Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor.: Aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Governance von Ratingagenturen, Referenzwert-Administratoren, zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrern. [1 ed.] 3428189493, 9783428189496

Unternehmen des Finanzsektors unterliegen zwei detaillierten Regelungsregimen zur Unternehmensführung - einem gesellscha

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German Pages 375 [376] Year 2023

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Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor.: Aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Governance von Ratingagenturen, Referenzwert-Administratoren, zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrern. [1 ed.]
 3428189493, 9783428189496

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Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Peter O. Mülbert, Uwe H. Schneider und Dirk A. Verse

Band 225

Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor Aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Governance von Ratingagenturen, Referenzwert-Administratoren, zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrern

Von

Thomas Thies

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS THIES

Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor

Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von

Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Prof. Dr. Dirk A. Verse

Band 225

Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor Aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Governance von Ratingagenturen, Referenzwert-Administratoren, zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrern

Von

Thomas Thies

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0720-7352 ISBN 978-3-428-18949-6 (Print) ISBN 978-3-428-58949-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Kathrin

Geleitwort Eine Folge der globalen Finanzmarktkrise der Jahre 2007/2008 ist die drastische Ausweitung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Corporate Governance von Unternehmen des Finanzsektors. Diese unterliegen nunmehr zwei detaillierten Regelungsregimes zur Unternehmensführung – ein gesell­ schaftsrechtliches und ein aufsichtsrechtliches –, die jeweils unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und deren Vorgaben zueinander im Widerspruch stehen können. Die EU konzentrierte sich bei der Verbesserung der aufsichts­ rechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance zunächst auf die Kreditwirt­ schaft – Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – und setzte dabei auf das In­ strument der Richtlinie, bei der zwischenzeitlichen Einbeziehung weiterer systemrelevanter Akteure der Finanzwirtschaft dagegen im Bestreben nach einer möglichst effektiven Harmonisierung weithin auf das Instrument der unmittelbar geltenden Verordnung. Diese Entwicklung hat vielfache Aufmerksamkeit erfahren, soweit es um die Vorgaben der jeweiligen Richtlinien an die Corporate Governance von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, deren Umsetzung in nationales Auf­ sichtsrecht und hierbei auftretende vermeintliche oder tatsächliche Konflikte mit dem nationalen Gesellschaftsrecht geht. Die vielfach strengeren bzw. detaillierteren aufsichtsrechtlichen Regelungen gaben Anlass, die Herausbil­ dung eines Sondergesellschaftsrecht insbesondere für Bankaktiengesellschaf­ ten, aber auch für andere privatrechtlich organisierte Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zu konstatieren, und nach etwaigen Ausstrahlungswirkun­ gen auf das allgemeine Aktienrecht und, wenn auch in geringerem Maße, auf das sonstige Gesellschaftsrecht zu fragen. Keine Beachtung fand in der bisherigen Diskussion allerdings die breit­ flächige 2.0-Regulierung des Finanzsektors in Gestalt von Verordnungen. Bei dieser breiten Lücke setzt die vorliegende Untersuchung an und untersucht für vier Verordnungen – EMIR (Derivate-VO), CSDR (­Zentralverwahrer-VO), BMR (Benchmark-VO) und CRAR (Rating-VO) – die besonderen (aufsichts­ rechtlichen) Anforderungen an die Corporate Governance von ReferenzwertAdministratoren, Ratingagenturen, Zentralverwahrern und zentralen Gegen­ parteien auf etwaige Konflikte mit den Anforderungen des deutschen Gesell­ schaftsrechts. Dazu werden die jeweiligen aufsichtsrechtlichen Anforderun­ gen für einzelne Gegenstandsbereiche – etwa das Erfordernis bestimmter Organe, deren Zusammensetzung, die Individualqualifikation von Organmit­

8 Geleitwort

gliedern und die Vergütung – jeweils für die vier Verordnungen untersucht und sodann mit den gesellschaftsrechtlichen Erfordernissen und Maßgaben kontrastiert. Diese mit höchster Präzision erfolgende Vermessung der auf­ sichtsrechtlichen Anforderungen lässt erstmals erkennen, in welchem Aus­ maß sich die vier Verordnungen funktional bedingt in einzelnen Gegen­ standsbereichen unterscheiden. Dementsprechend muss auch das Urteil über die Vereinbarkeit der vier Verordnungen mit dem deutschen Gesellschafts­ recht differenziert ausfallen. Dabei bemüht sich die Untersuchung mit hoher gesellschaftsrechtlicher Sachkunde auf der ganzen Breite des Gesellschafts­ rechts, Konflikte zwischen dem Aufsichtsverordnungsrecht und dem nationa­ len Gesellschaftsrecht möglichst einer noch gesellschaftsrechtsverträglichen Lösung zuzuführen, statt resignierend die Untauglichkeit bestimmter Gesell­ schaftsformen – und insbesondere auch der Rechtsform AG – jedenfalls für manche Unternehmen des Finanzsektors festzustellen. Insgesamt belegt die Untersuchung in aller Deutlichkeit die Schwierigkei­ ten, die das aus der aufsichtsrechtlichen Perspektive entwickelte Sonderge­ sellschaftsrecht des Finanzsektors für das gewissermaßen querschnittsartig ansetzende allgemeine Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten mit sich bringt. Aus der Sicht des Gesellschaftsrechts ist dieser Konflikt letztlich nicht be­ friedigend zu lösen. Geradezu chirurgische Präzision bei der Problemanalyse und herausragende gesellschaftsrechtliche Sachkenntnis befähigen aber dazu, das zeigt diese Untersuchung höchst eindrucksvoll, dieses Spannungsverhält­ nis doch weithin sachgerecht zu beherrschen. Mainz, im Juni 2023

Prof. Dr. Peter O. Mülbert

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2022/2023 vom Fach­ bereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes GutenbergUniversität Mainz als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konn­ ten aktuelle Rechtsentwicklungen und Literatur bis Mitte April 2023 berück­ sichtigt werden. Zudem gibt die Arbeit einen Ausblick auf Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (­ MoPeG), das in seinen wesentlichen Teilen am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Peter O. Mülbert, der diese Arbeit nicht nur angeregt, sondern laufend hervorra­ gend betreut hat. Meine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an sei­ nem Lehrstuhl habe ich nicht nur als besonders schöne Zeit in Erinnerung, sondern diese hat mich auch fachlich sehr geprägt und die juristischen Grundlagen für meine spätere berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt gelegt. Daneben danke ich Herrn Prof. Dr. Meinrad Dreher, LL.M. für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens und seine wertvollen Anregungen für die Druckfassung der Dissertation. Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schnei­ der, Herrn Prof. Dr. Dirk A. Verse und Herrn Professor Dr. Peter O. Mülbert bin ich für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Schriftenreihe mit Dank verbunden. Der Stiftung für die Wissenschaft der Sparkassen-Finanzgruppe danke ich für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Großer Dank gilt auch meinen ehemaligen Lehrstuhl- und Fachbereichs­ kolleginnen und -kollegen, die meine Zeit als Doktorand sehr bereichert ha­ ben. Besonderer Dank gebührt Herrn Marcus Mandl, LL.M. (Budapest), mit dem ich mich jederzeit produktiv über mein Dissertationsvorhaben austau­ schen konnte. Mit größtem Dank verbunden bin ich meinen Eltern Evelyn und Dr. Chris­ tian Thies, die mich auf meinem akademischen und persönlichen Weg immer unterstützt haben. Ohne sie wäre dieses Dissertationsvorhaben nicht vorstell­ bar gewesen. Schließlich möchte ich meiner Partnerin Kathrin Hörnlen sehr herzlich danken, die mich besonders während den anstrengenden Phasen meiner Dis­ sertationszeit mit allen Kräften unterstützt hat. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im Juli 2023

Thomas Thies

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Teil

Rechtliche und tatsächliche Grundlagen 

37

A. Überblick über die untersuchten Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts . . . 50 C. Kategorisierung der Spannungsfelderzwischen Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Teil

Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und deutschem Gesellschaftsrecht 

91

A. Spannungspotenzialzwischen rechtsformunabhängigen Vorgaben des Aufsichtsrechts und rechtsformspezifischem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . 91 B. Regelungen zur Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 C. Regelungen zum Aufsichtsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Teil

Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben 

273

A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . 273 B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans  . . . . . 305 D. Außenhaftung der Gesellschaft oder ihrer Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 E. Fazit: Erweiterte Beschlussmängel- und Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . 324

12 Inhaltsübersicht 4. Teil

Ergebnisse und Folgerungen 

325

A. Ergebnis zu den Konflikten zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht . . . . 325 B. Folgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 31 35

1. Teil

Rechtliche und tatsächliche Grundlagen 

37

A. Überblick über die untersuchten Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. EMIR  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Regelungshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Clearing, Meldepflichten und Risikominderung  . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4. Regulierung zentraler Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Zulassung und Beaufsichtigung von zentralen Gegenparteien . . . 39 b) Anforderungen an zentrale Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5. Anforderungen an Transaktionsregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. CSDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Regelungshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Vorgaben zur Wertpapierlieferung und -abrechnung . . . . . . . . . . . . . 41 4. Regulierung von Zentralverwahrern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Zulassung und Beaufsichtigung von Zentralverwahrern  . . . . . . . 42 b) Anforderungen an Zentralverwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5. Sonstige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. BMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Regelungshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Regulierung von Administratoren und Kontributoren . . . . . . . . . . . . 44 a) Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Administra­ toren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Allgemeine Anforderungen an die Unternehmensführung von Administratoren und Kontributoren (Art. 4–10, 16 BMR) . . . . . . 45 c) Besonderheiten für die Bereitstellung bestimmter Referenzwerte  46 4. Sonstige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

14 Inhaltsverzeichnis IV. CRAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regulierung von Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Registrierung und Beaufsichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zivilrechtliche Haftung und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47 47 48 48 48 49 50

B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeines zur Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschafsrechtliches Corporate Governance-Konzept . . . . . . . . . . a) Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsrechtliches Corporate Governance-Konzept . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Risk Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Governance zur Sicherung systemrelevanter Dienstleistun­ gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zieldisparität von aufsichtsrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterschiedliche Modelle der Corporate Governance in der EU . . . . . . 1. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dualistisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Monistisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Herausgehobene Bedeutung des monistischen Systems und Trend zur Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmerische Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterschiedliche Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konfliktfördernde Merkmale der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leitbild der monistischen Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsformübergreifender Ansatz des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . 3. Prinzipienbasierter Regulierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auslegungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 50 51 52 52 54 56 56 56 57 59 59 60 60 61 61 62 63 65 67 67 68 69 69 71 72 75 76

C. Kategorisierung der Spannungsfelderzwischen Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Inhaltsverzeichnis15 I. II.

Systemkonforme Überlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Vorgaben und dispositivem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spannungsfelder, die sich durch verordnungskonforme Auslegung auflösen lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Vorgaben und zwingendem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein genereller Vorrang des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsrecht als lex specialis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine generelle Disqualifikation von Rechtsformen als Rechtsträ­ ger eines regulierten Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorrang aufsichtsrechtlichen Verordnungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsvorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Implizite Selbstbeschränkung des Aufsichtsrechts? . . . . . . . . . . . c) Grenzen des Anwendungsvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unionsgrundrechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kompetenzrechtliche Schranken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 78 80 82 82 83 85 85 85 87 88 88 89 90

2. Teil

Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und deutschem Gesellschaftsrecht 

A. Spannungspotenzialzwischen rechtsformunabhängigen Vorgaben des Aufsichtsrechts und rechtsformspezifischem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . I. Konflikte mit dem Aktien- und GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konflikte mit dem Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Wahl einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spannungspotenzial zwischen aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und dem Personengesellschaftsrecht . . . III. Eingrenzung des weiteren Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . B. Regelungen zur Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick und Hintergrund der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung der auf die Geschäftsleitungsorgane anwendbaren Normen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsichtsrechtliche Anforderungen auf Gesellschaftsebene . . . . . c) Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Leitungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine organisatorische Anforderungen auf Gesellschaftsebene . . . 1. Vorüberlegungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

91 91 92 92 95 95 96 96 96 97 97 97 98 100 102 102

16 Inhaltsverzeichnis 2. Allgemeine Bestimmungen zur ordnungsgemäßen Geschäftsorgani­ sation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Einrichtung eines wirksamen Risikomanagementsystems . . . . . . . . . 105 a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Compliance-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Organisatorische Anforderungen zur Behandlung von Interessen­ konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 6. Ergebnis: Verrechtlichung der Organisationsverfassung bei konzep­ tioneller Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Persönliche Anforderungen an die Geschäftsleiter (Fit & Proper-Test) . 114 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Mitglieder der Geschäftsführungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Keine Anwendbarkeit auf Personen unterhalb der Geschäftsfüh­ rungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Vereinbarkeit mit dem nationalen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . 118 a) Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 IV. Organisation der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Unabhängige Geschäftsleiterressorts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Vorstandsressorts zentraler Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Vorstandsressorts bei Zentralverwahrern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 V. Eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Sorgfaltsmaßstab: Pflicht zur soliden und umsichtigen Geschäfts­ führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Konzerndimensionale Organisationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Konzerndimensionale Anforderungen nach CSDR/EMIR . . . . . . 127 c) Gruppenperspektive der CRAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 d) Konzerndimensionale Anforderungen nach der BMR . . . . . . . . . 129

Inhaltsverzeichnis17 aa) Pflicht zur Einrichtung eines konzernweiten ComplianceSystems bei konzerninterner Auslagerung? . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Anforderungen des Art. 10 BMR und gesellschaftsrecht­ liche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 e) Keine allgemeine unionsrechtliche Pflicht zur konzernweiten Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4. Zielkonzeption in beaufsichtigten Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Aufsichtsrechtliche Einwirkungen auf die Zielkonzeption der Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Keine Modifikation der verbandsrechtlichen Leitungsmaxi­ men . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Öffentliche Interessen als Leitungsmaximen der Unterneh­ mensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Schranken aufsichtsrechtlicher Einwirkungen . . . . . . . . . . . . 140 c) Vereinbarkeit mit der gesellschaftsrechtlichen Zielkonzeption . . . 142 aa) Vorrang öffentlicher Interessen im Widerspruch zur gesell­ schaftsrechtlichen Zielkonzeption  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) GmbH-Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (3) Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Kein vollständiger Gleichlauf aufsichtsrechtlicher Zielset­ zungen mit den Gesellschafterinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Aufsichtsrecht als Konkretisierung eines allgemeinen Krisen-Gesellschaftsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5. Beschränkung des unternehmerischen Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . 148 6. Delegation von Leitungsaufgaben auf unabhängige Unternehmens­ einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Compliance-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Unabhängigkeit des Compliance-Beauftragten . . . . . . . . . . . 151 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Innenrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Weisungsfreiheit der Innenrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 VI. Vergütung der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Zuständigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

18 Inhaltsverzeichnis b) Anforderungen an die Vergütungspolitik zentraler Gegenpar­ teien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Ziel der Risikovermeidung im Konflikt mit dem Unternehmens­ interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Regelungen zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 VII. Fazit: Geschäftsleitung im Spannungsverhältnis zwischen Unterneh­ mensinteresse und öffentlichem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 C. Regelungen zum Aufsichtsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Überblick und Hintergrund der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Ermittlung der auf das Aufsichtsorgan anwendbaren Normen . . . . . . 166 II. Obligatorisches Aufsichtsorgan bei allen Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . 167 1. Aufsichtsrechtliches Erfordernis eines Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . 167 2. Aufsichtsorgan in der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Aufsichtsorgan in der SE  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Aufsichtsorgan in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats als Aufsichtsorgan . 168 b) Personalkompetenz des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Anwendbares Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 5. Aufsichtsorgan in der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Verstoß gegen zwingendes Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Gesellschaftergesamtheit als Aufsichtsorgan? . . . . . . . . . . . . 171 bb) Gestaltung im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 cc) Verordnungskonforme Auslegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Ausnahme vom Erfordernis eines Aufsichtsorgans . . . . . . . . 175 bb) Disqualifikation von Personengesellschaften als Träger eines regulierten Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 cc) Erfordernis eines Aufsichtsorgans als bereichsspezifische Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Nähere Ausgestaltung des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 III. Sonderfall: Aufsichtsfunktion bei Administratoren (Art. 5 BMR) . . . . . 178 1. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Überblick über die aufsichtsrechtlichen Regelungen  . . . . . . . . . . . . 179 a) Einrichtung und Besetzung der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR i. V. m. der BMR-DelVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Zuständigkeiten der Aufsichtsfunktion (Art. 5 Abs. 3 BMR) . . . . 182 c) Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 d) Unabhängige Aufsichtsfunktion nach Art. 4 Abs. 3 BMR . . . . . . 183 3. Einpassung in die aktienrechtliche Organisationsverfassung . . . . . . . 184 a) Eigenständiges Unternehmensorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Aufsichtsrat als Aufsichtsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis19 aa) Vorgaben zur Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren zur Besetzung der Aufsichtsfunktion . . . . . . . . . . cc) Besetzung der Aufsichtsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Besetzung nach Anh Nr. 1 BMR-DelVO . . . . . . . . . . . . (2) Besetzung nach Anh. Nr. 2 BMR-DelVO . . . . . . . . . . . . (3) Besetzung nach Anh. Nr. 3 BMR-DelVO . . . . . . . . . . . . dd) Kompetenzen der Aufsichtsunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überprüfung und Genehmigung von Verfahren für die Einstellung des Referenzwerts (Art. 5 Abs. 3 lit. d BMR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Meldepflicht gegenüber Behörden (Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zuständigkeiten gegenüber Dritten (Art. 5 Abs. 3 lit. e, h BMR)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmenseinheit unterhalb des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auflösung der Konfliktlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein freies Ermessen bei der Ausgestaltung der Aufsichtsfunk­ tion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Auflösung der Konfliktlage über Art. 4 Abs. 4 BMR . . . . c) Umsetzung der Aufsichtsfunktion trotz Konflikt mit der aktien­ rechtlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besetzung des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönliche Anforderungen (Fit & Proper-Test) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarkeit mit dem nationalen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . d) Besonderheiten in mitbestimmten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielvorgabe zur Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtliche und kompetenzrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . c) Abgleich mit dem Aktien- und GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich der Zielvorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit für die Festlegung der Zielvorgabe . . . . . . . . . cc) Inhaltliche Anforderungen an die Zielvorgabe  . . . . . . . . . . . d) Anwendbarkeit auf Personengesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unabhängige Mitglieder im Aufsichtsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsichtsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unabhängigkeitsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ratingagenturen (ErwGr. 29 CRAR) . . . . . . . . . . . . . . . .

187 188 188 188 189 191 191 192 192 193 194 194 197 197 199 199 201 202 202 202 203 204 205 206 206 207 208 208 209 210 212 213 213 214 214 215 215

20 Inhaltsverzeichnis

V.

(2) Zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer (Art. 2 Nr. 28 EMIR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besondere Regelungen zum Mandat der unabhängigen Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mandatsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wiederbestellungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Entzug des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Vergütung der unabhängigen Mitglieder . . . . . . . . . . . . . dd) Besondere Kompetenzen der unabhängigen Mitglieder . . . . ee) Unabhängigkeit besonderer Personengruppen . . . . . . . . . . . . (1) Arbeitnehmervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vertreter des Mehrheitsaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Friktionen mit dem deutschen Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teleologische Reduktion des Unabhängigkeitserforder­ nisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand zu § 100 Abs. 5 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einschränkung des Unabhängigkeitserfordernisses aufgrund (unions-)grundrechtlicher Schranken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sitzungen des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilnahmerecht Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Offenlegung von Sitzungsprotokollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einrichtung besonderer Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben zur Ausschussbildung  . . . . . . . . . . b) Generelle Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . aa) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben zur Ausschussbildung . . . . bb) Spannungen zwischen aufsichtsrechtlichen Organisations­ anforderungen und gesellschaftsrechtlicher Organisations­ autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Verdrängung des Gesamtaufsichtsrats als zentrales Überwachungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Organisationsrechtliche Umsetzung der Ausschüsse . . . . . . . c) Prüfungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Prüfungsausschuss bei Zentralverwahrern (Art. 48 CSDRDelVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prüfungsausschuss bei zentralen Gegenparteien (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 EMIR-DelVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Risikoausschuss bei zentralen Gegenparteien (Art. 28 EMIR) . . .

217 218 218 219 220 222 222 224 224 226 227 227 231 231 232 233 236 237 237 238 238 239 239 239 240 240 241 243 244 244 244 245 246 246

Inhaltsverzeichnis21 aa) Vorgaben des Art. 28 EMIR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Gesellschaftsrechtliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Keine Umsetzung als Aufsichtsratsausschuss . . . . . . . . . 248 (2) Umsetzung als schuldrechtlicher Beirat . . . . . . . . . . . . . 249 (a) Voraussetzungen für die aktienrechtliche Zulässig­ keit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (b) Beratung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (c) Beratung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (d) Informationsrechte des Risikoausschusses . . . . . . . . 253 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 e) Risikoausschuss bei Zentralverwahrern (Art. 48 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 f) Nutzerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Regelungen des Art. 28 CSDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) Gesellschaftsrechtliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 g) Vergütungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Zuständigkeit für die Vorstands- und Mitarbeitervergütung . 256 bb) Zulässigkeit der Delegation auf den Vergütungsausschuss . . 257 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 h) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 VI. Leitungskompetenzen des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Keine zwingende Übertragung von Leitungskompetenzen nach EMIR/CSDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 VII. Geschäftsleiterunabhängige Information des Aufsichtsorgans . . . . . . . . 261 1. Direkte Berichtslinien zwischen dem Aufsichtsorgan und nachge­ ordneten Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Stellungnahme: Verordnungskonforme Auslegung des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 VIII. Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 IX. Fazit: Sonderstellung des Aufsichtsorgans im Finanzsektor . . . . . . . . . . 270 3. Teil

Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben 

273

A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Zuständige Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

22 Inhaltsverzeichnis II.

Verstöße gegen CSDR und EMIR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Allgemeine Anforderungen auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Entzug der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Abberufung von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Mitglieder des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 aa) Keine Abberufungsmöglichkeiten nach nationalem Recht  . 277 bb) Abberufungsgründe nach dem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . 278 (1) Zentrale Gegenparteien (Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (2) Zentralverwahrer (Art. 63 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 lit. d CSDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 cc) Abberufungsverlangen aufgrund unionsrechtskonformer Rechtsfortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 4. Sonstige Verwaltungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 III. Verstöße gegen die CRAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 IV. Verstöße gegen die BMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschlüsse der Haupt- oder Gesellschafterversammlung einer AG oder GmbH (§§ 241 ff. AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Nichtigkeit nach den §§ 241, 250 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtigkeit von Aufsichtsratswahlen analog § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtbarkeit nach den §§ 243, 251 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Zulässigkeit der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gebot privater Rechtsdurchsetzung des Unionsrechts . . . . . . . . . c) Kein Ausschluss der Anfechtung durch Art. 35a CRAR . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelfälle zur Anfechtbarkeit einer Aufsichtsratswahl (§ 251 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen die aufsichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforde­ rungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeitserforder­ nis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschlussmängelrecht in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick zur Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage vor Inkrafttreten des MoPeG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre . . . . . . . . .

285 285 286 286 286 287 288 288 290 292 293 293 293 295 297 297 297 297

Inhaltsverzeichnis23 b) Aufsichtsrechtliche Corporate Governance-Anforderungen als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 c) Besonderheiten bei der Wahl der Mitglieder des Aufsichts­ organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3. Rechtslage nach Inkrafttreten des MoPeG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 IV. Beschlüsse der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsorgans  . . . . . . . . . . 300 1. Anwendung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Keine Unwirksamkeit der Bestellung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 V. Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans  . . . . . 305 I. Verhältnis von Organhaftung und aufsichtsrechtlichem Sanktions­ regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 II. Verstoß gegen Aufsichtsrecht als Pflichtverletzung im Innenverhältnis . 305 1. Pflichtverletzung der Geschäftsleiter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Pflichtverletzung der Mitglieder des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . 307 III. Haftungsprivileg bei unklarer Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Rechtliche Unsicherheit aufgrund prinzipienbasierter Regulierung  . 308 2. Dogmatische Grundlage eines Haftungsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Legal Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 c) Sonstige Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 3. Voraussetzungen für einen Ausschluss des Verschuldens bei unkla­ rer Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 IV. Sonstige Haftungsvoraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Kausaler Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Vorteilsanrechnung bei nützlicher Gesetzesverletzung . . . . . . . . . . . . 320 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 D. Außenhaftung der Gesellschaft oder ihrer Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 I. Haftung von Ratingagenturen nach Art. 35a CRAR . . . . . . . . . . . . . . . . 322 II. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. der Verletzung eines Schutzgesetzes . . . . . . . 323 E. Fazit: Erweiterte Beschlussmängel- und Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . 324 4. Teil

Ergebnisse und Folgerungen 

325

A. Ergebnis zu den Konflikten zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht . . . . 325

24 Inhaltsverzeichnis B. Folgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 I. Herausbildung eines Sondergesellschaftsrechts im Finanzsektor . . . . . . 327 II. Neue Qualität des Sondergesellschaftsrechts durch die Wahl der Verordnung als Regelungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 III. Unionsrechtliche Harmonisierung der Corporate Governance über die „Hintertür“ des Aufsichtsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Bereichsspezifische Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Rückwirkungen des Sondergesellschaftsrechts auf das allgemeine Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Keine Pflicht zur Anpassung des deutschen Gesellschaftsrechts . 335 b) Keine Ausstrahlungswirkung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 c) Auswirkungen de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 IV. Weiterentwicklung des Sondergesellschaftsrechts de lege ferenda . . . . . 338 1. Konsolidierung verschiedener aufsichtsrechtlicher Regelungen  . . . . 338 2. Alternativmodell: Eigenständige Rechtsformen im Finanzsektor . . . 339 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AG Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft AktG Aktiengesetz allg. allgemein Allg. M. Allgemeine Meinung Alt. Alternative Anh. Anhang AR Aufsichtsrat Art. Artikel ARUG II Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie Aufl. Auflage BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BB Betriebs Berater BeckRS Beck Online Rechtsprechung Begr. Begründung BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BMR Benchmarks Regulation BMR-DelVO Delegierte Verordnung (EU) 2018/1637 BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise

26 Abkürzungsverzeichnis CCP central counter party CEO Chief Executive Officer CRAR Credit Rating Agency Regulation CRD IV Capital Requirements Directive IV CSDR Central Securities Depositories Regulation CSDR-DelVO Delegierte Verordnung (EU) 2017/392 DB Der Betrieb DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe/dieselben Diss. Dissertation DrittelbG Drittelbeteiligungsgesetz DStR Deutsches Steuerrecht EBOR European Business Organization Law Review ECGI European Corporate Governance Institute EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EMIR European Market Infrastructure Regulation EMIR-DelVO Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 Erg.-Lfg. Ergänzungslieferung ErwGr. Erwägungsgrund ESMA European Securities and Markets Authority EU Europäische Union EuG Gericht der Europäischen Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuR Europarecht EURIBOR Euro Interbank Offered Rate EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWIV Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung f. folgende ff. folgende FiMaNoG, Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz FISG Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz Fn. Fußnote FüPoG II Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst

Abkürzungsverzeichnis27 GG Grundgesetz GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbH & Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Komman­ ditgesellschaft GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GRCh

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Habil. Habilitation HGB Handelsgesetzbuch h. M.

herrschende Meinung

Hrsg. Herausgeber i. d. R.

in der Regel

IFD

Investment Firm Directive

IFR

Investment Firm Regulation

i. S. d.

im Sinne des

i. V. m.

in Verbindung mit

KG

Kommanditgesellschaft, Kammergericht

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KSzW

Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht

KWG Kreditwesengesetz Lfg. Lieferung LIBOR

London Interbank Offered Rate

m. mit MiFID II

Markets in Financial Instruments Directive II

MiFIR

Markets in Financial Instruments Regulation

MitbestG Mitbestimmungsgesetz m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

Nr. Nummer(n) NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OLG Oberlandesgericht OTC

Over the counter

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privat­ recht

28 Abkürzungsverzeichnis RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf s. siehe SE Societas Europaea Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Ge­ richts Erster Instanz u. a. unter anderem UAbs. Unterabsatz UMAG Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des An­ fechtungsrechts Urt. Urteil U.S. United States USA United States of America VersR Versicherungsrecht vgl. vergleiche WM Wertpapier-Mitteilungen WpHG Gesetz über den Wertpapierhandel WpIG Gesetz zur Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht ZfV Zeitschrift für Versicherungswesen ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZVersWiss Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft ZVglRWiss Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung I. Problemaufriss Die globale Finanzmarktkrise der Jahre 2007 und 2008 hat nicht nur das Vertrauen in die Finanzmärkte und seine Akteure nachhaltig erschüttert, son­ dern auch eine erhebliche Umgestaltung des rechtlichen Rahmens ausgelöst. Neben anderen wesentlichen Reformen, wie dem Ausbau der Eigenkapitalan­ forderungen an Kreditinstitute, ist die Corporate Governance von Unterneh­ men des Finanzsektors in den Fokus gerückt. Unter diesem Begriff versteht man allgemein die Grundsätze guter Unternehmensführung, insbesondere hinsichtlich der Führung und Überwachung des Unternehmens.1 Die Frage, wie die Corporate Governance von Unternehmen gestärkt werden kann, hat in den letzten Jahren nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs erheblich an Bedeutung gewonnen, sondern beschäftigt auch Unternehmenspraxis und Gesetzgebung in zunehmendem Maße. Ein wesentlicher Treiber dieser Ent­ wicklung ist die Globalisierung der Wirtschaft, weil international agierende Kapitalmarktakteure vermehrt auf eine Verbesserung der Unternehmensfüh­ rung drängen.2 Während der Fokus der Debatte zur Verbesserung der Corpo­ rate Governance traditionell auf der Führung börsennotierter Unternehmen liegt,3 hat sich mittlerweile zusätzlich das Konzept einer branchenspezifi­ schen Corporate Governance entwickelt. Dabei hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Unternehmen des Finanzsektors aufgrund ihrer Bedeutung für das Wirtschaftssystem, der Komplexität und Intransparenz ihres Ge­ schäftsmodels und ihrer typischerweise geringen Kapitalausstattung eine an­ dersgeartete Corporate Governance verlangen.4 Die Europäische Kommission hat Mängel in der Unternehmensführung von Finanzinstituten, insbesondere im Bereich des Risikomanagements, als einen der Gründe für die Finanzkrise identifiziert.5 Obgleich die empirische Grundlage dieser Annahme umstritten NZG 2013, 1, 2. Näher zum Begriff unten 1. Teil: B. II. 1. a). in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 5. 3  S. etwa v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 5. 4  S. etwa Hopt, ZGR 2017, 438, 441 f. 5  Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik, KOM(2010) 284 endgültig, 2.6.2010, S. 2 f., abrufbar unter 1  Bayer,

2  v. Werder,

30 Einleitung

ist,6 hat die Finanzkrise einem erheblichen Ausbau der Vorgaben zur Corpo­ rate Governance von Unternehmen des Finanzsektors Vorschub geleistet. In der Folgezeit wurde auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene an Vorhaben für eine Verbesserung der Unternehmensführung im Finanzsek­ tor gearbeitet.7 Als Resultat dieser Entwicklung müssen Unternehmen des Finanzsektors verstärkt besondere aufsichtsrechtliche Vorgaben zur Corpo­ rate Governance beachten, wodurch sich ein sektorspezifisches Corporate Governance-Regime im Finanzsektor herausgebildet hat. Die aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Governance ist bemer­ kenswert, weil die Unternehmensführung klassischerweise ein Regelungs­ gegenstand des Gesellschaftsrechts ist. Unternehmen des Finanzsektors un­ terliegen damit parallel zwei Corporate Governance-Regimen, die unter­ schiedliche Zielsetzungen verfolgen und deren Vorgaben zueinander im Wi­ derspruch stehen können. Die Vorgaben der EU zur Corporate Governance sind – obgleich sie die interne Unternehmensorganisation regeln – Teil des Finanzaufsichtsrechts als Segment des öffentlichen Rechts, während das Ge­ sellschaftsrecht als Teilgebiet des Privatrechts einzuordnen ist. Während das unionsrechtliche wie das nationale Aufsichtsrecht öffentliche Interessen ver­ folgen, insbesondere den Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte, zielt das Gesellschaftsrecht vorrangig auf den Ausgleich privater Interessen. Es besteht die Sorge, dass durch diese unterschiedlichen Zielsetzungen die Grundwertungen des privatrechtlichen Gesellschaftsrechts in Frage gestellt werden.8 Spannungen zwischen Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht sind keine völlig neue Erscheinung,9 haben aber durch die erhebliche Zunahme der aufsichtsrechtlichen Regulierung auf Unionsebene – treffend als „Regu­ lierungstsunami“10 bezeichnet – eine neue Dimension erreicht. Als Folge unterliegen Unternehmen des Finanzsektors einem besonderen Regime zur Unternehmensführung, das als „Bankgesellschaftsrecht“,11 „Bankorganisa­ tionsrecht“12 oder auch – zutreffender, da es sich nicht auf Banken im klas­ sischen Sinne beschränkt – „Finanzdienstleistungs-Unternehmensrecht“13 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011DC0164&fr om=ES [geprüft am 15.4.2023]. 6  Vgl. dazu etwa Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirt­ schaftsrecht, 2018, S. 269, 275 f.; ders., EuZW 2010, 561; Wittig, WM 2010, 2337, 2338; Binder, ZGR 2015, 667, 698. 7  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 23. 8  Vgl. Binder, ZGR 2013, 760, 764. 9  Zur Entwicklung Binder, ZGR 2015, 667, 675 ff. 10  Mülbert, ZHR 176 (2012), 369. 11  Langenbucher, ZHR 2012, 652, 662; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019. 12  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 541 f. 13  Binder, ZGR 2015, 667, 671.

Einleitung31

bezeichnet wird. Allgemeiner lässt sich dieses Phänomen als Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor betiteln.14 Die zunehmende unionsrechtliche Harmonisierung des Aufsichtsrechts befördert diese Spannungen mit dem Gesellschaftsrecht, weil dieses – trotz der Vereinheitlichung durch EU-Richtlinien – nach wie vor von nationaler Vielfalt geprägt ist. Beispielsweise schreibt das deutsche Aktienrecht zwin­ gend die dualistische Unternehmensverfassung mit der damit verbundenen Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle vor, während in der EU das aus dem angelsächsischen Raum stammende monistische System eine he­ rausgehobene Rolle spielt.15 Zwar beabsichtigt der Unionsgesetzgeber, diesen Strukturunterschieden gerecht zu werden. Die Rechtsetzung der EU ist je­ doch tendenziell vom monistischen System geprägt, was zu einem „regelungs­ technische[n] Spagat“16 führt. Darüber hinaus unterwirft das Unionsrecht Unternehmen, die sich in ihrem Geschäftsmodell und ihrer Unternehmens­ struktur stark unterscheiden können, einer einheitlichen Regulierung.17 Dies wirft die Frage auf, ob das EU-Aufsichtsrecht nationale Eigenarten, die das gesellschaftsrechtliche Regime der Mitgliedstaaten auszeichnen, in ausrei­ chendem Maße berücksichtigt.

II. Gegenstand der Untersuchung Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance erfassen ver­ schiedene Teilsektoren des Finanzsektors. Von erheblicher praktischer Be­ deutung sind die Anforderungen an die Corporate Governance von Kreditin­ stituten, die in der Kapitaladäquanzrichtlinie18 (CRD IV) und deren national­ gesetzlicher Umsetzung – insbesondere den §§ 25a ff. KWG – geregelt sind. Für Versicherungsunternehmen enthält die Solvabilität II-Richtlinie19 (Sol­ vency II), die durch die Solvabilität II-Verordnung20 konkretisiert wird, ver­ 14  Der Begriff des Sondergesellschaftsrechts findet sich auch bei Ludwig, Wirt­ schaftsaufsicht, 2012, S. 294. 15  Siehe dazu ausführlich unten 1. Teil: B. III. 1. a). 16  Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 526. 17  Binder, ZGR 2015, 667, 705. 18  Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. EU L 176/338 vom 27.6.2013. 19  Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rück­ versicherungstätigkeit, ABl. EU L 335/1 vom 17.12.2009. 20  Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.10.2014 zur Er­ gänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

32 Einleitung

gleichbare Vorschriften, die das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in deutsches Recht überführt hat. Die unionsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance beschränken sich allerdings nicht auf Banken und Versicherun­ gen, sondern erfassen auch andere Bereiche des Finanzsektors. Einen erheb­ lichen Ausbau der regulatorischen Anforderungen haben Wertpapierinstitute21 durch MiFID II22/MiFIR23 und IFD24/IFR25 sowie zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer durch EMIR26 und CSDR27 erfahren. Schließlich un­ terliegen Ratingagenturen, deren Handeln im Laufe der Finanzkrise beson­ ders kritisch bewertet wurde, und die Administratoren von Referenzwerten – eine Folge des LIBOR/EURIBOR-Skandals – durch die CRAR28 und die BMR29 einer besonderen aufsichtsrechtlichen Regulierung. Zusätzliche Brisanz hat die Entwicklung aufsichtsrechtlicher Regelungen zur Corporate Governance dadurch erfahren, dass die EU in ihrem Bestre­ ben, eine möglichst große Harmonisierung zu schaffen, mittlerweile verstärkt auf das Regelungsinstrument der Verordnung zurückgreift. Bestehen im Be­ reich des EU-Richtlinienrechts – etwa bei den Vorgaben der CRD IV – Kon­ flikte zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht, entfalten sich diese im Rahmen der nationalgesetzlichen Umsetzung. Es stehen sich dann – freilich ggfs. unionsrechtskonform auszulegende – deutsche Normen des Aufsichts­ rechts und deutsches Gesellschaftsrecht gegenüber. Verordnungen gelten demgegenüber unmittelbar in jedem Mitgliedstaat und gehen aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dem deutschen Recht zwingend vor. betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversiche­ rungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. EU L 12/1 vom 17.1.2015. 21  Für große Wertpapierinstitute gelten nach § 4 des Wertpapierinstitutsgesetzes – wie für Kreditinstitute – die § 25a ff. KWG. 22  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU L 173/349 vom 12.6.2014. 23  Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU L 173/84 vom 12.6.2014. 24  Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU, ABl. EU L 314/64 vom 5.12.2019. 25  Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014, ABl. EU L 314/1 vom 5.12.2019. 26  Fn. 36. 27  Fn. 34. 28  Fn. 33. 29  Fn. 31.

Einleitung33

Das Rangverhältnis ist zugunsten des Aufsichtsrechts entschieden. Ungeach­ tet dieser scheinbar eindeutigen Ausgangslage ist es keineswegs klar, wie sich die zunehmende Regulierung der Corporate Governance von Unterneh­ men des Finanzsektors durch EU-Verordnungen auf das deutsche Gesell­ schaftsrecht auswirkt. Zum einen fehlt bisher für die relevanten Verordnun­ gen eine umfassende Untersuchung, ob bzw. welche Konflikte mit dem nati­ onalen Gesellschaftsrecht auftreten. Auch wenn die Corporate GovernanceAnforderungen der hier untersuchten Verordnungen viele Ähnlichkeiten mit den Vorgaben der CRD IV aufweisen, unterscheiden sich die Regelungsre­ gime in einigen wesentlichen Punkten, da sie auf die Besonderheiten der je­ weils konkret in den Blick genommenen regulierten Unternehmen zuge­ schnitten sind. Zum anderen stellt sich die Frage, wie Konflikte zwischen den Regelungen der aufsichtsrechtlichen Verordnungen und dem deutschen Gesellschaftsrecht zu lösen sind und welche Besonderheiten sich hierbei ge­ genüber den bislang untersuchten Konfliktfeldern ergeben. Schließlich ist ungeklärt, welche (zivilrechtlichen) Rechtsfolgen eintreten, wenn deutsche Gesellschaften die Vorgaben der Verordnungen missachten. Diese Arbeit nimmt Bereiche des Finanzsektors in den Blick, in denen der Unionsgesetzgeber eine Verordnung als Basisrechtsakt erlassen hat, die Vor­ gaben zur Corporate Governance regulierter Unternehmen enthält.30 Haupt­ gegenstand der Arbeit ist es, Konflikte zwischen den aufsichtsrechtlichen Regelungen und dem deutschen Gesellschaftsrecht zu identifizieren und An­ sätze zur Lösung der ermittelten Konfliktfelder zu erarbeiten. Dabei werden folgende aufsichtsrechtliche Verordnungen untersucht: –– Die Referenzwertverordnung bzw. Benchmarks Regulation (BMR)31 ein­ schließlich der dazu erlassenen delegierten Verordnung (EU) 2018/1637 (BMR-DelVO).32 Die BMR reguliert die Bereitstellung von Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert verwendet werden. Zu diesem Zweck enthält die Verordnung Regeln zur Unterneh­ 30  Nicht Gegenstand dieser Arbeit sind daher Bereiche, in denen Richtlinien durch delegierte Verordnungen konkretisiert werden, wie dies bei Solvency II der Fall ist. Näher zu den verschiedenen Regelungsebenen im Versicherungsaufsichtsrecht Dreher, VersR 2019, 1, 2 f. 31  Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Refe­ renzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, ABl. EU L 171/1 vom 29.6.2016. 32  Delegierte Verordnung (EU) 2018/1637 der Kommission vom 13.7.2018 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Verfahren und Merkmale der Aufsichtsfunktion, ABl. EU L 274/1 vom 5.11.2018.

34 Einleitung

mensführung und Kontrolle von Referenzwert-Administratoren (Art. 4–10 BMR) und Kontributoren (Art. 16 BMR, Anh. I Nr. 5 ff. BMR). –– ­ Die Ratingagenturverordnung oder Credit Rating Agencies Regulation (CRAR),33 welche die Integrität und Genauigkeit von Ratings bezweckt und insbesondere Interessenkonflikten bei der Erstellung von Ratings ent­ gegenwirken will. Hierzu enthält die Verordnung in ihrem Anh. I Ab­ schnitt A besondere organisatorische Anforderungen an Ratingagenturen. –– ­Die Zentralverwahrerverordnung bzw. Central Securities Depositories Re­ gulation (CSDR)34 einschließlich der dazu erlassenen delegierten Verord­ nung (EU) 2017/392 (CSDR-DelVO).35 Die Art. 26 ff. CSDR und Art. 47 ff. CSDR-DelVO statuieren Regelungen zur Unternehmensführung von Zen­ tralverwahrern. –– ­ Die Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen bzw. European Market Infrastructure Regulation (EMIR)36 einschließlich der dazu erlas­ senen delegierten Verordnung (EU) Nr. 153/2013 (EMIR-DelVO).37 Diese Verordnung reguliert OTC-Derivate und ordnet das Clearing solcher Deri­ vate-Kontrakte mittels zentraler Gegenparteien an. Die Art. 26 ff. EMIR sowie die delegierte Verordnung enthalten Regelungen zur Unternehmens­ führung zentraler Gegenparteien. Soweit Konflikte zwischen den Regelungen der genannten Verordnungen und dem deutschen Gesellschaftsrecht bestehen, werden deren Auswirkungen auf das deutsche Gesellschaftsrecht betrachtet. Zur Lösung gefundener Kon­ flikte kann teilweise auf bereits vorhandene Lösungsansätze zum Verhältnis 33  Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen, ABl. EG L 302/1 vom 17.11.2009. 34  Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl. EU L 257/1 vom 28.8.2014. 35  Delegierte Verordnung (EU) 2017/392 der Kommission vom 11.11.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Zulassung von und für auf­ sichtliche und operationelle Anforderungen an Zentralverwahrer, ABl. EU L 65/48 vom 10.3.2017. 36  Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl. EU L 201/1 vom 27.7.2012. 37  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 153/2013 der Kommission vom 19.12.2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungsstandards für Anforderungen an zentrale Gegenparteien, ABl. EU L 52/41 vom 23.2.2013.

Einleitung35

des deutschen Aufsichts- und Gesellschaftsrechts zurückgegriffen werden, wobei deren Anwendbarkeit auf das Verhältnis zwischen den hier untersuch­ ten EU-Verordnungen und dem deutschen Gesellschaftsrecht eruiert werden muss. Soweit diese Lösungsansätze nicht ausreichend sind, werden neue Lösungsansätze erarbeitet. Die darüber hinaus in der Literatur diskutierte Frage, inwieweit die auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance eine „Ausstrahlungs­ wirkung“ auf das allgemeine Gesellschaftsrecht entfalten, wird im Schlussteil dieser Arbeit aufgegriffen.38 Dabei geht es um die Frage, inwieweit die be­ sonderen Anforderungen für Banken oder sonstige Unternehmen des Finanz­ sektors auf das allgemeine Gesellschaftsrecht zurückwirken und dadurch für Unternehmen anderer Branchen – z. B. Industrieunternehmen – Bedeutung erlangen können.

III. Gang der Untersuchung Diese Arbeit beginnt mit einer Darstellung wesentlicher rechtlicher und tatsächlicher Grundlagen der aufsichtsrechtlichen Regulierung der Corporate Governance (1. Teil). Nach dem knappen Überblick über die vier EU-Ver­ ordnungen, die den Gegenstand dieser Arbeit bilden, folgt eine nähere Be­ trachtung der Corporate Governance als Regelungsgegenstand des Aufsichts­ rechts. Neben einer Untersuchung des Begriffs „Corporate Governance“ werden die Unterscheide zwischen dem gesellschaftsrechtlichen und dem aufsichtsrechtlichen Konzept der Corporate Governance dargestellt. Des Weiteren erfolgt eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Systeme zur Un­ ternehmensführung innerhalb der EU. Diese sind von Bedeutung, weil das Aufsichtsrecht bereichsspezifisch eine unionsrechtliche Harmonisierung der Vorgaben zur Corporate Governance bewirkt. Zudem werden besondere Merkmale der aufsichtsrechtlichen Regelungen dargestellt, die Konflikt­ potenzial mit dem Gesellschaftsrecht bergen. Schließlich werden Kategorien angeführt, in die sich die Spannungsfelder zwischen Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht einordnen lassen. Der Hauptteil dieser Arbeit identifiziert Konflikte zwischen den aufsichts­ rechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und dem Gesellschafts­ recht und führt diese – soweit möglich – einer Lösung zu (2. Teil). Dabei werden die aufsichtsrechtlichen Regelungen nicht in die Vorgaben der ver­ schiedenen Verordnungen eingeteilt, weil dies aufgrund der vielfach gleich­ artigen Regelungen unnötige Redundanzen zur Folge hätte. Vielmehr erfolgt eine funktionale Betrachtung der Anforderungen an die Geschäftsleiter sowie 38  Siehe

unten 4. Teil: B. III. 2.

36 Einleitung

das Aufsichtsorgan regulierter Gesellschaften. Die konkreten Vorgaben der Verordnungen werden innerhalb der einzelnen Problemkreise beleuchtet. Von besonderer Bedeutung für die beaufsichtigten Gesellschaften ist, wel­ che Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance auslösen kann (3. Teil). Dabei werden zunächst die aufsichtsrechtlichen Rechtsfolgen dargestellt. Der Schwerpunkt liegt aller­ dings auf den zivilrechtlichen Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichts­ rechtliche Vorgaben, insbesondere dem gesellschaftsrechtlichen Beschluss­ mängelrecht und dem Organhaftungsregime. Die Arbeit mündet in einen Schlussteil (4. Teil), der die wesentlichen Er­ gebnisse des Vorangegangenen zusammenfasst, daraus Folgerungen zieht und mit einem Ausblick auf weitere mögliche Entwicklungen endet.

1. Teil

Rechtliche und tatsächliche Grundlagen A. Überblick über die untersuchten Verordnungen Die Verordnungen, die den Gegenstand dieser Arbeit bilden, betreffen un­ terschiedliche Bereiche des Finanzmarkts. Gemeinsam ist ihnen, dass sie bestimmten beaufsichtigten Rechtsträgern organisatorische Anforderungen auferlegen. Die folgende Skizze des Inhalts der Verordnungen beschränkt sich auf die Darstellung der wesentlichen bzw. für den Untersuchungsgegen­ stand relevanten Regelungen. Von Bedeutung für das Verständnis der auf­ sichtsrechtlichen Regelungen zur Corporate Governance ist dabei der Hinter­ grund, welcher der Regulierung des jeweiligen Teilsektors zugrunde liegt.

I. EMIR 1. Regelungshintergrund Zentrales Ziel der EMIR ist die Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte.1 Außerbörslich (over the counter) gehandelte Deri­ vate (OTC-Derivate) wurden als Risiko für die Finanzstabilität erkannt, weil sie als privat ausgehandelte Verträge unzureichend transparent sind und ein komplexes Netz gegenseitiger Abhängigkeit bilden, das die Ermittlung von Risiken erschwert.2 Um die Transparenz der OTC-Derivate zu erhöhen und Ausfallrisiken zu mindern, sollte ein möglichst großer Teil des zuvor intrans­ parenten Derivatemarkts einer Abwicklung über zentrale Gegenparteien zu­ geführt werden.3 2. Anwendungsbereich Nach Art. 1 Abs. 1 EMIR enthält die Verordnung Clearing- und bilaterale Risikomanagementvorschriften für OTC-Derivatekontrakte4, Meldepflichten 1  Vgl.

ErwGr. 2 EMIR. EMIR. 3  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 20. 4  Definiert in Art. 2 Nr. 7 EMIR. 2  ErwGr. 4

38

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

für Derivatekontrakte5 sowie einheitliche Vorschriften für die Ausübung der Tätigkeiten von zentralen Gegenparteien und Transaktionsregistern. Der per­ sönliche Anwendungsbereich erstreckt sich auf zentrale Gegenparteien und deren Clearingmitglieder, finanzielle Gegenparteien und Transaktionsregister (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 EMIR). Eine zentrale Gegenpartei bzw. „CCP“ ist nach Art. 2 Nr. 1 EMIR definiert als eine juristische Person, die zwischen die Ge­ genparteien der auf einem oder mehreren Märkten gehandelten Kontrakte tritt und somit als Käufer für jeden Verkäufer bzw. als Verkäufer für jeden Käufer fungiert. Unter Transaktionsregister versteht die Verordnung eine ju­ ristische Person, die die Aufzeichnungen zu Derivaten zentral sammelt und verwahrt (Art. 2 Nr. 2 EMIR). Für nichtfinanzielle Gegenparteien und Han­ delsplätze gilt die Verordnung nur, soweit dies ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 1 Abs. 2 Satz 2 EMIR). 3. Clearing, Meldepflichten und Risikominderung Herzstück der Verordnung ist die Clearingpflicht für standardisierte OTCDerivatekontrakte, durch die deren Ausfallrisiko gesenkt werden soll.6 Art. 4 Abs. 1 EMIR sieht für bestimmte OTC-Derivatekontrakte eine Pflicht zum Clearing durch eine zugelassene zentrale Gegenpartei vor.7 Gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EMIR sind zentrale Gegenparteien verpflichtet, das Clearing diskriminierungsfrei und transparent zu akzeptieren. Die Gegenparteien des jeweiligen Geschäfts und die zentralen Gegenparteien müssen nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 EMIR sicherstellen, dass die Einzelheiten aller von ihnen ge­ schlossenen Derivatekontrakte an ein Transaktionsregister gemeldet werden. Das Transaktionsregister veröffentlicht zu den gemeldeten Kontrakten regel­ mäßig und auf leicht zugängliche Weise die aggregierten Positionen nach Derivatekategorien (Art. 81 Abs. 1 EMIR). Darüber hinaus stellt das Trans­ aktionsregister den Behörden, u. a. der ESMA und der für die Überwachung der zentralen Gegenparteien zuständigen nationalen Behörde, alle Informa­ tionen zur Verfügung, welche diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen (Art. 81 Abs. 2, 3 EMIR). Im Übrigen will die Verordnung die Risiken von OTC-Derivatekontrakten verringern, die nicht durch zentrale Gegenparteien gecleart werden. Dementsprechend müssen Gegenparteien, die solche Deri­ vatekontrakte abschließen, gemäß Art. 11 EMIR besondere Vorschriften zur Risikominderung beachten. 5  Definiert

in Art. 2 Nr. 5 EMIR. EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 37.8. 7  Näher zu den Voraussetzungen der Clearing-Pflicht Temporale/Müller, in: Luz/ Neus u. a., KWG, Teil 11: EMIR (Stand: 1. Update 04/2016) Rn. 23 ff.; Lutter/Bayer/ Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 37.11 ff. 6  Lutter/Bayer/Schmidt,



A. Überblick über die untersuchten Verordnungen39

4. Regulierung zentraler Gegenparteien Die Einführung der Clearingpflicht hat zu einer Bündelung der Ausfallrisi­ ken bei zentralen Gegenparteien geführt, wodurch sich deren wirtschaftliche und systemische Bedeutung deutlich erhöht hat.8 Infolgedessen ist ein mög­ licher Ausfall einer zentralen Gegenpartei mit erheblichen systemischen Ri­ siken für die Stabilität der Finanzmärkte verbunden.9 Um dieser unbeabsich­ tigten Nebenfolge der Regulierung des OTC-Derivatehandels entgegenzuwir­ ken, enthält die Verordnung Vorschriften zur Zulassung und Beaufsichtigung von zentralen Gegenparteien sowie besondere organisatorische Anforderun­ gen, die zentrale Gegenparteien erfüllen müssen.10 a) Zulassung und Beaufsichtigung von zentralen Gegenparteien Gemäß Art. 14 Abs. 1 EMIR benötigt eine in der Union niedergelassene juristische Person, die als zentrale Gegenpartei Clearingdienstleistungen er­ bringen will, eine Zulassung. Über den Zulassungsantrag entscheidet die zu­ ständige nationale Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen ist, bei einer Niederlassung in Deutschland die BaFin11. Als Voraussetzung für die Erteilung der Zulassung muss die antragstellende Gesellschaft u. a. die Eigenkapitalanforderungen nach Art. 16 EMIR erfüllen. Zudem erteilt die BaFin die Zulassung gemäß Art. 17 Abs. 4 UAbs. 1 EMIR nur, wenn ihr hinreichend nachgewiesen wurde, dass die antragstellende Gesellschaft allen Anforderungen der Verordnung genügt. Dies umfasst die Einhaltung der or­ ganisatorischen Anforderungen nach den Art. 26 ff. EMIR. b) Anforderungen an zentrale Gegenparteien Die Verordnung enthält besondere Anforderungen, die zentrale Gegenpar­ teien laufend erfüllen müssen. Herauszuheben sind die in den Art. 26 ff. EMIR niedergelegten Regelungen zur Unternehmensführung. Art. 26 EMIR legt allgemeine organisatorische Anforderungen fest, welche in den Art. 3 ff. EMIR-DelVO konkretisiert werden und Vorgaben zum Risikomanagement, zur Compliance und zur Vergütungspolitik umfassen. Überdies statuiert die Verordnung besondere Anforderungen an die Geschäftsleitung und das Lei­ 8  Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 37.22; Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 20. 9  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 20 m.  w. N.; Jaskulla, BKR 2012, 441 ff. 10  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 20. 11  Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR i. V. m. § 6 Abs. 1a KWG.

40

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

tungsorgan einer zentralen Gegenpartei (Art. 27 EMIR). Im Grundsatz sind die Anforderungen der Verordnung an die Corporate Governance zentraler Gegenparteien mit den bankaufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Parallel­ regelungen vergleichbar, wobei sie hinsichtlich der Regelungsintensität und -dichte teilweise hinter diesen zurückbleiben.12 Eine Besonderheit der Ver­ ordnung ist die Anforderung an zentrale Gegenparteien, einen Risikoaus­ schuss einzurichten (Art. 28 EMIR). Die Vereinbarkeit dieser Vorgabe mit der gesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung ist zweifelhaft, weil Art. 28 EMIR zwingend die Beteiligung externer Stakeholder im Risikoaus­ schuss verlangt.13 In den Art. 40 ff. EMIR finden sich aufsichtsrechtliche Anforderungen an zentrale Gegenparteien, insbesondere spezielle Vorschriften zum Risikoma­ nagement. Die Art. 36 ff. EMIR enthalten Wohlverhaltensregeln. Titel V EMIR reguliert Interoperabilitätsvereinbarungen, die zentrale Gegenparteien untereinander schließen können. Zentrale Gegenparteien, die eine solche Vereinbarung treffen, müssen nach Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EMIR spezielle Anforderungen an das Risikomanagement erfüllen. 5. Anforderungen an Transaktionsregister Transaktionsregister unterliegen ebenfalls besonderen aufsichtsrechtlichen Regelungen, wenngleich in geringerem Maße als zentrale Gegenparteien. Gemäß Art. 55 Abs. 1 EMIR müssen sich Transaktionsregister bei der ESMA registrieren lassen. Voraussetzung für die Registrierung ist, dass das Trans­ aktionsregister in der Union niedergelassen ist und den Anforderungen des Titels VII EMIR genügt. Titel VII EMIR (Art. 78 ff. EMIR) statuiert organi­ satorische Anforderungen an Transaktionsregister, die teilweise den Anforde­ rungen der Art. 26 ff. EMIR an zentrale Gegenparteien entsprechen, hinsicht­ lich der Regelungsdichte und -intensität aber deutlich hinter diesen zurück­ bleiben.

II. CSDR 1. Regelungshintergrund Die Union misst Zentralverwahrern eine maßgebliche Bedeutung für das Funktionieren der Finanzmärkte bei. Zusammen mit zentralen Gegenparteien 12  Binder, 13  Binder,

C. V. 3. d).

in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 190. in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 191; ausführlich unten 2. Teil:



A. Überblick über die untersuchten Verordnungen41

tragen sie dazu bei, Nachhandels-Infrastrukturen aufrechtzuerhalten, die Marktteilnehmer darauf vertrauen lassen, dass Wertpapiergeschäfte ord­ nungsgemäß und pünktlich durchgeführt werden.14 Die von ihnen betriebe­ nen Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme befinden sich an einer ent­ scheidenden Stelle des Abwicklungsprozesses von Wertpapiergeschäften.15 Um das Funktionieren der Wertpapiermärkte sicherzustellen, legt die Verord­ nung einheitliche Anforderungen an die Lieferung und Abrechnung von Fi­ nanzinstrumenten in der Europäischen Union fest. Ferner enthält sie Vor­ schriften für die Organisation und Führung von Zentralverwahrern. 2. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der Verordnung erstreckt sich grundsätzlich auf die Lieferung und Abrechnung sämtlicher Finanzinstrumente i. S. v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II sowie auf die Tätigkeit von Zentralverwahrern.16 Definiert ist ein Zentralverwahrer gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 CSDR als eine juristische Person, die ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem nach Abschnitt A Nr. 3 des Anhangs zur CSDR betreibt und wenigstens eine wei­ tere Kerndienstleistung nach Abschnitt A des Anhangs zur CSDR erbringt. Ein „Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem“ ist gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 CSDR ein System im Sinne des Art. 2 lit. a der Richtlinie 98/26/EG, das nicht von einer zentralen Gegenpartei betrieben wird und dessen Tätig­ keit darin besteht, Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge auszuführen. 3. Vorgaben zur Wertpapierlieferung und -abrechnung Die Verordnung enthält in ihrem Titel II (Art. 3 ff. CSDR) Vorgaben zur Wertpapierlieferung und ‑abrechnung. Darunter fallen Vorgaben zur Einbu­ chung im Effektengiro, zur Abwicklungsperiode, zur Abwicklungsdisziplin und zur internalisierten Abwicklung.17 Vorliegend bedürfen diese Vorschrif­ ten keiner näheren Betrachtung, weil Gegenstand dieser Arbeit lediglich die besonderen Anforderungen an Zentralverwahrer sind.

14  ErwGr. 1

CSDR. Satz 1 CSDR. 16  Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 39.5. 17  Näher dazu Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 39.6 ff. 15  ErwGr. 2

42

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

4. Regulierung von Zentralverwahrern Die Bestandssicherung von Zentralverwahrern ist aufgrund deren System­ relevanz für die Wertpapiermärkte ein zentrales Anliegen der Verordnung.18 Folgerichtig enthält die CSDR besondere regulatorische Vorgaben für Zen­ tralverwahrer, die sowohl deren Zulassung und Beaufsichtigung als auch laufende Anforderungen an die Geschäftsorganisation umfassen. a) Zulassung und Beaufsichtigung von Zentralverwahrern Nach Art. 16 Abs. 1 CSDR bedarf ein Zentralverwahrer der Zulassung durch die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem er seinen Sitz hat. Der antragstellende Zentralverwahrer muss der zuständigen Behörde – in Deutschland der BaFin19 – gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 1 CSDR nachweisen, dass er alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, um seinen Pflichten gemäß der Verordnung nachzukommen. Zudem muss der Zulassungsantrag einen Geschäftsplan enthalten, aus dem der organisatorische Aufbau des Zen­ tralverwahrers hervorgeht (Art. 17 Abs. 2 Satz 2 CSDR). Die Zulassung ist gemäß Art. 18 Abs. 2 CSDR die Voraussetzung für das Betreiben eines Wert­ papierliefer- und -abrechnungssystems. Die ESMA stellt auf ihrer Website ein Verzeichnis aller nach der CSDR zugelassenen oder anerkannten Zentral­ verwahrer zur Verfügung (Art. 21 Abs. 3 CSDR). Nach Art. 22 Abs. 1 CSDR unterliegt ein Zentralverwahrer mindestens jährlich einer Prüfung durch die Aufsichtsbehörden, die dessen interne Compliance-Systeme überprüfen und mögliche Risiken bewerten. b) Anforderungen an Zentralverwahrer Um die Solidität von Zentralverwahrern zu gewährleisten, müssen diese die in den Art. 26 ff. CSDR geregelten organisatorischen Anforderungen er­ füllen, die große inhaltliche Übereinstimmungen mit den Art. 26 ff. EMIR aufweisen. Hierunter fallen insbesondere die Regelungen zur Unternehmens­ führung in den Art. 26–28 CSDR, die von den Art. 47 ff. CSDR-DelVO ­ergänzt werden. Art. 26 CSDR enthält allgemeine organisatorische Anforde­ rungen. Zudem unterliegen die Geschäftsleitung, das Leitungsorgan und die Gesellschafter eines Zentralverwahrers den besonderen Anforderungen des Art. 27 CSDR. Eine Besonderheit der CSDR besteht darin, dass Zentral­ verwahrer für jedes von ihnen betriebene Wertpapierliefer- und ‑abrech­ nungssystem einen Nutzerausschuss einrichten müssen (Art. 28 CSDR). Die 18  Vgl.

ErwGr. 20 CSDR. Abs. 1 Uabs. 1 CSDR i. V. m. § 6 Abs. 1c KWG.

19  Art. 11



A. Überblick über die untersuchten Verordnungen43

Art. 47  ff. CSDR-DelVO regulieren Instrumente zur Risikoüberwachung (Art. 47 CSDR-DelVO), einschließlich der Einrichtung besonderer Aus­ schüsse (Art. 48 CSDR-DelVO), und enthalten besondere Vorgaben zur Re­ gelung von Interessenkonflikten (Art. 50 CSDR-DelVO) und zu internen Prüfungen (Art. 51 f. CSDR-DelVO). Daneben enthält die CSDR Wohlverhaltensregeln (Art. 32 ff. CSDR) und Anforderungen an Zentralverwahrer-Dienstleistungen (Art. 36 ff. CSDR). Die Art. 42 ff. CSDR enthalten aufsichtsrechtliche Anforderungen. Hierunter fal­ len besondere Vorschriften zum Risikomanagement (Art. 42–45 CSDR) und zur Anlagepolitik (Art. 46 CSDR) sowie besondere Eigenkapitalanforderun­ gen (Art. 47 CSDR). 5. Sonstige Regelungen Die Art. 49 ff. CSDR regeln den Zugang von Emittenten zu Zentralver­ wahrern, den Zugang zwischen Zentralverwahrern untereinander sowie zwi­ schen Zentralverwahrern und einer anderen Marktinfrastruktur. Ferner enthält die CSDR besondere Vorschriften zum Erbringen bankartiger Nebendienst­ leistungen für die Teilnehmer eines Zentralverwahrers (Art. 54 ff. CSDR) und zu Sanktionen bei Verstößen gegen die Verordnung (Art. 61 ff. CSDR).

III. BMR 1. Regelungshintergrund Die BMR stellt eine gesetzgeberische Reaktion auf die schweren Manipu­ lationen bei Referenzzinssätzen wie LIBOR und EURIBOR und auf die Manipulationsvorwürfe in Bezug auf Energie-, Öl- und Devisen-Referenz­ werte dar.20 Die Bedeutung dieser Referenzwerte erklärt sich daraus, dass die Preisbildung zahlreicher Finanzinstrumente und -kontrakte von ihrer Integri­ tät und Genauigkeit abhängt. Die Union sah die Gefahr, dass Zweifel an der Integrität der Referenzwerte das Markvertrauen untergraben, Verbrauchern und Anlegern Verluste verursachen und Verzerrungen der Realwirtschaft zur Folge haben könnten. Zentrales Ziel der BMR ist es demnach, die Genauig­ keit, Robustheit und Integrität der Referenzwerte und des Verfahrens zu ihrer Bestimmung sicherzustellen. Als Gründe für die Anfälligkeit der Referenz­ werte für Manipulationen wurden das Bestehen von Interessenkonflikten und schwache Unternehmensstrukturen bei den an der Erstellung der Referenz­ werte beteiligten Unternehmen ausgemacht. 20  Vgl.

hierzu und zum Folgenden ErwGr. 1 BMR.

44

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

2. Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung erstreckt sich gemäß Art. 2 Abs. 1 BMR auf die Bereitstellung von Referenzwerten, das Beitragen von Eingabedaten zu einem Referenzwert und die Verwendung eines Refe­ renzwerts in der Union. Ein Referenzwert ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 BMR insbesondere ein Index, auf den Bezug genommen wird, um den für ein Fi­ nanzinstrument oder einen Finanzkontrakt zahlbaren Betrag oder den Wert eines Finanzinstruments zu bestimmen. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 BMR definiert die „Bereitstellung eines Referenzwerts“ als die Verwaltung der Mechanismen für die Bestimmung eines Referenzwerts (lit. a), die Erhebung, Analyse oder Verarbeitung von Eingabedaten zwecks Bestimmung eines Referenzwerts (lit. b) und21 die Bestimmung eines Referenzwerts durch Anwendung einer Formel oder anderen Berechnungsmethode oder durch Bewertung der zu diesem Zweck bereitgestellten Eingabedaten (lit. c). Zugleich steckt Art. 2 Abs. 1 BMR den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung ab, der drei Personengruppen umfasst. Primärer Adressat sind die Administratoren von Referenzwerten, also diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die die Kontrolle über die Bereitstellung eines Referenzwerts ausüben (Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 BMR). Daneben erfasst die Ver­ ordnung diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die dem Adminis­ trator die für die Bereitstellung des Referenzwertes erforderlichen Eingabe­ daten zur Verfügung stellen, sogenannte Kontributoren (Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 BMR). Obgleich es insoweit an einer Definition fehlt, erfasst die BMR als letzte Gruppe die Nutzer eines Referenzwerts, also diejenigen Personen, die einen Referenzwert verwenden.22 Allerdings reguliert Art. 29 Abs. 1 BMR die Nutzer eines Referenzwertes lediglich dann, wenn es sich bei ihnen um beaufsichtigte Unternehmen handelt. 3. Regulierung von Administratoren und Kontributoren a) Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Administratoren In der Union angesiedelte Administratoren müssen nach Art. 34 Abs. 1 BMR bei der zuständigen nationalen Behörde – bei Sitz in Deutschland die BaFin23 – eine Zulassung oder Registrierung beantragen. Hierfür muss der Antragsteller gemäß Art. 34 Abs. 4 BMR nachweisen, dass er alle erforder­ 21  Die Kriterien müssen kumulativ vorliegen; s. Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 88; Spindler, ZBB 2015, 165, 169. 22  Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 94. 23  Art. 40 Abs. 2 BMR i. V. m. § 10 Abs. 2 Satz 1 WpHG.



A. Überblick über die untersuchten Verordnungen45

lichen Vorkehrungen getroffen hat, um die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen. Alle zugelassenen oder registrierten Administratoren werden in ein von der ESMA geführtes öffentliches Register eingetragen. Art. 29 Abs. 1 BMR stellt sicher, dass beaufsichtigte Unternehmen in der Union nur Refe­ renzwerte verwenden, die von einem in das Register eingetragenen Adminis­ trator bereitgestellt werden oder als gleichwertige Referenzwerte aus Dritt­ staaten (Art. 33 BMR) in das Register eingetragen sind. b) Allgemeine Anforderungen an die Unternehmensführung von Administratoren und Kontributoren (Art. 4–10, 16 BMR) Ein zentrales Anliegen der BMR besteht darin, den Prozess der Bereitstel­ lung von Referenzwerten zu regulieren, um deren Manipulationsanfälligkeit zu verringern. Zu diesem Zweck enthält Titel II BMR allgemeine Vorgaben für Administratoren und Kontributoren, die grundsätzlich unabhängig von der Art des bereitgestellten Referenzwertes gelten. Die Art. 4–10 BMR re­ geln die Unternehmensführung und interne Organisation von Administrato­ ren. Hervorzuheben sind die allgemeinen Anforderungen mit Blick auf die Unternehmensführung und Interessenkonflikte (Art. 4 BMR) und die Vorga­ ben zur Aufsichtsfunktion (Art. 5 BMR), wobei Art. 4 BMR durch die dele­ gierte Verordnung (EU) 2021/135024 und Art. 5 BMR durch die BMR-DelVO konkretisiert werden. Art. 16 BMR enthält zudem Anforderungen an die Unternehmensführung und Kontrolle beaufsichtigter Kontributoren. Den organisationsrechtlichen Normen der BMR liegt – ebenso wie den übrigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Unternehmensführung – ein prinzipienbasierter Regelungsansatz zugrunde.25 Die damit im Allgemei­ nen verbundene Rechtsunsicherheit wird bei den Regelungen der Art. 4 ff. BMR als besonders hoch eingeschätzt, weil die Verordnung Regelungsinhalte erstmalig aufgreife und „Kunstbegriffe ohne Vorbild im allgemeinen Unter­ nehmensrecht“ verwende, die nicht ausreichend definiert seien.26 Problema­ tisch sei zudem, dass die Vorgaben der Verordnung nur partiell durch dele­ gierte Rechtsakte konkretisiert werden. Die Auslegung der Verordnung sei deshalb – vorbehaltlich einer kaum zu erwartenden abschließenden Klärung durch den EuGH – mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Inhaltlich wei­ 24  Delegierte Verordnung (EU) 2021/1350 der Kommission vom 6.5.2021 zur Er­ gänzung der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Spezifizierung der Anforderungen zur Gewährleistung ausreichend robuster Regelungen für die Unternehmensführung der Administratoren, ABl. EU L 291/9 vom 13.8.2021. 25  Näher dazu unten 1. Teil: B. IV. 3. 26  Hierzu und zum Folgenden Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 125.

46

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

sen die Art. 4 ff. BMR Parallelen zu den allgemeinen Organisationspflichten des Wertpapierhandelsrechts auf.27 Teilweise betritt die Verordnung aber Neuland, was insbesondere für die Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR gilt, die sich in der gesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung als Fremd­ körper erweist.28 c) Besonderheiten für die Bereitstellung bestimmter Referenzwerte Die BMR verfolgt ein nach Risikogesichtspunkten abgestuftes Regelungs­ konzept.29 Die Anforderungen an Administratoren und Kontributoren sind nach Titel III BMR abhängig von der Art des bereitgestellten Referenzwer­ tes. So unterliegen die Administratoren kritischer Referenzwerte (Art. 20 ff. BMR) nach Art. 7 Abs. 3 BMR und Art. 1 Abs. 2 BMR-DelVO strengeren organisatorischen Vorgaben. Besonderheiten gelten überdies für die Adminis­ tratoren und (auch nicht beaufsichtigte) Kontributoren von Referenzzinssät­ zen. Auf diese finden gemäß Art. 18 BMR die besonderen organisatorischen Anforderungen des Anh. I BMR – zusätzlich zu oder anstelle der allgemeinen Vorschriften der Art. 4–16 BMR – Anwendung. Für Rohstoff-Referenzwerte gelten gemäß Art. 19 BMR grundsätzlich die in Anh. II BMR niedergelegten Anforderungen anstelle der Art. 4–9, 11–16 BMR; hiervon ausgenommen sind Referenzwerte, die auf regulierten Daten oder auf Eingaben von Kontri­ butoren, bei denen es sich mehrheitlich um beaufsichtigte Unternehmen handelt, beruhen, sowie kritische Referenzwerte. Unbedeutende RohstoffReferenzwerte, welche die Anforderungen des Art. 2 Abs. 2 lit. g BMR erfül­ len, sind sogar vollständig vom Anwendungsbereich der BMR ausgenommen. Zudem wird danach unterschieden, ob ein Referenzwerte signifikant ist (Art. 24 f. BMR). Für die Bereitstellung nicht signifikanter Referenzwerte steht es einem Administrator frei, die in Art. 26 Abs. 1 BMR genannten Re­ gelungen, die unter anderem die Regelungen zur Unternehmensführung der Art. 4 und 5 BMR betreffen, nicht anzuwenden. Er muss dann aber in einer Konformitätserklärung angeben, warum nichts gegen die Nichtanwendung der Bestimmungen einzuwenden ist (Art. 26 Abs. 3 BMR). Im Übrigen fin­ den die Art. 24–26 BMR gemäß Art. 18 UAbs. 2, 19 Abs. 1 UAbs. 2 BMR keine Anwendung auf Referenzzinssätze und Rohstoff-Referenzwerte. Auf die Bereitstellung von und das Beitragen zu Referenzwerten aus regulierten Daten finden gemäß Art. 17 Abs. 1 BMR die dort genannten Vorschriften keine Anwendung. in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 124. dazu unten 2. Teil: C. III. 29  Wundenberg, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 36 Rn. 10. 27  Binder,

28  Ausführlich



A. Überblick über die untersuchten Verordnungen47

4. Sonstige Regelungen Neben den Anforderungen an die Unternehmensführung und Kontrolle von Administratoren und Kontributoren soll die Integrität und Zuverlässig­ keit von Referenzwerten durch Anforderungen an die Eingabedaten, auf de­ nen die Referenzwerte beruhen (Art. 11 BMR), und an die Methodik zur Bestimmung der Referenzwerte (Art. 12 f. BMR) verbessert werden. Zudem enthält die Verordnung Vorgaben zur Meldung von Verstößen (Art. 14 BMR), zur Transparenz und zum Verbraucherschutz (Art. 27 f. BMR) und zur Ver­ wendung der Referenzwerte in der Union (Art. 29 ff. BMR).

IV. CRAR 1. Regelungshintergrund Die CRAR ist eine gesetzgeberische Folge der Finanzkrise, als deren Mit­ verantwortliche die Ratingagenturen angesehen werden.30 Ihnen wurde vor­ geworfen, im Vorfeld der Krise zweifelhaften Finanzprodukten Bestnoten gegeben und nicht schnell genug auf die sich verschlechternde Marktlage reagiert zu haben.31 Ungeachtet dieser Kritik nehmen Ratingagenturen nach wie vor eine wichtige Rolle auf den globalen Wertpapier- und Bankenmärk­ ten ein, weil Anleger, Kreditnehmer, Emittenten und Regierungen auf ihre Bonitätseinschätzungen zurückgreifen, um fundierte Anlage- und Finanzent­ scheidungen treffen zu können.32 Das Funktionieren der Märkte und das Vertrauen der Anleger hängt deshalb maßgeblich von der Integrität der Rat­ ings ab. Zentrales Ziel der CRAR ist es, das Vertrauen des Markts in Ratings zu festigen, das durch das Verhalten der Agenturen im Zuge der Finanzkrise erschüttert wurde. 2. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der Verordnung erstreckt sich nach Art. 2 Abs. 1 CRAR auf Ratings von in der EU registrierten Ratingagenturen. Der persön­ liche Anwendungsbereich umfasst demnach Ratingagenturen mit Sitz in der EU, wozu auch Niederlassungen von Agenturen zählen, die ihren Hauptsitz

30  Vgl.

31  Veil,

ErwGr. 10 CRAR. in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 27 Rn. 11; ErwGr. 10 Satz 1

CRAR. 32  Hierzu und zum Folgenden ErwGr. 1 CRAR. Ausführlich zur Bedeutung von Ratingagenturen Veil, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 27 Rn. 1 ff.

48

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

außerhalb der EU haben.33 Eine Ratingagentur ist definiert als eine Rechts­ persönlichkeit, deren Tätigkeit die gewerbsmäßige Abgabe von Ratings um­ fasst (Art. 3 Abs. 1 lit. b CRAR). Daneben statuiert die Verordnung Pflichten von Kreditinstituten und anderen beaufsichtigten Unternehmen in Bezug auf die Verwendung von Ratings (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1, 5a CRAR). Schließlich erfasst die Verordnung Emittenten oder mit diesen verbundene Dritte (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2, 8c, 8d CRAR). Der sachliche Anwendungsbereich umfasst gemäß Art. 2 Abs. 1 CRAR Ratings, die der Öffentlichkeit bekannt gegeben oder an Abonnenten weiter­ gegeben werden. Den Begriff des Ratings definiert Art. 3 Abs. 1 lit. a CRAR als „ein Bonitätsurteil in Bezug auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument oder den Emittenten derartiger [Instrumente], das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien abgegeben wird.“ 3. Regulierung von Ratingagenturen a) Registrierung und Beaufsichtigung Die Verordnung enthält in ihrem Titel III Vorschriften zur Beaufsichtigung der Ratingtätigkeit, insbesondere ein Registrierungsverfahren für Rating­ agenturen (Art. 14 ff. CRAR). In der Union ansässige Ratingagenturen müs­ sen nach Art. 14 Abs. 1 CRAR einen Antrag auf Registrierung stellen, über den die ESMA durch Beschluss entscheidet (Art. 16 Abs. 3 CRAR). Erfüllt eine Ratingagentur zum Zeitpunkt des Registrierungsantrags nicht alle An­ forderungen der Verordnung, kann die ESMA gemäß Art. 16 Abs. 1, 3 CRAR die Registrierung ablehnen. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungs­ unternehmen und die anderen in Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 CRAR aufgeführten Unternehmen dürfen für aufsichtsrechtliche Zwecke nur Ratings von Rating­ agenturen verwenden, die ihren Sitz in der Union haben und gemäß der CRAR registriert sind. Die Beaufsichtigung der Ratingagenturen obliegt nach den Art. 21 ff. CRAR der ESMA.34 b) Anforderungen an Ratingagenturen Um die Integrität von Ratings zu gewährleisten, enthält Titel II CRAR besondere Vorgaben zur Abgabe von Ratings. Vorliegend von Interesse ist dabei in erster Linie Art. 6 CRAR, der die Unabhängigkeit von Ratingagen­ in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 27 Rn. 21. den aufsichtsrechtlichen Sanktionen unten 3. Teil: A. III.

33  Veil, 34  Zu



A. Überblick über die untersuchten Verordnungen49

turen und die Vermeidung von Interessenkonflikten gewährleisten soll. Art. 6 Abs. 1 CRAR verpflichtet Ratingagenturen dazu sicherzustellen, dass die Abgabe eines Ratings oder eines Ratingausblicks nicht von bestehenden oder potenziellen Interessenkonflikten beeinflusst wird. Ferner müssen Rating­ agenturen gemäß Art. 6 Abs. 2 CRAR die in Anh. I Abschnitt A und B CRAR festgelegten organisatorischen Anforderungen erfüllen. Anh. I Abschnitt A CRAR legt Anforderungen an die Unternehmensführung von Ratingagentu­ ren fest, was Regelungen zur Compliance-Organisation ebenso umfasst wie besondere Anforderungen an die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan von Ratingagenturen. Anh. I Abschnitt B CRAR statuiert operationelle An­ forderungen, die der Bewältigung von Interessenkonflikten dienen sollen. Besonderheiten gelten für Ratingagenturen mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem weniger komplexen Geschäftsmodell. Die ESMA kann solche Ratingagenturen auf deren Antrag von bestimmen Anforderungen zur Unter­ nehmensführung befreien, wenn die Anwendung dieser Vorgaben unverhält­ nismäßig wäre und die übrigen in Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1 CRAR geregelten Voraussetzungen erfüllt sind. In einer Gruppe von Ratingagenturen ist nach Art. 6 Abs. 3 UAbs. 2 CRAR allerdings erforderlich, dass mindestens eine Agentur der Gruppe nicht von den dort genannten Anforderungen befreit ist. Im Übrigen enthält Titel II CRAR u. a. eine Höchstlaufzeit der vertragli­ chen Beziehungen zu einer Ratingagentur (Art. 6b CRAR), besondere Anfor­ derungen an die unmittelbar an den Ratingtätigkeiten beteiligten Personen (Art. 7 Abs. 1 CRAR) und die Pflicht, ein geeignetes graduelles Rotations­ system für Ratinganalysten und Personen, die Ratings bestätigen, einzufüh­ ren. Ferner will die Verordnung die Qualität von Ratings durch Vorgaben zu den Methoden, Modellen und grundlegenden Annahmen für Ratings verbes­ sern (Art. 8 CRAR). Die Art. 10–12 CRAR enthalten Vorschriften zur Trans­ parenz, durch die das Anlegerpublikum vor Missverständnissen in Bezug auf die Bedeutung eines Ratings geschützt werden sollen.35 4. Zivilrechtliche Haftung und Sanktionen Eine Besonderheit der CRAR stellt die in Titel IIIA geregelte zivilrecht­ liche Haftung von Ratingagenturen nach Art. 35a CRAR dar.36 Titel IV der Verordnung regelt schließlich unter anderem aufsichtsrechtliche Sanktionen, die bei Verstößen gegen die Bestimmungen der CRAR verhängt werden kön­ nen. 35  Veil, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 27 Rn. 49. Kritisch dazu Lerch, BKR 2010, 402, 406. 36  Näher dazu unten 3. Teil: D. I.

50

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

V. Zusammenfassung Alle hier untersuchten Verordnungen bezwecken die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte. Dieses aufsichtsrechtliche Ziel soll unter anderem durch die Stärkung der Corporate Governance der als systemrelevant eingeordneten Marktteilnehmer gewährleistet werden. Infolgedessen müssen die Adminis­ tratoren und Kontributoren von Referenzwerten ebenso besondere Regelun­ gen zur Unternehmensführung beachten wie Ratingagenturen, zentrale Ge­ genparteien, Zentralverwahrer und Transaktionsregister. Bereichsspezifisch verfolgen die Verordnungen dabei besondere Ziele. So liegt der Schwerpunkt der Corporate Governance-Anforderungen für Ratingagenturen und Adminis­ tratoren auf der Bewältigung von Interessenkonflikten, die bei der Erstellung von Ratings und Referenzwerten auftreten können. Die organisatorischen Anforderungen in CSDR und EMIR legen den Fokus demgegenüber darauf, die Solidität von Zentralverwahrern, zentralen Gegenparteien und Transak­ tionsregistern sicherzustellen. Diesen Anbietern von Nachhandelsstruktur misst das Aufsichtsrecht Systemrelevanz für die Finanzmärkte bei.

B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts I. Einführung Das EU-Aufsichtsrecht regelt mit der Corporate Governance einen Gegen­ stand, der klassischerweise im nationalen Gesellschaftsrecht verortet ist. Dass das Aufsichtsrecht Themen der Corporate Governance regelt, ist aller­ dings nicht völlig neu. Das deutsche Aufsichtsrecht enthält schon länger Vorgaben zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation, die aber im Nach­ gang der Finanzkrise – insbesondere durch den Einfluss des EU-Aufsichts­ rechts, das insoweit internationale Standards rezipierte37 – deutlich ausgebaut wurden. Die neue Qualität der hier untersuchten Vorgaben zur Corporate Governance liegt darin, dass sie sich – statt in nationalem (Umsetzungs‑) Recht – in EU-Verordnungen finden. Das ist bemerkenswert, weil sich der Unionsgesetzgeber im Bereich gesellschaftsrechtlicher Regelungen – sieht man von der Einführung supranationaler Rechtsformen wie der SE einmal ab – bisher auf Richtlinien38 beschränkt hat, deren Schwerpunkt auf der Ak­ 37  Zu

den internationalen Einflüssen F. Schmidt, Ausstrahlung, 2017, S. 57 ff. zur Entwicklung auf europäischer Ebene Kalss/Klampfl, in: Dauses/Lud­ wigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 433 ff. Zu den Kompetenzen der EU näher dies., in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 28 ff. 38  Vgl.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts51

tiengesellschaft liegt. Speziell im Bereich der Corporate Governance basierte die Rechtsetzung der EU im Wesentlichen auf unverbindlichen Empfehlun­ gen.39 Zwar geraten auch im Rahmen der Richtliniengesetzgebung – z. B. bei der 2017 umfassender geänderten Aktionärsrechterichtlinie40 – zunehmend Themen der Corporate Governance in den Blick. Zudem ist der faktische Einfluss auf die mitgliedstaatliche Rechtsetzung – neben Empfehlungen sind hier Grünbücher und Aktionspläne41 zu nennen – nicht zu unterschätzen. Gleichwohl fehlt es bislang an einem umfassenden unionsrechtlichen Rege­ lungsrahmen für die Corporate Governance.42 Neben dem mangelnden poli­ tischen Willen könnte dies daran liegen, dass die kompetenzrechtliche Grundlage einer solchen umfassenden unionsrechtlichen Regulierung zwei­ felhaft wäre. Dass das Unionsrecht – über den Umweg des Aufsichtsrechts – die Corpo­ rate Governance von Unternehmen des Finanzsektors durch unmittelbar anwendbares Verordnungsrecht regelt, stellt deshalb einen Paradigmenwechsel dar und eröffnet neue Fragestellungen. Man könnte dies als Entwicklung eines sektorspezifischen EU-Gesellschaftsrechts „über die Hintertür des Aufsichts­ rechts“ begreifen. Angesichts der erheblichen strukturellen Unterschiede der verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten der Union, die im Folgenden noch näher erläutert werden, birgt diese Entwicklung Konfliktpotenzial. Die Frage nach dem Verhältnis von Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht stellt sich in diesem Kontext in neuem Licht dar.

II. Allgemeines zur Corporate Governance Für Unternehmen des Finanzsektors führt die aufsichtsrechtliche Regulie­ rung der Corporate Governance dazu, dass sie hinsichtlich ihrer unterneh­ mensinternen Organisation zwei Regime parallel beachten müssen, nämlich das nationale Gesellschaftsrecht und das unmittelbar anwendbare EU-Auf­ sichtsrecht. Diesen beiden Regelungsregimen liegen unterschiedliche Kon­ zepte von Corporate Governance zugrunde, die im Folgenden näher darge­ stellt werden. Zudem wird untersucht, ob die unterschiedlichen Konzepte zu 39  Näher dazu F. Schmidt, Ausstrahlung, 2017, S. 65 ff.; Fleischer, ZGR 2012, 160, 176 ff.; Bayer, NZG 2013, 1, 15; Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 20 f. 40  Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EG L 184/17 vom 14.7.2007, unter anderem geändert durch Richtlinie (EU) 2017/828 vom 17.5.2017, ABl. EU L 132/1 vom 20.5.2017. 41  Dazu Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 22 ff. 42  Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 16 ff.

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

einer Zieldisparität zwischen aufsichtsrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Corporate Governance führen. 1. Gesellschafsrechtliches Corporate Governance-Konzept a) Begriffsdefinition Zurückgehend auf die britische Cadbury Commission von 199243 kann Corporate Governance als das „System der Leitung und Überwachung eines Unternehmens“ bezeichnet werden, obgleich es nach wie vor an einer allge­ mein anerkannten Definition fehlt.44 Anders ausgedrückt geht es um den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwa­ chung eines Unternehmens.45 Corporate Governance betrifft maßgeblich die Binnenstruktur der Gesell­ schaft, weshalb der Begriff erhebliche Überschneidungen mit dem Begriff der Unternehmensverfassung aufweist.46 Gegenstand der Corporate Govern­ ance ist insbesondere die Organisation der Unternehmensleitung, mithin die Rollen, Kompetenzen und Funktionsweisen sowie das Zusammenwirken der Unternehmensorgane.47 Durch interne Steuerungssysteme sollen die Ent­ scheidungsstrukturen in Unternehmen und damit die getroffenen Entschei­ dungen optimiert werden.48 Grundlegend für eine gute Corporate Governance ist das Verhältnis zwischen Unternehmensführungs- und Kontrollfunktion, in der AG also zwischen Vorstand und Aufsichtsrat.49 Das Austarieren der bei­ den Funktionen ist eine zentrale Aufgabe der Regelungen zur gesellschafts­ rechtlichen Organisationsverfassung und wird in den verschiedenen europäi­ 43  Cadbury, Report of the Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance, London, December 1992, para 2.5: „Corporate governance is the system by which companies are directed and controlled“. 44  Hopt/Leyens, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corporate Governance von Ban­ ken, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 4; Hopt, ZGR 2017, 438, 439. 45  v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 4; Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 13.1; Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.1. 46  v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 4. 47  v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 4; Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.1. 48  Grundmann, EuGesR, 2. Aufl. 2011, Rn. 442; Kalss/Klampfl, in: Dauses/Lud­ wigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 430. 49  Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 272.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts53

schen Rechtssystemen sehr unterschiedlich gelöst.50 Das deutsche Aktienrecht beschränkt sich auf die grundlegenden Regeln der Unternehmensverfassung und stellt die nähere Ausgestaltung der Unternehmensorganisation weitge­ hend in das Ermessen der einzelnen Gesellschaften.51 Darüber hinausgehende Anforderungen enthält der DCGK52 für börsennotierte Unternehmen in Deutschland lediglich in Form von „Soft Law“. Neben den Kompetenzen der Unternehmensorgane sind insbesondere die Ziele, denen diese Organe ver­ pflichtet sind, von Belang.53 Der Begriff der Corporate Governance geht al­ lerdings über den der Unternehmensverfassung hinaus, da er neben dem Verhältnis der Unternehmensorgane zueinander das Verhältnis der Unterneh­ mensführung zu den externen Bezugsgruppen (Stakeholder) erfasst.54 Zu­ sammengefasst sollen Regelungen zur Corporate Governance die Beziehun­ gen zwischen Unternehmensorganen, Eigentümern und sonstigen Interessen­ trägern regeln und zu einem Ausgleich führen.55 Unternehmensinterne Steuerungsmechanismen werden unter dem Begriff der internen Corporate Governance zusammengefasst.56 Davon unterschieden wird der Begriff der externen Corporate Governance, der die Unternehmens­ kontrolle durch äußere Einflüsse bezeichnet, also den Einfluss von Märkten bzw. Marktkräften auf die Entscheidungsstrukturen eines Unternehmens.57 Dazu werden insbesondere die Steuerungsmechanismen des Kapitalmarkt­ rechts sowie der Markt für Unternehmensübernahmen gerechnet.58 Die ex­ terne Corporate Governance ist in Form des Kapitalmarkt- und Übernahme­ rechts der EU in großen Teilen unionsrechtlich harmonisiert,59 während für 50  Zu den Unterschieden zwischen monistischer und dualistischer Unternehmens­ verfassung unten 1. Teil: B. III. 1. a). 51  Fischer, Ausstrahlungswirkungen, 2018, S. 19, 40 ff. 52  Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 28.4.2022, abruf­ bar unter https://www.dcgk.de/de/kodex.html [geprüft am 15.4.2023]. 53  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5.  Aufl. 2022, Rn.  2.1, 2.6 ff. 54  v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 4. 55  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 430. 56  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 431; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 450. 57  Grundmann, EuGesR, 2. Aufl. 2011, Rn. 476 ff.; Kalss/Klampfl, in: Dauses/Lud­ wigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 431; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 450. 58  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 431. 59  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 432; Bachmann, AG 2011, 181, 183.

54

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

die interne Corporate Governance das nationale Gesellschaftsrecht von maßgeblicher Bedeutung ist. Die hier untersuchten aufsichtsrechtlichen Vor­ gaben nehmen die interne Corporate Governance in den Blick und führen insoweit zu einer stärkeren europäischen Angleichung. b) Zielsetzungen Allgemeines Ziel von Corporate Governance ist die Qualität der Unterneh­ mensleitung im Sinne einer nachhaltigen und rechtmäßigen Wertschöpfung im Interesse der Aktionäre und – nach dem in Deutschland vorherrschenden pluralistischen Verständnis – auch im Interesse anderer Bezugsgruppen wie der Gläubiger, Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit (Stakeholder-Ansatz).60 In den anglo-amerikanischen Ländern lag der Schwerpunkt bis vor kurzer Zeit dagegen auf den Interessen der Aktionäre als Kapitalgeber (Shareholder Value).61 Konkreter gefasst bestehen die Ziele der Corporate Governance darin, Konflikte zwischen den verschiedenen Bezugsgruppen des Unternehmens zu regeln. Hierbei wurden drei zentrale Konflikte ausgemacht. All diesen Pro­ blemkreisen ist es gemein, dass es um das Austarieren der verschiedenen privaten Interessen geht, die in der Gesellschaft als dem Ort einer wirtschaft­ lichen Betätigung zusammentreffen. An vorderster Stelle steht der Prinzipal-Agenten-Konflikt, der aus einer Trennung von Kontrolle und Inhaberschaft des Unternehmens resultiert.62 Das in Kapitalgesellschaften fremdnützig tätige Management hat einen Infor­ mationsvorsprung gegenüber den Gesellschaftern, also den wirtschaftlichen Eigentümern des Unternehmens, den es zugunsten der Verfolgung eigener Interessen ausnutzen kann.63 Zudem ist das Management tendenziell an ei­ nem risikoscheueren Handeln interessiert als die Gesellschafter, weil es seine Arbeitskraft nicht so einfach diversifizieren kann wie die auf Renditemaxi­ AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 37. in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.1; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 449; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 22. Zur Herkunft des Shareholder ValueKonzepts Mülbert, ZGR 1997, 129, 134 f. 62  Grundlegend Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 3 (1976), 305 ff.; näher dazu ferner Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 7; Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 430; Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsenno­ tierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.5. 63  v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 7; Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.5. 60  J. Koch,

61  Marsch-Barner/F. A. Schäfer,



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts55

mierung fokussierten Anteilseigner ihre Kapitalanlagen.64 Zur Lösung dieses Konflikts wurde versucht, die Interessen des Managements durch entspre­ chende finanzielle Anreize – insbesondere durch eine aktienkursbasierte Vergütung – denen der Gesellschafter anzugleichen.65 Allerdings sieht sich dieser Ansatz erheblicher Kritik ausgesetzt.66 Bei Aktienoptionen wird die Gefahr gesehen, dass eine Orientierung allein am Aktienkurs Fehlanreize dahingehend setzt, dass die Begünstigten ein Interesse an einem volatilen, lediglich kurzfristig steigenden Aktienkurs haben.67 Auf diese Kritik hat der der Gesetzgeber mit der Einführung des § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG reagiert, nach dem börsennotierte Gesellschaften ihre Vergütungsstruktur auf eine „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ auszurichten haben. Des Weiteren besteht ein möglicher Konflikt zwischen Eigentümermehrheit und -minderheit.68 Einflussreiche Mehrheitsanteilseigner können ihre Macht in der Gesellschaft ausnutzen, um eigene Interessen durchzusetzen, was zulasten der Minderheitsaktionäre oder sonstiger Stakeholder der Gesell­ schaft gehen kann. Das Aktienkonzernrecht adressiert diesen Konflikt und enthält unter anderem Schutzvorschriften für die Aktionäre sowie Gläubiger abhängiger Unternehmen. Schließlich kann es Konflikte zwischen den Aktionären und anderen Interessengruppen geben, etwa den Arbeitnehmern, Gläubigern, Lieferanten oder der Allgemeinheit.69 Herauszuheben sind hierbei das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Aktionären, das in Deutschland durch das Konzept der unternehmerischen Mitbestimmung zu einem Ausgleich gebracht werden soll. 64  Heremans, Corporate Governance Issues for Banks, 2007, S. 5, 13  f.; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance von Banken, 1. Aufl. 2011, S. 58; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 7. 65  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.5; speziell zu Aktienoptionen Rieckers, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.07.2022, § 192 Rn. 51; Fuchs, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 192 Rn. 68. 66  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.5; zu Aktienoptionsplänen Rieckers, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.07.2022, § 192 Rn.  54 f.; Fuchs, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 192 Rn. 69 ff. 67  Rieckers, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.07.2022, § 192 Rn. 54; Fuchs, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 192 Rn. 70. 68  Hopt/Leyens, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corporate Governance von Ban­ ken, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 7; Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschafts­ recht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 430. 69  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 430; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 3, 8 ff.

56

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

2. Aufsichtsrechtliches Corporate Governance-Konzept a) Überblick Die weitergehende aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Govern­ ance wird auf die Besonderheiten gestützt, die Unternehmen des Finanzsek­ tors von den Unternehmen anderer Sektoren unterscheiden und abweichende Anforderungen an ihre Unternehmensführung notwendig erscheinen lassen. Die Dienstleistungen, die Unternehmen des Finanzsektors anbieten, sind für das Wohlergehen der Volkswirtschaft von wesentlicher Bedeutung. Das Funktionieren dieser Unternehmen und die Qualität ihrer Dienstleistungen berühren deshalb öffentliche Interessen. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance dienen – gemeinsam mit anderen aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen – dem Zweck, die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts im öffentlichen Interesse zu sichern. Aus dieser Zielsetzung folgt, dass das Aufsichtsrecht nicht an die Rechts­ form, sondern an die Tätigkeit des jeweiligen beaufsichtigten Unternehmens anknüpft. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance sind deshalb, anders als die gesellschaftsrechtlichen Regelungen zur Unterneh­ mensverfassung, rechtsformübergreifend ausgestaltet.70 Von der gesell­ schaftsrechtlichen Corporate Governance unterscheidet sich das aufsichts­ rechtliche Konzept zudem durch die Rolle der staatlichen Aufsicht. Ihr kommt die Aufgabe zu, die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen zu überwachen. Die staatliche Aufsicht tritt da­ durch als zusätzlicher Akteur neben die Verwaltung und die Anteilseigner, was zu einer Beschneidung deren Rechte führen kann.71 Die daraus resultie­ renden Konfliktlagen werden als „dreiseitiger Prinzipal-Agenten-Konflikt“ bezeichnet.72 b) Zielsetzungen Im Einzelnen hängt das Regelungsmodell aufsichtsrechtlicher Corporate Governance-Vorgaben von den bereichsspezifischen Zielen ab, die der jewei­ lige aufsichtsrechtliche Rechtsakt verfolgt. Bei den hier untersuchten Verord­ nungen kristallisieren sich zwei zentrale Zielsetzungen heraus. Zum einen liegt dem EU-Aufsichtsrecht das für klassische Banken entwickelte Konzept einer „Risk Governance“ zugrunde, das auch auf Zentralverwahrer und zen­ trale Gegenparteien anwendbar ist. Die Regelungen für Ratingagenturen und AG 2011, 181, 187. ZHR 2012, 652, 663. 72  Langenbucher, ZHR 2012, 652, 663; kritisch Hopt, ZGR 2017, 438, 448. 70  Bachmann,

71  Langenbucher,



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts57

Referenzwert-Administratoren basieren hingegen auf einem GovernanceKonzept, das sich auf die Qualität der von den Unternehmen erbrachten Dienstleistungen fokussiert und hier insbesondere die Bewältigung von Inte­ ressenkonflikten bezweckt. aa) Risk Governance In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass sich die allgemein anerkannten Kriterien für eine gute Corporate Governance, die den Fokus auf die Interes­ sen der Aktionäre legen, für Banken kontraproduktiv ausgewirkt haben.73 So wiesen Banken, die ihre Geschäftspolitik auf die Interessen der risikofreudi­ geren, weil weniger diversifizierten Aktionäre ausgerichtet haben, signifikant schlechtere Ergebnisse auf.74 Vielmehr ist eine risikoaversere Unterneh­ mensführung angezeigt, weil die geringe Kapitalausstattung von Banken ein besonders hohes Insolvenzrisiko bewirkt.75 Gleichzeitig können Insolvenzen einzelner Unternehmen aufgrund ihrer Vernetzung und Systemrelevanz ver­ heerende Auswirkungen auf das gesamte Finanzsystem haben.76 Für Dritte ist das Geschäft von Finanzdienstleistern aufgrund seiner Komplexität und Undurchsichtigkeit häufig kaum zu durchschauen, was die Einschätzung von Risiken durch den Markt erheblich erschwert.77 Aus diesen Gründen kommt dem Risikomanagement bei Unternehmen der Finanzbranche eine zentrale Rolle zu.78 Schwächen im Risikomanagement wurden demgemäß als ein gravierender Mangel ausgemacht, der zur Finanzkrise beigetragen haben soll.79 Die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Vorgaben sollen – ge­ meinsam mit anderen Vorgaben wie erhöhten Eigenmittelanforderungen – ei­ nen staatlichen „Bail-Out“ systemrelevanter Finanzdienstleister, durch den die Kosten für ein Missmanagement der Allgemeinheit aufgebürdet werden, künftig verhindern.80

73  Hopt, WM 2019, 1771, 1772; ders., ZGR 2017, 438, 443 m. w. N.; Busch/Ferrarini/van Solinge, in: Busch/Ferrarini/van Solinge, Governance of financial institu­ tions, 2019, S. 3, 8. 74  Fahlenbrach/Stulz, Journal of Financial Economics 99 (2011), 11  ff.; Hopt, WM 2019, 1771, 1772. 75  Vgl. Hopt, ZGR 2017, 438, 441; Mülbert, EBOR 10 (2009), 411, 420. 76  Vgl. Hopt, ZGR 2017, 438, 441 f. 77  Mülbert, EBOR 10 (2009), 411, 420 f. 78  Hopt, ZGR 2017, 438, 459; Böcking/Bundle, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corporate Governance von Banken, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 2 f. 79  Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 275. 80  Paetzmann, in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance, 2014, S. 3, 8.

58

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

Obgleich die Debatte zur Corporate Governance im Finanzsektor auf Ban­ ken im klassischen Sinne fokussiert ist, sind die vorstehenden Ausführungen auf andere Unternehmen des Finanzsektors übertragbar. Die besondere Be­ deutung des Risikomanagements gilt auch für Zentralverwahrer, die zwar nicht die gleiche Bedeutung für die Volkswirtschaft haben wie internationale Großbanken, denen als Anbieter von Nachhandelsinfrastruktur aber System­ relevanz für das Funktionieren der Wertpapiermärkte zugesprochen wird.81 Die systemische Bedeutung von zentralen Gegenparteien für den Finanz­ markt folgt aus der gesetzgeberischen Entscheidung, für standardisierte OTC-Derivate die Abwicklung über zentrale Gegenparteien zwingend vorzu­ schreiben.82 Aufgrund der dargestellten Besonderheiten verlagert sich der Fokus der Corporate Governance bei Unternehmen des Finanzsektors von den Aktio­ närsinteressen hin zu einem Bestandsschutz, der vorrangig den Interessen der Gläubiger und nicht den Interessen der stärker diversifizierten – und deshalb risikobereiteren – Aktionäre entspricht.83 Diese Entwicklung wird als „Risk Governance“ oder – den Fokus auf die Gläubiger legend – „Creditor Govern­ ance“ oder „Debt Governance“ bezeichnet.84 Der Begriff der „Debt Govern­ ance“ ist allerdings zu eng, weil er die Schutzzwecke des Aufsichtsrechts auf die Interessen der Fremdkapitalgeber verengt, während dieses die Funktions­ fähigkeit des Finanzsystems als Ganzes im Blick hat.85 Der Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung der Corporate Govern­ ance könnte man entgegenhalten, dass bei Unternehmen des Finanzsektors die Gläubiger anstelle der Aktionäre auf ein wirksames Risikomanagement hinwirken könnten.86 Gläubiger sind an sich risikoavers, weil ihr Rückzah­ lungsanspruch auf den Nennwert der Forderung beschränkt ist. Allerdings fehlen ihnen die entsprechenden Anreize, weil sie entweder als kleine Fremd­ kapitalgeber einer rationalen Apathie unterliegen oder als größere Kredit­ geber regelmäßig durch individuelle Vereinbarungen abgesichert sind.

81  ErwGr.

2 CSDR. Dazu auch Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 20. EMIR. S. auch Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 20. 83  Hopt, ZGR 2017, 438, 446  f., 458 f.; ders., WM 2019, 1771, 1773; Hopt/ Leyens, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corporate Governance von Banken, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 105. 84  Hopt, ZGR 2017, 438, 446; ders., Journal of Corporate Law Studies 13 (2013), 219, 223; Emmenegger, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corporate Governance von Banken, 2. Aufl. 2020, § 4 Rn. 20. 85  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 94 f. 86  Hierzu und zum Folgenden Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privatund Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 280. 82  Art. 4 ff.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts59

bb) Governance zur Sicherung systemrelevanter Dienstleistungen Bei Ratingagenturen und den Administratoren von Referenzwerten ist we­ niger der Fortbestand der Unternehmen selbst von Bedeutung. Vielmehr soll die Qualität der Dienstleistungen dieser Unternehmen gesichert werden, weil sowohl Ratings als auch Referenzwerten eine wesentliche Bedeutung für den Finanzmarkt und das allgemeine Wirtschaftsgeschehen zukommt.87 Das Bestehen von Interessenkonflikten wurde als zentrales Problem erkannt, wel­ ches die Integrität von Referenzwerten und Ratings gefährdet. Entsprechend bilden Governance-Systeme, die der Vermeidung bzw. Bewältigung von Inte­ ressenkonflikten dienen, den Schwerpunkt von BMR und CRAR. Obgleich die Bewältigung von Interessenkonflikten bei Zentralverwahrern und zentra­ len Gegenparteien nicht im gleichen Maße im Mittelpunkt steht, enthalten auch CSDR und EMIR organisatorische Pflichten für den Umgang mit Inte­ ressenkonflikten.88 3. Zieldisparität von aufsichtsrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Corporate Governance Der Finanzsektor weist wesentliche Besonderheiten auf, die Unternehmen des Finanzsektors von denen anderer Sektoren grundlegend unterscheiden. Diese Besonderheiten rechtfertigen grundsätzlich strengere Anforderungen an die Corporate Governance von Unternehmen des Finanzsektors, obgleich die damit einhergehende Regelungsdichte teilweise als Überregulierung be­ klagt wird.89 Problematisch ist die aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Gov­ ernance allerdings deshalb, weil das Aufsichtsrecht grundlegend andere Ziele verfolgt als das Gesellschaftsrecht. Mithilfe der aufsichtsrechtlichen Vorga­ ben sollen die dem Finanzsektor immanenten Gefahren für die Allgemeinheit bekämpft werden. Zwar wird auch dem Gesellschaftsrecht eine gewisse re­ gulatorische Funktion zugebilligt. Indem es Anreize zu volkswirtschaftlich gewünschtem Verhalten setze, erfülle das Gesellschaftsrecht eine wichtige Lenkungsfunktion.90 Zudem bestünden Überschneidungen in den Zielsetzun­ gen von Aufsichts- und Gesellschaftsrecht, weil auch das Gesellschaftsrecht den Schutz von Gläubigerinteressen sowie den Bestand der Gesellschaft be­

87  Dazu

oben 1. Teil: A. III. 1. und 1. Teil: A. IV. 1. 78 Abs. 2 EMIR, Art. 26 Abs. 3 CSDR. 89  Hopt, ZGR 2017, 438, 452 f.; Hemeling, ZHR 174 (2010), 635, 638 ff. 90  Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 114. 88  S. Art. 33,

60

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

zwecke.91 Allerdings unterscheidet sich der Ausgangspunkt dieser Zielset­ zungen maßgeblich, weil das Gesellschaftsrecht als Teilgebiet des Privat­ rechts92 dem Ausgleich privater Interessen dient, während das Aufsichtsrecht öffentliche Interessen verfolgt. Diese öffentlichen Interessen überlagern Grundwertungen des Verbandsrechts, was zu einer anders orientierten, von Grundwertungen des allgemeinen Gesellschaftsrechts stark abweichenden Corporate Governance führt.93 Daraus können sich Spannungen zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht hinsichtlich der Zielbestimmung der Ge­ schäftsleitung ergeben.94 Hinzu kommt, dass das Aufsichtsrecht nicht nur den Schutz der direkt an der Gesellschaft beteiligten Stakeholder bezweckt. Um die Funktionsfähig­ keit des Finanzmarkts zu sichern, bezieht es die Interessen anderer Marktteil­ nehmer – beispielsweise der Nutzer der Wertpapierliefer- und -abrechnungs­ systeme eines Zentralverwahrers – mit ein. Die Interessen dieser gesell­ schaftsfremden Dritten spielen aus Sicht der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance eine erheblich größere Rolle als dies – auch auf der Grundlage eines interessenpluralistischen Ansatzes – nach allgemeinen gesellschafts­ rechtlichen Grundsätzen der Fall wäre.

III. Unterschiedliche Modelle der Corporate Governance in der EU 1. Bestandsaufnahme Das EU-Aufsichtsrecht steuert durch die Regelungen zur Corporate Gov­ ernance ein Gebiet, das noch nicht grundlegend unionsrechtlich harmonisiert ist. Zwar ist zumindest das nationale Aktienrecht durch die gesellschafts­ rechtlichen Richtlinien stark unionsrechtlich vorgeprägt; aufgrund des Schei­ terns der 5. Strukturrichtlinie fehlt es aber an einer europäisch vereinheitlich­ ten Unternehmensverfassung.95 Dies gilt erst recht für die GmbH, die im Gegensatz zur AG nur zu einem kleinen Teil „europäisiert“ ist, und für Per­ sonengesellschaften, die das Gesellschaftsrecht der Union bislang lediglich

91  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S.  95; Thaten, Ausstrahlung des Aufsichts- auf das Aktienrecht, 2016, S. 146  ff.; Duplois, Beeinflussung, 2017, S.  166 ff. 92  K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 2 II 1 (S. 8 f.). 93  Binder, ZGR 2013, 760, 764. 94  Siehe unten 2. Teil: B. V. 4. 95  Bayer, NZG 2013, 1, 15; Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn.  9.47 f., 13.22 ff.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts61

in Randbereichen erfasst.96 Das Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten der EU ist vielmehr geprägt von einer Vielfalt unterschiedlicher Systeme zur Corporate Governance, die zum Teil grundlegend anderen Rechtstraditionen folgen. Im Folgenden werden die wesentlichen strukturellen Unterschiede dargestellt. a) Unternehmensverfassung Beim Recht großer Kapitalgesellschaften ist die Unterscheidung zwischen monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung für die verschiede­ nen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten besonders prägend. aa) Dualistisches System Das dualistische System basiert darauf, dass Geschäftsführung und Kon­ trolle getrennt und jeweils unterschiedlichen Organen zugewiesen sind. In der deutschen Aktiengesellschaft ist dieses Prinzip durch die Kompetenzver­ teilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat verwirklicht. Die Leitung der Gesellschaft obliegt gemäß § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand gemäß § 111 Abs. 1 AktG zu überwachen, Geschäftsfüh­ rungsaufgaben dürfen ihm nach § 111 Abs. 4 AktG nicht übertragen werden. Eine Oberleitungsfunktion darf der Aufsichtsrat nach der Konzeption des Aktiengesetzes nicht ausüben.97 § 105 AktG schreibt die Unvereinbarkeit von Vorstands- und Aufsichtsratsamt fest. Eine strikte Trennung zwischen leitender Tätigkeit des Vorstands und Überwachungsaufgabe des Aufsichts­ rats bedeutet dies aber nicht.98 Die allgemeine Überwachungsfunktion nach § 111 Abs. 1 AktG umfasst auch die Beratung der Geschäftsführung im Sinne einer präventiven Kontrolle.99 Zudem stehen dem Aufsichtsrat vereinzelte 96  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 12 ff., 17. 97  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 103; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 111 Rn. 67; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 22; a. A. wohl Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 58: Aufsichtsrat sei mitverantwortlich für die Führung der Gesellschaft. Dazu noch unten Fn. 121. 98  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 13; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 46 ff., 103; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 111 Rn. 28, § 76 Rn. 2. 99  BGHZ 114, 127, 129 f. = WM 1991, 1075; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 12, 50 ff.; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 47, 274 ff.; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 111 Rn. 12; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 111 Rn. 28.

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

Mitentscheidungs- und Mitsprachrechte in Sachen der Geschäftsführung zu, wobei insbesondere die Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu nennen sind.100 Schließlich kann der Aufsichtsrat durch die Aus­ übung seiner Personalkompetenz nach § 84 AktG Einfluss auf die Geschäfts­ führung nehmen.101 bb) Monistisches System In Gesellschaften mit monistischer Unternehmensverfassung gibt es dem­ gegenüber nur ein Leitungsorgan (board of directors). Das Leitungsorgan ist für alle Angelegenheiten zuständig, für die keine Zuständigkeit der Haupt­ versammlung besteht; daraus folgt, dass das monistische System keine klare funktionale Trennung zwischen Leitung, Beratung und Überwachung kennt.102 Innerhalb des board of directors ist zwischen geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Direktoren zu unterscheiden. Ein geschäftsfüh­ render Direktor ist ein Mitglied des Leitungsorgans, das gleichzeitig als executive officer in die Geschäftsführung eingebunden ist.103 Zwar steht die Geschäftsführung unter der Leitung des board of directors, die Tagesge­ schäftsführung wird aber in der Regel auf die executive officers delegiert.104 Die oberste Verantwortung für die strategische Ausrichtung des Unterneh­ mens verbleibt beim board of directors als Gesamtorgan.105 Häufig ist der Vorsitzende des Leitungsorgans (chairman of the board) gleichzeitig in einer Doppelfunktion als CEO tätig,106 wobei im Vereinigten Königreich ein Trend zur Trennung beider Funktionen sichtbar ist.107 In börsennotierten Unterneh­ men ist die Einrichtung eines Kontroll- und Prüfungsausschusses (audit committee) üblich, der als Bindeglied zwischen Geschäftsführung und Board fungiert.108

100  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 13; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 103, 267 ff.; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 111 Rn. 28. 101  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 12  ff.; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 46 ff., 103. 102  Schönborn, Monistische SE, 2006, S. 24, 27; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsaus­ schüsse, 2016, S. 49. 103  Leyens, RabelsZ 2003, 57, 72. 104  Leyens, RabelsZ 2003, 57, 72 f. 105  Schönborn, Monistische SE, 2006, S. 27; Böckli, in: Hommelhoff/Hopt/v. Wer­der, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 255, 263. 106  Leyens, RabelsZ 2003, 57, 72, 79. 107  Siehe unten 1. Teil: B. III. 1. a) cc). 108  Leyens, RabelsZ 2003, 57, 73.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts63

cc) Herausgehobene Bedeutung des monistischen Systems und Trend zur Konvergenz Das dualistische System stellt international eher eine Ausnahmeerschei­ nung dar.109 Innerhalb der EU ist das dualistische System außerhalb Deutsch­ lands nur in Österreich, Polen und Estland zwingend vorgeschrieben. Dem­ gegenüber findet sich das monistische System nicht nur im anglo-amerikani­ schen Raum, sondern auch in Griechenland, Spanien und der Schweiz. Aller­ dings gibt es in der Schweiz speziell für Banken eine Funktionstrennung zwischen Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan.110 Die meisten Mitglied­ staaten der EU – beispielsweise Frankreich, Italien, Belgien und Nieder­ lande – bieten ein Wahlrecht111 zwischen den beiden Organisationsmodellen. Dieses sogenannte Optionsmodell112 findet sich auch bei der europäischen Aktiengesellschaft (SE).113 Die Überlegenheit eines der beiden Grundsysteme hat sich bislang weder theoretisch noch empirisch belegen lassen, vielmehr haben sowohl das mo­ nistische als auch das dualistische System Vor- und Nachteile.114 Als Haupt­ schwäche des dualistischen Systems wird eine aus der Funktionstrennung resultierende Informationsasymmetrie zwischen Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan beklagt. Zwar hat der Vorstand einer deutschen AG nach § 90 AktG umfassende Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat; dieser ist insoweit aber auf die ordnungsgemäße Pflichterfüllung durch den Vorstand angewiesen. Durch die Vereinigung von Geschäftsführungs- und Überwa­ chungsfunktionen in einem Organ ist der Informationsfluss zu den Überwa­ chenden in Gesellschaften mit monistischer Unternehmensverfassung besser gewährleistet. Demgegenüber besteht hier die Sorge, dass die nicht geschäfts­ 109  Hierzu und zum Folgenden Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5.  Aufl. 2019, § 95 Rn.  117 f.; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 467 ff.; ders., EuZW 2016, 201; Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 36, 47; Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 13.22 ff. 110  Art. 3 Abs. 2 lit. a Schweizer Bankengesetz; Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferra­ rini, Financial Regulation, 2012, S. 337, 355 f. 111  Einige Länder – etwa Italien oder Portugal – bieten sogar die Wahl zwischen mehr als zwei Optionen; dazu Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 469 m. Fn. 119. 112  Dazu näher Eberspächer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.10.2022, Art. 38 SEVO Rn.  6 f. 113  Art. 38 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE). 114  Hierzu und zum Folgenden Hopt/Leyens, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Cor­ porate Governance von Banken, 2.  Aufl. 2020, § 1 Rn. 71  ff.; Marsch-Barner/ F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.9 ff.; Davies, ZGR 2001, 268, 284 f.; Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 50.

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

führenden Direktoren ihrer Überwachungsaufgabe nicht ordnungsgemäß nachkommen, weil sie in Entscheidungen des Leitungsorgans eingebunden sind, sich letztlich also selbst überwachen müssen. In der Praxis nivellieren sich die Unterschiede beider Systeme jedoch, so­ dass zunehmend von einer Konvergenz gesprochen wird.115 Ein praktisches Bedürfnis für die Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle besteht auch in Gesellschaften mit monistischer Unternehmensverfassung, was durch die Besetzung des Leitungsorgans mit unabhängigen Direktoren und die Ein­ richtung von Ausschüssen (insbesondere eines audit committee) umgesetzt wird.116 Durch die Teilung des Leitungsorgans in eine Gruppe leitender und ausführender Mitglieder (executives) und eine Gruppe von Mitgliedern, die eine Kontrollfunktion wahrnehmen (non-executives; hierbei insbesondere die independent directors), nähert sich die monistische Organisationsverfassung der dem dualistischen System eigenen Funktionstrennung an.117 Häufig bil­ det sich ein kleinerer Kreis geschäftsführender Personen, ein „informelles Board“, das die Managementfunktion wahrnimmt und vom mehrheitlich mit unabhängigen non-executive directors besetzten Leitungsorgan überwacht wird.118 Auch eine zunehmende Trennung von CEO und chairman of the board ist jedenfalls in Großbritannien zu beobachten.119 Für Unternehmen mit dualistischer Unternehmensverfassung ist demge­ genüber zu konstatieren, dass der Aufsichtsrat seine Überwachungsfunktion stärker durch eine präventive Beratung des Vorstands ausübt, was zu einer engeren Einbindung des Aufsichtsrats in die strategische Leitung des Unter­ nehmens führt.120 Infolgedessen wird mittlerweile diskutiert, ob der Auf­ sichtsrat als „Co-Leitungsorgan“ der AG einzuordnen ist.121 Zudem gibt es in der Rechtspraxis Tendenzen, die Stellung des Vorstandsvorsitzenden durch 115  Hopt, ZGR 2019, 507, 516 ff.; ders., EuZW 2016, 201, 202; v. Werder, DB 2017, 977, 978; ausführlich dazu Cromme, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 283 ff.; Böckli, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S.  255, 267 ff. 116  Vgl. Hopt, EuZW 2016, 201, 202. 117  Reichert/Brandes, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, Art. 38 SE-VO Rn. 4; Hopt, ZGR 2019, 507, 517 f.; v. Werder, DB 2017, 977, 978. 118  Davies, ZGR 2001, 268, 283. 119  Leyens, RabelsZ 2003, 57, 72, 79; Schönborn, Monistische SE, 2006, S. 25. 120  Fischer, Monistische Unternehmensverfassung, 2010, S. 61; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 52 f. 121  Dafür wohl Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 58, 60: Aufsichtsrat sei mitverantwortlich für die Führung der Gesellschaft, wodurch sich idealtypisch die Vorteile des monistischen und des dualistischen Systems vereinen ließen; dagegen Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 22; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, Vorb. § 95 Rn. 10.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts65

eine entsprechende Geschäftsverteilung zu stärken, was als Übernahme des CEO-Modells interpretiert werden kann.122 Eine vollständige Angleichung beider Systeme ist gleichwohl nicht zu be­ obachten, sondern lediglich eine inhaltliche Annäherung bei verbleibenden grundlegenden Unterschieden.123 So steht einer echten Funktionstrennung im monistischen System weiterhin entgegen, dass das Leitungsorgan jederzeit die Möglichkeit hat, die Geschäftsführungsaufgaben von den executive officers wieder an sich zu ziehen, und die strategische Gesamtleitung ohnehin beim Leitungsorgan verbleibt.124 Im dualistischen System bleiben demgegen­ über die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands und der grundsätzliche Aus­ schluss des Aufsichtsrats von Geschäftsführungsaufgaben unberührt.125 Eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat ändert nichts daran, dass der Vorstand für die Festlegung der Geschäftspolitik zuständig bleibt.126 Ei­ ner rechtlichen Annäherung der Position des Vorstandsvorsitzenden an die Rolle eines CEO steht das aktienrechtliche Prinzip der Gesamtverantwortung und die Rechtsstellung des Aufsichtsrats entgegen.127 b) Unternehmerische Mitbestimmung Die unternehmerische Mitbestimmung in der in Deutschland praktizierten Form stellt international eine Ausnahmeerscheinung dar. In Deutschland müssen Gesellschaften mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern ihren Aufsichtsrat zu einem Drittel, Gesellschaften mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern sogar zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzen. 122  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5.  Aufl. 2022, Rn. 2.17; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 77 Rn. 49; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 69; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 52. 123  Fischer, Monistische Unternehmensverfassung, 2010, S. 64 ff.; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 53; Leyens, RabelsZ 2003, 57, 61 f.; Böckli, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 255, 272 f.; Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022, Rn. 2.20. 124  Davies, ZGR 2001, 268, 283 f.; Fischer, Monistische Unternehmensverfassung, 2010, S. 64; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 52. 125  Fischer, Monistische Unternehmensverfassung, 2010, S. 65; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 53. 126  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5.  Aufl. 2022, Rn. 2.20. 127  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5.  Aufl. 2022, Rn. 2.17, 2.20; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 77 Rn. 49; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 69; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 52, 54.

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

Diese Pflicht trifft insbesondere Unternehmen in der Rechtsform der GmbH oder AG, nicht aber Personengesellschaften. Zwar kennt ein erheblicher Teil der Mitgliedstaaten der EU ebenfalls eine Form der unternehmerischen Mitbestimmung, meist mit einer Drittelparität.128 Die paritätische Mitbestim­ mung nach dem Mitbestimmungsgesetz ist jedoch eine deutsche Besonder­ heit, die sich international nicht durchsetzen konnte.129 Die unterschiedlichen Ansätze zur Mitbestimmung sind verzahnt mit den verschiedenen Modellen der Organisationsverfassung, weil die paritätische Mitbestimmung in Unter­ nehmen mit monistischer Unternehmensverfassung erschwert umsetzbar ist.130 Dem britischen Kapitalgesellschaftsrecht sind obligatorische Vorschrif­ ten zur Mitbestimmung sogar völlig fremd.131 Hinter diesen unterschiedlichen Regelungen zur unternehmerischen Mitbe­ stimmung stehen grundlegend unterschiedliche Ansätze für die Zielbestim­ mung eines Unternehmens. Während das Gesellschaftsrecht in Deutschland auch die Interessen anderer Interessenträger, beispielsweise der Arbeitneh­ mer, in den Blick nimmt, dominierte in Ländern, die stärker vom angloamerikanischen Rechtskreis geprägt sind, bis vor kurzem eine Fokussierung auf den „Shareholder Value“.132 Das deutsche Konzept der unternehmeri­ schen Mitbestimmung steht insbesondere international in der Kritik, aber auch national werden Bedenken formuliert.133 Die Mitbestimmung wird als Hemmschuh einer weitergehenden unionsrechtlichen Harmonisierung des Gesellschaftsrechts angesehen.134 Zudem könne die Beteiligung der Arbeit­ 128  Rechtsvergleichender Überblick bei Oetker, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2018, Vor­ bem. MitbestR Rn. 36 ff.; Wansleben, in: Habersack/Behme u. a., Deutsche Mitbe­ stimmung unter europäischem Reformzwang, 2016, S. 108 ff.; s. ferner Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 503 ff. 129  Ego, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, B. Europäische Niederlassungsfreiheit, 3. Kapitel Rn. 627 m. w. N.; Wansleben, in: Habersack/Behme u. a., Deutsche Mitbe­ stimmung unter europäischem Reformzwang, 2016, S. 108, 117; Oetker, in: GKAktG, 5. Aufl. 2018, Vorbem. MitbestR Rn. 36; Hopt, ZGR 2019, 507, 521; ders., ZHR 175 (2011), 444, 503; v. Werder, DB 2017, 977, 978 f. 130  Zur problematischen Anwendung des Mitbestimmungsregimes auf die monisti­ sche SE Eberspächer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.10.2022, Art. 43 SE-VO Rn. 32. 131  Davies, ZGR 2001, 268, 269. 132  Siehe bereits oben 1. Teil: B. II. 1. b). Zur Herkunft des Shareholder ValueKonzepts Mülbert, ZGR 1997, 129, 134 f. 133  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 24 f.; zum Für und Wider, aber im Ergebnis offen Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 505 f.; Hommelhoff, in: Habersack/ Behme u. a., Deutsche Mitbestimmung unter europäischem Reformzwang, 2016, S. 1, 10 f.; zur Bewertung aus empirischer Sicht Pistor, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 231, 245 ff. 134  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 24; Habersack/Verse, Europäi­ sches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2019, § 4 Rn. 11 ff.; Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/ Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 196.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts67

nehmer im Aufsichtsrat dazu führen, dass wirtschaftlich zweckmäßige Ent­ scheidungen aus Rücksicht auf Arbeitnehmerinteressen unterlassen, aufge­ schoben oder durch Kompromisse verwässert werden.135 Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Mitbestimmung nicht zu wirtschaftlich unverträglichen Konsequenzen geführt habe.136 Umgekehrt sind positive Effekte der Mitbe­ stimmung auf die Unternehmensführung bisher empirisch nicht eindeutig belegt.137 Jedenfalls wirkt sich die Beteiligung von Arbeitnehmern im Auf­ sichtsrat auf die Corporate Governance aus, weil diese von anderen Prämis­ sen geleitet werden als die Vertreter der Anteilseigner und die Geschäftslei­ ter.138 Dies kann zu Konflikten mit dem aufsichtsrechtlichen GovernanceAnforderungen führen, weil diese nicht auf die Besonderheiten des deutschen Mitbestimmungsrechts zugeschnitten sind. c) Konzernrecht Das deutsche Konzernrecht, das 1965 Einzug in das deutsche Aktiengesetz hielt, ist international weitgehend ohne Gefolgschaft geblieben.139 Der vom Konzernrecht adressierte Konflikt zwischen Eigentümermehrheit und -min­ derheit findet zwar auch in anderen Rechtsordnungen Beachtung, wird dort aber auf anderem Wege – beispielsweise durch Treuepflichten des herrschen­ den Aktionärs – gelöst.140 Auch insoweit kann die aufsichtsrechtliche Regu­ lierung der Corporate Governance zu Konflikten führen, weil das Unions­ recht keine Rücksicht auf die Besonderheiten des deutschen Konzernrechts nimmt. d) Unterschiedliche Aktionärsstruktur Schließlich bestehen nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht wesentliche Unterschiede in der Unternehmenspraxis der Mitglied­ staaten, was Auswirkungen auf die Corporate Governance haben kann. Zu nennen ist dabei insbesondere die Eigentümer- bzw. Kapitalstruktur großer Unternehmen. Während börsennotierte Unternehmen in manchen Mitglied­ 135  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5.  Aufl. 2022, Rn. 2.12. 136  Marsch-Barner/F. A. Schäfer, in: Hdb. börsennotierte AG, 5.  Aufl. 2022, Rn. 2.12. 137  Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 104. 138  Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 104. 139  Altmeppen, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2020, Vorbem. §§ 311 ff. Rn. 1; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 494 f. 140  Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 494 f.

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

staaten überwiegend im Streubesitz stehen, ist in vielen Mitgliedstaaten eine konzernähnliche Aktionärsstruktur mit wenigen Anteilseigner der Regel­ fall.141 Beispielsweise dominieren in den Niederlanden (international auch in Großbritannien und den USA) Publikumsgesellschaften mit breit gestreutem Anteilsbesitz, wogegen in Deutschland viele größere Unternehmen von lang­ fristig orientierten Einzelaktionären oder Aktionärsgruppen, etwa Unterneh­ merfamilien, gehalten werden.142 Dies bedingt, dass sich die Konfliktlinien im deutschen Rechtskreis stärker zwischen der Eigentümermehrheit und -minderheit bewegen, während im anglo-amerikanischen Rechtskreis dem klassischen Prinzipal-Agenten-Konflikt zwischen Aktionären und Verwaltung größere Bedeutung zukommt.143 Zudem unterscheidet sich die Finanzie­ rungsstruktur international erheblich. In den USA oder Großbritannien ist diese kapitalmarktorientiert, in Deutschland dagegen bankenzentriert, was sich auf die Frage auswirkt, ob das Management eher von den Aktionären bzw. dem Kapitalmarkt oder von einem Netzwerk unter Beteiligung bedeu­ tender Banken kontrolliert wird.144 2. Ergebnis Zwischen den verschiedenen Modellen zur Corporate Governance in der EU bestehen erhebliche systematische und rechtstatsächliche Unterschiede. Aufgrund der starken Präferenzunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten – beispielsweise in Fragen der Unternehmenszielbestimmung (Shareholder Value vs. Stakeholder Value) – wird im Bereich der Corporate Governance grundsätzlich eine dezentrale Regelsetzung befürwortet.145 So hat sich die Kommission146 gegen die Schaffung eines europäischen Corporate Govern­ ance-Kodex ausgesprochen, was in der Literatur147 auf breite Zustimmung in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 37. in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 283, 289; Hopt, ZHR 175 (2011),

141  Jung/Stiegler, 142  Cromme,

444, 449. 143  Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 523. 144  Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 451. 145  Fleischer, ZGR 2012, 160, 176; hierzu auch Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/ Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 28 ff. 146  Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Eu­ ropäische Parlament – Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, KOM(2003) 284 endgültig, 21.5.2003, S. 13 f., abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=COM:2003:0284:FIN:DE:PDF [geprüft am 15.4.2023]. Zu weite­ ren Maßnahmen zur Corporate Governance auf europäischer Ebene Lutter/Bayer/ Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, § 13. 147  Fleischer, ZGR 2012, 160, 182 ff.; Bachmann, WM 2011, 1301, 1310; Kalss/ Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts69

gestoßen ist. Aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen monistischem und dualistischem System müsse ein europäischer Kodex entweder viele verschiedene Optionen zulassen oder sich auf abstrakte Grundsätze beschrän­ ken, weshalb er weder die Unternehmensleitung verbessern noch zu einer verbesserten Information der Anleger führen würde.148 Obgleich dieser Befund keine direkten Folgen für die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Regeln hat, verdeutlichet er doch die Schwierigkei­ ten, die mit einer unionsrechtlichen Harmonisierung der internen Corporate Governance von Unternehmen des Finanzsektors verbunden sind. Der Uni­ onsgesetzgeber stand vor der schwierigen Aufgabe, trotz des erheblich diver­ gierenden nationalen Gesellschaftsrechts unionsweit einheitliche Regelungen zur Unternehmensführung zu schaffen. Dies ist – insbesondere im Hinblick auf die Unterschiede zwischen monistischer und dualistischer Unternehmens­ verfassung – nur bedingt gelungen, was im Folgenden noch näher beleuchtet wird.

IV. Konfliktfördernde Merkmale der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Regelungen 1. Leitbild der monistischen Unternehmensverfassung Den aufsichtsrechtlichen Regelungen zur Corporate Governance sind be­ stimmte Merkmale zu eigen, die Konflikte mit dem Gesellschaftsrecht för­ dern. Zuerst ist zu nennen, dass dem Aufsichtsrecht das Leitbild der monisti­ schen Unternehmensverfassung zugrunde liegt. Wie gesehen erfasst die auf­ sichtsrechtliche Regulierung Unternehmen, deren Unternehmensverfassungen erheblich voneinander abweichen. Zwar erkennt die Europäische Kommis­ sion die nationale Vielfalt im Gesellschaftsrecht ausdrücklich an, die tief im allgemeinen wirtschaftlichen Governance-System des jeweiligen Landes verwurzelt sei, und betont, daran nichts ändern zu wollen.149 Die aufsichts­ 2015) Rn. 438; Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 39, 48 f.; Tiedje, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 50 AEUV Rn. 100; Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 13.4. 148  Europäische Kommission, Aktionsplan 2003 (Fn. 146), S.  13 f.; Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, Bericht über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, 4.11.2002, S. 77 f., s. ferner die Nachweise zuvor in Fn. 147. 149  Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Par­ lament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Aus­ schuss der Regionen – Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

rechtliche Gesetzgebung soll ausdrücklich die Neutralität zwischen den ver­ schiedenen Systemen wahren.150 Mit den verwendeten Begrifflichkeiten will der Gesetzgeber alle vorhandenen Modelle erfassen, ohne einer Struktur den Vorzug zu geben. Dennoch ist die Union dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie in ihrer Rechtsetzung von einem Grundverständnis ausgeht, das auf dem monis­ tischen System basiert.151 Das Aufsichtsrecht passe deshalb nicht notwendi­ gerweise auf Unternehmen mit dualistischer Unternehmensverfassung.152 Der Einfluss des monistischen Systems wird insbesondere durch die Ver­ wendung des Begriffs „Leitungsorgan“ deutlich, der offensichtlich an das board of directors von Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfas­ sung angelehnt ist.153 Prägend ist für die aufsichtsrechtliche Regulierung zudem der Gegensatz zwischen der Geschäftsleitung und dem Leitungsor­ gan.154 Diese Terminologie entspricht der Gegenüberstellung von senior management und board of directors bei Unternehmen mit monistischer Un­ ternehmensverfassung. Entsprechend der Kompetenzverteilung zwischen senior management und board of directors soll die Geschäftsleitung gegenüber dem Leitungsorgan rechenschaftspflichtig sein,155 während die Vorstandsmit­ glieder einer AG nicht dem Vorstand, der das oberste Leitungsorgan der AG ist, sondern dem Aufsichtsrat verantwortlich sind. Das Leitungsorgan in sei­ ner Leitungsfunktion – nach deutschem Verständnis der Vorstand – bildet eine „Leerstelle“ in der aufsichtsrechtlichen Regulierung.156 Das EU-Auf­ sichtsrecht geht überdies wohl von einem Verständnis des Leitungsorgans als Organ aus, das – im Gegensatz zum Vorstand einer AG (§ 77 AktG) – nicht mit der laufenden Geschäftsführung betraut ist.157 Zudem liegt dem Unions­ recht die Vorstellung zugrunde, dass das Leitungsorgan insgesamt – also nicht nur die geschäftsführenden Mitglieder, nach deutschem Verständnis der überlebensfähige Unternehmen, COM(2012) 740 final, 12.12.2012, S. 6, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52012DC07 40&from=sv [geprüft am 15.4.2023]. 150  ErwGr. 36 Satz 3 und 4 CSDR; ErwGr. 55 CRD IV. 151  Hommelhoff, NZG 2015, 1329 ff.; Hopt, EuZW 2016, 201; Kaetzler/Hoops, BKR 2013, 192 ff.; Mülbert/Wilhelm, in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, 2nd ed. 2020, Rn. 6.46 ff.; allgemein dazu auch Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 50. 152  Binder, ZGR 2015, 667, 690 f.; Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirt­ schaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 447; Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 526 ff. 153  Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 524 ff. 154  Hierzu und zum Folgenden Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 527 ff. 155  S.  Art. 2 Abs. 1 Nr. 46 CSDR. Zur Auflösung dieses Widerspruchs unten 2. Teil: B. I. 2. c). 156  Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 527. 157  Binder, ZGR 2018, 88, 97.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts71

Vorstand – mit der Leitung der Gesellschaft betraut ist. Zwar sehen die Ver­ ordnungen vor, dass die Aufgaben des Leitungsorgans gemäß dem nationalen Gesellschaftsrecht auf Vorstand und Aufsichtsrat verteilt werden können.158 Gleichwohl ist die Anlehnung an das monistische System nicht nur begriff­ licher Natur, sondern kann zu einer vom deutschen Gesellschaftsrecht abwei­ chenden Kompetenzverteilung führen. Als Beispiel hierfür wird eine verän­ derte Stellung des Aufsichtsrates genannt, der organisatorisch stärker in die Unternehmensstruktur der Gesellschaft eingebunden werde.159 Insgesamt wird aufgrund dieser Einflüsse des monistischen Systems von einer „Boardi­ sierung“ des deutschen Aktienrechts gesprochen.160 Soweit das EU-Aufsichtsrecht Richtlinien erlässt, kann den Besonderhei­ ten des nationalen Gesellschaftsrechts im Rahmen der nationalen Umset­ zungsgesetze Rechnung getragen werden. So hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der CRD IV die unionsrechtlichen Anforderungen an das Leitungsorgan auf die Geschäftsleitung (§§ 25a, 25c KWG) und das Auf­ sichtsorgan (§ 25d KWG) verteilt. Bei EU-Verordnungen entfällt diese Mög­ lichkeit, weil die unionsrechtlichen Vorgaben direkt und unmittelbar gelten. Die Frage, ob das EU-Aufsichtsrecht zu einer Nivellierung der Besonderhei­ ten des nationalen Aktienrechts führt, stellt sich im Rahmen von EU-Verord­ nungen deshalb neu. Die grundsätzliche Annäherung der dualistischen und der monistischen Unternehmensverfassung kann die Spannungen jedenfalls nicht beseitigen, weil trotz dieser Angleichung nach wie vor grundlegende Unterschiede bestehen.161 Inwieweit den hier untersuchten Verordnungen das Leitbild der monistischen Unternehmensverfassung zugrunde liegt, wird im Einzelnen bei den jeweiligen Detailregelungen näher beleuchtet. 2. Rechtsformübergreifender Ansatz des Aufsichtsrechts Besonderes Gewicht kommt der Tatsache zu, dass das Aufsichtsrecht tätig­ keits- und nicht rechtsformbezogen strukturiert ist.162 Die Vorgaben der EUVerordnungen gelten grundsätzlich unterschiedslos für alle nach dem natio­ nalen Recht zu bestimmenden Gesellschaftsformen, ohne auf das jeweilige Gesellschaftsrecht angepasst zu sein. Auf Unterschiede zwischen den natio­ 158  So ausdrücklich Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO. Vgl. ferner Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 CSDR, Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 BMR. 159  Kaetzler/Hoops, BKR 2013, 192, 196; Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-Lfg. April 2015) Rn. 445. 160  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ ­Lfg. April 2015) Rn. 447. 161  Siehe oben 1. Teil: B. III. 1. a) cc). 162  Kleinert, in: Beck/Samm/Kokemoor, KWG, § 25d (Stand: 190. Lieferung 12/2016) Rn. 13.

72

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

nalen Rechtsformen, z. B. den Besonderheiten, die für Personengesellschaften in Deutschland gelten, nimmt das Aufsichtsrecht keine Rücksicht. Auf der anderen Seite enthält das Aufsichtsrecht – abgesehen von dem teilweise be­ stehenden Verbot, bestimmte Unternehmen als Einzelkaufmann zu betrei­ ben – selbst keine Einschränkung der Rechtsformwahl für die Rechtsträger regulierter Unternehmen.163 Den Unternehmen steht demnach grundsätzlich die volle Bandbreite der national vorhandenen Rechtsformen zur Verfügung. Allerdings stellt sich bei jeder einzelnen Rechtsform die Frage, ob das jewei­ lige Gesellschaftsrecht mit der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen kompatibel ist. Die einzelnen Regelungen des nationalen Gesellschaftsrechts können im Widerspruch zu den Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts stehen. 3. Prinzipienbasierter Regulierungsansatz Besonderheiten ergeben sich für die unionsrechtliche Regulierung der Cor­ porate Governance im Finanzsektor des Weiteren dadurch, dass dem EUAufsichtsrecht insoweit ein prinzipienbasierter Regulierungsansatz zugrunde liegt.164 Dabei besteht der regulatorische Rahmen im Wesentlichen aus abs­ trakt-generellen Grundsätzen, die der Ausfüllung bzw. Konkretisierung be­ dürfen.165 Die Vorteile dieses Regelungsansatzes sind die größere Flexibilität und die größere Beständigkeit abstrakter Prinzipien in einem sich wandeln­ den Markt.166 Der Aufsicht soll ermöglicht werden, flexibel auf die Bedürf­ nisse des konkreten Sachverhalts zu reagieren.167 Zudem verhindert der prinzipienbasierte Ansatz, dass das Aufsichtsrecht von neueren Entwicklun­ gen überholt wird.168 Dem gegenüber steht der regelbasierte Ansatz, der sich Einzelfällen zuwendet und mit wesentlich detaillierteren Vorgaben operiert.169 Bei einem regelbasierten Ansatz besteht wenig Handlungsspielraum zur In­ terpretation und Anwendung der vorgegebenen Regeln.170 163  Vgl. Kolassa, in: Ellenberger/Bunte, BankR-Hdb., 6. Aufl. 2022, § 122 Rn. 26 für Kreditinstitute. Zur Zulässigkeit der Wahl einer Personengesellschaft im Anwen­ dungsbereich der Verordnungen unten 2. Teil: A. II. 1. 164  Binder, ZGR 2015, 667, 702 f.; ders., ZGR 2013, 760, 764 f.; Bürkle, VersR 2013, 792. 165  Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 563. 166  Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 564. 167  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 37. 168  Dreher, VersR 2008, 998, 1000. 169  Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 563; U. H. Schneider, in: GS Gruson, 2009, S. 369, 372. 170  Beckmann, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. VI. (Stand: 38. Erg.Lfg. September 2015) Rn. 60; Bürkle, VersR 2013, 792.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts73

Verwirklicht wird der prinzipienbasierte Regulierungsansatz durch die häufige Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wodurch das Regelungs­ regime flexibel gehalten und Umgehungsstrategien verhindert werden sol­ len.171 Zur Konkretisierung der allgemeinen Vorgaben sind insbesondere die Unternehmen als Normadressaten sowie die Aufsichtsbehörden und letztlich auch die Gerichte berufen.172 Der prinzipienbasierte Regulierungsansatz ver­ lagert die Aufsicht in die Unternehmen hinein.173 Von den betroffenen Unter­ nehmen und deren Geschäftsleitern wird eine Selbsteinschätzung verlangt, wie die aufsichtsrechtlichen Prinzipien auszulegen und anzuwenden sind.174 Die Aufsichtsbehörde – und nachgelagert die Judikative – prüft dann ledig­ lich ex-post, ob der Geschäftsleiter innerhalb des rechtlich zulässigen Rah­ mens gehandelt hat.175 Dies wird als „Verantwortungsdelegation“ auf die Unternehmen bezeichnet.176 Eine den aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen wi­ dersprechende Unternehmensführung soll durch eine Stärkung der unterneh­ mensinternen Prozesse verhindert werden.177 Im Vergleich zu den starren Vorgaben eines regelbasierten Ansatzes belässt der prinzipienbasierte Ansatz den Unternehmen ein größeres Gestaltungser­ messen.178 Auf der anderen Seite birgt dieses Regulierungsmodell aber Ge­ fahren für die beaufsichtigten Gesellschaften und deren Geschäftsleiter, weil mit ihm eine erhebliche Rechtsunsicherheit einhergeht.179 Die Anforderungen an unternehmensinterne Entscheidungs- und Überwachungsprozesse steigen erheblich.180 Die zunehmende Zahl regulierter Unternehmensaktivitäten, die hohe Regulierungsintensität, die Komplexität der Regulierung und die Tatsa­ che, dass sich die regulierenden Normen auf unterschiedliche Regelungsebe­ nen verteilen, erschweren die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben in erheblichem Maße.181 Verstärkt wird dies durch das erhöhte Regulie­ rungstempo in Verbindung mit der zunehmenden Zahl an delegierten Rechts­ akten und Stellungnahmen von Aufsichtsbehörden. Es fehlt zudem an recht­ ZGR 2015, 667, 702. ZGR 2015, 667, 702. 173  Bürkle, VersR 2013, 792, 793. 174  Bürkle, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, 2015, § 13 Rn. 19. 175  Bürkle, VersR 2013, 792, 793. 176  Wundenberg, Compliance, 2012, S. 57 f. 177  Binder, ZGR 2015, 667, 702. 178  Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 646. 179  Binder, ZGR 2015, 667, 702; ders., in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 38; Wundenberg, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 33 Rn. 11; Bürkle, VersR 2013, 792. 180  Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 646 f. 181  Hierzu und zum Folgenden Bürkle, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, 2015, § 13 Rn. 19 f.; s. auch Langenbucher, ZBB 2013, 16, 19. 171  Binder, 172  Binder,

74

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

lich fundierten Absicherungsmechanismen für die betroffenen Unternehmen. Die Gefahr einer versehentlichen Nichteinhaltung aufsichtsrechtlicher Vorga­ ben steigt dadurch erheblich. Die Effektivität eines rein prinzipienbasierten Ansatzes wird im Zusam­ menhang mit den in der Finanzkrise zum Vorschein gekommenen Defiziten der Corporate Governance von Unternehmen des Finanzsektors bisweilen in Frage gestellt.182 Die Praxis komme nicht ohne klare Anweisungen aus, wel­ che die allgemeinen Anforderungen zumindest in den wichtigsten Fällen konkretisieren.183 Zudem berge die prinzipienbasierte Regulierung das Risiko der Über- und Fehlsteuerung.184 Gleichwohl wird der prinzipienbasierte An­ satz überwiegend als sachgerechtes Regulierungsmodell für den Finanzsektor angesehen.185 Der regelbasierte Ansatz wäre für die Regulierung der Corpo­ rate Governance wenig geeignet, weil er den Unternehmen ein starres Korsett auferlegen würde, das der kontinuierlichen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens nicht gerecht würde.186 Überdies wird teilweise eine Entwicklung beklagt, die dem Trend zur prin­ zipienbasierten Regulierung entgegenlaufe.187 So seien zwar die einzelnen Normen des EU-Aufsichtsrechts durchaus prinzipienbasiert ausgestaltet. In der Gesamtschau der Vorgaben zur Geschäftsorganisation ergebe sich jedoch ein anderes Bild. Die Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts bildeten ein detail­ liertes und dichtes Regulierungskorsett, das den Geschäftsleitern einen engen Rahmen vorgebe. Insofern sei – trotz der verbreiteten Verwendung unbe­ stimmter Rechtsbegriffe – eine Abkehr vom prinzipienbasierten Regulie­ rungskonzept zu beobachten. Diesem Befund ist dahingehend zuzustimmen, dass die enorme Regelungsdichte des EU-Aufsichtsrechts eine starke Be­ grenzung des unternehmerischen Ermessens bewirkt. Tatsächlich kann daran gezweifelt werden, ob das „liberale Aufsichtskonzept“, das mit der prinzi­ pienbasierten Regulierung verbunden wird, im EU-Aufsichtsrecht noch ver­ wirklich ist.188 Auch die immer stärkere Konkretisierung und Ausdifferenzie­ rung des Aufsichtsrechts durch delegierte Rechtsakte könnten dem Konzept eines prinzipienbasierten Regulierungsansatzes widersprechen, wenngleich 182  Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 564; Wundenberg, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 33 Rn. 11. 183  Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 564. 184  Binder, ZGR 2015, 667, 708. 185  Hannemann/Weigl/Zaruk, MaRisk, 6. Aufl. 2022, S. 72 (für Vorgaben zum Ri­ sikomanagement); Lütgerath, Geschäftsorganisation, 2016, S. 82 ff. 186  Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 264; Dreher, VersR 2008, 998, 1000, 1002. 187  Hierzu und zum Folgenden Lütgerath, Geschäftsorganisation, 2016, S. 260 ff. (für das Bankaufsichtsrecht). 188  Dazu Lütgerath, Geschäftsorganisation, 2016, S. 268 f.



B. Corporate Governance als Regelungsgegenstand des EU-Aufsichtsrechts75

diese Rechtsakte häufig ebenfalls unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten. Das Grundkonzept des prinzipienbasierten Regulierungsmodells – die Verlage­ rung der aufsichtsrechtlichen Bewertung in die Unternehmen hinein – bleibt hiervon jedenfalls unberührt. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit wirkt sich erheblich auf die Geschäftsleiter der betroffenen Unternehmen aus, de­ nen bei einer fehlerhaften Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben nicht nur aufsichtsrechtliche Sanktionen, sondern auch eine Organhaftung droht.189 Zudem dienen die verwendeten offenen Rechtsbegriffe als Einfalls­ tor für aufsichtsrechtliche Wertungen, die das Handeln der Geschäftsleiter aufsichtsunterworfener Gesellschaften bestimmen.190 4. Auslegungsregime Die Auslegung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften bestimmt sich durch ihre unionsrechtliche Herkunft. Unionsrechtliche Begriffe müssen grundsätz­ lich autonom ausgelegt werden, also ohne Rückgriff auf nationales Recht allein anhand der vom EuGH entwickelten Maßstäbe.191 Die Verwendung der Verordnung als Regelungsinstrument bewirkt insoweit allerdings keine we­ sentliche Veränderung im Vergleich zu aufsichtsrechtlichen Richtlinien wie der CRD IV. Begriffe in Richtlinien der Union sind ebenfalls autonom aus­ zulegen; Zweifelsfragen zur Auslegung der Richtlinie, die bei der richtlinien­ konformen Auslegung des nationalen Rechts auftreten können, müssen die nationalen Gerichte dem EuGH vorlegen.192 Bei der Auslegung des nationa­ len Umsetzungsrechts sind die Mitgliedstaaten an die Auslegung durch den EuGH gebunden.193 Eine weitere Besonderheit des Auslegungsregimes des Aufsichtsrechts be­ steht darin, dass für die Auslegung aufsichtsrechtlicher Normen häufig Kundgaben der Aufsichtsbehörden – z. B. Merkblätter oder Rundschreiben der BaFin oder Q&A der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbe­ hörde (ESMA) – von faktisch entscheidender Bedeutung sind.194

189  Dazu

näher unten 3. Teil: C. unten 2. Teil: B. V. 4. b) bb). 191  S. etwa Bürkle, VersR 2013, 792, 793; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Metho­ denlehre, 4. Aufl. 2021 § 10 Rn. 4 ff. 192  Vgl. Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 267 AEUV Rn. 18. 193  Riehm, in: Gsell/Herresthal, Vollharmonisierung, 2009, S. 83, 84 f. 194  Plagemann, WM 2014, 2345, 2349; Dreher, ZGR 2010, 496, 506. 190  Siehe

76

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

V. Ergebnis Im Bereich der Corporate Governance haben sich die Mitgliedstaaten der EU eine Vielfalt bewahrt, welche die gesellschafts- und aufsichtsrechtliche Regulierung der Corporate Governance auf Unionsebene erheblich erschwert. Die unionsrechtlichen Regelungen selbst wollen zwar Systemneutralität wah­ ren, sind aber von bestimmten Vorstellungen geprägt (insbesondere dem monistischen System), die zwangsläufig zu Friktionen mit dem deutschen Gesellschaftsrecht führen müssen. Darüber hinaus weist die aufsichtsrecht­ liche Regulierung bestimmte Merkmale auf, die Konfliktpotenzial mit dem Gesellschaftsrecht bergen. Das Aufsichtsrecht verfolgt andere Ziele, es unter­ liegt anderen Auslegungsmaßstäben und es verwendet andere Regelungstech­ niken als das Gesellschaftsrecht. All dies führt zu Spannungen zwischen den beiden Regelungsbereichen.

C. Kategorisierung der Spannungsfelderzwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht Die Regulierung der Corporate Governance durch das Aufsichtsrecht birgt Konflikte mit dem nationalen Gesellschaftsrecht, was die Frage nach dem Verhältnis zwischen Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht aufwirft. Grund­ sätzlich sind gesellschaftsrechtliche und aufsichtsrechtliche Regelungen ne­ beneinander anwendbar.195 Regulierte Gesellschaften haben demnach die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zur Unternehmensverfassung und die auf­ sichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen parallel anzuwen­ den. Dies ist unproblematisch, wenn beide Regime gleichlaufende Anforde­ rungen vorsehen. Anders liegen die Dinge, wenn Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht widersprüchliche Normbefehle an die aufsichtsunterworfene Gesellschaft richten. Insofern kann es zu einem Widerspruch zwischen den aufsichtsrechtlichen Vorgaben und entgegenstehendem Gesellschaftsrecht kommen. Zudem kann das Aufsichtsrecht Vorgaben treffen, die zwar nicht unmittelbar gesellschaftsrechtlichen Normbefehlen widersprechen, die aber mit grundlegenden Wertungen des Gesellschaftsrechts nicht vereinbar sind. Die daraus resultierenden Spannungsfelder zwischen Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht lassen sich in vier Kategorien einteilen. Stellt das Auf­ sichtsrecht strengere Anforderungen als das Gesellschaftsrecht, ohne dass es zu einem unmittelbaren Widerspruch zu Normbefehlen oder Wertungen des Gesellschaftsrechts käme, kann dies als systemkonforme Überlagerung be­

195  Bronnert-Härle,

Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 109.



C. Kategorisierung der Spannungsfelder77

zeichnet werden.196 Widersprechen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben dispositivem Gesellschaftsrecht, besteht letztlich kein echter Konflikt zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht.197 Gleiches gilt für den Fall, dass sich gesellschaftsrechtliche Regelungen verordnungskonform im Sinne des Auf­ sichtsrechts auslegen lassen. Anders liegen die Dinge, wenn ein Widerspruch zwischen einer aufsichtsrechtlichen Vorgabe und zwingendem Gesellschaftsrecht besteht, der sich nicht durch eine verordnungskonforme Auslegung auflösen lässt. Für diesen Fall stellt sich die Frage, wie sich der Konflikt zwischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen und entgegenstehendem Ge­ sellschaftsrecht auflösen lässt.

I. Systemkonforme Überlagerung Viele Vorgaben des Aufsichtsrechts stellen strengere Anforderungen als das Gesellschaftsrecht auf, das insoweit lediglich Mindestanforderungen ­postuliert, ohne dass es zu einem Widerspruch gesellschaftsrechtlicher und aufsichtsrechtlicher Anforderungen käme. In diesen Fällen kann von einer systemkonformen Überlagerung bzw. konfliktfreien Überlagerung gesell­ schaftsrechtlicher Standards durch das Aufsichtsrecht gesprochen werden.198 Beispielhaft seien die Fit & Proper-Anforderungen an die Geschäftsleiter genannt, welche die gesellschaftsrechtlichen Mindestvoraussetzungen für die Ausübung einer Organstellung überlagern.199 Ein Konflikt zwischen Auf­ sichts- und Gesellschaftsrecht besteht in diesen Fällen nicht. Der Begriff der „Überlagerung“ ist aber nicht dahingehend zu verstehen, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen die gesellschaftsrechtlichen An­ forderungen im Sinne eines lex specialis-Verhältnisses verdrängen.200 Viel­ mehr haben die aufsichtsunterworfenen Gesellschaften gesellschaftsrechtli­ che und aufsichtsrechtliche Anforderungen parallel anzuwenden.201 Die auf­ sichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforderungen an die Geschäftsleiter verdrän­ gen nicht etwa die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen aus § 76 Abs. 3 AktG, sondern treten zusätzlich neben diese. Aufgrund dieser grundsätzlichen Unabhängigkeit beider Regelungsregime ist der in der Literatur verwendete

196  Dazu

bereits Binder, ZGR 2013, 760, 767 f. Unterscheidung zwischen Konflikten mit zwingendem und dispositivem Recht bereits Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 540 ff. 198  Binder, ZGR 2018, 88, 108 f., 113; vgl. auch ders., ZGR 2013, 760, 767 f.; ähnlich auch Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 307. 199  Siehe unten 2. Teil: B. III. 3. 200  Dazu noch unten 1. Teil: C. IV. 2. 201  Hersch, VersR 2017, 257, 265. 197  Zur

78

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

Begriff der systemkonformen Konkretisierung202 gesellschaftsrechtlicher Standards durch das Aufsichtsrecht zumindest missverständlich. Die Erfül­ lung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen kann die gleichzeitige Erfüllung der entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vorgaben bei gleichlaufendem Inhalt indizieren, zwingend ist dies aber nicht. Die Einhaltung der aufsichts­ rechtlichen Vorgaben begründet keinen „Safe Harbour“ dergestalt, dass da­ durch die Einhaltung aller gesellschaftsrechtlichen Vorschriften garantiert wäre.203 Über eine solche konfliktfreie bzw. systemkonforme Überlagerung hinaus gehen diejenigen Fälle, in denen zwar kein direkter Konflikt zwischen auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben und dem Gesellschaftsrecht besteht, die aufsichts­ rechtlichen Vorgaben aber gleichwohl Spannungen mit gesellschaftsrechtli­ chen Wertungen verursachen. Dies wird als spannungsreiche Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch das Aufsichtsrecht bezeichnet.204 Diese Fall­ gruppe verdeutlicht, dass eine trennscharfe Kategorisierung der Spannungs­ felder zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht nicht vollständig gelingen kann. Die Abgrenzung bleibt unscharf, weil es zwischen aufsichtsrechtlichen Normen, die das Gesellschaftsrecht nur systemkonform überlagern, und sol­ chen, die Spannungen mit gesellschaftsrechtlichen Normen bzw. Wertungen verursachen, einen fließenden Übergang gibt. Dies liegt auch daran, dass teilweise erst in der Gesamtschau der aufsichtsrechtlichen Anforderungen ein Konfliktpotenzial zu gesellschaftsrechtlichen Wertungen sichtbar wird.

II. Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Vorgaben und dispositivem Gesellschaftsrecht Soweit die Vorgaben des Aufsichtsrechts lediglich dispositivem Gesellschaftsrecht widersprechen, ist dies letztlich unproblematisch. In diesem Fall können die Gesellschaften den aufsichtsrechtlichen Anforderungen durch eine entsprechende Satzungsgestaltung genügen.205 Es besteht nur scheinbar ein Konflikt, weil die aufsichtsrechtlichen Anforderungen gesellschaftsrecht­ lich umgesetzt werden können. Die Vorgaben des Aufsichtsrechts bewegen sich noch innerhalb des Spielraums, den das deutsche Gesellschaftsrecht selbst vorsieht. Die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter und damit die Privat­autonomie sind allerdings eingeschränkt. Gleiches gilt, wenn die auf­ sichtsrechtlichen Regelungen durch einen Beschluss eines Gesellschafts­ 202  Siehe

etwa Binder, ZGR 2013, 760, 767 f. für das Risikomanagement auch Krekeler, ZBB 2012, 351, 353. 204  So Binder, ZGR 2018, 88, 116 f. für die Vorschriften zur Ausschussbildung; dazu unten 2. Teil: C. V. 3. 205  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 540. 203  So



C. Kategorisierung der Spannungsfelder79

organs umgesetzt werden können, z. B. wenn der Aufsichtsrat einen durch das Unionsrecht geforderten Ausschuss einrichten kann. Eine Lösung durch eine Gestaltung im Gesellschaftsvertrag bzw. der Sat­ zung scheidet jedoch aus, wenn das Gesellschaftsrecht selbst den Spielraum der Gesellschafter beschränkt. Im Aktienrecht zieht der Grundsatz der Sat­ zungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) eine Grenze für die gesellschaftsrechtliche Gestaltungsbefugnis. Im Personengesellschaftsrecht beschränken die Grund­ sätze der Selbstorganschaft und Verbandssouveränität, die nicht zur Disposi­ tion der Gesellschafter stehen,206 den Spielraum der Gesellschafter. Proble­ matisch sind Konfliktlagen mit dem Gesellschaftsrecht demnach dann, wenn die aufsichtsrechtlichen Anforderungen zwingenden gesellschaftsrechtlichen Normen widersprechen oder mit gesellschaftsrechtlichen Grundprinzipien nicht vereinbar sind. In diesem Fall besteht ein „echter“ Konflikt, der weiter­ gehende Fragen zum Verhältnis von EU-Aufsichtsrecht und nationalem Ge­ sellschaftsrecht aufwirft. Dagegen liegt kein Konflikt zwischen den Anforderungen des EU-Auf­ sichtsrechts und dem nationalen Recht vor, wenn die aufsichtsrechtlichen Vorgaben lediglich den Empfehlungen des DCGK widersprechen. Denn die­ sen fehlt es an der Gesetzesqualität im Sinne des Art. 2 EGBGB.207 Der DCGK statuiert gerade keine verbindlichen Rechtssätze, sondern beschränkt sich auf eine Durchsetzung seiner Empfehlungen durch den Erwartungsdruck des Kapitalmarkts.208 Ungeachtet seiner mittelbaren Rechtswirkungen – über die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG – ist der Kodex funktional nur begrenzt mit dispositivem Recht vergleichbar.209 Überdies ist die Abgabe ei­ ner Entsprechenserklärung nicht erforderlich, wenn eine Gesellschaft Emp­ fehlungen des Kodex aufgrund aufsichtsrechtlicher Sondervorschriften nicht beachtet.210 Die Präambel des DCGK weist ausdrücklich darauf hin, dass sich für die Corporate Governance von Kreditinstituten und Versicherungs­ unternehmen211 aus dem jeweiligen Aufsichtsrecht Besonderheiten ergeben 206  Siehe

unten 2. Teil: C. II. 5. a). AktG, 17. Aufl. 2023, § 161 Rn. 3 (Normen im tatsächlichen Sinne, aber keine Rechtsnormen i. S. d. § 2 EGBGB); Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 40; Goette, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2022, § 161 Rn. 22; Bayer/Scholz, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 161 Rn. 18. 208  J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 161 Rn. 3. 209  Bayer/Scholz, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 161 Rn. 19; Bachmann, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 75, 79 ff. 210  Begründung des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 16.12.2019, S. 6, abrufbar unter https://www.dcgk.de/de/kodex/archiv.html [geprüft am 15.4.2023]; dazu auch Hopt, WM 2019, 1771. 211  Auch wenn in der Präambel ausdrücklich nur Kreditinstitute und Versiche­ rungsunternehmen genannt sind, kann für sonstige Unternehmen, die einem besonde­ 207  J. Koch,

80

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

und die Empfehlungen des Kodex nur insoweit Anwendung finden, als ihnen keine gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen. Allerdings sollen Auf­ sichtsrat und Vorstand spezialgesetzlich regulierter Gesellschaften nach der Empfehlung F.4 DCGK in der Erklärung zur Unternehmensführung angeben, welche Empfehlungen des Kodex aufgrund vorrangiger gesetzlicher Bestim­ mungen nicht anwendbar waren.

III. Spannungsfelder, die sich durch verordnungskonforme Auslegung auflösen lassen Kein echter Konflikt zwischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen und dem Gesellschaftsrecht liegt vor, wenn sich ein Spannungsfeld durch eine verordnungskonforme Auslegung der gesellschaftsrechtlichen Norm im Sinne des Aufsichtsrechts auflösen lässt. Diskutiert wird im Verhältnis von Unions­ recht und nationalem Recht zwar in erster Linie die richtlinienkonforme Auslegung. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH müssen die na­ tionalen Gerichte ihre Auslegung des nationalen Rechts soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck von Richtlinien der Union ausrichten.212 Diese Pflicht beschränkt sich nicht auf das die Richtlinie umsetzende Recht, son­ dern erfasst die gesamte nationale Rechtsordnung.213 Die richtlinienkonforme Auslegung ist aber nur ein Ausschnitt eines allgemeineren Gebots zur uni­ onsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts.214 Denn nimmt man eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung an, muss eine solche erst recht für unmittelbar geltendes Verordnungsrecht Anwendung finden.215 Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergrei­ fen, um die innerstaatliche Anwendbarkeit des Unionsrechts sicherzustel­ ren aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Regime unterliegen, nichts anderes gelten. 212  EuGH NJW 2006, 2465, 2467 f. Rn. 108 ff. (Adeneler); EuGH NJW 1994, 921, 922 Rn. 20 (Wagner Miret); EuGH BeckRS 2004, 77734, Rn. 26 (Eurim Pharma); EuGH NJW 1998, 3185, 3187 Rn. 36 (Silhouette); EuGH EuZW 1999, 43, 44 Rn. 18; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV (Stand: 48. Erg.-Lfg. August 2012) Rn.  133 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, 6.  Aufl. 2022, Art.  288 AEUV Rn.  78 ff.; W.‑H. Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn.  3 ff. 213  EuGH NVwZ 2012, 1097, 1099 Rn. 31 (Amia SpA); EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 108 (Adeneler); EuGH NJW 2004, 3547, 3459 Rn. 115 (Pfeiffer u. a.); EuGH EuZW 2014, 749, 753 Rn. 88 (Specht u. a.); W.‑H. Roth/Jopen, in: Riesenhu­ ber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn. 16. 214  Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 4 EUV Rn. 54; Jarass, EuR 1991, 211, 223; W.‑H. Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn. 9. 215  Jarass, EuR 1991, 211, 223.



C. Kategorisierung der Spannungsfelder81

len.216 Eine solche Maßnahme kann die verordnungskonforme Auslegung des nationalen Rechts sein.217 Obgleich richtlinien- und verordnungskonforme Auslegung demnach nur Teilausschnitte eines gemeinsamen Ganzen sind, bestehen zwischen ihnen Unterschiede. Im Gegensatz zur richtlinienkonformen Auslegung resultiert die Notwendigkeit einer verordnungskonformen Auslegung nicht aus einem Umsetzungsdefizit des nationalen Gesetzgebers.218 Vielmehr soll die verord­ nungskonforme Auslegung die effektive Durchsetzung unmittelbar anwend­ baren Unionsrechts gewährleisten, bezweckt also die Beseitigung eines Durchsetzungsdefizits.219 Gleichwohl lassen sich die zur richtlinienkonfor­ men Auslegung entwickelten Grundsätze auf die verordnungskonforme Aus­ legung übertragen.220 Der Richter des einzelnen Mitgliedstaates ist zur uni­ onsrechtskonformen Auslegung verpflichtet, wenn und soweit das nationale Recht Interpretationsergebnisse zuließe, die mit dem Unionsrecht unvereinbar wären.221 Das innerstaatliche Recht ist im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ergebnis zu errei­ chen.222 Dies ist auf die verordnungskonforme Auslegung mit dem Unter­ schied übertragbar, dass es hier zusätzlich zu den Zielen der Verordnung eine konkrete, unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Norm gibt, an der das nationale Gesetz gemessen werden kann. Ihre Grenze findet die unions­ rechtskonforme Auslegung allerdings dort, wo sie zu einem nach den natio­ nalen Auslegungsmethoden unzulässigen Ergebnis führen würde.223 Steht ein Konflikt zwischen aufsichtsrechtlichen Vorgaben und nationalem Gesellschaftsrecht im Raum, ist demnach zunächst zu prüfen, ob eine unions­rechtskonforme Auslegung des nationalen Gesellschaftsrechts möglich 216  EuGH NJW 2006, 2465, 2467 f. Rn. 111 (Adeneler); Gänswein, Unionsrechts­ konforme Auslegung, 2009, S. 98. 217  Gänswein, Unionsrechtskonforme Auslegung, 2009, S. 99; vgl. auch W.-H. Roth/ Jopen, in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn. 9. 218  Gänswein, Unionsrechtskonforme Auslegung, 2009, S. 103. 219  Gänswein, Unionsrechtskonforme Auslegung, 2009, S. 103 f. 220  Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 4 EUV Rn. 54; Jarass, EuR 1991, 211, 223. 221  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV (Stand: 48. Erg.-Lfg. August 2012) Rn. 135. 222  EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 108 (Adeneler); EuGH NJW 2004, 3547, 3549 Rn. 113 (Pfeiffer u. a.). 223  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV (Stand: 48. Erg.-Lfg. August 2012) Rn. 134; vgl. auch W.-H. Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn. 49 f., 61 ff.; Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 765 unter Verweis auf EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 110 (Adeneler).

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

ist.224 Dadurch kann den Anforderungen des Aufsichtsrechts Genüge getan werden. Ein Fall des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts liegt darin nicht, weil kein echter Konflikt zwischen Unionsrecht und nationalem Recht besteht.225

IV. Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Vorgaben und zwingendem Gesellschaftsrecht Weitergehende Fragen zum Verhältnis von Aufsichtsrecht und Gesell­ schaftsrecht stellen sich dann, wenn Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts dem nationalen Gesellschaftsrecht widersprechen und sich dieser Widerspruch weder durch eine Gestaltung im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung noch durch eine verordnungskonforme Auslegung auflösen lässt. In diesem Fall sind aufsichtsunterworfene Unternehmen widersprüchlichen Normbefehlen unterworfen, wodurch das Verhältnis zwischen aufsichtsrechtlichen Anforde­ rungen und entgegenstehendem Gesellschaftsrecht in den Blick gerät. 1. Kein genereller Vorrang des Gesellschaftsrechts Für das Verhältnis zwischen gruppendimensionalen Pflichten des Auf­ sichtsrechts und dem Konzernrecht wird teilweise noch vertreten, dass auf­ sichtsrechtliche Organisationsanforderungen unter dem Vorbehalt der Verein­ barkeit mit dem nationalen Gesellschaftsrecht stünden.226 Aus dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur – der ebenso Teil des Unionsrechts wie des natio­ nalen Rechts sei – folge, dass das gesellschaftsrechtliche Können eine Grenze des aufsichtsrechtlichen Müssens bilde.227 Diese Argumentation kann allerdings nicht überzeugen. Sie unterliegt ei­ nem Zirkelschluss, weil die rechtliche Unmöglichkeit der Umsetzung auf­ sichtsrechtlicher Vorgaben die Annahme eines Vorrangs der gesellschaftlichen Normen voraussetzt. Ob ein solcher Vorrang besteht oder nicht, ist aber ge­ rade fraglich. Darüber hinaus ist einem generellen Vorrang des Gesellschafts­ rechts schon aufgrund des unionsrechtlichen Hintergrunds des Aufsichtsrechts

224  Vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 764 f.; Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 276 f. 225  Vgl. Gänswein, Unionsrechtskonforme Auslegung, 2009, S. 253: verordnungs­ konforme Auslegung ist Methode zur Konfliktvermeidung. 226  Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 786 f.; Hellstern, in: Luz/Neus u. a., KWG, § 25a Abs. 1–4 (Stand: 24.02.2020) Rn. 34. 227  Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 786 f.



C. Kategorisierung der Spannungsfelder83

eine klare Absage zu erteilen.228 Dies gilt selbst für das Aufsichtsrecht in der Form von EU-Richtlinienrecht, weil dieses die Mitgliedstaaten zu einer richt­ linienkonformen Auslegung bzw. Rechtsfortbildung des nationalen Gesell­ schaftsrechts zwingt.229 Ein genereller Vorrang des nationalen Gesellschafts­ rechts gegenüber dem EU-Aufsichtsrecht wäre hiermit nicht vereinbar.230 Für das Aufsichtsrecht in der Form von EU-Verordnungsrecht ist ein genereller Vorrang des Gesellschaftsrechts in Anbetracht des unionsrechtlichen Anwen­ dungsvorrangs erst recht ausgeschlossen. 2. Aufsichtsrecht als lex specialis? Im Allgemeinen bestimmt sich das Rangverhältnis zweier Normen nach den Grundsätzen lex superior, lex specialis oder lex posterior.231 Nach einer Auffassung in der Literatur zum Bankaufsichts- bzw. Versicherungsaufsichts­ recht überlagert das Aufsichtsrecht als lex specialis das allgemeinere Gesell­ schaftsrecht.232 Das bedeutet, dass im Konfliktfall die gesellschaftsrechtliche Regelung hinter die speziellere aufsichtsrechtliche Norm zurücktritt, also keine Anwendung findet. Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als sie im Konfliktfall von einem Vorrang der aufsichtsrechtlichen Vorgaben gegenüber entgegenstehen­ dem Gesellschaftsrecht ausgeht. Die Annahme, das zwischen Gesellschaftsund Aufsichtsrecht generell ein Spezialitätsverhältnis besteht, überzeugt hin­ gegen nicht, weil der Anwendungsbereich der aufsichtsrechtlichen Normen nicht vollständig in dem der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Norm auf­ geht.233 Vielmehr gilt das Aufsichtsrecht insofern weiter, als es rechtsformun­

228  J. Koch, in: FS Windbichler, 2020, S. 817, 822; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539; Poelzig, VGR 23 GesR 2017, 83, 106 ff. 229  Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 764 f.; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, 276 f. 230  Zur Frage einer impliziten Selbstbeschränkung des Aufsichtsrechts unten 1. Teil: C. IV. 4. b). 231  Vgl. allgemein Reimer, Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, S. 280 ff., 303 f. 232  Für das Bankaufsichtsrecht Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 541 („Frage der Normhierarchie und der Spezialität“); für das Versicherungsaufsichtsrecht Dreher, ZGR 2010, 496, 502; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 268; Bornhorst/ Bauerfeind, ZfV 2015, 593; allgemein Ludwig, Wirtschaftsaufsicht, 2012, S. 294; speziell zu § 25a Abs. 3 KWG auch Hannemann/Weigl/Zaruk, MaRisk, 6. Aufl. 2022, S. 882. Vgl. auch Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 44 f.: atypisches, aufsichts­ rechtliches Spezialitätsverhältnis. 233  So auch Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 44 f.; Binder, ZGR 2013, 760, 785 (m. Fn. 113); Hersch, VersR 2017, 257, 265; J.-B. Fischer, Ausstrahlungswirkun­ gen, 2018, S. 161 f.; Thaten, Ausstrahlung des Aufsichts- auf das Aktienrecht, 2016,

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

abhängig Geltung beansprucht.234 Gegen die Annahme eines Spezialitätsver­ hältnisses lässt sich zudem einwenden, dass es sich beim privatrechtlichen Gesellschaftsrecht auf der einen und dem öffentlich-rechtlichen Aufsichts­ recht auf der anderen Seite um unterschiedliche Regelungsbereiche han­ delt.235 Normsystematisch stehen beide Regelungsbereiche nebeneinander.236 Vor allem führen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben nicht immer zu einer Ver­ schärfung der gesellschaftsrechtlichen Standards, sondern teilweise schlicht zu abweichenden Anforderungen.237 Gesellschaftsrechtliche und aufsichts­ rechtliche Anforderungen sind deshalb grundsätzlich nebeneinander anzu­ wenden und unabhängig voneinander auszulegen.238 Für die Auflösung von Konflikten im Anwendungsbereich der hier unter­ suchten Verordnungen ist die Frage eines Spezialitätsverhältnisses ohnehin nicht von Belang. Die allgemeinen Grundsätze zur Lösung von Normkollisi­ onen finden lediglich Anwendung, wenn sich Normen des innerstaatlichen Rechts gegenüberstehen. Besonderheiten gelten demgegenüber für das Ver­ hältnis zwischen dem Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht, weil es sich nach herrschender Meinung um voneinander unabhängige Rechtsord­ nungen handelt.239 Soweit das Unionsrecht unmittelbar anwendbar ist, bean­ sprucht es Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.240 Greift der Unionsgesetzgeber auf Richtlinien zurück, ist das deutsche Recht ggfs. richtlinienkonform auszulegen. Für Konflikte zwischen Aufsichts- und Ge­ sellschaftsrecht ist demnach zu unterscheiden. Im Bereich des Bankaufsichts­ rechts kommt es im Wesentlichen zu Konflikten zwischen deutschem Gesell­ schaftsrecht und deutschem Aufsichtsrecht, das Richtlinienrecht der EU um­ setzt. Insofern kommt es auf das allgemeine methodische Verhältnis zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht an, das allerdings durch die richtlinienkon­ forme Auslegung Modifikationen erfahren kann. Im Bereich der hier unter­ suchten aufsichtsrechtlichen Normen handelt es sich demgegenüber um Konflikte zwischen Vorgaben aus EU-Verordnungen und deutschem Gesell­ schaftsrecht. Insoweit richtet sich das Verhältnis allein nach dem Anwen­ dungsvorrang des Unionsrechts. S. 129; Duplois, Beeinflussung, 2017, S. 172 f.; Wiechmann, Anforderungen an Auf­ sichtsräte, 2019, S. 143 ff.; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 315. 234  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 73 f. 235  U. H. Schneider/S. H. Schneider, NZG 2016, 41, 42. 236  Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 653. 237  Hersch, VersR 2017, 257, 265. 238  Hersch, VersR 2017, 257, 265. Siehe bereits oben 1. Teil: C. I. 239  Stettner, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, A. IV. (Stand: 39. Erg.-Lfg. Februar 2016) Rn. 38. 240  Siehe unten 1. Teil: C. IV. 4. a).



C. Kategorisierung der Spannungsfelder85

3. Keine generelle Disqualifikation von Rechtsformen als Rechtsträger eines regulierten Unternehmens Theoretisch denkbar wäre es, Widersprüche, die zwischen dem Gesell­ schaftsrecht einer nationalen Rechtsform und aufsichtsrechtlichen Vorgaben bestehen, durch eine Disqualifikation der entsprechenden Rechtsform als Rechtsträger eines regulierten Unternehmens des Finanzsektors aufzulösen. Jedenfalls als allgemeiner Lösungsansatz für Konflikte zwischen Gesell­ schafts- und Aufsichtsrecht kommt eine solche Beschränkung der Rechts­ formwahl jedoch nicht in Betracht.241 Denn diese muss jedenfalls insoweit ausscheiden, als Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts deutschem Aktienrecht oder GmbH-Recht widersprechen. Aufgrund der Bedeutung der Aktiengesell­ schaft und der GmbH als Rechtsformen im Finanzsektor ist es evident, dass es weder dem Willen des Unionsgesetzgebers noch dem des nationalen Ge­ setzgebers entsprechen kann, dass diese Rechtsformen als Rechtsträger von Unternehmen des Finanzsektors disqualifiziert sein sollen.242 4. Vorrang aufsichtsrechtlichen Verordnungsrechts a) Anwendungsvorrang des Unionsrechts Im Anwendungsbereich des EU-Verordnungsrechts ist die Hierarchie zwi­ schen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht grundsätzlich eindeutig.243 Der Vor­ rang des Aufsichtsrechts ergibt sich aus dem Anwendungsvorrang des Uni­ onsrechts. EU-Verordnungen gelten gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittel­ bar in jedem Mitgliedstaat und bedürfen keines weiteren Umsetzungsaktes. Steht eine nationale Norm im Widerspruch zu unmittelbar geltendem Unions­ recht, muss der nationale Rechtsanwender sie unangewendet lassen.244 Die nationale Vorschrift wird für den konkreten Fall verdrängt.245 Weil das Unions­recht und das mitgliedstaatliche Recht zwei unabhängige Rechtsord­ nungen bilden, handelt es sich nicht um ein normenhierarchisches Verhältnis im strengen Sinne.246 Das Unionsrecht beansprucht keinen Geltungsvorrang, weshalb die nationale Rechtsnorm im Konfliktfall ihre allgemeine Gültigkeit 241  Vgl.

hierzu und zum Folgenden Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 541. Personengesellschaften noch unten 2. Teil: C. II. 5. b) bb). 243  Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 764; Langenbucher, in: Kalss/Torggler, Compliance, 2016, S. 25, 35. 244  EuGH NZG 1999, 41, 42 Rn. 21; Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/ Hatje, Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 288 AEUV Rn. 8. 245  Gänswein, Unionsrechtskonforme Auslegung, 2009, S. 251. 246  Stettner, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, A. IV. (Stand: 39. Erg.-Lfg. Februar 2016) Rn. 38. 242  Zu

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

behält.247 Das bedeutet, dass das vom Unionsrecht überlagerte mitgliedstaat­ liche Recht unter Umständen wieder aufleben kann, wenn die unionsrecht­ liche Norm keine Anwendung mehr findet.248 Für die beaufsichtigten Unter­ nehmen ist allerdings nur das vorrangige Unionsrecht relevant, wenn sich aufsichtsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Vorgaben widersprechen. Im Ergebnis bestehen keine Unterschiede zu einem echten normenhierarchischen Vorrang, solange die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Regelungen Bestand haben. Inhaltlich reicht der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nur soweit, wie die jeweilige Verordnung eine (ausdrückliche oder stillschweigende) eigene Regelung trifft.249 Subsidiär kann auf nationales Recht zurückgegriffen wer­ den, soweit das Unionsrecht einen Sachverhalt nicht abschließend geregelt hat bzw. regeln wollte. Das Aufsichtsrecht regelt die Corporate Governance nicht umfassend und abschließend, sondern lediglich soweit es zur Verfol­ gung der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen erforderlich ist. Es bleibt also Raum für die Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen zur Un­ ternehmensverfassung. Soweit kein Konflikt zwischen beiden Regelungs­ komplexen besteht, haben die beaufsichtigten Unternehmen gesellschafts­ rechtliche und aufsichtsrechtliche Corporate Governance-Vorgaben parallel anzuwenden. Gegebenenfalls ist das nationale Gesellschaftsrecht im Lichte des EU-Verordnungsrechts auszulegen. Gesellschaftsrechtliche Normen, die eine effektive Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Corporate GovernanceVorgaben verhindern würden, können auf die beaufsichtigten Gesellschaften keine Anwendung finden. Nicht greifen kann der Anwendungsvorrang, wenn das Gesellschaftsrecht selbst unionsrechtlich fundiert ist. Für Rechtsformen des nationalen Rechts, auf denen der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt, hat diese Fallgruppe jedoch keine praktische Bedeutung. Denn deren Corporate Governance ist bislang nicht grundlegend unionsrechtlich harmonisiert.250 Lediglich für die SE als supranationale Rechtform stellt sich dies anders dar, soweit die SE-Verord­ nung die Unternehmensführung selbst regelt und nicht lediglich auf die ge­ sellschaftsrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten verweist. Etwaige Wi­ dersprüche zwischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen und den unions­ rechtlichen Vorgaben zum Aufbau der SE (Art. 38 ff. SE-Verordnung) ließen sich nicht durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts auflösen.

in: Calliess/Ruffert, 6. Aufl. 2022, Art. 1 AEUV Rn. 18 m. w. N. in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, A. IV. (Stand: 39. Erg.-Lfg. Februar 2016) Rn. 28. 249  Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 764. 250  Dazu bereits oben 1. Teil: B. III. 1. 247  Ruffert,

248  Stettner,



C. Kategorisierung der Spannungsfelder87

b) Implizite Selbstbeschränkung des Aufsichtsrechts? Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist die Normenhier­ archie zwischen dem EU-Aufsichtsrecht und dem nationalen Gesellschafts­ recht grundsätzlich zugunsten des Aufsichtsrechts entschieden. Ein partieller oder genereller Vorrang des Gesellschaftsrechts könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn das Aufsichtsrecht selbst seine Anwendung unter den Vorbe­ halt der Vereinbarkeit mit dem nationalen Gesellschaftsrecht stellt. Eine ausdrückliche Aussage über das generelle Verhältnis zum Gesell­ schaftsrecht lässt sich dem Aufsichtsrecht nicht entnehmen.251 Allerdings könnte eine implizite Selbstbeschränkung daraus folgen, dass der Unionsge­ setzgeber in seiner Rechtsetzung die Strukturunterschiede des nationalen Gesellschaftsrechts der Mitgliedstaaten berücksichtigen will.252 Mit den Be­ griffsbestimmungen des Aufsichtsrecht sollen sämtliche vorhandenen Struk­ turen erfasst werden, ohne jedoch einer bestimmten Struktur den Vorzug zu geben.253 Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben sollen lediglich funktionalen Charakter haben, um Vorschriften für die Erreichung eines bestimmten Zwecks festlegen zu können, ungeachtet des nationalen Gesellschaftsrechts, das für ein Unternehmen in dem jeweiligen Mitgliedstaat gilt.254 Die allge­ meine Verteilung der Befugnisse nach dem nationalen Gesellschaftsrecht soll unberührt bleiben.255 Hieraus kann allerdings nicht gefolgert werden, dass die Vorgaben des EUAufsichtsrechts unter einem generellen Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem nationalem Gesellschaftsrecht stünden.256 Eine allgemeine Aussage über das Verhältnis von Gesellschafts- und Aufsichtsrecht will das Aufsichtsrecht in­ soweit nicht treffen. Die Selbstbeschränkung des EU-Aufsichtsrechts er­ schöpft sich vielmehr darin, das Nebeneinander von monistischer und dualis­ tischer Unternehmensverfassung in der EU anzuerkennen.257 Das Aufsichts­ recht lässt eine Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten des Leitungs­ organs auf Vorstand und Aufsichtsrat gemäß den Regeln des nationalen Gesellschaftsrechts zu.258 Die damit bezweckte „Schonung“ des nationalen Gesellschaftsrechts bleibt jedoch auf die Kompetenzverteilung zwischen dem 251  Vgl.

Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 270 f. 36 CSDR; vgl. auch ErwGr. 55 CRD IV. 253  ErwGr. 36 Satz 3 CSDR. 254  ErwGr. 36 Satz 4 CSDR. 255  ErwGr. 36 Satz 5 CSDR. 256  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539. 257  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 533, 539; dies., in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, 2nd ed. 2020, Rn 6.57. Dazu bereits oben 1. Teil: B. IV. 1. 258  Dazu noch unten 2. Teil: B. I. 2. d). 252  ErwGr.

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1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

Geschäftsführungsorgan und dem Aufsichtsorgan beschränkt und erstreckt sich nicht auf sonstige Konfliktlagen zwischen Aufsichts- und Gesellschafts­ recht.259 Dies wird besonders deutlich in ErwGr. 36 Satz 2 CSDR, der den Gegensatz von monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung aus­ drücklich erwähnt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das EU-Aufsichts­ recht unbedingt Geltung beansprucht und keineswegs zurücktreten soll, wenn ein Widerspruch mit dem deutschen Gesellschaftsrecht besteht. c) Grenzen des Anwendungsvorrangs aa) Unionsgrundrechtliche Schranken Das EU-Aufsichtsrecht ist vorrangig gegenüber dem deutschen Gesell­ schaftsrecht zu beachten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die aufsichts­ rechtliche Regulierung ihrerseits keinerlei Schranken unterläge. Denn die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Corporate Governance greifen in die Grundrechte der beaufsichtigten Gesellschaften ein und bedürfen deshalb der Begründung und Rechtfertigung.260 Zu beachten ist dabei, dass die Vor­ schriften des Unionsrechts nach der „Solange-II-Rechtsprechung“ des Bun­ desverfassungsgerichts nicht an deutschen Grundrechten zu messen sind.261 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die betroffenen Grundrechtsträger rechtlos gestellt wären. Die Zurückhaltung des Gerichts gründet sich darauf, dass es auf unionsrechtlicher Ebene einen gleichwertigen Grundrechtsschutz als ge­ geben ansieht. Für die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Vorgaben ist insbesondere Art. 16 GRCh, der die unternehmerische Freiheit schützt, sowie das Eigentumsrecht aus Art. 17 GRCh von Bedeutung.262 Art. 16 CRCh bietet einen mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG vergleichbaren Schutz, eröffnet dem Gesetzgeber aber einen weiten Regelungsspielraum.263 Das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte wird insofern zwar weitgehende Eingriffe rechtfertigen, macht eine Verhältnismä­ ßigkeitsprüfung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen aber nicht entbehrlich.264 Im Einzelfall kann zu prüfen sein, ob die aufsichtsrechtlichen Anforderungen grundrechtskonform auszulegen sind. Ist ein Sekundärrechts­ akt der Union einer Auslegung zugängig, muss er möglichst so ausgelegt ZHR 178 (2014), 502, 539. ZGR 2013, 760, 790; Hemeling, ZHR 174 (2010), 635, 640; vgl. auch Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 135. 261  BVerfGE, 339, 375 f. = NJW 1987, 577 (Solange II). 262  Binder, ZGR 2013, 760, 790 f.; Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 135. 263  Binder, ZGR 2013, 760, 790; Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 135; Jarass, in: Jarass GrCh, 4. Aufl. 2021, Art. 16 Rn. 20. 264  Hemeling, ZHR 174 (2010), 635, 640. 259  Mülbert/Wilhelm, 260  Binder,



C. Kategorisierung der Spannungsfelder89

werden, dass er mit den Unionsgrundrechten vereinbar ist.265 Dies folgt da­ raus, dass die Grundrechte-Charta gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 a. E. EUV gleichwertig zu den Verträgen und damit Teil des Primärrechts ist.266 bb) Kompetenzrechtliche Schranken Seine Grenze findet der unionsrechtliche Anwendungsvorrang zudem im Prinzip der Einzelermächtigung nach Art. 5 Abs. 2 EUV. Erlässt die Union einen Rechtsakt ohne ausreichende Rechtsgrundlage, kann jede von diesem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Person gemäß Art. 263 Abs. 2, 4 Alt. 2 AEUV vor dem EuG Nichtigkeitsklage erheben. Allerdings wird der angefochtene Rechtsakt bis zur Nichtigkeitserklärung nach Art. 264 Abs. 1 AEUV als wirksam angesehen.267 In Betracht kommt nach der Ultravires-Rechtsprechung im Übrigen eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG.268 Danach kann eine Anwendung unionsrechtlicher Rechtsakte die Art. 38 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1, 2 und Art. 79 Abs. 3 GG verlet­ zen, wenn dem Erlass des Unionsrechts eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung zugrunde liegt. Soweit es um die Auslegung von unionsrechtlichem Sekundärrecht geht, hat das BVerfG die Frage allerdings dem EuGH vorzulegen.269 Demnach stellt sich die – in der vorliegenden Arbeit nicht näher zu vertie­ fende – Frage, ob die Anwendung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen kompetenzrechtlichen Grenzen unterliegt. Die Verordnungen werden auf Art. 114 AEUV270 gestützt, wonach die Union Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen kann, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegen­ stand haben. Eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung, die Vorausset­ zung für die Anwendung der Ultra-vires-Kontrolle des BVerfG ist, wird je­ 265  Wollenschläger, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 15 GRC Rn. 35 m. w. N. 266  Kingreen, in: Calliess/Ruffert, 6. Aufl. 2022, Art. 6 EUV Rn. 12; Beutler, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 6 EUV Rn. 13. Allgemein zur primärrechtskonformen Auslegung des abgeleiteten Unionsrechts Leible/Domröse, in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 8 Rn. 7 ff. 267  Stotz/Schamell, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, P. I.2. (Stand: 55. Erg.-­ Lfg. Januar 2022) Rn. 179. 268  BVerfG NJW 2019, 3204, 3209  ff. Rn. 140 ff.; BVerfGE 134, 366, 392 ff. Rn. 36 ff. = NJW 2014, 907. 269  Schwerdtfeger, EuR 2015, 290, 301. 270  Zur Problematik, inwieweit Art. 114 AEUV die Union zum Erlass von Verord­ nungen ermächtigt, siehe Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 114 AEUV Rn. 125 f.

90

1. Teil: Rechtliche und tatsächliche Grundlagen

denfalls nicht anzunehmen sein. Der erforderliche Binnenmarktbezug lässt sich begründen, weil die Regelungen die Stabilität des Finanzmarkts in der Union gewährleisten sollen.271 d) Ergebnis Aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs beanspruchen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance im Konfliktfall uneingeschränkten Vorrang gegenüber dem nationalen Gesellschaftsrecht, soweit keine unionsgrundrechtlichen oder kompetenzrechtlichen Schranken greifen. Für die regulierten Gesellschaften bedeutet dies, dass sie die auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben stets beachten müssen und sich gegenüber den Aufsichtsbehörden nicht auf gesellschaftsrechtliche Grenzen berufen können. Versäumen sie die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen, dro­ hen ihnen Sanktionen. An gesellschaftsrechtliche Normen, die der Umset­ zung aufsichtsrechtlicher Anforderungen widersprechen und deshalb durch das vorrangige Unionsrecht verdrängt werden, sind sie nicht gebunden. Ein „Verstoß“ gegen solche gesellschaftsrechtlichen Anforderungen kann keine negativen Rechtsfolgen für die betroffene Gesellschaft nach sich ziehen. Al­ lerdings sind strengere oder abweichende gesellschaftsrechtliche Vorgaben zu beachten, soweit sie nicht im Widerspruch zu den aufsichtsrechtlichen Vorgaben stehen.

271  Vgl.

Fleischer, ZGR 2012, 160, 167.

2. Teil

Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und deutschem Gesellschaftsrecht A. Spannungspotenzialzwischen rechtsformunabhängigen Vorgaben des Aufsichtsrechts und rechtsformspezifischem Gesellschaftsrecht Das EU-Aufsichtsrecht statuiert rechtsformübergreifende Anforderungen an die Corporate Governance der Rechtsträger regulierter Unternehmen. Dies hat zur Folge, dass die betroffenen Gesellschaften sowohl die aufsichtsrecht­ lichen Vorgaben als auch das geltende rechtsformspezifische Gesellschafts­ recht beachten müssen. Bei der Wahl der Rechtsform sind die Unternehmen dabei – abgesehen von dem teilweise bestehenden Verbot, bestimmte Unter­ nehmen als Einzelkaufmann zu betreiben – grundsätzlich frei.1 Lediglich für Personengesellschaften könnte man eine Beschränkung der Rechtsformwahl annehmen, was im Ergebnis aber abzulehnen ist.2 Auf die Besonderheiten der unterschiedlichen Rechtsformen nach nationalem Recht – z. B. die dua­ listische Unternehmensverfassung der deutschen AG oder das Prinzip der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften – nimmt das EU-Aufsichtsrecht jedoch nur bedingt Rücksicht. Insoweit können sich Konflikte zwischen den aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und dem auf die jeweilige Rechtsform anwendbaren Gesellschaftsrecht ergeben.

I. Konflikte mit dem Aktien- und GmbH-Recht Die Rechtsformen der AG und GmbH sind für die Praxis wegen ihrer großen Verbreitung im Finanzsektor von besonderer Bedeutung.3 Zwischen 1  Siehe

dazu bereits oben 1. Teil: B. IV. 2. ausführlich unten 2. Teil: A. II. 1. 3  So sind die zentralen Gegenparteien European Commodity Clearing AG und Eurex Clearing AG jeweils als AG organisiert, s. https://www.ecc.de/de/about-ecc/ company und https://www.eurex.com/ex-en/find/about-us/organizational-structure [jeweils geprüft am 15.4.2023]. Gleiches gilt für den einzigen deutschen Zentralver­ wahrer, die Clearstream Banking AG, s. ESMA, CSD Register (Stand: 3.4.2023), 2  Dazu

92

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

den aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und den Re­ gelungen des Aktiengesetzes besteht ein erhebliches Spannungsverhältnis, weil der Grundsatz der Satzungsstrenge die Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen durch Satzungsgestaltung beschränkt. Nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG kann die Satzung von Vorschriften des Aktienrechts nur abwei­ chen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich zulässt. Dies erschwert eine flexible Anpassung der Organisationsverfassung einer AG an die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Vorgaben. Demgegenüber besteht zwischen den aufsichtsrechtlichen Vorgaben und dem GmbH-Recht weniger Spannungspotenzial, weil sich die GmbH gegen­ über der AG mangels Satzungsstrenge durch eine höhere Flexibilität aus­ zeichnet. Im Rahmen des Gesellschaftsvertrages besteht nach dem gesetz­ lichen Leitbild der GmbH erhebliche inhaltliche Gestaltungsfreiheit.4 Die Regelungen des GmbH-Gesetzes zur Binnenorganisation sind weitgehend dispositiv.5 Folglich ist es bei einer GmbH deutlich einfacher als bei einer AG, aufsichtsrechtliche Vorgaben mittels einer Gestaltung im Gesellschafts­ vertrag umzusetzen. Im Übrigen stellen sich bei der GmbH häufig vergleich­ bare Fragestellungen wie bei der AG, sodass insoweit auf die Erläuterungen zum Aktienrecht verwiesen werden kann.

II. Konflikte mit dem Personengesellschaftsrecht 1. Zulässigkeit der Wahl einer Personengesellschaft Personengesellschaften kommen grundsätzlich als Rechtsformen im regu­ lierten Finanzsektor in Betracht. Allerdings könnte die Wahl einer Personen­ gesellschaft als Rechtsform für zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer und Ratingagenturen ausgeschlossen sein.6 Zwar sind Zentralverwahrer ­abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/document/csd-register [geprüft am 15.4.2023]. Die in Deutschland ansässigen Ratingagenturen firmieren entweder als AG oder GmbH, s. ESMA, Liste der zertifizierten und registrierten Ratingagenturen (Stand: 27.3.2023), abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/supervision/creditrating-agencies/risk [geprüft am 15.4.2023]. Demgegenüber findet sich in der Liste registrierter Administratoren mit der Lang & Schwarz TradeCenter AG & Co. KG auch eine Personengesellschaft, s. ESMA, Benchmarkregister (Stand: 15.4.2023); ab­ rufbar unter https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_ registers_bench_entities [geprüft am 15.4.2023]. 4  Wicke, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2022, § 3 Rn. 1, 150; Binder, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, 2019, S. 373, 379 ff. 5  Binder, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, 2019, S. 373, 380. 6  So für Ratingagenturen U. H. Schneider, in: FS Hellwig, 2010, S. 329, 337, al­ lerdings aus dem Grund, dass die Verordnung zwingend das Vorhandensein eines Aufsichtsorgans voraussetzt; ausführlich dazu unten 2. Teil: C. II. 5.



A. Spannungspotenzial93

und zentrale Gegenparteien gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Nr. 12 KWG Kreditinstitute, für die nach § 2b KWG lediglich der Betrieb als Einzelkauf­ mann untersagt ist. Allerdings könnten die Verordnungen insofern eine stren­ gere Regelung treffen, zumal sich die Zulassung von zentralen Gegenpartien und Zentralverwahrern nach den dortigen Regelungen richtet. Nach Art. 14 Abs. 1 EMIR bzw. Art. 16 Abs. 1 CSDR kann eine „in der Union niederge­ lassene juristische Person“ als Zentralverwahrer oder zentrale Gegenpartei zugelassen werden. Auch die Definitionen in Art. 2 Nr. 1 EMIR bzw. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 CSDR verwenden den Begriff der juristischen Person. Art. 3 Abs. 1 lit. b CRAR definiert eine Ratingagentur als Rechtspersönlichkeit, deren Tätigkeit die gewerbsmäßige Abgabe von Ratings umfasst. Der Begriff der Rechtspersönlichkeit unterscheidet sich von dem der juristischen Person nicht, wie ein Blick in die englischen Fassungen der Verordnungen zeigt, in denen einheitlich von legal person die Rede ist. Personengesellschaften sind gemäß der herrschenden, wenn auch nicht unbestrittenen deutschen Rechts­ auffassung zwar rechtsfähig, aber nicht als juristische Personen einzuord­ nen.7 Es ist allerdings unklar, ob die Verordnungen rechtsfähige Personengesell­ schaften von ihrem Anwendungsbereich ausschließen wollten. Unzweifelhaft ist lediglich, dass eine natürliche Person oder nicht rechtsfähige Personen­ vereinigung nicht als Zentralverwahrer, zentrale Gegenpartei oder Rating­ agentur zugelassen werden kann.8 Dies entspricht der Rechtslage bei Kredit­ instituten und ist sinnvoll, weil die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corpo­ rate Govern­ance für einen Einzelkaufmann kaum umsetzbar sind. Im Übrigen ist der Begriff der juristischen Person jedoch auslegungsbedürftig, weil ein unionsrechtliches Konzept der juristischen Person nicht existiert.9 Dafür, dass der Unionsgesetzgeber den Begriff nicht unbedacht verwendet, spricht die Regelung in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II.10 Diese Norm definiert den Begriff der „Wertpapierfirma“, worunter Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 UAbs. 1 Mi­ FID II grundsätzlich nur juristische Personen fasst. Allerdings können die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 UAbs. 2 MiFID II zusätzlich Unter­ nehmen als Wertpapierfirmen definieren, die keine juristischen Personen sind, sofern ihre Rechtsform Dritten ein Schutzniveau bietet, das mit dem 7  BGHZ 149, 80, 84 = WM 2001, 2379; BGHZ 146, 341, 347 = NJW 2001, 1056; C. Schäfer, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, Vor § 705 Rn. 13 f.; ders., in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 105 Rn. 38 ff.; Habersack, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 124 Rn.  2; a. A. Raiser, AcP 199 (1999), 104 ff.; ders., AcP 194 (1994), 495 ff. 8  Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 2 EMIR Rn. 7; Dürselen, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, Art. 4 CRR Rn. 112; Grundmann, in: Bankvertragsrecht, 2021, 6. Teil Rn. 710 m. Fn. 2102. 9  Zetzsche/Preiner, WM 2013, 2101, 2102. 10  So Freitag, NZG 2013, 329, 332 f. zu Art. 4 Abs. 1 lit. b AIFM-RL.

94

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

von juristischen Personen gleichwertig ist, und sie einer gleichwertigen und ihrer Rechtsform angemessenen Aufsicht unterliegen. Daraus könnte man ableiten, dass das Unionsrecht zwischen juristischen Personen und anderen Rechtsformen, die juristischen Personen ähnlich sind, differenziert.11 Der Umkehrschluss spräche dafür, dass das Unionsrecht, wenn es lediglich von juristischen Personen spricht, rechtsfähige Personengesellschaften gerade nicht erfassen will. Gegen eine solche Auslegung spricht allerdings die Rückausnahme in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 UAbs. 3 MiFID II, die lediglich auf natürliche Personen Bezug nimmt. Dies spricht dafür, dass Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 UAbs. 2 MiFID II vorrangig natürliche Personen erfassen soll. Überzeugender ist die Annahme, dass rechtsfähige Personengesellschaften vom Anwendungsbereich der Verordnungen erfasst sind.12 Der Begriff der juristischen Person ist im Unionsrecht – abweichend von der Dogmatik des deutschen Gesellschaftsrechts – dahingehend auszulegen, dass er jeden Rechtsträger umfasst, der keine natürliche Person ist.13 Als Beleg für diese Ansicht kann auf das Verbraucherschutzrecht verwiesen werden.14 Dort ver­ wendet das Unionsrecht den Begriff der juristischen Person in einem weite­ ren Sinne, der auch Organisationsformen wie die OHG oder KG erfasst.15 Art. 2 Nr. 2 VerbrRRL16 unterscheidet nur zwischen natürlichen und juristi­ schen Personen, die Unternehmer sein können, während § 14 BGB zwischen natürlichen und juristischen Personen sowie rechtsfähigen Personengesell­ schaften differenziert. Für dieses Ergebnis spricht zudem ErwGr. 6 der EULeerverkaufsverordnung17, wonach Bezugnahmen auf natürliche und juristi­ sche Personen in dieser Verordnung eingetragene Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit einschließen. Ferner sprechen die Regelungen in Art. 3 Abs. 1 Nr. 6, Art. 34 Abs. 1 BMR, wonach der Administrator eines Referenzwertes eine natürliche oder juristische Person sein kann, für ein weites Verständnis des Begriffs. Denn es wäre widersinnig, natürliche Perso­ nen als Administrator eines Referenzwertes zuzulassen, nicht aber rechts­ NZG 2013, 329, 332; dagegen Klöhn/Wimmer, WM 2020, 761, 765. für Art. 2 Nr. 1 EMIR auch Grundmann, in: Bankvertragsrecht, 2021, 6. Teil Rn. 710 m. Fn. 2102, der den Anwendungsbereich aber auf rechtsfähige Perso­ nenhandelsgesellschaften ohne persönlich haftenden Gesellschafter beschränken will. 13  Klöhn/Wimmer, WM 2020, 761, 764  f.; Niewerth/Rybarz, WM 2013, 1154, 1158; Alexander, in: BeckOGK Zivilrecht, § 14 BGB (Stand: 01.02.2023) Rn. 99 ff. 14  Niewerth/Rybarz, WM 2013, 1154, 1158 f. 15  Alexander, in: BeckOGK Zivilrecht, § 14 BGB (Stand: 01.02.2023) Rn. 99 ff. 16  20. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. EU L 304/64 vom 22.11.2011. 17  Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. EU L 86/1 vom 24.3.2012. 11  Freitag, 12  So



A. Spannungspotenzial95

fähige Personengesellschaften. Zudem ging der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung des Art. 4 Abs. 1 lit. b AIFM-RL in den §§ 18, 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KAGB offenbar davon aus, dass eine GmbH & Co. KG eine juristische Person im Sinne des Unionsrechts sein kann.18 Im Zweifel ist für die Zuläs­ sigkeit der Wahl einer Personengesellschaft zu entscheiden, weil das Recht, die Rechtsform des Unternehmens zu bestimmen, als Teil der unternehmeri­ schen Freiheit nach Art. 16 GRCh geschützt ist.19 Im Ergebnis ist festzustel­ len, dass Personengesellschaften als zentrale Gegenparteien, Zentralverwah­ rer oder Ratingagenturen zugelassenen werden können. 2. Spannungspotenzial zwischen aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen und dem Personengesellschaftsrecht Die unionsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance stehen in ei­ nem erheblichen Spannungsverhältnis zu Grundwertungen des deutschen Personengesellschaftsrechts, insbesondere dem das Personengesellschafts­ recht prägenden Grundsatz der Selbstorganschaft.20 Aufsichtsrechtliche Vor­ gaben an die Corporate Governance, wie z. B. das Erfordernis eines Auf­ sichtsorgans, können Personengesellschaften deshalb vor erhebliche Proble­me stellen. Auf der anderen Seite bietet das Personengesellschaftsrecht im Ver­ gleich zum Aktienrecht mangels Satzungsstrenge einen größeren Spielraum für Gestaltungen im Gesellschaftsvertrag, sodass gewisse Vorgaben des Auf­ sichtsrechts einfacher umzusetzen sind als in der AG.

III. Eingrenzung des weiteren Untersuchungsgegenstands Nach den vorstehenden Ausführungen können regulierte Unternehmen im Anwendungsbereich der hier untersuchten Verordnungen sowohl als Kapitalals auch als Personengesellschaft organisiert sein. Aufgrund der Bedeutung des Aktienrechts und aufgrund des Spannungspotenzials mit den aufsichts­ rechtlichen Vorgaben legt diese Untersuchung einen Schwerpunkt auf die Vereinbarkeit der aufsichtsrechtlichen Vorgaben mit dem Aktienrecht, wäh­ 18  Freitag, NZG 2013, 329, 332 f. geht davon aus, dass § 18 KAGB nicht mit Art. 4 Abs. 1 lit. b AIFM-RL vereinbar ist. 19  Vgl. zum KAGB Schücking, in: Moritz/Klebeck/Jesch, KAGB, 2016, § 18 Rn. 11 f., der die Begrenzung der Rechtsformwahl in § 18 Abs. 1 KAGB als verfas­ sungswidrig beurteilt; allgemein zum deutschen Recht ferner Keul, in: MünchHdbKG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 2; Pohlmann, in: Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, 6. Aufl. 2019, § 8 Rn. 15. 20  Näher dazu etwa K. Schmidt/Drescher, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 125 Rn.  5 f.

96

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

rend Konfliktlagen mit dem GmbH- und Personengesellschaftsrecht nur punktuell betrachtet werden. Lediglich als Randerscheinung wird die (monis­ tische) SE in den Blick genommen. Kein Gegenstand dieser Arbeit sind das Genossenschaftsrecht sowie das Recht der als Anstalt des öffentlichen Rechts organisierten Sparkassen, die für Kreditinstitute eine wesentliche Rolle spie­ len. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance betreffen sowohl die Geschäftsleitung (B.) als auch das Aufsichtsorgan (C.) regulierter Gesellschaften. Die Stellung beider Organe in Unternehmen des Finanzsek­ tors sowie die damit verbundenen Konflikte zwischen Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht werden im Folgenden näher beleuchtet.

B. Regelungen zur Geschäftsleitung I. Allgemeines 1. Überblick und Hintergrund der Regelungen Die Geschäftsleiter von Unternehmen des Finanzsektors stehen im Zen­ trum der aufsichtsrechtlichen Regulierung der Corporate Governance. Das Verhalten des Führungspersonals von Unternehmen des Finanzsektors wurde als ein wesentlicher Grund für die Finanzkrise ausgemacht. Insbesondere die Vorstände von Banken standen am Pranger, weil sie zu große Risiken einge­ gangen wären und ihre Unternehmen dadurch an den Rand des Abgrunds getrieben hätten.21 Dies hat zu einem erheblichen Ausbau der aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen an die Geschäftsleiter geführt. Der Gefahr einer zu starken Risikobereitschaft der Geschäftsleiter begeg­ net das Aufsichtsrecht mit umfassenden Regelungen zum Risikomanagement, die auf Gesellschaftsebene gelten, zu deren Umsetzung aber die Geschäfts­ leiter berufen sind. Auch Schwächen in der Compliance und internen Kon­ trolle wurden beklagt,22 was zu einem Ausbau der Compliance-Anforderun­ gen und internen Kontrollsysteme geführt hat. Daneben steht die fachliche Eignung der Geschäftsleiter im Rahmen von Fit & Proper-Anforderungen im Fokus, weil die Führung eines Unternehmens im Finanzsektor sehr spezielle Kenntnisse erfordert. Zudem enthält das Aufsichtsrecht Vorgaben zur Organi­ sation der Geschäftsleitung, die im Aktiengesetz nur rudimentär geregelt ist. 21  Reckhenrich, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance von Ban­ ken, 1. Aufl. 2011, S. 469. 22  Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 275.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung97

Besonders problematisch sind aus aktienrechtlicher Sicht Regelungen, wel­ che die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand beschränken. Auch Fehler in der Vergütungspolitik, insbesondere Fehlanreize durch kurzfristig ausgerichtete variable Vergütungsstrukturen, werden als Ursache für die Finanzkrise genannt.23 Folgerichtig hat die Vergütungspoli­ tik eine aufsichtsrechtliche Regulierung erfahren, und zwar sowohl durch Verfahrensregelungen als auch durch qualitative Vorgaben für die Ausgestal­ tung der Vergütung. Daneben ist die Tätigkeit der Geschäftsleiter Gegenstand einer laufenden qualitativen Überwachung durch die Aufsichtsbehörden. All das verändert die Stellung der Geschäftsleiter im Finanzsektor, die sich da­ durch deutlich von der in nicht regulierten Unternehmen unterscheidet. 2. Ermittlung der auf die Geschäftsleitungsorgane anwendbaren Normen a) Vorüberlegungen Für den Abgleich mit dem nationalen Gesellschaftsrecht muss zunächst ermittelt werden, welche aufsichtsrechtlichen Normen auf welches nach na­ tionalem Gesellschaftsrecht zu bildende Gesellschaftsorgan Anwendung fin­ den. Dies bereitet unter Umständen Schwierigkeiten, weil das EU-Aufsichts­ recht rechtsformunabhängig ausgestaltet ist. Die Terminologie ist allgemein gehalten, um die Organe verschiedener Gesellschaftsformen anzusprechen. Das Aufsichtsrecht adressiert nicht den Vorstand einer AG, sondern die Ge­ schäftsleitung24 oder das Leitungsorgan25 der Gesellschaft. Hierbei ist die bereits angesprochene terminologische Anlehnung an das monistische Sys­ tem zu beobachten. Der Rechtsanwender steht bei der Auslegung der einzel­ nen aufsichtsrechtlichen Normen vor der Entscheidung, welches Gesell­ schaftsorgan nach nationalem Recht jeweils gemeint ist. An einer nationalen Regelung – wie in den §§ 25c, 25d KWG – fehlt es bei den hier untersuchten aufsichtsrechtlichen Vorgaben, weil sie als unmittelbar anwendbares Verord­ nungsrecht keiner nationalgesetzlichen Umsetzung bedürfen. b) Aufsichtsrechtliche Anforderungen auf Gesellschaftsebene Soweit das Aufsichtsrecht Anforderungen auf Gesellschaftsebene statuiert, sind nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen die Ge­ 23  S. etwa Spindler, AG 2010, 601, 602, 607; Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Euro­ päisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 275. 24  S. etwa Art. 27 Abs. 1 EMIR; Art. 27 Abs. 1 CSDR; Art. 7 Abs. 3 EMIR-DelVO. 25  S. etwa Art. 7 Abs. 2 EMIR-DelVO.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

schäftsleiter verpflichtet, diese im Namen der Gesellschaft zu erfüllen. Die Geschäftsleiter müssen im Außenverhältnis alle Rechtsvorschriften, die das Unternehmen als Rechtssubjekt treffen, einhalten.26 Dazu gehören nicht nur gesellschaftsrechtliche Vorschriften, sondern insbesondere auch die Vorgaben des Aufsichtsrechts.27 Der Aufsichtsrat ist im Zuge seiner allgemeinen Über­ wachungsaufgabe dafür verantwortlich, die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Pflicht durch die Geschäftsleitung zu überwachen.28 c) Geschäftsleitung Soweit das Aufsichtsrecht die Geschäftsleitung adressiert, bezeichnet dies im dualistischen System den Vorstand, der die AG nach § 76 Abs. 1 AktG in eigener Verantwortung leitet. Für Zentralverwahrer könnte dem zwar Art. 2 Abs. 1 Nr. 46 CSDR entgegenstehen, wonach die Geschäftsleitung diejeni­ gen Personen umfasst „die bei einem Zentralverwahrer Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen und für das Tagesgeschäft des Zentralverwahrers verantwortlich und gegenüber dem Leitungsorgan rechenschaftspflichtig sind“. Die Definition des Art. 2 Abs. 1 Nr. 46 CSDR erklärt sich aus der terminologischen Anlehnung an das monistische System, weil dort die ge­ schäftsführenden Direktoren (executive officers) dem board of directors als Gesamtleitungsorgan gegenüber rechenschaftspflichtig sind.29 Auf die dua­ listische AG passt dies an sich nicht, weil die Befugnis zur Geschäftsfüh­ rung30 nach dem Aktiengesetz allein beim Vorstand liegt,31 dieser jedoch lediglich gegenüber dem Aufsichtsrat verantwortlich ist, der nicht für die Leitung der Gesellschaft zuständig ist.32 Hieraus könnte zu schließen sein, dass die Mitglieder des Vorstands nicht zur Geschäftsleitung zählen, sondern lediglich die für das Tagesgeschäft zuständigen Personen unterhalb der Vorstandsebene, die gegenüber dem Vorstand rechenschaftspflichtig sind. Eine solche Auslegung scheint systematisch dadurch gestützt zu werden, dass die

in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 28 m. w. N. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 87 m. w. N. 28  Allgemein dazu Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 29. 29  Vgl. Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 527 f. 30  Zu den Unterschieden der Begriffe Leitung und Geschäftsführung s. Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 28 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 5. 31  Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 8; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 77 Rn. 5; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 77 Rn. 4; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 6. 32  Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 527 f.; Binder, in: Grieser/Heemann, Bankauf­ sichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 377, 388. 26  Fleischer, 27  Spindler,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung99

Definition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 46 CSDR – anders als Art. 2 Nr. 29 EMIR – die geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans nicht erwähnt. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass der Begriff des Leitungsorgans nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 CSDR für Unternehmen mit dualistischer Unter­ nehmensverfassung Vorstand und Aufsichtsrat bezeichnet. Besteht ein Lei­ tungsorgan gemäß den nationalen Rechtsvorschriften aus mehreren verschie­ denen Organen mit spezifischen Funktionen, gelten die Anforderungen der CSDR gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 UAbs. 2 CSDR lediglich für Mitglieder des Leitungsorgans, denen die maßgebenden nationalen Rechtsvorschriften die entsprechenden Befugnisse zuweisen. Dies verdeutlicht, dass bei der Auslegung des Begriffs des Leitungsorgans die Kompetenzverteilung nach deutschem Recht zu berücksichtigen ist. Art. 2 Abs. 1 Nr. 46 CSDR ist daher dahingehend auszulegen, dass das Leitungsorgan (nur) den Aufsichtsrat als das Organ bezeichnet, dem die Geschäftsleitung gegenüber rechenschafts­ pflichtig ist.33 Folge ist, dass sich die Zugehörigkeit zur Geschäftsleitung nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 46 CSDR allein anhand der Mitgliedschaft im Ge­ schäftsführungsorgan, in der AG also dem Vorstand bestimmt, weil nur die Vorstandsmitglieder dem Aufsichtsrat gegenüber verantwortlich sind.34 Eine Bestätigung erfährt dieses Auslegungsergebnis dadurch, dass die De­ finition der Geschäftsleitung im systematischen Zusammenhang mit den persönlichen Anforderungen in Art. 27 Abs. 1 CSDR zu lesen ist. Art. 27 Abs. 1 CSDR würde seinen Zweck, eine solide und umsichtige Geschäfts­ führung zu gewährleisten, verfehlen, wenn er auf die Mitglieder des Vor­ stands einer AG nicht anwendbar wäre. Hierfür spricht auch, dass die persön­ lichen Anforderungen in Art. 27 Abs. 1 CSDR inhaltsgleich mit denen in Art. 27 Abs. 1 EMIR sind. Letztere finden gemäß Art. 2 Nr. 29 EMIR auf die geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans Anwendung, welche un­ zweifelhaft mit den Mitgliedern des Vorstands gleichzusetzen sind. Es leuch­ tet nicht ein, dass der „Fit & Proper-Test“ in EMIR und CSDR, der in beiden Verordnungen inhaltlich gleich ausgestaltet wurde, auf jeweils unterschied­ liche Personengruppen anwendbar sein soll. Nicht unter den Begriff der Geschäftsleitung fallen die Mitglieder des Aufsichtsrats, weil diesen nicht die Leitung der Gesellschaft obliegt. Zu kei­ nem anderen Ergebnis führt die Definition in Art. 3 Abs. 1 lit. n CRAR, wo­ nach die Geschäftsleitung einer Ratingagentur auch „das Mitglied oder die Mitglieder ihres Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans“ umfasst. Diese Defini­ tion orientiert sich offensichtlich am monistischen System, in dem die Lei­ 33  Vgl.

Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 527 f. Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 528 f.; a. A. für zentrale Gegenparteien Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 2 EMIR Rn. 138. 34  Vgl.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

tung der Gesellschaft dem Verwaltungsrat insgesamt, einschließlich dessen nicht geschäftsführender Mitglieder, obliegt. Auch im monistischen System wird jedoch üblicherweise zwischen dem Verwaltungsrat und der Geschäfts­ leitung bzw. dem senior management differenziert, weshalb sich der Sinn­ gehalt der Definition nicht recht erschließt. Da Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 2 und 5 CRAR ausdrücklich zwischen den Mitgliedern der Geschäfts­ leitung und denen des Aufsichtsorgans unterscheidet, ist davon auszugehen, dass der Begriff der Geschäftsleitung nur die Mitglieder des Vorstands, nicht aber die des Aufsichtsrats meint. In der GmbH obliegt die Leitung des Unternehmens den Geschäftsführern, obwohl dies anders als im Aktienrecht nicht ausdrücklich kodifiziert ist.35 Bei Personenhandelsgesellschaften sind nach den §§ 114, 164 Satz 1 HGB grundsätzlich alle persönlich haftenden Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorsieht. Ge­ schäftsleiter i. S. d. Aufsichtsrechts sind demnach alle persönlich haftenden Gesellschafter, die nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossenen sind.36 In der monistischen SE adressiert der Begriff der Geschäftsleitung nur die geschäftsführenden Direktoren. Auf die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats finden die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Ge­ schäftsleiter keine Anwendung.37 d) Leitungsorgan Das Leitungsorgan einer zentralen Gegenpartei ist in Art. 2 Nr. 27 EMIR definiert als „Verwaltungs- oder Aufsichtsrat oder beide, gemäß dem nationalen Gesellschaftsrecht“. Bei Zentralverwahrern bezeichnet das Leitungsor­ gan „das Organ oder die Organe […], das (die) nach nationalem Recht bestellt wurde (wurden) und befugt ist (sind), Strategie, Ziele und Gesamtpolitik […] festzulegen und die Entscheidungen der Geschäftsleitung zu kontrollieren und zu überwachen“.38 Für Referenzwert-Administratoren findet sich eine fast wortgleiche Definition in Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 BMR. Inhaltlich meinen diese Definitionen das Gleiche. Das Leitungsorgan umfasst sowohl das Geschäftsführungsorgan (in der AG den Vorstand) als auch das Auf­ sichtsorgan (den Aufsichtsrat). Dies gilt unabhängig davon, ob Geschäftsfüh­ 35  Stephan/Tieves, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 35 Rn. 82 f.; U. H. Schnei­ der/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 37 Rn. 1 f. 36  Vgl. Fischer/Boegl, in: Ellenberger/Bunte, BankR-Hdb., 6. Aufl. 2022, § 113 Rn. 48. 37  Schuster/Pitz, ZBB 2017, 76, 80 (zu § 25c KWG). Speziell zu Ratingagenturen unten 2. Teil: B. III. 2. a). 38  Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 UAbs. 1 CSDR.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung101

rungs- und Überwachungsaufgabe nach nationalem Recht in einem Organ vereint sind oder von verschiedenen Organen wahrgenommen werden. Die dem Leitungsorgan zugewiesenen Aufgaben und Zuständigkeiten müssen nach Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO „in geeigneter Weise auf den Aufsichtsrat und den Vorstand aufgeteilt“ werden. Nichts anderes meint letztlich die Re­ gelung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 UAbs. 2 CSDR, wonach die Anforderungen der CSDR lediglich für Mitglieder des Leitungsorgans gelten, denen die maßgebenden nationalen Rechtsvorschriften die entsprechenden Befugnisse zuweisen. Das Aufsichtsrecht nimmt also auf die unterschiedlichen Modelle der Un­ ternehmensverfassung nach nationalem Recht Bezug und erlaubt es, die An­ forderungen an das Leitungsorgan auf die nach nationalem Recht zu bilden­ den Organe aufzuteilen. Für das in EU-Verordnungen beheimatete Aufsichts­ recht bedeutet dies, dass der Rechtsanwender – mangels nationalgesetzlicher Umsetzung – für den jeweiligen Fall entscheiden muss, ob eine aufsichts­ rechtliche Norm das Leitungsorgan in seiner Leitungsfunktion oder in seiner Überwachungsfunktion adressiert. Die Vorgaben zum Leitungsorgan, welche die Leitung der Gesellschaft und nicht die Überwachung der Geschäftslei­ tung betreffen, sind nach deutschem Verständnis an den Vorstand einer AG gerichtet. Anforderungen an das Leitungsorgan in dessen Überwachungs­ funktion treffen den Aufsichtsrat. Auch in einer GmbH oder Personengesell­ schaft sind die Aufgaben und Zuständigkeiten, die das Aufsichtsrecht dem Leitungsorgan zuordnet, jeweils den Geschäftsführern oder dem – im Auf­ sichtsrecht rechtsformübergreifend zwingend erforderlichen39 – Aufsichtsor­ gan zugewiesen. Die Bezugnahme des EU-Aufsichtsrechts auf die nationale Kompetenzord­ nung bedeutet freilich nicht, dass Konflikte zwischen den aufsichtsrechtli­ chen Anforderungen an das Leitungsorgan und der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan von vornherein ausgeschlossen wären. Zwar will der Gesetzgeber die allgemeine Verteilung der Befugnisse nach dem nationalen Gesellschaftsrecht nicht be­ rühren.40 Der funktionale Charakter der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen soll aber sicherstellen, dass diese ungeachtet des nationalen Gesellschaftsrechts ihren Zweck erreichen.41 Es ist daher z. B. denkbar, dass das Aufsichtsrecht zwingend eine Kompetenzzuweisung an das Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion (in der AG also an den Aufsichts­ rat) vornimmt, die der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung wider­ spricht. 39  Siehe

unten 2. Teil: C. II. 36 CSDR. Dazu bereits oben 1. Teil: B. IV. 1. 41  Vgl. ErwGr. 36 Satz 3 CSDR. 40  ErwGr.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

II. Allgemeine organisatorische Anforderungen auf Gesellschaftsebene 1. Vorüberlegungen Ziel des Aufsichtsrechts ist es, dass die regulierten Gesellschaften ihr Un­ ternehmen ordnungsgemäß organisieren, um eine gute Corporate Govern­ ance – entsprechend den aufsichtsrechtlichen Zielen – zu gewährleisten. Dementsprechend enthält das Aufsichtsrecht eine Reihe allgemeiner organi­ satorischer Anforderungen. Adressat dieser Vorgaben ist zumeist die Gesell­ schaft, für die allerdings die Geschäftsleiter zur Umsetzung verpflichtet sind. Alle vier hier untersuchten Verordnungen enthalten umfangreiche und detail­ lierte organisatorische Anforderungen, deren Vereinbarkeit mit dem Gesell­ schaftsrecht im Folgenden untersucht wird. 2. Allgemeine Bestimmungen zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben Die Art. 26 Abs. 1 EMIR und Art. 26 Abs. 1 CSDR sehen zunächst als allgemeine organisatorische Anforderungen vor, dass die Gesellschaften über solide Regelungen für die Unternehmensführung und -kontrolle verfügen müssen. Dazu zählen eine klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenz­ ten, transparenten und kohärenten Verantwortungsbereichen, wirksame Ver­ fahren zur Ermittlung, Steuerung, Überwachung und Meldung der tatsäch­ lichen oder potenziellen Risiken sowie eine angemessene Vergütungspolitik und interne Kontrollmechanismen einschließlich solider Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren. Die Administratoren von Referenzwerten müs­ sen gemäß Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 BMR über solide Regelungen für die Unternehmensführung verfügen, die eine klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenzten, transparenten und kohärenten Aufgaben und Verantwortungs­ bereichen für alle an der Bereitstellung eines Referenzwerts Beteiligten vor­ sehen. Obwohl die Ausgestaltung der Corporate Governance in anderen Vorschrif­ ten konkretisiert wird, haben diese allgemeinen Organisationsnormen einen eigenen Regelungsgehalt und verlangen – parallel zu § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG für Kreditinstitute – von den regulierten Gesellschaften eine ordnungs­ gemäße Organisation ihres Unternehmens. Die beaufsichtigten Gesellschaften müssen solide Corporate Governance-Systeme einführen, die den qualitativen aufsichtsrechtlichen Anforderungen entsprechen. Ihre Regelungen zur Unter­ nehmensführung und -kontrolle müssen Zentralverwahrer und zentrale Ge­



B. Regelungen zur Geschäftsleitung103

genparteien öffentlich machen (Art. 26 Abs. 4 CSDR, Art. 26 Abs. 7 EMIR). Unbestimmte Rechtsbegriffe („solide“) dienen dabei als Anknüpfungspunkte für eine qualitative Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden. Ergänzt werden diese allgemeinen Organisationsanforderungen durch das Erfordernis einer Innenrevision, die nach Art. 26 Abs. 8 Satz 1 EMIR, Art. 26 Abs. 6 Satz 1 CSDR regelmäßige Prüfungen durchführen muss. Aufgabe der Innenrevision einer zentralen Gegenpartei ist es unter anderem, die Ange­ messenheit und Wirksamkeit der Systeme, der internen Kontrollmechanismen und der Regelungen zur Unternehmensführung zu prüfen und zu bewerten (Art. 11 Abs. 1 lit. a EMIR-DelVO, Art. 51 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO). Die Ergebnisse dieser Prüfungen werden dem Leitungsorgan, der zuständigen Behörde sowie bei Zentralverwahrern gegebenenfalls dem Nutzerausschuss zur Verfügung gestellt (Art. 26 Abs. 8 Satz 2 EMIR, Art. 26 Abs. 6 Satz 2 CSDR). b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht Ein direkter Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht folgt aus diesen allge­ meinen aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen nicht. Das Gesell­ schaftsrecht selbst statuiert Organisationspflichten der Geschäftsleiter, wenn­ gleich diese im Vergleich zu den aufsichtsrechtlichen Anforderungen wesent­ lich rudimentärer und weniger detailliert ausgestaltet sind. Aktienrechtlich folgt bereits aus der Leitungsverantwortung des Vorstands, dass dieser für eine ordnungsgemäße Organisation des Unternehmens verantwortlich ist, was in § 91 Abs. 2 AktG für die Einrichtung eines Frühwarnsystems konkre­ tisiert wird.42 Der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft muss darüber hinaus nach § 91 Abs. 3 AktG ein im Hinblick auf den Umfang der Ge­ schäftstätigkeit und die Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem einrichten. Auch soweit das Aufsichtsrecht die Einrichtung einer Innenrevision for­ dert, deckt sich dies im Grundsatz mit einer entsprechenden Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG.43 Zwar geht das Aufsichtsrecht insofern über das Aktienrecht hinaus, als Art. 11 EMIR-DelVO zwingend eine organisatorische Trennung der Innenrevision verlangt, während § 91 Abs. 2 AktG keine Etablierung ei­ ner separaten Stabsstelle fordert.44 Ein Konflikt zwischen Aufsichts- und 42  Binder, ZGR 2013, 760, 767 f.; vgl. auch Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn. 2; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 25 Rn. 6. 43  Dreher, in: FS Hüffer, 2010, S. 161, 167 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 91 Rn. 51; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn. 51; a. A. Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 529. 44  Dreher, in: FS Hüffer, 2010, S. 161, 168.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Gesellschaftsrecht ergibt sich jedoch auch hieraus nicht. Dies gilt erst recht für börsennotierte AGs, weil das nach § 91 Abs. 3 AktG geforderte interne Kontrollsystem die Einreichung eines internen Revisionssystems umfasst.45 Gleiches gilt für die GmbH, bei der sich aus der allgemeinen Sorgfalts­ pflicht nach § 43 Abs. 1 GmbHG Unternehmensorganisationspflichten der Geschäftsführer ableiten lassen.46 Auch für das Personengesellschaftsrecht kann nichts anderes gelten. Gesetzlich normierte Organisationspflichten exis­ tieren dort zwar nicht. Die objektiven Sorgfaltspflichten der §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG lassen sich jedoch auf die Leitung von Personengesellschaften übertragen.47 Es kann als allgemeiner, rechtsform­ übergreifender Grundsatz gesehen werden, dass die Geschäftsleiter für eine ordnungsgemäße Organisation des durch die Gesellschaft betriebenen Unter­ nehmens verantwortlich sind. Im Übrigen kann der Inhalt der Pflichten der geschäftsführenden Gesellschafter weitgehend im Gesellschaftsvertrag be­ stimmt werden.48 Demnach wäre es möglich, entsprechend den aufsichts­ rechtlichen Vorgaben Organisationspflichten der Geschäftsführer in den ­Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen sind demnach im Grundsatz konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar. Das EUAufsichtsrecht bewirkt lediglich eine systemkonforme Überlagerung gesell­ schaftsrechtlicher Organisationspflichten durch strengere aufsichtsrechtliche Anforderungen, ohne dass es zu direkten Widersprüchen zur aktienrecht­ lichen Kompetenz- und Pflichtenordnung käme.49 Gleichwohl gestaltet sich dieses Überlagerungsverhältnis nicht frei von Spannungen mit gesellschafts­ rechtlichen Wertungen. Denn die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforde­ rungen beschränken das grundsätzlich weite Organisationsermessen der Un­ ternehmen und bewirken eine erhebliche Verrechtlichung der Organisations­ verfassung.50 Die gesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit wird dadurch beschränkt, weil das allgemeine Gesellschaftsrecht den Geschäftsleitern einen erheblich größeren Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Unter­ NZG 2021, 534, 537. in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 71 ff.; Verse, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 43 Rn. 65; Paefgen, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 133; Ziemons, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn.  164 ff. 47  C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 37; Jickeli, in: MüKoHGB, 5. Aufl. 2022, § 114 Rn. 60. 48  Jickeli, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 114 Rn. 42. 49  Binder, ZGR 2013, 760, 767 f. 50  Langenbucher, ZBB 2013, 16, 19; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S.  163 ff.; Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 7. 45  J.-B. Fischer/Schuck, 46  Fleischer,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung105

nehmensorganisation lässt.51 Zudem werden organisatorische Pflichten, die klassischerweise im Gesellschaftsrecht zu verorten sind, in das Aufsichtsrecht transformiert, was die Anwendbarkeit des aufsichtsrechtlichen Sanktions­ regimes zur Folge hat. Darüber hinaus unterscheiden sich die aufsichtsrecht­ lichen Organisationsanforderungen in ihren Zielsetzungen wesentlich von den gesellschaftsrechtlichen Organisationspflichten der Geschäftsleiter. Wäh­ rend § 91 AktG Einzelaspekte der Leitungsverantwortung der Geschäftsleiter nach § 76 AktG konkretisiert,52 die diese im Unternehmensinteresse ausüben müssen, bezwecken die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen eine Corporate Governance im Sinne aufsichtsrechtlicher Zielvorstellungen. 3. Einrichtung eines wirksamen Risikomanagementsystems a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben Die Art. 26 Abs. 1 EMIR, Art. 26 Abs. 1 CSDR enthalten die Vorgabe, dass zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer über wirksame Verfahren zur Ermittlung, Steuerung, Überwachung und Meldung tatsächlicher oder potenzieller Risiken verfügen müssen. Konkretisiert wird dies in Art. 4 EMIR-DelVO, wonach zentrale Gegenparteien insbesondere über einen soli­ den Rahmen für die umfassende Steuerung aller wesentlichen Risiken, denen sie ausgesetzt sind oder sein könnten, verfügen müssen. Art. 26 Abs. 1 CSDR wird durch Art. 49 Abs. 2 UAbs. 2 CSDR-DelVO konkretisiert, wonach das Leitungsorgan unter anderem eine angemessene Risikotoleranzschwelle und die Risikoübernahmekapazität des Zentralverwahrers festlegen muss. Die Innenrevision dient als gesellschaftsinterne Kontrollinstanz, welche die Wirksamkeit der Risikomanagementprozesse bewertet (Art. 11 Abs. 3 Satz 1 EMIR-DelVO, Art. 51 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO). Weitere Vorgaben zum Risikomanagement enthalten Art. 42 CSDR, wonach Zentralverwahrer einen soliden Risikomanagementrahmen schaffen müssen, um rechtliche, unterneh­ merische, operationelle und andere direkte oder indirekte Risiken umfassend zu steuern, sowie Art. 40 EMIR, nach dem zentrale Gegenparteien in nahezu Echtzeit ihre Liquiditäts- und Kreditrisikopositionen messen und bewerten müssen. Ratingagenturen müssen gemäß Anh. I Abschnitt A Nr. 4 Abs. 1 CRAR über effiziente Verfahren für die Risikobewertung verfügen. Im Ein­ klang mit den Grundsätzen einer besonderen Risk Governance53 folgt aus diesen Vorgaben, dass die erfassten Unternehmen ein umfassendes Risikomanagementsystem einführen müssen. Geschäftsorganisation, 2016, S. 217 ff. AktG, 17. Aufl. 2023, § 91 Rn. 1. 53  Dazu bereits oben 1. Teil: B. II. 2. b) aa). 51  Lütgerath, 52  J. Koch,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht Das aufsichtsrechtliche Erfordernis eines umfassenden Risikomanage­ mentsystems bewirkt bei der börsennotierten AG keine wesentliche Ver­ schärfung der Geschäftsleiterpflichten. Der Vorstand einer börsennotierten AG ist bereits nach dem durch das FISG54 eingeführten § 91 Abs. 3 AktG verpflichtet, ein im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames Risikomanage­ mentsystem einzuführen. Nur soweit das Aufsichtsrecht ausdifferenziertere Vorgaben für das Risikomanagementsystem statuiert, geht es über das Akti­ enrecht hinaus und beschränkt das Leitungsermessen des Vorstands. Denn § 91 Abs. 3 AktG gibt die Einzelheiten des Risikomanagementsystems nicht vor, weshalb die konkrete Ausgestaltung im Ermessen des Vorstands steht.55 Bei der nicht börsennotierten AG bewirken die aufsichtsrechtlichen Vor­ gaben an das Risikomanagement dagegen eine deutlichere Verschärfung ge­ genüber dem aktienrechtlichen Pflichtenstandard nach § 91 Abs. 2 AktG.56 Eine allgemeine Pflicht zur Einrichtung eines umfassenden Risikomanage­ mentsystems lässt sich aus § 91 Abs. 2 AktG nach herrschender Meinung nicht ableiten.57 Dies führt aber nicht zu einem Konflikt mit gesellschafts­ rechtlichen Wertungen, weil die aufsichtsrechtlich geforderte Organisation jedenfalls in ihren Grundzügen bereits im allgemeinen Gesellschaftsrecht angelegt ist. So werden die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risi­ komanagement als systemkonforme Konkretisierungen des § 91 Abs. 2 AktG aufgefasst.58 Erfülle die Gesellschaft ihre aufsichtsrechtlichen Organisations­ anforderungen, sei davon auszugehen, dass zugleich die gesellschaftsrechtli­ chen Pflichten, insbesondere nach § 91 Abs. 2 AktG, erfüllt sind.59 Dies überzeugt zwar insoweit nicht, als aufsichtsrechtliche und gesellschaftsrecht­ liche Vorgaben grundsätzlich unabhängig voneinander betrachtet werden müssen und nebeneinander Anwendung finden. Aus § 91 Abs. 2 AktG ist 54  Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstär­ kungsgesetz – FISG) vom 3.6.2021, BGBl. I S. 1534. 55  Simons, NZG 2021, 1429, 1433. 56  Armbrüster, KSzW 2013, 10, 11. 57  J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 91 Rn. 10 ff. m. w. N.; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 91 Rn. 35 f.; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn.  55 ff.; ders., ZGR 2010, 440 ff.; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 91 Rn. 22 f.; Dreher, in: FS Hüffer, 2010, S. 161, 162 ff. 58  Binder, ZGR 2013, 760, 767 f.; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 91 Rn. 12; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn. 94; Sekker, Bankenaufsicht, 2019, S. 179. 59  Binder, ZGR 2013, 760, 768; J.-B. Fischer, Ausstrahlungswirkungen, 2018, S. 188: safe harbour. Dies gilt aber jedenfalls dann nicht, wenn das Gesellschafts­ recht im Einzelfall strengere Anforderungen stellt als das Aufsichtsrecht.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung107

aber zu folgern, dass die (strengeren) Organisationsanforderungen des EUAufsichtsrechts keinen grundlegenden Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht begründen. Geht man bereits aktienrechtlich auch bei nicht börsennotierten Gesellschaften von einer aus § 91 Abs. 2 AktG oder aus den §§ 76, 93 AktG60 folgenden Pflicht zur Einrichtung eines allgemeinen Risikomanagementsys­ tems aus, folgt aus den aufsichtsrechtlichen Vorgaben erst recht kein Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht. Denn auf dieser Grundlage würden die aufsichts­ rechtlichen Vorgaben – wie bei börsennotierten Aktiengesellschaften – bereits keine wesentliche Verschärfung gegenüber dem aktienrechtlichen Pflichten­ standard bewirken. Die oben genannten Grundsätze können für die GmbH entsprechende Gel­ tung beanspruchen, obgleich es dort an einer Parallelnorm zu § 91 Abs. 2, 3 AktG fehlt. § 91 Abs. 2 AktG präzisiert nämlich lediglich eine Kontrollund Überwachungspflicht, die ohnehin alle Geschäftsleiter einer Kapitalge­ sellschaft als Ausfluss ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht trifft.61 Teilweise wird sogar eine analoge Anwendung des § 91 Abs. 2 AktG auf die GmbH dis­kutiert.62 Jedenfalls bedarf es eines Minimums an Beobachtungspflichten zur Krisenfrüherkennung.63 Zu einem Konflikt zwischen gesellschafts- und auf­sichtsrechtlichen Wertungen kommt es daher auch in der GmbH nicht. Für Personengesellschaften kann nichts anderes gelten, weil sich die kapital­ gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten auf die Leitung einer Personenge­ sellschaft übertragen lassen.64 Das aufsichtsrechtliche Erfordernis eines umfassenden Risikomanagement­ systems steht demnach nicht im grundlegenden Widerspruch zu den gesell­ schaftsrechtlichen Pflichten der Geschäftsleiter, weil diese bereits aktienrecht­ lich zur Risikovorsorge verpflichtet sind. Insoweit kommt es lediglich zu einer systemkonformen Überlagerung gesellschaftsrechtlicher Pflichten durch die strengeren Vorgaben des Aufsichtsrechts. Völlig unproblematisch ist diese Überlagerung freilich nicht, weil Aufsichts- und Gesellschaftsrecht unter­ schiedliche Zielsetzungen verfolgen. Während die aufsichtsrechtlichen Anfor­ derungen an das Risikomanagement dem öffentlichen Interesse an der Vermei­ 60  So Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5.  Aufl. 2019, § 111 Rn. 185; Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 453; Sekker, Bankenaufsicht, 2019, S. 177; a. A. Kort, ZGR 2010, 440, 454. 61  Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 41 Rn. 15; Ziemons, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 168 ff.; Schoberth/Servatius/Thees, BB 2006, 2571, 2574 f.; Paefgen, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 134; vgl. auch BGH NZG 2012, 940, 941 Rn. 13; a. A. Hommelhoff, in: FS Sandrock, 2000, S. 373, 376 ff.; T. Drygala/A. Drygala, ZIP 2000, 297, 300 f. 62  Ablehnend Fleischer, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 73. 63  Fleischer, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 73. 64  Siehe oben 2. Teil: B. II. 2. b).

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

dung systemischer Krisen dienen, bezweckt das Gesellschaftsrecht eine nach­ haltige Ertragssicherung im Unternehmensinteresse. Zwischen diesen unter­ schiedlichen Zielsetzungen kann es erhebliche Spannungen geben.65 4. Compliance-Organisation a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben In der Folge der Finanzkrise wurden im Finanzsektor Defizite in der Compliance beklagt.66 Aus diesem Grund enthalten die hier untersuchten Verord­ nungen spezielle aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Compliance-Or­ ganisation. Zentralverwahrer, zentrale Gegenparteien und Ratingagenturen müssen Strategien und Verfahren einführen, um die Einhaltung der Verord­ nungen sicherzustellen.67 Der Administrator eines Referenzwerts muss nach Art. 6 Abs. 1 BMR einen Kontrollrahmen vorhalten, durch den sichergestellt wird, dass seine Referenzwerte in Einklang mit der Verordnung bereitgestellt und veröffentlicht oder zugänglich gemacht werden. In der Sache geht es auch hierbei um die Vorgabe, ein Compliance-System einzurichten, um die Einhaltung der Vorgaben der BMR zu gewährleisten.68 Für Ratingagenturen werden die allgemeinen Compliance-Anforderungen durch eine Vorgabe für die Geschäftsleitung flankiert, die dafür Sorge tragen muss, dass die Rating­ agentur die Anforderungen der Verordnung erfüllt (Anh. I Abschnitt A Nr 1 Satz 2 lit. c CRAR). Diese Regelung ist lediglich deklaratorisch, weil die Geschäftsleiter ohnehin für die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben verantwortlich sind. Ergänzt werden die aufsichtsrechtlichen ComplianceVorgaben bei Zentralverwahrern, zentralen Gegenparteien und Ratingagentu­ ren zudem durch die Anforderung, eine Compliance-Funktion einzurichten.69 b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht Die besonderen Compliance-Anforderungen, die das Aufsichtsrecht der Gesellschaft und damit der Geschäftsleitung auferlegt, sind mit dem gesell­ schaftsrechtlichen Pflichtenprogramm vereinbar. 65  Näher

dazu unten 2. Teil: B. V. 4. c) bb). in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 275. 67  Art. 26 Abs. 2 EMIR; Art. 26 Abs. 2 CSDR; Anh. I Abschnitt A Nr. 3 CRAR. 68  Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 112. 69  Art. 6 Abs. 1 EMIR-DelVO; Anh. I Abschnitt A Nr. 5 CRAR. In Art. 47 Abs. 3 lit. c, 49 Abs. 4 Satz 3 CSDR-DelVO wird das Bestehen einer Compliance-Funktion vorausgesetzt. 66  Hopt,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung109

Für die börsennotierte AG folgt die Pflicht zur Einrichtung eines Compli­ ance-Systems nach herrschender Meinung bereits aus § 91 Abs. 3 AktG, auch wenn dieser das Compliance-System nicht ausdrücklich erwähnt.70 Dies folgt aus der Gesetzeshistorie.71 Während der Referentenentwurf des FISG das Compliance-System noch ausdrücklich ausnahm,72 umfasst das interne Kontrollsystem nach der Begründung zum Regierungsentwurf auch die Grundsätze „zur Sicherung der Einhaltung der maßgeblichen rechtlichen Vorschriften“.73 Allerdings schreibt § 91 Abs. 3 AktG lediglich das „Ob“ eines Compliance-Systems zwingend vor; die nähere Ausgestaltung verbleibt im Ermessen des Vorstands. Für die nicht börsennotierte AG ist es hingegen streitig, ob das Aktienrecht den Vorstand verpflichtet, eine umfassende institutionalisierte ComplianceOrganisation einzurichten.74 Unstreitig ist aber, dass der Vorstand das Unter­ nehmen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu organisieren und zu füh­ ren hat.75 Die Legalitätspflicht, die den Vorstand im Rahmen seiner allge­ meinen Sorgfaltspflicht nach den §§ 76, 93 AktG trifft, erschöpft sich nicht in der Beachtung der Gesetze durch den Vorstand selbst; vielmehr umfasst sie eine Legalitätskontrollpflicht, also die Pflicht, aktiv Vorkehrungen gegen Gesetzesverstöße von Unternehmensangehörigen zu treffen.76 Dies bedeutet im Ergebnis, dass den Vorstand im Innenverhältnis zur Gesellschaft jeden­ falls eine Pflicht trifft, das Thema Compliance in irgendeiner Weise durch organisatorische Vorkehrungen zu adressieren, wenngleich ihm bei der kon­ kreten Umsetzung ein unternehmerisches Ermessen i. S. d. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zugebilligt wird.77 Das Aufsichtsrecht beschränkt dieses Ermessen, indem es nähere Vorgaben zur Ausgestaltung der Compliance-Organisation trifft. Dies gilt insbesondere 70  J.-B. Fischer/Schuck, NZG 2021, 534, 537 f.; Simons, NZG 2021, 1429, 1433; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 91 Rn. 28; wohl auch Hopt/Kumpan, AG 2021, 129, 132 f.; offen Schilha/Gaßner, DB 2021, 1661, 1661. 71  J.-B. Fischer/Schuck, NZG 2021, 534, 537 f. 72  Begr. RefE FISG, S. 116. 73  Begr. RegE FISG, BT-Drs. 19/26966, S. 115. 74  Dafür wohl Bürkle, BB 2005, 565, 568 ff.; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 648 ff.; Fleischer, AG 2003, 291, 298 ff. Dagegen J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn.  15 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 91 Rn. 67; Kort, in: FS Roth, 2011, S. 407, 408  f.; ders., in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn. 122, 139  ff.; W. Hölters/T. Hölters, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 92. 75  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn. 121. 76  Siehe etwa Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 402 f. m. w. N. 77  So etwa J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 13 ff., 15; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn. 139; W. Hölters/T. Hölters, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 92; U. H. Schneider, NZG 2010, 1201, 1202; Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 403.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

für die Vorgabe, eine Compliance-Funktion einzurichten, was voraussetzt, dass die Gesellschaft eine eigenständige Organisationseinheit bildet78 und einen Compliance-Beauftragten79 bestellt. Aktienrechtlich ist – jedenfalls für nicht börsennotierte Gesellschaften – grundsätzlich weder die Einrichtung einer separaten Stabsstelle für die Compliance noch die Bestellung eines Compliance-Beauftragten zwingend erforderlich.80 Gleiches gilt für die in Art. 26 Abs. 5 CSDR und Art. 14 Abs. 3 BMR zwingend geforderten „Whistle­blowing“-Systeme, deren Einrichtung aktienrechtlich im Ermessen des Vorstands steht.81 Auf die Frage, wie weit die aktienrechtlichen Compli­ ance-Pflichten reichen – wie weit also das Aufsichtsrecht über das allgemeine Gesellschaftsrecht hinausgeht – kommt es für die hier vorgenommene Be­ trachtung letztlich aber nicht an. Jedenfalls folgen bereits aus dem Aktien­ recht Compliance-Pflichten, die durch das Aufsichtsrecht lediglich system­ konform überlagert und ausdifferenziert werden.82 Das Aufsichtsrecht statu­ iert zwar strengere Vorgaben als das Aktienrecht, ist aber konzeptionell ohne Weiteres mit der gesellschaftsrechtlichen Pflichtenordnung vereinbar. Ein Konflikt zwischen aufsichtsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Anforde­ rungen besteht nicht. Eine hiervon zu trennende Frage ist, ob die aufsichts­ rechtlich geforderte Unabhängigkeit der Compliance-Funktion im Wider­ spruch zur eigenverantwortlichen Leitung des Vorstands nach § 76 AktG steht.83 78  Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7.  Aufl. 2019, § 80 WpHG Rn. 83; a. A. Binder, in: Grundmann, Bankvertragsrecht, 1. Aufl. 2021, 7. Teil Rn. 54; Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drs. 17/10974, S. 85; differenzierend Braun, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 25a Rn. 436 (Pflicht nur bei großen und komplexen Instituten). 79  Siehe unten 2. Teil: B. V. 6. a) aa). 80  Hopt/Kumpan, AG 2021, 129, 132 (Rn. 7); Kort, in: FS Roth, 2011, S. 407, 410 f.; grundsätzlich auch Dreher, in: FS Hüffer, 2010, S. 161, 172 f., der eine ent­ sprechende Pflicht allerdings für große, börsennotierte Unternehmen bejaht. 81  Schmolke, ZGR 2019, 876, 899 f.; Fleischer/Schmolke, WM 2012, 1013, 1016 f.; T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 111 Rn. 44; a. A. Hopt, ZGR 2020, 373, 381 f., 388 (für die börsennotierte AG). Zur rechtlichen ­Umsetzung Fleischer/Schmolke, WM 2012, 1013, 1017 f. Künftig sind juristische Personen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmern aber zur Einrichtung interner Mel­ dekanäle verpflichtet; s. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von P ­ ersonen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ABl. EU L 305/17 vom 26.11.2019. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das deutsche Umsetzungsgesetz ist abruf­ bar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/ RegE_Hinweisgeberschutz.pdf;jsessionid=4A05C610433BA85C0100E96B7700 C8A5.2_cid324?__blob=publicationFile&v=2 [geprüft am 15.4.2023]. 82  Vgl. Dreher, VersR 2013, 929, 939: Überlagerung des Verbandsrechts als lex specialis. 83  Siehe unten 2. Teil: B. V. 6. a).



B. Regelungen zur Geschäftsleitung111

Auch mit dem GmbH-Recht sind die aufsichtsrechtlichen ComplianceAnforderungen vereinbar. Das Erfordernis einer Corporate Compliance ist dort als Folge der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 1 GmbHG anerkannt.84 Zwar ist der genaue Inhalt der CompliancePflichten ebenso wie im Aktienrecht umstritten. Aufgrund der personalisti­ schen Struktur der GmbH ist die Annahme einer generellen Pflicht, eine ins­ titutionalisierte Compliance-Organisation einzurichten, eher fernliegend.85 Die insoweit strengeren aufsichtsrechtlichen Compliance-Anforderungen be­ wirken aber lediglich eine systemkonforme Überlagerung gesellschaftsrecht­ licher Pflichten. Nicht anders ist die Frage für Personengesellschaften zu beantworten, weil es sich bei der Pflicht zur Compliance um einen allgemei­ nen Rechtsgrundsatz handelt, der jeden Geschäftsleiter unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens trifft.86 5. Organisatorische Anforderungen zur Behandlung von Interessenkonflikten a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben Der Schwerpunkt der aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen für Ratingagenturen liegt auf der Vermeidung von bzw. dem Umgang mit Inte­ ressenkonflikten. Ratingagenturen müssen gemäß Art. 6 Abs. 1 CRAR si­ cherstellen, dass die Abgabe eines Ratings nicht von bestehenden oder po­ tenziellen Interessenkonflikten beeinflusst wird. Nach Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 1 CRAR ist eine Ratingagentur so zu organisieren, dass ihre Ge­ schäftsinteressen die Unabhängigkeit und Korrektheit der Ratingtätigkeiten nicht gefährden. Des Weiteren müssen Ratingagenturen Vorkehrungen tref­ fen, um Interessenkonflikte zu verhindern, zu erkennen, zu beseitigen oder zu bewältigen und offenzulegen (Anh. I Abschnitt A Nr. 7 Satz 1 CRAR). Ferner müssen sie eine wirksame interne Kontrollstruktur für die Umsetzung der Maßnahmen zur Bewältigung etwaiger Interessenkonflikte und zur Ge­ währleistung der Unabhängigkeit von Ratings einrichten (Art. 6 Abs. 4 Satz 1 CRAR). Die Geschäftsleitung der Ratingagentur muss gewährleisten, dass die Ratingtätigkeiten ihres Unternehmens unabhängig sind, auch von jegli­ cher politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme, und dass Interessen­ 84  Fleischer, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 178 ff.; Verse, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 43 Rn. 151 ff.; Ziemons, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 174 ff. 85  Fleischer, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 181; strenger wohl Ziemons, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 174. 86  Rohner, in: MAH PersGesR, 3. Aufl. 2019, § 3 Rn. 8.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

konflikte ordnungsgemäß ermittelt, gehandhabt und offengelegt werden (Anh. I Abschnitt A Nr. 1 Satz 2 lit. a und b CRAR). Die Administratoren von Referenzwerten haben ebenfalls umfangreiche aufsichtsrechtliche Anforderungen zur Behandlung von Interessenkonflikten zu erfüllen. Demgemäß müssen Administratoren angemessene Schritte unter­ nehmen, um Interessenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden oder zu re­ geln (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 BMR). Die Bereitstellung eines Referenzwertes muss organisatorisch getrennt von jedem anderen Geschäftsbereich erfolgen, der Anlass zu einem tatsächlichen oder potenziellen Interessenkonflikt geben könnte (Art. 4 Abs. 2 BMR). Administratoren müssen ferner geeignete Stra­ tegien und Verfahren sowie wirksame organisatorische Regelungen für die Ermittlung, Offenlegung, Verhinderung, Regelung, und Minderung von Inte­ ressenkonflikten festlegen und diese anwenden, um die Integrität und Unab­ hängigkeit der Bestimmung des Referenzwerts zu schützen (Art. 4 Abs. 6 Satz 1 BMR). Diese Strategien und Verfahren sind regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren. Eine zentrale Gegenpartei muss auf Dauer wirksame, in schriftlicher Form festgelegte organisatorische und administrative Vorkehrungen treffen, um potenzielle Interessenkonflikte zwischen ihr, einschließlich Managern, Be­ schäftigten oder anderer Personen, zu denen ein direktes oder indirektes Kontrollverhältnis oder eine enge Verbindung besteht, einerseits und ihren Clearingmitgliedern oder deren Kunden, soweit diese ihr bekannt sind, ande­ rerseits zu erkennen und zu regeln (Art. 33 Abs. 1 Satz 1 EMIR). Ferner muss die zentrale Gegenpartei geeignete Verfahren zur Beilegung von Inte­ ressenkonflikten einführen und anwenden (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 EMIR). Art. 33 Abs. 4 EMIR konkretisiert den Inhalt der schriftlichen Regelungen nach Art. 33 Abs. 1 EMIR näher. Danach muss die zentrale Gegenpartei fest­ legen, unter welchen Umständen ein Interessenkonflikt vorliegt oder entste­ hen könnte, der den Interessen eines oder mehrerer Clearingmitglieder oder Kunden erheblich schaden könnte. Ferner ist festzulegen, welche Verfahren einzuleiten und welche Maßnahmen zu treffen sind, um einen derartigen Konflikt zu bewältigen. Zentralverwahrer treffen gemäß Art. 26 Abs. 3 CSDR zu Art. 33 Abs. 1 EMIR inhaltsgleiche Anforderungen. b) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht Die besonderen aufsichtsrechtlichen Anforderungen zum Umgang mit In­ teressenkonflikten sind konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar. Die Geschäftsleiter sind bereits aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Lei­ tungsverantwortung verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Organisation der Gesellschaft zu sorgen. Dies kann auch Maßnahmen umfassen, die der Ver­



B. Regelungen zur Geschäftsleitung113

meidung von Interessenkonflikten dienen. Die Anforderungen zur Vermei­ dung von Interessenkonflikten weisen zudem einen engen sachlichen Zusam­ menhang zu den Compliance-Pflichten auf, weil sie beispielsweise der Vor­ beugung gesetzeswidriger Manipulationen von Referenzwerten dienen. Inso­ weit kann auf die Ausführungen zur Compliance-Organisation verwiesen werden, wonach die speziellen aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderun­ gen eine systemkonforme Überlagerung der Anforderungen bewirken, die aus der gesellschaftsrechtlichen Legalitätskontrollpflicht folgen. Allerdings unterscheidet sich der Bezugspunkt der aufsichtsrechtlichen Anforderungen wesentlich von dem gesellschaftsrechtlicher Vorgaben zum Umgang mit Interessenkonflikten. Letztere sollen sicherstellen, dass die Aus­ richtung unternehmensinterner Entscheidungen am Unternehmensinteresse nicht durch Eigen- bzw. Drittinteressen beeinträchtigt wird.87 Die aufsichts­ rechtlichen Vorgaben zeichnen sich demgegenüber dadurch aus, dass sie öf­ fentliche Interessen bzw. die Interessen externer Dritter im Blick haben.88 Aus Art. 33 Abs. 2 EMIR geht ausdrücklich hervor, dass Art. 33 EMIR den Schutz von Kunden und Clearingmitgliedern bezweckt.89 Diese Ausrichtung auf die Interessen Dritter könnte der grundsätzlichen Bindung des Geschäfts­ leiterhandelns an das Unternehmensinteresse widersprechen. Zu einem Kon­ flikt mit dem Gesellschaftsrecht kommt es insoweit aber nicht, weil sich die Verordnung auf eine prozedurale Regelung beschränkt. Zentrale Gegenpar­ teien müssen zwar gemäß Art. 33 Abs. 4 lit. b EMIR festlegen, welche Ver­ fahren einzuleiten und welche Maßnahmen zu treffen sind, um einen Interes­ senkonflikt, der den Interessen von Clearingmitgliedern oder Kunden erheb­ lich schaden könnte, zu bewältigen. Die Entscheidungsverantwortung ver­ bleibt aber bei dem jeweiligen Gesellschaftsorgan, das auch insoweit dem Unternehmensinteresse verpflichtet bleibt und sein Handeln nicht etwa nach den Interessen externer Dritter auszurichten hat.90 6. Ergebnis: Verrechtlichung der Organisationsverfassung bei konzeptioneller Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht Die speziellen aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen sind in­ haltlich konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar. Zwar unterliegen dem Aufsichtsrecht unterworfene Gesellschaften insbesondere in den Berei­ chen Risikomanagement und Compliance strengeren Vorgaben. Diese Vorga­ 87  Redeke, 2010, S. 163, 88  Redeke, 89  Redeke, 90  Redeke,

in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 31; Ihrig/Meder, in: FS Hellwig, 170 ff. in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 32. in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 32. in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 36.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

ben finden aber Anknüpfungspunkte im allgemeinen Gesellschaftsrecht, so­ dass sich kein grundlegender Widerspruch zwischen aufsichtsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Anforderungen ergibt. Dies gilt insbesondere für börsennotierte Gesellschaften, die nach § 91 Abs. 3 AktG verschärften aktien­ rechtlichen Standards unterliegen. Demnach handelt es sich bei den auf­ sichtsrechtlichen Organisationsanforderungen um einen Fall der systemkon­ formen Überlagerung gesellschaftsrechtlicher Vorgaben durch das Aufsichts­ recht. Unbeschadet dieses Befunds haben die aufsichtsrechtlichen Organisations­ anforderungen erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmensverfassung regulierter Gesellschaften, was zu Spannungen mit gesellschaftsrechtlichen Wertungen führt. Das Aufsichtsrecht beschränkt das grundsätzlich weite Or­ ganisationsermessen der Unternehmen und bewirkt eine erhebliche Verrecht­ lichung der Organisationsverfassung.91 Ein noch problematischeres Bild er­ gibt sich aus einer Betrachtung der Organisationsanforderungen in der Ge­ samtschau der aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance. Denn das Aufsichtsrecht führt zu einem erheblichen Einfluss öffentlicher Interessen auf die Leitung des Unternehmens, der mit dem aktienrechtlichen Leitbild einer eigenverantwortlichen Leitung durch die Geschäftsleiter schwer vereinbar ist.92

III. Persönliche Anforderungen an die Geschäftsleiter (Fit & Proper-Test) 1. Überblick Einen Schwerpunkt der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance bilden die Anforderungen an die persönliche Eignung der Geschäftsleiter. Im Allge­ meinen ist die Tätigkeit von Unternehmen des Finanzsektors besonders kom­ plex, erfordert also besonderen Sachverstand des Leitungspersonals. In der Finanzkrise haben sich Defizite im Profil von Vorstands- und Aufsichtsrats­ mitgliedern gezeigt.93 Der sogenannte „Fit & Proper-Test“ des Aufsichts­ rechts soll gewährleisten, dass die Mitglieder der Führungsebene der Gesell­ schaft sowohl über die notwendige fachliche Qualifikation als auch die persönliche Zuverlässigkeit für die Leitung eines Unternehmens im Finanzsektor verfügen. Dementsprechend müssen die Mitglieder der Geschäftsleitung eines 91  Langenbucher, ZBB 2013, 16, 19; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S.  163 ff.; Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 7. 92  Ausführlich dazu unten 2. Teil: B. V. 4. 93  Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 275.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung115

Zentralverwahrers, einer zentralen Gegenpartei, eines Transaktionsregisters oder einer Ratingagentur über ausreichende Erfahrung verfügen, um eine solide und umsichtige Geschäftsführung sicherzustellen und „gut beleumun­ det“ sein.94 Im Vergleich zur bankaufsichtsrechtlichen Parallelregelung in § 25c Abs. 1 KWG weisen diese Anforderungen inhaltlich keine neue Quali­ tät auf, sondern fallen eher milde aus.95 Gleichwohl stellen sich Fragen zum Anwendungsbereich der Anforderungen sowie zur inhaltlichen Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht. 2. Anwendungsbereich a) Mitglieder der Geschäftsführungsorgane Aufgrund der rechtsformübergreifenden Formulierung stellt sich die Frage, auf welche Personengruppen die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an­ wendbar sind. In der AG und GmbH umfasst der Begriff der Geschäftsleitung jedenfalls die Mitglieder der Geschäftsführungsorgane.96 Die Fit & ProperAnforderungen gelten demnach für die Vorstandsmitglieder einer AG97 und die Geschäftsführer einer GmbH. Für die Mitglieder des Aufsichtsrats gelten sie nicht, weil diese nicht unter den Begriff der Geschäftsleitung fallen und weil die Verordnungen ein abgestuftes Anforderungsprofil enthalten, das an die Geschäftsleiter strengere Anforderungen stellt als an die Mitglieder des Leitungsorgans.98 In der monistischen SE gelten die persönlichen Anforderungen an die Ge­ schäftsleiter nur für die geschäftsführenden Direktoren, nicht dagegen für die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats.99 Das gilt auch für Ratingagenturen, obwohl dort gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. n CRAR die Mitglie­ der des Verwaltungsrats ohne Differenzierung zur Geschäftsleitung zählen. Allerdings wird aus den unterschiedlichen Anforderungen an die Geschäfts­ leiter und die Mitglieder des Verwaltungsrats deutlich, dass zwischen ge­ schäftsführenden und nicht geschäftsführenden Direktoren differenziert wer­ den soll. Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 CRAR fordert, dass die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans mehrheitlich über ausreichende 94  S. Art. 27 Abs. 1, 78 Abs. 6 EMIR, Art. 27 Abs. 1 CSDR und Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 2 CRAR mit lediglich geringfügigen Abweichungen in den Formulie­ rungen. 95  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 4. 96  Siehe oben 2. Teil: B. I. 2. c). 97  Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 27 EMIR Rn. 1. 98  Siehe unten 2. Teil: C. IV. 1. b). 99  So auch Schuster/Pitz, ZBB 2017, 76, 80 zu § 25c KWG.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Fachkenntnisse im Bereich Finanzdienstleistungen verfügen müssen. Da Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 2 CRAR im Vergleich dazu für die Geschäfts­ leitung strengere Anforderungen stellt, kann dieser auf die nicht geschäfts­ führenden Mitglieder des Verwaltungsrats einer Ratingagentur gerade keine Anwendung finden. Bei Personengesellschaften richten sich die Fit & Proper-Anforderungen grundsätzlich an die geschäftsführenden Gesellschafter. Problematisch ist dabei, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft juristische Personen oder Personengesellschaften sein können, die persönlichen Anforderungen – insbesondere die Voraussetzung eines „guten Leumunds“ – aber auf natürli­ che Personen zugeschnitten sind.100 In Gesellschaften, deren Geschäftsfüh­ rung ausschließlich in der Hand juristischer Personen liegt, könnten die An­ forderungen ins Leere laufen. Allerdings üben Personengesellschaften und juristische Personen Geschäftsführungsrechte durch ihre organschaftlichen Vertreter aus.101 In einer GmbH & Co. KG müssen deshalb nicht die Kom­ plementär-GmbH selbst, sondern die Geschäftsführer der KomplementärGmbH als deren organschaftliche Vertreter die aufsichtsrechtlichen Anforde­ rungen erfüllen.102 Hierfür spricht zudem, dass die Definition von Geschäfts­ leitung in Art. 2 Nr. 29 EMIR nicht auf die rechtliche Stellung als Geschäfts­ führungsorgan abstellt, sondern ausdrücklich die Personen umfasst, die die Geschäfte des Unternehmens tatsächlich leiten. Als solche können bei einer Personengesellschaft die natürlichen Personen angesehen werden, die die geschäftsführende juristische Person leiten. Ein Konflikt mit dem Gesell­ schaftsrecht ergibt sich insoweit nicht. b) Keine Anwendbarkeit auf Personen unterhalb der Geschäftsführungsebene Da die Verordnungen den Begriff der Geschäftsleitung weit fassen, könn­ ten die persönlichen Anforderungen darüber hinaus auf Personen unterhalb der Geschäftsführungsebene Anwendung finden. Hierfür lässt sich Art. 2 Nr. 29 EMIR anführen, wonach die Geschäftsleitung diejenigen Personen erfasst, „die die Geschäfte der CCP oder des Transaktionsregisters tatsächlich leiten, und das oder die geschäftsführende(n) Mitglied(er) des Leitungs­ organs“.103 Die Definition unterscheidet begrifflich zwischen den geschäfts­ 100  Vgl.

Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539 f. (zu § 25d Abs. 1, 2 KWG). in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 114 Rn. 37 m. w. N. 102  So auch F. A. Schäfer, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 1 Rn. 212 zu §§ 1 Abs. 2, 25c Abs. 1 KWG. 103  Eine vergleichbare Definition enthält Art. 3 Abs. 1 lit. n CRAR für die Ge­ schäftsleitung von Ratingagenturen. 101  Jickeli,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung117

führenden Mitgliedern des Leitungsorgans – die als Äquivalent des Vorstands gelten können – und übrigem Leitungspersonal. Dementsprechend wird ver­ treten, dass die persönlichen Anforderungen des Art. 27 Abs. 1 EMIR in der AG auf leitende Angestellte unmittelbar unterhalb der Vorstandsebene An­ wendung finden.104 Begründet wird diese Ansicht damit, dass die ausdrück­ liche Einbeziehung der geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans bei der dualistischen AG ansonsten nicht erforderlich gewesen wäre.105 Diese erklärt sich freilich aus der Anwendbarkeit der Verordnung auf Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfassung. Art. 2 Nr. 29 EMIR entspricht der Systematik des monistischen Systems, in dem das senior management auch die Leitungsebene unterhalb des board of directors umfasst.106 Für die dualistische AG ist eine Anwendung der aufsichtsrechtlichen An­ forderungen auf leitende Angestellte dagegen abzulehnen.107 Nach § 76 AktG steht die Leitung der Gesellschaft exklusiv dem Vorstand zu und kann nicht delegiert werden.108 Die Verantwortung des senior management leitet sich hingegen vom Vorstand ab und besteht nur diesem gegenüber.109 Für Zentral­ verwahrer folgt eine ausschließliche Anwendung auf die Mitglieder des Vorstands ohnehin aus der Definition des Art. 2 Abs. 1 Nr. 46 CSDR, die eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Leitungsorgan (hier: dem Auf­ sichtsrat110) fordert, weil lediglich der Vorstand dem Aufsichtsrat gegenüber verantwortlich ist.111 Lediglich für die monistische SE können demnach auch Personen unterhalb der Vorstandsebene in den Anwendungsbereich der auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben fallen.112 Nicht überzeugend ist überdies die Ansicht, dass Personen, die aufgrund ihrer tatsächlichen Entscheidungsmacht als „faktische Organmitglieder“ ein­ geordnet werden müssen, den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die persönliche Eignung unterliegen.113 An einen lediglich faktischen Einfluss 104  Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 27 EMIR Rn. 1, Art. 2 EMIR Rn. 138; Münch, in: BeckOK WpHR, 7. Edition, Stand: 15.02.2023, Art. 27 EMIR Rn. 6. 105  Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 2 EMIR Rn. 138. 106  S. etwa Hopt, in: FS Nobbe, 2009, S. 853, 864. 107  So für § 24 VAG auch Hersch, VersR 2016, 145, 148; Dreher, VersR 2013, 35, 36 f. 108  Vgl. Hersch, VersR 2016, 145, 148; Dreher, VersR 2013, 35, 36 f. 109  Dreher, VersR 2013, 35, 37. 110  Siehe dazu ausführlich oben 2. Teil: B. I. 2. c). 111  Mülbert, ZVglRWiss 2014, 520, 528 f. a. A. Hartenfels, in: Assmann/Schneider/ Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 2 EMIR Rn. 138. 112  Vgl. Hersch, VersR 2016, 145, 148 ff. 113  So aber Dreher, VersR 2012, 933, 937.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

von Personen unterhalb der Ebene der Geschäftsleiter können keine auf­ sichtsrechtlichen Anforderungen geknüpft werden.114 3. Vereinbarkeit mit dem nationalen Gesellschaftsrecht a) Kapitalgesellschaftsrecht Die Anforderungen an die persönliche Eignung der Geschäftsleiter bewir­ ken keinen Konflikt mit Wertungen des Kapitalgesellschaftsrechts. Das Ak­ tien- und GmbH-Recht selbst statuiert in den § 76 Abs. 3 AktG, § 6 Abs. 2 GmbHG persönliche Anforderungen an die Mitglieder des Vorstands bzw. die Geschäftsführer. Darüber hinaus folgt aus der Leitungsaufgabe des Vor­ stands, dass seine Mitglieder in persönlicher und fachlicher Hinsicht die nö­ tigen Qualifikationen für ihr Amt erfüllen müssen.115 Diese gesellschafts­ rechtlichen Vorgaben werden durch die strengeren Vorgaben des Aufsichts­ rechts lediglich systemkonform überlagert.116 Überdies wäre eine Festlegung persönlicher Eignungsvoraussetzungen in der Satzung einer AG nach herr­ schender Meinung zulässig,117 sodass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen allenfalls dispositivem Aktienrecht widersprechen könnten. Ein Widerspruch der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter mit zwingen­ dem Aktienrecht ergibt sich nicht. Für die GmbH gilt das erst recht. Allerdings wird die Anforderung an die Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter („gut beleumundet“) teilweise als Einfallstor angesehen, das zu einer umfas­ senden Prüfung der Geschäftsleitertätigkeit im Lichte der Schutzzwecke des Aufsichtsrats führe.118 Im Zusammenspiel mit den aufsichtsrechtlichen Sank­ tionsmechanismen bestünde ein erheblicher Anreiz, aufsichtsrechtliche Be­ lange zu berücksichtigen.119 Die grundsätzliche Ausrichtung der Leitungs­ pflichten der Geschäftsleiter am Unternehmensinteresse bleibt von den auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben allerdings unberührt.120

114  Hersch,

VersR 2016, 145, 149 f. AG 2017, 750, 752; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019,

115  OLG München

§ 84 Rn. 41. 116  Vgl. Binder, ZGR 2013, 760, 773; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 258; F. Schmidt, Ausstrahlung, 2017, S. 107, die jeweils von einer Konkretisierung gesell­ schaftsrechtlicher Anforderungen sprechen. 117  Binder, ZGR 2013, 760, 773; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 60; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 76 Rn. 139 ff.; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 276. 118  Binder, ZGR 2013, 760, 774. 119  Vgl. Binder, ZGR 2013, 760, 774. 120  Näher zu dieser Problematik unten 2. Teil: B. V. 4.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung119

b) Personengesellschaftsrecht Bei Personengesellschaften steht zusätzlich ein Konflikt mit dem Prinzip der Selbstorganschaft im Raum. Die persönlichen Anforderungen an die Ge­ schäftsleiter führen dazu, dass Gesellschafter, die die Anforderungen nicht erfüllen, von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Letztlich ist hierin aber kein Verstoß gegen das Prinzip der Selbstorganschaft zu sehen. Nach § 114 Abs. 2 HGB können ein oder mehrere Gesellschafter durch eine Be­ stimmung im Gesellschaftsvertrag sogar ganz von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden. Zulässig ist nicht nur der vollständige Ausschluss, sondern auch die Berechtigung zur Geschäftsführung nur unter bestimmten Voraussetzungen.121 So kann die Übertragung der Geschäftsführung insbe­ sondere von persönlichen Kriterien, beispielsweise der Berufserfahrung eines Gesellschafters, abhängig gemacht werden.122 Demgemäß wäre die Umset­ zung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter gesell­ schaftsvertraglich zulässig, sodass hierin allenfalls ein Konflikt mit dispositi­ vem Gesellschaftsrecht zu sehen ist. c) Ergebnis Die Fit & Proper-Anforderungen an Geschäftsleiter sind konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar. Zwar statuiert das Aufsichtsrecht strengere Vorgaben als das Gesellschaftsrecht, es kommt insoweit jedoch lediglich zu einer systemkonformen Überlagerung gesellschaftsrechtlicher Anforderungen.

IV. Organisation der Geschäftsleitung 1. Überblick Das Aufsichtsrecht enthält Vorgaben zur internen Organisation der Ge­ schäftsleitung, die das Gesellschaftsrecht selbst nur rudimentär regelt. So sieht Art. 3 Abs. 1 EMIR-DelVO vor, dass zentrale Gegenparteien klar spezi­ fizierte und gut dokumentierte Grundsätze, Verfahren und Prozesse für die Arbeit des Leitungsorgans (also des Aufsichtsorgans und der Geschäftslei­ tung) festlegen müssen. Die Möglichkeit des Vorstands einer AG, sich nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG eine Geschäftsordnung zu geben, dürfte sich in be­ aufsichtigten Gesellschaften zu einer Pflicht verdichten.123 Das Organisa­ tionsermessen des Vorstands wird insoweit beschränkt. in: Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 114 Rn. 20. in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 77. 123  So auch F. Schmidt, Ausstrahlung, 2017, S. 39 zu § 25c Abs. 3 KWG. 121  Roth,

122  C. Schäfer,

120

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Zudem sind nach Art. 3 Abs. 1 lit. d, Art. 7 Abs. 6 Satz 1 EMIR-DelVO klare Berichtslinien zwischen dem Leitungsorgan – hier dem Aufsichtsrat – und der Geschäftsleitung gefordert, die dokumentiert werden müssen. Die Berichtslinien einer zentralen Gegenpartei für die Bereiche Risikomanage­ ment, Compliance und Innenrevision müssen klar definiert und von den Berichts­ linien in anderen Tätigkeitsbereichen getrennt sein (Art. 7 Abs. 6 Satz 2 EMIR-DelVO). Die Berichtslinien für das Risikomanagement müssen klar von den übrigen Berichtslinien getrennt sein (Art. 26 Abs. 4 EMIR). Diese organisatorischen Anforderungen betreffen die innere Struktur der Ge­ sellschaft. Sie sind zwar mit dem Gesellschaftsrecht strukturell ohne Weiteres vereinbar, tragen aber zu der bereits angesprochenen Verrechtlichung der Unternehmensverfassung bei und beschränken das Organisationsermessen der Unternehmen. 2. Unabhängige Geschäftsleiterressorts a) Problemstellung Ein Widerspruch zwischen aufsichtsrechtlichen und gesellschaftsrechtli­ chen Vorgaben steht im Raum, wenn die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsleitung die gesellschaftsrechtlichen Grenzen, die bei der Organisation der Geschäftsleitung zu beachten sind, missachten. Zwar liegt die Vorstandsorganisation in der AG grundsätzlich im Ermessen des Auf­ sichtsrates.124 Dieses Ermessen wird aber durch das Prinzip der Gesamtver­ antwortung des Vorstands und das Kollegialprinzip eingeschränkt.125 Sowohl das Aktien- als auch das GmbH-Recht gehen davon aus, dass ein mehrköpfi­ ger Vorstand bzw. mehrere Geschäftsführer als Kollektivorgan agieren und ihre Aufgaben gemeinschaftlich wahrnehmen. Gleichwohl ist eine Arbeitstei­ lung durch die Einrichtung bestimmter Ressorts für eine effektive Geschäfts­ leitung unumgänglich. Mit dem Grundsatz der Gesamtverantwortung unver­ einbar wäre es, einzelnen Mitgliedern der Geschäftsleitung unabhängig von den übrigen Mitgliedern die ausschließliche Kompetenz für den jeweiligen Bereich zuzuweisen.126 Eine solche Zuweisung könnte man jedoch in der Regelung des Art. 76 Abs. 5 UAbs. 4 CRD IV sehen, wonach an der Spitze ZGR 2011, 471, 489. in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 5; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 195. 126  Dazu näher Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 77 Rn. 51 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 170; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 77 Rn. 15, 17 f.; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 195. Zum GmbH-Recht etwa Ziemons, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 325 ff. 124  Dreher/Häußler, 125  Redeke,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung121

der Risikomanagementfunktion eines Kreditinstitutes ein „unabhängiges Mitglied der Geschäftsleitung, das eigens für diese Funktion zuständig ist“, ste­ hen muss.127 Ein vergleichbares Problem könnte sich bei zentralen Gegen­ parteien und Zentralverwahrern stellen, die gemäß den aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen bestimmte Vorstandsressorts einrich­ ten müssen. b) Vorstandsressorts zentraler Gegenparteien Eine mit Art. 76 Abs. 5 UAbs. 4 CRD IV vergleichbare Vorgabe findet sich in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EMIR-DelVO, wonach zentrale Gegenparteien über einen Risikovorstand, einen Compliance-Vorstand sowie einen Techno­ logievorstand verfügen müssen. Diese Funktionen müssen von verschiedenen Einzelpersonen ausgeübt werden, die Angestellte der CCP sind und aus­ schließlich mit der Ausübung dieser Funktionen betraut sind. Ein Konflikt dieser Regelung mit dem Grundsatz der Gesamtverantwortung bestünde al­ lerdings nur, wenn die entsprechenden Ressorts auf der Ebene des Vorstands bzw. der GmbH-Geschäftsführer angesiedelt werden müssten. Obwohl der Begriff des Vorstands genau das nahezulegen scheint, ist eine solche Ausle­ gung keineswegs zwingend.128 Bereits der Wortlaut ist insoweit nicht eindeu­ tig, weil die Funktionsträger gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EMIR-DelVO „Angestellte“ der zentralen Gegenpartei sind. Gegen eine solche Auslegung spricht zudem Art. 7 Abs. 6 Satz 3 und 4 EMIR-DelVO, wonach der Risiko­ vorstand und der Compliance-Vorstand dem Leitungsorgan „unterstehen“. Auch der Zweck der Regelung erfordert eine Ansiedlung auf Geschäftsleiter­ ebene nicht unbedingt. Die Vorgabe soll sicherstellen, dass die zentrale Ge­ genpartei die genannten Ressorts personell ausreichend ausstattet, dass sie für die Ausübung ihrer Tätigkeiten rechenschaftspflichtig ist und dass den zuständigen Behörden ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung steht.129 Für diese Zielsetzung ist es ausreichend, dass die zentrale Gegenpar­ tei spezielle Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsleitebene benennt, die für die entsprechenden Ressorts zuständig sind. Schließlich spricht der Vergleich mit der englischen und französischen Sprachfassung eher für die Möglichkeit einer Ansiedlung auf einer unteren Ebene. Soweit in der englischen Fas­

127  Näher hierzu Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 515 f.; gegen einen Kon­ flikt mit dem Prinzip der Gesamtverantwortung Langenbucher, in: Kalss/Torggler, Compliance, 2016, S. 25, 31. 128  Hierzu und zum Folgenden Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 5. Zustimmend Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 26 EMIR Rn. 22. 129  ErwGr. 13 EMIR-DelVO.

122

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

sung130 von „functions of the chief risk officer, chief compliance officer and chief technology officer“ die Rede ist, liegt die Betonung stärker als in der deutschen Fassung auf dem Begriff functions, also der Funktion des jeweili­ gen Ressorts, anstatt auf dem Begriff des officers bzw. Vorstands. Im Übrigen besteht allenfalls dann ein Konflikt mit dem Prinzip der Ge­ samtverantwortung, wenn das Aufsichtsrecht eine exklusive Aufgabenzuwei­ sung an den jeweiligen Geschäftsleiter enthält.131 Dafür könnte Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EMIR-DelVO sprechen, nach dem die genannten Funktionsträger „ausschließlich mit der Ausübung dieser Funktionen betraut sind“. Deutlicher wird dies in der englischen Sprachfassung, die von einer exclusive responsibility spricht, was die ESMA als sole responsibility (übersetzbar als alleinige Verantwortung oder ausschließliche Zuständigkeit) deutet.132 Freilich ist ­sogar eine exklusive Aufgabenzuweisung an einen Geschäftsleiter mit dem Grundsatz der Gesamtverantwortung noch vereinbar, wenn die anderen Ge­ schäftsleiter ihre Überwachungspflichten wahrnehmen.133 Gerade diese Überwachungspflichten scheint die Vorschrift des Art. 76 Abs. 5 UAbs. 4 CRD IV jedoch auszuschalten, indem sie die Ausübung der Risikocontrol­ ling-Funktion durch ein unabhängiges Mitglied der Geschäftsleitung for­ dert.134 Eine vergleichbare Regelung findet sich für den Risiko- oder Techno­ logievorstand einer zentralen Gegenpartei aber gerade nicht. Folglich besteht kein Konflikt mit dem Prinzip der Gesamtverantwortung, weil die residuale Überwachungspflicht der übrigen Geschäftsleiter unvermindert besteht. Etwas anderes könnte für den Compliance-Vorstand einer zentralen Ge­ genpartei gelten. Nach Art. 6 Abs. 1 EMIR-DelVO müssen zentrale Gegen­ parteien eine Compliance-Funktion einrichten, die von den anderen Funktio­ nen des Unternehmens unabhängig ist. Daraus könnte geschlossen werden, dass der in Art. 6 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EMIR-DelVO genannte Compliance-Vorstand von den übrigen Geschäftsleitern unabhängig sein soll, was deren Residualverantwortung ausschließen könnte. Ein Konflikt mit dem 130  In der französischen Fassung heißt es: „les fonctions du responsable des risques, du responsable de la conformité et du responsable technologique“. 131  Gegen die Annahme einer exklusiven Zuweisung an eine Person Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 5. 132  ESMA Questions and Answers – Implementation of the Regulation (EU) No 648/2012 on OTC derivatives, central counterparties and trade repositories (EMIR), ESMA70-1861941480-52, Stand: 31.3.2023, CCP Answer 13 a), abrufbar unter ­https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-1861941480-52_qa_ on_emir_implementation.pdf [geprüft am 15.4.2023]. 133  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 515 f.; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 77 Rn. 58 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 170; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 77 Rn. 15. 134  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 516.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung123

Gesellschaftsrecht folgt hieraus aber schon deshalb nicht, weil das Aufsichts­ recht aus den oben genannten Gründen gerade keine Ansiedlung des Compli­ ance-Vorstands auf Geschäftsleiterebene erfordert. Im Gegenteil ist die An­ nahme naheliegend, dass mit Compliance-Vorstand der Compliance-Beauftragte gemeint ist, der gerade kein Mitglied des Vorstands ist, sondern diesem vielmehr untersteht.135 Dafür spricht die systematische Verortung in Art. 6 EMIR-DelVO, der die Compliance-Funktion regelt. c) Vorstandsressorts bei Zentralverwahrern Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen für die entsprechen­ den Regelungen zu Vorstandsressorts bei Zentralverwahrern. Diese müssen gemäß Art. 47 Abs. 3 CSDR-DelVO Funktionen für Risikomanagement, Technologie und Compliance einrichten, und diese Funktionen müssen von­ einander unabhängig sein. Nach Art. 49 Abs. 5–7 CSDR-DelVO muss der Zentralverwahrer über einen Risiko-, Technologie- und Compliance-Vorstand verfügen. Die zur Regelung bei zentralen Gegenparteien genannten Argu­ mente sprechen dafür, dass diese Funktionen trotz des missverständlichen Wortlauts nicht auf Vorstands- bzw. Geschäftsführerebene angesiedelt sein müssen. Dies wird deutlich anhand der Regelung des Art. 49 Abs. 8 CSDRDelVO, wonach sogar Mitarbeiter einer anderen Gesellschaft, die derselben Gruppe wie der Zentralverwahrer angehört, die genannten Funktionen aus­ üben können. 3. Ergebnis Die Regelungen der Verordnungen zur Organisation der Geschäftsleitung – insbesondere die Vorgabe zur Einrichtung bestimmter Ressorts – sind mit dem nationalen Gesellschaftsrecht vereinbar. Ein Konflikt mit dem Grund­ satz der Gesamtverantwortung besteht nicht, weil die geforderten Funktionen auch von Mitarbeitern unterhalb der Vorstands- bzw. Geschäftsführerebene ausgeübt werden können und bei einer Ansiedlung auf Vorstands- bzw. Ge­ schäftsführerebene die residuale Überwachungspflicht der übrigen Geschäfts­ leiter unberührt bleibt.

135  In diesem Sinne versteht den Begriff auch Hartenfels, in: Assmann/Schneider/ Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 26 EMIR Rn. 13 ff.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

V. Eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft 1. Problemstellung Der Vorstand einer AG hat diese unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 76 Abs. 1 AktG). Diese gesellschaftsrechtliche Konzeption wird durch das Aufsichtsrecht grundlegend in Frage gestellt. Zunächst stellt sich die Frage, ob der vom Vorstand bei der Unternehmensleitung zu beachtende Sorgfalts­ maßstab aufsichtsrechtlichen Modifikationen unterliegt. Jedenfalls im Be­ reich des Bank- und Versicherungsaufsichtsrechts statuiert das Aufsichtsrecht zudem konzerndimensionale Organisationsanforderungen, die das gesell­ schaftsrechtliche Trennungsprinzip in Frage stellen und einen Eingriff in die eigenverantwortliche Leitung des Vorstands der abhängigen AG darstellen können. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob die Geschäftsleiter aufsichts­ unterworfener Gesellschaften bei der Unternehmensleitung einer veränderten Zielkonzeption unterliegen und inwieweit die aufsichtsrechtlichen Organisa­ tionsanforderungen das unternehmerische Ermessen beschränken, das die §§ 76, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dem Vorstand zubilligen. Schließlich verlangt das Aufsichtsrecht eine Delegation von Aufgaben, die zu den Leitungsaufga­ ben des Vorstands zählen, auf unabhängige Unternehmenseinheiten. Weniger problematisch als in der AG sind Beschränkungen der Leitungs­ befugnis in der beaufsichtigten GmbH. Zwar steht den Geschäftsführern ei­ ner GmbH grundsätzlich eine mit § 76 AktG vergleichbare Leitungskompe­ tenz zu, obwohl das GmbH-Gesetz dies im Gegensatz zum Aktiengesetz nicht ausdrücklich kodifiziert.136 Allerdings können die Gesellschafter der GmbH Inhalt und Umfang der Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsfüh­ rer weitgehend bestimmen, weshalb es möglich ist, deren Stellung auf einen Kernbereich unentziehbarer Mindestbefugnisse zu beschränken.137 2. Sorgfaltsmaßstab: Pflicht zur soliden und umsichtigen Geschäftsführung Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben könnten dahingehend zu verstehen sein, dass sie im Vergleich zum Gesellschaftsrecht einen strengeren Sorgfaltsmaß­ stab postulieren, den die Geschäftsleiter im Rahmen ihrer Leitungsfunktion beachten müssen. Das Aufsichtsrecht sieht vor, dass die beaufsichtigten Ge­ sellschaften eine „solide und umsichtige Führung“138, ein „solides und um136  Stephan/Tieves, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 35 Rn. 82 f.; U. H. Schnei­ der/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 37 Rn. 1 f. 137  Stephan/Tieves, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 35 Rn. 82. 138  Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 2 CRAR.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung125

sichtiges Management“139 oder eine „solide und umsichtige Geschäfts­ führung“140 des Unternehmens durch die Geschäftsleitung gewährleisten müssen. Inhaltliche Unterschiede bestehen trotz der leicht voneinander ab­ weichenden Formulierungen nicht. Ein Widerspruch zwischen aufsichtsrechtlichem und gesellschaftsrecht­ lichem Sorgfaltsmaßstab ist im Ergebnis allerdings nicht anzunehmen, weil die Verordnungen einheitlich lediglich eine umsichtige, nicht aber eine vorsichtige Geschäftsführung verlangen. Das Gebot eines soliden und vorsichti­ gen Managements, wie es Art. 41 Abs. 1 Solvency II statuiert, bewirkt nach wohl herrschender Meinung eine Modifizierung und Verschärfung gesell­ schaftsrechtlicher Verhaltensmaßstäbe durch ein aufsichtsrechtliches Vor­ sichtspostulat.141 Die Pflicht zur umsichtigen Unternehmensführung ent­ spricht hingegen inhaltlich der nach den §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG geforderten Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ge­ schäftsleiters (bzw. Geschäftsmannes).142 Zu einer Verschärfung der gesell­ schaftsrechtlichen Verhaltensmaßstäbe kommt es insoweit nicht. 3. Konzerndimensionale Organisationsanforderungen a) Problemstellung Sind mehrere regulierte Gesellschaften zu einem Konzern zusammenge­ fasst, ändert dies an der rechtlichen Selbstständigkeit der einzelnen Konzern­ gesellschaften nichts.143 Das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip wird jedoch aufgrund der Besonderheiten von Banken und Versicherungen als Hindernis für die Verfolgung aufsichtsrechtlicher Zielsetzungen angesehen.144 Das Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht verlangt deshalb, dass aufsichts­ rechtliche Anforderungen konzernweit durchgesetzt werden. So sieht § 25a Abs. 3 Satz 1 KWG vor, dass die Geschäftsleiter des übergeordneten Unter­ nehmens einer Gruppe von Kreditinstituten für die ordnungsgemäße Ge­ schäftsorganisation der Gruppe verantwortlich sind. Diese Gruppenverant­ wortung erstreckt sich nach § 25a Abs. 3 Satz 2 KWG auch auf Tochterunter­ 139  ErwGr. 12

EMIR-DelVO; Art. 27 Abs. 1 EMIR. Abs. 1 CSDR. 141  So Bürkle, WM 2012, 878, 881; ders., VersR 2013, 792, 799; Bornhorst/Bauerfeind, ZfV 2015, 593; Heukamp, Versicherungsaufsichtsrecht, 2016, § 3 Rn. 13; zurecht ablehnend dagegen Dreher, WM 2017, 1825, 1831 f. 142  Dreher, WM 2017, 1825, 1831. 143  Allgemein dazu etwa Krieger, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 70 Rn. 65; Grigoleit, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 15 Rn. 6; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 1 Rn. 21. 144  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 189 ff. 140  Art. 27

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

nehmen, die selbst nicht der bankaufsichtsrechtlichen Regulierung unterlie­ gen.145 Solche konzerndimensionalen Organisationsvorgaben stellen die betroffe­ nen Gesellschaften vor Probleme. Wenn die Konzerntochtergesellschaft als AG organisiert ist, sind die Durchgriffsmöglichkeiten der Muttergesellschaft gesellschaftsrechtlich durch die Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft nach § 76 AktG begrenzt.146 Lediglich bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages hat das herrschende Unternehmen gegenüber dem Vorstand der abhängigen AG ein Weisungsrecht (§ 308 Abs. 1 AktG). Im faktischen Konzern bleibt der Vorstand der abhängigen AG dagegen zur eigenverantwortlichen Leitung seiner Gesellschaft verpflichtet, deren Interes­ sen alleiniger Maßstab seines Handelns sind.147 Zwar ist es dem herrschen­ den Unternehmen nicht untersagt, in den Grenzen der §§ 311 ff. AktG nach­ teilige Maßnahmen gegenüber dem abhängigen Unternehmen zu treffen.148 Über eine rechtliche fundierte Leitungsmacht verfügt das herrschende Unter­ nehmen aber nicht.149 Der Vorstand der abhängigen AG ist gegenüber dem herrschenden Unternehmen nicht dazu verpflichtet, dessen Weisungen Folge zu leisten.150 Das Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht bricht mit diesen gesellschaftsrechtlichen Prinzipien, indem es auch im faktischen Konzern weitergehende Einwirkungsrechte des Konzernvorstands auf nachgeordnete 145  Näher dazu Braun, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 25a Rn. 705. 146  Vgl. zum Bankaufsichtsrecht Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 532 ff.; Tröger, ZHR 177 (2013), 475 ff.; Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884 ff.; monogra­ phisch Renner, Bankkonzernrecht, 2019; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019; zum Versicherungsaufsichtsrecht Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753 ff.; allgemeiner J. Koch, in: FS Windbichler, 2020, S. 817 ff. 147  Ganz h. M.; KG NZG 2003, 441, 446; Habersack, in: Emmerich/Habersack, 10. Aufl. 2022, § 311 AktG 10, 78; Müller, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 311 Rn. 125; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 311 Rn. 48; Altmeppen, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2020, § 311 Rn. 465; Krieger, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 70 Rn. 31. Allerdings wird die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands der abhängigen AG im Rahmen von Compliance-Pflichten im Konzern zunehmend in Frage gestellt; s. etwa Schockenhoff, NZG 2020, 1001, 1008 ff. (zur Informationsweitergabe im Kon­ zern); kritisch dazu J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 311 Rn. 48a ff.; Altmeppen, NZG 2022, 1227, 1231 ff. 148  Altmeppen, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2020, § 311 Rn. 405 f. 149  Altmeppen, in: MüKo-AktG, 5.  Aufl. 2020, § 311 Rn. 404; J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 311 Rn. 132; Habersack, in: Emmerich/Ha­ bersack, 10. Aufl. 2022, § 311 AktG Rn. 10; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 311 Rn. 48. 150  KG NZG 2003, 441, 446; Habersack, in: Emmerich/Habersack, 10. Aufl. 2022, § 311 AktG 10, 78; Altmeppen, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2020, § 311 Rn. 403; Müller, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 311 Rn. 125; Krieger, in: Münch­ HdbAG, 5. Aufl. 2020, § 70 Rn. 31.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung127

Gesellschaften voraussetzt.151 Diese aufsichtsrechtlichen Einwirkungen auf das Konzernrecht werden als „Sonderkonzernrecht“152 oder „Bankkonzern­ recht“153 bezeichnet. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwieweit auch die hier untersuchten Verordnungen konzerndimensionale Organisa­ tionsanforderungen enthalten. b) Konzerndimensionale Anforderungen nach CSDR/EMIR Eine mit dem Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht vergleichbare Regu­ lierung auf Gruppenebene hat der Verordnungsgesetzgeber bei CSDR und EMIR nicht vorgesehen. Gleichwohl enthalten die Verordnungen Vorschrif­ ten, welche die Gruppenperspektive miteinbeziehen. Eine konzerndimensio­ nale Anforderung könnte in der Regelung des Art. 26 Abs. 7 CSDR zu sehen sein. Danach muss ein Zentralverwahrer, der in eine Unternehmensgruppe eingebunden ist, detaillierte Regelungen und Verfahren anwenden, die festle­ gen, inwiefern die Anforderungen von Art. 26 CSDR für die Gruppe insge­ samt und für die einzelnen Unternehmen in der Gruppe gelten. Nähere Be­ stimmungen zu diesen Verfahren gibt es allerdings nicht. Im Gegensatz zu § 25a Abs. 3 KWG wird nicht klar bestimmt, dass die Geschäftsleitung des Zentralverwahrers für die Geschäftsorganisation der gesamten Gruppe ver­ antwortlich ist. Darüber hinaus setzt Art. 26 Abs. 7 CSDR nach seinem Wort­ laut nicht unbedingt voraus, dass es Regelungen auf Gruppenebene gibt, sondern verlangt lediglich eine Festlegung der Unternehmen, ob die auf­ sichtsrechtlichen Anforderungen an die Unternehmensführung auch auf die Gruppe insgesamt bzw. die anderen Unternehmen der Gruppe Anwendung finden oder nicht. Die Norm fordert nicht, dass die Muttergesellschaft die aufsichtsrechtlichen Regelungen in den Tochtergesellschaften implementiert oder überwacht. Für diese Auslegung spricht, dass im Zweifel davon auszu­ gehen ist, dass das Unionsrecht den beaufsichtigten Gesellschaften keine Anforderungen auferlegen will, deren Erfüllung diesem gesellschaftsrechtlich unmöglich ist. Im Ergebnis ist deshalb anzunehmen, dass Art. 26 Abs. 7 CSDR keine konzerndimensionale Anforderung statuiert. Entsprechendes gilt für die Regelung in Art. 50 Abs. 2 CSDR-DelVO, wonach die organisatorischen und verwaltungsmäßigen Vorkehrungen eines 151  S. etwa Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 280 ff.; Poelzig, VGR 23 GesR 2017, 83, 85 ff., 106 ff.; Binder, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 377, 406; zur Informationsweitergabe ferner Schockenhoff, NZG 2020, 1001, 1005 f.; a. A. Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 786 f.; Hellstern, in: Luz/Neus u. a., KWG, § 25a Abs. 1–4 (Stand: 24.02.2020) Rn. 34. 152  Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 477. 153  Renner, Bankkonzernrecht, 2019.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Zentralverwahrers, der Teil einer Unternehmensgruppe ist, Umständen Rech­ nung tragen müssen, die aufgrund der Struktur und Geschäftstätigkeit anderer Unternehmen der Gruppe einen Interessenkonflikt nach sich ziehen können. Diese Regelung bezieht zwar die Umstände anderer Gruppengesellschaften mit ein, statuiert aber lediglich eine Anforderung an die Einzelgesellschaft, diesen Umständen Rechnung zu tragen. Gleiches gilt für die inhaltlich ent­ sprechende Vorgabe in Art. 33 Abs. 3 EMIR. Auch Art. 3 Abs. 4 EMIR-DelVO, der besondere Anforderungen für grup­ penangehörige zentrale Gegenparteien regelt, kommt keine konzerndimen­ sionale Wirkung zu. Danach muss die zentrale Gegenpartei jegliche Auswir­ kungen berücksichtigen, die die Gruppe auf ihre Unternehmensführungsrege­ lungen haben könnte, unter anderem, ob sie über die zur Erfüllung ihrer rechtlichen Pflichten als juristische Einzelperson notwendige Unabhängigkeit verfügt und ob ihre Unabhängigkeit durch die Gruppenstruktur oder durch Mitglieder des Leitungsorgans, die gleichzeitig dem Leitungsorgan anderer Unternehmen derselben Gruppe angehören, beeinträchtigt werden könnten. Diese aufsichtsrechtliche Vorgabe soll gerade die Unabhängigkeit der beauf­ sichtigten Gesellschaft (z. B. bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags) in­ nerhalb des Konzerns schützen,154 nicht jedoch konzerndimensionale Anfor­ derungen an die Obergesellschaft begründen. c) Gruppenperspektive der CRAR Bei Ratingagenturen stellt sich die Frage, ob die Vorgaben der CRAR zur Unternehmensführung generell eine konzernweite Dimension aufweisen. Hierfür könnte ErwGr. 28 Satz 1 CRAR sprechen, nach dem eine „Rating­ agentur oder eine Gruppe von Ratingagenturen“ Vorkehrungen für eine ver­ antwortungsvolle Unternehmensführung treffen müssen. Daraus ließe sich ableiten, dass die Verordnung gruppenweite Corporate Governance-Anforde­ rungen statuiert. Der Unionsgesetzgeber war sich jedenfalls bewusst, dass Ratingagenturen häufig in Konzernstrukturen agieren.155 Allerdings richten sich die Regelungen zur Unternehmensführung in Art. 6 Abs. 2 CRAR i. V. m. Anh. I CRAR an die Ratingagentur, worunter nach Art. 3 Abs. 1 lit. b CRAR eine Rechtspersönlichkeit zu verstehen ist, und nicht an die in Art. 3 Abs. 1 lit. m CRAR gesondert definierte „Gruppe von Ratingagenturen“. Nichts anderes folgt aus der Möglichkeit einer Gruppe von Ratingagen­ turen, einen gemeinsamen Antrag auf Registrierung zu stellen. Zu diesem 154  Münch, in: BeckOK WpHR, 7. Edition, Stand: 15.02.2023, Art. 26 EMIR Rn. 16. 155  Vgl. ErwGr. 47 Satz 1 CRAR.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung129

Zweck bevollmächtigen die Mitglieder der Gruppe gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 1 CRAR eines ihrer Mitglieder, alle Anträge im Namen der Gruppe bei der ESMA einzureichen. Diese Regelung verdeutlicht gerade, dass die CRAR die Gruppe nicht als rechtliche Einheit betrachtet, weil die Verordnung von Anträgen im Plural spricht und die bevollmächtigte Ratingagentur nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 CRAR für jedes Mitglied der Gruppe die in Anh. II CRAR genannten Angaben liefern muss. Die ESMA erlässt gemäß Art. 17 Abs. 3 CRAR „auf Einzelfallbasis für jede Ratingagentur der Gruppe einen vollständig begründeten Beschluss über die Registrierung oder die Ableh­ nung der Registrierung.“ Der gemeinsame Antrag auf Registrierung dient lediglich der Verfahrensvereinfachung, ändert aber nichts an den jede Einzel­ gesellschaft treffenden Organisationsanforderungen. Dies wird deutlich aus der Regelung des Art. 6 Abs. 3 UAbs. 2 CRAR, nach der die ESMA bei einer Gruppe von Ratingagenturen sicherstellen muss, dass mindestens eine der Ratingagenturen dieser Gruppe nicht von den Anforderungen des Anh. I Ab­ schnitt A Nr. 2, 5 und 6 CRAR befreit wird. Im Ergebnis ist ErwGr. 28 Satz 1 CRAR deshalb so zu verstehen, dass grundsätzlich jede Ratingagentur der Gruppe die Anforderungen an die Un­ ternehmensführung erfüllen muss, nicht jedoch in dem Sinne, dass das Mut­ terunternehmen einer Gruppe für die konzernweite Erfüllung verantwortlich wäre. d) Konzerndimensionale Anforderungen nach der BMR aa) Pflicht zur Einrichtung eines konzernweiten Compliance-Systems bei konzerninterner Auslagerung? Der Administrator eines Referenzwerts muss nach Art. 6 Abs. 1 BMR ei­ nen Kontrollrahmen vorhalten, durch den sichergestellt wird, dass seine Re­ ferenzwerte in Einklang mit der Verordnung bereitgestellt und veröffentlicht oder zugänglich gemacht werden. Dieser Regelung wird für den Fall einer konzerninternen Auslagerung teilweise eine konzernweite Dimension zuge­ sprochen. Art. 6 Abs. 1 BMR verpflichte den Administrator dazu, ein kon­ zernweites Compliance-System einzurichten, wenn er die Bereitstellung eines Referenzwertes durch mehrere Konzerngesellschaften wahrnehme.156 Glei­ ches gelte für die entsprechenden Compliance-Vorgaben für beaufsichtigte Kontributoren.157 Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben enthielten insoweit keine Begrenzung auf die Einzelgesellschaft.158 Dahinter steht der Gedanke, Financial-Benchmarks, 2018, S. 112, 256. Financial-Benchmarks, 2018, S. 256. 158  Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 256. 156  Sajnovits, 157  Sajnovits,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

dass der Administrator die Bereitstellung eines Referenzwertes nicht nur auf externe Dienstleister, sondern auch auf Konzerngesellschaften „auslagern“ kann, sofern die Kontrolle über die Bereitstellung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 BMR bei ihm verbleibt.159 Es ließe sich argumentieren, dass die von Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 BMR verlangte „Kontrolle“ gesellschaftsrechtliche Einwir­ kungsmöglichkeiten auf die Tochtergesellschaften voraussetzt. Aus der Möglichkeit einer konzerninternen Auslagerung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass Art. 6 BMR eine Pflicht der Administratoren statuiert, ein konzernweites Compliance-System einzurichten. Die Vorgabe richtet sich gemäß Art. 6 Abs. 1 BMR an den Administrator, der gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 BMR eine juristische oder natürliche Person ist. Dadurch beschränkt die BMR den Anwendungsbereich ihrer Organisationsanforderungen auf die Einzelgesellschaft. Zwar kann der Administrator im Rahmen der Bereitstel­ lung eines Referenzwertes Aufgaben auf Tochtergesellschaften auslagern. Dies stellt indes kein Spezifikum der BMR dar. Auch andere aufsichtsunter­ worfene Unternehmen – wie Banken und Versicherungen – können Aufgaben auf Tochtergesellschaften auslagern, und zwar unabhängig davon, ob diese selbst der Aufsicht unterworfen sind oder nicht.160 Gleiches gilt für Rating­ agenturen, Zentralverwahrer und zentrale Gegenparteien. Unzweifelhaft ist, dass die Gesellschaft in diesem Fall die Kontrolle über den Bereitstellungsprozess behalten muss, was Einwirkungsrechte auf die Tochtergesellschaft voraussetzt. Daraus folgt aber nicht eine allgemeine Kon­ zernverantwortung des Administrators für die Umsetzung der Vorgaben der Verordnung. Vielmehr ist die Problematik mittels der besonderen aufsichts­ rechtlichen Vorschriften zur Auslagerung von Dienstleistungen zu lösen, die für Administratoren in Art. 10 BMR geregelt sind.161 Gleiches gilt für die übrigen hier untersuchten Verordnungen, die Anforderungen für Auslagerun­ gen aufstellen, die mit Art. 10 BMR vergleichbar sind.162 Diese Vorschriften sollen verhindern, dass durch eine Auslagerung von Unternehmensfunktionen aufsichtsrechtliche Anforderungen unterlaufen werden. Ihrer Anwendung steht nicht entgegen, dass die Auslagerung nicht auf einen externen Dienst­ leister, sondern auf eine Konzerngesellschaft erfolgt.163 „Dienstleister“ im Sinne des Art. 10 BMR ist jede Rechtspersönlichkeit, die nicht in die Orga­ 159  In

diese Richtung Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 91 f. in: Prölss/Dreher, VAG, 13. Aufl. 2018, § 32 Rn. 21. 161  Die Parallelvorschriften für Kreditinstitute, Wertpapierdienstleistungsunterneh­ men und Versicherungsunternehmen finden sich in den § 25b KWG, § 80 Abs. 6 WpHG, § 32 VAG. 162  S. insbesondere Art. 35 EMIR und Art. 30 CSDR; vgl. zudem Art. 9 CRAR. 163  Vgl. Dreher, in: Prölss/Dreher, VAG, 13. Aufl. 2018, § 32 Rn. 21; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, § 80 WpHG Rn. 116; Meyer/Paetzel/Will, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 33 Rn. 225; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, 160  Dreher,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung131

nisation des auslagernden Unternehmens eingegliedert ist und nicht dessen Weisungen unterliegt, was Konzerngesellschaften miteinschließt.164 bb) Anforderungen des Art. 10 BMR und gesellschaftsrechtliche Umsetzung Nach Art. 10 Abs. 1 BMR darf der Administrator Aufgaben bei der Bereit­ stellung eines Referenzwerts nicht in einer Weise auslagern, dass seine Kon­ trolle über die Bereitstellung des Referenzwerts wesentlich beeinträchtigt wird. Für die Erfüllung aller ihm aus dieser Verordnung erwachsenden Pflichten bleibt er in vollem Umfang verantwortlich (Art. 10 Abs. 2 BMR). Überdies muss der Administrator dafür Sorge tragen, dass die in Art. 10 Abs. 3 BMR genannten Bedingungen erfüllt sind. Die zur Erfüllung dieser Vorgaben erforderlichen Einwirkungsrechte auf die Tochtergesellschaft – ins­ besondere Auskunfts- und Weisungsrechte – muss sich der Administrator vertraglich ausbedingen. Aus Art. 10 BMR folgt, dass der Administrator mit dem funktionsübernehmenden Rechtsträger einen Auslagerungsvertrag ab­ schließen muss. Zwar sieht Art. 10 BMR – anders als die Art. 30 Abs. 2 CSDR, Art. 35 Abs. 2 EMIR, § 25b Abs. 3 Satz 3 KWG, 32 Abs. 4 Satz 1 VAG – das Erfordernis einer vertraglichen Abrede nicht ausdrücklich vor. Eine solche ist aber auch für Administratoren erforderlich, um die in Art. 10 BMR geforderte Kontrolle über die Bereitstellung des Referenzwertes zu gewährleisten. Zudem muss dem auslagernden Administrator ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsleitung des funktionsübernehmenden Unter­ nehmens zustehen, da der Administrator nur so die vollständige Kontrolle über die ausgelagerte Funktion gewährleisten kann.165 Unzureichend wäre ein Weisungsrecht lediglich gegenüber der funktionsübernehmenden Gesell­ schaft.166 Auch wenn die Möglichkeit einer konzerninternen Auslagerung nicht das Postulat einer konzerndimensionalen Pflicht erfordert, stellt sich doch die Frage, wie das im Auslagerungsvertrag vereinbarte Weisungsrecht gesell­ schaftsrechtlich umgesetzt werden kann. Die Begründung eines Weisungs­ rechts des auslagernden Unternehmens gegenüber der Geschäftsleitung einer funktionsübernehmen Gesellschaft unterliegt engen gesellschaftsrechtlichen Grenzen, die durch den Grundsatz der Verbandssouveränität und die in § 76 § 33 Rn. 152; Fischer/Boegl, in: Ellenberger/Bunte, BankR-Hdb., 6. Aufl. 2022, § 113 Rn. 86. 164  Vgl. Dreher, in: Prölss/Dreher, VAG, 13. Aufl. 2018, § 32 Rn. 21. 165  Vgl. Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 25 f., 31. 166  A. A. Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7.  Aufl. 2019, § 80 WpHG Rn. 121 m. Fn. 3; Konopatzki, Funktionsauslagerung, 2008, S. 241 ff.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Abs. 1 AktG normierte eigenverantwortliche Leitung des abhängigen Unter­ nehmens gesteckt werden.167 Dessen ungeachtet besteht diese Verbandssou­ veränität nicht absolut, sondern kann insbesondere durch das Instrument des Beherrschungsvertrags eingeschränkt werden.168 Ist die funktionsüberneh­ mende Gesellschaft eine AG, muss der auslagernde Administrator einen Be­ herrschungsvertrag169 nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG mit dem Subun­ ternehmen schließen.170 Dies ist nach dem Aktiengesetz die einzige Möglich­ keit, ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand zu vereinbaren. Der Festle­ gung eines organschaftlichen Weisungsrechts in der Satzung steht § 23 Abs. 5 AktG entgegen.171 Auch bei einer GmbH172 oder Personengesellschaft173 ist eine vertragliche Konzernierung mittels eines Beherrschungsvertrages zulässig. Alternativ ist es in diesen Fällen zudem möglich, dem auslagernden Unternehmen im Ge­ sellschaftsvertrag ein organschaftliches Weisungsrecht gegenüber den Ge­ schäftsführern einzuräumen.174 Eine solche Satzungsregelung ist in der GmbH erforderlich, weil das Weisungsrecht grundsätzlich der Gesellschafter­ versammlung zusteht, nicht einzelnen Gesellschaftern.175 In der Personenge­ sellschaft ist die Festlegung eines Weisungsrechts des auslagernden Unter­ nehmens ebenfalls möglich, sofern dieses Gesellschafter der funktionsüber­ nehmenden Gesellschaft ist.176 Auf Auslagerungen nach den anderen Verord­ nungen sind die vorstehenden Grundsätze entsprechend anzuwenden. in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 26. in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 27 ff. 169  Zu den praktischen Nachteilen Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 30 f. 170  Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2020, § 80 WpHG Rn. 193; Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 27 f.; a. A. Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, § 80 WpHG Rn. 121 m. Fn. 3; Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, 2010, S. 348 f. 171  Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 28 ff. 172  Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 28; allg. ferner Liebscher, in: MüKoGmbHG, 4. Aufl. 2022, Anh. zu § 13 Rn. 661; Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. GmbH-Konzernrecht Rn. 94. 173  Str.; dafür Mülbert, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, KonzR der Personengesell­ schaften (Anh. § 229) Rn. 167 ff. m. Nachw. zum Streitstand. 174  Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 27, 30; Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2020, § 80 WpHG Rn. 193. Allgemein zur GmbH ferner Liebscher, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 45 Rn. 132. In der Personengesellschaft be­ schränkt sich der Kreis Weisungsberechtigter auf die Gesellschafter; s. Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 30; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 31. 175  Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2020, § 80 WpHG Rn. 193; Stephan/Tieves, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 37 Rn. 117; U. H. Schneider/ S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 37 Rn. 78. 176  Mülbert, in: Bankrechtstag, 2001, S. 3, 27, 30; Bergmann, Funktionsauslage­ rung bei Kreditinstituten, 2010, S. 344. 167  Mülbert, 168  Mülbert,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung133

cc) Ergebnis Aus der Möglichkeit einer konzerninternen Auslagerung folgt keine allge­ meine Pflicht zur konzernweiten Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Anforde­ rungen. Lagert ein Administrator Funktionen aus, finden die speziellen auf­ sichtsrechtlichen Auslagerungsvorschriften Anwendung. Um die Kontrolle über die Bereitstellung des Referenzwerts zu gewährleisten, muss der ausla­ gernde Administrator mit einem Subunternehmen in der Rechtsform der AG einen Beherrschungsvertrag abschließen. Ist das Subunternehmen eine GmbH oder Personengesellschaft, genügt die Vereinbarung eines organschaftlichen Weisungsrechts im Gesellschaftsvertrag. Ein Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht folgt hieraus nicht, weil sich die aufsichtsrechtlichen Auslagerungsvoraussetzungen gesellschaftsrechtlich um­ setzen lassen. Zwar verlangt das Aufsichtsrecht für bestimmte Konstellatio­ nen zwingend den Abschluss eines Beherrschungsvertrages. Dies ist aber nicht vergleichbar mit dem Postulat einer allgemeinen Pflicht, aufsichtsrecht­ liche Pflichten in der Gruppe konzernweit durchzusetzen. Dem Administrator bleibt stets die Möglichkeit, auf die Auslagerung zu verzichten. Besonders deutlich wird der Unterschied in Bezug auf das abhängige Unternehmen. Diesem steht es frei, Funktionen von einem Administrator zu übernehmen. Stimmt es einer Funktionsübernahme zu, ist es wenig überraschend, dass es sich als Folge den Direktionen des auslagernden Unternehmens zu unterwer­ fen hat. Die konzernrechtlichen Schutzmechanismen tragen dafür Sorge, dass die Interessen der Minderheitsaktionäre und Gläubiger ausreichend Berück­ sichtigung finden. Die gesellschaftsrechtlichen Folgen einer konzerninternen Auslagerung sind nicht mit der Situation im Bank- und Versicherungsauf­ sichtsrecht vergleichbar, wo allein durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe im Sinne eines faktischen Konzerns die eigenverantwortliche Leitung eines abhängigen Unternehmens in Frage gestellt wird, das nicht einmal selbst der bankaufsichtsrechtlichen Regulierung unterworfen sein muss. e) Keine allgemeine unionsrechtliche Pflicht zur konzernweiten Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben Zu betonen ist, dass aus den Vorgaben der Verordnungen keine allgemeine Pflicht folgt, aufsichtsrechtliche Vorgaben gruppenweit durchzusetzen. Wie oben ausgeführt, enthalten die Verordnungen keine spezifischen konzerndi­ mensionalen Anforderungen. In absentia solcher Regelungen bliebe nur, eine allgemeine Pflicht anzunehmen, aufsichtsrechtliche Organisationsanforderun­ gen in der Form unmittelbar anwendbaren Unionsrechts konzernweit durch­ zusetzen. Hierfür ließe sich anführen, dass im Allgemeinen ein Trend zu be­

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

obachten ist, unionsrechtliche Anforderungen ungeachtet gesellschaftsrecht­ licher Grenzen durchzusetzen. Eine solche Entwicklung lässt sich nicht nur für die konzerndimensionalen Organisationsanforderungen des Bank- und Versicherungsaufsichtsrechts konstatieren, sondern findet sich auch im Kar­ tellrecht177. Der Grundsatz des effet utile streitet dafür, dass den Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts gegen die Grenzen des Konzernrechts Wirkung zu­ kommen muss. Ein gewisses Vorbild für eine solche Pflicht kann in den Bestrebungen gesehen werden, zur effektiven Umsetzung des Verordnungs­ rechts der Union ein private enforcement durch die Mitgliedstaaten zu ver­ langen.178 Gegen eine solche Lesart sprechen aber der Wortlaut der Verordnungen sowie systematische und teleologische Argumente. Die Verordnungen adres­ sieren nach ihrem Wortlaut nicht eine Gruppe von Unternehmen, sondern das jeweilige Unternehmen als Einzelgesellschaft. Die aufsichtsrechtlichen Orga­ nisationsvorgaben gelten im Wesentlichen für Administratoren, Ratingagen­ turen, zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer, die alle als eine juristi­ sche oder (bei Administratoren von Referenzwerten) natürliche Person defi­ niert werden. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen richten sich demnach an einen konkreten Rechtsträger. Der systematische Vergleich mit anderen aufsichtsrechtlichen Rechtsakten stützt diese Auslegung. So sieht § 275 Abs. 1 Satz 1 VAG ausdrücklich vor, dass die versicherungsaufsichtsrechtli­ chen Regelungen zur Geschäftsorganisation auf Gruppenebene entsprechend gelten. Eine vergleichbare Regelung enthalten die Verordnungen nicht. Zwar ist es nicht unbedingt erforderlich, dass das Aufsichtsrecht ausdrücklich Ein­ flussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens auf dessen Tochterunter­ nehmen verlangt. Vielmehr kann sich auch implizit aus der Gesamtschau verschiedener aufsichtsrechtlicher Regelungen ergeben, dass das Aufsichts­ recht eine Konzernleitungsmacht und -pflicht des herrschenden Unterneh­ mens voraussetzt.179 Dies gilt für die etwas verklausulierte Anordnung des Art. 109 Abs. 2 CRD IV, wonach Mutter- und Tochterunternehmen aufsichts­ rechtliche Pflichten „auf konsolidierter oder teilkonsolidierter Basis“ zu er­ füllen haben.180 Demgegenüber finden sich in den hier untersuchten Verord­ nungen keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Zwar erkennen die Verordnungen an, dass die beaufsichtigten Unternehmen in Gruppenstrukturen vorkommen können. So adressiert beispielsweise Art. 4 177  S.

dazu etwa Weck, NZG 2016, 1374 ff. eine pauschale Pflicht zur Gewährleistung zivilrechtlicher Schadenser­ satzansprüche bei Verstößen gegen europäisches Verordnungsrecht Sajnovits, Finan­ cial-Benchmarks, 2018, S. 298 ff.; zum Gebot privater Rechtsdurchsetzung noch un­ ten 3. Teil: B. II. 2. b). 179  Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 270 f. 180  Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 270. 178  Gegen



B. Regelungen zur Geschäftsleitung135

Abs. 6 lit. b BMR mögliche Interessenkonflikte aufgrund der Eigentumsoder Kontrollverhältnisse beim Administrator oder infolge anderer Interessen an seiner Gruppe. Hieraus abzuleiten, die Verordnungen würden generell eine gruppenweite Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen verlan­ gen, ginge aber zu weit. Hätte der Unionsgesetzgeber eine allgemeine kon­ zernweite Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben gewollt, hätte er dies – wie im Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht geschehen – hinrei­ chend deutlich machen müssen. Auch die Regelungsziele der Verordnungen erfordern nicht zwingend, dass die beaufsichtigten Unternehmen die aufsichtsrechtlichen Anforderungen generell konzernweit durchsetzen. Soweit die Unternehmen Funktionen auf konzerneigene Gesellschaften auslagern, verhindern bereits die speziellen Vorschriften zur Auslagerung eine Umgehung aufsichtsrechtlicher Anforde­ rungen. Für darüber hinausgehende gruppenweite Pflichten fehlt der zwin­ gende Regelungsgrund. Bei Banken und Versicherungen rechtfertigen die besonderen Gefahren, die aus einer Gruppenstruktur resultieren, die Betrach­ tung der Gruppe als ein aufsichtsrechtliches Regelungsobjekt.181 Hierzu zählen Verschränkungen innerhalb der Gruppe, die eine konzerninterne An­ steckungsgefahr von Risiken verursachen, und eine häufig undurchsichtige Governance-Struktur.182 Diese Erwägungen gelten für die hier untersuchten Verordnungen nicht in gleichem Maße, weshalb diese auf Vorgaben, welche die Unternehmensgruppe als eigenständiges Regelungsobjekt betrachten, verzichtet haben. Für Ratingagenturen und Administratoren erklärt sich dies aus den anders gelagerten Schwerpunkten, die den Governance-Anforderun­ gen der Verordnungen zugrunde liegen. Der Fokus von BMR und CRAR liegt vorrangig auf der Bewältigung von Interessenkonflikten, die auch in der Gruppe adressiert werden, nicht aber auf dem Umgang mit systematischen Risiken, die in Gruppenstrukturen besonders virulent werden und deshalb eine gruppenweite Durchsetzung von Risikomanagement-Systemen erforder­ lich machen. Bei der aufsichtsrechtlichen Regulierung von Zentralverwahrern und zentralen Gegenparteien nehmen die Vorgaben zum Risikomanagement zwar eine zentrale Stellung ein, auch insoweit hat der Gesetzgeber aber auf die ausdrückliche Statuierung einer Pflicht zur konzernweitern Durchsetzung verzichtet. f) Ergebnis Die hier untersuchten Verordnungen unterscheiden sich gegenüber dem Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht darin, dass sie keine gruppenweite 181  Negenborn, 182  Negenborn,

Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 194 f. Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 189 ff.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen verlangen. Von der Ent­ wicklung eines „Sonderkonzernrechts“ bleiben die erfassten Unternehmen verschont. Konzerninterne Auslagerungskonstellationen sind mittels der speziel­ len aufsichtsrechtlichen Auslagerungsvorschriften zu lösen. Um die aufsichtsrechtlich geforderte Kontrolle über die funktionsübernehmende ­Gesellschaft zu gewährleisten, ist die Begründung eines organschaftlichen Weisungsrechts gegenüber der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft erforderlich. 4. Zielkonzeption in beaufsichtigten Gesellschaften a) Problemstellung Die Geschäftsleiter einer AG und GmbH sind bei der Leitung der Gesell­ schaft dem Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse verpflichtet, wobei der Inhalt dieser Zielsetzung im Einzelnen umstritten ist. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die Geschäftsleiter ihre Leitungsaufgabe primär im Interesse der Gesellschaft ausüben oder in einem pluralistischen Sinne auch die Interessen von Stakeholdern einbeziehen können oder gar müs­ sen.183 Unabhängig davon sollen für beaufsichtigte Gesellschaften grundsätz­ lich die gleichen Maßstäbe gelten wie für Unternehmen anderer Branchen.184 Demnach wären die Geschäftsleiter eines Unternehmens im Finanzsektor zur Leitung der Gesellschaft im Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse ver­ pflichtet. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel daran, ob diese Sichtweise auf­ rechterhalten werden kann. Es stellt sich die Frage, ob die Verordnungen eine Überlagerung der gesellschaftsrechtlichen Leitungsmaximen durch Gemeinwohlinteressen bewirken, weil sie als Teil des Aufsichtsrechts öffentliche Interessen verfolgen. Ziele sind im Einzelnen die Integrität und Unabhängig­ keit der Bestimmung von Referenzwerten,185 die Stabilität von zentralen Gegenparteien186 oder Zentralverwahrern187 als Kapitalmarktinfrastrukturan­ bieter und die Qualität von Ratings.188 Dadurch soll das reibungslose Funk­ 183  Näher 184  Kort,

dazu unten 2. Teil: B. V. 4. c) aa) (1). in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 101; Hopt, in: FS Nobbe, 2009,

S. 853, 867. 185  S. Art. 1, 4 Abs. 6 BMR; ErwGr. 1, 21 BMR. 186  Vgl. ErwGr. 49 EMIR: „[…], muss gewährleistet werden, dass diese CCPs si­ cher und solide sind […]“; ErwGr. 3 EMIR-DelVO: „Um zu gewährleisten, dass CCP in allen Marktlagen sicher und solide bleiben […]“. 187  ErwGr. 2, 3 CSDR. 188  Art. 1 CRAR; ErwGr. 1 CRAR.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung137

tionieren des Binnenmarktes der Union bei gleichzeitig bestehendem hohen Verbraucher- und Anlegerschutz gewährleistet werden.189 Im Folgenden wird näher untersucht, welche Auswirkungen diese öffentlichen Interessen auf das gesellschaftsrechtliche Leitungsermessen der Geschäftsleiter einer regulierten Gesellschaft haben. b) Aufsichtsrechtliche Einwirkungen auf die Zielkonzeption der Geschäftsleiter aa) Keine Modifikation der verbandsrechtlichen Leitungsmaximen Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht bewirkt das Aufsichtsrecht eine Modifikation der verbandsrechtlichen Leitungsmaximen.190 Die inhalt­ lichen Zielvorgaben des Geschäftsleiterermessens würden durch aufsichts­ rechtliche Wertungen verändert. Das Aufsichtsrecht führe das öffentliche Interesse im Sinne der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen als vorrangige ­ Determinante der Leitungsaufgabe des Vorstands ein. Das im materiellen Aufsichtsrecht konkretisierte öffentliche Interesse lege sich gleichsam als „heteronome (öffentlich-rechtliche) Last“ auf das Leitungsermessen der Ge­ schäftsleiter. Dieser Ansicht ist jedenfalls insoweit zu widersprechen, als sie allein aus dem öffentlichen Interesse eine Determinierung des Pflichtenprogramms des Vorstands ableitet, das diesen unabhängig vom Vorhandensein konkreter auf­ sichtsrechtlicher Normen treffen soll.191 Daran wird zurecht kritisiert, dass ein solches Postulat eines übergeordneten öffentlichen Interesses in letzter Konsequenz geschriebenes Recht überflüssig mache.192 Darüber hinaus ist eine Modifizierung der verbandsrechtlichen Zielkonzeption aus allgemeinen dogmatischen Erwägungen heraus abzulehnen. Eine solche würde Gesell­ schaftsrecht und Aufsichtsrecht in unzulässiger Weise vermischen.193 Auf­ sichtsrechtliche Corporate Governance-Anforderungen können die gesell­ schafsrechtlichen Leitungsmaximen der Geschäftsleiter nicht unmittelbar im

189  Art. 1

Satz 2 BMR; Art. 1 CRAR. und zum Folgenden Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 500 f. (zu konzern­ dimensionalen Pflichten des Bank- und Versicherungsaufsichtsrechts); ablehnend Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 140 ff.; Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 771 ff.; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 325 ff. 191  In diese Richtung Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 501. 192  Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753, 772 f.; zustimmend Badenheim, Bankak­ tiengesellschaft, 2022, S. 326. 193  Vgl. Hopt, in: FS Nobbe, 2009, S. 853, 867. 190  Hierzu

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Sinne aufsichtsrechtlicher Zielsetzungen verändern.194 Vielmehr müssen die Befolgung der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen, zu der der Vorstand auf­ grund seiner Legalitätspflicht angehalten ist, und die aktienrechtlichen Ziel­ setzungen selbst auseinander gehalten werden.195 Gegen das Konzept eines aufsichtsrechtlich modifizierten Unternehmensinteresses spricht zudem der Charakter der aufsichtsrechtlichen Organisationsvorgaben als öffentlichrechtliches Eingriffsrecht.196 Läge die Befolgung aufsichtsrechtlicher Nor­ men immer bereits im Unternehmensinteresse, könnte man am belastenden Charakter aufsichtsrechtlicher Organisationsvorgaben zweifeln, was zu Ende gedacht zu einer Beschränkung des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden führen könnte.197 Demnach bleibt es bei der grundsätzlichen Einordnung der aufsichtsrechtli­ chen Anforderungen als verbandsexogene Zielvorgabe.198 Die gesellschafts­ rechtliche Bindung der Geschäftsleiter an das Unternehmensinteresse bleibt unberührt.199 Bei der Pflicht zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Organisations­ anforderungen handelt es sich um eine dem Unternehmensinteresse vorgela­ gerte Frage, die von vornherein die Autonomie des Vorstands beschränkt.200 Über die Erfüllung konkreter aufsichtsrechtlicher Vorgaben hinaus trifft den Geschäftsleiter einer regulierten Gesellschaft keine – über das bereits gesell­ schaftsrechtlich geforderte hinausgehende201 – Pflicht, verbandsexogene Inte­ ressen mit einzubeziehen.202 Eine Finanzdienstleister-AG ist demnach – aus gesellschaftsrechtlicher Sicht – keine Aktiengesellschaft mit atypischer Ziel­ setzung.203 Öffentliche Zielsetzungen können sich auf das Binnenverhältnis der Gesellschaft allein über die Legalitätspflicht auswirken.204 Das aufsichts­ in: FS Nobbe, 2009, S. 853, 867. Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 141; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 325. 196  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 146; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 326 f. 197  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 142; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 326 f. 198  Binder, ZGR 2013, 760, 792. 199  Binder, ZGR 2013, 760, 791  f.; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S.  139 ff.; Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 36; vgl. auch schon Mülbert, BKR 2006, 349, 354 f.; Hopt, in: FS Nobbe, 2009, S. 853, 867; zweifelnd Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 288 f. 200  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 142. 201  Dazu unten 2. Teil: B. V. 4. c) aa). 202  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 144 ff. 203  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 128 ff. 204  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 145; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 325, 329 ff.; vgl. auch Armbrüster, KSzW 2013, 10, 11: Legali­ 194  Hopt,

195  Negenborn,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung139

rechtliche und das gesellschaftsrechtliche Corporate Governance-Regime müssen weiterhin getrennt voneinander betrachtet werden. bb) Öffentliche Interessen als Leitungsmaximen der Unternehmensorganisation Obgleich das Aufsichtsrecht die Bindung der Geschäftsleiter an das Un­ ternehmensinteresse unberührt lässt, bestimmt es mittelbar die Pflichten der Geschäftsleiter. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben modifizieren zwar nicht unmittelbar die verbandsrechtlichen Leitungsmaximen, die mit dem Auf­ sichtsrecht verfolgten öffentlichen Interessen halten aber über die Legalitäts­ pflicht Einzug in das Pflichtenprogramm der Geschäftsleiter.205 Das Auf­ sichtsrecht verpflichtet die betroffenen Gesellschaften zu einer Unterneh­ mensorganisation, die gewährleisten soll, dass die mit den Verordnungen verfolgten aufsichtsrechtlichen Ziele erreicht werden. Die Gesellschaft muss das Unternehmen demnach entsprechend den aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen organisieren. Dies bewirkt eine Verrechtlichung der Organisations­ verfassung.206 Die Geschäftsleiter sind im Rahmen ihrer Legalitätspflicht verpflichtet, die an die Gesellschaft gerichteten aufsichtsrechtlichen Cor­ porate Governance-Anforderungen umzusetzen.207 Der unternehmerische Handlungsspielraum der Geschäftsleiter, innerhalb dessen sie die Gesell­ schaft im Sinne des Unternehmensinteresses leiten können, verengt sich da­ durch erheblich. Zwar lassen die prinzipienbasiert ausgestalteten Vorgaben des Aufsichts­ rechts den Geschäftsleitern bei der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforde­ rungen einen Umsetzungsspielraum. Während der Maßstab für die Unterneh­ mensorganisation in nicht beaufsichtigten Unternehmen aber allein das Un­ ternehmensinteresse ist, sind die Geschäftsleiter im Rahmen der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen den durch das Aufsichtsrecht verfolgten öffentlichen Interessen verpflichtet.208 Bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe bzw. abstrakter Generalklauseln haben sie die aufsichtsrecht­ tätspflicht als „Bindeglied zwischen den aktien- und den aufsichtsrechtlichen Anfor­ derungen“. 205  Binder, ZGR 2013, 760, 783 f, 786; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S.  165 ff.; Lütgerath, Geschäftsorganisation, 2016, S. 283 ff.; Badenheim, Bankaktien­ gesellschaft, 2022, S. 329 ff. 206  Dazu bereits oben 2. Teil: B. II. 6. und noch unten 2. Teil: B. V. 5. 207  Binder, ZGR 2013, 760, 786. 208  Binder, ZGR 2013, 760, 782  ff.; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 181; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 165; Lütgerath, Geschäfts­ organisation, 2016, S. 283 f.; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 330, 336 f.

140

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

lichen Zielsetzungen zu berücksichtigen.209 Das prinzipienbasierte Regulie­ rungsmodell schafft dadurch ein Einfallstor für aufsichtsrechtliche Wertun­ gen, die durch die Legalitätspflicht in das Binnenverhältnis der Gesellschaft transformiert werden.210 Bei den hier untersuchten Verordnungen steht der Vorrang öffentlicher In­ teressen im Übrigen schon deshalb außer Frage, weil sich die aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen und die damit verbundenen Zielsetzungen aus dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht ergeben, das Vorrang gegenüber dem nationalen Recht genießt. Für eine Berücksichtigung des Unternehmensinte­ resses bleibt daher kein Raum, soweit dies einer effektiven Umsetzung auf­ sichtsrechtlicher Corporate Governance-Anforderungen widerspräche. Im Ergebnis kommt es zu einer punktuellen Überlagerung des Unternehmensin­ teresses durch aufsichtsrechtliche Zielsetzungen, soweit die Geschäftsleiter zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Corporate Governance-Anforderungen ver­ pflichtet sind.211 Den Aufsichtsbehörden kommt die Rolle zu, die Erfüllung der aufsichts­ rechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance am Maßstab der aufsichts­ rechtlichen Zielsetzungen zu überprüfen.212 Die persönlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter schaffen dabei einen Anknüpfungspunkt, das Ge­ schäftsleiterhandeln fortlaufend aufsichtsrechtlich zu bewerten.213 So können die Aufsichtsbehörden z. B. nach § 36 Abs. 1a KWG i. V. m. Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR die Abberufung des Geschäftsleiters einer zentralen Gegen­ partei verlangen, wenn die Gefahr besteht, dass dessen Verhalten einem soli­ den und umsichtigen Management der Gesellschaft abträglich ist. cc) Schranken aufsichtsrechtlicher Einwirkungen Die Anforderung an die Geschäftsleiter, aufgrund ihrer Legalitätspflicht bei der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Organisationsvorgaben vorrangig öf­ fentliche Interessen zu berücksichtigen, hat erhebliche Auswirkungen auf die betroffenen Gesellschaften und deren Geschäftsleiter. Denkt man die Über­ lagerung gesellschaftsrechtlicher Zielvorgaben durch öffentliche Interessen konsequent zu Ende, könnte diese die Geschäftsleiter beaufsichtigter Gesell­ 209  Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 330, 336 f.; Negenborn, Bankge­ sellschaftsrecht, 2019, S. 147; Redeke, WM 2015, 554, 556. 210  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 165; Lütgerath, Geschäftsorgani­ sation, 2016, S. 283. 211  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 167 f.; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 329 ff. 212  Binder, ZGR 2013, 760, 780. 213  Binder, ZGR 2013, 760, 774.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung141

schaften zu pauschal öffentlichen Interessen dienenden Sachwaltern der Gläubiger oder sonstiger Stakeholder herabstufen.214 Dies wirft die Frage auf, wie weit die Überlagerung der gesellschaftsrechtlichen Zielkonzeption durch aufsichtsrechtliche Zielsetzungen reicht und ob sie ihrerseits Schran­ ken unterliegt. Eine erste Schranke, die bereits dargestellt wurde, besteht darin, dass das Aufsichtsrecht keine Modifikation der verbandsrechtlichen Leitungsmaximen selbst bewirkt.215 Nur soweit die Gesellschaft aufsichtsrechtlichen Anforde­ rungen unterliegt, müssen die Geschäftsleiter diese Anforderungen im Sinne der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen umsetzen. Statuiert das Aufsichtsrecht hingegen keinen Normbefehl, bildet allein das Unternehmensinteresse den Bezugspunkt für die Pflichten der Geschäftsleiter.216 Dabei ist aber nicht zu verkennen, dass die aufsichtsrechtliche Regulierung, insbesondere aufgrund ihrer prinzipienbasierten Ausgestaltung, die Unternehmensorganisation um­ fassend regelt und daher weitreichende Auswirkungen auf die regulierten Gesellschaften und – über die Legalitätspflicht – auf das Pflichtenprogramm der Geschäftsleiter hat. Eine weitere Schranke ergibt sich daraus, dass die aufsichtsrechtliche Re­ gulierung als staatliches Eingriffsrecht die Grundrechte der beaufsichtigten Gesellschaften zu wahren hat. Mit dem in Art. 17 GRCh geschützte Grund­ recht auf Eigentum unvereinbar wäre es, wenn beaufsichtigte Gesellschaften ihre Unternehmensleitung ausschließlich an öffentlichen Interessen auszu­ richten hätten.217 Denn dies würde dazu führen, dass Aktionärs- und Arbeit­ nehmerinteressen bei der Leitung der Gesellschaft unberücksichtigt blie­ ben.218 Diese grundrechtliche Schranke ist bei der Auslegung der aufsichts­ rechtlichen Anforderungen zu beachten. Daher ist es jedenfalls ausgeschlos­ sen, dass der Einfluss öffentlicher Interessen auf die Unternehmensleitung die grundsätzliche Ausrichtung auf das Unternehmensinteresse vollständig verdrängt. Den Geschäftsleitern obliegt es, bei der Umsetzung aufsichtsrecht­ licher Vorgaben zu prüfen, inwieweit unionsgrundrechtliche Schranken grei­ fen, und ggfs. Abwehrmaßnahmen gegen ungerechtfertigte Eingriffe zu er­ greifen.219 Es ist allerdings nur im Ausnahmefall denkbar, dass die Gesell­ 214  Dazu

Binder, ZGR 2013, 760, 792. oben 2. Teil: B. V. 4. b) aa). 216  Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 331. 217  Binder, ZGR 2013, 760, 789 ff.; Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 379; vgl. auch Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 410 (zur Modifizierung des Bankgesell­ schaftsrechts de lege ferenda); weitergehend dagegen Lütgerath, Geschäftsorganisa­ tion, 2016, S. 275 ff., 284 ff.; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 181. 218  Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 379 (zu Art. 14 GG). 219  Binder, ZGR 2013, 760, 792 ff. 215  Siehe

142

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

schaft von der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen befreit ist, weil diese beispielsweise die in Art. 16 GRCh geschützte unternehmerische Freiheit oder das in Art. 17 GRCh geschützte Grundrecht auf Eigentum in unverhältnismäßiger Weise einschränken würden. Wahrt die Aufsichtsbe­ hörde das Proportionalitätsprinzip, wird dies regelmäßig nicht anzunehmen sein.220 Vorbehaltlich dieser grundrechtlichen Schranken sind die betroffenen Ge­ sellschaften und deren Geschäftsleiter ohne Einschränkung zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben verpflichtet. Zwar ist es dem prinzipienbasier­ ten Ansatz des Aufsichtsrechts immanent, dass die aufsichtsrechtlichen Orga­ nisationsvorgaben einen Umsetzungsspielraum lassen. Diesen Spielraum können die Geschäftsleiter jedoch nur dann im Hinblick auf das Unterneh­ mensinteresse ausüben, wenn die effektive Umsetzung der aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen im Sinne der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen dem nicht entgegensteht.221 Der Einwand, eine aufsichtsrechtlich eindeutig gefor­ derte Maßnahme läge nicht im Unternehmensinteresse, bleibt dem Geschäfts­ leiter verwehrt. Nur wenn mehrere Handlungsoptionen gleich geeignet sind, die aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen zu erreichen, können und müssen die Geschäftsleiter ihre Entscheidung am Unternehmensinteresse ausrichten.222 c) Vereinbarkeit mit der gesellschaftsrechtlichen Zielkonzeption Die Legalitätspflicht transformiert, wie oben ausgeführt, aufsichtsrecht­ liche Zielsetzungen in das Pflichtenprogramm der Geschäftsleiter.223 Zwar bleibt die gesellschaftsrechtliche Zielkonzeption selbst unberührt. Der Hand­ lungsspielraum der Geschäftsleiter, innerhalb dessen sie die Gesellschaft im Sinne des Unternehmensinteresses leiten können, verengt sich durch die aufsichtsrechtlichen Organisationsvorgaben jedoch erheblich. Die aufsichts­ rechtlichen Zielsetzungen lassen sich daher als exogene Nebenbedingung für die Verfolgung des Unternehmensinteresses durch die Geschäftsleiter auffassen. Im Ergebnis orientiert sich das Handeln der Geschäftsleiter in hohem Maße an öffentlichen Interessen. Inwieweit dies im Einklang mit der gesellschaftsrechtlichen Zielkonzeption steht, wird im Folgenden näher be­ leuchtet.

220  Vgl.

Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 135 zu Art. 45 Solvency II. noch unten 3. Teil: C. III. 2. d). 222  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 167; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 355. 223  Sie oben 2. Teil: B. V. 4. b) bb). 221  Dazu



B. Regelungen zur Geschäftsleitung143

aa) Vorrang öffentlicher Interessen im Widerspruch zur gesellschaftsrechtlichen Zielkonzeption (1) Aktienrecht Der Einfluss öffentlicher Interessen auf die Geschäftsleitung stellt einen Paradigmenwechsel dar,224 der mit der aktienrechtlichen Grundkonzeption nur schwerlich in Einklang zu bringen ist.225 Denn eine vorrangige Ausrich­ tung des Vorstandshandelns an öffentlichen Zielsetzungen sieht das Aktien­ recht gerade nicht vor.226 Zwar ist der Vorstand im Rahmen der Unternehmensleitung nach der herr­ schenden Meinung227 einer interessenpluralistischen Zielkonzeption ver­ pflichtet, innerhalb derer er neben den Interessen der Aktionäre auch das Wohl der Arbeitnehmer und sonstiger Stakeholder – wie der Gläubiger – so­ wie die Interessen der Allgemeinheit mit zu berücksichtigen hat. Diese Auf­ fassung erfuhr eine Bestätigung durch die Neufassung des § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG durch das ARUG II228. Bei börsennotierten Unternehmen hat der Auf­ sichtsrat die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige und langfristige Ent­ wicklung der Gesellschaft auszurichten. Die Dopplung der Begriffe „nach­ haltig“ und „langfristig“ macht deutlich, dass der Aufsichtsrat bei der Fest­ setzung der Vergütung auch soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen hat.229 Einen generellen Vorrang der Aktionärsinteressen, der aus der Perspektive des Aufsichtsrechts konzeptionell ausgeschlossen wäre,230 fordert das Aktienrecht demnach nicht. Allerdings soll den Interessen der Aktionäre innerhalb der interessenplura­ listischen Zielkonzeption eine besondere Bedeutung zuzumessen sein.231 Der Vorstand müsse das Interesse des Aktionärs an risikoadäquater Rendite für seinen Kapitaleinsatz im Rahmen seiner Abwägung jedenfalls angemessen ZHR 179 (2015), 563, 583. ZGR 2013, 760, 782 ff. 226  Ebenso Lütgerath, Geschäftsorganisation, 2016, S. 27. 227  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 52  ff., 121 ff.; ders., AG 2012, 605 ff.; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 28 ff.; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 76 Rn. 19 ff.; Goette, ZGR 2008, 436, 447. 228  Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom 12.12.2019, BGBl. I S. 2637. 229  Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG II, BTDrs. 19/15153, S. 62; zum neuen Nachhaltigkeitsbegriff ferner Velte, NZG 2020, 12, 14. 230  Binder, ZGR 2013, 760, 783 f. 231  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 59 ff.; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 76 Rn. 22; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 33. 224  Grundmann, 225  Binder,

144

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

berücksichtigen.232 Auch im Lichte der Interessenpluralität sei die (nachhal­ tige) Rentabilität des Unternehmens oberstes Gebot.233 Demgegenüber soll dem Gemeinwohl eine gewisse, im Vergleich zu den Aktionärs- und Arbeit­ nehmerinteressen aber eher nachrangige Bedeutung zukommen.234 Nach den vorstehenden Überlegungen wird man jedenfalls in der vorrangigen Berück­ sichtigung öffentlicher Interessen gegenüber den Interessen der Aktionäre eine Abweichung von der aktienrechtlichen Leitungsmaxime sehen müssen. Folgt man der Ansicht, wonach der Vorstand allein dem Formalziel der Ge­ winnmaximierung verpflichtet ist,235 gilt dies erst recht. (2) GmbH-Recht Die oben genannten Grundsätze sind auf die GmbH übertragbar. Wie im Aktienrecht ist es umstritten, ob die Geschäftsführer nur dem Gesellschafts­ interesse oder einer pluralistischen Zielkonzeption verpflichtet sind und in­ wieweit sie auch Gemeinwohlinteressen berücksichtigen können bzw. müs­ sen.236 Aufgrund der personalistischen Struktur der GmbH werden die Ge­ schäftsführer den Interessen der Gesellschafter aber jedenfalls eine besondere Stellung einräumen müssen, weshalb eine vorrangige Beachtung öffentlicher Interessen nach dem GmbH-Recht unzulässig wäre.237 (3) Personengesellschaftsrecht Die Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft sind ver­ pflichtet, uneigennützig zu handeln und dürfen sich bei der Führung der Geschäfte grundsätzlich nur vom Gesellschaftsinteresse leiten lassen.238 Dies AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 33. ZHR 175 (2011), 368, 387; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 34; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 62. 234  Kort, AG 2012, 605, 610. 235  Grigoleit, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 76 Rn. 19; Mülbert, ZGR 1997, 129, 140 ff.; vgl. auch Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 76 Rn.  36 ff. 236  Zum Streitstand Fleischer, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 13 ff.; Verse, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 43 Rn. 51 ff.; Beurskens, in: Noack/ Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 43 Rn. 27 f. 237  S. etwa Verse, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 43 Rn. 54: Pflicht der Geschäftsführer, Gemeinwohlbelange trotz renditemindernder Auswirkungen auch über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus zu berücksichtigen, sei nicht begründ­ bar. 238  Jickeli, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 114 Rn. 43; v. Ditfurth, in: Münch­ HdbGesR I, 5. Aufl. 2019, § 53 Rn. 11. 232  J. Koch,

233  Hemeling,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung145

folgt aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.239 Bei der Frage, ob und wieweit die Geschäftsführer berechtigt sind, neben den Interessen der Gesell­ schafter andere Interessen zu berücksichtigen, kann sich an den Grundsätzen zum Aktien- bzw. GmbH-Recht orientiert werden.240 Demnach unterliegen auch die Geschäftsführer einer Personengesellschaft grundsätzlich einer inte­ ressenpluralistischen Zielkonzeption. Sie können – abhängig von der Größe und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens – neben den Inter­ essen der Gesellschafter auch die Belange von Arbeitnehmern, Gläubigern oder der Öffentlichkeit miteinbeziehen, wobei allerdings insbesondere bei personalistisch strukturierten Gesellschaften Einschränkungen vorzunehmen sind.241 Die Berücksichtigung öffentlicher Interessen ist daher auch im Per­ sonengesellschaftsrecht nicht kategorisch ausgeschlossen. Nimmt man im Aktienrecht zumindest ein besonderes Gewicht der Aktio­ närsinteressen an, wird man dies im stärker auf die Interessen der Gesell­ schafter gerichteten Personengesellschaftsrecht allerdings erst recht tun müssen. Eine Verschiebung der Interessenbindung der Geschäftsführer hin zu einer vorrangigen Berücksichtigung öffentlicher Interessen ist in der Perso­ nengesellschaft daher noch problematischer als in einer AG oder GmbH. Während der Vorstand einer AG die Gesellschaft in eigener Verantwortung leitet und nur begrenzten Einflussmöglichkeiten der Aktionäre ausgesetzt ist, sollen die Gesellschafter einer Personengesellschaft nach dem Prinzip der Selbstorganschaft vorrangig selbst die Geschicke der Gesellschaft bestim­ men. Die persönliche Haftung und die Verantwortung der Gesellschafter müssen korrelieren.242 Die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft soll den persönlich haftenden Gesellschafter vorbehalten bleiben, um diese vor fremdbestimmten Risiken zu schützen.243 Damit ist die vorrangige Bindung der Geschäftsführer an öffentliche Interessen nur schwer vereinbar. Die nicht geschäftsführenden Gesellschafter haften persönlich, unterliegen aber dem Regime eines oder mehrerer Geschäftsführer, die ihr Handeln nicht vorrangig nach ihrem Interesse, sondern nach öffentlichen Interessen ausrichten. Von einer Korrelation von Haftung und Verantwortung kann nur noch bedingt gesprochen werden. Im Ergebnis lässt sich konstatieren, dass die Überlage­ rung des Gesellschaftsinteresses durch öffentliche Interessen eine Aushöh­ in: MünchHdbGesR I, 5. Aufl. 2019, § 53 Rn. 11. in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 39. 241  C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 39. 242  C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 33 m. w. N.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb PersonengesellschaftsR, 81. Lfg 09.2021, Rn. I 235. 243  C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 33; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb PersonengesellschaftsR, 81. Lfg. 09.2021, Rn. I 235. 239  v. Ditfurth,

240  C. Schäfer,

146

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

lung des Prinzips der Selbstorganschaft bewirkt, das im Anwendungsbereich des EU-Aufsichtsrechts nur noch beschränkt zur Entfaltung kommen kann. bb) Kein vollständiger Gleichlauf aufsichtsrechtlicher Zielsetzungen mit den Gesellschafterinteressen Nach den vorstehenden Ausführungen ist ein Vorrang öffentlicher Interes­ sen vor den Interessen der Gesellschafter nicht mit der gesellschaftsrecht­ lichen Zielkonzeption zu vereinbaren. Dieser Zielkonflikt lässt sich nicht dadurch entschärfen, dass man generell einen Interessengleichlauf der auf­ sichtsrechtlichen Zielsetzungen mit den Interessen der Gesellschafter an­ nimmt. Zwar können die Ziele des Aufsichtsrechts im Einzelfall durchaus mit den Gesellschafterinteressen übereinstimmen. So liegen die Stabilität des Unternehmens und die Vermeidung von Insolvenzen auch im Interesse der Gesellschafter, die anderenfalls ihre Einlage verlieren. Demgemäß bezweckt das Gesellschaftsrecht ebenso wie das Aufsichtsrecht den Schutz des Unter­ nehmens vor einer Krise bzw. Insolvenz.244 Die Geschäftsleiter sind zu einer langfristigen und nachhaltigen Bestandssicherung der Gesellschaft verpflich­ tet.245 Allerdings dient die Bestandssicherung im Gesellschaftsrecht dem Unternehmenswohl – also zumindest auch den Interessen der Gesellschaf­ ter –, während das Aufsichtsrecht die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors gewährleisten will.246 Lediglich als Reflexwirkung des eigentlich bezweckten Funktionsschutzes können die aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen im Inte­ resse der Gesellschafter liegen.247 Die aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen können den Interessen der Anteils­ eigner sogar diametral widersprechen. Durch die aufsichtsrechtlichen Vorga­ ben zur Corporate Governance von zentralen Gegenparteien und Zentralver­ wahrern soll verhindert werden, dass diese systemrelevanten Finanzdienst­ leister in Schwierigkeiten geraten und es dadurch zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten kommt. Das Aufsichtsrecht fordert deshalb eine risikoaverse Unternehmensführung der betroffenen Gesellschaften.248 Dies nützt den Gläubigern der Gesellschaft, deren Interessen durch das Aufsichtsrecht DB 2016, 1118, 1122; Binder, ZGR 2013, 760, 783. in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 118; ders., in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 54 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 73. 246  J.-B. Fischer, Ausstrahlungswirkungen, 2018, S. 170. 247  J.-B. Fischer, Ausstrahlungswirkungen, 2018, S. 172. 248  Vgl. Heremans, Corporate Governance Issues for Banks, 2007, S. 5, 13  f.; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance von Ban­ ken, 1. Aufl. 2011, S. 58; Busch/Ferrarini/van Solinge, in: Busch/Ferrarini/van So­ linge, Governance of financial institutions, 2019, S. 3, 13; Paetzmann, in: Paetzmann/ Schöning, Corporate Governance, 2014, S. 3, 12 f. 244  AKEIÜ, 245  Kort,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung147

gleich- oder sogar vorrangig zu Gesellschafterinteressen Rechnung getragen wird.249 Die renditeorientierten Anteilseigner bevorzugen demgegenüber ten­ denziell eine risikofreudigere Unternehmensführung.250 Richtet der Ge­ schäftsleiter sein Handeln im Wesentlichen an den Interessen hinreichend diversifizierter Gesellschafter aus (Shareholder Value), wird er eine riskantere Geschäftsstrategie verfolgen, die der aufsichtsrechtlichen Konzeption der Risikovermeidung widerspricht.251 Das traditionelle Ziel der Corporate Gov­ ernance, die Interessen der Geschäftsleiter denen der Anteilseigner anzu­ gleichen,252 kann in beaufsichtigten Gesellschaften deshalb nur in beschränk­ tem Maße zur Geltung kommen. Diese Entwicklung wird – in Abgrenzung zu einer gesellschaftsrechtlichen „Equity Governance“ – als „Risk-Govern­ ance“, „Creditor Governance“ oder „Debt Governance“ bezeichnet.253 Dazu kommt, dass das Aufsichtsrecht zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes die Interessen gesellschaftsfremder Dritter in den Blick nimmt, beispielsweise der Nutzer eines Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssystems im Rahmen der CSDR oder der Clearingmitglieder einer zentralen Gegenpar­ tei. Es liegt auf der Hand, dass die Interessen dieser externen Stakeholder mit den Interessen der Gesellschafter keineswegs übereinstimmen müssen. cc) Aufsichtsrecht als Konkretisierung eines allgemeinen Krisen-Gesellschaftsrechts? Des Weiteren überzeugt es nicht, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben an das Geschäftsleiterhandeln lediglich als Konkretisierungen und Ausformulierun­ gen eines allgemeinen „Krisen-Gesellschaftsrechts“ zu verstehen.254 Zwar müssen auch die Geschäftsleiter außerhalb der Finanzbranche Externalitäten in Situationen, die besonders krisenanfällig sind, berücksichtigen.255 Das Geschäftsleiterhandeln im Finanzsektor als ein Handeln zu qualifizieren, das stets das Risiko von Insolvenz und Krise in sich trägt,256 ginge aber zu weit. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben gelten generell und völlig unabhängig von der konkreten Gefahr einer Krise. Die Tatsache, dass das Aktienrecht im 249  Hopt, ZGR 2017, 438, 446 f., 458 f.; ders., Journal of Corporate Law Studies 13 (2013), 219, 223. 250  Hopt, EuZW 2010, 561; Hopt/Leyens, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corpo­ rate Governance von Banken, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 105. 251  Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 378. 252  Dazu bereits oben 1. Teil: B. II. 1. b). 253  Dazu bereits oben 1. Teil: B. II. 2. b) aa). 254  Zu diesem Erklärungsansatz Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 584 f. 255  Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 584. 256  Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 585.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Spezialfall einer Krise ebenfalls eine Modifikation des Geschäftsleiterhan­ dels vorsieht, ändert nichts daran, dass eine generelle vorrangige Berücksich­ tigung öffentlicher Interessen im Widerspruch zur gesellschaftsrechtlichen Grundkonzeption steht. d) Ergebnis Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Corporate Governance be­ wirken zwar keine Veränderung der verbandsrechtlichen Leitungsmaximen, wohl aber eine punktuelle Überlagerung des Unternehmensinteresses durch öffentliche Interessen, soweit die betroffenen Gesellschaften aufsichtsrecht­ lichen Corporate Governance-Anforderungen unterliegen.257 Die Legalitäts­ pflicht transformiert die aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen in das Pflichten­ programm der Geschäftsleiter. Zwar bleibt deren Bindung an das Unterneh­ mensinteresse unberührt. Aufgrund ihrer Legalitätspflicht müssen die Ge­ schäftsleiter aber vorrangig öffentliche Interessen berücksichtigen, soweit sie aufsichtsrechtliche Anforderungen umsetzen. Dies weicht von der gesell­ schaftsrechtlichen Zielkonzeption ab, weil nach dieser auch im Rahmen des interessenpluralistischen Ansatzes den Interessen der Gesellschafter eine be­ sondere Stellung einzuräumen ist. Auch ein vollständiger Gleichlauf der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen mit den Interessen der Gesellschafter ist nicht festzustellen, weil beispielsweise das aufsichtsrechtliche Ziel der Risi­ kovermeidung zulasten der langfristigen Rentabilität des Unternehmens ge­ hen kann. Grenzen sind den aufsichtsrechtlichen Einwirkungen auf die Un­ ternehmensleitung dort gesetzt, wo unionsgrundrechtliche Schranken eingrei­ fen, was aber nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein wird. 5. Beschränkung des unternehmerischen Ermessens Dem Vorstand einer AG steht im Rahmen der eigenverantwortlichen Lei­ tung der Gesellschaft nach § 76 AktG ein breites unternehmerisches Ermes­ sen zu.258 Ihm muss ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, da dieser Grundvoraussetzung jeder unternehmerischen Tätigkeit ist.259 In Be­ zug auf die Organhaftung ist dieses Ermessen in Form der Business Judg­ 257  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 167 f.; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 329 ff. 258  BGHZ 125, 239, 246, 248 = WM 1994, 635; BGHZ 135, 244, 253 = WM 1997, 970 (ARAG/Garmenbeck); Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 51 m. w. N.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 36; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 76 Rn. 68; Hommelhoff, AG 2016, 684, 685. 259  BGHZ 135, 244, 253 = WM 1997, 970 (ARAG/Garmenbeck).



B. Regelungen zur Geschäftsleitung149

ment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifiziert. Der unternehmerische Er­ messensspielraum umfasst insbesondere das bewusste Eingehen geschäft­ licher Risiken.260 Die Business Judgment Rule dient unter anderem dazu, im Interesse der Aktionäre die Risikoaversion des Vorstands zu verringern und dadurch den Prinzip-Agenten-Konflikt zu entschärfen.261 Riskante, aber möglicherweise gewinnträchtige Entscheidungen sollen nicht im Hinblick auf ein mögliches Haftungsrisiko unterbleiben. Bei regulierten Unternehmen wird der Ermessensspielraum des Vorstands angesichts der zunehmenden Regelungsdichte der aufsichtsrechtlichen Orga­ nisationsvorgaben erheblich beschränkt. Das Aufsichtsrecht bewirkt eine starke Verrechtlichung des unternehmerischen Handlungsermessens.262 Ent­ scheidungen des Vorstands, die bei nicht regulierten Unternehmen als unter­ nehmerische Unterscheidungen privilegiert sind, unterliegen bei Unter­ nehmen des Finanzsektors der Legalitätspflicht. Dadurch verringert sich der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule.263 Dies führt zu Haftungsrisiken gegenüber der Gesellschaft, wenn der Vorstand die auf­ ­ sichtsrecht­lichen Vorgaben zur Corporate Governance nicht ordnungsgemäß umsetzt.264 Zudem wirkt sich die Beschränkung des unternehmerischen Er­ messens bereits im Vorfeld von Haftungsfällen aus. Wenn die oben be­ schriebene Verhaltenssteuerung der Business Judgment Rule nicht mehr greift, könnte der Vorstand aus Angst vor Haftungsrisiken zu risikoscheu agieren, was – wie bereits ausgeführt – zulasten des Ertrags des Unterneh­ mens und damit zulasten der Aktionäre ginge. Der „Mut zum unternehme­ rischen Risiko“, der unabhängige Voraussetzung für das erfolgreiche Aus­ üben einer Unternehmerfunktion ist, könnte dadurch erheblich beschränkt werden.265 Hinzu kommt, dass das Aufsichtsrecht häufig ein Verhalten des Vorstands fordern wird, das betriebswirtschaftlich nicht geboten ist.266 Der gesellschaftsrechtliche Grundsatz, dass die Geschäftsleiter zur Unterneh­ mensleitung Handlungsspielräume benötigen, wird für die aufsichtsrecht­

260  BGHZ 135, 244, 253 = WM 1997, 970 (ARAG/Garmenbeck); Kort, in: GKAktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 51a. 261  Holle, AG 2011, 778, 781 f.; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 80; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 43. 262  Langenbucher, ZBB 2013, 16, 19; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S.  163 ff.; Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 7. 263  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 168; s. dazu auch Lütgerath, Ge­ schäftsorganisation, 2016, S. 280 f. 264  Dazu näher unten 3. Teil: C. 265  Lütgerath, Geschäftsorganisation, 2016, S. 281. 266  Binder, ZGR 2015, 667, 706 f.; Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 145.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

lichen Vorgaben zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zumindest teilweise außer Kraft gesetzt.267 In der Literatur wurde erwogen, dass den Unternehmen ein Kern unterneh­ merischer Organisationsautonomie verbleiben müsse, der eine absolute Schranke gegenüber den aufsichtsrechtlichen Befugnissen bildet.268 Die Auf­ sichtsbehörde könne autonom getroffene Organisationsentscheidungen nicht durch eigene Organisationsvorstellungen ersetzen, was aus dem für unterneh­ merische Entscheidungen gewährten gerichtlich nicht überprüfbaren Frei­ raum folge.269 Diese Einschränkungen können aber – vorbehaltlich unions­ grundrechtlicher Schranken – jedenfalls dort keine Gültigkeit beanspruchen, wo der unternehmerische Entscheidungsspielraum durch Vorgaben des un­ mittelbar anwendbaren EU-Aufsichtsrechts beschränkt wird. Zwar könnte eine zu starke Beschränkung des unternehmerischen Ermessens gegen Art. 16 GRCh verstoßen.270 Hierbei ist aber zu beachten, dass der EuGH dem Ge­ setzgeber einen weitreichenden Regelungsspielraum lässt.271 Angesichts der hohen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der aufsichtsrechtlichen Zielset­ zungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen die unternehmerische Freiheit nicht unverhält­ nismäßig beschränken.272 Die Festlegung der Geschäftsstrategie der beauf­ sichtigten Unternehmen, die dem Kernbereich unternehmerischer Leitungs­ funktion zuzurechnen ist, bleibt von den aufsichtsrechtlichen Organisations­ anforderungen unberührt.273 Im Übrigen ist durch die Verwendung eines prinzipien­basierten Regulierungsansatzes zumindest gewährleistet, dass den Geschäftsleiter ein gewisser Spielraum bei der Umsetzung der aufsichtsrecht­ lichen Vorgaben verbleibt. 6. Delegation von Leitungsaufgaben auf unabhängige Unternehmenseinheiten Das EU-Aufsichtsrecht verlangt die Einrichtung einer Compliance-Funk­ tion sowie einer Innenrevision. Grundsätzlich sind solche unternehmensinter­ nen Funktionen nicht nur gesellschaftsrechtlich anerkannt, sondern sogar Geschäftsorganisation, 2016, S. 293. WM 2014, 2345, 2350 zum Beispiel der zeitlichen Verfügbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. 269  Plagemann, WM 2014, 2345, 2350. 270  Vgl. Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 135. 271  Siehe oben 1. Teil: C. IV. 4. c) aa). 272  So auch Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 135 für die unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung nach Art. 45 Solvency II. 273  Vgl. Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 136. 267  Lütgerath,

268  Plagemann,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung151

unerlässlich für eine sinnvolle Unternehmensorganisation. Problematisch sind aber Regelungen, die eine Unabhängigkeit dieser nachgeordneten Unter­ nehmenseinheiten von der Geschäftsleitung vorsehen, weil darin eine unzu­ lässige Delegation von Leitungsaufgaben zu sehen sein könnte. Die eigen­ verantwortliche Leitung nach § 76 AktG beinhaltet, dass der Vorstand Lei­ tungsaufgaben selbst wahrnimmt, also nicht auf nachgeordnete Mitarbeiter delegiert.274 Die Leitungsaufgaben umfassen als herausgehobener Teil der Geschäftsführung jene Aufgaben, die zum Kernbereich der Geschäftsleiter­ tätigkeit gehören.275 a) Compliance-Funktion aa) Unabhängigkeit des Compliance-Beauftragten Zentrale Gegenparteien und Ratingagenturen müssen über eine Compli­ ance-Funktion verfügen, die permanent und wirksam sein und von den ande­ ren Funktionen des Unternehmens unabhängig arbeiten muss.276 Der Grund­ satz der Unabhängigkeit bezieht sich nicht nur auf die Compliance-Funktion als Unternehmenseinheit, sondern auch auf den Compliance-Beauftragten als deren Leiter.277 Die Benennung eines Compliance-Beauftragten ist zwar nur in Anh. I Abschnitt A Nr. 6 Abs. 1 lit. b CRAR ausdrücklich vorgeschrieben, aber auch in allen anderen Fällen erforderlich, weil das Aufsichtsrecht eine permanente Compliance-Funktion verlangt.278 Im Übrigen ist davon auszu­ gehen, dass sich hinter dem in Art. 6 Abs. 2 EMIR-DelVO genannten „Com­ pliance-Vorstand“ ungeachtet der missverständlichen Formulierung ebenfalls der Compliance-Beauftragte verbirgt.279 Die aufsichtsrechtlich geforderte Unabhängigkeit des Compliance-Beauf­ tragten steht in einem erheblichen Spannungsverhältnis zur Gesamtverant­ wortung des Vorstands für die Compliance nach § 76 Abs. 1 AktG.280 Die 274  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 49; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 63; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 76 Rn.  9; a. A. Kuntz, AG 2020, 801, 809 ff.; kritisch auch J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 8. 275  Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517, 519; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn.  28 ff. 276  Art. 6 Abs. 1 EMIR-DelVO; Anh. I Abschnitt A Nr. 5 CRAR. In Art. 47 Abs. 3 lit. c, 49 Abs. 4 Satz 3 CSDR-DelVO wird das Bestehen einer Compliance-Funktion vorausgesetzt, ohne deren Aufgaben näher zu bestimmen. 277  Wundenberg, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 33 Rn. 43. 278  Lösler, WM 2008, 1098, 1099. 279  Siehe oben 2. Teil: B. IV. 2. b). 280  Wundenberg, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 33 Rn. 44 ff.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Compliance gehört als Bestandteil der Unternehmenskontrolle zur den Lei­ tungsaufgaben des Vorstands, die einer Delegation auf nachgeordnete Mitar­ beiter entzogen sind.281 Dies bedeutet zwar nicht, dass der Vorstand die Lei­ tungsaufgaben höchstpersönlich wahrnehmen muss. Bedient er sich der Hilfe unternehmensinterner Mitarbeiter, hat er allerdings sicherzustellen, dass ihm das Letztentscheidungsrecht verbleibt und er über die Umsetzung der Ent­ scheidungen informiert ist.282 Daraus folgt grundsätzlich, dass dem Vorstand gegenüber den Mitarbeitern, die die entsprechende Funktion ausüben, ein Weisungsrecht zusteht.283 Die aufsichtsrechtlich geforderte Unabhängigkeit des Compliance-Beauftragten wird aber zum Teil so verstanden, dass dieser im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung frei von Weisungen des Vorstands agieren könne.284 Begründet wird dies damit, dass der Compliance-Beauf­ tragte im öffentlichen Interesse tätig werde. Er nehme in der Gesellschaft eine Doppelrolle ein, weil er einerseits dem Wohl des Unternehmens ver­ pflichtet sei, andererseits aber auch im öffentlichen Interesse handle. Nach der wohl herrschenden Gegenansicht kann der Vorstand die ComplianceVerantwortung dagegen jederzeit wieder an sich ziehen und dem Compli­ ance-Beauftragtem und dessen Mitarbeitern Weisungen erteilen.285 Der Compliance-Beauftragte nehme keine öffentlichen Interessen war, sondern werde allein im wohlverstandenen Unternehmensinteresse tätig.286 Die Compliance-Funktion habe eine vorwiegend beratende Aufgabe.287 bb) Stellungnahme Hinsichtlich der Pflichtenbindung des Compliance-Beauftragten über­ zeugt – zumindest im Anwendungsbereich der hier untersuchten Verordnun­ gen – die Annahme, dass der Compliance-Beauftragte im öffentlichen Inte­ 281  J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 12; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 17; Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 736 ff. 282  Zur Compliance-Funktion Veil, WM 2008, 1093, 1096; allgemein Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 49; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 18; Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517, 526 ff. 283  Veil, WM 2008, 1093, 1096. 284  Hierzu und zum Folgenden Veil, WM 2008, 1093, 1097 f.; ebenso Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, § 80 WpHG Rn. 95; für eine partielle Wei­ sungsfreiheit L. Winkler, Aufsichtsrat im Versicherungsunternehmen, 2017, S. 126 ff. 285  Meyer/Paetzel/Will, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 33 Rn. 114; Lösler, WM 2008, 1098, 1103 f.; Casper, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199, 203 ff.; Spindler, WM 2008, 905, 910 f.; Kort, in: FS Roth, 2011, S. 407, 418; ders., in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 Rn. 163. 286  Casper, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199, 203 ff., 208; Lösler, WM 2008, 1098, 1102; Kort, in: FS Roth, 2011, S. 407, 410. 287  Lösler, WM 2008, 1098, 1104.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung153

resse tätig wird. Die aufsichtsrechtlich geforderte Compliance-Funktion soll nicht im Unternehmensinteresse die Beachtung aller Rechtsvorschriften si­ cherstellen, sondern bezieht sich speziell auf die Einhaltung der Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts. Zwar folgt eine diesbezügliche Pflicht bereits aus der gesellschaftsrechtlichen Legalitätskontrollpflicht. Gleichwohl ist der Compliance-Beauftragte Teil des Instrumentariums, um die Umsetzung der Ziele des EU-Aufsichtsrechts sicherzustellen. Dafür spricht überdies der Grundsatz der effektiven Umsetzung des Unionsrechts.288 Zwar bleibt der Vorstand, von dessen Leitungskompetenz sich die Stellung des ComplianceBeauftragten ableitet, grundsätzlich dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Im Rahmen der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Organisationsanforderungen wird dieses allerdings durch öffentliche Interessen überlagert.289 Gleiches muss für den Compliance-Beauftragten gelten, der demnach im öffentlichen Interesse tägig wird, soweit er die Einhaltung des EU-Aufsichtsrechts über­ wacht. Daraus, dass der Compliance-Beauftragte im öffentlichen Interesse tätig wird, kann allerdings nicht zwingend auf dessen Weisungsfreiheit gegenüber dem Vorstand geschlossen werden. Soweit es um die Umsetzung des EUAufsichtsrechts geht, ist der Vorstand selbst aufgrund seiner Legalitätspflicht öffentlichen Interessen verpflichtet; daraus folgt, dass er sein Weisungsrecht gegenüber dem Compliance-Beauftragten in diesem Sinne ausüben muss. Für das Ziel einer wirksamen Compliance im Sinne des Aufsichtsrechts ist es zudem nicht erforderlich, dass die Compliance-Funktion vollständig unab­ hängig vom Vorstand arbeitet. Entscheidend ist vor allem, dass sie ihre Auf­ gaben unabhängig von der Geschäftsentwicklung des Unternehmens, weitge­ hend selbstbestimmt und ausgestattet mit den erforderlichen Ressourcen ausüben kann.290 Hierzu genügt es, dass der Compliance-Beauftragte gegen­ über Stellen unterhalb der Vorstandsebene weisungsfrei arbeitet.291 Ohnehin wäre selbst eine Weisungsfreiheit des Compliance-Beauftragten gegenüber dem Vorstand mit der Leitungsverantwortung vereinbar, sofern dem Vorstand ausreichend Überwachungsbefugnisse zustehen, wozu insbe­ sondere die Möglichkeit des Widerrufs seiner Benennung sowie Informa­ tionsrechte zählen.292 Diese Überwachungsrechte stehen dem Vorstand im Anwendungsbereich der hier untersuchten Verordnungen zu. So muss der Compliance-Beauftragte nach Anh. I Abschnitt A Nr. 6 Abs. 3 CRAR der Geschäftsleitung regelmäßig Bericht über die Wahrnehmung seiner Aufgaben WM 2008, 1093, 1097. oben 2. Teil: B. V. 4. 290  Lösler, WM 2008, 1098, 1104. 291  Spindler, WM 2008, 905, 911; Kort, in: FS Roth, 2011, S. 407, 418 f. 292  Veil, WM 2008, 1093, 1097 f. 288  Veil,

289  Dazu

154

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

erstatten. Bei zentralen Gegenparteien muss der Compliance-Vorstand regel­ mäßig dem Leitungsorgan Bericht erstatten, was entsprechend der aktien­ rechtlichen Kompetenzordnung jedenfalls eine Berichtslinie an den Vorstand umfasst. Eine ausreichende Informationsversorgung des Vorstands ist dadurch gesichert. Auch ist mangels entgegenstehender aufsichtsrechtlicher Vorschrif­ ten davon auszugehen, dass der Vorstand die Benennung des ComplianceBeauftragten jederzeit widerrufen kann. cc) Ergebnis Ein Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht besteht nach dem oben Gesagten nicht. Beaufsichtigte Gesellschaften sind aber insofern in ihrem Organisati­ onsermessen beschränkt, als sie eine Compliance-Funktion einrichten, einen Compliance-Beauftragten benennen und dessen Unabhängigkeit organisato­ risch gewährleisten müssen. Die Unabhängigkeit und Autorität des Compli­ ance-Beauftragten müssen sie disziplinarisch durch einen formalen Status, durch die Übertragung der erforderlichen Kompetenzen und durch eine aus­ reichende Ausstattung mit personellen und sachlichen Ressourcen sicherstel­ len.293 b) Innenrevision aa) Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung Ebenso wie die Compliance gehört die Einrichtung und Unterhaltung einer internen Revision zu den Leitungsaufgaben des Vorstands.294 Auch insoweit kann der Vorstand sich zwar zur Vorbereitung, Unterstützung und Ausfüh­ rung der Hilfe nachgeordneter Mitarbeiter bedienen, die letztendlichen Ent­ scheidungen muss er aber selbst treffen.295 Bei zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrern ist das Verhältnis von Innenrevision296 und Vorstand unklar, weshalb insoweit ein Konflikt mit der Leitungsverantwortung des Vorstands im Raum steht. Nach Art. 7 Abs. 6 Satz 4 EMIR-DelVO untersteht die Innenrevision „direkt dem Leitungs­ in: Ellenberger/Bunte, BankR-Hdb., 6. Aufl. 2022, § 89 Rn. 100a. WM 2008, 1765, 1769; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 115; Obermayr, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compli­ ance, 3. Aufl. 2016, § 44 Rn. 148; Lanfermann/Röhricht, BB 2009, 887, 890. 295  Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765, 1769 f. 296  Die Begriffe „Innenrevision“ (Art. 11 EMIR-DelVO) und „interne Auditfunk­ tion“ (Art. 51 CSDR-DelVO) sind Synonyme; vgl. die englischen Sprachfassungen, in denen jeweils der Begriff „internal audit function“ verwendet wird. 293  Faust,

294  Dreher/Schaaf,



B. Regelungen zur Geschäftsleitung155

organ“. Daraus wird abgeleitet, dass sie aufbauorganisatorisch dem Vorstand unterstehe,297 was der Kompetenzverteilung des Aktiengesetzes entspräche. Allerdings könnte dem die Regelung des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMIR-DelVO widersprechen, wonach die Innenrevision von der Geschäftsführung „hinrei­ chend unabhängig“ ist und direkt an das Leitungsorgan berichtet.298 Eine interne Revision, die ausschließlich den Weisungen des Aufsichtsrats unter­ liegt, wäre mit dem Aktienrecht nicht vereinbar.299 Ob tatsächlich ein Kon­ flikt mit dem Gesellschaftsrecht vorliegt, hängt – ähnlich wie bei der unab­ hängigen Compliance-Funktion – entscheidend davon ab, was unter der auf­ sichtsrechtlich geforderten „hinreichenden Unabhängigkeit“ zu verstehen ist. Dies könnte dahin zu verstehen sein, dass die Aufgabe der Innenrevision zwingend auf eine Funktion delegiert werden muss, die unabhängig von Wei­ sungen des Vorstands arbeitet und von diesem nicht abberufen werden kann. Hierfür könnte sprechen, dass Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMIR-DelVO ausdrück­ lich die Unabhängigkeit von der Geschäftsführung fordert, während Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMIR-DelVO für die Compliance-Funktion lediglich die Un­ abhängigkeit von anderen Funktionen der zentralen Gegenpartei verlangt. Gegen eine solche Auslegung spricht aber bereits der Wortlaut, wonach die Innenrevision nur hinreichend unabhängig von der Geschäftsführung sein muss. Zudem erklärt sich die von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMIR-DelVO gefor­ derte Unabhängigkeit der Innenrevision von der Geschäftsführung daraus, dass die Verordnung terminologisch an das monistische System angelegt ist. In Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfassung ist nicht die Ge­ schäftsleitung, sondern das Board für das Risikomanagement verantwort­ lich.300 Im dualistischen System ergibt die Regelung dagegen wenig Sinn, sofern mit dem Leitungsorgan der Vorstand gemeint ist. Denn die Innenrevi­ sion kann schwerlich gleichzeitig vom Vorstand unabhängig sein und dem Vorstand unterstehen. Eine Zuständigkeitsverteilung, die der Kompetenzver­ teilung des dualistischen Systems grundlegend widerspricht, entspricht im Zweifel nicht dem Willen des Unionsgesetzgebers. Denn dieser wollte im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Regulierung ausdrücklich die „allgemeine Verteilung der Befugnisse nach dem nationalen Gesellschaftsrecht“ unberührt lassen.301 Zwar lässt sich hieraus gerade kein genereller Vorrang des nationa­ in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 10. vergleichbare Regelung findet sich für Zentralverwahrer in Art. 51 Abs. 1 lit. f CSDR-DelVO, wonach die interne Auditfunktion die „Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung und direkte Berichterstattung an das Leitungsorgan“ sicherstellen muss. 299  Lanfermann/Röhricht, BB 2009, 887, 890. 300  Velte, WM 2010, 1635, 1638 (zur monistischen SE). 301  ErwGr. 36 Satz 5 CSDR. 297  Redeke, 298  Eine

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

len Gesellschaftsrechts ableiten,302 das Nebeneinander von monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung in der Union soll aber ermöglicht werden. Die geforderte Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung ist deshalb nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die Innenrevision als vom Vorstand unab­ hängiges Organ einzurichten ist. Vielmehr genügt es den aufsichtsrechtlichen Anforderungen, wenn die Innenrevision als eigenständige Funktionseinheit gebildet wird, die dem Vorstand unterstellt bleibt. Die Innenrevision ist also nicht Träger eigenständiger, von der Geschäftsführung losgelöster Aufgaben, sondern übt eine unterstützende, „dienende“ Funktion aus.303 Die allgemeine Verantwortlichkeit des Vorstands für die interne Revision bleibt unberührt.304 Daraus folgt insbesondere, dass ein Austausch der Mitarbeiter der Innenrevi­ sion durch den Vorstand möglich sein muss. bb) Weisungsfreiheit der Innenrevision Gleichwohl könnte die aufsichtsrechtliche Vorgabe dahingehend auszule­ gen sein, dass die Innenrevision ihre Arbeit frei von Weisungen des Vorstands verrichten können muss. Selbst eine solche Weisungsfreiheit wäre – wie oben bereits ausgeführt – gesellschaftsrechtlich zulässig, wenn das Letztent­ scheidungsrecht des Vorstands durch ausreichende Überwachungsbefugnisse sichergestellt ist.305 Zwar könnte es hier zweifelhaft sein, ob dem Vorstand die notwendigen Informationsrechte zustehen, weil die Innenrevision direkt an das Leitungsorgan berichten soll, womit hier der Aufsichtsrat gemeint ist. Dies ist jedoch nicht dahingehend auszulegen, dass eine zusätzliche, aus dem Gesellschaftsrecht folgende Berichtspflicht an den Vorstand ausgeschlossen ist. Denn der Zweck der Berichtspflicht, eine ausreichende Informationsver­ sorgung des Aufsichtsrats für dessen wirksame Überwachung der Geschäfts­ leitung sicherzustellen,306 wird durch eine zusätzliche Berichtspflicht an den Vorstand nicht berührt.

302  Sie

oben 1. Teil: C. IV. 4. b) sowie unten 2. Teil: C. II. 5. b) aa). auch für das VAG Heukamp, Versicherungsaufsichtsrecht, 2016, § 3 Rn. 100. Allerdings fordert das VAG auch nicht explizit die Unabhängigkeit der inter­ nen Revision von der Geschäftsleitung. 304  Vgl. für das VAG auch Heukamp, Versicherungsaufsichtsrecht, 2016, § 3 Rn. 100. 305  Hierzu und zum Folgenden Veil, WM 2008, 1093, 1097 f. für die Compliance Funktion nach § 33 WpHG a. F. 306  Zur aktienrechtlichen Zulässigkeit direkter Berichtslinien an den Aufsichtsrat unten 2. Teil: C. VII. 303  So



B. Regelungen zur Geschäftsleitung157

Überzeugender ist es ohnehin, ein Weisungsrecht des Vorstands zuzulassen und die geforderte Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung vorrangig in einem organisatorischen Sinn auszulegen. Danach verlangt das Aufsichts­ recht in erster Linie eine personelle Trennung zwischen den Geschäftsleitern und den Mitgliedern der Innenrevision. Auch ist eine Prozessunabhängigkeit erforderlich in dem Sinne, dass die Innenrevision zunächst eigenverantwort­ lich arbeitet und ihre Ergebnisse dann dem Vorstand zuleitet. Im Ergebnis steht das Erfordernis, dass die Innenrevision von der Geschäftsführung hin­ reichend unabhängig sein muss, nicht im Widerspruch zur Leitungsverant­ wortung des Vorstands. c) Ergebnis Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Compliance-Funktion und zur In­ nenrevision stehen nicht im Widerspruch zu zwingendem Gesellschafsrecht. Gleichwohl wirken sich die Vorgaben der Verordnungen auf das Kompetenz­ gefüge innerhalb der regulierten Aktiengesellschaft aus. Es kommt zu einer zusätzlichen Verselbstständigung von Funktionen unterhalb der Vorstands­ ebene, was einem allgemeinen Trend im Aufsichtsrecht entspricht.307 Inner­ halb der Gesellschaft bildet sich ein Mehrebenensystem, in dem die Ge­ schäftsführung und die Rechtsaufsicht getrennt sind, was dem Aktiengesetz an sich fremd ist. Dadurch kommt es zu einer Vervielfachung der gesell­ schaftsrechtlichen Überwachungsinstanzen, weil der Vorstand die Überwa­ chung der Geschäftsleitung durch interne Kontrollmechanismen sicherstellen und gleichzeitig selbst die mit dieser Aufgabe betrauten nachgeordneten Mitarbeiter überwachen muss.308 Obwohl kein direkter Konflikt mit der Lei­ tungsverantwortung nach § 76 AktG besteht, steht die Verlagerung von Zu­ ständigkeiten auf untere Ebenen doch in einem Spannungsverhältnis zur Letztverantwortung des Vorstands, weil Verantwortung mit einer korrespon­ dierenden Gestaltungshoheit einhergehen muss.309

VI. Vergütung der Geschäftsleitung Fehlentwicklungen in der Vergütungspolitik von Unternehmen des Finanz­ sektors wurden als weiterer Grund für die Finanzkrise identifiziert.310 Folge­ richtig enthält das EU-Aufsichtsrecht Regelungen, die sowohl die Zuständig­ 307  Hierzu

und zum Folgenden Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 756. VersR 2009, 1293, 1303. 309  Nietsch, ZHR 180 (2016), 733, 756. 310  Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance (Fn.  5, S. 29), 2.6.2010, S. 11. 308  Armbrüster,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

keit und das Verfahren für die Festlegung der Vergütungspolitik als auch qualitative Vorgaben an die Ausgestaltung der Vergütung umfassen. Regelun­ gen zur Geschäftsleitervergütung finden sich für zentrale Gegenparteien311 und Zentralverwahrer312. 1. Zuständigkeit Nach den Art. 7 Abs. 2 lit. c EMIR-DelVO und Art. 49 Abs. 2 UAbs. 1 lit. d CSDR-DelVO ist das Leitungsorgan für die Festlegung einer angemes­ senen Vergütungspolitik verantwortlich. Die Vergütungspolitik erfasst dabei die Vergütung der Mitarbeiter und der Geschäftsleiter. An der Einbeziehung der Geschäftsleiter könnte man zwar zweifeln, weil Art. 8 Abs. 1 Satz 1 EMIR-DelVO von der „Umsetzung [der Vergütungspolitik] durch die Geschäftsleitung“ spricht. Allerdings wäre die Vorgabe des Art. 26 Abs. 5 EMIR, dass die Vergütungspolitik, einem soliden, effektiven Risikomanage­ ment förderlich sein soll, bei einer Aussparung der Geschäftsleitervergütung kaum umsetzbar.313 Die einheitliche Verantwortlichkeit des Leitungsorgans für die Festlegung der Vergütung entspricht der grundsätzlichen Kompetenzverteilung im mo­ nistischen System. Das Board ist aufgrund seiner Allzuständigkeit nicht nur für die Mitarbeitervergütung, sondern auch für die Vergütung seiner Mitglie­ der, einschließlich der geschäftsführenden Direktoren, zuständig.314 Nach deutschem Aktienrecht ist die Kompetenz für Vergütungsfragen demgegen­ über gespalten. Der Vorstand ist für die Vergütung der Mitarbeiter, der Auf­ sichtsrat für die des Vorstands zuständig (vgl. §§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 5, 112 AktG i. V. m. § 87 AktG). Ein Konflikt zwischen den unionsrechtlichen Ver­ gütungsvorgaben und der nationalen Kompetenzordnung folgt hieraus gleich­ wohl nicht, weil Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO eine Verteilung der Kompeten­ zen des Leitungsorgans auf Vorstand und Aufsichtsrat gemäß den Regeln des nationalen Gesellschaftsrechts ermöglicht. Im Anwendungsbereich der Ver­ ordnungen bleibt es deshalb bei der gespaltenen Zuständigkeit von Aufsichts­ rat und Vorstand für die Vorstands- bzw. Mitarbeitervergütung.315

311  Art. 26 Abs. 5 EMIR, Art. 7 Abs. 1 Satz  3, Abs. 2 lit. c, Art. 8, 10 Abs. 1 lit. a Ziffer ii EMIR-DelVO. 312  Art. 26 Abs. 1 CSDR, Art. 48 Abs. 1 lit. c,  49 Abs. 2 Uabs.  1 lit. d,  51 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO. 313  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 30 m. Fn. 161. 314  Vgl. Leyens, RabelsZ 2003, 57, 73 f. Zum Say on Pay der Aktionäre im engli­ schen Recht Krebs/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 12 Rn. 590. 315  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 30.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung159

Allerdings könnte die aufsichtsrechtliche Zuständigkeitszuweisung an das Leitungsorgan der Kompetenzordnung der mitbestimmungsfreien GmbH wi­ dersprechen. Auch wenn diese einen fakultativen Aufsichtsrat nach § 52 GmbHG hat, verbleibt die in § 46 Nr. 5 GmbHG geregelte Kompetenz zur Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer mangels Verwei­ ses des § 52 GmbHG auf § 84 AktG bei der Gesellschafterversammlung. Als Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG ist die Gesellschafterversammlung für den Abschluss des Anstellungsvertrages mit den Geschäftsführern zustän­ dig, was die Ausgestaltung der Vergütung umfasst.316 Insofern besteht aller­ dings lediglich ein Konflikt mit dispositivem Gesellschaftsrecht, weil dem fakultativen Aufsichtsrat per Satzung die Personalkompetenz, und damit auch die Zuständigkeit zur Festlegung der Geschäftsführervergütung, über­ tragen werden kann.317 Gleiches gilt für den obligatorischen Aufsichtsrat ei­ ner drittelparitätischen GmbH, der wegen des fehlenden Verweises des § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG auf § 84 AktG ebenfalls nicht über die erforderliche Personalkompetenz verfügt.318 Auch in diesem Fall kann die Satzung dem Aufsichtsrat die Personalkompetenz übertragen.319 Der obligatorische Auf­ sichtsrat von GmbHs, die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen, verfügt ohnehin bereits gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG i. V. m. § 84 AktG kraft Gesetzes über die Personalkompetenz. Art. 51 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO, wonach die interne Auditfunktion eines Zentralverwahrers die Vergütungspolitik prüfen und bewerten soll, differen­ ziert ebenfalls nicht zwischen Mitarbeiter- und Vorstandsvergütung. Gleich­ wohl ist die Regelung mit der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverordnung vereinbar. Zwar könnte man insofern einen Interessenkonflikt befürchten, weil die interne Auditfunktion die Vorstandsvergütung überwachen muss, obwohl sie selbst dem Vorstand untersteht. Gemindert wird diese Problema­ 316  BGH NZG 2018, 1073, 1074 m. w. N. auf die ständige Rspr.; Spindler, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 429, 431; Jaeger/Steinbrück, in: MüKoGmbHG, 4.  Aufl. 2023, § 35 Rn. 261  f.; Paefgen, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 35 Rn. 331; Hüffer/C. Schäfer, in: Habersack/Casper/ Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 46 Rn. 61 f. 317  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 540; Spindler, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 428, 432; U. H. Schneider/Seyfarth, in: Scholz, GmbHG, 12.  Aufl. 2021, §  52 Rn.  347; Hüffer/C. Schäfer, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 46 Rn. 61, 86; Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 52 Rn. 122. 318  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539; Habersack, in: Habersack/Henss­ ler, MitbestimmungsR, 4. Aufl. 2018, § 1 DrittelbG Rn. 34. 319  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 540; Spindler, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 428, 432; Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 52 Rn. 251; U. H. Schneider/Seyfarth, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 52 Rn. 347.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

tik aber dadurch, dass die interne Auditfunktion nach Art. 51 Abs. 1 lit. f CSDR-DelVO hinreichend unabhängig vom Vorstand sein muss.320 2. Qualitative Anforderungen a) Hintergrund Eine verfehlte Ausgestaltung der Vergütung, welche die Geschäftsleiter durch kurzfristig wirkende Anreize zu riskantem Verhalten angeleitet hat, wurde als ein wesentlicher Grund für die Finanzkrise ausgemacht.321 Das EU-Aufsichtsrecht will solchen Fehlentwicklungen durch qualitative Anfor­ derungen an die Vergütungspolitik des Unternehmens entgegenwirken. Damit bezweckt es, die Geschäftsleiter zu einer guten Unternehmensführung gemäß den aufsichtsrechtlichen Zielen anzuhalten. Für Banken statuiert § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6, Abs. 5, 6 KWG i. V. m. der InstitutsVergV umfangreiche Anfor­ derungen für die Vergütung, die Anreize für Geschäftsleiter und Mitarbeiter, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen, verhindern sollen.322 Die Art. 26 Abs. 5 EMIR, Art. 8 EMIR-DelVO enthalten qualitative Anforderungen an die Vergütungspolitik einer zentralen Gegenpartei, die zwar weniger detail­ liert ausfallen, aber die gleiche Stoßrichtung haben. b) Anforderungen an die Vergütungspolitik zentraler Gegenparteien Ein zentrales Ziel der Vorgaben für zentrale Gegenparteien ist es, eine übermäßige Risikobereitschaft zu verhindern, was auch mittels einer ange­ messenen Vergütungspolitik erreicht werden soll.323 Dementsprechend müs­ sen zentrale Gegenparteien für eine Vergütungspolitik sorgen, die einem so­ liden, effektiven Risikomanagement förderlich ist und keine Anreize für eine Lockerung der Risikostandards schafft (Art. 26 Abs. 5 EMIR). Die Vergü­ tungshöhe und ‑struktur müssen sich gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 1 EMIRDelVO an einem umsichtigen Risikomanagement orientieren. Künftige und bestehende Risiken und deren Auswirkungen müssen bei der Ausgestaltung der Vergütung berücksichtigt werden. Ferner müssen die Zeitpläne für die 320  Zu

diesem scheinbaren Paradox bereits oben 2. Teil: B. V. 6. b) aa). Kommission, Grünbuch Corporate Governance (Fn. 5, S. 29), 2.6.2010, S. 11; Böcking/Bundle, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corporate Govern­ ance von Banken, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 1; Siering, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 6 InstitutsVergV Rn. 1. 322  Siering, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 5 Instituts­ VergV Rn. 1. 323  ErwGr. 12 Satz 1 EMIR-DelVO. 321  Europäische



B. Regelungen zur Geschäftsleitung161

Auszahlung der Vergütung in Abhängigkeit vom Zeithorizont der Risiken festgelegt werden, wobei die Vergütungspolitik insbesondere bei einer varia­ blen Vergütung möglichen Diskrepanzen zwischen Leistungen und Risiko­ zeiträumen gebührend Rechnung tragen muss. Die festen und variablen Be­ standteile der Gesamtvergütung müssen ausgewogen sein und den Risikoele­ menten Rechnung tragen. Diese Vorgaben beziehen sich allgemein auf die Vergütungspolitik der Gesellschaft, erfassen also sowohl die Vergütung der Geschäftsleiter als auch die Vergütung der Mitarbeiter der Gesellschaft. Besondere Anforderungen gelten für die in die Funktionen Risikomanage­ ment, Compliance und Innenrevision eingebundenen Mitarbeiter. Deren Ver­ gütung muss – wie auch die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsorgans324 – vom geschäftlichen Erfolg der zentralen Gegenparteien unabhängig sein (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 EMIR-DelVO).325 Die Höhe der Vergütung dieser Mit­ arbeiter muss ferner hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten und der Vergleichshöhe in dem betreffenden Wirtschaftszweig angemessen sein. c) Ziel der Risikovermeidung im Konflikt mit dem Unternehmensinteresse Die mit den qualitativen Vorgaben zur Vergütungsgestaltung bezweckte risikoscheue Unternehmensführung kann den Interessen der Gesellschafter zuwiderlaufen. Diese sind an einem möglichst hohen Ertrag des Unterneh­ mens und deshalb tendenziell an der Eingehung unternehmerischer Risiken interessiert, während die Geschäftsleiter eher einem Anreiz unterliegen, hohe Risiken zu vermeiden.326 Eine stark ergebnisabhängige Vergütung kann die­ ser Risikoscheu der Geschäftsleiter entgegenwirken und deshalb im Interesse der Gesellschafter liegen,327 widerspricht aber unter Umständen dem auf­ sichtsrechtlichen Ziel der Risikovermeidung. Soweit aus den aufsichtsrechtlichen Anforderungen das Gebot einer lang­ fristigen bzw. nachhaltigen Ausrichtung der Vergütung abzuleiten ist, folgt daraus allerding noch kein Konflikt mit dem Unternehmensinteresse.328 Der Vorstand einer AG hat sein Handeln nicht am Interesse der Aktionäre an kurzfristigen Kurssteigerungen auszurichten, sondern ist einer langfristigen

324  Art. 27

Abs. 2 UAbs. 1 Satz 4 EMIR. entsprechende Regelung findet sich in Anh. I Abschnitt A Nr. 6 Abs. 1 lit. d CRAR für den Compliance-Beauftragten einer Ratingagentur. 326  Siehe oben 1. Teil: B. II. 1. b). 327  Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance von Banken, 1. Aufl. 2011, S. 58. 328  Vgl. Binder, ZGR 2013, 760, 768 ff. 325  Eine

162

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Bestands- und Ertragssicherung des Unternehmens verpflichtet.329 § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG formt diesen allgemeinen Grundsatz für die Vergütung börsennotierter AGs aus.330 Danach ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Ver­ gütung des Vorstands auf eine „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ auszurichten. Bei der Festsetzung der Vergütung hat der Auf­ sichtsrat nicht nur finanzielle Interessen, sondern beispielsweise auch soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen.331 Insoweit besteht eine gewisse Kongruenz zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Ziel einer nachhaltigen und langfristigen Unternehmensentwicklung und dem aufsichts­ rechtlichen Ziel der Risikosteuerung zum Zwecke der Finanzmarktstabili­ tät.332 Ein vollständiger Interessengleichlauf ist gleichwohl nicht anzunehmen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht müssen die Geschäftsleiter den Bestand der Gesellschaft nicht um jeden Preis erhalten, weil das Ziel einer dauerhaf­ ten Rentabilität im Sinne der Gesellschafter als vorrangig zu betrachten ist.333 Die einseitige Ausrichtung des Aufsichtsrechts auf die Förderung des Risiko­ managements führt demgegenüber dazu, dass das Interesse der Gesellschafter an einer Ertragssicherung in den Hintergrund gerät. Das aufsichtsrechtliche Ziel der Bestandssicherung dient nicht der Sicherung der langfristigen Er­ tragsfähigkeit des Unternehmens, sondern dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts.334 Insoweit muss das Interesse der Gesellschafter an einer erfolgsabhängigen Vergütung, die die Risikobereitschaft der Geschäftsleiter erhöht, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer risikosensiblen Ausge­ staltung der Vergütungssysteme zurücktreten.335 Vergleichsweise unproblematisch ist demgegenüber die zwingende Fixver­ gütung für die in die Funktionen Risikomanagement, Compliance und Innen­ revision eingebundenen Mitarbeiter. Zum einen betreffen diese Vorgaben nach ihrem Wortlaut die Vergütung der Mitarbeiter, nicht die der Geschäfts­ 329  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 54 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 72 f.; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 76 Rn. 25; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 76 Rn. 34. 330  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 118; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 87 Rn. 79; Bürgers, in: Bürgers/Körber, 5. Aufl. 2021, § 87 Rn. 9b; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 87 Rn. 27. 331  Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG II, ­BT-Drs. 19/15153, S. 62; zum neuen Nachhaltigkeitsbegriff ferner Velte, NZG 2020, 12, 14. 332  Binder, ZGR 2013, 760, 769 f.; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 335. 333  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 53. 334  Siehe bereits oben 2. Teil: B. V. 4. c) bb). 335  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 335.



B. Regelungen zur Geschäftsleitung163

leiter. Und selbst wenn man diese Anforderungen auf die entsprechenden Geschäftsleiterressorts erstreckt, ist ein Interesse der Gesellschafter, gerade bei diesen sensiblen Funktionen eine erfolgsabhängige Vergütung durchzu­ setzen, als nachrangig zu betrachten. 3. Regelungen zum Verfahren Schließlich enthalten die Verordnungen noch Regelungen dazu, wie die Vergütungspolitik des Unternehmens erstellt und überwacht wird. Zentrale Gegenparteien müssen einen Vergütungsausschuss einrichten, der eine Ver­ gütungspolitik erarbeitet und deren Umsetzung durch die Geschäftsleitung prüft (Art. 8 Abs. 1 EMIR-DelVO).336 Des Weiteren muss eine jährliche un­ abhängige Prüfung der Vergütung erfolgen, deren Ergebnisse der zuständigen Behörde vorzulegen sind (Art. 8 Abs. 4 EMIR-DelVO). Die zentrale Gegen­ partei muss die Hauptelemente der Vergütungspolitik unentgeltlich öffentlich zugänglich machen (Art. 10 Abs. 1 lit. a Ziffer ii EMIR-DelVO). Diese zu­ sätzliche Publizität sowie die Pflicht, Prüfungsergebnisse an die Aufsichtsbe­ hörde zu übermitteln, kann die oben beschriebene Tendenz, die Vergütungs­ politik an einer im öffentlichen Interesse liegenden Risikovermeidung zu orientieren, weiter verstärken. 4. Ergebnis Bei den aufsichtsrechtlichen Regelungen zur Vergütung handelt es sich weitgehend um einen Fall der konfliktfreien Überlagerung des Gesellschafts­ rechts durch (teilweise) strengere aufsichtsrechtliche Standards. Angesichts der gesellschaftsrechtlichen Zielbestimmung, die auf eine Steigerung der Ertragsfähigkeit des Unternehmens gerichtet ist, erweisen sich die qualitati­ ven Anforderungen an die Vergütungspolitik aber nicht als völlig konfliktfrei. Sie führen zu einer einseitigen Ausrichtung der Vergütung auf das Risikoma­ nagement, was zulasten der Ertragssteigerung des Unternehmens gehen kann. Indem das Aufsichtsrecht Anreize zugunsten eines Verhaltens im Sinne der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen setzt, trägt es zu der bereits beschriebenen Ausrichtung des Geschäftsleiterhandelns an öffentlichen Interessen bei.

336  Dazu

noch unten 2. Teil: C. V. 3. g).

164

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

VII. Fazit: Geschäftsleitung im Spannungsverhältnis zwischen Unternehmensinteresse und öffentlichem Interesse Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich die Rolle der Geschäftsleiter in Unternehmen des Finanzsektors von der in nicht regulierten Unternehmen wesentlich unterscheidet. Zwar bleibt ihre zentrale Leitungsfunktion im Grundsatz unberührt. Unproblematisch sind die aufsichtsrechtlichen Corpo­ rate Governance-Vorgaben insbesondere dann, wenn sie gesellschaftsrecht­ liche Anforderungen an die Geschäftsleiter systemkonform überlagern und ausdifferenzieren.337 Dies gilt grundsätzlich für die Anforderungen an die persönliche Eignung der Geschäftsleiter und an ihre Vergütung. Die Vorga­ ben zur Organisation der Geschäftsleitung sind ebenfalls strukturell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar, auch wenn sie das grundsätzlich weite Organi­ sationsermessen regulierter Gesellschaften beschränken und zu einer stärke­ ren Verrechtlichung der Unternehmensverfassung führen. In ihrer Gesamtschau gehen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben allerdings deutlich über eine bloße systemkonforme Überlagerung gesellschaftsrecht­ licher Anforderungen hinaus. Die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforde­ rungen führen zu einer punktuellen Überlagerung des Unternehmensinteres­ ses durch öffentliche Interessen, welche die Geschäftsleiter aufgrund ihrer Legalitätspflicht vorrangig beachten müssen. Durch verschiedene aufsichts­ rechtliche Mechanismen werden regulierte Gesellschaften und ihre Ge­ schäftsleiter dazu angehalten, eine risikoscheue, dem öffentlichen Interesse an der Stabilität des Finanzsystems dienende Unternehmenspolitik zu betrei­ ben. Die herausgehobene Bedeutung, die das Gesellschaftsrecht den Aktio­ närs- bzw. Gesellschafterinteressen in nicht regulierten Unternehmen bemisst, kommt in beaufsichtigten Gesellschaften nicht gleicher Weise zum Tragen. Besonders problematisch erscheint dies vor dem Hintergrund des Prinzips der Selbstorganschaft und dem damit verbundenen Korrelat zwischen Haf­ tung und Verantwortung in Personengesellschaften. Des Weiteren verändert sich die Rolle der Geschäftsleiter innerhalb der Gesellschaft dadurch, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben die Position des Aufsichtsorgans stärken. Indem das Aufsichtsrecht direkte Berichtslinien zwischen dem Aufsichtsorgan und nachgeordneten Mitarbeitern verlangt, beeinträchtigt es das gesellschaftsrechtliche Informationserteilungsmonopol der Geschäftsleiter.338 Dies bewirkt eine stärker mitunternehmerische Rolle des Aufsichtsrats, welche eine Angleichung des deutschen Aktienrechts an das monistische „Board-Modell“ befördert. Zudem schwächt die zuneh­ mende Verselbstständigung unternehmensinterner Funktionen unterhalb der ZGR 2013, 760, 781. unten 2. Teil: C. VII.

337  Binder, 338  Dazu



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan165

Geschäftsleitung (Compliance-Funktion und Innenrevision) die Position der Geschäftsleiter, obgleich deren Leitungsverantwortung für die übertragenen Aufgaben hiervon unberührt bleibt.

C. Regelungen zum Aufsichtsorgan I. Allgemeines 1. Überblick und Hintergrund der Regelungen Ein zentrales Ziel der Reformen zur Corporate Governance von Unterneh­ men des Finanzsektors besteht darin, die Stellung des Aufsichtsorgans zu stärken.339 Die Europäische Kommission hat die (mangelnde) Überwachung durch gesellschaftsinterne Aufsichtsorgane – also insbesondere den Auf­ sichtsrat einer AG – als einen Grund für die Finanzkrise benannt.340 Die Ar­ beit der Aufsichtsorgane sei durch mangelnde Professionalität und Sach­ kenntnis, unzureichende Zeitaufwendung, Interessenkonflikte, fehlende Un­ abhängigkeit und andere Defizite geprägt gewesen.341 Wenngleich die Kau­ salität zwischen diesen Defiziten und der Finanzkrise – wie bei vielen andere tatsächlichen oder vermeintlichen Krisenursachen – umstritten ist,342 haben sich die regulatorischen Anforderungen an die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats jedenfalls deutlich erhöht.343 Die dadurch erreichte Regulie­ rungsdichte wird teilweise kritisiert, da sie die bisher in Deutschland vorherr­ schende Ausgestaltung des Aufsichtsratsamts als Nebenamt zunehmend in Frage stelle.344 Zudem liegt den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zum Auf­ sichtsorgan das Leitbild der monistischen Unternehmensverfassung zugrunde, weshalb gewisse Vorgaben nur vor dem Hintergrund zu verstehen sind, dass sie dem monistischen System eigene Defizite beheben sollen.345

339  Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance (Fn.  5, S. 29), 2.6.2010, S.  12 ff.; Wittig, WM 2010, 2337, 2339. 340  Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance (Fn.  5, S. 29), 2.6.2010, S. 7. 341  Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance (Fn.  5, S. 29), 2.6.2010, S. 7, 12 ff.; vgl. dazu auch Hopt, ZGR 2017, 438, 451 f. 342  Empirisch dazu etwa Hau/Thum Subprime Crisis and Board (In-)Competence: Private vs. Public Banks in Germany, ECGI Working Paper Series in Finance No. 247/2009; zweifelnd Spindler, AG 2010, 601, 605. 343  Binder, ZGR 2018, 88, 90; vgl. auch Apfelbacher/Metzner, AG 2013, 773, 774 ff.; Kaetzler/Hoops, BKR 2013, 192, 193. 344  Velte/Buchholz, ZBB 2013, 400, 408. 345  Vgl. Binder, ZGR 2018, 88, 91.

166

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Inhalt der Regulierung ist zunächst, dass die aufsichtsrechtlichen Regelun­ gen überhaupt das Bestehen eines Aufsichtsorgans, das die Geschäftsführung überwacht, voraussetzen. Dies ist in der AG selbstverständlich, stellt Gesell­ schaften anderer Rechtsformen, deren Organisationsverfassung kein Auf­ sichtsorgan kennt, aber vor Schwierigkeiten. Darüber hinaus enthält das Aufsichtsrecht Vorgaben zur Besetzung des Aufsichtsorgans. Es will dessen Arbeit durch persönliche Anforderungen an die fachliche Qualifikation, Zu­ verlässigkeit und Unabhängigkeit seiner Mitglieder und durch eine diversere Besetzung stärken. Zudem gibt das Aufsichtsrecht Regeln zur Organisation, zu den Kompetenzen und zur Informationsversorgung des Aufsichtsorgans vor. Schließlich reguliert das Aufsichtsrecht auch die Vergütung der Mitglie­ der des Aufsichtsorgans. 2. Ermittlung der auf das Aufsichtsorgan anwendbaren Normen Aufgrund der rechtsformunabhängigen Ausgestaltung stellt sich auch bei den Regelungen zum Aufsichtsorgan das Problem, dass zunächst durch Aus­ legung ermittelt werden muss, welche aufsichtsrechtlichen Vorgaben auf welches nach deutschem Gesellschaftsrecht zu bildende Organ Anwendung finden. Während § 25d KWG als Umsetzung der CRD IV das „Verwaltungsoder Aufsichtsorgan“ der Kreditinstitute anspricht und dadurch den Auf­ sichtsrat einer AG oder GmbH adressiert, variiert die Terminologie der hier untersuchten Verordnungen. Die CRAR spricht ebenfalls vom Verwaltungsoder Aufsichtsorgan,346 womit der Aufsichtsrat einer AG oder GmbH gemeint ist. Für die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Leitungsorgan stellt sich jeweils im Einzelfall die Frage, ob nach deutschem Verständnis der Auf­ sichtsrat oder die Geschäftsleitung betroffen ist.347 Der aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 CRD IV bekannte Begriff „Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion“ findet sich in den hier untersuchten Verordnungen nicht. Die Bezeichnung Aufsichtsfunktion in Art. 4 Abs. 3, 5 BMR legt eine Kompetenzübertragung auf den Aufsichtsrat zwar nahe. Eine Übertragung dieser Funktion auf den Aufsichtsrat scheidet aber aus, weil die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Besetzung und zu den Kompetenzen der Aufsichtsfunktion mit dem Aktien­ recht nicht vereinbar sind.348

346  Anh. I

Abschnitt A Nr. 1 CRAR. dazu bereits oben 2. Teil: B. I. 2. d). 348  Ausführlich dazu unten 2. Teil: C. III. 3. b). 347  Siehe



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan167

II. Obligatorisches Aufsichtsorgan bei allen Rechtsformen 1. Aufsichtsrechtliches Erfordernis eines Aufsichtsorgans Die EU-Verordnungen verlangen zwingend und rechtsformübergreifend, dass die beaufsichtigten Unternehmen ein Aufsichtsorgan einrichten, bzw. setzen das Bestehen eines solchen voraus. Ausdrücklich schreibt dies Anh. I Abschnitt A Nr. 1 Satz 1 CRAR vor, nach dem Ratingagenturen über ein Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan (englisch administrative or supervisory board) verfügen müssen. Der Begriff des Leitungsorgans (board) in Art. 27 Abs. 2 EMIR umfasst „den Verwaltungs- oder Aufsichtsrat oder beide, ge­ mäß dem nationalen Gesellschaftsrecht“ (Art. 2 Nr. 27 EMIR). Nichts ande­ res ergibt sich im Ergebnis für Zentralverwahrer und die Administratoren von Referenzwerten. Diese müssen ebenfalls über ein Leitungsorgan (management body) verfügen, das neben der Oberleitung der Gesellschaft die Aufgabe hat, die Entscheidungen der Geschäftsleitung zu kontrollieren und zu überwachen.349 Die beiden Funktionen können entweder, wie es dem Vor­ bild des monistischen Systems entspricht, in einem Organ vereinigt sein oder von zwei separaten Organen wahrgenommen werden. Daraus folgt, dass nur Gesellschaften, die über einen Aufsichtsrat (§§ 95 ff. AktG, § 52 GmbHG) oder jedenfalls ein mit vergleichbaren Kompetenzen ausgestattetes Überwa­ chungsorgan verfügen, eine Zulassung bzw. Registrierung nach den hier un­ tersuchten Verordnungen erlangen können. 2. Aufsichtsorgan in der AG In der AG ist das aufsichtsrechtliche Erfordernis eines Aufsichtsorgans unproblematisch, weil das Bestehen eines Aufsichtsorgans dort in Gestalt des Aufsichtsrats obligatorisch ist. Zwar ordnet das Aktienrecht dies nicht aus­ drücklich an; die Notwendigkeit eines Aufsichtsrats ergibt sich aber aus der gesetzlichen Organisation der Aktiengesellschaft sowie aus den Regelungen des Aktiengesetzes (insbesondere aus den §§ 95 ff AktG) und der Mitbestim­ mungsgesetze, die das Bestehen eines Aufsichtsrats voraussetzen.350 3. Aufsichtsorgan in der SE Bei einer dualistischen SE ergeben sich im Wesentlichen keine Besonder­ heiten gegenüber einer AG, weil bei dieser die für den Aufsichtsrat geltenden Vorschriften des Aktiengesetzes Anwendung finden, sofern nicht die SE-Ver­ 349  Art. 27

Abs. 2, Art. 2 Abs. 2 Nr. 45 CSDR; Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 BMR. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 5 m. w. N.

350  Habersack,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

ordnung351 oder das SE-Ausführungsgesetz352 speziellere Regelungen enthal­ ten.353 Keine Probleme ergeben sich in der monistischen SE, weil das EU-Auf­ sichtsrecht selbst vom Grundverständnis des monistischen Systems ausgeht und dessen Terminologie verwendet. Die Unternehmensverfassung einer monistischen SE bietet deshalb erheblich weniger Reibungspunkte mit dem EU-Aufsichtsrecht als die einer dualistischen SE oder AG. 4. Aufsichtsorgan in der GmbH a) Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats als Aufsichtsorgan Das Erfordernis eines Aufsichtsorgans ist in der GmbH problematischer als in der AG oder SE. Zwar müssen GmbHs, die den Mitbestimmungsgeset­ zen unterfallen, bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG bzw. § 6 Abs. 1 Mit­ bestG über einen Aufsichtsrat verfügen. Bei der mitbestimmungsfreien GmbH obliegt die Überwachung der Geschäftsführer dagegen grundsätzlich der Gesellschafterversammlung als oberstem Kontroll- und Überwachungsor­ gan.354 Insoweit widerspricht das aufsichtsrechtliche Erfordernis eines Auf­ sichtsorgans allerdings lediglich dispositivem Gesellschaftsrecht.355 Nach § 52 GmbHG steht dem Satzungsgeber die Bildung eines Aufsichtsrats frei, auf den die in § 52 Abs. 1 GmbHG genannten Vorschriften des Aktiengeset­ zes entsprechende Anwendung finden. Eine regulierte GmbH kann dem auf­ sichtsrechtlichen Erfordernis eines Aufsichtsorgans demnach entsprechen, indem sie einen Aufsichtsrat nach § 52 GmbH einrichtet.356 Die Bildung eines satzungsmäßigen Beirats, der über keine umfassende Überwachungskompetenz verfügt, genügt zur Erfüllung der aufsichtsrecht­ lichen Anforderung hingegen nicht. Für zentrale Gegenparteien und Zentral­ verwahrer folgt dies aus Art. 7 Abs. 2 lit. b EMIR-DelVO bzw. Art. 49 Abs. 2 lit. c CSDR-DelVO, wonach das Leitungsorgan für eine „wirksame Überwa­ chung der Geschäftsleitung“ verantwortlich ist. 351  Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, ABl. EG L 294/1 v 10.11.2001. 352  Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), BGBl. I S. 3675. 353  Reichert/Brandes, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, Art. 40 SE-VO Rn. 3. 354  Liebscher, in: MünchKommGmbHG, 3.  Aufl. 2019, § 46 Rn. 189; Hüffer/ C. Schäfer, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3.  Aufl. 2020, § 46 Rn. 89; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 46 Rn. 111. 355  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539 ff. 356  Pukropski, Ratingagenturen, 2013, S.  186  f.; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 540.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan169

Bei Ratingagenturen genügt die Bildung eines Beirats den aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen ebenfalls nicht.357 Dafür könnte zwar sprechen, dass Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 CRAR den Verantwortungsbereich des Auf­ sichtsorgans nicht näher definiert, sondern unspezifisch von der „allgemeinen Verantwortung eines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans“ spricht. Einzelne konkrete Überwachungsbefugnisse werden lediglich für die unabhängigen Mitglieder festgelegt.358 Gerade aus dem Fehlen einer konkreteren Festle­ gung kann aber geschlossen werden, dass das Aufsichtsrecht ein Organ mit umfassender Überwachungskompetenz voraussetzt.359 Hierfür spricht zudem die englische Sprachfassung des Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 CRAR, in der von einer overall responsibility des Aufsichtsorgans die Rede ist, was auch mit „allumfassender Verantwortung“ übersetzt werden kann. Hätte das Aufsichtsrecht ein im Vergleich zum Aufsichtsrat schwächeres Organ zulas­ sen wollen, hätte es die Kompetenzen des Aufsichtsorgans durch nähere Re­ gelungen beschränken können. Vor dem Hintergrund des aufsichtsrechtlichen Ziels einer effektiven Überwachung der Geschäftsleitung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Aufsichtsrecht die Bildung eines Aufsichtsor­ gans mit umfassenden Überwachungsbefugnissen zur Disposition der einzel­ nen Unternehmen stellen wollte. Vielmehr geht das Aufsichtsrecht still­ schweigend von der Existenz eines mit ausreichenden Kompetenzen ausge­ statteten Aufsichtsorgans im nationalen Gesellschaftsrecht aus, wie es das deutsche Recht für die GmbH in Form des fakultativen Aufsichtsrats nach § 52 GmbHG vorsieht. b) Personalkompetenz des Aufsichtsrats Problematisch ist allerdings, dass der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH grundsätzlich weniger Kompetenzen hat als der Aufsichtsrat einer AG. Die Personalkompetenz liegt nicht beim Aufsichtsrat, sondern bei der Gesell­ schafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG), weil § 52 Abs. 1 GmbHG nicht auf § 84 AktG verweist. Gleiches gilt für den obligatorischen Aufsichtsrat der drittelparitätischen GmbH.360 Ohne diese Personalkompetenz wäre es zweifelhaft, ob der Aufsichtsrat seiner durch das Aufsichtsrecht geforderten Überwachungsfunktion ordnungsgemäß nachkommen könnte. Insbesondere fehlte ihm die nach Art. 7 Abs. 2 lit. c EMIR-DelVO geforderte Zuständig­ keit zur Festlegung einer angemessenen Vergütungspolitik für die Geschäfts­ 357  Pukropski, Ratingagenturen, 2013, S. 186 f.; a. A. Richter, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, 2010, S. 519, 531 f. 358  Näher dazu unten 2. Teil: C. IV. 3. b) dd). 359  Hierzu und zum Folgenden Pukropski, Ratingagenturen, 2013, S. 186 f. 360  Siehe oben 2. Teil: B. VI. 1.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

leiter.361 Insofern besteht aber lediglich ein Widerspruch zu dispositivem Gesellschaftsrecht, weil die Satzung dem Aufsichtsrat die Personalkompe­ tenz – einschließlich der Zuständigkeit zur Festlegung der Vergütung – über­ tragen kann.362 Nicht einmal ein Widerspruch zu dispositivem Gesellschaftsrecht besteht bei GmbHs, die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen. Der obligatorische Aufsichtsrat dieser Gesellschaften hat gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG i. V. m. § 84 AktG bereits kraft Gesetzes die notwendige Personalkompetenz. c) Anwendbares Recht Soweit das Aufsichtsrecht besondere Vorgaben zur Besetzung und zu den Kompetenzen des Aufsichtsorgans enthält, gelten diese als spezielleres Recht. Sofern bestimmte Einzelfragen vom Unionsrecht nicht geregelt werden, kann und muss auf das deutsche Recht zurückgegriffen werden, also im hier ge­ wählten Beispiel auf die aktienrechtlichen Vorgaben zum Aufsichtsrat (i. V. m. § 52 GmbHG). 5. Aufsichtsorgan in der Personengesellschaft a) Verstoß gegen zwingendes Gesellschaftsrecht Die EU-Verordnungen verlangen von den beaufsichtigten Unternehmen rechtsformunabhängig, dass sie über ein Aufsichtsorgan verfügen. Bei Perso­ nengesellschaften steht diese Anforderung in einem Spannungsverhältnis zum Prinzip der Selbstorganschaft, weil die Überwachung der Geschäftsfüh­ rung den Gesellschaftern selbst obliegt.363 Es stellt sich die Frage, ob das Erfordernis eines Aufsichtsorgans bei Personengesellschaften zwingendem Gesellschaftsrecht widerspricht. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Gesamt­ heit der Gesellschafter als Aufsichtsorgan qualifiziert werden könnte, wenn das Gesellschaftsrecht die gesellschaftsvertragliche Einrichtung eines Auf­ sichtsorgans zuließe oder wenn das deutsche Gesellschaftsrecht einer verord­ nungskonformen Auslegung im Sinne des EU-Aufsichtsrechts zugänglich wäre.

ZHR 178 (2014), 502, 539 f. bereits oben 2. Teil: B. VI. 1. 363  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 47. 361  Mülbert/Wilhelm, 362  Dazu



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan171

aa) Gesellschaftergesamtheit als Aufsichtsorgan? Nicht in Betracht kommt, die Gesellschaftergesamtheit als Aufsichtsorgan zu qualifizieren.364 Dagegen spricht zunächst der Wortlaut der aufsichtsrecht­ lichen Regelungen, in denen von einem nach nationalem Recht bestellten Organ die Rede ist. Zudem verlangt das Aufsichtsrecht, dass das Aufsichts­ organ zwingend (zumindest auch) mit Nichtgesellschaftern zu besetzen ist. Andernfalls könnten die aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Mitglieder des Aufsichtsorgans leerlaufen. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die fachlichen Kenntnisse,365 den „guten Leumund“366 sowie die Unabhängig­ keit367 der Mitglieder des Aufsichtsorgans sind nämlich erkennbar auf natür­ liche Personen zugeschnitten, während sich der Kreis der Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise oder sogar vollständig aus juristischen Perso­ nen oder Gesellschaften zusammensetzen kann (z. B. bei einer GmbH & Co. KG).368 Zwar könnte man die Fit & Proper-Anforderungen entsprechend der Lösung zu den Geschäftsleitern369 an die hinter der juristischen Person ste­ henden natürlichen Personen richten. Zumindest führen diese Anforderungen aber dazu, dass der Gesellschaft die Besetzung des Aufsichtsrats allein mit Gesellschaftern erschwert wird. Die Vorgabe, das Aufsichtsorgan einer Rating­agentur mit unabhängigen Mitgliedern370 zu besetzen, ist bei einem rein mit den Gesellschaftern besetzten Aufsichtsorgan keinesfalls umsetzbar. Die Vertreter der kontrollierenden Gesellschafter sind gerade als nicht unab­ hängig anzusehen.371 Auch Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR, der den Ausschluss von Mitgliedern aus dem Leitungsorgan vorsieht, geht erkennbar von einem separaten, mit Dritten besetzten Aufsichtsorgan aus.372

ZHR 178 (2014), 502, 539 f. Abs. 4 S. 1 CSDR; Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR; Anh.  I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 CRAR. 366  Art. 27 Abs. 4 S. 1 CSDR; Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR. 367  Art. 27 Abs. 2 CSDR; Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 EMIR; Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 3 CRAR. 368  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539 f. 369  Siehe oben 2. Teil: B. III. 2. a). 370  Art. 27 Abs. 2 CSDR; Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 EMIR; Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 3 CRAR. 371  Näher dazu unten 2. Teil: C. IV. 3. b) ee) (2). 372  Vgl. Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 540 (zu § 36 Abs. 3 KWG). Zur unzureichenden Umsetzung des Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR im nationalen Recht unten 3. Teil: A. II. 3. b). 364  Mülbert/Wilhelm, 365  Art. 27

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

bb) Gestaltung im Gesellschaftsvertrag Grundsätzlich bietet das Personengesellschaftsrecht den Gesellschaftern weitgehende Privatautonomie, ihre Beziehungen untereinander zu gestal­ ten.373 Seine Grenzen findet diese Gestaltungsfreiheit allerdings in den grundlegenden Wertungen des Personengesellschaftsrechts. Dazu zählt das Prinzip der Selbstorganschaft, das trotz gewisser Auflockerungen nach ganz herrschender Meinung zwingender Natur ist.374 Die grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG375, das in seinen wesent­ lichen Teilen am 1. Januar 2024 in Kraft treten wird, lässt das Prinzip der Selbstorganschaft trotz gegenteiliger Forderungen unangetastet.376 Die Lö­ sung des Konflikts durch eine Gestaltung im Gesellschaftsvertrag bereitet bei Personengesellschaften deshalb erheblich größere Schwierigkeiten als bei einer GmbH.  Dabei stellt die bloße Notwendigkeit, ein Überwachungsgremium einzu­ richten, noch kein Problem dar. Denn grundsätzlich ist es im Rahmen der Vertragsfreiheit (§ 109 HGB, ggfs. i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) möglich, einen Beirat als Aufsichtsgremium einzurichten.377 Das Prinzip der Selbstorgan­ schaft setzt der Übertragung von Kompetenzen auf einen mit externen Drit­ ten besetzten Beirat aber Grenzen. Zwar ist es möglich, dem Beirat organ­ schaftliche Kompetenzen zuzuweisen, die nach dem Gesetz den Gesellschaf­ tern zustehen.378 Dies umfasst auch Kompetenzen, die auf die Kontrolle der Geschäftsführung gerichtet sind.379 Jedenfalls die Letztzuständigkeit für we­ sentliche Entscheidungen muss allerdings bei den Gesellschaftern selbst verbleiben.380 Insbesondere kann einem Beirat unter Beteiligung externer Dritter nicht die Kompetenz übertragen werden, bestimmte Gesellschafter mit der Geschäftsführung zu betrauen oder ihnen die Geschäftsführungs­ 373  S. etwa Enzinger, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 109 Rn. 1: „Die Privatauto­ nomie ist das Charakteristikum des Rechts der Personengesellschaften“. 374  S. etwa C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 33; Binder, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, 2019, S. 373, 377 f.; a. A. aber jüngst OsterlohKonrad, ZGR 2019, 271, 298 ff. Zur Frage, ob das Prinzip der Selbstorganschaft einer verordnungskonformen Auslegung zugänglich ist, noch unten 2. Teil: C. II. 5. a) cc). 375  Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesell­ schaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.2021, BGBl. I S. 3436. 376  Scholl/Rhein-Fischer, in: BeckOGK HGB, Stand: 01.12.2022, § 114 Rn. 68; K. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16, 33 f.; kritisch Scholz, NZG 2020, 1044 ff. 377  Mutter, in: MünchHdbKG, 5. Aufl. 2019, § 8 Rn. 1; Enzinger, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 119 Rn. 55. 378  Mutter, in: MünchHdbKG, 5. Aufl. 2019, § 8 Rn. 8; a. A. Casper, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2015, § 163 Rn. 26. 379  C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 53. 380  Enzinger, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 119 Rn. 57.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan173

befugnis zu entziehen.381 Die Erteilung bzw. Entziehung der Geschäftsfüh­ rungsbefugnis ist eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, zu der allein die Gesellschafter befugt sind.382 Das Aufsichtsorgan könnte eine wirksame Überwachung der Geschäftsleitung, wie sie vom Unionsrecht zum Teil ausdrücklich383 gefordert wird, ohne Personalkompetenz aber nicht gewährleisten. Diese setzt die Drohkulisse ei­ ner möglichen Abberufung durch das Aufsichtsorgan voraus. Dementspre­ chend ist davon auszugehen, dass die Verordnungen implizit eine umfassende Personalkompetenz des Aufsichtsorgans voraussetzen. Für die Kompetenz zur Festlegung der Vergütung der Geschäftsleiter, einer Annexkompetenz zur Personalkompetenz, folgt die zwingende Zuständigkeit des Aufsichtsorgans bei zentralen Gegenparteien im Übrigen bereits aus Art. 7 Abs. 2 lit. c EMIRDelVO.384 Aus den genannten Gründen ist die gesellschaftsvertragliche Einrichtung eines Aufsichtsorgans, das die ihm vom Unionsrecht zugedachte Überwa­ chungsaufgabe erfüllen kann, nicht mit dem Prinzip der Selbstorganschaft vereinbar. Der Konflikt zwischen EU-Aufsichtsrecht und nationalem Gesell­ schaftsrecht lässt sich nicht durch eine Gestaltung im Gesellschaftsvertrag lösen. cc) Verordnungskonforme Auslegung Denkbar wäre es, das Spannungsverhältnis zwischen dem aufsichtsrechtli­ chen Erfordernis eines Aufsichtsorgans und dem Prinzip der Selbstorgan­ schaft durch eine verordnungskonforme Auslegung des Personengesell­ schaftsrechts aufzulösen. Die verordnungskonforme Auslegung kommt aller­ dings nicht in Betracht, wenn das nationale Recht nach den nationalen Aus­ legungsmethoden keiner Auslegung zugänglich ist.385 So könnten die Dinge hier liegen, weil das Prinzip der Selbstorganschaft gemeinhin als zwingender Grundsatz des deutschen Personengesellschaftsrechts angesehen wird.386

381  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 541; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 51–53; Casper, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2015, § 163 Rn. 26; a. A. Mutter, in: MünchHdbKG, 5. Aufl. 2019, § 8 Rn. 37. 382  C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 53, § 114 Rn. 29. 383  Art. 7 Abs. 2 lit. b EMIR-DelVO bzw. Art. 49 Abs. 2 lit. c CSDR-DelVO. 384  Siehe oben 2. Teil: B. VI. 1. 385  Siehe oben 1. Teil: C. III. 386  Ganz h. M., s. nur C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 33; K. Schmidt/Drescher, in: MüKo-HGB, 5. Aufl. 2022, § 125 Rn. 5; Schürnbrand, Or­ ganschaft, 2007, S. 242 f.; a. A. Osterloh-Konrad, ZGR 2019, 271, 298 ff.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Zweifel an dieser Sicht könnten allerdings daraus folgen, dass bei der EWIV nach Art. 19 EWIV-VO387 die Bestellung von Nicht-Gesellschaftern zu Geschäftsführern zulässig ist, was mit dem Prinzip der Selbstorganschaft nach deutschem Recht gerade nicht zu vereinbaren ist.388 Weil auf die EWIV nach § 1 EWIV-Ausführungsgesetz subsidiär die Vorschriften über die OHG anwendbar sind, wird sie als „OHG mit Fremdgeschäftsführung“ bezeich­ net.389 Aufgrund der maßgeblichen Geltung des OHG-Rechts ist die EWIV nach teilweise vertretener Ansicht keine unionsrechtliche Sondergesell­ schaftsform, sondern in das nationale Gesellschaftsrecht integriert.390 Ordnet man die EWIV dem deutschen Personengesellschaftsrecht zu, würde dies die Gültigkeit des Prinzips der Selbstorganschaft stark relativieren.391 Allerdings findet auch auf die SE, die unstreitig eine supranationale Rechtsform ist, das deutsche (Aktien‑)Recht gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c Ziff. ii) SE-Verordnung subsidiär Anwendung. Überwiegend wird die EWIV denn auch als eigenstän­ dige supranationale Rechtsform gesehen.392 Auf dieser Grundlage liegt es nahe, in der Regelung der EWIV-Verordnung eine unionsrechtliche Beson­ derheit zu sehen, die keinen grundlegenden Bruch mit den Grundsätzen des deutschen Personengesellschaftsrechts bewirkt.393 Letztlich kann die Frage der Verortung der EWIV als nationale oder supra­ nationale Rechtsform offenbleiben. Selbst wenn man die EWIV als Perso­ nengesellschaft des deutschen Rechts klassifiziert, wird man aus der Zulas­ sung der Fremdgeschäftsführung bei der EWIV keine generelle Aufgabe des Prinzips der Selbstorganschaft folgern können.394 Vielmehr stellt die EWIV einen – unionsrechtlich geforderten – Ausnahmefall dar, aus dem sich keine Folgerungen für das allgemeine Personengesellschaftsrecht ableiten lassen. Die Durchbrechung des Prinzips der Selbstorganschaft rechtfertigt sich aus dem speziellen, ausschließlich kooperativen Zweck der EWIV.395 Die tra­ 387  Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, ABl. EG L 199/1 vom 31.7.1985. 388  v. Ditfurth, in: MünchHdbGesR I, 5. Aufl. 2019, § 53 Rn. 21 m. w. N. 389  Salger, in: MünchHdbGesR I, 5. Aufl. 2019, § 94 Rn. 22. 390  Köhl, Einfluß der EWIV auf das Prinzip der Selbstorganschaft, 2000, S. 18. 391  So wohl Köhl, Einfluß der EWIV auf das Prinzip der Selbstorganschaft, 2000, S. 420 f.; vgl. auch Osterloh-Konrad, ZGR 2019, 271, 288. 392  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 608; Fleischer, ZHR 174 (2010), 385, 388 ff.; Lentner, Gesell­ schaftsrecht der EWIV, 1994, S. 52; Hauschka, AG 1990, 85, 87; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 105 Rn. 34 (im Kern supranational). 393  Lentner, Gesellschaftsrecht der EWIV, 1994, S. 104. 394  Lentner, Gesellschaftsrecht der EWIV, 1994, S. 104; a.  A. Köhl, Einfluß der EWIV auf das Prinzip der Selbstorganschaft, 2000, S. 437 f. 395  K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 66 II 2 (S. 1906).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan175

gende Rolle, die das Prinzip der Selbstorganschaft im deutschen Personenge­ sellschaftsrecht einnimmt, wird durch die EWIV nicht in Frage gestellt. Eine verordnungskonforme Auslegung des deutschen Personengesellschaftsrechts, die dem Prinzip der Selbstorganschaft widerspricht, verbietet sich deshalb. b) Lösungsmöglichkeiten Das aufsichtsrechtliche Erfordernis, ein Aufsichtsorgan zu bilden, konfli­ giert bei Personengesellschaften mit dem Prinzip der Selbstorganschaft. Weil sich dieser Konflikt weder durch eine Gestaltung im Gesellschaftsvertrag noch durch eine verordnungskonforme Auslegung ausräumen lässt, handelt es sich um einen Konflikt mit zwingendem Gesellschaftsrecht. Zur Auflö­ sung dieses Konflikts sind verschiedene Lösungsmöglichkeiten denkbar, die im Folgenden näher dargestellt werden. aa) Ausnahme vom Erfordernis eines Aufsichtsorgans Nach der herrschenden Meinung im Bankaufsichtsrecht müssen Gesell­ schaften, deren gesellschaftsrechtliches Regime kein spezielles Überwa­ chungsorgan vorsieht, ungeachtet des § 25d KWG kein Aufsichtsorgan ein­ richten.396 Gleiches soll für kleine und mittlere Wertpapierinstitute gelten, für die § 21 WpIG eine mit § 25d KWG vergleichbare Regelung enthält.397 Folge wäre, dass Personengesellschaften von den aufsichtsrechtlichen Vor­ schriften, die ein Aufsichtsorgan vorsehen oder voraussetzen, ausgenommen wären. Diese Ansicht ist angesichts des unionsrechtlichen Hintergrunds von § 25d KWG und § 21 WpIG zweifelhaft, bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Jedenfalls im Anwendungsbereich von EU-Verordnungsrecht kommt eine solche Ausnahme von aufsichtsrechtlichen Vorgaben nicht in Betracht. Dies käme einem Vorrang des deutschen Personengesellschaftsrechts gegenüber dem Aufsichtsrecht gleich, der mit dem unionsrechtlichen Anwendungsvor­ rang unvereinbar wäre. Die Auslegung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben er­ gibt eindeutig, dass diese zwingend ein Aufsichtsorgan für alle Rechtsformen 396  Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drs. 17/10974, S. 87; mit Verweis auf die Gesetzesbegründung auch Apfelbacher/Metzner, AG 2013, 773 m. Fn. 2; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, 4. Aufl. 2021, § 25d Rn. 4; Braun/ Siering, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 25d Rn. 11; M. Scholz, in: Luz/Neus u. a., KWG, § 25d (Stand: 24.02.2020) Rn. 5; Kleinert, in: Beck/Samm/Kokemoor, KWG, § 25d (Stand: 190. Lieferung 12/2016) Rn. 18; a. A. Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539. 397  Begr. RegE WpIG, BT-Drs. 19/26929, S. 139; Neumann/Schmidt, BKR 2021, 535, 539.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

vorschreiben. Zwar will der Unionsgesetzgeber in seiner Rechtsetzung die Strukturunterschiede des nationalen Gesellschaftsrechts in der Europäischen Union berücksichtigen.398 Diese Selbstbeschränkung des EU-Aufsichtsrechts erschöpft sich aber darin, das Nebeneinander von monistischer und dualisti­ scher Unternehmensverfassung anzuerkennen.399 Die bezweckte Schonung des nationalen Gesellschaftsrechts beschränkt sich auf das Verhältnis zwi­ schen der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsorgan und trifft gerade keine Aussage dazu, wie Überwachungskompetenzen zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft und einem separat einzurichtenden Überwachungs­ organ aufzuteilen sind.400 bb) Disqualifikation von Personengesellschaften als Träger eines regulierten Unternehmens Der Widerspruch zwischen den Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts und dem nationalem Gesellschaftsrecht könnte dadurch aufgelöst werden, dass Rechts­ formen, deren Gesellschaftsrecht kein Aufsichtsorgan vorsieht und bei denen ein solches auch nicht im Gesellschaftsvertrag eingerichtet werden kann, als Träger eines regulierten Unternehmens generell ausscheiden.401 Dies wird explizit für Ratingagenturen vertreten, bei denen aufgrund der aufsichtsrecht­ lichen Vorschriften zum Aufsichtsorgan nur Kapitalgesellschaften regis­ trierungsfähig seien.402 Folge wäre, dass Personengesellschaften nicht als Rechtsträger von Unternehmen des Finanzsektors in Betracht kämen. Eine solche Beschränkung ist dem deutschen Recht keineswegs vollständig fremd, wie beispielsweise die Rechtsformwahlbeschränkungen im nationalen Auf­ sichtsrecht zeigen.403 Eine Beschränkung der Rechtsformwahl kommt als Lösungsansatz aber letztlich nicht in Betracht.404 Wie bereits dargelegt wurde, fallen Personenge­

398  ErwGr. 36

CSDR; ErwGr. 55 CRD IV. Dazu bereits oben 1. Teil: C. IV. 4. b). ZHR 178 (2014), 502, 533, 539. 400  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539. 401  Dazu Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 541. 402  U. H. Schneider, in: FS Hellwig, 2010, S. 329, 337. 403  § 8 Abs. 2 VAG erlaubt Versicherungsunternehmen lediglich als AG, SE, Versi­ cherungsverein auf Gegenseitigkeit oder Körperschaft und Anstalt des öffentlichen Rechts. Kreditinstitute dürfen gem. § 2b KWG nicht in der Rechtsform des Einzel­ kaufmanns, externe Kapitalanlagegesellschaften gem. § 18 KAGB nur in der Rechts­ form der AG, der GmbH oder der KG ohne persönlich haftende natürliche Person (z. B. GmbH & Co. KG) und private Bausparkassen gem. § 2 Abs. 2 BauSparkG nur in der Rechtsform der AG betrieben werden. 404  Allgemein dazu bereits oben 1. Teil: C. IV. 3. 399  Mülbert/Wilhelm,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan177

sellschaften in den Anwendungsbereich der Verordnungen.405 Das Unions­ recht sieht also gerade keine ausdrückliche Beschränkung auf Kapitalgesell­ schaften vor, sondern ist hinsichtlich der Rechtsformwahl neutral.406 Auch das Gebot der effektiven Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben verlangt keine Disqualifikation von Personengesellschaften als Träger eines regulier­ ten Unternehmens, sofern die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben auf anderem Weg sichergestellt werden kann. Daher kann auf den Willen des deutschen Gesetzgebers abgestellt werden, der davon ausgeht, dass Perso­ nengesellschaften als Rechtsformen im Finanzsektor in Betracht kommen.407 Für dieses Ergebnis spricht auch, dass das Recht, die Rechtsform des Unter­ nehmens zu bestimmen, (unions-)grundrechtlich geschützt ist.408 cc) Erfordernis eines Aufsichtsorgans als bereichsspezifische Ausnahme Da andere Lösungen nicht zu finden sind, bleibt letztlich nur, das Erfor­ dernis eines Aufsichtsorgans als bereichsspezifische Ausnahme von gesell­ schaftsrechtlichen Grundsätzen einzuordnen.409 Daraus folgt, dass aufsichts­ unterworfene Personengesellschaften ungeachtet des Prinzips der Selbstor­ ganschaft ein Aufsichtsorgan bilden und dieses mit den aufsichtsrechtlich geforderten Kompetenzen ausstatten müssen. Für diese Lösung spricht, dass der nationale Gesetzgeber von der Zulässigkeit von Personengesellschaften als Rechtsformen im Finanzsektor ausgeht.410 Daraus lässt sich ein Wille des Gesetzgebers ableiten, dass das nationale Personengesellschaftsrecht einer Zulassung als reguliertes Unternehmen nicht entgegenstehen soll. Aufgrund dieser impliziten Selbstbeschränkung des nationalen Gesellschaftsrechts kann das Prinzip der Selbstorganschaft, soweit es der Erfüllung aufsichtsrechtli­ cher Zulassungsvoraussetzungen widerspräche, bei regulierten Personenge­ sellschaften keine Geltung beanspruchen. Dadurch bildet sich für Personen­ gesellschaften ein Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor heraus, in dessen Rahmen die Besonderheiten des nationalen Personengesellschaftsrechts nur eingeschränkt Berücksichtigung finden können.

405  Siehe

oben 2. Teil: A. II. 1. zur CRD IV Mülbert/Wilhelm, in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, 2nd ed. 2020, Rn 6.34. 407  Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drs. 17/10974, S. 87. 408  Siehe oben 2. Teil: A. II. 1. mit Nachweisen in Fn. 19. 409  So schon fürs Bankaufsichtsrecht Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 541. 410  Siehe oben Fn. 407. 406  Vgl.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

c) Nähere Ausgestaltung des Aufsichtsorgans Für die nähere Ausgestaltung des Aufsichtsorgans ist vorrangig auf die Regelungen der Verordnungen zurückzugreifen, die Vorschriften zur Beset­ zung und Organisation des Aufsichtsorgans enthalten. Durch diese Vorgaben wird der Konflikt mit dem Prinzip der Selbstorganschaft weiter verschärft. Wie bereits gesehen, ist eine Besetzung des Aufsichtsorgans mit Nicht-Ge­ sellschaftern in dieser Hinsicht kritisch. Bei Ratingagenturen muss mindes­ tens ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder unabhängig sein, wobei Unabhän­ gigkeit so zu verstehen ist, dass das betreffende Aufsichtsratsmitglied kein Gesellschafter mit Kontrollbeteiligung sein oder einen solchen vertreten darf.411 Dadurch wird der Einfluss der Gesellschafter auf „ihre“ Gesellschaft weiter verringert. Auch die Vorgaben zur fachlichen Eignung der Mitglieder des Aufsichtsorgans führen dazu, dass sich die Auswahl der Mitglieder nach objektiven Kriterien richtet, nicht nach den Vorstellungen der Gesellschafter. Soweit das EU-Aufsichtsrecht keine Regelungen trifft, können die betrof­ fenen Gesellschaften die konkrete Ausgestaltung des Aufsichtsorgans selbst näher bestimmen. Dabei sind sie jedoch nicht völlig frei, sondern dem uni­ onsrechtlichen Gebot unterworfen, ein effektives Überwachungsorgan einzu­ richten.

III. Sonderfall: Aufsichtsfunktion bei Administratoren (Art. 5 BMR) 1. Systematische Einordnung Als Teil der Governance-Anforderungen für die Administratoren von Refe­ renzwerten verlangt Art. 5 BMR eine Aufsichtsfunktion. Gegenüber den üb­ rigen aufsichtsrechtlichen Regelungen stellt dies einen Sonderfall dar. Denn die allgemeine Anforderung, ein Aufsichtsorgan einzurichten, ergibt sich auch für Administratoren bereits daraus, dass Art. 3 Abs. 1 lit. a, e BMRDelVO ein Leitungsorgan voraussetzt. Für die Einpassung der Aufsichtsfunktion in die gesellschaftsrechtliche Organisationsverfassung erlangt das Verhältnis von Leitungsorgan und Auf­ sichtsfunktion entscheidende Bedeutung. Es stellt sich die Frage, ob die Aufsichtsfunktion vom Leitungsorgan wahrgenommen werden kann oder auf ein Organ neben dem Leitungsorgan übertragen werden muss. Letzteres wäre in der AG problematisch, weil es das Aktiengesetz nur in engen Grenzen zulässt, zusätzliche Organe neben den gesetzlich vorgeschriebenen zu schaf­ 411  Ausführlich

dazu unten 2. Teil: C. IV. 3. b) ee) (2).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan179

fen. Andererseits ist auch die Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion durch den Aufsichtsrat problematisch, weil die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Zu­ sammensetzung und zu den Kompetenzen der Aufsichtsfunktion Friktionen mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung verursachen. Im Folgenden werden zunächst die aufsichtsrechtlichen Regelungen zur Aufsichtsfunktion näher dargestellt und dann die Möglichkeiten einer gesellschaftsrechtlichen Umsetzung diskutiert. 2. Überblick über die aufsichtsrechtlichen Regelungen a) Einrichtung und Besetzung der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR i. V. m. der BMR-DelVO Nach Art. 5 Abs. 1 BMR muss ein Administrator eine ständige und wirksame Aufsichtsfunktion schaffen, um die Überwachung aller Aspekte der Bereitstellung seiner Referenzwerte zu gewährleisten. In Bezug auf diese Aufsichtsfunktion muss er solide Verfahren entwickeln und unterhalten und diese den jeweils zuständigen Behörden zur Verfügung stellen. Nach Art. 5 Abs. 3 BMR hat die Aufsichtsfunktion „integer“ zu arbeiten. Wie die Auf­ sichtsfunktion organisatorisch ausgestaltet werden kann, damit sie mit Blick auf die bereitgestellten Referenzwerte am besten geeignet ist, die Anforde­ rungen des Art. 5 BMR zu erfüllen, wird grundsätzlich in das Ermessen der Unternehmen gestellt.412 Gleichwohl wird die Ausgestaltung der Aufsichts­ funktion durch die Regelungen des Art. 5 BMR und der BMR-DelVO – ins­ besondere durch die nicht erschöpfende Liste geeigneter Regelungen für die Unternehmensführung im Anhang zur BMR-DelVO – näher spezifiziert. Zentrale Anliegen sind hierbei, die Wirksamkeit der Aufsichtsfunktion zu gewährleisten und Interessenkonflikte bei den Mitgliedern der Aufsichtsfunk­ tion zu vermeiden.413 Die BMR-DelVO gilt gemäß Art. 5 Abs. 5 UAbs. 2 Satz 2 BMR nur für Administratoren signifikanter Referenzwerte. Für die Administratoren nicht signifikanter Referenzwerte hat die ESMA auf Grund­ lage des Art. 5 Abs. 6 BMR Leitlinien zur Konkretisierung des Art. 5 BMR herausgegeben, die vergleichbare Anforderungen aufstellen.414 Allerdings steht es solchen Administratoren nach Art. 26 Abs. 1 BMR frei, Art. 5 Abs. 2,

412  ErwGr. 2

Satz 1 BMR-DelVO. BMR-DelVO. 414  ESMA Leitlinien zu nicht signifikanten Referenzwerten im Rahmen der Refe­ renzwerte-Verordnung, ESMA70-145-1209, 19.6.2019, abrufbar unter https://www. esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145-1209_guidelines_on_non-sig nificant_benchmarks_de.pdf [geprüft am 15.4.2023]. 413  ErwGr. 3

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

3 und 4 BMR nicht anzuwenden.415 Die Ausführungen im Folgenden behan­ deln die Anforderungen an die Administratoren signifikanter Referenzwerte. Die Struktur und Zusammensetzung der Aufsichtsfunktion müssen nach Art. 1 Abs. 1 BMR-DelVO in einem angemessenen Verhältnis zur Eigen­ tums- und Kontrollstruktur des Administrators stehen und grundsätzlich im Einklang mit einer oder mehreren der im Anhang zur BMR-DelVO aufge­ führten angemessenen Regelungen für die Unternehmensführung stehen. Aus Art. 1 Abs. 2 BMR-DelVO und Anh. Nr. 3 BMR-DelVO folgt zudem, dass die Wahl der Unternehmensstruktur von der Art des Referenzwertes abhängt, insbesondere davon, ob es sich um einen kritischen Referenzwert handelt. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 BMR-DelVO („einer oder mehreren“) macht deutlich, dass die Regelungsvorschläge des Anhangs zur BMR-DelVO nicht in einem Alternativverhältnis stehen, sich also gegenseitig ergänzen können. Gleichwohl ist ein Stufenverhältnis zwischen den Nr. 1 bis 3 des Anhangs zur BMR-DelVO erkennbar. Die Nr. 1 des Anhangs zur BMR-DelVO stellt die strengsten Anforderun­ gen an die Aufsichtsfunktion, indem sie die Bildung eines unabhängigen Aufsichtsausschusses, die Beteiligung externer Interessenträger und die Be­ setzung mit unabhängigen Mitgliedern vorsieht. Die BMR-DelVO geht of­ fensichtlich davon aus, dass diese Beteiligung externer Dritter dazu führen kann, dass der Aufsichtsfunktion Mitglieder angehören, die einem Interessen­ konflikt unterliegen. Dies wird deutlich aus Art. 1 Abs. 5 Satz 1 BMRDelVO, nach dem die Zahl der Mitglieder mit Interessenkonflikt keine einfa­ che Mehrheit erreichen oder überschreiten darf. Anh. Nr. 2 BMR-DelVO fordert ebenfalls die Einrichtung eines Ausschusses, verlangt aber nicht dessen Unabhängigkeit. Überdies verzichtet Anh. Nr. 2 BMR-DelVO auf eine Beteiligung externer Interessenträger. Stattdes­ sen verlangt Nr. 2 BMR-DelVO die Besetzung mit mindestens zwei Perso­ nen, die an der Bereitstellung der jeweiligen Referenzwerte beteiligt sind und kein Stimmrecht erhalten, und mindestens zwei Mitarbeitern des Administra­ tors, die nicht unmittelbar an der Bereitstellung der jeweiligen Referenzwerte beteiligt sind. Nur wenn keine geeigneten Mitarbeiter verfügbar sind, sieht Anh. Nr. 2 BMR-DelVO die Besetzung mit mindestens zwei unabhängigen Mitgliedern vor. Die Anwendung des Anh. Nr. 2 BMR-DelVO setzt voraus, dass sich der Administrator nicht gänzlich im Eigentum oder unter der Kon­ trolle der Referenzwert-Kontributoren oder der Aufsicht unterliegenden und

415  Der Administrator muss allerdings eine Konformitätserklärung abgeben, in der klar angegeben ist, warum nichts dagegen einzuwenden ist, dass er diese Bestimmun­ gen nicht einhält (Art. 26 Abs. 3 BMR). Die Erklärung wird von der zuständigen Behörde überprüft (Art. 26 Abs. 4 BMR).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan181

den Referenzwert verwendenden Unternehmen befindet und dass auf der Ebene der Aufsichtsfunktion keine sonstigen Interessenkonflikte bestehen. Anh. Nr. 3 BMR-DelVO lässt sogar die Ausübung der Aufsichtsfunktion durch eine natürliche Person genügen, sofern der Referenzwert kein kriti­ scher Referenzwert ist und seine Komplexität, sein Verwendungsgrad oder seine Anfälligkeit nichts anderes gebieten. ErwGr. 6 der BMR-DelVO kon­ kretisiert dies dahingehend, dass es sich um einen weniger häufig verwende­ ten und weniger anfälligen Referenzwert handelt. Verfahren, die nur auf ei­ nen Ausschuss passen, muss der Administrator in diesem Fall nicht anwen­ den.416 Für die Ausübung der Aufsichtsfunktion kommen Mitarbeiter des Administrators oder andere natürliche Personen, deren Leistungen vom Ad­ ministrator in Anspruch genommen werden oder die der Kontrolle des Admi­ nistrators unterliegen, in Betracht. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Person nicht unmittelbar an der Bereitstellung eines relevanten Referenzwerts beteiligt ist und sich nicht in einem Interessenkonflikt befindet. Die Nr. 4 und 5 des Anhangs zur BMR-DelVO regeln die interne Gliederung der Aufsichtsfunktion in mehrere Ausschüsse. Zulässig ist die Bildung von Ausschüssen, die entweder jeweils für die Überwachung eines Referenz­ wertes, einer Referenzwert-Art oder einer Referenzwert-Familie zuständig sind (Nr. 4) oder jeweils einen bestimmten Teil der Aufsichtsverantwortlich­ keiten und -aufgaben übernehmen (Nr. 5). Voraussetzung ist jeweils, dass eine Person oder ein Ausschuss als Verantwortliche(r) für die allgemeine Leitung und Koordinierung der Aufsichtsfunktion und für die Interaktion mit dem Leitungsorgan des Administrators und der zuständigen Behörde benannt wird. ErwGr. 5 der BMR-DelVO verlangt zudem, dass nicht alle Personen mit dem geeigneten Fachwissen ein und demselben Ausschuss angehören. Eine Abweichung von den Regelungen des Anhangs zur BMR-DelVO muss im Sinne eines „Comply-or-Explain-Mechanismus“ gegenüber den zu­ ständigen Behörden begründet werden (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BMR-DelVO). Strengere Anforderungen gelten darüber hinaus für die Überwachung kritischer Referenzwerte, also Referenzwerte, die eine der Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 BMR erfüllen und auf der gemäß Art. 20 Abs. 1 BMR von der Kommission erstellten Liste stehen.417 Stellt ein Administrator einen solchen kritischen Referenzwert bereit, muss er nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BMRDelVO einen Aufsichtsausschuss einrichten, dem mindestens zwei unabhän­ gige Mitglieder angehören. Eine dem Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BMR-DelVO ent­ sprechende Abweichungsmöglichkeit findet sich insoweit nicht. Für die Ad­ 416  ErwGr. 6

Satz 2 BMR-DelVO und Art. 3 Abs. 2 BMR. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/1368 der Kommission vom 11.8.2016, ABl. EU L 217/1 vom 12.8.2016, hat die EURIBOR-Referenzzinssätze als kritische Referenzwerte eingestuft. 417  Die

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

ministratoren von Referenzzinssätzen gelten ebenfalls besondere Regelungen. So müssen diese, abweichend von Art. 5 Abs. 4 BMR, nach Anh. I Nr. 3 lit. a BMR zwingend einen unabhängigen Aufsichtsausschuss einrichten. Sonder­ regelungen gibt es des Weiteren für Administratoren von Referenzwerten aus regulierten Daten. Diese müssen gemäß Art. 1 Abs. 4 Satz 1 BMR-DelVO Vertreter der in Art. 3 Abs. 1 Nr. 24 lit. a BMR genannten Unternehmen und ggfs. zudem Vertreter von Unternehmen, die Nettoinventarwerte von Invest­ mentfonds zu Referenzwerten aus regulierten Daten beitragen, hinzuziehen. Eine Nichtbeteiligung dieser Vertreter müssen die Administratoren gegenüber den zuständigen Behörden begründen (Art. 1 Abs. 4 Satz 2 BMR-DelVO). Allgemein müssen die Mitglieder der Aufsichtsfunktion nach Art. 1 Abs. 3 Satz 2 BMR-DelVO über ausreichend Kenntnisse des Marktes verfügen, den der Referenzwert messen soll. Zudem verlangt Art. 1 Abs. 3 Satz 1 BMRDelVO, dass die Mitglieder der Aufsichtsfunktion gemeinsam über die Kom­ petenzen und das Fachwissen verfügen, um die Bereitstellung eines bestimm­ ten Referenzwerts überwachen und die vorgesehenen Verantwortlichkeiten der Aufsichtsfunktion erfüllen zu können. b) Zuständigkeiten der Aufsichtsfunktion (Art. 5 Abs. 3 BMR) Art. 5 Abs. 3 BMR regelt die Zuständigkeiten der Aufsichtsfunktion, wo­ bei diese vom Administrator entsprechend der Komplexität, Verwendung und Anfälligkeit des Referenzwerts angepasst werden können. Administratoren von Referenzzinssätzen müssen der Aufsichtsfunktion hingegen zwingend alle in Art. 5 Abs. 3 BMR geregelten Zuständigkeiten übertragen (Anh. I Nr. 3 lit. c BMR) Der Aufsichtsfunktion obliegt die jährliche Überprüfung der ReferenzwertDefinition und -Methodik (Art. 5 Abs. 3 lit. a BMR). Ferner ist sie zuständig für die Überwachung etwaiger Änderungen der Referenzwert-Methodik und muss vom Administrator eine Konsultation bezüglich dieser Änderungen verlangen können (Art. 5 Abs. 3 lit. b BMR). Darüber hinaus überwacht die Aufsichtsfunktion den Kontrollrahmen nach Art. 6 BMR, das ReferenzwertManagement und die Referenzwert-Anwendung des Administrators (Art. 5 Abs. 3 lit. c BMR-DelVO). Des Weiteren ist der Aufsichtsfunktion die Über­ prüfung und Genehmigung von Verfahren für die Einstellung des Referenz­ werts und Konsultationen über die Einstellung übertragen (Art. 5 Abs. 3 lit. d BMR). Daneben beaufsichtigt die Aufsichtsfunktion Dritte, die an der Bereit­ stellung des Referenzwerts, einschließlich Berechnung und Verbreitung, be­ teiligt sind (Art. 5 Abs. 3 lit. e BMR). Weitere Zuständigkeiten hat die Auf­ sichtsfunktion, wenn der Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren basiert. In diesem Fall obliegen ihr zusätzlich die Überwachung der Eingabe­



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan183

daten, der Kontributoren und der Maßnahmen des Administrators zur Über­ prüfung oder Validierung des Beitragens von Eingabedaten (Art. 5 Abs. 3 lit. c, g BMR). Ferner ist sie für wirksame Maßnahmen bei Verstößen gegen den Verhaltenskodex für Kontributoren nach Art. 15 BMR zuständig (Art. 5 Abs. 3 lit. h BMR). Stellt die Aufsichtsfunktion Fehlverhalten des Adminis­ trators oder der Kontributoren fest oder liegen ungewöhnliche oder verdäch­ tige Eingabedaten vor, hat sie hierüber die zuständigen Behörden zu unter­ richten (Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR). Zusammengefasst ist die Aufsichtsfunktion für eine umfassende Überwa­ chung der Tätigkeit des Administrators in Bezug auf die bereitgestellten Re­ ferenzwerte verantwortlich. Überdies beurteilt die Aufsichtsfunktion nach Art 2 Abs. 2 BMR-DelVO die Entscheidungen des Leitungsorgans und stellt diese ggfs. infrage, um sicherzustellen, dass die Anforderungen der BMR eingehalten werden. Seine Empfehlungen richtet die Aufsichtsfunktion ge­ mäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 BMR-DelVO an das Leitungsorgan. Weicht das Leitungsorgan von den Empfehlungen oder Entscheidungen der Aufsichts­ funktion ab, muss diese das nach Art. 2 Abs. 3 BMR-DelVO protokollieren. c) Verfahrensvorschriften Art. 3 BMR-DelVO enthält einen umfassenden Katalog an Verfahren, über welche die Aufsichtsfunktion verfügen muss. Hierunter fallen Verfahren für ihr Mandat und die Häufigkeit ihrer Sitzungen (Art. 3 Abs. 1 lit. a BMRDelVO), für die Auswahl ihrer Mitglieder einschließlich der Bewertung de­ ren Fachwissens (lit. b) und für die Wahl, Benennung, Abberufung und Er­ setzung der Mitglieder (lit. c). Von besonderer Relevanz ist, dass die Auf­ sichtsfunktion über Verfahren für den Stimmrechtsausschluss externer Mit­ glieder verfügen muss, bei denen ein Interessenkonflikt besteht (Art. 3 Abs. 1 lit. g BMR-DelVO). Zudem muss sie Verfahren zur Offenlegung etwaiger Interessenkonflikte ihrer Mitglieder sowie den Ausschluss von Mitgliedern von Erörterungen bei Vorliegen eines Interessenkonfliktes einführen (Art. 3 Abs. 1 lit. h BMR-DelVO). d) Unabhängige Aufsichtsfunktion nach Art. 4 Abs. 3 BMR Neben der Regelung in Art. 5 BMR ist zusätzlich die Sonderregelung des Art. 4 Abs. 3 BMR zu beachten. Tritt bei einem Administrator ein Interessen­ konflikt auf, den er nicht angemessen regeln kann, muss er nach Art. 4 Abs. 3 BMR auf Verlangen der zuständigen Behörde eine unabhängige Aufsichts­ funktion einrichten, die eine ausgewogene Vertretung von Interessenträgern, einschließlich Nutzern und Kontributoren, umfasst. Gelingt die Regelung des

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Interessenkonflikts nicht, kann die Behörde fordern, dass der Administrator die den Interessenkonflikt auslösende Tätigkeit oder Beziehung beendet oder die Bereitstellung des Referenzwertes einstellt (Art. 4 Abs. 4 BMR). Es ist unklar, welche Kompetenzen die unabhängige Aufsichtsfunktion nach Art. 4 Abs. 3 BMR hat, weil hierzu in Art. 4 BMR nichts Näheres gere­ gelt ist. Allerdings könnten die Bestimmungen zur Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR auch auf die in Art. 4 Abs. 3 BMR genannte Aufsichtsfunktion Anwendung finden. Dagegen spricht die systematische Stellung des Art. 4 Abs. 3 BMR, der sich vor der Regelung zur Aufsichtsfunktion in Art. 5 BMR befindet. Zudem könnte der Zweck des Art. 4 Abs. 3 BMR, Interessenkon­ flikte zu bewältigen, eine dem Art. 5 Abs. 3 BMR entsprechende Kompe­ tenzzuweisung nicht erforderlich erscheinen lassen. Die gleiche Bezeichnung als Aufsichtsfunktion legt aber eine Verbindung beider Regelungen nahe. Außerdem sieht Anh. Nr. 1 BMR-DelVO auch für die Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR vor, dass diese unter Umständen unabhängig sein muss und mit externen Interessenträgern zu besetzen ist. Es ist deshalb anzunehmen, dass die in Art. 4 Abs. 3 BMR angesprochene unabhängige Aufsichtsfunktion einen Spezialfall der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR darstellt, der nur unter der engeren Voraussetzung des Bestehens eines nicht anders lösbaren Interessenkonflikts zum Tragen kommt. Art. 4 Abs. 3 BMR enthält im We­ sentlichen nicht die Regelung einer besonderen Aufsichtsfunktion, sondern bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Aufsichtsbehörden die Einrich­ tung einer entsprechenden unabhängigen Aufsichtsfunktion verlangen kön­ nen. Soweit aus Art. 4 Abs. 3 BMR nichts anderes folgt, sind auf die unab­ hängige Aufsichtsfunktion Art. 5 BMR und die BMR-DelVO anzuwenden. 3. Einpassung in die aktienrechtliche Organisationsverfassung a) Eigenständiges Unternehmensorgan Beaufsichtigten Unternehmen in der Rechtsform der AG bereitet die ge­ sellschaftsrechtliche Umsetzung der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR Probleme.418 Denkbar wäre es, die Aufsichtsfunktion einem eigenständigen Aufsichtsorgan neben dem Aufsichtsrat zu übertragen. Hierfür spricht, dass die Verordnung begrifflich zwischen dem Leitungsorgan, das aktienrechtlich Vorstand und Aufsichtsrat umfasst, und der Aufsichtsfunktion unterscheidet. Allerdings steckt das Aktienrecht der Einrichtung zusätzlicher Unterneh­ mensorgane enge Grenzen. Ein neben den gesetzlich vorgeschriebenen Orga­ nen gebildeter Beirat ist lediglich auf schuldrechtlicher Grundlage zulässig 418  So auch Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 191; Sajnovits, Finan­ cial-Benchmarks, 2018, S. 110 ff.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan185

und darf keine Kompetenzen zu Lasten der anderen Organe erhalten.419 Le­ diglich eine beratende oder vorbereitende Tätigkeit des Beirats gegenüber dem Vorstand ist grundsätzlich zulässig.420 Für eine lediglich beratende Tätigkeit der Aufsichtsfunktion könnte die Regelung in Art. 2 Abs. 2 und 3 BMR-DelVO sprechen. Zwar stehen der Aufsichtsfunktion danach Kompetenzen unmittelbar gegenüber dem Lei­ tungsorgan zu. Nach Art 2 Abs. 2 Satz 1 BMR-DelVO beurteilt die Auf­ sichtsfunktion die Entscheidungen des Leitungsorgans und „stellt sie gegebenenfalls infrage“, um sicherzustellen, dass die Anforderungen der BMR eingehalten werden. Dieses „infrage stellen“ könnte aber im Sinne der Ab­ gabe unverbindlicher Empfehlungen gegenüber dem Leitungsorgan auszule­ gen sein. Dafür spricht der systematische Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 BMR-DelVO, wonach die Aufsichtsfunktion unbeschadet des Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR sämtliche Empfehlungen an das Leitungsorgan zu richten hat. Daraus könnte zu schließen sein, dass – abgesehen von den Meldepflich­ ten gegenüber den Behörden nach Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR – unverbindliche Empfehlungen gegenüber dem Leitungsorgan als alleinige Handlungsform der Aufsichtsfunktion in Betracht kommen. Andererseits spricht Art. 2 Abs. 3 BMR-DelVO von Empfehlungen oder Entscheidungen. Gleichwohl könnte auch die Regelung des Art. 2 Abs. 3 BMR-DelVO für eine lediglich bera­ tende Tätigkeit der Aufsichtsfunktion sprechen, weil sie für die Fälle, in denen das Leitungsorgan von den Empfehlungen der Aufsichtsfunktion ­ abweicht, eine Dokumentationspflicht der Aufsichtsfunktion vorsieht. Die ­ Aufsichtsfunktion könnte insoweit mit dem Risikoausschuss bei zentralen Gegenparteien nach Art. 28 EMIR vergleichbar sein, der lediglich beratend tätig wird und über keine eigene Entscheidungskompetenz verfügt.421 In diese Richtung deutet die Aussage der ESMA, wonach die Aufsichtsfunktion außerhalb des Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR-DelVO Abweichungen des Leitungs­ organs von seinen Empfehlungen dokumentieren, nicht aber Maßnahmen er­ greifen kann.422 Die Letztentscheidungskompetenz verbliebe demnach beim Leitungsorgan. Unterstützt wird dies durch ErwGr. 10 BMR-DelVO, der be­ 419  Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 25; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 18; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, vor § 76 Rn. 18. 420  S. die Nachweise in der vorherigen Fußnote. 421  Siehe dazu unten 2. Teil: C. V. 3. d). 422  „In all other cases ESMA expected the oversight function to make recommen­ dations to the management body and to be able to record, but not to take action on [Hervorhebung durch den Autor], any diversion of the administrator from those rec­ ommendations.“; s. ESMA, Final Report – Draft technical standards under the Bench­ marks Regulation, ESMA70-145-48, 30.3.2017, S. 10 Nr. 10, abrufbar unter https:// www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145-48_-_final_report_ts_ bmr.pdf [geprüft am 15.4.2023].

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

gründet, wieso die Aufsichtsfunktion in die Organisationsstruktur des Admi­ nistrators eingebettet sein soll. Grund hierfür sei, dass die endgültigen Entscheidungen über die Geschäfte des Administrators beim Leitungsorgan ­liegen und die Aufsichtsfunktion bei einer vollständigen organisatorischen Trennung Entscheidungen treffen könnte, ohne deren nachteilige Wirkungen auf die Geschäfte des Administrators in vollem Umfang zu ermessen. Ein­ deutig ist dies freilich nicht, weil sich fragen ließe, wie eine rein beratende Aufsichtsfunktion Entscheidungen mit nachteiliger Wirkung für den Admi­ nistrator treffen könnte. Der in Art. 5 Abs. 3 BMR geregelte Zuständigkeitskatalog spricht jedoch entscheidend dafür, dass sich die Stellung der Aufsichtsfunktion nicht in ei­ ner rein beratenden oder vorbereitenden Tätigkeit erschöpft. Art. 5 Abs. 3 BMR überträgt der Aufsichtsfunktion Zuständigkeiten, die deutlich über diejenigen nach Art. 28 EMIR hinausgehen und aktienrechtlich den gesetz­ lich vorgesehenen Organen vorbehalten sind. Die in Art. 5 Abs. 3 BMR ver­ wendeten Begriffe wie „Überprüfung“, „Genehmigung“, „Überwachung“, „Beaufsichtigung“ und „Bewertung“ verdeutlichen, dass sich die Zuständig­ keiten der Aufsichtsfunktion gerade nicht auf eine bloße Beratungs- oder Vorbereitungstätigkeit beschränken. Diese Zuständigkeitsübertragung würde ins Leere laufen, wenn mit ihr nicht auch eine entsprechende Kompetenzzu­ weisung einherginge.423 Müsste sich die Aufsichtsfunktion auf die Abgabe unverbindlicher Empfehlungen beschränken, könnte sie die ihr nach Art. 5 BMR zugedachte Funktion, eine aktive Rolle bei der Überwachung der ­Referenzwerttätigkeit des Unternehmens auszuüben, nicht erfüllen. Hierfür spricht zudem, dass Art. 5 Abs. 1 BMR eine wirksame Aufsichtsfunktion verlangt. Im Ergebnis ist es daher nicht mit dem Aktienrecht vereinbar, die Aufsichtsunktion als schuldrechtlichen Beirat einzurichten. An diesem Auslegungsergebnis ändert sich selbst dann nichts, wenn man in den Regelungen des Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BMR-DelVO eine Be­ schränkung der Handlungsmacht der Aufsichtsfunktion auf die Abgabe un­ verbindlicher Empfehlungen sieht. Eine solche Einschränkung der Befug­ nisse, die der Aufsichtsfunktion aufgrund der Zuständigkeitszuweisung in Art. 5 Abs. 3 BMR zustehen müssen, wäre nicht von der Ermächtigung des Art. 5 Abs. 5 BMR gedeckt. Zwar kann der Kommission nach Art. 290 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV die Befugnis zur Änderung nicht wesentlicher Vorschriften des Basisrechtsakts übertragen werden. Art. 5 Abs. 5 UAbs. 1 BMR hat die Kommission aber nur dazu ermächtigt, die Vorgaben zur Aufsichtsfunktion zu präzisieren. Eine Beschränkung der Kompetenzen der Aufsichtsfunktion ginge über eine solche Präzisierung hinaus. Überdies geht auch die ESMA 423  Dazu

noch unten 2. Teil: C. III. 3. b) dd).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan187

offenbar davon aus, dass sich die Aufgabe der Aufsichtsfunktion nicht auf eine beratende Tätigkeit beschränkt.424 b) Aufsichtsrat als Aufsichtsfunktion aa) Vorgaben zur Organisationsstruktur Es läge nahe, die Aufsichtsfunktion dem Aufsichtsrat zu übertragen, dem in der AG nach § 111 Abs. 1 AktG die Überwachung der Geschäftsführung obliegt. Unterstützen könnte dies die Regelung des Art. 2 Abs. 1 BMRDelVO, wonach die Aufsichtsfunktion Teil der Organisationsstruktur des Administrators oder der Muttergesellschaft der Gruppe, der dieser angehört, ist. Dieser Norm liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, dass die Aufsichts­ funktion in die gesellschaftsrechtliche Unternehmensverfassung eingebettet sein soll, obgleich dies durch die Einbeziehung der Muttergesellschaft relati­ viert wird. Auch die Vorgabe, dass die Aufsichtsfunktion vom Leitungsorgan und den anderen Unternehmensführungsfunktionen getrennt ist, trifft auf den Aufsichtsrat zu. Mit dem Leitungsorgan ist hier der Vorstand bezeichnet, weil die Norm – wie auch die Verwendung des Begriffs der „anderen Unter­ nehmensführungsfunktionen“ erkennen lässt – das Unternehmensführungs­ organ der Gesellschaft adressiert. Die nach Art. 1 Abs. 6 Satz 2 BMR-DelVO vorgesehene Inkompatibilität der Mitgliedschaft im Leitungsorgan und im Aufsichtsorgan ist für das dualistische System gerade typisch und gesetz­ lich – bezogen auf Vorstand und Aufsichtsrat – in § 105 Abs. 1 AktG zwin­ gend vorgeschrieben. Auf der anderen Seite umfasst das Leitungsorgan nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 BMR nicht nur den Vorstand, sondern auch das nach nationalem Recht zu bestellende Organ, das Entscheidungen der Geschäftsleitung überwacht, nach deutschem Aktienrecht also den Aufsichtsrat. Die begriffliche Trennung von Aufsichtsfunktion und Leitungsorgan könnte darauf hindeuten, dass der Unions­gesetzgeber zwischen der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR auf der einen und dem allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Überwachungsorgan auf der anderen Seite unterscheidet. Daraus könnte zu folgern sein, dass die all­ gemeine Überwachung der Geschäftsleitung und die spezielle BMR-Auf­ sichtsfunktion von zwei unterschiedlichen Unternehmensstellen ausgeübt werden müssen. Zwingend ist dies aber nicht, weil das EU-Aufsichtsrecht den Unternehmen im Allgemeinen ein Ermessen lässt, wie die aufsichtsrecht­ lich geforderten Funktionen gesellschaftsrechtlich umgesetzt werden. Ob der 424  „ESMA stressed that in its view the oversight function is not simply a consultative body [Hervorhebung durch den Autor] […]“; s. ESMA, Final Report RTS BMR (Fn. 422, S. 185), 30.3.2017, S. 10 Nr. 9.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Aufsichtsrat einer AG die Aufsichtsfunktion wahrnehmen kann, hängt viel­ mehr davon ab, ob die Vorschriften der BMR zur Aufsichtsfunktion mit den aktienrechtlichen Vorgaben zum Aufsichtsrat vereinbar sind. Dies betrifft im Einzelnen das Besetzungsverfahren, die Besetzung und die Kompetenzen der Aufsichtsfunktion. bb) Verfahren zur Besetzung der Aufsichtsfunktion Dem Aktienrecht widersprechen könnte Art. 3 Abs. 1 lit. d BMR-DelVO, wonach die Aufsichtsfunktion über Verfahren für „die Wahl, Benennung, Abberufung und Ersetzung ihrer Mitglieder“ verfügen muss. Dies könnte implizieren, dass die Aufsichtsfunktion ein eigenes Wahlverfahren festlegen muss. Die Modalitäten der Aufsichtsratswahl sind aber bereits in § 101 AktG geregelt und stehen weitgehend nicht zur Disposition des Satzungsgebers.425 Allerdings ist Art. 3 BMR-DelVO als rein formale Vorschrift zu verstehen, die gewährleisten soll, dass der Administrator in Bezug auf die Aufsichts­ funktion über ordentliche und transparente Wahlverfahren verfügt. Sachlich regelt die Vorschrift das Wahlverfahren dagegen nicht. Die aufsichtsrecht­ lichen Vorgaben sind insoweit mit den aktienrechtlichen Vorgaben für den Aufsichtsrat vereinbar. Ein Administrator könnte den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 lit. d BMR-DelVO Genüge tun, indem er auf die aktienrechtlichen Wahlvorschriften verweist. cc) Besetzung der Aufsichtsfunktion (1) Besetzung nach Anh Nr. 1 BMR-DelVO Erheblich stärker ist dagegen das Konfliktpotenzial der aufsichtsrecht­ lichen Vorgaben zur Besetzung der Aufsichtsfunktion. So sieht Anh Nr. 1 BMR-DelVO die Einrichtung eines unabhängigen Aufsichtsratsausschusses vor, der mit einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Interessenträger besetzt ist. Neben der Besetzung mit unabhängigen Mitgliedern und Mitar­ beitern des Administrators fordert Anh. Nr. 1 BMR-DelVO, dass dem Auf­ sichtsausschuss Vertreter von Unternehmen, die den Referenzwert benutzen, Referenzwert-Kontributoren und andere externe Interessenträger wie Betrei­ ber von Marktinfrastrukturen angehören. Diese externen Interessenträger sollen vollwertige, stimmberechtigte Mitglieder der Aufsichtsfunktion sein. Daran könnte man zwar zweifeln, weil ErwGr. 9 Satz 2 BMR-DelVO von Verfahren spricht, die eine Beteiligung externer Interessenträger als Beob425  Habersack,

in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 101 Rn. 3.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan189

achter ermöglichen. Die grundsätzliche Stimmberechtigung dieser Mitglieder folgt aber aus Art. 3 Abs. 1 lit. g BMR-DelVO, wonach die Aufsichtsfunktion über ein Verfahren für den situativen Stimmrechtsausschluss externer Mit­ glieder bei Entscheidungen, die sich unmittelbar auf die Geschäfte der von ihnen vertretenen Organisationen auswirken würden, verfügen muss. Hierfür spricht zudem der systematische Vergleich mit der Regelung in Anh Nr. 2 BMR-DelVO, die ausdrücklich bestimmte Mitglieder vom Stimmrecht aus­ schließt. Soweit das Aufsichtsrecht eine Besetzung mit externen Interessenträgern verlangt, scheidet eine Übertragung der Aufsichtsfunktion auf den Aufsichts­ rat aus. Nach § 96 AktG ist der Aufsichtsrat einer AG mit Vertretern der Anteilseigner und, sofern die unternehmerische Mitbestimmung greift, mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen. Eine Besetzung des Aufsichtsrats mit externen Interessenvertretern wäre mit diesem aktienrechtlichen Modell nicht vereinbar. Die Vertreter anderer Unternehmen, wie Kontributoren oder Unternehmen, die den Referenzwert verwenden, haben unter Umständen In­ teressen, die denen der Aktionäre des Administrators entgegenlaufen. Sie können deshalb kaum als Vertreter der Anteilseigner angesehen werden, ebenso wenig als Vertreter der Arbeitnehmer426. Die Besetzungsvorgaben des § 96 AktG sind zwingend, weshalb die Gesellschaft nicht etwa im Wege ­einer Satzungsregelung ein anderes Aufsichtsratsmodell wählen kann.427 Eine Beteiligung von externen Interessenträgern im Aufsichtsrat wäre zudem unions­grundrechtlich hinsichtlich der Eigentumsgarantie problematisch. Die Übertragung der Aufsichtsfunktion auf einen Aufsichtsratsausschuss bietet keine Lösungsalternative, da sich dieser nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG aus Mitgliedern des Aufsichtsrats zusammensetzen muss. (2) Besetzung nach Anh. Nr. 2 BMR-DelVO Anh. Nr. 2 BMR-DelVO sieht keine Beteiligung externer Interessenträger vor. Allerdings ist die Vorgabe des Anh. Nr. 2 lit. b BMR-DelVO, dass die Aufsichtsfunktion mit Mitarbeitern der Gesellschaft zu besetzen ist, vor dem Hintergrund des § 96 AktG problematisch. In der mitbestimmungsfreien AG setzt sich der Aufsichtsrat ausschließlich aus Vertretern der Aktionäre zusam­ men. Allerdings können die Anteilseigner Arbeitnehmer der Gesellschaft in den Aufsichtsrat wählen, sofern diese nicht die Position eines Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtig­ ten ausüben, die nach § 105 Abs. 1 AktG vom Aufsichtsratsamt ausgeschlos­ 426  Diese müssen nach § 7 Abs. 2 MitbestG, § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG Arbeit­ nehmer der Gesellschaft oder Vertreter der Gewerkschaften sein. 427  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 96 Rn. 4.

190

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

sen sind.428 Zwar würde die Wahlfreiheit der Aktionäre, die als Ausfluss ihres Aktieneigentums grundrechtlich geschützt ist, insoweit beschränkt. Dagegen bestünden aber jedenfalls dann keine Bedenken, wenn den Vertretern der Anteilseigner die Mehrheit im Aufsichtsrat verbleibt.429 Anh. Nr. 2 lit. a, b BMR-DelVO ist nicht so zu verstehen, dass die Aufsichtsfunktion ausschließ­ lich mit Arbeitnehmern zu besetzen ist, was aus der englischen Sprachfas­ sung (shall include) deutlicher wird. In mitbestimmten Gesellschaften ist eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ohnehin bereits gesetzlich vorgeschrieben. Allerdings könnte eine Qualifizierung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat als Mitglieder der Aufsichtsfunktion zweifelhaft sein, weil diese Arbeitnehmerbelange ver­ treten und damit einer besonderen Interessenbindung unterliegen, die einer effektiven Ausübung der Tätigkeit als Mitglied der Aufsichtsfunktion abträg­ lich sein könnte. Die Wahl weiterer Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat durch die Anteilseigner ist in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften problema­ tisch, weil dies zu einer faktischen Überparität führt.430 Zwar bestehen gegen eine überparitätische Besetzung jedenfalls dann keine (grundrechtlichen) Bedenken, wenn alle Aktionäre mit der Wahl einverstanden sind.431 Von ei­ ner freiwilligen Zustimmung kann jedoch keine Rede sein, wenn die Anteils­ eigner aufsichtsrechtlich zur Wahl eines Arbeitnehmers in den Aufsichtsrat verpflichtet sind. Allerdings kann die Aufsichtsfunktion nach Anh. Nr. 2 BMR-DelVO, sofern keine geeigneten Mitarbeiter zur Verfügung stehen, stattdessen auch mit zwei unabhängigen Mitgliedern besetzt werden. Die unabhängigen Mitglieder sind gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BMR-DelVO natürliche Personen, die der Aufsichtsfunktion angehören und mit dem ­ Administrator nicht auf andere Weise als durch ihre Beteiligung an der ­ Aufsichts­ funktion unmittelbar verbunden sind. Die damit verbundene Be­ schränkung der Wahlfreiheit der Anteilseigner ist aktienrechtlich ebenfalls problematisch,432 doch erscheint eine Besetzung des Aufsichtsrats nach den Vorgaben des Anh Nr. 2 BMR-DelVO jedenfalls nicht per se ausgeschlossen, 428  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 105 Rn. 15, § 96 Rn. 32. Jeden­ falls für die drittelparitätisch mitbestimmte AG ferner BGH NJW 1975, 1657, 1658; J. Koch, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 251 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 96 Rn. 16; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 96 Rn. 39; Simons, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 96 Rn. 83; Hoffmann-­ Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 28 Rn. 46. 429  Vgl. noch unten 2. Teil: C. IV. 3. d) zum Erfordernis unabhängiger Mitglieder im Aufsichtsrat von Ratingagenturen. 430  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 96 Rn. 32. 431  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 96 Rn. 32; Henssler, ZfA 2000, 241, 261 f. 432  Ausführlich dazu unten 2. Teil: C. IV. 3.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan191

weil sich das Erfordernis unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder auch außer­ halb der Regelungen der BMR findet. (3) Besetzung nach Anh. Nr. 3 BMR-DelVO Aktienrechtlich unproblematisch ist eine Besetzung der Aufsichtsfunktion nach Anh. Nr. 3 BMR-DelVO. Dieser lässt die Ausübung der Aufsichtsfunk­ tion durch eine natürliche Person zu, die Mitarbeiter des Administrators ist, oder durch eine andere natürliche Person, deren Leistungen vom Administra­ tor in Anspruch genommen werden oder der Kontrolle des Administrators unterliegen. Wenn der Administrator die Aufsichtsfunktion sogar einer natür­ lichen Person übertragen kann, ist eine Ausübung durch den Aufsichtsrat oder einen seiner Ausschüsse erst recht zulässig. Eine Besetzung der Auf­ sichtsunktion mit Arbeitnehmern verlangt Anh. Nr. 3 BMR-DelVO im Ge­ gensatz zu Anh. Nr. 2 BMR-DelVO nicht zwingend. Zwar könnte man daran zweifeln, ob die Aufsichtsratsmitglieder „der Kontrolle des Administrators unterliegen“. Sehr wohl nimmt der Administrator aber die Leistungen der Aufsichtsratsmitglieder entgegen, die in einem korporationsrechtlichen Ver­ hältnis zur Gesellschaft stehen.433 Entscheidend kommt es für eine ordnungs­ gemäße Besetzung der Aufsichtsfunktion nach Anh. Nr. 3 BMR-DelVO da­ rauf an, dass die Mitglieder der Aufsichtsfunktion in Bezug auf die Bereit­ stellung des Referenzwertes keinen Interessenkonflikten unterliegen. Auch in diesem Fall könnten jedoch die Kompetenzen der Aufsichtsfunktion einer Übertragung auf den Aufsichtsrat entgegenstehen. dd) Kompetenzen der Aufsichtsunktion Die Kompetenzen, welche die Gesellschaft der Aufsichtsfunktion übertra­ gen muss, stehen einer Ausübung der Aufsichtsfunktion durch den Aufsichts­ rat entgegen. Art. 5 Abs. 3 BMR enthält einen Katalog umfangreicher Zu­ ständigkeiten, die organisationsrechtlich durch entsprechende Kompetenzen umgesetzt werden müssen.434 In der Sache ist die Aufsichtsfunktion nach Art. 5 Abs. 3 BMR für eine umfassende Überwachung der Referenzwerttätig­ keit des Administrators zuständig. Aktienrechtlich obliegt die Überwachung der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 1 AktG). Das spricht da­ für, dass der Aufsichtsrat die Kompetenzen, die das Aufsichtsrecht der Auf­ sichtsfunktion zuschreibt, bereits nach dem Aktienrecht hat. Jedoch gehen die Kompetenzen der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 BMR über diejenigen in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 101 Rn. 67 m. w. N. Financial-Benchmarks, 2018, S. 111.

433  Habersack, 434  Sajnovits,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

des Aufsichtsrats nach deutschem Aktienrecht hinaus,435 was im Folgenden näher ausgeführt wird. (1) Ü  berprüfung und Genehmigung von Verfahren für die Einstellung des Referenzwerts (Art. 5 Abs. 3 lit. d BMR) Mit den Kompetenzen des Aufsichtsrats vereinbar ist die Befugnis der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 Abs. 3 lit. d BMR, die Verfahren für die Ein­ stellung des Referenzwerts zu überprüfen und zu genehmigen. Es ist aktien­ rechtlich nicht nur zulässig, bestimmte Geschäfte unter einen Genehmigungs­ vorbehalt durch den Aufsichtsrat zu stellen, sondern nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ist eine diesbezügliche Satzungsregelung sogar zwingend erforderlich. Dahinter steht die Vorstellung, dass der Aufsichtsrat nicht auf eine Überwa­ chung der Geschäftsführung ex-post beschränkt ist, sondern die unternehme­ rische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle beglei­ tend mitgestaltet.436 Insoweit besteht allenfalls ein Konflikt mit dispositivem Gesellschaftsrecht, weil die Satzung einen entsprechenden Zustimmungsvor­ behalt vorsehen kann. (2) Meldepflicht gegenüber Behörden (Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR) Nach Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR hat die Aufsichtsfunktion die Aufsichtsbe­ hörden über Fehlverhalten des Administrators zu unterrichten. Diese Melde­ pflicht wird als erstmalige Whistleblower-Funktion gegenüber Behörden be­ zeichnet, die weit über die bekannten Instrumente einer internen Kontrolle im Finanzsektor hinausgehe.437 Aktienrechtlich könnte dies insofern proble­ matisch sein, als der Aufsichtsrat nach traditioneller Ansicht ein reines In­ nenorgan ist, das außerhalb aufsichtsratsspezifischer Themen keine eigene Informationspolitik für die Gesellschaft betreiben darf.438 Nach neuerer An­ sicht soll der Aufsichtsrat demgegenüber kein reines Innenorgan sein und Außenkontakte pflegen dürfen.439 Unabhängig von der allgemeinen Zulässig­ keit einer Außenkommunikation sind aber jedenfalls Kontakte des Aufsichts­ rats mit der Aufsicht als zulässig zu erachten.440 435  So

Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 111. BGHZ 135, 244, 254 f. = WM 1997, 970 (ARAG/Garmenbeck). 437  Spindler, ZBB 2015, 165, 170. 438  S. etwa Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 284; grundsätzlich auch Falkenhausen, ZIP 2015, 956, 956 f. 439  Ausführlich zum Streitstand Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn.  577 ff. 440  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 100; a.  A. wohl Dreher/ Häußler, ZGR 2011, 471, 504 f. 436  Vgl.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan193

Soweit die Meldepflicht des Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR vertrauliche Angaben oder Geheimnisse der Gesellschaft betrifft, könnte sie allerdings einen Wi­ derspruch zu der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nach § 116 Satz 2, Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG auslösen, die sich grundsätzlich auch auf Auskünfte gegenüber Behörden erstreckt.441 Dies gilt jedoch nicht, soweit der Aufsichtsrat aufgrund aufsichtsrechtlicher Sonder­ vorschriften wie § 44 Abs. 1 KWG zur Auskunft verpflichtet ist.442 Für auf­ sichtsrechtliche Whistleblower-Pflichten muss dies gleichermaßen gelten. Es kann insofern keinen Unterschied machen, ob das Aufsichtsrecht den Auf­ sichtsrat nur zu Auskünften auf Verlangen der Behörden verpflichtet oder weitergehend verlangt, dass sich der Aufsichtsrat bei festgestelltem Fehlver­ halten initiativ an die Behörden wenden muss. (3) Zuständigkeiten gegenüber Dritten (Art. 5 Abs. 3 lit. e, h BMR) Nicht mit den Rechten des Aufsichtsrats einer AG vereinbar sind die Zu­ ständigkeiten der Aufsichtsfunktion, soweit das Aufsichtsrecht eine Überwa­ chung externer Dritter vorsieht. Nach Art. 5 Abs. 3 lit. e BMR obliegt der Aufsichtsfunktion die Beaufsichtigung Dritter, die an der Bereitstellung des Referenzwerts, einschließlich Berechnung und Verbreitung, beteiligt sind. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats beschränkt sich auf eine gesell­ schaftsinterne Überwachung, insbesondere des Vorstands, während die Über­ wachung der Vertragsbeziehungen der Gesellschaft zu Dritten Sache des Vorstands ist. Eine ähnliche Problemstellung ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 lit. h BMR, wonach die Zuständigkeiten der Aufsichtsfunktion wirksame Maßnahmen bei Verstößen gegen den Verhaltenskodex für Kontributoren nach Art. 15 BMR umfassen. Wenn ein Referenzwert auf Eingabedaten von Kontributoren be­ ruht, hat der Administrator gemäß Art. 15 Abs. 1 BMR einen Verhaltens­ kodex zu erstellen, der die Verantwortlichkeiten der Kontributoren in Bezug auf das Beitragen von Eingabedaten enthält. Versteht man Art. 5 Abs. 3 lit. h BMR dahingehend, dass die Aufsichtsfunktion bei Verstößen gegen den Ko­ dex unmittelbar Maßnahmen gegen die Kontributoren treffen soll, hieße das, dass die Aufsichtsfunktion unmittelbar gegenüber Dritten im Außenverhältnis tätig werden würde. Dies wäre mit dem Aktienrecht nicht vereinbar, weil die Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis nach § 78 Abs. 1 Satz 1 441  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 249; Habersack, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 61; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 116 Rn. 43. 442  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 248; Habersack, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 61. Siehe dazu noch unten 2. Teil: C. V. 2. b).

194

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

AktG dem Vorstand obliegt. Eine Vertretungsbefugnis für die AG hat der Aufsichtsrat nach § 112 Satz 1 AktG grundsätzlich nur im Verhältnis zu den Vorstandsmitgliedern. Gegenüber Dritten ist der Aufsichtsrat nur in bestimm­ ten Fällen vertretungsbefugt, so z. B. bei der Vornahme von Hilfsgeschäften, bei der Beauftragung von Sachverständigen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG) und bei der Erteilung des Prüfungsauftrages an den Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG).443 Mit den Pflichten des Aufsichtsrats vereinbar wäre Art. 5 Abs. 3 lit. h BMR nur dann, wenn man die Norm auf eine Vorbereitung der Maßnahmen im Innenverhältnis bzw. auf eine Abgabe entsprechender Emp­ fehlungen i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 BMR-DelVO beschränkt. Dies ist aber nicht anzunehmen, weil der Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 lit. h BMR keine da­ hingehende Einschränkung enthält. ee) Zwischenergebnis Die Ausübung der Aufsichtsfunktion durch den Aufsichtsrat ist gesell­ schaftsrechtlich unzulässig, weil die in Art. 5 Abs. 3 BMR geforderten Kom­ petenzen der Aufsichtsfunktion Befugnisse gegenüber Dritten umfassen, die über diejenigen des Aufsichtsrats einer AG hinausgehen.444 c) Unternehmenseinheit unterhalb des Vorstands Alternativ könnte die Aufsichtsfunktion in einer separaten Stelle unterhalb des Vorstands angesiedelt werden, die dessen Vorgaben im Rahmen der Un­ ternehmensführung unterliegt.445 Hierfür spricht, dass der Aufsichtsfunktion Kompetenzen gegenüber Dritten zugewiesen sind, für die aktienrechtlich der Vorstand zuständig ist. Eine Überschneidung der Zuständigkeiten mit den Kompetenzen des Aufsichtsrats schließt eine Übertragung auf eine dem Vor­ stand nachgeordneten Stelle nicht aus. Dies ist vielmehr vergleichbar mit dem Zuständigkeitsprofil einer internen Revision oder Compliance-Abtei­ lung, die als Teil der Geschäftsleitung unternehmensinterne Entscheidungen kontrollieren, nicht aber die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats erset­ zen. Demnach könnte man die Aufsichtsfunktion als verselbstständigte Un­ ternehmenseinheit ansehen, die den Vorstand kontrollieren soll, diesem aber gleichzeitig nachgeordnet ist.

443  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 4; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 49 ff.; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 112 Rn. 2. 444  So im Ergebnis auch Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 111. 445  So Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 111, der deshalb einen Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht nicht als zwingend ansieht.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan195

Die Ausübung der Aufsichtsfunktion durch eine dem Vorstand nachgela­ gerte Unternehmenseinheit kommt aber jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn das Aufsichtsrecht die Beteiligung externer Dritter in der Aufsichts­ funktion verlangt.446 Diese Möglichkeit muss also im Fall des Art. 4 Abs. 3 BMR ebenso ausscheiden wie in den Fällen, in denen aufgrund der Eigentü­ mer- und Kontrollstruktur des Administrators eine Besetzung der Aufsichts­ funktion mit externen Stakeholdern erforderlich ist. Eine Übertragung der Aufsichtsfunktion auf eine dem Vorstand nachgela­ gerte Unternehmenseinheit käme auch dann nicht in Betracht, wenn das Aufsichtsrecht eine vom Vorstand unabhängige Aufsichtsfunktion verlangen würde. Hiergegen wird allerdings angeführt, dass Art. 5 Abs. 3 BMR im Ge­ gensatz zu früheren Fassungen der Verordnung ausdrücklich auf das Erfor­ dernis der Unabhängigkeit verzichtet habe.447 Während Art. 5a Abs. 3 des Verordnungsvorschlags vom 20. Mai 2015448 noch von einer Aufsichtsfunk­ tion sprach, die unabhängig funktioniert, lässt Art. 5 Abs. 3 BMR grundsätz­ lich eine integer arbeitende Aufsichtsfunktion genügen. Es trifft zwar zu, dass integer etwas anderes bedeutet als unabhängig, mithin Art. 5 Abs. 3 BMR – anders als Art. 4 Abs. 3 BMR – die Unabhängigkeit der Aufsichts­ funktion nicht unmittelbar verlangt.449 Dies bedeutet aber nicht, dass die Verordnung das Erfordernis einer unabhängigen Aufsichtsfunktion völlig aufgegeben hätte. Vielmehr hat der Gesetzgeber lediglich darauf verzichtet, dies generell für alle Administratoren vorzuschreiben. Dies wird deutlich aus Anh. I Nr. 3 lit. a BMR, der für Administratoren von Referenzzinssätzen ei­ nen unabhängigen Aufsichtsausschuss vorschreibt. Art. 4 Abs. 3 BMR sieht eine unabhängige Aufsichtsfunktion überdies auch für Administratoren sons­ tiger Referenzwerte vor, soweit sich ein Interessenkonflikt nicht auf andere Weise angemessen lösen lässt. Zudem führt die BMR-DelVO das Erfordernis einer unabhängigen Aufsichtsfunktion in ihrer nicht erschöpfenden Liste ge­ eigneter Regelungen für die Unternehmensführung auf. Nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Anh. Nr. 1 BMR-DelVO kann der Administrator – abhängig von ­seiner konkreten Eigentums- und Kontrollstruktur – verpflichtet sein, einen unabhängigen Aufsichtsausschuss einzurichten.

446  Vgl.

Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 127. Financial-Benchmarks, 2018, S. 111 f. 448  Europäischer Rat, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Benchmark verwendet werden – Ergebnisse der Beratungen des Europäischen Parla­ ments (Straßburg, 18. bis 21.5.2015), 8646/15 CODEC 668 EF 83 ECOFIN 302 PE 91. 449  Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 111. 447  Sajnovits,

196

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Überdies spricht bereits die Verwendung der Begriffe „Aufsichtsfunktion“ bzw. „Aufsichtsausschuss“ dafür, dass die Verordnung ein selbstständiges Aufsichtsorgan verlangt. Zudem fordert Art. 2 Abs. 1 BMR-DelVO, dass die Aufsichtsfunktion vom Leitungsorgan sowie den anderen Unternehmensfüh­ rungsfunktionen des Referenzwert-Administrators getrennt ist. Diesem Er­ gebnis steht nicht entgegen, dass Art. 4 Abs. 3 BMR die Befugnis der Auf­ sichtsbehörde, vom Administrator die Einrichtung einer unabhängigen Auf­ sichtsfunktion unter Beteiligung externer Interessenträgern zu verlangen, nur für den Fall eines Interessenkonflikts vorsieht, der nicht angemessen geregelt werden kann. Dies stellt lediglich klar, dass eine solche Befugnis in diesem Fall zwingend vorliegt, ändert aber nichts daran, dass die Pflicht zur Einrich­ tung einer wirksamen Aufsichtsfunktion nach Art. 1 Abs. 1 BMR-DelVO i. V. m. dem Anh. zur BMR-DelVO im Einzelfall eine dem Art. 4 Abs. 3 BMR entsprechende Gestaltung verlangen kann. Zwar könnte die Unabhängigkeit der Aufsichtsfunktion im Sinne einer rein organisatorischen Trennung bei gleichzeitiger Verantwortlichkeit gegenüber dem Vorstand zu verstehen sein, wie es im Ergebnis für die unabhängigen Unternehmenseinheiten interne Revision und Compliance-Funktion zu sehen ist.450 Dagegen spricht aber, dass die Aufsichtsfunktion nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BMR-DelVO die Entscheidungen des Leitungsorgans beurteilt und ggfs. in Frage stellt, um sicherzustellen, dass die Regelungen der BMR ein­ gehalten werden. Zudem hat die Aufsichtsfunktion die zuständigen Behörden über von ihr festgestelltes Fehlverhalten zu unterrichten (Art. 5 Abs. 3 lit. i BMR). Schließlich obliegt der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 Abs. 3 lit. e und h BMR die direkte Beaufsichtigung externer Dritter, ohne dass insoweit eine Einschaltung des Leitungsorgans verlangt wird. Diese Regelungen sprechen dafür, dass die Aufsichtsfunktion vom Vorstand unabhängig ist und gegen­ über diesem eine Kontrollfunktion wahrnimmt. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die umfassenden Überwachungskompetenzen, die Art. 5 Abs. 3 BMR der Aufsichtsfunktion überträgt. Aus dem Gesamtbild der Regelungen wird letztlich deutlich, dass Art. 5 BMR zumindest in bestimmten Fällen die Ein­ richtung eines vom Vorstand unabhängigen Organs verlangt. Nach alldem kommt eine Übertragung der Aufsichtsfunktion auf eine dem Vorstand nachgelagerte Unternehmenseinheit nicht in Betracht, soweit das Aufsichtsrecht eine unabhängige Aufsichtsfunktion oder die Besetzung der Aufsichtsfunktion mit externen Interessenträgern verlangt. In den übrigen Fällen kann dagegen eine dem Vorstand nachgelagerte Unternehmenseinheit die Aufsichtsfunktion ausüben, sodass die Aufsichtsfunktion insoweit mit dem Aktienrecht vereinbar ist. 450  Siehe

oben 2. Teil: B. V. 6.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan197

4. Auflösung der Konfliktlage a) Kein freies Ermessen bei der Ausgestaltung der Aufsichtsfunktion Eine Aufsichtsfunktion, die entsprechend Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BMR-DelVO i. V. m. Anh. Nr. 1 BMR-DelVO (oder Art. 4 Abs. 3 BMR) als unabhängiger Aufsichtsausschuss unter der Beteiligung externer Dritter gebildet werden muss, ist nicht mit dem Aktienrecht vereinbar. Gleiches gilt für den unabhän­ gigen Aufsichtsausschuss, den die Administratoren von Referenzzinssätzen nach Anh. I Nr. 3 lit. a BMR einrichten müssen. Zu beachten ist jedoch, dass dem Administrator bei der Wahl der organisa­ torischen Ausgestaltung der Aufsichtsfunktion ein Ermessen zukommt. Zwar muss die Struktur und Zusammenfassung nach Art. 1 Abs. 1 Halbs. 2 BMRDelVO grundsätzlich einer oder mehrerer der im Anhang zur BMR-DelVO niedergelegten Regelungen zur Unternehmensführung entsprechen. Abwei­ chungen von den Regelungen des Anhangs zur BMR-DelVO sind aber zuläs­ sig. Dies folgt aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BMR-DelVO, wonach der Adminis­ trator jede Abweichung gegenüber den zuständigen Behörden begründen muss. Der genaue Gehalt dieses „Comply-or-Explain-Mechanismus“ ist zwar unklar. Er könnte so auszulegen sein, dass die Unternehmen völlig frei in der Besetzung der Aufsichtsfunktion sind, solange sie die Abweichungen gegen­ über der Behörde begründen. Dafür spricht der grundsätzliche Regelungs­ ansatz der BMR-DelVO. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BMR-DelVO bezweckt gerade, den Unternehmen die notwendige Flexibilität bei der Ausgestaltung der Aufsichtsfunktion einzuräumen.451 Ziel der Verordnung ist es nur, eine aus­ reichende Kontrolle der Tätigkeit der Referenzwert-Administratoren zu ge­ währleisten. So sind die Unternehmen nach Ansicht der ESMA grundsätzlich frei darin, ob sie externe Stakeholder in die Aufsichtsfunktion einbeziehen, sofern mögliche Interessenkonflikte der Mitglieder der Aufsichtsfunktion auf andere Weise gelöst werden können.452 Allerdings ändert die durch die Regelungen der BMR-DelVO gewährte Flexibilität nichts daran, dass der Administrator die Aufsichtsfunktion so ausgestalten muss, dass sie mit Blick auf die von ihm bereitgestellten Refe­ renzwerte am besten geeignet ist, die Anforderungen des Art. 5 BMR zu er­ füllen.453 Der Verordnung liegt insoweit ein prinzipienbasierter Regelungsan­ satz zugrunde. Dies bedeutet, dass den beaufsichtigten Unternehmen zwar ein Spielraum hinsichtlich des konkreten Wegs der Umsetzung der aufsichts­ rechtlichen Vorgaben zukommt, dass sie aber gleichzeitig den aufsichtsrecht­ 451  Vgl.

auch ErwGr. 2 Satz 1 BMR-DelVO. Final Report RTS BMR (Fn. 422, S. 185), 30.3.2017, S. 13 Nr. 20. 453  Vgl. ErwGr. 2 Satz 1 BMR-DelVO. 452  ESMA,

198

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

lichen Zielen verpflichtet bleiben.454 Der Administrator muss eine wirksame Überwachung aller Aspekte der Bereitstellung der Referenzwerte gewährleis­ ten. Die Unternehmen sind daher nicht vollständig frei in der Umsetzung der Aufsichtsfunktion, sondern müssen das aufsichtsrechtlich geforderte qualita­ tive Ergebnis einer wirksamen Aufsichtsfunktion (Art. 5 Abs. 1 BMR) errei­ chen. Aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BMR-DelVO wird deutlich, dass der Administrator die Struktur und Zusammensetzung der Aufsichtsfunktion in angemessenem Verhältnis zu der Eigentums- und Kontrollstruktur des Admi­ nistrators festlegen muss. Die Abweichungsbefugnis des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BMR-DelVO bezieht sich lediglich auf die Pflicht des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BMR-DelVO, die Aufsichtsfunktion im Einklang mit einer oder mehreren der im Anhang zur BMR-DelVO aufgeführten angemessenen Re­ gelungsvorschläge auszugestalten. An der Pflicht aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BMR-DelVO ändert Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BMR-DelVO aber nichts. Ist zur wirksamen Überwachung der Bereitstellung der Referenzwerte im Einzelfall erforderlich, die Aufsichtsfunktion mit externen Interessenträgern zu besetzen, kann sich das betroffene Unternehmen nicht auf die Abwei­ chungsmöglichkeit berufen. Ließe man in jedem Fall eine Abweichung zu und stellte die nähere Ausgestaltung der Aufsichtsfunktion vollständig in das freie Ermessen der Unternehmen, drohte ein Leerlaufen der aufsichtsrecht­ lichen Vorgaben. Überdies hilft die Abweichungsmöglichkeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BMRDelVO jedenfalls dann nicht weiter, wenn ein nicht anders auflösbarer Inte­ ressenkonflikt besteht, mithin die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 BMR vorliegen. In diesem Fall kann die Aufsichtsbehörde verlangen, dass der Administrator eine besondere Aufsichtsfunktion unter Einbeziehung externer Interessenträger schafft. Eine Abweichungsmöglichkeit sieht die Verordnung insoweit nicht vor. Gleiches gilt für die Pflicht der Administratoren von ­Referenzzinssätzen nach Anh. I Nr. 3 lit. a BMR, einen unabhängigen Auf­ sichtsausschuss zu schaffen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die konkrete Ausgestaltung der Auf­ sichtsfunktion nicht im freien Ermessen der Gesellschaft steht. Es wäre daher beispielsweise unzulässig, unter Verweis auf gesellschaftsrechtliche Schran­ ken auf eine Beteiligung externer Interessenträger in der Aufsichtsfunktion zu verzichten. Vielmehr richtet sich die Ausgestaltung der Aufsichtsfunktion allein nach aufsichtsrechtlichen Kriterien. Abhängig von der Art des Refe­ renzwerts und der Eigentümer- und Kontrollstruktur des Administrators kann es erforderlich sein, ungeachtet aktienrechtlicher Grenzen einen unabhängi­ gen Aufsichtsausschuss unter der Beteiligung externer Dritter zu bilden. 454  Siehe

dazu bereits oben 2. Teil: B. V. 4. b) bb) sowie unten 3. Teil: C. III. 2. d).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan199

b) Keine Auflösung der Konfliktlage über Art. 4 Abs. 4 BMR Hinsichtlich der unabhängigen Aufsichtsfunktion nach Art. 4 Abs. 3 BMR, die der Administrator im Falle eines nicht anders auflösbaren Interessenkon­ fliktes einrichten muss, wäre eine Auflösung der Konfliktlage über Art. 4 Abs. 4 BMR denkbar. Danach kann die jeweils zuständige Behörde verlan­ gen, dass der Administrator entweder die Tätigkeiten oder Beziehungen, die den Interessenkonflikt bewirken, beendet oder die Bereitstellung des Refe­ renzwerts einstellt, wenn eine angemessene Regelung eines derartigen Inter­ essenkonflikts nicht möglich ist. Nach einer Auffassung in der Literatur ist diese Regelung auf gesellschaftsrechtliche Umsetzungsgrenzen anwendbar. Ein Konflikt mit dem nationalem Gesellschaftsrecht lasse sich dadurch ver­ meiden, dass den Administrator eine Pflicht zur Einstellung der Tätigkeit trifft, wenn er den aufsichtsrechtlichen Vorgaben aufgrund des nationalen Gesellschaftsrechts nicht entsprechen kann.455 Die besseren Argumente sprechen jedoch dagegen, dass Art. 4 Abs. 4 BMR auf gesellschaftsrechtliche Umsetzungsgrenzen Anwendung findet. Art. 4 Abs. 3 BMR sieht die Möglichkeit, dass die zuständige Behörde die Einrichtung einer unabhängigen Aufsichtsfunktion verlangen kann, ausdrück­ lich vor, ohne dies unter den Vorbehalt der Umsetzbarkeit nach nationalem Gesellschaftsrecht zu stellen. Dass Art. 4 Abs. 4 BMR einen solchen Vorbe­ halt enthalten soll, ist im Wortlaut nicht angelegt und folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Norm. Dieser ist vielmehr darin zu sehen, dass die Aufsichtsbehörde als letztes Mittel die Einstellung der Tätigkeiten verlangen kann, wenn eine angemessene Regelung des Interessenkonflikts aufgrund der Umstände, die dem Interessenkonflikt selbst zugrunde liegen, nicht möglich ist. Die Annahme, dass Art. 4 Abs. 4 BMR darüber hinaus auch die in Art. 4 Abs. 3 BMR geregelte Befugnis der Behörde einschränken soll, erschließt sich nicht. Darüber hinaus käme eine Auflösung der Konfliktlage über Art. 4 Abs. 4 BMR ohnehin nur für die unabhängige Aufsichtsfunktion nach Art. 4 Abs. 3 BMR, zum Tragen, nicht aber für die Fälle der nach Art. 5 BMR zu bildenden Aufsichtsfunktion. c) Umsetzung der Aufsichtsfunktion trotz Konflikt mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung Im Ergebnis ist die von der BMR geforderte Aufsichtsfunktion nicht kon­ fliktfrei mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung zu vereinbaren, soweit das Aufsichtsrecht eine unabhängige Aufsichtsfunktion und/oder eine Beset­ zung mit externen Interessenträgern verlangt. Diesen Konflikt dadurch auf­ 455  Sajnovits,

Financial-Benchmarks, 2018, S. 112.

200

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

zulösen, die AG als Rechtsform eines Administrators zu disqualifizieren, kommt aufgrund der Bedeutung der AG als Rechtsform im Finanzsektor nicht in Betracht.456 Vielmehr verbleibt als Lösungsmöglichkeit für die ge­ nannten Fälle nur, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben aufgrund des unions­ rechtlichen Anwendungsvorrangs als vorrangige Regelungen zu betrachten, hinter die aktienrechtliche Grundsätze zurücktreten müssen. Als Folge stellt sich die Frage, wie die Aufsichtsfunktion umgesetzt werden kann, um den Eingriff in die aktienrechtliche Kompetenzordnung möglichst gering zu hal­ ten. Die sinnvollste Lösung zur Implementierung der Aufsichtsfunktion besteht darin, abweichend von aktienrechtlichen Grundsätzen die Bildung eines ei­ genständigen Organs „Aufsichtsfunktion“ neben den gesetzlichen Organen Vorstand und Aufsichtsrat zuzulassen. Mit dem Aktienrecht ist dies zwar an sich nicht vereinbar, weil die Kompetenzen der Aufsichtsfunktion nach Art. 5 Abs. 3 BMR über diejenigen eines schuldrechtlichen Beirats hinausgehen. Dies stellt allerdings im Vergleich zur Übertragung der Aufsichtsfunktion auf den Aufsichtsrat noch den milderen Eingriff in das nationale Gesellschafts­ recht dar. Die aufsichtsrechtlichen Besetzungsregeln würden die Wahlfreiheit der Aktionäre über Gebühr beschränken und deren Möglichkeit, über den Aufsichtsrat Einfluss auf den Vorstand zu nehmen, zu stark schmälern. Wie bereits erwähnt, würde dies erhebliche grundrechtliche Fragen aufwerfen. Überzeugender ist es deshalb, die Überwachung der Referenzwerttätigkeit in dem aufsichtsrechtlich geforderten Umfang einer gesonderten Aufsichts­ funktion zu übertragen, die nach den aufsichtsrechtlichen Regeln besetzt wird und die in Art. 5 Abs. 3 BMR geregelten Kompetenzen hat, und die Überwachung des Vorstands im Übrigen bei dem nach aktienrechtlichen Re­ geln besetzten Aufsichtsrat zu belassen. Im Einklang mit dem Aktienrecht kann die Möglichkeit zur Bestellung und Abberufung des Vorstands beim Aufsichtsrat belassen werden. Zwar fordert das Aufsichtsrecht, um eine wirk­ same Überwachung der Geschäftsleitung zu gewährleisten, grundsätzlich die Bildung eines Aufsichtsorgans mit Personalkompetenz;457 einer Ausübung dieser Funktion durch den Aufsichtsrat steht die BMR allerdings nicht entge­ gen. Folge dieser Auslegung ist, dass es in der Gesellschaft zu einer Verdop­ pelung der Überwachungsinstanzen kommt.

456  Siehe 457  So

dazu bereits oben 1. Teil: C. IV. 3. bereits oben 2. Teil: C. II. 5. a) bb).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan201

5. Ergebnis Generelle Aussagen über das Ob und Wie der gesellschaftsrechtlichen Umsetzbarkeit der Aufsichtsfunktion lassen sich nicht treffen. Vielmehr hängt diese von den konkreten Kontroll- und Eigentumsverhältnissen beim Administrator sowie von der Art des bereitgestellten Referenzwertes ab. Wenn der Referenzwert kein kritischer Referenzwert ist und seine Komplexi­ tät, sein Verwendungsgrad oder seine Anfälligkeit nichts anderes gebieten (Anh. Nr. 3 BMR-DelVO), kann die Aufsichtsfunktion durch einen Mitarbei­ ter des Administrators ausgeübt und daher als dem Vorstand nachgelagerte Unternehmensstelle eingerichtet werden. Gleiches gilt für den Fall, dass sich der Administrator nicht gänzlich im Eigentum oder unter der Kontrolle der Referenzwert-Kontributoren oder der Aufsicht unterliegenden und den Refe­ renzwert verwendenden Unternehmen befindet und sofern auf der Ebene der Aufsichtsfunktion keine sonstigen Interessenkonflikte bestehen (Anh Nr. 2 BMR-DelVO). Etwas anderes gilt allerdings für die Administratoren von Referenzzinssät­ zen, die nach Anh. I Nr. 3 lit. a BMR zwingend einen unabhängigen Auf­ sichtsausschuss einrichten müssen, und für Administratoren anderer Refe­ renzwerte, wenn deren Eigentümer- und Kontrollstruktur nach Art. 1 Abs. 1 BMR-DelVO i. V. m. Anh. Nr. 1 BMR-DelVO die Bildung eines unabhängi­ gen Aufsichtsausschusses und/oder die Beteiligung externer Dritter im Aus­ schuss fordert. Zwingend ist die Bildung einer unabhängigen Aufsichtsfunk­ tion unter Beteiligung externer Interessenträger jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 BMR vorliegen und die Aufsichtsbehörde ein entsprechendes Verlangen an den Administrator richtet. In diesen Fällen bleibt dem Administrator nur, die Aufsichtsfunktion abweichend von aktien­ rechtlichen Grundsätzen als eigenständiges Organ neben dem Aufsichtsrat einzurichten, entsprechend den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu besetzen und mit den erforderlichen Kompetenzen auszustatten. An die gesetzlichen Vorschriften zur Organisationsverfassung der AG, die einer Einrichtung der Aufsichtsfunktion entsprechend den aufsichtsrechtli­ chen Vorgaben entgegenstehen, sind die betroffenen Gesellschaften nicht gebunden. Dieses Ergebnis ist mit einem erheblichen Eingriff in Grundwer­ tungen des Aktienrechts verbunden. Der Grundsatz, dass die Unternehmens­ führung und -überwachung in der AG exklusiv den gesetzlich vorgeschriebe­ nen Organen Vorstand und Aufsichtsrat obliegt, wird aufgehoben. Die Rechte der Unternehmensorgane werden durch die zusätzlich bestehende Aufsichts­ funktion beschnitten. Wie stark der Eingriff in die aktienrechtliche Kompe­ tenzordnung dabei letztlich ausfällt, ist noch nicht vollständig abzusehen. Dies hängt maßgeblich davon ab, wie die Aufsichtsbehörden und die Ge­

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

richte die unbestimmten Rechtsbegriffe der BMR auslegen und wie weitge­ hend die Kompetenzen sind, die sie der Aufsichtsfunktion zubilligen.

IV. Besetzung des Aufsichtsorgans Das Aufsichtsrecht statuiert spezielle Vorgaben zur Besetzung des Auf­ sichtsorgans. Dies umfasst persönliche Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsorgans (sog. Fit & Proper-Test), eine Zielvorgabe zur Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts im Aufsichtsorgan sowie die Vorgabe, das Aufsichtsorgan teilweise mit unabhängigen Mitgliedern zu besetzen. 1. Persönliche Anforderungen (Fit & Proper-Test) a) Überblick Das EU-Aufsichtsrecht legt nicht nur den Geschäftsleitern, sondern auch den Mitgliedern des Aufsichts- bzw. Leitungsorgans Anforderungen an die fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit auf. Aus diesen Vor­ gaben wird deutlich, welche große Bedeutung das Aufsichtsrecht einer quali­ fizierten und effektiven Überwachung der Geschäftsleitung, die Grundvoraus­ setzung für eine gute Corporate Governance ist, beimisst.458 Konkret müssen die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ei­ ner Ratingagentur, einschließlich seiner unabhängigen Mitglieder, nach Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 Satz 1 CRAR mehrheitlich über ausreichende Fachkenntnisse im Bereich Finanzdienstleistungen verfügen. Gibt eine Ratin­ gagentur Ratings für strukturierte Finanzinstrumente ab, müssen zudem mindestens zwei Mitglieder (davon ein unabhängiges Mitglied) über weitrei­ chende Kenntnisse und Erfahrungen auf leitender Ebene mit den Märkten für Verbriefungsinstrumente verfügen (Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 Satz 2 CRAR). Die Mitglieder des Leitungsorgans einer zentralen Gegenpartei müssen nach Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR – ebenso wie die Geschäftsleiter nach Art. 27 Abs. 1 EMIR – „gut beleumundet“ sein. Zudem müssen sie über an­ gemessene Sachkenntnis in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Risikoma­ nagement und Clearingdienstleistungen verfügen. Das Leitungsorgan eines Zentralverwahrers muss ebenfalls aus „gut beleumundeten“ Mitgliedern zu­ sammengesetzt sein, die eine der Aufgabe angemessene Kombination aus Kompetenz, Erfahrung und Kenntnissen des Unternehmens und des Marktes aufweisen (Art. 27 Abs. 4 Satz 1 CSDR). 458  Binder,

ZGR 2018, 88, 101.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan203

b) Anwendungsbereich Die persönlichen Anforderungen an die Mitglieder des Leitungsorgans gelten in der deutschen AG bzw. GmbH für die Mitglieder des Aufsichts­ rats.459 Dies folgt für zentrale Gegenparteien zwingend aus Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR, der die unabhängigen Mitglieder des Leitungsorgans ein­ schließt, die unzweifelhaft dem Aufsichtsrat angehören müssen. Für Rating­ agenturen ergibt sich die Anwendung auf Aufsichtsratsmitglieder bereits dar­ aus, dass die Verordnung den Begriff des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans verwendet, sowie ebenfalls aus der ausdrücklichen Einbeziehung der unab­ hängigen Mitglieder in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 Satz 1 CRAR. Für Zentralverwahrer kann nichts anderes gelten, auch wenn Art. 27 Abs. 4 Satz 1 CSDR lediglich allgemein von den Mitgliedern des Leitungsorgans spricht. Dieses umfasst nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 CSDR aber jedenfalls auch die Aufsichtsratsmitglieder. Allerdings könnten sich die persönlichen Anforderungen an die Mitglieder des Leitungsorgans zusätzlich auch auf die Mitglieder des Vorstands bzw. Geschäftsführer beziehen.460 Begrifflich folgt das Unionsrecht dem Verständ­ nis des monistischen Systems, in dem auch die executive officers Teil des Leitungsorgans sind. Nach ihrem Wortlaut enthalten die aufsichtsrechtlichen Anforderungen keine Beschränkung auf die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans, die als Äquivalent zum Aufsichtsrat nach deut­ schem Recht gesehen werden können. Demnach könnte man annehmen, dass die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer beide Anforderungen kumula­ tiv erfüllen müssten. Dagegen spricht aber, dass für die Geschäftsleiter – also die Mitglieder des Vorstands bzw. die Geschäftsführer – gemäß Art. 27 Abs. 1 EMIR, Art. 27 Abs. 1 CSDR, Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 2 CRAR die dort genannten strengeren Anforderungen gelten. Für Ratingagenturen legt zudem die Differenzierung zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungs- oder Auf­ sichtsorgan nahe, das letzteres lediglich den Aufsichtsrat bezeichnet. Sieht man dies anders, ergeben sich aber auch aus einer kumulativen An­ wendung beider Anforderungsprofile auf die Geschäftsleiter keine Probleme. Es ist kaum denkbar, dass ein Organmitglied das fachliche Anforderungs­ profit für Geschäftsleiter erfüllt, nicht aber die schwächeren Anforderungen an die Mitglieder des Leitungsorgans. Die für Geschäftsleiter geforderte ausreichende Erfahrung, um ein solides und umsichtiges Management sicher­ zustellen, umfasst zwingend, dass der Geschäftsleiter über eine angemessene Sachkenntnis verfügt, welche für das Leitungsorgan gefordert ist. in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 27 EMIR Rn. 6. Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 27

459  Hartenfels, 460  Dagegen

EMIR Rn. 6.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

c) Vereinbarkeit mit dem nationalen Gesellschaftsrecht Aus den persönlichen Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichts­ organs ergeben sich keine grundlegenden Konflikte mit dem nationalen Ge­ sellschaftsrecht. Zwar haben die gestiegenen Anforderungen an Aufsichts­ ratsmitglieder zu der Befürchtung geführt, es könnte zu einer Verwischung der Grenzen des dualistischen Systems hin zu einer „diffusen Gesamtverant­ wortung nach Vorbild des Board-Systems“ kommen.461 Allerdings ist diese Sorge nur bedingt berechtigt, weil ein signifikanter qualitativer Unterschied zwischen den fachlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter und den An­ forderungen an die Mitglieder des Aufsichtsorgans besteht.462 Zwischen bei­ den Anforderungsprofilen ist ein klares Stufenverhältnis erkennbar, wie es den Grundgedanken der dualistischen Unternehmensverfassung entspricht. Dies wird besonders deutlich aus Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 Satz 1 CRAR, wonach die Mitglieder des Aufsichtsorgans nur „mehrheitlich“ über ausreichende Fachkenntnisse verfügen müssen. Auch im Übrigen sind die persönlichen Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsorgans – wie die persönlichen Anforderungen an die Geschäfts­ leiter – konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar. Das EU-Auf­ sichtsrecht bewirkt insoweit lediglich eine systemkonforme Überlagerung gesellschaftsrechtlicher Anforderungen durch die strengeren aufsichtsrechtli­ chen Vorgaben, ohne dass hierdurch ein systematischer Konflikt entstünde.463 Zwar gehen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben erheblich über die in § 100 AktG grundsätzlich nur rudimentär geregelten persönlichen Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder hinaus.464 Dies gilt insbesondere für das auf­ sichtsrechtliche Zuverlässigkeitskriterium („guter Leumund“), da § 76 Abs. 3 AktG, der die Mitgliedschaft im Vorstand bei bestimmten Vorstrafen aus­ schließt, auf Mitglieder des Aufsichtsrats nicht anwendbar ist.465 Im Grund­ satz erkennt aber auch das Aktienrecht an, dass die Mitglieder des Aufsichts­ rats bestimmte Mindestanforderungen erfüllen müssen.466 In Bezug auf die fachliche Qualifikation der Mitglieder des Aufsichts­ organs relativieren sich auch die inhaltlichen Unterschiede zwischen gesell­ schaftsrechtlichem und aufsichtsrechtlichem Anforderungsprofil, wenn man die Anforderungen zugrunde legt, die der BGH in der „Hertie-Entscheidung“ 461  So Batereau auf dem 6. Münsteraner Bankentag, zitiert nach Danwerth, ZBB 2016, 213, 217. 462  Vgl. zu den §§ 25c, 25d KWG Binder, ZGR 2018, 88, 101 f. m. w. N. 463  Binder, ZGR 2018, 88, 108 f. 464  Binder, ZGR 2018, 88, 98. 465  Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 295 f. 466  Binder, ZGR 2018, 88, 98.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan205

an die Mindestqualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern gestellt hat.467 Zu­ sätzlich zu den Anforderungen des § 100 AktG muss ein Aufsichtsratsmit­ glied nach der BGH-Rechtsprechung „diejenigen Mindestkenntnisse und ‑fähigkeiten besitzen oder sich aneignen […], die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“.468 Die Komplexität des Geschäfts­ modells von Unternehmen des Finanzsektors führt dazu, dass die Grenzen zwischen den von der Rechtsprechung postulierten „Mindestkenntnissen und -fähigkeiten“ einerseits und den aufsichtsrechtlich geforderten Spezialkennt­ nissen andererseits verschwimmen.469 Noch strengere Anforderungen gelten darüber hinaus bereits aktienrechtlich nach § 100 Abs. 5 AktG für den Auf­ sichtsrat von Unternehmen von öffentlichem Interesse470, bei denen die Mit­ glieder des Aufsichtsrats in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein müssen. d) Besonderheiten in mitbestimmten Unternehmen Die aufsichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforderungen könnten allerdings in mitbestimmten Gesellschaften Probleme verursachen, weil sie für alle Auf­ sichtsratsmitglieder gelten, also auch für die Vertreter der Arbeitnehmer. Für diese ist es erheblich schwieriger, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die fachliche Qualifikation zu erfüllen, weil sie häufig einen anderen fach­ lichen Hintergrund aufweisen als die Vertreter der Anteilseigner. Grundsätz­ lichen Bedenken begegnen Qualifikationsanforderungen an die Arbeitneh­ mervertreter aber nicht. Die Erfüllung der Anforderungen erscheint weder unmöglich noch unzumutbar. Der andere fachliche Hintergrund kann bei den Beurteilungen durch die Aufsichtsbehörden berücksichtigt werden. Unvereinbar wäre es mit dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts aller­ dings, wenn das aufsichtsrechtliche Anforderungsprofil für die Arbeitneh­ mervertreter nur auf dem Papier stünde. In diese Richtung könnte man die Praxis der BaFin interpretieren, bei der Prüfung der Anforderungen des § 25d KWG die Sachkunde der Arbeitnehmervertreter zu unterstellen, wenn diese 467  Dreher/Lange, ZVersWiss 2011, 211, 216; Binder, ZGR 2018, 88, 108 f.; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 293 f. 468  BGHZ 85, 293, 295  f. = WM 1983, 9 (Hertie); Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 34 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 116 Rn. 7; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 24; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 116 Rn. 3. 469  Binder, ZGR 2018, 88, 109. 470  Unternehmen von öffentlichem Interesse umfassen dabei gemäß § 316a Satz 2 HGB kapitalmarktorientierte Gesellschaften nach § 264d HGB, CRR-Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

unmittelbar in die wirtschaftlichen und rechtlichen Abläufe des Tagesge­ schäfts des beaufsichtigten Unternehmens eingebunden sind und theoretische Bankkenntnisse nachweisen.471 Dadurch könnte die Erfüllung der aufsichts­ rechtlichen Anforderungen für Arbeitnehmervertreter zu einer Leerformel verkommen.472 Einer solchen Aufweichung der aufsichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforderungen für die Arbeitnehmervertreter ist – jedenfalls im An­ wendungsbereich unmittelbar anwendbaren Unionsrechts – eine klare Absage zu erteilen.473 2. Zielvorgabe zur Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts a) Überblick Einen weiteren Schwachpunkt der Besetzung des Aufsichtsorgans sieht die Europäische Kommission darin, dass dessen Mitglieder häufig keinen ausrei­ chend diversifizierten Hintergrund mitbringen, was das Geschlechterverhält­ nis mit umfasst.474 Folgerichtig enthält Art. 27 CSDR eine Regelung, die zu einer geschlechterausgewogenen Besetzung des Leitungsorgans von Zentral­ verwahrern beitragen soll. Nach Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR müssen die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans erstens eine Zielvor­ gabe zur Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts im Leitungsorgan treffen. Zweitens müssen sie eine Strategie für die Anhebung des Anteils des unterrepräsentierten Geschlechts erstellen, um diese Zielvorgabe zu errei­ chen. Eine vergleichbare Regelung ist bereits aus dem Bankaufsichtsrecht bekannt, wo der Nominierungsausschuss eines Kreditinstituts nach § 25d Abs. 11 Satz 1 Nr. 2 KWG das Aufsichtsorgan bei der Erarbeitung einer Zielsetzung zur Förderung der Vertretung des unterrepräsentierten Ge­ schlechts im Aufsichtsorgan sowie einer Strategie zu deren Erreichung unter­ stützt. Ein Novum stellen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur geschlechterspe­ zifischen Diversität nicht dar, weil vergleichbare Regelungen mittlerweile im Aktien- und GmbH-Recht etabliert sind. § 96 Abs. 2 AktG enthält für den Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch 471  BaFin Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, Stand: 29.12.2020, S. 29 (Rn. 111), abrufbar unter https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_verwaltungs-auf sichtsorgane_KWG_KAGB.html [geprüft am 15.4.2023]. 472  Sekker, Bankenaufsicht, 2019, S. 232 ff. 473  So zu § 25d KWG auch Sekker, Bankenaufsicht, 2019, S. 234. 474  Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance (Fn.  5, S. 29), 2.6.2010, S. 7.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan207

qualifiziert mitbestimmt sind, eine feste Quote von 30 % für beide Geschlech­ ter. Besteht der Vorstand einer solchen Aktiengesellschaft aus mehr als drei Personen, muss gemäß § 76 Abs. 3a AktG zudem mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied des Vorstands sein. Daneben muss der Auf­ sichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand festlegen (§ 111 Abs. 5 AktG). § 76 Abs. 4 AktG statuiert zudem eine Ziel­ vorgabe für Führungsebenen unterhalb des Vorstands. Parallele Zielvor­ gaben – allerdings keine festen Quoten wie in § 96 Abs. 2 AktG und § 76 Abs. 3a AktG – gelten für die Geschäftsführer und den Aufsichtsrat einer mitbestimmten GmbH (§ 52 Abs. 2 GmbHG) sowie die Führungsebenen un­ terhalb der Geschäftsführer (§ 36 GmbHG). Auf den fakultativen Aufsichtsrat einer mitbestimmungsfreien GmbH findet die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen hingegen keine Anwendung.475 Der Verweis von § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 111 Abs. 5 AktG läuft insoweit leer, weil § 111 Abs. 5 AktG die Börsennotierung oder Mitbestimmung voraussetzt und die GmbH nicht börsenfähig ist.476 b) Grundrechtliche und kompetenzrechtliche Bedenken Grundrechtliche Bedenken ergeben sich gegen die Vorschriften, welche von den Gesellschaftsorganen eine Festlegung von Zielvorgaben zur ge­ schlechterspezifischen Diversität verlangen, im Gegensatz zu festen Quoten wie nach § 96 Abs. 2 AktG und § 76 Abs. 3a AktG, nicht.477 Allerdings wird die Kompetenz der EU zum Erlass entsprechender Regelungsvorgaben in Frage gestellt.478 Der Binnenmarktbezug sei zweifelhaft, weil es nicht vor­ rangig um die Verwirklichung marktintegrativer Ziele gehe, sondern allge­ meine gesellschaftspolitische Zielsetzungen im Vordergrund stünden.479 Die Kommission sieht demgegenüber die mangelnde Diversität der Verwaltungs475  Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 52 Rn. 33; Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 52 Rn. 49; a. A. Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 5 (soweit im Gesellschaftsvertrag nicht anderes bestimmt ist). 476  Zur Börsenfähigkeit der GmbH Fleischer, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2022, Einleitung Rn. 324; allgemein zur Rechtsformwahl beim Börsengang Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 4. Aufl. 2019, Rn. 3.4. 477  Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 76 Rn. 171. 478  Gegen eine unionsrechtliche Kompetenz für eine Frauenquote J. Koch, ZHR 175 (2011), 827, 831 ff.; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 936, 937; zwei­ felnd auch Fleischer, ZGR 2012, 160, 167 f.; kritisch hinsichtlich des Subsidiaritäts­ prinzips aus Art. 5 Abs. 3 EUV ferner Buschmann, NZG 2011, 87, 90. 479  Fleischer, ZGR 2012, 160, 167 f.; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 936, 937.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

und Aufsichtsräte als einen Grund für deren Versagen im Vorfeld der Finanz­ krise.480 Der zugrunde liegende Denkansatz, geschlechterdiversen Verwal­ tungsorganen pauschal eine höhere Risikoaversität zuzusprechen, steht auf einer empirisch unsicheren Grundlage.481 Allerdings kann die kompetenz­ rechtliche Frage für die Zwecke dieser Arbeit außer Acht gelassen werden, wenn sich aus Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR keine Konflikte mit dem Gesell­ schaftsrecht ergeben, was im Folgenden untersucht wird. c) Abgleich mit dem Aktien- und GmbH-Recht aa) Anwendungsbereich der Zielvorgabe Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR ist im Lichte der monistischen Unternehmens­ verfassung formuliert, was einen Abgleich mit der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung erforderlich macht. Zunächst ist festzustellen, dass die Norm – wie § 111 Abs. 5 AktG – Zielvorgaben für den Vorstand und den Aufsichtsrat verlangt. Daran könnte man zweifeln, weil § 25d Abs. 11 Satz 1 Nr. 2 KWG die entsprechende unionsrechtliche Vorgabe für das Leitungsor­ gan von Kreditinstituten (Art. 88 Abs. 2 UAbs. 2 lit. a CRD IV) nur für das Aufsichtsorgan umgesetzt hat. Diese Umsetzung ist aber defizitär, weil der Begriff des Leitungsorgans nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 CRD IV Vorstand und Aufsichtsrat umfasst und Art. 88 Abs. 2 UAbs. 2 lit. a CRD IV auf den Zu­ satz „in seiner Aufsichtsfunktion“ verzichtet.482 Für Zentralverwahrer enthält Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 CSDR eine inhaltsglei­ che Definition des Leitungsorgans. Zwar kann der Begriff auch nur den Aufsichtsrat bezeichnen, der Wortlaut des Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR spricht aber für ein weiteres Begriffsverständnis. Die Vorschrift überträgt die Zu­ ständigkeit zur Festlegung der Zielvorgabe den nicht geschäftsführenden Mitgliedern als Teilgruppe des Leitungsorgans. Dies legt nahe, dass der im gleichen Satz verwendete Begriff des Leitungsorgans auch dessen geschäfts­ führende Mitglieder erfassen soll und sich deshalb, auf die dualistische AG übertragen, auf Vorstand und Aufsichtsrat bezieht.

480  Europäische Kommission, Grünbuch Corporate Governance (Fn.  5, S. 29), 2.6.2010, S. 7. 481  Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 54 m. w. N.; Buschmann, NZG 2011, 87, 90; Binder, in: Busch/Ferrarini, Regulation of the EU financial markets, 2017, S. 49, 70 f. 482  M. Scholz, in: Luz/Neus u. a., KWG, § 25d (Stand: 24.02.2020) Rn. 62; Hönsch/ Kaspar, AG 2014, 297, 303.



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bb) Zuständigkeit für die Festlegung der Zielvorgabe Für die Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil im Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter oder mitbestimmter Unternehmen ist nach § 111 Abs. 5 Satz 1 AktG der Aufsichtsrat zuständig. Eine Delegation auf Aus­ schüsse ist nach wohl überwiegender Ansicht unzulässig.483 Hinsichtlich des Vorstands folgt dies aus der Sachnähe zur delegationsfesten (§ 107 Abs. 3 Satz 7 AktG) Bestellungsentscheidung nach § 84 Abs. 1 AktG; hinsichtlich des Aufsichtsrats handelt es sich um einen zentralen Aspekt der Selbstorga­ nisation.484 Dies führt zu einem Konflikt mit der Regelung des Art. 88 Abs. 2 UAbs. 2 lit. a CRD IV, wonach in Kreditinstituten der Nominierungsaus­ schuss für die Festlegung der Zielvorgabe im Leitungsorgan zuständig ist.485 Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR überträgt die entsprechende Kompetenz je­ doch nicht einem Nominierungsausschuss, sondern den nicht geschäftsführenden Mitgliedern des Leitungsorgans. Insoweit stellt sich die Frage, ob diese Kompetenzzuweisung in der dualistischen AG eine Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats begründet. Vollständig gleichsetzen lassen sich der Auf­ sichtsrat und die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans nicht. Denn in Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfassung ob­ liegt die Überwachung der Geschäftsführung dem Board als Gesamtorgan, also nicht nur dessen nicht geschäftsführenden Mitgliedern. Andererseits gibt es in Unternehmen mit Board-System insofern eine Funktionstrennung, als die Überwachungsaufgabe in der Praxis vorrangig durch die nicht geschäfts­ führenden Mitglieder ausgeübt wird.486 Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente dafür, dass die Zuständigkeit für die Festlegung der Zielvorgabe in der AG beim Gesamtaufsichtsrat liegt. Hierfür lässt sich Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 UAbs. 2 CSDR anführen, nach dem die Anforderungen der Verord­ nung lediglich für die Mitglieder des Leitungsorgans gelten, denen die maß­ gebenden nationalen Rechtsvorschriften die entsprechenden Befugnisse zu­ 483  Seyfarth, Vorstandsrecht, 2. Aufl. 2023, § 3 Rn. 41; Habersack, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 154; ebenso vor Einführung des § 111 Abs. 5 n. F. AktG bereits Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 538 m. Fn. 248; a. A. Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 111 Rn. 104; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 459. 484  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 154; Seyfarth, Vorstands­ recht, 2. Aufl. 2023, § 3 Rn. 41. 485  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 538 m. Fn. 248, die einen Konflikt nur dann für vermeidbar halten, wenn Art. 3 Abs. 2 CRD IV eine nationale Bestim­ mung dahingehend erlaubt, dass die Zielvorgabe auf den Aufsichtsrat beschränkt wird. 486  v. Werder, DB 2017, 977, 978; Davies, ZGR 2001, 268, 282 f.; vgl. auch Hopt, ZGR 2019, 507, 517 f. m. Fn. 37, der allerding nur die independent (non-executive) directors als Äquivalent zum Aufsichtsrat betrachtet.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

weisen. Aus dieser Regelung wird deutlich, dass eine nationale Kompetenz­ zuweisung an den (Gesamt-)Aufsichtsrat bei der Auslegung des Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR berücksichtigt werden kann. In einer dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden GmbH legt ebenfalls der Aufsichtsrat die Zielgrößen für die Geschäftsführer und den Aufsichtsrat fest (§ 52 Abs. 2 Satz 2 GmbHG), sodass aufsichtsrechtliche und gesell­ schaftsrechtliche Kompetenzzuweisung übereinstimmen. Etwas Abweichen­ des gilt dagegen für die drittelbeteiligte GmbH, bei der nach § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG grundsätzlich die Gesellschafterversammlung für die Festle­ gung der Zielgrößen zuständig ist. Allerdings widerspricht die aufsichtsrecht­ liche Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat insoweit lediglich disposi­ tivem Gesellschaftsrecht, weil § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ausdrücklich die Übertragung der Zuständigkeit auf den Aufsichtsrat erlaubt. cc) Inhaltliche Anforderungen an die Zielvorgabe Inhaltlich bleibt Art. 27 Abs. 4 Satz 2, 3 CSDR insoweit hinter dem Akti­ enrecht zurück, als die Norm auf eine feste Quote, wie sie § 96 Abs. 2 AktG und § 76 Abs. 3a AktG für den Vorstand und den Aufsichtsrat börsennotierter und qualifiziert mitbestimmter487 Gesellschaften vorschreiben, verzichtet. Auf der anderen Seite geht Art. 27 Abs. 4 Satz 2, 3 CSDR teilweise über die aktienrechtliche Regelung zur Festlegung von Zielgrößen in Vorstand und Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 5 AktG) hinaus. § 111 Abs. 5 AktG lässt eine Fest­ schreibung des Status quo genügen, weshalb bei einer geschlechterhomoge­ nen Besetzung sogar eine Zielvorgabe von null Prozent zulässig ist.488 Der mit dem FüPoG II489 eingeführte § 111 Abs. 5 Satz 3 AktG, der bei der Festlegung der Zielgröße Null eine klare und verständliche Begründung ver­ langt, hat dies im Grundsatz ausdrücklich bestätigt. Auf Art. 27 Abs. 4 Satz 2, 3 CSDR ist diese Auslegung hingegen nicht übertragbar, weil dessen Wort­ laut („Förderung“; „Strategie für die Anhebung des Anteils des unterreprä­ sentierten Geschlechts“) bei Vorliegen eines Ungleichgewichts klar auf eine Verbesserung des Ist-Zustands abzielt.490 Das Aufsichtsrecht trifft insoweit 487  Erfasst sind börsennotierte Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt. 488  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5.  Aufl. 2019, § 111 Rn. 776  f.; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 153; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 111 Rn. 81; Junker/Schmidt-Pfitzner, NZG 2015, 929, 935 f.; differenzierend Weller, AG 2015, 467, 471; a. A. noch Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 902 f. 489  Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentli­ chen Dienst vom 7.8.2021, BGBl. I S. 3311. 490  A. A. Hönsch/Kaspar, AG 2014, 297, 303 (zu § 25d KWG).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan211

eine strengere Regelung, ohne dass es zu einem systematischen Konflikt mit aktienrechtlichen Grundsätzen käme. Des Weiteren fehlt es an einer aktienrechtlichen Parallelnorm zu der Vor­ gabe in Art. 27 Abs. 4 Satz 2, 3 CSDR, dass die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans eines Zentralverwahrers eine Strategie für die Anhebung des Anteils des unterrepräsentierten Geschlechts erstellen und diese veröffentlichen müssen. Auch insoweit geht das Aufsichtsrecht über das allgemeine Gesellschaftsrecht hinaus, ohne dass es hierbei zu einem kon­ zeptionellen Bruch käme. Denn auch nach den aktienrechtlichen Vorgaben kann es der Aufsichtsrat nicht einfach bei der Festlegung der Zielgröße be­ lassen, sondern muss prüfen, welche Maßnahmen zur Erreichung der Ziel­ größe innerhalb der nach § 111 Abs. 5 AktG festzulegenden Frist erforderlich sind.491 Die auch gesellschaftsrechtlich begründete Pflicht, auf eine repräsen­ tative Geschlechterverteilung in den Verwaltungsorganen hinzuwirken, wird durch das Aufsichtsrecht lediglich systemkonform überlagert. Ohnehin kön­ nen an die aufsichtsrechtlich geforderte Strategie keine überzogenen Erwar­ tungen gestellt werden, weil die Handlungsoptionen der Gesellschaft insoweit beschränkt sind.492 Eine weitere Besonderheit ergibt sich daraus, dass die CSDR – anders als § 111 Abs. 5 AktG, § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG – auch bei Zentralverwah­ rern, die weder börsennotiert sind noch unter die Mitbestimmungsgesetze fallen, Zielvorgaben für das unterrepräsentierte Geschlecht verlangt. Ein Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht ergibt sich aus dem insoweit weiter ge­ fassten Anwendungsbereich der aufsichtsrechtlichen Zielvorgaben aber nicht. Aus den §§ 76 Abs. 3a, 4, 96 Abs. 2, § 111 Abs. 5 AktG, 36, 52 Abs. 2 GmbHG wird der eindeutige Wille des Gesetzgebers erkennbar, das unterre­ präsentierte Geschlecht in den Gesellschaftsorganen zu fördern. Diesen Wil­ len, der auf bedeutsamere Gesellschaften (Börsennotierung oder Mitbestim­ mung) beschränkt bleibt, überträgt das Aufsichtsrecht auf Zentralverwahrer. Aufsichtsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Zielvorstellungen stimmen insoweit miteinander überein. Im Übrigen geht das Aufsichtsrecht nicht über die aktienrechtlichen Rege­ lungen hinaus. So findet die Pflicht zur Veröffentlichung der Zielvorgabe nach Art. 27 Abs. 4 Satz 3 CSDR ihre Entsprechung für börsennotierte AGs in § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB und für nicht börsennotierte AGs in § 289f Abs. 4 Satz 1 AktG. Teilweise geht umgekehrt das Aktienrecht über das Auf­ sichtsrecht hinaus. So hat das Fristerfordernis nach § 111 Abs. 5 Satz 6 AktG keine aufsichtsrechtliche Entsprechung. 491  Hopt/Roth,

in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 781. AG 2014, 297, 303 f.

492  Hönsch/Kaspar,

212

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

d) Anwendbarkeit auf Personengesellschaften? Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR gilt rechtsformübergreifend, beschränkt sich also nicht auf die AG oder GmbH. Die aufsichtsrechtlichen Zielvorgaben betreten Neuland, indem sie auch auf Personengesellschaften Anwendung finden. Diese müssen jedenfalls eine Zielvorgabe für das Aufsichtsorgan er­ stellen, das sie abweichend vom Gesellschaftsrecht zwingend einrichten müssen.493 Dies verschärft den daraus resultierenden Konflikt mit dem Prin­ zip der Selbstorganschaft, weil sich die Besetzung des Aufsichtsorgans stär­ ker nach objektiven Kriterien richtet. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob beaufsichtigte Personengesell­ schaften eine Zielvorgabe für die geschäftsführenden Gesellschafter erstellen müssen. Der aufsichtsrechtliche Begriff des Leitungsorgans umfasst neben dem Aufsichtsorgan das nach nationalem Recht bestellte Organ, das befugt ist, Strategie, Ziele und Gesamtpolitik des Zentralverwahrers festzulegen. Damit können in der Personengesellschaft nur die geschäftsführenden Ge­ sellschafter gemeint sein. Allerdings würde eine solche Pflicht die betroffe­ nen Gesellschaften vor Probleme stellen, weil eine Fremdorganschaft in Personengesellschaften ausgeschlossen ist.494 Zur Geschäftsführung befugt sind nur die Gesellschafter, weshalb es den Unternehmen nicht möglich ist, gezielt nach externen Personen zu suchen, welche die Diversität des Kreises der Geschäftsführer erhöhen. Die Erfüllbarkeit der Zielquote hängt von der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises ab. Allerdings verhindert die zweifelhafte Erfüllbarkeit nicht die Festlegung einer Zielvorgabe. Die ebenfalls geforderte Strategie für die Anhebung des Anteils des unterrepräsentierten Geschlechts könnte darin liegen, bei künfti­ gen Entscheidungen über die Aufnahme von Gesellschaftern oder bei Ent­ scheidungen über die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis das Ziel einer geschlechterrepräsentativen Besetzung zu berücksichtigen. Die beson­ deren Schwierigkeiten, welche die Zielvorgabe bei Personengesellschaften bereitet, wird man bei den Anforderungen an die Strategie berücksichtigen müssen. Ein Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht ergibt sich letztlich nicht, auch wenn Art. 27 Abs. 4 Satz 2 CSDR auf Personengesellschaften nicht gleichermaßen passt wie auf Kapitalgesellschaften.

493  Siehe

oben 2. Teil: C. II. 5. in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 109 Rn. 33.

494  C. Schäfer,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan213

3. Unabhängige Mitglieder im Aufsichtsorgan a) Hintergrund In der nationalen und internationalen Debatte zur Verbesserung der Arbeit des Aufsichtsorgans nimmt die Frage der Unabhängigkeit seiner Mitglieder eine zentrale Stellung ein.495 Es ist ein klarer internationaler Trend zu einer größeren Zahl unabhängiger Direktoren im Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat zu verzeichnen, auch wenn es an eindeutigen empirischen Nachweisen ihrer Effektivität fehlt.496 Dahinter steht der Gedanke, dass die Mitglieder des Aufsichtsorgans ihre Überwachungsaufgabe ohne anderweitige Interessen­ bindungen – z. B. in Richtung der Unternehmensleitung oder dominierender Aktionäre – besser ausüben können.497 Adressiert werden demnach in erster Linie zwei Konflikte: Zum einen die Unabhängigkeit des Aufsichtsorgans von der Geschäftsleitung, zum anderen die Unabhängigkeit innerhalb eines Konzernverhältnisses.498 Das Unabhängigkeitserfordernis entstammt dem Rechtskreis des monisti­ schen Systems. Dort soll die Besetzung des Leitungsorgans mit unabhängi­ gen Mitgliedern das aufgrund der fehlenden Trennung von Führung und Überwachung befürchtete Kontrolldefizit mindern.499 Dem deutschen Ak­ tienrecht war der Begriff der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern dagegen lange Zeit fremd.500 Aufgrund der divergierenden Aktionärsstruktur sowie der unternehmerischen Mitbestimmung passt das Konzept nur bedingt ins deutsche Gesellschaftsrecht.501 So entsprechen viele deutsche AGs nicht dem Leitbild einer Publikumsgesellschaft, die im Streubesitz steht, sondern sind Familienunternehmen oder Konzerngesellschaften mit kleinem handver­ lesenen Aktionärskreis.502 Das Aktienrecht nimmt Interessenlagen, die aus einer Verbindung des Aufsichtsratsmitglieds mit einem herrschenden Unter­ nehmen resultieren, daher grundsätzlich in Kauf.503 Zudem sind Interessen­ konflikte, die aus personellen Verflechtungen resultieren, dem deutschen

495  Vgl. Bayer, NZG 2013, 1, 10; Roth, WM 2012, 1985 m. w. N.; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 472 ff. 496  Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 474 m. w. N. 497  Bayer, NZG 2013, 1, 10. 498  Bayer, NZG 2013, 1, 11. 499  S. etwa Davies, ZGR 2001, 268, 275 zum britischen Gesellschaftsrecht. 500  Jaspers, AG 2009, 607, 608. 501  Hopt, EuZW 2016, 201, 202. 502  Vgl. Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, Einleitung Rn. 5 ff. 503  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

System des Aufsichtsratsamts als Nebenamt immanent.504 Folgerichtig ist die Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds grundsätzlich keine aktienrechtliche Eignungsvoraussetzung.505 In jüngerer Zeit hat hier allerdings – auch aufgrund der Umsetzung von Unionsrecht – ein Umdenken eingesetzt, sodass das Unabhängigkeitserfor­ dernis mittlerweile in das deutsche Aktienrecht vorgedrungen ist. § 100 Abs. 5 AktG a. F., der allerdings auf Art. 41 a. F. der EU-Abschlussprüferricht­ linie506 zurückzuführen war, sah vor, dass kapitalmarktorientierte Gesell­ schaften i.  S.  d. § 264d HGB den Aufsichtsrat mit einem unabhängigen Finanzexperten besetzen müssen. Nach der Aufhebung des § 100 Abs. 5 ­ AktG a. F. findet sich das Unabhängigkeitserfordernis zwar nicht mehr im zwingenden Aktienrecht, wohl aber in den Empfehlungen des DCGK.507 Auch in Deutschland ist mittlerweile anerkannt, dass unabhängige Mitglieder zur Überwachungseffizienz des Aufsichtsrats beitragen können.508 b) Aufsichtsrechtliche Regelungen aa) Überblick Das Aufsichtsrecht verlangt von Ratingagenturen, Zentralverwahrern und zentralen Gegenparteien, ihren Aufsichtsrat zu einem Drittel mit unabhängi­ gen Mitgliedern zu besetzen, wobei die Zahl der unabhängigen Mitglieder mindestens zwei betragen muss.509 Der Begriff des Leitungsorgans in Art. 27 Abs. 2 CSDR und Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 EMIR kann insoweit nur den Aufsichtsrat meinen, weil das Unabhängigkeitserfordernis dem Zweck dient, eine effektive Überwachung der Geschäftsleitung zu gewährleisten. 504  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 80. 505  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 83; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 149; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 100 Rn. 36. 506  Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüs­ sen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU L 157/87 vom 9.6.2006; maßgeblich geändert durch Richtlinie 2014/56/EU vom 16.4.2014, ABl. EU L 158/196 vom 27.5.2014. 507  Empfehlungen C.6–C.12 DCGK. Näher dazu J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 100 Rn. 37 ff. 508  Hopt/Leyens, ZGR 2019, 929, 957. In Folge des Wirecard-Skandals ferner Hopt/Kumpan, AG 2021, 129, 136 (Rn. 20); Mülbert, ZHR 185 (2021), 2, 14 f.; vgl. auch Langenbucher, EuZW 2020, 681, 682. 509  Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 3 CRAR; Art. 27 Abs. 2 CSDR; Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 EMIR.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan215

Gegenüber den Regelungen des DCGK weist das EU-Aufsichtsrecht aus mehreren Gründen eine neue Qualität auf. Zum einen handelt es sich nicht um „Soft Law“, sondern um unmittelbar geltendes Recht, das dem deutschen Aktienrecht aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs vorgeht. Zweitens verlangt das EU-Aufsichtsrecht zwingend, dass ein Drittel der Auf­ sichtsratsmitglieder unabhängig ist. Empfehlung C.6 Abs. 1 DCGK stellt die Zahl der unabhängigen Mitglieder dagegen grundsätzlich in das Ermessen der Anteilseigner im Aufsichtsrat, wobei allerdings mehr als die Hälfte der Anteilseigner unabhängig von der Gesellschaft und dem Vorstand und – bei einem Aufsichtsrat mit mehr als sechs Mitgliedern – mindestens zwei An­ teilseigner unabhängig von einem kontrollierenden Aktionär sein sollen.510 Schließlich beschränkt sich die CRAR nicht auf die Pflicht, das Aufsichtsor­ gan einer Ratingagentur mit unabhängigen Mitgliedern zu besetzen, sondern enthält darüber hinaus in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4, 6 besondere Vor­ gaben für das Mandat, die Vergütung und die Befugnisse der unabhängigen Mitglieder. bb) Unabhängigkeitsdefinition (1) Ratingagenturen (ErwGr. 29 CRAR) Entscheidend für die Frage, inwieweit die Vorgabe zur Besetzung des Auf­ sichtsorgans mit unabhängigen Mitgliedern dem deutschen Aktienrecht wi­ derspricht, ist die zugrundeliegende Definition von Unabhängigkeit. Diese variiert hier in den verschiedenen EU-Verordnungen. Für Ratingagenturen bestimmt sich die Unabhängigkeit ausweislich ­ rwGr. 29 CRAR nach der in Abschnitt III Nr. 13 der Empfehlung der Kom­ E mission511 zu den Aufgaben von Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften festgelegten Definition. Dieser Verweis führt zu einer gewis­ sen Unklarheit hinsichtlich der Rechtsqualität der Definition. Die Kommis­ sionsempfehlung selbst hat keine Gesetzesqualität, sondern ist als Empfeh­ lung gemäß Art. 288 Abs. 5 AEUV unverbindlich. Gleichwohl sind Empfeh­ lungen bei der Auslegung des Unionsrechts zu berücksichtigen.512 ErwGr. 29 bringt deutlich zum Ausdruck, dass das Unabhängigkeitserfordernis der 510  Empfehlungen

C.7 Abs. 1 Satz 1, C.9 Abs. 1 DCGK. Kommission, Empfehlung 2005/162/EG der Kommission vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsrats­ mitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwal­ tungs-/Aufsichtsrats, ABl. EU L 52/51 vom 25.2.2005 (nachfolgend als Kommis­ sionsempfehlung bezeichnet). 512  EuGH NZA 1991, 283, 285 Rn. 18 (Grimaldi). 511  Europäische

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

CRAR im Sinne der Kommissionsempfehlung auszulegen ist. Die Erwä­ gungsgründe selbst sind zwar kein Teil des rechtsverbindlichen Normtexts, ihnen kommt aber eine zentrale Rolle bei der Auslegung des Unionsrechts zu.513 Der Inhalt der Kommissionsempfehlung entfaltet demnach insoweit rechtsverbindliche Wirkung, als er die Auslegung einer unmittelbar anwend­ baren Verordnungsnorm bestimmt.514 Das Mitglied des Aufsichtsorgans einer Ratingagentur ist gemäß Ab­ schnitt III Nr. 13.1 der Kommissionsempfehlung dann als unabhängig zu betrachten, „wenn es in keiner geschäftlichen, familiären oder sonstigen Beziehung zu der Gesellschaft, ihrem Mehrheitsaktionär oder deren Geschäftsführung steht, die einen Interessenkonflikt begründet, der sein Urteilsvermögen beeinflussen könnte“. Bereits ein potenzieller Interessenkonflikt genügt, um die Unabhängigkeit zu beseitigen.515 Allerdings stellt sich die Frage, in­ wieweit die Verordnung den Mitgliedstaaten Spielraum bei der Definition der Unabhängigkeit lässt. Gemäß Abschnitt III Nr. 13.2 der Kommissionsemp­ fehlung sollen die Mitgliedstaaten die Kriterien für die Unabhängigkeit selbst entwickeln. Diese Regelung erklärt sich freilich aus dem unverbindlichen Charakter der Kommissionsempfehlung, weshalb sie auf das Unabhängig­ keitserfordernis der CRAR nur begrenzt übertragbar ist. Überdies gibt die Kommissionsempfehlung in ihrem Anhang II Leitlinien vor, welche die Mit­ gliedstaaten bei der Bestimmung der Kriterien für die Unabhängigkeit be­ rücksichtigen müssen. Anhang II der Kommissionsempfehlung identifiziert eine Anzahl von Situationen, „die man normalerweise als materielle Interessenkonflikte potenziell herbeiführend anerkennt“. Liegt eines der Kriterien des Anhangs II der Kommissionsempfehlung vor, begründet dies jedenfalls eine Vermutung der Abhängigkeit.516 Nur wenn besondere Umstände vorlie­ gen, kann die Unabhängigkeit eines Mitglieds angenommen werden, das ei­ nes der Kriterien nach Anhang II der Kommissionsempfehlung erfüllt.517 Zwar obliegt die Entscheidung über die Unabhängigkeit gemäß Ab­ schnitt III Nr. 13.2 Satz 2 und 3 der Kommissionsempfehlung dem jeweiligen Aufsichtsrat, der im Einzelfall von den Unabhängigkeitskriterien abweichen kann. Dies ist aber nicht dahingehend zu verstehen, dass dem Aufsichtsrat die Befugnis zusteht, abschließend verbindlich über die Frage der Unabhän­ 513  Köndgen/Mörsdorf, in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 6 Rn. 75 ff.

514  Auch für die Auslegung des § 100 Abs. 5 AktG a. F. hielt jedenfalls ein Teil der Literatur die Unabhängigkeitsdefinition der Kommissionsempfehlung für verbindlich; s. etwa Habersack, AG 2008, 98, 105; E. Vetter, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 795, 800; Ehlers/Nohlen, in: GS Gruson, 2009, S. 107, 116; Nowak, Unabhängigkeit, 2010, S. 146, 218. 515  Vgl. Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 68. 516  Gruber, NZG 2008, 12, 13. 517  Habersack, in: FS Goette, 2011, S. 121, 127.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan217

gigkeit zu entscheiden.518 Der Grund dieser Regelung ist vielmehr darin zu sehen, dass der Aufsichtsrat gemäß § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG die Kandidaten für die Wahl eines neuen Mitglieds vorschlägt, mithin zunächst entscheiden muss, ob ein Kandidat das Unabhängigkeitskriterium erfüllt. An dem Gebot einer objektiven Betrachtungsweise ändert sich nichts. Der Aufsichtsrat ent­ scheidet demnach nicht nach freiem Ermessen, sondern muss die Kriterien der Kommissionsempfehlung beachten.519 Die auf dieser Grundlage getrof­ fene Entscheidung des Aufsichtsrats ist voll überprüfbar; ein Beurteilungs­ spielraum mit der Folge, dass der Beschluss gerichtlich nur auf Willkür überprüft werden könnte, ist nicht anzuerkennen.520 Im Ergebnis ist die Unabhängigkeitsdefinition der CRAR so auszulegen, dass die in Anhang II der Kommissionsempfehlung genannten Kriterien die fehlende Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds indizieren. Der Auf­ sichtsrat kann hiervon nur abweichen, wenn objektive Gründe vorliegen, die ausnahmsweise die Unabhängigkeit des Mitglieds begründen. (2) Zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer (Art. 2 Nr. 28 EMIR) Für zentrale Gegenparteien gilt die Unabhängigkeitsdefinition des Art. 2 Nr. 28 EMIR. Danach ist ein unabhängiges Mitglied definiert als „ein Mitglied des Leitungsorgans, das keine geschäftliche, familiäre oder sonstige Beziehung unterhält, die zu einem Interessenkonflikt in Bezug auf die betreffende CCP oder ihre kontrollierenden Aktionäre, ihre Verwaltung oder ihre Clearingmitglieder führt, und das in den fünf Jahren vor seiner Mitgliedschaft in dem Organ keine solche Beziehung unterhalten hat“. Diese Unab­ hängigkeitsdefinition gilt nach Ansicht der ESMA521 auch für Zentralver­ wahrer. Es fällt auf, dass die Definition des Art. 2 Nr. 28 EMIR allgemeiner for­ muliert ist als die Unabhängigkeitsdefinition der CRAR. Angesprochen wird 518  Hierzu

und zum Folgenden Staake, ZIP 2010, 1013, 1016 ff. Unabhängigkeit, 2010, S. 147. 520  Vgl. zu § 100 Abs. 5 AktG a. F. Staake, ZIP 2010, 1013, 1016 ff.; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 100 Rn. 24; Simons, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 100 Rn. 54; Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1025; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 100 Rn. 74; tendenziell auch E. Vetter, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 795, 800 f. (allenfalls schmaler Beurteilungsspielraum); a. A. Gruber, NZG 2008, 12, 13; Schilmar Der Aufsichtsrat 2009, 101, 102. 521  ESMA Questions and Answers – Implementation of the Regulation (EU) No 909/2014 on improving securities settlement in the EU and on central securities de­ positories, ESMA70-708036281-2, Stand: 13.3.2023, CSD Answers 2(d), abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-708036281-2_cs dr_qas.pdf [geprüft am 15.4.2023]. 519  Nowak,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

jede Beziehung, die zu einem Interessenkonflikt führt, während die oben aufgeführte Definition für Ratingagenturen speziell die Beziehung zur Ge­ sellschaft, ihrem Mehrheitsaktionär oder deren Geschäftsführung aufführt. Ein entscheidender Unterschied liegt darin, dass Art. 2 Nr. 28 EMIR im Ge­ gensatz zur CRAR das Bestehen eines konkreten Interessenkonflikts erfor­ dert, ein lediglich potenzieller Interessenkonflikt die Unabhängigkeit also nicht entfallen lässt.522 Das Unabhängigkeitserfordernis bei zentralen Gegen­ parteien und Zentralverwahrern ist deshalb im Vergleich zur CRAR weniger streng und im Hinblick auf das Aktienrecht weniger problematisch. Die Un­ tersuchung im Folgenden konzentriert sich auf die Vorgaben für Ratingagen­ turen. cc) Besondere Regelungen zum Mandat der unabhängigen Mitglieder Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 2–4 CRAR enthält besondere Vorga­ ben für das Mandat der unabhängigen Mitglieder im Aufsichtsorgan einer Ratingagentur. Insoweit ist ein Abgleich mit den allgemeinen gesellschafts­ rechtlichen Vorschriften erforderlich. (1) Mandatsdauer Die Verordnung enthält in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 CRAR Vorgaben zur Mandatsdauer der unabhängigen Mitglieder. Keine Probleme verursacht die Vorgabe, dass die Mandatsdauer im Voraus bestimmt werden muss. Die Satzung kann die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder in den Grenzen des § 102 Abs. 1 AktG festlegen. Daneben begrenzt die aufsichts­ rechtliche Vorgabe die Mandatsdauer der unabhängigen Mitglieder auf fünf Jahre. Dies deckt sich im Wesentlichen mit der Regelung des § 102 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach Aufsichtsratsmitglieder nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden können, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit be­ schließt. Aus dieser Regelung folgt eine gesetzliche Höchstdauer von „gut fünf Jahren“.523 § 102 Abs. 1 Satz 1 AktG erlaubt demnach – abhängig von den Daten der Hauptversammlung im Jahr der Bestellung und im Jahr der letzten Entlastung – eine Amtszeit, die fünf Jahre übersteigt. Ein Konflikt mit dem Aufsichtsrecht resultiert hieraus aber in keinem Fall, weil die Satzung bzw. die Hauptversammlung in ihrem Wahlbeschluss eine kürzere – etwa in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 14. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 102 Rn. 6 f.; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 102 Rn. 2. 522  Redeke,

523  Habersack,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan219

vier Jahre dauernde – oder anders berechnete Amtszeit festlegen kann, sofern diese die gesetzliche Höchstfrist des § 102 Abs. 1 AktG nicht überschrei­ tet.524 Dabei ist es zulässig, einen anderen Endtermin als den Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Entlastung festzulegen.525 Wenn die Gesellschaft die aufsichtsrechtlich maximal zulässige Frist a­usschöpfen will, könnte sie eine Satzungsregelung treffen, wonach die Amtszeit genau fünf Jahre nach der Bestellung abläuft, sofern die Beschluss­ fassung über die Entlastung im fünften Jahr nicht bereits vor dem Ablauf der Fünfjahresfrist erfolgt. Sinnvoll wäre eine solche Satzungsbestimmung freilich nicht, weil die unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder dann bereits vor der nächsten ordentlichen Hauptversammlung ausscheiden würden, wenn der Hauptversammlungstermin nach Ablauf der Fünfjahresfrist liegt. Um ein solches Ergebnis zu verhindern, das – vorbehaltlich der Bestellung eines unabhängigen Ersatzmitglieds – zu einer der CRAR widersprechenden (bußgeldbewehrten)526 Aufsichtsratsbesetzung führen könnte, müsste die Ge­ sellschaft die Hauptversammlung im Jahr der Entlastung immer zu einem früheren Datum als die Hauptversammlung der Bestellung abhalten, was zu einer sukzessiven Verschiebung des Hauptversammlungstermins nach vorne führen würde. Allerdings ist Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 CRAR ohnehin dahingehend auszulegen, dass er eine geringfügige Überschreitung der Fünfjahresfrist, die in organisatorischen Notwendigkeiten begründet ist, zulässt. Denn der Sinn der Regelung liegt darin, überlange Mandatszeiten der unabhängigen Mitglieder zu verhindern, nicht aber die Amtszeit auf genau fünf Jahre festzulegen. Im Übrigen ist es gerade im Sinne der Verordnung, dass die unabhängigen Mitglieder bis zur nächsten Hauptversammlung im Amt bleiben, damit es nicht (auch nicht vorübergehend) zu einer den unions­ rechtlichen Vorgaben widersprechenden Besetzung des Aufsichtsorgans kommt. (2) Wiederbestellungsverbot Zudem schreibt Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 3 CRAR vor, dass das Mandat der unabhängigen Mitglieder nicht erneuerbar ist. Dieses Wie­ derbestellungsverbot schränkt die Wahlfreiheit der Anteilseigner zusätzlich ein. Denn aktienrechtlich ist eine Wiederbestellung der Aufsichtsratsmitglie­

524  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 102 Rn. 8 m. w. N., 12; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 102 Rn. 13; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 102 Rn. 4. 525  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 102 Rn. 8. 526  Anhang III Abs. 1 Nr. 6 CRAR.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

der grundsätzlich zulässig.527 § 102 Abs. 1 AktG, der die Amtszeit der Auf­ sichtsratsmitglieder beschränkt, bezieht sich nur auf eine Amtszeitperiode, nicht aber auf die Dauer der Aufsichtsratstätigkeit des Mitglieds insgesamt.528 Es ist jedoch zulässig, die Wiederbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseignerseite in der Satzung auszuschließen. Einer ausdrücklichen Gestattung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG bedarf es nicht, weil die Wiederbe­ stellung im Aktienrecht nicht geregelt ist.529 Zwar wird ein satzungsmäßiger Ausschluss der Wiederbestellung des Vorstands für unzulässig gehalten, weil Fragen der Vorstandsbestellung in der alleinigen Kompetenz des Aufsichts­ rats liegen und deshalb nicht zur Disposition der Hauptversammlung stehen können.530 Die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite werden aber gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG durch die Hauptversammlung gewählt, so­ dass sich anders als bei der Vorstandsbestellung kein kompetenzrechtlicher Konflikt ergibt. Die Mitglieder der Arbeitnehmerseite sind dagegen nach den besonderen Vorschriften der Mitbestimmungsgesetze zu wählen. Eine satzungsmäßige Begrenzung der Wiederwahl eines Arbeitnehmervertreters würde in die mit­ bestimmungsrechtliche Wahlfreiheit der Arbeitnehmer eingreifen und wäre unzulässig. Dies spricht zusätzlich dafür, dass die unabhängigen Mitglieder der Anteilseignerseite entstammen müssen.531 (3) Entzug des Mandats Des Weiteren regelt Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 4 CRAR, dass den unabhängigen Mitgliedern des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ihr Mandat nur dann entzogen werden kann, wenn ein Fehlverhalten oder unzureichende Leistungen vorliegen. Indem das Aufsichtsrecht materielle Abberu­ fungsvoraussetzungen statuiert, widerspricht es – sofern man der herrschen­ den Auslegung des § 103 Abs. 1 AktG folgt – zwingendem Aktienrecht. Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung Mitglieder des Aufsichtsrats, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahl­ 527  Allg. M.; s. nur Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 102 Rn. 20; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 102 Rn. 6; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 102 Rn. 21; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 102 Rn. 51. 528  Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 102 Rn. 21. 529  Vgl. Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 30 Rn. 45, der zumindest eine satzungsmäßige Beschränkung auf eine einmalige Wiederwahl als zulässig erachtet. 530  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 64; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 48; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 84 Rn. 17. 531  Siehe unten 2. Teil: C. IV. 3. b) ee) (2).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan221

vorschlag gewählt worden sind, vor Ablauf ihrer Amtszeit abberufen. Da die unabhängigen Mitglieder (zumindest in der Regel) aus den Reihen der An­ teilseigner stammen müssen, findet § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG auf sie Anwen­ dung. Dass die gewählten Mitglieder aufsichtsrechtlich unabhängig sein müssen, stellt keine „Bindung an einen Wahlvorschlag“ im Sinne der Norm dar. Über die Abberufung nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG entscheidet die Hauptversammlung nach freiem Ermessen.532 Voraussetzung ist lediglich ein Beschluss mit Dreiviertelmehrheit, weitere Erfordernisse stellt das Gesetz nicht auf. Insbesondere bedarf es, anders als bei der Abberufung von Vor­ standsmitgliedern (§ 84 Abs. 4 Satz 1 AktG), keines wichtigen Grundes. Eine Satzungsregelung, die die Abberufung von dem Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig macht, ist nach herrschender Meinung nichtig.533 Zwar kann die Satzung nach § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG weitere Erfordernisse be­ stimmen. Darunter sollen aber keine inhaltlichen Anforderungen für die Ab­ berufung fallen, sondern lediglich Verfahrensvoraussetzungen wie eine vor­ herige Anhörung. Begründet wird dies mit der Rechtsunsicherheit, die bei einer Abberufungsmöglichkeit nur aus wichtigem Grund drohe,534 sowie mit einem systematischen Vergleich zu § 133 AktG, bei dem der Begriff der „weitere[n] Erfordernisse“ nur formelle Beschlusserfordernisse erfasse.535 Zwingend ist die herrschende Auffassung zu § 103 Abs. 1 AktG jedoch nicht. Der Gegenauffassung536 ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG keinerlei Beschränkungen der Satzungsautonomie erken­ nen lässt. Auch aus dem in § 84 Abs. 4 Satz 4 AktG verankerten Rechtsge­ danken folgt nicht zwangsläufig eine unbeschränkte Abberufungsmöglichkeit, da § 84 Abs. 4 Satz 4 AktG lediglich für Zweifelsfälle die vorläufige Wirk­ samkeit der Abberufung von Vorstandsmitgliedern anordnet. Schließlich ist die befürchtete Rechtsunsicherheit beherrschbar, weil das Erfordernis eines wichtigen Grundes durch die Rechtsprechung hinreichend präzisiert ist. Da­ her erscheint eine Satzungsregelung, die das Recht der Hauptversammlung zur Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern inhaltlich beschränkt, wohl zulässig. 532  Hierzu und zum Folgenden Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 103 Rn.  12 f. 533  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 103 Rn. 18; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 103 Rn. 36; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 103 Rn. 17; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 103 Rn. 15; T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 103 Rn. 5; a.  A. U. H. Schneider/ Nietsch, in: FS Westermann, 2008, S. 1447, 1453 f. 534  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 4. Aufl. 2006, § 103 Rn. 24. 535  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 103 Rn. 36. 536  Hierzu und zum Folgenden U. H. Schneider/Nietsch, in: FS Westermann, 2008, S.  1447, 1453 f.

222

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Weil eine mit Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 4 CRAR vereinbare Auslegung von § 103 Abs. 1 AktG jedenfalls vertretbar ist, zwingt das Unions­recht, das deutsche Aktienrecht in diesem Sinne verordnungskonform auszulegen. Folge ist, dass die aufsichtsrechtliche Vorgabe zum Mandatsent­ zug lediglich dispositivem Aktienrecht widerspricht. Ratingagenturen können den aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügen, indem sie eine Satzungsbe­ stimmung erlassen, die das Recht zur Abberufung der unabhängigen Auf­ sichtsratsmitglieder vom Vorliegen eines Fehlverhaltens oder unzureichender Leistungen abhängig macht. (4) Vergütung der unabhängigen Mitglieder Schließlich regelt Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 die Vergütung der unabhängigen Mitglieder. Diese darf nicht vom geschäftlichen Erfolg der Ratingagentur abhängen und ist so festzulegen, dass die Unabhängigkeit des Urteils der unabhängigen Mitglieder gewährleistet ist. Zulässig ist danach lediglich eine reine Fixvergütung, was aber nicht zu Konflikten mit dem Gesellschaftsrecht führt537 und in Anbetracht des Ziels, schädliche Interes­ senbindungen der unabhängigen Mitglieder zu vermeiden, angemessen er­ scheint. dd) Besondere Kompetenzen der unabhängigen Mitglieder Die Verordnung sieht in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 CRAR vor, dass die unabhängigen Mitglieder des Aufsichtsorgans einer Ratingagentur neben der allgemeinen Verantwortung eines Aufsichtsorgans die spezielle Aufgabe haben, bestimmte im Einzelnen aufgezählte Bereiche zu überwachen. Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 lit. a CRAR nennt die Entwicklung der Ratingpoli­ tik und die bei den Ratingtätigkeiten verwendeten Methoden. Die in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 lit. b–d CRAR genannten Auf­gaben betreffen zu­ sammengefasst die Überwachung der internen Kontrollmechanismen, der Compliance-Organisation und der Governance-Anforderungen. Diese Kompetenzübertragung auf die unabhängigen Mitglieder könnte im Widerspruch zu deutschem Aktienrecht stehen, das grundsätzlich von einer Aufgabenerledigung durch den Gesamtaufsichtsrat ausgeht. Die Überwa­ chungsaufgabe ist nach § 111 Abs. 1 AktG organbezogen, obliegt also nicht einzelnen Organmitgliedern.538 Deshalb soll Anh.  I Abschnitt  A Nr. 2 Abs. 6 CRAR dahingehend zu verstehen sein, dass er sich in der dualistischen AG 537  Dazu

noch unten 2. Teil: C. VIII. 2. in: FS Hellwig, 2010, S. 329, 337.

538  U. H. Schneider,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan223

auf den Gesamtaufsichtsrat bezieht.539 Diese Auslegung widerspricht aber dem Anwendungsvorrang der Verordnung, die ausdrücklich eine Übertra­ gung auf die unabhängigen Mitglieder fordert. Mit den unabhängigen Mit­ gliedern sind im dualistischen System nicht generell die Aufsichtsratsmit­ glieder bezeichnet, weil auch im monistischen System zwischen nicht geschäftsführenden und unabhängigen Direktoren unterschieden wird. Zudem geht die aufsichtsrechtlich geforderte Unabhängigkeit deutlich über die funktionale Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder nach § 105 Abs. 1 AktG hinaus. Allerdings ist die Kompetenzzuweisung an die unabhängigen Mitglieder aktienrechtlich nicht per se unzulässig, weil sie in der Sache einer Übertra­ gung der Aufgaben auf einen „Ausschuss der unabhängigen Mitglieder“ gleichsteht. Ein generelles Verbot der Delegation wichtiger Aufgaben auf Ausschüsse kennt das Aktienrecht gerade nicht, weil § 107 Abs. 3 Satz 7 AktG enumerativ die nicht delegierbaren Aufgaben aufzählt.540 § 107 Abs. 3 Satz 7 AktG nennt keine der auf die unabhängigen Mitglieder übertragenen Aufgaben ausdrücklich, weshalb allenfalls ein ungeschriebenes Delegations­ verbot eingreifen könnte.541 Bei der Überwachung interner Kontrollsysteme handelt es sich zwar um eine Sache des Gesamtaufsichtsrats,542 eine Delega­ tion an einen Ausschuss ist aber zulässig.543 § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG lässt die Einrichtung eines Prüfungsausschusses, der sich u. a. mit der Überwa­ chung der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems (einschließlich des Compliance-Systems544), des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems befasst, ausdrücklich zu. Der Aufsichtsrat eines Unter­ nehmens von öffentlichem Interesse ist nach § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG sogar verpflichtet, einen Prüfungsausschuss zu bilden. Anders könnten die Dinge hinsichtlich der in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 lit. a CRAR genannten Überwachung der „Entwicklung der Ratingpo­ litik“ liegen. Da die Ratingtätigkeit das wesentliche Geschäft einer Rating­ in: FS Hellwig, 2010, S. 329, 337. in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 107 Rn. 99; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 146; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 107 Rn. 169; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 746. 541  Näher dazu Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 147 f. 542  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 400; Hommelhoff/Mattheus, BB 2007, 2787, 2789. 543  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5.  Aufl. 2019, § 107 Rn. 400; T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 107 Rn. 42; a. A. Krasberg, Prüfungsaus­ schuss, 2010, S. 170 ff., 183, 186 f.; Huwer, Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, 2008, S. 141. 544  J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 107 Rn. 37. 539  U. H. Schneider, 540  Spindler,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

agentur darstellt, könnte man dies als unzulässige Delegation des allgemeinen Überwachungsauftrags auffassen. Die Frage, ob dieses ungeschriebene Dele­ gationsverbot545 hier greift, kann aber offenbleiben, weil in jedem Fall keine unzulässige Delegation vorliegt. Aus der Pflicht zur Vorlage von Stellung­ nahmen an das Gesamtaufsichtsorgan (Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 7 CRAR) folgt, dass sich die Tätigkeit der unabhängigen Mitglieder in einer die Beschlussfassung vorbereitenden Tätigkeit erschöpft, während die Letzt­ entscheidungskompetenz beim Gesamtaufsichtsorgan verbleibt.546 ee) Unabhängigkeit besonderer Personengruppen (1) Arbeitnehmervertreter Die Anforderung, den Aufsichtsrat zu einem Drittel mit unabhängigen Mitgliedern zu besetzen, ist mit dem deutschen Modell der unternehmeri­ schen Mitbestimmung nur schwer in Einklang zu bringen. Bei mitbestimmten Gesellschaften muss, abhängig von der Zahl der Arbeitnehmer des Unterneh­ mens, ein Drittel (§ 4 Abs. 1 DrittelbG) bzw. die Hälfte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 MitbestG) der Mitglieder des Aufsichtsrats aus Arbeitnehmervertretern beste­ hen. Ob diese unabhängig sein können, ist umstritten. Eine Ansicht in der Literatur will den Vertretern der Arbeitnehmer die Unabhängigkeit nicht absprechen.547 Dafür spricht die Kommissionsempfeh­ lung, die zwar grundsätzlich von der fehlenden Unabhängigkeit bei Arbeit­ nehmern ausgeht, hiervon aber ausdrücklich solche Arbeitnehmer ausnimmt, die im Rahmen eines gesetzlich anerkannten Systems der Arbeitnehmerver­ tretung in den Aufsichtsrat gewählt wurden.548 Aus dieser Regelung wird ein Wille der Europäischen Kommission abgeleitet, auf die Besonderheiten des deutschen Mitbestimmungsrechts Rücksicht zu nehmen.549

545  Allgemein dazu Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 147; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 107 Rn. 99; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 32 Rn. 4; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 748. 546  Zur Zulässigkeit einer Delegation der Vorbereitung von Leitungsaufgaben un­ ten 2. Teil: C. V. 3. g) bb). 547  T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 100 Rn. 51; Simons, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 100 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 Rn. 70; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1087 f.; unter Verweis auf die Kommissionsempfehlung auch Nowak, Unabhängigkeit, 2010, S.  152 ff. 548  Anhang II Ziffer 1 lit. b der Empfehlung 2005/162/EG. 549  Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 Rn. 70.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan225

Zu folgen ist gleichwohl der Gegenansicht,550 die Arbeitnehmervertreter sowie Vertreter der Gewerkschaften551 zumindest in der Regel als nicht unabhängig ansieht. Aus Anhang II Ziffer 1 lit. b der Kommissionempfehlung folgt lediglich, dass für die Arbeitnehmervertreter keine Vermutung der Ab­ hängigkeit greift. Daraus kann im Umkehrschluss aber nicht gefolgert wer­ den, dass Arbeitnehmervertreter generell als unabhängig zu betrachten sind.552 Vielmehr wird der von Ziffer 13.1 der Kommissionsempfehlung ge­ forderte Interessenkonflikt aufgrund des Arbeitsverhältnisses der Arbeitneh­ mervertreter zur Gesellschaft regelmäßig vorliegen.553 Zu kurz greift das Gegenargument, dass die Benachteiligungsverbote der §§ 26 MitbestG, 9 DrittelbG ausreichenden Schutz vor einer Einflussnahme durch die Unternehmensleitung böten.554 Denn zum einen gewährleisten die Benachteiligungsverbote gerade keinen absoluten555 Kündigungsschutz.556 Zum anderen kann die aus dem Arbeitsverhältnis folgende Vergütung ein Abhängigkeitsverhältnis begründen.557 Ohnehin können die Kündigungs­ schutzregeln allenfalls eine Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung bewir­ ken, nicht aber das Auftreten sonstiger Interessenkonflikte verhindern.558 Bereits nach der gesetzlichen Konzeption des Mitbestimmungsgesetzes ver­ treten die Arbeitnehmervertreter, obgleich auch sie dem Unternehmensinte­ resse verpflichtet sind, vorrangig die Interessen der Beschäftigten.559 Diese einseitige Interessenausrichtung birgt die Gefahr, dass die Arbeitnehmerver­ treter den Vorstand in den Fällen, in denen Arbeitnehmerbelange nicht be­ rührt werden, nicht ausreichend überwachen.560 Im Einzelfall kann eine ef­ fektive Überwachung des Vorstands Arbeitnehmerbelangen sogar entgegen­ 550  Hopt/Leyens, ZGR 2019, 929, 958 f.; Staake, NZG 2016, 853, 856 f.; ders., ZIP 2010, 1013, 1016; Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 955; Scholderer, NZG 2012, 168, 173; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 100 Rn. 72; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 177; wohl auch Bayer, NZG 2013, 1, 12; Lüer, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 385, 395. 551  Hopt/Leyens, in: Hopt/Binder/Böcking, Hdb. Corporate Governance von Ban­ ken, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 90; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 177; differenzierend Scholderer, NZG 2012, 168, 173. 552  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 178. 553  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 177. 554  T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 100 Rn. 51; Nowak, Unabhängigkeit, 2010, S. 156 ff.; Lieder, NZG 2005, 569, 571. 555  Es besteht lediglich ein relativer Kündigungsschutz, s. Henssler, in: Habersack/ Henssler, MitbestimmungsR, 4. Aufl. 2018, § 26 MitbestG Rn. 13 f. 556  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 179. 557  Scholderer, NZG 2012, 168, 173. 558  Staake, NZG 2016, 853, 856; Scholderer, NZG 2012, 168, 173. 559  Staake, NZG 2016, 853, 856; ders., ZIP 2010, 1013, 1016. 560  Staake, NZG 2016, 853, 856 f.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

laufen. Insbesondere dann, wenn eine Beeinträchtigung von Arbeitsplätzen oder Arbeitsbedingungen zu befürchten ist, droht das Interesse der Arbeit­ nehmervertreter an einer effektiven Kontrolle des Vorstands in den Hinter­ grund zu rücken.561 Das Argument der Gegenansicht, dass diese Gefahr der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat immanent sei,562 überzeugt demge­ genüber nicht. Daraus, dass das Mitbestimmungsrecht mögliche Interessen­ konflikte in Kauf nimmt, kann für die unionsrechtliche Pflicht zur Besetzung des Aufsichtsrats mit unabhängigen Mitgliedern nichts geschlossen wer­ den.563 Vielmehr würde eine einschränkende Auslegung dem Zweck der aufsichtsrechtlichen Vorgabe, eine effektive Überwachung der Geschäftslei­ tung sicherzustellen, diametral widersprechen. Das Unionsrecht will jeden potenziellen Interessenkonflikt ausschließen, unabhängig davon, worauf der Konflikt beruht.564 Dass die Arbeitnehmervertreter nicht unabhängig sind, entspricht offenbar auch der Ansicht der Regierungskommission Deutscher Corporate Govern­ ance Kodex. In Empfehlung C.6 DCGK heißt es seit der Neufassung 2019, dem „Aufsichtsrat soll auf Anteilseignerseite eine nach deren Einschätzung angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören“. Für die Unabhän­ gigkeit nach dem DCGK hat die Regierungskommission dadurch ausdrück­ lich klargestellt, dass die unabhängigen Mitglieder nur aus den Reihen der Anteilseigner stammen können. Zwar wurde diese Neufassung damit begrün­ det, dass nur die Anteilseigner auf Vorschlag des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt werden.565 Allerdings wurde die Änderung auch als Reaktion auf die bisherige Kritik gesehen, dass Arbeitnehmer aufgrund ihrer abhängigen Stellung sowie Interessenlage nicht unabhängig seien.566 (2) Vertreter des Mehrheitsaktionärs Das Unabhängigkeitserfordernis führt bei der Besetzung des Aufsichtsrats in Konzerntochtergesellschaften zu Problemen.567 Im Interesse der Konzern­ mutter liegt es regelmäßig, den Aufsichtsrat mit ihren Vertrauensleuten zu ZIP 2010, 1013, 1016. in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 100 Rn. 51. 563  Zum deutschen Recht Staake, NZG 2016, 853, 857; Scholderer, NZG 2012, 168, 173 (keine „Sperrwirkung“ des Mitbestimmungsrechts). 564  Vgl. Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 68. 565  Begründung des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 16.12.2019, S. 2, abrufbar unter https://www.dcgk.de/de/kodex/archiv.html [geprüft am 15.4.2023]. 566  Rubner/J.-B. Fischer, NZG 2019, 961, 963. 567  Kalss, EuZW 2017, 201, 202. 561  Staake,

562  T. Drygala,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan227

besetzen. Ob ein Aufsichtsratsmitglied unabhängig sein kann, das dem Lager des herrschenden Unternehmens zuzurechnen ist, ist im Schrifttum umstrit­ ten.568 Für die Beurteilung eines Mehrheitsaktionärs als unabhängig wird angeführt, je stärker ein Aktionär an einer AG beteiligt sei, desto höher sei sein Interesse am Wohlergehen der Gesellschaft. Jedenfalls für Ratingagenturen wird man die Unabhängigkeit eines Mehr­ heitsaktionärs verneinen müssen. Nach Anhang II Ziffer 1 lit. d der Kommis­ sionsempfehlung, auf die ErwGr. 29 CRAR Bezug nimmt, darf das unabhän­ gige Aufsichtsratsmitglied „keinesfalls ein Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung sein oder einen solchen vertreten“. Anders als der Wortlaut („keinesfalls“) nahelegt, begründet Anhang II Ziffer 1 lit. d der Kommis­ sionsempfehlung zwar lediglich die Vermutung, dass ein Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung nicht unabhängig sei.569 Diese Vermutung wird al­ lerdings nur in seltenen Ausnahmefällen zu widerlegen sein, weil die abs­ trakte Gefahr eines Interessenkonflikts genügt,570 welche aufgrund der ander­ weitigen Interessen des Mehrheitsaktionärs, die von denen des beherrschten Unternehmens abweichen können, regelmäßig gegeben sein wird. c) Friktionen mit dem deutschen Konzernrecht aa) Problemstellung Die Annahme, dass ein Aktionär mit Kontrollbeteiligung nicht unabhängig ist, führt zu Friktionen mit dem Konzernrecht.571 Es wird befürchtet, dass durch das Erfordernis unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder das deutsche Konzernrecht aus den Angeln gehoben würde.572 568  Gegen Unabhängigkeit Habersack, in: MüKo-AktG, 4.  Aufl. 2014, § 100 Rn. 68; ders., in: FS Goette, 2011, S. 121, 127 f.; Henssler, in: Henssler/Strohn, 3. Aufl. 2016, § 100 AktG Rn. 14; Bayer, NZG 2013, 1, 10 f.; Baums, ZHR 180 (2016), 697, 705 f.; Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 647 f.; a. A. J. Koch, in: Hüf­ fer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 100 Rn. 24; T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 100 Rn. 50; Gesell, ZGR 2011, 361, 385 f.; Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1090 (jeweils für Prüfung im Einzelfall); Mertens/Cahn, in: KKAktG, 3. Aufl. 2013, § 100 Rn. 67; Wind/Klie, NZG 2010, 1413, 1415; Ihrig/Meder, in: FS Hellwig, 2010, S. 163, 173 ff. 569  Vgl. Jaspers, AG 2009, 607, 610: „eine Art widerleglicher Vermutung“. 570  Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 68; vgl. auch Bayer, NZG 2013, 1, 11. 571  Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 68; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 25. 572  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2012, 335, 338; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 806.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Zwar besteht ein teilweiser Gleichlauf zwischen den Zielsetzungen des Unabhängigkeitserfordernisses und denen des Konzernrechts. Das Unabhän­ gigkeitspostulat ist auch unter dem Blickwinkel zu sehen, dass es abhängige Unternehmen vor nachteiliger Einflussnahme durch den Mehrheitsaktionär schützen soll und ergänzt insofern die konzernrechtlichen Regelungen der §§  311 ff. AktG.573 Das gilt auch für das aufsichtsrechtliche Unabhängig­ keitserfordernis, weil der Schutz des abhängigen Unternehmens dem auf­ sichtsrechtlichen Ziel des Systemschutzes dienen kann. Dieser Gleichlauf der Zielsetzungen beschränkt sich jedoch auf die Schutzfunktion des Konzern­ rechts. Zwar dient das Konzernrecht, insbesondere durch den in § 311 AktG geregelten Nachteilsausgleich, dem Schutz der außenstehenden Aktionäre sowie der Gläubiger des abhängigen Unternehmens.574 Gleichzeitig soll es Konzernstrukturen aber auch ermöglichen, enthält insofern eine Privilegierungsfunktion.575 Abhängige Gesellschaften unter eine gemeinsame Leitung zu stellen, ist aktienrechtlich zulässig.576 Bei Bestehen eines Beherrschungs­ vertrages (§ 291 AktG) gebührt dem Interesse des herrschenden Unterneh­ mens sogar uneingeschränkt der Vorrang, weil nachteilige Einflussnahmen durch die umfangreichen Schutzmaßnahmen des Unternehmensvertrages ausgeglichen werden.577 Aber auch im faktischen Konzern sind nachteilige Maßnahmen zulasten des abhängigen Unternehmens nicht generell verboten, sondern in den Grenzen der §§ 311 ff. AktG erlaubt.578 Das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeitserfordernis passt nicht zu diesen bewusst konzernoffen ausgestalteten Regelungen des deutschen Aktien­ rechts, weil die durch das Konzernrecht ermöglichte Konzernleitung voraus­ setzt, dass das herrschende Unternehmen über die Kontrolle des Aufsichts­ rats Einfluss auf das abhängige Unternehmen ausüben kann.579 Nur über die Personalhoheit im Aufsichtsrat sowie über Zustimmungsvorbehalte lässt sich die Geschäftspolitik der Tochter wirksam im Sinne des Konzerninteresses beeinflussen.580 Hierfür ist eine mehrheitliche Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertretern des herrschenden Unternehmens unabdingbare Vorausset­ NZG 2013, 1, 11; Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 645. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2020, Vorbem. §§ 311 ff. Rn. 1. 575  Habersack, in: Emmerich/Habersack, 10. Aufl. 2022, § 311 AktG Rn. 2, 4 f. m. w. N.; Mülbert, Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1996, S. 280 f.; Altmeppen, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2020, § 311 Rn. 20 f. 576  Habersack, in: Emmerich/Habersack, 10. Aufl. 2022, § 311 AktG Rn. 2, 5. 577  Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 806. 578  Habersack, in: Emmerich/Habersack, 10. Aufl. 2022, § 311 AktG Rn. 2, 5. 579  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 83; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 806; Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 954 ff.; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 225; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 25. 580  Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 806. 573  Bayer,

574  Altmeppen,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan229

zung.581 Durch eine Beschränkung dieser Einflussmöglichkeit könnte der Konzernleitung der rechtliche Boden entzogen und die gesamte gesetzliche Konstruktion des Konzerns im Aktienrecht in Frage gestellt werden.582 Auch die Abhängigkeitsvermutung bei einer Mehrheitsbeteiligung nach §  17 Abs. 2 AktG begründet sich daraus, dass der Mehrheitsaktionär über den Aufsichtsrat die Personalentscheidungsgewalt innehat und über diesen Weg die Geschäftspolitik bestimmen kann.583 Folgerichtig steht das deutsche Ak­ tienrecht einer Repräsentanz des Mehrheitsaktionärs im Aufsichtsrat aufge­ schlossen gegenüber und erlaubt es diesem, den Aufsichtsrat auf Anteilseig­ nerseite ausschließlich mit seinen Vertretern zu besetzen.584 Dies wird deut­ lich aus § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG, der die Wahrnehmung von Aufsichtsrats­ mandaten in Tochtergesellschaften durch Mitglieder des Konzernvorstands privilegiert.585 Das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeitserfordernis steht einer solchen Besetzung der Anteilseignerbank entgegen. Besonders problematisch ist dies in paritätisch mitbestimmten Unternehmen.586 Weil die Arbeitnehmervertre­ ter jedenfalls in der Regel nicht unabhängig sind,587 müssen die unabhängi­ gen Mitglieder ganz oder überwiegend aus der Anteilseignerseite stammen. Folge ist, dass die Vertreter des Mehrheitsaktionärs in einem paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat in der Regel keine Mehrheitsposition innehaben können. Dem Mehrheitsaktionär ist es dadurch wesentlich erschwert, seine Interessen durchzusetzen;588 ein „Durchregieren“ ist nicht mehr ohne Weite­ res möglich.589 Dadurch drohe eine im Hinblick auf das Grundrecht auf Ei­ gentum bedenkliche Schwächung der Anteilseignerbank.590 Die Regelung der CRAR, dass mindestens ein Drittel der Aufsichtsratsmit­ glieder unabhängig sein muss, verschärft den daraus resultierenden Konflikt mit dem Konzernrecht im Vergleich zu den Empfehlungen C6 und C7 DCGK noch einmal erheblich. So müssen beispielsweise in einem Aufsichtsrat mit zwölf Mitgliedern mindestens vier Mitglieder unabhängig sein. Weil in der AG 2010, 221, 226. AG 2010, 221, 225. 583  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 226; Bayer, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 17 Rn. 26 f.; Schall, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 17 Rn. 13; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 17 Rn. 5. 584  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 226; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 83; Bayer, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 17 Rn. 26. 585  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 225. 586  Bayer, NZG 2013, 1, 11. 587  Siehe oben 2. Teil: C. IV. 3. b) ee) (1). 588  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2012, 335, 338. 589  Bayer, NZG 2013, 1, 12. 590  Näher dazu unten 2. Teil: C. IV. 3. d). 581  Bürgers/Schilha, 582  Bürgers/Schilha,

230

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Regel weder die Vertreter der Arbeitnehmer noch die des Mehrheitsaktionärs unabhängig sein können, verbleiben für die Vertreter des Mehrheitsaktionärs lediglich zwei Mandate, also ein Sechstel der Gesamtzahl. Eine Mehrheits­ position der Arbeitnehmervertreter kann im Einzelfall nur dann verhindert werden, wenn der Mehrheitsaktionär alle unabhängigen Mitglieder des Auf­ sichtsrats auf seine Seite bringt. Die Ausübung von Leitungsmacht im Kon­ zern wird dadurch erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Auch in einem nach dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmten Aufsichts­ rat stellt sich die Lage nicht wesentlich anders dar. Hier kann der Mehrheits­ aktionär höchstens ein Drittel der Mandate mit Vertrauensleuten besetzen, wenn man von der fehlenden Unabhängigkeit aller Arbeitnehmervertreter ausgeht. In der mitbestimmungsfreien AG können die kontrollierenden Akti­ onäre dagegen die Mehrheit des Aufsichtsrats mit von ihnen abhängigen Mitgliedern besetzen. Zwar besteht der Aufsichtsrat nach § 95 Satz 1 AktG grundsätzlich aus drei Mitgliedern, von denen in Ratingagenturen mindestens zwei Mitglieder unabhängig sein müssen. Eine Mehrheit der Vertreter des Mehrheitsaktionärs kann aber gewährleistet werden, indem die Satzung die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf mindestens fünf festsetzt, was nach § 95 Satz 2 AktG möglich ist. Besonders deutlich wird die Problematik der mangelnden Durchsetzungs­ möglichkeit der Mehrheitsherrschaft in Familienunternehmen. Die unions­ rechtlichen Regelungen gehen von einem breit gestreuten Aktionärskreis aus und passen nicht auf Familienunternehmen mit dualistischem System.591 Denn die Führung solcher Unternehmen basiert darauf, dass die aus der Fa­ milie stammenden Mehrheitsaktionäre ihren Einfluss im Aufsichtsrat durch­ setzen können. In paritätisch mitbestimmten Gesellschaften können die Fa­ milienaktionäre aber nicht die Mehrheit der Aufsichtsratsposten besetzen und drohen somit ihren kontrollierenden Einfluss zu verlieren.592 Auch bei einer Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz können die Familien­ aktionäre, anders als nach den Regelungen des DCGK, keine Mehrheitsposi­ tion einnehmen. Insofern passt die unionsrechtliche Regelung nicht auf die Rechtswirklichkeit der deutschen Unternehmenslandschaft.

EuZW 2017, 201, 202. Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 955 f.

591  Kalss, 592  Vgl.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan231

bb) Teleologische Reduktion des Unabhängigkeitserfordernisses (1) Meinungsstand zu § 100 Abs. 5 a. F. Bei § 100 Abs. 5 AktG a. F. wollte ein Teil der Literatur den Konflikt mit dem Konzernrecht durch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift lösen. Der Ansatz sah vor, § 100 Abs. 5 AktG a. F. entgegen Anhang II Ziffer 1 lit. d der Kommissionsempfehlung konzernrechtlich dahingehend auszulegen, dass der unabhängige Finanzexperte aus den Reihen des Mehrheitsaktionärs stam­ men dürfe.593 Dies wurde damit begründet, für den Schutz der Minderheits­ aktionäre sei bereits durch die konzernrechtlichen Regelungen der §§ 311 ff. AktG ausreichend gesorgt.594 Entgegengehalten wurde dem, dass der Schutz durch das Konzernrecht, insbesondere der Nachteilsausgleich nach § 311 AktG im faktischen Konzern, lückenhaft sei.595 In der Praxis sei der Aus­ gleichsanspruch nach § 311 AktG nicht geeignet, die durch nachteilige Ein­ flussnahmen des herrschenden Aktionärs verursachten Nachteile zu kompen­ sieren. Das Unabhängigkeitserfordernis schließe eine Lücke, die das Konzern­ recht bisher offenlasse. Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht voll­ ends, da sie sich rein auf die schutzrechtliche Funktion der §§ 311 ff. AktG stützt und deren Privilegierungsfunktion unberücksichtigt lässt. Gerade hin­ sichtlich dieser Privilegierungsfunktion ist das Unabhängigkeitserfordernis problematisch, weil es die Ausübung der Leitungsmacht im Konzern er­ schwert. Für eine einschränkende Auslegung des aktienrechtlichen Unabhängig­ keitsbegriffs wurde zudem angeführt, dass das Unabhängigkeitspostulat auf Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfassung zugeschnitten sei.596 Es gründe sich auf die systematische Kontrollschwäche des monistischen Systems, die durch die Besetzung des Board mit unabhängigen outside directors überwunden werden solle.597 Im monistischen System bildeten unabhän­ gige Mitglieder im „Board“ deshalb einen maßgeblichen Baustein guter Corporate Governance.598 Im dualistischen System bestehe ein Bedürfnis nach unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern dagegen in erheblich geringe­ 593  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 228  f.; T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 100 Rn. 50. 594  Gesell, ZGR 2011, 361, 386; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 229; Peltzer, NZG 2012, 368, 370; Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1392; Paschos/ Goslar, NZG 2012, 1361, 1362. 595  Hierzu und zum Folgenden Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 648. 596  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 229; Wind/Klie, NZG 2010, 1413, 1415. 597  Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 229; Kersting, ZIP 2003, 2010, 2015. 598  Cromme, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 283, 288.

232

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

rem Maße, da die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat als eigenständiges und weisungsunabhängiges Organ gewährleistet ist.599 Gegen diese systematischen Bedenken wird eingewendet, auch im dualisti­ schen System seien die Aufsichtsräte nicht Vertreter der Großaktionäre, son­ dern die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats setze voraus, dass seine Mitglieder im Interesse aller Aktionäre tätig würden.600 Maßstab für die Tä­ tigkeit des Aufsichtsrats sei nicht das Interesse eines Groß- bzw. Mehrheits­ aktionärs, sondern das Unternehmensinteresse.601 (2) Stellungnahme Letztlich kann offenbleiben, ob grundlegende Wertungen des Konzernrechts eine teleologische Reduktion des Unabhängigkeitserfordernisses gebieten. Je­ denfalls für das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeitserfordernis bei Rating­ agenturen verbietet sich eine solche restriktive Auslegung. Das Unabhängig­ keitspostulat des Unionsrechts zielt darauf ab, Interessenkonflikte jeder Art zu verhindern, ohne dabei die Organisationsverfassung oder konzernrechtliche Schutzmaßnahmen der betroffenen Gesellschaft zu berücksichtigen.602 Würde man die Vorgaben zur Besetzung des Aufsichtsorgans mit unabhängigen Mit­ gliedern an das deutsche Konzernrecht anpassen, würde dies die Verwirk­ lichung aufsichtsrechtlicher Zielsetzungen erheblich gefährden. Angesichts des Anwendungsvorrangs der CRAR gegenüber dem nationalen Gesellschafts­ recht wäre eine solche einschränkende Auslegung nicht zu rechtfertigen. Auch aus den angesprochenen Systemspannungen zur dualistischen Unter­ nehmensverfassung folgt nichts anderes. Zwar will der Unionsgesetzgeber grundsätzlich die Unterschiede zwischen monistischer und dualistischer Un­ ternehmensverfassung berücksichtigen und keiner Struktur den Vorzug ge­ ben.603 Daraus folgt jedoch nicht, dass alle aufsichtsrechtlichen Vorgaben mit Spannungspotenzial zur dualistischen Unternehmensverfassung einer ein­ schränkenden Auslegung zugänglich wären. Vielmehr erstreckt sich die Selbstbeschränkung des Aufsichtsrechts nur auf die Kompetenzverteilung zwischen der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsorgan, nicht aber auf sons­ tige Konfliktlagen.604 Aufsichtsrechtliche Vorgaben zur Besetzung des Auf­ AG 2010, 221, 229; Wind/Klie, NZG 2010, 1413, 1415. BB 2013, 643, 648. 601  Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 648. 602  Vgl. Habersack, in: FS Goette, 2011, S. 121, 128; ders., in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 68. 603  Siehe oben 1. Teil: B. IV. 1. 604  Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539; s. bereits oben 1. Teil: C. IV. 4. b) und 2. Teil: C. II. 5. b) aa). 599  Bürgers/Schilha,

600  Hasselbach/Jakobs,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan233

sichtsorgans sind demgegenüber auch dann uneingeschränkt zu beachten, wenn sie auf Gesellschaften mit monistischer Unternehmensverfassung zuge­ schnitten sind. An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass Anhang II Ziffer 1 lit. d der Kommissionsempfehlung nur eine Vermutung begründet, von der bei der Bestimmung der Unabhängigkeit im Einzelfall abgewichen werden kann. Denn eine solche Abweichung kann jedenfalls nicht darauf gestützt werden, dass eine andere Beurteilung dem deutschen Gesellschaftsrecht wi­ derspräche. Die zunächst dem Aufsichtsrat abverlangte Entscheidung ist al­ lein an den in der Kommissionsempfehlung aufgestellten objektiven Kriterien zu messen und gerichtlich voll überprüfbar.605 Letztlich bleibt deshalb nur, die unionsrechtlichen Vorgaben als gegenüber dem deutschen Konzernrecht vorrangige Sonderregelungen anzusehen. Eine Ausübung von Konzernlei­ tungsmacht, wie sie das deutsche Konzernrecht ermöglicht, ist in Rating­ agenturen nur eingeschränkt möglich. d) Einschränkung des Unabhängigkeitserfordernisses aufgrund (unions-)grundrechtlicher Schranken? Während sich eine teleologische Reduktion des aufsichtsrechtlichen Unab­ hängigkeitserfordernisses im Hinblick auf das deutsche Konzernrecht verbie­ tet, könnten insoweit unionsgrundrechtliche Schranken greifen. Dem Mehr­ heitsaktionär ist es in einer mitbestimmten Ratingagentur verwehrt, den Aufsichtsrat mehrheitlich mit seinen Vertretern zu besetzen. Er kann seine Position als Anteilseigner daher nicht in gleicher Weise nutzen wie die Aktio­ näre einer nicht regulierten AG. In der Literatur wurde daher die Vereinbar­ keit des § 100 Abs. 5 AktG a. F. mit Art. 14 GG in Frage gestellt.606 Letztlich kommt eine Einschränkung des Unabhängigkeitserfordernisses bei Ratingagenturen jedoch auch unter grundrechtlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht. Ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht der Aktio­ näre ist in der aufsichtsrechtlichen Anforderung, den Aufsichtsrat mit unab­ hängigen Mitgliedern zu besetzen, selbst in mitbestimmten Gesellschaften nicht zu sehen.607 Dies gilt unabhängig davon, ob sich die grundrechtliche 605  Siehe

oben 2. Teil: C. IV. 3. b) bb) (1). in: GS Gruson, 2009, S. 107, 118 ff.; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 226. 607  Ebenso zur Vereinbarkeit von § 100 Abs. 5 AktG a. F. mit Art. 14 GG Langenbucher, ZGR 2012, 314, 332; Bayer, NZG 2013, 1, 12; zum DCGK ferner Baums, ZHR 180 (2016), 697, 700; a. A. Ehlers/Nohlen, in: GS Gruson, 2009, S. 107, 118 ff.; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 226; vgl. auch Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 382 und Hirte, Der Konzern 2011, 519, 524 zur Frauenförderung im Aufsichtsrat. 606  Ehlers/Nohlen,

234

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Zulässigkeit nach Art. 17 CRCh oder Art. 14 GG bemisst. Die aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen ändern nichts daran, dass die Anteilseigner der Rating­ agentur im Aufsichtsrat über das leichte Übergewicht verfügen, welches das Bundesverfassungsgericht608 für die Vereinbarkeit der Mitbestimmungsge­ setze mit Art. 14 GG gefordert hat. Dieses Kriterium lässt sich für die Aus­ legung des Art. 17 GRCh entsprechend als Maßstab heranziehen. Das Über­ gewicht der Anteilseigner im Aufsichtsrat bleibt gewahrt, weil die unabhän­ gigen Aufsichtsratsmitglieder durch die Anteilseigner gewählt werden und daher der Anteilseignerseite zuzurechnen sind.609 Die ausschlaggebende Wahlentscheidung des Mehrheitsaktionärs bleibt unberührt.610 Ungeachtet der aufsichtsrechtlichen Anforderungen können die Aktionäre in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats bestimmen, die durch das Zweistimmrecht des Vorsitzenden nach § 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG über ein leichtes Übergewicht verfügen.611 Das Argument, die Besetzung mit unabhängigen Mitgliedern führe faktisch zu einer Ver­ schiebung der Kräfteverhältnisse zulasten der Anteilseigner,612 greift daher nicht durch. Zwar beschränken die aufsichtsrechtlichen Vorgaben den Kandi­ datenkreis und damit die Wahlfreiheit der Anteilseigner. Den Aktionären verbleibt jedoch das Recht, unter allen möglichen (unabhängigen) Kandida­ ten die ihnen genehmsten auszuwählen. Hinzu kommt, dass die unabhängi­ gen Mitglieder Vertreter von Minderheitsaktionären sein können, die eben­ falls zu den grundrechtlich geschützten Eigenkapitalgebern gehören; die In­ teressen dieser Aktionäre können durch die Besetzung mit unabhängigen Mitgliedern sogar stärkere Berücksichtigung finden als in einem vollständig mit Vertretern des Mehrheitsaktionärs besetzten Aufsichtsrat.613 Problematisch ist zwar, dass die Abberufung der unabhängigen Mitglieder, anders als bei sonstigen Aufsichtsratsmitgliedern, nicht im freien Ermessen der Hauptversammlung steht.614 Die Interessen des Mehrheitsaktionärs sind jedoch dadurch geschützt, dass die unabhängigen Mitglieder ihre Überwa­ chungstätigkeit grundsätzlich im Unternehmensinteresse ausüben müssen.615 Handelt ein unabhängiges Mitglied evident gegen Aktionärsinteressen, die im Rahmen des Unternehmensinteresses angemessen zu berücksichtigen sind, wird dies regelmäßig eine Abberufung nach Anh. I Abschnitt A Nr. 2 608  BVerfGE

50, 290, 322 ff. = NJW 1979, 699. ZGR 2012, 314, 332. 610  Langenbucher, ZGR 2012, 314, 332; Baums, ZHR 180 (2016), 697, 700. 611  S. etwa Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 96 Rn. 9. 612  So aber Ehlers/Nohlen, in: GS Gruson, 2009, S. 107, 119. 613  Baums, ZHR 180 (2016), 697, 700. 614  Siehe oben 2. Teil: C. IV. 3. b) cc) (3). 615  Allgemein Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 78 ff. 609  Langenbucher,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan235

Abs. 4 Satz 4 CRAR rechtfertigen. Die Aktionäre sind demnach nicht schutz­ los gestellt, wenn die unabhängigen Mitglieder des Aufsichtsorgans ihren Interessen zuwider handeln. Diese grundsätzliche Bindung der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder an das Unternehmensinteresse könnte allerdings durch die besondere Funk­ tion in Frage gestellt werden, die das Aufsichtsrecht den unabhängigen Mit­ gliedern beimisst. Diesen obliegt es nach Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 CRAR, bestimmte auf die Ratingtätigkeit bezogene Bereiche, beispielsweise die Entwicklung der Ratingpolitik sowie die Wirksamkeit interner Compli­ ance- und Governance-Mechanismen, zu überwachen.616 Insoweit haben die unabhängigen Mitglieder – als Spiegelbild der Geschäftsleiterpflichten617 – zu prüfen, ob die Geschäftsleiter die aufsichtsrechtlichen Organisations­ vorgaben gemäß den aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen erfüllt haben.618 Be­ zugspunkt der speziellen aufsichtsrechtlichen Überwachungsaufgabe ist demnach die Erfüllung aufsichtsrechtlicher Organisationsanforderungen im öffentlichen Interesse. Allerdings erschöpft sich die Kompetenz der unabhän­ gigen Mitglieder für die in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 CRAR gesondert aufgeführten Bereiche darin, Stellungnahmen gegenüber dem Aufsichtsorgan abzugeben (Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 7 CRAR). Daneben trifft die unab­ hängigen Mitglieder als Teil des Aufsichtsrats gemäß Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 CRAR die allgemeine Verantwortung eines Ver­waltungs- oder Aufsichtsorgans. Der Ansatz der aufsichtsrechtlichen Regulierung besteht vorrangig darin, die allgemeine Corporate Governance durch eine Besetzung des Aufsichtsrats mit unabhängigen Mitgliedern zu verbessern. Die Bindung der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder an das Unternehmensinteresse bleibt – wiederum parallel zu den Geschäftsleitern619 – außerhalb der Erfül­ lung konkreter aufsichtsrechtlicher Pflichten unberührt. Bezugspunkt der allgemeinen Überwachungsaufgabe der Mitglieder des Aufsichtsrats – ein­ schließlich der unabhängigen Mitglieder – ist demnach das Unternehmensinteresse, in dessen Rahmen sie die Interessen des Mehrheitsaktionärs ange­ messen berücksichtigen müssen. Die unabhängigen Mitglieder unterscheiden sich zudem wesentlich von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, weil letztere Sonderinteressen verfolgen, die sich zum Nachteil der Aktionäre auswirken können, während die unabhängigen Mitglieder gerade frei von sonstigen Interessenbindungen sein müssen. Ein mit unabhängigen Mitgliedern besetzter Aufsichtsrat ist deshalb gerade nicht vergleichbar mit einer echten paritätischen oder über­ 616  Dazu

bereits oben 2. Teil: C. IV. 3. b) dd). oben 2. Teil: B. V. 4. b) bb). 618  Vgl. auch L. Winkler, Aufsichtsrat im Versicherungsunternehmen, 2017, S. 155. 619  Siehe oben 2. Teil: B. V. 4. b) aa). 617  Siehe

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

paritätischen Mitbestimmung, die das Eigentumsgrundrecht der Aktionäre unzulässig beschränken würde.620 Die effektive Überwachung der Geschäfts­ leitung, die durch die Besetzung des Aufsichtsrechts mit unabhängigen ­Mitgliedern gewährleisten werden soll, liegt auch im Interesse der Mehrheits­ aktionäre. Zudem hängt die mit der Besetzungsvorgabe verbundene Eingriffs­ intensität vom Schutzobjekt ab, beispielsweise von der Größe und volkswirt­ schaftlichen Bedeutung des Unternehmens; Besetzungsregelungen für die Aufsichtsräte von Unternehmen des Finanzsektors sind eher gerechtfertigt als für Gesellschaften anderer Branchen.621 Angesichts der Gefahren, die mit der Tätigkeit einer Ratingagentur für die Volkswirtschaft verbunden sind, haben die an einer Ratingagentur beteiligten Anteilseigner weitergehende Beschrän­ kungen ihrer Eigentumsausübung zu dulden als die Anteilseigner anderer Unternehmen. e) Ergebnis Das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeitserfordernis in der Ausprägung, wie es die CRAR für das Aufsichtsorgan einer Ratingagentur vorsieht, stellt einen erheblichen Einschnitt in Grundvorstellungen des deutschen Gesell­ schaftsrechts dar. Es führt zu nicht auflösbaren Friktionen mit dem deutschen Aktienkonzernrecht. Entgegen der grundsätzlichen Konzernoffenheit des deutschen Gesellschaftsrechts sind die Mehrheitsgesellschafter einer Rating­ agentur daran gehindert, über den Aufsichtsrat maßgeblichen Einflusses auf die abhängige Gesellschaft auszuüben. Das deutsche Aktienrecht wird da­ durch im Rahmen eines „Sondergesellschaftsrechts im Finanzsektor“ umge­ staltet. Dabei kommt es zu einer Angleichung der monistischen und dualisti­ schen Unternehmensverfassung, weil unabhängige Direktoren ein Wesens­ merkmal des monistischen Systems sind. Überdies verschärft das Unabhängigkeitserfordernis den Eingriff in die Wahlfreiheit der Anteilseigner, die bereits durch die Qualifikationsanforde­ rungen an Aufsichtsratsmitglieder beschränkt ist,622 noch erheblich. Zwar besteht diese Wahlfreiheit auch nach dem Gesellschaftsrecht nicht unbe­ schränkt, was an den Regelungen der §§ 100, 105 AktG deutlich wird. Die Eingriffsintensität der aufsichtsrechtlichen Regelungen geht darüber aber deutlich hinaus. Die Hauptversammlung kann nur noch aus dem einge­ schränkten Personenkreis wählen, der die gesetzlichen Anforderungen an 620  Vgl. zur Vereinbarkeit der deutschen Mitbestimmungsgesetze mit Art. 14 GG BVerfGE 50, 290, 322 f. = NJW 1979, 699. 621  Vgl. zu Art. 14 GG Langenbucher, ZGR 2012, 314, 331 f. 622  Langenbucher, ZHR 2012, 652, 663 f.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan237

Aufsichtsratsmitglieder erfüllt.623 Zudem ist die vorzeitige Abberufung der unabhängigen Mitglieder nur zulässig, wenn ein Fehlverhalten oder unzurei­ chende Leistungen vorliegen. Eine Wiederbestellung der unabhängigen Mit­ glieder ist generell unzulässig. Diese aufsichtsrechtlichen Beschränkungen können als Misstrauen gegenüber den Anteilseignern aufgefasst werden, was deren Fähigkeit zur Auswahl geeigneter Aufsichtsratsmitglieder betrifft.624 Einer stärkeren Einbindung von Aktionären in die Unternehmensführung, die teilweise zur Verbesserung der Corporate Governance gefordert wird, steht dies eher entgegen.625 Angesichts des Art. 17 GRCh haben diese Beschränkungen der Wahlfrei­ heit der Anteilseigner in mitbestimmten Gesellschaften eine grundrechtliche Dimension. Letztlich ist eine unzulässige Beschränkung der Eigentumsaus­ übung aber nicht anzunehmen, weil es bei der ausschlaggebenden Wahlent­ scheidung der Aktionäre bleibt und die unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder ihr Handeln grundsätzlich am Unternehmensinteresse auszurichten haben.

V. Organisation des Aufsichtsorgans 1. Überblick Auch die Organisation des Aufsichtsrats ist Gegenstand der aufsichtsrecht­ lichen Regulierung. Dabei kommt es zu einer stärkeren Formalisierung der Aufsichtsratstätigkeit durch Verfahrens-, Dokumentations- und Offenlegungs­ pflichten.626 Beispielsweise sieht Art. 3 Abs. 1 EMIR-DelVO vor, dass zen­ trale Gegenparteien klar spezifizierte und gut dokumentierte Grundsätze, Verfahren und Prozesse für die Arbeit des Leitungsorgans festlegen müssen. Wie bei den Vorgaben zur Organisation der Geschäftsleitung wandelt sich die gesellschaftsrechtlich bestehende Möglichkeit des Aufsichtsrats, sich eine Geschäftsordnung zu geben, aufsichtsrechtlich in eine Pflicht. Ein Konflikt mit zwingendem Aktienrecht folgt aus diesen formalen Vorschriften nicht, wohl aber ein weiterer Schritt in Richtung einer stärkeren Verrechtlichung der Organisationsverfassung. Das Aufsichtsrecht enthält zudem weitere for­ male Vorschriften, beispielsweise zu den Sitzungen des Leitungsorgans.627 Eine erhebliche Relevanz kommt den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Bil­

ZHR 2012, 652, 664. ZHR 2012, 652, 663. 625  Langenbucher, ZHR 2012, 652, 664. 626  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 339. 627  Siehe sogleich. 623  Langenbucher, 624  Langenbucher,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

dung bestimmter Ausschüsse zu, die mit der aktienrechtlichen Organisations­ verfassung nicht vollständig konfliktfrei zu vereinbaren sind.628 2. Sitzungen des Aufsichtsorgans a) Teilnahmerecht Dritter Bei zentralen Gegenparteien müssen, soweit es um Angelegenheiten geht, die für die Art. 38 und 39 EMIR relevant sind, Vertreter der Kunden von Clearingmitgliedern zu den Sitzungen des Leitungsorgans eingeladen werden (Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 3 EMIR). Darin ist eine besondere Regelung zur externen Corporate Governance zu sehen, die sich aus der Rolle der zen­ tralen Gegenparteien als Marktinfrastrukturanbietern erklärt.629 Clearingmit­ glieder und Kunden müssen nach Ansicht des Gesetzgebers angemessen vertreten sein, da sich von der zentralen Gegenpartei getroffene Entscheidun­ gen auf sie auswirken können.630 Mit dem Leitungsorgan ist hier grundsätz­ lich der Aufsichtsrat, ggfs. aber auch der Vorstand gemeint.631 Die Norm gibt den Kunden von Clearingmitgliedern ein reines Teilnahmerecht, darüber hin­ ausgehende Rechte sind damit nicht verbunden. Dennoch könnte dieses Teilnahmerecht Dritter aktienrechtlich problema­ tisch sein, weil nach § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG Personen, die weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat angehören, nicht an Sitzungen des Auf­ sichtsrats teilnehmen sollen. Ausgenommen hiervon sind Sachverständige und Auskunftspersonen, die nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG zur Beratung über einzelne Gegenstände hinzugezogen werden können. Die Teilnahme sonstiger Personen an Aufsichtsratssitzungen ist grundsätzlich unzulässig. Die Ausgestaltung als Sollvorschrift ändert nichts am zwingenden Charakter der Regelung, sondern beschränkt lediglich die Rechtsfolgen einer Verlet­ zung.632 § 109 Abs. 4 AktG sieht allerdings vor, dass abweichende gesetz­ liche Vorschriften unberührt bleiben. Dies umfasst auch durch das Aufsichts­ recht normierte Teilnahmerechte der Aufsichtsbehörden.633 Die Besonderheit besteht hier darin, dass das Aufsichtsrecht nicht Vertretern der Aufsichts­ behörden, sondern anderen Marktteilnehmern ein Teilnahmerecht gewährt. Diese haben unter Umständen Interessen, die gegenläufig zu denen der be­ 628  Siehe

unten 2. Teil: C. V. 3. in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 18. 630  ErwGr. 61 Satz 5 EMIR. 631  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 18 m. Fn. 116. 632  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 109 Rn. 3: keine Unwirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses bei unzulässiger Teilnahme Dritter. 633  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 109 Rn. 41. 629  Redeke,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan239

troffenen Gesellschaften sind. Gleichwohl handelt es um eine abweichende gesetzliche Regelung, die unmittelbar Anwendung findet. Da der Wortlaut des § 109 Abs. 4 AktG keine weiteren Voraussetzungen enthält, weicht Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 3 EMIR zulässigerweise von § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG ab. Hierfür spricht zudem der Grundsatz der effektiven Umsetzung des Unionsrechts, der im Zweifelsfall eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 109 AktG gebietet. Ob die Kunden von Clearingmitgliedern als Auskunfts­ personen i. S. d. § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG eingeordnet werden können, kann deshalb offenbleiben. Ein Konflikt mit zwingendem Aktienrecht besteht nicht. b) Offenlegung von Sitzungsprotokollen Grundsätzlich sind die Mitglieder des Aufsichtsrats nach § 116 Satz 2 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das bezieht sich auch auf die Bera­ tungen des Aufsichtsrats, was als Beratungsgeheimnis bezeichnet wird.634 Gemäß Art. 27 Abs. 3 EMIR bzw. Art. 27 Abs. 5 Satz 2 CSDR müssen zen­ trale Gegenparteien und Zentralverwahrer die Protokolle der Sitzungen des Leitungsorgans (also von Vorstand und Aufsichtsrat) der zuständigen Behörde übermitteln (bei Zentralverwahrern nur auf Anfrage). Allerdings folgt daraus kein Konflikt mit zwingendem Aktienrecht, weil die Verschwiegenheits­ pflicht nach § 116 Satz 2 AktG durch gesetzliche Regelungen beschränkt werden kann. So sind die behördlichen Auskunftsrechte der § 44 KWG, § 107 Abs. 5 WpHG als Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht aner­ kannt. Unter die Auskunftspflicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 KWG fallen dabei auch Sitzungsprotokolle.635 In den Regelungen der Art. 27 Abs. 3 EMIR bzw. Art. 27 Abs. 5 Satz 2 CSDR sind demnach zulässige gesetzliche Beschrän­ kungen des § 116 Satz 2 AktG zu sehen. 3. Einrichtung besonderer Ausschüsse a) Aufsichtsrechtliche Vorgaben zur Ausschussbildung Das EU-Aufsichtsrecht will die Corporate Governance beaufsichtigter Un­ ternehmen verbessern, in dem es zwingend die Bildung bestimmter Aus­ schüsse verlangt. Zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer müssen einen Prüfungsausschuss (Art. 7 Abs. 1 Satz  3 EMIR-DelVO, Art. 48 Abs. 1 lit. b CSDR), einen Risikoausschuss (Art. 28 EMIR, Art. 48 Abs. 1 lit. a CSDRDelVO) und einen Vergütungsausschuss (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 EMIR-DelVO, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 116 Rn. 53 m. w. N. in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 44 Rn. 36.

634  Mertens/Cahn, 635  Braun,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Art. 48 Abs. 1 lit. c CSDR-DelVO) einrichten. Ein Zentralverwahrer muss zudem für jedes von ihm betriebene Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssys­ tem einen Nutzerausschuss einrichten (Art. 28 CSDR). Für Kreditinstitute statuiert § 25d Abs. 7–12 KWG Vorgaben zur Ausschussbildung. Diese aufsichtsrechtlichen Vorschriften folgen dem internationalen Trend, in einer Verlagerung der Arbeit vom Aufsichtsratsplenum in Ausschüsse eine qualitative Verbesserung der Gremiumsarbeit zu sehen.636 Die Arbeit in den Ausschüssen soll eine einheitliche Lösung für Gesellschaften mit monisti­ scher und dualistischer Unternehmensverfassung erleichtern.637 Aus diesen Gründen sind aufsichtsrechtliche Vorschriften zur Ausschussbildung ein we­ sentliches Regelungsinstrument zur Verbesserung der Corporate Governance im Finanzsektor. Auf der anderen Seite beschränken sie die Organisations­ autonomie der betroffenen Unternehmen und können mit der aktienrecht­ lichen Organisationsverfassung konfligieren, was einen Abgleich mit dem Gesellschaftsrecht erforderlich macht. b) Generelle Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht aa) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben zur Ausschussbildung Obwohl das Aktienrecht grundsätzlich davon ausgeht, dass die Arbeit des Aufsichtsrats von allen Mitgliedern gemeinsam erledigt wird,638 steht es der Bildung von Ausschüssen offen gegenüber. § 107 Abs. 3, 4 AktG lässt die Einrichtung von Ausschüssen ausdrücklich zu. Grundsätzlich steht dem Auf­ sichtsrat im Rahmen seiner Organisationsautonomie ein breiter Ermessens­ spielraum zu, ob und welche Ausschüsse er einrichtet.639 Der Aufsichtsrat ist jedoch verpflichtet, durch eine sachgerechte Organisation für die effiziente Erfüllung seiner Aufgaben Sorge zu tragen.640 Gerade in größeren Aufsichts­ räten ist eine arbeitsteilige Organisation hierfür unverzichtbar.641 Die in § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG vorgesehene Möglichkeit zur Ausschussbildung kann sich deshalb im Einzelfall sogar zu einer Pflicht verdichten.642

ZHR 179 (2015), 601, 611. ZHR 179 (2015), 601, 611. 638  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 654. 639  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 94; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 315; Bachmann, in: FS Hopt, 2010, S. 337, 347. 640  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 654; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, Vorbem. §§ 95 ff. Rn. 16 f. 641  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 654. 642  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 94 m. w. N. 636  Merkt, 637  Merkt,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan241

Besonderheiten gelten für Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 HGB. Bei diesen ist der Aufsichtsrat gemäß § 107 Abs. 4 Satz. 1 AktG verpflichtet, einen Prüfungsausschuss einzurichten. Nur wenn der Aufsichtsrat aus höchstens drei Mitgliedern besteht, bildet das Plenum kraft gesetzlicher Anordnung zugleich den Ausschuss (§ 107 Abs. 4 Satz  2 AktG).643 Diese durch das FISG eingeführte Regelung sollte als Reaktion auf den Wirecard-Skandal die interne Governance von Unternehmen von ­öffentlichem ­Interesse verbessern.644 Der Aufsichtsrat börsennotierter AGs soll zudem nach der Empfehlung D.2 DCGK fachlich qualifizierte Aus­ schüsse bilden, insbesondere einen Nominierungsausschuss (Empfehlung D.4 DCGK). Auch eine GmbH, die über einen Aufsichtsrat verfügt, kann dessen Arbeit durch Aufsichtsratsausschüsse organisieren. Der durch das Abschlussprü­ fungsreformgesetz645 eingefügte Verweis von § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 107 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG stellt dies ausdrücklich klar,646 wobei die Möglich­ keit der Ausschussbildung bereits zuvor aufgrund der Organisationshoheit des Aufsichtsrats anerkannt war.647 Da das Personengesellschaftsrecht kein gesetzliches Aufsichtsorgan kennt, ist dort zur Ausschussbildung nichts geregelt. In der internen Organisation eines Beirats sind die Gesellschafter grundsätzlich frei, weshalb sie eine ar­ beitsteilige Organisation durch Ausschüsse festlegen können. bb) Spannungen zwischen aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen und gesellschaftsrechtlicher Organisationsautonomie Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften sind grundsätzlich konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar, weil das Gesellschaftsrecht selbst die Bil­ dung von Ausschüssen zulässt.648 Gleichwohl besteht ein Spannungspotenzial zum Gesellschaftsrecht. Um die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforde­ rungen zu erfüllen, müssen die beaufsichtigten Gesellschaften die aufsichts­

in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 107 Rn. 160. etwa Mülbert, ZHR 185 (2021), 2, 8; 13 f. 645  Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öf­ fentlichem Interesse vom 10.5.2016, BGBl. I, S. 1142. 646  Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 52 Rn. 99. 647  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 52 Rn. 99; U. H. Schneider/Seyfarth, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 52 Rn. 471. 648  Binder, ZGR 2018, 88, 117. 643  Spindler, 644  Dazu

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

rechtlich geforderten Ausschüsse einrichten.649 Die damit verbundene Ein­ schränkung des Organisationsermessens des Aufsichtsrats wurde erheblich kritisiert und als „Novum in der deutschen Rechtslandschaft“ bezeichnet.650 Die Ersetzung der Organisationsautonomie des Aufsichtsrats durch eine auf­ sichtsrechtliche Organisationspflicht651 greife tief in die aktienrechtliche Or­ ganisationsverfassung ein.652 Die Vorgaben des Aufsichtsrechts fügten sich insoweit nicht konfliktfrei in das allgemeine Gesellschaftsrecht ein, was als „spannungsreiche Überlagerung“ des Gesellschaftsrechts durch das Auf­ sichtsrecht bezeichnet wird.653 Tatsächlich ist der Eingriff in die Organisationsautonomie nicht unerheb­ lich. Eine Übertragung von Aufgaben an Ausschüsse ändert aus gesellschafts­ rechtlicher Sicht nichts an der vorrangigen Entscheidungskompetenz des Gesamtaufsichtsrats.654 Dieser bleibt „Herr des Verfahrens“ und kann die Beschlussfassung jederzeit an sich ziehen oder von Ausschüssen gefasste Beschlüsse aufheben oder ändern.655 Bei den aufsichtsrechtlich geforderten Ausschüssen hat der Aufsichtsrat dagegen kein jederzeitiges Rückhol-, Selbstvornahme- oder Änderungsrecht bezüglich der Ausschusskompeten­ zen.656 Gleichwohl wird man in dieser Beschränkung der Organisationsautonomie des Aufsichtsrats keinen unzulässigen Eingriff in die gesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit sehen können. Dafür spricht, dass die aktienrechtliche Organisationsfreiheit als Folge des FISG nicht mehr unbeschränkt gilt. § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG verpflichtet den Aufsichtsrat von Unternehmen von öf­ fentlichem Interesse dazu, einen Prüfungsausschuss zu bilden. Insoweit hat sich das Aktienrecht dem aufsichtsrechtlichen Governance-Modell angenä­ hert. Darüber hinaus wäre eine effektive Überwachung der Geschäftsleitung im Finanzsektor aufgrund der gestiegenen Komplexität und Regulierungs­ 649  Zur GmbH Spindler, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 581; zur AG etwa Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 8, 93; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 496. 650  Casper, BB 2014, Die Erste Seite, Nr. 47. 651  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 144 ff. 652  Binder, ZGR 2018, 88, 117; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1519. 653  Binder, ZGR 2018, 88, 116 ff. 654  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 377; näher dazu auch Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 275 ff. 655  BGHZ 89, 48, 55 f. = WM 1983, 1378; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 107 Rn. 104; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 95; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 377; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 107 Rn. 139. 656  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 278 f.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan243

dichte ohne eine arbeitsteilige Organisation durch Ausschüsse kaum mög­ lich.657 Die ordnungsgemäße Erfüllung des Überwachungsauftrags durch den Aufsichtsrat liegt nicht nur im Interesse des Aufsichtsrechts. Das Gesell­ schaftsrecht will ebenfalls eine effektive Überwachung der Geschäftsleitung gewährleisten, die insoweit nicht der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Zielset­ zungen, sondern der Wahrung des Unternehmensinteresses dient. Insoweit besteht ein weitgehender Gleichlauf aufsichts- und gesellschaftsrechtlicher Zielsetzungen. Im Übrigen bleibt auch das gesellschaftsrechtliche Prinzip der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats gewahrt. Denn auch die aufsichts­ rechtlich geforderte Delegation entbindet den Gesamtaufsichtsrat im Bereich der Ausschusskompetenzen nicht von seiner Gesamtverantwortung; der Ge­ samtaufsichtsrat muss die Ausschüsse überwachen und sich über die Aus­ schusstätigkeit berichten lassen.658 cc) Keine Verdrängung des Gesamtaufsichtsrats als zentrales Überwachungsorgan Zu § 25d KWG wurde die Befürchtung geäußert, dass der Aufsichtsrat seine Stellung als gesamtverantwortliches Aufsichtsorgan der Gesellschaft durch eine zunehmende Kompetenzübertragung auf Ausschüsse einzubüßen drohe.659 Das klassische Bild der Aufgabenwahrnehmung durch den Auf­ sichtsrat als Kollektivorgan verschiebe sich hin zu einer Wahrnehmung durch einzelne, besonders qualifizierte Aufsichtsratsmitglieder im Verbund eines Aufsichtsratsausschusses, was eine Fragmentierung des Aufsichtsrats bewir­ ke.660 Auf der anderen Seite wird aber angeführt, dass die Beschlusskompe­ tenz hinsichtlich der wesentlichen, durch § 107 Abs. 3 Satz 7 AktG einer Delegation entzogenen Aufgaben beim Gesamtaufsichtsrat verblieben sei, wodurch dieser seine Stellung als gesamtverantwortliches Überwachungs­ organ im Wesentlichen behaupten könne.661 Im Anwendungsbereich der hier untersuchten Verordnungen liegen die Dinge insoweit anders, als die Kompetenzübertragung auf Ausschüsse im Vergleich zum Bankaufsichtsrecht weniger detailliert und umfangreich aus­ fällt. Die Delegation auf Ausschüsse ist vor allem dann gesellschaftsrechtlich problematisch, wenn die Aufgaben der Ausschüsse über eine Beratungs- und 657  Bronnert-Härle,

Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 321. Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1523; Binder,

658  Lutter/Krieger/Verse,

ZGR 2018, 88, 119. 659  Casper, BB 2014, Die Erste Seite, Nr. 47. 660  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 320; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 294 f. 661  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 270 f.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Unterstützungsfunktion hinausgehen, was im Rahmen der eigenständigen Überwachung des Risikomanagements durch den Risikoausschuss nach § 25d Abs. 8 KWG angenommen wird.662 Die Kompetenzen der Ausschüsse nach EMIR und CSDR sind demgegenüber auf eine beratende Funktion be­ schränkt. Die Problematik einer Erosion der Stellung des Gesamtaufsichtsrats durch die Delegation auf Ausschüsse stellt sich deshalb im Anwen­ dungsbereich der hier untersuchten Verordnungen weniger scharf als im Rahmen von § 25d KWG. dd) Organisationsrechtliche Umsetzung der Ausschüsse Die aufsichtsrechtliche Anforderung, bestimmte Ausschüsse zu bilden, ist grundsätzlich konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar. Allerdings kann die organisationsrechtliche Umsetzung der einzelnen Ausschüsse die beaufsichtigten Gesellschaften vor Probleme stellen. Denn das Aufsichtsrecht beschränkt sich nicht darauf, die Einreichung bestimmter Ausschüsse zu ver­ langen, sondern regelt auch deren Besetzung und Kompetenzen. Insbeson­ dere die in Art. 28 EMIR und Art. 28 CSDR verlangte Beteiligung externer Stakeholder führt zu erheblichen Spannungen mit der aktienrechtlichen Or­ ganisationsverfassung.663 Im Folgenden werden die Vorgaben der Verordnun­ gen zu den einzelnen Ausschussarten sowie deren gesellschaftsrechtliche Umsetzung näher beleuchtet. c) Prüfungsausschuss aa) Hintergrund Der Prüfungsausschuss wird auch in nicht beaufsichtigten Aktiengesell­ schaften – maßgeblich beeinflusst durch die Abschlussprüferrichtlinie der EU – zunehmend zum zentralen Ort der Rechnungslegungs- und Prüfungs­ kontrolle.664 In der Praxis orientiert sich die Arbeit des Prüfungsausschusses an dem aus den USA stammenden audit committee, was den Einfluss des monistischen Systems auf die Regelsetzung verstärkt.665 In Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfassung dient ein mit unabhängigen Mitglie­ dern besetztes audit committee dazu, die dem Board-System eigenen Schwä­ BB 2014, Die Erste Seite, Nr. 47. unten 2. Teil: C. V. 3. d) und f). Eine vergleichbare Problematik stellt sich auch bei der BMR-Aufsichtsfunktion; dazu bereits oben 2. Teil: C. III. 664  Merkt, ZHR 179 (2015), 601, 611. 665  Merkt, ZHR 179 (2015), 601, 611, 633. 662  Casper, 663  Siehe



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan245

chen bei der Überwachung der Geschäftsleitung zu verringern.666 Im dualis­ tischen System besteht das Bedürfnis nach einem Prüfungsausschuss nicht in gleichem Maße, weil die beabsichtigte Trennung von Geschäftsführungs- und Überwachungsaufgaben bereits durch die Trennung von Vorstand und Auf­ sichtsrat verwirklicht ist.667 Deshalb wird kritisiert, dass sich der Prüfungs­ ausschuss zunehmend zu einem eigenen Prüfungsorgan neben dem Auf­ sichtsrat entwickle,668 womit eine Schwächung des Gesamtaufsichtsrats ein­ her gehe.669 Auf der anderen Seite wird mit der Einrichtung eines Prüfungs­ ausschusses auch für Unternehmen mit dualistischer Unternehmensverfassung eine wesentliche Verbesserung der Corporate Governance verbunden.670 Ak­ tienrechtlich ist die Einrichtung eines Prüfungsausschusses gemäß § 107 Abs. 4 Satz  1 AktG nur für Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz  2 HGB verpflichtend. bb) Prüfungsausschuss bei Zentralverwahrern (Art. 48 CSDR-DelVO) Das EU-Aufsichtsrecht verstärkt den geschilderten Trend, indem es für Zentralverwahrer die Bildung eines Prüfungsausschusses verpflichtend vor­ schreibt. Gemäß Art. 48 Abs. 1 lit. b CSDR-DelVO berät der Prüfungsaus­ schuss das Leitungsorgan hinsichtlich der Leistung der von ihm überwachten Auditfunktion. Dies soll die Unabhängigkeit der internen Auditfunktion ge­ währleisten.671 Art. 48 Abs. 2 CSDR-DelVO enthält zudem Vorgaben, die für alle nach Art. 48 Abs. 1 CSDR-DelVO zu bildenden Ausschüsse gelten. Der Zentralverwahrer muss dem Ausschuss ein eindeutiges und öffentlich zu­ gängliches Mandat erteilen und seine Verfahren festlegen. Überdies muss er sicherstellen, dass die Ausschüsse in den erforderlichen Fällen eine Beratung durch externe Berater in Anspruch nehmen können. Weitere Vorgaben zu den Kompetenzen des Ausschusses enthält das Auf­ sichtsrecht nicht. Da Art. 48 Abs. 1 CSDR-DelVO lediglich eine beratende Aufgabe des Prüfungsausschusses vorsieht, sind die aufsichtsrechtlichen Vorgaben mit dem Aktienrecht ohne Weiteres vereinbar. Es ist daher auch nicht zu befürchten, dass der Prüfungsausschuss den Aufsichtsrat als zentra­ les Überwachungsorgan verdrängt. Im Gegensatz zum Nutzerausschuss bei Zentralverwahrern sowie dem Risikoausschuss bei zentralen Gegenparteien 666  So

zum US-amerikanischen Recht Kersting, ZIP 2003, 2010, 2015. ZIP 2003, 2010, 2015. 668  Merkt, ZHR 179 (2015), 601, 636. 669  Merkt, ZHR 179 (2015), 601, 611. 670  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 509 m. w. N. 671  ErwGr. 35 Satz 3 CSDR-DelVO. 667  Kersting,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

(Art. 28 EMIR, Art. 28 CSDR) kann der Prüfungsausschuss als Ausschuss des Aufsichtsrats eingerichtet werden, da eine Beteiligung externer Dritter nicht vorgesehen ist. Unproblematisch ist auch die Vorgabe des Art. 48 Abs. 2 UAbs. 2 CSDRDelVO, dass der Prüfungsausschuss mehrheitlich aus Mitgliedern bestehen muss, die keine geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans sind. Ak­ tienrechtlich muss ein Aufsichtsratsausschuss sogar ausschließlich mit Mit­ gliedern des Aufsichtsrats besetzt werden. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in Vorstand und Aufsichtsrat ist nach § 105 Abs. 1 AktG ausgeschlossen. Dem Ausschuss vorstehen muss gemäß Art. 48 Abs. 2 UAbs. 1 CSDR-DelVO eine Person, die über geeignete Erfahrung im Kompetenzbereich dieses Aus­ schusses verfügt und unabhängig von den geschäftsführenden Mitgliedern des Leitungsorgans ist. Konflikte mit dem Gesellschaftsrecht ergeben sich insoweit nicht, auch wenn § 107 Abs. 4 AktG für Unternehmen von öffentli­ chem Interesse darauf verzichtet hat, die Unabhängigkeit des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses verbindlich vorzuschreiben. cc) Prüfungsausschuss bei zentralen Gegenparteien (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 EMIR-DelVO) Für den Prüfungsausschuss bei zentralen Gegenparteien gelten die Ausfüh­ rungen zu Zentralverwahrern entsprechend. Art. 7 Abs. 1 Satz  3 EMIRDelVO schreibt den Prüfungsausschuss zwingend vor, legt seine Aufgaben aber nicht näher fest, sodass die Gesellschaft bei seiner Ausgestaltung über großen Spielraum verfügt.672 Sinnvoll erscheint es, sich bei der Aufgabenzu­ weisung an den in Art. 48 Abs. 1 lit. b CSDR-DelVO bzw. § 25d Abs. 9 Satz  1 vorgesehenen Kompetenzen zu orientieren.673 Einen Konflikt mit zwingendem Aktienrecht begründet das aufsichtsrechtliche Erfordernis eines Prüfungsausschusses nicht. d) Risikoausschuss bei zentralen Gegenparteien (Art. 28 EMIR) Ein zentrales Anliegen des Aufsichtsrechts ist es, die Steuerung und Kon­ trolle von Risiken zu verbessern. Ein Instrument hierfür ist die Vorgabe an beaufsichtigte Unternehmen, einen Risikoausschuss einzurichten. Entspre­ chende Regelungen sieht das Aufsichtsrecht für zentrale Gegenparteien (Art. 28 EMIR), Zentralverwahrer (Art. 48 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO) und Kreditinstitute (§ 25d Abs. 8 KWG) vor. Aktienrechtlich ist ein Risikoaus­ 672  Redeke, 673  Redeke,

in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 28. in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 28.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan247

schuss nicht ausdrücklich vorgesehen, aufgrund der Organisationsautonomie des Aufsichtsrats aber grundsätzlich zulässig.674 Darüber hinaus hängt die aktienrechtliche Zulässigkeit des Risikoausschusses von den konkreten Vor­ gaben ab, die das Aufsichtsrecht zu dessen Ausgestaltung vorsieht. Art. 28 EMIR birgt jedoch aufgrund der zwingenden Stakeholder-Beteiligung Kon­ flikte mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung.675 aa) Vorgaben des Art. 28 EMIR Zentrale Gegenparteien müssen gemäß Art. 28 EMIR676 einen Risikoaus­ schuss einrichten, der nach Art. 7 Abs. 1 Satz 4 EMIR-DelVO als beratender Ausschuss des Leitungsorgans fungiert. Der Ausschuss setzt sich nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EMIR aus unabhängigen Mitgliedern des Leitungsorgans, Ver­ tretern der Clearingmitglieder der zentralen Gegenpartei und Vertretern ihrer Kunden zusammen. Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 5 EMIR darf keine der ver­ tretenen Gruppen über eine Mehrheit im Ausschuss verfügen. Zu seinen Sit­ zungen kann der Risikoausschuss Mitarbeiter der zentralen Gegenpartei so­ wie unabhängige externe Sachverständige einladen, denen gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EMIR allerdings kein Stimmrecht zusteht. Gleiches gilt für die Vertreter der Aufsichtsbehörden, die nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 EMIR bean­ tragen können, ohne Stimmrecht an den Sitzungen des Risikoausschusses teilzunehmen und über die Tätigkeiten und Beschlüsse des Risikoausschusses in gebührendem Umfang unterrichtet zu werden. Der Risikoausschuss berät nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 EMIR das Leitungs­ organ, womit hier der Aufsichtsrat gemeint ist,677 in allen Belangen, die sich auf das Risikomanagement der zentralen Gegenpartei auswirken können. Darunter fallen z. B. wesentliche Änderungen ihres Risikomodells, Verfahren beim Ausfall eines Clearingmitglieds, Kriterien für die Zulassung von Clea­ ringmitgliedern, das Clearing neuer Kategorien von Instrumenten oder die Aus­lagerung von Funktionen.678 Zudem unterrichtet der Risikoausschuss das Leitungsorgan gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 2 EMIR rechtzeitig über etwaige neue Risiken, welche die Belastbarkeit der zentralen Gegenpartei beeinträch­ tigen. Nicht erforderlich ist eine Beratung durch den Ausschuss gemäß 674  Siehe

oben 2. Teil: C. V. 3. b) aa). in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 191. 676  Die folgenden Ausführungen beruhen auf Art.  28 EMIR in der ab dem 12.8.2022 geltenden Fassung; siehe Art. 87a Nr. 4 und 5 der Verordnung (EU) 2021/23 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16.12.2020, ABl. EU L 22/1 vom 22.1.2021. 677  Siehe unten 2. Teil: C. V. 3. d) bb) (2) (c). 678  S. die Aufzählung in Art. 28 Abs. 3 Satz 1 EMIR. 675  Binder,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Art. 28 Abs. 3 Satz 3 EMIR, wenn es um das Tagesgeschäft der Gesellschaft geht. Besondere Bedeutung kommt dem Risikoausschuss hingegen in Kri­ sensituationen zu. Nach Art. 28 Abs. 3 Satz 4 EMIR sind angemessene Be­ mühungen zu unternehmen, um in Krisensituationen den Risikoausschuss in Bezug auf Entwicklungen, die sich auf das Risikomanagement der zentralen Gegenparteien auswirken, zu konsultieren. Dies schließt Entwicklungen der Risiko­positionen der Clearingmitglieder gegenüber der zentralen Gegenpartei ebenso ein wie Interdependenzen mit anderen zentralen Gegenparteien. Die EMIR-DelVO zählt zudem weitere Bereiche auf, bei denen die zen­ trale Gegenpartei, das heißt in der AG der Vorstand,679 den Risikoausschuss konsultieren muss. Hierunter fallen beispielsweise wesentliche Änderungen oder Anpassungen der Modelle, der Methoden und des Rahmens für die Steuerung des Liquiditätsrisikos.680 Der nach Art. 29 Abs. 1 EMIR-DelVO einzurichtende interne Strategierahmen muss vor einer anschließenden Ge­ nehmigung durch das Leitungsorgan im Risikoausschuss erörtert werden.681 Der Risikoausschuss ist also in zahlreiche Entscheidungen, welche die Risi­ kosteuerung der Gesellschaft betreffen, eingebunden. bb) Gesellschaftsrechtliche Umsetzung (1) Keine Umsetzung als Aufsichtsratsausschuss Naheliegend wäre es, den Risikoausschuss als Ausschuss des Aufsichtsrats einzurichten, wie es § 25d Abs. 8 KWG für Kreditinstitute vorsieht. Dies ist allerdings gesellschaftsrechtlich ausgeschlossen, weil dem Risikoausschuss gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EMIR neben unabhängigen Mitgliedern des Leitungsorgans auch Vertreter von Clearingmitgliedern sowie Kunden ange­ hören müssen.682 Der Aufsichtsrat muss Ausschüsse gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG „aus seiner Mitte“ bilden, was eine Beteiligung gesellschafts­ fremder Dritter ausschließt.683 Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Ausschussbildung bei der GmbH. Zwar könnte man hier daran zweifeln, ob § 52 GmbH die Beteiligung Dritter in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 24 m. Fn. 136. Abs. 1 Satz 2 EMIR-DelVO; Aufzählung weiterer Kompetenzen bei Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 24. 681  Art. 29 Abs. 3 EMIR-DelVO. 682  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 21. 683  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 21 m. Fn. 125; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 107 Rn. 24; Hüffer, NZG 2007, 47, 51 m. Fn. 53; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 107 Rn. 109; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 94. 679  Redeke, 680  Art. 47



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan249

in Aufsichtsratsausschüssen verbietet, weil die Norm nicht auf § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG verweist. Gleichwohl gilt auch für den Aufsichtsrat einer GmbH, dass dieser Ausschüsse nur aus seiner Mitte bilden kann.684 Bei der mitbe­ stimmten GmbH gleicht die Rechtslage ohnehin dem Aktienrecht, da die § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG im Gegensatz zu § 52 GmbHG ausdrücklich auf § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG verweisen. (2) Umsetzung als schuldrechtlicher Beirat (a) Voraussetzungen für die aktienrechtliche Zulässigkeit Der Risikoausschuss kann bei der AG aufgrund der zwingenden Stakehol­ der-Beteiligung allenfalls als schuldrechtlicher Beirat eingerichtet werden, bei dem die Beteiligung externer Dritter möglich ist.685 Die aufsichtsrechtlich vorgeschriebene Beteiligung von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Beirat ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls zulässig, wenn der Aufsichtsrat nach § 114 Abs. 1 AktG zustimmt.686 Zuständig für die Errichtung des Bei­ rats und die Bestellung der Beiratsmitglieder ist der Vorstand.687 Der Umsetzung als schuldrechtlicher Beirat steht nicht entgegen, dass es sich beim Risikoausschuss nach Art. 7 Abs. 1 Satz 4 EMIR-DelVO um einen beratenden Ausschuss des Leitungsorgans handelt. Die Norm veranschaulicht die Funktion des Risikoausschusses, trifft aber keine Aussage dazu, wie der Risikoausschuss in der gesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung ver­ ortet werden kann. Gleiches gilt für die Regelung des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 EMIR, wonach der Risikoausschuss dem Leitungsorgan unmittelbar unter­ stellt sein muss. Dies soll lediglich die herausgehobene Stellung des Risiko­ ausschusses verdeutlichen, nicht aber zwingend eine formale Ausgestaltung als Aufsichtsratsausschuss vorschreiben. Das Aufsichtsrecht lässt den Unter­ nehmen insoweit den notwendigen Spielraum, die aufsichtsrechtlichen Vor­ gaben in ihre Organisationsverfassung einzupassen. Ob die Bildung des Risikoausschusses als schuldrechtlicher Beirat mit dem Aktienrecht vereinbar ist, hängt allerdings davon ab, welche Kompetenzen das Aufsichtsrecht dem Risikoausschuss zuweist. Unzulässig wäre es, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 384. in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 21. 686  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 21; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, Vor § 76 Rn. 18; Backhaus, in: Backhaus/Tielmann, Aufsichtsrat, 2. Aufl. 2023, § 95 Rn. 10. 687  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 21; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 26. 684  Giedinghagen, 685  Redeke,

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

dem Beirat Kompetenzen zulasten der anderen Gesellschaftsorgane zu über­ tragen. An den gesetzlichen Zuständigkeiten der Organe Vorstand, Aufsichts­ rat und Hauptversammlung ändert sich nichts, weil die Gesellschaft den Beirat aufgrund der aktienrechtlichen Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) lediglich auf schuldrechtlicher Grundlage einrichten kann.688 Die Aufgaben­ verteilung zwischen den Organen der AG ist zwingend und lässt eine Durch­ brechung der inneren Organisation und Funktionsverteilung nicht zu.689 (b) Beratung des Vorstands Die Unterstützung und Beratung des Vorstands durch einen Beirat sind aktienrechtlich grundsätzlich zulässig.690 Aus den verwendeten Begriffen (beraten; konsultieren; in Abstimmung mit; erörtern) wird deutlich, dass die Kompetenzen des Risikoausschusses auf eine solche beratende Funktion be­ schränkt sein sollen. Eine Befugnis, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, steht dem Risikoausschuss nicht zu. Zwar wird die eigenständige Position des Risikoausschusses dadurch gestärkt, dass er seine Empfehlun­ gen gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 4 EMIR unabhängig und ohne direkte Ein­ flussnahme durch die Geschäftsleitung erteilt. Diese Empfehlungen sind für die Organe der Gesellschaft aber unverbindlich und befreien Vorstand und Aufsichtsrat nicht von einer eigenverantwortlichen Entscheidung.691 Allerdings könnte die Regelung des Art. 28 Abs. 5 EMIR die freie Ent­ scheidungsbefugnis der Gesellschaftsorgane beschränken. Beschließt das Leitungsorgan, den Empfehlungen des Risikoausschusses nicht zu folgen, muss die zentrale Gegenpartei dies unverzüglich der zuständigen Behörde und dem Risikoausschuss melden und den Beschluss erläutern. Zudem kann der Risikoausschuss selbst (bzw. jedes seiner Mitglieder) die zuständige Be­ hörde über alle Belange unterrichten, in denen seiner Auffassung nach den Empfehlungen des Risikoausschusses nicht gefolgt wurde. Durch diesen Of­ fenlegungs- und Begründungszwang könnte den Empfehlungen des Risiko­ ausschusses eine „faktische Verbindlichkeit“ zukommen, weil das Leitungs­ organ vor Entscheidungen zurückschrecken könnte, die es gegenüber den 688  Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 25; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 53 ff.; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, Vor § 76 Rn. 18; Kort, in: GKAktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 18. 689  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 4. Aufl. 2006, § 95 Rn. 42. 690  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 18; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 26; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 95 Rn. 9. 691  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 26; Hartenfels, in: Assmann/ Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 28 EMIR Rn. 10.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan251

Aufsichtsbehörden begründen muss.692 Ein Eingriff in die Kompetenzen des Vorstands bzw. Aufsichtsrats ist darin aber nicht zu sehen. Obgleich der Ri­ sikoausschuss durch seine Beratungsfunktion einen erheblichen Einfluss auf die Verwaltung erlangen kann, rechtfertigt dies allein noch nicht die An­ nahme eines Fremdeinflusses.693 Letztlich bleibt es bei der freien, eigenver­ antwortlichen Entscheidungsmöglichkeit der Gesellschaftsorgane. Dies ent­ spricht dem normativen Leitbild des deutschen Aktiengesetzes, wonach Vor­ stand und Aufsichtsrat zu eigenverantwortlichen Entscheidungen unabhängig von äußeren Einflüssen fähig sind.694 Ein beratender Vorstandsbeirat ist allerdings unzulässig, wenn er den Auf­ sichtsrat in dessen Beratungsfunktion nicht nur ergänzt, sondern gänzlich verdrängt.695 Die Kompetenzen des Risikoausschusses sind aber nicht so weitreichend, dass von einer vollständigen Verdrängung des Aufsichtsrats gesprochen werden könnte. Die Zuständigkeit des Risikoausschusses ist auf solche Belange beschränkt, die das Risikomanagement der zentralen Gegen­ partei betreffen. Ferner sind Angelegenheiten des Tagesgeschäfts ausdrück­ lich vom Kompetenzbereich des Ausschusses ausgenommen. Hinsichtlich der Beratung des Vorstands greift der Risikoausschuss demnach weder in die Kompetenzen des Aufsichtsrats noch in die des Vorstands ein. (c) Beratung des Aufsichtsrats Weniger klar liegen die Dinge, soweit der Risikoausschuss das Leitungsor­ gan berät. Der Begriff des Leitungsorgans in Art. 28 Abs. 3 Satz  1 EMIR bezeichnet das Leitungsorgan in seiner Überwachungsfunktion, in der AG also den Aufsichtsrat.696 Dies folgt aus der Differenzierung zwischen dem Leitungsorgan, dem der Ausschuss unterstellt ist (Art. 28 Abs. 2 Satz  2 EMIR) und das er berät (Art. 28 Abs. 3 Satz  1 EMIR, Art. 7 Abs. 1 Satz  4 EMIR-DelVO), und der Geschäftsleitung, also dem Vorstand, von der der Ausschuss unabhängig sein soll (Art. 28 Abs. 1 Satz  4 EMIR). Daraus kann geschlossen werden, dass der Risikoausschuss das Leitungsorgan in seiner Überwachungsfunktion gegenüber der Geschäftsleitung berät, in der AG also eine Beratungsfunktion gegenüber dem Aufsichtsrat ausübt. Dies könnte im in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 26. Spindler/Kepper, DStR 2005, 1738, 1739 zum Beirat bei der GmbH. 694  Vgl. in anderem Zusammenhang Fuchs, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 192 Rn. 103. 695  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6; vgl. auch Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 54; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 95 Rn. 1. 696  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 22. 692  Redeke, 693  Vgl.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Widerspruch zur aktienrechtlichen Organisationsverfassung stehen. Ein dau­ erhaftes Beratungsgremium auf der Ebene des Aufsichtsrats ist nach herr­ schender Meinung unzulässig, weil die Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben gemäß § 111 Abs. 6 AktG persönlich wahrnehmen müssen.697 Ausnahmen hiervon sehen § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG (zeitweise Zuziehung von Dritten) und § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG (Übertragung bestimmter Aufgaben auf Dritte) nur in engen Grenzen vor. Zwar könnte zu bedenken sein, ob Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO eine Be­ stimmung der Kompetenzen des Risikoausschusses dahingehend zulässt, dass dieser im Einklang mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung aus­ schließlich für die Beratung des Vorstands zuständig ist. Art. 3 Abs. 5 EMIRDelVO sieht vor, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten des Leitungsorgans in geeigneter Weise auf den Aufsichtsrat und den Vorstand aufgeteilt werden können. Dies erstreckt sich auch auf die Verteilung der Kompetenzen von Ausschüssen des Leitungsorgans.698 Allerdings betrifft Art. 3 Abs. 5 EMIRDelVO ausweislich seines Wortlauts nur die Verteilung der Kompetenzen des Leitungsorgans auf Vorstand und Aufsichtsrat. Hier geht es dagegen um die Kompetenzen des Risikoausschusses, der aufgrund der zwingenden Stake­ holder-Besetzung gerade nicht als Aufsichtsratsausschuss eingerichtet werden kann, gegenüber dem Leitungsorgan. Im Ergebnis löst die Beratungsfunktion gegenüber dem Aufsichtsrat aber keinen Konflikt mit zwingendem Gesellschaftsrecht aus, weil sich das Ak­ tienrecht im Sinne von Art. 28 EMIR verordnungskonform auslegen lässt. Ungeachtet ihres engen Anwendungsbereichs zeigen die §§ 109 Abs. 1 Satz 2, 111 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass das Aktienrecht die Beratung des Auf­ sichtsrats durch Dritte nicht kategorisch ausschließt. Zudem kann schon im Ansatzpunkt bezweifelt werden, ob die Beratung durch einen Beirat der persönlichen Aufgabenwahrnehmung der Aufsichtsratsmitglieder entgegen­ steht. Die Kompetenzen und die freie Entscheidungsbefugnis des Aufsichts­ rats bleiben aufgrund der lediglich beratenden Funktion des Risikoausschus­ ses unberührt. Danach ist es jedenfalls nicht unvertretbar, einen Beirat, der den Aufsichtsrat berät, als zulässig zu erachten. Gibt es eine vertretbare Auslegung des Aktienrechts, die dem EU-Aufsichtsrecht entspricht, zwingt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts den Rechtsanwender dazu, die mit dem Unionsrecht vereinbare Auslegungsvariante zu wählen.

697  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 53; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, vor § 76 Rn. 18; Merten/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 95 Rn. 9; Hoffmann-Becking, in: Münch­ HdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 26. 698  Sie unten 2. Teil: C. V. 3. g) aa).



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan253

(d) Informationsrechte des Risikoausschusses Aktienrechtlich bedenklich könnten schließlich die Informationsrechte des Risikoausschusses sein. Die Gesellschaft muss bestimmte Daten, beispiels­ weise die Ergebnisse interner Stresstests, an den Risikoausschuss berich­ ten.699 Wegen des schuldrechtlichen Charakters des Beirats könnte es aktien­ rechtlich generell unzulässig sein, dem Beirat Rechte gegenüber der AG oder ihren Organen – einschließlich Auskunftsrechte – einzuräumen.700 Nach an­ derer Ansicht soll es allerdings zulässig sein, dem Beirat ein Auskunftsrecht gegenüber dem Vorstand zu gewähren, sofern dieses die Befugnisse des Aufsichtsrats weder rechtlich noch faktisch aushöhlt.701 Eine vermittelnde Ansicht sieht zwar eine Pflicht zur umfassenden Berichterstattung i. S. v. § 90 AktG als unzulässig an; ein generelles Verbot an den Vorstand, den Beirat zu informieren, folge daraus aber nicht.702 Auch insoweit sind die aufsichtsrechtlichen Vorgaben jedenfalls mit dem verordnungskonform ausgelegten Gesellschaftsrecht vereinbar. Aufgrund des divergierenden Meinungsbilds in der aktienrechtlichen Literatur ist es zumin­ dest vertretbar, die Informationsrechte des Risikoausschusses als zulässig zu erachten. Die EMIR-DelVO statuiert lediglich punktuelle, auf ganz bestimmte Testergebnisse beschränkte Informationsrechte, deren Umfang nicht mit dem der Berichterstattungspflicht des Vorstands an den Aufsichtsrat nach § 90 AktG vergleichbar ist. Eine Aushöhlung der Rechte des Aufsichtsrats droht nicht, zumal unabhängige Aufsichtsratsmitglieder im Risikoausschuss vertre­ ten sind. (3) Ergebnis Die Einrichtung des Risikoausschusses in einer AG ist nach den verord­ nungskonform ausgelegten Vorschriften des Aktienrechts zulässig. Der Risi­ koausschuss lässt sich aktienrechtlich umsetzen, indem die Gesellschaft einen schuldrechtlichen Beirat einrichtet, ihn vorschriftsgemäß besetzt und mit den erforderlichen Kompetenzen ausstattet. In der GmbH gilt dies erst recht, weil es dort nach herrschender Meinung sogar zulässig ist, einen überwachenden 699  Art.  51 Abs. 6 EMIR-DelVO. Weitere Informationsrechte finden sich in Art. 49 Abs. 4 EMIR-DelVO (Ergebnisse von Backtests), Art. 50 Abs. 6 EMIRDelVO (Ergebnisse von Sensitivitätstests) und Art. 57 Abs. 4 EMIR-DelVO (Ergeb­ nisse reverser Stresstests). 700  So Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, Vor § 76 Rn. 18; Kruchen, in: Backhaus/ Tielmann, Aufsichtsrat, 2. Aufl. 2023, § 111 Rn. 642. 701  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 18. 702  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 4. Aufl. 2006, § 95 Rn. 49; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 27.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

oder geschäftsleitenden Beirat unter Einbeziehung gesellschaftsfremder Drit­ ter einzurichten.703 Auch in einer Personengesellschaft ist es ohne Weiteres möglich, einen mit Dritten besetzten Beirat zu bilden, der eine Beratungs­ funktion wahrnimmt.704 Gleichwohl bleibt zu konstatieren, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben die innere Ordnung der betroffenen Gesellschaften maßgeblich verändern. Zwar trifft es zu, dass der Risikoausschuss nach Art. 28 EMIR gesellschafts­ rechtlich weniger problematisch ist als die ähnlich strukturierte Aufsichts­ funktion bei Administratoren (Art. 5 BMR),705 weil sich seine Funktion auf eine beratende Tätigkeit beschränkt.706 Die Beteiligung gesellschaftsfremder Dritter ist aber hier wie dort bedenklich, weil diese einen erheblichen Ein­ fluss auf die gesellschaftsinternen Entscheidungsprozesse erlangen können. Auch das Teilnahmerecht der Aufsichtsbehörden nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 EMIR ist nicht völlig unproblematisch. Es eröffnet den Behörden Möglichkeiten, auf die Entscheidungen des Ausschusses Einfluss zu neh­ men.707 Durch die bereits angesprochene Regelung in Art. 28 Abs. 5 EMIR, wonach die zentrale Gegenpartei die zuständige Behörde unverzüglich über Beschlüsse des Leitungsorgans, die von Empfehlungen des Risikoausschus­ ses abweichen, informieren und solche Beschlüsse begründen muss, wird dies noch verstärkt. Die Einflussmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden auf den Risikoausschuss sind bedenklich, weil die Behörden nicht dem Unter­ nehmensinteresse, sondern nur aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen ver­pflichtet sind. Dies kann dazu beitragen, dass die Entscheidungsträger der Gesellschaft verstärkt Interessen berücksichtigen, die außerhalb des Verbandszwecks bzw. Unternehmensinteresses liegen. Dies passt sich in die Gesamtentwicklung ein, dass für die Unternehmensführung beaufsichtigter Gesellschaften öffent­ liche Interessen und die Interessen gesellschaftsfremder Dritter eine wesent­ lichere Rolle spielen, während die Interessen der Gesellschafter zunehmend in den Hintergrund treten.

703  Spindler, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 793; Giedinghagen, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 405; Heermann, in: Habersack/Casper/ Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 52 Rn. 334; U. H. Schneider/Seyfarth, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 52 Rn. 100; a. A. Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S.  105, 111 ff. 704  Mutter, in: MünchHdbKG, 5. Aufl. 2019, § 8 Rn. 4, 18. 705  Dazu oben 2. Teil: C. III. 706  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 191. 707  Vgl. Binder, ZGR 2018, 88, 119.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan255

e) Risikoausschuss bei Zentralverwahrern (Art. 48 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO) Zentralverwahrer müssen nach Art. 48 Abs. 1 lit. a CSDR-DelVO einen Risikoausschuss einrichten, der das Leitungsorgan zur aktuellen und zukünf­ tigen Risikotoleranz und -strategie des Zentralverwahrers berät. Im Gegen­ satz zur Regelung für zentrale Gegenparteien ist im Risikoausschuss bei Zentralverwahrern eine Beteiligung externer Dritter nicht erforderlich, sodass eine Ausgestaltung als Ausschuss des Aufsichtsrats möglich ist. Die gesell­ schaftsrechtliche Umsetzung ist hier folglich unproblematisch, weshalb sich erst recht kein Konflikt mit zwingendem Gesellschaftsrecht ergibt. Für die Besetzung des Risikoausschusses gelten – ebenso wie für den Prüfungs- und Vergütungsausschuss – die Vorgaben des Art. 48 Abs. 2 CSDR-DelVO, die ein Aufsichtsratsausschuss allerdings unproblematisch erfüllen kann.708 f) Nutzerausschuss aa) Regelungen des Art. 28 CSDR Zentralverwahrer müssen gemäß Art. 28 Abs. 1 CSDR für jedes von ihnen betriebene Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem einen Nutzerausschuss einrichten. Dies stellt eine Besonderheit der CSDR dar, die sich in den ande­ ren Verordnungen nicht findet. Den Nutzerausschüssen gehören gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 CSDR Vertreter der Emittenten und der Teilnehmer der Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssysteme an. Ihre Aufgabe ist es gemäß Art. 28 Abs. 3 CSDR, das Leitungsorgan in wesentlichen Belangen, die ihre Mitglieder betreffen, zu beraten. Unter diese wesentlichen Belange fallen nach Art. 28 Abs. 3 CSDR die Kriterien für die Aufnahme von Emittenten und Teilnehmern in das jeweilige Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssystem und der Leistungsumfang dieser Systeme. Seine Tätigkeit übt der Nutzeraus­ schuss gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 CSDR unabhängig und ohne direkte Einflussnahme durch die Geschäftsleitung des Zentralverwahrers aus. Der Nutzerausschuss hat – wie der Risikoausschuss nach Art. 28 EMIR – eine beratende Funktion. Er kann dem Leitungsorgan eine unverbindliche Stellungnahme mit einer ausführlichen Begründung für die Preisgestaltung des Zentralverwahrers vorlegen. Mit dem Leitungsorgan ist in diesem Zu­ sammenhang – wie bei Art. 28 EMIR – der Aufsichtsrat gemeint. Vergleich­ bar mit Art. 28 Abs. 5 EMIR wird den Empfehlungen des Ausschusses da­ durch höheres Gewicht verliehen, dass der Zentralverwahrer nach Art. 28 Abs. 6 Satz 1 CSDR die zuständige Behörde und den Nutzerausschuss un­ 708  Siehe

oben 2. Teil: C. V. 3. c) bb).

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

verzüglich über jeden Beschluss seines Leitungsorgans informieren muss, der von den Empfehlungen des Ausschusses abweicht. Der Nutzerausschuss kann der Behörde zudem gemäß Art. 28 Abs. 6 Satz 2 CSDR jeden Bereich melden, in dem das Leitungsorgan seiner Ansicht nach seinen Empfehlungen nicht gefolgt ist. Eine Besonderheit des Nutzerausschusses liegt darin, dass ihm der Zentral­ verwahrer nach Art. 26 Abs. 6 Satz 2, 52 CSDR-DelVO die Ergebnisse inter­ ner Prüfungen vorlegen muss. Dies kann problematisch sein, weil der Zen­ tralverwahrer unter Umständen Wettbewerbern interne Daten preisgeben muss. Allerdings ist insoweit Art. 52 Abs. 2 CSDR-DelVO zu beachten, wo­ nach der Zentralverwahrer den Mitgliedern des Nutzerausschusses keine ­Informationen zur Verfügung stellt, durch die sie einen Wettbewerbsvorteil erlangen. bb) Gesellschaftsrechtliche Umsetzung Hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit des Nutzerausschus­ ses kann auf die Ausführungen zu Art. 28 EMIR verwiesen werden, weil der Nutzerausschuss ähnlich ausgestaltet ist wie der Risikoausschuss bei zentra­ len Gegenparteien. Nach der hier vertretenen Ansicht liegt kein Konflikt mit zwingendem Gesellschaftsrecht vor, weil der Nutzerausschuss als schuld­ rechtlicher Beirat eingerichtet werden kann. Auch eine Beratung des Auf­ sichtsrats durch den Nutzerausschuss ist aufgrund einer verordnungskon­ formen Auslegung des § 111 Abs. 6 AktG zulässig. Bei den Regelungen zum Nutzerausschuss zeigt sich aber ebenfalls die bereits beschriebene Entwick­ lung, dass die Interessen Dritter bzw. öffentliche Interessen in der internen Organisationsstruktur der Gesellschaft verstärkt Berücksichtigung finden. g) Vergütungsausschuss Das Aufsichtsrecht schreibt sowohl für zentrale Gegenparteien (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 EMIR-DelVO) als auch für Zentralverwahrer (Art. 48 Abs. 1 lit. c CSDR-DelVO) die Einrichtung eines Vergütungsausschusses vor. Diese aufsichtsrechtlichen Vorgaben erfordern einen Abgleich mit der aktienrecht­ lichen Kompetenzzuweisung für die Vergütungspolitik. aa) Zuständigkeit für die Vorstands- und Mitarbeitervergütung Der Vergütungsausschuss einer zentralen Gegenpartei erarbeitet eine Ver­ gütungspolitik und entwickelt diese weiter, beaufsichtigt deren Umsetzung durch die Geschäftsleitung und prüft regelmäßig die praktische Anwendung



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan257

(Art. 8 Abs. 1 Satz 1 EMIR-DelVO). Das Aufsichtsrecht differenziert dabei nicht zwischen Geschäftsleiter- und Mitarbeitervergütung. Gleiches gilt für Art. 48 Abs. 1 lit. c CSDR-DelVO, wonach der Vergütungsausschuss das Leitungsorgan zur von ihm überwachten Vergütungspolitik des Zentralver­ wahrers berät. Diese aufsichtsrechtlichen Vorgaben könnten dahingehend verstanden werden, dass ein Ausschuss des Aufsichtsrats sowohl für die Vergütung der Geschäftsleiter als auch für die Mitarbeitervergütung zustän­ dig ist. Dies wäre in der AG unzulässig, weil die Zuständigkeit für die Ver­ gütung nach dem Aktiengesetz gespalten ist. Die Festlegung der Vorstands­ vergütung ist Sache des Aufsichtsrats (vgl. §§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 5, 112 AktG i. V. m. § 87 AktG), während die Festlegung der Mitarbeitervergütung dem Vorstand obliegt. Auflösen lässt sich dieses Spannungsverhältnis, indem die Gesellschaft dem Vergütungsausschuss als Aufsichtsrechtsausschuss709 nur die Zustän­ digkeit für die Vorstandsvergütung überträgt, während die Kompetenzen hinsichtlich der Mitarbeitervergütung entweder einem Vergütungsbeauftrag­ ten oder einem Vorstandsbeirat obliegen.710 Es leuchtet nicht ein, dass die Verordnungen an der aktienrechtlichen Zuständigkeitsverteilung für die Ver­ gütungspolitik etwas ändern wollten. Im Gegenteil sieht Art. 3 Abs. 5 EMIRDelVO gerade vor, dass die festgelegten Aufgaben und Zuständigkeiten des Leitungsorgans in geeigneter Weise – also gemäß dem nationalen Recht – auf den Aufsichtsrat und den Vorstand aufgeteilt werden können. Dies muss nicht nur für das Leitungsorgan selbst, sondern auch für dessen Ausschüsse gelten. Für die Zielsetzungen der Verordnungen ist es nicht erforderlich, dass die Gesellschaft einen einheitlichen Vergütungsausschuss bildet, der sowohl für die Mitarbeiter- als auch für die Vorstandsvergütung zuständig ist. bb) Zulässigkeit der Delegation auf den Vergütungsausschuss Nach dem Aktienrecht ist das Aufsichtsratsplenum dafür zuständig, die Vorstandsvergütung festzusetzen. Diese Aufgabe auf einen Ausschuss zu de­ legieren, ist nach den §§ 107 Abs. 3 Satz 7, 87 AktG unzulässig. Eine ledig­ lich vorbereitende Tätigkeit des Ausschusses, einschließlich des Erstellens beschlussreifer Vorlagen, ist indes zulässig.711 Art. 8 Abs. 1 Satz 1 EMIR709  Sofern die zentrale Gegenpartei unter das KWG fällt, muss sie gem. § 25d Abs. 12 KWG einen Vergütungskontrollausschuss einrichteten, der für die Vorstands­ vergütung zuständig ist; vgl. Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 30. 710  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 30. 711  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 30; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 436 f.; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 107 Rn. 58 f.; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 107 Rn. 159 f.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

DelVO legt fest, dass der Vergütungsausschuss eine Vergütungspolitik erstellt und weiterentwickelt, deren Umsetzung durch die Geschäftsleitung beauf­ sichtigt und die praktische Anwendung regelmäßig prüft. Dadurch kann er maßgeblichen Einfluss auf die Festlegung der Vergütungspolitik nehmen. Nach Art. 7 Abs. 2 lit. c EMIR-DelVO liegt die Zuständigkeit für die Festle­ gung der Vergütungspolitik aber beim Leitungsorgan, also beim Gesamtauf­ sichtsrat. Daraus wird ersichtlich, dass die Letztentscheidungskompetenz in Einklang mit dem Aktienrecht beim Gesamtaufsichtsrat verbleibt und dem Vergütungsausschuss lediglich eine vorbereitende Tätigkeit zukommt. Ferner muss die Vergütungspolitik nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 EMIR-DelVO dokumentiert und mindestens jährlich überprüft werden. Der Delegation die­ ses Teils der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats auf den Vergütungsaus­ schuss stehen keine aktienrechtlichen Delegationsverbote entgegen.712 Aufgabe des Vergütungsausschusses bei Zentralverwahrern ist es gemäß Art. 48 Abs. 1 lit. c CSDR-DelVO, das Leitungsorgan zur von diesem über­ wachten Vergütungspolitik des Zentralverwahrers zu beraten. Diese beratende Funktion kann ohne Weiteres auf einen Aufsichtsratsausschuss delegiert werden. Ein Konflikt mit dem Aktienrecht ist insoweit ausgeschlossen. cc) Ergebnis Die Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts zum Vergütungsausschuss bei zen­ tralen Gegenparteien und Zentralverwahrern sind mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung vereinbar. h) Ergebnis Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Ausschussbildung sind grundsätz­ lich konzeptionell mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar. Der mit den auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben verbundene Eingriff in die gesellschaftsrechtliche Organisationsautonomie ist aufgrund der besonderen Anforderungen des ­Finanzsektors gerechtfertigt. Das Prinzip der Gesamtverantwortung des Auf­ sichtsrats bleibt gewahrt. Eine Verdrängung des Gesamtaufsichtsrats durch Ausschüsse ist jedenfalls im Anwendungsbereich der hier untersuchten Ver­ ordnungen nicht zu befürchten, weil diese im Wesentlichen eine beratende Tätigkeit der Ausschüsse vorsehen oder den Unternehmen ein weites Gestal­ tungsermessen bezüglich der Ausschusskompetenzen lassen. Anders können die Dinge liegen, wenn das Aufsichtsrecht über das bloße Erfordernis der Ausschussbildung hinaus Gestaltungsvorgaben zur Besetzung 712  Bronnert-Härle,

Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 201.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan259

und den Kompetenzen der Ausschüsse trifft. Diese Vorgaben erschweren es den beaufsichtigten Gesellschaften, die aufsichtsrechtlich geforderten Aus­ schüsse gesellschaftsrechtlich umzusetzen. Als problematisch haben sich in­ soweit die Regelungen der Art. 28 EMIR und Art. 28 CSDR erwiesen. Der Risikoausschuss bei zentralen Gegenparteien und der Nutzerausschuss bei Zentralverwahrern können aufgrund der zwingenden Stakeholder-Beteiligung nicht als Aufsichtsratsausschuss eingerichtet werden, sondern lediglich als schuldrechtlicher Beirat neben den gesetzlich vorgeschriebenen Organen. Die Beratungsfunktion der Ausschüsse gegenüber dem Aufsichtsrat steht in ei­ nem Spannungsverhältnis zur persönlichen Aufgabenwahrnehmung der Auf­ sichtsratsmitglieder (§ 111 Abs. 6 AktG), ist letztlich aber auf Grundlage des verordnungskonform ausgelegten Aktienrechts zulässig.

VI. Leitungskompetenzen des Aufsichtsorgans 1. Problemstellung Im Bankaufsichtsrecht ist zu beobachten, dass der Aufsichtsrat zunehmend mit Leitungsaufgaben betraut wird, die im monistischen System das Board als einheitliches Leitungsorgan wahrnimmt, nach deutschem Grundverständ­ nis aber ausschließlich dem Vorstand obliegen.713 Der Aufsichtsrat könne sich nicht auf eine ex-post Kontrolle des Vorstandshandelns beschränken, sondern müsse den Vorstand laufend hinsichtlich des Risikomanagements des Unternehmens beraten.714 Über die Mitverantwortung für das Risikoma­ nagement sei der Aufsichtsrat erheblich stärker in die strategische Ausrich­ tung des Unternehmens eingebunden, was zu einer Angleichung an das mo­ nistische Verständnis eines Leitungsorgans führe.715 Dies wird beispielsweise aus § 25d Abs. 6 Satz 2 KWG abgeleitet, wonach der Aufsichtsrat „der Erör­ terung von Strategien, Risiken und Vergütungssystemen für Geschäftsleiter und Mitarbeiter ausreichend Zeit widmen“ muss.716 2. Keine zwingende Übertragung von Leitungskompetenzen nach EMIR/CSDR Bei zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrern könnten die Art. 7 Abs. 2 und 3 EMIR-DelVO sowie Art. 49 Abs. 2 und 3 CSDR-DelVO so zu 713  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 25. 714  Velte/Buchholz, ZBB 2013, 400, 404. 715  Velte/Buchholz, ZBB 2013, 400, 408. 716  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1505.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

verstehen sein, dass sie den Aufsichtsrat mit Leitungsaufgaben betrauen. Diese Regelungen enthalten jeweils einen Mindestkatalog an Aufgaben, die dem Leitungsorgan (Absatz 2) oder der Geschäftsleitung (Absatz 3) zuge­ wiesen werden. Nach Art. 7 Abs. 2 lit. a EMIR-DelVO und Art. 49 Abs. 2 UAbs. 1 lit. b CSDR-DelVO ist das Leitungsorgan dafür zuständig, klare Ziele und Strategien festzulegen. Im dualistischen System ist es nach § 76 Abs. 1 AktG Sache des Vorstands, das Unternehmen zu leiten und dessen strategische Ausrichtung zu bestimmen. Ferner überträgt Art. 49 Abs. 2 UAbs. 2 CSDR-DelVO dem Leitungsorgan Verantwortung für das Risiko­ management, für das in der dualistischen AG ebenfalls der Vorstand zustän­ dig ist. Die Verwendung der Begriffe Leitungsorgan in Absatz 2 und Ge­ schäftsleitung in Absatz 3 könnte nahelegen, dass nur Absatz 3 die Kompe­ tenzen des Vorstands festlegen soll, während Absatz 2 in Abgrenzung dazu die Kompetenzen des Aufsichtsrats enthält. Eine solche Auslegung übersähe aber, dass den Verordnungen das Leitbild der monistischen Unternehmensverfassung zugrunde liegt, bei der das Board für die strategische Ausrichtung des Unternehmens verantwortlich ist. Für das dualistische System kann die Zuständigkeitsverteilung in Art. 7 EMIRDelVO und Art. 49 CSDR-DelVO daher nur begrenzte Aussagekraft entfal­ ten. Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO lässt es demgegenüber ausdrücklich zu, die Kompetenzen des Leitungsorgans gemäß den Grundsätzen des nationalen Gesellschaftsrechts auf Vorstand und Aufsichtsrat zu verteilen. Soweit für die in Art. 7 Abs. 2 EMIR-DelVO genannten Kompetenzen aktienrechtlich der Vorstand zuständig ist, was bei Art. 7 Abs. 2 lit. a EMIR-DelVO der Fall ist, ändert das Aufsichtsrecht hieran nichts.717 Gleiches gilt für Art. 49 Abs. 2, 3 CSDR-DelVO, weil in Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 UAbs. 2 CSDR ebenfalls der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck kommt, die Kompetenzverteilung nach nationalem Recht unberührt zu lassen. 3. Ergebnis Die Art. 7 Abs. 2, 3 EMIR-DelVO, Art. 49 Abs. 2, 3 CSDR-DelVO führen nicht zu einem Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht. Bei der Umsetzung der CRD IV hat der nationale Gesetzgeber mittels der §§ 25c, 25d KWG die Zu­ ständigkeiten des Leitungsorgans – mit den oben beschriebenen Konsequen­ zen – auf Vorstand und Aufsichtsrat verteilt.718 Demgegenüber bleibt diese Aufteilung im Anwendungsbereich des EU-Verordnungsrechts dem Rechtsan­ 717  Vgl. auch Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 7 f. Zur Zuständigkeit für die Mitarbeitervergütung bereits oben 2. Teil: B. VI. 1. 718  Dies setzt freilich voraus, dass die CRD VI einen entsprechenden Spielraum zur Aufteilung der Zuständigkeiten des Leitungsorgans lässt. Dies kommt nur in Be­



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan261

wender überlassen. Dabei lässt das EU-Aufsichtsrecht eine Kompetenzvertei­ lung entsprechend dem nationalen Gesellschaftsrecht ausdrücklich zu. Ohnehin folgt aus der stärkeren Einbindung des Aufsichtsrats in die Lei­ tung der Gesellschaft kein Konflikt zwischen Aufsichts- und Gesellschafts­ recht, weil das Erfordernis einer proaktiven Kontrolle der Geschäftsleitung kein Spezifikum des Aufsichtsrechts darstellt.719 Nach dem Aktienrecht er­ schöpft sich die Funktion des Aufsichtsrats nicht in einer vergangenheitsbe­ zogenen Überwachung, sondern umfasst auch die Beratung des Vorstands hinsichtlich der künftigen Geschäftspolitik und Strategie.720 Insofern kann der Aufsichtsrat die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands „im Sinne ei­ ner präventiven Kontrolle begleitend mitgestalte[n]“.721 Die Tendenz einer stärkeren mitunternehmerischen Stellung des Aufsichtsrats ist im Aktienrecht ebenfalls zu beobachten und wird durch das Aufsichtsrecht allenfalls ver­ stärkt.

VII. Geschäftsleiterunabhängige Information des Aufsichtsorgans 1. Direkte Berichtslinien zwischen dem Aufsichtsorgan und nachgeordneten Mitarbeitern Ein zentrales Problem der Corporate Governance im dualistischen System der AG ist die Informationsasymmetrie zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat ist zur Erfüllung seiner Überwachungsaufgabe darauf ange­ wiesen, dass ihn der Vorstand im Rahmen seiner Berichtspflichten (insbeson­ dere nach § 90 AktG) ausreichend über alle relevanten Vorgänge innerhalb des Unternehmens informiert. Das EU-Aufsichtsrecht will die Informationsversorgung des Überwa­ chungsorgans dadurch verbessen, dass es diesem den Informationszugriff auf nachgeordnete Mitarbeiter unabhängig von der Geschäftsleitung ermöglicht. So statuiert die CRAR für die interne Überprüfungsstelle722 und die Compli­ ance-Funktion723 direkte Berichtslinien an die unabhängigen Mitglieder des tracht, wenn die Richtlinie nicht explizit das „Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunk­ tion“ anspricht. 719  Binder, ZGR 2018, 88, 122. 720  S. etwa Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, Vorbem. §§ 95 ff. Rn. 2; Hopt, ZGR 2019, 507, 523. 721  BGHZ 135, 244, 255 = WM 1997, 970 (ARAG/Garmenbeck). 722  Anh. I Abschnitt A Nr. 9 Abs. 2 CRAR. 723  Anh. I Abschnitt A Nr. 9 Abs. 3 CRAR; insoweit besteht eine Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsorgan und der Geschäftsleitung.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

Aufsichtsorgans. Bei zentralen Gegenparteien und Zentralverwahrern müssen die Innenrevision724 bzw. die interne Auditfunktion725 direkt an das Lei­ tungsorgan berichten. Mit dem Leitungsorgan kann hier nur das Leitungsor­ gan in seiner Überwachungsfunktion – in der AG also der Aufsichtsrat – ge­ meint sein. Zwar könnte aus Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO zu schließen sein, dass sich die Berichtslinie bei zentralen Gegenparteien gemäß der nationalen Kompetenzordnung an den Vorstand richtet, der ebenfalls unter den Begriff des Leitungsorgans fällt. Dagegen spricht aber, dass die Innenrevision nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMIR-DelVO „von der Geschäftsführung hinreichend unabhängig“ sein muss und „direkt an das Leitungsorgan“ berichtet. Daraus wird deutlich, dass das EU-Aufsichtsrecht eine Berichtslinie ohne Einbin­ dung des Geschäftsführungsorgans (also des Vorstands) schaffen will. Darü­ ber hinaus betrifft Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO lediglich die Aufteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten des Leitungsorgans, während Art. 11 EMIRDelVO die Rechtsstellung der Innenrevision regelt. Gleiches gilt im Ergebnis für die interne Auditfunktion bei Zentralverwahrern, die ebenfalls direkt an den Aufsichtsrat berichten muss. Daneben muss bei zentralen Gegenparteien der „Compliance-Vorstand“, der kein Mitglied des Vorstands sein muss,726 sondern auch ein nachrangiger Mitarbeiter sein kann, direkt an das Leitungs­ organ (also den Aufsichtsrat) berichten. Im Bankaufsichtsrecht sieht § 25d Abs. 8 Satz 7, Abs. 9 Satz 3 KWG ein unmittelbares Auskunftsrecht der Vorsitzenden von Risiko- und Prüfungsausschuss gegenüber den Leitern von Interner Revision und Risikocontrolling vor. Die aufsichtsrechtlichen Berichtslinien schaffen einen direkten Informa­ tionsfluss zwischen dem Aufsichtsrat bzw. Teilen des Aufsichtsrats auf der einen und Stellen, die dem Vorstand nachgeordnet sind, auf der anderen Seite, ohne dass der Vorstand hierin involviert wäre. Dies ist im Hinblick auf die Leitungsfunktion des Vorstands nach § 76 AktG problematisch. Zwar sieht auch der durch das FISG eingeführte § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG für Unternehmen von öffentlichem Interesse erstmals ein direktes, anlassunab­ hängiges727 Auskunftsrecht des Prüfungsausschusses gegenüber nachgeord­ neten Mitarbeitern vor.728 Danach kann jedes Mitglied des Prüfungsaus­ schusses über den Ausschussvorsitzenden unmittelbar bei den Leitern der Zentralbereiche, für die der Prüfungsausschuss nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG zuständig ist, Auskünfte einholen. Dieses gesellschaftsrechtliche Infor­ 724  Art. 11

Abs. 2 Satz 2 EMIR-DelVO. Abs. 1 lit. f CSDR-DelVO. 726  Näher oben 2. Teil: B. IV. 2. b). 727  Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 107 Rn. 131; Hopt/Kumpan, AG 2021, 129, 136 (Rn. 20). 728  Allgemein zu § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG Bost, NZG 2021, 865 ff. 725  Art. 51



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan263

mationsrecht bleibt aber hinter den aufsichtsrechtlichen Berichtslinien zu­ rück, weil es sich auf den Prüfungsausschuss beschränkt. Zudem ist mit dem Informationsrecht des Prüfungsausschusses umgekehrt kein Recht der nach­ geordneten Mitarbeiter verbunden, anlassunabhängig an den Prüfungsaus­ schuss zu berichten.729 Insofern gehen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben deutlich über § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG hinaus, weil sie eine anlassunabhän­ gige, aktive Informationsweitergabe durch die nachgeordneten Mitarbeiter gegenüber dem Gesamtaufsichtsrat730 verlangen. 2. Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit a) Meinungsstand Direkte Berichtslinien zwischen dem Aufsichtsrat und nachgeordneten Mitarbeitern ohne Beteiligung des Vorstands sind nach der wohl herrschen­ den Meinung grundsätzlich nicht mit der in § 76 AktG verankerten Leitungs­ verantwortung vereinbar.731 Lediglich für den Fall, dass der Verdacht schwerer Pflichtverletzungen des Vorstands besteht, wird eine Ausnahme anerkannt.732 Eine solche Einschränkung sehen die aufsichtsrechtlichen Be­ richtslinien freilich nicht vor. Begründet wird die herrschende Meinung da­ mit, dass der Vorstand ein „Informationserteilungsmonopol“733 besitze und über die alleinige Kompetenz verfüge, über den Informationsfluss in der Gesellschaft zu bestimmen. Eine direkte Berichtslinie zu nachgeordneten Mitarbeitern breche mit dem Grundsatz, dass der Vorstand die alleinige In­

729  Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 107 Rn. 132; Hopt/Kumpan, AG 2021, 129, 137 (Rn. 27). 730  Bei Ratingagenturen nur gegenüber den unabhängigen Mitgliedern des Auf­ sichtsorgans. 731  J. Koch, AktG, 17.  Aufl. 2023, § 90 Rn. 11, § 111 Rn. 36; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 111 Rn. 43; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 90 Rn. 44 ff.; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 90 Rn. 94 ff.; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 90 Rn. 52; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 109 Rn. 24, § 111 Rn. 26, 55; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 90 Rn. 39; Groß-Bölting/Rabe, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 111 Rn. 25; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, 4. Aufl. 2021, § 25d Rn. 60; Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 31; ders., ZGR 2011, 136, 152 ff.; Mülbert, BKR 2006, 349, 358; A. Kießling/E. Kießling, WM 2003, 513, 522 f.; Lieder, ZGR 2018, 523, 563 f.; Arnold, ZGR 2014, 76, 90 f.; Reichert/Ott, NZG 2014, 241, 249; Scheffler, ZGR 2003, 236, 254 f. 732  J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 111 Rn. 36 m. w. N. 733  S. etwa Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 90 Rn. 98; Velte, NZG 2011, 1401, 1403 („Informationsweitergabemonopol“).

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

formationsquelle des Aufsichtsrats bildet.734 Die für das dualistische System typische klare Trennung zwischen Geschäftsführung durch den Vorstand und Überwachung durch den Aufsichtsrat würde dadurch aufgehoben.735 Die Befragung nachgeordneter Mitarbeiter sei von der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats nicht gedeckt, weil sich diese auf die Überwachung der Ge­ schäftsführung des Vorstands beschränke.736 Zudem würden solche Kontakte „am Vorstand vorbei“ das Vertrauensverhältnis zwischen Vorstand und Auf­ sichtsrat beeinträchtigen und dadurch die Autorität des Vorstands schwä­ chen.737 Auch für den Aufsichtsrat bringe eine generelle Zulassung der Di­ rektkontakte gravierende Nachteile mit sich, da mit der Informationsmög­ lichkeit eine Informationspflicht und dadurch ein erhöhtes Haftungsrisiko einhergehen würden.738 Auf der Grundlage der neueren Gegenansicht739 geben die aufsichtsrecht­ lichen Berichtslinien dagegen lediglich die aktienrechtliche Rechtslage wie­ der.740 Direktkontakte zwischen Aufsichtsrat und nachgeordneten Mitarbei­ tern seien aktienrechtlich zulässig, soweit sie zur effektiven Überwachung des Vorstands erforderlich sind. Eines konkreten Verdachts auf Unregelmä­ ßigkeiten bedürfe es nicht.741 Dem Gebot effektiver Überwachung durch den Aufsichtsrat müsse stets Vorrang vor der Rücksichtnahme auf Belange des Vorstands gewährt werden.742 Insbesondere die von § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG geforderte Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirk­ ZGR 2010, 496, 517. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 90 Rn. 39. 736  Hoffmann-Becking, in: MünchHdbAG, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 31. 737  Arnold, ZGR 2014, 76, 91; Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 147 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 90 Rn. 39; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 111 Rn. 36; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 90 Rn. 39; Lutter Information, 3. Aufl. 2006, Rn. 309; ders., AG 2006, 517, 521; Marsch-Barner, in: FS Schwark, 2009, S. 219, 225 f. 738  Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 90 Rn. 39; Lutter, AG 2006, 517, 521; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 111 Rn. 36; a. A. Roth, ZGR 2012, 343, 374: kein Gleichlauf von Informationsrechten und -pflichten. 739  Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 542 f.; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 80; ders., AG 2014, 1, 6 f.; Roth, ZGR 2012, 343, 373 f.; ders., AG 2004, 1, 8 f.; Reichert/Brandes, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, Art. 44 SE-VO Rn. 74; T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 109 Rn. 11 f., § 111 Rn. 43; Altmeppen, ZGR 2004, 390, 408; Kropff, NZG 2003, 346, 348 ff.; Grigoleit/ Tomasic, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 111 Rn. 52; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 485, 495 ff.; S. H. Schneider, Informationspflichten, 2006, S.  106 f. 740  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 80 (zu § 25d Abs. 8 Satz 7, Abs. 9 Satz 3 KWG). 741  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 80. 742  Altmeppen, ZGR 2004, 390, 408. 734  Dreher,

735  Spindler,



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan265

samkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems lasse sich ohne Zugriff auf die für diese Bereiche verantwortlichen Personen nicht sinnvoll bewerkstelligen.743 Da ­ das Ziel der Direktkontakte die Überwachung des Vorstands sei, liege kein Verstoß gegen das Geschäftsführungsverbot des § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG vor.744 Ohne den direkten Zugriff des Aufsichtsrats auf nachgeordnete Mitar­ beiter befinde sich das dualistische System zudem in einem ständigen Infor­ mationsnachteil gegenüber dem monistischen System.745 Die Auffassung der herrschenden Meinung führe überdies dazu, dass Art. 39 der Abschlussprü­ ferrichtlinie, auf dem § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG beruht, in Ländern mit dua­ listischer Unternehmensverfassung schwächer umgesetzt würde als in Län­ dern mit monistischer Unternehmensverfassung. Das Informationserteilungs­ monopol des Vorstands sei bereits durch die gesetzlichen Regelungen der § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG (Hinzuziehung von Sachverständigen zur Beratung des Aufsichtsrates) sowie § 111 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG (Einsichts- und Prüfungsrechte) in Frage gestellt.746 Als dogmatische Grundlage der Befug­ nis des Aufsichtsrats werden die aktienrechtlichen Befugnisse aus § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG747, die Personalkompetenz aus § 84 AktG748 oder der allgemeine Überwachungsauftrag aus § 111 Abs. 1 AktG genannt.749 Keine Besonderheiten ergeben sich für das GmbH-Recht. Auch dort wer­ den Direktkontakte zwischen Aufsichtsrat und nachgeordneten Mitarbeitern von der herrschenden Meinung nur in Ausnahmefällen für zulässig gehal­ ten.750 b) Stellungnahme: Verordnungskonforme Auslegung des deutschen Rechts Die herrschende Meinung in der aktienrechtlichen Literatur zugrunde le­ gend, verstoßen die aufsichtsrechtlichen Berichtslinien gegen zwingendes Gesellschaftsrecht. Durch Satzungsgestaltung ließe sich der Widerspruch mit dem Aktienrecht nicht lösen, weil die in § 76 AktG verankerte Leitungsver­ 743  T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 109 Rn. 11; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 109 Rn. 19. 744  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 80. 745  Hierzu und zum Folgenden T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 109 Rn. 11. 746  Kropff, NZG 2003, 346, 348. 747  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 80, § 109 Rn. 19. 748  Dazu Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 186 ff. 749  Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 542; Kropff, NZG 2003, 346, 350. 750  Spindler, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 366; Giedinghagen, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 52 Rn. 255.

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

antwortung des Vorstands nicht dispositiv ist. Tatsächlich sprechen gute Ar­ gumente gegen die generelle aktienrechtliche Zulässigkeit direkter Berichts­ linien zwischen dem Aufsichtsrat und nachgeordneten Mitarbeitern. Insbe­ sondere die Gefahr, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat durch eine eigenständige Informationsgewinnung des Aufsichts­ rats nachhaltig beschädigt wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Erhebli­ ches Gewicht hat zudem der Einwand, dass die Zulassung solcher Direktkon­ takte eine weitere Aufweichung der Unterschiede zwischen monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung bewirkt. Jedoch ist es mindestens vertretbar, von der generellen aktienrechtlichen Zulässigkeit direkter Berichtlinien zwischen Vorstand und nachgeordneten Mitarbeitern auszugehen. Der Wortlaut der aktienrechtlichen Vorschriften steht einer solchen Auslegung nicht entgegen.751 Für die Zulässigkeit direkter Berichtslinien streitet das aktienrechtliche Gebot einer effektiven Überwa­ chung des Vorstands. Bei Unternehmen des Finanzsektors kommt den inter­ nen Kontroll- und Risikomanagementsystemen ein besonderer Stellenwert zu. Das Argument, dass ein direkter Rückgriff auf die entsprechenden Mitar­ beiter zur effektiven Überwachung der Geschäftsleitung erforderlich ist, greift bei diesen daher in besonderem Maße. Für dieses Ergebnis spricht auch das in § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG neu eingeführte direkte Auskunftsrecht des Prüfungsausschusses bei Unterneh­ men von öffentlichem Interesse. Der Gesetzgeber hat durch diese Regelung ausdrücklich anerkannt, dass eine vorstandsunabhängige Information der Überwachung interner Kontrollsysteme dienlich sein kann. Zwar rechtfertigt die Neuregelung durch das FISG keine umfassende Neubewertung der akti­ enrechtlichen Zulässigkeit von Direktkontakten zwischen Vorstand und Auf­ sichtsrat, weil es sich bei § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG um eine nicht verallge­ meinerungsfähige Sondervorschrift handelt.752 Eine generelle Abkehr von dem Grundsatz, dass der Vorstand der richtige Adressat für ein Auskunftsver­ langen des Aufsichtsrats ist, hat der Gesetzgeber gerade nicht bezweckt.753 Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass das direkte Auskunftsrecht des Prü­ fungsausschusses das Informationserteilungsmonopol des Vorstands relati­ viert hat. Sind mehrere Auslegungsvarianten einer nationalen Rechtsnorm möglich, muss im Rahmen der verordnungskonformen Auslegung immer diejenige gewählt werden, die mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Das deutsche Ak­ tienrecht ist deshalb dahingehend verordnungskonform auszulegen, dass di­ 751  Renner,

752  J. Koch,

Bankkonzernrecht, 2019, S. 286. AktG, 17. Aufl. 2023, § 107 Rn. 36, § 107 Rn. 44; Vetter, AG 2021,

584, 585. 753  Begr. RegE FISG, BT-Drs. 19/26966, S. 116.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan267

rekte Berichtslinien zwischen dem Aufsichtsrat (bzw. Teilen des Aufsichts­ rats) und nachgeordneten Mitarbeitern bei beaufsichtigten Unternehmen ak­ tienrechtlich zulässig sind.754 3. Ergebnis Die direkten Berichtslinien zwischen Aufsichtsrat und nachgeordneten Mitarbeitern sind jedenfalls auf Grundlage des verordnungskonform ausge­ legten Aktienrechts zulässig. Das traditionell auf das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat gründende Informationsmodell der AG verändert sich dadurch grundlegend.755 Der Einfluss des EU-Aufsichtsrechts hat zur Folge, dass der Vorstand einer beaufsichtigten AG – jedenfalls auf Grundlage der herrschenden Meinung – nicht in gleicher Weise über das Informations­ system in der Gesellschaft verfügen kann wie der Vorstand einer nicht beauf­ sichtigten AG. Der Aufsichtsrat nimmt demgegenüber eine aktivere Stellung im Gefüge der Gesellschaft ein und ist unabhängiger vom Vorstand. Auch insoweit kristallisiert sich die Bildung eines „Sondergesellschaftsrechts im Finanzsektor“ heraus, in dessen Rahmen es zu einer Angleichung des deut­ schen Aktienrechts an die monistische Unternehmensverfassung kommt.756 Denn der Direktzugriff des audit committee als Ausschuss des Boards auf die Informationen nachgeordneter Mitarbeiter ist gerade ein Wesensmerkmal des monistischen Systems.757 Allerdings ist diese Entwicklung nicht allein regu­ lierten Unternehmen des Finanzsektors vorbehalten, weil § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG den Informationszugriff des Prüfungsausschusses auf nachgeordnete Mitarbeiter auch bei kapitalmarktorientierten Unternehmen erlaubt.

VIII. Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsorgans Das Aufsichtsrecht statuiert Vorgaben für die Vergütungspolitik beaufsich­ tigter Unternehmen. Dies umfasst zum einen Regeln zur Zuständigkeit für die Vergütungspolitik, die einen Abgleich mit der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung erfordern. Darüber hinaus enthält das EU-Aufsichts­ 754  So auch Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S.  286 zur Berichtspflicht aus Art. 76 Abs. 3, 4 CRD IV. 755  Dreher, ZGR 2010, 496, 517. 756  So bereits zur Änderung des § 107 AktG durch das BilMoG: Theisen, in: Frei­ dank/Altes, BilMoG, 2009, S. 341, 354; Velte, NZG 2011, 1401, 1402. 757  Groß-Bölting/Rabe, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 107 Rn. 104; Velte, NZG 2011, 1401, 1402; Marsch-Barner, in: FS Schwark, 2009, S. 219, 221; Obermayr, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, 3. Aufl. 2016, § 44 Rn. 167.

268

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

recht auch inhaltliche Anforderungen an die Vergütung der Mitglieder des Leitungsorgans. 1. Zuständigkeit Nach Art. 7 Abs. 2 lit. c EMIR-DelVO und Art. 49 Abs. 2 lit. d CSDRDelVO ist das Leitungsorgan allgemein für die Festlegung der Vergütungs­ politik zuständig. Dies spiegelt die Rechtslage im monistischen System wi­ der, in dem das Board die Vergütung seiner Mitglieder selbst festlegt.758 Zwischen der Vergütung der Geschäftsleiter und der Vergütung der Mitglie­ der des Aufsichtsorgans wird – vom Ausgangspunkt des monistischen Sys­ tems aus konsequent – nicht differenziert. Hieraus abzuleiten, in der dualisti­ schen AG wäre – abweichend von der Kompetenz der Hauptversammlung nach § 113 AktG – der Aufsichtsrat für die Vergütung seiner Mitglieder zu­ ständig, greift aber zu kurz. Zwar könnte man davon ausgehen, dass das vom monistischen System beeinflusste Aufsichtsrecht den damit einhergehenden Interessenkonflikt bewusst hinnimmt. Jedoch ist ein deutlicher Wille des Aufsichtsrechts erkennbar, Interessenkonflikte im Leitungsorgan – etwa durch eine Besetzung mit unabhängigen Mitgliedern – zu verhindern. Es liegt deshalb fern, dass das Aufsichtsrecht zwingend eine Kompetenz des Aufsichtsrats vorschreibt, seine eigene Vergütung festzulegen. Dafür spricht auch, dass es in Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfassung der „best practice“ entspricht, die Zuständigkeit für die Vergütung der geschäfts­ führenden Direktoren auf ein (zumindest teilweise) mit unabhängigen Mit­ gliedern besetztes remuneration committee zu übertragen.759 Zudem will das Aufsichtsrecht die Besonderheiten des dualistischen Systems berücksichti­ gen, obgleich Art. 3 Abs. 5 EMIR-DelVO dies ausdrücklich nur für die Kom­ petenzen des Leitungsorgans festschreibt. Aus diesen Gründen ist auch in einer beaufsichtigten Gesellschaft die Haupt- bzw. Gesellschafterversamm­ lung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG (ggfs. i. V. m. § 52 Abs. 1 GmbHG) für die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zuständig. 2. Inhaltliche Anforderungen Die Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 4 EMIR, Art. 27 Abs. 3 CSDR schreiben vor, dass die Vergütung der nicht geschäftsführenden Mitglieder des Lei­ tungsorgans einer zentralen Gegenpartei oder eines Zentralverwahrers nicht 758  Zum US-amerikanischen Recht Leyens, RabelsZ 2003, 57, 74; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 190. 759  Financial Reporting Council, The UK Corporate Governance Code 2018, July 2018, 5 Remuneration, Provisions 32, 33.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan269

vom geschäftlichen Erfolg der Gesellschaft abhängen darf. Eine vergleich­ bare Regelung findet sich für Ratingagenturen in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 CRAR, allerdings beschränkt auf die unabhängigen Mitglieder des Aufsichtsorgans. Deren Vergütung darf ebenfalls nicht vom geschäftli­ chen Erfolg der Ratingagentur abhängen und ist so festzulegen, dass die Unabhängigkeit ihres Urteils gewährleistet ist. Diese Vorgaben führen im Ergebnis zu einer reinen Fixvergütung der Aufsichtsratsmitglieder.760 Eine vergleichbare Regelung gibt es für Kreditinstitute, bei denen Aufsichtsrats­ mitglieder nach § 25d Abs. 5 Satz 4 KWG keine variablen Vergütungsbe­ standteile erhalten dürfen. Einen Konflikt mit aktienrechtlichen Grundsätzen wird man in diesen in­ haltlichen Anforderungen an die Aufsichtsratsvergütung nicht sehen können. Im Aktienrecht gibt es vergleichbare Tendenzen, die erfolgsabhängige Vergü­ tung des Aufsichtsrats zu beschränken. Zwar ist eine erfolgsabhängige Ver­ gütung dort nicht generell ausgeschlossen.761 Unzulässig ist aber eine Ver­ gütung mittels Aktienoptionen.762 Auch rechtstatsächlich ist bei börsenno­ tierten AGs ein klarer Trend in Richtung einer Festvergütung von Aufsichts­ ratsmitgliedern sichtbar.763 Insofern besteht kein grundlegender Konflikt zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht. Allerdings werden die Möglich­ keiten der Gesellschaft bei der Aufsichtsratsvergütung eingeschränkt. Es kommt insoweit zu einer konfliktfreien Überlagerung der aktienrechtlichen Vergütungsregelungen durch strengere Vorgaben des Aufsichtsrechts. Die Regelung der Vergütung der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder in Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 CRAR könnte zudem hinsichtlich des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder764 pro­ blematisch sein, der auch auf die Festlegung der Vergütung Anwendung fin­ det.765 Statthaft sind allerdings funktionsbezogene Differenzierungen, bei­ spielsweise eine höhere Vergütung für den Aufsichtsratsvorsitzenden oder die Mitglieder eines Ausschusses.766 Danach bestehen keine Bedenken gegen die in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 17. Zulässigkeit und deren Grenzen Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 17 ff. 762  BGHZ 158, 110, 125 ff. = WM 2004, 631 (Mobilcom); Habersack, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 20; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn.  57 f.; kritisch J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 113 Rn. 15. 763  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 8. 764  Allgemein dazu Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, Vorbem. §§ 95 ff. Rn. 14. 765  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 92; Habersack, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 42; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 113 Rn. 20. 766  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 93; Habersack, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 113 Rn. 43; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 113 Rn. 20. 760  Redeke, 761  Zur

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2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

strengeren Anforderungen an die Vergütung der unabhängigen Mitglieder, weil Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 CRAR an deren Funktion als unabhängiges Mitglied anknüpft. Die Gewährleistung der Unabhängigkeit ist ein sachliches Differenzierungsmerkmal für die Ausgestaltung der Vergütung. Sieht man dies anders, könnte die Gesellschaft dem Gleichbehandlungs­ grundsatz Genüge tun, indem sie allen Aufsichtsratsmitgliedern einheitlich eine Fixvergütung gewährt. Ein Konflikt zwischen Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht ergibt sich jedenfalls nicht.

IX. Fazit: Sonderstellung des Aufsichtsorgans im Finanzsektor Im Ergebnis zeigt sich, dass das Aufsichtsorgan von Unternehmen des Fi­ nanzsektors eine Sonderstellung einnimmt.767 Das EU-Aufsichtsrecht enthält Regelungen, die mit dem Gesellschaftsrecht nicht vereinbar sind. Diese ­Vorgaben verändern das Kompetenzgefüge innerhalb der betroffenen Gesell­ schaften und nehmen keine Rücksicht auf grundlegende Wertungen des natio­nalen Gesellschafts- bzw. Konzernrechts. Zuvörderst ist hier zu nennen, dass das Aufsichtsrecht das Erfordernis ei­ nes Aufsichtsorgans rechtsformunabhängig postuliert. Während dies für AGs und GmbHs kein Problem darstellt, wiegen die Auswirkungen auf das Perso­ nengesellschaftsrecht schwer. Die Notwendigkeit, ein Aufsichtsorgan einzu­ richten, und die konkreten Vorgaben zur Ausgestaltung des Aufsichtsorgans – insbesondere die Vorschriften zur Unabhängigkeit – greifen erheblich in das Prinzip der Selbstorganschaft ein. Auch mit dem Aktienrecht ergeben sich Konflikte. Die Vorgabe an Ratingagenturen, den Aufsichtsrat mit unabhängi­ gen Mitgliedern zu besetzen, ist mit dem Aktienkonzernrecht nur schwer zu vereinbaren. Zudem führt die verstärkte Einbeziehung gesellschaftsfremder Dritter in die Unternehmensorganisation zu Spannungen mit gesellschafts­ rechtlichen Grundwertungen. Während sich dies beim Risikoausschuss von zentralen Gegenparteien nach Art. 28 EMIR noch durch die Einrichtung ei­ nes Beirats lösen lässt, bedeutet die Anforderung an Referenzwert-Adminis­ tratoren, eine Aufsichtsfunktion unter Beteiligung externer Interessenträger zu bilden, einen erheblichen Eingriff in die aktienrechtliche Kompetenzord­ nung. Entgegen dem sonst im Aufsichtsrecht postulierten Ziel, die Rolle des Aufsichtsrats zu stärken, wird dessen Stellung erheblich geschwächt, weil die aufsichtsrechtlich geforderte Aufsichtsfunktion den Aufsichtsrat in seiner Überwachungsfunktion teilweise verdrängt. Die Vorschriften zur Organisation des Aufsichtsorgans sowie zur Eignung und Vergütung seiner Mitglieder sind dagegen im Wesentlichen konzeptio­ 767  Vgl.

Kaetzler/Hoops, BKR 2013, 192 ff.



C. Regelungen zum Aufsichtsorgan271

nell mit dem gesellschaftsrechtlichen Bezugsrahmen vereinbar.768 Insoweit handelt es sich um ein Überlagerungsverhältnis, das ohne grundsätzliche Konflikte zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht auskommt.769 Es kommt dabei nicht zu einer grundsätzlichen Verschiebung des gesellschafts­ rechtlichen Pflichtenprogramms der Aufsichtsratsmitglieder.770 Gleichwohl bewirken die aufsichtsrechtlichen Vorgaben, dass sich die Stellung des Auf­ sichtsrats im Vergleich zu nicht regulierten Unternehmen wesentlich verän­ dert. Zum einen unterliegt die interne Organisation des Aufsichtsrats engeren Grenzen als nach dem allgemeinen Gesellschaftsrecht. Das Aufsichtsrecht schränkt das Organisationsermessen des Aufsichtsrats erheblich ein, was zu einer Verrechtlichung der internen Unternehmensorganisation führt. Auch die allgemeine Entwicklung, dass das Aufsichtsrecht die Verlagerung von Kom­ petenzen vom Gesamtaufsichtsrat auf Ausschüsse fordert, ist im Bereich der hier untersuchten Verordnungen – wenn auch in geringerem Maße als nach § 25d KWG – zu beobachten. Zudem nimmt der Aufsichtsrat dadurch, dass er unabhängig von der Geschäftsleitung auf die Informationen nachgeordne­ ter Mitarbeiter zugreifen kann, eine stärkere und vom Vorstand unabhängi­ gere Rolle ein. Die dem dualistischen System eigene Informationsasymmetrie besteht dadurch nur in vermindertem Maße.771 Darüber hinaus wird die Stellung der Aufsichtsratsmitglieder durch strengere persönliche Anforderun­ gen an die Stellung der Vorstandsmitglieder angeglichen.772 Diese Entwick­ lung kann als Teil der bereits beschriebenen „Boardisierung“ des nationalen Gesellschaftsrechts gesehen werden.773 Insoweit ist aber einschränkend zu sagen, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Aufsichtsratsmit­ glieder weniger streng sind als die Anforderungen an die Geschäftsleiter. Die zunehmende Übertragung von Leitungsaufgaben auf den Aufsichtsrat, die im Bereich des Bankaufsichtsrechts beklagt wird, stellt keine Problematik der hier untersuchten Verordnungen dar.774 Bedenklich ist des Weiteren der stärkere Einfluss der Aufsichtsbehörden auf die Unternehmensführung regulierter Gesellschaften, den beispielsweise das Recht zur Teilnahme an Sitzungen des Risikoausschusses nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 EMIR eröffnet. Insoweit stellt sich die Frage, in welchem Ver­ hältnis die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats zur Überwachung durch ZGR 2018, 88, 124 f. ZGR 2018, 88, 121. 770  Binder, ZGR 2018, 88, 124. 771  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 337. 772  Vgl. auch Kaetzler/Hoops, BKR 2013, 192, 197. 773  Für das Bankaufsichtsrecht zurückhaltend Bronnert-Härle, Aufsichtsratsaus­ schüsse, 2016, S. 337: nur leichte Annäherung an das monistische System. 774  Siehe oben 2. Teil: C. VI. 2. 768  Binder, 769  Binder,

272

2. Teil: Konflikte zw. Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht

die Aufsichtsbehörden steht. Die gesellschaftsrechtliche Pflicht des Auf­ sichtsrats, die Geschäftsleitung zu überwachen, wird durch die zusätzliche Überwachung durch die Aufsichtsbehörden jedenfalls nicht ersetzt, sondern bleibt ungemindert bestehen.775 Dagegen spricht das Delegationsverbot des § 111 Abs. 6 AktG.776 Des Weiteren unterliegen der Aufsichtsrat auf der ei­ nen und die Aufsichtsbehörden auf der anderen Seite bei ihrer Überwa­ chungsaufgabe unterschiedlichen Zielsetzungen und Maßstäben.777

775  Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 483 ff.; Armbrüster, KSzW 2013, 10, 18; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 279. 776  Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 483; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 279. 777  Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 486.

3. Teil

Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben Für die beaufsichtigten Unternehmen ist es von besonderer Bedeutung, welche Rechtsfolgen sie treffen können, wenn sie die unionsrechtlichen Vor­ gaben zur Corporate Governance nicht ordnungsgemäß umsetzen, wobei das Aufsichtsrecht und das Gesellschaftsrecht über jeweils eigene Sanktionsre­ gime verfügen. Als Teil des öffentlichen Rechts wird das Aufsichtsrecht durch verwaltungs- und straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktio­ nen durchgesetzt. Da die aufsichtsrechtlichen Vorgaben das Innenverhältnis der Gesellschaft, also Rechtsbeziehungen zwischen Privaten regeln, könnten die Verstöße darüber hinaus gesellschaftsrechtliche oder sonstige zivilrecht­ liche Folgen nach sich ziehen. In Betracht kommen dabei die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit von Beschlüssen der Haupt- bzw. Gesellschafterversamm­ lung oder anderer Organe sowie eine Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans gegenüber der Gesellschaft.

A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse I. Zuständige Aufsichtsbehörde Verstöße gegen die Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts können primär Maß­ nahmen der Aufsichtsbehörden gegen die betroffenen Gesellschaften und deren Organmitglieder auslösen. Zuständig für die Aufsicht über zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer und Administratoren von Referenzwerten ist in Deutschland die BaFin.1 Die Aufsicht über Ratingagenturen obliegt hingegen der ESMA, die nach Art. 21 Abs. 1 CRAR die Einhaltung der Ver­ ordnung überwacht. Die Aufsichtsbefugnisse der BaFin, die nach Art. 22 CRAR, § 29 WpHG die zuständige nationale Behörde ist, beschränken sich gemäß Art. 25a CRAR auf die Beaufsichtigung und rechtliche Durchsetzung 1  Für zentrale Gegenparteien: Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR, § 6 Abs. 1a KWG; für Zentralverwahrer Art. 11 Abs. 1 Uabs. 1 CSDR, § 6 Abs. 1c KWG; für Adminis­ tratoren Art. 40 Abs. 2 BMR, § 10 Abs. 2 Satz 1 WpHG (für bestimmte kritische Referenzwerte ist aber die ESMA zuständig, Art. 40 Abs. 1 BMR).

274 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

der Art. 4 Abs. 1, 5a, 8c, und 8d CRAR. Diese Normen regeln nicht das Verhalten der Ratingagenturen, sondern statuieren Pflichten für Kreditinsti­ tute und andere regulierte Unternehmen in Bezug auf die Verwendung von Ratings (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1, 5a CRAR) sowie Pflichten für Emittenten bei der Prospekterstellung (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 CRAR) und der Beauftra­ gung bzw. Inanspruchnahme von Ratingagenturen (Art. 8c, 8d CRAR).

II. Verstöße gegen CSDR und EMIR 1. Allgemeine Anforderungen auf Unionsebene Die Verordnungen überlassen die Sanktionierung von Verstößen im We­ sentlichen den Mitgliedstaaten. Allerdings enthalten sie Mindestanforderun­ gen an die Sanktionsbefugnisse der national zuständigen Behörden, die bei Art. 22 Abs. 3 UAbs. 1 EMIR allgemein gehalten sind, in den Art. 61 ff. CSDR hingegen deutlich detaillierter ausfallen. Gemäß Art. 22 Abs. 3 UAbs. 1 EMIR müssen die Mitgliedstaaten gewähr­ leisten, dass die Aufsichtsbehörden bei Verstößen gegen die Verordnung ge­ eignete Verwaltungsmaßnahmen treffen oder den verantwortlichen natürli­ chen oder juristischen Personen auferlegen können. Dabei müssen die Maß­ nahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Art. 22 Abs. 3 UAbs. 2 EMIR). Gleiches gilt für Verstöße gegen die CSDR. Dort sind die Mitgliedstaaten nach den Art. 61, 63 Abs. 1 lit. d CSDR verpflichtet, die Nichterfüllung der in den Art. 26 bis 30 CSDR niedergelegten organisatori­ schen Anforderungen mit verwaltungsrechtlichen Sanktionen zu bewehren. Gemäß Art. 61 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 CSDR müssen diese Sanktionen eben­ falls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Art. 63 Abs. 2 CSDR enthält einen Katalog an verwaltungsrechtlichen Sanktionen, über welche die nationalen Aufsichtsbehörden mindestens verfügen müssen. Die Kompetenz zur Ausgestaltung der Sanktionsbefugnisse über diese Mindestanforderungen hinaus verbleibt beim nationalen Gesetzgeber. Auf unionsrechtlicher Ebene findet sich dagegen die Kompetenz, einem Zentral­ verwahrer oder einer zentralen Gegenpartei die Zulassung zu entziehen (Art. 20 CSDR/EMIR). Im Übrigen enthält Art. 22 CSDR eine Regelung zur laufenden Überwachung von Zentralverwahrern. Gemäß Art. 22 Abs. 1 CSDR überprüft die BaFin mindestens einmal jährlich die Regelungen, Stra­ tegien, Verfahren und Mechanismen, die ein Zentralverwahrer zur Einhaltung der CSDR eingeführt hat oder die er für das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte einführt, und bewertet die Risiken, denen er ausgesetzt ist oder ausgesetzt sein kann.



A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse 275

2. Entzug der Zulassung Einem Zentralverwahrer kann die BaFin nach Art. 20 Abs. 1 lit. d CSDR die Zulassung entziehen, wenn dieser in schwerwiegender Weise oder syste­ matisch gegen die Anforderungen der Verordnung verstößt. Da der Kreis möglicher Verstöße nicht näher eingegrenzt ist, kommt dies grundsätzlich auch bei einem Verstoß gegen die Vorgaben der Art. 26 ff. CSDR in Betracht. Allerdings ist der Entzug der Zulassung nur als Ultima Ratio zulässig. Insbe­ sondere ist zu prüfen, ob nicht eine Abberufung der Geschäftsleiter nach § 36 Abs. 1b, 2 KWG als milderes Mittel in Betracht kommt.2 Gleiches gilt für den Entzug der Zulassung einer zentralen Gegenpartei nach Art. 20 Abs. 1 lit. d EMIR. Ist die BaFin der Auffassung, dass die Voraussetzungen für den Entzug der Zulassung einer zentralen Gegenpartei vorliegen, hat sie dies in­ nerhalb von fünf Arbeitstagen der ESMA und den Mitgliedern des nach Art. 18 EMIR zu bildenden Kollegiums zu melden (Art. 20 Abs. 2 EMIR). Ist die Entscheidung nicht dringend geboten, konsultiert die BaFin die Mit­ glieder des Kollegiums zur Notwendigkeit des Entzugs der Zulassung (Art. 20 Abs. 3 EMIR). 3. Abberufung von Organmitgliedern a) Geschäftsleiter Sanktionen bei Verstößen gegen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben sind im nationalen Recht unter anderem im KWG geregelt. Dieses findet auf Zentral­ verwahrer und zentrale Gegenparteien Anwendung, weil diese gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, 12 KWG Bankgeschäfte beitreiben und demnach als Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG einzuordnen sind. Nach § 36 Abs. 1a Satz 1 KWG kann die BaFin in den Fällen des Art. 20 Abs. 1 lit. b bis d EMIR, statt die Erlaubnis aufzuheben, die Abberufung der verantwort­ lichen Geschäftsleiter verlangen und diesen Geschäftsleitern die Ausübung ihrer Tätigkeit bei Instituten in der Rechtsform einer juristischen Person un­ tersagen. Entsprechendes gilt nach § 36 Abs. 1b Satz 1 KWG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 lit. b bis d, Art. 57 Abs. 1 lit. b bis d CSDR für Zentralverwahrer. Ferner kann die BaFin nach § 36 Abs. 1a Satz 2, Abs. 1b Satz 2 KWG die Abberufung eines Geschäftsleiters verlangen, der nicht die persönlichen Vor­ aussetzungen des Art. 27 Abs. 1 EMIR bzw. Art. 27 Abs. 1 CSDR erfüllt. Der Verweis des § 36 Abs. 1b Satz 2 auf den gesamten Art. 27 CSDR (anstatt lediglich auf dessen ersten Absatz) dürfte auf ein Redaktionsversehen zu­ 2  Vgl. Fischer/Krolop, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 36 Rn. 6.

276 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

rückzuführen sein.3 Daneben ist ein Abberufungsverlangen nach § 36 Abs. 2 Satz 3 KWG statthaft, wenn ein Geschäftsleiter gegen Bestimmungen von EMIR, CSDR oder BMR verstoßen hat und dieses Verhalten trotz Verwar­ nung durch die BaFin vorsätzlich oder leichtfertig fortsetzt. Die BaFin kann die Abberufung eines Geschäftsleiters gemäß § 36 Abs. 1a Satz 2 KWG zudem dann verlangen, wenn die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 EMIR vorliegen. Diese Vorschrift stellt insoweit eine Besonderheit dar, als die Verordnung den Abberufungsgrund selbst regelt. Trotz des miss­ verständlichen Wortlauts4 des § 36 Abs. 1a Satz 2 KWG rechtfertig eine Verletzung der Informationspflicht nach Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR nicht, die Abberufung eines Geschäftsleiters zu verlangen.5 Ein Abberufungsver­ langen kann vielmehr nur auf Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR gestützt werden. Danach ergreift die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, wozu der Ausschluss des Mitgliedes aus dem Leitungsorgan gehören kann, wenn die Gefahr besteht, dass das Verhalten eines Mitglieds des Leitungsor­ gans einem soliden und umsichtigen Management der zentralen Gegenpartei abträglich ist. Der Begriff des Leitungsorgans erfasst insoweit jedenfalls auch die Geschäftsleiter,6 da die Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR zu lesen ist. Nach Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR müs­ sen zentrale Gegenparteien der zuständigen Aufsichtsbehörde sämtliche Ver­ änderungen in der Geschäftsleitung mitteilen und alle Informationen zur Verfügung stellen, die erforderlich sind, um die Einhaltung von Art. 27 Abs. 1 und Abs. 2 UAbs. 2 EMIR zu bewerten. Art. 27 Abs. 1 EMIR ver­ deutlicht, dass es vorrangig den Geschäftsleitern obliegt, ein solides und umsichtiges Management der zentralen Gegenpartei zu gewährleisten. Dies spricht dafür, dass die in Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR geregelten Eingriffs­ befugnisse die Geschäftsleiter erfassen. Ein Abberufungsverlangen der BaFin lässt die Rechtsstellung der Ge­ schäftsleiter unberührt, löst aber eine Pflicht der Gesellschaft aus, dem betrof­ fenen Geschäftsleiter die Organstellung zu entziehen.7 Aufgrund des Verhält­ 3  Glawischnig-Quinke, in: Reischauer/Kleinhans, KWG, § 36 (1. Erg.-Lfg. 2019) Rn. 34. 4  Dazu auch Schmitz, in: Luz/Neus u. a., KWG, § 36 (Stand: 24.02.2020) Rn. 62. 5  A. A. Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, 4. Aufl. 2021, § 36 Rn. 2d; siehe auch Schmitz, in: Luz/Neus u. a., KWG, § 36 (Stand: 24.02.2020) Rn. 62. 6  A. A. wohl Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 31, 32 EMIR Rn. 5, der Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR nur auf das Leitungsorgan, nicht aber auf die Geschäftsleitung bezieht; ebenso Münch, in: BeckOK WpHR, 7. Edition, Stand: 15.02.2023, Art. 31 Rn. 4, der aber in Rn. 1 davon spricht, dass sich Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR auf den Vorstand beziehe. 7  Fischer/Krolop, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 36 Rn. 74.



A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse 277

nismäßigkeitsgrundsatzes setzt das Abberufungsverlangen eine vorherige Be­ anstandung durch die BaFin voraus.8 Ein Tätigkeitsverbot richtet sich unmit­ telbar gegen die Geschäftsleiter und wirkt sofort, unabhängig vom Entzug der Organstellung.9 Die BaFin kann auch die Abberufung der geschäftsführenden Gesellschafter einer beaufsichtigten Personengesellschaft verlangen, nicht aber ein Tätigkeitsverbot gegen diese verhängen.10 Diese Einschränkung könnte zwar gegen Art. 63 Abs. lit. d CSDR verstoßen, der für bestimmte Ver­ stöße gegen die CSDR die Möglichkeit zur Verhängung eines „vorübergehen­ den oder – bei wiederholten schweren Verstößen – dauer­haften Verbots […], in dem Institut Leitungsaufgaben wahrzunehmen“ fordert. Eine unionsrechts­ konforme Auslegung oder Rechtsfortbildung kommt aufgrund des klaren Wortlauts des § 36 KWG („Tätigkeit bei Instituten in der Rechtsform einer juristischen Person“) aber nicht in Betracht. b) Mitglieder des Aufsichtsorgans aa) Keine Abberufungsmöglichkeiten nach nationalem Recht Die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans von Kreditinstituten kann die Bafin gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 KWG verlangen, wenn diese nicht die nach § 25d KWG erforderlichen persönlichen Voraussetzungen erfüllen. Allerdings ist § 36 Abs. 3 Satz 1 KWG gemäß § 2 Abs. 9a, 9e KWG auf Zentralverwahrer und zentrale Gegenparteien, die ausschließlich über eine Erlaubnis verfügen, die Tätigkeit einer zentralen Gegenpartei oder eines Zen­ tralverwahrers auszuüben, nicht anwendbar. Die Abberufungskompetenzen der BaFin, die bei Verstößen gegen EMIR und CSDR greifen, beschränken sich ausweislich des Wortlauts des § 36 Abs. 1a, 1b, 2 KWG auf die Ge­ schäftsleiter. Demnach verfügt die BaFin nach nationalem Recht über keine spezielle Befugnis, die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans ei­ ner zentralen Gegenpartei oder eines Zentralverwahrers zu verlangen, obwohl diese gemäß Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR, Art. 27 Abs. 4 Satz 1 CSDR persönliche Anforderungen erfüllen müssen, die mit denen des § 25d KWG vergleichbar sind.

8  Vgl. Fischer/Krolop, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6.  Aufl. 2023, § 36 Rn. 42, 53. 9  Fischer/Krolop, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6.  Aufl. 2023, § 36 Rn. 4. 10  Schmitz, in: Luz/Neus u. a., KWG, § 36 (Stand: 24.02.2020) Rn. 10, 12; Glawischnig-Quinke, in: Reischauer/Kleinhans, KWG, § 36 (1. Erg.-Lfg. 2019) Rn. 6; Fischer/Krolop, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 36 Rn. 3.

278 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

Im Übrigen verbietet es sich, die Abberufung eines Mitglieds des Auf­ sichtsorgans auf die Generalklausel des § 53p KWG zu stützen. Zwar kann die BaFin danach Anordnungen gegenüber den Organmitgliedern eines Zen­ tralverwahrers treffen, während § 53l KWG bei zentralen Gegenparteien nur Maßnahmen gegenüber der Gesellschaft zulässt. Die Abberufung eines Or­ ganmitglieds ist jedoch ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Be­ troffenen, der eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage voraussetzt und nicht auf eine Generalklausel gestützt werden kann. bb) Abberufungsgründe nach dem Unionsrecht (1) Zentrale Gegenparteien (Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR) Bei zentralen Gegenparteien statuiert Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR einen unionsrechtlichen Abberufungsgrund für die Mitglieder des Leitungsorgans. Der Begriff des Leitungsorgans ist dahingehend auszulegen, dass er in deut­ schen Gesellschaften auch die Mitglieder des Aufsichtsrats umfasst.11 Zwar stellt die Norm auf ein Verhalten ab, das einem soliden und umsichtigen Management abträglich ist. Dies könnte den Anwendungsbereich auf die Geschäftsleiter beschränken, weil diese nach Art. 27 Abs. 1 EMIR über aus­ reichende Erfahrung verfügen müssen, um ein solides und umsichtiges Ma­ nagement der CCP sicherzustellen. Allerdings spricht der systematische Zu­ sammenhang mit Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR dafür, den Tatbestand auf die Mitglieder des Aufsichtsorgans anzuwenden. Die dort statuierte Informa­ tionspflicht bezieht sich auch auf die Einhaltung von Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR, der die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder enthält. Die inhaltlichen Hürden für den Ausschluss aus dem Leitungsorgan nach Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR sind deutlich höher als bei dem Abberu­ fungsgrund für Geschäftsleiter nach § 36 Abs. 1a Satz 2 i. V. m. Art. 27 Abs. 1 EMIR. Allein das Fehlen der in Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR verlangten angemessenen Sachkenntnis begründet für sich genommen wohl noch keine Gefahr, dass das Verhalten des nicht ausreichend sachkundigen Mitglieds dem soliden und umsichtigen Management der zentralen Gegenpartei abträg­ lich ist.12 Zwar steht die Regelung im Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EMIR, der ausdrücklich die Fit & Proper-Anforderungen des Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR nennt. Der Wortlaut ist aber erheblich enger formu­ 11  Siehe auch Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 31, 32 EMIR Rn. 5, der Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR nur auf die Mitglieder des Lei­ tungsorgans (also des Aufsichtsrats) bezieht. 12  A. A. wohl Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 31, 32 EMIR Rn. 5.



A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse 279

liert. Er stellt nicht auf die Qualifikation der Mitglieder des Leitungsorgans ab, sondern auf deren Verhalten. Nach geltender Rechtslage kann die BaFin bei einem Verstoß gegen Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR jedoch nicht verlangen, dass die Gesellschaft ein Mit­ glied des Aufsichtsorgans abberuft. § 36 Abs. 1a Satz 2 KWG gibt der BaFin lediglich die Befugnis, die Abberufung eines Geschäftsleiters zu fordern. Die Vorschrift bleibt insoweit hinter dem Unionsrecht zurück. Der BaFin ist es auch verwehrt, ein Abberufungsverlangen unmittelbar auf Art. 31 Abs. 1 EMIR zu stützen, weil umsetzungsbedürftiges Unionsrecht keine Pflichten Privater begründen kann.13 Ungeachtet der Tatsache, dass die Norm als Teil einer Verordnung unmittelbar anwendbar ist, bedarf Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber. Zwar könnte dage­ gen sprechen, dass Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR – anders als Art. 63 Abs. 2 CSDR – nicht von Sanktionen „im Einklang mit dem nationalen Recht“ spricht. Jedoch ist die Vorschrift systematisch im Zusammenhang mit Art. 22 Abs. 2, 3 EMIR zu lesen, wonach es Sache der Mitgliedstaaten ist, die auf­ sichtsrechtlichen Rechtsfolgen für Verstöße gegen die Verordnung festzule­ gen.14 Die Verordnung wollte die Sanktionen bei Verstößen gerade nicht umfassend selbst regeln, sondern lediglich Mindestanforderungen an die mitgliedstaatlichen Sanktionsbefugnisse statuieren. Dafür spricht auch, dass der deutsche Gesetzeber in § 36 Abs. 1a Satz 2 KWG eine – wenn auch de­ fizitäre – Umsetzung vorgenommen hat. (2) Zentralverwahrer (Art. 63 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 lit. d CSDR) Für Zentralverwahrer ist unionsrechtlich ebenfalls eine Abberufungskom­ petenz gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsorgans geboten. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 lit. d CSDR müssen die Aufsichtsbehörden bei Verstößen gegen die Art. 26–30 CSDR die Befugnis haben, gegen jedes verantwortlich gemachte Mitglied des Leitungsorgans ein vorübergehendes oder – bei wie­ derholten schweren Verstößen – dauerhaftes Verbot zu verhängen, in dem Institut Leitungsaufgaben wahrzunehmen. Zwar spricht das Unionsrecht ex­ plizit nur das Tätigkeitsverbot an, dieses setzt aber voraus, dass die Auf­ 13  EuGH NVwZ 2004, 593, 596 Rn. 56 (Delena Wells); EuGH NZG 1998, 116, 117 Rn. 24 (Daihatsu); EuGH Slg. 1996, I-4705, Rn. 36 ff. (Arcaro); EuGH Slg. 1990, I-4135, Rn. 6 (Marleasing); EuGH Slg. 1987, 3969 (Kolpinghuis Nijmegen); EuGH Slg. 1987, 2153 (Strafverfahren Traen); Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettes­ heim, Art. 288 AEUV (Stand: 48. Erg.-Lfg. August 2012) Rn. 157; Ruffert, in: Cal­ liess/Ruffert, 6. Aufl. 2022, Art. 288 AEUV Rn. 58; Köndgen/Mörsdorf, in: Riesenhu­ ber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 6 Rn. 68 ff. 14  Art. 20 EMIR stellt hiervon eine Ausnahme dar, der aber ausdrücklich unbeschadet des Art. 22 Abs. 3 EMIR gilt.

280 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

sichtsbehörden auch verlangen können, dass das Organmitglied aus seinem Amt entfernt wird. Der nationale Gesetzgeber wollte diese Vorschrift der CSDR in § 36 Abs. 1b KWG umsetzen, der die Abberufungskompetenz in Bezug auf die Geschäftsleiter enthält.15 Dabei hat er offensichtlich überse­ hen, dass der Begriff des „Leitungsorgans“ in Art. 63 Abs. 2 lit. d CSDR in der AG Vorstand und Aufsichtsrat umfasst, die Vorschrift entsprechende Sanktionsbefugnisse also auch gegenüber den Mitgliedern des Aufsichts­ organs verlangt. Art. 2 Abs. 1 Nr. 45 UAbs. 2 CSDR erlaubt lediglich eine Aufteilung der Anforderungen an die Mitglieder des Leitungsorgans auf die nach nationalem Recht bestellten Organe, erstreckt sich nach seinem Wort­ laut also nicht auf Sanktionen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorga­ ben. Zwar könnte der Begriff der „Leitungsaufgaben“ in Art. 63 Abs. 2 lit. d CSDR implizieren, dass die geforderten Sanktionen das Leitungsorgan in seiner Leitungsfunktion betreffen. Allerdings wird unter den inhaltsglei­ chen16 Begriff der „Führungsaufgaben“ aus Art. 42 Abs. 2 lit. e BMR die Mitgliedschaft im Aufsichtsorgan gefasst.17 Die BaFin kann ein Abberufungsverlangen jedoch nicht unmittelbar auf Art. 63 Abs. 2 lit. d CSDR stützen, weil die Norm wie Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf. Art. 63 Abs. 2 lit. d CSDR will keinen unionsrechtlichen Eingriffstatbestand schaf­ fen, sondern lediglich die Befugnisse vorgeben, die der einzelne Mitglied­ staat in sein Sanktionsregime aufnehmen muss. Dies ergibt sich aus der Einschränkung „im Einklang mit dem nationalen Recht“ in Art. 63 Abs. 2 CSDR sowie aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 61 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 CSDR, der die allgemeinen Mindestanforderungen an die mitgliedstaatlichen Sanktionsbefugnisse regelt. cc) Abberufungsverlangen aufgrund unionsrechtskonformer Rechtsfortbildung? Wie gesehen besteht nach deutschem Recht keine Möglichkeit, bei Verstö­ ßen gegen die CSDR oder EMIR eine Abberufung der Mitglieder des Auf­ sichtsorgans zu verlangen. Daraus folgt, dass Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR und Art. 63 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 lit. d CSDR im deutschen Recht nicht ord­ 15  Begr.

RegE 1. FiMaNoG, BT-Drs. 18/7482, S. 71. wird deutlich aus den englischen Sprachfassungen, in denen einheitlich von management functions die Rede ist. 17  Döhmel, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, § 10 WpHG Rn. 55 unter Verweis auf die Legaldefinition einer „Person, die Führungsaufgaben wahr­ nimmt“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 MAR. Zum Begriff der Leitungsaufgaben ferner L. Winkler, Aufsichtsrat im Versicherungsunternehmen, 2017, S. 288 f. 16  Dies



A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse 281

nungsgemäß umgesetzt wurden. Dieses Umsetzungsdefizit könnte durch eine unionsrechtskonforme Rechtsfortbildung mit dem Inhalt korrigiert werden, dass die Abberufungskompetenzen gegenüber Geschäftsleitern in §  36 Abs. 1a, 1b, 2 KWG auch auf die Mitglieder des Aufsichtsorgans Anwen­ dung finden. Ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers ist nicht anzu­ nehmen, weil dieser im Zweifel eine mit dem Unionsrecht vereinbare Rege­ lung treffen wollte. Allerdings sind die Schranken der Rechtsfortbildung nach der Methodik des nationalen Rechts zu beachten.18 Insoweit könnte der Rechtsfortbildung ein Analogieverbot für belastendes Verwaltungsrecht ent­ gegenstehen.19 Jedenfalls bei besonders grundrechtswirksamen Maßnahmen wird man dem Gebot der Rechtssicherheit den Vorrang einräumen müssen.20 Auf dieser Grundlage kommt eine unionsrechtskonforme Rechtsfortbildung hier nicht in Betracht, weil die Abberufung eines Mitglieds des Aufsichtsor­ gans erheblich in dessen Berufsfreiheit nach Art. 12 GG eingreift. dd) Ergebnis Die BaFin hat keine Möglichkeit, bei Verstößen gegen CSDR oder EMIR die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans zu verlangen. Zentral­ verwahrern und zentralen Gegenparteien drohen – anders als Ratingagentu­ ren21 – auch keine ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen, wenn sie das Aufsichtsorgan mit nicht ausreichend qualifizierten Mitgliedern besetzen. Bei Zentralverwahrern verbleibt lediglich die allgemeine Anordnungsbefug­ nis nach § 53p KWG, die aber jedenfalls keine Abberufung eines Organmit­ glieds rechtfertigen kann. Insoweit besteht eine Lücke im aufsichtsrechtlichen Sanktionsregime. 4. Sonstige Verwaltungsbefugnisse Gegenüber einer zentralen Gegenpartei kann die BaFin gemäß § 53l Abs. 1 KWG im Einzelfall Anordnungen treffen, die geeignet und erforder­ lich sind, die Einhaltung der Anforderungen der EMIR sicherzustellen. Bei Verstößen gegen die Art. 26, 28, 29, 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR sowie die in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn. 51. ein generelles Analogieverbot BVerfG NJW 1996, 3146 f.; W.-H. Roth/ Jopen, in: Riesenhuber, Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn. 54; differenzierend dagegen Reimer, Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 566; Bach, Analogieverbot, 2011, S.  104 ff., 172 ff. 20  Vgl. Reimer, Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 566; Bach, Analogieverbot, 2011, 174 f. 21  Anhang III Abs. 1 Nr. 8 CRAR. 18  W.-H. Roth/Jopen, 19  Für

282 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

Art. 33–35 EMIR greifen dabei die konkretisierten Anordnungsbefugnisse des § 53l Abs. 1 Satz 2 KWG ein. Danach kann die BaFin anordnen, dass eine zentrale Gegenpartei Maßnahmen zur Reduzierung bestimmter Risiken ergreift oder einzelne Geschäftsarten oder Dienstleistungen nicht oder nur in beschränktem Umfang betreiben darf. Eine entsprechende Generalklausel für Zentralverwahrer enthält § 53p KWG, dessen Adressatenkreis aber deutlich weiter gefasst ist. Danach kann die BaFin gegenüber Zentralverwahrern, deren übergeordneten Unternehmen sowie gegenüber Mitgliedern, deren Organen, deren Beschäftigten und ande­ ren natürlichen oder juristischen Personen, die deren Geschäfte tatsächlich kontrollieren oder auf die Tätigkeiten im Sinne des Art. 30 CSDR ausgela­ gert worden sind oder die ansonsten der CSDR unterliegen, alle Anordnun­ gen treffen, die geeignet und erforderlich sind, die Einhaltung der Anforde­ rungen der CSDR sicherzustellen. 5. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen Für Verstöße gegen die organisatorischen Anforderungen an Zentralverwahrer (Art. 26 ff. CSDR) enthält § 56 Abs. 4f Nr. 6 ff. KWG einen ausführ­ lichen Bußgeldkatalog. Die Gesellschaft handelt nach § 56 Abs. 4f KWG unter anderem dann ordnungswidrig, wenn sie vorsätzlich oder leichtfertig entgegen Art. 26 Abs. 1 CSDR unzureichende Instrumente zur Überwachung von Risiken vorhält (Nr. 6), entgegen Art. 26 Abs. 2 CSDR die Verantwort­ lichkeiten der Beschäftigten in Schlüsselpositionen nicht oder nicht richtig festlegt (Nr. 7), entgegen Art. 26 Abs. 5 CSDR keinen Whistleblower-Mecha­ nismus einrichtet (Nr. 9), entgegen Art. 27 Abs. 3 CSDR Aufsichtsratsmit­ gliedern eine erfolgsabhängige Vergütung gewährt (Nr. 13) oder entgegen Art. 28 Abs. 1 Satz 1 CSDR keinen Nutzerausschuss einrichtet (Nr. 16). Die parallel ausgestalteten organisatorischen Anforderungen an zentrale Gegenparteien (Art. 26 ff. EMIR) sind dagegen nicht bußgeldbewehrt. Inso­ fern beschränken sich die aufsichtsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gegen die Gesellschaft auf die Anordnungsbefugnis der BaFin nach § 53l Abs. 1 KWG und die allgemeinen Befugnisse der Institutsaufsicht nach dem KWG, soweit diese nicht nach § 2 Abs. 9a bzw. 9b KWG ausgeschlossen sind.22

22  Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, 4. Aufl. 2021, § 53l Rn. 4; Hartenfels, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 22 EMIR Rn. 8.



A. Aufsichtsrechtliche Sanktionen und Verwaltungsbefugnisse 283

III. Verstöße gegen die CRAR Bei Ratingagenturen besteht die Besonderheit, dass die CRAR die Sankti­ onen für Verstöße gegen die Verordnung weitgehend selbst auf unionsrecht­ licher Ebene regelt. Hat eine Ratingagentur vorsätzlich oder fahrlässig einen der in Anh. III CRAR aufgeführten Verstöße begangen, fasst der Rat der Aufseher der ESMA nach Art. 36a Abs. 1 UAbs. 1 CRAR einen Beschluss über die Verhängung einer Geldbuße. Anh. III Abschnitt I Nr. 3–18 CRAR erfasst dabei Verstöße gegen die in Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Anh. I Abschnitt A CRAR geregelten organisatorischen Anforderungen. Der Ratingagentur droht nach Art. 36a CRAR beispielsweise dann ein Bußgeld, wenn sie entgegen den Vorschriften der CRAR kein Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan einsetzt, wenn sie eine Geschäftsleitung oder Mitglieder des Aufsichtsorgans benennt, die nicht die aufsichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforderungen erfüllen, oder wenn sie das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan nicht mit der erforderlichen Anzahl an unabhängigen Mitgliedern besetzt. Neben dem Bußgeld kann der Rat der Aufseher der ESMA Aufsichtsmaßnahmen nach Art. 24 Abs. 1 CRAR ergreifen, die – abhängig von Dauer, Häufigkeit und Schwere der Verstöße – bis zum Entzug der Registrierung der Ratingagentur reichen können. Im Übrigen kann die ESMA nach den Art. 23b–23d CRAR Informationen einholen, etwa durch allgemeine Informationsersuchen, Prüfung von Auf­ zeichnungen, Befragung von Mitarbeitern oder Prüfungen vor Ort. Auffällig ist, dass die Verordnung als reines Unternehmensordnungswidrigkeitenrecht ausgestaltet ist, sich also auf Sanktionsbefugnisse gegenüber den Rating­ agenturen als solchen beschränkt.23 Abberufungskompetenzen oder sonstige Sanktionen gegenüber den Geschäftsleitern und Mitgliedern des Verwal­ tungs- oder Aufsichtsorgans, die aufsichtsrechtliche Anforderungen nicht er­ füllen, finden sich nicht. Art. 36 UAbs. 1 Satz 1 CRAR verpflichtet die Mit­ gliedstaaten im Übrigen, Sanktionsvorschriften bei Verstößen gegen Art. 4 Abs. 1 CRAR zu verhängen, der aber wie bereits ausgeführt keine Anforde­ rungen an Ratingagenturen enthält.

IV. Verstöße gegen die BMR Art. 41 Abs. 1 BMR enthält einen Katalog an Aufsichts- und Untersu­ chungsbefugnissen, über die die zuständigen Aufsichtsbehörden nach natio­ nalem Recht mindestens verfügen müssen. Im Übrigen müssen die Mitglied­ staaten für bestimmte Verstöße gegen die Verordnung – darunter Verstöße gegen die Anforderungen an die Unternehmensführung und Kontrolle nach 23  Spoerr,

in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, § 120 WpHG Rn. 141.

284 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

den Art. 4 ff. BMR – wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Verwal­ tungssanktionen festlegen (Art. 42 Abs. 1 UAbs. 2 BMR). Die Zuständigkeiten und Befugnisse der BaFin und die Ahndung von Ver­ stößen gegen die BMR sind gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 8 lit. j, 10 WpHG im Wertpapierhandelsgesetz geregelt. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 lit. a WpHG kann die BaFin bei einem Verstoß gegen die Art. 4 bis 16, 21, 23 bis 29 und 34 BMR von einem Administrator oder einem anderen beaufsichtigten Unter­ nehmen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 BMR verlangen, die den Verstoß begrün­ denden Handlungen oder Verhaltensweisen dauerhaft einzustellen. Des Wei­ teren kann sie gemäß § 6 Abs. 9 WpHG eine Warnung unter Nennung der Person, die den Verstoß begangen hat, veröffentlichen (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WphG). Überdies kann die BaFin sogar die Zulassung oder Registrie­ rung eines Administrators entziehen oder aussetzen (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 lit. c WphG). Nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 lit. d WpHG kann die BaFin einer Person für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren die Wahrnehmung von Führungsauf­ gaben bei einem Administrator untersagen, wenn die Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Art. 4 ff. BMR verstößt und dieses Verhalten trotz Verwarnung durch die Bundesanstalt fortsetzt. Der Begriff der Führungsauf­ gaben im Sinne der Norm umfasst neben der Tätigkeit als Geschäftsleiter oder leitender Angestellter auch die Mitgliedschaft im Aufsichtsorgan.24 Des Weiteren kann die BaFin einer Person bei Verstößen gegen die BMR nach erfolgloser vorheriger Verwarnung für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren die Ausübung der Berufstätigkeit untersagen (§ 6 Abs. 8 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 WpHG). Zudem kann die BaFin nach § 6 Abs. 3 Satz 1 WpHG von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen oder sonstigen Daten und die Überlassung von Kopien verlangen sowie Personen laden und vernehmen, um die Einhaltung der BMR zu überwachen. Ihre Entscheidun­ gen über Maßnahmen und Sanktionen macht die BaFin gemäß § 125 WpHG unverzüglich nach Unterrichtung der natürlichen oder juristischen Person, gegen die die Maßnahme oder Sanktion verhängt wurde, auf ihrer Internet­ seite bekannt. Nach § 120 Abs. 11 Nr. 1–26 WpHG sind die dort aufgeführten Verstöße gegen die Regelungen der Art. 4–10 BMR zur Unternehmensführung und Kontrolle von Administratoren bußgeldbewehrt. So handelt ein Administrator unter anderem dann ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder leichtfertig über keine Regelungen für die Unternehmensführung verfügt oder nur über solche, die nicht den dort genannten Anforderungen entsprechen (§ 120 Abs. 11 Nr. 1 WpHG). Gleiches gilt, wenn er vorsätzlich oder leichtfertig keine ständige und wirksame Aufsichtsfunktion schafft oder unterhält (§ 120 24  Döhmel,

in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, § 10 WpHG Rn. 55.



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht285

Abs. 11 Nr. 10 WpHG) oder die Aufsichtsfunktion nicht mit den erforder­ lichen Kompetenzen ausstattet (Nr. 12).

V. Ergebnis Den Aufsichtsbehörden steht bei der Verletzung der Regelungen zur Cor­ porate Governance eine Vielzahl aufsichtsrechtlicher Sanktionsmechanismen zur Verfügung. Ein vollkommen lückenfreies Sanktionsregime besteht aller­ dings nicht, weil es bei Zentralverwahrern und zentralen Gegenparteien – entgegen den unionsrechtlichen Mindestanforderungen an das mitgliedstaat­ liche Sanktionsregime – an einer Befugnis der BaFin fehlt, die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans zu verlangen, die nicht die aufsichts­ rechtlichen Anforderungen erfüllen.

B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht I. Überblick Die Verletzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben zur Corporate Governance kann neben aufsichtsrechtlichen Sanktionen auch gesellschaftsrechtliche Rechtsfolgen auslösen. Stehen Beschlüsse der Gesellschaftsorgane einer re­ gulierten Gesellschaft im Widerspruch zu aufsichtsrechtlichen Vorgaben, stellt sich die Frage, ob dies Konsequenzen für die Wirksamkeit der gefass­ ten Beschlüsse zeitigen kann. Das gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelrecht ist nach derzeit gelten­ der Rechtslage lediglich für die Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG (oder KGaA) in den §§ 241 ff. AktG kodifiziert. Darüber hinaus finden die §§ 241 ff. AktG nach ständiger Rechtsprechung25 und herrschender Lehre26 auf Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH entsprechende Anwendung. Auf Personengesellschaften findet das aktienrechtliche Be­ schlussmängelrecht dagegen keine Anwendung, sodass bei diesen gegenwär­ tig auf die allgemeine Rechtsgeschäftslehre zurückzugreifen ist. Dies ändert sich jedoch mit Inkrafttreten des MoPeG zum 1. Januar 2024 grundlegend, 25  BGHZ 11, 231, 235; BGHZ 51, 209, 210 f. = WM 1969, 176; BGH NZG 2003, 127, 128; BGH NZG 2008, 317, 318. 26  S. etwa Wertenbruch, in: MüKo-GmbHG, 4. Aufl. 2023, Anh. § 47 Rn. 1 ff.; Römermann, in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, Anh. § 47 Rn. 12 ff.; Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2022, Anh. § 47 Rn. 1 ff.; kritisch dagegen Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, Anh. nach § 47 Rn. 3 ff.; Raiser/ C. Schäfer, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, Anh. nach § 47 Rn.  3 f.

286 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

weil dieses für Personenhandelsgesellschaften ein neues Beschlussmängel­ recht einführt, das an das aktienrechtliche Modell der §§ 241 ff. AktG ange­ lehnt ist.27 Für Beschlüsse der Geschäftsleitung und des Aufsichtsorgans sieht das Gesellschaftsrecht keine speziellen Regelungen vor, sodass Mängel solcher Beschlüsse mittels der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu lösen sind.28

II. Beschlüsse der Haupt- oder Gesellschafterversammlung einer AG oder GmbH (§§ 241 ff. AktG) Im Folgenden wird zunächst erörtert, ob eine Beschlussmängelklage in der AG oder GmbH grundsätzlich auf einen Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben gestützt werden kann und welche Rechtsfolgen der Verstoß hat. Dabei stellt sich die Frage, ob Verstöße gegen des EU-Aufsichtsrecht zur Anfechtbarkeit oder gar zur Nichtigkeit des betroffenen Beschlusses führen können. Nach dieser grundlegenderen Betrachtung sind konkrete Einzelfälle zur Anfechtung von Aufsichtsratswahlen in den Blick zu nehmen. 1. Keine Nichtigkeit nach den §§ 241, 250 AktG a) Nichtigkeit von Aufsichtsratswahlen analog § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG Als schwerwiegendste Rechtsfolge bei Mängeln eines Hauptversamm­ lungsbeschlusses kommt nach den §§ 241, 250 AktG die Nichtigkeit des Beschlusses in Betracht. Bei Aufsichtsratswahlen greift diese Nichtigkeits­ folge unter anderem dann, wenn das gewählte Mitglieder nicht die in § 100 Abs. 1 und 2 AktG normierten persönlichen Voraussetzungen erfüllt (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG). Dies könnte den Schluss nahelegen, dass eine Aufsichts­ ratswahl auch bei Verstößen gegen die aufsichtsrechtlichen Fit & ProperAnforderungen29 nichtig ist. Eine analoge Anwendung des § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG auf die aufsichts­ rechtlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder ist aber abzulehnen.30 Gegen eine Analogie spricht der Ausnahmecharakter des § 250 Abs. 1 Nr. 4 27  Dazu

näher unten 3. Teil: B. III. näher unten 3. Teil: B. IV. 29  Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR, Art. 27 Abs. 4 Satz 1 CSDR, Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 CRAR. 30  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 94; Kiefner, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2014, § 250 Rn. 43; Simons, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 250 Rn. 18; R. Weber/Kersjes, Hauptversammlungsbeschlüsse, 2010, § 1 Rn. 228; J. Koch, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 250 Rn. 13; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflich­ 28  Dazu



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht287

AktG.31 Tatbestände mit Nichtigkeitsfolge sind tendenziell eng auszulegen.32 Es fehlt schon an einer Regelungslücke, weil § 250 AktG eine abschließende gesetzliche Aufzählung der Nichtigkeitsgründe für Aufsichtsratswahlen ent­ hält.33 Zudem könnte die Nichtigkeitsfolge zu einer erheblichen Rechts­ unsicherheit führen, weil die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Fit & ProperAnforderungen schwieriger festzustellen ist als die Einhaltung der Anforde­ rungen des § 100 Abs. 1, 2 AktG. Eine rechtssichere Besetzung der Gesell­ schaftsorgane liegt gerade auch im Interesse des Aufsichtsrechts, das eine effektive Unternehmensführung gewährleisten will. Jedenfalls das deutsche Aufsichtsrecht geht zudem davon aus, dass die Verletzung aufsichtsrechtli­ cher Qualifikationsanforderungen die Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds unberührt lässt, da es der in § 36 Abs. 3 KWG vorgesehenen Möglichkeit eines Abberufungsverlangens bei Verstößen gegen § 25d KWG sonst nicht bedürfte.34 Auch der Grundsatz der effektiven Umsetzung des Unionsrechts gebietet keine Nichtigkeit der Wahlbeschlüsse. Zwar sieht das aufsichtsrechtliche Sanktionsregime bei einem Verstoß gegen die Fit & Proper-Anforderungen keine Befugnis der Behörden vor, eine Abberufung des entsprechenden Auf­ sichtsratsmitglieds durch die Gesellschaft zu verlangen. Sofern man insoweit von einer Sanktionslücke des Unionsrechts ausgeht,35 genügt zu ihrer Schlie­ ßung aber jedenfalls eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 251 AktG. Zwar könnte man hiergegen argumentieren, dass dies die Sanktionierung aufsichts­ rechtlicher Vorgaben ins Ermessen der Gesellschafter stellt. Gleichwohl be­ wirkt bereits die Anfechtungsmöglichkeit einen starken Befolgungsdruck, sodass das Gebot der wirksamen Umsetzung des Unionsrechts die Nichtig­ keitsrechtsfolge nicht zwingend erfordert. b) Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 AktG Als Nichtigkeitsgrund bei einem Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorga­ ben kommt zudem die Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG in Betracht. Dieser ist allerdings wegen des abschließenden Charakters des § 250 AktG nicht auf Beschlüsse zur Wahl des Aufsichtsrats anwendbar.36 Bei anderen Beschlüs­ ten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1500; Wundenberg, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 34 Rn. 66. 31  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 94. 32  R. Weber/Kersjes, Hauptversammlungsbeschlüsse, 2010, § 1 Rn. 228. 33  Mimberg, WM 2015, 1791, 1792. 34  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1500; Mimberg, WM 2015, 1791. 35  Dazu bereits oben 3. Teil: A. II. 3. b) sowie unten 3. Teil: B. II. 2. b). 36  J. Koch, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 250 Rn. 5 f. m. w. N.

288 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

sen der Hauptversammlung, beispielsweise einem Beschluss, der gegen die allgemeinen aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen verstößt, kommt eine Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 AktG aber in Betracht.37 Dies setzt voraus, dass der Beschluss durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die aus­ schließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Dies liegt bei der Verlet­ zung aufsichtsrechtlicher Vorgaben nahe, weil das Aufsichtsrecht öffentlichen Interessen dient. § 241 Nr. 3 AktG verlangt aber über den missverständlichen Wortlaut hinaus, dass die verletzte Norm zwingend die Nichtanerkennung des Hauptversammlungsbeschlusses gebietet.38 Dass die aufsichtsrechtlichen Vorschriften eine zwingende aktienrechtliche Nichtigkeit entgegenstehender Hauptversammlungsbeschlüsse verlangen, ist grundsätzlich nicht anzuneh­ men.39 Denn das Aufsichtsrecht kennt ein eigenes Sanktionssystem, das bei Verstößen gegen das Aufsichtsrecht greift. Zudem bietet die Anfechtungs­ klage nach § 243 AktG die Möglichkeit, Verstöße gegen das Aufsichtsrecht privatrechtlich zu sanktionieren, ohne dass es der Nichtigkeitsfolge nach § 241 Nr. 3 AktG bedürfte. 2. Anfechtbarkeit nach den §§ 243, 251 AktG a) Allgemeine Zulässigkeit der Anfechtung Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben können zwar nicht zur Nich­ tigkeit, wohl aber zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses nach § 243 AktG oder § 251 AktG führen.40 Für die Anfechtbarkeit spricht zunächst der Wortlaut der §§ 243, 251 AktG, der die Beschlussanfechtung nicht auf Verstöße gegen das Aktiengesetz beschränkt.41 Ausreichend ist viel­ mehr jede Gesetzesverletzung. Der Begriff des Gesetzes umfasst alle Rechts­ normen i. S. d. Art.  2 EGBGB.42 Darunter fallen nicht nur Normen des Ge­ Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 93. in: GK-AktG, 4. Aufl. 2013, § 241 Rn. 59. 39  Im Ergebnis ebenso Mimberg, WM 2015, 1791, 1792. 40  Mimberg, WM 2015, 1791 ff.; Simons, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 251 Rn. 5; R. Weber/Kersjes, Hauptversammlungsbeschlüsse, 2010, § 1 Rn. 480; Kiefner, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2014, § 251 Rn. 13; a. A. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1501; Binder, ZGR 2018, 88, 123; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 93 ff.; Grunewald, NZG 2015, 609, 612 (i. d. R. keine Anfechtbarkeit); wohl auch Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 15. 41  Mimberg, WM 2015, 1791, 1792; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1501; Mimberg, WM 2015, 1791, 1792. 42  Simons, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 251 Rn. 4; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 243 Rn. 5; Drescher, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 243 Rn. 41. 37  Bronnert-Härle, 38  K. Schmidt,



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht289

sellschaftsrechts, sondern Bestimmungen aller Rechtsgebiete, soweit sie sich mit ihrem Geltungsanspruch an die AG wenden.43 Erfasst werden auch Nor­ men des öffentlichen Rechts, die sich auf die Gesellschaft und ihre Aktivi­ täten beziehen.44 Die unionsrechtliche Provenienz des Aufsichtsrechts steht dieser Einordnung nicht entgegen. Vorschriften des Unionsrechts können als Rechtsnormen im Sinne von Art. 2 EGBGB zu qualifizieren sein, sofern ih­ nen unmittelbare und generelle Außenwirkung für den Bürger zukommt, was bei EU-Verordnungsrecht der Fall ist.45 Die verbreitete Gegensicht führt an, aufgrund der umfassenden Eingriffs­ befugnisse der Aufsichtsbehörden bestehe kein Bedürfnis für eine zusätzliche zivilrechtliche Durchsetzung.46 Der aufsichtsrechtliche Gesetzgeber habe al­ lein öffentlich-rechtliche, nicht aber zivilrechtliche Rechtsfolgen gewollt.47 Die aufsichtsrechtlichen Sanktionsbefugnisse seien demgemäß als leges speciales zu betrachten, welche die zivilrechtlichen Sanktionen in ihrem Anwen­ dungsbereich verdrängen.48 Jedoch lässt die Argumentation der Gegenansicht außer Betracht, dass die aufsichtsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten und die Beschlussanfechtung nach den §§ 243, 251 AktG unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.49 So ermöglicht die Anfechtung einer Aufsichtsratswahl den Aktionären oder dem Vorstand, ihr gesellschaftsrechtlich begründetes Interesse an der rechtmäßi­ gen Besetzung des Aufsichtsrats geltend zu machen, während die Aufsichts­ behörden durch die Verhängung von Sanktionen im öffentlichen Interesse handeln.50 Im Übrigen sind die Rechtsfolgen einer aufsichtsrechtlich gefor­ derten Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds und der zivilrechtlichen An­ fechtung des Wahlbeschlusses nicht identisch: die Abberufung wirkt ex nunc, die erfolgreiche Anfechtung führt – vorbehaltlich einer Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organ51 – zur Nichtigkeit des Beschlusses ex tunc.52 Schließlich hätte der Gesetzgeber zivilrechtliche Rechtsfolgen ausdrücklich in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 243 Rn. 16. in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 243 Rn. 41. 45  Merten, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, Art. 2 EGBGB Rn. 75; Heidel, in: Heidel, Aktienrecht, 5. Aufl. 2020, § 243 AktG Rn. 7. 46  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1501; zustim­ mend Binder, ZGR 2018, 88, 123. 47  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S.  98; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1501. 48  In diese Richtung Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S.  95  ff.; ablehnend Mimberg, WM 2015, 1791, 1794. 49  Mimberg, WM 2015, 1791, 1794. 50  Mimberg, WM 2015, 1791, 1794. 51  Siehe unten 3. Teil: B. V. 52  Mimberg, WM 2015, 1791, 1794. 43  C. Schäfer,

44  Drescher,

290 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

ausschließen können, hätte er dies gewollt.53 Auf eine solche Regelung, die sich beispielsweise in § 52 WpHG für bestimmte Verstöße gegen das WpHG findet, hat der deutsche Gesetzgeber im Bereich der Verstöße gegen auf­ sichtsrechtliche Organisationsanforderungen verzichtet. Auch auf Unions­ ebene findet sich keine entsprechende Regelung, anders als beispielsweise in Art. 12 Abs. 3 EMIR, der für Verstöße gegen die Anforderungen bzgl. Clear­ ing, Meldung und Risikominderung von OTC-Derivaten zivilrechtliche Fol­ gen in Bezug auf die OTC-Derivatekontrakte ausdrücklich ausschließt. Im Übrigen kann bezweifelt werden, ob das aufsichtsrechtliche Sanktions­regime eine umfassende, abschließende Regelung enthält, weil es, wie bereits ausge­ führt, in Bezug auf die Sanktionen gegenüber den Mitgliedern des Aufsichts­ organs lückenhaft ist.54 b) Gebot privater Rechtsdurchsetzung des Unionsrechts Aufgrund der unionsrechtlichen Natur der Corporate Governance-Vorgaben könnte für die Zulassung der Anfechtung zusätzlich das Gebot der effektiven Umsetzung des Unionsrechts streiten, das aus Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV abgeleitet wird.55 Erforderlich ist dabei jedenfalls, dass nationale Sanktionen für Verstöße gegen Unionsrecht wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.56 Daraus kann eine Pflicht der Mitgliedstaaten erwachsen, Verstöße gegen unmittelbar geltendes Unionsrecht mit privatrechtlichen Sanktionen zu belegen.57 Ein solches Gebot privater Rechtsdurchsetzung ist durch den EuGH im Kartell- und Wettbewerbsrecht anerkannt58, und wird zunehmend auch im Kapitalmarktrecht diskutiert.59 Zwar ist Gegenstand dieser Diskus­ sion nicht das gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelrecht, sondern eine Durchsetzung materiellen Unionsrechts mittels zivilrechtlicher Schadenser­ satzansprüche. Das Gebot privater Rechtsdurchsetzung ist aber nicht auf eine WM 2015, 1791, 1794. oben 3. Teil: A. II. 3. b). 55  Allgemein dazu Schill/Krenn, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 4 EUV (Stand: 65. Erg.-Lfg. August 2018) Rn. 87 m. w. N. Für die Umsetzung europäischen Verord­ nungsrechts wird teilweise auch Art. 291 AEUV herangezogen; so etwa Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 299. 56  EuGH, Urt. v. 2.10.1991, Rs. C-7/90, juris, Rn. 11 (Strafverfahren gegen Vande­ venne u. a.). Zu den verwaltungsrechtlichen Sanktionen Art. 22 Abs. 3 UAbs. 2 EMIR; Art. 61 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 CSDR; Art. 42 Abs. 1 UAbs. 2 BMR. 57  S. etwa G. Wagner, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 540 m. w. N. 58  EuGH Slg. 2001, I-6297, Rn. 25  ff. (Courage/Crehan); EuGH EuZW 2006, 529, 532 f. Rn. 56 ff. (Manfredi); EuGH Slg. 2002, I-7289, Rn. 24 ff. (Muñoz). 59  S. etwa Poelzig, ZGR 2015, 801, 808 ff.; Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14 f.; a. A. Mülbert, in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl. 2019, Art. 15 MAR Rn. 48; Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 298 ff. 53  Mimberg, 54  Siehe



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht291

Schadensersatzhaftung der verpflichteten Gesellschaften beschränkt, sondern kann sich auch auf die Zulassung aktienrechtlicher Anfechtungsklagen erstre­ cken.60 Hinsichtlich der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des EU-Aufsichts­ rechts spricht das Gebot effektiver Umsetzung des Unionsrechts für die Möglichkeit der Beschlussanfechtung. Dagegen wird – bezogen auf Verstöße gegen § 25d KWG – eingewendet, dass eine private Rechtsdurchsetzung nur dann in Betracht komme, wenn ein Vollzugsdefizit bestehe. Das sei im Be­ reich der aufsichtsrechtlichen Regelungen zur internen Organisation von Kreditinstituten gerade nicht der Fall.61 Dem ist jedenfalls insoweit entgegenzutreten, als aus dem Fehlen eines Vollzugsdefizits gefolgert wird, dass das nationale Zivilrecht keine Anwen­ dung finden kann. Greift das Gebot privater Rechtsdurchsetzung nicht ein, ist die Frage der Anwendbarkeit des nationalen Zivilrechts zwar nicht unions­ rechtlich (positiv) determiniert. Dies lässt aber nicht den umgekehrten Schluss zu, dass ein Verstoß gegen die aufsichtsrechtlichen Governance-An­ forderungen keine zivilrechtlichen Rechtsfolgen auslösen kann, wenn kein Vollzugsdefizit besteht. Überdies besteht jedenfalls bei Verstößen gegen die persönlichen Voraussetzungen an die Mitglieder des Aufsichtsrats einer zen­ tralen Gegenpartei aus Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR ein Vollzugsdefizit. Ungeachtet des unionsrechtlichen Abberufungsgrundes aus Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 EMIR fehlt es an einer Befugnis der Aufsichtsbehörden, die Ab­ berufung nicht ausreichend qualifizierter Aufsichtsratsmitglieder zu ver­ langen.62 Gleiches gilt für einen Verstoß gegen die Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsrats eines Zentralverwahrers aus Art. 27 Abs. 4 Satz 1 CSDR. Ließe man eine gesellschaftsrechtliche Beschlussanfechtung insoweit nicht zu, müsste ein nicht ausreichend qualifiziertes Aufsichtsrats­ mitglied nicht um sein Mandat fürchten. Zwar verbleibt den Aufsichtsbehörden – allerdings nur bei Zentralverwah­ rern – die Möglichkeit, unmittelbar gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern auf die Generalklausel des § 53p KWG gestützte Anordnungen zu treffen. Diese könnten beispielsweise darin bestehen, den entsprechenden Aufsichts­ ratsmitgliedern Weiterbildungsmaßnahmen aufzuerlegen. Auch kommt eine Organhaftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft auf­ grund eines Übernahmeverschuldens in Betracht.63 Gleichwohl wäre zwei­ ZGR 2015, 124, 129. Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 96. 62  Siehe oben 3. Teil: A. II. 3. b). 63  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 39; Habersack, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 22; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 116 Rn. 16. 60  Wundenberg,

61  Bronnert-Härle,

292 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

felhaft, ob ein ausreichender Druck zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen bestünde. Aus diesen Erwägungen folgt zwar nicht zwin­ gend, dass eine Anfechtung der Aufsichtsratswahlen in allen Fällen zulässig sein muss. Zumindest wird man aus dem Grundsatz der effektiven Umset­ zung des Unionsrechts aber einen Willen des Unionsgesetzgebers ableiten können, Maßnahmen der privaten Rechtsdurchsetzung jedenfalls nicht zu verhindern oder wesentlich zu erschweren. Nach alledem spricht die unions­ rechtliche Rechtsnatur der aufsichtsrechtlichen Vorgaben dafür, die Be­ schlussanfechtung bei einem Verstoß gegen die Vorgaben der Verordnungen zuzulassen. c) Kein Ausschluss der Anfechtung durch Art. 35a CRAR Besonderheiten könnten bei Ratingagenturen allerdings daraus folgen, dass Art. 35a CRAR eine zivilrechtliche Haftung für den Verstoß gegen organisa­ tionsrechtliche Anforderungen vorsieht.64 Ein haftungsbegründender Verstoß liegt unter anderem dann vor, wenn die Ratingagentur nicht die erforderliche Anzahl unabhängiger Mitglieder für ihr Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan ernennt (Anhang III Abs. 1 Nr. 6 CRAR) oder wenn sie Mit­glieder für das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan ernennt, die nicht über ausreichende Fach­ kenntnisse im Bereich Finanzdienstleistungen verfügen (Anhang III Abs. 1 Nr. 8 CRAR). Die Verordnung sieht demnach ausdrücklich einen zivilrecht­ lichen Schadensersatzanspruch als Rechtsfolge für einen Verstoß gegen die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Besetzung des Aufsichtsorgans vor. Die CRAR regelt die zivilrechtlichen Rechtsfolgen eines solchen Versto­ ßes jedoch nicht abschließend selbst. Das folgt bereits aus Art. 35a Abs. 5 CRAR, wonach weitere zivilrechtliche Haftungsansprüche im Einklang mit dem nationalen Recht nicht ausgeschlossen sind. Zudem betrifft der Scha­ densersatzanspruch nach Art. 35a CRAR das Verhältnis zwischen Anlegern bzw. Emittenten auf der einen Seite und der Ratingagentur auf der anderen Seite, während die Beschlussanfechtung das innergesellschaftliche Verhält­ nis regelt. Schließlich spricht der Grundsatz der effektiven Umsetzung des Unions­ rechts für eine Anwendung der Regelungen des Beschlussmängel­ rechts. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die CRAR weiter­ gehende zivilrechtliche Rechtsfolgen seitens der Mitgliedstaaten, die mögli­ cherweise die Durchsetzung der Verordnung erleichtern, sperren will. Im Übrigen kommt in der Regelung des Art. 35a CRAR der Gedanken zum Ausdruck, dass der Unionsrechtsgesetzgeber ein private enforcement auf­ 64  Siehe

unten 3. Teil: D. I.



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht293

sichtsrechtlicher Governance-Vorgaben grundsätzlich befürwortet.65 Zwar sind Verstöße gegen die Fit & Proper-Anforderungen der CRAR – im Gegen­ satz zu denen nach CSDR und EMIR – bußgeldbewehrt, sodass insoweit am Vorliegen eines aufsichtsrechtlichen Vollzugsdefizits gezweifelt werden kann. Eine solche ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion ist aber nicht gleicher­ maßen effektiv wie die Möglichkeit eines Abberufungsverlangens, weil sie die Amtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder unberührt lässt. d) Zwischenergebnis Verstöße gegen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Govern­ ance können im Allgemeinen beschlussmängelrechtliche Folgen nach sich zie­ hen. Denkbar ist eine Anfechtung der Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung nach § 251 AktG, sofern das gewählte Aufsichtsratsmitglied die Anforderun­ gen, welche das Aufsichtsrecht an die Mitglieder des Aufsichtsorgans stellt, nicht erfüllt. Für sonstige Beschlüsse der Hauptversammlung kommt eine An­ fechtung nach § 243 AktG in Betracht, sofern sie gegen aufsichtsrechtliche Organisationsvorgaben verstoßen. Die unionsrechtliche Natur der aufsichts­ rechtlichen Anforderungen lässt sich als zusätzliches Argument für ein private enforcement in Form des gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrechts an­ führen. Zur Begründung der Anfechtbarkeit kommt es darauf aber nicht ent­ scheidend an, weil deren Zulässigkeit bereits aus den Regelungen des nationa­ len Rechts folgt, die eine Anfechtungsmöglichkeit für jeden Gesetzesverstoß vorsehen. Ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit der Beschlussanfech­ tung ist immer im Einzelfall zu untersuchen, ob ein Verstoß gegen aufsichts­ rechtliche Vorgaben beschlussrechtliche Folgen nach sich zieht. 3. Einzelfälle zur Anfechtbarkeit einer Aufsichtsratswahl (§ 251 AktG) a) Verstoß gegen die aufsichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforderungen Erfüllt ein Aufsichtsratsmitglied die aufsichtsrechtlichen Fit & ProperAnforderungen (Sachkenntnis, guter Leumund)66 nicht, kann der Beschluss zur Wahl dieses Mitglieds nach § 251 AktG angefochten werden.67 Gegen 65  Vgl. Dornis, in: BeckOGK Zivilrecht, IPR Internationales und europäisches Finanzmarktrecht (Stand: 01.11.2022) Rn. 705: bei Art. 35a CRAR gehe es primär um das private enforcement, nicht um die Kompensation privater Schäden; Wojcik, NJW 2013, 2385, 2385 f. 66  Dazu näher oben 2. Teil: C. IV. 1. 67  Mimberg, WM 2015, 1791 ff.; Simons, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 251 Rn. 5; R. Weber/Kersjes, Hauptversammlungsbeschlüsse, 2010, § 1 Rn. 480; L. Winkler, Aufsichtsrat im Versicherungsunternehmen, 2017, S. 416; a. A. Lutter/

294 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

die Anfechtbarkeit wird allerdings angeführt, die persönlichen Anforderun­ gen an die Aufsichtsratsmitglieder seien erkennbar auf eine Prüfung und Bewertung durch die Aufsichtsbehörden zugeschnitten.68 Eine parallele an­ fechtungsrechtliche Durchsetzung sei dieser aufsichtsrechtlichen Konzeption wesensfremd.69 Zudem belaste man die Wahl der Verwaltungsmitglieder mit einer unnötigen Rechtsunsicherheit, da sich die persönliche Qualifikation ei­ nes Aufsichtsratsmitglieds vor der Wahl häufig nur schwer beurteilen lasse.70 Die Qualifikationsanforderungen seien zu wenig greifbar, um die Wahlfrei­ heit der Aktionäre zu beschränken.71 Außerdem wird darauf abgestellt, dass die fehlende Sachkunde eines Aufsichtsratsmitgliedes aktienrechtlich nach herrschender Meinung72 nicht zur Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses füh­ re.73 Auch bei den aufsichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforderungen spricht al­ lerdings der Wortlaut des § 251 AktG entscheidend für die Möglichkeit der Anfechtung, da er jeglichen Gesetzesverstoß erfasst. Zudem spricht auch hier gegen einen Ausschluss der Anfechtbarkeit, dass das gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelrecht andere Ziele verfolgt als das aufsichtsrechtliche Sank­ tionsregime. Das Argument, dass die aufsichtsrechtlichen Sanktionsmecha­ nismen eine parallele Durchsetzung durch die Anfechtungsklage entbehrlich machen, greift für die Fit & Proper-Anforderungen der Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 EMIR, Art. 27 Abs. 4 Satz 1 CSDR, Anh. I Abschnitt A Nr. 2 Abs. 5 Satz 1 CRAR gerade nicht. Denn wie bereits ausgeführt sieht das Aufsichts­ recht – anders als bei Verstößen gegen § 25d KWG – für diese Fälle keine spezielle Befugnis der Aufsichtsbehörden vor, die Abberufung eines nicht ausreichend qualifizierten Aufsichtsratsmitgliedes zu verlangen. Zumindest insoweit ist die private Rechtsdurchsetzung der aufsichtsrechtlichen Normen

Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1501; Binder, ZGR 2018, 88, 123; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 93 ff.; Wundenberg, in: Veil, EuropKapitalmarktR, 3. Aufl. 2022, § 34 Rn. 66; Grunewald, NZG 2015, 609, 612 (i. d. R. keine Anfechtbarkeit); wohl auch Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 15. 68  Binder, ZGR 2018, 88, 123. 69  Binder, ZGR 2018, 88, 123. 70  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1501. 71  Grunewald, NZG 2015, 609, 612, die aber in „krassen Fällen“ den Beschluss für anfechtbar hält, z. B. wenn das AR-Mitglied über keinerlei Qualifikation verfügt und diese auch nicht durch Weiterbildung erlangen kann. 72  S. etwa Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 28 ff.; Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 100 Rn. 16, 59; Kiefner, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2014, § 251 Rn. 13. 73  Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, 7. Aufl. 2020, Rn. 1501.



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht295

angezeigt, weil die gesellschaftsrechtliche Beschlussanfechtung zur effekti­ ven Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen erforderlich ist.74 b) Verstoß gegen das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeitserfordernis Die Anfechtung einer Aufsichtsratswahl nach § 251 AktG kommt auch dann in Betracht, wenn der Aufsichtsrat entgegen den aufsichtsrechtlichen Vorgaben nicht mit einer ausreichenden Zahl an unabhängigen Mitgliedern besetzt ist. Im Schrifttum zu § 100 Abs. 5 AktG a. F. war es allerdings umstritten, ob ein Verstoß gegen das aktienrechtliche Unabhängigkeitserfordernis beschluss­ rechtliche Folgen nach sich ziehen konnte. Einigkeit bestand lediglich darü­ ber, dass ein Verstoß nicht zur Nichtigkeit des Wahlbeschlusses der Haupt­ versammlung führte.75 Einer Ansicht nach blieben Verstöße gegen das Unabhängigkeitserforder­ nis darüber hinaus ganz ohne beschlussrechtliche Folgen.76 Das Unabhängig­ keitserfordernis sei keine persönliche Anforderung an das jeweilige Auf­ sichtsratsmitglied, sondern eine an das Gesamtorgan Aufsichtsrat gerichtete Organisationsforderung.77 Ein Verstoß gegen diese Anforderung schlage nicht auf den einzelnen Wahlbeschluss durch.78 Nach der herrschenden Ansicht führten Verstöße dagegen zwar nicht zur Nichtigkeit, wohl aber zur Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses der Haupt­ versammlung.79 Dem ist – auch für das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeits­ erfordernis – zuzustimmen. Ist der Aufsichtsrat entgegen den aufsichtsrecht­ 74  Siehe

bereits oben 3. Teil: B. II. 2. b). in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 71 m. w. N. 76  J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 100 Rn. 28; T. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 100 Rn. 62; Simons, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 100 Rn. 56; Austmann, in: MünchHdbAG, 4. Aufl. 2015, § 42 Rn. 177; Gruber, NZG 2008, 12, 14 f.; Lüer, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 385, 400 ff.; Gesell, ZGR 2011, 361, 393 f. (Anfechtbarkeit nur bei Wahl eines einzigen Mitglieds). 77  Gruber, NZG 2008, 12, 14. 78  J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 100 Rn. 28. 79  Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 71 m. w. N.; ders., AG 2008, 98, 106; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 Rn. 79; Kiefner, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2014, § 251 Rn. 35; Grunewald, NZG 2015, 609, 612; Langenbucher, ZGR 2012, 314, 334; E. Vetter, ZGR 2010, 751, 791; ders., in: FS MaierReimer, 2010, S. 795, 811 f.; Wind/Klie, DStR 2010, 1339, 1340 f.; Staake, ZIP 2010, 1013, 1020; Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091; Bröcker/Mosel, GWR 2009, 132, 134; Widmann, BB 2009, 2602, 2603; Jaspers, AG 2009, 607, 612 f.; Ehlers/ Nohlen, in: GS Gruson, 2009, S. 107, 117 f. 75  Habersack,

296 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

lichen Vorgaben nicht mit einer ausreichenden Zahl an unabhängigen Mit­ gliedern besetzt, liegt die von § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG verlangte Gesetzes­ verletzung vor. Das Argument, jeder einzelne Wahlbeschluss verstoße nicht gegen das Gesetz, weil sich das Unabhängigkeitserfordernis nicht an ein ­bestimmtes Aufsichtsratsmitglied richte, überzeugt nicht. Eine solche Sicht­ weise ließe außer Betracht, dass die Einzelwahlen insgesamt zu einem rechtswidrigen Ergebnis führen.80 Für dieses Ergebnis spricht ferner, dass andernfalls ein Verstoß gegen un­ mittelbar anwendbares Unionsrecht beschlussrechtlich ohne Konsequenzen bliebe. Eine Befugnis der BaFin, durch ein Abberufungsverlangen auf eine dem Unionsrecht entsprechende Besetzung des Aufsichtsrats hinzuwirken, besteht gerade nicht.81 Das Gebot privater Rechtsdurchsetzung des Unions­ rechts spricht demnach auch bei einem Verstoß gegen das Unabhängigkeits­ erfordernisses für eine Anfechtungsmöglichkeit. Die bei Verstößen gegen das Unabhängigkeitserfordernis daneben mögliche zivilrechtliche Haftung einer Ratingagentur nach Art. 35a i. V. m. Anhang III Abs. 1 Nr. 6 CRAR sperrt die Anfechtbarkeit nicht.82 Voraussetzung für die Anfechtbarkeit ist allerdings, dass der Verstoß gegen das Unabhängigkeitserfordernis dem konkreten Wahlbeschluss zugeordnet werden kann.83 Steht nur ein (nicht unabhängiger) Kandidat zur Wahl und ist die erforderliche Anzahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder noch nicht erreicht, ist diese Wahl anfechtbar.84 Erfolgt die Wahl mehrerer Kandidaten als Listenwahl, ist der Wahlbeschluss insgesamt anfechtbar, wenn nicht die erforderliche Zahl unabhängiger Mitglieder zur Wahl steht.85 Werden meh­ rere Kandidaten durch Einzelwahlen bestimmt, sind nicht alle Wahlbeschlüsse anfechtbar.86 Sofern bestimmte Kandidaten als unabhängige Mitglieder be­ zeichnet wurden, ist deren Wahl anfechtbar.87 Im Übrigen sind alle auf die Wahl eines nicht unabhängigen Kandidaten gerichteten Beschlüsse, die nach dem Erreichen der zulässigen Zahl nicht unabhängiger Mitglieder gefasst wurden, gesetzeswidrig und deshalb anfechtbar. Dies entspricht der herr­ GWR 2009, 132, 134; Widmann, BB 2009, 2602, 2603. oben 3. Teil: A. II. 3. b). 82  Siehe oben 3. Teil: B. II. 2. c). 83  Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 71. 84  Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 Rn. 79; Ehlers/Nohlen, in: GS Gruson, 2009, S. 107, 117 f. 85  Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 72; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 Rn. 79; Ehlers/Nohlen, in: GS Gruson, 2009, S. 107, 118. 86  A. A. Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091; E. Vetter, in: FS Maier-Rei­ mer, 2010, S. 795, 811. 87  Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 72. 80  Bröcker/Mosel, 81  Siehe



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht297

schenden Meinung zu § 100 Abs. 5 AktG a. F., wonach lediglich der letzte Beschluss anfechtbar war, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Gesetzesverstoß feststand.88 Der Vergleich mit § 250 Abs. 1 Nr. 3 AktG, der die Nichtigkeit eines Beschlusses anordnet, wenn durch die Wahl die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder nach § 95 AktG überschritten wird, stützt dieses Auslegungsergebnis.89 Auch dort sind nach allgemeiner Meinung alle Wahl­ beschlüsse gültig, die bis zum Erreichen der Höchstzahl gefasst werden, und alle nachfolgenden Beschlüsse nichtig.90

III. Beschlussmängelrecht in Personengesellschaften 1. Überblick zur Rechtsentwicklung Am 17. August 2021 wurde das MoPeG im Bundesgesetzblatt verkündet, welches das Personengesellschaftsrecht grundlegend reformiert. Die Geset­ zesnovelle kodifiziert erstmals ein Beschlussmängelrecht für Personengesell­ schaften (§§ 110 ff. HGB), das an das aktienrechtliche Anfechtungsmodell angelehnt ist. Das MoPeG tritt in seinen wesentlichen Teilen jedoch erst am 1. Januar 2024 in Kraft.91 Dies macht es erforderlich, bei der Betrachtung des Beschlussmängelrechts von Personengesellschaften zwischen der Rechts­ lage vor und nach Inkrafttreten des MoPeG zu differenzieren. 2. Rechtslage vor Inkrafttreten des MoPeG a) Anwendbarkeit der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre Das Personengesellschaftsrecht in der Fassung vor Inkrafttreten des ­ oPeG enthält keine Regelungen zu Beschlussmängeln. Das aktienrecht­ M liche Beschlussmängelrecht mit der Unterscheidung zwischen Nichtigkeitsund Anfechtungsgründen sowie der gerichtlichen Geltendmachung durch die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage ist nach herrschender Meinung nicht analog auf Personengesellschaften anwendbar.92 Stattdessen müssen die Ge­ 88  Jaspers, AG 2009, 607, 613; Wind/Klie, DStR 2010, 1339, 1341; Habersack, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 72; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 Rn. 79. 89  Jaspers, AG 2009, 607, 613. 90  J. Koch, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 250 Rn. 12 m. w. N. 91  Art. 137 MoPeG. 92  S. etwa C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 119 Rn. 75 ff., auch zu abweichenden Ansichten; zum Streitstand ferner Bayer/Möller, NZG 2018, 801, 807 f.

298 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

sellschafter Beschlussfehler gegenüber den anderen Gesellschaftern im Wege der Feststellungsklage (§ 256 ZPO) geltend machen, und zwar mit dem Ziel, die Unwirksamkeit des Beschlusses festzustellen. Die Wirksamkeit eines Beschlusses richtet sich mangels speziellerer Regelungen nach der allgemei­ nen Rechtsgeschäftslehre, weshalb Gesellschafterbeschlüsse bei der Verlet­ zung eines gesetzlichen Verbotes nach § 134 BGB zwingend nichtig sind.93 Allerdings erfüllt nicht jeder Gesetzesverstoß den Tatbestand des § 134 BGB, sodass jeweils im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist, ob das ver­ letzte Gesetz Verbotscharakter hat.94 b) Aufsichtsrechtliche Corporate Governance-Anforderungen als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB Die Anforderungen des EU-Aufsichtsrechts sind grundsätzlich als Verbots­ gesetze i. S. d. § 134 BGB einzuordnen. Die unionsrechtliche Herkunft der Normen steht dem nicht entgegen, da sekundäres Unionsrecht unter § 134 BGB fallen kann.95 Indem das EU-Aufsichtsrecht den betroffenen Unter­ nehmen Regelungen zur Corporate Governance aufgibt, die diese zwingend zu beachten haben, entfaltet es eine Verbotswirkung. Zumindest implizit be­ inhalten die Corporate Governance-Anforderungen die Vorgabe, dass Rechts­ geschäfte der Gesellschaft, die der aufsichtsrechtlich geforderten Unterneh­ mensorganisation widersprechen, unzulässig und damit verboten sind. Allerdings ist darüber hinaus noch erforderlich, dass der Gesetzesverstoß nach dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm gerade die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge haben soll, was im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln ist.96 Dagegen könnte sprechen, dass Verstöße gegen das Auf­ sichtsrecht bereits anderweitig durch das aufsichtsrechtliche Instrumentarium sanktioniert werden. Jedoch regelt das Aufsichtsrecht lediglich die aufsichts­ rechtlichen, nicht aber die zivilrechtlichen Rechtsfolgen seiner materiellen Vorgaben, sodass insofern noch Raum für die Anwendung des § 134 BGB bleibt. Für die Anwendung des § 134 BGB spricht zudem das Gebot zur ef­ fektiven Durchsetzung des Unionsrechts.97 Mit den Zielen des EU-Aufsichts­ rechts ist es nicht in Einklang zu bringen, dass sich die Gesellschafter einer Personengesellschaft durch einen – auch einstimmigen – Beschluss über in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 119 Rn. 85. ZHR 163 (1999), 54, 67; C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009,

93  C. Schäfer, 94  Casper,

§ 119 Rn. 85. 95  Armbrüster, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 134 Rn. 51. 96  Wendtland, in: BeckOK BGB, 65. Edition, Stand 01.02.2023, § 134 BGB Rn. 10 m. w. N. 97  Armbrüster, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2021, § 134 Rn. 52.



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht299

zwingende aufsichtsrechtliche Bestimmungen hinwegsetzen. Die Möglich­ keit, einen Verstoß gegen das Aufsichtsrecht durch eine Anfechtungsklage geltend zu machen, besteht anders als bei Kapitalgesellschaften gerade nicht. c) Besonderheiten bei der Wahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans Etwas anderes könnte allerdings für die Wahl der Mitglieder des Auf­ sichtsorgans gelten, dessen Einrichtung das Aufsichtsrecht rechtsformüber­ greifend verlangt. Zwar spricht das aufsichtsrechtliche Interesse daran, die Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsorgans effektiv umzusetzen, für eine Nichtigkeit der Wahlbeschlüsse nach § 134 BGB. Da das aufsichts­ rechtliche Sanktionsregime insoweit lückenhaft ist, besteht ein Gebot privater Rechtsdurchsetzung. Auf der anderen Seite ist für eine effektive Über­ wachung der Geschäftsleitung, die das Aufsichtsrecht bezweckt, auch eine rechtssichere Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsorgans von zentraler Bedeutung. Im GmbH- und Aktienrecht sprach dies dafür, lediglich von einer Anfechtbarkeit, nicht aber von einer Nichtigkeit der Wahlbeschlüsse zum Aufsichtsrat auszugehen. Eine effektive Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben wäre bereits durch eine Anfechtungsmöglichkeit ausreichend ge­ wahrt, die bei Kapitalgesellschaften einen optimalen Kompromiss der beiden widerstreitenden Regelungsziele bietet. Aus diesen Erwägungen heraus könnte das Anfechtungsrecht der §§ 243 ff. AktG auf die Wahlen des Aufsichtsorgans einer regulierten Personengesell­ schaft ausnahmsweise analog anzuwenden sein. Dies würde einen Gleichlauf der beschlussrechtlichen Folgen für die Wahlen des Aufsichtsorgans beauf­ sichtigter Gesellschaften gewährleisten, was dem rechtsformübergreifenden Ansatz des Aufsichtsrechts entspräche. Gleichwohl ist eine analoge Anwen­ dung der § 241 ff. AktG abzulehnen, weil diese auf Personengesellschaften gerade nicht passen.98 Eine Ausnahme hiervon ist aus aufsichtsrechtlicher Sicht nicht unbedingt erforderlich, weil eine ausreichende Rechtssicherheit durch die Lehre vom fehlerhaften Organ99 gewährleistet kann. Die Anwen­ dung dieses Rechtsinstituts auf die Mitglieder des Aufsichtsorgans einer be­ aufsichtigten Personengesellschaft begegnet keinen Bedenken. 3. Rechtslage nach Inkrafttreten des MoPeG Das neue Beschlussmängelrecht der §§ 110 ff. HGB n. F., das nach Inkraft­ treten des MoPeG gelten wird, erlaubt bei Personenhandelsgesellschaften 98  Vgl.

C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 119 Rn. 77. unten 3. Teil: B. V.

99  Siehe

300 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

erstmals eine Differenzierung zwischen nichtigen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen. Diese Vorschriften finden auf die OHG und über den Verweis des § 161 Abs. 2 HGB auf die KG Anwendung. Das neue Recht sieht künftig auch bei Personenhandelsgesellschaften das Instrument der Anfechtungsklage vor. Gesellschafterbeschlüsse können nach § 110 Abs. 1 HGB n. F. aufgrund der Verletzung von Rechtsvorschriften angefochten werden. Die Nichtigkeit des Beschlusses tritt gemäß § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB n. F. erst durch die rechtsgestaltende Wirkung des Urteils im Anfechtungsprozesses ein. Allerdings sind Gesellschafterbeschlüsse gemäß § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB n. F. von Anfang an nichtig, wenn sie durch ihren Inhalt Rechtsvor­ schriften verletzen, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können. Im Umkehrschluss folgt aus § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB n. F., dass die Anfechtbarkeit als Rechtsfolge auf Verstöße gegen dispositives Recht beschränkt bleibt.100 Dahinter steht der Gedanke, dass die Gesellschaf­ ter über die Rechtsfolgen eines Verstoßes nur insoweit disponieren dürften, wie sie auch befugt sind, über die verletzte Rechtsvorschrift zu disponie­ ren.101 Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance sind je­ doch zwingendes Recht, das nicht zur Disposition der Gesellschafter steht. Ein Gesellschafterbeschluss, der gegen unmittelbar anwendbares EU-Auf­ sichtsrecht verstößt, ist daher nach § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB n. F. nich­ tig. Im Ergebnis bleibt es daher auch nach Inkrafttreten des MoPeG bei der Nichtigkeit als Rechtsfolge bei Verstößen gegen das EU-Aufsichtsrecht. Le­ diglich die prozessuale Durchsetzung solcher Verstöße ändert sich nach dem neuen Beschlussmängelrecht. Künftig ist die Nichtigkeitsklage nach § 114 HGB n. F. statthaft, während die Gesellschafter die Nichtigkeit eines Gesell­ schafterbeschlusses nach derzeitiger Rechtslage nur mittels der allgemeinen Feststellungsklage geltend machen können.

IV. Beschlüsse der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsorgans 1. Anwendung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre Die Gesellschaft kann auch durch Beschlüsse der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsorgans gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben verstoßen. Für Män­ gel dieser Beschlüsse enthält das Gesellschaftsrecht keine speziellen Rege­ lungen. Die im Aktienrecht früher diskutierte analoge Anwendung des Be­ schlussmängelrechts der §§ 241 ff. AktG auf Aufsichtsratsbeschlüsse wird 100  Vgl.

Böttcher, in: BeckOGK HGB, Stand: 01.11.2022, § 119 Rn. 215. RegE MoPeG, BT-Drs. 19/27635, S. 111.

101  Begr.



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht301

heute von der ganz herrschenden Meinung zurecht abgelehnt.102 Für Be­ schlüsse des Vorstands gilt Entsprechendes.103 Gesetzeswidrige Beschlüsse des Aufsichtsrats oder Vorstands sind deshalb grundsätzlich nach § 134 BGB nichtig,104 wobei die Nichtigkeitsfolge bei weniger schweren Verstößen ggfs. auf anderem Wege einzuschränken ist.105 Zudem kann die Nichtigkeit nur derjenige geltend machen, der ein Feststellungsinteresse i. S. d. § 256 Abs. 1 ZPO nachweisen kann.106 Die Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts sind – wie oben bereits dargelegt – grundsätzlich als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB einzuordnen.107 Die Tatsache, dass das Aufsichtsrecht selbst Sanktionen für Verstöße vorsieht, steht einer Nichtigkeit von Beschlüssen der Verwaltung ebenso wenig entgegen wie einer Anfechtung von Beschlüssen der Hauptver­ sammlung.108 Diese Grundsätze müssen in gleicher Weise auf Beschlüsse der GmbH-Geschäftsführer Anwendung finden. 2. Keine Unwirksamkeit der Bestellung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern Ein Beispielsfall für eine Beschlussfassung des Aufsichtsorgans ist die Bestellung der Mitglieder des Vorstands einer AG durch den Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. Entsprechendes gilt für die Geschäftsführer einer beaufsichtigten GmbH, weil der dort obligatorische Aufsichtsrat abwei­ chend von § 52 Abs. 1 GmbHG über die Personalkompetenz verfügen muss.109 Dieser Beschluss des Aufsichtsrats könnte nichtig sein, wenn die zum Vorstand oder Geschäftsführer bestellte Person nicht die Anforderungen erfüllt, die das Aufsichtsrecht an die Geschäftsleiter stellt. Die Frage wird zu den bankaufsichts- und versicherungsaufsichtsrechtlichen Bestellungshinder­ nissen kaum diskutiert,110 die herrschende Meinung geht aber – zumindest stillschweigend – von einer Wirksamkeit der Bestellung aus. So setzen dieje­ nigen Stimmen, die bei fehlender Qualifikation eines Vorstandsmitglieds eine 102  Nachweise

bei C. Schäfer, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 241 Rn. 97. in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 241 Rn. 87. 104  Zu Aufsichtsratsbeschlüssen etwa Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 108 Rn. 73. Zu Vorstandsbeschlüssen C. Schäfer, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 241 Rn. 98; Drescher, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 241 Rn. 87. 105  Näher dazu J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 108 Rn. 29. 106  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 108 Rn. 85 m. w. N. 107  Siehe oben 3. Teil: B. III. 2. b). 108  A. A. Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 95 ff. 109  Siehe oben 2. Teil: C. II. 4. b). 110  Ausdrücklich gegen eine Nichtigkeit analog §§ 76 Abs. 3 Satz 2, 250 Abs. 1 Nr. 4 Hersch, Aufsichtsrechtliche Anforderungen, 2015, S. 317 f. 103  Drescher,

302 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

Pflicht des Aufsichtsrats zur Abberufung nach § 84 Abs. 4 AktG bejahen,111 die Wirksamkeit der Bestellung voraus. Im Ergebnis ist eine Nichtigkeit der Bestellung abzulehnen. Hierfür spricht der Vergleich zu den Aufsichtsratswahlen, bei denen nach zutreffender An­ sicht zwar eine Anfechtbarkeit nach § 251 AktG anzunehmen ist, nicht aber eine Nichtigkeit nach § 250 AktG.112 Zwar ist bei Beschlüssen des Aufsichts­ rats gerade keine Differenzierung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit möglich. Aufsichtsratsbeschlüsse, die inhaltlich gegen zwingende Vorschrif­ ten des Gesetzes verstoßen, sind grundsätzlich nichtig.113 Insbesondere hat eine Verletzung der aktienrechtlichen Bestellungshindernisse in § 76 Abs. 3 AktG die Nichtigkeit der Bestellung nach § 134 BGB zur Folge.114 Die sachlichen Gründe, die gegen eine Nichtigkeit der Aufsichtsratswahlen analog § 250 AktG sprechen, können aber auf die Bestellung des Vorstands übertragen werden. Die Anwendung des § 134 BGB erfordert, dass der Ge­ setzesverstoß nach dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm gerade die Nich­ tigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge haben soll, was im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln ist.115 Die Nichtigkeitsfolge würde zu einer erhebli­ chen Rechtsunsicherheit führen, was dem aufsichtsrechtlichen Interesse an einer rechtssicheren Bestellung der Geschäftsleitung widerspräche. Während relativ leicht zu entscheiden ist, ob ein Bestellungshindernis nach § 76 Abs. 3 AktG besteht, kann die Entscheidung, ob ein Vorstandsmitglied die aufsichts­ rechtlichen Fit & Proper-Anforderungen erfüllt, mit erheblichen Schwierig­ keiten verbunden sein. Zwar könnte die Rechtsunsicherheit, die sich aus einer Nichtigkeit der Bestellung der Geschäftsleiter ergäbe, durch die Lehre vom fehlerhaften Organ abgemildert werden. Die Nichtigkeit des Bestellungs­ beschlusses ist aus aufsichtsrechtlicher Sicht aber gerade nicht erforderlich, weil eine effektive Durchsetzung der Qualifikationsanforderungen an die Geschäftsleiter bereits durch die aufsichtsrechtlichen Sanktionsmechanismen gewährleistet ist. Die Aufsichtsbehörden können von der Gesellschaft nach § 36 Abs. 1a Satz 2, Abs. 1b Satz 2 KWG die Abberufung der Geschäftsleiter verlangen, die nicht die nach Art. 27 Abs. 1 EMIR und Art. 27 Abs. 1 CSDR erforderlichen persönlichen Voraussetzungen erfüllen. Eine Sanktionslücke – wie bei den persönlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder – besteht 111  So

etwa Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 491. oben 3. Teil: B. II. 1. a). 113  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 108 Rn. 80; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 108 Rn. 172; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 108 Rn. 26 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2013, § 108 Rn. 97. 114  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 265 m. w. N. 115  Wendtland, in: BeckOK BGB, 65. Edition, Stand 01.02.2023, § 134 BGB Rn. 10 m. w. N. 112  Siehe



B. Gesellschaftsrechtliches Beschlussmängelrecht303

nicht. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass das Aufsichtsrecht zwingend eine zivilrechtliche Unwirksamkeit der Bestellung fordert. Zudem geht § 36 KWG davon aus, dass die Bestellung der Geschäftsleiter im Grundsatz wirksam sein muss, weil ein Abberufungsverlangen der Aufsichts­ behörden gegenüber der Gesellschaft andernfalls entbehrlich wäre. Dies ist bei einer bloßen Anfechtbarkeit einer Aufsichtsratswahl anders, weil dort keine Gewähr besteht, dass die fehlerhaften Wahlen auch tatsächlich durch die Anfechtungsklage angegriffen werden. Gleiches gilt für Ratingagenturen. Zwar könnte man dort ein Bedürfnis für ein private enforcement sehen, weil eine fehlerhafte Besetzung des Vorstands lediglich aufsichtsrechtliche Sanktionen gegenüber der Gesellschaft, nicht aber gegenüber den Organmitgliedern auslösen kann. Das Ziel einer rechts­ sicheren Bestellung der Geschäftsleiter ist jedoch auch bei Ratingagenturen als vorrangig zu betrachten. Bei den Geschäftsleitern wiegt das Argument der Rechtsicherheit noch deutlich schwerer als bei Aufsichtsratswahlen, weil der Vorstand bzw. die Geschäftsführer die Gesellschaft nach den §§ 78 AktG, 35 GmbHG grundsätzlich gegenüber Dritten vertreten.

V. Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Organ Ein Verstoß gegen das EU-Aufsichtsrecht lässt nach den vorstehenden Überlegungen sowohl die Bestellung eines Geschäftsleiters als auch die Wirk­ samkeit der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds unberührt. Etwas anderes gilt allerdings für die Beschlüsse zur Wahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans in Personengesellschaften, die nach § 134 BGB bzw. – nach Inkrafttreten des MoPeG – § 110 Abs. 2 HGB n. F. nichtig sein können. Zudem kann die An­ fechtung einer Aufsichtsratswahl nach § 251 AktG zulässigerweise auf einen Verstoß gegen EU-Aufsichtsrecht gestützt werden, sofern dieser den konkre­ ten Wahlbeschluss betrifft. Im Fall einer erfolgreichen Anfechtung wird die Wahl des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds rückwirkend für nichtig erklärt, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen kann. Das fehlerhaft be­ stellte Mitglied hat unter Umständen an einer Vielzahl von Organbeschlüssen mitgewirkt, deren Wirksamkeit nun in Zweifel steht. Dieser Unsicherheit be­ gegnet die Lehre vom fehlerhaften Organ dadurch, dass sie das Organverhält­ nis als vorläufig wirksam betrachtet, wenn es in Vollzug gesetzt ist.116 Daraus 116  S. zum Vorstand etwa Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 82 ff.; zum Aufsichtsrat Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 101 Rn. 69 ff.; J. Koch, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2021, § 250 Rn. 27 (je mit umfangreichen Nachweisen). Um­ stritten ist, ob die Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organ lediglich im Innen­ verhältnis oder auch im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Rechtsverkehr gelten; dazu Sajnovits, ZHR 186 (2022), 290 ff.

304 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

soll die Wirksamkeit einer Stimmabgabe des fehlerhaft bestellten Organs fol­ gen.117 Der BGH118 hält die Stimmabgabe fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmit­ glieder dagegen für unwirksam und lehnt die Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Organ insoweit ab. Das betroffene Aufsichtsratsmitglied ist demnach als Nichtmitglied zu behandeln. Die Nichtigkeit eines gefassten Beschlusses folgt daraus auf Grundlage der Rechtsprechung allerdings nur dann, wenn die Stimme des fehlerhaft bestellten Mitglieds kausal für das Zustandekommen des Beschlusses war.119 Für die Verletzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben ist eine vorläufige Wirk­ samkeit der Organstellung im Sinne der Lehre vom fehlerhaften Organ zu bejahen. Zwar bleibt für die Lehre vom fehlerhaften Organ kein Raum, wenn ihr höherrangige Schutzinteressen der Allgemeinheit oder Einzelner entge­ genstehen.120 Dies könnte bei der Verletzung aufsichtsrechtlicher Normen der Fall sein, weil das Aufsichtsrecht einem übergeordneten öffentlichen In­ teresse dient.121 Allerdings ist zu beachten, dass eine rechtssichere Beset­ zung der Gesellschaftsorgane im aufsichtsrechtlichen Interesse einer stabilen Unternehmensführung liegt. Ein ausreichender Befolgungsdruck ist auch dann gegeben, wenn man es bei einer Beschlussanfechtung mit ex nuncWirkung belässt. Die aufsichtsrechtlichen Schutzziele sprechen im Ergebnis deshalb gerade für die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organ.

VI. Ergebnis Die Unternehmen müssen bei der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vorga­ ben zur Corporate Governance nicht nur die aufsichtsrechtlichen, sondern auch die gesellschaftsrechtlichen Rechtsfolgen im Blick behalten. Verstöße gegen das Aufsichtsrecht können zur Anfechtbarkeit oder gar Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschaftsorgane führen. Zwar ist die Bestellung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern grundsätzlich wirksam. Bei Auf­ sichtsräten kann eine erfolgreiche Anfechtung die Organstellung aber entfal­ len lassen. Gleiches gilt für Personengesellschaften, weil ein Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben bei diesen zur Beschlussnichtigkeit führt. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit kann über die Lehre vom fehlerhaften Organ abgemildert werden. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 101 Rn. 71 m. w. N. 196, 195, 201 ff. = WM 2013, 699. 119  BGHZ 196, 195, 203 = WM 2013, 699. 120  S. etwa Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 101 Rn. 73; Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 87. 121  In diese Richtung Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 94. 117  Habersack, 118  BGHZ



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 305

C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans I. Verhältnis von Organhaftung und aufsichtsrechtlichem Sanktionsregime Für die Geschäftsleiter eines Unternehmens im Finanzsektor stellt sich die Frage, inwieweit ihnen – neben möglichen aufsichtsrechtlichen Sanktionen – eine zivilrechtliche Organhaftung gegenüber der Gesellschaft droht, wenn sie die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance nicht oder nicht ordnungsgemäß umsetzen. Auch insoweit ist das Verhältnis zwischen zivilund aufsichtsrechtlichen Sanktionsmechanismen von entscheidender Bedeu­ tung. Für die Organhaftung kann im Ergebnis kein Zweifel daran bestehen, dass beide Sanktionssysteme nebeneinander Anwendung finden müssen.122 Zum einen decken sich die Rechtsfolgen der zivilrechtlichen und aufsichts­ rechtlichen Sanktionsmechanismen insoweit nicht. Zum anderen ändert das Bestehen eines aufsichtsrechtlichen Sanktionsregimes nichts an dem Bedürf­ nis eines zivilrechtlichen Schadensersatzausgleichs im Verhältnis der Gesell­ schaft zu ihren Organen.123 Bei Ratingagenturen sieht zwar Art. 35a CRAR eine spezielle zivilrechtliche Haftung vor, diese verdrängt die Organhaf­ tungsansprüche der Gesellschaft aber nicht. Art. 35a Abs. 5 CRAR legt aus­ drücklich fest, dass die Norm weitere zivilrechtliche Haftungsansprüche nach nationalem Recht nicht ausschließt. Zudem betrifft die Haftung nach Art. 35a CRAR ein anderes Rechtsverhältnis, nämlich die Außenhaftung der Rating­ agentur gegenüber Anlegern oder Emittenten. Auf Schadensersatzansprüche im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Organen kann die Vor­ schrift keinen Einfluss haben.

II. Verstoß gegen Aufsichtsrecht als Pflichtverletzung im Innenverhältnis 1. Pflichtverletzung der Geschäftsleiter Organhaftungsansprüche der Gesellschaft, die auf Verstöße gegen das EUAufsichtsrecht gestützt sind, werden nicht von spezielleren aufsichtsrecht­ lichen Regelungen verdrängt. Ungeachtet dessen verbleibt die Frage, ob die Voraussetzungen eines Organhaftungsanspruchs bei einem Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben zur Corporate Governance erfüllt sind. Die Ge­ 122  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 100 f.; Binder, ZGR 2013, 760, 799 f.; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263. 123  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 101.

306 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

schäftsleiter trifft im Außenverhältnis die Pflicht, alle Rechtsvorschriften, die das Unternehmen als Rechtssubjekt treffen, einzuhalten.124 Dazu gehören nicht nur gesellschaftsrechtliche Vorschriften, sondern auch die Vorgaben des Aufsichtsrechts.125 Keiner Erläuterung bedarf, dass der Geschäftsleiter über­ dies die aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllen muss, die ihn direkt als Organ treffen. Allerdings ist es nicht selbstverständlich, dass ein Verstoß gegen aufsichts­ rechtliche Vorgaben im Außenverhältnis zugleich eine Pflichtverletzung ge­ genüber der Gesellschaft i. S. d. §§ 93 AktG, 43 GmbHG darstellt. Daran könnte man zweifeln, weil die aufsichtsrechtlichen Corporate GovernanceAnforderungen bereichsspezifische Zwecke erfüllen, die nicht mit dem von den §§ 93 AktG, 43 GmbHG vorrangig geschützten Gesellschaftsinteresse übereinstimmen müssen.126 Im Ergebnis ist eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis aber aufgrund der Legalitätspflicht des Vorstands zu bejahen.127 Neben dem Ziel der Schadenskompensation kommt der Organhaftung auch eine verhaltenssteuernde Funktion zu; die drohende Haftung soll den Vor­ stand zu einem gesetzesgemäßen Verhalten anhalten.128 Die Verbindung zum Gesellschaftsinteresse ist gewahrt, weil der Organhaftungsanspruch einen Schaden der Gesellschaft voraussetzt.129 Aus aufsichtsrechtlicher Sicht spricht für eine Haftung des Vorstands zudem, dass die Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen die Liquidität der Gesellschaft verbessert, was im Interesse der aufsichtsrechtlichen „Risk Governance“ liegt.130 Eine Pflicht­ verletzung des Geschäftsleiters liegt auch dann vor, wenn die Gesellschaft von dem Gesetzesverstoß profitiert, es sich also um eine aus Sicht der Ge­ sellschaft „nützliche Gesetzesverletzung“ handelt.131 Insofern muss die Bin­ dung an gesetzliche Vorschriften gegenüber dem Gesellschaftsinteresse Vor­ in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 28 m. w. N. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 87 m. w. N. 126  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294. 127  So die ganz h. M.; s. etwa BGHSt 55, 288, 301 = NJW 2011, 88; BGHSt 55, 266, 275 f. = NZG 2010, 1190; Binder, ZGR 2013, 760, 786 f.; Armbrüster, ZVers­ Wiss 2011, 639, 641; Wundenberg, Compliance, 2012, S. 133 ff.; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 29; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 74; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 93 Rn. 87. 128  Vgl. Langenbucher, in: FS Lwowski, 2014, S. 333, 333 f. 129  Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 641. 130  Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 641; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263. 131  BGHSt 55, 288, 301 f. = NJW 2011, 88; BGHSt 55, 266, 275 f. = NZG 2010, 1190; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 52; Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 134; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 93 Rn. 87; Bicker, AG 2014, 8, 11; Langenbucher, in: FS Lwowski, 2014, S. 333, 343; einschränkend Habersack, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 437 ff. 124  Fleischer, 125  Spindler,



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 307

rang beanspruchen.132 Allerdings können sich hinsichtlich des Bestehens ei­ nes Schadens schwierige Folgefragen ergeben, die noch nicht endgültig ge­ klärt sind.133 Keine Besonderheiten ergeben sich bei der Haftung der Geschäftsleiter von Personengesellschaften. Im Falle einer schuldhaften Verletzung ihrer Geschäftsführungspflichten müssen die geschäftsführenden Gesellschafter der Gesellschaft nach § 280 BGB den daraus entstandenen Schaden erset­ zen.134 Sie unterliegen in gleichem Maße wie die Geschäftsleiter einer Kapi­ talgesellschaft der Legalitätspflicht und haften bei Gesetzesverstößen im In­ nenverhältnis.135 2. Pflichtverletzung der Mitglieder des Aufsichtsorgans Die Mitglieder des Aufsichtsrats können nach den §§ 116, 93 AktG (ggfs. i. V. m. § 52 GmbHG) gegenüber der Gesellschaft auf Schadensersatz haften. Die Organhaftung nach § 93 AktG gilt dabei gemäß § 116 Satz 1 AktG sinn­ gemäß, was eine Modifizierung des Sorgfaltsmaßstabes beinhaltet. Statt der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG schulden die Mitglieder des Aufsichtsrats die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters.136 Eine Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats kommt demnach dann in Betracht, wenn sie ihre Überwachungspflicht bezüglich der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben durch die Geschäftsleiter verletzen.137 Sämt­ liche aufsichtsrechtlichen Anforderungen, die von den Geschäftsleitern im Rahmen ihrer Legalitätspflicht zu beachten sind, sind spiegelbildlich Gegen­ stand der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG. Die zusätzliche Kontrolle der Umsetzung des Aufsichtsrechts durch die Auf­ 132  BGHSt 55, 288, 301 f. = NJW 2011, 88; BGHSt 55, 266, 275 f. = NZG 2010, 1190; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 52; Wundenberg, Compliance, 2012, S. 134. 133  Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 54 ff.; näher dazu unten 3. Teil: C. IV. 3. 134  C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 50; Jickeli, in: MüKoHGB, 5. Aufl. 2022, § 114 Rn. 56. 135  Vgl. C. Schäfer, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 56. 136  Habersack, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 2; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 57; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 116 Rn. 1 f.; Spindler, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 116 Rn. 39. 137  Hierzu und zum Folgenden Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 265; Dreher/ Häußler, ZGR 2011, 471, 487; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 103.

308 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

sichtsbehörden ändert hieran nichts.138 Zudem kommt eine Haftung der Auf­ sichtsratsmitglieder – wie auch der Geschäftsleiter – in Betracht, wenn sie nicht die aufsichtsrechtlichen Fit & Proper-Anforderungen erfüllen, weil die Übernahme eines Mandates ohne die erforderliche Qualifikation eine schuld­ hafte Pflichtverletzung darstellt.139 Auch bei der Festlegung einer Vergütung, die nicht den Anforderungen des Aufsichtsrechts entspricht, kommt eine Or­ ganhaftung in Betracht.140

III. Haftungsprivileg bei unklarer Rechtslage 1. Rechtliche Unsicherheit aufgrund prinzipienbasierter Regulierung Die Verletzung einer aufsichtsrechtlichen Norm stellt grundsätzlich eine Pflichtverletzung i. S. d. §§ 93 AktG, 43 GmbHG dar. Dies ist unproblema­ tisch, wenn die aufsichtsrechtliche Norm dem angesprochenen Organ eine klare Verhaltensanweisung vorgibt. Weniger klar liegen die Dinge, wenn das Aufsichtsrecht als Ausdruck einer prinzipienbasierten Regulierung lediglich allgemeine Organisationsanforderungen für beaufsichtigte Gesellschaften statuiert, die den Geschäftsleitern einen Umsetzungsspielraum lassen. Bei­ spiele hierfür sind die Regelungen, wonach Zentralverwahrer über „solide Regelungen für die Unternehmensführung und -kontrolle“ verfügen und ei­ nen „soliden Risikomanagementrahmen“ schaffen müssen. Auch wenn diese allgemeinen Vorgaben durch delegierte Rechtsakte konkretisiert werden, bleiben sie vage und verwenden eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe wie „solide“, „angemessen“, „wirksam“ und „umsichtig“. Adressat dieser aufsichtsrechtlichen Vorgaben ist nicht der Geschäftsleiter selbst, sondern die betroffene Gesellschaft. Der Geschäftsleiter ist allerdings verpflichtet, als leitendes Organ die entsprechenden Anforderungen umzusetzen und die ge­ forderten Systeme einzurichten. Er muss dabei eigenverantwortlich entschei­ den, wie die prinzipienbasierten Normen auszulegen und anzuwenden sind.141 Dies erfordert eine aufsichtsrechtliche Selbsteinschätzung, mit der zwangs­ läufig eine Unsicherheit bei der Auslegung und Anwendung des Rechts ein­ hergeht.142 Trotz einer ordnungsgemäßen Ermittlung der Rechtslage, ins­ besondere durch Einholung von Rechtsrat,143 können dem Geschäftsleiter 138  Dazu

bereits oben 2. Teil: C. IX. VersR 2012, 257, 266. Ausführlich zur Haftung aufgrund ei­ nes Verstoßes gegen die persönlichen Anforderungen des § 25c KWG Sekker, Ban­ kenaufsicht, 2019, S. 155 ff. 140  Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 268. 141  Bürkle, VersR 2013, 792. 142  Bürkle, VersR 2013, 792. 143  Näher dazu Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 139 f. 139  Louven/Raapke,



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 309

Zweifel bezüglich der rechtlich geforderten Handlungen verbleiben. Aus der ex-ante-Sicht können die Geschäftsleiter unter Umständen nicht mit absolu­ ter Sicherheit bestimmen, welchen Zustand die Aufsichtsbehörden oder Ge­ richte im Nachhinein als ordnungsgemäße Organisation anerkennen werden. Das Aufsichtsrecht fordert dann eine Entscheidung des Geschäftsleiters trotz einer verbliebenen rechtlichen Unsicherheit. Zwar müssen auch die Geschäftsleiter von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors Entscheidungen bei unklarer Rechtslage treffen. Die enorme Regulierungsdichte des Aufsichtsrechts lässt diese Problematik bei Unterneh­ men des Finanzsektors aber in besonderer Schärfe hervortreten.144 Die Ge­ schäftsleiter müssen bei ihren Entscheidungsprozessen nicht nur die Rege­ lungen des deutschen Rechts, sondern daneben noch die Vorgaben des unmit­ telbar anwendbaren Unionsrechts berücksichtigen. Besonders problematisch ist dies, wenn sich die verschiedenen Regelungsebenen widersprechen. Ver­ langte man aus aufsichtsrechtlicher Sicht eine Organisation im Sinne eines „perfekten Unternehmens“, könnte letztlich jede Unzulänglichkeit in der Unternehmensführung als haftungsbegründende Organisationspflichtverlet­ zung erscheinen.145 Dem Geschäftsleiter drohten quasi unbegrenzte und un­ berechenbare Haftungsrisiken. Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist zu erwä­ gen, ob den Geschäftsleitern bei der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vor­ gaben ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungs- bzw. Ermessensspiel­ raum zugutekommen kann. 2. Dogmatische Grundlage eines Haftungsprivilegs a) Business Judgment Rule Das Aktienrecht privilegiert bestimmte Entscheidungen des Geschäfts­ leiters durch die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierte Business Judgment Rule. Die genaue dogmatische Einordnung – genannt werden Tatbestands­ ausschlussgrund, unwiderlegliche Rechtsvermutung oder Konkretisierung der dem Geschäftsleiter abverlangten objektiven Pflichten – ist umstritten, prak­ tisch aber nicht bedeutsam.146 Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung, wenn der Geschäftsleiter bei einer unternehmeri­ schen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Dies gilt ZBB 2013, 16, 22. ZHR 175 (2011), 368, 382. 146  Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 85; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 46. 144  Langenbucher, 145  Hemeling,

310 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

entsprechend für die Geschäftsführer einer GmbH147 und die geschäftsfüh­ renden Gesellschafter einer OHG oder KG.148 Unternehmerische Entschei­ dungen149 zeichnen sich dadurch aus, dass sie zukunftsbezogen sind und daher nicht justiziable Prognosen und Einschätzungen enthalten. Den Ent­ scheidungen muss ein gewisses Risiko innewohnen und sie müssen unter Unsicherheit getroffen werden. Daneben kann eine unternehmerische Ent­ scheidung als bewusste Auswahl einer unternehmerischen Handlungsmög­ lichkeit von besonderer wirtschaftlicher Tragweite aus mehreren Alternativen verstanden werden. Auf rechtlich gebundene Entscheidungen ist die Business Judgment Rule nach ihrem klaren Wortlaut und der gesetzgeberischen Inten­ tion nicht anwendbar.150 Was die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance betrifft, kommt eine Anwendung der Business Judgment Rule jedenfalls hinsichtlich des „Ob“ deren Umsetzung nicht in Betracht.151 Das unmittelbar anwendbare Unionsrecht verpflichtet die Geschäftsleiter dazu, die aufsichtsrecht­ lichen Organisationsanforderungen umzusetzen. Für ein unternehmerisches Ermes­ sen bleibt insoweit kein Raum. Weitergehend könnte man aus dem zwingen­ den Charakter der aufsichtsrechtlichen Normen folgern, dass diese einen unternehmerischen Ermessensspielraum generell ausschließen.152 Auf der anderen Seite lassen die aufsichtsrechtlichen Normen den Unternehmen be­ wusst – als Folge des prinzipienbasierten Regulierungsmodells – einen Um­ setzungsspielraum, wie diese ihre Unternehmensorganisation konkret ausge­ stalten.153 Dabei können häufig Zweifel verbleiben, welche konkreten Hand­ lungen das prinzipienbasierte, durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägte Aufsichtsrecht fordert.154 Das „Wie“ der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen ist deshalb insofern mit einer unternehmerischen Entschei­ dung vergleichbar, als die Geschäftsleiter in beiden Situationen eine Ent­ scheidung unter Unsicherheit treffen müssen. in: MHLS, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 134 m. w. N. in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 40, 55; Jickeli, in: MüKoHGB, 5. Aufl. 2022, § 114 Rn. 56; einschränkend Schirrmacher, ZHR 186 (2022), 250, 272 ff. 149  Näher zu den im Folgenden genannten – im Einzelnen umstrittenen – Voraus­ setzungen Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 48 ff.; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 89. 150  Begr. RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 151  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1296; Bürkle, VersR 2013, 792, 799. 152  In diese Richtung Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 91 Rn. 40 a. E. 153  Ott, ZGR 2017, 149, 169; Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 646; Mülbert/ Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 520; Fischer/Krolop, in: Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 6. Aufl. 2023, § 36 Rn. 13 f. 154  Allgemein dazu Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, §  93 Rn. 39. 147  Ziemons,

148  C. Schäfer,



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 311

Ungeachtet dieser Überlegungen ist eine direkte Anwendung der Business Judgment Rule grundsätzlich abzulehnen.155 Bei der Ermittlung, welche Handlungen das prinzipienbasierte Aufsichtsrecht von den Geschäftsleitern fordert, steht diesen kein unternehmerisches Ermessen nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu. Den Begriff der unternehmerischen Entscheidung so weit auszulegen, dass dieser generell auch Pflichtaufgaben mit Ermessensspiel­ raum erfasst,156 ginge zu weit und würde die Unterscheidung zwischen un­ ternehmerischen Entscheidungen und Pflichtaufgaben verwischen. Allein das Bestehen eines Umsetzungsspielraums bei aufsichtsrechtlichen Pflichten kann die Anwendung der Business Judgment Rule nicht rechtfertigen.157 Die mit der prinzipienbasierten Regulierung verbundene größere Freiheit ändert nichts daran, dass die Geschäftsleiter verpflichtet sind, die aufsichts­ rechtlichen Vorgaben einzuhalten.158 Bei deren Umsetzung sind die Ge­ schäftsleiter gerade nicht frei, sondern bleiben den qualitativen Zielvorgaben des Aufsichtsrechts verhaftet.159 Anders als dies typischerweise bei unter­ nehmerischen Entscheidungen der Fall ist, haben sie nicht Chancen und Ri­ siken einer Entscheidung gegeneinander abzuwägen, sondern müssen die Vorgaben so umsetzen, dass das vom Aufsichtsrecht vorgeschriebene qualita­ tive Ergebnis – beispielsweise solide Regelungen für die Unternehmensfüh­ rung und -kontrolle – erreicht wird.160 Für betriebswirtschaftliche Erwägun­ gen bleibt dabei im ersten Schritt kein Raum.161 Auch die Zielsetzung der Business Judgment Rule, die Geschäftsleiter als Verwalter des Aktionärsver­ mögens zu einem risikofreudigeren Verhalten anzuhalten, passt auf die Um­ setzung aufsichtsrechtlicher Organisationsvorgaben gerade nicht.162 Anders als bei unternehmerischen Entscheidungen ist es bei rechtlich gebundenen 155  Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S.  337; Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 647 f.; Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 125 f.; Bronnert-Härle, Auf­ sichtsratsausschüsse, 2016, S. 180 ff.; Holle, AG 2011, 778, 780 ff.; Wundenberg, Compliance, 2012, S. 137 ff.; a.  A. Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 75. 156  So etwa Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 75 ff. 157  Armbrüster, KSzW 2013, 10, 14. 158  Bürkle, in: Bürkle/Hauschka, Compliance Officer, 2015, § 13 Rn. 21. 159  Wundenberg, Compliance, 2012, S.  138; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsaus­ schüsse, 2016, S. 181; Holle, AG 2011, 778, 784; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S.  166 f.; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 337; Redeke, WM 2015, 554, 556. 160  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1298. 161  Armbrüster, KSzW 2013, 10, 14; ders., ZVersWiss 2011, 639, 647. 162  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 181; Holle, AG 2011, 778, 782; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 265; kritisch dazu Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 129 f.: übertriebene Risikoaversion kann auch bei rechtlich gebundenen Ent­ scheidungen drohen.

312 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

Entscheidungen nicht gerechtfertigt, den Aktionären das Risiko des Handels aufzubürden.163 Anders liegen die Dinge dagegen, wenn das Aufsichtsrecht den Unterneh­ men ein Spektrum zulässiger Handlungsoptionen bietet; in diesem Fall bleibt Raum für die Anwendung der Business Judgment Rule.164 Das prinzipienba­ sierte Regulierungsmodell kann dazu führen, dass es nicht nur einen „richti­ gen“ Weg gibt, die aufsichtsrechtlichen Systeme zur Unternehmensführung umzusetzen, sondern den betroffenen Unternehmen ein Auswahlermessen zwischen verschiedenen Handlungsvarianten verbleibt.165 Dieser Hand­ lungsspielraum der Geschäftsleiter ist von der Frage der rechtlichen Unsi­ cherheit zu unterscheiden. Er resultiert daraus, dass die rechtliche Bindung der aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen nur soweit reichen kann, wie diese den Spielraum der Geschäftsleiter auf eine oder mehrere Handlungsoptionen verengen. Sind mehrere Gestaltungsvarianten gleich ge­ eignet, die aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen zu erreichen, scheidet eine Organhaftung des Geschäftsleiters aufgrund eines Verstoßes gegen die Lega­ litätspflicht aus, wenn er innerhalb des aufsichtsrechtlich vorgegebenen Spielraums handelt.166 Die Geschäftsleiter sind aus aufsichtsrechtlicher Sicht frei, aus dem rechtlich zulässigen Handlungsspektrum den ihnen am sinnvollsten erscheinenden Lösungsweg zu wählen. Aus gesellschaftsrecht­ licher Sicht sind sie dabei allerdings verpflichtet, die Handlungsoption zu wählen, die dem Unternehmensinteresse am besten entspricht.167 Insoweit handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, weshalb die Ge­ schäftsleiter bei dieser Auswahl die Privilegierung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG in Anspruch nehmen können.168 b) Legal Judgment Rule Bedenkenswert ist aber, auf Entscheidungen unter rechtlicher Unsicherheit § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG in der Gestalt einer „Legal Judgment Rule“ entspre­ chend anzuwenden.169 Für die Analogie spricht, dass mit dem Merkmal der AG 2011, 778, 782 f. ZBB 2013, 16, 23. 165  Wundenberg, Compliance, 2012, S. 56 f.; Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 167. 166  Vgl. Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 166 f.; Badenheim, Bankak­ tiengesellschaft, 2022, S. 355. 167  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 167; vgl. auch Verse, ZGR 2017, 174, 192 f. 168  Langenbucher, ZBB 2013, 16, 23; vgl. auch Verse, ZGR 2017, 174, 192 f. 169  So etwa Bürkle, VersR 2013, 792, 794 ff.; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 264 f. (zumindest entsprechende Anwendung); Cahn, WM 2013, 1293, 1294 f.; ders., 163  Holle,

164  Langenbucher,



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 313

Entscheidung unter Unsicherheit, das dem Geschäftsleiter eine zukunftsori­ entierte Prognose abverlangt, eine deutliche Parallele zwischen unternehme­ rischen Entscheidungen und solchen unter rechtlicher Unsicherheit sichtbar wird.170 Auch nach sorgfältiger Prüfung und Hinzuziehung von Expertenrat ist es den Geschäftsleitern nicht immer möglich, Rechtszweifel völlig auszu­ räumen.171 Eine strikte Rechtsbindung könne aus der Legalitätspflicht aber nur folgen, wenn sich nur ein zutreffendes rechtliches Auslegungsergebnis ermitteln ließe.172 Wenn dagegen mehrere Auslegungsvarianten möglich er­ scheinen, soll der Geschäftsleiter auch bei rechtlich gebundenen Entschei­ dungen über einen Beurteilungsspielraum verfügen, den er dann pflichtgemäß ausfüllen muss.173 Bei Erfüllung der Kriterien schütze die Legal Judgment Rule die Geschäftsleiter sowohl vor einer zivilrechtlichen Haftung als auch vor aufsichtsrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen.174 Gegen eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wird teil­ weise eingewendet, es fehle bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, weil die Business Judgment Rule nach dem deutlich geäußerten Willen des Gesetzgebers auf rechtlich gebundene Entscheidungen keine Anwendung finden solle.175 Einer wertungsmäßigen Übertragung des Telos der Business Judgment Rule stehe zudem entgegen, dass das für unternehmerische Ent­ scheidungen typische Problem der Rückschaufehler (hindsight bias) auf die Ermittlung der Rechtslage gerade nicht zutreffe.176 Dem letzteren Argument wird allerdings für die Umsetzung aufsichtsrechtlicher Corporate Govern­ ance-Vorgaben entgegen gehalten, dass bei der im Rahmen der prinzipienba­ sierten Regulierung geforderten aufsichtsrechtlichen Selbsteinschätzung un­ ternehmensspezifische Belange Berücksichtigung fänden, sodass durchaus von einem Erfahrungsvorsprung der Geschäftsleiter gesprochen werden kön­ ne.177 Für den Bereich aufsichtsrechtlicher Organisationsanforderungen wird Der Konzern 2015, 105 ff.; Nietsch, ZGR 2015, 631, 652 ff.; Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873 ff. In die gleiche Richtung gehen die Stimmen, wonach die Business Judgment Rule zumindest Anhaltspunkte für die Frage biete, ob die Ermessenaus­ übung fehlerhaft ist, s. etwa Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 90, 97; Armbrüster, KSzW 2013, 10, 14; ders., ZVersWiss 2011, 639, 648. Gegen den Begriff der Legal Judgment Rule Verse, ZGR 2017, 174, 193. 170  Bürkle, VersR 2013, 792, 795; Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 127  f.; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 264. 171  Vgl. Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 39. 172  Bürkle, VersR 2013, 792, 794. 173  Bürkle, VersR 2013, 792, 794. 174  Bürkle, VersR 2013, 792, 802. 175  Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2020, 1368, 1374. 176  Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22. 177  Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 129; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 265.

314 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

zudem argumentiert, die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe führe zu einem Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene, womit es sich bei der Umsetzung der Vorgaben nicht ausschließlich um eine rechtliche Pflichtauf­ gabe handele.178 c) Sonstige Lösungsansätze Andere Stimmen lehnen die analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ab, wollen die Fälle rechtlicher Unsicherheit aber einer eigenen Kate­ gorie zuweisen und einen geschützten Beurteilungsspielraum jenseits der Business Judgment Rule anerkennen.179 Dafür spreche, dass die mit der Entscheidung verbundene Unsicherheit nichts daran ändere, dass sie recht­ lich gebunden sei.180 Die Business Judgment Rule sei aber nur eine Teil­ kodifikation unternehmerischer Entscheidungsspielräume, weshalb sich ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum auch außerhalb der Fälle des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ergeben könne.181 Diese gesetzlichen Ermessens- und Beurteilungsspielräume werden auch als „spezialgesetzliche Business Judg­ ment Rule“ bezeichnet.182 In eine ähnliche Richtung geht der Ansatz, einen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum aus der „immanenten Rationalität des Aufsichtsrechts“ abzuleiten.183 Ein noch anderer Lösungsansatz geht dahin, die Abwägungskriterien des Straf- und Bußgeldrechts für einen Umgang mit einer unklaren Rechtslage entsprechend heranzuziehen.184 Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Gesetze sei gegen die Handlungsfreiheit des Normadressaten abzuwägen. Als Kriterien seien der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Handlung vor Gericht als rechtmäßig bestätigt wird, das Gewicht der Nachteile, die dem Täter bzw. der von ihm geleiteten Gesellschaft bei Verzicht auf die fragliche Handlung drohen, und die Schwere der Rechtsgutsverletzung, wenn sich der eigene Rechtsstandpunkt als fehlerhaft erweist, zu berücksichtigen.

VersR 2012, 257, 264. in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 91, 38 ff.; Habersack, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 436 f.; ders., in: Lorenz, Karlsruher Fo­ rum, 2010, S. 5, 17, 28 ff.; Holle, AG 2011, 778, 785; Langenbucher, in: FS Lwow­ ski, 2014, S. 333, 340 f.; Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 132 ff. 180  Habersack, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 437. 181  Holle, AG 2011, 778, 785. 182  Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2020, 1368, 1378 f. 183  Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 514. 184  Dazu und zum Folgenden Verse, ZGR 2017, 174, 188 ff. 178  Louven/Raapke, 179  Fleischer,



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 315

d) Stellungnahme Die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen steht nicht im freien Ermessen der Geschäftsleiter, sondern diese sind rechtlich an das aufsichtsrechtlich geforderte Ergebnis einer ordnungsgemäßen Geschäfts­ organisation im Sinne der aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen gebunden. Ob die Geschäftsorganisation qualitativ den Anforderungen des Aufsichtsrechts entspricht, ist gerichtlich voll überprüfbar. Dies geht über die bloße Frage des „ob“ der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben hinaus und um­ fasst auch die konkrete Ausgestaltung der Geschäftsorganisation. Die Ver­ wendung unbestimmter Rechtsbegriffe ändert nichts daran, dass den Ge­ schäftsleitern insoweit gerade kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt.185 Nur soweit bei objektiver Betrachtung mehrere Handlungsop­ tionen gleich geeignet sind, um die aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen zu verwirklichen, steht den Geschäftsleitern bei der Wahl zwischen diesen Op­ tionen ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu, der im Sinne des Un­ ternehmensinteresses auszuüben ist.186 Gleichwohl kann eine rechtliche Unsicherheit dahingehend bestehen, ob die Geschäftsorganisation den Kriterien des Aufsichtsrechts entspricht, das aufsichtsrechtlich geforderte Ziel also erreicht wurde. Eine direkte Anwen­ dung der Business Judgment Rule auf diesen Fall scheidet aus, weil die Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen aufgrund der rechtlichen Bindung keine unternehmerische Entscheidung ist. Gleiches muss für eine Analogie im Sinne einer Legal Judgement Rule gelten, weil die Wertungen der Business Judgment Rule auf rechtlich gebundene Entscheidungen nicht passen. Lässt sich die Rechtslage nicht eindeutig klären, fehlt es aber am Verschulden des Geschäftsleiters.187 Schon die Pflichtwidrigkeit des Ge­ schäftsleiterverhaltens entfallen zu lassen, kann nicht überzeugen. Denn ob­ wohl dem Geschäftsleiter aufgrund der rechtlichen Unsicherheit letztlich kein Vorwurf gemacht werden kann, ändert dies an dem Verstoß gegen das Aufsichtsrecht und der daraus folgenden Pflichtwidrigkeit nichts.188 Für die Geschäftsleiter ist die dogmatische Verortung allerdings – jedenfalls soweit es um die Frage der Organhaftung geht – bedeutungslos. Denn ob es an der Pflichtwidrigkeit oder lediglich am Verschulden fehlt, ist für diese ohne Be­ 185  A. A. Nietsch, ZGR 2015, 631, 656, der sogar am normativen Charakter der prinzipienbasierten Regulierung zweifelt; wohl auch Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 264: Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene. 186  Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 167; Badenheim, Bankaktienge­ sellschaft, 2022, S. 355. 187  Str.; wie hier etwa Verse, ZGR 2017, 174, 192; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 93 Rn. 40; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2254. 188  Verse, ZGR 2017, 174, 192.

316 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

lang und könnte allenfalls im Rahmen des Widerrufs der Bestellung nach § 84 Abs. 4 AktG eine Rolle spielen.189 Entscheidend kommt es letztlich nur darauf an, dass eine Haftung der Geschäftsleiter ausscheidet, wenn sich keine eindeutige Rechtslage ermitteln lässt. Umstritten sind allerdings die genauen Kriterien, die der Geschäftsleiter im Rahmen der Beurteilung der Rechtslage beachten muss. 3. Voraussetzungen für einen Ausschluss des Verschuldens bei unklarer Rechtslage Lässt sich die Rechtslage nicht vollständig klären, kann es nach hier ver­ tretener Ansicht am Verschulden des Geschäftsleiters fehlen. Umstritten ist allerdings, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit der Ge­ schäftsleiter in diesem Fall von der Haftung verschont bleibt. a) Meinungsbild Klärende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Innenhaftung von Ge­ schäftsleitern bei unklarer Rechtslage gibt es nicht. Lediglich für die zivil­ rechtliche Außenhaftung hat der BGH190 Kriterien für einen unverschuldeten Rechtsirrtum im Verhältnis zu Dritten entwickelt. Danach ist ein Rechtsirr­ tum nur dann entschuldigt, „wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte“. Gegen die Anwendung dieser strengen Grund­ sätze auf die Geschäftsleiterhaftung wird allerdings eingewendet, dass die zugrundliegenden Erwägungen auf das Innenverhältnis der Gesellschaft nicht passten.191 Die Strenge der Außenhaftung beruhe auf dem Gedanken, dass derjenige, der seine Interessen trotz zweifelhafter Rechtslage auf Kosten fremder Rechte wahrnimmt, das Risiko der rechtlichen Fehleinschätzung nicht dem Verletzten zuschieben können soll. Diese Wertung komme im In­ nenverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsleitern gerade nicht zum Tragen. Nach der in der Literatur verbreiteten Vertretbarkeitsthese darf der Ge­ schäftsleiter, wenn er auf einer ausreichenden Informationsgrundlage han­ delt, seiner Entscheidung eine der Gesellschaft günstige Auslegung zugrunde 189  Deshalb für den Ausschluss einer Pflichtverletzung etwa Bürkle, VersR 2013, 792, 796; a. A. Verse, ZGR 2017, 174, 192. 190  S. etwa BGH NJW-RR 2014, 733, 735 Rn. 19; BGHZ 201, 91, 98 f. = WM 2014, 1728. 191  Hierzu und zum Folgenden Verse, ZGR 2017, 174, 186 ff.; Holle, AG 2016, 270, 278 f.; Cahn, WM 2013, 1293, 1295; Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 143.



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 317

legen, sofern diese vertretbar erscheint.192 Dagegen wird eingewendet, die Vertretbarkeitsthese höhle die Legalitätspflicht zu stark aus; stattdessen seien in Form einer flexiblen Schranke umso gewichtigere Gründe für die ge­ wählte Rechtsauffassung zu fordern, je mehr der bisherige Meinungsstand und insbesondere die Rechtsprechung zur Gegenauffassung tendiert.193 Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt die Ansicht, wonach der Geschäftsleiter eine Rechtsansicht zugrunde legen darf, sofern nach sorgfältiger Rechtser­ mittlung mit annähernd gleicher oder überwiegender Wahrscheinlichkeit er­ wartet werden kann, dass die fragliche Handlung vor Gericht als rechtmäßig bestätigt würde.194 Teilweise wird davon ausgegangen, die gewählte Rechts­ auffassung müsse „annähernd gleichwertig vertretbar“ sein wie die Gegen­ ansicht.195 Die sogenannte Optimierungsthese196 kommt letztlich zu ähnlichen Ergeb­ nissen.197 Diese ist im Ausgangspunkt weitergehend, indem sie jedenfalls für die Umsetzung aufsichtsrechtlicher Pflichten einen strengeren Maßstab pos­ tuliert. Das prinzipienbasierte Aufsichtsrecht binde die aufsichtsunterworfene Gesellschaft aktiv in den Rechtsermittlungsprozess ein und fordere ihre Mitarbeit in Form einer aufsichtsrechtlichen Selbsteinschätzung. Dies ver­ lange von den Geschäftsleitern, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Aufsichtsprinzip möglichst optimal zu verwirklichen. Der Geschäftsleiter dürfe deshalb bei der Auslegung aufsichtsrechtlicher Vorgaben nicht jede vertretbare Rechtsansicht zugrunde legen, sondern müsse sich darum bemü­ hen, die aus seiner Sicht am besten vertretbare Rechtsmeinung zu ermitteln. Jedoch genügt auch nach der Optimierungsthese, dass die zugrunde gelegte Meinung zumindest ebenso gut vertretbar ist wie alternative Meinungen, wenn sich keine am besten vertretbare Rechtsmeinung ermitteln lässt. In eine ähnliche Richtung wie die Optimierungsthese geht die Ansicht, wonach die Grenze zur Pflichtwidrigkeit schon dann überschritten sei, wenn die Ent­ 192  S. etwa Bachmann, WM 2015, 105, 109; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 97; Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 39; Zimmermann, WM 2008, 433, 435. 193  Dreher, in: FS Konzen, 2006, S. 85, 93; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 522, 524 f.; ähnlich auch Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 142 ff., 206 ff. 194  Verse, ZGR 2017, 174, 190. 195  Berger, Vorstandshaftung, 2015, S. 351 ff., 357; ähnlich auch Holle, AG 2016, 270, 279: Auswahl aus „gleichermaßen vertretbar erscheinenden Rechtsstandpunk­ ten“. 196  Hierzu und zum Folgenden Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21 ff.; dies., in: FS Lwowski, 2014, S. 333, 344 f. Dagegen Hopt, ZIP 2013, 1793, 1799; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 138 f.; kritisch auch Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 515 Fn. 186. 197  So Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 144; Verse, ZGR 2017, 174, 179.

318 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

scheidung das erkennbare Risiko in sich berge, dass das aufsichtsrechtlich geforderte qualitative Ergebnis nicht erreicht wird.198 Gegen die Optimierungsthese wird eingewandt, sie sei nicht erforderlich, weil den Aufsichtsbehörden umfassende Eingriffsbefugnisse zustünden, um die aufsichtsrechtlichen Vorgaben umzusetzen.199 Die aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen würden ansonsten in unverhältnismäßiger Weise auf die ­Organe verlagert.200 Zudem schieße die Optimierungsthese über das Ziel ­hinaus, weil sie konsequent zu Ende gedacht erfordern würde, dass der Ge­ schäftsleiter vor jeder wichtigeren Entscheidung die Meinung der Aufsichts­ behörden einholen muss.201 b) Stellungnahme Nicht in Betracht kommt, die strengen Anforderungen des BGH an einen unverschuldeten Rechtsirrtum im Verhältnis zu Dritten auf die Geschäftslei­ terhaftung zu übertragen, weil diese auf das Innenverhältnis der Gesellschaft nicht passen.202 Die Vertretbarkeitsthese muss aufgrund der damit verbunde­ nen Aufweichung des Legalitätsprinzips – jedenfalls soweit es um die Um­ setzung unmittelbar anwendbaren Unionsrechts geht – ebenfalls verworfen werden. Grundsätzlich abzulehnen ist die Optimierungsthese. Diese über­ spannt die Anforderungen an die Geschäftsleiter und bietet keine klar greif­ baren Kriterien dafür, wann eine Rechtsmeinung „am besten vertretbar“ ist. Die übrigen Ansichten unterscheiden sich nur im Detail und dürften letztlich zu vergleichbaren Ergebnissen kommen. Am überzeugendsten ist es, im Sinne einer „flexiblen Schranke“ immer im Einzelfall abzuwägen, wie ge­ wichtig die Gründe sind, die für oder gegen eine bestimmte Auslegung des EU-Aufsichtsrechts sprechen. Bei der Anwendung der Maßstäbe auf das hier untersuchte EU-Aufsichts­ recht ist allerdings zu berücksichtigen, dass die oben dargestellten Lösungs­ ansätze maßgeblich darauf beruhen, dass die Geschäftsleiter (bzw. deren Berater) das Meinungsbild in Literatur, Rechtsprechung und behördlicher Praxis auswerten und auf dieser Grundlage zu einer Entscheidung kommen können.203 Dies ist zwar auch im Anwendungsbereich des hier untersuchten 198  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1298; Bornhorst/Bauerfeind, ZfV 2015, 593, 596; ähnlich auch Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 265. 199  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 138 f. 200  Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 139. 201  Hopt, ZIP 2013, 1793, 1799. 202  Verse, ZGR 2017, 174, 186 ff.; Holle, AG 2016, 270, 278 f.; Cahn, WM 2013, 1293, 1295; Bührle, Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 143. 203  S. etwa. Verse, ZGR 2017, 174, 191.



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 319

Unionsrechts grundsätzlich möglich, aber doch erheblich erschwert. Das qualitative Aufsichtsrecht ist noch relativ jung, weshalb noch kein gefestigtes Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur existiert.204 Die Anforderun­ gen an die Geschäftsleiter sind demnach praktisch unter erschwerten Bedin­ gungen umsetzbar. Bei der Frage, wann eine das Verschulden ausschließende unklare Rechtslage anzunehmen ist, wird man das ebenso zu berücksichtigen haben wie die zunehmende Regulierungsdichte und Unüberschaubarkeit des EU-Aufsichtsrechts. Zutreffend ist es deshalb, bei einer gänzlich offenen Rechtslage, wenn weder eine gefestigte Rechtsprechung noch ein klares Mei­ nungsbild in der Literatur existiert, die Anforderungen an die Geschäftsleiter auf eine Vertretbarkeitsschwelle abzusenken.205 Relativiert werden diese Schwierigkeiten freilich dadurch, dass die Rechtsermittlung in der Praxis ei­ nem Abstimmungsprozess zwischen Gesellschaft und Aufsichtsbehörde ent­ springt.206

IV. Sonstige Haftungsvoraussetzungen 1. Verschulden Über die Pflichtverletzung hinaus erfordert die Begründung eines Organ­ haftungsanspruchs, dass der Geschäftsleiter schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.207 Dabei ist ein objektiv typisierter Schuldmaßstab anzulegen.208 Allerdings wird das Verschulden nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG (ebenso wie das Bestehen einer Pflichtverletzung) vermutet. Am Verschulden fehlen kann es nach der hier vertretenen Ansicht insbesondere dann, wenn dem Geschäftsleiter aufgrund einer unklaren Rechtslage kein Vorwurf ge­ macht werden kann, obwohl die Aufsichtsbehörde die Maßnahme ex post als rechtswidrig beurteilt.209

Gestaltungsfreiheit, 2016, S. 117, 144 f. zutreffend Berger, Vorstandshaftung, 2015, S. 353. 206  Vgl. Negenborn, Bankgesellschaftsrecht, 2019, S. 172 f.; Badenheim, Bankak­ tiengesellschaft, 2022, S. 349 f. 207  Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 198; Hopt/Roth, in: GKAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 391 f. 208  Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 392; Spindler, in: MüKoAktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 198; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 93 Rn. 154. 209  Siehe oben 3. Teil: C. III. 2 d). 204  Bührle, 205  So

320 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

2. Kausaler Schaden Des Weiteren muss der Gesellschaft aufgrund des Verstoßes gegen auf­ sichtsrechtliche Normen ein kausaler Schaden entstanden sein. Im Fall der Verletzung aufsichtsrechtlicher Organisationsanforderungen wird es häufig Probleme bereiten, Vermögensnachteile auf eine konkrete Handlung des Ge­ schäftsleiters zurückzuführen; der Schaden kann aber in den aufgrund auf­ sichtsbehördlicher Anordnungen entstandenen Kosten oder einem gegen die Gesellschaft verhängten Bußgeld liegen.210 Schwieriger zu bemessen ist ein in einem Reputationsverlust der Gesellschaft liegender Schaden, wobei inso­ weit die Schadensschätzung nach § 287 ZPO behilflich sein kann.211 3. Vorteilsanrechnung bei nützlicher Gesetzesverletzung Weitere Probleme hinsichtlich des Schadens können sich ergeben, wenn sich der Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben aus Sicht der Gesell­ schaft als „nützliche“ Pflichtverletzung erweist. Zwar ist keine Gesamtver­ mögensbetrachtung anzustellen, sodass der Schaden bereits im Abfluss von Mitteln zu sehen ist. Nach dem allgemeinen Schadensrecht sind jedoch Vor­ teile, die dem Geschädigten aus einer Pflichtverletzung erwachsen, auf den zu ersetzenden Schaden anzurechnen. Zumindest die Vorteile, die der Gesell­ schaft in unmittelbarem Zusammenhang mit dem organschaftlichen Fehlver­ halten zugeflossen sind, sollen im Rahmen der Organhaftung grundsätzlich anrechenbar sein.212 Bei Verstößen gegen die Legalitätspflicht ist eine solche Vorteilsanrech­ nung aber zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Vor­ teilsanrechnung nur dann in Betracht, wenn sie dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, d. h. den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt.213 Allerdings dient die Organhaftung unterschiedlichen Zielen, nämlich der Verhaltensteuerung auf der einen und dem Schadensausgleich auf der anderen Seite, die sich im Einzelfall widersprechen können.214 Entscheidend ist deshalb, welchem der beiden divergierenden Ziele der Organhaftung man den Vorrang einräumen 210  J.-B. Fischer, Ausstrahlungswirkungen, 2018, S. 188 f.; Merkt, in: FS Hommel­ hoff, 2012, S. 711, 718. 211  Thole, ZHR 173 (2009), 504, 525. 212  Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 93 Rn. 54. 213  S. etwa BGHZ 91, 206, 210 = WM 1984, 1187; BGHZ 136, 52, 54 = WM 1997, 1671. 214  Ausführlich zu den Funktionen der Organhaftung G. Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251 ff.



C. Organhaftung der Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans 321

will.215 So könnte man annehmen, dass der Sinn und Zweck der Organ­ haftung in sein Gegenteil verkehrt würde, wenn der Schädiger entgegen entsprechenden öffentlichen Interessen den Nutzen aus seiner pflichtwidrigen Handlung behalten oder zum Ansatz gegenüber dem Geschädigten bringen könnte.216 Im Ergebnis würde die Vorteilsanrechnung dazu führen, dass es zu einer Anerkennung „nützlicher Pflichtverletzungen“ käme, was der Präven­ tionswirkung der Organhaftung widerspräche.217 Nach der Gegenansicht soll dagegen auch bei nützlichen Gesetzesverletzungen eine Vorteilsanrechnung in Betracht kommen. Gegen einen Ausschluss der Vorteilsanrechnung wird eingewendet, dieser käme der Anerkennung eines Strafschadens gleich, der dem deutschen Recht fremd sei.218 Zudem läge es nicht im öffentlichen Inte­ resse, der Gesellschaft den durch die Pflichtwidrigkeit erlangten Vorteil zu belassen und ihr einen Vermögenszuwachs durch die Schadensersatzleistung des Geschäftsleiters zukommen zu lassen.219 Dies führe zu einem ungerecht­ fertigten windfall profit bei der Gesellschaft.220 Jedenfalls für Verstöße gegen die aufsichtsrechtlichen Corporate Govern­ ance-Regelungen ist eine Vorteilsanrechnung abzulehnen, da in diesem Fall die Organhaftung ihre verhaltenssteuernde Wirkung verfehlen würde. Bei einer Verletzung der Legalitätspflicht ist diese Funktion der Organhaftung höher zu bewerten als die gerechte Verteilung von Vermögenszuwächsen. Dies muss insbesondere bei einem Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gelten, da insoweit der Grundsatz der effektiven Umsetzung des Unionsrechts für eine Haftung streitet.

V. Ergebnis Mit der Beschränkung des unternehmerischen Handlungsspielraums durch das Aufsichtsrecht geht ein erheblich gesteigertes Haftungsrisiko der Ge­ schäftsleiter von Unternehmen des Finanzsektors einher.221 Ihnen droht eine Organhaftung nach den §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG bzw. bei ZHR 173 (2009), 504, 527. in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 107; wohl auch Fleischer DStR 2009, 1204, 1210; a. A. Habersack, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 440; W. Hölters/T. Hölters, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 244; differen­ zierend Hopt/Roth, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 411; Cahn, in: KK-AktG, 4. Aufl. 2023, § 93 Rn. 79. 217  Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 107. 218  W. Hölters/T. Hölters, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 244. 219  W. Hölters/T. ölters, in: Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 244. 220  Fleischer, ZIP 2005, 141, 151. 221  Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 263; J.-B. Fischer, Ausstrahlungswirkungen, 2018, S. 189; Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 370. 215  Thole,

216  Spindler,

322 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

Personengesellschaften nach § 280 BGB, wenn sie die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance nicht ordnungsgemäß umsetzen. Der Gesellschaft steht dadurch ein Druckmittel zur Verfügung, um ihre Ge­ schäftsleiter zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Vorgaben im Außenverhältnis anzuhalten.222 Die Business Judgment Rule ist grundsätzlich weder direkt noch analog anwendbar, weil es sich bei der Erfüllung der aufsichtsrecht­ lichen Anforderungen um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt. Nur bei der Auswahlentscheidung innerhalb eines aufsichtsrechtlich zulässi­ gen Spektrums von Handlungsoptionen handelt es sich um eine unternehme­ rische Entscheidung i. S. d. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Aufgrund der mit der prinzi­pienbasierten Regulierung einhergehenden Rechtsunsicherheit kann es im Einzelfall allerdings auch bei einer rechtlich gebundenen Entscheidung am Verschulden des Geschäftsleiters fehlen, wenn sich die Rechtslage nicht klären lässt. Darüber hinaus kommt es bei regulierten Gesellschaften zu einer Erweiterung der Haftungsrisiken der Mitglieder des Aufsichtsorgans, welche die ordnungsgemäße Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen durch die Geschäftsleiter zu überwachen haben.223

D. Außenhaftung der Gesellschaft oder ihrer Organe I. Haftung von Ratingagenturen nach Art. 35a CRAR Bei Ratingagenturen sieht Art. 35a CRAR einen speziellen zivilrechtlichen Haftungsanspruch vor, der unter anderem bei Verstößen gegen die aufsichts­ rechtlichen Corporate Governance-Anforderungen greift. Hat eine Rating­ agentur vorsätzlich oder grob fahrlässig eine der in Anh. III CRAR aufge­ führten Zuwiderhandlungen begangen und hat sich diese auf ein Rating aus­ gewirkt, können Anleger oder Emittenten gemäß Art. 35a Abs. 1 UAbs. 1 CRAR für den ihnen dadurch entstandenen Schaden von der Ratingagentur Ersatz verlangen. Ein Anleger muss hierfür nachweisen, dass er sich bei sei­ ner Investitionsentscheidung auf das Rating verlassen hat (Art. 35a Abs. 1 UAbs. 2 CRAR). Ist der Anspruchsteller ein Emittent, muss er nachweisen, dass sich das Rating auf ihn oder seine Finanzinstrumente bezieht und die Zuwiderhandlung nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Emittent die Rat­ ingagentur direkt oder aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen irre­ führend oder falsch informiert hat (Art. 35a Abs. 1 UAbs. 3 CRAR). Als haftungsbegründende Zuwiderhandlungen kommen die in Anh. III CRAR Abs. 1 Nr. 3–18 erfassten Verstöße gegen die organisatorischen An­ Ausstrahlungswirkungen, 2018, S. 189. VersR 2012, 257, 265; Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471, 487; Bronnert-Härle, Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 103. 222  J.-B. Fischer,

223  Louven/Raapke,



D. Außenhaftung der Gesellschaft oder ihrer Organe323

forderungen des Anh. I Abschnitt A CRAR in Betracht. Der Ratingagentur droht unter anderem dann eine Haftung nach Art. 35a CRAR, wenn sie kein Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan einsetzt (Anhang III Abs. 1 Nr. 3 CRAR), eine Geschäftsleitung ernennt, die nicht ausreichend gut beleumdet ist, nicht über ausreichende Qualifikationen bzw. Erfahrungen verfügt oder keine so­ lide und umsichtige Führung der Agentur gewährleisten kann (Anhang III Abs. 1 Nr. 5 CRAR), im Aufsichtsorgan nicht die erforderliche Anzahl unab­ hängiger Mitglieder ernennt (Anhang III Abs. 1 Nr. 6 CRAR), Mitglieder des Aufsichtsorgans ernennt, die nicht über ausreichende Fachkenntnisse im ­Bereich Finanzdienstleistungen verfügen (Anhang III Abs. 1 Nr. 8 CRAR), keine geeigneten Strategien oder Verfahren festlegt, um die Einhaltung ihrer Verpflichtungen nach der CRAR zu gewährleisten (Anhang III Abs. 1 Nr. 11 CRAR) oder wenn sie keine ordnungsgemäße Compliance-Funktion schafft (Anhang III Abs. 1 Nr. 13 CRAR). Nach den vorstehenden Ausführungen ist es theoretisch möglich, dass eine Ratingagentur aufgrund einer Verletzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance gegenüber Anlegern oder Emittenten haftet. In der Praxis wird eine solche Haftung aber regelmäßig nicht in Betracht kommen. Voraussetzung ist, dass sich die Zuwiderhandlung kausal in einem abweichenden Ratingergebnis niedergeschlagen hat.224 Der Verletzung allgemei­ ner Organisationsanforderungen, die nicht unmittelbar mit der Ratingerstel­ lung zusammenhängen, fehlt bereits die grundsätzliche Eignung, sich auf konkrete Ratingergebnisse auszuwirken.225 Im Übrigen erschwert die Tatsa­ che, dass der Anspruchsteller nach Art. 35a Abs. 2 UAbs. 1 CRAR sowohl die Zuwiderhandlung als auch deren Auswirkung auf das Rating nachweisen muss, eine effektive Durchsetzung des Anspruchs. Obwohl Art. 35a Abs. 2 UAbs. 2 CRAR die Substantiierungslast des Klägers mindert, wird aufgrund der erwarteten Beweisschwierigkeiten angenommen, dass die Haftung von Ratingagenturen nach Art. 35a CRAR weitgehend leerläuft.226

II. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. der Verletzung eines Schutzgesetzes Außerhalb des Art. 35a CRAR ist grundsätzlich eine Schadensersatzhaf­ tung nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln denkbar. Dies gilt auch für Ratingagenturen, weil Art. 35a Abs. 5 CRAR weitere zivilrechtliche Haf­ tungsansprüche nach dem nationalen Recht ausdrücklich nicht ausschließt. In Betracht käme eine Außenhaftung der Geschäftsleiter nach § 823 Abs. 2 224  Eine Beeinflussung lediglich des Ratingverfahrens genügt nicht; s. Schroeter, Ratings, 2014, S. 841; Wojcik, NJW 2013, 2385, 2387. 225  Schroeter, Ratings, 2014, 842 f.; Wojcik NJW 2013, 2385, 2387. 226  Schroeter, Ratings, 2014, 845 f.; Wojcik NJW 2013, 2385, 2388.

324 3. Teil: Rechtsfolgen bei Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben

BGB in Verbindung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes, die über § 31 BGB analog auch die Gesellschaft trifft. Die aufsichtsrechtlichen Organisa­ tionsanforderungen sind aber keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB, weil sie keinen Individualschutz bezwecken und allgemeine gesellschafts­ rechtliche Anforderungen überlagern, die selbst keine Schutzgesetzqualität aufweisen.227 Bei Ratingagenturen spricht hierfür zusätzlich, dass eine Haf­ tung nach § 823 Abs. 2 BGB die strengeren Voraussetzungen des Art. 35a CRAR unterlaufen würde.228 Der Grundsatz der effektiven Umsetzung des Unionsrechts, der ein Gebot privater Rechtsdurchsetzung bei Verstößen ge­ gen unmittelbar anwendbares Unionsrecht begründen könnte, ändert an die­ sem Ergebnis nichts. Einfache Marktteilnehmer haben – anders als die Ge­ sellschafter229 – keine Einsicht in die interne Organisationsstruktur der regu­ lierten Unternehmen und können deshalb keinen Betrag zur effektiven Durchsetzung der unionsrechtlichen Governance-Anforderungen leisten.230

E. Fazit: Erweiterte Beschlussmängel- und Haftungsrisiken Beaufsichtigten Gesellschaften und deren Organmitglieder drohen bei Ver­ stößen gegen das EU-Aufsichtsrecht sowohl aufsichtsrechtliche als auch zi­ vilrechtliche Rechtsfolgen. Dabei führt der prinzipienbasierte Regulierungs­ ansatz der aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen zu einer erheb­ lichen Rechtsunsicherheit. Zwar kann diese Rechtsunsicherheit durch die Annahme eines Verschuldensausschlusses bei Entscheidungen unter recht­ licher Unsicherheit und durch die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organ abgemildert werden. Angesichts der Regulierungsflut im Aufsichts­ recht bleibt aber zu konstatieren, dass in beaufsichtigten Unternehmen erheb­ lich größere Beschlussmängel- und Haftungsrisiken bestehen.

227  Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 293 (zur BMR); Schroeter, Ratings, 2014, S. 826; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2293 (jeweils zur CRAR); Armbrüster, KSzW 2013, 10, 14 f.; Dengler, WM 2014, 2032, 2034; Binder, in: Bankvertrags­ recht, 2021, 7. Teil Rn. 39 f.; Poelzig, in: EBJS, 4. Aufl. 2020, §§ 80, 81; Art. 21–43 DelVO (EU) 2017/565 28; a. A. noch zu § 33 WpHG a. F. Grundmann, in: EBJS, 3. Aufl. 2015, § 33 WpHG Rn. 320; für die konzerndimensionalen Pflichten aus § 25a Abs. 3 KWG ferner Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 297 ff. 228  G. Wagner, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, § 826 Rn. 151; Wojcik, NJW 2013, 2385, 2389; a. A. wohl Dutta, WM 2013, 1729, 1735. 229  Zum Gebot effektiver Umsetzung des Unionsrecht bei Aufsichtsratswahlen oben 3. Teil: B. II. 2. b). 230  Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 308.

4. Teil

Ergebnisse und Folgerungen A. Ergebnis zu den Konflikten zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht Im Bereich der hier untersuchten EU-Verordnungen gibt es erhebliche Spannungen zwischen den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Corpo­ rate Governance und dem nationalem Gesellschaftsrecht. Diese Spannungs­ felder lassen sich in die im ersten Teil beschriebenen Kategorien1 einteilen: In vielen Fällen stellt das EU-Aufsichtsrecht zwar strengere Anforderun­ gen, bewirkt aber lediglich eine systemkonforme Überlagerung des allgemei­ nen Gesellschaftsrechts. Hierunter fallen die persönlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter und die Mitglieder des Aufsichtsorgans, welche die ge­ sellschaftsrechtlichen Eignungsvoraussetzungen überlagern. Auch die allge­ meinen Organisationsanforderungen – hier sind insbesondere die Vorgaben zum Risikomanagement und zur Compliance zu nennen – lassen sich grund­ sätzlich als systemkonforme Überlagerung gesellschaftsrechtlicher Organisa­ tionspflichten auffassen. Das Aufsichtsrecht stellt insoweit zwar strengere Anforderungen, ohne dass hieraus aber ein unmittelbarer Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht entstünde. Allerdings bewirken die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen, dass das Unternehmensinteresse, das grundsätz­ lich auch in beaufsichtigten Gesellschaften Maßstab des Geschäftsleiterhan­ dels ist, punktuell durch öffentliche Interessen überlagert wird. Mittels der Legalitätspflicht werden aufsichtsrechtliche Zielsetzungen in das Innenver­ hältnis der Gesellschaft transformiert, sodass die Geschäftsleiter diese bei der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen vorrangig berücksichtigen müssen. Dies ist mit der gesellschaftsrechtlichen Grundkonzeption, wonach die Geschäftsleiter die Gesellschaft eigenverantwortlich im Unternehmensin­ teresse leiten, nur schwer zu vereinbaren. In diesem Zusammenhang sind zudem die qualitativen Anforderungen an die Geschäftsleitervergütung zu nennen, die durch ihre Fokussierung auf das Risikomanagement in einem Spannungsverhältnis zu gesellschaftsrechtlichen Grundwertungen stehen. Zwar fordert auch das Gesellschaftsrecht eine langfristige und nachhaltige 1  Siehe

oben 1. Teil: C.

326

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

Ausrichtung der Vergütungspolitik, als Bezugspunkt dient insoweit aber die langfristige Ertragsfähigkeit der Gesellschaft. Überdies beschränken die auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance das unternehmerische Handlungsermessen der Geschäftsleiter und bewirken eine erhebliche Ver­ rechtlichung der Unternehmensverfassung. In der Gesamtschau bewirken die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen, auch soweit sie keinen direkten Konflikt mit dem Gesellschaftsrecht begründen, eine wesent­ liche Veränderung der Unternehmensorganisation von Unternehmen des Fi­ nanzsektors. Bestimmte Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts widersprechen lediglich dispositivem Gesellschaftsrecht. Darunter fällt die Anforderung an Unternehmen in der Rechtsform der GmbH, einen Aufsichtsrat einzurichten. Auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Ausschussbildung sind – vorbehaltlich besonderer Regelungen zur Besetzung und zu den Kompetenzen der Aus­ schüsse – mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung vereinbar. Diese aufsichtsrechtlichen Anforderungen schränken zwar das gesellschaftsrechtli­ che Organisationsermessen ein, lassen sich aber innerhalb des Spielraums, den das Gesellschaftsrecht selbst lässt, umsetzen. Ein echter Konflikt zwi­ schen den aufsichtsrechtlichen Anforderungen und dem Gesellschaftsrecht ergibt sich nicht. Allerdings reduziert das Aufsichtsrecht den Gestaltungs­ spielraum, den dispositives Gesetzesrecht den regulierten Gesellschaften grundsätzlich lässt, erheblich. Andere Spannungsfelder lassen sich durch eine verordnungskonforme Auslegung des nationalen Gesellschaftsrechts auflösen. Das Unionsrecht zwingt dazu, das nationale Gesellschaftsrecht im Zweifel so auszulegen, dass es dem vorrangig anzuwendenden Unionsrecht nicht widerspricht. Unter diese Fall­ gruppe fallen die direkten Berichtslinien zwischen dem Aufsichtsrat und nachgeordneten Mitarbeitern, die der tradierten aktienrechtlichen Auffassung zum Informationserteilungsmonopol des Vorstands widersprechen. Da sich mit guten Gründen das Gegenteil vertreten lässt, ist das Gesellschaftsrecht insoweit verordnungskonform auslegen. Gleiches gilt für den Risikoaus­ schuss nach Art. 28 EMIR, der aktienrechtlich im Hinblick auf die Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder zur persönlichen Wahrnehmung ihres Mandats problematisch ist. Eine entgegengesetzte Ansicht ist aber jedenfalls vertret­ bar, sodass § 111 Abs. 6 AktG im Sinne einer Vereinbarkeit mit Art. 28 EMIR auszulegen ist. Für den vergleichbar ausgestalteten Nutzerausschuss bei Zen­ tralverwahrern (Art. 28 CSDR) kann nichts anderes gelten. In diesen Fällen besteht zwar kein Konflikt mit zwingendem Gesellschaftsrecht; das vorran­ gige Unionsrecht gibt aber zwingend eine bestimmte Auslegung des Rechts vor und verringert dadurch den Spielraum des Rechtsanwenders.



B. Folgerungen 327

Einen Konflikt mit zwingendem Gesellschaftsrecht begründet die aufsichts­ rechtliche Anforderung eines Aufsichtsorgans bei Personengesellschaften. Die Einrichtung eines Überwachungsorgans, das mit Nicht-Gesellschaftern besetzt ist und über Personalkompetenz verfügt, ist mit dem Prinzip der Selbstorganschaft nicht zu vereinbaren. Allerdings ist dieser Widerspruch zugunsten des Aufsichtsrechts aufzulösen, weil der nationale Gesetzgeber von der Zulässigkeit von Personengesellschaften als Rechtsformen im Fi­ nanzsektor ausgeht. Die Vorgabe der BMR, eine Aufsichtsfunktion unter Beteiligung externer Interessenträger zu schaffen, widerspricht zwingendem Aktienrecht. Des Weiteren steht die Vorgabe, den Aufsichtsrat einer Rating­ agentur zu einem Drittel mit unabhängigen Mitgliedern zu besetzen, im Konflikt mit grundlegenden Wertungen des Aktienkonzernrechts. Zur Lösung dieser Konflikte bleibt letztlich nur, Wertungen des deutschen Aktienrechts als nachrangig gegenüber den Vorgaben des EU-Aufsichtsrechts zu betrach­ ten. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Aufsichtsrechts kann das Gesellschaftsrecht der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen nicht entgegenstehen. Eine Disqualifizierung bestimmter Rechtsformen im Finanz­ sektor muss als genereller Lösungsansatz demgegenüber ebenso ausscheiden wie die Annahme, dass im Fall widersprechenden Gesellschaftsrechts die aufsichtsrechtliche Vorgabe nicht beachtet werden muss. Letzteres kommt von vornherein nicht in Betracht, weil eine solche Auflösung von Konfliktla­ gen zugunsten des Gesellschaftsrechts dem Anwendungsvorrang des Unions­ rechts widerspräche. Eine weitgehende implizite Selbstbeschränkung kann dem EU-Aufsichtsrecht nicht entnommen werden. Die Strukturneutralität des Aufsichtsrechts beschränkt sich darauf, dem nationalen Rechtsanwender für die dualistische AG eine Aufteilung der Kompetenzen des Leitungsorgans auf Vorstand und Aufsichtsrecht zu ermöglichen.

B. Folgerungen I. Herausbildung eines Sondergesellschaftsrechts im Finanzsektor Die Ermittlung und Kategorisierung von Konflikten zwischen Aufsichtsund Gesellschaftsrecht ergab im Wesentlichen folgendes Bild: Es gibt Kon­ flikte zwischen den aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderun­ gen und zwingendem Gesellschaftsrecht, diese sind aber die Ausnahme. Viele potenzielle Konfliktlagen lassen sich entweder durch eine Gestaltung im Gesellschaftsvertrag oder durch eine verordnungskonforme Auslegung lösen. In vielen weiteren Fällen kommt es zu einer systemkonformen Über­ lagerung des Gesellschafts- durch das Aufsichtsrecht, ohne dass ein grundle­ gender Konflikt entstünde. Diese Überlagerung kann aber mit Spannungen

328

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

verbunden sein, wenn sich aufsichtsrechtliche Organisationsvorgaben nicht völlig konfliktfrei mit der gesellschaftsrechten Kompetenzordnung oder ge­ sellschaftsrechtlichen Wertungen vereinbaren lassen. Auf der Grundlage dieses Befunds könnte man schlussfolgern, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Großen und Ganzen konfliktfrei mit dem nationalen Gesellschaftsrecht vereinbar sind. In der Gesamtschau der auf­ sichtsrechtlichen Vorgaben ergibt sich allerdings ein deutlich anderes Bild. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance stehen in einem starken Spannungsverhältnis zu Grundwertungen des Gesellschaftsrechts. Beispielhaft sei das Prinzip der Selbstorganschaft genannt, welches ein Grundpfeiler des Personengesellschaftsrechts ist, in regulierten Gesellschaf­ ten aber nur erheblich eingeschränkt Geltung beanspruchen kann. Zudem bewirkt die Fokussierung auf öffentliche Interessen, dass ein zentrales Anlie­ gen des Gesellschaftsrechts, nämlich die Lösung des Prinzipal-AgentenKonflikts, aus dem Blick gerät. Die Gesellschafter eines Unternehmens be­ trauen dessen Leitungsorgane damit, ihre Interessen zu wahren und in ihrem Sinne nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften. Diese gesellschaftsrechtliche Grundkonzeption kann in regulierten Gesellschaften, bei denen öffentliche Interessen zumindest punktuell das Unternehmensinteresse überlagern, nur in geringerem Maße zum Tragen kommen. Zudem ist die Freiheit der Gesell­ schafter bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, die ihre Interessen in der Gesellschaft vertreten, durch die Anforderungen an Sachkenntnis, Leumund und Unabhängigkeit erheblich beschränkt. Schließlich bewirken auch Vor­ gaben, die sich gesellschaftsrechtlich konfliktfrei umsetzen lassen, zumindest eine Verengung des Gestaltungsspielraums der betroffenen Unternehmen. Beaufsichtigte Gesellschaften unterliegen in ihrer Unternehmensorganisation einem viel engeren und weniger flexiblen Korsett als die Unternehmen ande­ rer Branchen. Der prinzipienbasierte Ansatz des Aufsichtsrechts bewirkt hier angesichts des Umfangs und der Komplexität der aufsichtsrechtlichen Vor­ gaben zur Corporate Governance keine wesentliche Erleichterung. All dies führt zur Herausbildung eines Sondergesellschaftsrechts im Finanzsektor, das erheblich vom allgemeinen deutschen Gesellschaftsrecht abweicht und ande­ ren Grundsätzen folgt. Dieses Sondergesellschaftsrecht ist geprägt von einem Nebeneinander uni­ onsrechtlicher und nationaler Normen, die gemeinsam die Corporate Govern­ ance beaufsichtigter Gesellschaften regeln und daher letztlich ein konsisten­ tes Regelungsgebilde ergeben müssen. Aufgrund unterschiedlicher Rechts­ traditionen, unterschiedlicher Regelungsziele sowie einer unterschiedlichen Regelungstechnik konnte dies, wie bereits gezeigt, nicht ohne Konfliktpoten­ zial gelingen. Der Vorrang des Unionsrechts sollte dabei – nicht zuletzt aus grundrechtlichen Gesichtspunkten heraus – so verwirklicht werden, dass sich die aufsichtsrechtlichen Vorgaben möglichst schonend in das nationale Ge­



B. Folgerungen 329

sellschaftsrecht einfügen. Dies bereitet aber aufgrund der Besonderheiten des Sondergesellschaftsrechts – insbesondere der Anlehnung an das monistische System – im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten. Dabei obliegt es zunächst den betroffenen Gesellschaften selbst, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben um­ zusetzen. Dies erfordert eine Auslegung des Aufsichtsrechts durch die Unter­ nehmen, die unter Umständen später durch die Aufsichtsbehörden oder Ge­ richte korrigiert wird. Dieses prinzipienbasierte Regelungsmodell führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit sowie zu erhöhten Anfechtungs- und Haf­ tungsrisiken für die betroffenen Gesellschaften und deren Organmitglieder. Besonders virulent wird dies, wenn das Aufsichtsrecht auf Begriffe zurück­ greift, die keine Vorbilder im allgemeinen Unternehmensrecht haben, was beispielsweise bei den Anforderungen der BMR an die Unternehmensführung von Referenzwert-Administratoren der Fall ist.2 Das Phänomen des Sondergesellschaftsrechts lässt sich allgemeiner als Querschnittsproblematik des Rechts der regulierten Industrien auffassen, die im Spannungsfeld zwischen privatem Gesellschaftsrecht und öffentlichem Regulierungsrecht agieren.3 Das Sondergesellschaftsrecht setzt sich aus ­einem Komplex privat-gesellschaftsrechtlicher Normen sowie aufsichtsrecht­ licher Organisationsvorgaben zusammen.4 Das Ineinandergreifen beider Rechtsge­ biete stellt den Rechtsanwender vor eine hochkomplexe Schnittstellenproble­ matik.5 Die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen sind davon geprägt, dass sie – obgleich sie die innergesellschaftliche Organisation betreffen – nicht dem Ausgleich privater Interessen dienen, sondern öffent­ liche Zwecke verfolgen.6 Diese öffentlichen Interessen werden über die Le­ galitätspflicht der Geschäftsleiter in das Binnenverhältnis der Gesellschaft transformiert. Indes bleibt die gesellschaftsrechtliche Bindung der Geschäfts­ leiter an das Unternehmensinteresse grundsätzlich bestehen.7 Einer vollstän­ digen Überlagerung des Unternehmensinteresses durch öffentliche Interessen stünden zudem unionsgrundrechtliche Schranken entgegen.8 Soweit das Aufsichtsrecht noch unternehmerische Spielräume lässt, sind diese wie in einer nicht beaufsichtigten Gesellschaft im Sinne des Unternehmensinteres­ ses zu nutzen. In der Folge bewegen sich die betroffenen Unternehmen und ihre Organe in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen privaten und

2  Siehe

oben 1. Teil: A. III. 3. b). ZGR 2015, 667, 671. 4  Langenbucher, ZHR 2012, 652, 663. 5  Langenbucher, ZHR 2012, 652, 663. 6  Binder, ZGR 2013, 760, 764. 7  Siehe oben 2. Teil: B. V. 4. b) aa). 8  Siehe oben 2. Teil: B. V. 4. b) cc). 3  Binder,

330

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

öffentlichen Interessen.9 Die Geschäftsleiter eines Unternehmens stehen mit diesen widersprüchlichen Einflüssen vor Herausforderungen, die mit erheb­ lichen Haftungsrisiken verbunden sind. Das Sondergesellschaftsrecht zeichnet sich weiter dadurch aus, dass seine Regelungen nicht an die verbandsrechtliche Form eines Unternehmens, etwa als AG oder GmbH, sondern an dessen konkrete Tätigkeit in der Finanzbran­ che anknüpfen.10 Folgerichtig gibt es nicht das Sondergesellschaftsrecht für einen bestimmten Gesellschaftstyp im Finanzsektor. Vielmehr unterliegt die Kreditinstitut-AG anderen Corporate Governance-Anforderungen als eine Zentralverwahrer-AG oder eine Ratingagentur-AG. Schon aus diesem Grund stellt das Sondergesellschaftsrecht im Finanzsektor nach dem aktuellen Re­ gelungsstand kein konsistentes Regelungsgebilde dar, sondern zerfällt in un­ terschiedliche Regelungssysteme, die jeweils an die konkrete Tätigkeit des Unternehmens anknüpfen. Erschwert wird die Rechtslage für Unternehmen zusätzlich dadurch, dass sie unter Umständen mehrere aufsichtsrechtliche Governance-Regime parallel anwenden müssen. Zentralverwahrer oder zen­ trale Gegenparteien sind nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, 12 KWG als Kredit­ institute einzuordnen. Folglich können sie sowohl der Regulierung durch EMIR/CSDR als auch den (ggfs. strengeren) §§ 25a ff. KWG unterliegen.11 Auf Gesellschaften, die ausschließlich über eine Zulassung verfügen, die Tätigkeit als Zentralverwahrer oder zentrale Gegenparteien auszuüben, fin­ den die bankaufsichtsrechtlichen Organisationsfanforderungen nach §  2 Abs. 9a, 9e KWG aber keine Anwendung. Schließlich wandelt sich das Verhältnis von Staatsaufsicht und den Unter­ nehmen als Hoheitsunterworfenen. Die Aufsicht im Finanzsektor entspricht kaum noch dem herkömmlichen Bild einer punktuell hoheitlich eingreifen­ den Staatsaufsicht.12 Insofern wird von einer „symbiotischen Verwaltung“ gesprochen, die das tägliche Handeln der aufsichtsunterworfenen Unterneh­ men begleitet. Eine Vielzahl von Geschäftsvorgängen wird aufsichtsrechtlich bewertet, was einen ständigen Dialog zwischen Aufsichtsbehörden und Un­ ternehmen erfordert. Um die Geschäftstätigkeit der Unternehmen zu beurtei­ len, benötigen die Aufsichtsbehörden Informationen, was durch Auskunfts­ pflichten der betroffenen Gesellschaften gewährleistet wird.13 All dies führt zu einem großen informellen Einfluss der Aufsichtsbehörden im täglichen Geschäftsgang regulierter Unternehmen. Zwar wird es regelmäßig nicht dazu kommen, dass die Unternehmen hoheitlichen Maßnahmen durch die Behör­ Aufsichtsratsausschüsse, 2016, S. 109. ZHR 2012, 652, 663. 11  Redeke, in: Hdb. EMIR, 2015, Teil 5 A. Rn. 4. 12  Hierzu und zum Folgenden Lutz/Röhl/A. Schneider, ZBB 2012, 342, 344. 13  Lutz/Röhl/A. Schneider, ZBB 2012, 342, 346. 9  Bronnert-Härle, 10  Langenbucher,



B. Folgerungen 331

den ausgesetzt sind. Der Einfluss der Aufsicht könnte sich gleichwohl erhö­ hen, weil die Unternehmen aufgrund des prinzipienbasierten Regelungsansat­ zes des Aufsichtsrechts die Einschätzungen der Aufsichtsbehörden antizipie­ ren müssen und womöglich im Zweifel vorsichtigere Gestaltungen wählen. Gleichwohl bleiben regulierte Gesellschaften immer noch Ausdruck privat­ autonomer Gestaltungsfreiheit und mutieren nicht zu einem öffentlich-recht­ lichen Gebilde.14 Zum Regime eines „Aktienamtes“, das die regulierte AG im wesentlichen Teilen der hoheitlichen Kontrolle unterwirft, kommt es trotz aller aufsichtsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten nicht.15 Die Entwicklung eines aufsichtsrechtlichen Regimes zur Corporate Govern­ance wird durchaus kritisch gesehen. Es fehle an empirisch abgesi­ cherten Befunden, die auf konkrete Organisationsdefizite im Vorfeld der globalen Finanzkrise (über das Risikomanagement hinaus) hingewiesen hät­ ten.16 So werden die Versäumnisse bei der Corporate Governance mittler­ weile nicht mehr als eine der zentralen Ursachen für die Finanzkrise gesehen, sondern andere Faktoren wie die laxe Geldpolitik der amerikanischen Federal Reserve betont.17 Kritisiert wird an der aufsichtsrechtlichen Regulierung der Corporate Governance zudem, dass ein betriebswirtschaftlich anerkannter, für alle Rechtsformen und Geschäftsmodelle passender Standard fehle, auf den die Unternehmen verpflichtet und an dem ihre Selbstorganisation gemes­ sen werden könnte.18 Die mit dem prinzipienbasierten Regelungsansatz verbundene Rechtsunsicherheit berge überdies das Risiko von Über- und Fehlsteuerungseffekten.19 Das Aufsichtsrecht bestehe aus einem Mehrebe­ nensystem der Regelsetzung, das zu wenig Rücksicht auf die Besonderheiten nationaler Institutionen und Märkte nehme.20 Auf der anderen Seite hat die Finanzkrise Schwächen offengelegt, die eine besondere Regulierung der Cor­ porate Governance von Unternehmen des Finanzsektors durchaus rechtferti­ gen. Trotz der bestrittenen Kausalität für die Finanzkrise besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass es bei der Corporate Governance von Unternehmen des Finanzsektors erhebliche Defizite gab.21 Die Gefahren, die mit be­ 14  So

auch Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 371 für die „Bank-AG“. ZGR 2011, 471, 483. 16  Binder, ZGR 2015, 667, 708; ders., in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, 377, 381 m. w. N.; zu Wertpapierdienstleistern ders., in: Bankvertrags­ recht, 2021, 7. Teil Rn. 34. 17  Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 276 m. w. N. 18  Binder, ZGR 2015, 667, 708. 19  Binder, ZGR 2015, 667, 708. 20  Binder, ZGR 2015, 667, 708. 21  Hopt, in: Binder/Psaroudakis, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2018, S. 269, 275; ders., Journal of Corporate Law Studies 13 (2013), 219, 222. 15  Dreher/Häußler,

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4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

stimmten Tätigkeiten im Finanzsektor einhergehen, rechtfertigen Beschrän­ kungen der Privatautonomie. Gleichwohl sind die Eingriffe in die unterneh­ merische Gestaltungsfreiheit – nicht zuletzt aufgrund der unionsgrundrecht­ lichen Schranken – möglichst gering zu halten.

II. Neue Qualität des Sondergesellschaftsrechts durch die Wahl der Verordnung als Regelungsinstrument Indem das EU-Aufsichtsrecht die Corporate Governance beaufsichtigter Gesellschaften durch unmittelbar anwendbares Verordnungsrecht regelt, er­ fährt dieser Ausschnitts des „Sondergesellschaftsrechts im Finanzsektor“ eine neue Qualität. Die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderun­ gen genießen – vorbehaltlich unionsgrundrechtlicher oder kompetenzrecht­ licher Schranken – Anwendungsvorrang gegenüber entgegenstehendem na­ tionalen Gesellschaftsrecht. Es verbietet sich daher von vornherein, Konflikte zwischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen und nationalem Gesellschafts­ recht zugunsten des nationalen Gesellschaftsrechts aufzulösen. Darüber hinaus fehlt es – anders als im Anwendungsbereich von Richt­ linien wie der CRD IV – an einem nationalen Umsetzungsakt, der eine Adap­ tion der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das nationale Recht vorneh­ men könnte. Anders als bei Richtlinien kann der nationale Gesetzgeber die rechtsformübergreifend formulierten Anforderungen des EU-Verordnungs­ rechts nicht im Hinblick auf die Kompetenzordnung des nationalen Gesell­ schaftsrechts umsetzen. Es bleibt ihm verwehrt, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben terminologisch und gesetzessystematisch an die Besonderheiten des nationalen Gesellschafts- und Mitbestimmungsrechts anzupassen. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn das EU-Verordnungsrecht Öffnungsklau­ seln enthält, die ausdrücklich Umsetzungsspielräume eröffnen. Demgegen­ über kommt dem nationalen Gesetzgeber bei Richtlinien – selbst wenn diese vollharmonisierend wirken – zumindest eine faktische Wirkungsmacht zu, weil er unklare oder offen formulierte Vorgaben des Unionsrechts im Rah­ men der Umsetzungsgesetzgebung so auslegen kann, dass diese möglichst im Einklang mit dem nationalen Gesellschaftsrecht stehen. Als Folge verlagert sich die Auflösung von systemischen Spannungen zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht von der Ebene des nationalen Gesetzgebers auf den Rechtsanwender, der durch das unmittelbar anwend­ bare Unionsrecht gebunden ist. Beaufsichtigte Gesellschaften sehen sich mit einem rechtsformübergreifend geltenden Corporate Governance-Regime konfrontiert, das maßgeblich von anderen Rechtstraditionen geprägt und nur begrenzt mit dem nationalen Gesellschaftsrecht abgestimmt ist. Das nationale Gesellschaftsrecht kann bei der Anwendung der aufsichtsrechtlichen Anfor­



B. Folgerungen 333

derungen nur Berücksichtigung finden, soweit das vorrangige Verordnungs­ recht eine entsprechende Auslegung zulässt.

III. Unionsrechtliche Harmonisierung der Corporate Governance über die „Hintertür“ des Aufsichtsrechts? 1. Bereichsspezifische Harmonisierung Die Regulierung der Corporate Governance beaufsichtigter Gesellschaften durch EU-Verordnungsrecht führt zu einer bereichsspezifischen Anglei­ chung der Unternehmensverfassung innerhalb der EU. Zwar ist der Wille des Unions­gesetzgebers zu einer systemoffenen Regulierung vorhanden, in den hier untersuchten Verordnungen ist dieser aber nur unzureichend verwirk­ licht. Die Schwierigkeit, die Unternehmensverfassung von Unternehmen des Finanzsektors – trotz des voneinander abweichenden nationalen Gesell­ schaftsrechts – einheitlich zu regeln, tritt dabei in aller Schärfe hervor. Besonders deutlich wird die Angleichung der Unternehmensverfassung anhand der „Boardisierung“ der aktienrechtlichen Kompetenzordnung. An verschiedenen Stellen sind die Einflüsse des monistischen Systems auf die aufsichtsrechtlichen Corporate Governance-Anforderungen sichtbar, die bei regulierten Gesellschaften zu einer weiteren Konvergenz zwischen monisti­ scher und dualistischer Unternehmensverfassung führen. Zwar ermöglicht das EU-Aufsichtsrecht die Aufteilung der Kompetenzen des „Leitungsor­ gans“ auf Vorstand oder Aufsichtsrat gemäß dem nationalen Recht. Das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat wird aber durch die aufsichtsrecht­ lichen Vorgaben modifiziert. Der Aufsichtsrat wird dadurch gestärkt, dass er selbstständig – unabhängig vom Vorstand – auf Informationen nachgeordne­ ter Mitarbeiter zugreifen kann. Auch stellt die stärkere aufsichtsrechtliche Regulierung des Aufsichtsrats die aktienrechtliche Vorstellung vom Auf­ sichtsratsamt als Nebenamt in Frage. Die Regelungen zur Ausschussbildung bezwecken eine zusätzliche Überwachung der Geschäftsführung, die im dua­ listischen System an sich bereits durch die Funktionstrennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat verwirklicht wird. Gleiches gilt für die Anforde­ rung, den Aufsichtsrat mit unabhängigen Mitgliedern zu besetzen, deren Notwendigkeit sich aus der fehlenden Funktionstrennung in Unternehmen mit monistischer Unternehmensverfassung erklärt. Auch die Besonderheiten der paritätischen Mitbestimmung werden auf Unionsebene nur beschränkt berücksichtigt. Zudem nivelliert das Aufsichtsrecht teilweise die Unterscheidung des natio­ nalen Rechts zwischen Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht. Die

334

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance sind unabhängig davon, ob die Regelungen systematisch auf Personengesellschaften passen, auf alle Rechtsformen anwendbar. Insbesondere führt das aufsichtsrechtliche Erfordernis eines Aufsichtsorgans dazu, dass das Prinzip der Selbstorgan­ schaft bei Personengesellschaften im Finanzsektor nur eingeschränkt gilt. Zusammengefasst bewirkt das Aufsichtsrecht eine erhebliche bereichs­ spezifische Harmonisierung des Gesellschaftsrechts. Es bleibt zwar dabei, dass die Unternehmen des Finanzsektors zwischen den verschiedenen Rechts­ formen des nationalen Gesellschaftsrechts wählen können; diese Rechtsform­ wahl ist angesichts der rechtsformunabhängigen unionsrechtlichen Vorgaben allerdings von erheblich geringerer Bedeutung als bei nicht regulierten Un­ ternehmen. Das rechtsformspezifische nationale Gesellschaftsrecht verliert dadurch bei Unternehmen des Finanzsektors erheblich an Bedeutung.22 Diese stärkere Harmonisierung organisationsrechtlicher Anforderungen könnte kompetenzrechtliche Fragen aufwerfen. So wird für eine unionsweite Har­ monisierung des Risikomanagements sowie der Vergütungsstrukturen in Vorstand und Aufsichtsrat ein „erhöhter Begründungsaufwand“ für eine Kompetenz der Union gefordert.23 Gleichwohl lässt sich der erforderliche Binnenmarktbezug begründen, weil die Regelungen die Stabilität des Finanz­ markts in der Union gewährleisten sollen.24 2. Rückwirkungen des Sondergesellschaftsrechts auf das allgemeine Gesellschaftsrecht Wie weit die Auswirkungen dieser Harmonisierung letztlich reichen, hängt davon ab, inwieweit das Sondergesellschaftsrecht auf das allgemeine Gesell­ schaftsrecht zurückwirkt. Eine solche Rückwirkung könnte zur Folge haben, dass über die „Hintertür“ des Aufsichtsrechts auch das allgemeine Gesell­ schaftsrecht eine stärkere unionsrechtliche Harmonisierung erfährt. Insofern kann unterschieden werden zwischen einer potenziellen Pflicht zur Anpas­ sung des deutschen Gesellschaftsrechts, einer Ausstrahlungswirkung, die de lege lata wirkt, und möglichen Auswirkungen auf die künftige Rechtsent­ wicklung des Gesellschaftsrechts, also de lege ferenda.

22  Vgl.

Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 474. ZGR 2012, 160, 167. 24  Vgl. Fleischer, ZGR 2012, 160, 167. Siehe bereits oben 1. Teil: C. IV. 4. c) bb). 23  Fleischer,



B. Folgerungen 335

a) Keine Pflicht zur Anpassung des deutschen Gesellschaftsrechts Die Friktionen zwischen EU-Aufsichtsrecht und deutschem Gesellschafts­ recht werfen die Frage auf, ob das EU-Aufsichtsrecht Anpassungen des deutschen Rechts erzwingt. Der Grundsatz des effet utile könnte den deut­ schen Gesetzgeber dazu verpflichten, das Gesellschaftsrecht so anzupassen, dass es den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Corporate Governance nicht entgegensteht. Eine solche Pflicht, ein „deutsches Sondergesellschaftsrecht“ zu schaffen, entbehrt aber jeder Grundlage. Zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts ist eine Anpassung des nationalen Gesellschaftsrechts gerade nicht erforderlich, weil sich das EU-Aufsichtsrecht bereits aufgrund seines Anwendungsvorrangs über gesellschaftsrechtliche Schranken hinwegsetzt. Eine darüberhinausgehende Abbildung dieser Überformung im deutschen Recht hätte zwar eine klarstellende Funktion, ist aber jedenfalls nicht unions­ rechtlich gefordert. b) Keine Ausstrahlungswirkung de lege lata Welche Auswirkungen die Sonderregelungen im Finanzsektor für Unter­ nehmen anderer Branchen haben, ist Gegenstand einer ausführlichen Diskus­ sion. Schon früh wurde dem Aufsichtsrecht eine „Schrittmacherrolle“ für Entwicklungen des allgemeinen Gesellschaftsrechts zugestanden und festge­ stellt, dass das Aufsichtsrecht das Gesellschaftsrecht in bestimmten Berei­ chen überholt habe und nun auf die gesellschaftsrechtliche Unternehmens­ verfassung zurückwirke.25 In der neueren Diskussion wird dies unter dem – rechtsmethodisch unklaren – Begriff der Ausstrahlungswirkung behandelt.26 Es wird die Frage aufgeworfen, ob die Vorgaben des Sondergesellschafts­ rechts im Finanzsektor auf das allgemeine, branchenunabhängige Gesell­ schaftsrecht „ausstrahlen“, was überwiegend kritisch gesehen wird.27 Ange­ sichts der aufgezeigten Spannungen, die das Sondergesellschaftsrecht im Verhältnis zum allgemeinen Gesellschaftsrecht auszeichnen, ist diese Frage ZIP 2003, 1, 10. etwa Dreher, ZGR 2010, 496 ff.; Langenbucher, ZHR 2012, 652, 666 ff.; Weber-Rey, ZGR 2010, 543 ff.; monographisch J.-B. Fischer, Ausstrahlungswirkun­ gen, 2018; F.  Schmidt, Ausstrahlung, 2017; Duplois, Beeinflussung, 2017; Thaten, Ausstrahlung des Aufsichts- auf das Aktienrecht, 2016; Renner, Bankkonzernrecht, 2019, S. 320 ff.; s. ferner Fleischer, in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 91 Rn. 44. 27  So etwa Langenbucher, in: Kalss/Torggler, Compliance, 2016, S. 25, 35; dies., ZHR 2012, 652, 667 ff. Sehr zurückhaltend auch Dreher, ZGR 2010, 496, 502 ff., der lediglich eine mittelbare Ausstrahlungswirkung anerkennt, sofern das Aufsichtsrecht allgemeine aktienrechtliche Rechtsgrundsätze kodifiziert. 25  Fleischer, 26  Dazu

336

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

von erheblicher Bedeutung. Beschränken sich diese Spannungsfelder auf den Finanzsektor, bleibt das sonstige Gesellschaftsrecht hiervon unberührt. Nähme man dagegen eine Ausstrahlungswirkung an, könnten systemfremde Wertungen des Aufsichtsrechts in das allgemeine Gesellschaftsrecht übertra­ gen werden. Der Annahme einer Ausstrahlungswirkung de lege lata ist entgegenzutre­ ten. Bereits methodisch kann ein solcher Schluss von besonderen auf allge­ meine Normen nicht überzeugen.28 Zudem passen grundlegende Wertun­ gen, die das Aufsichtsrecht und damit das Sondergesellschaftsrecht im Fi­ nanzsektor prägen, auf das allgemeine Gesellschaftsrecht gerade nicht. Die aufsichtsrechtlichen Regelungen legen aufgrund branchenspezifischer Risi­ ken und Schutzbedürfnisse erhöhte Anforderungen an, die nicht maßstabs­ getreu auf alle Gesellschaften übertragen werden können.29 Die Tatsache, dass sich die Vorgaben zur Corporate Governance im Verordnungsrecht fin­ den, ändert hieran nichts. Der Anwendungsbereich der Verordnungen ist ebenso wie das übrige Sondergesellschaftsrecht auf bestimmte Branchen be­ schränkt und gründet sich normativ auf die Besonderheiten des jeweiligen regulierten Sektors. c) Auswirkungen de lege ferenda? Obgleich das Sondergesellschaftsrecht nicht unmittelbar auf das allge­ meine Gesellschaftsrecht zurückwirkt, könnte die branchenspezifische Euro­ päisierung der Corporate Governance auf die künftige Rechtsentwicklung Einfluss nehmen. Die mit dem Sondergesellschaftsrecht verbundene Harmo­ nisierung der Organisationsverfassung könnte die Frage befeuern, ob be­ stimmte tradierte Grundvorstellungen des deutschen Gesellschaftsrechts an­ gesichts internationaler Standards noch zeitgemäß sind. Dies gilt beispiels­ weise für das dualistische System, das sich zwar im deutschen Rechtskreis bewährt hat, international aber eine Besonderheit darstellt. Die Debatte, ob das deutsche Recht auch für die Aktiengesellschaft ein Wahlrecht zwischen monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung bieten sollte,30 könnte durch die Einflüsse des monistischen Systems auf die aufsichtsrecht­ liche Gesetzgebung neuen Auftrieb erhalten. Insofern würde der funktionale Ansatz des Aufsichtsrechts einen Denkanstoß geben: entscheidend ist ledig­ lich, dass eine ausreichende Überwachung der Geschäftsleitung gewährleistet ist, sei es im monistischen oder auch im dualistischen System. Darüber hi­ ZHR 2012, 652, 667; Sethe, ZBB 2012, 357, 359. in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 91 Rn. 44 m. w. N. 30  S. etwa Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 469; Bachmann, in: FS Hopt, 2010, S. 337, 340 f. 28  Langenbucher, 29  Fleischer,



B. Folgerungen 337

naus liegt es nahe, den Gesellschaftern die Wahl des grundlegenden Organi­ sationssystems zu überlassen, da diese die Besonderheiten ihres Unterneh­ mens am besten kennen.31 Allerdings wäre das monistische System für mit­ bestimmte Unternehmen wenig attraktiv, wenn nicht die Mitbestimmungs­ regelungen ebenfalls liberalisiert würden.32 Auch hinsichtlich der Rolle des Aufsichtsrats könnte dem Aufsichtsrecht eine Vorbildrolle zukommen. Denn das Aktienrecht hat mit dem Bedeutungs­ wandel, den der Aufsichtsrat durch stärkere Professionalisierung und einen Fokus auf präventive Kontrolle und Beratung jedenfalls in börsennotierten Gesellschaften erfahren hat, nicht Schritt gehalten.33 Auch das als Reaktion auf den Fall „Wirecard“ erlassene FISG hat lediglich punktuelle Korrekturen vorgenommen, aber keine grundlegende Modernisierung des Aufsichtsrats­ modells bewirkt.34 Anforderungen an die Unabhängigkeit der Aufsichtsrats­ mitglieder sind aufgrund der erheblichen Spannungen mit dem deutschen Recht und der deutschen Rechtspraxis allerdings besser im „Soft Law“ des DCGK aufgehoben.35 Angesichts der Friktionen zwischen den aufsichtsrechtlichen Vorgaben und Grundprinzipien des Personengesellschaftsrechts stellt sich auch hier die Frage nach Reformbedarf im deutschen Recht. Beispielsweise lässt sich fra­ gen, ob das Prinzip der Selbstorganschaft noch zwingend erforderlich ist oder einen Anachronismus darstellt.36 Allerdings hat sich der nationale Gesetzgeber im Zuge der großen Reform des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG entschieden, am Prinzip der Selbstorganschaft festzuhal­ ten.37 Sichere Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung des Personenge­ sellschaftsrechts lassen sich aus den aufsichtsrechtlichen Anforderungen oh­ nehin nicht ziehen. Die besonderen Anforderungen an Unternehmen des Fi­ nanzsektors sind für die typische Personengesellschaft nicht repräsentativ.

ZHR 175 (2011), 444, 469. in: FS Hopt, 2010, S. 337, 341. 33  Arbeitskreis Recht des Aufsichtsrats, NZG 2021, 477 ff. 34  Vgl. Arbeitskreis Recht des Aufsichtsrats, NZG 2021, 477. 35  Vgl. Bachmann, in: FS Hopt, 2010, S. 337, 345. Für die Widereinführung des unabhängigen Finanzexperten nach § 100 Abs. 5 AktG a. F. hingegen Arbeitskreis Recht des Aufsichtsrats, NZG 2021, 477, 479. 36  So Osterloh-Konrad, ZGR 2019, 271 ff. 37  Scholl/Rhein-Fischer, in: BeckOGK HGB, Stand: 01.12.2022, § 114 Rn. 68; K. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16, 33 f.; kritisch Scholz, NZG 2020, 1044 ff. 31  Hopt,

32  Bachmann,

338

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

IV. Weiterentwicklung des Sondergesellschaftsrechts de lege ferenda Ausgehend von dem Befund, dass ein Sondergesellschaftsrecht im Finanz­ sektor existiert, ist dessen weitere Entwicklung von Interesse. Nach derzei­ tigem Stand bildet das „Sondergesellschaftsrecht“ kein umfassendes, konsis­ tentes Regelungsgebilde. Vielmehr zerfällt es in unterschiedliche, branchen­ spezifische Rechtsakte, die lediglich für die jeweils besonders regulierten Gesellschaften Organisationsanforderungen festlegen. Darüber hinaus setzen diese aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen das Vorhandensein einer gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung voraus, deren Vorschriften durch das Aufsichtsrecht punktuell überlagert werden. Insofern stellt sich die Frage, wie das Sondergesellschaftsrecht de lege ferenda weiterentwickelt werden könnte. 1. Konsolidierung verschiedener aufsichtsrechtlicher Regelungen Überlegenswert ist die Umsetzung eines Denkanstoßes aus der Literatur, der die Konsolidierung der verschiedenen aufsichtsrechtlichen Regelungen in einem „allgemeinen Teil des Finanzdienstleistungs-Unternehmensrechts“ in den Raum stellt, dieser letztlich aber skeptisch gegenübersteht.38 Dafür spre­ che, dass es erhebliche Parallelen zwischen den erfassten Regelungsgegen­ ständen, der gewählten Regulierungstechnik und teilweise sogar dem Wortlaut der verschiedenen aufsichtsrechtlichen Vorgaben gebe. Über alle Teilsektoren der Märkte für Finanzdienstleistungen hinweg stellten sich vergleichbare ­Probleme, weshalb von Grundproblemen eines allgemeinen Finanzdienstleis­ tungs-Unternehmensrechts gesprochen werden könne.39 Dementsprechend sei bereits jetzt eine zunehmende Konvergenz organisationsrechtlicher Vorgaben über die verschiedenen Teilsektoren des Finanzmarkts hinweg zu beachten, was sich an vereinheitlichten Anforderungen an die Unternehmensorgane, das Risikomanagement und die Compliance beaufsichtigter Unternehmen zeige.40 Ein noch stärker vereinheitlichter Rechtsrahmen könnte innerhalb dieses Re­ gelungsrahmens ein größeres Maß an Übersichtlichkeit und Kohärenz schaf­ fen. Ein Schritt in diese Richtung kann in der Verordnung über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor41 gesehen werden, die sektorübergrei­ 38  Hierzu und zum Folgenden Binder, ZGR 2015, 667, 696 f.; ders., in: Busch/ Ferrarini/van Solinge (Hrsg.), Governance of financial institutions, 2019, S. 18 ff. 39  Binder, ZGR 2015, 667, 671. 40  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 2. 41  Verordnung (EU) 2022/2554 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.2022 über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor und zur Ände­



B. Folgerungen 339

fend Anforderungen an das Risikomanagement von Finanzunternehmen in Bezug auf Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) statuiert und ab dem 17. Januar 2025 gilt. Andererseits sind erhebliche Zweifel angebracht, ob es tatsächlich möglich ist, ein einheitliches System zu schaffen, das den Besonderheiten aller regu­ lierten Teilbereiche und deren Unternehmen gleichermaßen gerecht wird. Denn die verschiedenen aufsichtsrechtlichen Rechtsakte erfassen verschie­ dene Bereiche des Finanzsektors mit ganz unterschiedlichen Geschäftsmo­ dellen und -strukturen.42 Die unterschiedlichen wirtschaftlichen Funktionen der verschiedenen beaufsichtigten Unternehmen fallen auseinander, was voneinander abweichende aufsichtsrechtliche Regelungsziele und Schutz­ zwecke zur Folge hat.43 Beispielsweise liegt den Regelungen von EMIR und CSDR das Modell einer aufsichtsrechtlichen Risk Governance zugrunde, während die BMR und die CRAR den Schwerpunkt auf die Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Bereitstellung systemrelevanter Dienstleistungen legen.44 Deshalb ist es auch zweifelhaft, ob sich einheitliche Auslegungs­ grundsätze für die aufsichtsrechtlichen Organisationsanforderungen finden lassen.45 Zumindest die Statuierung allgemeiner Grundsätze, die auf alle Unternehmen des Finanzsektors Anwendung finden, erscheint aber denkbar. Eine weitergehende Systematisierung der aufsichtsrechtlichen Regelungen zur Corporate Governance, unter Aufzeigen der Gemeinsamkeiten und Un­ terschiede der jeweiligen Teilsektoren, wäre in jedem Fall ein wünschens­ wertes Vorhaben.46 2. Alternativmodell: Eigenständige Rechtsformen im Finanzsektor Angesichts des Konfliktpotenzials mit dem nationalen Recht stellt sich zudem die Frage, ob der gewählte Ansatz, die Unternehmen rechtsformüber­ greifend zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Organisationanforderungen zu verpflichten, der richtige ist. Legt man den Befund zugrunde, dass Unterneh­ men des Finanzsektors eine andersgeartete Unternehmensführung benötigen, mündet dies noch nicht zwingend in das Regulierungsmodell des EU-Auf­ sichtsrechts. Dieses verzichtet darauf, eigenständige Rechtsformen für den Finanzsektor vorzugeben, und nimmt stattdessen das mitgliedstaatliche Ge­ rung der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009, (EU) Nr. 648/2012, (EU) Nr. 600/2014, (EU) Nr. 909/2014 und (EU) 2016/1011, ABl. EU L 333/1 v. 27.12.2022. 42  Binder, ZGR 2015, 667, 696 f.; ders., in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 2. 43  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 2. 44  Siehe oben 1. Teil: B. II. 2. b). 45  Binder, in: Bankvertragsrecht, 2021, 7. Teil Rn. 2. 46  Binder, ZGR 2015, 667, 697.

340

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

sellschaftsrecht als Ausgangspunkt, das durch die besonderen aufsichtsrecht­ lichen Corporate Governance-Anforderungen überlagert wird.47 Alternativ wäre es denkbar, die Besonderheiten des Finanzsektors im Ge­ sellschaftsrecht selbst zu verankern. So könnte der Unionsgesetzgeber spezi­ elle supranationale Rechtsformen schaffen, die nach den Anforderungen des Finanzsektors ausgestaltet sind, oder den Mitgliedstaaten durch Richtlinien die Einführung solcher Rechtsformen vorgeben. Der Vorteil bestünde darin, dass diese den Bedürfnissen des Finanzsektors gezielter Rechnung tragen könnten. Denkbar wäre es z. B., spezielle Rechtsformen zu schaffen, die im Unterschied zu herkömmlichen Rechtsformen stärker am Ideal einer „Debt Governance“ ausgerichtet sind.48 Durch die Regelung auf einer Ebene könnte eine kohärentere Regelung geschaffen werden. Das Problem, dass das uni­ onsrechtliche Sondergesellschaftsrecht neben dem nationalen Gesellschafts­ recht Anwendung findet und dies zu Friktionen beider Regelungssysteme führt, entfiele. Gleichzeitig würde allerdings der nationale Gesetzgeber, so­ fern man eine zwingende Wahl der Sonderrechtsformen annähme, im Gesell­ schaftsrecht für Unternehmen des Finanzsektors entmachtet. Dies würde kompetenzrechtliche Fragen aufwerfen. Für supranationale Rechtsformen fehlt es an einer speziellen Ermächtigungsgrundlage, weshalb deren Einfüh­ rung nur auf die „Flexibilitätsklausel“ in Art. 352 AEUV gestützt werden kann.49 Anders als die SE würden die vorliegend diskutierten supranationalen Rechtsformen allerdings nicht neben, sondern – beschränkt auf den Bereich des Finanzsektors – an die Stelle der nationalen Rechtsformen treten, das Unionsrecht das nationale Gesellschaftsrecht insoweit also verdrängen. Auch jenseits der Kompetenzfrage, die an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden kann, muss der Sinn einer solchen Regelung hinterfragt werden. Ge­ rade angesichts des Subsidiaritätsgedankens erweist sich die derzeitige Regu­ lierung durch aufsichtsrechtliche Corporate Governance-Anforderungen als sinnvollere Möglichkeit, die Schaffung eigener Rechtsformen für den Finanz­ sektor dagegen als Überreaktion. Ein vollständig harmonisiertes unionsrecht­ liches Sondergesellschaftsrecht könnte den Besonderheiten der nationalen Rechtsordnungen in viel geringerem Maße Rechnung tragen. Vielmehr würde es – vorbehaltlich einer Aufweichung durch Wahlrechte – voraussetzen, dass sich die Mitgliedstaaten auf ein Corporate Governance-Modell einigen. Ange­ sichts dessen sind die Spannungen, die nach dem derzeitigen Stand zwischen Gesellschafts- und Aufsichtsrecht bestehen, das kleinere Übel. ZVglRWiss 2014, 520, 525. und allgemein zur Weiterentwicklung des „Bankgesellschaftsrechts“ de lege ferenda Badenheim, Bankaktiengesellschaft, 2022, S. 406 ff. 49  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 31. 47  Mülbert, 48  Hierzu



C. Ausblick341

3. Ergebnis Der gewählte aufsichtsrechtliche Regelungsansatz erscheint – trotz der Friktionen mit dem nationalen Gesellschaftsrecht – sinnvoll und ist einer weitergehenden Regelung in Form supranationaler Rechtsformen für den ­Finanzsektor vorzuziehen. Die Konsolidierung der verschiedenen aufsichts­ rechtlichen Rechtsakte erscheint aufgrund der unterschiedlichen Anforde­ rungen der jeweiligen Teilsektoren ebenfalls problematisch. In jedem Fall wünschenswert wäre aber, aufsichtsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Regelungen besser aufeinander abzustimmen, um Spannungen beider Rege­ lungsbereiche zu vermeiden. Aufgrund der oben dargestellten Vielfalt des nationalen Gesellschaftsrechts ist dies auf unionsrechtlicher Ebene aber ein schwer zu bewerkstelligendes Unterfangen. Letztlich wird man mit Friktio­ nen beider Rechtsgebiete leben müssen, solange keine weitergehende unions­ rechtliche Harmonisierung des allgemeinen Gesellschaftsrechts erreicht ist.

C. Ausblick Für die Zukunft ist keineswegs auszuschließen, dass sich die Entwicklung des aufsichtsrechtlichen Sonderrechts weiter intensiviert. Angesichts der ste­ tig zunehmenden Regulierungsdichte der letzten Jahre könnten weitere auf­ sichtsrechtliche Vorgaben zur Corporate Governance bevorstehen. Auf der anderen Seite könnten sich die Spannungen zwischen Aufsichts- und Gesell­ schaftsrecht entschärfen, wenn das allgemeine Gesellschaftsrecht stärker unionsrechtlich harmonisiert würde. Auf der Grundlage eines solchen harmo­ nisierten Gesellschaftsrechts fiele eine unionsweite Regulierung der Corpo­ rate Governance von Unternehmen des Finanzsektors erheblich leichter. Ge­ gen eine solche Entwicklung sprechen allerdings die nach wie vor bestehen­ den erheblichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschafts­ rechtssystemen in der EU, die in unterschiedlichen Rechtstraditionen wurzeln. Ob sich der Einfluss anglo-amerikanischer Vorstellungen auf die Rechtset­ zung der EU, der die Spannungen mit dem dualistischen System verursacht, durch den erfolgten Austritt Großbritanniens aus der Union verringert, wird erst die Zukunft erweisen. Als Hemmschuh für eine stärkere unionsrechtliche Harmonisierung wirkt die unternehmerische Mitbestimmung, bei der eine unionsweit einheitliche Regelung unrealistisch ist.50 Gleichwohl ist ein stär­ kerer Ausbau unionsrechtlicher Corporate Governance-Vorgaben zu erwar­

50  Kort, in: GK-AktG, 5. Aufl. 2015, Vor § 76 Rn. 24; Habersack/Verse, Euro­ päisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2019, § 4 Rn. 11 ff.; Jung/Stiegler, in: Jung/ Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 196.

342

4. Teil: Ergebnisse und Folgerungen

ten.51 Corporate Governance als Thema findet, auch unabhängig von den Besonderheiten des Finanzsektors, auf Unionsebene immer mehr Beachtung. Der Fokus liegt dabei aber auf börsennotierten Unternehmen, was zuneh­ mend zur Schaffung eines „Börsengesellschaftsrechts“ führt.52 Die unions­ rechtlichen Maßnahmen zur Corporate Governance werden insoweit als „Rutenschläge zur Entwicklung eines eigenständigen Sonderrechts der bör­ sennotierten Aktiengesellschaft“ bezeichnet.53 Spektakuläre Unternehmens­ skandale wie bei Wirecard haben jüngst zu einer neuen Dynamik geführt, die auch auf unionsrechtlicher Ebene zu zusätzlichen Anforderungen an die Corporate Governance börsennotierter Unternehmen führen könnte.54 Ungeachtet der konkreten Fortentwicklung des Themenkomplexes Corpo­ rate Governance werden bestimmte grundlegende Themen, die sich im Kon­ text der aufsichtsrechtlichen Regulierung der Unternehmensführung stellen, weiter von Bedeutung sein. Der dahinterstehende Konflikt zwischen staat­ licher Regulierung und unternehmerischer Freiheit wird die Gesetzgebung der EU auch in Zukunft prägen. Für die Finanzmärkte ist dabei insbesondere das Verhältnis zwischen staatlicher Regulierung und Selbstregulierung von Belang.55 Die Schnittstellenproblematik zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, die sich bei der Regulierung der Corporate Governance durch öffentlich-rechtliches Eingriffsrecht zeigt, wird die Rechtswissenschaft in Zukunft weiter beschäftigen. So wurde vermutet, der weitere Ausbau des Kapitalmarktrechts könne dazu führen, dass das Verhältnis von Regulierung und Privatrecht und die gegenseitigen Wechselwirkungen zu einem beherr­ schenden Thema des unionsrechtlichen Privatrechts würden.56 Dabei ist beispielsweise die Indienstnahme des Privatrechts zur Durchsetzung von Unionsrecht – im Sinne eines private enforcement – zu nennen. Zudem bleibt die Frage relevant, ob eine Regulierung auf zentraler oder dezentraler Ebene sinnvoller ist, wobei allgemein ein klarer Trend in Richtung einer stärkeren unionsrechtlichen Harmonisierung sichtbar ist.

51  So

auch Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 194. in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 19 ff.; Jung/Stiegler, in: Jung/Krebs/Stiegler, EuropGesR, 2019, § 33 Rn. 26; Lutter/Bayer/Schmidt, EuropUnternehmensR, 6. Aufl. 2017, Rn. 14.61. 53  Kalss/Klampfl, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, E. III. (Stand: 37. Erg.-­ Lfg. April 2015) Rn. 20. 54  Dazu Velte, NZG 2022, 147, 152, 155. 55  Dazu Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 520. 56  Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 600. 52  Kalss/Klampfl,

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Stichwortverzeichnis Abhängiges Unternehmen  55, 126 f., 132 f., 136, 228 f. Abschlussprüferrichtlinie  214, 244, 265 Administrator  32, 33 f., 44 ff. Aktienoption  55, 269 Aktionär Aktionärs-/Gesellschafterinteresse  58, 143, 145 ff., 234 Aktionärsrechterichtlinie  51 Aktionärsstruktur  67 f., 213 –– kontrollierender Aktionär/Mehrheits­ aktionär  55, 215 ff., 218, 226 ff. –– Minderheitsaktionär  55, 67 f., 133, 231, 234 Analogie  107, 286 f., 297, 299 ff., 312 ff., 324 Analogieverbot  281 Anfechtung  288 ff., 297, 299 ff., 303 f., 329 Anglo-amerikanischer Rechtskreis  54, 63, 66, 68, 341 Anleger  43, 47, 49, 69, 137, 292, 322 f. Anwendungsbereich –– BMR  44 –– CRAR  47 f. –– CSDR  41 –– EMIR  37 f. Anwendungsvorrang  32, 83 f., 85 ff., 175, 200, 205, 215, 223, 232, 332 Arbeitnehmer  54 f., 65 ff., 141, 143 ff., 189 ff., 205 f., 220, 224 ff. Aufsichtsfunktion  46, 178 ff., 254, 270, 284 f., 327 Aufsichtsorgan  165 ff. –– Abberufung  220 ff., 277 ff. –– Fit & Proper-Anforderungen  171, 202 ff., 278, 283, 286 ff., 293 ff.

–– Geschlechterspezifische Diversität  206 ff. –– Nebenamt  165, 214, 333 –– Unabhängige Mitglieder  213 ff. –– Vergütung  222, 267 ff. Aufsichtsrecht  56 ff., 69 ff. Auskunftsperson  238 f. Auskunftspflicht  193, 239, 330 Auskunftsrecht  131, 239, 253, 262, 266 Auslagerung  129 ff., 135 f., 247 Auslegungsregime  75 Ausschuss –– Nutzerausschuss  42, 103, 240, 255 f., 259, 282, 326 –– Prüfungsausschuss  62, 223, 241 f., 244 ff., 262 f., 266 f. –– Risikoausschuss  40, 185, 244, 246 ff., 255 f., 259, 270 f., 326 –– Vergütungsausschuss  163, 239, 255, 256 ff. Außenhaftung  305, 316, 322 ff. Ausstrahlungswirkung  35, 334 ff. BaFin  39, 42, 44, 205, 273 ff. Bail-Out  57 Bank  32, 35, 56 ff., 63, 68, 96, 125, 130, 160 Bankaufsichtsrecht  40, 83 f., 115, 125 ff., 133 ff., 175, 206, 259, 262, 301, 330 Bankgeschäft  275 Bankgesellschaftsrecht/-organisations­ recht  30 Beherrschungsvertrag  126, 128, 132 f., 228 Beirat  168 f., 172, 184 ff., 200, 241, 249 ff., 270

Stichwortverzeichnis371 Benachteiligungsverbot  225 Berichtslinie  120, 154, 164, 261 ff., 326 Berufsfreiheit  88, 281 Beurteilungsspielraum  217, 313 ff. Beweisschwierigkeit  323 BGH  204 f., 304, 316, 318, 320 BMR  33 f., 43 ff. Börsengesellschaftsrecht  342 Business Judgment Rule  148 f., 309 ff., 315, 322 Bußgeld  219, 282 ff., 293, 314, 320 BVerfG  89 CEO-Modell  62, 64 f. Clearing(pflicht)  34, 38 f., 290 Clearingmitglied  38, 112 f., 147, 217, 238 f., 247 f. Compliance –– konzernweites Compliance-System  129 ff. Compliance-Beauftragter  110, 123, 151 ff. Compliance-Funktion  151 ff. Compliance-Organisation  96, 108 ff. Comply-or-Explain-Mechanismus  181, 197 Corporate Governance  29 ff., 50 ff. –– externe  53 f, –– interne  53 f. CRAR  34, 47 ff. CRD IV  31 ff., 71, 120 ff., 134, 166, 208 f., 260, 332 Creditor Governance  58, 147 CSDR  34, 40 ff. DCGK  53, 79 f., 214 f., 226, 229 f., 241, 337 de lege ferenda  334, 336 ff. de lege lata  334 ff. Debt Governance  58, 147, 340 Delegation –– auf Ausschüsse  209, 223 f., 243 f., 257 f. –– von Leitungsaufgaben  124, 150 ff.

Dispositives Recht  77 ff., 92, 118 f., 159, 168, 170, 192, 210, 222, 300, 326 Dualistisches System  31, 61 ff., 70, 98 f., 117, 155 f., 187, 204, 208 f., 223, 231 f., 245, 260, 264 ff., 336 effet utile  134, 335 Eigentumsrecht  88, 141 f., 189 f., 229, 233 ff. Eingabedaten  44, 47, 182 f., 193 Einzelkaufmann  72, 91, 93, 176 EMIR  34, 37 ff. Emittent  43, 47 f., 255, 274, 292, 322 f. Entsprechenserklärung  79 Equity Governance  147 Ermessen –– freies Ermessen  197 f., 217, 221, 234 –– Leitungsermessen  106, 109 f., 137 –– Organisationsermessen  104, 114, 119 f., 154, 240 ff., 271, 326 –– Unternehmerisches Ermessen  74, 109, 124, 148 ff., 310 f. ESMA  38, 40, 42, 45, 48 f. 122, 129, 179, 185 ff., 197, 217, 273, 275, 283 EuGH  45, 75, 80, 89, 150 EURIBOR  32, 43, 181 Europäische Kommission  29, 68 f., 165, 181, 186, 206, 207 EWIV  174 f. Exogene Nebenbedingung  142 Externalität  147 Fahrlässigkeit  283 f., 319, 322 Faktisches Organmitglied  117 Familienunternehmen  68, 213, 230 Fehlanreiz  55, 97 Finanzbranche  57, 147, 330 Finanzdienstleistungs-Unternehmens­ recht  30, 338 Finanzinstrument  33, 41, 43 f., 48, 202, 322 Finanzkrise  29 f., 32, 47, 50, 57, 74, 96 f., 107 f., 114, 157, 160, 165, 208, 331

372 Stichwortverzeichnis Finanzmarkt  37, 56, 58 ff., 90, 162, 334, 338 FISG  106, 109, 241 f., 262, 266, 337 Flexibilitätsklausel  340 Frühwarnsystem  103 Funktionsschutz  30, 50, 56, 58, 60, 88, 146 f., 162 Funktionstrennung  63 ff., 209, 333

Handlungsspielraum  72, 139, 142, 148 f., 312, 321 Harmonisierung  31 f., 35, 53, 60, 66, 69, 86, 333 ff. Hauptversammlung  62, 218 ff., 226, 234, 236, 250, 268 –– Beschlussmängelrecht  286 ff. Hertie-Entscheidung  204 f.

Gebot privater Rechtsdurchsetzung/ private enforcement  134, 290 ff., 296, 299, 303, 324, 342 Gesamtaufsichtsrat  209, 222 ff., 242 ff., 245, 258, 263, 271 Geschäftsleiter/-leitung  –– Abberufung  275 ff. –– Begriff  98 ff. –– eigenverantwortliche Leitung  124 ff. –– Fit & Proper-Anforderungen  77, 96, 99, 114 ff., 283, 301 ff. –– Organisation  119 ff. –– Vergütung  157 ff. Geschäftsorganisation  42, 50, 74, 102 ff., 125, 127, 134, 150, 315 Gesellschaftsfremde/externe Dritte –– Aufsichtsfunktion  180, 195 ff., 270 –– Interessen  60, 113, 147, 254, 256 –– Risikoausschuss  248 f., 253 f., 270 Gesellschaftsvertrag  79, 92, 95, 100, 104, 119, 132, 172 f. Gesetzliches Verbot  298 f., 301 ff. Gestaltungsfreiheit  78, 92, 104, 172, 242, 331 f. Gewinnmaximierung  144 Gläubiger  54 f., 58 f., 133, 141, 143, 145 f., 228, 288 Gleichbehandlungsgrundsatz  269 f. GmbH & Co. KG  95, 116, 171 Grundgesetz  88 f., 233 f., 281 Grundrechte  88 f., 95, 141 f., 177, 189 f., 200, 207, 233 ff., 281, 328 f.

Informationsasymmetrie  63, 261, 271 Informationserteilungsmonopol  164, 263, 265 f., 326 Informationsfluss  63, 262 f. Informationsmodell  267 Informationspflicht  264, 276, 278 Informationspolitik  192 Informationsrecht  153, 156, 253, 263 Informationsversorgung  154, 156, 166, 261 Informationsvorsprung  54 Informationsweitergabe  263 Informationszugriff  261, 267 Innenverhältnis  109, 138, 140, 194, 305 ff., 316, 318, 325, 329 Interessenkonflikt  43, 49, 59, 111 ff. 135, 159, 180 ff., 199, 216 ff., 225 ff. Interne Revision/Innenrevision  103 f., 105, 150, 154 ff., 223, 262, 265 Internes Kontrollsystem  96, 103 f., 109, 223, 265 f.

Haftungsprivileg  148 f., 308 ff. Haftungsrisiko  149, 264, 309, 321 f., 324, 329 f.

Juristische Person  93 ff., 116, 130, 134, 171, 277 Kapitalmarktakteure  29 Kapitalmarktinfrastrukturanbieter  136 Kapitalmarktorientiert  68, 214, 267 Kapitalmarktrecht  40, 53, 290, 342 Kartellrecht  134, 290 Kausalität  165, 304, 320, 323, 331 Kommissionempfehlung  215 ff., 224 ff., 231, 233 Kompetenzordnung  101, 154, 158 f., 179, 199 ff., 208, 252, 262, 270, 333 Konformitätserklärung  46, 179 f.

Stichwortverzeichnis373 Kontributor  44 ff., 129, 180, 182 f., 188 f., 193, 201 Kontrollfunktion  52, 64, 196 Konzern –– faktischer Konzern  126, 133, 228, 231 –– Trennungsprinzip  124 f. Konzerndimensionale Organisationsan­ forderungen  125 ff. Konzerngesellschaft  125, 129 ff., 213 Konzernleitungsmacht  134, 233 Konzernrecht  55, 67, 82, 126 f., 133 f., 227 ff., 231 ff. Kreditinstitut  29, 31, 48, 79, 93, 102, 121, 125, 166, 206, 208 f., 240, 246, 248, 269, 274, 275, 277, 291, 330 Krisenfrüherkennung  107 Krisen-Gesellschaftsrecht 147 f. Kunde  112 f., 238 f. 247 f. Legal Judgment Rule  312 ff. Legalitätskontrollpflicht  109, 113, 153 Legalitätspflicht  109, 138 ff., 148 f., 153, 306 f., 312 f., 317 f., 320 f. Lehre vom fehlerhaften Organ  289, 299, 302 f., 303 f., 324 Leichtfertigkeit  276, 282, 284 Leitungsorgan  62, 64 f., 70 f., 87, 100 f., 166 f. Leumund  115 f., 118, 171, 202, 204, 293, 328 lex specialis  77, 83 f. LIBOR  32, 43 Meldepflicht  37 f., 185, 192 f. MiFID II  32, 41, 93 f. Mitbestimmung  55, 65 ff., 159, 168, 170, 189, 207, 210 f., 220, 224 ff., 230, 234, 236, 332 f., 337, 341 Monistisches System  31, 62 ff., 69 ff., 87 f., 97 ff., 155 f., 158, 203, 208 f., 213, 223, 231 ff., 244, 259 f., 265 f., 268, 333, 336 f. MoPeG  172, 285 f., 297, 299 f., 303, 337

Nachgeordneter Mitarbeiter  151 f., 154, 157, 164, 261 ff., 271, 326, 333 Nichtigkeit  286 ff., 295, 297 ff. Nichtigkeitsklage  89, 300 Normatives Leitbild  251 Normenhierarchie  85, 87 Nützliche Gesetzesverletzung  306 f., 320 f. Offenlegung  112, 183, 237, 239, 250 Öffentliche Interessen  30, 56, 113 f., 137 ff., 152 f., 235, 254, 256, 328 ff. Optimierungsthese  317 f. Ordnungswidrigkeit  273, 282 ff., 293 Organhaftung  75, 148 f., 305 ff. Organisationsautonomie  150, 240 ff., 247, 258 Organisationspflicht  46, 103 ff., 242, 325 Organisationspflichtverletzung  309 Organisatorische Anforderungen  102 ff. OTC-Derivat  34, 37 ff., 58, 290 Personengesellschaft  60 f., 92 ff., 116, 119, 144 ff., 170 ff., 212, 297 ff., 337 Pflichtverletzung  263, 305 ff., 309, 320 f. Prinzip der Gesamtverantwortung  65, 120 ff., 151, 243, 258 Prinzip der Selbstorganschaft  79, 95, 119, 145 f., 170, 172 ff., 212, 270, 327 f., 337 Prinzipal-Agenten-Konflikt  54 f., 56, 68, 328 Prinzipienbasierter Regulierungsansatz  45, 72 ff., 139 ff., 150, 197, 308 ff., 328 f., 331 Privatautonomie  172, 331 f. Privilegierungsfunktion  228, 231 Proportionalitätsprinzip  142 Rating  47 ff., 59, 93, 111, 136, 202, 274, 322 f. Ratingagentur  32, 47 ff., 59 Rechtsermittlung  317, 319

374 Stichwortverzeichnis Rechtsform –– Disqualifikation von Rechtsformen  85, 176 f., 199 f., 327 –– rechtsformübergreifender Ansatz  71 f., 91 ff., 97, 115, 212, 332, 339 ff. –– Sonderrechtsformen  339 ff. –– supranationale Rechtsform  50, 86, 174, 340 f. Rechtsformwahl  72, 85, 91, 95, 176 f., 334 Rechtsfortbildung  83, 277, 280 f. Rechtsirrtum  316, 318 Rechtsunsicherheit  45, 73, 75, 221, 287, 294, 302 ff., 322, 324, 329, 331 Referenzwert  32, 43 f., 112, 129 ff., 179 ff. Referenzzinssatz  43, 46, 181 f., 195, 197 f., 201 Richtlinie  31 f., 50 f., 60, 71, 75, 83 f., 332, 340 Richtlinienkonforme Auslegung  80 ff. Risikoaverse Unternehmensführung  57 f., 146, 149, 208 Risikocontrolling  122, 262 Risikomanagement  57 f., 96, 105 ff., 158, 160, 162 f., 334, 338 f. Risikovermeidung  147 f., 161, 163 Risk Governance  56 ff., 105, 306, 339 Rückschaufehler (hinsight bias)  313 Sachkenntnis/Sachkunde  165, 202 ff., 278, 293 f., 328 Satzung  78 f., 92, 118, 132, 159, 168, 170, 188 f., 192, 218 ff., 230 Satzungsstrenge  79, 92, 95, 250 Schaden  320 Schadensersatzanspruch  290 f., 292, 305 ff., 322 ff. Schnittstellenproblematik  329, 342 SE  63, 86, 96, 100, 115 f., 117, 167 f. Shareholder Value-Ansatz  54, 66, 68, 147 Soft Law  53, 215, 337 Solange-II-Rechtsprechung  88 Solvency II  31 ff., 125

Sondergesellschaftsrecht  31, 177, 236, 267, 327 ff., 332 f., 334 ff., 338 ff. Sonderkonzernrecht  127, 136 Sorgfaltsmaßstab  124 f., 307 Sorgfaltspflicht  104, 107, 109, 111 Spannungsfeld  76 ff., 325 ff., 329, 336 Stakeholder  40, 53 ff., 60, 68, 136, 141, 143, 147, 195, 197, 244, 247, 249, 252, 259 Systemrelevanz  42, 50, 57 f. Tätigkeitsverbot  277, 279 Teilnahmerecht  238, 254 Teleologische Reduktion  231 ff. Tochtergesellschaft/-unternehmen  125 ff., 130 f., 134, 226, 228 f. Transaktionsregister  38, 40, 115 f. Transparenz  29, 37, 47, 49, 102, 188 Überlagerung  77 f., 104, 107, 111, 113 f., 119, 140, 204, 242, 269, 271 Übernahmerecht  53 Übernahmeverschulden  291 Überwachungseffizienz  214 Überwachungsfunktion  61, 63 f., 101, 169, 194, 251, 262, 270 ultra posse nemo obligatur  82 Ultra-vires-Kontrolle  89 Unbestimmter Rechtsbegriff  73 ff., 103, 139, 202, 308, 310, 314 f. Unklare Rechtslage  308 ff. Unmittelbare Anwendbarkeit  32, 51, 80 ff., 84 f., 97, 133, 140, 150, 206, 215 f., 279, 290 f., 332 Unternehmenseinheit  124, 150 ff., 194 ff. Unternehmensinteresse  113, 118, 136, 138 ff., 152 f., 161, 234 f., 254, 328 f. Unternehmensorganisation  30, 53, 104, 139 ff., 151, 270 f., 298, 310, 326, 328 Unternehmensrecht  45, 329 Unternehmerische Entscheidung  150, 310, 312 f., 315, 322

Stichwortverzeichnis375 Unternehmerische Freiheit  88, 95, 142, 150, 342 Unwirksamkeit  298, 301 ff. VAG  32, 131, 134 Variable Vergütung  97, 161 ff., 269, 282 Verbandsexogene Zielvorgabe  138 Verbandssouveränität  79, 131 f. Verhaltenssteuerung  149, 306, 320 f. Vermutung –– Abhängigkeitsvermutung  216, 225, 227, 229, 233 –– Verschuldensvermutung  319 Verordnungskonforme Auslegung  80 ff., 173 ff., 222, 252 f., 256, 265 ff., 326 Verordnungsrecht  32 ff., 50 f., 71, 85 ff., 97, 101, 133 ff., 140, 175 ff., 289, 332 f., 336 Verrechtlichung  104, 113 f., 120, 139, 149, 164, 237, 271, 326 Verschulden  291, 315 f., 319, 322, 324 Verschwiegenheitspflicht  193, 239 Versicherung/Versicherungsunternehmen  31 f., 48, 79, 83, 125, 130, 135 Versicherungsaufsichtsrecht  83, 124 ff., 133 ff., 301

Vertragsfreiheit  172 Vertretbarkeitsthese  316 ff. Vorsatz  276, 282 ff., 319, 322 Vorsichtspostulat  125 Vorteilsanrechnung  320 f. Wahlfreiheit  190, 200, 219 f., 234, 236 f., 294 Weisungsfreiheit  153, 156 f., 232 Weisungsrecht  126, 131 ff., 136, 152 f., 157 Wertpapierfirma  48, 93 Wertpapierinstitut  32, 175 Wertpapierliefer- und -abrechnungs­ system  41 f., 60, 147, 240, 255 Whistleblowing-System  110, 192 f., 282 Wiederbestellungsverbot  219 f. Wirecard  241, 337, 342 Zentrale Gegenpartei (CCP)  32, 34, 39 f. Zentralverwahrer  32, 34, 42 f. Zielkonzeption –– aufsichtsrechtliche Einwirkungen  124, 136 ff. –– interessenpluralistische  Zielkonzep­ tion  54, 60, 136, 143 ff., 148