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German Pages 313 [316] Year 2010
Social Media Marketing Marketing mit Blogs, Sozialen Netzwerken und weiteren Anwendungen des Web 2.0
von Professor
Dr. Uwe Hettler Fachhochschule Schmalkalden
Oldenbourg Verlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
©2010 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Coverbild: iStockphoto.com Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-59115-6
Vorwort Das Internet entwickelt sich immer mehr zum Leitmedium vieler Menschen, die damit ihre zentralen Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen und ihre Sozialkontakte abwickeln. Nach Jahren der Ernüchterung nach dem Platzen der Dot-Com-Blase ist im Web heute wieder eine Aufbruchstimmung zu beobachten, die durch Systemangebote und Funktionalitäten gespeist wird, die unter dem Stichwort Web 2.0 subsumiert, neue Formen der Teilnahme und des sozialen Austausches breiter Bevölkerungsschichten erlauben. Reine Informationskonsumenten der Web 1.0-Ära entwickeln sich immer mehr zu „Prosumenten", die das Web für die Erstellung eigener Beiträge und die Interaktion mit ihrem sozialen Netz nutzen. Das Web mutiert durch Anwendungen, wie Twitter, Facebook, YouTube und Co., die man auch in Deutschland immer häufiger unter dem Begriff Social Media zusammenfasst, zum „Mitmachmedium" und zur sozialen Austauschplattform. Konsumenten berichten darin über eigene Produkterfahrungen, diskutieren mit anderen, geben Bewertungen ab oder engagieren sich als Markenbotschafter. Neu an dieser Art der onlinegestützten Kommunikation ist deren öffentliche Ausstrahlung. Nutzergenerierte Beiträge können schnell eine hohe Reichweite erlangen und damit wächst ihr Stellenwert für die Meinungsbildung und öffentliche Darstellung von Unternehmen und Marken. Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen verlieren auf der einen Seite ihr gefühltes Informationsmonopol und sie sehen sich zunehmend der Gefahr ausgesetzt, dass unternehmerische Fehler schnell einen Flächenbrand auslösen und das eigene Markenimage beschädigen können. Auf der anderen Seite bietet das Engagement von Nutzern weitreichende Chancen, wenn es Unternehmen gelingt, diese als Ideengeber, Meinungsmacher, Multiplikatoren oder Markenbotschafter zu gewinnen. Diese Chancen zu nutzen und Risiken zu vermeiden, ist für Entscheidungsträger im Marketing nicht leicht, weil für die Inanspruchnahme der Potenziale von Social Media neue Herangehensweisen im Umgang mit Internetanwendern erforderlich werden. Internetanwender wollen mit Emittenten von Markenbotschaften immer häufiger in Dialog treten. Bisheriges Marketingwissen, das bezüglich Werbung und PR vornehmlich auf unidirektionaler Kommunikation aufbaut, hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter. Die Herausforderung für Entscheidungsträger im Marketing besteht darin, die sich sehr dynamisch entwickelnden neuen Kommunikationskanäle des Social Web für die Erreichung eigener Marketingzielstellungen einzusetzen, obwohl die Nutzenpotenziale der Kanäle zum Teil noch gar nicht bekannt sind. Man vermutet vielleicht, dass an dem aufkommenden Hype um den Begriff Social Media etwas dran sein muss, man weiß aber oft nicht, wie man dieses Medium in die eigene Marketingarbeit integrieren soll, welche Ziele sich damit erreichen lassen und welche Maßnahmen im Einzelnen möglich sind. Es existieren aber heute schon Unternehmen, die vormachen, wie man Social Media erfolgreich einsetzen kann, zum Beispiel für die Marktforschung, den Dialog mit Kunden und Interessenten, die Unternehmens- und Markenkommunikation, das eigene Innovationsmanagement und das interne Informations- und Wissensmanagement. Das vorliegende Buch soll Marketing- und Kommunikationsschaffenden sowie Studierenden helfen zu erkennen, wel-
VI
Vorwort
che Einsatzfelder und Anwendungsszenarien von Social Media für die Erreichung eigener Vermarktungsziele heute möglich sind und welche Kanäle und Instrumente hierfür genutzt werden können. Die Arbeit soll die vielfältigen Aspekte, Erscheinungsformen und Anwendungsfelder von Social Media in einer geschlossenen Abhandlung darstellen, deren Aussagen durch viele Praxisbeispiele unterlegt werden - wohl wissend, dass jeweils nur Ausschnitte beleuchtet werden können und die Thematik aufgrund der hohen Dynamik der Onlinemedien einer laufenden Aktualisierung bedarf. Anstoß für das Buch gab die 2007 fertiggestellte, sehr gute Diplomarbeit von Herrn Dipl.Inf. (FH) Mark Ziener zum Thema „Social Software in der Unternehmenspolitik", aus der grundlegende Aussagen in weitergeführter Form übernommen wurden. Zur Sicherstellung der Einhaltung der formalen Gestaltungsvorgaben des Buches haben mich die Studierenden Frau Franziska Zimmermann und insbesondere Herr Jens Kunde unterstützt, der mir auch sonst bei vielen Aspekten beratend zur Seite stand. Das Teillektorat führte Frau Dr. Christina Grund ([email protected]) aus Würzburg sehr sorgfältig und professionell durch. Herr Dipl.-Inf. (FH) Christian Heinze leistete eine wichtige Hilfestellung beim Satz des Manuskriptes in LaTeX. Allen Beteiligten gilt mein besonderer Dank. Ich danke ebenfalls meiner Frau Birgit und meiner Tochter Charlotte für deren familiäre Unterstützung. Schmalkalden, Fakultät für Informatik im April 2010 Prof. Dr. Uwe Hettler [email protected]
Inhaltsverzeichnis 1
Grundlagen des Web 2.0 1.1 Die Anfänge des Webs 1.2 Von der New Economy zum Web 2.0 1.3 Entstehung und Geschichte des Begriffes Web 2.0 1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0
1 1 2 4 5
2
Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing 11 2.1 Social Media 11 2.1.1 Social Software als Vorläufer von Social Media 12 2.1.2 Begriffsklärung Social Media 14 2.1.3 Unterscheidung von zentralen Medienformen 16 2.1.4 Typologie und Aktivitäten von Social-Media-Nutzern 20 2.1.5 Einflussfaktoren von Social Media auf das Kaufverhalten 26 2.2 Grenzen klassischer Werbung 30 2.2.1 Print-, Funk-und TV-Werbung 30 2.2.2 Online-Werbung 31 2.3 Grenzen klassischer PR 33 2.4 Social Media Marketing 37 2.4.1 Begriffsklärung 37 2.4.2 Einsatzfelder des Social Media Marketings 38
3
Erscheinungsformen von Social Media 3.1 Wikis 3.1.1 Begriff und Einordnung 3.1.2 Entstehung und Funktionen von Wikis 3.2 Weblogs 3.2.1 Definition 3.2.2 Die Entwicklung von Weblogs 3.2.3 Funktionen und Elemente von Weblogs 3.3 Mikroblogs 3.4 Podcasts 3.5 Soziale Netzwerke 3.6 Social Bookmarking 3.7 Weitere Erscheinungsformen
41 41 41 42 43 43 44 44 45 51 54 58 60
4
Einflüsse von Social Media auf die Unternehmenskommunikation 4.1 Grundlagen der Unternehmenskommunikation und Kommunikationspolitik . .
65 65
Inhaltsverzeichnis
Vili 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8
Überblick über zentrale Einflussgrößen Unternehmensreputation und Vertrauen als Erfolgsfaktoren Vom Monolog zum Kundendialog Von der Push- zur Pull-Kommunikation Verlust der Kommunikationshoheit Digitale Mundpropaganda und Viralmarketing Bedeutungsgewinn der internen Unternehmenskommunikation
67 69 73 75 76 77 80
5
Social Media als Instrument der Marktforschung 5.1 Begriffliche Grundlagen 5.2 Erkenntnisziele des Social Media Monitorings 5.3 Monitoring mittels freier Dienste 5.3.1 Allgemeine Suchmaschinen 5.3.2 Benutzerdefinierte Suchmaschinen 5.3.3 Online-Nachrichten 5.3.4 Mikroblog-Suchdienste am Beispiel von Twitter 5.3.5 Blog-Konversation 5.3.6 Internetforen 5.3.7 Social Bookmarking 5.3.8 Audiovisuelle Seiten 5.3.9 Soziale Netzwerke 5.3.10 Informations-Aggregations-Seiten 5.4 Bewertung des Social Media Monitorings mittels freier Dienste 5.5 Social Media Monitoring mittels kommerzieller Angebote 5.6 Social Media als Instrument der qualitativen Marktforschung
81 81 83 84 84 86 88 88 92 93 94 94 98 99 101 103 106
6
Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation 6.1 Ansatzpunkte der Dialogführung 6.2 Zuhören und Kundendialog am Beispiel von Dell 6.2.1 Die Anfänge der Nutzung von Social Media 6.2.2 Stellenwert und Ziele von Social Media 6.2.3 Realisierung von Kontaktpunkten 6.3 Ziele des aktiven Zuhörens 6.4 Aufbau eigener Dialogplattformen 6.4.1 Grundlagen 6.4.2 Dialogplattformen Barack Obamas 6.5 Verantwortung für die Dialogführung 6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 6.6.1 Dialogbereitschaft 6.6.2 Persönliche Kommunikation 6.6.3 Authentizität und Offenheit 6.6.4 Mit Kritik konstruktiv umgehen 6.6.5 Positive Kritik mit einem positiven Feedback beantworten 6.6.6 Informationsempfängern einen Mehrwert bieten
109 109 110 110 112 114 116 122 122 123 125 129 129 130 131 132 133 134
Inhaltsverzeichnis
6.6.7 6.6.8 7
8
IX
Bereitstellung der notwendigen Personalressourcen Aufstellung von Verhaltensrichtlinien
134 135
Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation 7.1 Möglichkeiten und Grenzen des Viralmarketings 7.2 Ansteckende Beziehungspflege 7.3 Ziel-und Strategieplanung 7.4 Erstellung von Informationsinhalten 7.5 Streuung von Inhalten 7.5.1 Social Media Optimization 7.5.2 Social Media Release 7.5.3 Gewinnung von Multiplikatoren 7.6 Überblick über zentrale Instrumente 7.7 Weblogs als Instrument 7.7.1 Arten der Weblog-Kommunikation 7.7.2 Typen von Weblogs 7.7.3 Nutzenpotenziale und Herausforderungen 7.7.4 Gestaltungskriterien 7.8 Mikroblogs als Instrument 7.8.1 Informationsverbreitung 7.8.2 Twitter als Werkzeug der Social Media Optimization 7.8.3 Markenpositionierung durch Aktualität 7.8.4 Imagepflege, Reputationsaufbau 7.8.5 Beziehungspflege 7.8.6 Twitter als Verkaufskanal 7.8.7 Twitter als Instrument des Personalmarketings 7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 7.9.1 Unternehmensprofile als Voraussetzung der Kommunikation 7.9.2 Nutzungsmöglichkeiten von sozialen Netzwerken am Beispiel von Facebook 7.10 Podcasting als Instrument 7.11 Wikis als Instrument 7.12 Gewinnung von Rezipienten 7.13 Integrative Maßnahmenplanung 7.14 Erfolgsgrößen und Messansätze der Kommunikation
141 141 146 150 154 157 158 164 170 175 177 178 179 184 186 188 189 192 194 195 195 196 197 201 201
Social Media im Innovationsmanagement 8.1 Crowdsourcing 8.2 Innovationen durch interaktive Wertschöpfung 8.3 Ideengewinnung durch Social Media 8.3.1 Ideengenerierende Communities 8.3.2 Internetforen und Gruppen von sozialen Netzwerken 8.3.3 Auswertung von Erfahrungsberichten auf Bewertungsseiten 8.4 Voraussetzungen und Risiken der interaktiven Wertschöpfung
237 237 239 241 243 248 250 252
206 216 222 223 230 234
χ 9
Inhaltsverzeichnis
Herausforderungen für die Einführung von Social Media Marketing
255
Abbildungsverzeichnis
261
Tabellenverzeichnis
263
Literaturverzeichnis
265
Index
297
1 Grundlagen des Web 2.0 Dieses Kapitel gibt zur Einführung in die Thematik einen kurzen Abriss der Geschichte des World Wide Web und dessen Weiterentwicklung, die mit dem Begriff Web 2.0 umschrieben wird.1 Es werden dann zentrale Wesensmerkmale und Prinzipien dieser Entwicklungsrichtung herausgearbeitet, um ein Grundverständnis für die darauf aufbauenden, mit Social Media umschriebenen neuen Möglichkeiten des sozialen Online-Austausches zu vermitteln.
1.1 Die Anfänge des Webs Im folgenden kurzen Überblick über die Entwicklung des Internets liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf ökonomischen Aspekten der Entwicklung des Webs. Der Begriff „Web" wird dabei, in Anlehnung an den Alltagssprachgebrauch, in der Regel als Synonym für das Internet mitsamt seinen Diensten verwendet. Das ARPANET (Advanced Research Projects Agency Network), welches im Jahre 1969 realisiert wurde, gilt als der Vorläufer des heutigen Internets. Als Projekt des US-Verteidigungsministeriums diente das ARPANET vor allem zur effizienten Nutzung der knappen Rechenressourcen über ein dezentrales Netzwerk. Anfangs hatten nur wenige Forschungseinrichtungen Zugriff auf dieses Netzwerk.2 Der Durchbruch des Internets als Massenmedium gelang erst mit der Entwicklung des World Wide Web (WWW). Das WWW wurde 1989 von dem Briten Tim Berners-Lee entwickelt. Ziel von Berners-Lee war ein weltweites, engmaschiges und stetig weiter wachsendes Netz aus Webseiten, in denen Informationen jeglicher Art gespeichert werden können. Dabei hatte Berners-Lee ein Medium vor Augen, in dem jeder zugleich Konsument und Produzent sein konnte. Im Jahre 1993 wurde der erste WWW-Browser namens Mosaic vorgestellt, der eine grafische Benutzeroberfläche bot. Mosaic wurde wenig später zum Netscape Navigator weiterentwickelt, der aufgrund seiner Benutzerfreundlichkeit für einen enormen Aufschwung des Internets sorgte. Viele Privatanwender und erste Unternehmen entdeckten das Internet in der Folgezeit für sich. Zahlreiche Webseiten entstanden und es entwickelten sich die ersten Webapplikationen wie Yahoo (1994)3 und kommerzielle Anbieter wie das Internetkaufhaus Amazon (1995).4 Seitdem vollzieht sich die Verbreitung des Internets in einer enormen Geschwindigkeit. Waren es im Jahre 1997 etwa 45 Millionen Internetnutzer5 weltweit, nutzten im Jahre 2002 bereits etwas mehr als 600 Millionen Menschen das Netz. Anfang 2009 waren bereits mehr als eine Milliarde Internetnutzer zu verzeichnen.6 Und die Nutzerzahlen wachsen weiter ungebrochen. 1
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 3ff. Vgl. Hafner/Lyon (Arpa Kadabra Die Geschichte des Internet, 1997), S. 14ff. 3 Vgl. Yahoo! Inc. (The History of Yahoo, 2005) 4 Vgl. Wikipedia (Amazon.com, 2007) 5 Vgl. Eversberg (allegro-C ab 1980, 2006) 6 Vgl. Golem.de (Mehr als eine Milliarde Internetnutzer, 2009) 2
2
1 Grundlagen des Web 2.0
Obgleich sich das Internet besonders in den vergangenen Jahren überaus schnell entwickelte, etablierte es sich in der Wirtschaftswelt bis Mitte der 1990er Jahre nur sehr langsam. Erst gegen Ende der 1990er Jahre war eine gewaltige Aufbruchsstimmung im Internet festzustellen. Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde das Internet für viele Bereiche des unternehmerischen Handelns entdeckt. Die zunehmende Durchdringung der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Informationstechnik führte damals zu einem regelrechten Internetboom, der mit dem Begriff „New Economy" umschrieben wurde. Es kam zu einer Vielzahl von FirmenNeugründungen, basierend auf beträchtlichem Risikokapital von Anlegern, die auch an diesem Aufschwung teilhaben wollten. In den Hochzeiten der New Economy ab 1998 bildete sich innerhalb kürzester Zeit eine Schar von neuen Unternehmen, die jedoch zumeist kein tragfähiges Unternehmenskonzept hatten. Dies führte dazu, dass viele der neu gegründeten Internet-StartUps nach kurzer Zeit Insolvenz anmelden mussten. Es gab zu dieser Zeit aber auch positive Beispiele, wie die virtuelle Buchhandlung Amazon und das Internetaktionshaus eBay. Beide verdeutlichten, dass neben dem Preis als Erfolgsfaktor im E-Commerce auch Faktoren wie Service, Markenführung, Bekanntheit und Vertrauen zu einer Abgrenzung von anderen Anbietern und zu einem langfristig erfolgreichen Agieren im neuen Verkaufsmedium befähigen.
1.2 Von der New Economy zum Web 2.0 Ab dem Jahr 2002 wuchs die internetbasierte Wirtschaft tendenziell wieder und es stieg die Investitionsbereitschaft bei gewerblichen wie auch bei privaten Kunden. Zum Teil wurden sehr hohe Summen bezahlt, zum Beispiel beim Kauf von YouTube durch Google? Für die 1,6 Prozent-Beteiligung von Microsoft an Facebook wurden 240 Millionen US-Dollar investiert, die rein rechnerisch einen Firmenwert von 15 Mrd. US-Dollar für das soziale Netzwerk ergaben.8 Es war eine ähnliche Aufbruchstimmung zu beobachten wie zu New-Economy-Zeiten. Diese neue Phase in der Geschichte des Internets wird meist unter dem Schlagwort „Web 2.0" subsumiert. Über diesen Sammelbegriff existieren die unterschiedlichsten Meinungen. Webbegeisterte verweisen auf die neuen Möglichkeiten des Internets, Kritiker warnen vor der Entstehung einer neuen Spekulationsblase, ähnlich der New-Economy-Ära. Es gibt jedoch einige erkennbare Veränderungen gegenüber dem Web der ersten Stunde.9 Entwicklung neuer Technologien In den letzten Jahren haben sich eine Reihe neuer und offener Webtechnologien (AJAX, XML, RSS) und Standards etabliert, die im Zusammenspiel völlig neue Möglichkeiten für die Programmierung und damit neue Formen und Qualitäten der Informationsbereitstellung erlauben. Allerdings existierten viele dieser Techniken schon zu einem deutlich früheren Zeitpunkt. So entstand zum Beispiel das Konzept zur asynchronen Datenübertragung zwischen einem Server und einem Browser - auf dem AJAX im Wesentlichen beruht - bereits im Jahre 1998. Der produktive Einsatz von AJAX lief jedoch erst 2005 an, als Google die Nutzung mit interaktiven Produkten wie Google Groups und Google Maps 7
Vgl. Golem.de (Google kauft YouTube für 1,65 Milliarden US-Dollar, 2006) Vgl. Riedl (Mircosoft sondiert Kauf von Facebook, 2008) 9 Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 4ff. 8
1.2 Von der New Economy zum Web 2.0
3
forcierte.10 Die Technologien des Web 2.0 existierten also zum Teil bereits, die Nutzung wurde jedoch erst durch höhere Datenübertragungsraten möglich. Steigerung der Datenübertragungsraten Die Pioniere des Webs und der New-Economy sind zum Teil deshalb gescheitert, weil die Rahmenbedingungen für das Web damals noch nicht stimmten, insbesondere nicht für die Nutzung durch die breite Masse. Ende der 1990er Jahre erfolgte der Internetzugang von Endkunden in der Regel über ein analoges Modem mit Zugriffsgeschwindigkeiten von 56 Kilobit pro Sekunde. Zwar waren in Deutschland ab 1999 erste DSL-Anschlüsse mit Empfangsgeschwindigkeiten von 768 Kilobit pro Sekunde verfügbar. Die Deutsche Telekom, die zu der Zeit ein Quasi-Monopol auf dem Sektor der Breitbandtechnologie innehatte, konnte jedoch 1999 lediglich 2900 Haushalte mit DSL versorgen. Ende 2000 waren circa 0,6 Millionen DSL-Anschlüsse in Deutschland geschaltet.11 Mittlerweile ist DSL in fast allen Orten Deutschlands verfügbar und Datenübertragungsraten von mehreren MBit stehen zur Verfügung. Nach der Initiative D21 will die Bundesregierung dazu beitragen, dass bis Ende 2010 jeder Haushalt in Deutschland mit einem BreitbandInternetanschluss versorgt ist.12 56 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 14 und 64 Jahren nutzen heute bereits einen Breitband-Internetzugang.13 Senkung der Internetnutzungskosten Neben der Verfügbarkeit von schnellen Internetanschlüssen sind gleichzeitig auch die Kosten zur Nutzung des Internets deutlich gesunken. Während im Jahr 2006 monatlich durchschnittlich 66,91 Euro für einen DSL-Anschluss inklusive Flatrate bezahlt wurden, bekommt man heute schon Flatrate-Angebote für unter 15 EUR/Monat angeboten. 1999 lagen die Kosten für den reinen DSL-Anschluss bei 98 DM. Hinzu kam ein zeitbegrenzter Tarif von 99 DM (für 50 Freistunden im Monat) oder 149 Euro (für 100 Freistunden). In der Summe lag man also bei 197 DM (etwa 100 Euro) bzw. 248 DM (etwa 127 Euro).14 Erst durch die verbesserte Verfügbarkeit von günstigen Breitbandzugängen sind manche Webapplikationen überhaupt erst sinnvoll zu nutzen. Änderung des Nutzerverhaltens Auch das Nutzerverhalten hat sich geändert. Zur Entstehung des Webs der neuen Generation waren insbesondere zwei wesentliche Veränderungen erforderlich: • die Bereitschaft der Nutzer, selbst Inhalte für das Web zu schaffen, bzw. user generated content zu produzieren, und • die Preisgabe einer Online-Identität, in der Nutzer persönlicher und damit weniger anonym im Web auftreten.15 Diese Veränderungen waren jedoch erst durch die sinkenden Preise für die Internetbenutzung möglich. Aufgrund der geringeren Kosten konnten immer mehr Benutzer mehr Zeit im Netz 10
Vgl. "Vgl. 12 Vgl. 13 Vgl. 14 Vgl. 15 Vgl.
Wikipedia (Ajax, 2007) Wikipedia (T-DSL, 2007) Iniviative D21 (Breitband im ganzen Land, 2009) Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009) Heise Online (Schneller surfen ab 197 Mark pro Monat, 1999) Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software - Blogs, Wikis & Co., 2006), S. 14
4
1 Grundlagen des Web 2.0
verbringen. Je mehr Zeit im Web verbracht wurde, desto mehr Erfahrungen wurden gesammelt, was wiederum dem Vertrauen in Webapplikationen zugutekam. Neben den individuellen Erfahrungen haben sich auch Prinzipien für die Benutzbarkeit von Internetseiten durchgesetzt, so genannte Usability-Standards. Diese Standards erhöhen den Komfort und die Bedienbarkeit von Webseiten.
1.3 Entstehung und Geschichte des Begriffes Web 2.0 Die Suche nach „Web 2.0" führt bei Google am 15.04.2009 zu über 307 Millionen Treffern. Diese Fülle darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der genaue Inhalt und die Abgrenzung des Begriffs zum Web 1.0 stellenweise sehr unscharf sind. Der Begriff Web 2.0 wurde 2004 während einer von Verleger Tim O'Reilly veranstalteten Brainstorming-Session für eine neue Internetkonferenz geprägt. Das Ziel der Konferenz war der Austausch über die Veränderungen des Webs nach dem Ende der New Economy. Zum damaligen Zeitpunkt war „Web 2.0" lediglich der Name für eine Internetkonferenz und markiert die Zeit nach dem Platzen der Internetblase im März 2000. 16 Bislang hat sich noch keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffes durchgesetzt. O'Reilly hat folgende Definition vorgeschlagen: "Web 2.0 is the business revolution in the computer industry caused by the move to the internet as platform, and an attempt to understand the rules for success on that new platform. Chief among those rules is this: Build applications that harness network effects to get better the more people use them. (This is what I've elsewhere called „harnessing collective intelligence".)" 17 Während der Sitzung kamen die Beteiligten zu der Erkenntnis, dass Web 2.0 nicht eindeutig von Web 1.0 abgegrenzt werden kann. Tim O'Reilly formulierte es in seinem wegweisenden Artikel „What is Web 2.0?" aus dem Jahr 2005 so: „Wie viele andere wichtige Konzepte, hat Web 2.0 keine genauen Begrenzungen, sondern stellt vielmehr ein Gravitationszentrum dar. Man kann Web 2.0 als eine Ansammlung von Prinzipien und Praktiken visualisieren, die ein regelrechtes Sonnensystem von Seiten zusammenhalten, die einige oder alle dieser Prinzipien in unterschiedlicher Entfernung vom Zentrum demonstrieren." 18 Um diese Ansicht hinter dem Begriff Web 2.0 besser visualisieren zu können, entwickelten O'Reilly und seine Mitarbeiter im Laufe der Zeit eine so genannte „Meme Map". Die Karte in Abbildung 1 zeigt eine Vielzahl von Ideen, die vom Web 2.0-Kern ausgehen. Dabei dreht sich alles um das „Web als Plattform". Das neue Web ist nicht mehr bloß eine Ansammlung von zumeist statischen Webseiten, sondern hat sich von einem bloßen Informationsspeicher zu einer Plattform entwickelt, die völlig auf die Partizipation der Benutzer ausgerichtet ist. Die Benutzer sind nicht mehr nur Konsumenten von im Web eingestellten Informationen und Inhalten, sondern können zunehmend aktiv an der Gestaltung der Inhalte im Web teilnehmen. 16
Vgl. Garcia (Enterprise 2.0, 2007), S. 1 "O'Reilly (Web 2.0 Compact Definition, 2006) '"O'Reilly (What Is Web 2.0, 2005)
5
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0
FüeKr del ιαο us Taeatrifl.
nottamnomy
Gooff e Ad Sense, customer selHentee eoablimg the long tail
Maps « W AJAX: Rich User E^arieoees
Strategic Positioning • The W e b M P l a t f o r m Us o r Positioning: •An attitude, not a technology
'
• You control your own data
Trust >our users
Core Competine te»:
• Serytce·, riot packaged «otturare • AíChitecturs of Participation The Long Tail
Data as the "Intel Inside'
Hackability
• < • «
Cost-effective scalability Remixabie data source and data transformation» Software above the fevel of a single device Harnessing collective mteffleence
The perpetual beta
Small Pieces Loosely Joined reb as components.
/Software that gets > better t h e more people use il
The Right to Remix 'Some rights reserves'
Emergent User behavior not predetermined
molar Addressabiln of content
Abbildung 1: Tim O'Reilleys Visualisierung einer „Meme Map" des Web 2.019
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0 In der „Meme Map" zum Ausdruck gebrachte zentrale Prinzipien bzw. Paradigmen, die charakteristisch für Web 2.0 sind und die direkte Anknüpfungspunkte an Social Media bieten, sollen im Folgenden erläutert werden.20 D a s W e b als Plattform Im Vorfeld der ersten Web-2.0-Conference erklärte O'Reilly, das Web sei nicht mehr eine Ansammlung von Webseiten, sondern eine Plattform. Hintergrund ist hier der Gedanke, dass mittlerweile immer mehr Web-Anwendungen im Internet zur Verfügung stehen und langsam die herkömmlichen Client-Anwendungen auf dem lokalen Rechner verdrängen. Immer mehr Software wird komplett ins Web verlagert. Die Grenzen zwischen PC- und Webanwendungen verschwimmen zunehmend. Das Web wird zur Service-Plattform. So werden Anwendungen, die bisher nur vom heimischen PC bekannt waren, wie beispiels19 20
Vgl. O'Reilly (What Is Web 2.0, 2005) Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 3ff.
6
1 Grundlagen des Web 2.0
weise Organizer oder Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, im Web zum Teil sogar kostenlos nutzbar bereitgestellt. Web-Anwendungen werden immer unkompliziertere Werkzeuge, die unabhängig von der heimischen oder firmeninternen Plattform genutzt werden können. Das Netz entwickelt sich so zu einer globalen Plattform für Daten und Dienste. Der Vorteil dieser Verschiebung liegt in der einfachen Anwendungsmöglichkeit der Nutzer, die sich nicht mehr um die Pflege der Software, beispielsweise durch Updates und die Synchronisierung der Daten, kümmern müssen.
Die Nutzbarmachung kollektiver Intelligenz Die Nutzung des Webs als Plattform zieht eine gesteigerte Bequemlichkeit im Umgang mit dem neuen Web nach sich, und führt dazu, dass immer mehr Nutzer sich des Mediums bedienen. Gleichzeitig motivieren attraktiv gestaltete Webseiten bzw. Plattformen ihre Nutzer dazu, mit ein paar Klicks einen Beitrag zur Seite zu leisten. Infolgedessen werden immer mehr Daten in das globale Netzwerk eingegeben. Im Idealfall kann jeder auf den jeweiligen Plattformen seine Daten und Ideen in dem Umfang darstellen, wie er es möchte. Diese größtenteils unwillkürliche und unabhängige Kollaboration der Nutzer führt dazu, dass der Mehrwert einer Plattform - und schließlich des gesamten Webs gesteigert wird. Oder anders ausgedrückt: Je mehr Menschen mitmachen, umso besser werden die Ergebnisse. Dank der Effekte kollektiver Intelligenz profitieren alle Nutzer von dem millionenfachen Input von Wissen und Wertung. Die „Nutzbarmachung der kollektiven Intelligenz" nennt Tim O'Reilly dieses Phänomen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Weisheit der Vielen oder auch von der Schwarmintelligenz, die es in vielen Bereichen gibt. So stellt Surowiecki in seinem Buch „The Wisdom of Crowds" die These auf, dass in Gruppenprozessen Wissen akkumuliert werden kann, das weit über das hinausgeht, was der Einzelne zu leisten vermag. In der Regel kann die Gruppe unter bestimmten Bedingungen bessere Resultate liefern als der Einzelne.21 Dieses Konzept spiegelt sich heute in vielen Internetanwendungen wider. Medienwissenschaftler weisen darauf hin, dass vor allem im Bereich der Open-Source-Software erst durch die Mitarbeit vieler ein hochwertiges Produkt entstehen kann. „Im Zeitalter von freier Software werden Programme von Dutzenden oder gar Tausenden geschrieben. Kein Einzelner der Beteiligten wäre in der Lage, das gesamte Programm zu schreiben, hätte die verschiedenen Kompetenzen, die hier zusammengeführt werden, oder hätte die Kapazität, die Millionen von Codezeilen zu schreiben."22 Ein allseits verwendetes Vorzeigebeispiel für die Nutzung kollektiver Intelligenz ist die freie Enzyklopädie Wikipedia,23 auf der beliebige User Wissen niederschreiben und vorhandene Inhalte ändern dürfen. Bedenken von Kritikern hinsichtlich einer unzureichenden Qualität der Beiträge oder des Aufkommens von Vandalismus verlieren durch den hohen Zuspruch des Angebotes ihr Gewicht. Auch wenn gelegentlich falsche Artikel verfasst werden,24 so werden Fehler in der Regel binnen Minuten von eifrigen Freiwilligen korrigiert.25 Eine Untersuchung des Wissenschaftsmagazins Nature zur Qualität der Beiträge im Vergleich mit der kommerziellen 21
Vgl. Surowiecki (Die Weisheit der Vielen, 2007), S. 12 Grassmuck (Wir sind in einer Umbruchsphase, 2007) 23 Vgl. http://www.wikipedia.org, Seitenaufruf am 18.01.2010 24 Vgl. Golem.de (Wikipedia, 2005) 25 Vgl. Spiegel Online (Enzyklopädie-Vandalismus, 2005) 22
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0
7
Encyclopaedia Britannica offenbarte, dass beide Enzyklopädien hinsichtlich der Genauigkeit nahezu gleichauf liegen.26 Auch der Online-Buchhändler Amazon macht sich das Engagement seiner User und die daraus resultierende kollektive Intelligenz zunutze. Amazon unterscheidet sich hinsichtlich seines Angebotes nicht wesentlich von vergleichbaren Online-Shops. Allerdings bietet Amazon seinen Kunden über den Verkauf hinaus verschiedene Möglichkeit zur Teilnahme an, zum Beispiel in Form des Schreibens von Rezensionen oder des Erstellens von Lieblingslisten und Bewertungen. Außerdem werden Zusatzinformationen zum interessierenden Artikel geliefert, beispielsweise Informationen über den Verkaufsrang oder verwandte Erzeugnisse. Auch die in Empfehlungen mündende Analyse des Benutzerverhaltens stellt einen gern in Anspruch genommenen Mehrwert dar. Diese Angebote und Maßnahmen können zu einer über die bloße Verkaufsabwicklung hinausgehenden Beteiligung anregen. Nutzergenerierte Inhalte und Werte Ein Prinzip von Web 2.0 ist das des „user added value" und knüpft unmittelbar an das zuvor beschriebene Paradigma zur Nutzung kollektiver Intelligenz an. User beteiligen sich am Entstehungsprozess von Web-Inhalten. Die Attraktivität und der Erfolg vieler Web-2.0-Anwendungen basiert in entscheidendem Maße auf den Beiträgen der Nutzer. So entsteht beispielsweise bei Wikipedia aus vielen kleinen Beiträgen ein Ganzes. Dieses Konzept wird auch als Microwork-Prinzip beschrieben.27 Viele Web-2.0-Tools sind abhängig von Daten, die von Nutzern permanent generiert werden. Ohne die Beitragsersteller gibt es keinen Inhalt und somit keinen Wert für die User. „Steuert kein Anwender etwas bei, gibt es bei Web 2.0 auch keinen Service", so O'Reilly.28 Die Nutzer werden „zu einem Teil der Applikation". Wenn solch ein nutzerbasierter Service erst einmal angeschoben ist, kann er zum Selbstläufer mit einem resultierenden Netzwerkeffekt werden. Mit jedem neuen Nutzer steigt damit der Wert des Produktes. Der User profitiert seinerseits in hohem Maße vom Netzwerkeffekt und, da er sich zumeist aus persönlichen Motiven im Web bewegt, gibt er auch gerne etwas an die Community zurück. Abschaffung des Software-Lebenszyklus Wie im Abschnitt „Das Web als Plattform" bereits beschrieben, besteht der Trend, Software nicht mehr als Produkt auszuliefern, sondern als Service. Durch Web-Applikationen entfällt die Notwendigkeit, Software zu installieren und zu erneuern. Updates finden nicht mehr auf dem Rechner des Benutzers statt, sondern werden vom Anbieter der Internetapplikation eingespielt. O'Reilly beschreibt dies als die Abschaffung des Software-Lebenszyklus.29 Diese Veränderung bewirkt, dass der Nutzer sich zukünftig nicht mehr selbst um Produktaktualisierungen kümmern muss. Im günstigsten Fall bemerkt er nicht einmal, dass ein Update eingespielt wurde. Er lädt in der Regel immer die aktuellste Version des Dienstes bzw. der Software. Durch das Prinzip der andauernden Beta-Version erreichen Applikationen meist nie ihren Entwicklungs-Endstatus, sondern werden von den Entwicklern als ständige Weiterentwicklung 26
Vgl. Kleinz (Nature, 2005) Vgl. Bohl/Manouchehri/Winand (Unternehmerische Wertschöpfung, 2007), S. 31 28 Silicon.de (Web 2.0 macht „Nutzer zum Teil der Software, 2006) 29 Vgl. O'Reilly (What Is Web 2.0, 2005) 27
8
1 Grundlagen des Web 2.0
verstanden. Dieser Umstand wird auch gerne als „Perpetual Beta" beschrieben. Abgeleitet wird dies aus der Open-Source-Entwicklung, bei der man meist nach dem Motto agiert: "Release early. Release often." 30 Leichtgewichtige Programmiermodelle Kerngedanke ist hier, möglichst auf einfache und erweiterbare Technologien zu setzen. Einfache Datenformate, wie RSS fördern die Entwicklung, die Integration, das Testen und die Wiederverwendung von Inhalten und senken zudem die Kosten. O'Reilly spricht in diesem Zusammenhang auch von „Hackability" und „Remixability". 31 Damit wird ein Konzept bezeichnet, das von jedem Produkt und Service fordert, für den Benutzer erweiterbar zu sein. Infolgedessen können neue Anwendungen und Synergien entstehen, die vom Anbieter zunächst nicht vorhersehbar sind. Das Streben nach Simplizität senkt schließlich die Eintrittsschwelle für User, was wiederum erlaubt, mehr Menschen zu erreichen und mehr Erfahrungs- und Verbesserungspotenziale zu erschließen, die am Ende zu einem intelligenteren Web beitragen. Anwendungen über die Grenzen einzelner Geräte hinaus Dieses Prinzip knüpft unmittelbar an das „Web als Plattform"-Prinzip an. Gemeint ist die Tatsache, dass das Web 2.0 nicht mehr länger auf den PC als Nutzerinterface beschränkt ist. Mobile Endgeräte ermöglichen in zunehmendem Maße komfortable Nutzungsmöglichkeiten von Webapplikationen, die immer mehr auf nahtlosen Kopplungen verschiedener Geräteklassen aufbauen. Benutzerführung Das Prinzip beschreibt das Bestreben danach, in Web-Anwendungen so genannte „Rieh User Interfaces" und eine Interaktion mit dem Server zu implementieren, wie sie bisher nur in Desktop-Applikationen vorhanden sind. Das heißt, die bekannten Benutzeroberflächen und damit einhergehenden komfortablen Funktionen von DesktopApplikationen werden zunehmend in Web-Applikationen integriert. Durch die Kombination mehrerer Technologien ist es mittlerweile möglich, dass die Web-Anwendungen Eigenschaften einer Desktop-Anwendung aufweisen und dazu auch noch fast so schnell reagieren wie eine Desktop-Anwendung. Dies ermöglicht ein deutlich komfortableres Arbeiten, was zu einer größeren Nutzung des Webs und damit zu einem besseren Informationsfluss innerhalb des Webs führt - was wiederum auch in einem „intelligenteren" Web resultiert. The Long Tail - Chancen für Nischenprodukte Das Konzept des Long Tail entstammt ursprünglich der Statistik. Im Jahr 2004 wurde es zum ersten Mal im Kontext von E-Commerce angewendet. 32 Es widerspricht dem Pareto-Prinzip, das zum Ausdruck bringt, dass eine kleine Anzahl von hohen Werten einer Wertemenge mehr zu deren Gesamtwert beiträgt als eine große Anzahl von niedrigen Werten. Nach dem 80/20-Pareto-Prinzip erzielen beispielsweise 20 Prozent der Erzeugnisse eines bestimmten Anbieters 80 Prozent dessen Gesamtumsatzes. Diese Regel verliert aber in Zeiten des Internets in bestimmten Bereichen ihre Aussagekraft. Untersuchungen von Verkaufszahlen von Online-Shops wie Amazon und iTunes ergaben, dass ein hoher Anteil des Umsatzes nicht mehr mit Bestsellern erwirtschaften wird, sondern mit den 30
Raymond (The Cathedral and the Bazaar, 2000) Vgl. O'Reilly (What is Web 2.0, 2005) 32 Vgl. Anderson (The Long Tail, 2004) 31
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0
9
Products Abbildung 2: The Long Tail33
vermeintlichen Ladenhütern und Nischenprodukten aus dem so genannten Long Tail, die sich zwar selten, dafür aber regelmäßig verkaufen. Die nachfolgende Abbildung 2 illustriert diesen Sachverhalt. Erfasst man alle verkauften Produkte nach der Häufigkeit ihrer Nachfrage, so bilden die Topseiler am linken Rand einen steilen Gipfel. Links stehen also die wenigen Dinge, die häufig nachgefragt werden - die Kurve ist hoch und schmal. Rechts schließt sich der lange, immer dünner werdende „Rattenschwanz" der vielen selten nachgefragten Artikel an. Diese schwächer nachgefragten Güter generieren jedoch zusammengenommen, also als „Long Tail" gesehen, oft ein größeres Absatzvolumen als die bestverkauften Waren. Das Aussehen dieser Abbildung brachte dem rechten Teil der Kurve den Namen "Long Tail" ein. Der Bereich des Long Tail geht gewissermaßen bis ins Unendliche. Aufgrund dieser Tatsache lässt sich unschwer schlussfolgern, dass der Long Tail eine viel größere Fläche einnimmt als der dunkel markierte Bereich der populären Artikel. Es lässt sich also mit Nischenprodukten mehr Umsatz erzielen als mit Bestsellern. Anderson formuliert dies wie folgt: „Das eigentlich erstaunliche am Long Tail ist seine schiere Größe. Wenn man ausreichend viele NichtHits zusammennimmt, hat man einen Markt, der den Hits tatsächlich Konkurrenz macht."34 Das Neuartige besteht also darin, dass ein riesiges Sortiment mäßig nachgefragter Waren mehr Umsatz erwirtschaftet als die Bestseller - die im konventionellen Business typischerweise für 80 Prozent der Einnahmen verantwortlich sind.
33 34
Anderson (About Me, 2006) Anderson (The Long Tail, 2007), S. 25
10
1 Grundlagen des Web 2.0
Möglich und profitabel wird diese Entwicklung durch das Internet und die damit verbundenen Technologien. Das Geschäft mit Nischenprodukten kann im Vergleich zu massentauglichen Bestsellern im Web also äußerst lukrativ sein: vorausgesetzt man schafft es, für sein Geschäftsmodell die Vorteile des World Wide Web zu nutzen.
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing Dieses Kapitel zielt darauf ab, den Begriff Social Media in den Kontext von Web 2.0 und des verwandten Begriffs Social Software zu stellen und deren Inhalte voneinander abzugrenzen. Da Social Media neue Möglichkeiten eines medialen Austausche eröffnet, die nutzergenerierte Inhalte und direkte Interaktionen in Online-Gemeinschaften beinhalten, sollen Unterschiede zu traditionellen Medien deutlich gemacht werden. Der Stellenwert von Social Media nimmt nicht zuletzt auch aufgrund einer abnehmenden Wirksamkeit klassischer Werbung und PR zu, was in diesem Kapitel beleuchtet wird. Social Media Marketing kann vor diesem Hintergrund als ein neuer Ansatz betrachtet werden, die Effektivität der Onlinekommunikation zu erhöhen sowie weitere Anknüpfungspunkte für ein erfolgreiches Marketing zu bieten. Die zentralen Einsatzfelder des Social Media Marketings sollen hier zuerst überblickartig umrissen werden.
2.1 Social Media Aus technischer Sicht stellt Web 2.0 mit seinen beschriebenen zentralen Prinzipien keine großartige Neuerung oder gar völlige Überarbeitung des World Wide Web dar. Denn viele darin enthaltenen Ansätze und zugrunde liegenden Technologien sind bereits seit Jahren bekannt. Allerdings mangelte es zunächst am ernsthaften Einsatz dieser Möglichkeiten. Web 2.0 ist vor diesem Hintergrund weniger als ein Begriff für eine „technologische Ära" zu verstehen, als viel mehr als ein Ausdruck einer veränderten Wahrnehmung altbekannter Techniken. Web 2.0 rückt insbesondere den Menschen und ein verändertes Nutzerverhalten in den Mittelpunkt. Genau genommen ist Web 2.0 eher ein Schritt zurück, nämlich zu den Anfängen des World Wide Web. Der Erfinder des WWW Tim Berners-Lee plante ursprünglich ein Web, an dem jeder Nutzer völlig unproblematisch partizipieren kann, sowohl passiv als auch durch das aktive Einspeisen von Inhalten. Der erste von Berners-Lee im Jahr 1990 entwickelte Webbrowser war nicht nur in der Lage, Dokumente anzuzeigen, sondern er enthielt auch gleichzeitig einen Editor, mit dem neue Dokumente erstellt werden konnten.35 Berners-Lee hatte noch 1999 in einer Rede in Cambridge, Massachusetts, die Entwicklung des WWW beklagt: "I wanted the Web to be what I call an interactive space where everybody can edit. And I started saying .interactive', and then I read in the media that the Web was great because it was .interactive', meaning you could click. This was not what I meant by interactivity, so I started calling it 'intercreativity'. [... ] As you can read, so you should be able (given the authority) to write."36Web 2.0 35 36
Vgl. Schiele/Hähner/Becker (Web 2.0, 2008), S. 7 Beraers-Lee (Book Online, 1999)
12
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
bringt nun die anfanglichen Grandgedanken des Webs zurück: Offenheit für die Partizipation, Standardisierung, Freiheit. Das Web wird zu dem globalen Kommunikationsmedium, als das es ursprünglich einmal gedacht war. Obwohl der Mensch als Akteur im sozialen Kontext im Zeitalter von Web 2.0 in den Mittelpunkt gerückt wurde, war die Begriffslegung anfangs noch technisch aufgeladen, was der informatiknahe Terminus Social Software zur Umschreibung der Nutzungsmöglichkeiten des „neuen" Internets zum Ausdruck bringt.37
2.1.1 Social Software als Vorläufer von Social Media Social Software wurde häufig in einem Atemzug mit Web 2.0 genannt. Oft werden die beiden Begriffe auch als Synonyme benutzt, was sie allerdings nicht sind. Vielmehr ist Social Software eine Untermenge von Web 2.O.38 Der Begriff Social Software tauchte erstmals 1987 auf, damals jedoch in einem anderen Kontext. In seiner aktuellen Bedeutung geht die Bezeichnung auf den Internetexperten Clay Shirky zurück, der im November 2002 eine Tagung mit dem Namen „Social Software Summit" organisierte und für die Einladungen dazu seit etwa April 2002 diese Bezeichnung verwendete.39 Mit dem gleichzeitigen Aufkommen neuartiger Anwendungen wie Wikis und Weblogs erfuhr der Begriff eine außerordentliche Popularität. Im Laufe der Zeit ist der Begriff immer wieder Veränderungen unterworfen gewesen. Heute versteht man unter Social Software in der Regel Softwaresysteme, „welche die menschliche Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit unterstützen. Den Systemen ist gemein, dass sie den Aufbau und die Pflege sozialer Netzwerke und virtueller Gemeinschaften (sog. Communities) unterstützen und weitgehend mittels Selbstorganisation funktionieren." 40 Als virtuelle Gemeinschaft wird dabei eine Gruppe von Menschen bezeichnet, die sich via Internet begegnet und austauscht.41 Im engeren Sinne werden zu Social Software Web-Anwendungen wie beispielsweise Weblogs, Wikis, Foto-Plattformen wie Flickr, kooperative Linklisten wie delicious.com und soziale Netzwerke wie XING gezählt. Fasst man den Begriff weiter, so werden stellenweise auch weitere Systeme, wie E-Mail, Groupware oder Instant Messaging der Social Software zugeordnet. Allerdings bleibt die Kommunikation bei den letztgenannten Anwendungen in einem klar abgegrenzten privaten Raum. Dagegen sind bei den neueren Anwendungen die meisten Informationen öffentlich zugänglich 42 Darüber hinaus ist mittlerweile die Auffassung weitestgehend anerkannt, dass sich Social Software von anderen projekt- oder organisationsorientierten kollaborativen Anwendungen absetzt. Während beispielsweise Groupware den Einzelnen grundsätzlich in Projekte und Organisationseinheiten integriert und meist eine erzwungene topdown-Vernetzung der Gruppenmitglieder beinhaltet, unterstützt Social Software einen sozialen Kontext. Dieser äußert sich darin, dass Social Software Rücksicht auf das Individuum und dessen Wünsche und Notwendigkeiten nimmt, sich in Gruppen einzubringen.43 „Die Nutzer verfolgen zunächst ihre eigenen Ziele. Daraus entwickelt sich ein Austausch mit anderen, die 37
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 22ff. Vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software, 2006), S. 14 39 Vgl. Himpsl (Soical Software, 2006), S. 35 ^Bächle (Aktuelles Schlagwort Social Software, 2006), S. 121 41 Vgl. Bächle/Daurer (Potenziale Integrierter Social Software, 2006), S. 75 42 Vgl. Pleil/Zerfaß (Internet und Social Software, 2007), S. 525 43 Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 21 38
2.1 Social Media
13
wiederum Anregungen, Informationen oder Kontakte beisteuern - und schließlich ein dynamisches Geflecht von sozialen Beziehungen."44 Ein weiteres wichtiges Abgrenzungsmerkmal zur Unterscheidung von traditionellen Softwaresystemen ist der Aspekt der Sichtbarkeit von Team- oder Gruppenkommunikation. Sichtbarkeit ist ein zentrales Element, um den sozialen Aspekt von Wissens- und Informationsteilung wirksam zu machen. Ob Weblogs, Wikis, Fotocommunities, Networking- oder BookmarkPlattformen: Ihnen allen ist gemein, dass die Relationen zwischen Benutzem sichtbar werden und zur Entstehung von Netzwerken führen. Dieses Öffentlich-Machen von Inhalten und Beziehungen führt dazu, dass die beteiligten Personen am Wissen und an den Erfahrungen anderer Nutzer teilhaben können und diese in einer für sie relevanten Art und Weise weiter verwenden können.45 Darüber hinaus beinhaltet diese Sichtbarkeit einen weiteren Aspekt: Man will wissen, mit wem man es zu tun hat und gibt seine Identität preis. Durch diese Sichtbarkeit wird durch die eingebauten Mechanismen eine soziale Rückkopplung mittels sozialen Ratings (Feedback, Kommentare, Bewertungen etc.) erreicht. Dies gestattet es Nutzern, eine personengebundene virtuelle Präsenz zu etablieren.46 Damit lässt sich das breite Spektrum von Social Software-Anwendungen anhand der folgenden Einsatzbereiche beim Einsatz von Social Software strukturieren: • Informationsmanagement: Ermöglichung des Findens, Bewertens und Verwaltens von (online verfügbarer) Information. • Identitätsmanagement: Ermöglichung der Darstellung von Aspekten seiner selbst im Internet. • Beziehungsmanagement: Ermöglichung, Kontakte abzubilden, zu pflegen und neu zu knüpfen.47 Als wesentliches Merkmal für das von Social Software geprägte World Wide Web kann man schließlich festhalten, dass Benutzer und Benutzergruppen immer stärker in den Vordergrund rücken. In diesen Kontext reiht sich auch die ursprüngliche sehr rudimentäre, gleichzeitig aber äußerst prägnante Definition von Clay Shirky ein. Dieser beschrieb 2002 den Begriff Social Software wie folgt: "Social software treats groups as first-class objects of the system. " 48 Der Begriff „Social Software", der wie beschrieben mehr umfasst als ein informationstechnisches Hilfsmittel des sozialen Austausches, wird in der letzten Zeit seltener verwendet. Der heute in ähnlichem Kontext gebrauchte Begriff „Social Media" stellt die in sozialen Kommunikations- und Interaktionsbeziehungen eingesetzten neuen Medien in den Vordergrund. Er lenkt den Fokus auf neue Formen von Kommunikations- und Interaktionsbeziehungen und ist in diesem Zusammenhang treffender als der Sammelbegriff für die Gesamtheit ausführbarer Programme „Software". Die wachsende Popularität des Terminus Social Media zeigt Abbildung 3 in Form einer Gegenüberstellung der Suchhäufigkeit beiden Begriffe in Google in den letzten Jahren. ^Sixtus (Das Web sind wir, 2005) 45 Vgl. Burg/Pircher (Social Software im Unternehmen, 2006), S. 26 46 Vgl. Ε-Teaching (Hard Facts zu Social Software, 2006) 47 Vgl. Richter/Koch (Social Software, 2007), S. 7 48 Vgl. Allen (Social Software, 2004)
14
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
social software
social media
Search Volume index
Google Τ jC
10.0
5.00
ι ι 2004 2005 ! jI I I " ' News reference vo urne
1 y
«
1 1 2006 1 1 1
1
1 2007 1 1
1 1
1 ~
1 2008 ι ι
1
ι
._
1
JL 200S 1 Γ
ι—
0
Abbildung 3: Entwicklung der Suchhäufigkeit der Begriffe „ Social Software " und „ Social Media" dargestellt mittels www.google.com/trends
2.1.2 Begriffsklärung Social Media Persönlich erstellte, auf Interaktionen abzielende Beiträge, die in Form von Text, Bildern, Video oder Audio über Onlinemedien für einen ausgewählten Adressatenkreis einer virtuellen Gemeinschaft oder für die Allgemeinheit veröffentlicht werden, sowie zugrunde liegende und unterstützende Dienste und Werkzeuge des Web 2.0, sollen mit dem Begriff „Social Media" umschrieben werden. Social Media ermöglicht, unterstützt durch entsprechende Internettechnologien, sich mitzuteilen und in Online-Gemeinschaften zu kommunizieren. Erscheinungsformen von Social Media beinhalten somit einmal die Ausdrucksformen des nutzergenerierten Inhalts wie auch die unterstützenden informationstechnischen Werkzeuge und Applikationen. Letztere werden auch unter der Bezeichnung „Social Software" 49 subsumiert. Social Media reicht aber über die im allgemeinen Sprachgebrauch technologische Perspektive des Begriffes „Social Software" hinaus. Wikipedia beschreibt diesen übergreifenden Fokus treffend: Social Media "[... ] refers to activities that integrate technology, telecommunications and social interaction, and the construction of words, pictures, videos and audio. This interaction, and the manner in which information is presented, depends on the varied perspectives and 'building' of shared meaning among communities, as people share their stories and experiences." 50 Social Media verknüpft somit technologische, inhaltliche und gestalterische Perspektiven zur Erzielung kommunikativer Austauschprozesse in virtuellen Gemeinschaften. Social Media ermöglicht das öffentlichkeitswirksame Verfassen von nutzergenerierten Beiträgen in bestimmten Onlinemedien oder -kanälen, wie zum Beispiel: 49
Vgl. Wikipedia (Social Software, 2007) Wikipedia (Social Media, 2007) 51 Solis (Introducing The Conversation Prism, 2008) 50
2.1 Social Media
15 Social Bookmarks
Comment & Reputation Crowdsourced Content
Pictures
Blog Platforms
LiveCasting Video and Audio
SmugMug
@s¡n¡a¡e
"ilaggafef
WS s taUBB iSSt mm
WcsTaikMo'
Blogs/Conversations
kytff
Q.fWík» ujetpaínt
Blog Communities
Épie The Conversation The Art of Listening. Learning, and Sharing
pritxij Documents
Specific to Twitter
Video Aggregation
SMS/Voice
Video Social Networks Customers Service Networks
Niche Networks
Abbildung 4: Social Media Spektrum51
• textbasierte Informationen, Meinungsäußerungen, Empfehlungen und Links in Bookmarking-DiÖhsten, Weblogs, Wikis, Foren Bewertungsportalen etc., • Fotos in Foto-Plattformen, Fotogalerien eines sozialen Netzwerks, Blogs, Communities etc., • Videos in Video-Portalen, Videogalerien eines sozialen Netzwerks, Communities etc., • Hörbeiträge im Rahmen eines Podcasts, in sozialen Netzwerken, in Musik-Portalen etc. und • Applikationen in sozialen Netzwerken, auf Webseiten etc.
16
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
Die einzelnen Beiträge bieten gleichzeitig die Möglichkeit einer spontanen Reaktion der Rezipienten und eröffnen somit den Einstieg in eine soziale Interaktion. Das weitreichende Spektrum onlinebasierter Ausdrucksformen in verschiedenen Informationskanälen, das mit einer Förderung daran anknüpfender Kommunikations- und Interaktionsprozesse in einem sozialen Kontext einhergeht und das mit dem Begriff Social Media gesamtheitlich umschrieben werden kann, wird im Conversation Prism von Brian Solis in Abbildung 4 zum Ausdruck gebracht.
2.1.3 Unterscheidung von zentralen Medienformen Beschäftigt man sich mit Kommunikationsbeziehungen zwischen Sendern und Empfängern von Nachrichten und dazwischengeschalteten Medien, waren in der Prä-Social-Media-Zeit hauptsächlich zwei Medienformen anzutreffen: 1:1-Medien ermöglichen eine beidseitige zwischenmenschliche Kommunikation, deren Informationsinhalte nur für die sich austauschenden Personen bestimmt sind (siehe Abbildung 5). Unabhängig davon, ob die Kommunikation im zeitlichen Ablauf simultan oder versetzt stattfindet, und ob sie in einfachen Worten oder mittels moderner Telekommunikation, zum Beispiel per E-Mail oder Telefon, praktiziert wird, weist sie einen geschlossenen, nicht öffentlichen Charakter auf. Dies wird durch geltendes Recht unterstützt. So sind beispielsweise in Post- und Telefoniegesetzen Vorkehrungen zum Schutz der Vertraulichkeit enthalten. Man muss nicht damit rechnen, dass Dritte Inhalte mitbekommen oder gar beeinflussen.52 1 :n-Medien ermöglichen einem Sender, die Inhalte an viele Empfänger zu übermitteln (siehe Abbildung 6). Diese Kommunikationsbeziehung ist typisch für Massenmedien wie Zeitungen, TV, Radio, aber auch für klassische Websites, die auf eine Einwegkommunikation von einem Sender zu vielen Empfangern ausgerichtet sind. Zwar bieten auch diese Medien an die Öffentlichkeit gerichtete Reaktions- und Interaktionsansätze, wie beispielsweise bei Zeitungen in Form eines Leserbriefes. Der Interaktionsprozess ist jedoch zeitaufwändig und umständlich. Die Zeitspanne zwischen der Presseveröffentlichung und der im Medium dargestellten Leserreaktion ist an die Erscheinungshäufigkeit des Mediums geknüpft. So vergehen bis zum Veröffentlichungstermin eines Leserbriefes, sofern er überhaupt veröffentlicht wird, oft Tage, mitunter auch Wochen. Als Nutzer des Mediums ist man eindeutig in der Rolle des Rezipienten. Der direkte und unmittelbare Zugang zum Senden von eigenen Informationsbeiträgen ist nur in AUsnahmefällen vorgesehen und dann auch nur über den Redakteur oder Programmverantwortlichen in der Rolle des Gatekeepers von Inhalten. 1 :n-Medien sind als Träger von Werbebotschaften prädestiniert. Durch die einfache Abwicklung einer zentralen Platzierung bei gleichzeitiger Erreichbarkeit eines großen Adressatenkreises erlauben sie eine effiziente Streuung von Werbeinhalten. n:n-Medien zeichnen sich dadurch aus, dass viele Sender mit vielen Empfängern kommunizieren können (siehe Abbildung 7). In einfachster Form kann man sich dies als eine Gruppe 52
Vgl. Göldi (Das Komplexitätsproblem, 2008)
2.1 Social Media
17
User ( )
* { ) User
Abbildung 5: Kommunikationsbeziehung von 1:1 -Medien
von Personen vorstellen, die sich an einem Tisch gegenübersitzen und bei denen sich jeder mit jedem anderen mehr oder weniger offen wahrnehmbar austauscht. In ausgereifter Form entfaltete diese Form der Kommunikation erst im Zuge der Entwicklungen des Web 2.0 und in der Verkörperung von Social Media ihr Potenzial. Bei einer einfachen, nicht elektronischen η:n-Kommunikation werden die ausgetauschten Informationen in der Regel nicht gespeichert. Bei der internetbasierten η:n-Kommunikation sind die Informationen jedoch schriftlich dokumentiert und können zu späteren Zeiten abgerufen werden. Die auf der Basis von Social Media stattfindende Kommunikation findet somit in einem globalen, öffentlichen Rahmen mit einer persistenten Speicherung der Informationsinhalte statt.53 Wie der Abbildung 7 zu entnehmen ist, sind Medienanbieter, wie man sie von klassischen 1 :n-Medien kennt, im Zeitalter von Social Media nur Teilnehmer unter vielen und ihre Beiträge stehen in Konkurrenz zu emanzipierten, öffentlichkeitswirksam kommunizierenden Usern, die sich nicht mehr nur auf die Rolle von Rezipienten reduzieren lassen. Social Media eröffnet Kommunikationswilligen die Möglichkeit, initiativ tätig zu werden und eigenständig Beiträge zu veröffentlichen. Die effektive Reichweite der eingestellten Beiträge hängt dabei aber von mehreren Faktoren ab, beispielsweise vom jeweiligen SuchmaschinenRanking, vom Grad der digitalen Reputation in der Blogosphäre oder von der erzielten Vernetzung. Social Media bietet die grundsätzliche Chance eine Reichweite zu erzielen, die jene von klassischen Massenmedien, zum Beispiel die Auflagenhöhe einer lokalen Ausgabe einer Tageszeitung, schnell übersteigt. Auf YouTube existieren beispielsweise nutzergenerierte Videobeiträge, die millionenfach angesehen wurden. Sofern nicht grundlegende Anstandsregeln verletzt werden, unterliegt man hinsichtlich des Umfangs und der Art der Veröffentlichung auf bestimmten Blog-, Foto- und Videoplattformen keinerlei Beschränkungen. Social Media erleichtert zum Beispiel durch Kommentarfunktionen und Bewertungsfunktionalitäten auch ein reaktives Verhalten, das ebenfalls für die digitale Öffentlichkeit einsichtig Natürlich ist auch bei bestimmten Erscheinungsformen von Social Media zu beobachten, dass nutzergenerierte Informationen gemäß der Zielstellung des Seitenverantwortlichen gefiltert werden. Wenn beispielsweise Moderatoren von Foren das Recht in Anspruch nehmen, unnütze Kommentare zu entfernen bzw. nur bestimmte Beiträge zuzulassen, beeinflusst das die Publikationsmöglichkeiten. Restriktive Anforderungen an Inhalte und selektive Auswahlprozeduren, bei denen insbesondere die Kriterien nicht transparent vermittelt werden, unterliegen der Gefahr, als mangelnde Offenheit oder gar als Angst interpretiert zu werden, sich nicht dem Votum der Öffentlichkeit stellen zu wollen. Um solche Mutmaßungen erst gar nicht aufkommen zu lassen und Konflikten hinsichtlich der Auswahl von Inhalten von vornherein aus dem Weg zu gehen, lassen viele Social-Media-Anbieter bewusst alle Nutzerbeiträge zu. Die Kommuni53
Vgl. Göldi (Das Komplexitätsproblem, 2008)
18
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
User User User
Medienanbieter
User User User User
Abbildung 6: Kommunikationsbeziehung
von
l:n-Medien
kationsmöglichkeiten von Social Media sind von daher insgesamt auch vor dem Hintergrund gelegentlicher Grenzen durch die Selektion von Inhalten deutlich höher als bei klassischen Massenmedien. Die weitreichenden Möglichkeiten der öffentlichkeitswirksamen Artikulation durch Social Media unterscheiden sich auch klar vom Potenzial des World Wide Web der ersten Generation. Dieses bot nur technologisch versierten Experten mit HTML-Kenntnissen die Chance, Inhalte zu erstellen. Die breite Masse der Internetnutzer fand sich aufgrund der technologischen und wissensbedingten Zugangsbarrieren hauptsächlich in der Rolle des Rezipienten von fremdgenerierten Inhalten. Der praktische Umgang mit den ersten Hilfsmitteln zur Erstellung von Webseiten blieb noch Experten vorbehalten und war nichts für die Allgemeinheit. Erst die Nachfolgegeneration des World Wide Web konnte zur Senkung von technologischen und ökonomischen Zugangsbarrieren beitragen. Anbieter von Social-Media-Anwendungen achten heute im eigenen Interesse darauf, dass sie die Nutzung so einfach wie möglich gestalten. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht stellt der Gebrauch von Social Media durch die überwiegende Anzahl von unentgeltlichen Diensten heute keine nennenswerte Barriere mehr dar.
2.1 Social Media
19
Medienanbieter User
User
User
User Medienanbieter Abbildung 7: Kommunikationsbeziehungen
von n:n-Medien
Social Media entwickelt sich mit jedem Posting, jedem Link, mit jedem neuen Beitrag weiter. Durch Social Media werden einzelne Inhalte sehr schnell im Netz verbreitet und führen zum schnellen Aufbau von Informations- und Beziehungsnetzwerken. Die Interaktion über das Internet wird „sozialer". Die neuen Anwendungen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie die Attraktivität und den Nutzen für die Anwender erheblich steigern. Im Verhältnis zur konventionellen Webseitenerstellung und -bearbeitung ist es leichter geworden, Inhalte zu erzeugen, zu publizieren, zu verlinken, zu verschlagworten und zu bewerten. All diese Tätigkeiten können auch von Nutzern ohne vertiefende Fachkenntnisse einfach und fehlerfrei ausgeführt werden. Für die Gestaltung
20
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
der zu publizierenden Inhalte gibt es nur wenige formale Vorschriften, womit die Hemmschwellen für Neueinsteiger gering sind. Durchgehend handelt es sich um kollektive Medien, in denen sich Nutzer vom passiven Konsumenten zum aktiven Mitgestalter entwickeln können. Eine zentrale Rolle hierbei spielt der Open-Source-Gedanke: freie Programmverfügbarkeit auch auf Datenbestände ist eine wichtige Voraussetzung für die dynamische Weiterentwicklung von Social Software-Anwendungen. Die Nutzer werden aktiv in den kontinuierlichen Entwicklungsprozess eingebunden. Nicht zuletzt deshalb deklarieren viele Anbieter ihre Dienste und Anwendungen als permanente „Beta", da regelmäßig neue Funktionen in die Seiten eingebaut und während des laufenden Betriebs getestet und weiterentwickelt werden. In Tabelle 1 werden zentrale Unterschiede von Social Media im Vergleich zu traditionellen Massenmedien zusammengefasst. Zu erkennen ist, dass sich die persönliche Kommunikation und die Kommunikation über Social Media im Wesentlichen durch den Grad der erzielten Öffentlichkeit der Botschaften unterscheiden. Während die persönliche Kommunikation in einem abgeschütteten privaten Raum stattfindet, findet Social Media in einem zumindest teilöffentlichen Raum statt, der je nach Intention der Beteiligten enger oder weiter gefasst sein kann.
2.1.4 Typologie und Aktivitäten von Social-Media-Nutzern Beschäftigt man sich mit der Nutzung des Internets der zweiten Generation und den Veränderungen gegenüber den Anfangen, ist augenscheinlich, dass sich viele Verhaltensweisen der Nutzer von heute damals schon dargestellt haben. So wurde das Internet schon immer für die Informationssuche entweder als Grundlage für Entscheidungen oder zur Unterhaltung genutzt. Es hat sich über die Zeit nur der Stellenwert des Mediums verändert. Dieser wurde auch durch die zunehmende Verbreitung von Breitbandanschlüssen beeinflusst. Die Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung hat in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Wenn es um die aktive Suche von strukturierten Informationen geht, greifen heute immer mehr Menschen auf das Internet zu. Von jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren, von denen 91,3 Prozent regelmäßig online sind,54 wird das Internet mit deutlichem Abstand vor Printmedien und TV und Radio als Informationsmedium Nummer eins genannt.55 Aber auch bei den älteren Personen nimmt das Medium mittlerweile einen beachtlichen Stellenwert ein. Für 46 Prozent der über 60-Jährigen ist das Internet mittlerweile ein „täglicher Begleiter für alle möglichen Fragen und Themen". 56 Die größten Steigerungen bei den Internetanschlüssen sind zudem in der Zielgruppe der 60-79-Jährigen, den so genannten „Silver-Surfern" zu verzeichnen, was die zunehmende Akzeptanz des Mediums auch in dieser Altersgruppe unterstreicht. Die aktive Teilnahme von Anwendern stellt die Grundvoraussetzung für den Erfolg von Social Media dar. Der Aktivitätsgrad der Partizipation kann jedoch stark variieren. Das Lesen eines Blogs und das Betrachten von Videos anderer Nutzer erfordert ein relativ geringes Engagement, verglichen mit dem persönlichen Aufwand, der für die Erstellung eines Blogbeitrags oder die eigene Produktion eines Videos verbunden ist. Eine Unterscheidung verschiedener Nutzertypen nach dem Grad der Partizipation und der Art der Nutzung veranschaulicht die in 54
Vgl. Initiative D21 ((N)ONLINER Aüas 2008, 2008) Vgl. Köcher (Die junge Generation, 2008) 56 ARD/ZDF (Onlinestudie, 2008) 55
2.1 Social Media
21
Tabelle 1: Unterscheidungsmerkmale von traditionellen Massenmedien und Social Media Persönliche Kommunikation l:l-Medium
Massenkommunikation 1 :n-Medium
Social-MediaKommunikation n:n-Medium
auf Mehrwegkommunikation ausgerichtet, Sender und Empfänger tauschen sich bilateral aus
auf Einwegkommunikation ausgerichtet, Mediennutzer in der Rolle des Informationsempfängers
auf Mehrwegkommunikation ausgerichtet, Mediennutzer in der Rolle des Informationssenders und -empfängers
geringe Möglichkeit der Veröffentlichung von Nutzerbeiträgen
begrenztes Interesse aufgrund geringer Möglichkeiten der Veröffentlichung von Nutzerbeiträgen
hohes Interesse an öffentlichwirksamen Auftritten und der Selbstdarstellung
kein Interesse an der Veröffentlichung persönlich ausgetauschter Informationen
begrenztes Interesse aufgrund geringer Möglichkeiten der Veröffentlichung von Nutzerbeiträgen
hohes Interesse am öffentlichwirksamen Auftritt und an der Selbstdarstellung
Informationen werden ungefiltert ausgetauscht.
Selektion veröffentlichungswürdiger Nutzerbeiträge durch Journalisten
Beiträge der Nutzer werden nicht gefiltert, aber Suchmaschinen, Meinungsführer und der Grad der Vernetzung beeinflussen die Außenwirkung
unmittelbare Reaktion von Nutzern im Medium darstellbar
Reaktionen von Nutzern im Medium nur mit einem Zeitverzug darstellbar
unmittelbare Reaktion von Nutzern im Medium darstellbar
niedrige technologische Zugangsbarrieren niedrige ökonomische Zugangsbarrieren
hohe technologische Zugangsbarrieren hohe ökonomische Zugangsbarrieren
niedrige technologische Zugangsbarrieren niedrige ökonomische Zugangsbarrieren
22
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
Abbildung 8 gezeigte Social Technographics Ladder von Forrester. Die Leiter mit sechs Sprossen symbolisiert dabei ansteigende Aktivitätsniveaus, die von Inaktiven bis hin zu Schöpfern eigener Social-Media-Veröffentlichungen reichen. Die Gruppierung der Nutzer erfolgt dabei danach, ob sie eine der angezeigten Aktivitäten mindestens einmal monatlich praktiziert haben. Auf die Typologie der Social Technographics Ladder aufbauend bietet Forrester Research mit dem Consumer Profile Tool ein kostenlos nutzbares Onlinewerkzeug an, mittels dem man sich differenziert nach dem Geschlecht für bestimmte Länder und Altersgruppen den prozentualen Anteil der Nutzergruppen anzeigen lassen kann. Mittels der Datenbasis von 2009 ergibt sich für Deutschland über alle Altersgruppen hinweg und im Mittel der Geschlechterverteilung die in Abbildung 9 gezeigte Verteilung. Danach überwiegen in Deutschland mit 52 Prozent noch die Inaktiven und lediglich 9 Prozent der Internetnutzer werden durch die Erstellung eigener Beiträge mindestens einmal im Monat schöpferisch aktiv. Diese Verteilung ändert sich, konzentriert man sich auf die Altersgruppe der 18-24-Jährigen. In dieser Altersgruppe sind nur noch 25 Prozent inaktiv und bereits 19 Prozent realisieren eigenen Content. Im Vergleich zum Social-Media-Engagement der USA fallen die deutschen Aktivitätsniveaus jedoch im Durchschnitt deutlich niedriger aus. In den USA sind über alle Altersgruppen hinweg lediglich 18 Prozent der Nutzer inaktiv, 73 Prozent verfolgen Veröffentlichungen anderer User, 51 Prozent nutzen soziale Netzwerke, 21 Prozent sammeln gezielt Nutzerbeiträge, 37 Prozent kommentieren Beiträge von anderen und 24 Prozent erstellen eigene Veröffentlichungen. Die Nutzungshäufigkeit von Social Media ist, wie Erhebungen von Forrester Research im Vergleich der Jahre 2007 und 2008 zum Ausdruck bringen, bei allen partizipierenden Nutzergruppen zum Teil kräftig gestiegen. Heruntergebrochen auf konkrete Inhalte, die deutsche Nutzer aktiv online stellen, belegt die Allensbacher Computer- und Technikanalyse, dass das Engagement von 2008 auf 2009 zwar zunimmt, jedoch die Wachstumsraten im Vergleich zu den Vorjahren nur noch geringfügig ansteigen. Abbildung 10 ist zu entnehmen, dass das Hochladen eigener Fotos (21 Prozent), die Erstellung von Beiträgen in Diskussionsforen (20 Prozent) und das Kommentieren von Blogs anderer Nutzer (18 Prozent) von den Nutzern am häufigsten praktiziert wird. Für das Unterhalten eigener Weblogs (9 Prozent) und die Überarbeitung von Lexikonbeiträgen (6 Prozent) können sich bislang relativ wenig Internetnutzer im Alter von 14 bis 64 Jahren begeistern.57 Eine weitere Studie unterstreicht, dass die Partizipation im Social Web insbesondere bei Entscheidungsträgern in der Wirtschaft, und da insbesondere bei IT-Managern, weit vorangeschritten ist. 91 Prozent der IT-Entscheidungsträger nutzen Social Media zur Informationsgewinnung. 55 Prozent dieser Personen sind Mitglied in mindestens einem sozialen Netzwerk, 58 Prozent agieren als Kritiker und 43 Prozent als kreative Ersteller von zum Beispiel Blogs, Artikeln oder hochgeladenen Videos.58 Eine im Jahr 2009 durchgeführte Erhebung belegt, dass 60 der 100 größten deutschen Marken in Social-Media-Angeboten aktiv sind. Der mit 39 Prozent am häufigsten genutzte Dienst ist Twitter, gefolgt von YouTube (37 Prozent) und Facebook (28 Prozent). 12 Prozent der größten Marken betreiben eigene Angebote im Zusammenhang mit Corporate Blogs.61 Social Media trifft somit nicht nur in der allgemeinen Bevölkerung, sondern auch bei Managern zunehmend auf Akzeptanz. 57
Vgl. Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009) Vgl. Bemoff (New research, 2009) 59 Bemoff (Groundswell, New Social Technographics data, 2008) 60 Forrester (Cosumer Profile Tool, 2009) 61 Vgl. Horizont (Studie, 2009) 58
2.1 Socia]
23
Media
Publish a blog Publish your own Web pages • Upload video you created • Upload audio/music you created • Write articles or stories and post them ..I....,1..^, ,...·....I,..-.
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Ladder:
Nutzertypen
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der Nutzung
24
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
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100
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100
About Forrester
Abbildung 9: Prozentualer Stellenwert verschiedener Social-Media-Nutzertypen in Deutschland dargestellt mit dem Consumer Profile Tool von Forrester Research60
Auch wenn nur ein relativ überschaubarer Teil der Internetnutzer aktiv Inhalte produziert, werden die eingestellten Informationen mittlerweile von relativ vielen als Quelle zur Meinungsbildung über Produkte genutzt. Der Stellenwert von Beiträgen in Diskussionsforen sowie von Kommentaren anderer Nutzer ist in Abhängigkeit vom jeweiligen Produkt zum Teil beachtlich. Wie in Abbildung 11 dargestellt, werden Kommentare anderer Nutzer als Informationsquelle für Computerhardware und -Zubehör bereits von 68 Prozent der Internetnutzer in Anspruch genommen. Sogar bei Einrichtungsgegenständen, wie Möbel und Lampen, nutzen 60 Prozent diese Informationsquelle und 30 Prozent informieren sich in Diskussionsforen. Vor dem Hintergrund des wachsenden Social-Media-Engagements drängt sich die Frage auf, was Nutzer motiviert, aktiv zu werden? Ein offensichtlicher Beweggrund zur Nutzung des Web 2.0 liegt im kommunikativen Austausch mit anderen Nutzern. Studien bestätigen, dass die Kommunikation eine der bedeutendsten Beweggründe für die Nutzung von Web 2.0-Angeboten ist. So ist auch laut einer 77VS-Studie zum Gebrauch von Social Networks für 58 Prozent der Nutzer die Kommunikation der wichtigste Grund zur Verwendung dieser Anwendungen.62 Diese Ergebnisse sind wenig überraschend, denn mit Social Media wird erstmalig ein Massenmedium dem Wunsch einer breiten Bevölkerungsschicht nach Kommunikation gerecht. Social Media erfüllt die alte Forderung nach einem Medium, bei dem der Empfänger zugleich auch aktiver Sender ist. Schon Bertolt Brecht forderte: „Der Rundfunk ist aus einem Distributions62 63
Vgl. Fox Interactive (Neverending Friending, 2007) Vgl. Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009)
25
2.1 Social Media User-generated Content: Der Produzentenkreis wächst kaum noch. '
Beiträge in D i s k u s s i o n s f o r e n
.
Eigene Fotos
20
•••^••••••20 17 •••15 13
Bewertungen, Testberichte Eigene H o m e p a g e
21
K o m m e n t a r e in B l o g s anderer N u t z e r Kritiken, K o m m e n t a r e zu Büchern, Filmen, C d s A n g a b e n in Prozent
Eigenes W e h l o g Videos Lexikonbeiträge schreiben, überarbeiten
•HBMÜRS
I H 9
10
stmamm
S 2009 •
2008
Abbildung 10: Anteil der deutschen Internetnutzer, die ausgewählte Online-Inhalte produzie-
apparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln."64 Neben dem Wunsch nach Kommunikation gibt es viele weitere Gründe für die aktive Partizipation an Web 2.0. In der rein privaten Nutzung steht nicht zuletzt der Spaß jedes Einzelnen im Vordergrund. Aber auch das Knüpfen von Kontakten oder der Aufbau einer Wissenssammlung sind wichtige Motivatoren.65 Nach Mühlenbeck und Skibicki ist der Wunsch nach Wahrnehmung und Anerkennung die stärkste Triebfeder für die Teilnahme an einer Community.66 Als Erklärungsansatz gehe es den Menschen somit vor allem um die Befriedigung sozialer Bedürfnisse. Daneben zielen Menschen in sozialen Netzwerken auch auf die Darstellung der eigenen Persönlichkeit und den Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft ab.67 Die angeführten Studienergebnisse belegen, dass das Internet als das Medium der Zukunft angesehen werden kann. Während herkömmliche 1 :n-Massenmedien, vor allem die PrintMedien, aber auch das Fernsehen, seit Jahren gegen sinkende Leser- bzw. Zuschauerzahlen kämpfen, steigt die Zahl der aktiven Internetnutzer kontinuierlich an. Jugendliche verbringen heute schon mehr Zeit im Web als vor dem Fernseher. Aber auch die kaufkräftige Zielgruppe der über 50-Jährigen hat das Internet längst für sich entdeckt und ist regelmäßig im Netz aktiv. Im Lichte dieser Entwicklungen treten die Grenzen der 1 :n-Kommunikation offen zu Tage. ^Brecht (Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, 1967) S. 127 zitiert Möller (Die heimliche Medienrevolution, 2005), S. 14 65 Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 49f. ^ V g l Mühlenbeck/Skibicki (Community Marketing Mangement, 2007), S. 43f. 67 Vgl. Mühlenbeck/Skibicki (Community Marketing Mangement, 2007), S. 44ff. 68 Vgl. Allensbach ACTS 2009, zitiert in Schmidt (Kein Marketing ohne Internet, 2009)
26
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
Nutzung verschiedener Quellen des Internets zur Produktinformation 43
Computerhardware und -Zubehör Haushaltswaren, Hausgeräte
162 • 63
Geldanlagen, Finanzprodukte
Angaben in Prozent der befragter Nutzer
166
Lebensmittel, Getränke Einrichtungsgegenstände, wie ζ. B. Möbel, Lampen
30 164
Medikamente, medizinische Geräte Kleider, Mode, Schuhe
Diskussionsforen I Kommentare anderer Nutzer I Internetseiten des Anbieters
Abbildung 11: Quellen für Produktinformationen im Internei68
2.1.5 Einflussfaktoren von Social Media auf das Kaufverhalten Das Internet wurde schon immer als Informationsquelle genutzt, um Käufe offline oder online vorzubereiten. Nach der Allensbacher Computer- und Technikanalyse recherchieren heute 97 Prozent der Internetnutzer zu Produkten und Dienstleistungen.69 Die Bedeutung des Mediums ist dabei im historischen Vergleich kontinuierlich gewachsen. Mit Blick auf die Informationssuche zur Vorbereitung von Kaufentscheidungen variiert der Stellenwert des Internets in Abhängigkeit vom Produkt oder von der Dienstleistung. Eine Studie70 zu Einschätzungen der Befragten über den Einfluss des Internets auf ihre Entscheidungen zeigt, dass sich Konsumenten heute beim Kauf von Flug- und Zugtickets fast ausschließlich und beim Kauf von Elektronikartikeln in der deutlichen Mehrzahl der Fälle dieses Mediums bedienen (siehe Abbildung 12). Demgegenüber spielt diese Informationsquelle für die Wahl eines Arztes und für die Wahl eines Gesundheitsproduktes noch eine untergeordnete Rolle. Onlinekäufer schätzen die Leistungsfähigkeit des Mediums Internet zur Informationssuche und zur Abwicklung von Transaktionen. Sie genießen es, ihre Entscheidungen frei und ohne Einflüsse von aufdringlichem Verkaufspersonal treffen zu können. Im Rahmen des Suchprozesses gehen Internetkäufer heute sehr zielorientiert und häufig vor dem Hintergrund eines festen Bedarfes vor. Nur ein Bruchteil der Internetkäufer betritt Onlineshops und virtuelle Marktplätze, um entspannt „zu Bummeln" und sich durch das Anschauen von Produkten für einen Kauf inspirieren zu lassen.72 69
Vgl. Vgl. 71 Vgl. 72 Vgl. 70
Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009) Harris Interactive (White Paper zur Studie Digital Influence Index, 2008), S. 10 Schmidt (Interneteinfluss aufs Marketing, 2008) Novo Mind (Online-Shopper sind Herdentiere, 2008)
2.1 Social Media
27 Einfluss des Internets auf Entscheidungen
Flugticket k a u f e n
89
Ferien b u c h e n
87
Auto mieten
75
Aktien k a u f e n
57
Stromlieferant suchen
54
Hypothek abschließen
54
Gaslieferant suchen
49
Kredit a b s c h l i e ß e n
48
Arzt w ä h l e n
41 A n g a b e n in P r o z e n t d e r b e f r a g t e r N u t z e r
Medikament kaufen
39
Abbildung 12: Einfluss des Internets auf Entscheidungen differenziert nach Entscheidungsob-
Was im Vergleich zur früheren Internetnutzung im Zeitalter des Web 2.0 eine zentrale Zäsur darstellt, betrifft den immer stärker werdenden Gebrauch des Mediums, um sich als Nutzer öffentlich mitzuteilen. Auch wenn nur 10 Prozent der User Weblogs verfassen und nur 8 Prozent Beiträge zu Wikis schreiben, haben doch bereits 29 Prozent der Benutzer Produkte, Restaurants oder Filme online bewertet.73 Diese Informationen von Nutzern aus erster Hand werden im Rahmen von Kaufentscheidungen gerne angenommen und haben, dort wo genutzt, bereits ein beachtliches Beeinflussungspotenzial. Rund 70 Prozent der Onlinekäufer lassen sich von Meinungen in Foren und Produktbewertungen bei ihrer Kaufentscheidung beeinflussen und folgen den Urteilen Dritter. Über die Hälfte der Onlinekäufer fällen ihre Kaufentscheidungen anhand von hohen Verkaufsrängen und positiven Userbewertungen. Lediglich 27 Prozent orientieren sich an Meinungen aus ihrem persönlichen Umfeld der realen Welt. Das soziale Umfeld von Käufern hat damit einen geringeren Einfluss auf Kaufentscheidungen im Internet als Bewertungen innerhalb der Online-Welt.74 Eine 2008 durchgeführte Erhebung der Allensbacher Computer- und Technikanalyse zur Entwicklung der Computer und Internetnutzung belegt, dass sich der Abstand zwischen Männern und Frauen bei der Internetnutzung sukzessive verringert. Gerade bei Frauen gewinnen in der letzten Zeit zunehmend Kommentare und Bewertungen von anderen an Beachtung, die mit den gewünschten Produkten oder Dienstleistungen schon Erfahrungen gesammelt haben. 40 Prozent der Internetnutzerinnen würden solche Informationen bei der Produktauswahl und Kaufentscheidung berücksichtigen. Die Mehrheit der privaten Onlinerinnen (55 Prozent), die nach Kommentaren und Bewertungen suchen und diese bei der Entscheidung berücksichtigen, sei von deren Verlässlichkeit überzeugt. Dem Urteil der anderen Nutzer, das in Kommentaren oder Bewertungen wiedergegeben wird, würden potenzielle Käuferinnen damit sogar in höherem Maße Vertrauen schenken als redaktionellen Produktbewertungen (49 Prozent), die auf Internetseiten von Zeitungen oder Zeitschriften veröffentlicht werden. „Die Meinungen der anderen User haben Gewicht und Einfluss. Fast jede zweite Internetnutzerin (48 Prozent), die Online73 74
Vgl. Harris Interactive (White Paper zur Studie Digital Influence Index, 2008) Vgl. Novo Mind (Online-Shopper sind Herdentiere, 2008)
28
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
kommentare und -bewertungen liest, hat schon einmal aufgrund solcher Informationen am Ende ein Produkt nicht erworben, obwohl es anfangs für einen Kauf in Frage kam. Jede vierte Internetnutzerin gibt sogar an, dass dies schon mehrmals vorgekommen ist. Auffallig ist: Für Frauen, die häufig online shoppen, spielen die Bewertungen anderer Nutzer überdurchschnittlich oft eine kaufentscheidende Rolle. Während bei den Käuferinnen mit geringer Kauffrequenz weniger als jede zweite (46 Prozent) auf solche Urteile achtet, sind es bei den Käuferinnen mit Shoppingleidenschaft gut zwei Drittel (69 Prozent). Sie beurteilen die Bewertungen als verlässlich und lassen sich auch davon beeinflussen - mit der Konsequenz, dass sie überdurchschnittlich oft ihre ursprüngliche Kaufentscheidung verändern."75 Welche Internetdienste zum Austausch von Marken- und Produktempfehlungen am meisten genutzt werden, belegt eine Studie, in der 1.100.000 Meinungsäußerungen in Weblogs, Foren, Mikroblogging-Diensten, sozialen Netzwerken und auf Videoplattformen zu 550 Marken mittels einer Crawler- und Klassifizierungstechnologie erhoben wurden.76 Nach dieser Erhebung sind Onlineforen in Bezug auf die Häufigkeit von Markennennungen der wichtigste Kommunikationskanal deutscher Internetnutzer. „Diese große Menge der erfassten Äußerungen über alle Branchen hinweg, lassen auf ein überdurchschnittliches Markenbewusstsein in den konsumentengenerierten Medien schließen. Besonders intensiven Austausch über Marken führen im deutschsprachigen Internet die Auto-affinen Internetnutzer. Keine andere Nutzergruppe präsentiert sich derart performativ." Die Initiatoren der Studie kommen zu folgendem Schluss: „Die Resultate dieser Buzz-Analyse zeigen, wie wichtig Social Media heute für die Markenführung und Kommunikation, aber auch für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) geworden sind. So sind durchschnittlich 43 Prozent aller markenbezogenen Gespräche für die Bildung einer Käuferpräferenz relevant. Im Bereich Telekommunikation ist jede dritte Verbrauchermeinung, im Bereich Food ist mehr als jede zweite Verbrauchermeinung eine Kaufempfehlung. Diese werden durchschnittlich von 400 bis 50.000 Usern gelesen."77 Die Studie von Fittkau & Maaß vergleicht verschiedene Formen von nutzergenerierten Inhalten danach, ob diese als glaubwürdig angesehen werden. Wie aus der Abbildung 13 zu ersehen ist, schätzen fast die Hälfte der befragten Internetnutzer Produktbewertungen als glaubwürdig ein. Der Stellenwert von Kommentaren anderer Internetnutzer hängt dabei häufig von der Art des Beschaffungsobjektes ab. 78 Geht es um die Wahl eines technisch komplexen Elektronikproduktes, zum Beispiel um den Kauf einer Digitalkamera, eines Computers, einer Spielkonsole oder eines Handys, werden Nutzerkommentare häufig in Anspruch genommen. Auch beim Kauf von Büchern, DVDs, Sportartikeln und der Buchung von Reisen werden Kommentare ebenfalls geschätzt. 48 Prozent der Kaufentscheider suchen beispielsweise auf Seiten wie Holidaycheck.de nach Bewertungen ehemaliger Gäste für das ins Auge gefasste Hotel. Steht aber beispielsweise die Wahl eines Arztes an, werden Online-Kommentare anderer Internetnutzer bislang nur in einem relativ geringen Umfang als Entscheidungshilfe herangezogen. Auch für den Kauf eines Flug-, Bahn- oder Veranstaltungstickets greift man heute noch kaum auf Internetkommentare zu. 75
Schneller (Frauen achten auf Produktbewertungen, 2009), S. 59 Vgl. Ethority (Brands in Social Media, 2009) 77 Vgl. Ethority (Brands in Social Media, 2009) 78 Vgl. Harris Interactive (White Paper zur Studie Digital Influence Index, 2008) 79 Vgl. Fittkau & Maaß (Bewertung von Nutzermeinungen, 2008) 76
2.1 Social Media
29 Glaubwürdigkeit nutzergenerierter Inhalte
Wikipedia-Einträge Produktbewertungen Online-Shop-Bewertungen Hotelbewertungen
HM 46,5 144,2
Angaben in Prozent der befragten Nutzer
Text auf privaten Weblogs
Abbildung 13: Vergleich von Medien, in denen Nutzermeinungen zum Tragen kommen, nach der Glaubwürdigkeit ihrer Inhalte (Angaben in Prozent)79
Man kann hieraus schließen, dass der Grad der Nutzung von Empfehlungen Dritter im Internet davon abhängt, wie hoch die Komplexität der Entscheidungssituation eingestuft wird und ob man andere Online-Urteile als geeignet für die individuelle Entscheidungsunterstützung ansieht. Beim Kauf eines Tickets ist der Komplexitätsgrad der Entscheidung beispielsweise gering und die routinemäßige Abwicklung der Transaktion steht im Vordergrund. Man benötigt deshalb keine verstärkte Rückversicherung über die Einschätzungen anderer User. Beim Kauf von komplexen technischen Produkten und Dienstleistungen nimmt man aber andere Meinungen gerne an, wenn die Inanspruchnahme der Leistung standardmäßig erfolgt und die Urteile eine individuelle Übertragbarkeit erlauben. Dies erklärt auch, warum bei der Entscheidungssituation „Wahl eines Arztes" man noch selten auf Online-Empfehlungen zurückgreift. Aufgrund der sehr individuellen Bedürfnislage im Krankheitsfall kann man aus Aussagen Dritter zum Teil nur bedingt persönliche Schlüsse ziehen. Zu vermuten ist auch, dass man wegen der heute noch verhältnismäßig wenig angebotenen Möglichkeiten zur Abgabe von Online-Urteilen zu medizinischem Fachpersonal nicht mit einer adäquaten Unterstützung durch andere rechnet und man sich deshalb gar nicht erst auf die Suche begibt. Neben dem für das Web 2.0 typischen öffentlichen Mitteilungsverhalten zum Beispiel durch abgegebene Produktbewertungen ist eine weitere Besonderheit der heutigen Internetnutzung der Wunsch nach Vernetzung und des Zusammenschlusses mit Gleichgesinnten. 60 Prozent der 12 bis 17-Jährigen und 80 Prozent der 18 bis 21-Jährigen, aber auch insgesamt 30 Prozent der Internetverwender ab 18 Jahre nutzen heute soziale Netzwerkplattformen. 80 Als Hauptbeweggrund für dieses Engagement werden das Bedürfnis nach Kommunikation und die Beziehungspflege mit Freunden und Bekannten genannt. Zwei Drittel der jugendlichen täglichen Nutzer von sozialen Netzwerken erzählen ihren Freunden oft von Produkten, die sie interessieren. Bei erwachsenen Anwendern legt immerhin die Hälfte dieses Verhalten an den Tag.81 Durch diesen sozialen Austausch über Produkte wird ein wichtiger Einfluss auf Kaufentscheidungen ausgeübt, dessen Wirkung häufig als noch stärker einzustufen ist, als Produktkommentare von anonymen, nicht aus dem sozialen Umfeld stammenden Usern. Trotz der bereits beachtlichen Nutzungshäufigkeit und des nachweislichen Stellenwertes von Onlineempfehlungen für Kaufentscheidungen wird „User generated content" nicht immer unkritisch gesehen. So vermuten immerhin 45 Prozent der Befragten einer W3B-Studie,s2 dass 80 8
Vgl. Li (How Consumers Use Social Networks, 2007), S. 3 'Vgl. Li (How Consumers Use Social Networks, 2007), S. 8 Vgl. Fittkau & Maaß (Bewertung von Nutzermeinungen, 2008)
82
30
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
von Nutzern erzeugte Onlineinhalte manchmal bewusst manipuliert werden. Noch mehr bringen zum Ausdruck, dass der Wahrheitsgehalt dieser Inhalte schwer zu überprüfen sei. Auf der anderen Seite werden nutzergenerierte Inhalte in dieser Studie aber auch von mehr als einem Drittel der Befragten für deren besondere Qualität gelobt. Diese sei höher als die von redaktionell erstellten Inhalten und die Informationen seien oft detaillierter und vielfaltiger.
2.2 Grenzen klassischer Werbung 2.2.1 Print-, Funk- und TV-Werbung Herkömmliche Massenmedien und die dort geschaltete Werbung erreichen immer weniger Menschen. Das unterstützt Verlagerungstendenzen von Werbebudgets auf das Internet, was die von Werbeeinnahmen abhängigen Werbeträger, wie zum Beispiel Zeitungen, zum Teil in existenzielle Schwierigkeiten bringt. Laut einer US-Studie aus dem Jahr 2007 soll die OnlineWerbung herkömmliche Printanzeigen bis zum Jahr 2011 im gesamten Budgetaufkommen überholen.83 Auch wenn diese Prognose hinsichtlich des genannten Jahres gewagt ist, so zeigt sie doch deutlich die Entwicklungsrichtung auf. Erschwerend wirkt sich für die klassischen Medien Print, Radio und TV aus, dass die Angebotsfülle und der Wettbewerb im eigenen Medienumfeld in den letzten Jahren stark zugenommen haben, was die Mediaplanung bzw. die Auswahl der wirkungsvollsten Werbemedien zu einem immer komplizierteren Prozess werden lässt. Das kaum noch zu überschauende Medienangebot spiegelt als unmittelbare Folge ein fragmentiertes Mediennutzungsverhalten wider, dessen Vielfalt gepaart mit einer zunehmenden Individualisierung des Verbraucherverhaltens und immer kleiner werdenden Käufersegmenten die Marketingplanung vor große Herausforderungen stellt. Konsumenten lassen sich immer schwerer in Kategorien einordnen und nach dem Gießkannenprinzip mittels standardisierter Massenbotschaften erreichen. Im Verhalten selber legen sie häufig wechselnde, zum Teil diametral entgegengesetzte Handlungen an den Tag. So liegt der Anteil von hybriden Konsumenten, die gewissermaßen „zweigespalten" einerseits den Kauf von hochwertigen Markenartikeln ins Kalkül ziehen, andererseits aber auch billige Handelsmarken oder No Names kaufen, heute zwischen 35 und 70 Prozent - mit steigender Tendenz.84 Zu dem sinkenden Stellenwert von klassischen Massenmedien als Werbeträger kommt hinzu, dass auch die Werbewirkung der 1 :n-Kommunikation zunehmend in Frage gestellt wird. So wenden sich beispielsweise bei der Einblendung von TV-Spots viele Zuschauer vom Bildschirm ab und erledigen persönliche Bedürfnisse. Stellenweise wird während des Werbebocks auch die Lautstärke des Fernsehers auf stumm gestellt oder kurzzeitig in einen anderen Kanal gezappt. Die zunehmende Verbreitung von TV-Festplattenrecordern erleichtert es, dass Sendungen aufgenommen und erst später angesehen werden. Mittels der Vorlauftaste überspringen die Betrachter dann bei der zeitversetzten Betrachtung die unterbrechenden Werbeeinblendungen, um an einer späteren Stelle mit dem eigentlichen Film fortzufahren. Eine zu beobachtende Abwendung von TV-Werbung hängt auch damit zusammen, dass der Werbeumfang als zu hoch 83 M
Vgl. Absatzwirtschaft Online (Online-Formate, 2007) Vgl. Duhr (Targeting, 2008)
2.2 Grenzen klassischer Werbung
31
eingeschätzt wird, wie von 90,7 Prozent der TV-Zuschauer zum Ausdruck gebracht wird.85 Die Werbewirkung von bedeutenden Werbemitteln wie zum Beispiel TV-Spots ist nachweisbar rückläufig. Während sich 1985 noch an 18 Prozent der Zuschauer an einzelne Werbespots erinnern konnten, waren es 2002 nur noch acht Prozent. Trotz einer Steigerung der Werbebudgets um 175 Prozent über alle Werbemittel von 1990 bis 2000, sank die Markenerinnerung um 80 Prozent.86 Werbeforscher sind sich einig, dass der überwiegende Teil der Werbekontakte in Momenten stattfinden, in denen kein Interesse am Produkt oder keine Zeit für die intensive Betrachtung der Werbung vorhanden ist. Werbung wird den Betrachtern förmlich „aufgedrückt" oder aufgezwungen. Diese Art von Werbung kann als Push-Werbung bezeichnet werden. Der Empfänger kann sich dieser Art der Beeinflussung nur schwer entziehen. Die Werbung unterbricht den Betrachter bei der Wahrnehmung der eigentlich interessierenden Inhalte. Wenn beispielsweise ein spannender Spielfilm im Fernsehen durch einen Werbeblock auseinandergerissen wird oder man beim Lesen eines Artikels in einer Zeitschrift über dazwischengeschaltete Anzeigenseiten blättern muss, dann wird man mit Unterbrechungswerbung konfrontiert. Dass diese in Abhängigkeit von der Massivität der Unterbrechung und der jeweiligen Betrachtungssituation eher als lästig empfunden wird, ist nicht überraschend. Laut der Studie Markenprofile von Gruner und Jahr sagen 49,6 Prozent der Deutschen: „Werbung (im Fernsehen) empfinde ich als störend."87 Da die Werbebotschaften nicht aktiv angefordert wurden, ist die Rezeptionssituation eher passiv und die Aktivierung für eine aufmerksame Betrachtung von vornherein eher gering. Wie wenig Werbung in traditionellen Medien als nützlich für Kaufentscheidungen erachtet wird, belegt eine repräsentative Erhebung bei im Internet aktiven Müttern. Wie in Abbildung 14 dargestellt, werden der direkte persönliche Austausch und die Nutzung von SocialMedia-Angeboten gegenüber fachbezogenen Online- und Offlineartikeln und verschiedenen Werbemedien deutlich präferiert.
2.2.2 Online-Werbung Die bislang zum Ausdruck gebrachten kritischen Begleitumstände der Werbung in herkömmlichen l:n-Medien sind zu einem gewissen Teil auch auf Onlinemedien übertragbar. Auch dort bedient man sich, um auf sich aufmerksam zu machen, des Prinzips der Platzierung von Bannern oder kleineren Buttons auf möglichst stark frequentierten Internetseiten. Die Wirksamkeit von Bannerwerbung wird aus mehreren Gründen, zum Beispiel vor dem Hintergrund des Phänomens der Banner-Blindheit zunehmend kritisch betrachtet. So kann man bei geübten Internetnutzern Folgendes beobachten: „Der typische, 468x60 Pixel große Werbebanner, der von vielen werbefinanzierten Sites oben mittig platziert ist, wird oftmals gar nicht mehr wahrgenommen, genauer gesagt, unterbewusst automatisch ausgeblendet."88 Auch Popups werden in der Online-Werbung eingesetzt. Bei ihnen öffnet sich die Werbung automatisch für eine bestimmte Zeit in einem eigenen Browserfenster, das sich optisch vor die gewünschte Seite legt und somit eine klare Ausprägung der Unterbrechungswerbung darstellt. Auch diese Art von Werbung stellt eine typische Push-Werbung dar. Das häufig als aggressiv 85
United Internet Media Research 2007, zitiert in Duhr (Targeting, 2008) Vgl. Scheier/Held (Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse des Neuromarketings, 2006), S. 18 87 Gruner und Jahr, Markenprofile 12, zitiert in Duncker (Wie gut funktioniert Online-Werbung, 2009), S. 70ff. 88 Münz (Professionelle Websites, 2005), S. 36 86
32
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing Informationsquellen, die Mütter als nützlich erachten W e r b u n g im Radio W e r b u n g in Nachrichten W e r b u n g in Magazinen W e r b u n g im Fernsehen Magazin-Artikel Online-Artikel Online-Freunde
Online-Urteile v o n Experten Online-Urteile von Personen Freunde
Abbildung 14: Einschätzung des Nutzens von Informationsquellen durch MütterS9
empfundene Aufzwingen von Botschaften, kann dazu führen, dass sich Betrachter aus Ärger von vornherein nicht mit dem Inhalt auseinandersetzen und das Fenster gleich wegklicken. Aktuelle Studien belegen die negative Einstellung gegenüber Onlinewerbung. Laut der Studie Markenprofile „wird Banner-Werbung bereits von mehr als jedem Zweiten regelrecht als „störend" wahrgenommen. Geringe 13,2 Prozent empfinden dieses Werbeformat als hilfreich. Bei Pop-ups ist das Missverhältnis noch ausgeprägter: Hier ist der Anteil der Genervten zehnmal höher als der Anteil der positiv Angesprochenen."90 Ein gewohnheitsmäßiges Hinwegsehen über Bannerwerbung sowie der Versuch, Werbung über PopUp-Blogger technisch von vornherein auszuschließen, können Gründe für das sinkende Wachstum von graphisch aufwändigen Display anzeigen sein. Im Vergleich zur sich sehr positiv entwickelnden Suchmaschinenwerbung ist Bannerwerbung rückläufig. Die Preise für Onlinewerbung, die die großen Internetagenturen zahlen, sind im Frühjahr 2008 beispielsweise um 23 Prozent gefallen.91 Auf der anderen Seite wuchs der von Suchmaschinen erzielte Umsatz stetig. Nach einer Studie bei Interessierten im Bereich Online-Marketing im November 2008 wollen die beteiligten Unternehmen ihr künftiges Engagement vor allem im Bereich Suchmaschinenoptimierung und Suchwortanzeigen erhöhen. Der am stärksten rückläufige Bereich betrifft Bannerwerbung.92 Der hohe Stellenwert bezahlter Suchmaschinenwerbung im Online-Media-Mix ist ein Beleg für den Bedeutungsgewinn von Werbung, die aktiv gesucht wird. Sie kann als Pull-Werbung bezeichnet werden. Sucht man mit einer Suchmaschine nach einem bestimmten Begriff, zu dem neben den Suchtreffern auch thematisch passende Werbebotschaften präsentiert werden, dann steht man diesen Werbeinhalten sehr viel positiver gegenüber als ungewünscht übermittelten Botschaften. Die zu erwartenden Nachrichten werden unaufdringlich mit nur wenigen Worten angekündigt und den eigentlichen Werbeinhalt erhält man erst durch den Klick auf die dahinter liegende Seite. 89
VgI. Razorfish and CafeMom (digital mom, 2009), S. 21 ^Duncker (Wie gut funktioniert Online-Werbung, 2009), S. 71f. 9 'Vgl. Absatzwirtschaft Online (Große Displayanzeigen, 2008) 92 Vgl. Absolit (Studie 2009, 2009)
2.3 Grenzen klassischer PR
33
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Werbung in der Form von aufdringlicher Push-Werbung, unabhängig davon, ob in herkömmlichen Massenmedien oder im Internet präsentiert, erkennbare Grenzen gesetzt sind. Zeitungen und Zeitschriften, aber auch private Radio- und Fernsehsender sind mit ihrem Geschäftsmodell heute noch maßgeblich auf diese Form von Werbung angewiesen. Sie tun sich schwer, rückläufige Nutzerzahlen im Zusammenhang mit einem sich ändernden Mediennutzungsverhalten in Richtung Onlinekommunikation zu kompensieren. Ein bestimmter Anteil der rückläufigen Werbebuchungen kann auch mit kritisch hinterfragten Werbewirkungen zusammenhängen. Alternative Formen der werblichen Kommunikation, die ihnen auch eine hinreichende Refinanzierung ihres Engagements sicherstellen, sind nicht einfach zu finden. Wenn Verlage ihr bisheriges Geschäftsmodell 1:1 auf das Internet übertragen, in dem werbefinanzierte Inhalte die Vergütung für anspruchsvolle Berichterstattung sicherstellen sollen, bleiben sie weiter mit der Problematik der wenig geschätzten Push-Werbung konfrontiert. Diese setzt sich dann nur in einem anderen Medium fort. Für Verlage mit kostenlosen Onlineangeboten besteht die Herausforderung darin, Ansätze der Refinanzierung zu entwickeln, die eine Akzeptanz der Nutzer finden. Mit aufdringlicher Push-Werbung wird das wohl schwer gelingen. Wenn man auf Werbung setzt, sollte sie möglichst kontextsensitiv gestaltet und in einem interessierenden redaktionellen Umfeld platziert werden, beispielsweise in der Form eines kurzen Informationsteasers, der unaufdringlich präsentiert, ein Interesse zum Abruf der vollständigen Werbebotschaft weckt. Diese Art von Werbung geht somit von der Ausrichtung her in Richtung Pull-Werbung.
2.3 Grenzen klassischer PR Während Werbung, unabhängig davon, ob es sich um Produktwerbung oder Firmenwerbung handelt, einen zu vergütenden Einsatz der Massenmedien als Werbeträger voraussetzt, zielt das Kommunikationsinstrument Public Relations (PR) auf eine unentgeltliche Nutzung von 1 inMedien ab. Ein zentrales Aufgabenfeld der PR besteht darin, Medien mit positiven Produktund Firmeninformationen zu versorgen und dafür zu gewinnen, sie in Form von originären Medienbeiträgen zu veröffentlichen und somit einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Der Begriff Public Relations, im deutschen Sprachraum mit Öffentlichkeitsarbeit übersetzt, kann mit der aus dem Jahre 1937 stammenden Definition prägnant beschrieben werden. „Public Relations ist die Kunst, durch das gesprochene oder gedruckte Wort, durch Handlungen oder durch sichtbare Symbole für die eigene Firma, deren Produkt oder Dienstleistung eine günstige öffentliche Meinung zu schaffen."93 Aufgabe der PR ist es, gute Beziehungen zu den verschiedenen externen (Kunden, Lieferanten, Aktionäre, politische Entscheidungsträger, der Staat etc.) und internen Partnern der Unternehmung (Mitarbeiter) aufzubauen. Hierfür können verschiedene Instrumente eingesetzt werden, wobei die gezielte Informationsversorgung und der Aufbau und die Pflege der Kontakte zur Presse, zum Hörfunk und Fernsehen bislang als das Kerninstrument der externen PR anzusehen sind. Dieser hohe Stellenwert der Beziehungspflege mit Medien erklärt sich daraus, dass eine breite Öffentlichkeit am einfachsten über die produkt- und firmenbezogenen Massenmedien zu erreichen und zu beeinflussen ist. Journalisten sind die zentralen Gatekeeper im PR-Geschäft, 93
Hundhausen (Die Deutsche Werbung, 1937)
34
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
die darüber entschieden, ob eine Unternehmensnachricht es wert ist, gesendet zu werden oder nicht. Da in Massenmedien immer nur eine geringe Auswahl aller Produkt- und Markenbotschaften veröffentlicht werden kann, konkurrieren eine Vielzahl von PR-Verantwortlichen um die Aufmerksamkeit und die Gunst einer kleinen Zahl von Redakteuren. Das gängige Erfolgskonzept der PR besteht darin, zu diesen Informationsselektierern und Multiplikatoren möglichst persönliche Beziehungen aufzubauen und sie durch interessante Botschaften und ein qualitativ hochwertiges Informationsangebote für das eigene Unternehmen einzunehmen. David Scott, ein PR-Profi, beschreibt diese Art von PR-Arbeit anschaulich: "PR people occupied their time by writing press releases targeted exclusively to reporters and editors and by schmoozing with those same reporters and editors. And then they crossed their fingers and hoped ('Oh, please write about me... ') that the media would give them some ink or some airtime. The end of their efforts - the ultimate goal of PR in the old days - was the clip that proved they had done their job." 94 Zentrale Handlungsmuster und Regeln traditioneller PR-Arbeit können folgendermaßen zusammengefasst werden: • Die Öffentlichkeit kann am besten über Massenmedien (indirekt) erreicht werden. • Journalisten berichten über das Unternehmen und deren Marken. • Die Kommunikation ist unidirektional und ein unmittelbares Feedback von Rezipienten ist nur schwer möglich. • Journalisten entscheiden als Gate Keeper darüber, was sendenswert ist und was nicht. • Unternehmen kommunizieren mit Journalisten über Pressemitteilungen und Pressekonferenzen. • Presseinformationen sollten neue und interessante Inhalte aufweisen. • Wenn die übermittelten Informationen nicht in redaktionelle Beiträge der Medien transformiert werden, erfahrt die Öffentlichkeit nichts darüber. • Als zentraler Erfolgsmesser zählt, wie oft und umfangreich das Unternehmen und dessen Marken in Medien (zum Beispiel dargestellt in Presseclippings) erwähnt werden. Im Zuge der wachsenden Bedeutung des Internet verschieben sich die Gewichte auch im Rahmen der PR weg von klassischen Massenmedien hin zur Onlinekommunikation. Eine im Sommer 2008 durchgeführte Befragung von 1.524 PR-Verantwortlichen in verschiedenen europäischen Ländern ergab, dass die Pressearbeit im Bereich der Printmedien, die heute noch als das wichtigste PR-Instrument angesehen wird, im Jahr 2011 im Stellenwert hinter der der Onlinekommunikation und der Online-Pressearbeit zurückfällt. Wie aus Abbildung 15 zu ersehen ist, prognostizieren die Kommunikationsverantwortlichen auch eine nachlassende Bedeutung der Medien TV und Radio im Rahmen der PR.
94
Scott (The New Rules of Marketing & PR, 2007), S. 10
35
2.3 Grenzen klassischer PR
Today
In 2 0 1 1
Press and media relations: print media
1
Online communication
2
Online communication
2
J
„ 3
c
, Face to face communication
, 3
Press and media relations: _j-«. print media
Press and media relations: TV / radio
4
Face to face communication
Events
5
Press and media relations: TV / radio
5
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Abbildung 15: Kanäle und Instrumente der Unternehmenskommunikation heute und im Jahr 201195
Die Autoren der Studie fassen dieses folgendermaßen zusammen: "Managing relationships with online channels and social media gains dramatically in importance, while the traditional way of addressing gatekeepers is reinvented by contracting online journalists more intensively."96 Befragt nach der Wichtigkeit verschiedener Social-Media-Kanäle in der PR-Arbeit im Jahr 2009 sehen sie einen Bedeutungsgewinn für soziale Netze, Online Videos, Weblogs und RSS Feeds, wohingegen Wikis, Podcasts und insbesondere virtuelle Welten an Stellenwert verlieren. Die Verlagerung von PR-Aktivitäten auf Onlinekanäle eröffnet PR-Verantwortlichen neue Möglichkeiten eines vereinfachten Austausches. So können Presseveröffentlichungen mittels E-Mail-Verteiler schnell an eine große Zahl von Journalisten gestreut werden. Diese Art von Push-Kommunikation unterscheidet sich nur durch das Medium und nicht durch die Interaktionsbeziehung vom postalischen Presseversand. Informationen werden an Multiplikatoren herangetragen, die aus dem Angebot die für die Leser wertvollen Informationen auswählen und dann gegebenenfalls redaktionell überarbeitet verbreiten. Die einfachen elektronischen Versendungsmöglichkeiten können dazu verleiten, häufiger Nachrichten zu verschicken, die zum Teil nur einen geringen Neuigkeits- und Informationswert aufweisen. Die Grenzen der Wirkungsweise von an einen journalistischen Adressatenkreis routinemäßig übermittelten PR-Botschaften verdeutlicht die folgende Aussage eines OnlineJournalisten: "I'm a contributing editor of EContent magazine, as a result of which I receive hundreds of broadcast e-mail press releases per week from well-meaning PR people who want 95
ZerfaJ$ (European Communication Monitor, 20008), S. 23 Zerfaß (European Communication Monitor, 20008), S. 25
96
36
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
me to write about their widgets. Guess what? In five years, I have never written about a company because of a nontargeted broadcast press release that somebody sent me. Something like 25 000 press releases have been sent to me, resulting in no stories."97 Wenn Journalisten nicht Gefahr laufen wollen, von gut gemeintem Informationsspamming von PR-Verantwortlichen überschüttet zu werden, müssen sie ihr Informationsmanagement gut organisieren. In diesem Zusammenhang ist für die journalistische Arbeit zu beobachten, dass neben dem Gebrauch der Push-Kommunikation in immer stärkerem Maße der gezielte Einsatz der Pull-Kommunikation Verwendung findet. Das heißt, dass nicht passiv abgewartet wird, was einem von Unternehmensseite her an Nachrichten angeboten wird, sondern, dass Journalisten aktiv in verschiedenen Kanälen recherchieren, um Material für ihre „Topstory" zu finden. Internetrecherchen sind dafür ein unverzichtbares Hilfsmittel. Journalisten, die in den Themenfeldern Industrie, Informationstechnologie und Weiterbildung tätig sind, nutzen zum Beispiel das Internet für ihre Recherche zu nahezu 100 Prozent.98 Der Einsatz von Suchmaschinen bot schon im Zeitalter des Web 1.0 bessere Möglichkeiten der Informationsrecherche. Das Informationsangebot war jedoch aufgrund geringer Interaktions- und Beteiligungsmöglichkeiten breiter Nutzerschichten stark auf „offizielle" Unternehmensbotschaften beschränkt. Printnachrichten wurden von den Kommunikationsverantwortlichen meist 1:1 ins Internet eingestellt und das Medium war daher für Journalisten nicht wesentlich reichhaltiger als herkömmliche Unternehmens- und Markeninformationen. Mit der Entstehung des Web 2.0 und der Verbreitung von Social Media hat sich die angebotene Informationsfülle und -breite sprunghaft erhöht. Aussagen zu Unternehmen und Marken werden nun nicht mehr ausschließlich von autorisierten Unternehmensvertretern verbreitet, sondern auch von einer Vielzahl von Internetnutzern, die in Blogs, Communities, Kommentarseiten etc. ihre eigenen Erfahrungen, Erwartungen und Einschätzungen kundtun. Dieser Fundus an Informationen, der ungesteuert vom unternehmerischen Zutun im WWW generiert wird, bietet Journalisten hervorragende Möglichkeiten, Nachrichten zu entdecken, die nicht „schöngefärbt" sind und aufgrund ihrer Authentizität und unmittelbaren Nähe zu den betroffenen Markenverwendern und Stakeholdern der Unternehmung einen hohen Informationswert haben. Solche Nachrichten sind gut geeignet, Stimmungen aufzugreifen und Trends abzuleiten. Auch stellen sie hervorragende Impulse für investigativen Journalismus dar, wobei man sich der Grenzen einzelner Nutzeraussagen aufgrund der häufig unter einem Pseudonym abgegebenen Urteile und der zum Teil geringen Möglichkeiten der Nachprüfbarkeit bewusst sein sollte. Der hohe Stellenwert von Social Media im Journalismus belegt eine im Mai 2008 durchgeführte empirische Erhebung, nach der 92 Prozent der befragten Journalisten dieses Medium für ihre Arbeit nutzen. 49 Prozent mindestens einmal täglich. Die Nutzung erfolgt dabei hauptsächlich für Zwecke der Recherche.99 Durch die Vielzahl der sich über Unternehmens- und Markenbelange austauschenden Internetnutzer bröckelt die monopolartige Stellung von Journalisten und Massenmedien in der Beeinflussung der öffentlichen Wahrnehmung. Es entstehen neue Autoritäten und Meinungsführer, die als Multiplikatoren neue Zielgruppen der Unternehmenskommunikation darstellen. Da diese neuen Multiplikatoren aber durch weitreichende Recherchemöglichkeiten und aufgrund der Fülle des Informationsangebotes im Internet immer einfacher selber aktiv werden 97
Scott (The New Rules of Marketing & PR, 2007), S. 8f. Vgl. Pleil/Zerfaß (Internet und Social Software, 2007), S. 513 " V g l . Vibrio (Das Nutzungsverhlten, 2008) 98
2.4 Social Media Marketing
37
können und nicht mehr so stark von der gesteuerten Nachrichtenversorgung der PR abhängig sind, müssen neue Wege der Informationsverbreitung gefunden werden. Es gilt dabei einmal mehr, die Formen und Adressaten der aktiv gesteuerten Push-Kommunikation zu überdenken. Journalisten und andere Informationssuchende sollten von Unternehmensseite auch mit einem weitreichenden Informationsangebot versorgt werden, das im Internet bereitgestellt, eine einfache Recherche und Pull-Kommunikation ermöglicht.
2.4 Social Media Marketing 2.4.1 Begriffsklärung Nach der Beschreibung von Social Media soll nun der Frage nachgegangen werden, was man unter diesem Begriff im Kontext von Marketing versteht. Marketing als solches kann aus verschiedenen Sichten beschrieben werden. 1. Marketing als Maxime verkörpert eine unternehmerische Grundhaltung und Leitmaxime, die durch konsequente Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an dessen Erfordernissen bzw. den Bedürfnissen der Abnehmer gekennzeichnet ist.100 Nach dieser Maxime sollten Unternehmen konsequent von Märkten her auf Märkte hingeführt werden. 2. Marketing als Mittel will dazu beitragen, Vorzugsstellungen und Präferenzen für das eigene Angebot zu schaffen und dessen ökonomischen Erfolg sicherzustellen. Als zentrale Instrumente des Marketings, die im Rahmen dieser Mittel-Zweck-Beziehung zum Einsatz kommen, können die Produkt- und Leistungspolitik, Preispolitik, Kommunikationspolitik und Distributionspolitik genannt werden. 3. Marketing als Methode soll helfen, Entscheidungen zur Erreichung des Markterfolges durch systematische, moderne Analysetechniken zu optimieren und den Planungs- und Realisationsprozess zielorientiert zu gestalten.101 Der Oberbegriff „Marketing" wird heute in vielfältigen Wortzusammensetzungen gebraucht, zum einen, um das Objekt, für das Marketing betrieben werden soll, näher zu kennzeichnen, und zum anderen, um das verwendete Mittel bzw. die instrumentelle Vorgehensweise, mit der die Marketingziele erreicht werden sollen, in den Vordergrund zu rücken. So bezieht sich beispielsweise das „Dienstleistungsmarketing" auf die Vermarktung von Dienstleistungen und beim „Investitionsgütermarketing" stehen Investitionsgüter im Fokus des Gegenstandsbereiches. Wird das hauptsächlich zum Einsatz kommende Instrument näher spezifiziert, wenn die Art der Kundenansprache kennzeichnend ist, spricht man beispielsweise vom „Direktmarketing". Ist der Einsatz von Onlinemedien das zentrale methodische Vorgehen zur Vermarktung des Objektes, spricht man vom „Online-Marketing". Auch der Begriff „Social Media Marketing" ist instrumental geprägt und das einzusetzende Mittel wird klar zum Ausdruck gebracht: Marketing durch den zielorientierten Einsatz von lOOyg] pfeffert (Marktorientierte Unternehmensführung, 1999), S. 6 101 Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (Marketing, 2002), S. 14ff.
38
2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing
Social Media bzw. den neuen Möglichkeiten im Web, nutzergenerierte Beiträge zu veröffentlichen und sich darüber auszutauschen. Social Media Marketing ist somit eine Form des Marketings, das darauf abzielt, eigene Vermarktungsziele durch die Nutzung von und die Beteiligung an sozialen Kommunikations- und Austauschprozessen mittels einschlägiger (Web2.0-)Applikationen und Technologien zu erreichen.
2.4.2 Einsatzfelder des Social Media Marketings Im Zentrum von Social Media Marketing stehen nutzergenerierte Inhalte wie zum Beispiel persönliche Einschätzungen zu Marken, Vorschläge für innovative Produkte, selbst gedrehte Videospots und so weiter. Die Inhalte bieten sich als Seismographen zur Erfassung von Stimmungen an und stellen hervorragende Informationsquellen der Marktforschung dar. Sie unterstützen die unternehmerische und markenbezogene Positionsbestimmung und den darauf aufbauenden Marketingplanungsprozess. Das Engagement und die Schaffenskraft von Inhalteproduzenten im Internet lassen sich unmittelbar als Mittel für die Erreichung eigener Marketingziele einsetzen. Das kann beispielsweise im Rahmen der Produktpolitik erfolgen, um Kunden gezielt am Innovationsprozess zu beteiligen oder im Rahmen der Kommunikationspolitik, um kommunikationsfreudige Mitglieder der eigenen Community als Markenbotschafter und Multiplikatoren agieren zu lassen. Ein aktiver Einsatz von Unterstützern, Führsprechern und Fans der Unternehmung stellt gewissermaßen schon einen Idealzustand dar, auf den hinzuarbeiten ist und für dessen Vorbereitung vielfältige Schritte zu unternehmen sind. Damit sich Menschen aktiv für eine Sache engagieren, müssen sie zuerst dafür gewonnen werden. Es ist ferner darauf hinzuarbeiten, einen emotionalen Impuls bzw. eine bestimmte Begeisterung auszulösen, die zu einer intendierten Handlung, zum Beispiel einer Weiterempfehlung oder der Beisteuerung eines Verbesserungsvorschlages führt. Ein zentraler Einsatzbereich von Social Media Marketing besteht folglich darin, mit Zielgruppen mittels Social Media zu kommunizieren, um eine wie auch immer geartete Beeinflussung mit Blick auf das gewünschte Kommunikationsziel zu erreichen. Dieses Beeinflussungsziel kann beispielsweise auch beinhalten, negative Einstellungen zu einer Marke abzuschwächen, um Einzelne von einer Weitergabe in der Community und von negativer Stimmungsmache abzuhalten. Social Media Marketing ist in diesem Zusammenhang schwerpunktmäßig ein Instrument der Kommunikationspolitik, das an den neuen Möglichkeiten der sozialen Interaktion im Web 2.0 anknüpft und sich von tradierten Formen der Einwegkommunikation und Massenwerbung löst. Zusammenfassend lassen sich ausgehend von den eingangs dargestellten drei Marketingperspektiven folgende Einsatzschwerpunkte des Social Media Marketings ableiten: 1. Grundhaltung bzw. Maxime des Social Media Marketings: Im Zentrum sollte eine nutzenstiftende Kommunikation und ein ernst gemeinter Austausch mit Kunden und öffentlichen Anspruchsgruppen auf der Basis einer konsequenten Orientierung an deren Bedürfnissen zur Erreichung von Marketingzielen stehen. 2. Social Media Marketing als Mittel zur Beeinflussung von Zielgruppen über soziale Medien zur Erzielung von gewünschten Handlungen, wie zum Beispiel Kaufabschlüsse, Weiterempfehlungen und eigenverantwortliches Engagement für Unternehmensbelange.
2.4 Social Media Marketing
39
3. Social Media Marketing als methodischer Ansatz, der neue Formen der Interaktion und Kommunikation im Web für die Marktforschung und für die daran anknüpfende Entscheidungsfindung, Realisierung und Kontrolle nutzt.
3 Erscheinungsformen von Social Media Wie aus dem in Abbildung 4 dargestellten breiten inhaltlichen Spektrum von Social Media zu ersehen ist, stehen heute verschiedenste Onlinekanäle und Dienste zur Verfügung, mittels derer Nutzer Inhalte für virtuelle Gemeinschaften erstellen und abrufen können und die ferner daran anknüpfende soziale Interaktionen fördern. Es würde den Umfang dieses Buches sprengen, alle verschiedenen Erscheinungsformen von Social Media zu erläutern. Allein schon aufgrund der hohen Dynamik des Medienumfeldes dürfte dies in einer geschlossenen Abhandlung auch kaum möglich sein. Es sollen hier deshalb nur zentrale Medien des Social Web vorgestellt werden, die heute schon als Instrumente der Erreichung unternehmerischer Zielstellungen eine relativ breite Akzeptanz erfahren.
3.1 Wikis 3.1.1 Begriff und Einordnung Unter einem Wiki, auch WikiWikiWeb oder WikiWeb genannt, versteht man eine Sammlung von Webseiten, die von jedermann, zu jederzeit und von jedem Ort aus bearbeitet werden können. Dabei wird es den Besuchern nicht nur ermöglicht, Inhalte auf einer Webseite hinzuzufügen, sondern auch die Inhalte anderer Besucher zu editieren. In den meisten Fällen ist noch nicht mal eine Registrierung nötig, so dass jeder Besucher eines Wikis sofort den Inhalt ändern kann. Die wesentliche Stärke eines Wikis ist der geringe Editieraufwand, da die Seiten von jedem Besucher ohne besonderen Aufwand innerhalb von Sekunden veränderbar und kommentierbar sind. Daher auch der Name, denn „wikiwiki" ist hawaiianisch und bedeutet „schnell". Die einzelnen Seiten und Artikel eines Wikis sind durch interne Links miteinander verbunden, so dass Schlagwörter schnell weiter recherchiert werden können. Dies entspricht auch der Art, wie das WWW überwiegend benutzt wird, denn „Hyperlinks sind mit einem Anteil von fast 44 Prozent weiterhin das bedeutendste Navigationsmittel, um zu neuen Seiten zu gelangen."102 Diese Möglichkeit des unmittelbaren, ungehinderten Änderns einer Seite definiert das Wiki. Jeder hat die Möglichkeit Texte zu ändern, zu löschen und Neues hinzuzufügen. Außerdem sieht er seine Änderungen sofort. Die Einfachheit der Nutzung liegt darin, dass der Text einer Wiki-Seite ohne HTML- oder andere Webdesign-Kenntnisse erstellt oder geändert werden kann. Die Bearbeitung erfolgt direkt im Webbrowser über eine Eingabemaske. Diese Bearbeitung kann auch innerhalb eines Teams oder einer Gruppe von Anwendern erfolgen. Mit dieser Funktion sind Wikis eine eigene Form von Content-Management-Systemen. 102
Weinreich/Obendorf/Mayer/Herder (Der Wandel in der Benutzung, 2006), S. 5
42
3 Erscheinungsformen
von Social
Media
Jedes Wikisystem hat allerdings eine eigene Wikisyntax. Diese ist bislang nicht genormt.103 Diese Wikisyntax ist ein Spektrum von Zeichenkombinationen, also speziellen Tags, die es erlauben, den Inhalt einer Seite zu formatieren und dadurch beispielsweise Wörter oder Sätze hervorzuheben. Diese Syntax ist auch von Laien leicht erlernbar, da sie nicht die Komplexität von HTML aufweist. Man unterscheidet zwischen öffentlichen Wikis, die jeder bearbeiten kann, ohne einen Benutzeraccount haben zu müssen, und eingeschränkten Wikis, die je nach Einstellung nur registrierten Benutzern oder nur definierten Benutzern Schreibrechte geben. Mit Wikis kommt das Internet der ursprünglichen Idee des WWW-Erfinders Tim BernersLee von einem Web, in dem man sowohl lesen als auch Inhalte einstellen kann, sehr nahe.
3.1.2 Entstehung und Funktionen von Wikis Das erste Wiki wurde 1995 von dem Softwareentwickler Ward Cunningham mit dem Namen „WikiWikiWeb" entwickelt.104 In der Folgezeit konnten sich Wikis aufgrund mangelnder Usability nicht auf breiter Ebene durchsetzen. In den späten 1990er Jahren wurde das Potenzial der Wikis für private und öffentliche Wissensdatenbanken erkannt und genutzt. Dies brachte Jimmy Wales und Larry Sanger auf die Idee, die Wiki-Technologie als Basis für eine elektronische Enzyklopädie zu nutzen. Sie starteten das Wikipedia-Projekt im Januar 2001.105 Wikipedia ist heute das bekannteste Wiki weltweit und existiert in mehr als 250 Sprachen, wobei der Umfang der gesamten Artikel heute die Zahl von 10 Millionen überschreitet. Die deutschsprachige Wikipedia beinhaltet dabei einen Anteil von mehr als 850.000 Artikeln.106 Mit dem Erfolg der freien Enzyklopädie Wikipedia begann auch der Durchbruch der Wikis. Ab dem Jahr 2000 begann der Begriff Wiki immer größere Kreise zu ziehen. Auch Organisationen und Unternehmen entdeckten Wikis als Software für kollaborative Wissensdatenbanken, Projektmanagement, Dokumentation und das Intranet. Ein Wiki ist ein Hypertext-Medium bestehend aus vielen unterschiedlichen Seiten, die durch Hyperlinks miteinander vernetzt sind. Es existiert keine zusätzliche Navigation oder Organisation, einzig allein durch das Verfolgen von Hyperlinks auf den Seiten kann man durch das Wiki navigieren. Aus diesem Grund ist der Hyperlink auch das wichtigste Element eines Wikis. In der Regel beinhalten Wikis einen Editier-Button, durch den man direkt in den EditierModus gelangt. Diese Bearbeitungsmöglichkeit stellt eines der wichtigsten Prinzipien eines Wikis dar. Je nach Verwaltung des Wikis kann es notwendig sein, dass man sich vorher mit Benutzernamen und Kennwort registriert, damit Änderungen personenbezogen nachvollzogen werden können. Bestimmte Wiki-Seiten können so nur von autorisierten Personen betrachtet oder geändert werden. Ein weiteres zentrales Element ist die Kontrolle von Änderungen. Durch ein System der Versionskontrolle können Änderungen am Text von allen Nutzern nachverfolgt und gegebenenfalls ergänzt oder rückgängig gemacht werden. Daneben gibt eine automatisch erstellte Liste einen Überblick über eine bestimmte Anzahl von Artikeln, die in der letzten Zeit geändert worden sind. Durch diese History-Funktion ist es möglich, Formen von Vandalismus und unerlaubter 103
Vgl. Vgl. 105 Vgl. 106 Vgl. 104
Hippner (Bedeutung, Anwendungen und Einsatzpotenziale, 2006), S. 13 Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 23ff. Wikipedia (Geschichte, 2007) Wikipedia (Wikipedia, 2009)
3.2 Weblogs
43
Werbung auch in offenen Systemen wirksam zu bekämpfen, indem die ursprüngliche Version wieder hergestellt wird. Die meisten Wikis bieten durch Funktionen zum Datei- und Bildupload die Möglichkeit, neben dem reinen Text auch Dateien oder Bilder in dem Wiki zu speichern und den Nutzern zugänglich zu machen. Des Weiteren besitzen Wikis eine Suchfunktion, die es ermöglicht, im Volltextmodus einen oder mehrere Begriffe, verknüpft über Boolesche Operatoren, zu suchen. Wikis sind zum Aufbau einer langfristigen Wissensbasis sinnvoll, da der Inhalt im Mittelpunkt steht und die einzelnen Inhalte qualitativ erweitert werden können.
3.2 Weblogs 3.2.1 Definition Der Begriff Weblog (in Kurzform: Blog) setzt sich aus den Worten „Web" und „Log" - als Kurzform für ein Tagebuch bzw. Logbuch - zusammen. Das „bloggen" bezeichnet damit das Führen eines Weblogs durch einen „Blogger". Die Gesamtheit der Weblogs und die daran beteiligte Leser- und Autoren-Community wird „Blogosphäre" genannt. Ein Blog ist auf den ersten Blick eine regelmäßig aktualisierte Webseite mit chronologisch sortierten Beiträgen, beginnend mit dem aktuellsten Beitrag auf der Startseite, dem ältere Beiträge folgen. Allerdings gehen die Definitionsversuche dabei recht weit auseinander. Für die Definition eines Weblogs wird hier der Definition von Przepiorka gefolgt: „Ein Weblog ist eine häufig aktualisierte Webseite, auf der Inhalte jeglicher Art in chronologisch absteigender Form angezeigt werden. Ein Weblog kann typischerweise die Form eines Tagebuches, eines Journals, einer What's-New-Page oder einer Linksammlung zu anderen Webseiten annehmen. Der Autor ist dabei entweder eine einzelne Person oder auch eine Gruppe. Alle Inhalte sind in der Regel durch Links mit anderen Webseiten verlinkt und können unmittelbar durch den Leser kommentiert werden."107 Ein typischer Weblog-Eintrag besteht in der Regel aus folgenden Elementen:108 • eine aussagekräftige Überschrift; • der eigentlich Eintragstext inklusive Eintragsdatum; • Kommentar: andere Leser können den Eintrag kommentieren; • zumeist Kategorien bzw. Tags, um die Einträge zu klassifizieren; • gegebenenfalls ein seitlich angeordneter Kalender, um ältere Beiträge einsehen zu können. Die ersten Weblogs waren einfache, manuell gepflegte Webseiten. Die Verbreitung der Weblogs ist aber eng mit der Verbreitung von Weblog-Applikationen verbunden. Diese serverseitigen Programme sind im Prinzip einfachste Content-Management-Systeme, die das Führen eines Weblogs enorm erleichtern. Durch diese spezielle Blog-Software sind Blogs im Vergleich zu 107 l08
Przepiorka (Weblogs, Wikis und die dritte Dimension, 2006), S. 14 Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 23; Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software, 2006), S. 24
44
3 Erscheinungsformen von Social Media
herkömmlichen Webseiten sehr leicht zu pflegen. Die Einträge können auf diese Weise direkt im Browser vorgenommen und veröffentlicht werden. Mehr als die üblichen Kenntnisse im Umgang mit Computern sind heute nicht mehr notwendig, um einen Blog zu schreiben.
3.2.2 Die Entwicklung von Weblogs Anfang 1999 gab es lediglich 23 Blogs. In der Folgezeit wies die Zahl der Weblogs ein stetiges Wachstum auf. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch das Veröffentlichen diverser Weblog-Software wie beispielsweise Pitas109 oder auch Blogger.no Diese Tools verhelfen auf einfache und schnelle Art zum eigenen Weblog. Bis zum September 2000 waren auf diesem Wege mehrere tausende von Weblogs in der Blogosphäre entstanden. 111 Eine erhöhte Aufmerksamkeit erlebten die meisten Weblogs mit dem 11. September 2001. 112 Kurz nach den Terrorattacken auf das World Trade Center waren die meisten Nachrichtenseiten traditioneller Medien im Internet wegen der hohen Besucherzahlen und dem daraus entstehenden Traffic überlastet und nicht mehr erreichbar. Doch da Weblogs aufgrund der großen Vernetzung untereinander über die dezentrale Struktur die Zugriffe verteilen, waren sie erreichbar. Als weiterer Meilenstein für die zunehmende Bedeutung von Weblogs ist der AfghanistanKrieg 2001/2002 zu erwähnen. Weblogger konnten hier wesentlich kritischer und freier Bericht erstatten als andere amerikanische Medien. 113 Auch während des Zweiten Irakkrieges, des Tsunami im Dezember 2004 oder bei den Anschlägen in London im Jahr 2005 berichteten die Nachrichtenwebseiten journalistisch über die Ereignisse. Wer jedoch mehr Hintergründe suchte und Augenzeugenberichte lesen wollte, konnte Weblogs von unmittelbar Betroffenen lesen, die direkt dabei oder in der Nähe waren. Hier zeigte sich eine Stärke der Weblogs, in bestimmten Fällen schneller und direkter über Ereignisse berichten zu können als klassische Informationsmedien. Die Führungsfunktion in Bezug auf Aktualität von Veröffentlichungen übernehmen heute jedoch Mikoblogs, wie zum Beispiel Twitter. Die Anzahl der heute existierenden Blogs ist nicht mehr zählbar und auch für spezialisierte Suchmaschinen schwer zu ermitteln, da laufend neue Blogs generiert werden und die Abgrenzung von Mischformen, die man als Blog bezeichnen könnte, die aber auch anderen Medienformen zugerechnet werden können, nicht einheitlich ist. Laut Technorati wurden nach dem Blogosphere 2008 Report mehr als 133 Millionen Blogs, von dieser Blogsuchmaschine indexiert. 114
3.2.3 Funktionen und Elemente von Weblogs Weblogs bieten in erster Linie für jeden Nutzer die Möglichkeit, auf äußerst einfache Weise, Inhalte im Web bereitzustellen. Daneben zeichnen sich Blogs durch weitere Elemente und Interaktionsmöglichkeiten aus. 115 109
Vgl. Vgl. 111 Vgl. 112 Vgl. 113 Vgl. 114 Vgl. 115 Vgl. 110
http://www.pitas.com, Seitenaufruf am 18.01.2010 http://www.blogger.com, Seitenaufruf am 18.01.2010 Blood (Weblogs: A History And Perspective, 2000) Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 26. Przepiorka (Weblogs, 2003), S. 5 Technorati (State of Blogosphere, 2009) Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 28ff.
3.3 Mikroblogs
45
Neben dem einfachen Publizieren von Inhalten im Web sind Weblogs zugleich auch Diskussionsplattformen, da die Leser des Blogs die jeweiligen Artikel direkt im Blog unterhalb des jeweiligen Artikels kommentieren können. Dazu wird unter dem Beitrag ein Formular angezeigt, mit dem der Besucher seine Meinung zu dem Artikel äußern kann. Diese wird gespeichert und als Kommentar ebenfalls unter dem Beitrag angezeigt. Dabei werden die Kommentare entgegen dem Schema der Beiträge angezeigt, also beginnend mit dem ältesten Kommentar an oberster Stelle. 116 Die meisten Weblogs benutzen Kategorien, um Beiträge verschiedenen Themen zu zuordnen. Jedem Beitrag können ein oder mehrere frei wählbare Kategorien, so genannte Tags, zugewiesen werden. Diese inhaltliche Gruppierung ermöglicht es dem Leser, sich bei einem bestimmten Interesse nur die Artikel der entsprechenden Kategorie anzeigen zu lassen. Diese Tags werden häufig auch in so genannten Wortwolken, auch Tag Clouds genannt, dargestellt. Sie enthalten die populärsten Tags, die lose nebeneinander in der Wolke angeordnet sind. Häufig verwendete Tags werden in der Wolke größer oder durch eine Hervorhebung dargestellt. Auf diese Weise werden die Schwerpunkte der Webseite unmittelbar ersichtlich.117 Eine weitere Funktion sind Permalinks. Jeder Eintrag eines Weblogs verfügt über eine spezifische, unveränderbare URL und kann über diese direkt adressiert werden. Will ein Besucher seine Meinung nicht als Kommentar unter einem Beitrag abgeben, sondern sie lieber in seinem eigenen Weblog darstellen, so kommt das Prinzip der Permalinks zum Tragen. Denn da jeder Post über einen Permalink einzeln aufgerufen werden kann, besteht die Möglichkeit, in einem anderen Blog auf den Originaleintrag zu verweisen. Hierzu wird die Weblog-spezifische Funktion „Trackback" verwendet. Dazu kopiert der fremde Autor eine entsprechende TrackbackURL des jeweiligen Ursprungsblogs in seinen eigenen Artikel. An diesen wird ein so genannter Ping zurückgesendet und vom Ursprungsblog registriert. So kann der referenzierenden Beitrag am Ende des ursprünglichen Weblog-Eintrages zusammen mit den entsprechenden Kommentaren angezeigt werden. Durch derartige Verlinkungen können zwischen den Blogs thematische Bezüge hergestellt werden und Themencluster entstehen.118 Darüber hinaus verhelfen Permalinks und Trackbacks den Blogs zu einer guten Vernetzung und damit zu einer schnellen Ausbreitung von Themen. Neben diesen Funktionen für jeden Beitrag gibt es übergreifende Funktionen für den ganzen Weblog. So hat heute in der Regel jedes Weblogsystem Newsfeeds implementiert. Dadurch können die Besucher die Artikel des Weblogs auch in ihren Aggregatoren lesen. Viele Weblogs enthalten daneben Links zu anderen Weblogs. Diese Listen werden Blogrolls genannt, können von vielen Weblogsystemen automatisch erstellt werden und tragen zusätzlich zur Vernetzung bei.
3.3 Mikroblogs Mikroblogs sind Varianten von Weblogs, die nur kurze, SMS-ähnliche Textnachrichten enthalten. Die Anzahl der Zeichen pro Nachricht bzw. Posting ist je nach Dienst auf 140 bis auf maximal 200 Zeichen begrenzt, was im Wesentlichen dem Inhaltsumfang einer SMS entU6 U7
Vgl. bspw. Alby (Web 2.0 - Konzepte, 2007) S. 22ff.; Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 28ff. Vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software , 2006), S. 76 Vgl. Richter/Koch (Social Software, 2007)
118
46
3 Erscheinungsformen von Social Media
spricht. Aus diesem Grund bieten die meisten Dienste auch eine SMS- oder Instant-MessengerAnbindung zum Erstellen von Postings an. Nachrichten können ferner über die Website, sowie meist auch über Widgets, Webbrowser-Plug-ins und über E-Mail eingestellt werden. Einzelne Veröffentlichungen sind entweder öffentlich oder für private Nutzer zugänglich und werden wie in einem Blog in einer abwärts chronologisch sortierten Liste von Einträgen dargestellt. Der weltweit bekannteste Mikroblogging-Dienst mit den meisten Nutzerzahlen ist Twitter. Es existiert zwar eine Vielzahl anderer vergleichbarer Angebote, die jedoch im Vergleich zu Twitter ein Nischendasein führen und zum Teil mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Der finnische Dienst jaiku wurde beispielsweise durch Google aufgekauft, den deutschen Dienst wamadu.de übernahm Bleeper.de und das deutsche Angebot Frazr ist im Oktober 2009 ganz vom Netz gegangen. Neben den Spezialanbietern wird die Erstellung und das Lesen einer Mikroblog-Nachricht bzw. das Mikroblogging mittlerweile auch von Sozialen-Netwerk-Plattformen wie Facebook, XING und den VZ-Netzwerken angeboten. Über so genannte Statusmeldungen kann man dem eigenen Freundeskreis eigene Textnachrichten mit begrenztem Zeichenumfang in Echtzeit zusenden bzw. sich deren Meldungen anzeigen lassen. Die Funktionsweise des Mikroblogging soll im Folgenden anhand von Twitter, einem Kurznachrichtendienst, der auch Funktionen von Sozialen Netzwerken beinhaltet, verdeutlicht werden. Twitter wurde als Unternehmen mit Sitz in San Francisco 2006 gegründet. Der Mikrobloggingdienst von Twitter steht mittlerweile in mehreren Sprachen, Ende 2009 nun auch in Deutsch zur Verfügung. Nachrichten können mit einer maximalen Länge von 140 Zeichen verfasst werden. Genaue Nutzerzahlen sind schwer zu ermitteln, da eine große Anzahl von Nutzern auf den Dienst über das Handy und andere Anwendungen zugreifen. Im Juni 2009 gab es 45 Millionen Besucher bei Twitter.com, darunter laut Nielsen Nutzerstatistik 1,8 Millionen Deutsche.119 Im September 2009 waren schon über 3 Millionen deutsche Besucher bei Twitter zu verzeichnen, 34 Prozent mehr als im August und 220 Prozent mehr als noch ein halbes Jahr vorher.120 Im März 2009 waren fast 90 Prozent der Twitter-Nutzer jünger als 44 Jahre. User mit Twitter-Account zeigen eine hohe Affinität für die Internet- und Mobilfunknutzung. Sie lesen Nachrichten häufig auf dem iPhone und beschaffen sich Informationen hauptsächlich im Internet. Laut einer Studie ist Twitter der von deutschen Unternehmen am meisten genutzte Social-Media-Kanal.121 Twitter, was man mit „Gezwitscher", „Geschnatter" übersetzten kann, ist ein einfach zu handhabendes Echtzeit-Medium, das eine unmittelbare Verbreitung von eigenen, als „Tweets" bezeichneten Beiträgen im Kreis der ausgewiesenen Interessenten ermöglicht. Diese Personen, als „Follower" bezeichnet, abonnieren die Nachrichten eines Autors und bekommen diese sofort nach der Erstellung im eigenen Profil angezeigt. Man selbst erhält Meldungen von Personen, denen man nachfolgt, was als „following" bezeichnet wird. Beiträge anderer können kommentiert oder in Form eines „ReTweet" gleich referenziert weitergeleitet werden, um dazu beizutragen, dass eine wichtige Meldung im eigenen Netzwerk und darüber hinaus eine schnelle Verbreitung findet. Durch die Kommunikation von Nachrichten in Echtzeit und aufgrund der umfangmäßigen Begrenzung des Informationsinhalts regt das Medium zur spontanen Erstellung von Mitteilungen und zum schnellen Austausch an. Wenn mehrere im eigenen Netzwerk 119
Vgl. W&V (Twitter verdoppelt Nutzerzahlen, 2009) Vgl. Stüber (So wird die Zukunft von Social Media aussehen, 2009) 121 Vgl. Absolit (Studie 2009, 2009) 120
3.3 Mikroblogs
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aktiv sind, können in kurzer Zeit viele Einträge entstehen, was man durchaus mit der Metapher eines „Gezwitscheres" in Verbindung bringen kann. Grundvoraussetzung zum Senden von Beiträgen in Twitter ist die Einrichtung eines Accounts. Es steht einem offen, ob man ein persönliches Profil, zum Beispiel mit einem eigenen Foto versehen, oder ein sachbezogenes Profil, beispielsweise einer Organisation oder Projektbezeichnung, verwendet. Bei einem sachbezogenen Auftritt bietet es sich an, als visuellen Ankerpunkt neben den veröffentlichten Tweets das eigene Markenlogo darzustellen. Zusätzlich zum gewählten Bild kann auch unter dem Menüpunkt „Settings" ein kurzer „One Line Bio" bzw. eine kurze Beschreibung zur Person oder dem sachbezogenen Profil im Umfang von maximal 160 Zeichen gegeben werden. Für umfangreiche Profilinformationen steht also kein Platz zur Verfügung. Von daher ist es sehr wichtig, die knappe Selbstbeschreibung so aussagekräftig wie möglich zu gestalten und dabei gleichzeitig dem anvisierten Imageprofil Rechnung zu tragen. Im Profil kann man ferner nur einen Link, zum Beispiel auf die eigene Website darstellen, es sei denn, man bringt „One Line Bio" noch einen zusätzlichen Link unter. Über den Trick eines selbst gestalteten Hintergrundbildes kann man im Profil zusätzliche Informationen darstellen, wie zum Beispiel ergänzende Beschreibungen, weiterführende URL oder zusätzliche Twitteradressen. Für die Gestaltung dieser Hintergrundbilder gibt es bereits spezielle Angebote, wie zum Beispiel www.freetwitterdesigner.com. Aufgrund der Darstellung in Bildform funktionieren angezeigte URL jedoch nicht als Link und müssen zum Aufruf der Seite manuell übernommen werden. In Twitter existieren unterschiedliche Kommunikationswege. Einmal kann man öffentliche Tweets erstellen, die den eigenen Followern automatisch angezeigt werden. Personen, die nicht zu den Followern gehören, können auf diese Tweets aber über die Twitter-Suche zugreifen, wenn der gewählte Suchbegriff in der eigenen Veröffentlichung enthalten ist. Die Einträge werden auch in der „Public Timeline" dargestellt. In den Einstellungen des eigenen Accounts kann aber auch mittels Aktivierung des Buttons „Protect my tweets" festgelegt werden, dass eigene Nachrichten nur die als Follower anerkannten Personen zu Gesicht bekommen und ansonsten die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Eine nichtöffentliche Kommunikation kann auch dadurch erzielt werden, in dem man ausgewählten Empfängern Direct Messages zukommen lässt. Das Senden dieser Meldungen ist nur zulässig, wenn man selber Follower der anzusprechenden Person ist und diese Person einem auch selber folgt. Will man einen Tweet mit einem ergänzenden Link versehen, wäre die zur Verfügung stehende Zeichenmenge von 140 Zeichen durch eine längere URL schnell aufgebraucht. Aus diesem Grund bieten Kurz-URL-Dienste so genannte TinyURL an, in denen die Adressverweise nur aus kurzen Zeichenketten bestehen. Durch die Zeichenbegrenzung haben sich bei Twitter-Usern einige Befehle etabliert, die in Form von bestimmten Funktionen in Twitter genutzt werden können. Mit einem „#" (Hashtag) wird beispielsweise ein Gespräch um ein bestimmtes Thema geführt, zum Beispiel ^socialmedia". Dieser steht als Link bereit, um alle Einträge anzuzeigen, die sich um diesen Hashtag gruppiert haben. Das „@" direkt vor einem Nutzernamen spricht diesen unmittelbar an und kann eine Konversation einleiten. Durch ein „d" vor dem Nutzernamen sendet man eine Direct Message an den User, die von ihm eingesehen werden kann. Durch ein „get" vor einem Benutzernamen ist dessen letzter Eintrag ersichtlich. Die Bezeichnung „nudge" vor einem Nutzernamen erinnert denselben daran, im eigenen Interesse eine Statusmeldung abzugeben. Mit der Eingabe von „stats" wird eine kurze Statistik über den eigenen Account angezeigt. Mit der Eingabe von „follow" vor einem Nutzernamen folgt man diesem, mit „leave" wird dieser
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3 Erscheinungsformen von Social Media
wieder aufgehoben. Durch die Retweet-Funktion können Nachrichten von befreundeten Usern weiterverteilt werden. Diese erscheinen dann als eigener Tweet. Vor der ursprünglichen Nachricht steht ein „RT" mit „©Nutzername". 122 Zur Vereinfachung der Twitter-Nutzung im Kontext verschiedener Anwendungsfelder werden heute eine Vielzahl von Diensten angeboten, die in der folgenden Abbildung 16, gruppiert in Form einzelner Nester des Twitter-Baumes dargestellt werden. Da immer wieder neue Dienste hinzukommen und bestehende Angebote vom Netz gehen, stellt die Darstellung nur eine Momentaufnahme dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Über spezielle Suchfunktionalitäten, Hilfsmittel zur Vereinfachung der Arbeitsweise, Ansätze zur vereinfachten Gestaltung eigener Profile, das Hinzufügen von Fotos, Statistikwerkzeuge, Dateneingabemöglichkeiten via E-Mail und externer mobiler Geräte bis hin zu Anwendungen zur Unterhaltung werden eine Vielzahl von Funktionalitäten durch Zusatzdienste abgedeckt. Zur Faszination von Twitter, die sich durch die hohen Zuwachszahlen an Nutzern sowie durch mittlerweile über 26 Millionen veröffentlichte Tweets pro Tag 123 belegen lässt, trägt zweifellos die erzwungene Umfangbegrenzung des Textes auf 140 Zeichen bei. Man muss sich auf das Wesentliche beschränken und Inhalte mit knappen Worten auf den Punkt bringen. Das vereinfacht es dem Schreiber, Botschaften zu verfassen, und ermöglicht eine Kommunikation ohne lange Anlaufzeit. Es hilft eventuell auch Schreibängste zu überwinden, die man bei der Verfassung von „normalen", ungekürzten Texten hätte, bei denen inhaltliche und stilistische Faktoren eine größere Rolle spielen. Auch das Stellen einer Frage ist unverfänglicher als deren direkte Adressierung an eine bestimmte Person, zum Beispiel in Form einer E-Mail. Man platziert die eigene Frage im öffentlichen Raum und kann damit gleichzeitig alle Personen ansprechen, die einem nachfolgen. Vergleichbar ist es etwa mit einer Frage an Umstehende im Aufzug oder in der Warteschlange der Cafeteria, die durchaus zu spontanen, manchmal sehr nützlichen Tipps und Anregungen führen kann. Die Möglichkeit des Versendens von Kurznachrichten von verschiedenen Endgeräten aus erleichtert die spontane Abgabe von Meldungen und Zustandsberichten in verschiedensten persönlichen Situationen. Anzunehmen ist, dass ein umfangreiches Sendeverhalten in gewisser Weise auch zur Befriedigung von Selbstdarstellungsmotiven und zur persönlichen Selbstwahrnehmung beitragen kann, nach dem Motto: ich twittere, also bin ich. Über die Zahl der eigenen Follower erfolgt dann eine gewisse Rückkopplung, die das eigene Ego stärken und zur Selbstbestätigung beitragen kann. Die knappen Informationshäppchen bieten auch für Leser Vorteile. Die Erfassung wesentlicher Inhalte wird vereinfacht. Es ist relativ gut möglich, angezeigte Tweets auf interessierende Inhalte zu scannen. Man erkennt auf einen Blick, um was es geht und muss sich nicht durch lange Prosa kämpfen. Das setzt jedoch voraus, dass man nicht zu viele Tweets erhält, weil man sonst schnell den Überblick verliert und den Informationsstrom dann unbeteiligt vorüberfließen lässt. Die Zahl der auf der eigenen Twitterseite angezeigten Tweets hängt unmittelbar von der Zahl und der Publikationsfrequenz der Personen ab, denen man nachfolgt. Die Wahl der Personen, deren Tweets man akzeptiert, beeinflusst auch die Breite des angezeigten inhaltlichen Themenspektrums. Menschen äußern sich bevorzugt zu ihren präferierten Interessensgebieten 122
Vgl. http://help.twitter.com/portal, Seitenaufhif 08.11.2009 Vgl. Signorini (Twitter receives 26M tweets per day, 2009) 124 Höhn (Möglichkeiten und Grenzen der Social Media Optimization, 2009), S. 40 123
3.3 Mikroblogs
49
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twibpic Abbildung 16: Twitter-Funktionalitäten und Dienstangebote bezogen auf bestimmte Anwen dungsfelder124
50
3 Erscheinungsformen von Social Media
und Themen, die sie beschäftigen und das spiegelt sich auch in Twitter wider. Die Fokussierung auf ein zum Teil eng umrissenes Themen- und Wissensgebiet wird auch gezielt als Mittel der Positionierung von Personen (und Organisationen) eingesetzt, die Twitter als Kanal für ihr Selbstmarketing nutzen. Profilbildend in dem Zusammenhang ist es, thematisch einem roten Faden zu folgen. Für Follower von Personen, die sich alle im Umfeld eines spezifischen Themengebietes bewegen, ist das inhaltliche Spektrum der eintreffenden Tweets im Grunde schon vorsortiert und überschaubar. Schwieriger ist es, wenn man verschiedenen Personengruppen mit heterogenen Interessenslagen, zum Beispiel aus privaten und beruflichen Motiven heraus nachfolgt. Die bunte Mischung von Themengebieten erschwert hier die schnelle Differenzierung zwischen Relevantem und Unwichtigem. Die von Twitter neu angebotene Funktion „Lists" kann vor diesem Hintergrund die Orientierung vereinfachen.125 Sie ermöglicht die Bildung von Listen, denen man Personen zuordnen kann. Für jede selbst geschaffene Liste hat man zu entscheiden, ob die Liste einen privaten oder öffentlichen Charakter haben soll. Tweets in privaten Listen bekommt man nur selber zu sehen. Auch Personen, die beispielsweise der eigenen privaten Liste zugerechnet wurden, erfahren nicht, in welcher Liste sie stecken bzw. wer ihnen in der Liste nachfolgt. Das ermöglicht beispielsweise Listen für ausgewählte Wettbewerb s Vertreter, bekannte Kritiker oder verschiedenste weitere Interessensgebiete zu realisieren, deren Beiträge schon in gewisser Weise thematisch vorsortiert, sich sehr einfach beobachten lassen. Für das Social Media Monitoring kann diese Funktion sehr hilfreich sein. Öffentliche Listen können von jedem gesehen werden und jeder kann diesen Listen nachfolgen. Durch die Erstellung einer öffentlichen Liste mit umrissenem Themenschwerpunkt kann man auch eigenes Wissen hinsichtlich der Kenntnis von Kapazitäten und Experten in einem bestimmten Fachgebiet zum Ausdruck bringen. Das kann für die eigene Profilierung hilfreich sein. Andere können sich diese Expertise zunutze machen und somit sehr komfortabel den jeweiligen Tweets folgen, ohne umständlich jeweils die einzelnen Personen als Nachfolger benennen zu müssen. Twitter ist ein sehr aktuelles Medium. Viele Beispiele wie das Attentat in Bombay 2008, die Unruhen im Zuge der Wahlfälschungen im Iran im Jahr 2009 oder die vorzeitige Verkündung des Wahlergebnisses der deutschen Bundespräsidentenwahl 2009 belegen, dass TwitterMeldungen oft sehr viel früher mit neuesten Informationen präsent sind, als traditionelle Presseorgane dies zu leisten vermögen. Der Live-Stream von Twitter vermittelt das Gefühl, ganz nah am Puls der Zeit zu sein, neueste Informationen zu bekommen und unmittelbare Einblicke in die persönliche Sphäre von Personen zu erlangen. Das kann auf der einen Seite in bestimmten Fällen durchaus zur Befriedigung von Motiven wie Sensationsgier oder Voyeurismus beitragen. Auf der anderen Seite kann es aber auch aus einem gezielten Interesse an den Lebensumständen und Äußerungen von Bezugsgruppen erfolgen, denen man sich verbunden fühlt und von denen man sich Anregungen und gelegentlich auch Tipps erhofft. Förderlich für die Nutzung von Twitter dürfte nicht zuletzt durch die einfache und übersichtliche Funktionalität des Dienstes sein. Lediglich für Nutzer ohne jegliche Englischkenntnisse dürfte die Anwendung gewisse Probleme bereiten. Twitter weist natürlich auch Grenzen der Nutzung auf, nicht zuletzt durch die sich selbst auferlegte Umfangbeschränkung auf 140 Zeichen. Es ist kein Medium, um übergreifende Zusammenhänge darzustellen und inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Es kann aber verwendet werden, I25
Vgl. Catone (Use Twitter Lists, 2009)
3.4 Podcasts
51
um als Informationsteaser oder Appetithäppchen auf andere Informationsangebote mit weiterführendem Inhalt aufmerksam zu machen. 22 Prozent aller Tweets enthalten Links, was ein Beleg dafür ist, dass Twitter als Verteilplattform zur Kanalisierung von „Besucherströmen" genutzt wird. 126 Twitter wirkt als Scharnier zwischen verschiedenen Onlinekanälen wie Websites, Blogs, Diskussionsforen, sozialen Netzwerken, Onlinemagazinen etc. Wie in diesem Buch noch erläutert wird, eignet sich der Dienst hervorragend für Social Media Optimization im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation.
3.4 Podcasts Ein ähnliches Ziel wie Blogs, nämlich die regelmäßige Verbreitung von Informationen, verfolgt das Podcasting. Hier wird jedoch nicht das geschriebene Wort kommuniziert, sondern entweder Audiodateien oder Videodateien. Handelt es sich um Audiodateien spricht man von Audio-Podcasts oder schlicht von Podcasts. Das Anbieten von Videos fasst man unter dem Oberbegriff „Video-Podcasts" oder „Videocasts" zusammen. Podcasting ist eine Zusammensetzung aus dem Namen des populären MP3-Players „ t / W " von Apple und dem englischen Wort „Broadcasting", was so viel wie „Sendung" oder „Übertragung" bedeutet.127 Es beschreibt das Erstellen und Anbieten von Podcasts. Die Inhalte von Audio-Podcasts können alle Arten von gesprochenen Beiträgen sein, wie Interviews und Vorträge, aber auch Musik und Hörspiele. Video-Podcasts dienen zur Verbreitung von digitalen Filmen. In Deutschland sind Videopodcasts vor allem durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannt geworden, die seit 2006 dieses Medium benutzt, um den Bürgern ihre Politik zu erläutern (siehe Abbildung 17). Podcasts können ähnlich wie News und Blogbeiträge über RSS-Feeds abonniert werden, so dass neue Folgen automatisch aus dem Web geladen werden. Dies erfolgt mit Feedreadern, die speziell in Bezug auf Podcasts auch als Podcatcher bezeichnet werden. Abbildung 18 zeigt die neu erschienenen Podcasts des vom Autor abonnierten Anbieters Social Media PReview im Podcatcher Juice. Einzelne Veröffentlichungen, für die man sich interessiert, können mittels der kostenlosen Podcatcher-Software markiert werden. Im Anschluss kann per Klick der Download eingeleitet werden. Der Prozess des Abonnements eines RSS-Feed einer PodcastingSeite mittels eines Podcatchers, dessen Nachrichten darüber, dass neue Podcasts vorliegen, und den Download- oder Abspielmöglichkeiten wird in Abbildung 19 dargestellt. Einen Überblick über die in der Regel auf der Website der angebotene Podcasts bieten in Deutschland Seiten wie podster.de, podcast.de oder wiki.podcast.de. International dürfte ¿Tunes das größte weltweite Podcastangebot umfassen. Über diese Verzeichnisdienste können die den Nutzer interessierenden Podcast-Veröffentlichungen sehr einfach einzeln heruntergeladen werden. Inhaltlich decken die Angebote, die von Medienhäusern, Unternehmen und sehr häufig auch Privatpersonen regelmäßig mit Informationen gespeist werden, ein sehr breites Spektrum ab, in dem kaum Themenbereiche des menschlichen Interessenspektrums offengelassen werden. Die Charts der Top 100 der beliebtesten deutschsprachigen Podcasts zeigen, dass die 36 beliebtesten Angebote allesamt von Rundfunk- und TV-Anbietern stammen und professionell l26
Vgl. Signorini (Twitter receives 26M tweets per day, 2009) Vgl. Alby (Web 2.0 - Konzepte, 2007), S. 73
127
52
3 Erscheinungsformen von Social Media
MEDIATHEK
Gemeinsame Pressebegegnung mit dem afghanischen Präsidenten Karzai und Bundeskanzler»! Merkel Abbildung 17: Video-Podcast der Bundeskanzlerin Angela Merkel128 produziert sind.' 29 Platz 1 belegt beispielsweise das Video-Podcast-Angebot von Galileo des TV-Senders Pro7. Schwerpunktmäßig stellen die angebotenen Podcasts Inhalte einer bestimmten Kategorie bereit bzw. spezialisieren sich auf einen bestimmten Special-Interest-Bereich, der häufig mittels verschiedener Episoden sehr tiefgehend beleuchtet wird. Nach der ARD/ZDF-Online-Studie 2009 führen abonnierte Audio- und Videopodcasts in Deutschland immer noch ein Nischendasein. Nur 2 Prozent der deutschen Onlinenutzer nutzen diese Angebote mindestens einmal pro Woche. Die Abonnements von Audiopodcasts haben zwar im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozentpunkte von 1 auf 2 Prozent zugenommen. In Relation zur Nutzung von Videoportalen (26 Prozent greifen darauf mindestens einmal wöchentlich zu) werden Audio- und Video-Podcasts nur von einer relativ geringen Zahl von Lieb128 I29
http://www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/DE/Homepage/home.html, Seitenaufruf am 28.01.2010 Vgl. http://www.podcharts.de, Seitenaufruf am 17.01.2010
3.4 Podcasts
Juice Fie
Edt
53
jfilüj
Podcast receiver v2.2 View
Took
Help
Downloads Subscriptions | Podcast directory | Cleanup | Log
jd-BJJibiJ-
ΒΓ 83 2 feeds feedbumer com/SocialMediaPreview
Episode I © Der Mitlagstisch - Nr 2 ® Der Mittagstisch - Nr. 1 S3 Roundlable Diskussion Jack Wolfs ' S Roundlable Interview Pressesprech. O Social Media PReview- Folge 27 Π Social Media PReview - Folge 27 C Social Media PReview - Folge 26 O Social Media PReview - Folge 26 O Social Media PReview-Folge 25 O Social Media PReview - Folge 25 O Social Media PReview · Folge 24 O Social Media PReview - Folge 24 G Social Media PReview-Folge 23 O Social Media PReview - Folge 23 O LeWeb'OS Day 2- Interview -Taewo..
Stats To Downl. Downloa. To Downl.. Downloa.. Skipped Skipped Skipped Skipped Skipped Skipped Skipped Skipped Skipped Skipped Skipped
3 0.0 00 (LO 0.0 261 0.0 17.5 0.0 18.7 0.0 0.0 0.0 OJO 0.0 0.0
I location http//www.socialmediapreview.de/podpress..trac,feed/132/0/SMPRM2.mp3 http//www socialmediapreview.de/podpress..trac/feed/121/0/SMPRMVmp3 http://www.soci3lmediapreview.de/podpress.,tac/teed/101/0/SMPRRT4 mp3 http://wwwsocialmediapreview.de/podpres$, frac/leed/95/0/SMPRRT3 mpj http://www.socialmediapreview.de/podpress. .trac/web/94/0/SMPR27.mp3 http://www.socialmediapreview de/podpress..trac/feed/94/0/SMPR27 mp3 http.//vww socialmediapreview.de/podpress.Jrac/web/93/0/SMPR26 mp3 hltp://www socialmediapreview de/podpress. trac/teed/93/0,'SMPR26.mp3 hep //www.socialmediapreview de/podpress. bac/web/92/0/SMPR25 mp3 http //www.socialmediapreview de/podpress..trac/feed/92/0/SMPR25.mp3 , hdp://www.socialmediapreview.de/podpress..trac,1eed/91.O, smpr24_finalmp3 hllp://www socialmediapreview.de/podpress.,trac/feed/91/0/smpr24Jmal mp3 http://www socialmediapreview de/podpress.,trac/feed/90/Q/SMPR23 mp3 http lìwww socialmediaprevlew.de/podpress..trac/leed/90/0/SMPR23.mp3 http//www.socialmediapreview.de/podpress.,trac/ieed/59/0/laewoo.mp3
Abbildung 18: Angezeigte Podcasts von Social Media PReview im Podcatcher Juice
habern regelmäßig abgerufen.130 Diejenigen, die Podcasts in Anspruch nehmen, sind nach einer Podcast-Nutzer-Studie im Jahr 2008131 aber zu 49 Prozent Heavy-User, die auf das Medium täglich zugreifen. 90 Prozent konsumieren Podcasts zu Hause, 51 Prozent in öffentlichen Verkehrsmitteln und 31 Prozent im Auto.70 Prozent der Podcast-Rezipienten sind männlich. Sie sind durchschnittlich 32 Jahre alt und überdurchschnittlich gut gebildet. 72 Prozent der Befragten haben Abitur und 37 Prozent einen Hochschulabschluss. Angebote der Bereiche „Technik", „Wissenssendungen", „Hörspiele" und „Unterhaltung" stoßen bei den Podcast-Nutzern laut der Studie auf ein besonderes Interesse. Die präferierte Dauer des Medienangebotes ist bei Audio-Podcast höher als bei Video-Podcast. Bei Audio-Podcasts schätzen 54 Prozent eine Länge von 21 bis 30 Minuten und darüber. Bei Video-Podcasts sprechen sich 52 Prozent der Befragten für Angebote bis 10 Minuten aus. In den U S A ist die Podcast-Nutzung nach einer Studie von eMarketer deutlich höher als in Deutschland. Nach der Erhebung nutzten im Jahr 2009 bereits 11 Prozent der Internetanwender dieses Medium. Die Autoren der Studie prognostizieren darüber hinaus, dass die Nutzerzahlen im Jahr 2013 bereits 17 Prozent betragen sollen.132 Die Erstellung eines eigenen Podcasts ist in technischer Hinsicht her relativ einfach. Zur Grundausstattung gehören ein multimediafähiger PC mit einer Soundkarte, Mikrophon und Kopfhörer bzw. ein Headset sowie eine Audiobearbeitungssoftware, wie zum Beispiel der kostenfreie Audiorekorderund -editor Audacity. Daneben bedarf es jedoch auch eines inhaltlichen Konzeptes und Disziplin für die regelmäßige Erstellung von Beiträgen, um bei der Fülle der angebotenen Podcasts Rezipienten einen Mehrwert bieten und Abonnenten an sich binden zu , 3 0 Vgl.
Eimeren (Onlinestudie, 2009), S. 352 Vgl. Das Podcast-Blog (Ergebnisse der Podcast-Studie, 2008) I 3 2 Vgl. Lewin (Podcasting Goes Mainstream, 2009) 131
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3 Erscheinungsformen von Social Media
Server („Podspace" bindet ein
ruft ab
verweist auf erstellt
,mp3
lädt hoch
.mp3
' (mittels feedreader oder Fbdcatcher)
wind heruntergeladen
Podcaster
Benutzer mp3-Player oder
Computer
Abbildung 19: Typischer Distributionsprozess von Podcasts133
können. Diese Herausforderungen, die sich natürlich auch in Abhängigkeit der Zielstellung darstellen, sind deutlich höher einzustufen als die technischen Zugangsbarrieren. Viele ambitioniert angegangene Podcastvorhaben wurden bereits nach wenigen Ausgaben wieder eingestellt.
3.5 Soziale Netzwerke Der Begriff soziales Netzwerk bezeichnet eine Struktur, die aus miteinander durch Kommunikation und Interaktion verbundenen Knoten besteht. Die Knoten sind im Allgemeinen Personen oder Organisationen. Das soziale Netzwerk drückt aus, inwiefern und wie stark die einzelnen Knoten miteinander verbunden sind. Die Bandbreite reicht von „gelegentlichem Kontakt" bis zu engen, familiären Verbindungen. Soziale Netzwerke werden unter anderem in der Soziologie, der Betriebswirtschaftslehre, der Computerphysik und der Kommunikationswissenschaft erforscht. Die Ergebnisse zeigen, dass soziale Netzwerke auf unterschiedlichsten Ebenen agieren, von Familien bis zu Nationen, und das sie eine signifikante Rolle dabei spielen, wie Probleme gelöst, Firmen geführt und wie erfolgreich Personen bei der Erreichung ihrer Ziele sind.134 Der hohe Stellenwert von sozialen Netzwerken wird durch die Theorie der „six degrees of separation" des Psychologen Stanley Milgram gestützt. Milgram hatte 1967 herausgefunden, dass jeder Mensch in einem sozialen Netzwerk über durchschnittlich sechs Zwischenpersonen mit jedem anderen Menschen der Welt bekannt ist. Im Kontext von Social Media fasst man unter sozialen Netzwerken Plattformen und Onlinepräsenzen zusammen, die darauf abzielen, den Aufbau und die Pflege von Beziehungen und den damit zusammenhängenden Informationsaustausch und die Kommunikation mit den Beteiligten im Internet zu erleichtern. Die inhaltliche Ausrichtung und die Funktionalitäten der 133
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Podcast-Schema.svg&filetimestamp=20061231124903, ruf am 16.01.2010 134 Vgl. Morville (Social Network Analysis, 2002)
Seitenauf-
3.5 Soziale Netzwerke
55
Anbieter unterscheiden sich aber zum Teil recht deutlich. Zur Differenzierung sollen hier zwei Typen von sozialen Netzwerken voneinander abgegrenzt werden, die von der inhaltlichen Ausrichtung relativ weit auseinander liegen.135 Beziehungs- und Kommunikationsnetzwerke (Soziale Netzwerke i. e. S.) • Zweck: Kommunikation und privater Austausch von Menschen, die sich bereits kennen • sich vernetzende Teilnehmer: Freunde und Bekannte • Nutzername: in der Regel wird der bürgerliche Name verwendet, zum Teil auch Markennamen und Unternehmensbezeichnungen • Basis der Vernetzung: soziale Beziehungen zwischen Personen • zentrale Anknüpfungspunkte des Austausches: Aktivitäten, Statusänderungen der Nutzer • Sichtbarkeit der Inhalte: in der Regel nur für verbundene Personen, privat • Art der Vernetzung: symmetrisch, das heißt mit dem Eingehen einer Beziehung, der beide Beziehungspartner zugestimmt haben, können die gegenseitigen Aktivitäten gesehen werden • Beispiele: Facebook, MySpace, XING Publikationsnetzwerke (Soziale Netzwerke i. w. S.) • Zweck: Publikation, Verteilung und Diskussion von Inhalten jeglicher Art • sich vernetzende Teilnehmer: Sender und Empfänger von Inhalten • Nutzername: Name ist frei wählbar (bürgerlicher Name, Pseudonym, Markenname) • Basis der Vernetzung: publizierte Inhalte des Senders • zentrale Anknüpfungspunkte des Austausches: Inhalte in Form von Texten, Audio oder Video oder Links zu diesen Inhalten • Sichtbarkeit der Inhalte: in der Regel öffentlich, Privateinstellung zum Teil optional möglich • Art der Vernetzung: asymmetrisch, man kann einem Teilnehmer folgen und seine verbreiteten Informationen sehen, ohne dass dieser einem folgen muss. Symmetrische Vernetzung ist fakultativ möglich • Beispiele: Twitter.com, YouTube.com, Friendfeed.com, Soup.io 135
Vgl. Weiss (Kommunikations- und Publikationsnetzwerke, 2009)
56
3 Erscheinungsformen von Social Media
Publikationsnetzwerke bzw. Netzwerke, bei denen wie beim Mikroblogging-Dienst Twitter oder Videosharingplattform YouTube die Informationsinhalte und nicht die Funktionalitäten der sozialen Vernetzung im Vordergrund stehen, sollen hier nicht näher erläutert werden, da sie bereits betreffend ihren inhaltlichen Schwerpunktes an anderer Stelle vorgestellt wurden. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Beziehungs- und Kommunikationsnetzwerke bzw. auf soziale Netzwerke in engerem Sinn. Das weltweit größte soziale Netzwerk i. e. S. ist heute Facebook.com mit über 300 Millionen Mitgliedern. Nach Google ist Facebook die am zweithäufigsten angeklickte Internetadresse weltweit.136 In den USA nutzen heute 58,59 Prozent aller Nutzer von sozialen Netzwerken Facebook.137 Namhafte Netzwerke in Deutschland sind zum Beispiel MySpace.com (268 Millionen Mitglieder)138, das Business Netzwerk XING (über 8 Millionen Nutzer)139, die VZNetzwerke, wie zum Beispiel SchuelerVZ.de und StudiVZ.de (15,5 Millionen Nutzer)140 und das im süddeutschen Raum aktive Netzwerk Lokalisten.de (über 3 Millionen Nutzer).141 Das primäre Ziel von sozialen Netzen besteht darin, Menschen in Form von Netzgemeinschaften zusammenzubringen und eine direkte Kommunikation der Mitglieder der jeweiligen Community zu ermöglichen. Dabei funktionieren die Netzwerkportale meist auf sehr ähnliche Weise. Nach der Anmeldung erstellt man ein eigenes Mitgliedsprofil, das Angaben zu Namen, Adresse, Alter, Beruf etc. umfasst. Der Benutzer kann nun die Gesamtheit der Mitgliederprofile nach Nutzern mit ähnlichen Interessen, Wohnort etc. durchsuchen. Findet er jemanden, der sein Interesse erweckt und mit dem er sich gerne vernetzen will, kann er mit diesem Mitglied in Kontakt treten und dessen Bereitschaft zum formalen Beziehungsaufbau einholen. Auf diese Weise können Schritt für Schritt neue Personen in das persönliche Netzwerk mit aufgenommen oder je nach Wunsch auch wieder daraus entfernt werden. Soziale Netzwerke bieten auch die Möglichkeit zu recherchieren, mit welchen Personen die eigenen Kontakte eine Beziehung aufgebaut haben. Dies ermöglicht eigene Kontakte als Türöffner für die Ansprache von Dritten zu verwenden und somit die „degrees of separation" abzubauen. Ursprünglich auf die Vernetzung von natürlichen Personen ausgelegt, können in sozialen Netzwerken mittlerweile zum Teil auch Unternehmen und Marken als Objekte angelegt werden, die miteinander in Beziehung stehen. Facebook enthält Profile von bekannten Marken wie zum Beispiel Apple (1.410.042Fans), Porsche (550.507 Fans), BMW (399.836 Fans), Microsoft Windows (263.171 Fans), Dell (48.709 Fans)142, die man als Fan in sein persönliches Netzwerk aufnehmen kann. In Form von so genannten Facebook-Seiten umgesetzt, handelt es sich dabei um eigenständige Auftritte, die mit umfangreichen multimedialen Funktionen und interaktiven Funktionen ausgestattet werden können. Auch das Netzwerk XING generiert neuerding Unternehmensprofile, die jedoch im Unterschied zu den Profilen bei Facebook automatisch erstellt werden. Hierzu werden die Profilinformationen der XING-Mitglieder, insbesondere deren Einträge im Feld „Firma" ausgewertet und die Ergebnisse in Form eines dynamischen, sich selbst aktualisierenden Unternehmensprofils dargestellt. Will man dieses Standardprofil zum Beispiel 136
Vgl. Vgl. 138 Vgl. 139 Vgl. 140 Vgl. 141 Vgl. 142 Vgl. I37
http://www.alexa.com/topsites, Seitenaufruf 01.12.2009 Brian Solis (The Great Social Divide, 2009) Wikipedia (Myspace, 2009) Xing.com (Unternehmen jetzt mit eigener Präsenz, 2009) VZ-Blog (meinVZ knackt die 4-Millionen-Mitglieder-Marke, 2009) http://www.lokalisten.de/press/open/showPress.do?method=facts, Seitenaufruf am 27.11.2009 http://www.facebook.com, Seitenaufruf am 27.11.2009
3.5 Soziale Netzwerke
57
mit einem Bild oder mit aktuellen Firmenveröffentlichungen anpassen, ist das kostenpflichtig. Die vergleichbare Unternehmensrepräsentation bei Facebook kann kostenlos realisiert werden. Der Funktionsumfang von sozialen Netzwerken variiert in Abhängigkeit von deren inhaltlicher Ausprägung. Diese ist zum Teil auf bestimmte Nutzergruppen ausgerichtet. Es existieren soziale Netzwerke, die zum Beispiel speziell die Belange von Schülern berücksichtigen (zum Beispiel SchuelerVZ.net), Netzwerke für Studierende (zum Beispiel StudiVZ.net), berufliche Netzwerke (zum Beispiel Xing.com, Linkedln.com) sowie Netzwerke für die Allgemeinbevölkerung ohne spezifische Zielgruppenausrichtung (zum Beispiel Lokalisten.de, Wer-kenntwen.de, MySpace.com, Facebook.com). Der Funktionsumfang ist auch zum Teil abhängig von einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft. Während die meisten sozialen Netzwerke kostenlos uneingeschränkt genutzt werden können, existieren auch Anbieter, wie zum Beispiel XING, bei denen der volle Nutzungsumfang nur durch eine monatliche Gebühr ermöglicht wird. Kern jedes sozialen Netzwerkes ist das eigene Profil, das je nach Ausrichtung mehr oder weniger umfangreich gestaltet werden kann. Neben vorgegebenen Textfeldern, die man nach Belieben ausfüllen kann, ist es immer auch möglich, ein frei wählbares Profilfoto einzustellen. Darüber hinaus können zum Teil auch mehr oder weniger umfangreiche MultimediaFunktionen genutzt werden, wie zum Beispiel das Anlegen eigener Fotoalben, Video- und Audioangebote sowie Funktionen wie die Bildverlinkung, die angeben, auf welchen Fotos von anderen man zu sehen ist. Für bestimmte Inhaltselemente des eigenen Profils kann man in bestimmten sozialen Netwerken festlegen, inwieweit jene öffentlich gemacht werden. So kann man zum Teil für jede einzelne Freundschaftsbeziehung definieren, ob man zum Beispiel das eigene Geburtsdatum oder die Privatadresse der verbundenen Person kommunizieren will. Mit den Personen im eigenen Beziehungsnetz kann man ferner in verschiedener Art und Weise kommunizieren. Man kann bestimmten Personen gezielt Nachrichten zukommen lassen, Bemerkungen an eine persönliche Pinnwand schreiben, mit anderen chatten sowie Statusmeldungen verbreiten, welche die Mitglieder des persönlichen Netzwerkes als Live-Stream auf ihrer zentralen Seite des Netzwerkes laufend aktualisiert angezeigt bekommen. Während soziale Netzwerke anfangs hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen genutzt wurden, werden sie immer mehr ein Mainstream-Medium, das auch ältere Anwendergruppen schätzen und in dem alle Anwender insgesamt immer mehr Zeit verbringen. Nach einer Studie von Nielsen wies beispielsweise die Altersgruppe der 35—49-Jährigen bei Facebook das größte absolute Wachstum der Nutzerzahlen im Jahresvergleich auf. Der Studie gemäß sind soziale Netzwerke nun auch die viertbeliebteste Anwendung im Internet, beliebter noch als der Gebrauch von E-Mail. Die Nutzung von sozialen Netzwerken ist mit 66,8 Prozent nun im internationalen Durchschnitt höher als der Gebrauch von E-Mails mit 65,1 Prozent.143 Deutsche Intemetnutzer sind in sozialen Netzen nach einer Studie von Web.de bereits zu 58 Prozent aktiv. Das in Deutschland am häufigsten in einer Altersgruppe verwendete soziale Netzwerk ist SchuelerVZ, in das sich 75,4 Prozent aller unter 20-Jährigen regelmäßig einloggen. Die steigenden Nutzerzahlen belegen, dass soziale Netzwerke beliebt sind und deren regelmäßige Verwendung sich zu einem Massenphänomen entwickelt. Durch die erwähnte Besonderheit des nichtöffentlichen Charakters von Meldungen, die mit den verbundenen Perso143
Vgl. Nielsen (Global Faces and Networked Places, 2009)
58
3 Erscheinungsformen von Social Media
nen ausgetauscht werden, können Dritte, zum Beispiel Unternehmen an diesem Austausch nicht direkt partizipieren. Zumindest, wenn es sich um soziale Netzwerke i. e. S. bzw. um Beziehungs- und Kommunikationsnetzwerke handelt. Dies erschwert das Erschließen des Nutzens von sozialen Netzwerken für Unternehmensvertreter. Während die Vorteile sozialer Netzwerke für selbständige Berater, Trainer oder freiberuflich tätige Personen relativ leicht zu ermessen sind, wissen Unternehmen häufig nicht, wie sie diese besondere Form von SocialMedia-Anwendungen für ihre Belange einsetzen sollen. Dieses Unwissen wird zum Teil noch von negativen Meldungen beeinflusst, in denen beispielsweise vor Gefahren von sozialen Netzen im Zusammenhang mit leichtsinnigem Exhibitionismus, Mobbing, Stalking und dem Datenmissbrauch gewarnt wird. Das trägt auch in gewisser Weise dazu bei, dass der Gebrauch von sozialen Netzwerken während der Arbeitszeit bei der Mehrzahl der Unternehmen nicht erlaubt ist. Nach einer Studie verbieten 54 Prozent der Unternehmen mit 100 und mehr Mitarbeitern in den USA ihren Mitarbeitern den Zugriff auf soziale Netzwerke ohne Ausnahme von Gründen.144 19 Prozent gestatten den Gebrauch nur für geschäftliche Zwecke. Wenn man die Nutzenpotenziale von sozialen Netzwerken für unternehmerische Belange nicht kennt und deren Anwendung als reines Privatvergnügen abtut, das nur wertvolle Arbeitszeit stiehlt, muss man sich nicht wundern, wenn solche Verbote zustande kommen. Auf der anderen Seite zeigen Firmen, wie man soziale Netzwerke sehr erfolgreich für das eigene Marketing nutzen kann und wie man auch eigene Mitarbeiter in zielgerichtete Konzepte mit einbeziehen kann. Dies wird an späterer Stelle noch erläutert.
3.6 Social Bookmarking Social-Bookmarking-Dienste ermöglichen die Erfassung und Kategorisierung von Internetverweisen bzw. so genannter Bookmarks.145 Sie erlauben, persönliche Linksammlungen direkt im Web zu verwalten und von überall auf diese Lesezeichen zuzugreifen. Lesezeichen anderer Benutzer können ebenfalls eingesehen werden, sofern diese öffentlich zugänglich sind. Zu den größten englischsprachigen Social-Bookmarking-Diensten zählen Delicious, Digg und StumbleUpon.146 Bei den deutschsprachigen Diensten sind zum Beispiel Mister Wong, Linkarena, Oneview, YiGG, ShortNews, Webnews und tausendreporter zu nennen.147 Allen diesen Anbietern ist gemein, dass von Einzelnen als interessant erachtete Inhalte im Web auf einer zentralen Plattform dargestellt werden und durch das Zusammenwirken von vielen eine gemeinschaftliche Indizierung entsteht. Die Angebote verkörpern gewissermaßen einen sozialen Filter, der dabei hilft, Veröffentlichungen, die von einer Vielzahl von Menschen als wertvoll erachtet werden, zu identifizieren. Die Suche von Artikeln bei einem Social-Bookmarking-Dienst wird durch das Tagging vereinfacht. Bookmarks werden von Benutzern anhand von Tags bzw. mithilfe von frei wählbaren Schlüsselwörtern klassifiziert. Das gemeinschaftliche Vergeben von Schlagwörtern wird auch als Folksonomy bezeichnet. Dieses Kunstwort ist eine Kombination aus den Wörtern „folk" 144
Vgl. Half (Whistle - But Don't Tweet - While You Work, 2009) Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 42 I46 Vgl. http://delicious.com/, http://digg.com/, http://www.stumbleupon.com, Seitenaufruf am 02.11.2009 147 Vgl. http://www.mister-wong.de/, http://linkarena.com/, http://www.oneview.de/, http://www.shortnews.de/, http:// www.webnews.de/, http://tausendreporter.stem.de/index.php?category=Technik, Seitenaufruf am 02.11.2009 145
3.6 Social Bookmarking
59
Menschen „Mitarbeiter Marketing Sfide» C X /S ¡ |Platzierung E m s cheider 3 S S S J U L I d IDokument.ation.nsa,ζ Nutzungsoberfläche
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Abbildung 20: Tag Cloud zum Leistungsspektrum des Webs Innovation Lab148
und „taxonomy" und es beschreibt eine Klassifikation durch viele. Es handelt sich dabei aber nicht um eine klassische Taxonomie mit einer hierarchischen Gliederung, sondern der Wortschöpfer Thomas Vander Wal wollte mit dieser Wortkreation vielmehr eine „funktionierende Verschlagwortung" beschreiben.149 Solche Tag-Sammlungen dienen der Schaffung eines Stichwortsystems, das zur Orientierung, Navigation, Bewertung und Empfehlung verwendet werden kann.150 Dazu werden die Tags in Form von so genannten Wortwolken („Tag Clouds") dargestellt, wobei häufig genutzte Schlagwörter stärker hervorgehoben werden. Je mehr Links auf ein Schlagwort verweisen, desto größer wird dieses in der Wolke hervorgehoben. Ein Beispiel für eine Tag Cloud des Leistungsspektrums eines Mediendienstleisters wird in Abbildung 20 gezeigt. Mittels Tag Clouds eines Social-Bookmarking-Systems (zum Beispiel http://delicious.com/ tag) kann man bereits zum Einstieg eine nützliche Orientierung über die aktuell populärsten Kategorien erhalten. Die Gesamtheit der Links eines Social-Bookmarking-Systems kann schließlich nach Benutzernamen, nach Tags oder nach einer Kombination aus beidem durchsucht werden.151 Dabei sind Tags keineswegs auf Social-Bookmarking-Systeme beschränkt, wie in der Abbildung gezeigt wird. Sie werden in verschiedenen Social-Media-Kanälen verwendet, unter anderem zum Beispiel in Blogs. Social-Bookmarking-Systeme bieten auch die Möglichkeit, 148
http://www.hermanngasse.com/2008/09/tag-cloud-des-web-innovation-lab/, Seitenaufnif am 28.01.2010 Vgl. Vander Wal (Folksonomy Definition and Wikipedia, 2005) 150 Vgl. Beck (Web 2.0, 2007), S. 8 151 Vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software, 2006), S. 71 149
60
3 Erscheinungsformen
von Social Media
die Linklisten einzelner Benutzer bzw. ganze Schlagwortlisten - meist als RSS-Feed - zu abonnieren. Allerdings existieren einige Nachteile bei der Kategorisierung nach Art der Folksonomy, die hauptsächlich auf der Problematik von unkontrolliertem Vokabular basiert. 152 Schlagworte können inhaltlich unterschiedlich interpretiert werden, was zur Folge haben kann, dass man bei der Suche nach einem bestimmten Begriff Ergebnisse angezeigt bekommt, die inhaltlich in keiner Weise zusammenhängen. Sucht man beispielsweise bei Delicious nach dem Schlagwort „filtering", so erscheinen die verschiedensten Ergebnisse: angefangen von Wodka destillieren, über Musikkanäle personalisieren bis hin zu der „Bayesian spam filtering"-Methode. Ein weiterer Nachteil sind Homo- und Synonyme. Auch hier ist keine Kontrolle über ein Wort mit verschiedenen Bedeutungen oder unterschiedliche Worte mit gleicher Bedeutung möglich. 153 Die Präsenz eigener Veröffentlichungen auf Social-Bookmarking-Plattformen hat einen hohen Stellenwert zur Förderung der Verbreitung von Inhalten im Web bzw. für die Social Media Optimization, auf die an späterer Stelle noch eingegangen wird.
3.7 Weitere Erscheinungsformen Bewertungsseiten Eine gute Möglichkeit, sich über Unternehmen und deren Produkte zu informieren und damit auch eine wichtige Informationsquelle für Unternehmen selbst, sind so genannte Bewertungsseiten. Der Wert dieser Angebote leitet sich größten Teils aus nutzergenerierten Inhalten ab, die ausschlaggebend für deren Popularität und Glaubwürdigkeit sind. Zu diesen Angeboten zählen beispielsweise die in Deutschland bekannten Shoppingportale wie Ciao.de, Geizhals.at oder Guenstiger.de, die neben einem Preisvergleich zum Auffinden der preisgünstigsten Anbieter einer bestimmten Marke auch Erfahrungsberichte und Bewertungen von Nutzern anbieten. Auch typische Bewertungsportale wie Dooyoo.de oder Holidaycheck.de bieten Nutzern die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen und Urteile bezüglich bestimmter Leistungen auszudrücken. Diese Informationen werden, wie bereits angeführt, vor dem Kauf oder der Inanspruchnahme einer bestimmten Dienstleistung bereits in beachtenswertem Maße berücksichtigt. Das heute angebotene Spektrum von bewerteten Erzeugnissen ist bereits sehr breit. Leser können Berichte anderer User zum Beispiel als „hilfreich" bewerten, was ein bestimmtes Regulativ gegen oberflächliche oder einseitige, unausgewogene Veröffentlichungen darstellt. Im Internet werden heute beträchtliche Umsätze im Tourismusbereich erzielt. Urlaubsreisen werden immer öfter individuell auf der Basis von Online-Angeboten geplant. Um am Urlaubsziel keine bösen Überraschungen zu erleben, erfreuen sich unabhängige Bewertungsportale wie Holidaycheck, das zu einem der führenden Meinungsportale für Hotelbewertungen gehört, einer zunehmenden Beliebtheit. Mittels dieses Angebotes kann man sich vor der Buchung oder dem Beginn einer Reise über Hotels, Regionen und Reiseveranstalter informieren und dabei sehr detaillierte Erfahrungsberichte und Bewertungen von Nutzern, die bereits eine Reise zum gewünschten Zielort gemacht haben, zu Rate ziehen. Man kann sich ein Bild von verschiedenen Vergleichsangeboten machen, was hilfreich für die eigene Entscheidungsfindung ist. Der 152 153
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 32 Vgl. Mathes (Folksonomies, 2004)
61
3.7 Weitere Erscheinungsformen
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Electrolux news O Via RSS
A thousand guests w a l k e d the red carpet w h e n Roberto Cavalli· the r e n o w n e d Italian designer recently o p e n e d its r e s t a u r a n t - b a r b o u t i q u e a t the Fairmont, one of the most exclusive hotels in Dubai. A new Roberto Cavalli Club recently opened In Dubai. United Arab Emirates, following the ones already established m Milan and Florence, Italy toggtpd pn Sheikh foyed rpad in the dynamic core of the city the two-floor and 2 600 square meters restaurant-bar-boutique is 'a unique place where people mingle shop and dine in an extravagant and opulent milieu £ proudly explains Roberto Cavali). "The interior effuses luxury as each area creates an atmosphere rich in exciting shapes, structures, and precious materials' Exclusivity supported by backstage quality While the venue surprises customers with wails completely covered by Swarovsky crystals, the 500 square meters restaurant's kitchen, marvels for its high-quality solutions
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The Elco900 cooking range by Electrolux Professional supports Chef Francesco Brocca, a famous Venetian Michelin Star Chef, and his kitchen staff m the preparation of refined meals specially chosen by the Italian fashion
Abbildung 39: Ausschnitt eines Social Media Release der Firma Electrolux397
Ein gelungenes Beispiel einer Umsetzung des Social Media Release liefert die Firma Electrolux. Neue Veröffentlichungen werden als Teaser im Newsroom übersichtlich angezeigt.398 Einzelne Beiträge kann man unter einer eigenen URL abrufen. Wie in Abbildung 39 anhand einer am 29.10.09 veröffentlichten Meldung dargestellt, werden neben dem Textinhalt auch Fotos und sofern vorhanden, zugehörige Videobeiträge angezeigt. Für das Finden von Hintergrundinformationen und verwandten Themenfeldern werden verschiedene Tags und Links angeboten. Weitere Inhalte kann man in thematisch geordneten Kategorien und einem Monatsarchiv recherchieren. Damit trägt man dem Tatbestand Rechnung, dass laut einer Studie 98 Prozent von 397
S e l e (New Roberto Cavalli Club in Dubai, 2009)
398
Vgl. http://newsroom.electrolux.com, Seitenaufruf am 29.10.2009
168
7 Social Media im Rahmen der proaktiven
Untemehmenskommunikation
informationssuchenden Journalisten und Reportern in Archiven recherchieren wollen.399 Der Social Media Release von Electrolux bietet darüber hinaus an, sich über E-Mail, RSS, Twitter und andere Kanäle neue Informationen zusenden lassen. Es finden sich ferner Links, um anderen Inhalte im gewünschten sozialen Netz, über Social-Bookmarking-Plattformen oder über Twitter mitzuteilen. Als nennenswerter Unterschied gegenüber dem dargestellten Social Media News Release Template fällt im Social Media Release von Electrolux die fehlende Kommentarfunktion auf. Das Zulassen von Kommentaren beinhaltet immer das Risiko, dass sinnfreie, destruktive oder vulgäre Äußerungen abgegeben werden. Von daher sollte eine Kommentarfunktion, wenn sie angeboten wird, immer moderiert sein.400 Auf der anderen Seite liefern Kommentare, wenn sie konstruktiv verfasst sind, ein direktes Stimmungsbild, beispielsweise zur Nützlichkeit der angebotenen Information oder darüber, welche Inhalte sich User noch erhofft hätten. Positive Rückmeldungen können das Informationsangebot aufwerten und eventuell die Aufmerksamkeit weiterer Leser darauf lenken. Durch das Fehlen einer Kommentarfunktion verzichtet das Unternehmen auf die Chance zum Einstieg in einen unmittelbaren Nutzerdialog. Die Firma bietet zwar einfach auffindbare Kontaktmöglichkeiten zu Unternehmensvertretern per E-Mail an, ein direkter Kontakt zum Autor eines Beitrags war im gewählten Beispiel jedoch nicht möglich. Gerade durch die sich eröffnenden Dialogmöglichkeiten unterscheidet sich der Social Media Release von einer um multimediale Inhalte erweiterte Pressemeldung. Solis und Defren unterstreichen das: "Social Media Releases may look similar to today's multimedia releases in format, structure and design, but depending on a series of factors, they have the ability to open up dialog in a way not possible with traditional or multimedia releases [... ] It all starts with thinking about what you want to say and figure out why it's important to those you want to reach. A crappy press release is still a crappy press release regardless of multimedia or social bling. Writing the news in a way that's helpful, informative, and relative is a critical starting point for any release [... ] SMRs are much more than bulleted text and links to multimedia content in social networks. It's much more than simply sharing information [... ] SMRs are a starting point for the socialization of news."401 Zur Art der Verbreitung einer Pressemitteilung via Social Media Release hat Lommatzsch in einer Grafik wesentliche Wege zusammengefasst, die in Abbildung 40 dargestellt sind. Für die Distribution des Social Media Release sollten verschiedenste Social Media Kanäle genutzt werden. Dies kann auch die Versorgung von Journalisten mit E-Mails oder den Versand von Pressemitteilungen über Presseservices umfassen, bei denen mit einem Link auf die Veröffentlichung des Social Media Release im einen Onlinenewsroom hingewiesen wird. Meldungen sollten ferner in angepasster Form in Twitter, auf Profilseiten in sozialen Netzen, sozialen Bookmarking Seiten, Videosharingportalen usw. eingestellt werden, um möglichst viele SocialMedia-Kontaktmöglichkeiten zu generieren. Die gegenseitige Verlinkung der Informationsangebote auf die zentralen Inhalte im Newsroom, die Indexierung in Suchmaschinen sowie die dortige strukturierte Darstellung der Informationen tragen zusätzlich dazu bei, dass die Inhalte auch in Eigeninitiative von Interessierten im Rahmen der Pull-Kommunikation relativ einfach gefunden werden. Wie die Verteilung von eigenen Nachrichten im Web funktioniert, belegt ein Beispiel von Me399 Vgl. Mediaquell (Studie, 2009) """Lommatzsch (Der Social Media Release, 2009), S. 25 401 Defren, T., Solis, B., zitiert in Lommatzsch (Der Social Media Release, 2009)
169
7.5 Streuung von Inhalten
Pressemitteilung oder Social Media Release im Online Newsroom
Suchmaschinen
Social Media Dienste 1
RSS Email usw.
Journalisten, Blogger, Online Multiplikatoren Fach-, Massen- und sonstige Online Medien
Ziel- und Bezugsgruppen
V n O J
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O
Abbildung 40: Wege zur Distribution und zum Auffinden einer Pressemitteilung in Form eines Social Media Releases402
diaquell, einem Anbieter von Online bzw. Social Media Newsrooms. Das Unternehmen stellte einen Artikel zum Thema „Hotel-Reputation im Internet" in seinen neu geschalteten (noch relativ unbekannten) Newsroom ein. Kurz nach der Publikation verbreitete sich der Link zum Artikel durch User über Twitter, Facebook, XING und andere Social-Media-Kanäle. Schon nach kurzer Zeit waren vierstellige Leserzahlen, sowie Feed- und Newsletter-Abonnenten in dreistelliger Höhe zu verzeichnen. „Weitergeleitet und gelesen wurde der Artikel vor allem in B2B relevanten Branchen wie Hotels und PR-Agenturen. Google findet den Artikeltitel mittlerweile auf über 1.100 Seiten."403 Ein weiteres Beispiel des Unternehmens verdeutlicht den Effekt der Darstellung von Inhalten in einem Newsroom und dessen Multiplikatorwirkung durch die Verbreitung mittels klassischer Medien. „So landete z.B. [!] ein Artikel von unserer Brasilien Nachrichtenseite bei 20 Minuten (Artikel auf 20min.ch). Der aus dem Medien-Netzwerk von mediaquell aufgegriffene Artikel brachte der Brasilien-Seite auch hier mehrere Tausend neue Leser (B2C). Darunter auch neue Abonnenten, sowie neue Bewerbungen von Autoren/Journalisten." [ohne angegebene Hyperlinks]404 Insgesamt können die vorgestellten Maßnahmen der Social Media Optimization, wozu auch die Ansätze des Social Media Release zu rechnen sind, dazu beitragen, die Außenwirkung von guten, auf die Informationsbedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe gerichteten Informationsinhalten zu erhöhen. Für die Verbreitung von unrelevantem, suboptimalem Content sind durch diese Art der Optimierung, zumindest auf längere Sicht hin, keine nennenswerten Erfolge zu erwarten. Dreh- und Angelpunkt des Erfolges der proaktiven Kommunikation sind Inhalte, für die ^Lommatzsch (Der Social Media Release, 2009), S. 6 403 Mediaquell (Hotel-Check, 2009) "^Mediaquell (Hotel-Check, 2009)
170
7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommimikation
Social-Media-Kanäle unterschiedliche Darstellungs- und Verbreitungsmöglichkeiten eröffnen. Zur Erhöhung der Wirksamkeit der Verbreitung spielen Multiplikatoren eine wichtige Rolle.
7.5.3 Gewinnung von Multiplikatoren Social Media erfordert, wie bereits erwähnt, das Überdenken traditioneller Ansätze der unidirektionalen 1 :n-Massenkommunikation und eröffnet Chancen zur Einbeziehung von Nutzern in den bidirektionalen Austausch im Rahmen einer n:n-Kommunikation. Durch das Engagement einer stetig wachsenden Zahl von Teilnehmern im Mitmachweb haben auch die Fülle und die Vielseitigkeit des Informationsangebotes enorm zugenommen. Dieses Wachstum der Informationsmenge erfolgte (r)evolutionär, ohne dass klassische Ordnungsinstanzen, wie zum Beispiel Nachschlagewerke, Zeitungen und Bibliotheken ordnend darauf einwirken konnten. Vor dem Hintergrund der sich breit machenden digitalen Unordnung, steigt der Orientierungsaufwand für Einzelne, sich in dessen Informationsdickicht zurechtzufinden. Empirische Beobachtungen bestätigen, dass eine Dauerselektion aller vorhandenen Optionen der Informationsversorgung nicht stattfindet. Einzelne wollen ein überschaubares "relevant Set" von Informationen, die regelmäßig genutzt werden.405 Nach der Rationality of avoiding choice will streben Menschen danach ihren Aufwand in Bezug auf Wahlentscheidungen zu minimieren.406 Man will es sich möglichst einfach machen und nicht ständig überlegen und Informationen auswählen. Social Media kann vor diesem Hintergrund Orientierung bieten und den eigenen Suchaufwand verringern. Informationen, die für einen selber hilfreich sein könnten, werden einem von den Mitgliedern des eigenen sozialen Netzwerks vorgeschlagen. In dieses Netzwerk integriert man, beispielsweise bei Twitter, neben Freunden und Bekannten gerne auch Autoritäten, Experten und Meinungsführer, die zum eigenen vorherrschenden Interessensgebiet etwas zu sagen haben. Durch deren Tweets werden einem täglich Inhalte und Fundstücke im Netz präsentiert, die man nur aufzurufen braucht. Die Inhalte kommen somit zum Empfänger, ohne dass es einer Suchmaschine bedarf. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Informationsversorgung über den eigenen RSS-Feedreader, in welchem die neuen Veröffentlichungen der Blogbeiträge, Podcasts etc. der selbst gewählten Autoritäten angezeigt werden. Social Media eröffnet allen Teilnehmern die Möglichkeit, eigenen Content zu erstellen. Nach der erwähnten Social Technographis Ladder machen jedoch die aktiven Inhaltsproduzenten nur einen Bruchteil der gesamten Social-Media-Nutzer aus. Aufgrund dieser Relation erfährt eine im Verhältnis zu den reinen Lesern relativ überschaubare Zahl von Sendern bei letzteren eine größere Beachtung. Diese Beitragsersteller, und dabei vor allem die besonders aktiven und den Geschmack der Rezipienten treffenden Vertreter, können schnell eine große Aufmerksamkeit erlangen und mit ihren Inhalten Reichweite erzielen. Da die Aufmerksamkeit heute als knappes Gut anzusehen ist, steigt der Wert von aktiven Inhaltsproduzenten in Bezug auf die Beeinflussung von Meinungen. Sie konkurrieren zunehmend mit klassischen Multiplikatoren, wie zum Beispiel Journalisten und lösen sie im Zuge des Bedeutungsverlustes von Zeitungen zum Teil sogar ab. Auch Suchmaschinen als neue Ordnungsinstanzen orientieren sich am Vernetzungsgrad der neuen Informationsinstanzen im Web und werten Multiplikatoren als soziale Hubs, die in Netzwerken wichtiger als andere sind, durch erste Plätze im Suchmaschinenranking auf. 405
Vgl. Jäckel (Medienwirkungen, 2007), S. 312ff. ^ V g l . Collins (The Rationality of Avoiding Choice, 1993), S. 58ff.
7.5 Streuung von Inhalten
171
Zur Erhöhung der Reichweite und Wirksamkeit eigener Botschaften sollte man gezielt Meinungsführer kontaktieren und versuchen, diese für eine Weiterverbreitung der Inhalte zu gewinnen. Hierzu sind zuerst die richtigen Adressaten zu ermitteln, deren Rezipienten so weit wie möglich der eigenen Zielgruppe entsprechen sollten. Ausgangspunkt der Identifikation von Meinungsführern sollte ein gerichtetes Social Media Monitoring sein, in dem man zuerst in verschiedenen Kanälen nach themenrelevanten Veröffentlichungen des eigenen Produkt- und Markenumfelds sucht und die Sender mit den meisten Publikationen identifiziert. Zur Einschätzung der sozialen Relevanz bzw. der Reichweite dieser Inhalteproduzenten auf andere ist auch zu berücksichtigen, wie groß deren Anhängerschaft ist bzw. wie viele Rezipienten sie ungefähr erreichen. Als Indikatoren hierfür könnten beispielsweise folgende Wertungen herangezogen werden: • die Anzahl der Follower in Twitter • die Anzahl der Freunde, Fans und Inhaltsabonnenten in sozialen Netzwerken • die Anzahl der Verlinkungen anderer Blogger auf den entsprechenden Blogbeitrag • die Häufigkeit der Weiterverbreitung von Inhalten des jeweiligen Autors in der Presse • die Anzahl der Kommentare auf Postings • die Anzahl von weitergeleiteten Inhalten, zum Beispiel von ReTweets oder der Inhalte, die in Facebook mit „Teilen" verbreitet werden • Bewertungen des Inhalts, wie zum Beispiel „gefällt mir" • die Position in Suchmaschinen • die Bewertung in Social-Bookmarking-Diensten Hat man relevante Multiplikatoren identifiziert, sollte man sich erst einmal mit deren Postings befassen, eventuell Kommentare zu ihren Beiträgen abgeben, und sich an Diskussionen beteiligen. Hierdurch bringt man die eigene Marke ins Spiel und zeigt den betreffenden Adressaten, dass man sich für sie interessiert. Vor der Kontaktaufnahme mit Multiplikatoren sollte man sich über den informellen Mehrwert der eigenen Inhalte für Dritte im Klaren sein. Fällt es einem schwer diesen zu benennen, ist von vornherein von einer Kontaktierung abzusehen. Ganz eindeutig sollte man vermeiden, Social-Media-Influencer, wie zum Beispiel bekannte Blogger, regelmäßig mit StandardPressemeldungen einzudecken. Blogger sind in der Regel als Privatpersonen tätig und haben von daher mehr Freiheiten und sind Dritten weniger verpflichtet als professionelle Journalisten. Sie verdienen mit ihrem Blog in der Regel wenig oder gar kein Geld und genießen nicht zuletzt aufgrund dieser Unabhängigkeit als Peers Ansehen in ihrer Zielgruppe. Sie reagieren vielleicht noch allergischer auf Pressemitteilungen in ihrem Postkasten, als Journalisten, die im Umgang mit Presseverteilern geübt sind, da dies im Grunde das Eindringen in ihre Privatsphäre bedeutet. Das bloße Versenden von Pressemitteilungen an Blogger, unter Umständen nicht einmal personalisiert und mit einem Anschreiben versehen, dürfte bei den meisten Informationsempfängern als Spam betrachtet werden und anstelle von positiven eher negative Multiplikatorwirkungen zur Folge haben.
172
7 Social Media im Rahmen der proaktiven
Untemehmenskommunikation
Der Dreh- und Angelpunkt der Gewinnung von Social-Media-Influencern liegt in nutzenstiftenden Inhalten, die Multiplikatoren selber Kredit bei ihren Rezipienten verschaffen und darüber hinaus in einem vertrauensvollen und tragfähigen Beziehungsverhältnis zu diesen stehen. Gute persönliche Beziehungen fördern die Wahrnehmung von Informationsinhalten in der Masse der Informationsangebote. Sie können zudem, sofern die Inhalte, einen Wert für Dritte erwarten lassen, der eigenen Motivation einen zusätzlichen Antrieb verschaffen, selber redaktionell und damit weiterverbreitend tätig zu werden. Fragen der Beziehungspflege mit Bloggern und insbesondere Regeln des korrekten Umgangs bzw. der Etikette der Kontaktaufnahme mit ihnen werden unter dem Schlagwort der Blogger-Relations erörtert. Im Kern wird zur Herstellung von guten Blogger-Beziehungen meist ein offener und transparenter Umgang mit diesen Meinungsführern gefordert, der die Basis für den Aufbau von Vertrauen darstellt. Für den Aufbau von persönlichen Beziehungen mit Bloggern kann es hilfreich sein, selber einen Corporate Blog zu unterhalten. In diesem kann man, sofern inhaltliche Bezüge bestehen, auf Blogs oder Beiträge von anderen Bloggern verlinken und somit die Wertschätzung den Multiplikatoren gegenüber zum Ausdruck bringen. Stellenweise kann dort auch eine direkte inhaltliche Konversation geführt werden, die sich förderlich auf die Beziehung auswirken kann. Gute Beziehungen zu Bloggern können meist noch weiter gefestigt werden, wenn diese um Rat gefragt oder gar in bestimmte unternehmerische Entscheidungen einbezogen werden. In den USA werden schon Blogger Advisary Boards diskutiert, die beispielsweise vor der Einführung eines neuen Produktes oder bei wichtigen Veröffentlichungen zu Rate gezogen werden.407 Bekannte Blogger bekommen zunehmend auch Gratisprodukte zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und werden, ähnlich wie Journalisten, zu exklusiven Unternehmensveranstaltungen, wie zum Beispiel Präsentationen von neuen Produkten an attraktiven Orten eingeladen. Wie am Beispiel der Einladung von Meinungsführern der Herr-der-Ringe-Fangemeinde zum Drehort nach Neuseeland bereits erwähnt wurde, können sich diese Investitionen als sehr sinnvoll erweisen, um Multiplikatoreffekte auszulösen. Bei der Kontaktaufnahme mit Bloggern, insbesondere beim Erstkontakt, sollte man Antworten auf die folgenden Fragen geben, die sich ein angesprochener Blogger wahrscheinlich stellt: • Warum werde gerade ich kontaktiert? • Werde nur ich als Biogautor angesprochen oder neben mir noch viele andere Blogbetreiber, Journalisten und sonstige Adressaten bzw. sind die angebotenen Informationen exklusiv für mich? • Welchen Nutzen haben meine Blogleser von den angebotenen Nachrichten (zum Beispiel brandneue Informationen, spannende Inhalte, Insiderberichte, Making-of, Interviews, Studienergebnisse etc.)? • Welche redaktionelle Leistung wird von mir gewünscht? • Gibt es weiterführende Informationen, zum Beispiel Hintergrundinformationen, audiovisuelles Material in einem Social Media Newsroom? • Welche materielle Unterstützung erhalte ich für Recherchezwecke, zum Beispiel überlassene Produkte zu Testzwecken, Übernahme von Reisekosten, Einladungen zu Events? 407
Vgl. Livingston (Six Steps to Better Blogger Relations, 2008)
7.5 Streuung von Inhalten
173
• Wie steht das Unternehmen zu einem kritischen und offenen Umgang mit der Thematik? Ist es eventuell an einem offenen Dialog interessiert? Man sollte sich jedoch auch nicht vor einer gezielten Ansprache scheuen. Nach einer Studie der PR-Agentur TextlOO408 stehen beispielsweise Blogger einer Ansprache von PR-Agenturen durchaus sehr positiv gegenüber. Über 90 Prozent der befragten 449 Blogger sind Kontaktaufnahmen von PR-Beratem gegenüber aufgeschlossen. Die meisten erklärten, häufig und regelmäßig von PR-Beratern kontaktiert zu werden. Bei den befragten Bloggern in den USA gaben 96 Prozent, in Europa 65 Prozent an, mindestens einmal pro Woche angesprochen bzw. angeschrieben zu werden. Die Studie brachte ferner zu Tage, dass über 80 Prozent der Blogger gesponserte Blogbeiträge kenntlich machen, was belegt, dass auch Zuwendungen in verschiedenster Form heute als Mittel anzusehen sind, um Multiplikatoren zu interessensbezogenen Beiträgen zu bewegen. Die Art der Zuwendungen kann die kostenlose Bereitstellung von Produkten oder die unentgeltliche Nutzung von Dienstleistungen beinhalten. Beispielsweise, wie bei der bereits erwähnten Aktion Ford Fiesta Movement, bei der 100 gut vernetzte und einflussreiche Kandidaten ermittelt wurden, die sechs Monate lang das neue Modell des Ford Fiesta gestellt bekamen und über ihre Produkterfahrungen regelmäßig in Blogveröffentlichungen und Twittermeldungen berichten mussten. Der Elektronikgerätehersteller LG hat sich zum Test seines Handymodells LG Secret mit folgender E-Mail an ausgesuchte Weblogs gewandt: „Mein Name ist Christoph und ich bin für den LG Blog (www.lgblog.de) verantwortlich. Ich würde dir gerne anbieten, unser aktuelles Tophandy das LG Secret (http://secret.lgmobile.com/ uk/en/) zu testen. Wir sind hierbei an deiner ehrlichen Meinung interessiert. Das Gerät darfst du anschließend gerne behalten, [!] oder auf deinem Blog verlosen. Einzige Bedingung ist, dass du zusagst, den Test bis Ende Juli auf deinem Blog zu veröffentlichen."409 In dieser E-Mail wird ein Gratisprodukt in Aussicht gestellt, lediglich an die Bedingung geknüpft, dass über das Produkt berichtet wird. Eine positive Stellungnahme wird nicht vorausgesetzt, was einer freien und unbeeinflussten Meinungsäußerung auch widersprechen würde. Manche Kritiker sehen schon in dem Versenden von Gratisprodukten eine Beeinflussung. Coca-Cola führte 2008 in Brasilien das neue Getränk i9 ein und kooperierte für die Förderung des Absatzes mit neun prominenten Bloggern. Im Zuge der Promotion beteiligte sich Coca-Cola an der Gestaltung der Blogseiten und schenkte jedem von ihnen einen MiniaturKühlschrank mit einer darin enthaltenen Flasche i9. Diese Aktion löste bei anderen Bloggern ein negatives Echo aus, weil die Unabhängigkeit von Autoren bezweifelt wurde, die Gratisprodukte erhalten 410 In Deutschland stand die bekannte Bloggerin Ute Hamelmann, die sich mit ihrem Onlineauftritt Schnutinger.de einen Namen gemacht hat, in der Kritik eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Vodafone durch einen für Vodafone positiven Blogbeitrag zu belohnen. Die Bloggerin und der bekannte Blogger Sascha Lobo wurden zusammen als Darsteller in einem Vodafone-TV-Spot engagiert. Sie hat sich später auf dem Vodafone-Blog zu dem folgenden Beitrag hinreißen lassen, in dem ein Vodafone-Handy sehr positiv beschrieben wurde: ^ V g l . Handelsblatt (Sterben derBlogs, 2009) ^Christoph, zitiert in: Media-Agentur (LG, 2008) 410 Vgl. Hall (Coke's i9 Blogger, 2008)
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7 Social Media im Rahmen der proaktiven
Untemehmenskommunikation
...und was muss ich bitte dafür machen?
Ganz einfach, der Weg ins Produktglück: ^^
Blogbeitrag in dem Du über storeöird.de mit folgendem href=http.7/www.storebird.de>Trend Produkte und Trackback sendest
Link
schreibst:
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Μ Ι » * *
Above 20000 Above 40000 Above 60000 Unspecified
boulderjobs Communications Manager - Boulder United States.
Abbildung 48: Suchtreffer mit Stellenangeboten zum Thema "Social Media Marketing " in TwitterJobSearch. corri484
Stellenanbieter und Stellensuchende sollten jeweils auf die Gestaltung ihres Profils achten. Selbstredend sollte man die positive Außenwirkung des eigenen Profils inklusive der weiterführenden Informationen im Blick behalten, um möglichst schon über den ersten Eindruck bei den jeweiligen Rezipienten punkten zu können.
484
http://www.twitteijobsearch.com/search?q=Social+Media+Marketing, Seitenaufruf 25.01.2010
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument
201
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 7.9.1 Unternehmensprofile als Voraussetzung der Kommunikation Wie bereits bei der Erläuterung von sozialen Netzwerken zum Ausdruck gebracht, sind zwei zentrale Aspekte Bedingung für den Einsatz dieser Kanäle in der proaktiven Kommunikation. Zunächst wird ein Nutzeraccount benötigt, der zur Erstellung eines Nutzerprofils sowie entsprechender Mitteilungen, zum Beispiel in Form von Statusmeldungen befähigt. Darüber hinaus bedarf es der Personen, die mit dem Ersteller des Nutzerprofils in Beziehung treten wollen und dadurch automatisch dessen generierte Informationen erhalten. Das Augenmerk soll im Folgenden zuerst auf das Unternehmensprofil gelegt werden. Soziale Netzwerke wurden ursprünglich schwerpunktmäßig zur Vernetzung von natürlichen Personen angelegt. Heute erlauben sie es jedoch oftmals auch Unternehmensprofile zu erzeugen. Bei XING werden Unternehmensprofile, wie bereits erwähnt, mittlerweile automatisch generiert, deren individuelle Anpassung ist allerdings gebührenpflichtig. In Publikationsnetzwerken kann der Profilname häufig frei gewählt werden, wie es zum Beispiel bei Twitter der Fall ist, so dass hinsichtlich der Profilseiten von Unternehmen und Marken keine Besonderheiten beachtet werden müssen. Unternehmensprofile am Beispiel von Facebook-Seiten Der weltweit größte Netzwerkanbieter Facebook ermöglicht es Unternehmen und Marken so genannte Facebook-Seiten, anzulegen, mit denen man als Interessent eine Fanbeziehung eingehen kann. Der Aufbau einer Facebook-Seite, meist als Fanseite bezeichnet, ähnelt der persönlichen Profilseite, mit Foto oben links, gefolgt von unterschiedlichen Reitern, wie „Pinnwand", „Info", „Fotos", „Diskussionen", „Links", „Veranstaltungen", „Notizen", „Video" und anderen Rubriken. Ähnlich den Einstellungen des eigenen Facebook-Profils, können auch bei der Fanseite gewisse Einstellungen vorgenommen werden. So kann man unter anderem als Administrator entscheiden, in wieweit Fans auf der Seite aktiv werden können. Ob sie beispielsweise an die Pinnwand schreiben und Fotos, Videos und Links posten dürfen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Fanseite mit dem eigenen Twitter-Account zu verknüpfen. Neue Pinnwandeinträge im Textfeld „Was machst Du gerade?" können somit auch als Tweet veröffentlicht werden. Abbildung 49 zeigt beispielhaft die Pinnwand der Fanseite von Starbucks mit den letzten dargestellten Unternehmenseinträgen. Textbeiträge können zusätzlich mit Anhängen, wie Fotos, Videos oder Umfragen versehen werden. Nach der Eingabe der Informationen in das Textfeld kann zusätzlich ausgewählt werden, ob man die Information mit allen Fans teilen oder ob man sie nur für Fans in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Sprache sichtbar machen will. Man kann somit multinationale Informationsempfänger mit Informationen in eigenen Sprachkreisen gezielter ansprechen und zusätzlich mit landesspezifischen Neuigkeiten aufwarten, ohne die Empfänger mit unrelevanten Veröffentlichungen zu langweilen. Fans bekommen diese Pinnwandeinträge immer auf ihrer Startseite unter der Rubrik „Neuigkeiten" als Live-Meldungen angezeigt. Die Einträge können natürlich auch auf der Pinnwand der Unternehmensseite eingesehen werden, Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich Fans dorthin begeben. Eine höhere Kontaktwahrscheinlichkeit besteht, wenn die Unternehmensinformation als Live-Meldung Eingang in die Fan-Startseite finden.
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7 Social Media im Rahmen der proaktiven
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Abbildung 55: Facebook-(Fan-)Seite von Adobe
Students508
sich ebenfalls, wie in Abbildung 56 belegt, an einem Dialog mit Fans, um beispielsweise Fragen zu Produktkäufen direkt zu beantworten. Auf spezifische individuelle Produktfragen werden in der Regel über die Kommentarfunktion ausführliche Antworten gegeben. Umsatzsteigernde Auswirkungen von verkaufsfördernden Aktivitäten auf dessen Fanseite weiß der US-Kosmetikhändler Sephora zu berichten. Das Unternehmen startete auf seiner Facebook-Seite eine Kampagne, bei welcher eine Applikation einer virtuellen Einkaufstasche von einem Facebook-Freund zu einem anderen gesandt werden konnte. Die teilnehmenden Personen wurden mit Rabatt-Codes belohnt, die sich im Onlineshop von Sephora.com einlösen ließen. Die Kampagne zielte darauf ab, die eigene Markenwahrnehmung zu erhöhen und zusätzliche Fans zu gewinnen. Das ist dem Unternehmen auch gelungen. Die Fangemeinde stieg im Zeitraum von einem halben Jahr nach Beginn der Aktion um über 10.000 Mitglieder auf 508
http://www.facebook.com/Adobe, Seitenaufruf am 12.12.2009
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2010 Adobe Design Achievement Awards
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Thomas H Griffiths For the latest on the uocowra Anofe
Abbildung 56: Pinnwand der Facebook-(Fan-)Seite Adobe Students mit direkten Antworten auf Fragen zu Kaufmodalitäten509
295.939 Personen Anfang Dezember 2009 an. 510 Durch die Weiterverbreitung der Information mithilfe der Fans konnte die Reichweite der Marke um 440 Prozent gesteigert werden. Der Traffic auf der eigenen Website und, noch gewichtiger, das Auftragsvolumen des eigenen Onlineshops hat sich während der Kampagne verdoppelt. 511 Perso nal marketing Soziale Netzwerke werden zu einem immer bedeutenderen Instrument bei der Personalsuche. Laut XING nutzen dessen Netzwerk Ende September 2009 bereits 70.000 HR-Manager in Deutschland. Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Personalmanager, die bei XING 509
http://www.facebook.com/Adobe#/Adobe?v=wall, Seitenaufruf am 12.12.2009 Vgl. http://www.facebook.com/Sephora#/Sephora?v=wall, Seitenaufruf am 12.12.2009 511 Vgl. Aun (Sephora Drives Referral, 2009) 510
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