav M. 188, 194, 195, 199-204, 207, 213, 214*, 219, 231*, 232, 235, 239, 241, 242, 251, 255*, 256, 258, 259, 278*, 302 Morin, Aleksandr E. 384* Moritz, Polizeikommissar der GFP
206 Müller, Heinrich 322, 323* Mütel, Hans-Joachim 372 Nahm, Peter P. 43* Nasedkin, Viktor G. 116* Neumayer, Fritz 311 Nicolai, Walter 371 Niehoff, Hermann H. 298* Niemöller, Martin 44, 253, 254 Nikol'skij, Michail I. 101* Nikolskij, V. 228* Nureev, Rudol'f 360 Oberländer, Theodor 53 Ochsner, Wilhelm R. 309* Panicev, Valentin N. 368 Pannwitz, Heinz 323 Pannwitz, Helmuth von 27, 65* Panzinger, Friedrich 3 2 1 - 3 2 4 , 3 2 7 Paulus, Friedrich 237, 242, 246, 262*, 265* Perevertkin, Semen N. 283, 284, 287*
429
Perlov, Stellv. Volkskommissar für Justiz der RSFSR 203 Petrov, Ivan A. 126*, 205 Petrov, Nikita V. 67 Pieck, Wilhelm 266, 267* Piekenbrock, Hans F. 323, 324, 327 Pitovranov, Evgenij P. 245 Possekel, Ralf 109 Puskin, Georgij M. 264, 265*, 266, 297 Putin, Vladimir V. 384 Puttkamer, Hasso H. von 373, 374 Quade, Erich F. von 259* Raab, Julius 280 Rattenhuber, Hans 101*, 109, 323*, 324 Rau, Johannes 384 Rehn, Ludwig 309*, 321*, 328, 345 Remlinger, Heinrich 374 Resin, Leonid E. 65 Retzlaff, Reinhard 2 0 0 - 2 0 3 Riesser, Hans E. 41*, 45* Rietz (Ritz), Hans-Georg 25*, 201-203,205 Romanov, Dmitrij K. 360 Romanov, Georgij M. 360 Romanov, Nikolaj M. 360 Romanov, Pavel A. 360 Rosenberg, Alfred 206 Rudenko, Roman A. 130, 190* Rupprecht, Josef H. 309* Ryckov, Nikolaj M. 150, 187, 188, 194, 195, 207 Safonov, Grigorij N. 232*, 236, 241 Sakowski, Paul 309*, 345* Sandner, Hans 207 Sass, Eduard G.von 374 Sasse, Karl G. 309* Saver, Boris M. 378 Scerbakov, Aleksandr S. 202, 203, 204* Schätzel, Walter 28 Schenk, Ernst-Günther 270 Schimmelpfennig, Herbert 374 Schirdewan, Karl 296, 297 Schirmer, Gerhart 124*
430 Schmid, Carlo 282* Schmidt, Richard 234* Schörner, Ferdinand 33*, 189*, 245, 263 Scholmer, Josef 123 Schubert, Wilhelm 309*, 312, 321*, 328*, 345 Schumacher, Kurt 337, 348 Seifert, Willi 293* Semenov, Grigorij M. 360 Semenov, Vladimir S. 243*, 251 Serov, Ivan A. 111, 129*, 213, 215, 222, 224, 226, 227, 235, 238, 243, 252,364 Sevcova, Ljubov' 330 Seydlitz-Kurzbach, Walter von 65, 101, 136, 237, 298 Simon, Max 206 Skuro, Andrej G. 360 Sokolov, Sergej L. 209 Solzenicyn, Aleksandr I. 7, 19, 100* Sorge, Gustav 309*, 312, 321*, 328*, 345 Spranger, Martin 302 Stalin, Iosif V. 10, 12, 18-20, 67*, 74, 95*, 99, 101, 108*, 110*, 112, 136, 149, 150, 151*, 177, 178, 180, 184-186, 192, 197, 200, 201, 203, 204, 206, 207, 214*, 217, 227, 231, 235, 237, 239, 242, 248, 249, 255*, 262, 271, 277, 342, 350, 354, 360, 362, 365, 379, 380 Stalin (Dzugasvili), Vasilij I. 360 Stauch, Herbert 372 Stauffenberg, Claus Graf Schenk von 111 Stolypin, Petr A. 114 Strecker, Karl 234* Studnitz, Ernst-Jörg von 376 Sviridov, Michail E. 378 Thälmann, Ernst 322, 333 Timofeev-Resovskij, Vladimir N. 360
Anhang Traudt, Hans J. 309* Trepper, Leopold 323* Trützschler, Heinz J. von 36*, 45* Tschirner, Herbert 373 Tutuskin, Fedor Ja. 285 Ueberschär, Gerd R. 61 Ulbricht, Walter 251, 257, 259*, 269, 281, 297 Ungern von Sternberg, Roman F. 360 Vesnovskaja, Galina F. 375 Vorosilov, Kliment E. 50*, 264, 266 Voss, Hans 96*, 263* Voznesenskij, Nikolaj A. 97* Vysinskij, Andrej Ja. 186-188,195, 199, 207, 231, 237, 239, 241, 242 Wagenlehner, Günther 8, 11, 63, 129, 130 Wagner, Kurt 343* Wahl, Eduard 28 Wehner, Herbert 36*, 41* Weidling, Helmut 245 Weitz, Heinrich 44*, 253, 254, 264, 344, 345 Wild, Harry 371 Wirth, Joseph 254* Wolff, Helmut 54* Wolff, Karl 323* Wulf, Polizeisekretär 206 Zarusky, Jürgen 184* Zdanov, Andrej A. 218 Zejdin, Generalmajor, Leiter der Hauptverwaltung für Militärtribunale im NKJu 181, 192, 196 Zorin, Valerian Α. 214*, 253*, 270* Zukov, Georgij Κ. 364
Ortsregister
431
Ortsregister Seitenangaben mit Stern beziehen sich auf eine Fußnote.
Aispute (Lettland) 322* Aleksandrov (Irkutsk) 104*, 108 Alekseevka (Stalingrad, heute Volgograd) 199,200 Archangelsk 104* Armavir 195* Armenien 76 Artemovsk 317, 331, 332 Asbest (Sverdlovsk, heute Ekaterinburg) 127*, 132, 230, 286 Auschwitz 298, 299*, 312*, 321, 327*, 346, 347* Auschwitz-Birkenau 321, 346* Auschwitz-Monowitz 321* Auschwitz, Nebenlager Lagischa 346* Azerbajdzan 76, 155 Bad Godesberg 63 Bad Kreuznach 28 Bautzen 51, 275, 285, 2 9 0 - 2 9 5 , 300, 301, 303, 304*, 305, 327*, 337, 343, 345, 347*, 376 Belaja Cerkov' (Ukraine) 238, 330* Berdicev (Ukraine) 318*, 319* Beresino 318*, 319* Berlin 1 6 7 , 2 6 0 , 2 8 7 , 3 0 5 , 3 2 1 * , 322-324, 328, 331, 333, 335*, 344, 348*, 371 Berlin (Ost) 44*, 338 Berlin (West) 36, 40, 44*, 301, 334*, 335*, 336, 337*, 338-340, 343, 345 Berlin-Hohenschönhausen 338 Berlin-Lichtenberg 334, 338 Berlin-Pankow (siehe auch Sachsenhausen) 309, 321, 340 Bernburg 375 Bielostok 318*, 319* Bistritz (Rumänien) 158 Bobrujsk 208*, 230, 309, 318* Bochum 158 Bonn 28, 52*, 197*, 289, 298, 299, 345 Borisovo (Weißrussland) 320* Borovici (Novgorod) 113
Brandenburg 305, 345* Breslau 172,341* Brest (Weißrussland) 99, 244, 287, 288 Brjansk (Weißrussland) 177, 227*, 318* Buchenwald 312*, 321, 331, 346*, 376 Buchenwald, Kommando Kloster Blankenburg 331 Budapest 191 Bulgarien 379 Celjabinsk 108, 157 Cernzy (Ivanovo) 282 Char'kov (Ukraine) 25*, 67, 102, 171, 179, 188*, 196, 199-207, 318* Chemnitz 334 Cholm (Polen) 318*, 319* Ckalov (heute Orenburg) 103 Dachau 321, 322*, 338, 346*, 348* Dal'nevostocnyj kraj (Region) 106* Dal'stroj (Dal'nevostocnyj kraj) 106* Darnica (Kiev) 199 Degtjarka (Sverdlovsk, heute Ekaterinburg) 130, 230 Dergacy (Char'kov) 199 Dnepropetrovsk (Ukraine) 125, 156, 238,240* Döbeln 337* Don 97 Donecker Becken 129, 174 Dresden 64 Düsseldorf 345 Dulag 205 siehe Alekseevka Dzeskasgan siehe Steplag Eberswalde 270,284* Esentuki 185* Estland 76,234* Feodosia 318* Flossenbürg 322* Frankfurt am Main 157
432 Frankfurt (Oder) 174, 242*, 259, 275, 288, 290, 291*, 292, 298 Freiburg 28, 56* Friedland 45, 274, 275, 285*, 289*, 301*, 306, 323*, 327* Genf 39, 40, 42, 45*, 48, 127, 128, Georgien 76, 158, 160*, 230 Gera 338 Glogau 333 Gomel' (Weißrussland) 309, 321* Görlitz 373 Göttingen 28 Gor'kij (heute Niznij Novgorod) 223, 230, 283 Graz 64 Groß-Kaine 337* Halle 304, 317, 331, 332, 334, 335* Hamburg 26, 28, 54, 347* Hannover 332* Hannoversch-Münden 51, 58, 275, 289, 305, 306, 311 Hansenberg (Pfalz) 158 Heidelberg 28, 53, 159 Herleshausen 275, 288, 337 Hof-Moschendorf 134* Hoheneck 275, 292, 294*, 300, 343, 345 Hoyerswerda 294 Indigirka 104* Inta (Komi ASSR) 104*, 107, 117* Irkutsk 104*, 108, 111 Ivanovo 125, 223, 230, 234*, 282 Izevsk (Udmurtien) 168, 172, 173 Jakutien 104* Jaita 362, 379 Jaroslavl' 360 Jena 338, 372 Kalinin (heute Tver') 152 Kamenec-Podol'sk (Ukraine) 318* Karaganda (Kazachstan) 104*, 106*, 108, 114*, 118, 164, 165, 240* Karelo-Finnland 76 Kargopol' 104* Karlag (Karaganda) 106*, 116*
Anhang Karpaten 225, 226 Katyk (Ukraine) 230 Katyn' 114*, 183, 198, 200, 202, 203 Kaunas (Litauen) 318*, 333 Kazachstan 75, 106*, 108, 165 Kazan' 101, 135*, 271, 284*, 321* Kemerovo 106*, 230 Kengir (Karaganda) 114*, 124 Kiev (Ukraine) 156, 189, 190*, 191, 196, 199, 206, 225, 230, 244*, 330* Kirgisien 75 Kislovodsk 185* Kloster Blankenburg siehe Buchenwald, Kommando Kloster Blankenburg Koblenz 53 Köln 156 Kothen 337*, 347* Kolyma 104*, 107, 108*, 113 Komi ASSR 103, 106, 107, 108*, 113, 122, 189 Korosten' (Ukraine) 230 Kramatorsk (Char'kov) 153 Kraslag (Krasnojarskij kraj) 125* Krasnodar 182*, 187, 195, 200, 205, 227*, 238 Krasnodon 330 Krasnogorsk 230, 244 Krasnojarsk 104*, 283 Krasnojarskij kraj 106 Krasnyj Luc (Ukraine) 160 Kremencug (Ukraine) 196 Kriegsgefangenenlager Nr. 27 siehe unter Krasnogorsk Kriegsgefangenenlager Nr. 48 siehe unter Cernzy, Ivanovo Kriegsgefangenenlager Nr. 56 siehe unter Bobrujsk Kriegsgefangenenlager unter Litauen Kriegsgefangenenlager unter Kiev Kriegsgefangenenlager unter Gor'kij Kriegsgefangenenlager unter Udmurtien Kriegsgefangenenlager unter Voronez
Nr. 57 siehe Nr. 62 siehe Nr. 74 siehe Nr. 75 siehe Nr. 82 siehe
Ortsregister Kriegsgefangenenlager Nr. 108 siehe unter Stalingrad Kriegsgefangenenlager Nr. 110 siehe unter Ovruc Kriegsgefangenenlager Nr. 144 siehe unter Mingecaur Kriegsgefangenenlager Nr. 153 siehe unter Kratmatorsk Kriegsgefangenenlager Nr. 181 siehe unter Georgien Kriegsgefangenenlager Nr. 182 siehe unter Rostov-na-Donu Kriegsgefangenenlager Nr. 185 siehe unter Ivanovo Kriegsgefangenenlager Nr. 193 siehe unter Leningrad Kriegsgefangenenlager Nr. 207 siehe unter Molotov Kriegsgefangenenlager Nr. 216 siehe unter Kalinin Kriegsgefangenenlager Nr. 236 siehe unter Tiflis Kriegsgefangenenlager Nr. 256 siehe unter Krasnyj Luc Kriegsgefangenenlager Nr. 260 siehe unter Orsk Kriegsgefangenenlager Nr. 270 siehe unter Novgorod Kriegsgefangenenlager Nr. 315 siehe unter Dnepropetrovsk Kriegsgefangenenlager Nr. 362 siehe unter Stalingrad Kriegsgefangenenlager Nr. 388 siehe unter Moskau Kriegsgefangenenlager Nr. 437 siehe unter Vologda Kriegsgefangenenlager Nr. 441 siehe unter Georgien Kriegsgefangenenlager Nr. 464 siehe unter Kemerovo Kriegsgefangenenlager Nr. 471 siehe unter Katyk Kriegsgefangenenlager Nr. 475 siehe unter Rostov-na-Donu Kriegsgefangenenlager Nr. 476 siehe unter Asbest, Degtjarka, Sverdlovsk Kriegsgefangenenlager Nr. 5110/24 siehe unter Revda Krim 227*
433
Kronstadt 360 Kujbysev (heute Samara) 171 Kursk 227* Lager Nr. 1 (GULag) 286 Lager Nr. 22 (GULag) 286 Lager Nr. 23 (GULag) 286 Lager Nr. 24 (GULag) 286 Lager Nr. 25 (GULag) 286 Lager Nr. 26 (GULag) 286 Lager Nr. 27 (GULag) 286 Lager Nr. 28 (GULag) 286 Lagischa siehe Auschwitz, Nebenlager Lagischa Leipzig 152 Lemberg (heute Lviv, Ukraine) 197 Leningrad (heute Sankt-Peterburg) 152-154, 198, 227*, 374 Lettland 76 Lichtenberg siehe Berlin-Lichtenberg Litauen 76, 159 Lodz 346* Lublin 318*, 328 Ludwigsburg 332, 346 Magadan 104* Magdeburg 298, 332, 372 Mariinsk 104*, 118 Mariupol' 196 Mauthausen 346* Mecklenburg 331 Meiningen 155 Mineral'nye Vody 185* Mingecaur (Azerbajdzan) 155 Minsk 99, 189, 198*, 208*, 248* Mogilev 208*, 318*, 319*, 341 Moldawien 20 Molotov (heute Perm') 104*, 106, 230 Mordwinien 283 Moskau 8, 19, 29*, 37, 43, 50*, 52*, 71, 91, 97, 101*, 102, 109, 111, 114*, 125, 131, 136, 153, 163, 164, 166, 178, 179, 184, 2 0 4 - 2 0 6 , 212, 216, 218, 220, 221, 222*, 223, 229, 230, 232-235, 242, 249, 253, 260*, 262, 263*, 265*, 266, 267, 273-276, 278, 279, 282, 283, 287, 289, 303*, 308,
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Anhang
311, 313, 323, 329, 331, 334, 338-340, 342, 345, 360, 371 München 34, 41, 45, 46, 47*, 49, 51, 53, 54, 55*, 60, 184*, 324*, 348 Münster 345 New York 36, 37, 38*, 43*, 45* Nikolaev 207, 208* Niznij-Tagil 104* Norilsk (Krasnojarskij Kraj) 104*, 106, 107, 108*, 113*, 114*, 121, 124 Novgorod 113, 125, 227*, 230, 234*, 299*, 309 Novocerkassk 101, 131* Novosibirsk 104*, 154 Nürnberg 32, 37, 46, 74, 190*, 198, 337 Nunen 291* Odessa 318* Oppitz 337* Orel 227* Orsk (Ckalov, heute Orenburg) 103 Ost-Berlin siehe Berlin (Ost) Ostrau 337* Ovruc (Ukraine) 230 Ozerlag (Tajset, Gebiet Irkutsk, Sonderlager 7) 125* Pankow siehe Berlin-Pankow Pervouralsk 286 Petrozavodsk 104* Pinsk 196* Pjatigorsk 185* Polonnoe (Ukraine) 230 Poltava (Ukraine) 190*, 199, 309 Ponizevici (Ukraine) 230 Ponysskij (Gebiet Molotov, heute Perm') 106 Pot'ma 104*, 113*, 286 Potsdam 165,363 Prag 342 Priluki (Ukraine) 318* Privolzskij 175* Pskov 374 Radebeul 291, 292 Reclag siehe Recnoj
Recnoj (Vorkuta, Sonderlager 6) 108*, 113, 125* Reçu 318* Reichenberg 318* Resety (Sverdlovsk, heute Ekaterinburg) 286 Revda (Sverdlovsk, heute Ekaterinburg) 2 8 5 - 2 8 8 , 290* Riegenhausen 155 Riga (Lettland) 322, 333* Rjabovsk (Udmurtien) 172 Rochlitz 337* Rostov-na-Donu 125, 129, 227*, 230 Rovenki(Krasnodon) 330 Rüdersdorf 371 Rybinsk 104* Sachsenhausen (siehe auch BerlinPankow) 52, 287, 299*, 304*, 305, 306, 309-312, 321, 328*, 340, 344, 345, 346*, 376 Salechard 104* Salzwedel 172 Sarna 318* Schkeuditz 335* Schwerin 336* Sevastopol' 174 Severnaja Zemlja 104* Sewostlag (Dal'nevostocny kraj) 106* Sibirskij siehe Siblag Siblag (Kemerovo/Novosibirsk) 106*, 122 Simferopol' 317, 318*, 332 Smolensk 177, 2 0 0 - 2 0 4 , 227*, 318*, 319* Solikamsk (Sverdlovsk, heute Ekaterinburg) 104* Sonderlager Nr. 4 siehe Steplag Sonderlager Nr. 6 siehe Recnoj Sonderlager Nr. 7 siehe Ozerlag Stalingrad (heute Volgograd) 125, 127*, 128, 131-133, 135, 173, 174, 182, 196*, 199, 200, 230, 262* Stalino (heute Doneck) 97, 125, 191*, 318*, 330* Stalinsk 104* Stavropol' 185*
Ortsregister Steplag (Kolyma, Sonderlager 4) 108*, 113, 119*, 120*, 122* Stepnojlag siehe Steplag Stettin 166 Stolberg 336* Stuttgart 26, 28, 346* Suchobezvodnoe 285, 2 8 6 Sumy (Ukraine) 171 Sverdlovsk (heute Ekaterinburg) 125, 129, 130, 131*, 132, 135, 230, 269, 282, 283, 285, 286, 288* Sysran (Kujbysev, heute Samara) 171 Tadschikische SSR 76, 185* Tajset (Irkutsk) 104* Tarnopol'/Ternopor 238, 318* Tatarische ASSR 165, 167, 190* Tavda 104* Teheran 217 Temnikov (Mordovskaja ASSR) 107 Tiflis (Georgien) 154 Tomsk 106 Toronto 43, 44* Tula 227* Turkmenien 76 Udmurtien 165, 168, 172 Ukraine 76, 90 Ulan-Ude 104* Ural 125, 189*, 191 Usbekistan 76 Usjaty (Kemerovo) 2 3 0 Usol'lag (Solikamsk, Gebiet Sverdlovsk, heute Ekaterinburg) 125*
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Ust'-Uchta (Komi ASSR) 104* Ust'vymlag (Komi ASSR) 104*, 125* Velikie Luki 208*, 227*, 374 Verchneural'sk (Celjabinsk) 104*, 108, 113* Vinnica (Ukraine) 169, 197, 318*, 320* Vitebsk (Weißrussland) 299*, 309 Vjatlag (Kirov) 119* Vladimir 104*, 108, 109, 113, 114*, 117, 119*, 2 8 6 Vologda 64, 230 Vorkuta (Komi ASSR) 103, 104, 106, 107, 108*, 113, 114*, 115*, 118, 119*, 120*, 121-125, 127*, 305*, 309 Vorkutlag 106, 107, 189 Voronez 163, 164, 166, 182*, 227*, 230, 234* Vorosilovgrad (heute Lugansk) 125, 160, 174 Vostokurallag (Sverdlovsk, heute Ekaterinburg) 125* Vrsac (Werschetz) 29 Waldheim 302, 305 Warschau 328 Weißrussland 76, 234* West-Berlin siehe Berlin (West) Wien 328, 329 Woltersdorf 371 Zitomir 225, 238, 318* Zittau 169
Autorinnen und Autoren Andreas Hilger, Dr., Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter des HannahArendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Dresden. Leonid Kopalin, Stellvertretender Leiter der Verwaltung für die Rehabilitierung der Opfer politischer Repression, Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der RF. Persönlicher Mitarbeiter des Hauptmilitärstaatsanwalts der RF, Moskau. Nikita Petrov, Historiker, Stellvertretender Vorsitzender des Forschungszentrums „Memorial", Moskau. Ute Schmidt, Dr. habil., Privatdozentin, Sozialwissenschaftlerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Dresden. Friedrich-Christian Schroeder, Prof. Dr., Dr. h.c. (Breslau), Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozeßrecht und Ostrecht, Universität Regensburg. Cordula Wohlmuther, Historikerin, Wien. Günther Wagenlehner, Dr., Politikwissenschaftler, Direktor des Instituts für Archivauswertung. Präsident des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermißtenangehörigen e.V., Bonn. Manfred Zeidler, Dr., Historiker, Frankfurt a.M.
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Hannah-Arendt-Institut f ü r Totalitarismusforschung e. V. an der Technischen Universität Dresden
™L/V
Schriften des Hannah-Arendt-Instituts Nr. 1: Die politische „Wende" 1989/90 in Sachsen. Rückblick und Zwischenbilanz. Hg. von Alexander Fischer ( t ) und Günther Heydemann, 1995 Nr. 2: Die Ost-CDU. Beiträge zu ihrer Entstehung und Entwicklung. Hg. von Michael Richter und Martin Rißmann, 1995 Nr. 3: Stefan Creuzberger: Die sowjetische Besatzungsmacht und das politische System der SBZ, 1996 Nr. 4: Michael Richter: Die Staatssicherheit im letzten Jahr der DDR, 1996 Nr. 5: Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und in der Sowjetunion 1941 -1956. Hg. von Klaus-Dieter Müller, Konstantin Nikischkin und Günther Wagenlehner, 1998 Nr. 6: Lothar Fritze: Täter mit gutem Gewissen. Über menschliches Versagen im diktatorischen Sozialismus, 1998 Nr. 7: Totalitarismustheorien nach dem Ende des Kommunismus. Hg. von Achim Siegel, 1998 Nr. 8: Bernd Schäfer: Staat und katholische Kirche in der DDR, 1998 Nr. 9: Widerstand und Opposition in der DDR. Hg. von Klaus-Dietmar Henke, Peter Steinbach und Johannes Tuchel, 1999 Nr. 10: Peter Skyba: Vom Hoffnungsträger zum Sicherheitsrisiko. Jugend in der DDR und Jugendpolitik der SED 1949-1961,
2000 Nr. 11: Heidi Roth: Der 17. Juni 1953 in Sachsen. Mit einem einleitenden Kapitel von Karl Wilhelm Fricke, 1999 Nr. 12: Michael Richter/Erich Sobeslavsky: Die Gruppe der 20. Gesellschaftlicher
Aufbruch und politische Opposition in Dresden 1989/90, 1999 Nr. 13: Johannes Raschka: Justizpolitik im SED-Staat. Anpassung und Wandel des Strafrechts während der Amtszeit Honeckers, 2000 Nr. 15: Ralf Ahrens: Gegenseitige Wirtschaftshilfe? Die DDR im RGW - Strukturen und handelspolitische Strategien 1963-1976, 2000 Nr. 16: Frank Hirschinger: „Zur Ausmerzung freigegeben". Halle und die Landesheilanstalt Altscherbitz 1933-1945, 2001 Nr. 17: Sowjetische Militärtribunale. Bd. 1 : Die Verurteilung deutscher Kriegsgefangener 1941-1953. Hg. von Andreas Hilger, Ute Schmidt und Günther Wagenlehner, 2001 Nr. 18: Karin Urich: Die Bürgerbewegung in Dresden 1989/90, 2001 Nr. 19: Innovationskulturen und Fortschrittserwartungen im geteilten Deutschland. Hg. von Johannes Abele, Gerhard Barkleit und Thomas Hänseroth, 2001 Böhlau Verlag Köln Weimar Berichte und Studien Nr. 1: Gerhard Barkleit, Heinz Hartlepp: Zur Geschichte der Luftfahrtindustrie in der DDR 1952-1961, 1995 (vergriffen) Nr. 2: Michael Richter: Die Revolution in Deutschland 1989/90. Anmerkungen zum Charakter der „Wende", 1995 Nr. 3: Jörg Osterloh: Sowjetische Kriegsgefangene 1941 -1945 im Spiegel nationaler und internationaler Untersuchungen. Forschungsüberblick und Bibliographie, 1995 Nr. 4: Klaus-Dieter Müller, Jörg Osterloh: Die Andere DDR. Eine studentische Widerstandsgruppe und ihr Schicksal im Spiegel persönlicher Erinnerungen und sowjetischer NKWD-Dokumente, 1995 (vergriffen) Nr. 5: Gerhard Barkleit: Die Rolle des MfS beim Aufbau der Luftfahrtindustrie der DDR, 1996 Nr. 6: Christoph Boyer: „Die Kader entscheiden alles ... ". Kaderpolitik und Kader-
440 entwicklung in der zentralen Staatsverwaltung der SBZ und der frühen DDR (1945-1952), 1996
1953. Aus dem Englischen übertragen von Ursula Ludz. Kommentar von Ingeborg Nordmann, 1998
Nr. 7: Horst Haun: Der Geschichtsbeschluß der SED 1955. Programmdokument für die „volle Durchsetzung des Marxismus-Leninismus" in der DDR-Geschichtswissenschaft, 1996
Nr. 18: Totalitarismus. Sechs Vorträge über Gehalt und Reichweite eines klassischen Konzepts der Diktaturforschung. Hg. von Klaus-Dietmar Henke, 1999
Nr. 8: Erich Sobeslavsky, Nikolaus Joachim Lehmann: Zur Geschichte von Rechentechnik und Datenverarbeitung in der DDR 1946-1968, 1996 (vergriffen) Nr. 9: Manfred Zeidler: Stalinjustiz kontra NS-Verbrechen. Die Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR in den Jahren 1943-1952. Kenntnisstand und Forschungsprobleme, 1996 (vergriffen) Nr. 10: Eckhard Hampe: Zur Geschichte der Kerntechnik in der DDR 1955-1962. Die Politik der Staatspartei zur Nutzung der Kernenergie, 1996 Nr. 11: Johannes Raschka: „Für kleine Delikte ist kein Platz in der Kriminalitätsstatistik." Zur Zahl der politischen Häftlinge während der Amtszeit Honeckers, 1997 (vergriffen) Nr. 12: Die Verführungskraft des Totalitären. Saul Friedländer, Hans Maier, Jens Reich und Andrzej Szczypiorski auf dem Hannah-Arendt-Forum 1997 in Dresden. Hg. von Klaus-Dietmar Henke, 1997 Nr. 13: Michael C. Schneider: Bildung für neue Eliten. Die Gründung der Arbeiterund-Bauern-Fakultäten in der SBZ/DDR, 1998 Nr. 14: Johannes Raschka: Einschüchterung, Ausgrenzung, Verfolgung. Zur politischen Repression in der Amtszeit Honeckers, 1998
Nr. 19: Henry Krause: Wittichenau. Eine katholische Kleinstadt und das Ende der DDR, 1999 Nr. 20: Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der CSSR. Hg. von Christoph Boyer und Peter Skyba, 1999 Nr. 21: Horst Haun: Kommunist und „Revisionist". Die SED-Kampagne gegen Jürgen Kuczynski (1956-1959), 1999 Nr. 22: Sigrid Meuschel, Michael Richter, Hartmut Zwahr: Friedliche Revolution in Sachsen. Das Ende der DDR und die Wiedergründung des Freistaates, 1999 Nr. 23: Gefangene in deutschem und sowjetischem Gewahrsam 1941-1956: Dimensionen und Definitionen. Hg. von Manfred Zeidler und Ute Schmidt, 1999 Nr. 24: Gerald Hacke: Zeugen Jehovas in der DDR. Verfolgung und Verhalten einer religiösen Minderheit, 2000 Nr. 25: Komponisten unter Stalin. Aleksandr Veprik ( 1899-1958) und die Neue jüdische Schule. Hg. von Friedrich Geiger, 2000 Nr. 26: Johannes Abele: Kernkraft in der DDR. Zwischen nationaler Industriepolitik und sozialistischer Zusammenarbeit 1963-1990, 2000 Nr. 27: Silke Schumann: „Die Frau aus dem Erwerbsleben wieder herausnehmen." NSPropaganda und Arbeitsmarktpolitik in Sachsen 1 9 3 3 - 1 9 3 9 , 2 0 0 0
Nr. 15: Gerhard Barkleit, Anette Dunsch: Anfällige Aufsteiger. Inoffizielle Mitarbeiter des MfS in Betrieben der Hochtechnologie, 1998
Nr. 28: Andreas Wiedemann: Die Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag (19421945), 2000
Nr. 16: Manfred Zeidler: Das Sondergericht Freiberg. Zu Justiz und Repression in Sachsen 1933-1940, 1998
Nr. 29: Gerhard Barkleit: Mikroelektronik in der DDR. SED, Staatsapparat und Staatssicherheit im Wettstreit der Systeme, 2000
Nr. 17: Über den Totalitarismus. Texte Hannah Arendts aus den Jahren 1951 und
Nr. 30: Wlodzimierz Borodziej, Jerzy Kochanowski, Bernd Schäfer: Grenzen der Freundschaft. Zur Kooperation der
441 Sicherheitsorgane der DDR und der Volksrepublik Polen zwischen 1956 und 1989, 2000 Nr. 31: Harald Wixforth: Auftakt zur Ostexpansion. Die Dresdner Bank und die Umgestaltung des Bankwesens im Sudetenland 1938/39, Dresden 2001 Nr. 32: Auschwitz. Sechs Essays zu Geschehen und Vergegenwärtigung. Hg. von Klaus-Dietmar Henke, Dresden 2001 Einzelveröffentlichungen Nr. 1: Lothar Fritze: Innenansicht eines Ruins. Gedanken zum Untergang der DDR, München 1993 (Olzog) (vergriffen) Nr. 2: Lothar Fritze: Panoptikum DDRWirtschaft. Machtverhältnisse. Organisationsstrukturen, Funktionsmechanismen, München 1993 (Olzog) (vergriffen) Nr. 3: Lothar Fritze: Die Gegenwart des Vergangenen. Über das Weiterleben der DDR nach ihrem Ende, Köln 1997 (Böhlau)
Nr. 6: Michael Richter/Mike Schmeitzner: „Einer von beiden muß so bald wie möglich entfernt werden". Der Tod des sächsischen Ministerpräsidenten Rudolf Friedrichs vor dem Hintergrund des Konflikts mit Innenminister Kurt Fischer 1947, Leipzig 1999 (Kiepenheuer) Nr. 7: Johannes Bähr: Der Goldhandel der Dresdner Bank im Zweiten Weltkrieg. Unter Mitarbeit von Michael C. Schneider. Ein Bericht des Hannah-Arendt-Instituts, Leipzig 1999 (Kiepenheuer) Nr. 8: Felicja Karay: Gefangen in Leipzig. Das Frauenlager der Rüstungsfabrik HASAG im Dritten Reich, Köln 2001 (Böhlau) In Vorbereitung: Nr. 9: Hannah Arendt Denktagebuch. Hg. von Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann in Zusammenarbeit mit dem HannahArendt-Institut Dresden, München 2002 (Piper)
Nr. 4: Jörg Osterloh: Ein ganz normales Lager. Das Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager 304 (IV H) Zeithain bei Riesa/Sa. 1941-1945, Leipzig 1997 (Kiepenheuer)
Bestelladresse für „Berichte und Studien": Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden Mommsenstraße 13, 01062 Dresden
Nr. 5: Manfred Zeidler: Kriegsende im Osten. Die Rote Armee und die Besetzung Deutschlands östlich von Oder und Neiße 1944/45, München 1996 (Oldenbourg)
Telefon: 0 3 5 1 / 4 6 3 2802 Telefax: 0 3 5 1 / 4 6 3 6079 E-Mail: [email protected] Homepage: www.tu-dresden.de/hait
Zeithistorische Studien Herausgegeben v o m Z e n t r u m für Z e i t h i s t o r i s c h e F o r s c h u n g P o t s d a m e.V. Die Bände 1-10 sind im Akademie Verlag erschienen.
11 : S o n j a H ä d e r : S c h ü l e r k i n d h e i t in OstBerlin. Sozialisation unter d e n B e d i n g u n g e n der Diktatur (1945-1958). 1998. 383 S. 55 s/w-Abb. Gb. ISBN 3-412-13997-1 12: T h o m a s L i n d e n b e r g e r (Hg.): Herrschaft und Eigen-Sinn in d e r Diktatur. S t u d i e n zur G e s e l l s c h a f t s g e s c h i c h t e der D D R . 1999. 370 S. 4 s/w-Abb. Gb. ISBN 3-412-13598-4 13: M i c h a e l L e m k e (Hg.): Sowjetisierung und E i g e n s t ä n d i g k e i t in d e r S B Z / D D R (1945-1953). 1999. 365 S. Gb. ISBN 3-412-13698-0
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cu Jens Schley
Nachbar Buchenwald Die Stadt W e i m a r u n d ihr Konzentrationslager 1937-1945
Vier Tage nach der Besetzung Weimars durch die amerikanischen Truppen wurde am 16. April 1945 die Bevölkerung der Stadt zu einer Besichtigung des Konzentrationslagers Buchenwald gezwungen. Doch anstatt sich mit eigener Schuld und Verstrickung auseinanderzusetzen, reagierten die Weimarer Bürger mit Schweigen, Leugnung und Verdrängung persönlicher Verantwortung. Das Buch untersucht die gemeinsame Geschichte der Stadt Weimar mit dem Konzentrationslager Buchenwald in den Jahren 1937 bis 1945. Es zeichnet ganz konkret nach, welche wirtschaftlichen Beziehungen und sozialen Kontakte bestanden und wie die Bevölkerung Weimars mit der Nachbarschaft des KZs auf dem Ettersberg umging. Am Beispiel Weimar - Buchenwald gelingt es dem Autor, die Einbettung der Konzentrationslager in die Gesellschaft zu beleuchten und Wirkungen wie Folgen dieser Einbettung zu diskutieren. Das Buch leistet einen notwendigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der Klassikerstadt im Dritten Reich. 1999. VII, 196 Seiten. 12 s/w-Abbildungen auf 8 Tafeln. Broschur. ISBN 3-412-15298-6
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