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German Pages 73 [76] Year 1996
SAMMLUNG ROMANISCHER ÜBUNGSTEXTE Begründet von A L F O N S H I L K A und G E R H A R D Herausgegeben von RUDOLF
BAEHR
15. Band
ROHLFS
Sankt Alexius Altfranzösische Legendendichtung des 11. Jahrhunderts
Herausgegeben von Gerhard Rohlfs 5., verbesserte Auflage
MAX N I E M E Y E R VERLAG T Ü B I N G E N 1968
Mit einer 1. 2. 3. 4.
Abbildung
Auflage Auflage Auflage Auflage
1960 1963 1967 1963
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1968 Alle Hechte vorbehalten. Printed In Germany Druck: Fotokop W. Welhert Darmstadt Einband von Heinr. Koch Tübingen
INHALT
Vorwort
VII
Einleitung Die Dichtung Der Verfasser Die Quelle der Dichtung Die Handschriften Herstellung der Ausgabe Bibliographie
XI XII XIII XIV XVI XX
Die lateinische Vita
XXV
Der Text Glossar
1 30
V O R W O R T ZUR 1. A U F L A G E Die in dieser Sammlung im Jahre 1928 erschienene Ausgabe des Alexiusliedes von Margarete Rosier beruhte auf dem kritischen Text aus dem Nachlaß von Wendelin Foerster. Dieser Text unterschied sich nur wenig von der durch Gaston Paris seit 1872 vorgenommenen Textgestaltung. Hier wie dort war versucht worden, die uneinheitlichen Schreibergewohnheiten des Kopisten zu beseitigen und den Text in jene orthographisch uniformierte Sprachform zurückzuführen, die um die Mitte des 11. Jahrhunderts „dans la partie de la Normandie la plus voisine de l'Ile de France" (G. Paris) bestanden haben dürfte. Darüber hinaus war angestrebt worden, offensichtliche Fehler und zweifelhafte Lesarten der alten und besterhaltenen Handschrift durch Heranziehung der anderen Handschriften zu beseitigen und möglichst den vermutlichen Urtext wiederherzustellen. Aber aus der Ausgabe von Rösler-Foerster war nicht zu erkennen, nach welchen Grundsätzen der kritische Text hergestellt worden war. Mit Recht war von Schultz-Gora (Zs. für roman. Philol. Bd. 53, S. 534) das hier angewandte eklektische Verfahren, das weder durch Anmerkungen noch durch variae lectiones eine Rechtfertigung erfuhr, beanstandet worden. Aber auch grundsätzlich sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr Zweifel aufgetaucht, ob es wirklich möglich ist, aus den oft nur durch einen Zufall erhaltenen Handschriften den Originaltext so sicher zurückzugewinnen, wie es der Überzeugung einer früheren Forschergeneration entsprach. Von vielen mittelalterlichen Dichtungen hat es nicht nur eine schriftliche, sondern auch eine mündliche Tradition gegeben, VII
die nicht mehr festzustellen ist. Es ist daher zu verstehen, wenn neuere Herausgeber altfranzösischer Dichtungen nicht selten es vorziehen, den Text nach e i n e r Handschrift zu geben, indem sie sich darauf beschränken, offensichtliche Fehler auszumerzen. Von diesem Gedanken war auch die Neuausgabe des Alexiusliedes getragen, die Marg. Rosier im Jahre 1941 an die Stelle ihrer älteren Ausgabe treten ließ. Doch hat die Herausgeberin bei der Herstellung dieser Ausgabe keine glückliche Hand gehabt. Der Abdruck der Handschrift L mit Beibehaltung der verworrenen und willkürlichen Orthographie erwies sich für Übungszwecke an Universitäten als nicht sehr geeignet. Auch in dieser Ausgabe waren die textkritischen Änderungen durch den fehlenden Variantenapparat nicht genügend begründet. Auch andere Schwächen beeinträchtigten diese Ausgabe. Die neue Ausgabe, die hier vorgelegt wird, hat mit der Ausgabe Rösler-Foerster nichts mehr zu tun. Sie ist völlig neu hergestellt worden. Grundlage ist die besterhaltene alte Handschrift L. Deren orthographische Eigenheiten sind nach den S. XVI ff. dargelegten Grundsätzen soweit ausgeglichen worden, als es sich wissenschaftlich rechtfertigen läßt. Offensichtliche Versehen und Fehler sind beseitigt worden unter Heranziehung der anderen Handschriften. Alle Abweichungen von der Handschrift sind durch besonderen Druck oder durch den Variantenapparat klar zum Ausdruck gebracht worden1). Dieser Apparat enthält des weiteren alle jene Abweichungen von L, die für die Textinterpretation oder für die Sprachentwicklung ein gewisses Interesse haben können. Außerdem sind unserem Text einige Strophen aus den Handschriften L, Α, Ρ und V treu nach der Überlieferung zum Vergleich beigegeben. Nützlich schien es uns auch, einige Partien der Dichtung in der sprachlich unifor*) Nur daa an Stelle von unbetontem e auftretende ο (ζ. Β. 'pedra, sameine, s. S. 7) ist stillschweigend durch e ersetzt worden.
VIII
mierten Rekonstruktion zu geben. Daher findet man in dieser Ausgabe auch 23 Strophen des kritischen Textes von W. Foerster; dazu in Klammern und in Kursivdruck die Abweichungen des kritischen Textes von Gaston Paris (nach dem Abdruck vom Jahre 1885)1). Auch die Beigabe der lateinischen „Vita" ist eine Neuerung dieser Ausgabe. Einleitung und Glossar sind ebenfalls völlig neu gestaltet worden. München 1950
Gerhard Rohlfs
V O R W O R T Z U R 3. A U F L A G E Für mancherlei in der neuen Auflage vorgenommene Besserungen fühlt sich der Herausgeber der Textkritik von H. Lausberg (s. Bibliographie), sowie der gewissenhaften Besprechimg von Hans Flasche (Zeitschr. für roman. Philologie, Bd. 73, S. 326—328) sehr verpflichtet. München 1957
Gerhard, Rohlfs
V O R W O R T Z U R 4. A U F L A G E Auf Grund der handschriftlichen Überlieferung wurde der Text noch einmal genau geprüft. Manche Änderungen haben sich dadurch ergeben (ζ. B. in Vers 234, 245, 368, 464, 588, 615). Wichtige variae lectiones wurden im Apparat öfters ergänzt. Die Zahl der Strophen aus dem uniformierten Text von Foerster wurde von 23 auf 18 zu Gun') Die späteren Auflagen des von Gaston Paris hergestellten Textes (1903, 1908, 1911, 1925) gehen in der „Franzisierung" der Sprache noch etwas weiter, indem das geschlossene ο in freier und betonter Stelle durch ou ersetzt wurde, also ζ. B. amour, colour, eoule, lour statt amor, color, sole., lor — eine Regelung, die β. Paris selbst als „quelque peu t£m6raire" bezeichnete.
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sten von weiteren Proben aus den Originalhandschriften (L, A, P) reduziert. Auch im Glossar konnte manches verbessert werden. Tübingen-Hirschau 1963 Gerhard Rohlfs V O R W O R T ZUR 5. A U F L A G E Einleitung, Text und Glossar wurden sorgfältig revidiert im Hinblick auf den neuesten Forschungsstand. Auch die Bibliographie ist in diesem Sinne ergänzt worden. Verbesserte Lesarten wurden eingeführt in Vers 41, 146,186, 245, 493, 529, 607. Im handschriftlichen Apparat wurden weitere wichtige variae lectiones neu aufgenommen: v. 146,247,267,465,506,529,570. — Für viele Verbesserungen ist der Herausgeber dem Rezensenten der 4. Auflage Peter F. Dembrowski (Romance Philology, vol. 19, 1966, S. 627—629) zu Dank verpflichtet. Tübingen-Hirschau 1968
Gerhard Rohlfs
EINLEITUNG Die Dichtung. — Die große historische Bedeutung des Alexiusliedes für die Entwicklung der altfranzösischen Literatur steht außer Diskussion. Es ist nach der kurzen inhaltlich primitiven Eulaliasequenz (9. Jahrhundert) und den bescheidenen Umdichtungen der Leidensgeschichte Jesu und der Vita des Heiligen Leodegar (10. Jahrhundert) die erste größere Dichtung der französischen Nationalliteratur selbständigen Gepräges. Mit dem hier zum erstenmal verwendeten Zehnsilber und dem neuen Typus der assonierenden Strophe ist metrisch und formengeschichtlich der Weg zur Tradition des Heldenepos geöffnet. Aber auch durch ihren Kunstwert verdient die Dichtung höchste Beachtung. Schon in seiner Ausgabe des Jahres 1872 gab Gaston Paris folgende Wertung: ,,Le po^me ne se recommande pas d'ailleurs uniquement par son incomparable int6ret linguistique: il offre, dans sa simplicite gracieuse et s6v£re, de r6els merites de style et de sentiment ; il ouvre dignement l'histoire de Ia po6sie nationale." Nach einem neueren Kritiker „schildert das Alexiusleben mit psychologischer Konsequenz und in wirkungsvollen Szenen ein Seelenmartyrium, an welchem alle beteiligten Personen in verschiedenem Maße, aber mit immer edlen Gemütsregungen beteiligt sind. Diese hat der Dichter mit noblem Pathos der Sprache und der Geste ausgedrückt und mit feinen individuellen Schattierungen abgestimmt. Er dichtet Verse von schönem vollen Klange und von prägnanter Ausdrucksweise und versteht es, den wechselreichen Situationen seines kleinen Epos das XI
entsprechende Relief zu verleihen" (Leonardo Olschki, Die romanischen Literaturen des Mittelalters, 1928, S. 15). Philipp August Becker charakterisiert den Verfasser als eine „Persönlichkeit von individuellem Gepräge mit der unleugbaren Gabe, die im Erzählungsstoff hegende Stimmung mit schlichten Mitteln rein und voll herauszuarbeit e n " (Zeitschr. f. franz. Sprache und Lit. Bd. 56, 1932, S. 264). Die in Vers und Strophenform liegenden Neuerungen beurteilt derselbe Literarhistoriker als einen „beachtenswerten Akt schöpferischer Initiative" (ebda S. 266). Was Komposition und Stil der Dichtung betrifft, so kommt E. R. Curtius auf Grund einer formalen Analyse des Denkmals zu folgender Zusammenfassung: „Das Alexiuslied .zeigt in seinem ganzen Umfang eine gleichmäßige bewußte und beherrschte Kunstübung. Es ist das Werk eines schöpferischen Dichters von hoher Begabung und gelehrter Bildung . . . Es ist die einheitlich gebaute und wohlabgewogene Komposition eines gelehrten Kunstdichters." (Zs. f. rom. Phil., Bd. 56, 1936, S. 135). Eine neuere Analyse betont die Mittelstellung zwischen hagiographischer Dichtung und chanson de geste, die „sich letztlich aus der Spannung zwischen dem gelehrten Dichter und seinen volkstümlichen Intentionen . . . erklärt" (R. Baehr in Festschrift Rohlfs, 1968, S. 184, 197). Der Yerfasser. — Der Verfasser der Dichtung ist uns nicht bekannt. Schon Gaston Paris hat den Gedanken erwogen, ob jener Kanonikus von Rouen Tetbald von Vernon, der um 1050 lateinische Heiligenleben in französischen Versen bearbeitet haben soll, nicht auch als Verfasser der Alexiusdichtung angesehen werden könne. Von ihm heißt es in einer Notiz der „Acta Sanctorum": „MvAta gesta sanctorum a sua latinitate transtulit atque in communis linguae uswm satis facunde refud.it, ac sie ad quandam tinnuli rhythmi similitudinem urbanas ex Ulis cantilenas edidit" (G. Paris, La vie de saint Alexis, 1872, 43f.). Eine sichere Bestätigung für diese Vermutung hat sich bisher nicht erbringen lassen. Die Hypothese verliert an WahrXII
scheinlichkeit, wenn die Dichtung erst um 1100 entstanden sein sollte, wofür neuere Forschung plädieren möchte. 1 Die Quelle der Dichtung. — Dem französischen Dichter hat als Grundlage für seine Komposition eine lateinische „Vita" gedient. Die der französischen Dichtung nächststehende Fassung scheint der lateinische Text zu sein, der von den Bollandisten in den „Acta Sanctorum" (17. Juli, IV, 251—253) abgedruckt ist 2 ). Neben dieser Fassung gibt es andere lateinische Versionen mit mehr oder weniger abweichenden Erzählungselementen (s. S. X X V ) . Alle lateinischen Bearbeitungen gehen zurück auf ältere Fassungen der Legende in syrischer oder griechischer Sprache 3 ). Jedenfalls weist die Entstehung der Legende deutlich in den Orient. Der sehr herbe asketische Gehalt und das besondere Frömmigkeitsideal der Alexiuslegende trägt eindeutig orientalische Züge. Auch die geographische Lokalisierung der Erzählung (Lalice = Laodicea, Alsis = *) Eine andere Hypothese, vertreten von Otto Pacht (The St. Albans Psalter, London 1960, S. 143—144), nach der die Handschrift L als Originaltext anzusehen sei und die Verfasserschaft einem zur Abtei St. Albans (nö. von London) gehörenden Geistlichen Geoffiroy de Maine (um 1120) zugewiesen wird, hat wenig Überzeugungskraft; s. Baehr (S. XXI), S. 178. s ) Das Urteil von Wend. Foerster über den Quellenwert dieser „Vita" war anfänglich ganz negativ, vgl. in den älteren Auflagen (1—4) des „Altfranzösischen Übungsbuches": „Die Vita ist für die Textkonstitution wertlos und wurde daher hier nicht abgedruckt." In dem Stereotypdruck der späteren Ausgaben wurde dieses Urteil durch folgende Formulierung ersetzt: „Die Vita ist für den Wortlaut wertlos, aber wichtig für seine Komposition." 3 ) Auf die verwickelte Geschichte der Legendenüberlieferung kann hier nicht eingegangen werden. Man vergleiche dazu S. Massmann, 8. Alexius Leben (Quedlinburg 1843), M. F. Blau, Zur Alexiuslegende (Germania 1888), A. Amiaud, La ISgende syriaque de Saint Alexia (Bibl. Ecole dee Hautes Etudes, fasc. 79, Paris 1889), Marg. Rosier, Die Fassungen der Alexiushgende (Wien-Leipzig 1905). Neuerdings hat M a r g a r e t e Rosier (Alexiusprobleme, in Zs. f. rom. Philol., Bd. 53, S. 508ff.) auf eine griechische Fassung hingewiesen, die der verlorenen Originallegende sehr nahe gestanden haben dürfte. XIII
Edessa) läßt vermuten, daß die Legende im griechischsyrischen Kulturbereich entstanden ist. Weitere Anhaltspunkte legen den Gedanken nahe, daß in der ältesten Form der Legende die Heimatstadt des Alexius nicht das italische Rom, sondern Ostrom gewesen ist. Erst nachdem die Legende in das Abendland gelangt war, erfolgte die Verknüpfung mit der Papststadt. Der Alexiusstoff gehört also nicht zu jenen Heiligenlegenden, deren dichterische Ausschmückung durch den Heiligenkult selbst hervorgerufen worden ist (ζ. B. sainte Eulalia, saint L6ger, saint Brandan, saint Patrice, saint Edmont, saint Gilles). In der Tat hat der heilige Alexius nirgends in Frankreich ein Zentrum der Verehrung gefunden. Während in anderen Fällen die HeiligenVerehrung in vielen Ortsnamen einen äußerlich sichtbaren Niederschlag erkennen läßt (Sainte-Eulalie, Saint-Liger), gibt es in Frankreich keinen Ort, der sich Saint-Alexis nennt. Und selbst in Italien ist die Zahl der Ortschaften, die mit dem Namen Sant' Alessio auf einen wirklichen Kult dieses Heiligen schließen lassen, sehr spärlich. Eine dieser örtlichkeiten liegt in der Lombardei (Prov. Pavia), eine in der Toskana (Prov. Lucca), während drei Träger dieses Heiligennamens dem einst byzantinischen Italien angehören (Corsica, Calabrien, Sizilien). Die poetische Bearbeitung der Legende ist also rein literarischen Ursprungs. Die Handschriften. — Die altfranzösische Dichtung ist in folgenden Handschriften überliefert: L = aus England stammend, früher im Besitz der englischen Benediktiner des Klosters Lamspringe (bei Hildesheim), jetzt Eigentum der Pfarrgemeinde der St. Godehardikirche in Hildesheim. Die beste und vollständigste Handschrift, um 1150 geschrieben. Zeigt viele Elemente archaischer Sprache, gilt aber heute nicht mehr als absolut autoritativ. Enthält gegenüber der zu vermutenden Originalfassung interpolierte Zutaten.1) Wurde zum erstenmal von dem Göttinger Ger') Vgl. die in anderen Handschriften fehlenden Strophen 108— 110, die in L im Ablauf der fortgeführten Erzählung (hier jedoch eindeutig als Schluß gestaltet) einen unmotivierten Einschub darstellen.
XIV
A =
Ρ =
V =
S =
Μ=
Q -
manisten Wilhelm Müller veröffentlicht in der „Zs. für deutsches Altertum" (Bd. 5, 1845, S. 299—318). aus der Bibliothek von Lord Ashburnham nach Paris gelangt, in der Bibl. Nat.; aus dem 12. Jahrhundert. Ein zweiter Schreiber hat versucht, die Assonanzen durch Rasur und Korrektur in Reime umzuwandeln. Jüngere Sprache. Reicht nur bis Strophe 110, die hier den Abschluß der Dichtung bildet. Es fehlen Str. 51,52,62,84,87,91 und 108; in vielen Strophen fehlen einzelne Verse. — Siehe dazu H. Sckommodau, in unserer Bibliographie S. XXIII. Handschrift in Paris (Bibl. Nat. 19525), aus dem 13. Jahrhundert. Es fehlen die Strophen 108, 110,111,112, 113, 119, 123—124 und von anderen Strophen einzelne Verse. Ist zuverlässiger als Α und steht dem Typus L näher. — Zu diesem Typus gehört eine Fragment-Handschrift (P2), die nur Strophe 1—35 umfaßt (Manchester). Handschrift im Vatikan, erst 1925 durch Mercati entdeckt. Aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts, also vermutlich älter als L. Gewisse Einzelheiten weisen auf eine bessere Überlieferung. Viele Merkmale eines älteren und dialektalen Sprachzustandes. Frühere Zuweisung in wallonisches Gebiet (Rajna) hat sich nicht bestätigt. Umsichtige moderne Analyse der Sprachformen läßt eher an burgundische oder frankoprovenzalische Abhängigkeit denken (Stimm): meire, ploreir, parleirent, arberge, altes = kaltes, fenne =• femme, munere (v. 534), avem, sore (ν. 488), oure (ν. 490). Die Handschrift bietet nur die Strophen 86—125, ohne Strophe 87, 108, 109, 110. Einige Strophen haben eine andere Anordnung als in L. Handschrift in Paris, 13. Jahrhundert; der ursprüngliche Text durch viele Einschübe bedeutend erweitert, mit Ersatz der fünfzeiligen Strophe durch längere assonierende Laiseen. Umfaßt 1356 Verse. in zwei Redaktionen bekannt (Μ1, M8), die eine in Paris, die andere in Carlisle, aus dem 13.—14. Jahrhundert. Beruht auf dem erweiterten Text der Handschriftenfamilie S. Besteht aus 123 Laiseen mit zusammen 1278 Versen. Die Assonanzen sind durch Reime ersetzt. eine in mehreren Handschriften überlieferte jüngere Neubearbeitung der Dichtung aus dem 14. Jahrhundert, in der die ungleichmäßigen Laissen durch einreimige vierzeilige XV
Strophen ersetzt sind. Der Text ist so stark verändert, daß er für die alte Überlieferung unberücksichtigt bleiben kann.
Die Handschriften L, Α und Ρ sind getreu nach dem Original in vergleichender Zusammenstellung abgedruckt im Altfranz. Übungsbuch von Foerster-Koschwitz, S. 99—162. Handschrift V wurde von Pio Rajna in Arch. Rom. vol. XIII, S. 5—10 veröffentlicht. Eine Wiedergabe von S, M 1 und Q findet man bei G. Paris, La vie de Saint Alexis (Paris 1872); M2 ist abgedruckt in der Romania, tome XVII; Ρ 2 , ebendort, tome XLIX. Von einer Stammbaumkonstruktion sehen wir ab im Hinblick auf die Widersinnigkeit eines solchen Versuches; s. Rajna, Arch. Rom. X I I I , S. 34fr. 1 ). Herstellung der Ausgabe. — Der hier vorgelegte Text ist bestrebt, der Handschrift L soweit zu folgen, als die hier gebotenen Lesarten inhaltlich und sprachlich vertretbar sind. Die Abweichungen von L stützen sich auf Lesarten, die von Ρ, Α und V geboten werden. Alle Abweichungen werden durch Anführung der verschiedenen Lesarten begründet; auch andere Lesarten, die für die Interpretation von Bedeutung sein können, wurden mitgeteilt. Eine schwierige Frage war, wieweit die ζ. T. sehr eigenartigen Schreibgewohnheiten von L beibehalten werden sollten. Der Herausgeber hat versucht, einen Mittelweg einzuschlagen, der die Schreibungen von L möglichst wenig antastet, indem er nur das für Übungszwecke Ungewöhnliche beseitigt. Um den Text lesbarer zu machen, sind folgende Abweichungen von der Handschrift vorgenommen worden: 1. Das an Stelle von ie häufig auftretende e ist zu [ije ergänzt worden: s\i\ecle, l[i]ede, m[i]elz, pech[i]et2). ') Manches spricht dafür, daß VAPS einer Überlieferungsfamilie angehören, während in L der letzte Vertreter einer anderen Gruppe zu sehen ist; s. Lausberg, Archiv für das Studium der neueren Sprachen, Bd. 194, 1957, S. 144. 2 ) Entsprechend dem Brauch anglonormannischer Schreiber, die zwischen dem Impf, ert und dem Fut. iert ziemlich scharf
XVI
2. Das an Stelle von ue (oe) häufig auftretende ο ist zu o[e] ergänzt worden: vo[e]lent, do[e]ls, po[e]t, o[e]il. 3. Das mit dem Werte eines reduzierten e auftretende α1), ζ. Β. anema 544, cambra 55, pulcela 41, cuntretha 20, tuta 20, medra 101, pedra 101, belament 48, lavadures (261), aname 410, sameine 291, na Ii 236, 355, ist durch e ersetzt worden: aneme, belement, lavedures, ne Ii. Die Handschrift L schreibt in 6 Fällen pedra, in 17 Fällen pedre, vgl. noch pulcela (sechsmal) neben pulcele (einmal), aname (fünfmal), anema (einmal), aneme (einmal). 4. Das in umgekehrter Schreibung statt α auftretende e, ζ. B. le clamor 221, le cartre 348, le barbe 406, le medra 236, esmeriz 352, wurde durch α ersetzt: la clamor, la medre usw. 5. Das vereinzelt statt ei (
η
1 1©
Text 1 ) 1 Bo[e]ns f a t Ii s[i]ecles al tens ancienur, Quer feit i ert e justise ed amur, S'i ert creance, dunt or(e) n'i at nul prut; Tut est muez, perdut ad sa colur: 6 Ja mais n'iert tel cum fut as anceisurs. 1 (F) Bons fut li siecles al tens ancienor, Quer feit i ert e justise et amor, S'i ert credance dont or n'i at nul prot; Tot est mudez perdude at sa color: Ja mais n'iert tels com fut as ancessors. 2 Al tens Noe ed al tens Abraham Ed al David, qui Deus par amat tant, Bo[e}ns f u t Ii s[i]ecles: ja mais n'[i]ert si vailant; V[i]elz est e frailes, tut s'en va[i]t declinant, ίο Si'st ampeir[i]et, tut bien vait remanant. 2 (L) Altens noe & altens abrahä & al david qui deus par amat tant Bons fut lisecles iamais nert siuailant Uelz est efrailes tut sen uat remanant Sist ampairet tut bien uait remanant. 3 Puis icel tens que Deus nus vint salver, Noetre anoeisur ourent cristientet, 1 or AP 4 perdut L, perdue PS 9 remanant L, declinant AP 10 empiriez A, emperiez P, ampeiret L i) ρ = Text von W. Foereter in der Auegabe von Rosier (1928); in < > Leearten von G. Paris (1885); L, Ρ, A, V, S, Μ = Text dieser Handschriften (β. S. 4ff.). — Eckige Klammer [ ] bedeutet Ergänzung, runde Klammer () bedeutet Tilgung. 1
Si fut un sire de Borne la citet; Ric[h]es hom fad, de grant nobilitet. is Pur(h)o[e]o vus di: d'un so[e]n filz vo[e]il parier. 3 (F) Puis icel tens que Deus nos vint salver, Nostre ancessor ourent orestientet, Si fut uns sire de Rome la citet; Riches om fut, de grant nobilitet: Por 90I vos di d'un suenfilvuel (yueit) parier. 4 [E]ufemlen si out a num li pedre, Go[e]ns fut de Rome des m[i]elz ki dune i eret, Sur tuz see pers l'amat li emperere. Dune prist muiler vailant(e) ed honurede, 20 Des m[i]elz gentile de tute la cuntrethe. 4 (F) Eufemiens si out a (finai out} nom li pedre, Cuens fut de Rome, del mielz qui dono i eret, Sor toz see pers l'amat li emperedre. Done prist moillier, vaillant et onorede, Dee mielz gentils de tote la oontrede. 5 Puis converserent ansemble longement; N'ourent amfant, peiset lur en forment. Deu en apelent andui parfitement: „E! reis celeste, par ton cumandement 25 Amfant nus done ki seit a tun talent I" 5 (F) Puis converserent ensemble longement; N'ourent enfant, peiset lor en forment Damnedeu. Tut sun ave[i]r qu'od sei en ad portet, Tut le depart, que g[i]ens ne l'en remest. Larges almosnee par Alsie la oitet Dunet as povrea u qu'il les pout trover: Pur nul ave[i]r ne volt estre ancumbret. 19 (F) Tot son aveir qu'od sei en at portet, Tot le depart, que giens ne l'en remest. Larges almosnes par Alsis la citet Donat ae povres ou qu'il les pout trover; Por nul aveir ne volt (volet) estre encombrez. Quant sun ave[i]r lur ad tot departit, Entre les povres se sist danz Alexis. Refut l'almosne quant Deus la Ii tramist; Tant an retint dunt ses core puet guarir; Se lui 'n remaint, si 1' rent as poverins. 20 (F) Quant son aveir lor at tot departit, Entre les povres se sist danz Alexis. Rejut l'almosne quant Deus la li tramist; Tant en retient dont ses oors puet guarir; Se lui 'n remaint, sil rent as poverins. Or revendrai al pedre ed a la medre Ed a la spuse qui sole fu remese. Quant il fo sourent qued il fuld s'en eret, Qo fut granz do[e]la quet il en demenerent Ε granz deplainz par tute la oontrede.
92—93 die zweiten Halbverse vertauscht nach AP 102 zweiter Halbvera nach P, qued il out espusethe L 103—105 die zweiten Halbverae nach A, mit falschen Assonanzen in L 103 qued il fud ei alöt L 104 quet il unt demerit L 105 par tuta la citiet L
β
22
no
23
us 24
120 26
126 26
21 (F) Or revendrai al pedre et a la medre E t a l'espose (la spose> qui sole fut remese. Quant il ςο sourent qued il foiz s'en eret, ζ)ο fut granz duels qued il en demenerent Ε granz deplainz par tote la contrede. Qo dist Ii pedres: „Ch[i]er filz, cum t'ai perdut!" Respont la medre: „Lassei qu(ed) est devenut?" Qo dist la spuse: ,,Pech[i]et le m'at tolut! E ! ch[i]ers amis, si pou vus ai oüt! Or sui si graime que ne puis estre plus." 22 (A) Ce dist Ii pere chier filz cum tai perduz Respunt la mere lasse que est deuenuz Ce diet lespuse peche le ma toluz Amis bei sire si poi uus ai euz Or sui si greime qe ne puis estre plus Dune prent Ii pedre de se[s] meilurs serjanz,' Par multes terres fait querre sun amfant, Jusque an Alsis en vindrent dui errant. Ilo[e]c truverent danz Alexis sedant, Mais ne conurent sum vis ne sum semblant. Des! at li emfes sa tendre c[h]arn mudede! Ne Γ reconurent li dui serjant sum pedre; A lui medisme unt 1'almosne dunethe; II la re9(e)ut cume li altre frere. Ne Γ reconurent, sempres s'en returnerent. Ne l'reconurent ne ne 1'ont anterciet. Danz Alexis an lothet Deu del ciel D'icez so[e]ns sers qui il est almosn[i]ers; II fut lur sire, or est lur provend[i]ers, Ne vus sai dire cum il s'en firet liez. Cil s'en repairent a Borne la citet, Nuncent al pedre que ne 1' pourent truver.
112 plusurs terres A, maint pais Ρ 116 Si out P, Dont ot S, Vers fehlt in A 123—124 die Α seonanzwörter ausgetauscht nach AP, 123 prouenders L, 124 almoenera L 123—124 Aesonamwörter vertauscht nach AP 126 fiet APS 7
Set il fut graim ne l'esto[e]t demander. La bone medre e'em prist a dementer 130 Ε sun k[i]er filz suvent a regreter: 27 „Filz Ale[x]is! pur quei [t'] portat ta medre? Tu m'ies fuit, dolente an sui remese. Ne sai le leu ne n'en sai la contrede U t'alge querre, tute en sui esguarethel 185 Ja mais n'ierc l[i]ede, k[i]ers filz, ne l'[i]ert tun pedre." 28 Vint en la c[h]ambre, pleine de marrement, Si la despe(i)ret que n'i remest nlent; N'i remest palie ne neül ornement. A tel tristur aturnat sun talent, 140 Unc(hes) puis eel di ne s(e) contint l[i]edement. 29 „C[h]ambre", dist ele, „ja mais n'estras parede, Ne ja ledece n' [i]ert an tei demenede!" Si l'at destruite cum se l'ait (h)ost (de)predethe. Sas i fait pendre, curtines deramedes. 146 Sa grant honur a grant do[e]l ad (a)turnede. 29 (P) Chambre dist ele iamais ne serez paree Ne iames leece nert en tei demenee Si la destruite cum sei leust pree Sacs i fait tendre e cinces deramees Sa grant honor a grant dolor est tornee 30 Del duel s'asist la medre jus(qu)a terre, Si fist la spuse danz Alexis a certes. „Dame", dist ele, „jo i ai si grant perte! Ore vivrai an guise de turtrele, 160 Qant n'ai tun filz, ansembl' ot tei vo[e]il estre." 31 ζ!ο di[t] la medre: ,,Se a mei te vo[e]ls tenir Si t ' guarderai pur amur Alexis. Ja n'avras mal dunt te puisse guarir. 128 dolent A, dolenz Ρ 135 nul ert L 143 cumdis lait L, cum sei Ρ, preee AP 144 cinces deramees AP 146 la mere jus a Ρ 149 Des ore A, Dee or Ρ 161 Respunt la mere se od mei A, Respunt la mere so mei Ρ 8
Plainums ansemble le doel de nostre ami, iss Tu (de) tun seinur, jo 1' f[e]rai por mun filz." 31 (Δ) Respunt la mere se od mei te uos tenir Si te guarderai pur amur alexia l a nauras mal dunt te puisse guarir Plainum ensemble le duel de fire ami Tu pur tun sire e ie pur mun chier filz 32 Ne poet estre altre, turnent el cons irrer, Mais la dolur ne po[e]thent ublier. — Danz Alexis en Alsis la citet Sert sun seinur par bone volentet. ιβο Ses enemis ne 1' poe[i]t anganer. 32 (F) Ne puet altre estre, tornent al consirrer, Mais la dolor ne puedent oblider. Banz Alexis en Alsis la citet Sert son seinor par bone volentet: Ses enemis nel podeit (jmet one) enganer. 33 Die e se(a)t anz, n'en fut ment a dire, Penat sun cors el Damne Deu servise. Pur amist[i]et ne d'ami ne d'amie Ne pur honurs ki l'en fussent tramisefs], ιβδ N'en volt turner tant cum il ad a vivre. 33 (F) Dia e set anz, n'en fu neent a dire, Penat son core el Damnedeu servise. Por amistiet ne d'ami ne d'amie Ne por onors qui l'en (lui) fussent tramises N'en volt (vueU) torner tant com il at a vivre. 34 Quant tut sun quo[e]r en ad si afermet, Que ja, sum vo[e]il, n'istrat de la cit(i)ed, Deus fist l'imagine pur sue amur parier Al servitor ki serveit al alter; 170 Qo Ii cumandet: „Apele l'ume Deu!" 156 tu pur tun sire A, tu por tun seignor Ρ 166 altre estre AP, metent al eoneirer Ρ 166 si atorne P, si aturne A 9
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34 (F) Qant tot son euer en at si afermet (atornet) Que ja eon vuel n'istrat