Römische Geschichte: Berichtigte Ausgabe in einem Bande [Reprint 2023 ed.] 9783112695449, 9783112695432


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Table of contents :
Vorwort
Vorwort des Herausgebers
Vorreden Niebuhrs zu der ersten Ausgabe
Vorreden Niebuhrs zu späteren Ausgaben
Vorrede von J. Classen
Verzeichniß der Hauptstücke
Erster Theil
Einleitung
Das alte Italien
Vorgeschichte Roms
Rom
Zweyter Theil
Einleitung
Der latinische Staat
Der Bund mit den Latinern
Von den Colonien
Die Isopolitie und das Municipium
Ueber das Recht der Latiner
Der Bund mit den Hernikern
Die Kriege mit Volskern und Aequern, bis zum Ende des vejentischen
Das Statthalteramt
Die innern Fehden der Patricier
Vom gemeinen Feld und dessen Nuzung
Die Landanweisungen vor Sp. Cassius
Sp. Cassius Ackergesez und Tod
Die sieben Consulate der Fabier
Der vejentische Krieg
Innere Geschichte vom Untergang der Fabier bis zur ersten Pest
Die Sage von Coriolanus
Die Kriege gegen Volsker und Aequer, bis zum Frieden von 295
Der äquische Krieg bis zum Decemvirat
Landplagen und Phänomene
Innere Geschichte der elf Jahre vor dem Decemvirat
Die ersten Decemvirn, und ihre Geseze
Das zweyte Decemvirat
Das erste Jahr der hergestellten Freyheit
Die innern Bewegungen bis zur Verfassung von 311
Das konsularische Militärtribunal
Die Censur
Innere Geschichte von 311 bis auf den lezten vejentischen Krieg
Ueber den Sold
Die Kriege bis zum lezten vejentischen
Der lezte vejentische Krieg
Die übrigen Kriege bis zum gallischen
Fernere innere Geschichte bis zum gallischen Krieg
Physische Geschichte von 305 bis 365
Von den Celten und ihrer Einwanderung in Italien
Der gallische Krieg, und die Einnahme Roms
Ueber das Olympiadenjahr der Einnahme Roms
Rom nach der Räumung
Die Kriege bis zur Reform von 384
Innere Geschichte bis zum Jahr 374
Anhang. Ueber die römische Eintheilung des Landeigenthums, und die Limitation
Dritter Theil
Die Licinischen Rogationen
Die neuen kurulischen Würden des Jahrs 384
Innere Geschichte bis zur völligen Befestigung des plebejischen Consulats
Ueber den Unzialzinsfuß
Kriegsgeschichte von 384 bis 406
Rom im Bund mit Latium
Die erste Ordnung der Manipularlegion
Der erste samnitische Krieg
Der latinische Krieg
Die Geseze des Dictators Q. Publilius
Innere Geschichte bis auf den caudinischen Frieden
Alexander von Epirus
Aeußere Verhältnisse bis zum zweyten samnitischen Kriege
Der zweyte samnitische Krieg
Verhältnisse zu den an Samnium gränzenden Völkern nach dem Frieden
Die etruskischen Kriege bis zum Anfang des dritten samnitischen
Innere Geschichte vom caudinischen Frieden bis zum dritten samnitischen Krieg
Cn. Flavius
Die Censur des Q. Fabius und P.Decius
Das Ogulnische Gesez
Verschiedenes aus demselben Zeitraum
Der dritte samnitische und die gleichzeitigen Kriege
Innere Geschichte vom Anfang des dritten samnitischen Kriegs, bis zum lukanischen
Verschiedenes aus demselben Zeitraum
Der etruskische und gallische Krieg
Der lukanische, bruttische, vierte samnitische und tarentinische Krieg
Epirus und Pyrrhus
Die römische und makedonische Taktik
Der Krieg des Pyrrhus
Italiens gänzliche Unterwerfung, und das Recht der italischen Genossen
Innere Geschichte und Verschiedenes aus dem Zeitraum vom lukanischen Kriege bis zum ersten punischen
Anhang. Der erste punische Krieg
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Römische Geschichte: Berichtigte Ausgabe in einem Bande [Reprint 2023 ed.]
 9783112695449, 9783112695432

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Römische Geschichte von

B. G. Niebuhr Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

Berichtigte Ausgabe in einem Bande.

Fünfte Auflage des ersten Theils.

Vierte Auflage des zweyten Theils.

Dritte Auflage des dritten Theils.

Berlin, Druck und Verlag von Georg Reimer.

1853.

Seiner Majestät

Friedrich Wilhelm dem Dritten König von Preußen,

meinem allergnädigsten Herrn

in tiefster Untertänigkeit gewidmet.

vXtne Geschichte Roms, in Hellen und großen Umrissen, frey von störender Mannichfaltigkeit, mit lebendiger Wahrheit dar­

gestellt, dürfte sich nicht weniger würdig achten die Aufmerksam­

keit eines Fürsten zu beschäftigen als tief eindringende und um­ fassende Nicht so

Schilderungen

der

wichtigsten

Epochen

kritische Untersuchungen dunkler

neuerer Zeit.

Zeiten des grauen

Alterthums, nicht so ein Werk welches, indem es nahe herantritt

um das Einzelne zu betrachten, selten die Standpunkte einnehmen kann vor denen sich jene reichen und großen Uebersichten aus­ breiten.

Aber Dankbarkeit giebt Muth, und in diesem Gefühl wagte

ich es Eurer Königlichen Majestät gnädige Erlaubniß für die Zueignung dieses Werks zu erbitten.

Eurer Königlichen Majestät Huld gewährte mir die glücklichste Muße: sie gewährte mir zu Rom einheimisch zu wer-

den: und beyde Universitäten, — Berlin, deren Eröffnung mich

veranlaßte das Werk zu unternehmen, und die rheinische, welcher frey verbunden anzugehören

mein Stolz ist,

— sind Eurer

Königlichen Majestät edle Schöpfungen.

So

verdankt

diese

Geschichte

ihr Daseyn dem gnädigen

König, dem ich sie, mit Gefühlen, treu wie die eines eingebornen Unterthans, und mit lebhafter Vergegenwärtignng jeder Gnade

widme, womit Eure Königliche Majestät mich ausgezeich­

net haben.

Vorwort des Herausgebers der berichtigten Ausgabe in einem Bande. Da eine neue Auflage aller drey Bände von Niebuhrs Römischer Geschichte nothwendig geworden war, haben der Unterzeichnete wie der Verleger es für ihre

Pflicht gehalten, dieselbe so einzurichten, daß sie auch Unbemittelteren zugänglich wird. Niebuhr selbst hat immer den Gedanken gehegt, dermaleinst eine wohlfeile Ausgabe

zu veranstalten.

Um einen solchen geringen Preis möglich zu machen, mußten nun

die drey Theile in einen Band zusammengedrängt, und ein kleinerer Druck gewählt

werden.

Die daraus hervorgehende Unbequemlichkeit wird sich gern gefallen lassen,

wer bedenkt, daß nur so möglich war, dem Buche die Verbreitung zu geben, die

einem Werke dieser Art gebührt.

Ein ernsterer Nachtheil würde gewesen seyn, wenn

durch die Veränderung der Seitenzahlen das Aufsuchen von Citaten aus den älte­

ren Ausgaben erschwert worden wäre.

Diesem Nachtheile ist vollständig begegnet,

indem die Seitenzahlen der älteren Ausgaben lezter Redaction (3. deö 1. Theils, 2. des 2. Theils, 1. des 3. Theils) am Rande beygefügt, die Zahl des Theils an der inneren Spize der Columnen aufgeführt ist*).

Eiue weitere Erleichterung des

Nachschlagens hat der Herausgeber durch Beyfügung fortlaufender ins Einzelne ge­

hender Columnentitel zu gewähren versucht.

Eine bey der Eigenthümlichkeit des

Buches nicht leichte Arbeit, die darum aus nachsichtige Beurtheilung Anspruch macht. Auch im Register konnten bey der vorerwähnten Einrichtung die Seitenzahlen

der alten "Ausgaben stehen bleiben.

Es sind aber die beyden Register (das abgeson­

dert erschienene Register zum 1. und 2. Theile, und das dem 3. Theile angehängte Register zu diesem) in eines verarbeitet worden.

Nicht im Aeußeren allein, und durch die Beyfügung der Columnentitel unter­

scheidet sich diese neue Auflage von den bisherigen. In Niebuhrs Hand-Exemplar

der

3. Ausgabe des ersten Theils und der

2. Ausgabe des zweyten Theils findet sich am Rande eine Anzahl Verbesserungen

und Redactions-Aenderungen von seiner Hand **). Zwar sind diese Verbesserungen

*) In den Verweisungen auf Stellen des VuchcS in den Anmerkungen ist die Seitenzahl der alten Ausgabe in die der gegenwärtigen Ausgabe verändert worden. Dies ist gegen die Ab­ sicht des Herausgebers durch den Corrcctor geschehen. Wegen seiner Entfernung vom Druck­ ort hat aber der Herausgeber diesen Uebelstand so spät bemerkt, daß cs besser schien, nun die Veränderung auch vollständig durchzuführen. **) Solche Randverbesserungen finden sich : im 1. Theil S. 51, 79,223, 234, 258, 277, 348, 350, 357, 373, 468, 469, 543, 570, 628, 629, 648: im 2. Theil S. 390, 568.

VIII von geringer Bedeutung; indessen dursten sie doch bey einer neuen Gesammt-Aus­ lage — vielleicht der lezten — nicht versäumt werden, und sind sämmtlich dieser

Ausgabe zugefügt. Das ganze Werk aber ist durchweg von Neuem durchgesehen und der dritte Theil

mit dem Manuscript verglichen worden; in lezterem sind die fehlenden Citate fast sämmtlich ergänzt und berichtigt, die Citirungsart mit der in den ersten Bänden, namentlich für Dionysius, Strabo und Zonaras in Einklang gebracht, und manche

sonstige kleine Berichtigung vorgenommen, namentlich auch unentdeckte Druckfehler

der 1. Ausgabe nach dem Manuscript beseitigt.

Wie auch in den ersten beyden

Bänden einige Druckfehler verbessert sind.

An solchen Stellen, wo Niebuhrs Vorträge über Römische Geschichte*) seine

jüngste Ansicht über einen zweifelhaften Gegenstand enthalten, oder sonst zu wesent­ licher Erläuterung und Ergänzung dunklerer Stellen dienen können, ist auf dieselben verwiesen worden.

Eine vollständige Parallelisirung erschien nicht angemessen: zu

einem gründlichen Studium von Niebuhrs Geschichte

möchte aber nicht allein das

Studium der Vorträge über Römische Geschichte, sondern auch derjenigen über Alte Geschichte**) und Länder- und Völker-Kunde***), sowie der jezt in Bearbeitung

begriffenen über Römische Alterthümer f), unerläßlich seyn. An einigen Orten schien der Abdruck von citirten Stellen aus kleineren Schrif­

ten Niebuhrs nothwendig, da diese in die beyden Bände der Sammlung derselben nicht ausgenommen worden sind.

Aus der ersten Ausgabe sind die Vorreden zum ersten wie zum zweyten Theile

früher geäußerten Wünschen gemäß in diese Ausgabe ausgenommen ff) Alle Zusäze, Berichtigungen u. s. w. sind als solche sichtbar bezeichnet.

Hierzu

mußten nach Umständen verschiedene Zeichen angewandt werden, worüber hier wir nur bemerken wollen, daß „Anm. d. Her.» und das Zeichen *) allemal — auch im 3. Theile — Anmerkungen deö Unterzeichneten zur neuen gegenwärtigen Ausgabe

bezeichnet.

„H.-Ex." bedeutet Niebuhrs oben angeführtes Hand-Exemplar.

So kann diese neue wohlfeile Ausgabe wohl unter der Bezeichnung „Berich­ tigte Ausgabe" in die Welt gehen, wenn auch die Berichtigungen und Ergän­ zungen keinen Anspruch auf Bedeutung haben.

Charlottenburg, im April 1853.

Marcus Niebuhr. *) Herausgegeben von Dr. Jsler, Berlin, bey G. Reimer.

3 Bände. 1846 —1848.

**) Herausgegeben von Marcus Niebuhr, Berlin, bey G. Reimer.

***) Herausgegeben von Dr. Jsler, Berlin, bey G. Reimer. t) Herausgegeben von Dr. Jsler.

3 Bände. 1847 — 1851.

1 Band.

1 851.

*h) Ein anderes selbständiges Stück aus der ersten Ausgabe des zweyten Theils, der Auffaz über die Agrimensoren, ist in der 2. Sammlung der Kleinen Schriften, Bonn, bey E. Weber, 1 843 wieder abgedruckt.

Vorreden Niebuhrs zu der ersten Ausgabe.

Vorrede zum ersten Theile, Erste Ausgabe.

Dieser Theil einer römischen Geschichte, und ein zweyter welcher ihm bald folgen, wird, sind aus Vorlesungen

der hiesigen Universität hielt.

entstanden, die ich im verflossenen Winter aus

Sie wurden ohne einen Gedanken an eine allgemeinere

Publicität als die des öffentlichen Vortrags begonnen: als ich mich zur Heraus­

gabe entschloß, war es anfänglich meine Absicht sie unter einem Titel erscheinen zu lassen, der von ihrer ursprünglichen Entstehung hergenommen war, und dies ist

vorläufig angezeigt worden.

Es zeigte sich aber, daß die Veränderung und Erwei­

terung ihrer Bestimmung eine durchgängige Umarbeitung nothwendig machte, und so verlor der anfangs erwählte Titel seine Wahrheit, und mußte,

obgleich durch

Anspruchslosigkeit empfohlen, gegen einen andern vertauscht werden, unter dem das

Werk mit der ganzen Schwierigkeit einen großen Namen zu behaupten hervortritt. Daher hat sich am Anfang

des Eingangs eine Andeutung des entworfnen Um­

fangs dieser Geschichte erhalten, welcher nur für die Vorlesungen gilt.

Diese ist

eö allerdings mein Vorsaz bis zu dem Zeitpunkt fortzuführen, wo das Mittelalter zu Rom völlig eintritt, und die lezten glimmenden Funken des Alterthums ver­

löschen:

nicht so die Bearbeitung als

historische Schrift.

Vergönnt es mir das

Schicksal diese zu vollenden, so wird sie aufhören wo Gibbons Geschichte beginnt, welche eine neue Bearbeitung zuverlässig sehr entbehrlich und verwegen macht.

Was

diesem Werk für den ferneren Zeitraum fehlt und fehlen durfte, können, ohne die Anmaaßung

eines Wetteifers, Abhandlungen über Verfassung, Verwaltung und

ähnliche Gegenstände ersezen.

Zu abgesonderten Abhandlungen würden vielleicht nach der Meisten Urtheil, auch viele der in die Geschichte der ältesten Zeit, welche in den beyden ersten Bän­

den enthalten ist, episodisch verflochtenen Untersuchungen sich besser geschickt haben.

Der Verdruß eine angelegte Arbeit aufzulösen und gänzlich umzubilden, kann, wenn er auch verzeihlich ist, den Schriftsteller nicht rechtfertigen das Zweckmäßigere ver­

säumt zu haben.

Hätte ich aber auch, ohne daß dieser Verdruß zu bekämpfen ge­

wesen wäre, mit vollständigen Vorarbeiten, die Ausführung des Werks von Anfang beginnen können, so würde ich dennoch geglaubt haben, den Plan vorziehen zu

müssen, welcher sich jezt fast unwillkürlich gebildet und erhalten hat.

Die entschei­

denden Gründe sind an einer Stelle dieses Werks selbst angedeutet; vielleicht ist es hier noch eigentlicher der gebührende Ort sie vorzutragen.

X Die Geschichte der vier ersten Jahrhunderte Roms ist anerkannt ungewiß und

verfälscht.

Es wäre sehr thöricht deswegen Livius zu tadeln, daß er sie dennoch,

wenig Zweifel ausgenommen, als reinhistorisch dargestellt hat: die Vortrefflichkeit seiner Erzählung macht seine Rechtfertigung, und auch in dieser Hinsicht war es

sehr richtig ihn mit Herodot zu vergleichen.

Wir aber haben eine andre Ansicht

der Historie, andre Forderungen: und wir müssen es entweder nicht unternehmen

die älteste Geschichte Roms zu schreiben, oder eine ganz andre Arbeit unternehmen als eine, nothwendig mißlingende, Nacherzählung dessen, was der römische Historiker zum Glanben der Geschichte erhob.

Wir müssen uns bemühen Gedicht und Ver­

fälschung zu scheiden, und den Blick anstrengen um die Züge der Wahrheit, befreit

von jenen Uebertünchungen, zu erkennen.

Jenes, die Trennung der Fabel, die Zer­

störung des Betrugs, mag dem Kritiker genügen: er will nur eine täuschende Ge­

schichte enthüllen, und er ist zufrieden einzelne Vermuthungen auszustellen, während

der größre Theil des Ganzen in Trümmern bleibt. Der Historiker aber bedarf Positives: er muß wenigstens mit Wahrscheinlichkeit

Zusammenhang, und eine glaublichere Erzählung an der Stelle derjenigen entdecken, welche er seiner Ueberzeugung ausopfert.

Trennt er nun von seinem Werk die

Untersuchungen wodurch er glaubt Schatten der untergegangnen Zeiten hervorge­

rufen zu haben, so muß er entweder dem Gebrauch ihrer Resultate entsagen, oder er läuft Gefahr den Schein zu tragen,

anmaaßend und

verwegen für historische

Wahrheit auszngeben, was nur Hypothese oder schwankende Möglichkeit sey: eine

theure Buße für höhere Concinnität der allgemeinen Abfassung. Die Begebenheiten der Geschichte sezen die Verfassung und Grundgeseze als

Ethos der Nation voraus: ihre Kunde ist aber für die alten Zeiten noch dunkler und verworrener als jene verfälscht sind. Vielleicht ist es möglich, über ihre Wahr­ heit zu einer weit stärkern Helle zu gelangen als, im Allgemeinen, über die Ge­ schichte im engern Sinn: was aber nur durch Combinationen gefolgert, wäre eS

auch selbst erwiesen, werden kann, darf wenigstens erst dann als historisch, ohne

ausführlichen Beweis, erscheinen, wenn es schon einmal allgemeine Aufnahme, und Bestätigung durch vielfach

übereinstimmende Ueberzeugung

gewonnen hat, welche

allerdings so gut wie neue Beweisstellen eine verstärkte Beglaubigung ist.

Auch diese werden Verschiedene verschieden behandeln: ebenso eines Andern Ar­ beit

und

Verfahren beurtheilen.

Manchen mag

es nothwendig scheinen sich auf

Sammlungen der verstümmelten Fragmente alter Nachrichten zu beschränken, ohne

eine Auflösung ihrer Räthsel zu versuchen: dem Trieb zu widerstehen durch An­ strengung des Blicks die Form des Ganzen zu errathen dem sie angehörten.

Eine

solche leblose Zusammenstellung ist aber ganz nuzlos: und doch hätte nur der wel­ cher sich völlig bey ihr beruhigt ein Recht den Versuch zu tadeln, Sinn und Zu­

sammenhang zu entdecken wo er unfehlbar einst war, und vielleicht aus einzelnen Spuren entdeckt werden kann, wenn auch der Erfolg der Bestrebungen zweifelhaft

scheint: jeder Andere kann nicht fordern daß die Gränze welche er sich selbst zieht

oder für sich gelten läßt, allgemein verbindlich seyn solle.

Neuere Bearbeitungen der römischen Geschichte habe ich weder bey früherm

Studium noch während des Fortgangs der Vorlesungen benuzt: dieses hat der hi­ storischen Ausarbeitung die Versuchung zu Controversen erspart, welche die Beschaffen­

heit des Werks nicht duldete, und die an sich der Wissenschaft wenig fruchten, besser durch möglichst vollständige Untersuchung ersezt werden: ist die aufgestellte Meynung

als wahr oder als die wahrscheinlichste erwiesen, so bedarf es keiner namentlichen Widerlegung des Gegentheils. Wo aber, und dieses ist mit Beauforts kritischer Ab­ handlung allerdings der Fall, gleiche Prüfung gleiche Resultate gewährt hat, war doch Vie bestimmte Erwähnung des Andern theils unmöglich, theils überflüssig. Denn ich las sie erst als dieser Theil schon weit im Druck vorgerückt war, und für das

übrige, so wie für den nächsten Band war die Uebereinstimmung ohne eine mittel­ bare oder unmittelbare Benuzung ganz unabhängig entstanden; so daß mir jener mehr Gewährsmann als Vorgänger gewesen war. Nicht früher als jenes gehaltvolle Werk kam Levesque's Geschichte in meine Hände. Beauforts Untersuchungen und Zweifel sind hier ausgenommen; wenn man diese absondert, werden sich, ausgenommen in der Vermuthung des etruskischen Ur­ sprungs der Stadt, wenige Punkte finden wo unsre Ansichten über die verborgene Wahrheit der alten Geschichte zusammenträfen. Micalis Geschichte des alten I.aliens hat meine Wünsche so wenig erfüllt als die Vortheile benuzt wodurch ein italienischer Geschichtsforscher alle Transalpiner von

der Mitbewerbung abschrecken könnte.

Doch muß

man ihm für seinen Atlas

Dank wissen. Ein Werk, welches mehr Anspruch macht ein gelehrtes zu seyn als ein Kunst­ werk, darf eine schonende Beurtheilung der Sprache und Darstellung fordern. Auch einem Meister möchte es schwer geworden seyn die Schwerfälligkeit weitläuftiger Untersuchungen zu heben, und die zusammengebrachten starren Theile frey zu be­ handeln. Ungleichheiten der Orthographie und Interpunction, wovon dieser Band keineswegs frey ist, sind an sich Unwesentlichkeiten, die nur das durch die Regel­ mäßigkeit der gedruckten Werke gewöhnte Auge beleidigen, den Alten sehr gering­ fügig erschienen. Eine aufmerksame und unbefangene Erwägung und Prüfung des Inhaltes darf der fordern, welcher sich bewußt ist daß er Wahrheit suchte, ohne alle Parthey und Polemik schrieb. Es giebt eine Begeisterung die von der Gegenwart und dem Umgang geliebter

Personen ausgeht: eine unmittelbare Einwirkung wodurch sich uns die Musen offen­ baren, Lust und Kraft wecken, und den Blick erhellen; der ich in meinem ganzen Leben das Beste, was ich war, verdankte. So verdanke ich es den Freunden in deren Mitte ich zu lange aufgegebenen oder schwach gehegten Studien zurückkehrte, wenn es mit Erfolg geschehen ist. Dafür segne ich das geliebte Andenken meines verewigten Spalding: dafür gestattet mir Euch öffentlich Dank zu sagen, Savigny, Buttmann und Heindorf, ohne welche und unsern Hingeschiedenen Freund

ich mich wohl nie zu diesem Werk ermuntert gefühlt hätte, ohne deren liebende Theilnahme und belebende Gegenwart es schwerlich ausgeführt wäre.

Vorrede zum zweyten Theile, Erste Ausgabe. Die Geschichte des anderthalbhundertjährigen Kampfs zwischen Patriciern und Plebejern, aus dem zuerst in den zwölf Tafeln gleiches bürgerliches Recht, dann

eine gleiche Theilung der höchsten Gewalt hervorging; die der allmählichen Aushil-

XII düng der Verfassung während dieses Zeitraums, und Untersuchungen über wichtige Theile des römischen Staatsrechts, worüber meistens ganz falsche, wenigstens ver­ worrene Vorstellungen angenommen sind, machen in einem ungleich überwiegenden Verhältniß, im Umfang wie in der Wichtigkeit, den bedeutenderen Inhalt deö gegen­ wärtigen Bandes aus. Bey dem römischen Geschichtschreiber herrscht ein ganz anderes Verhältniß zwi­

schen diesem Theil der Geschichte und dem der Kriege, und eben so verschieden von

den meinigen sind die Ansichten nach denen seine Darstellungen gefaßt sind.

Jene

Verschiedenheit des EbenmaaßeS entschuldige ich nicht: jeder muß sie billigen der in jedem Zeitraum daS eigenthümlich Wichtigste, nicht in allen nur eine einzige Art

der Gegenstände sucht, und einräumt, daß die Untersuchungen nicht entbehrlich sind: über die zweyte habe ich mich wiederholt im Laufe der Abhandlung gerechtfertigt und muß es dennoch nicht für überflüssig halten auch hier an ihrem Eingänge einige

Worte für den ernsten und berufenen-Milforscher zu sagen.

Es wäre um die Geschichte gethan, und ein sonst großer Geschichtschreiber, der nicht zugleich das unbestochene Gemüth und den tiesdringenden Blick des ThukydideS

und PolybiuS hätte, wäre ein wahrer Unheilbringer für das Andenken der vergan­ genen Zeiten, wenn seine Ansicht den nachfolgenden Geschlechtern Geseze vorschreiben

dürste.

Die freye und immer rege Prüfung die allen Wissenschaften allein das Le­

ben erhalten kann, darf der Geschichte nicht fehlen.

Unter dem Druck eines gegen­

wärtigen Uebels, wie im Rausch deS FactionsgeisteS, verbreiten sich ost höchst unge­

rechte Urtheile, und bemächtigen sich auch sehr tüchtiger Geister. den Knechten der Mode und der Lüge,

Nicht zu reden von

unbehülslichen literarischen Gauklern und

Springern, wie stark auch dies Unkraut in Deutschland wuchert. Wenn aber unter jenen Männern, die wir ehren, einzelne die päpstliche Hierarchie lobpreisen, Luther

und Gustav Adolph schmähen, werden wir uns irre machen lassen, und nicht mit

der Wahrheit des Geschehenen ihr Urtheil von unserm Gemüthe abwenden? Ueber den Rhetor Dionysius als kritischen oder urtheilenden Historiker zu re­ den lohnt eS der Mühe gar nicht.

Livius als Autorität der Ansicht darf ich schon

wegen der Inconsequenz und der Widersprüche verwerfen, welche in dieser Geschichte so oft gerügt sind.

Für ächt kann in der ältern Geschichte Roms nur der kürzeste Begriff der

Vorfälle selbst gelten: jede Ausführlichkeit ist verdächtig: die beurtheilende Erzählung das Werk einer späten, dem Alterthum ganz fremd gewordenen Zeit.

Und wie

fremd! Sallust ist im Urtheil und im Verständniß der Geschichte ohne Vergleich

über Livius, wie wenig aber auch er nur einen Begriff davon hatte worin die in­

nere Geschichte der alten Zeit von der des Jahrhunderts seiner Väter und seiner Jugend verschieden und gar nicht mit ihr zu vergleichen war, muß jedem klar wer­

den, der ihn aufmerksam liest.

Wie Livius durch die Täuschung gleichlautender

Worte die mit den Jahrhunderten einen ganz andern Sinn angenommen hatten und den Zauber der Factionsnamen irre geleitet ward, erklärt sich sehr leicht. In der neuern Geschichte ist eö nicht schwer, unser Urtheil unabhängig zu er­

halten: gleichzeitige Zeugen reden noch mit tausend Zungen, jedem vernehmlich der

sie hören will.

In den griechischen hat nur Xenophon verfälscht.

Auch über die

römische können wir nicht irren. Ich nehme die einzelnen Begebenheiten: den Mord

deS Genucius: die beschüzten Gewaltthätigkeiten der frechen Jugend: Appius den

Decemvir, und die Patricier seiner Zeit: den Wuchergräuel: den Bruch jedes Ver-

trags, die Verweigerung einer Armee an den plebejischen Dictator als das Vater­ land bedroht war: eine ganze Reihe von Thaten in demselben Geist; — und ihnen

stelle ich der Plebejer Ruhe, Gelassenheit und Gesezlichkeit entgegen, die auch nicht

durch eine einzige Beschuldigung angetastet wird. Darum halte mich Niemand der lächerlichen Meynung fähig, die Stände RomS,

wie sie verschiednen Nationalursprungs waren, wären, der eine ein niederes und gottloses, der andere ein höheres und tugendhaftes Geschlecht gewesen, und ich be­

hauptete diesen Vorrang für die Plebejer. Wohl aber bewährt es sich in dieser Geschichte, wie in der aller spätern, auch

der gepriesensten, Aristokratieen, daß die Herrschaft eines Standes — unter der Monarchie ist sie unmöglich — nothwendig argwöhnisch, ungerecht und unedel ist,

und ihn selbst, weit mehr als die Unterthanen, verderbt.

So wird hingegen auch

dieser Geschichte Fortgang bewähren, daß abgesondert bestehende Stände zur Fort­ dauer einer Republik, oder einer gemischten Verfassung, nothwendig sind: denn nur

festgegründete Schranken können, bey der wenigen Fähigkeit welche die Menschen zu

allen Zeiten gehabt haben Freyheit zu ertragen, das Zerstörende ihrer Bewegungen ausheben.

So war anfänglich die Opposition der Plebs heilsam: das Gleichgewicht beyder Stände war die Vollkommenheit; als sie zusammenflossen verlor alle Haltung.

die Verfassung

Vorreden Niebuhrs zu späteren Ausgaben.

Vorrede zum ersten Theile, Zweyte Ausgabe. Die römische Geschichte ward, während der Leyden ersten Jahrhunderte nach

der Herstellung der Litteratur, mit der nämlichen Unterwerfung des Geistes und

Urtheils unter den überlieferten geschriebenen Buchstaben, und der nämlichen Be­ schränkung auf seinen Umfang bearbeitet, welche in allen übrigen Disciplinen herrsch­ ten.

Der Anspruch die

Glaublichkeit der

alten

Schriftsteller, den Werth ihrer

Zeugnisse, prüfen zu wollen, würde alö ruchlose Vermessenheit entsezt haben: die

Ausgabe war, was sie meldeten, troz aller Evidenz, zu vereinigen; höchstens ward für einen einzelnen Fall, so leise als möglich, und ohne weitere Folgen, einer dem andern nachgesezt.

Hin und wieder durchbrach wohl ein freygeborner Geist diese

Schranken, wie Glareanus; unfehlbar aber ward alsdann Verdammniß über ihn gerufen: auch waren es nicht die Gelehrtesten; und die einzelnen Kühnheiten waren

allerdings inconsequent.

Männer von glänzender Fähigkeit und dem reichsten Wissen

fügten sich auch hier in die Beschränktheit; durch sie entstand and unzähligen zer­

streuten Einzelnheiten, was die erhaltene alte Litteratur nicht, in ein Werk vereinigt,

darbot, — die Kunde der römischen Alterthümer; was sie darin leisteten ist bewundernswerth.

Und das genügt zu ihrem unvergänglichen Ruhm; denn wer es

tadeln wollte, daß sie nicht unabhängiger von ihrem Zeitalter waren, der verkennt

unser allgemeines Looö, von dem nur Lieblinge der Götter frey sind, und dieses Glück meistens mit Verfolgungen büßen. — Für die Geschichte im engern Sinn

entstand hingegen wenig: leblose Sammlungen über die Zeiten, wo Livius Geschicht-

bücher fehlen, oder einzelne Anmerkungen ohne Resultate. Um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts begann für die Philologie ein

Mittelzustand zwischen dem Zeitraum ihrer früheren ausschließenden Größe, welche

daö, was sie so werden konnte, erreicht hatte, also abstarb, — und einer neuen, rei­ cheren, und umfassenderen, welche sie der Ausbildung der übrigen Wissenschaften

verdanken sollte, die sie nun eine Zeitlang verdunkelten: alle Mittelzustände sind un­ behaglich und gedrückt.

Bentley und wenige andre, welche theils die neue Zeit

schufen, theils die alte Wissenschaft bewahrten, Zeitgenossen.

standen als Heroen unter kleinen

In dem siebzehnten Jahrhundert gingen allgemein der Geist und die

Wissenschaft aus der Unmündigkeit hervor: es lehrten große Männer das Antliz

der Dinge anschauen und mit freyer Brust erforschen: in den Büchern, bisher der

Gelehrten ganzer Welt, nur Bilder eines nicht unmittelbar zugänglichen Theils des

Lebendigen erblicken: eigenen Sinn, eigene Vernunft, eigenes Urtheil in Allem ge­ brauchen: auch auf die römische Geschichte dehnte sich die junge Freyheit aus. Ohne

Zweifel verdanken wir dem allgemeinen regen Leben seiner lezten Decennien die erste Schrift welche, wie Einzelnes die Fülle, im Allgemeinen prüft, was diese Geschichte

sey und seyn könne.

Dies sind Perizonius meisterhafte Forschungen;

ein Werk

welches, wie andre genialische, unübertroffen klassisch in der Art ist worin es das erste war.

Athmet nun aber hier der erwachte allgemeine Geist der Zeit, so war

es hinwieder auch der Zeit weit vorausgeeilt; und Bayle, der zwölf Jahre später das Widersprechende und Undenkbare einiger weniger Theile der ältesten römischen

Geschichte darlegte, benuzt und beachtet es gar nicht: auch Beausort thut es nicht, dessen einiger Zweck doch dasjenige war, was Bayle unter tausend ähnlichen nur einige Stunden lang ins Auge faßte.

Beaufort ist geistreich und belesen, wenn auch kein Philolog: ein Paar Ab­ schnitte sind sehr gut und genügend ausgesührt, wie hingegen andre sehr schwach und flüchtig.

Bayle ist durchaus und entschieden sein Meister: Skepticismus die

Seele seines Werks: er will nur verneinen und zerstören: und möchte er einmal herstellen, so entsteht etwas Flaches und Unhaltbares.

Doch hat sich der Einfluß pnd

Rus seines Buchs außerordentlich verbreitet: denn die römische Geschichte wae fast ganz der Aufmerksamkeit und Pflege der Philologen entwichen, und vorzüglich be­ schäftigten sich mit ihr, aber wie mit jeder andern, geistreiche Weltleuhe, für die sie

damals auch von mehreren, ohne Ansprüche und Absicht aus Gelehrsamkeit und For­

schung, geschrieben ward. Wer von diesen die früheren Jahrhunderte nicht, als ge­ ringfügig, ganz übersah, den befriedigten jene Untersuchungen daß er sie völlig auf­ gab.

Gibbons Geschichte, auch für den Philologen ein herrliches Meisterwerk, berührt

diese Regionen nicht. Gegen den Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts erwachte für unsre Nation

wieder ein neues Zeitalter.

Das Oberflächliche befriedigte nirgends: halbverstandene

leere Worte galten nicht mehr: aber auch das Zerstören, worin sich die vergangene Zeit, gehäßig gegen lange Usurpation, gefallen hatte, genügte nicht länger: wir strebten nach Bestimmtheit, nach positiver Einsicht, wie die Vorfahren: aber nach

einer wahren, anstatt der vernichteten wahnhaften.

Wir hatten nun eine Litteratur,

die unsrer Nation und Sprache würdig war; wir hatten Lessing und Göthe; und

diese Litteratur umfaßte, was keine gethan hatte, einen grossen Theil der griechischen und römischen, nicht nachgebildet, sondern zum zweytenmal geschaffen.

Das verdankt

Deutschland Voß, den „der Enkel Kind und Enkel" als Wohlthäter preisen muß: von dem eine neue Aera des Verständnisses des Alterthums anhebt, indem er, was

die Klassiker voraussezen, wie ihre Vorstellungen von ihren Göttern und der Erde, wie ihr Leben und Hauswesen, ays ihnen selbst zu entdecken wußte: der Homer und

Virgil so verstand und auslegte, als wären sie nur im Raum von uns entfernte

Zeitgenossen.

Sein Vorgang würkte auf viele;

auf mich,

vom Kindesalter her,

auch die persönliche Ermunterung des väterlichen Gastfreunds.

Hatte eine frühere Zeit sich mit alter Geschichte begnügt wie mancher Land­

charten, oder gezeichnete Landschaften, als selbständig betrachtet: nicht einmal ver­ sucht aus ihnen als nothdürftigen Mitteln das Bild der Gegenstände vor seine Seele zu rufen: so vermochte sie nun nicht mehr zu genügen, wenn sie sich nicht an Klar­

heit und Bestimmtheit neben die der Gegenwart stellen konnte.

Und es war eine

Zssit, in der wir Unerhörtes und Unglaubliches erlebten: eine Zeit welche die Auf-

XVI merksamkeit auf viele vergessene und abgelebte Ordnungen durch deren Zusammen­ sturz hinzog; und unsere Seelen durch die Gefahren mit deren Dräuen wir ver­ traut wurden, wie durch die leidenschaftlich erhöhte Anhänglichkeit an Landesherrn und Vaterland, stark machte. Zu der Zeit war die Philologie in Deutschland schon zu der Blüthe gediehen, deren unser Volk sich nun rühmen kann. Sie erkannte ihren Beruf, als Vermitt­ lerin der Ewigkeit, den Genuß durch Jahrtausende fortdauernder Identität mit den

edelsten und vortrefflichsten Völkern des Alterthums zu gewähren, indem sie uns durch Grammatik und Historie mit ihren Geisteswerken und ihrer Geschichte so ver­ traut macht, als ob keine Kluft von ihnen trennte. So war, wenn auch lange der griechischen Litteratur fast ausschließende Gunst zugewandt blieb, die kritische Behandlung der römischen Geschichte, die Entdeckung der verkannten Formen, eine Frucht der vorbereitenden Zeit: und eine Fülle gün­ stiger Umstände vereinigten sich sie zu fördern. Es war eine sehr schöne Zeit, die der Eröffnung der Universität Berlin: — und die Begeisterung und Seligkeit worin die Monden verflossen, da, als Vorlesungen und Ausarbeitung, entstand, was die ersten Bände dieser Geschichte umfassen; — diese genossen, und 1813 erlebt zu haben, das schon allein macht das Leben eines Mannes, bey manchen trüben Erfahrungen, zu einem glücklichen. In dieser Freudigkeit schloß sich der Sinn manches alten Räthsels auf, aber noch mehrere wurden übersehen; in vielem irrte ich; noch mehreres blieb unzu­ sammenhängend und unvollständig erwiesen. Denn mein Wissen war das ungenü­ gende eines Autodidakten, der bisher den Geschäften nur Nebenstunden entzogen

hatte: und ich hatte das Ziel erreicht wie ein Nachtwandler der auf der Zinne schreitet. Diese Mängel, die übereilte Abfassung des ersten Theils, welche wieder­ holte Berichtigungen in der Folge des Werks selbst erfordert hatte, — daß diese eine

überwiegend wohlwollende Aufnahme nicht hinderten, das zeigt daß Vergegenwärti­ gung der römischen Geschichte der Zeit angemessen war: ja es scheint mir klar daß die unsrige einen unmittelbaren Berus der Vorsehung zu dieser Erforschung darin erkennen kann, daß, seitdem sie begonnen, innerhalb elf Jahren, durch die Bekannt­ machung des Lydus, Gaius und der ciceronischen Republik, drey neue reiche Quel­ len eröffnet sind: da vorher Jahrhunderte verflossen waren ohne Vermehrung unsrer

Erkenntnißmittel. Die Mängel meines Buchs waren mir mitnichten verborgen: was Beurtheiler angriffen waren eben die Schwächen nicht, sondern oft das Allerrichtigste. — Daran daß ich sie erkannte, und die neuen Entdeckungen benuzen wollte, stockte vornämlich die Fortsezung: denn ihr mußte die Umarbeitung des ersten Theils vorausgehen. Ich lebte aber inzwischen in Italien, und lebte $K- Rom zu sehr im Schauen und Wahrnehmen um mit Lust in Büchern zu arbeiten: auch glaubte ich daö einst ge­ nossene Glück nicht entbehren zu können, wo im Gespräch mit Savigny der ent­ scheidende Punkt licht hervortrat, und es mir so leicht war manches zu erfragen, so belebend den nur noch halb erschienenen Gedanken zu vollenden und zu prüfen.

Zurückgekehrt nach Deutschland entwarf ich den dritten Band, — die Umbildung des ersten, die Vervollkommnung des zweyten, vorbereitend. Diese Umarbeitung, wobey Vollständigkeit der Beweise und Lösungen mein Ziel war, erforderte sehr weitläuftige Arbeiten; wie aber Arbeit durch erhöhtes Leben leicht wird, so ward diese am meisten durch die Vorträge über die römischen Alter-

thümer im verflossenen Winter gefördert.

Was Pyrrhus seinen Epiroten sagte, „ihr

seyd meine Schwingen," das fühlt der eifrige Lehrer von Zuhörern die er liebt, und die mit ganzer Seele an seinen Reden Theil nehmen.

Nicht nur das Bestre­

ben ihnen klar zu seyn, ihnen nichts was zweifelhaft seyn könnte als Wahrheit mit-

zutheilen, beschleunigt die Forschungen: der Anblick ihrer Versammlung, die persön­

liche Beziehung zu ihnen, wecken tausend Gedanken mitten in der Rede.

Und wie

ganz anders schreibt man, was vorher aus dem ersten Gedanken lebendig aus der

Brust geredet ward!

Ein Nachtheil ist freylich damit verbunden: Hefte kommen

weit umher, arglose Mittheilungen und dadurch Mißbrauch können Statt finden;

und so Plagiate: aber wer dazu versucht seyn möchte, würde doch wohl erwägen daß es hundert gegen eins gilt, er entgeht der Ueberführung nicht: und auf allen

Fall muß man leidlichen Nachtheil um großen Gewinns halber hinnehmen.

Das Werk, welches ich hiermit dem Publikum übergebe, ist, wie der erste Blick zeigt, ein ganz neues, worin kaum einzelne Stücke des früheren wieder einverleibt

sind.

Es wäre ungleich leichter gewesen den Grundriß der ersten Ausgabe zu be­

halten; ich beschloß die weit schwerere Arbeit als die zweckmäßigere, wodurch Ein­

heit und Harmonie entstand.

Das Ganze ist jezt, dieser Band mit dem vervoll­

kommneten zweyten und den folgenden, das Werk eines reifen Mannes:

dessen

Kräfte schwinden können, aber dessen Ueberzeugungen durch und durch begründet, seine Ansichten unveränderlich find: und so wünsche ich daß man die frühere Aus­ gabe als ein Iugendwerk gegen diese achte.

Oft sind Wohlwollende zärtlicher als

wir selbst: und vielleicht ist es einem oder dem andern leid daß manches zerstört oder verschwunden ist: wohl habe ich mehr als

einmal das alte Gebäude mit zö­

gernder Hand zerworfen; aber was sich auf falsch befundene Annahmen bezog, durfte nicht bleiben; noch, durch Wendungen, von dem Schein daraus entstanden zu seyn befreyt, erhalten werden. Die Fortsezung bis an das nun näher gesezte Ziel darf ich, wenn auch lang­

sam, so Gott will und ferner Segen giebt, sicher verheißen.

Es ist das Werk mei­

nes Lebens; welches meinen Namen, des väterlichen nicht unwürdig, erhalten soll: ich werde es nicht läßig aufgeben.

Die Vergegenwärtigung andrer Zeiten bringt sie der Theilnahme und dem Ge­

fühl des Geschichtschreibers um so näher, je größere Begebenheiten er mit zerrisse­ nem oder

freudigem Herzen

erlebte.

Er

fühlt über Recht

und Ungerechtigkeit,

Weisheit und Thorheit, die Erscheinung und den Untergang des Herrlichen, wie

ein Mitlebender: und so bewegt reden seine Lippen darüber, obwohl „Hekuba dem

Schauspieler nichts ist."

Möchte

eö erkannt werden

daß die vollkommenste Be­

stimmtheit dieser Anschaulichkeit die Gewalt dunkler Ideen und vieldeutiger Worte zerstört: hindert, daß ein bethörtes Gefühl aus ganz andern Zeiten übertrage was

jezt völlig unanwendbar ist: hindert, um des Dichters Gleichniß zu behalten, daß sich Thoren zu irrenden Rittern aufwerfen, um Hekubas Leiden zu rächen.

Wer,

wenn er hierüber erinnert ist, dies verkennt, der ist unredlich, od.er wenigstens sehr einfältig. — Von den Grnndsäzen der politischen Beurtheilung in meinem Werk ist

kein einziger, der sich nicht bey Montesquieu oder Burke fände: und das Sprich­ wort genügt: quien hace aplicaciones, con su pan sc lo coma. Ich weihe diese Vorrede mit den Worten, welche vor fünfzehn Jahren die der ersten Ausgabe schlossen: ihre Wiederholung „bringt die Bilder froher Tage mit

sich, und liebe Schatten steigen auf." Niebuhr, Röm. Gesch.

B

XVIII „Es giebt eine Begeisterung, die von der Gegenwart und dem Umgang ge­

liebter Personen auögeht: eine unmittelbare Einwirkung, wodurch sich uns die Musen offenbaren, Lust und Kraft wecken, und den Blick erhellen: der ich in meinem gan­

zen Leben das Beste was ich war verdankte. So verdanke ich es den Freunden, in

deren Mitte ich zu lange aufgegebenen oder schwach gehegten Studien zurückkehrte, wenn es mit Erfolg geschehen ist.

Dafür segne ich das geliebte Andenken meines

verewigten Spalding: dafür gestattet mir Euch öffentlich Dank zu sagen, Savigny, Buttmann und Heindorf, ohne welche und unsern Hingeschiedenen Freund ich mich wohl nie zu diesem Werk ermuntert gefühlt hätte, ohne deren liebende Theilnahme und belebende Gegenwart es schwerlich ausgeführt wäre." Bonn, den 8. December 1826.

Vorrede zur dritten Auflage des Ersten Theiles. Diese neue Auflage konmlt wider Absicht und Erwarten der Herausgabe des

zweyten Theils zuvor, welche

durch mancherley Hindernisse um ein volles Jahr

länger als ich geglaubt hätte verschoben ist.

Denn wiewohl Forschungen und Ent­

wurf weit gefördert worden, so müssen doch Vollendung und Herausgabe bis nach

der Reise anstehen, wodurch ich während dieses Sommers Erfrischung und Erholung zu gewinnen zuversichtlich hoffe.

Die gegenwärtige lezte Bearbeitung hat keines von

den in der vorhergehenden mit Bestimmtheit gegebenen Resultaten aufgehoben; son­

dern, neben vielen einzelnen Zusäzen, neue hinzugefügt, welche die vorher gewon­

nenen vollenden; mancher Ansicht festere Entschiedenheit, oft der Darstellung und dem Ausdruck größere Klarheit gegeben: für die Folge gewährt sie den Vortheil

einer ganz vollständigen Grundfeste, worauf jene ohne Anbau und Stüzen aufge­ führt werden kann.

Bonn, den 9. April 1828.

[5)ie Seitenzahlen im Dionysius sind die der Sylburgischen Ausgabe, Zonaras ist nach der von Hier. Wolf angeführt.)

Vorrede zur zweyten Auflage des zweyten Theiles. Dieser Theil erscheint drey Jahre später als ich bey der Vollendung des um­ gearbeiteten ersten für ausgemacht hielt: und wer damals beachtete daß in der Vor­

rede die bevorstehende Ausgabe nur als eine „vervollkommte" der früheren bezeichnet ward, hat sicher nichts weniger als so lange Verzögerung erwartet. Wohlwollenden,

die sie getadelt haben, muß ich hier erklären wie es so gekommen ist. Gegen den Inhalt des zweyten Theils hatte ich, seitdem die Fortsezung unter­

brochen war, in einem ganz andern Verhältniß gestanden als zu dem des ersten.

Dieser hörte nie ans mich zu beschäftigen: jede erworbene Kunde über ursprüngliche Institutionen anderer Völker vereinigte sich mit den darin begonnenen Untersuchun­ gen über verwandte römische; sehr vieles mit der Anschauung von Rom und Ita­ lien: der zweyte, welcher nur Einzelnheiten der römischen Zustände und Rechte be­ trifft, nie durch solche Veranlassungen zurückgerufen, war mir fremd geworden. Indessen wußte ich sehr wohl daß die darin enthaltenen Abhandlungen ohne Ver­ gleich gereifter und vollendeter waren als die im ersten Theil: an ihnen, vornämlich an der über das agrarische Recht, deren Untersuchungen durchgeführt waren ehe der Gedanke die römische Geschichte zn bearbeiten erregt ward, war nichts zu berichti­ gen, wenig hinzuzufügen. Andre Untersuchungen, die eingeschaltet werden sollten, waren freylich noch nicht für den Druck niedergeschrieben, doch aber zum Theil, wie die über Municipium und Isopolitie schon zu Rom, entworfen; der Inhalt von allen wiederholt mündlich vorgetragen. So blieb die historische Erzählung übrig, von der ich als sicher annahm, es sey unmöglich zn größerer Bestimmtheit 311

gelangen als sie in der ersten Ausgabe hatte; und so war es zum wenigsten nuzlos auf Ereignisse von so kleinem Maaßstab mehr Sorgfalt und Ausführlichkeit zu verwenden. Nach dieser Ansicht konnte eine vervollkommte Bearbeitung freylich in einigen Monaten geschaffen werden: aber bald ward es klar daß die Kritik, der Skepsis zum Troz, eine sichre und glaubhafte Geschichte seit dem Anfang dieses Zeitraums her­

stellen und behaupten könne; und dann lohnte es der Mühe mit höchster Sorgfalt jede Einzelnheit zu erforschen; eben hier nicht zu übergehen was in einer Zeit größe­

rer Ereignisse als geringfügig ausgeschlossen werden muß. Eben so ließ sich er­ kennen daß es gelingen werde die Veränderungen der Verfassung Schritt vor Schritt zu entdecken. Unter begünstigenden Umständen hätte auch dies Unternehmen rasch ausgeführt werden können, wie manche Forschungen im ersten Theil: aber diesen hatte ich in einer Erschöpfung geschlossen welche Folge der während sechszehn Mo­ naten, bis aus sehr wenige einzelne Tage, ohne einige Unterbrechung fortgesezten Anstrengung aller, auf jenen einzigen Gegenstand gerichteten, Seelenkräfte war. Iezt erblindete das Gesicht indem es leidenschaftlich das Dunkel zu überwinden strebte; und, wenn nicht ein vorläufiges Werk entstehen sollte, welches früher oder später durch eine völlige Umarbeitung ersezt werden mußte, so war es nöthig abznwarten was die Zeit allmählich brachte; die auch nicht karg war, und, obwohl langsam,

Entdeckung zu Entdeckung treten ließ. Aber verschweigen darf ich auch nicht, daß, aus jener eigentlich dem Rausch eines Ueberwachten verwandten Ermüdung, das allerlebhafteste Bedürfniß einer abwechselnden Beschäftigung entstanden war, welches aus das, neben einem Berus wie diese Geschichtschreibung, unüberlegte Beginnen der Ausgabe der Byzantiner führte: wodurch, und durch andre höchst anstrengende Ge­ schäfte, namentlich die Ueberarbeitung des ersten Theils zur jüngsten Ausgabe, das Fortschreiten des zweymal umgebildeten Entwurfs sehr aufgehalten ward; und, da ich alles neben einander fortführen wollte, für eine Zeitlang Gesundheit, Heiterkeit

und Klarheit verschwanden. Endlich war ich von vielen Störungen los; viele waren überstanden: ich fühlte mich wieder frey und froh: Manuscript für die ersten Bogen war ausgearbeitet, und es sollte am folgenden Morgen an die Druckerey abgehen, als das Unglück, welches um Mitternacht mein Haus traf, dasselbe bis auf ein zufällig geborgenes Blatt vernichtete. Doch die Vorarbeiten waren erhalten, und mein Muth: sieben

B2

XX Wochen nach dem Unglück war das Verlorne hergestellt, ünd der Druck eingeleitet. In andern Zeilen würde diese Verzögerung ohne Einfluß auf die Ausarbeitung ge­

wesen seyn:

aber diese hatte erst zwey Drittheile erreicht als der Wahnwiz des

französischen

Hofs den Talisman

zerschlug welcher

den Dämon

der Revolution

gebunden hielt: das übrige ist geschrieben um das Begonnene pflichtgemäß nicht un­

vollendet zu lassen; mit stetem Abwehren der sich aufdrängenden kummervollen Sor­ gen über den für Vermögen, die liebsten Besizthümer, und jedes erfreuliche Ver­

hältniß drohenden Untergang.

Der erste Theil war in der heitersten Gegenwart

und ihrem dankbaren innigsten Genuß, in der vollkommensten Sorglosigkeit über die

Zukunft, geschrieben: jezt blicken wir vor uns in eine, wenn Gott nicht wunderbar hilft, bevorstehende Zerstörung, wie die römische Welt sie um die Mitte des dritten

Jahrhunderts unsrer Zeitrechnung erfuhr: auf Vernichtung des Wohlstands, der Freyheit, der Bildung, der Wissenschaft.

Wenn aber

auch Verwilderung lange

Jahre hindurch Musen und Gelehrsamkeit ganz verscheuchen sollte, so wird doch ein­

mal eine Zeit wiederkommen wo, anders freylich als im fünfzehnten Jahrhundert, die römische Geschichte aufs neue beachtet und geliebt werden wird.

Ohne den Ausbruch dieser entsezlichen Zeit würde ich, nach kurzer Erholung, zur Vollendung und Herausgabe des dritten Theils geeilt seyn; von dem, was noch in den Gränzen des zweyten der früheren Ausgabe liegt, entworfen ist, — das

fernere, bis zum ersten punischen Krieg, nur noch der lezten Hand bedarf.

uns einige Ruhe gewährt, so soll keine andre Beschäftigung dieser vorgehen.

Wird Jezt

ist mein nächstes Geschäft das Register zu diesen beyden Bänden fertig zu machen, welches abgesondert wird, um nicht in einem fortlaufenden Werk störend einzutreten. In dem gegenwärtigen Bande ist der Umfang der Erzählung noch immer un­

erheblich gegen die Abhandlungen: dieses Verhältniß ändert sich gänzlich schon in den ausgearbeiteten Theilen des folgenden, der bis an den hannibalischen Krieg füh­

ren sollte; und wie ich diese mit Liebe und Erhebung geschrieben, so freute ich mich, als dessen Vollendung sicher nahe schien, der ferneren Darstellung und Schilderung von Männern und Ereignißen.

So oft diese über irgend erhebliche Vorfälle mit

einigem Glauben möglich war, ist sie schon hier gegeben: aber Erzählungen die das Gepräge tragen nichts als Ausmahlung der Annalisten zu seyn, habe ich nie wieder­

holen mögen.

Das Bestreben meine entschiedene, gewissenhafte Ueberzeugung von

jedem Saz und jedem Gedanken dem Leser mitzutheilen, ist hier, wie in dem ersten

Band, das einzige Motiv meiner Darstellung und Behandlung. War es in bündi­ ger Kürze möglich, um so willkommner! und bis auf das Decemvirat gelang es

wohl ost schon durch Anführung einer einzelnen entscheidenden Stelle, zumal aus Dionysius: weiterhin, vornehmlich wo Livius allein erhalten, jede hülfreiche andre

Spur verloren ist, bedarf es für denselben Zweck manchmal einer Argumentation die, um nichts scheinbar willkührliches aufzustellen, um jedes Ansinnen auf geneigte

Zustimmung des Lesers auszuschließen, mitunter fast weitläufrig gerathen, und nicht

ohne alle Wiederholung bleiben kann. Bonn, den 5. Oktober 1830.

Vorrede von I. Classen zur ersten Ausgabe des dritten Theiles. Als Niebuhr mit wehmüthigen Gefühlen den zweyten Band seiner römischeil

Geschichte abschloß,

sehnte er

sich in jener denkwürdigen Vorrede

nach einiger

Vier Monate darauf

Ruhe, um zur Vollendung des dritten Theiles zu eilen.

ging er zur ewigen Ruhe ein, und hinterließ das Werk, das seinen Namen ver­

ewigt, in der Gestalt, welche er dort andentet: „was in den Gränzen des zweyten Theils der frühern Ausgabe lag, war entworfen, das fernere bis zum ersten punischen Krieg, bedurfte nur noch der lezten Hand."

sie zur Vollendung anzulegen.

Es war ihm nicht mehr vergönnt,

So blieb denn der: nächsten Vertrauten, welchen der

lezte Wille des Verewigten die Sorge für seine hinterlaßnen Papiere übertrug, nur die traurige Pflicht, jenes theure Vermächtnis; in seiner Reinheit zu bewahren, und

der Mit- und Nachwelt als die einzig mögliche Entschädigung für den unersezlichen Verlust der vollendeten römischen Geschichte zu übergeben.

Mir ist von jenen ver­

ehrten Personen der ehrenvolle Auftrag geworden, dem Geschäft der Herausgabe yyrzustehen.

Sie haben geglaubt, daß das höchste Glück meines Lebens, dem Ent­

schlafenen vier Jahre hindurch bis an seinen Tod mit Liebe und Ehrfurcht nahe ge­

standen zu haben, mich eines so großen Vertrauens würdig mache.

Wenn Liebe

und Verehrung gegen Niebuhrs Andenken zur Rechtfertigung desselben befähigten, so

dürfte ich hoffen, einigen Anspruch auf diese Fähigkeit zu besizen.

Allein wie konnte ich

mir verhehlen, daß ganz andre Eigenschaften hinzukommen mußten, um den Erfolg des Geschäftes zn verbürgen?

Daß ich dennoch die Verantwortung nicht gescheut

habe, dazu hat mich besonders die gütige Theilnahme des Herrn Professor Dr. Twesten,

der sich der Mühe unterzogen, das ganze Manuskript mit mir durchzugehen, und der hülfreiche Rath des Herrn Geh. Ober-Revisionsrath von Savigny ermuthigt, ohne dessen Zustimmung ich mir keinen Zweifel zu lösen erlaubt habe.

Vor Allem

aber minderten die Schwere der Verantwortung die einfachen Grundsäze des Ver­ fahrens, über welche ich mit beyden hochgeehrten Männern übereingekommen war:

Sorgfalt, Treue und Vollständigkeit waren die Geseze, welche das Geschäft des Ab­ drucks geleitet haben.

Von keiner

willkührlichen Verwendung

und Umgestaltung

bloßer Materialien konnte die Rede seyn: — wer hätte es wagen mögen, das von

Niebuhrs Hand begonnene Werk weiterzuführen? — sondern die Verpflichtung vor­ der Welt, von seiner römischen Geschichte alle Trümmer zu sammeln, und sie in

derjenigen Gestalt zum Gemeingut zu machen, welche die Ueberzeugung von ihrer

XXII unentstellten Aechtheit allen seinen Freunden und Verehrern theuer machen wird,

mußte selbst jeden Versuch fern halten, durch Glätten und Feilen den Schein der Vollendung hervorzubringen, welche nur von der Hand des Verfassers erwünscht seyn konnte.

Darum ist denn auch hier keine Rechenschaft von einer unternomme­

nen Bearbeitung abzulegen, sondern nur eine Nachweisung zu geben über die Zusammensezung des Ganzen, das seiner Natur nach aus verschiedenartigen Theilen

erwachsen mußte. Was hier zum dritten Theil der römischen Geschichte vereinigt dem Publikum

übergeben wird, ist Alles was aus dem Nachlaß deö Verewigten zur Bekanntmachung entnommen werden konnte: es ist durchaus Niebuhrs Arbeit, aus seiner Feder ge­

flossen, von seiner Handschrift mit gewissenhafter Treue wiedergegeben.

Aber es ist

das Werk von drey verschiedenen Perioden seines Lebens, welche in umgekehrtem

Verhältniß zu den Zeiträumen der darin behandelten Geschichte stehen.

Theil

ist

am

frühesten

geschrieben

und

nicht

wieder

überarbeitet:

Der lezte

der

erste,

welcher noch dem zweyten Bande der ersten Ausgabe angehört, ist mit diesem zu­

gleich, also kurz vor dem Tode des Verfassers genau durchgesehen, und vielfach um­ gestaltet.

Dieser, welcher die neun ersten Hauptstücke des gegenwärtigen Bandes

bis S. 173. umfaßt, ist abgedruckt aus dem Exemplar der frühern Auflage des

zweyten, welches Niebuhr mit außerordentlicher Mühe und Sorgfalt durchgearbeitet, und fast auf jeder Seite verbessert hatte: wo der enge Raum des gedruckten Blat­ tes die Aenderungen nicht faßte, da hatte er das Ganze neu entworfen und auf be­

sondere Blätter übertragen.

Auf dieselbe Weise war die Ueberarbeitung des ganzen

ersten und zweyten Bandes entstanden: wir könnten daher diesen ersten Theil unsers dritten nach der Absicht des Verfassers für vollendet halten, wenn nicht anzunehmen

wäre, daß er nach seiner Gewohnheit vor dem Abdruck noch mit eigner Hand eine Abschrift des Ganzer! genommen haben würde, in welcher natürlich noch die gerin­

geren Mängel und Ungleichheiten getilgt worden wären.

Ein Fall, wo diese lezte

Vollendung sichtlich entbehrt wird, ist auf S. 62. bemerklich gemacht.

So ist es

denn auch zu verstehen, wenrr Niebuhr in der Vorrede diesen Nest des frühern zwey­

ten Bandes nur entworfen nennt: er hätte ihn noch einmal durchgesehn und zu­ sammengeschrieben.

Aus einer ganz andern Quelle ist der lezte Abschnitt dieses Bandes gestossen:

der erste punische Krieg von S. 657. bis zum Schluß.

Er wird Allen uner­

wartet erscheinen, welche sich der Worte Niebuhrs in der Vorrede erinnern: „das fernere bis zum ersten puuischen Krieg bedarf nur noch der lezten Hand;„ und in diesem Ausdruck die Gränze bezeichnet sehen, bis zu welcher seine Vorarbeiten reichten. Ohne Zweifel war auch dies seine Meynung: seine ausgearbeitete Geschichte schließt

S. 656. mit dem Abschnitt: Innere Geschichte — bis zum ersten punischen Kriege: er selbst hätte hier von Neuem zu schreiben begonnen, wenn ihm die Fort-

sezung von der Vorsehung beschieden gewesen wäre.

Allein es fand sich unter den

hinterlassenen Papieren ein sorgfältig geschriebenes Heft, welches dem im Eingang ausgesprochenen Zweck gemäß zur Wiederaufuahme der im Jahr 1811 an der Ber­

liner Universität gehaltnen Vorlesungen über römische Geschichte bestimmt war.

Dieß

Heft begreift in kürzerer Erzählung fast die ganze Geschichte des gegenwärtigen drit­ ten Theiles von der Unterwerfung von Latium bis zum Ende des ersten punischen

Krieges.

So lange wir neben derselben die spätere und ausführlichere Darstellung

besaßen, konnte nicht daran gedacht werden, von diesem Hefte einen öffentlichen Ge-

brauch zu machen, obschon die Vergleichung beyder Arbeiten zeigte, daß die erste

bey der zweyten häufig berücksichtigt ist.

Aber da wo jene vollendete Geschichte ver­

stummt, ohne eine Hoffnung in dieser Weise fortgefuhrt zu werden; wo der Wunsch jedes Lesers am lebhaftesten erregt ist, von der sichern Hand, der er bis hieher ge­

folgt war, weiter geleitet zu werden in die bewegteste Zeit des römischen Volkes: da schien es keine Verlezung der Absicht des Verfassers, das vorhandene Material

so weit als möglich zu benuzen, und in einem merklich gesonderten Anhang den

ersten Entwurf zu der weiteren Geschichte anzuschließen: ganz so wie er in raschem

Fortschreiten niedergeschrieben ist, selbst bis dahin, wo sich der Zusammenhang in Niebuhrs Geist und Hand wird jeder

einzelne Anzeichnungen auslöst (S. 721.).

der sie kennt und liebt, auch in dieser nicht vollendeten Arbeit mit Freude wieder­ finden.

Alles was aus diesem frühesten Hest mitgetheilt ist, enthält nur äußere

Geschichte: ihr schließt sich im Manuskript noch der Entwurf über die Umbildung der Centurienverfassung auf den Grund der Tribus an, welche auch er früher nach dem Abschluß der 35 Tribus, also nach dem ersten punischen Kriege sezte (vergl.

S. 404.). Sie ist jezt an einem andern Ort (S. 374. bis S. 409.) mit erschöpfen­ der Gründlichkeit erörtert.

Den mittleren und größten Theil des gegenwärtigen Bandes, den eigentlichen

Kern und Körper desselben hat Niebuhr im Winter von 1824 auf 1825 bald nach Damals war ihm noch nicht der

seiner Rückkehr aus Italien in Bonn abgefaßt.

Entschluß zur Umarbeitung der beyden ersten Bände gekommen, und er beschrieb mit der ganzen Freudigkeit des fortschreitenden Schaffens, deren er sich später im­ mer mit großer Liebe erinnerte, die frischeste und gesundeste Zeit des römischen

Volkes, wofür ihm das fünfte Jahrhundert galt.

Er schrieb, getrennt von seiner

Bibliothek, mit wenig Büchern, aus der Fülle seines Wissens, aus der Lebendigkeit seiner Anschauung,

aus

der Wärme

seines Gemüths.

Dieser Geist durchdringt

diesen ganzen Haupttheil, welcher die Abschnitte von S. 174. bis 656., vom Jahr 416 bis 488 der Stadt nach der gewöhnlichen Zählung enthält.

Selbst in dein

fünfzig Bogen starken Manuskript tritt dieser Charakter eines einigen und gleicharti­ gen Gusses deutlich hervor.

Nirgends hat Niebuhr in den sieben folgenden Jahren

eine ändernde Hand angelegt, sondern nur gegen das Ende seines Lebens eine Ab­ schrift von demselben nehmen lassen.

Dagegen führte die erste Bestimmung dieser Arbeit, sich unmittelbar an die beyden ersten Bände der ersten Ausgabe anzuschließen, öfter Gelegenheit herbey, auf

dort behandelte Gegenstände mit neuen Ansichten zurückzukehren.

Alle Stellen dieser

Art sind bey der spätern Umbildung jener beyden Theile von Niebuhr sorgfältig benuzt, und in den Zusammenhang ausgenommen worden.

Aus diesem Umstande er­

gab sich für die Herausgabe des dritten Theiles das nothwendige Gesez, längere und wörtliche Wiederholungen nach der

neuen Ausgabe des ersten und zweyten

Bandes zu vermeiden, weil über die Absicht des Verfassers, solche Punkte als er­

ledigt zu betrachten, kein Zweifel seyn konnte.

Die bedeutendste Anwendung von

diesem Gesez, von welcher hier eine besondere Rechenschaft gegeben werden muß, ist bey dem Uebergang von jenem überarbeiteten Rest des zweyten Theils S. 173. zu

der eigentlichen Fortsezung der Geschichte gemacht.

Das neue Manuskript nämlich

hat vor dem Abschnitt S. 174.: Innere Geschichte bis auf den caudinischen

Frieden, noch einen andern: der römische Staat nach der Union mit La­ tium, welcher im Abdruck ausgelassen ist.

Er besteht nämlich aus drey Theilen,

XXIV welche alle schon an früheren Stellen eingeschaltet waren. Hier war zuerst die Lehre

von den Colonien, von der Isopolitie und dem Municipium, welche das vierte und fünfte Hauptstttck der

neuen Auflage des

zweyten Bandes ausmachen, in ihren

Hier fand sich zweytenö die eben dort S. 78ff. aufge­

Grundzügen vorgetragen.

nommene Ansicht von den Censuszählungen als Maaßstab für die wechselnden iso­

politischen Verhältnisse schon ausführlich entwickelt: und was endlich sich auf die Ordnung der Verhältnisse von Latium und einzelnen latinischen Orten bezog, das

war schon von Niebuhrs Hand in den Schluß des vorhergehenden Abschnitts: der

latinische Krieg, wie er gegenwärtig abgedruckt ist, von S. 162. an verarbeitet.

Da sich also Saz für Saz die Verwendung deö ganzen Inhalts jenes Abschnittes nachweisen ließ, so schien die Abweichung der Form, welche doch der frühern Be­ arbeitung angehörte,

kein hinreichender Grund,

vor dem

großen Publikum eine

Wiederholung von mehreren Bogen zu rechtfertigen, die vielleicht einzelnen Freun­ den erwünscht gewesen wäre.

Die übrigen nicht zahlreichen Stellen, wo kürzere Stücke unbeschadet deö Zu­

sammenhangs ausgelassen sind, weil sie bereits in den frühern Bänden ihren Platz gefunden hatten, sind in den Anmerkungen jedesmal angedeutet worden.

Wo indeß

eine solche Stelle zn eng mit ihrer Umgebung verwachsen war, als daß sie ohne größere Aenderungen aus derselben ausgeschieden werden konnte, da schien es ein

geringerer Nachtheil, eine kürzere Wiederholung zu gestatten, als mit Willkühr die Verbindung des Ganzen anzutasten.

Daher ist z. B. auf S. 204., S. 349., S. 409.,

S. 526. und 527. nichts geändert worden, sondern nur auf die verwandten Stellen des ersten und zweyten Bandes hingewiesen.

Dasselbe Verfahren haben wir uns auch in den schwierigeren Fällen zum Gesez gemacht, wo Differenzen zwischen Bemerkungen und Ansichten des gegenwärtigen und der frühern Theile hervortraten.

So entschieden auch für die Beurtheilung

dieser Fälle der Grundsaz gelten muß, daß die Form der Ansicht, welche nach der lezten Prüfung und Bearbeitung in die spätere Ausgabe der ersten Bände und selbst in die erste Abtheilung des vorliegenden bis S. 173. ') ausgenommen, jedesmal die

vom Verfasser selbst vorgezogene ist: so konnte und sollte doch die frühere Form nicht verwischt werden, so wenig als daö ganze Werk den Charakter seines frühern Ursprungs aufgeben durfte.

Es genügte überall auf das Verhältniß der ältern Be­

arbeitung zu der neuen Behandlung desselben Gegenstandes in den Anmerkungen

aufmerksam zu machen.

Nur in einem Punkt war es nothwendig,

der gereiften

Untersuchung der beyden ersten Bände einen Einfluß auf diesen dritten zu gestatten,

nämlich in der Iahreszählung.

Nachdem vom Verfasser Th. 2. S. 633. und 634.

die entschiedene Absicht ausgesprochen war, die berichtigte Zeitrechnung durchzuführen, und dies sowohl am Schluß deö abgedruckten zweyten Bandes, wie in der Ueberarbeitnng des bisher ungedruckten Theils desselben bereits geschehen war, konnte

dieser Grundsaz auch in der Folge nicht ignorirt werden, obschon im Manuskripte

die gewöhnliche Zählung der Jahre Noms durchgeht.

Wir haben daher, um durch

die Neuerung auch nicht zu sehr anzustoßen, überall die Bezeichnung gewählt, der nach Niebuhr berichtigten Iahrszahl die Catonische in Parenthese zuzufügen.

Der

Unterschied zwischen beyden beträgt fünf Jahre bis zum elften des zweyten samni-

*) Hiernach sind die Abweichungen in der Erzählung vom Archidamus zwischen S. 99. und 186., so wie die Verschiedenheit deö Ausdrucks über die Lage deS alten Vescia in Anm. 253. und 628. zu beurtheilen.

tischen Kriegs, wo die gewöhnliche Zählung abermals ein müßiges Jahr eingeschaltet hat (vgl. S. 267. Anm. 401.).

Indem wir uns daher auch hier der im zweyten Theil

S. 627. und S. 634. ausgesprochenen Ueberzeugung des Verfassers angeschlossen haben, bleibt es immer zu bedauern, daß die Untersuchung dieser Frage an den be­ treffenden Stellen des dritten Bandes (S. 221. und S. 267.) noch nicht zu dem­

selben Resultat geführt hatte, so daß jezt keine völlige Uebereinstimmung zwischen

der kritischen Behandlung der Geschichte im Texte und der befolgten Zählung vor­ handen ist.

Ein einziges Mal bot sich die Schwierigkeit dar, zwischen zwey ausgesührten Darstellungen desselben Gegenstandes im Manuskript selbst zu wählen: es war dies der Fall in. dem Abschnitt:

Epirus und Pyrrhus,

wo

schichte sich noch in einem ganz andern Entwurf vorfand.

Pyrrhus Iugendge-

Ja es ist ein merkwür­

diger Beweis von Niebuhrs besonderer Vorliebe für diesen Theil der Geschichte, von

seiner Zärtlichkeit für den Helden derselben, daß in seinen Papieren noch drey an­ dere Behandlungsweisen desselben Gegenstandes ausgezeichnet sind.

Die jezt mitge­

theilte Form, die lezte der Zeitfolge nach, und dadurch auch äußerlich am meisten

empfohlen, erschien auch als die vorzüglichste und vollendetste, der die übrigen mit Recht nachstehen mußten. Der umgekehrte Fall von dieser Verlegenheit des

Ueberflnsses, daß eine er­

wartete Darstellung in der Handschrift vermißt wird, ist leider auch nicht ausge­

blieben, und zwar an einer Stelle, wo die Lücke sehr schmerzlich empfunden werden

wird: auf S. 641.

Hier nämlich, wo die Erörterung der Verfassung, welche zum

ersten Male Italien zu einem einzigen Staate verband, mit den bestimmtesten Wor­ ten verheißen wird, findet sich an ihrer Statt nur die Hinweisung: f f NB. Heft.

Dieser Ausdruck ließ hoffen, die Ausführung des Gegenstandes an einem andern Orte zu finden *).

Diese Hoffnung hat sich bey der genauesten Durchsuchung aller

hinterlassenen Papiere nicht bestätigt.

Das einzige Heft, welches gemeynt seyn kann,

ist eben dasjenige, aus welchem der Abschnitt über den ersten punischen Krieg ab­ gedruckt ist: das Heft zur Vorbereitung der in Berlin gehaltenen Vorlesungen: an

*) Eine reifliche Prüfung der in demselben Capitel. S. 614 — 626 (S. -1023 — 1029 der gegenwärtigen Ausgabe) enthaltenen Darstellung des Rechts der italischen Genossen, und Vergleichung derselben mit den S. 72 4 — 727 (S. 1 080 u. flg. der gegenwärtigen Ausgäbe) aus dem Heft vom Jahr 1811, sowie mit den in den Vortr. über Röm. Gesch. Bd. 1. S. 573 — 575. gegebenen Notizen über die Verfassung des italischen Gesammtstaats, hat dem Herausgeber der gegenwärtigen neuen Ausgabe die lleberzeugung gewährt, daß in jener Darstellung auf S. 614 — 626. das Material zu jener am Schluß des Capitels verheißenen Erörterung der italischen Verfassung im Wesentlichen vollständig enthalten ist. ES ist offen­ bar nur NiebuhrS Absicht gewesen, bey der Schlußredaction jene Darstellung aus der Mitte de- Capitels an daS Ende zu versezen, wobey nur Ausgangspunkt und Form jener Abhand­ lung geändert worden seyn würden, wie auch durch Folgendes bestätigt wird. In Niebuhrs eigenhändigem Manuskript war jene Darstellung des Rechts der italischen Genossen ursprüng­ lich mit der vorangehenden Erzählung durch folgenden Sa; in Zusammenhang gebracht: — „In dieser Zeit stellten sich die Verhältnisse der italischen Völker fest, und wenn die Sallcntiner und Picentcr erst einige Jahre später sich der Hoheit Roms unterworfen haben können, so ist doch dieser entscheidende Zeitpunkt der angemessenste Ort für einen Versuch sie, so weit eö seyn kann, wenn auch nur in unvollständigen und unsichern Zügen festzustellen. — Es hat keinen Zweifel daß u. s. w." Dieser Saz ist später gestrichen, und dadurch jene Dar­ stellung aus dem Zusammenhang mit der voranstehcndeu Erzählung heraus gebracht. Hier­ nach scheint es unzweifelhaft, daß N. sich Vorbehalten hat, ihr bey der lcztcn Redaction eine andre Stelle anzuweisen. — Die Hinweisung auf das Heft ist Nebensache. Anm. d.Her'

XXVI Vorlesungen in Bonn gehalten ist schon darum nicht zu denken, weil das ganze Manuskript des dritten Bandes geschrieben war, ehe Niebuhr sich zu diesen ent­ schlossen hatte.

Jenes ältere Heft vom Jahr 1811 aber muß um so mehr für daS

dort angedeutete angesehen werden, weil schon in den frühern Abschnitten, wie oben

bemerkt, ein häufiger Rückblick auf dasselbe bey der neuen Arbeit unverkennbar ist. Allein leider gewährt dieses Heft, wie der abgedruckte Aufsaz beweist, auf S. 724.

bis S. 727. nur eine so wenig genügende Auskunft über die wichtige Frage von

der Verfassung Italiens, daß man überzeugt seyn muß, Niebuhr habe sich die voll­ ständige Erörterung derselben noch vorbehalten, und sich durch jene Note nur an

die Grundzüge erinnern wollen, wie er sie in der ältern Arbeit ausgezeichnet hatte.

Erinnerungen dieser Art durch kurze Zeichen angedeutet, um bey der lezten Ueberarbeitung neue Gedanken oder neue Materialien zu benuzen, sind überhaupt am

Rande der Handschrift nicht selten: sie sind überall mit dem schmerzlichen Gefühl,

nur so viel unwiederbringliche Verluste zu bezeichnen, im Druck wiedergegeben wor­

s. Anmm. 287. 486. 497. 499. 503. 505. 549. u. s. w.

den.

Bey dem Rückblick aus das Ganze dieses Haupttheils des gegenwärtigen Ban­ des wird sich, auch abgesehen von demjenigen, was zwischen ihm und den frühern

Theilen auszugleichen bleibt, wohl kein theilnehmender Leser der Frage erwehren:

wie weit Niebuhr selbst bey der Ueberarbeitung diese Geschichte des fünften Jahr­ hunderts unverändert gelassen und dem Publicum übergeben haben würde. könnte sie beantworten, diese Frage an das Grab des Verewigten?

Wer

Doch sey es

mir erlaubt aus einige Gründe hinzuweisen, die es wahrscheinlich machen, daß er selbst nicht sehr umfassende Veränderungen mit dem Ausgezeichneten vorgenommen

haben würde. Zuerst gewährt diesen Glauben der Ausdruck selbst, welchen Niebuhr wenige Monate vor seinem Tode in der Vorrede zum zweyten Bande niederschrieb: „daß das fernere bis zum ersten punischen Krieg mir noch der lezten Hand bedürfe:"

ein Ausdruck, der offenbar nicht die Absicht einer wesentlichen Umgestaltung zuläßt.

Mit nicht minderm Rechte ist aber auch aus dem Charakter der iin dritten Bande behandelten Geschichte und der Natur ihrer Quellen als fast gewiß zu folgern, daß eine Umbildung, wie sie in den beyden ersten Bänden der stets wachsende Gewinn

einer unermüdlichen Erforschung dunkler Zeiten und schwieriger Verhältnisse her­

vorrief, hier nie nothwendig, geworden wäre.

Vielmehr wird die Frische und Le­

bendigkeit der Darstellung, wie sie aus dem ersten Entwurf hervorgegangen war,

immer ihr

unvergänglicher Vorzug bleiben.

Auch das darf ich hinzusügen, daß

Niebuhrs spätere Vorträge über römische Geschichte au der Rheinischen Universität,

denen ich zweymal bis ans Ende zu folgen das Glück hatte, durchaus mit dem In­

halt dieses Theiles übereinstimmten, so weit es nur zwischen der sorgfältigen Aus­

führung

der

niedergeschriebenen Geschichte und der

mündlicher Rede

zu erwarten ist.

Er

überging

kurzen Andeutung die wichtigste Untersuchung

übersichtlichen Darstellung in

in diesen Vorträgen mit einer

aus der innern Geschichte, welche

diesen Band ziert: die über die VersassungSveränderung in Fabius und Decius

Censur,

oder

über

die Umbildung

S. 374. bis S. 409.

der

Centurien auf den Grund

der Tribus

Daß wir aber auch in dieser Untersuchung, wie sie vorliegt,

die geprüfte Ueberzeugung des Verewigten erkennen dürfen, dafür kann der Um­

stand

zeugen,

daß Niebuhr diese Darstellung noch in spätern Jahren mehreren

Freunden aus der Handschrift mitgetheilt hat: ja ich muß hier, nicht ohne weh­

wüthige Rührung,

mein eignes Zeugniß ansühren,

daß er mir selbst noch um

Weihnacht 1829, nur ein Jahr vor seinem Tode, diesen Beweis seines Wohlwollens und Vertrauens schenkte, mir den Abschnitt aus den: Manuskript vorzulesen.

Und

so finde hier, wo von subjectiven Ueberzeugungsgründen die Rede seyn mußte, auch

noch die Bemerkung ihre Stelle, daß in der Anm. 320. die Ergänzung des Namens von Niebuhrs trefflichem Freunde nicht etwa ans einer bloßen Vermuthung beruht.

Wer seine Liebe und Bewunderung für den ehemaligen Französischen Siegelbewahrer, nachmaligen Gesandten in Neapel, kannte, würde ihn errathen haben: aber auch

den dort berührten Umstand, wie auf ihren gemeinsamen Ausflügen in die Um­ gegend von Neapel de Serre die beschriebene Lage von PaläpoliS erkannte, erzählte

Niebuhr oft und gern, wie seine Erinnerung immer mit unbeschreiblicher Pietät bey diesem vorangegangenen Freunde weilte. ES bedarf nach

diesem Bericht

von den Bestandtheilen des dritten Bandes

wohl nicht mehr der Bemerkung, daß Niebuhrs Darstellung nirgends durch einen

Zusaz von anderer Hand seiner ursprünglichen Gestalt entfremdet ist.

Das Einzige,

worin sich die Herausgabe eine Vervollständigung zum Vortheil der Leser erlauben durfte, waren die in den Anmerkungen gegebenen Citate.

Da er den Haupttheil

des Ganzen, wie schon bemerkt, nur mit Hülfe weniger Bücher geschrieben, so hatte er eine Menge von Verweisungen nur aus seinem bewundernswürdigen Gedächtniß

ausgezeichnet, oft nur mit Nennung des Schriftstellers, und sie später nie ergänzt.

So weit es mir irgend möglich gewesen ist, solche Stellen mit Sicherheit anzngeben, habe ich es gethan: einige Citate, namentlich aus Zonaras, sind auch jezt noch un­

ergänzt geblieben, andere durch Fragezeichen als unsicher bezeichnet.

Ein Uebelstand,

den ich nicht zu vermeiden im Stande gewesen bin, liegt darin, daß ich weder Dio­

nysius nach Sylburg, noch Strabo nach Almeloveen, wie Niebuhr es in den beyden ersten Bänden gethan, habe anführen können, da mir während der Arbeit beyde

Ausgaben nicht zugänglich waren: bey Strabo läßt freylich die bloße Capitelzahl noch ein weites Feld unbestimmt *).

In dem lezten Abschnitt, wo die Anführungei:

überhaupt seltner wurden, waren fast alle zu ergänzen, was durch den Gang der Geschichte sehr leicht gemacht war. Die wenigen Anmerkungen, durch welche bey der Herausgabe auf das Ver­

hältniß dieses Theils zu den früheren aufmerksan: geinacht werden mußte, oder sonst eine Erläuterung zu geben war, sind, wie sich von selbst versteht, durch Parenthesen

von den übrigen unterschieden. In der Orthographie mußte sich natürlich dieser Band den vorhergehenden an­

schließen.

Daß hin und wieder kleine Abweichungen zum Vorschein kommen, bitten

wir durch den Umstand zu entschuldigen, daß in der Abschrift, welche zum Druck

gegeben wurde, alles Ungewöhnliche in Niebuhrs Rechtschreibung willkührlich in das Herkömmliche umgesezt war: dadurch ist es auch einer sorgfältigen Correktur nicht

gelungen, Alles auf die alte Form zurückzuführen. Berlin, den 12. November 1832.

I. Classen. y Vgl. die Vorrede zu der gegenwärtigen Gesammt-Ausgabe.

Anm. d. Her.

Ceterum, si, omisso optimo illo ct perfectissimo gcnere eloquentiae, cligenda

sit forma dicendi, malim, Hercule, C. Gracchi impctum aut L. Crassi maturitatem, quam calamistros Maeccnatis aut tinnitus Gallionis.

Tacitus, dial. de oratoribus.

Verzeichniß der Hauptstücke. I. Theil. Seite der Sette der 3. Ausgabe. gegenw. Ausg.

Einleitung.............................................................................. Das alte Italien.........................................................

1

7

4

.......................................................... 28

16

............................................................... 71

37

Die Oenotrer und Pelasger

Die Opiker und Ausoner

1

Die Aboriginer und Latiner

87

45

101

52

...................................................

Die Sabiner und Sabeller..............................

Die Tusker oder Etrusker............................................................. 121

62

Die Umbrer....................................................................................... 160

82

Japygien........................................................................................163

83

Die Griechen in Italien.............................................................. 173

88

Ligurer und Veneter................................................................... 180

92

Die drey Inseln........................................................................ 186

95

Schluß

97

....................................................................................... 190 Vorgeschichte Roms.

Aeneas und die Troer in Latium................................................... 197

101

Alba................................................................................................. 219

112

Rom.

230

118

Romulus und Numa....................................................................... 243

125

Anfang und Art der ältesten Geschichte........................................ 267

137

Die Aera von Gründung der Stadt............................................. 291

148

Ueber den Säcularcyclus............................................................. 304

155

Roms Anfang und älteste Stämme.............................................. 317

162

Die Geschlechter und Curien........................................................ 339

173

................................................... 375

191

383

195

Verschiedene Sagen von der Gründung der Stadt

Senat, Interregen und Könige TulluS Hostiliuö und AncuS

....

...........

XXX Seite der Seite der 3. Ausgabe, gegenw. Au-g.

Das

Gedicht

von

L. Tarquinius

und

PriScuS

Servius

Tullius Kritik

der Erzählungen

von

L. Tarquinius

und

394

200

411

209

430

218

Servius

Tullius Die Vollendung der Stadt Nom

.

.

Die sechs Rittercenturien

439

223

Die Gemeinde und die plebejischen Tribus

446

227

Die Centurien

477

242

L. Tarquinius

der Tyrann

und die Zeit der Verbannung

der Tarquinier

.......................................

Commentar über die Sage vom lezten Tarquinius

....

Der Anfang der Republik und der Vertrag mit Karthago

541

273

566

286

577

291

Der Krieg des Porsenna

600

303

Der Zeitraum bis Tarquinius Tod

615

310

Die Dictatur

624

314

632

319

662

333

Die Gemeinde vor der Auswanderung und die Nexi Die

Auswanderung

der

und

Gemeinde

das

.

.

.

.

.

VolkS-

tribunat

II. Theil.

Seite der Seite der 2. Ausgabe. gegenw. AuSg.

Einleitung........................................................

............................

1

353

Der latinische Staat........................................

................................... 17

361

Der Bund nut den Latinern......................

................................... 43

373

Von den Colonien....................................... .....

................................... 48

376

Die Isopolitie und daS Municipinm .

................................... 56

380

Ueber das Recht der Latiner.......................

............................ 88

395

Der Bund mit den Hernikern......................

................................... 93

.

.

Die Kriege mit Volskern und Aequern, bis zum Ende des vejentischen

398

401

............................ 126

414

................................. 141

422

................................. 146

424

.

................................. 176

440

....

................................. 187

445

....

................................. 198

450

.................................. .....

.................................223

463

DaS Statthalteramt....................................... Die innern Fehden der. Patricier

....

Vom gemeinen Feld und dessen Nuzung Die Landanweisungen vor Sp. Cassius SP. Cassius Ackergesez und Tod

Die sieben Consulate der Fabier

Der vejentische Krieg

100

.

Seite der Seite der 2. Ausgabe. gegenw. Ausg.

Innere Geschichte vom Untergang der Fabier bis zur ersten Pest

234

468

Die Sage von Coriolanus..........................................................

265

484

Die Kriege gegen Volsker und Aequer bis zum Frieden von 295

276

489

Der äquische Krieg bis zum Decemvirat................................

296

499

Landplagen und Phänomene..........................................................

305

504

312

507

.

Innere Geschichte der elf Jahre vor dem Decemvirat

.

.

.

349

526

................................................................

376

539

DaS erste Jahr der hergestettten Freyheit................................

Die ersten Decemvirn und ihre Geseze............................... Das zweyte Decemvirat

405

553

.

430

566

Das consularische Militärtribunal................................................

438

570

.....................................................................................

446

574

Die innern Bewegungen bis zur Verfassung von 311 Die Censur

.

.

Innere Geschichte von 311 bis auf den lezten vejentischen Krieg

460

581

Ueber den Sold ................................................................................

496

598

Die Kriege bis zum lezten vejentischen.....................................

502

601

Der lezte vejentische Krieg..........................................................

525

613

Die übrigen Kriege bis zum gallischen.....................................

549

624

Fernere innere Geschichte bis zum gallischen Krieg

....

556

628

Physische Geschichte von 305 bis 365 ...........................................

567

633

.

574

637

Der gallische Krieg und die Einnahme Roms ......

595

647

Ueber das Olympiadenjahr der Einnahme Ronls.....................

622

661

Rom nach der Räumung

638

669

.

649

674

Innere Geschichte bis zum Jahr 374 ...........................................

666

682

694

697

Von den Celten und ihrer Einwanderung in Italien

.

.

..........................................................

Die Kriege bis zur Reform von 384

................................

Anhang. Ueber die römische Eintheilung des Landeigenthums, und die

Limitation..........................................................................

III. Theil. T)ie licinischen Rogationen

Seite der

Seite der

1. Ausgabe, gegenw. AuSg. 1 709

Die neuen curulischen Würden des Jahrs 384

36727

Innere Geschichte bis zur völligen Befestigung des plebejischen Consulats

.

51

734

XXXII Sette der Seite der 1. Ausgabe. gegenw. AuSg.

Ueber den Unzialzinsfuß..........................................................................61

739

Kriegsgeschichte von 384 bis 406

751

.

.............................................

84

Rom im Bund mit Latium.................................................................. 102

760

Die erste Ordnung der Manipularlegion...................................... 110

764

Der erste sunnitische Krieg.................................................................. 122

771

Der latinische Krieg

..............................................................................146

783

Die Geseze des Dictators Q. Publilius ............................................ 167

794

Innere Geschichte bis auf den caudinischen Frieden

174

797

Alexander von Epirus........................................................................ 181

801

Aeußere Verhältnisse bis zum zweyten samnitischen Krieg

196

809

Der zweyte samnitische Krieg............................................................ 214

818

....

.

.

Verhältnisse zu den an Samnium gränzenden Völkern nach dem

Frieden.........................................................................................305 Die etruskischen Kriege bis zum Anfang des dritten samnitischen

320

865 872

Innere Geschichte vom caudinischen Frieden bis zum dritten samnitischen Krieg........................................................................338

881

Cn. Flavins..............................................................................................367

897

Die Censur des Q. Fabius und P.Decius

900

................................... 374

409

918

Verschiedenes aus demselben Zeitraum.......................................... 413

920

Der dritte samnitische und die gleichzeitigen Kriege

922

Das oguluische Gesez.......................................................

....

416

Innere Geschichte vom Anfang des dritten samnitischen Kriegs

bis zum lukanischen..................................................................476

953

Verschiedenes aus demselben Zeitraum............................................495

962

Der etruskische und gallische Krieg....................................................... 497

964

Der lukanische, bruttische, vierte samnitische und tarentinische Krieg

506

968

Epirus und Pyrrhuö.......................................................................

525

978

Die römische und makedonische Taktik................................................. 543

987

Der Krieg des Pyrrhus....................................................................... 553

992

Italiens gänzliche Unterwerfung und das Recht der italischen

611

1022

kanischen Krieg bis zum ersten punischen........................... 641

1037

Genossen...................................................................................

Innere Geschichte und Verschiedenes aus dem Zeitraum vom lu­

Anhang. Der erste punische Krieg

.............

657

Erster Theil.

Einl eitung. Cv

^5ch habe es unternommen die römische Geschichte zu schreiben: von den

Urzeiten der Stadt bis dahin wo Augustus Alleinherrschaft über die römische Welt unbestritten anerkannt ward.

Ich beginne da, wo benachbarte An­

siedelungen verschiedener Nationen die Entstehung eines neuen Volks vor­

bereiteten; mein Ziel liegt, wo dieses Volk Millionen zu sich ausgenommen, und seine Sprache und seine Geseze ihnen mitgetheilt hatte: wo es vom

Aufgang bis zum Niedergang herrschte, und das lezte der aus Aleranders Eroberungen hervorgegangenen Königreiche eine seiner Provinzen geworden

war.

Lange ehe in jenen Zeiten ein historisches Andenken bestimmter In­

dividuen hervortritt, lassen sich die Formen mit Sicherheit erkennen unter denen das Gemeinwesen bestand: so fest, und auf Jahrhunderte unvertilgbar, waren sie Allem eingedrückt, und so völlig hatte der Einzelne sein Daseyn

im Ganzen: wo die Zeit endigt, welche zu umfassen meine Absicht ist, hat sich die Nation in eine gährende Masse aufgelöfit, deren entseelte Gestaltung täglich unkenntlicher wird, und zerfällt.

Zahllos sind die Ereignisse und Veränderungen wodurch die Römer

von der einen dieser Gränzen zur entgegengesezten hindurchgegangen sind: ungeheure Schicksale, gewaltige Thaten, und Männer die es würdig waren

eine riesenmäßige Macht zu bewegen, haben manches aus der römischen Ge­ schichte auch während der unwissendsten Jahrhunderte im Andenken erhalten. Aber für die frühen Zeiten hat Dichtung einen bunten Schleyer vor die

geschichtliche Wahrheit gezogen; dann mischt sich eitle Erdichtung, nicht seltner als vielfach gebildete Volkssage, oft unvereinbar und leicht erkannt, aber auch wohl täuschend angepaßt, mit dürren Chronikumrissen, und dem

spärlichen

Gewinne

eines oder zweyer

ächter Historiker aus

Urkunden:

später, im Verhältniß, beginnt in keiner Geschichte.eigentliche ZuverläßigNiebuhr, 9tcm,

1

feit

1

(nnleitung.

2

ist aber deshalb doch nicht nothwendig diese

Es

wichtigste aller

Historien für den größten Theil ihrer Dauer als hoffnungslos aufzugeben: wird nur kein Anspruch auf solche vollkommne Genauigkeit im Einzelnen gemacht wie sie für uns wahrlich keinen Werth hat, so läßt sich, aus jenen

so dunkeln Zeiträumen, manches mit nicht schwächerer historischer Sicher­ heit ermitteln als von den Ereignissen der gleichen Zeit in Griechenland: und dies zu erstreben liegt uns ob.

Am vollkommensten, mehr selbst als für die Archäologie der Griechen, kann es für die innere Geschichte,

und die inneren

Zustände gelingen.

Wenige Völker haben wie die Römer ein durch fremde Obmacht unverkürztes

Leben vollendet: keines unter diesen wenigen mit solcher Kraft und Fülle.

Länger als

irgendwo wird hier kein Element erstickt:

mannichfaltig und

zahlreich vom Ursprung her, lebt jedes aus bis es abstirbt, was aber sich

überlebt hat wird beseitigt; ähnliches dann gepflanzt wo Raum ledig ward,

oder neuer entstand.

Und so erhält sich der Staat jugendlich, der nämliche 3

in seinem Wesen, stets sich erneuend: bis Stockung und Stillstand eintritt, und nun, anstatt der unverwüstlichen Lebensfülle, erst Siechheit, dann töd­ liche Krankheit.

Aber grade für die Zeiten deren Kunde mehr errathen als

vernommen werden muß, bestanden solches Ebenmaaß, und sich also ent­ sprechende Verhältnisse, daß, wo einige Spuren und Ueberreste von kennt­

licher Beziehung an das Licht des Tages gebracht sind, sich auch über andere sichere Gewißheit ergiebt, von denen es uns nicht gewährt ist den Schutt aufzuräumen, oder deren unterste Grundsteine aufgerissen sind.

Nicht anders

als wie die Mathematik nur einiges Gegebene bedarf um eine angestellte

Messung zu entbehren.

Wie die See die Ströhme, nimmt Roms Geschichte die aller anderen Völker auf, welche früher in der Welt um das Mittelmeer genannt worden

waren.

Manche erscheinen

hier nur um gleich unterzugehen:

andere be­

haupten eine Zeitlang, meist kämpfend, ihr Daseyn in der früher oder später

tödlichen Berührung.

Die Geschichte der Römer darf nicht zulaffen, daß

von diesen allen ein Bild welches ihren Namen belebe, der Begriff ihres

Zustands und ihres Wesens, anderswo gesucht, und leicht nicht gefunden werde; ihr liegt ob es aufzustellen, so weit Forschen und Sinnen es mög­ lich machen, damit dem Leser nicht ein leerer Name, oder leichtsinnig er­

griffene Bilder, genügen. Livius hatte diese Zwecke nicht:

er schrieb weil ihn die Natur mit

einer höchst glänzenden Gabe der Auffassung des einzeln Menschlichen unb*

der Erzählung ausgestattet hatte; mit dem Talent des Dichters, nur ohne

Leichtigkeit oder Lust zu metrischer Rede.

Er schrieb, nicht zweifelnd und

nicht überzeugt, eben wie man die Wunderzeiten des Heroenalters zur Ge­

schichte zog; — wie dies that, auch wer in Verhältnissen der Gegenwart

I

(nnleitung.

3

und Erfahrung nichts weniger denn leichtgläubig war, als ein sorgloser

Glaube ungestört von der Kindheit an durchs Leben fortdauerte.

Jene ur­

ältesten Zeiten, wo die Götter unter den Menschen wandeln, selbst diese

wollte er der Geschichte nicht entschieden absprechen: was aus späteren, nicht

widerstreitend gegen die irdischen Verhältnisse

unsers Geschlechts,

erzählt

ward, galt ihm nur für unvollständiger und ungewisser, aber für gleichartig mit den Ueberlieferungen bewährter Geschichte.

Die Verfassung versäumte

er gänzlich, wo nicht innere Fehden seine Aufmerksamkeit auf sie wandten: dann aber sah und richtete er mit den Vorurtheilen der Parthey, der er

von den ersten Jugenderinnerungen her anhing, gegen die welche, gleichbe­ nannt, ihm die nämlichen schienen in denen er in den Zeiten der Verderbt­ heit mit Recht die Aergeren unter den kämpfenden Bösen sah: — endlich,

wenn er in den späteren Büchern aus lebendiger Erzählung die unbekannten

Länder, wie Britannien, beschrieben hat, so schaffte er sich für die älteren Zeiten keinen Begriff von Völkern und Staaten. Er suchte die Ausartung seines Zeitalters zu vergessen an der Ver­

gegenwärtigung

des

Herrlichen vergangener

und

die behagliche

6 Sicherheit, worin die ermüdete Welt wieder aufathmete, mußte ihm mitten in seiner Wehmuth

wohl thun,

wenn

er die entsezlichen Ereignisse der

Bürgerkriege darstellte: er wollte seiner Nation ihre bis dahin stammelnd

erzählten und verkannten Thaten verherrlichen und bekannt machen: und er verlieh ihrer Litteratur ein colossalisches Meisterwerk, dem die griechische in

dieser Art nichts vergleichen konnte, wie keine neuere ihm ein ähnliches an die Seite stellen wird.

Kein Verlust der uns in der römischen Litteratur

getroffen, ist mit dem seiner untergegangenen Bücher zu vergleichen.

Aber wären sie erhalten, so würden wir dennoch veranlaßt seyn, eine

römische Geschichte zu bilden, wie sie für uns Bedürfniß ist: denn, damit die einer ganz vergangenen Zeit es für uns eben so sey wie die einer er-

lebten; damit die römischen Helden und Patrioten nicht wie Miltons Engel,

sondern als Wesen von unserm Fleisch und Blut vor uns erscheinen; be­ dürfen wir nun mehr und Anderes, neben dem was wir bey ihm uner­ reichbar erzählt lesen: und läßt es sich verkennen, daß sogar manches von

diesem nun nach

achtzehnhundert Jahren dem Gedächtniß

nehmendsten Lesers sich doch nicht einprägen kann?

auch des theil-

Die Bedürfnisse einer

fremden Zeit, möchte man sie auch höher sezen als die eigene, sich erkünsteln; die, welche man würklich hat, sich abläugnen und nicht gewähren wollen;

das macht hülflos und freudenlos, und ist kindisch.

Mit Livius als Ge­

schichtsschreiber wetteifern zu wollen; zu wähnen es ließen sich die verlornen Theile seines Werks ersezen, wenn nur der Stoff reichlicher wäre; würde

«lächerlich seyn.

Aber das ist kein vermessener Gedanke, es zu unternehmen

abgerissene und ärmliche Nachrichten mit Sorgfalt und Anstrengung so zu 1*

I

Einleitung.

4

ergründen, zu verbinden und zu beleben, daß daraus für die Zeiträume, wo

uns ein Besseres fehlt, im Wesentlichen doch lebendig und voll hervortrete, was aus reichem und edel gebildetem Stoff leicht entsteht. Wie weit es gelinge, darüber waltet höhere Macht.

Aber den For­

schungen in dieser Geschichte verdanke ich die lebensvollsten Tage meiner

blühenden Jahre;

und wie die Fortsezung des Werks

mein Alter

nicht

minder erfüllen wird als Livius Schöpfung die seinige, so verbürgt sie mir

auch dessen Frischheit und Heiterkeit.

Wer Verschwundenes

wieder

ins

Daseyn zurückruft, genießt die Seligkeit des Schaffens: es wäre ein Grosses,

wenn es gelingen könnte für die welche mich lesen den Nebel zu zerstreuen, der auf diesem vornehmsten Theil der alten Geschichte liegt, und lichte Helle

zu verbreiten: daß ihnen die Römer klar, verständlich, vertraut wie Zeit­

genossen, mit ihren Einrichtungen und ihrer Geschichte vor dem Blick stehen, leben und weben.

I

Die Geschichte der Italiker und Etrusker.

5

Das alte Italien. i

Die Römer werden zu keiner der italischen Nationen gezählt; die Schrift-

steiler, welche vom Volk des Romulus mit treuherziger Gläubigkeit als vou einer albanischen Colouie reden, rechnen sie darum doch nie zu den Latinern, und in den Sagen von den ältesten Zeiten erscheinen sie den drey Völkern, in deren Mitte die Stadt liegt, gleich fremd. So kann ihre Geschichte, will sie nur episch Thaten und Schicksale erzählen, allerdings sich vereinzeln) und so haben fast alle, die im Alterthum sie geschrieben, sie von der des übrigen Italiens abgesondert. Aber die Römer waren von keinem Ruhm entfernter als dem der Athenienser, ein eigenes Nrvolk zu seyn: denn sie gehörten deswegen keinem Volke an, weil sie, wie selbst die Fabeln und entstellten Sagen klar erkennen lassen, aus der Mischung mehrerer, sich ganz fremder, entstanden waren j). Diese übertrugen an Sprache, Einrichtungen 8 und Religion eigenthümliche Erbtheile auf das neue Volk, welches in Allem, was national unterscheidet, sicher immer einem seiner Stammgeschlechter un­ ähnlich war. Also würde die frühere Geschichte jener Völker die römische vorbereiten; wäre diese auch auf die Stadt beschränkt geblieben. Aber die Völker Italiens verschwanden im Licht der Stadt, und die Nation der Bürger breitete sich aus über die ganze Halbinsel; die Römer, deren Ge­ schichte wir gleichzeitig kennen, sind, mit sehr wenig Ausnahmen; — die Meister der Rede und Dichtkunst außer Cäsar sämmtlich; — vom Stamm römisch gewordener Verbündeter: und so können wir die Historiker des Alterthums nicht billigen, die, den einzigen Fluß beachtend welcher dem Strohm seinen Namen gab, alle Zuflüße übersehen, wenn sie auch viel mächtiger sind als jener. Wir dürfen und müßen die tadeln welche Mähr*) Darauf begründet sich die verächtliche Aeußerung grollender Griechen, welche Dionysius be­ streitet: die Römer wären gar keine Nation: ein aus allerley Volk zusammengefloffener Hause: ouyxXv^tg. Es ist der nämliche Schimpf, gegen den Josephus seine Nation wider Apion verwahrt; welcher sich mit gutem Grunde daran hielt daß der allergrößte Theil der Juden in Palästina und Aegypten nicht von der kleinen Colonie unter den Persern nach Judäa Zurückgekehrter abftammte, sondern von einzeln llcbergetrctenen. Apion gehörte einem geschloffenen Volk an, und von ihm ist die Verachtung für Ahnenlosc begreiflich; bey Griechen war sie bloße Bosheit.

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Cato's OngineS.

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chen, die nur einigen Localzusammenhang mit Rom hatten, aufzeichneten, und die Geschichte des Falls der Umbrer, und der Erhebung und Größe der Sabeller und Etrusker unbeachtet der Vergessenheit überließen. Auch würde dieser Völker Geschichte nicht allein durch die Wichtigkeit der Ereignisse be­ schäftigen: Cicero, selbst Volsker, wußte daß sein Volk und die Sabiner, Samnium, Etrurien, nicht weniger als Rom sich weiser und grosser Männer rühmen könnten; und die Pontier können auch nicht die einzigen gewesen seyn, durch die ihr Volk den Römern gleich stand. Aber bis auf ein dunkles Andenken ihrer sind alle Helden und Weisen der Italiker und Etrusker ver­ gessen; kaum ist irgendwo ein zweifelhafter Name erhalten geblieben: doch von der Verschiedenheit der Stämme, von ihren Zügen und Eroberungen 9 sind fast über die ganze Oberfläche der alten Litteratur, und in Denkmählern, einzelne Nachrichten zerstreut. Diese zu sammeln, und unbefangen zu er­ wägen; die Kenntnisse, welche wir schmerzlich vermissen, einigermaaßen zu ersezen; ist um so nöthiger, je mehr diese Gegenstände durchgehends willkührlich, unkritisch, ja nur allzuoft unredlich behandelt worden sind: und diese Untersuchungen und, so weit es seyn kann, Darstellungen, sind die nothwendige Einleitung zur römischen Geschichte eines neueren Schriftstellers. Der censorische Cato, wohl der erste der in lateinischer Sprache nicht

als Dichter die Geschichte seines Volks schrieb, verwebte darin, wie es scheint wo die Völker Italiens und ihre Städte in der römischen Geschichte auf­ traten, was er über den Ursprung und die Bewegungen jener, und der Städte Gründung erfahren hatte2). Ihm verdanken wir, auch wo er nicht genannt wird, einen bedeutenden Theil von dem, was hierüber auf uns ge­ kommen ist. Seine Zeit war dem Unternehmen sehr günstig: die Völker bestanden noch als Etrusker, Osker, Sabeller: und wenn auch römischer Bürger zu seyn als das Höchste galt, so war doch die Würde der übrigen 10 Staaten nicht verschwunden, und das Andenken ihrer alten Zeiten den Nach­ kommen nicht gleichgültig geworden. Sie hatten, nicht minder als Rom, Fasten und Jahranzeichnungen: Annalen werden angeführt ^): und an Orten,

wo nicht, wie zu Rom, die alte Sprache unverständlich geworden, und aus allgemeiner Zerstörung nur Einzelnes verborgen war, mochten diese höher hinaufgehen als die römischen. Sind sie nun von Jahr zu Jahr unter den Händen der Obrigkeit oder der Priester erwachsen, so waren sie ärmlich, aber, so weit sie reichten, um so authentischer; allein es hat die höchste Wahrscheinlichkeit daß, bey Völkern wie die Osker, die mit griechischer Kunst vertraut waren; wie die südlichen Sabeller, deren Theilnahme an griechischer '*) Sie hatten also, die ausgenommen welche die Ligurer und Alpenvolker betreffen, ihren Ort theils im ersten Buch, welches die Geschichte der Könige, theils in den beyden folgenden, welche die italischen Kriege enthielten. Diese (äintheilung ist offenbar das Vorbild, wonach Appian seine Geschichtsbücher angelegt, deren drey erste den nämlichen Inhalt hatten. Und so muß man sich CatvS Origines nur zufällig nach der Zcitordnung vorgetragen denken: zum Beyspiel; der illyrische Krieg wird im sechsten Buch vorgekommen seyn, nicht im fünften. 3) Pränestinische Bücher, die freylich lateinisch waren, citirt Solinus: eine Geschichte von Kuma, Festus: von den etruskischen Annalen wird nachher die Rede sein.

I

Untergang der alten Nationen unter Sulla.

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Philosophie auch als Schriftsteller keine ohne Grund ersonnene Fabel ist 4); Geschichtschreiber, beydes in griechischer und einheimischer Sprache erstan­ den waren, lange ehe zu Rom eine Litteratur begann. Vor dem marsischen Krieg war diese im höchsten Jugendleben: und doch blühten Gelehrsamkeit und Künste der Rede noch mehr bey den Latinern 5): ein Name, der wenig­ stens alle Italiker begreift die den Gebrauch des Lateinischen angenommen it hatten. Der Wunsch eines Standeshaupts, wie Cato, Bücher mitgetheilt, wo er es bedurfte übersezt zu erhalten, war für die Angehörigen Befehl. Urkunden und Denkschriften auf Erz und Stein enthielten reichlicheren und sicheren Stoff einer Geschichte als die Bücher selbst: solche sind in un­ verständlichen Sprachen als ein todter Schaz bis auf uns gekommen: und damals konnte wenigstens im mittleren Italien, wo die meisten Orte weder bey der Eroberung noch im hannibalischen Kriege sehr gelitten hatten, wenig von dieser Art untergegangen seyn. Zn Athen war die Aufmerksamkeit auf diese Quelle streng historischer Nachrichten seit anderthalb Jahrhunderten, seitdem die atheniensische Geschichte geschlossen war, erregt; aber die Römer waren blind für ihre eigenen Urkunden; und die italischen können kaum zu Catos Materialien gezählt werden. Sechszig Jahre nachdem er schrieb, kam der marsische Krieg, und ihm folgte die sullanische Zeit. Solche entsezliche Verheerungen, die von Ort zu Ort alle Gegenden Italiens heimsuchten, und die Bürgerschaften der bedeutendsten Städte ganz wegrafften, mußten auch Denkmähler jeder Art, vorzüglich Schriften, vernichten: in vielen Landschaften ward die Bevölke­

rung verändert. Dies war die endliche Rache an Samnium: dies das Ende des ausdauernden Widerstandes, den Etrurien dem tyrannischen Entschluß des kurzsichtigen Feldherrn,' — alles ungeschehen zu machen was seit Menschenaltern den Umständen eingeräumt war, — entgegenstellte, um Rechte zu behaupten mit denen Absonderung von der Sache Italiens beir lohnt war. Die alte etruskische Nation, mit ihren Wissenschaften und ihrer

Litteratur, ging damals unter: die Edeln, welche die allgemeine Sache ge­ leitet hatten, fielen durch das Schwerd: in den großen Städten wurden Militärcolonien angesiedelt, und die lateinische Sprache allein herrschend: der größte Theil der Nation verlor alles Grundeigenthum, und schmachtete in Armuth unter fremden Herren, deren Druck bey den herabgewürdigten Nachkommen alle Erinnerungen tödtete, und keinen andern Wunsch ließ, als ganz Römer zu werden 6). Das oskische war freylich zu Pompeji und 4) Womit ich die einzelnen angeblichen lucanischen Pythagoreer nicht vertreten will.

5) Cicero,

de oral. 111, 1 -I. (43.) pro Archia 3. (5.) — Ferenlinalis populus res graecas sludel: der Komiker Titinius bey Priscian Vll. p. 762. fi) Dadurch daß die höheren Stände der mexikanischen Nation absichtlich ausgcrottet wurden, die wenigen übrig geblie­ benen entweder sich den Herrschern anschließen durften, oder in Verachtung versanken, ver­ loren sich in einem Jahrhundert die Wissenschaften und die Kenntnisse dieses merkwürdigen Volks, und sogar seine Künste, welche doch das niedere weniger vertilgte Volk, und nicht die höheren Kasten, ausgeübt hatten. Rom verbrannte die alten Schriften nicht: aber es verachtete sie.

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Varro, Julius Hyginus, Kaiser Claudius, ältere Quellen.

I

Herculanum, als sie unterfingen, noch nicht ganz verschwunden: tuskisch scheint Gellius als eine noch lebende Sprache zu erwähnen, aber Schriften und Denkmähler waren unverständlich wie panische oder iberische, und ver­ gingen eben so unbeachtet: die theologischen Bücher konnten in lateinischen Uebersezungen gelesen werden. Die Schriften Varros, der häufig Veranlassung hatte über die alten Zeiten Italiens zu reden, und aus dem mehreres hierüber angeführt ist, sinv in dieser Hinsicht kein bedeutender Verlust, wie großen Werth auch seine Notizen für die Sittengeschichte der Römer haben. Er verstand kein tuskisch, wußte schwerlich viel oskisch, und scheint diese Mängel nicht durch 13 andere Aushülfe ersezt zu haben. Was wir von seinen Angaben über die altitalische Geschichte kennen, ist, außer der Nachricht von den ursprünglichen Städten derer die er Aboriginer nannte, meistens ganz werthloS: zuweilen folgt er sichtlich späten und unbedeutenden Griechen, einmal auch einem offenbaren Betrüger?): schlimm ist es daß seine Autorität Dionysius und andere irre geführt hat. Ovidius Altersgenoß und Freund Julius Hyginus schrieb über die Gründung der italischen Städte ohne Kritik, und auf sehr junge griechische Schriftsteller bauend, die gar keiner Berücksichtigung werth ge­ wesen wären. Dennoch ist er von den Grammatikern viel gebraucht wor­ den, und schon von Plinius: in dessen Beschreibung Italiens mehreres aus dieser trüben Quelle geflossen ist. Derselbe Plinius hat, wie das Verzeichniß der von ihm gebrauchten Werke darthut, des Kaisers Claudius tyrrhe­ nische Geschichten, in zwanzig Büchern, keines Studiums gewürdigt. All­ gemeine Verachtung scheint das unglückliche Werk von seiner ersten Erscheinung an niedergedrückt zu haben, so daß auch nirgendswo das geringste daraus angeführt wird: doch beweisen die Lyonner Tafeln daß Claudius die tuskischen Annalen wohl kannte; und, wie er in den römischen Archiven forschte 8), läßt sich erwarten daß er ein gleiches für die Vervollkommnung seiner Ge­ schichte unter den etruskischen Denkmählern thun ließ. Keinen größeren u Verlust hat die älteste römische Geschichte zu betrauern; und, die Vortheile des fürstlichen Dilettanten erwägend, dürfen wir annehmen daß weder Flaccns etruskische Geschichte, noch das Werk des Cäcina 9), wenn sie auch in jeder andern Hinsicht weit besser seyn mochten, ihm an historischer Wichtigkeit gleich kamen. Daß Cato von den Oenotreru nichts wußte, beweißt daß er nicht ein­ mal Timäus, geschweige Antiochus, gebraucht hat. Vollends läßt es sich nicht vermuthen daß er Aristoteles Politien benutzt habe: welche nicht nur Tarent, und italionsche Stävte befaßten, sondern auch italische Völker be-

') Dem M. Mallius (so cmcnbirt sich Mdtuiog von selbst), dessen dodonäischcs Orakel ein so handgreiflicher Betrug ist daß der sehr gescheute Dionysius hier nicht ehrlich seyn kann. 8) Suetonius, Claud. 25. — das Schreiben des Senats an Selcukus. 9) Beyde sind

durch die veronensischen Scholien bekannt geworden, ad Aen, X. 4 83. 198.

1

Der Name Italien.

Umfang.

Italer.

9

schrieben haben müßen; man möchte vermuthen Rom selbst*"). Daß diese Darstellung der Geschichte und Verfassung von mehr als hundert und fünfzig Staaten die nämlichen Vortrefflichkeiten hatte die Aristoteles natur­ historische Schriften unsterblich machen, liegt in dem was daraus erhalten ist, namentlich von der atheniensischen Politik, am Tage: so läßt es sich auch nach den Beurtheilungen verschiedener Verfassungen ermessen, welche die Politik enthält. Für den Meister der Gelehrten H) war das Kriminal­

recht in dem oskisch gewordenen Kuma, und eine mythische Sage von der 15 Gründung einer Stadt, nicht weniger anziehend als Spekulationen über die ersten Ursachen und höchsten Zwecke; als Beobachtungen über das anima­ lische Leben oder die Poesie: und diese Vielseitigkeit war die auszeichnende Ausstattung seiner Schule. Italien ist erst spät im Umfang seiner natürlichen Gränzen, der Alpen und der Meere, unter dem einzigen Namen zusammengefasit worden. Uralt einheimisch im Süden, ward dieser auf die nördlicheren Länder erst dann ausgedehnt als die römische Herrschaft die ganze Halbinsel zu einem Staat vereinigt hatte, und durch Ansiedelung und durch Verbreitung der lateini­ schen Sprache ihre Bewohner zu einer einigen Nation schuf. Wenige Inseln ausgenommen, trug im frühen Alterthum kein zwischen mehreren Nationen getheiltes Land, wie entschieden es auch natürlich umgränzt war, einen Gesammtnamen, bis ein Volk in ihm herrschend ward. So Kleinasien: wäre es, nachdem Krösus die Länder bis an den Halys sich unterworfen hatte, in einem Staat vereinigt geblieben, so möchte der Name Lydien für das Ganze gebräuchlich geworden seyn, wie es später Asien für die Länder des pergamenlschen Reiches ward, und Asianer für dessen Bewohner.

Landesnamen wurden im Alterthum, wie bey unsern Vorfahren, immer von denen der Völker getiilbet12): und Italien bedeutet nichts anderes als 16 das Land der Italer. Es ist auch nur durch die unsägliche Verkehrtheit, welche sich der klügsten Griechen und Römer bemeisterte sobald sie die Kunst der Etymologie versuchten, begreiflich, wie man darauf verfallen konnte jenen Landesnamen unmittelbar auslegen zu wollen, weil im tyrrhenischen oder altgriechischen l3) italos oder itulos ein Rind bedeutete. Dies knüpften die Mythologen an Herkules Zug durch das Land mit Geryons HeerdeK): Timäus, in dessen Tagen dergleichen nicht mehr genügte, sah darin Andeu­ tung des einheimischen Heerdenreichthums 15). 10) Plutarch Camill. p. 4 40. a. Quaest. rom. p. 265. b. Dionysius I. 72. p. 58. c. Wenigstens ist es eine an Plinius, dem Aristoteles im ganzen Umfang seiner Schriften hatte bekannt seyn sollen, gar nicht zu entschuldigende Achtlosigkeit, daß er ihn unter den Griechen übersah welche vor Theophrast von Rom geredet hatten. 1J) II maestro di color ehe sanno: Dante. r?) Die einzige Ausnahme mochte Aegypten seyn: wozu aber der Strohm, von den Jonern so genannt, eine Ursache gab wie sonst keine vorkam. 13) Jenes nach Apollodor, Bibi. II. 5, 4 0: dieses nach Timäus, bey Gellius XI. 40. — nach Hellanikus von Lesbus, bey Dionysius I. 53. p. 28. a., unbestimmt in der Landessprache. Tyrrhenisch ist aber hier nicht vom etruskischen zu verstehen, sondern pclaSgisch — wie die tyrrhenischen Glossen im Hesychius. ") Hellanikus, und Apollodor a. a. O. ir’) Bey GelliuS a. a. O. — und Piso, bey Varro de re r?ll, 4., entlehnte die Erklärung von den Griechen.

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Italer, verschiedener Umfang des Namens.

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I

Den Namm des Volks leiteten die Griechen von einem Könige oder im oskischen Landesnamen 931^0^)111C) ist

Gesezgeber der Oenotrer her:

eine Beziehung auf Viteüius, Sohn des Faunus und einer in vielen Ge­ genden Italiens angebeteten Göttin Vitellia^), augenscheinlich. Dieser ist wahrscheinlich von jenem Jtalus nicht verschieden. Läßt sich irgend etwas « über die ältesten Genealogien der ächtitalischen Völker errathen, so ist eS daß die Stämme auf Faunus zurückgeführt wurden: die Oenotrer durch Vitellius, wie die Latiner durch Latinus. Italer waren, nach den griechischen Erzählungen, die Oenotrer: all­ gemeiner gefaßt sind sicher alle Völker welche demselben Stamm angehörten, Tyrrhener, Siculer, Latiner, unter diesem Namen zu begreifen. Daher der Beyname Vitulus der einen Zweig des mamilischen Geschlechts auszeichnet, wie Turinus oder Tyrrhenus einen andern: es ist eine Sitte von der die ältesten römischen Fasten Zeugniß geben daß die grossen Häuser unterschei­ dende Beynamen von Völkern führten mit denen sie durch Blut oder Prorenie verbunden waren. So. weit jene große Nation einst den Süden der Halbinsel bewohnte, wenigstens von der Tiber bis an das Vorgebürge des Garganus, trug das Land den Namen Italia, oder Vitalia^), und dieser konnte bleibend fortdauern als die oskischen und sabellischen Völker die alten Stämme vertilgt, verdrängt oder in sich ausgenommen hatten. Nimmer­ mehr haben Römer und Samniter zum Namen des Landes welches sie be­ wohnten den einer fremden Landschaft erborgt: wäre er nicht einheimisch im Gebrauch gewesen, so würde die Entscheidung der Waffen welches von beyden Völkern in der Halbinsel herrschen sollte, auch bestimmt haben daß sie Latium oder Samnium heiße. Von dem Lande Italia wurden die Völker welche sich darin niederge­ lassen hatten Italiker genannt, welcher Name sich ihren Stammgenoffen is außerhalb desselben mittheilte, die sich so von den nördlich wohnenden Frem­

den wie von den Römern unterschieden. Von Italern ist, nach dem Unter­ gang der alten Nation, erst wieder in ganz späten Zeiten die Rede, und alsdann heißen ohne Unterschied alle Bewohner der Halbinsel so. Die Ita­ liker waren größtentheils Sabeller, und die Einheit welche Abkunft, Sprache und Geseze unter diesen gründeten, ward, für sie und die übrigen nicht­ griechischen Völker jenes Südens, durch ihr Rechtsverhältnis; zu Rom vollendet. Wie sie selbst als Italiker sich wie ein Volk dachten, zeigt sich im marsischen Kriege. Schon am hannibalischen hatten Etrusker und Umbrer keinen Antheil genommen: nun aber waren alle Bürger jenes Italiens

ni)

Anm. 19. 1:) Suetonius Vitell. 1. Hier bot sich eine hieroglyphische Darftellung an; der Stier mit dem Mannsantliz auf kampanischen und andern süditalischen Münzen ist Ztalus oder Vitalus. Die räthselhafte und mannichfach abweichende oskische Schrift auf den sonst Pästum zugeschricbenen Münzen, (Eckhel Doclr. Nurn. 1. p. 159.) enthalt wohl auch den Namen Litulus in verschiedenen Formen: wie nichts biegsamer ist als Volksnamen in italischen Sprachen. 18) Vilalia hat Servius als einen der mehreren Landesnamen: ad Aen. VIII. 328.

I

Enge Gränzen Italiens bei den Griechen.

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unter den Waffen, nannten ihre Bundesstadt Jtalica; und ihre Bundes­ münzen zeigen die Namen Italia oder Vitellium 19).

Den Griechen, welche nur die Oenotrer als Italer betrachteten, war der einheimische weitere Umfang des Namens Italien lange fremd, und völlig ungebräuchlich. Wie sich, nach Sagen oder Geschichte, die Gränzen der Oenotrer erweitert oder verengt hatten, so dachten jene sich Italien vergrö­ ßert oder vermindert: das ursprüngliche sey die Halbinsel gewesen, welche von der nur zwanzig Millien 2") breiten Landenge zwischen dem skylletischen io und napetinischen Meerbusen begränzt wirb21); wo der Apenninus und die Bergkette, welche, vom Aetna ablaufend, bei Rhegium zerrissen ist, durch niedrige Hügel an einander hängen; der südlichste Theil des späteren Bruttiums. Dies meldete Autiochus, Xenophanes Sohn, von Syrakus: den Aristoteles nur nicht namentlich, sondern das Zeugniß der einheimischen Sagenkundigen auführt: freylich nicht ein uralter Geschichtschreiber, wie ihn Dionysius nennt22), sondern Herodots vielleicht jüngerer Zeitgenoß: denn er schloß seine sicilische Geschichte mit dem Jahre 329, Ol. 89, 2.23):

aber der älteste dieser Länder.

Aus ihm ohne Zweifel wußte Dionysius

ferner daß in weiterem Umfang das Land von Tarent bis Posivonia, als es die Oenotrer inne hatten, Italia genannt warb 24); welches er in jene uralten Zeiten sezt, aus denen die Schicksale der Völker als Geschichte ihnen gleichbenanuter Fürsten erzählt werden. Für seine eigenen Tage begränzte aber Antiochus Italien enger; nämlich durch eine vom Fluß Laos, der nachmals Lukanien von Bruttium schied, auf Metapontum gezogene Sinie25): ro denn die Lukaner waren schon eingedrungen, und hatten sich diese westliche Küste erobert. Tarent sezte er ausserhalb Italiens in Japygien: eben so trennt Thukydides, der um das Jahr 350 schrieb, Japygien und Italien 29). Daher haben die Tarentiner keinen Theil am Namen der Jtalioten 27): wel­ cher übrigens sicher Posidonia erreichte, nicht mit Velia aufhörte. Aber 19) Micaliö Deutung des Worts Vileliu auf den samnitischen Denaren des Bundsgenossen­ kriegs (T. 1. p. 52.) darf für ausgemacht gelten. Wie Latium, Samnium, so Italium, Vilalium, Vitellium; dann Vitellio, wie Samnio. 20) 160 Stadien, Strabo VI. p. 255. a.: einen halben Tageweg, Aristoteles. 21) Aristoteles Polil. VII. 10. p. 198. Sylb. Dionysius I. 35. p. 27. e. Strabo VI. p. 254. d. *'?) auyyQccq ev? Tiavv «Q/atos* I. 12. p. 10. d. *3) Diodor XII. 71. 24) Dionysius I. 73. p. 59. e. iyv tote 'iTaXia i] ano TagavTog «/Qi IIooEidtovi'us netzetXtog. 2,r>) Strabo VI. p. 254. d. 'Oqiov (T auiry; icTiogctivEi nqög plv tqj

TvQqt)Vixo) nE^ayEL tot ^Läov JioTafiov' tiqos 'idnvyaQ xaXtoV. Darnach lagen Posidonia und Elea nun außer Italien. Weil aber Lukanien noch teilt gewöhnlich gewordener Name war, so liessen diese Orte sich nur bezeichnen al- in Oenotrien gelegen: wie Herodot über Elea redet: I. 167. 2) Dionysius «. st. O. — Indem beyde Geschichtschreiber die Sikeler von den Oenotrern und

Pelstsgern verschieden, und von ihnen verdrängt dachten, irrten sie auf dieselbe Weise wie die Sage überKyzikus: Anm. 69. Vgl. Anm. 11 4. u. S. 38. 5G) Mehrere Worte ließen sich hinzufügen, wenn die Identität nicht ausführlich dargethan werden müßte, z. B. daß i7inoq und equus eins sind. 57) Als solcher kann er Circe, in der griechischen Mythologie Sonnentochter, erklären; deren Fabel ohne Zweifel einheimisch in der Gegend des nach ihr benannten Bergs war, nicht aus Griechenland dorthin gekommen.

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Griechische Sagen von Latium.

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und Erdgöttin, das belebende, und das empfangend hervorbringende der Erde: sein Reich sind ihre Tiefen. Die Deutung dieser Götter auf Könige

ist das Neuere. Von Saturnus bis auf die trojanische Ansiedelung zählte die Sage nur drey Könige der Aboriginer, Picus, Faunns und Latinus, Sohn nach Sohn; erst wenn sie der Erde entrückt wurden zu Göttern erhoben, und als Jndigeten angebetet. Auch Latinus siel nur nach der jüngsten Erzäh­ lung in der Schlacht gegen Turnus oder Mezentius; nach der ächten Sage verschwand er, und ward als Jupiter Latialis verehrt^«). Latinus ist nach einem andern Dialekt auch Lavinus genannt worden, woher unkundige Ausleger sich einen Bruder desselben, Erbauer Laviniums,

geschaffen habens. Eben so hießen die Latiner auch Laviker 60), und La­ ss vinium ist der Ort des gemeinsamen Heiligthums, und der Versammlung der Nation, wie das Panionium Ol). Auch König Lakinius in Oenotnen^)

ist eine Phase des Latinus: und hier tritt hell hervor daß die Oenotrer auch Lakinier hießen, und mit den Latinern einer Nation angehören. Denn auch Lacinium mit dem Tempel der Juno war ein gemeinsames Heiligthum jener Völker, uralt und einheimisch: wie dies der Ausdruck bezeichnet, daß es vor den troischen Zeiten gegründet fei;63): und das lakinische Vorgebürge ist von der Nation benannt, wie das entgegen liegende japygische. Jener Lakinius wird sogar bestimmt Latinus, König der Italer, genannt, und ihm eine Tochter Laurina zugeschrieben, welche er einem Fremden, dem

Lokrus, vermählt^). Doch welcher Historiker könnte Lust haben den regel­ losen Gestalten nachzuspüren, welche die Wolken der Mythologie annehmen, wie sie als Spiel willkührlich schaltender Erzähler sich verändern? Wer

möchte dabey verweilen, wenn ihn inhaltsreiche Untersuchungen erwarten? Indessen ist es für die Ansicht der Griechen vom Wesen der latinischen Nation zu folgenreich, um nicht daran zu erinnern, so bekannt es auch ist, S6daß Latinus, den Hesiodus Beherrscher aller ruhmvollen Tyrrhener, näm­ lich der pelasgischen, nenntC5), nach ihm Sohn des Ulysses und der Circe ist: nach einer andern Erzählung — wo Telemachus und Penelope mit dem schuldlosen Mörder Telegonus, entweichend vor der Blutrache der Freyer,

die nach des Helden Tod drohte, nach Latium ziehen, — der Circe und des Telemachus 66). Eine andre Sagenfamilie nannte ihn Sohn des Hercules und einer Tochter des SaunuS67), oder einer Hyperboreern Palanto^). Dunkle Vorstellung verlegte selbst Rom in der Hyperboreer Nähe^o), und 258) FestuS s. v. oscillum. Vgl. Schot Mediol. ad or. pro Plane. 9. 59) Servius ad Aen. I. 2. 60) picti scuta Lavici (nicht Labici) Aen. VII. 799. sind ein Volk, nicht die Stadt unfern von der Via Latina. C1) So sind Lavina littora, (vgl. Aen. IV. 236.) ;u erklären, nicht durch eine Prolepsis. Den Namen der Latiner ließ Virgil, wie es angenommen war, mit der Vereinigung der Troer und Aboriginer beginnen: jene Form war nicht so in der Bedeutung gebunden. 62) Servius ad III. 552. Diodor IV. 24. G3) Servius a. a.O. quod ante Troicum bellum collatitia pecunia reges populique fecerunt. 64) Konon narr. 3. 65) Theogon. 1 011—15. 66) Hyginus Fab. 137. und ein Galitas bey Festus s. v. Roma. 67) Justinus XLIII. 1. G8) Dionysius 1. 43. p. 34. e. Festus s. v. Palatium. 69) Heraklides bey Plutarch Camill. p. 1 40. a. ‘Jliebubr, 91 em, (Sefcb.

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Ettmlder.

Pallantium.

6lliechische Sagen von Latium.

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das hyperbolische Volk der Tarkynäer^'o^ sind wohl keine andre als die Tarquinienser. Furchten wir es nun nicht die geheimnißvollen Hyperboreer in Italien zu suchen, so erklärt es sich, wie ihre Geschenke nach Delos um das adriatische Meer, von Volk zu Volk überliefert, an die Dodonäer kamen; von jener alten Zeit her, wo Nationen des pelasgischen Stamms ganz um jenes Meer wohnten; und die Einheit der Religion nimmt der Uebersendung aus solcher Ferne alles befremdliche. Und wer nur zugiebt daß jenes hyperbolisch genannte Volk ein pelasgisches in Italien seyn konnte, dem wird die Möglichkeit wohl fast zur Gewißheit durch die beynahe lateinische Benennung der Ueberbringer71). Euanders Fahrt nach Latium mit einem Gefolge von Arkadiern würde als ein augenscheinliches Mährchen gar keine Erwähnung verdienen, wenn es nicht einheimisch und alt, und eben daher es wahrscheinlich wäre daß»? eine Erklärung gefunden werden könne, wodurch sich das Widersinnige da­ von ablöse. Irgend eine Sage kann hinreichen den Glauben zu rechtfertigen daß, wo rund umher so viele kleine siculische Orte lagen, sich auch auf dem Hügel nahe an der Tiber, wo einst der ewigen Stadt Grund gelegt werden sollte, ein solcher befand, welcher den Namen Palatium trug, und dieser Name erinnerte Griechen au die mänalische Stadt. Ueberhaupt aber sind Arkadier und Pelasger gleichbedeutend für griechische Genealogen. Mit keinem Recht läßt sich Dionysius Bericht bezweifeln daß dem Euander, wie seiner Mutter Carmenta, Gedächtnißopfer gebracht wurden: daß die einhei­ mischen Geschichten von ihm meldeten, wie er Künste und gebildeteres Le­ ben^) eingeführt, Herakles empfangen, und ihm seine Tochter Launa ver­ mählt habe, welche dem Heros Pallas gebahr, von welchem nun freylich, Ort und Hügel den Namen erst zu erhalten scheinen, weil die Sage sich nie festhalten läßt: und erweißlich sind diese Erzählungen älter als Polybins Zeit. Italisches Ursprungs im engsten Sinn können sie freylich nicht seyn; wer aber vermag das pelasgische Princip in seiner Wirksamkeit zu messen, welches der griechischen Mythologie und Religion, ihren Orakeln und Weissa­ gungen, bey Römern, Latinern und Etruskern den Zugang öffnete? und wo ist eine Spur von den epischen und lyrischen Dichtern der näheren und entfernteren griechischen Städte an den Küsten Italiens, denen Nom wichtig v8 war lange ehe im ursprünglichen Hellas sein Daseyn beachtet ward? Was von griechisch-italischen Mythographen erwähnt wird, ist freylich schwerlich älter als höchstens der Anfang der alerandrinischen Poesie. Ob Dionysius den Dichter Eurenus alt nannte^), hängt von einer zweifelhaften Lesart ab: Simylus, Bntas, und die vielleicht auch in Versen über Rom geschrie­ ben haben, Diokles von Peparethus und Antigonus, sind zuverläßig nicht auS einer früheren Zeit. Herakles Kampf in Ligystika, sein Zug über die 27°) Stephanus s. v. 71) IltQfjief&g, bey Herodot IV. 33. — perferre. Auch die la­ teinische Buchstabenschrift, im Gegensaz der etruskischen. Sacitiid Ann. XI. 14. 73) Die Worte Ev&voq 6 JioirjrrjQ bey Dionysius I. 34. p. 27. b. sind schwerlich un­ verdorben : wenigstens fehlt nach ihnen uv^q.

1

Hercules sage. Herculesdienst. (vuaiiivr. Die tmTbciiikbc Sage.

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Alpen und durch die Halbinsel, gehören freylich in die alten Herakteien. Aber griechische Dichter in Italien müßen es gewesen seyn, welche seine Rückkehr von Erytheia mit dem Abentheuer gegen Kakus, dem Kamps gegen die Niesen im kampanischen Phtegra, welche bis in Leuternia entflohen, und der Gründung von Herkulanum und Pompeji, ausgeschmückt haben, wie die Griechen am Pontus von seinen Thaten im Skythenlande erzählten. Ich bin weit entfernt davon, zu wähnen daß sich erforschen lasse, wie etwa der Dienst des sabinischen Semo Sancus auf den Sohn der Alkmene übergegangen seh? ich will nicht darüber rathen, ob der große Altar des Hercules vor App. Claudius des Blinden Censur vorhanden gewesen? Dock­ ist wohl die ungesuchteste Erklärung der Geschichte mit den Potitiern und Pinariern daß diese Geschlechter den Dienst des Hercules als ein Sacrum 99gentilitium gehabt hatten, daß die sibyllinischen Bücher, oder ein Orakelspruch, wie er während jenes samnitischen Kriegs gebot die Statuen des tapfersten und des weisesten Griechen zu weihen, verordnete, den Dienst des Hera­ kles, des heldenhaftesten unter allen in den Olympus erhobenen griechischen He­ roen, anzunehmen, ihm eine Statue zu errichten, und denen, welche ihm den Zehnten ihrer Habe weihen würden, Segen verhieß; ja dieß vielleicht all­ gemein vorschrieb; um den nie endenden Krieg mit Glück zu schließen. Eine kolossale Statue ward errichtet im Jahr 449, grade unter Appius Censur: dieser bewog mit Geld die Potitier die Cäremonien ihres Dienstes zu lehren, welches mit Recht verächtlich gefunden ward: und wenn das Geschlecht, sicherlich nicht innerhalb eines Jahrs, oder gar in dreyßig Tagen, sondern in der großen Pest welche Rom zehn Jahre nachher verödete, ausstarb, so sah man darin des Gottes Finger. In dieser Pest ward der Dienst des Asklepios angenommen 274). ton Ich komme wieder auf Euander, und bemerke daß er nur eine andere Gestalt des Latinus zu seyn scheint: hier Sohn der weissagenden Carmentis, wie dort des weissagenden Faunus: seine Tochter Lavinia hier dem Hera­ kles, dort dem Aeneas, beyde fremde Heroen, vermählend. So tritt in einer andern Sage Latinus als Räuber der Rinder an Kakus Stelle. Ohne Vergleich glänzender und berühmter als diese Sage ist die von der Trojaner Ankunft in Latium: aber unmittelbar verbunden mit denen 274) KakuS Höhl« wird in den Aventinus gesezt; aber Kakus Stufen waren am Palatinus: diese kennt Diodor; und auf diesem Hügel wohnt, in seiner Erzählung, Kakius, welcher mit PinariuS den tirhnthischen Heros gastfreundlich und ehrerbietig empfängt, und anstatt des Potitius da ist; ja anstatt Euanders, welcher gar nicht vorkommt, so wenig als Arkadier; nur von Einheimischen ist die Rede. So ward eine Schwester des Kakus, gleiches Namens, wie Vesta mit ewi-em Feuer verehrt. (Servius ad Aen. VIII. 4 90.) Es scheint gar nicht zu bezweifeln, daß die ganze Erzählung von diesem Zug des Herakles bey Diodor, aus Ti mäus entlehnt ist —: man vergleiche daß der Heros eine bleibende gesicherte Straße durch die barbarischen Völker Liguriens öffnete, mit der Herakleischen Straße in der Schrift de mirabilib. p. 4 02. a. ed. Sylb. Was bey dem sogenannten Victor über den Ursvrung des römischen Volks, angeblich aus Annalisten sich findet, gilt gar nichts: denn dieses Buch ist von einem ausgemachten Betrüger gegen das Ende des 4 6. Jahrhunderts wie die angeblichen Schriften deS Messalla, Feneftella, Modestus, oder im 4 6. geschrieben.

4*

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Alter Umfang Latiums bis Kuma.

Die Sabeller.

Ursprünglicher Sitz.

i

über Roms Erbauung: und wichtig würde sie nur für die Ahnengeschichte der römischen Geschlechter seyn, auch wenn sie sich historisch bewähren ließe. Denn Aeneas mit seinem kleinen Gefolge konnte das latinische Volk nicht umbilden. Ich scheide daher ihre Erforschung hier aus, und verschiebe sie

zur Vorgeschichte Roms. Die Spätern hielten für gewiß, Latiums Gränze sey durch die römischen Eroberungen von Circeji dem ersten Vertrag mit Terracina Latiner, und nienser verpflichten sich,

bis an den Liris vorgerückt worden^). Aber in Karthago heißen alle Küstenstävte von Ostia bis sind den Römern unterworfen; und die Karthagiwenn sie eine latinische Stadt eroberten die nicht

Unterthan wäre, sie den Römern zu übergeben7e). An Eroberungen im 101 Innern ist nicht zu denken: also erstreckte sich Latium damals weiter die Küste entlang gegen Kuma hin: und Latiner und Tyrrhener sind gleich­

bedeutend.

Die Sabiner und Sabeller. Die Römer haben keinen und die Völker, welche dafür lezten, Marser und Peligner, beller. Daß diese Völker sich der Inschrift der samnitischen

allgemeinen Nationalnamen für die Sabiner gelten von ihnen ausgegangen zu seyn: diese wie Samniter und Lukaner, nennen sie Sa­ selbst Sawini oder Sabini nannten, ist nach Denare aus dem Bundesgenossenkrieg gewiß;

wenigstens von den Samnitern, deren Name immer unverkennbar, in der griechischen Form SawiTai ganz unmittelbar, von jenem abgeleitet ist: aber

der Sprachgebrauch eines Volks dessen Schriften untergegangen sind, hat, wie alles faktisch völlig vergangene, seine Rechte verloren. Ich glaube die Benennung Sabeller für den ganzen Volksstamm gebrauchen zu dürfen, weil die Völker, welche den Römern so heißen, vielfach bedeutender sind als die Sabiner; und es dem lateinischen Ohr ausgemacht anstößig gewesen seyn würde, wenn jemand die Samniter Sabiner genannt hätte: für Unter­ suchungen wie die dieser Geschichte ist ein allgemeiner unentbehrlich. Die Sabeller waren, als Rom die Gränzen von Latium überschritt, das ausgedehnteste und größte Volk Italiens: die Etrusker waren schon ge-10s funken, wie sie die Nationen früherer Größe, Tyrrhener, Umbrer und Ausoner, hatten sinken gesehen. Wie die Dorier in ihren Pflanzvölkern groß waren, der Mutterstaat klein blieb; und in Frieden lebte während die aus­ gesandten Stämme sich durch Eroberungen und Ansiedelungen weit ver­ breiteten; so, nach Eato, das alte sabinische Volk. Ihre ursprüngliche Heimat war nach ihm77) um Amiternum, in den höchsten Apenninen der Abruzzi, wo am Majella der Schnee nie ganz vergehen soll, und die Alpen Strabo V. p. 231. e. Plinius H. N. IIL 9. Auch schon Skylar sezt jene Gränze. 76) Po» lhbius IH. 22. prj «J/xf/rtutfay x t. X. aXXov Avalvcov oöoi av lav JV itveg pr] (oaiv vnrixooi x. t. X. 77) Dionysius1.1 4. p. 12. c. IL 49. p. 113. a.

I

Auswanderung. Zweite Auswanderung der Sabeller. im Sommer die apulischen Heerden aufnehmen. alten Zeiten aus, lange vor Umbrer verdrängend, nahmen Jahren ihren Namen trägt. des Volks nach verschiedenen

Eroberung Kampaniens. 53

Von hier gingen sie in sehr

den troischen; und hier die (Lasker, dort die sie die Landschaft ein, welche seit dreytausend Aus dieser wanderte die überströhmende Fülle Gegenden. (Ls war ein italischer gottesdienst­

licher Brauch in schweren Kriegsläuften oder Sterbezeiten einen heiligen Lenz

(ver sacrum) zu geloben: alle Geburten des Frühlings: nach zwanzig ver­ flossenen Jahren 27«) ward das Vieh geopfert oder gelößt, die Jugend aus­ gesandt 79). Dies gelobten die Römer im zweyten Jahr des hannibalischen Kriegs; doch nur von der Habe8"). Solche Gelübde, erzählt die Sage, veranlaßten die Aufsendung der sabellischen Pflanzvölker: die Götter, denen ros jede geweiht ward8*), sandten heilige Thiere, sie auf den Pfad zu leiten. Ein Specht, der heilige Vogel des Mamers, führte eine Colonie in Plcenum82), damals pelasgisch oder liburnisch: ein Stier eine andere Menge in das Land der Opiker; diese ward das große samnitische Volk: ein Wolf die Hirpiner8^). Daß aus Samnium Pflanzvölker ausgingen, wissen wir schon historisch. Die Frentaner, an der Küste des adriatischen Meeres, waren Samniter8*), die im Lauf des zweyten römischen Kriegs abgesondert

standen: Samniter eroberten Kampanien und das Land bis an den Silarus; eine andere Schaar, nach ihrem Anführer Lucius sich Lukaner nennend^), eroberte und benannte Lukanien89). Kapua, damals Vulturnum genannt, ursprünglich ein tuskischer, da­ mals wohl ein oskischer Ort, erkaufte Friede von den Samnitern, indem es eine Colonie aufnahm, und Stadt und Feldmark mit derselben theilte87). DieS ist die Entstehung des kampanischen Volks, ein denkwürdiges Ereigniß für die Sikelioten, welche alle Völker die aus Sabellern und Opikern ge­

mischt waren Kampaner nannten; also die oskisch redenden Söldner, unter deren Frevel sie seufzten. Diodor sezt sie in Ol. 85, 3. Jahr Roms 31488):

io4 und zwischen dieser Angabe, und der bey Livius, wonach es im Jahr 331 geschah daß die alten Bürger von den Einsaßen überwältigt und ermordet wurden, ist kein Widerspruch. Drey Jahre nach Vertilgung der alten Bürger Kapuas, 33489), nahmen die Kampaner Kuma mit Sturm: übten an den unglücklichen Einwohnern alle Greuel des Kriegs9"), und sandten eine Colonie in die Stadt: dennoch ward die griechische Bevölkerung nicht ganz vertilgt. Noch ein halbes Jahrhundert später konnte Skylar die Stadt griechisch nennen, und Spuren griechischer Sitten und Gebräuche bestanden 27fl) Liviu« XXXIII. 44. Festu« s. v. Mamerlini. 79) Dionysius 1. 4 6. p. 4 3. b -d. Strabo V. p.250.a. FestuS s. v. ver sacrum und Mamerlini. 90) Livius XXII. 9. 81) Strabo und DionystuSa.a.O. **2) Strabo V. p. 240. d. Plinius II. N. III. 48. *’) Strabo V. p. 250. b. d. ^/Derselbe V. p. 244. d. Skylar p. 5. S. Anm. 293. Plinius

H. N. lil. 4 0. Etymol. m. s. v. ^ItvxavoC. Wahrscheinlicher nach einem Heros Lucus. *6) In der Grabschrift des L. Cornelius Scipio Barbatus, Lucanaa. Die Verdoppelung des Vocals ist oskifch und altlateinisch, — in der iulischenJnschrift von Bovillä,l66Ze. H7) Livius IV. 37. 8Ä) Diodor XII. 31. to eOvo$ ter, vallis Albana.

115

Orte, und die Zahl, für sich: Md lassen keinen Zweifel daß diese die dreyßig waren welche als Colonien Albas angegeben werden, nicht die bedeutenden Städte. Manchen unter ihnen mögen würklich Colonen von Alba zuge­ theilt seyn, wie römische den von den ersten.Königen in Roms Nähe be­ zwungenen: im Ganzen aber ist eine Eintheilung unverkennbar wie die der dreyßig plebejischen Tribus in der servianischen Gesezgebung: es sind Demen der freyen Gemeinde. Daß die albensischen Orte daS Fleisch des Opferthiers mit andern la-

tinischen theilten, zeigt diese auf dem latinischen Berge in demselben Ver­ hältniß zu Alba wie nachher zu Rom. Ganz gewiß waren sie Umlande, und dreyßig, an der Zahl, nicht aber grade die welche nachher in Bund nut Rom traten, sondern nur einige von diesen, und außer ihnen so manche - Stadt die in die Gewalt der Römer gekommen, Colonie geworden oder zer< stört war, wie Medullia und Cameria. t So gewinnt auch diese Untersuchung das erfreuliche Ergebniß, welches für so viele von denen woraus dieses Werk besteht die Mühe belohnt: daS Widersinnige ist es nur durch oberflächliche Auffassung, und umgiebt einen unverdorbnen Grund, der sich enthüllen läßt: so daß die kritische Bearbeitung der Geschichte weit reicher an Thatsachen wird als die leichtgläubige Wider-

holung. Von keinem Gebäude der alten Albaner sind Ruinen sichtbar: von dem SS» Tempel des Jupiter Latiaris sind selbst die Grundmauern vernichtet, welche aus der urältesten Zeit seyn mochten. Doch ein Werk welches Alba aus­ geführt hat schafft jezt Segen wie vor drittehalbtausend Jahren, und wird unvergänglich bestehen; aber die Nachkommen ahnden nicht daß sie die frucht­

barsten Felder dem Fürsten einer Stadt verdanken welche in einem fernen Dunkel, noch jenseits der Sagenzeiten Noms liegend, fast in ihrem Daseyn zweifelhaft scheint. Die Anerkennung und den Dank will ich für jenen Cluilius fordern, dessen Name nur an einem ganz unpassenden Ort in die römischen Geschichten eingeschaltet ist. Das Thal von Grottafnrata ist, wie der Augenschein lehrt, eine ent­

wässerte Niederung, oder vielmehr ein abgelassener See, wie die vallis Aricina. Es gab eine vallis Albana, unter den tuskulanischen Sergen571): und die kann keine andre sehn als jenes Thal: also gehörte dieses unmittel­ bar zum G) Censorinus a. a. O.

22) Mit dem was über die Bedeutung des Pomörium, und den Gang

des angeblichen romulischen, zu sagen ist, will ich die Darstellung der Sage nicht unterbrechen.

I

Pomörium.

Remus' Tod.

Asyl.

Raub der Jungfrauen.

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liegen bleibe. Im Comitium 623) ward ein Gewölbe unter der Erde gemauert, und mit Erstlingen von allen Naturgaben die der Menschen Leben erhalten, und Erde die jeder fremde Ankömmling aus seiner Heimat brachte, gefüllt: dieser Ort ward Mundus genannt, und war an drey verschiedenen Tagen des Jahrs das geöffnete Thor der Unterwelt für die abgeschiedenen Geister2*). Auf der Linie des Pomörium ward die Stadt mit Wall und Graben eingeschloffen. Remus, der über das erlittene Unrecht noch zürnte, sprang verspottend über die armselige Wehr: darum erschlug ihn Celer, oder Rosss mulus selbst; und das Omen stand fest, daß niemand ausser sich zum Ver­

derben die Mauern übersteigen werde. Doch versank Romulus in Gram, verwarf Trost und Speise, bis Remus Geist, den Pflegeeltern erschienen, seine Versöhnung zusagte, und nur ein Fest bedung für die abgeschiedenen Seelen2^). Zu bleibender Ehre ward ein zweyter Thron mit Scepter, Krone und Insignien, neben dem des Königs gestellt2"). In der neuen Stadt fand jeder Wildfang Aufnahme: Verbannte und wegen Todtschlags Landflüchtige, die sonst nur als Beysassen in der Fremde

Duldung erlangen konnten, sogar entronnene Sklaven und Missethäter, waren willkommen27). Nur fehlten den ledigen Gesellen Weiber; Nomulus suchte bey den benachbarten Völkern Verträge, wovon in Italien wie in Griechenland die Rechtmäßigkeit der Ehen mit Fremden abhing28): aber die wilden Freyer misfielen nicht weniger als die gefährliche Horde, zu der sie gehörten, beunruhigte. Die Verweigerung ward mit Hohn ausgesprochen: 253 die es thaten, wähnten, wie alle sich vornehm dünkenden, der Gedemüthigte werde sich verdient für seine Anmaaßung zurecht gewiesen fühlen. Also argwohnten sie nichts, als Romulus festliche Aufzüge und Wettkämpfe zur

Feyer der Consualien2") ausrufen, und die Nachbaren einladen ließ; Latiner und Sabiner; denn Rom lag in der Gegend wo beyde Völker in gemischten Marken wohnten. Es kamen viele wie zu einem Markt; auch waren solche Feste immer Märkte, und in Italien wie in Griechenland und im Orient durch die Religion geschüzt; doch weder Religion noch Gastrecht schüzten die Betrogenen, und ihre Jungfrauen wurden geraubt3").

Die alte

623) Eine Linie 100 bis 200 Schritt südlich und parallel mit einer gezogen die von S. Maria liberatrice auf den ehemals sogenannten Concordientempel (die Basiliea der Cäsarn) liefe, würde durch das Comitium gehen. 24) Plutarch Romul. p 23. d. FestuS s. v. Mundus. 25) Die Lemuria. OvidiuS Fast. V. 461. 26) Servius ad Aen. 1. 276. 2') Indessen hat die alte Zeit dieses Gesindel doch nicht als einen bedeutenden Theil der Bevölkerung denken können: denn daS Asylum war ein kleiner Bezirk auf dem kapitolinischen Berge, und konnte, als solches, nur innerhalb seiner Gränzen schüzen. 2S) Daraus ist klar daß die Lltefte Sage Rom gar nicht als eine Colonie Albas, oder wie eine latinische Stadt, betrachtet hat; ge­ schweige daß sie von Auswandrung edler Geschlechter geredet hätte. Als Colonie würde Rom vom Anfang her Ccnnubium mit allen Latinern gehabt haben. Ich rede hier immer nur von der Consequenz welche alten Dichtungen keineswegs fehlt, nicht als von historischen Vorfällen. 29) Diese- Fest, des Gottes verschwiegener Ueberlegungen, ward symbolisch mit Aufdeckung eines unter der Erde verborgenen Altars begangen; daher wird Romulus Geschichte mit der Erzählung bereichert, die Entdeckung dieses Altars sey Veranlassung oder Vorwand der Feyer gewesen. 3°) Die Zeit deS Raubs ward allgemein in den vierten Monat des ersten Jahrs der Stadt gesezt. — Darin sehe man nur keine Tradition: da die ConsuaNiebuhr, Gesch. g

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Die ersten Kriege Roms.

Sabinerkriegc.

Tarpeja.

Die Sage von ihr.

1

Sage redete nur von dreyßig erbeuteten Mädchen; das kann man nicht läugnen, aber sträubt sich dagegen 631); selbst Livius, der doch diese Zeiten m erzählte gleich einer Geschichte, nicht als Geschichte; er, dessen dichterischer Sinn sie besser faßte als die dunklen historischen. Die nächsten unter den beleidigten Städten, drey latinische oder siculische, Antemnä, Cänina und Crustumerium, ergriffen die Waffen ohne Einstimmig­

keit, während die Sabiner zögerten bis alle drey, eine nach der andern, ge­ fallen waren, und Romulus die Königsspolien von Akron von Cänina ge­ wonnen hatte; dessen griechischer Name darthut, wie spät pelasgische Erinnerungen in jenen Sagen fortlebten. Endlich führte Titus TatiuS ein mächtiges Heer gegen Rom. Romulus, unfähig im Felde zu widerstehen, wich in die Stadt zurück, welcher gegenüber der saturnische Berg, nach­ mals der kapitolinische, befestigt und besezt war: ein sumpfiges Thal, später das Forum, trennte beyde Berge. Das Gold womit die Sabiner die Armgeschmeive und Halsketten geschmückt hatten^) blendete Tarpeja: um solchen Preis öffnete sie ein Thor der Festung die dem Befehl ihres Vaters an­ vertraut war: erdrückt von der Last deS auf sie geschleuderten Schmucks

büßte sie ihr Verbrechen mit dem Tode. Doch ward auf dem Berge ihr Grab gezeigt, und verkehrte Grübler fragten: ob es denn denkbar sey daß einer Verrätherin solche Ehre geworden? sie vergaffen daß der Berg fafoUa.™ nisch blieb. Das Andenken ihrer Schuld lebt noch in einer Volkssage. Der ganze kapitolinische Berg ist von Latomien, uralten in den losen Tuf gearbeiteten

Gängen, durchbrochen: viele sind vermauert; neben den Häusern die auf dem Schutt gebaut sind der die hundert Stufen verbirgt, wo der tarpejische Fels dem Forum zugewandt ist, bey verfallenen Gebäuden die der Palazzaccio genannt werden, sind mehrere zugänglich. Ein Gerücht von einem Brunnen von ausnehmender Tiefe, der älter als die Wasserleitungen sehn mußte, weil nachher niemand die Mühe daran verwandt hätte; der gewiß den Vertheidigern in der gallischen Belagerung Wasser sicherte; zog mich in diese Labyrinthe: Mädchen auS den nahen Häusern führten uns, und erzählten dabei: tief

im Berge size die schöne Tarpeja^), mit Golv und Geschmeide überdeckt, lien im SertiliS waren, so ergab sich der vierte Monat nach den Palilicn.

Der einzige

En. GelliuS gab das vierte Jahr an: nicht ohne Dionysius Beyfall (II. 34. p. 4 00. b.). Hier ist nun sichtbare Verfälschung: der kluge Mann hielt eS für unmöglich so etwas zu

wagen ehe der Staat befestigt gewesen, und benuzte die für den Monat gesezte Zahl: Monat und Jahr habe die alte Sage vertauscht. 63') Plutarch Romul. p. 25. e., und Livius I. 43.

Id non Iraditur, cum haud dubie ali-

quanto numerus maior hoc mulierum fuerit, aetate, an dignitatibus, an Sorte lectae sint quae nomina curiis darent. Er sah nicht wie diese Zahl, dreyßig, durchgehend in den Sagen wie in den Einrichtungen des alten Roms herrscht. 3?) Dem römischen Dichter

erschienen die armen Sabiner mit Gold überdeckt, wie nach FaurielS Bemerkung, den neu­ griechischen ihre Klephten. Hier ist Volkspoesie für den der zu sehen weiß nicht zu verkennen: in demselben Geist der den Glanz und die Schäze in MenelauS Hause schuf. — Die Dich­

tung deS ProPertiuS (IV. 4.) ist wohl eine von keiner Sage berechtigte Uebertragung der Skylla von Megara. 33) Lä bella Tarpeia hat, wie la bella Cenci, den Nebenbegriff der Zärtlichkeit für eine anerkannt Schuldige.

I

Frieden und Bund mit den Sabinern.

Ehren der Frauen.

131

verzaubert: wer zu ihr zu kommen suche finde den Weg nimmer; ein einzi­ ges mal habe der Bruder der einen sie gesehen. Die Bewohner dieser Ge­ gend sind Schmiede und Bauernwirthe, ohne einigen Anflug von jener scheinbar lebenden Kenntniß des Alterthums die aus den trübsten Quellen trivialer Bücher an andre Classen gekommen ist. Durch wahre mündliche

Ueberlieferung ist Tarpeja seit drittehalbtausend Jahren in dem Munde des Volks, welches die Namen von Clölia und Cornelia seit vielen Jahrhun­ äse

derten nicht mehr kennt. Die Sabiner bestürmten die Stadt selbst: sie stand am Untergang; die Götter stritten über ihr Schicksal und das der Welt: Juno, zu Cures aus­

zeichnend verehrt, war ihnen hold, dem Geschlecht des AeneaS feind; sie hatte ein Thor geöffnet, keine menschliche Kraft konnte es schließen, aber Janus ließ einen siedenden Quell hervorbrechen, der die Andringenden

zurücktrieb. Am nächsten Morgen stürmte hingegen Nomulus eben so vergebens die verlorene Burg: doch gelobte er nicht umsonst dem fluchthemmenden Jupiter ein Heiligthum, als seine zurückgeschlagene Schaar an das Thor unter dem Palatium geflohen war. Den ganzen Tag hindurch wandte sich der Sieg von einem Heer zum andern, und keines verzweifelte ihn zu behaupten, als die Sabinerinnen, nicht mehr allzu späte Rache, sondern Aussöhnung der

Väter ihrer Kinder mit den ihrigen wünschend, sich zwischen die streitenden Heere stürzten, und Frieden stifteten. Beyde Völker sollten geschieden aber unzertrennlich, jedes unter seinem Könige, zu einem Staat der Römer und Quiriten vereinigt sehn: die Heiligthümer beyden gemeinschaftlich. Die Frauen hatten Rom gerettet; Romulus lohnte ihnen mit Ehren

für sie selbst und den Stand der Matronen. Die Namen der Sabinerinnen wurden den Curien gegeben; ihnen und allen Ehefrauen auf immer Frey­ heit von jedem Hausdienst außer Spinnen und Weben verbürgt. Der Mann sollte der begegnenden Matrone ausweichen; wer ihre Zucht mit schamlosem Wort oder Anblick kränkte war des Todes schuldig; der Frau 257 ward daö Recht der Kindschaft 634) gegeben wenn sie es wollte: aber der

Ehemann der diese väterliche Gewalt misbraucht, und sein Weib verkauft

hätte, wie er ein Kind verkaufen konnte, war den unterirdischen Göttern verfallen. Er durfte wegen Ehebruch, Vergiftung der Kinder, oder Ver­ fälschung der ihr übergebenen Schlüßel, sich von seiner angetrauten Ehefrau scheiden: verstieß er sie ohne solchen Grund, so verfiel die Hälfte seines Ver­ mögens der Gekränkten, die andre dem Tempel der Ceres 35). Die Sabiner gründeten eine neue Stadt auf dem eroberten capitolinischen und auf dem quirinalischen Berge; auf jenem wohnte Tatius und C34) Es wird, denke ich, sich nichts Gegründete- gegen diesen nach Einkindschaft gedildeten Aus­ druck für convenlio in manum sagen lassen. 35) Dieses Recht ist wohl nach allerAnalogie plebejisches Ursprungs; aber die Verbindung desselben mit dem Gedicht von den Sabinerin­ nen ist unbezweifelt alt, und wohl schön. — Bey einer eingesegneten (confarreirten) Ehe war Scheidung fast unmöglich: hinrichten konnte der Mann die Schuldige: bey ungetrauter von jeher die Trennung gegenseitiger Willkühr überlassen.

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Die sabinischeStadt aufCapitol u. Quirinal. NomulusKönig beyder Städte.

i

Wechte seinen einheimischen Göttern dort Tempel. Die Könige und ihre Senate, allein auch beyderseits die Geschlechter männiglich, traten zwischen Capitol und Palatium zu wichtigen Berathschlagungen zusammen: daher kam der Name des Comitium. Selbst die alte Sage war wohl nicht mit sich einig, ob Tatius König aller Sabiner blieb oder die Gemeinherrschaft auf die Bürger der Doppelstadt beschränkt war. Sie bestand nicht lange:

Tatius ward von Laurentinern, denen er Blutrache an seinen Angehörigen verweigert hatte, bey dem Volksopfer zu Lavinium erschlagen: sein Grab«^

ward auf dem Aventinus gezeigt 636). Don nun an beherrschte Nomulus beyde Völker. Seine Säumigkeit die dargebotene Blutsühne für den Tod seines Mitfürsten anzunehmen, brachte über Römer und Laurentiner eine Pestilenz, die erst aufhörte als die schuldigen Opfer gewechselt waren. Hier schließt das Heldenlied, welches, von der Einrichtung des Asylum, Einheit darbietet. Alle Vorfälle sind entweder mit bestimmten sich nahe liegenden Epochen, oder ohne Angabe der Zeitentfernung, aber so erzählt daß sie im Geist der alten Sage sich sehr nahe gefolgt, und sehr schnell vollbracht seyn müßend). Das Gedicht erscheint wieder in seinem vollen Glanze wo NomuluS der Erde entrückt wird: was in der Mitte liegt ist schlechter Zusaz*). Abgesondert von ihnen [seil, jenen Vorfällen^ stehen in dem langen Zeitraum bis an Romulus Tod die etruskischen Kriege; unhistorisch, un­ gefüge, fabelhaft wie Ritterromane, ohne den Geist und die Züge eines Gedichts. Ein Feldzug gegen Fidenä, worin dieses erobert ward, wird fast

genau so erzählt wie die Einnahme derselben Stadt im Jahre 328; eine bey dem ärmlichen Erfindungsvermögen der Annalisten häufige Uebertragung aus einer schon historischen in die mythische Zeit. Ein anderer gegen Veji,«»ward nach vielen Schlachten, in deren einer von fünfzehn tausend erschlagenen Etruskern mehr als die Hälfte von Romulus Hand fielen, durch hundert­ jährigen Waffenstillstand um den Preis einer weitläuftigen Landschaft und der Salzwiesen am Meer geendigt. Nach diesen Kriegen nun, für eine Regierung von sieben und dreyßig Jahren, kann, wer hier Geschichte zu besizen glaubt, in Romulus den rastlos kriegerischen Fürsten nicht erkennen,

wie der Ruf ihn stets genannt hat. Der Poesie genügt es: so verfließen in unsrer Nationalepopöe viele Jahre ohne erzählte Thaten, nachdem des

Helden Ruhm gegründet ist. Die alte Sage, auS Ennius am reinsten in Cicero und Livius er636) Zwischen dieser Legende, und einer Angabe daß RomuluS Sabiner auf jenem Berge ange-

siedelt habe (Varro bey Servius ad Aen. VII. 657), ist sichtbarer Zusammenhang: die lezte ist eben so augenscheinlich auS der Verwechslung der Quinten und Plebejer erwachsen.

17) 3m troischen Krieg will, was vor Achilles Zorn geschehen, die neun Jahre nicht füllen: man

sehe in DikthS (den ich gelegentlich, auch als Nachbilder der Sprache SallustS, größerer Beachkung empfehle — optimorum aemulum nennt ihn der große GronoviuS —) wie da­

versucht ward,- und überhaupt an ihm wie epische Poesie in alltägliche Geschichtsgestalt *) Der vorstehende Absaz, der in der 3. Ausgabe auf S. 259 vor „Die alte Sageu. s. w." steht ist nach der Correcturde- Hand-Eremplar - hierherversezt. A.d.H. umgebildet wird.

I

Einschaltungen in d. Heldenlied. RomulnS vergöttert. D. Heldensage verfälscht.

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halten, weiß nichts von der Ausartung seiner ruhmvollen, wenn auch nicht fleckenlosen Herrschaft in Gewalt und Tyranney. Tatius schalt sie einen Tyrannen: eben nach seinem Tode sey Romulus Herrschaft gesezmäßiger und

milder geworden; er habe für alles den Rath des Senats erfragt, und die Widerspenstigen nicht mit Leibesstrafen, sondern mit Brächten von Vieh gezüchtigt^«). 3ene Celeres, den Späteren seine Leibwache, waren keine andere als die Ritter; und die alte Zeit hat nimmermehr etwas davon ge­ wußt, daß er dem Senat verhaßt gewesen sey. Es scheint daß Ennius ge260 fangen, wie Mars einst für Ilia und seine Kinder um Rettung bey dem

Vater der Götter und Menschen flehte, und dieser, ihn über das unabwend­ bare Schicksal zu trösten, verhieß Romulus in den Himmel zu führen^). Die Zeit war erfüllt; Juno, wie mit Herakles, mit dem troischen Geschlecht versöhnt.

An den Nonen des Quinctilis oder an den Quirinalien ^0), als

der König daS Volk musterte, verfinsterte sich die Sonne"); und während die Erve in Nacht lag, fuhr Mars in Orkan und Wetter herab, und führte auf feurigem Wagen") den vollendeten Sohn mit sich von hienieden gen

Himmel. Das Volk war voll Entsezen entflohen: als das Tageslicht wiedergekehrt war suchte es voll Bekümmerniß seinen Vater, den Götter­ sohn, der sie in die Gefilde des Lichts geführt hatte"); die Klagen aber wandelten sich in Anbetung, als der Verklärte dem ProculuS Julius er­ schienen war"), und durch seinen Mund verkünden ließ, er werde als Gott Quirinus über sein Volk walten. Dies sind die wesentlichen Züge der überlieferten Erzählung, wie sie

261 ben Römern Jahrhunderte lang heilig war, in heiligen Liedern gefeyert. Aber es kam eine Zeit wo der unbefangene Glaube seine Kraft verloren hatte, und das Ansehen der würklichen Geschichte in dem Verhältniß ge­ stiegen war, wie sie eine schon lange Zeit umfaßte, und das politische Leben der Nation Größe und Wichtigkeit gewonnen hatte: und nun zeigten sich

Schriftsteller welche, wie überhaupt an den alten Sagen, namentlich an

dieser sich aufs Aergste versündigten. ES sind diejenigen, deren Dionysius und Plutarch mit Beyfall gedenken, als Vernünftiger, die Wahrscheinliches erzählten, das Glaubliche suchten"): und unter ihnen war, wo nicht, wie ich glaube, der Urheber dieser Manier, welche freylich schon unter den Grie­ chen Vorbilder hatte, wenigstens der welcher sie entschiedener als irgend ein anderer Annalist anwendete, der Altcensor L. Piso aus der gracchischen 638) Für Jene« Enniu«: für diese« Cicero de re publ. II. 9. 39) So erklärt sich der 93er« Udus erit quem tu tolles in caerula caeli: vgl. Ovidiu« Fasten II. 487. 40) Die Quirinalien bey Ovid a. a. O. 4l) Cicero de re publ. I. 4 6. Solls defectio quae nonis quinctilibus fuit, regnante Romulo; quibus — Romulum — tenebris — natura abripuit. Die meisten früher bekannten Stellen hat Scaliger gesammelt, Emend.temp.p. 395. 42) Quirinus Marlis equis Acheronta fugit: Horaz: — Rex patriis astra petebat equis: Ovid. 43) Ennius bey Cicero de re p. I. 4(. Hätten wir Ennius drey erste Bücher, da würden wir ihn als Dichter kennen. 41) Zwischen dem Pallast von Monte Cavallo und Porta Pia. 45) oi t« ni&avcüTctTa ygdtpovTts — ol Ta {nuxkodr) fyd/tEVOi, Plutarch.

Tidvra TugiaigovvTEs — Dionysius: iwv eIxotwv

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Verfälschung der Heldensage zur angeblichen Geschichte.

I

Zeit; sonst ein ehrbarer und ehrenwerther Mann, dessen Geist aber in dem was von seinen Annalen bekannt ist sich höchst armselig und verkehrt zeigt. Der Wunsch dieser Historiker war die ganze mythische Zeit für die Geschichte zu gewinnen: ihre Voraussezung, daß die dichterischen Erzählungen immer einen Kern trockner Geschichte hätten: und ihr System, durch Beseitigung des Wunderbaren dahin zu gelangen den zu enthüllens. Der Erfolg ihres Unternehmens ist höchst verschieden geworden: in der^r Sage von Romulus hat vorzüglich Livius den Ausschlag gegeben. Die

Umbildung der Dichtung von Silvia und ihren Kindern bis zur Rache an Amulius, mag, wer den Ekel an der platten und sich so klug dünkenden Gemeinheit überwinden kann, bey Dionysius und Plutarch lesen: Livius hat sie keiner Erwähnung gewürdigt, und damit zur Dunkelheit verurtheilt. Leider hat er die Erklärung wie Romulus verschwunden sey nicht eben so verächtlich behandelt, und daher ist diese sehr eingewurzelt. Daß ein sterb­ licher Mensch körperlich verklärt und zum Himmel erhoben werde, war ja unmöglich: in der geheimen Nachricht daß die Senatoren, in der Dunkel­ heit eines Gewitters, nicht einmal einer Sonnenfinsterniß, den König er­ mordet, und, wie die Bakchanten den Pentheus, zerrissen, und seine blutigen Gliedmassen unter der Toga verborgen fortgetragen hätten, schien weder die

Ausführung physisch, noch das Scheußliche der Büttelknechtsscene moralisch, unmöglich. Von den Neueren muß dies doch befremden; daß der Greuel im alten Rom ausgedacht worden, ist ein Beyspiel, wie Partheygrimm die Gemüther vergiftet; man hielt die Patricier des Verruchtesten fähig. Nemus Tod ward unwillkührliches Ereigniß eines Bürgerkriegs: der sabinische, aus den Kämpfen weniger Tage, ein langwieriger, hartbestrittener, mit großen Heeren geführter Feldzug mit bedeutenden Schlachten. In diesen -rvr Krieg versezte Piso^) den Ursprung des Lacus Curtius, um so die rö­ mische Geschichte von einer andern Heldensage zu befreyen: ein Sabiner, MettuS Curtius, wäre mit seinem Pferde beynahe im Sumpf versunken:

derselbe Piso veredelte Tarpeja aus einer feilen Verrätherin zu einer, freylich toller als unsinnigen, Heldin die sich fürs Vaterland rpfern wollte^). So weit konnten ehrliche Leute gehen, wenn ihnen Geist, Sinn, und Urtheil fehlte; nachdem aber sie den Boden geebnet hatten, kamen die scham­

losen Verfälscher, deren Spuren sich besonders in den Zahlen zeigen. Livius 646) Glücklich die so in Augustus schwülen Tagen sich an der alten Einfalt erquickten! Unter denen welchen dies nicht gegeben war, sind nicht minder als jene platten Verfälscher diejeni­ gen widrig, die sich mit einer Pneumatologie der Art helfen, wie sie bey Dionysius vor­ kommt: wo anstatt des Mars Gradivus, dessen Persönlichkeit zu glauben man sich schämte, irgend ein Dämon, „deren Daseyn viele glaubten," in Ilia daS Leben der Kinder erweckt. Solchen Gespenfterglauben konnte man sich zurecht machen, oder wenigstens den Schein desselben: und so sich mit den Verkezerern vergleichen, ja verbinden. 47) Varro de 1. 1. IV. 32. p. 41. ed. Bip. 48) Sie hätte sich von den Sabinern nach dem Schwur ihre Massen und Wehr ausliefern lassen, und sie so den Römern ungerüstet übergeben wgllen: die Nieder­ legung der Waffen solle auf dem Capitol geschehen, — wo sich kein Römer, ausser etwa Gefangenen, befunden hätte. Es ist nicht überflüßig zu zeigen, wie unbeschreiblich dumm viele- von dem ist, was für Geschichte gelten will.

I

Numa.

Numa als Schüler des Pythagoras.

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selbst verachtet im Allgemeinen, doch ohne sich vor ihnen zu hüten, die un­ geheuern erdichteten Zahlen des Valerius Antias: so verächtlich ist denn auch dessen Angabe und die des Juba von der Zahl der geraubten Jung­ frauen 649) j und seine albernen Uebertreibungen sind in den Zahlen der Heere im sabinischen Krieg, und der Heeresmacht welche Romulus vor seinem Ende zu Gebot gehabt§"), ebenfalls nicht zu verkennen. Es ist mir leiv daß ich über so elende Gegenstände so viel habe sagen müßen: doch ist es nicht zu versäumen daß gezeigt werde, wer der Göze ist, vor dem die Kniee zu beugen, bey der Wandelbarkeit der Moden, vielleicht ein­

mal wieder von unsern Nachkommen gefordert werden wird. Ich kehre zur alten Sage zurück. Der Senat verweigerte anfangs die Wahl eines neuen Königs; jeder Senator im Kreise sollte die königliche Gewalt als Jnterrer genießen. So verging ein Jahr; das härter gedrückte Volk forderte heftiger den Schuz eines königlichen Oberhaupts: als der Rath die Wahl gestattet halte, stritten die ursprünglichen Römer und Sa­ biner aus welchem Volk der König gewählt werden solle. Man verglich

sich daß ihn jene aus diesen erwählten, und alle Stimmen ernannten den

weisen und frommen Numa Pompilius; dem Tatiuö seine Tochter ver­ mählt hatte. Was Scipio bey Cicero über die älteste römische Geschichte vorträgt, ist alles aus Polybius genommen, also fand dieser schon den Glauben ganz allgemein verbreitet daß Numa Pythagoras Schüler gewesen sey: so ver­

breitet zu Rom daß er die Unmöglichkeit mit einer chronologischen Deduktion erhärtete, die Dionysius nur von ihm entlehnt hat. Dieselbe Meynung fand sich also auch wohl bey Cato, der, wenn auch mit den eratosthenischen Zeittafeln bekannt, das Zeitalter des samischen Pythagoras leicht nicht wissen mochte. Schade, daß Polybius schwerlich erfahren hat daß Morgen­ PL Länder Pythagoras unter Assarhaddons Regierung festen51), gleichzeitig mit

Numa! Der Unbefangene, welcher nicht glaubt daß allein der Sohn des MnesarchuS für Pythagoras gelten kann: noch daß, was Aristorenus und

die Aelteren unentschieden liessen, dadurch ausgemacht worden daß Chrono­ graphen ihre Parthie darüber genommen; noch daß irgend eine Nothwendig­ keit ist Numa in die zwanziger Olympiaden zu sezen; noch endlich daß Pythagoras historische Persönlichkeit sicherer ist als die des Numa, — freut sich der alten Volksmeynung, und opfert sie der Chronologie nicht. Der Senat im Samniterkrieg, der Pythagoras, als dem weisesten unter den Griechen, eine Statue errichtete, dachte ihn wohl auch als Numas Lehrer: — die griechischen Bücher, die in Numas Grab gefunden worden, sollen pythagorisch gewesen seyn: — die Aemilier leiteten ihren Stamm von einem Sohn des

Weisen ab. Auf der griechischen Seite würde die aus Epicharmus ange­ führte Erzählung 52), tu Römer hätten Pythagoras das Bürgerrecht ge649) Plutarch Romul. p.25.c. Dionysius II.30. p. 1 00. a. 47. p. 1!2. b. 60) 46000 Fuß­ knechte, und an 1000 Reuter: Dionysius II. 16. p. 89. b. 51) Abydenus, in Eusebius Chro­ nik, Venez. Ausg. L p. 53. 6a) 3n einem prosaischen Buch : Plutarch Numa p. 65. e.

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Landgcseigebung, (^äremonialgeseze des Numa.

Das Lied schweigt von ihm.

i

geben, äußerst wichtig seyn wenn die Schrift für ächt gelten könnte: auch wenn sie falsch war, zeigt sich eine geltende Meynung daß der pythagoreische Einfluß Rom erreicht habe. Als die Augurien Numa der göttlichen Billigung seiner Wahl ver­ sichert hatten, war die erste Sorge des frommen Königs nicht Tempeldienst sondern menschlich. Er theilte die Ländereyen, welche Nomulus im Krieg gewonnen und der Occupation überlassen hatte: er stiftete den Dienst des res Terminus. Alle alte Gesezgeber, und vor allen Moses, gründeten den Er­ folg ihrer Anordnungen für Tugend, Rechtlichkeit und gute Sitte, auf Land­ eigenthum, oder wenigstens gesicherten erblichen Landbesiz, für die möglich größte Zahl der Bürger. Dann erst wandte er sich zur Gesezgebung der Religion. Er ward als der Urheber des römischen Cäremonialgesezes ver­ ehrt. Belehrt von der Camena Egeria, die ihm in sichtbarer Gestalt ver­ mählt war, und ihn in die Versammlungen ihrer Schwestern in den heiligen Hain vsr) führte, ordnete er die gesammte Hierarchie an: die Pontifices,

welche über die Erhaltung des Religionsgesezes, bey Einzelnen und bey dem Staat, belehrend und ahnend wachten; die Augurn, berufen durch Erspähung der göttlichen Rathschlüsse den menschlichen Sicherheit zu gewähren; die Flamines, der mächtigsten Götter Tempelpriester; die keuschen Jung­ frauen der Vesta; die Salier, welche die Götter mit Waffentanz und Ge­

sang feyerten: er schrieb seinem Volk die Gebräuche vor mit denen es den Göttern Dienst und Gebet wohlgefällig darbringen konnte. Ihm waren die Beschwörungen offenbart den höchsten Jupiter zu bannen daß er seinen Willen durch Blize und Vogelflug kund thue: Wunderzeichen die andere von der Gunst des Gottes erwarten mußten,

der oft dem schwieg der ver­

derben sollte. Diesen Bann hatten ihn Faunus und Picus gelehrt, welche er nach Egerias Eingebung gelockt und gefesselt hatte, wie Midas den Si-

lenus im Rosengarten. Von dem Frommen duldete der Gott die Kühnheit:'^ er erließ, durch Numa bewogen, dem Volk die schreckliche Pflicht der Menschenopfer: den trozenden Tullus, der jenem verwegen nachahmte, er­ schlug ein Blizstrahl unter den Beschwörungen im Tempel des Jupiter Elicius. Von den neun und dreyßig Jahren seiner Regierung, die ohne Krieg, ohne Trübsal, in stillem Glück verfloßen, gab es keine Sagen ausser von solchen Wundern. Damit den Frieden seiner Tage nichts störe, fiel das Ancile vom Himmel als eine Seuche drohte, und diese verschwand so­ bald Numa die Cäremonien der Salier angeordnet hatte. Numa war kein Gegenstand der Lieder, wie Nomulus; auch hatte er geboten Tacita unter allen Camenen am höchsten zu verehren. Doch blieb die Erzählung, wie, als er Gäste bewirthete und Egeria erschien, die schlichte Kost im irdenen Geschirr sich zu einem Göttermahl in goldenen Gefässen verwandelte; auf daß den Ungläubigen die Gottheit kund werde. Der Tempel des Janus,

sein Werk, blieb stets geschlossen; über ganz Italien verbreitete sich Friede; 653) Unter Santa Balbina, bey den Thermen CaracallaS.

137

Die Aera der Gründung Roms.

I

bis Ruma, wie die Lieblinge der Götter im goldenen Weltalter, hochbetagt

einschlummerte: Egeria zerfloß in Thränen zum Quell.

Anfang und Art der ältesten Geschichte. Die Hüter der Sibyllinischen Bücher hatten verzeichnet: das erste Säcularfest nach Verbannung der Könige seh im Jahr 298 gefeyert werden, und von der Zeit an immer nach einem Zeitraum von hundert und zehn

n« Jahren, als der Dauer eines Säculumü5*). Mit dieser Angabe stritten Meldungen in den Annalen, welche die Säcularfeyern auf sehr verschiedene Jahre legten: diese Annalisten würden gar kein Gewicht haben wenn sie würklich den authentischen Büchern widersprochen hätten; man braucht aber auch nicht anzunehmen daß diese etwas anderes anmerkten als den Schluß

des Säculum, und den Zeitpunkt wo der Anfang eines neuen von dem Volk, dankbar für die Fortdauer seines Daseyns in einer neuen Zeit, nach dem Gebot des Cäremonialgesezes hätte gefeyert werden sollen: ohne Rück­ sicht darauf ob die Feyer durch Umstände, wie so oft ein den Göttern ge­

lobtes Fest, verschoben ward. Geht man nach derselben Regel von jenem ersten historisch angezeichneten Säcularabschnitt zurück, so fällt das Ende des ersten, oder vielmehr des zweyten Anfang auf das Jahr der Stadt 78. Ich sage, der Anfang des zweyten: denn es ist offenbar ungleich wahrscheinlicher daß der Anfang einer neuen Zeitperiode, wie von den Azteken^), welche der Erneuerung ihres

Säculum mit bangem Zweifel entgegen sahen, fröhlich gefeyert ward, als das Ende eines ablaufenden, welches, wie alles Absterben und Ende, viel­ mehr wehmüthige Gefühle erregen mußte. Dieses Jahr aber war nach der Chronologie der Pontifices das erste von Tullns Hostilius Königreich: ich sage nach den PontificeS: denn ihre Zeittafel hatte Polybius für die rö-

rs» mische Chronologie angenommen^), und nach ihm bestimmt Cicero die Jahre der römischen Könige57). ES waren also sie, welche, wie Ciceros Scipio, Romulus sieben und dreyßig, Ruma neun und dreyßig Jahre68), zu­ schrieben , zwischen welche daß Jahr des Interregnum fällt; anstatt daß Livius und Dionysius für Ruma drey und vierzig Jahre zählen. Was jezt bestimmt ausgesprochene Gewißheit ist, war, als ich zuerst diese Untersuchungen unternahm, mit einiger Kühnheit aus einer zwar un­

deutlichen Spur in der von dem heil. Hieronymus übersezten Chronik des Eusebius zu errathen, wo den sämmtlichen römischen Königen 240 Jahre 654) EensorinuS, 17.

5a) S. unten den Abschnitt über den Säcularcyclus.

I. 74. p. 60. c. lieft der Tert: Inl tov jiciq«

56) Bey Dionysius

yid ev o i y.Eipsvov m'vaxoS

— tt)V nCtniv aTioXaßav. Aber eine Stadt Anchise eristirte wohl nie außer im Traume des Kephalon: gewiß nicht in Polybius Zeitalter. Die von Anrur nennt dieser Tarrakiniten. Drey vatikanische Handschristen geben dygumutfi: ich lese uq/leqev07, welches Polybius für die PontificeS braucht (XX11I. I, S. XXXII. 22, 5.), obgleich Dionysius sie tEQO/uvjnennt, — nicht für den Pontifer marimus allein. re p. 11. 30.

5fl) Derf. ebendas. II. 10. 1 4.

57) Dies sagt er ausdrücklich de

138

Säcularberechnung.

Aera des Fabius und

1

beygelegt werden, Numa vierzig, Nomulus acht und dreyßig 659). Wohl traf hier die Jahreszahl nicht pünktlich zu, und dies konnte sehr behutsamen Mitforschern genug scheinen um die Anwendung und Folgerung als ver­ wegen zu scheuen: nun giebt die jezt zufällig durch die Entdeckung der Bücher von der Republik gewonnene Gewißheit ein Beyspiel wie, in Nach­

richten die allein von nicht unterrichteten und flüchtigen Compilatoren aus dem Alterthum erhalten sind, der Schade, welchen sie unter solchen Händen

erlitten, nicht die Gestalt angeben darf, worin es allein erlaubt wäre Ge­ brauch von ihnen zu machen. In unzähligen Fällen läßt sich die ursprüng-270 liche, noch nicht entstellte, errathen; diese Benuzung kann manchmal mißlich seyn: aber, was gar nicht mißbraucht werden kann, taugt nichts. Die Wahrnehmung, woraus für mich in einer glücklichen Stunde Licht über die dem Anschein nach unerklärlichen Verschiedenheiten der römischen Zeitrechnung ausging, war, daß Fabius deshalb von Cato abweiche, weil er für die Zeit der Könige nur 240 Jahre rechnete: und diese verdankte ich dem zweyten Buch der eusebischen Chronik. Sie lehrte mich die Wichtig­

keit dieser großenteils Apollodor darstellenden Tafeln, und es würde an Undankbarkeit gränzen, wenn ich die einst ausgesprochene Würdigung jezt unterdrückte, weil die Chronik über diesen Punkt durch die unverhoffte Ent­ deckung einer reineren Quelle, entbehrlich geworden ist. Eine ähnliche, die

ihren damals fehlenden Theil fast ganz ins Leben zurückgerufen hat, fordert unsre Zeit auf ihren Werth zu erkennen, und zu Forschungen zurückzukehren, die sehr versäumt worden sind seit jener große Mann, der an der Herstellung des eusebischen Werks mit der muthigen Kraft des Genies und unermeßlicher Gelehrsamkeit arbeitete6"), durch Casaubonus Mittheilung ermuntert und 271 belohnt ward. Hat er eben hier übersehen was misverstandene Ueberlieferung verbarg, so war doch auch selbst für ihn die Fülle unerschöpflich, so daß uns Nachkommen und Geringeren eine Aehrenlese übrig geblieben ist.

Indem es sich aber ergiebt daß Numas Todesjahr als das lezte des ersten Säculums der Stadt betrachtet ward, so erhält eine andere Sage, die sonst zwecklos seltsam lautet, einen sehr bestimmten Sinn: die nämlich, daß er am Tage der Gründung Roms geboren fety61). Sie war aus dem etru659) Chronicon in Thes. tempor. Scaligeri, n. -1265. 1 303. 1 304. 60) Scaliger ftand auf dem Gipfel universaler lebendiger philologischer Gelehrsamkeit, wie keiner nach ihm: und so hoch in Wissenschaft jeder Art, daß er mit eignem Urtheil, was ihm auch vorkommen mochte, fassen, nuzen und richten konnte. Was ist gegen ihn der buchgelehrte Salmasius? Und warum nennt Frankreich nicht Scaliger gegen Leibniz? Es giebt außer Italien und Griechenland für den Philologen keinen heiligeren Ort, als den Saal der Universität zu Leyden, wo die Bildnisse der Lehrer von Scaliger, im purpurnen Fürstenmantel, bis auf Ruhntenius versammelt sind, um das Bild des großen Wilhelm von Oranicn, des Vaters der Universität, deren Errichtung Leyden sich als die schönste Belohnung für übermenschliches Dulden und Ausharren erbat. Auch der General der republikanischen Stadt, der Herr von Nordwyk, war selbst ein großer Philologe. 6I) Plutarch, Numa p. 61. d. Dio Cassius fr. 20. p. 8. Dionysius hatte sich geschämt den Schein zu tragen, als glaube er das wunderbare Zusammentreffen: aber er benuzt den Glau­ ben Andrer um NumaS fast vierzigjähriges Alter aus der Tasche in die Geschichte zu spielen. II. 58. p. 120. c.

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des Cato.

Das erste Säculum, das der Mythe.

Zablenbilrungen.

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skischen Begriff deö ersten physischen Säculum gegründet, welches durch den Tod dessen geendigt ward, der unter allen am Gründungstage einer Stadt Gebornen das fernste Lebensziel erreichteCC2). Ze einleuchtender nun diese Evidenz ist, um so mehr muß ich einer Einwendung begegnen, die ein guter Leser erheben möchte. Eben ein solcher dürfte bemerken daß, wenn für die Zeit der Könige 240 Jahre gerechnet würden, und vom Anfänge der Eonsuln bis zur gallischen Eroberung 120, daraus als Gründungsjahr der Stadt L?2das von Fabius angenommene, Ol. 8, 1, folge: aber vom Jahre 78 nach Fabius bis 298 nach Varro, wären nicht 220 Jahre verflossen, sondern

nur 214; also daß hier ein zufälliger Schein täusche. Es ist doch keine Täuschung: sondern die Fasten der ersten fünfzig Jahre der Republik sind zerrüttet, welches theils Folge des Anpassens der­ selben an jenes Schema, das dem Zeitraum unter den Eonsuln ein Drittheil

der ganzen als verflossen von der Erbauung bis zur Einnahme berechneten Zeit anwies, gewesen seyn mag; theils aber auch nach dem Wesen der Fasten unvermeidlich. Eine gegebene Zahl Magistratsjahre entsprach der nämlichen astronomischen durchaus nicht: wegen der Interregnen, die in den früheren Zeiten so sehr häufig waren, und wodurch jedesmal der Anfang weiter hinaus geschoben ward. Dies führte den der beyde Jahresfolgen sich parallel sezte, wie Fabius, in Irrthum; aber die Correction ergab sich durch das Säculum; dies wußten die Pontifices, und Polybius und Cato durch sie. Das Säcularjahr 298 war für jenen, welcher die gallische Zeit um ein Jahr später sezt als Dionysius^), Ol. 81, 3: von da zwey Säkeln,

55 Olympiaden, zurückgerechnet, öffnet sich das zweyte Säculum im Olympia­ denjahr 26, 3: welches nach Polybius das acht und siebenzigste Roms, König Tullus erstes, war. Ich erinnere wieder daran daß er die Tafeln der Pontifices darstellt. Hier ist es nun wohl unverkennlich daß diese selbst die beyden ersten

273 Könige als Angehörige einer andern Ordnung, und die Erzählungen über sie von dem unterschieden, was für Geschichte gelten sollte; nicht anders als wie die Aegypter die Reihen ihrer Könige mit Göttern und Halbgöttern

anfingen. Romulus war Gott vom Gotte: Ruma Mensch, allein den höheren Wesen verwandt. Ist aber die Ueberlieferung von beyden bis in ihr innerstes Wesen Dichtung, so läßt sich auch die Bestimmung ihrer an­ geblichen Regierungsdauer nur entweder aus dreister Wittkühr, oder aus Zahlspeculationen erklären: und, wie auch uns jenes wahrscheinlicher vor­ kommen mag, im früheren Alterthum ist das lezte mit weit größerem Grunv

zu vermuthen; vor allem da, wo die Annalen in den Händen eines gelehr­ ten Priesterstandes waren. Diesen Charakter trägt Asiens Chronologie; vieles was ich schon gesagt habe, und anderes was ich ferner bemerken

werde, macht ein gleiches von den Etruskern, den Weisen des alten Roms, fast entschieden gewiß. Das cyklische Jahr, wovon angenommen wird daß 662) S. oben S. 79.

63) Nämlich in Ol. 98, 2.

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Zahlenbildungen.

Das zweyte und dritte SaculM,

I

RomuluS es eingerichtet, und das; cs bis auf Numa gegolten habe, war in

38 Nundinen getheilt: der Gedanke bot sich dar eben so viele Jahre von der Stadt Anfang bis auf Numa zu zählen. Davon ward für das Interregnum ein Jahr angenommen, und Nomulus blieben nur 37. Wollte man dann für die beyden ersten Könige zweymal 38 sezen, so kamen auf Numa 39; und diese Zahl empfahl sich durch mehr als einen Reiz. In ihren Bestand­

theilen, dreymal zehn und dreymal drey, herrscht die Zahl welche in allen ältesten römischen Einrichtungen die Verhältnisse angiebt; und der nächste Quotient der Theilung der Tageszahl im Mondenjahr, 354, durch 9, ist 39.»?* Solches Zahlenspiel ist kindisch oder Gaukelwesen: hier ist auch nur Priester-

klügeley zu erwarten, welche viel häufiger Aberwiz als Tiefsinn zeigt. — Die andre Angabe, welche Numa drey und vierzig Jahre beylegt, bringt sein Lebensalter auf ein und achtzig: das Biquadrat von drey. Als dies vergessen war mochte schon Cato diese Zahl vorziehen, weil er so vier Jahre, wofür sich keine Consuln fanden, über die jährlichen Fasten zurückwerfen konnte: andre gern den Zahlen das augenscheinliche Ansehen erfunden zu seyn so nahmen. Mit Tullus Hostilius hebt nun ein neues Säculum an, und eine Er­

zählung mit historischem Grunde, ganz verschiedener Art von der über die

vorhergehende Zeit. Zwischen der völlig dichterischen, welche mit der Ge­ schichte in einem schlechterdings irrationalen Verhältnisse steht, und dem ächthistorischen Zeitalter, steht bey allen Völkern ein gemischtes, wenn man seine Beschaffenheit mit einem Namen bezeichnen will, mythischhistorisches, in der Mitte. Dieses hat keine bestimmten Gränzen: es erstreckt sich aber bis dahin wo gleichzeitige Geschichte anfängt, und um so entschiedener, je reicher die Heldenlieder gewesen sind; je weniger Spätere die Leere der alten Geschichte aus Denkmälern und Urkunden mit Vernachlässigung der Lieder, und ohne Vergegenwärtigung ergänzt haben. Daher findet es sich in der

mittlern Geschichte im Norden und in Spanien; da hingegen, wo es keine historische Lieder gab, wie in Italien, die Geschichte während derselben Zeit kaum eine Spur davon enthält.

Bey den Griechen hat noch der Perserkrieg

den Charakter freyer epischer Dichtung: und in noch früheren Zeiten ist fast-?alles lebendige und anziehende ihrer Geschichte Poesie. In der römischen

geht die eigentliche Dichtung nicht viel tiefer hinab: obgleich sie von Zeit zu Zeit, und bis in das fünfte Jahrhundert wieder erscheint: diese Geschichte krankt, bis zum Kriege des Pyrrhus, als wenigstens Fremde begannen sie gleichzeitig zu schreiben, an geflissentlicher Aenderung. Die ist schieres Ver­ derben, die dichterische Erzählung etwas anderes aber auch besseres als blosse

Geschichte, auf deren Boven wir nur wiederfinden was uns im Leben er­ müdet und bekümmert 6"). Das Verhältniß solcher dichterischen Geschichte zur Mythologie ist, daß jene allerdings und nothwendig einen historischen 664) Erft noch später, um Alexanders Zeitalter, begann LysiftratuS Portraite für Statuen abzu­ formen, da man diese bis dahin idealisch nach den Hauptzügcn des Gesichts und der Gestalt gearbeitet hatte.

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mythischhistorisches Zeitalter.

Aelteste Quellen und Urkunden.

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Grund hat; daß sie ihren Stoff größtenteils aus der Geschichte, wie diese

in freyer Erzählung überliefert wird; diese aber ihn aus der Religion und größeren Dichtungen entlehnt, und sich nicht für mögliche Geschichte der gewöhnlichen Weltordnung auögiebt, ob sie gleich, sofern sie auf der Erde verweilt, kein andres Theater haben kann. Der lezten gehören an, um Beyspiele zu nennen, Herakles, Romulus und Siegfried; jener Aristomenes, Brutus, und der Eid. An der Gränze der Mythologie ist die Dichtung, an der entgegengesezten

die Geschichte vorherrschend. Erdichtet sind von den Männern welche wäh­ rend dieses Zeitraums genannt werden, nur wenige: viele chronologische »"Angaben aus Jahrtafeln haben alle Bestimmtheit welche für die graue Zeit

denkbar ist: darauf aber allein beschränkt sich auch das Historische. Denn nur was sich Annalen nannte, ward, als Geschichtschreiber entstanden, be­ achtet, Denkmäler und Urkunden hingegen blieben unbenuzt: vielleicht aus Nachläßigkeit: vielleicht weil sie sich mit den dichterischen Sagen nicht in Uebereinstimmung bringen ließen, und man den Werth einer fragmentarischen urkundenmäßigen Geschichte noch nicht zu würdigen wußte. In Griechen­ land bildeten in späterer Zeit Ephorus, und die Verfasser der Atthiden: für

Italien und Sicilien der freylich manchmal unwahrhafte Timäuö, aus diesem Stoff Geschichten wie manche vom Mittelalter geschrieben sind: schäzbar, doch ohne Leben und Gegenwärtigkeit: in Nom ward diese Quelle vielleicht nur von L. Cincius und C. Macer mit Sinn und einigem Fleiß, in einem geringen Maaße benuzt. Allerdings waren die römischen Urkunden aus

der ältesten Zeit ärmlich gegen Athens und fast aller griechischen Städte historische Reichthümer. Die Geseze wurden sehr lange nur auf eichene Tafeln eingegraben 66S), ober, wenn diese getüncht waren, gemahlt; und um so leichter Raub der Flammen bey der gallischen Einnahme, wo man nicht einmal die Grundgeseze zu retten Zeit und Besinnung hatte. Aus dem ganzen Zeitalter der Könige werden an Urkunden nur Servius Tullius

Bündniß mit den Latinern^), Pas Bündniß des lezten Tarquinius mit den

277 Gabinern, und eines mit den Sabiners), erwähnt. Jenes*) war auf dem Holz eines Schildes gemahlt. Verrus Flaccus hat Commentarien des Königs Servius Tullius angeführt, welche den Inhalt der ihm zugeschrie­ benen Verfassungsgeseze enthalten zu haben scheinen^): und an dem hohen Alter einer Sammlung der Geseze der Könige, die ein Papirius verfaßt, ist

kein Grund zu zweifeln. Aus dem Zeitraum der unmittelbar auf die Vertreibung der Könige folgte, waren im siebenten und achten Jahrhundert, außer den zwölf Tafeln, andern Gesezen, und den Friedensverträgen zwischen den Ständen, die Bünd­ nisse mit Karthago^), mit den Latinern7o), und mit den ^Irbeciteii71) noch 66R) DionystuS Hi. 36. p. 178. a. 66) Ders. IV. 26. p. 230. d. 61) Jene- von Dems. IV. 58. p. 257. a.; beyde von Horaz Epist. II. I, 25. *) Correctur d es H.E. st. „Das lezte". A. d. H. 68) FestuS e. v. procum und pro censu. ti9) PolybiuS III. 22. 70) Dionysiu- VI. 95. p. 41 5. b. 71) tziviuS IV. 7. nach LiciniuS Macer.

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Glaubwürdigkeit d. Annalen. Zerstörung d. ältesten Annalen, Herstellung d.

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erhalten: ihr Inhalt aber ist eben mit der geltenden Geschichtserzählung theils gar nicht theils schwer zu vereinigen.

Ich stehe jezt an der oft erhobenen Frage über die Aechtheit und Glaublichkeit der ursprünglichen Annalen; einer Frage, deren Erörterung der Segen, der in unsern Tagen durch Entdeckungen über die Philologie ge­ kommen ist, auf einen festen Boden versezt hat, welcher unfern Vor­

gängern fehlte. Es ist eine höchst bekannte, deutlich aus sehr alten Zeiten herrührende Sitte, daß der Oberpontifer auf einer geweißten Tafel die Ereignisse des Zahrs schrieb, Wunderzeichen, Finsternisse, Pestilenz, theure Zeit, Kriegs­ lauste, Triumphe, Todesfälle vornehmer Männer: mit einem Wort, waö

Livius am Ende des zehnten Buchs und in den folgenden erhaltenen, meistens-^ am Schluffe einer Jahrsgeschichte, in den schmucklosesten Worten, mit größter Kürze zusammenstellt; so trocken daß nichts nüchterner sehn sonnte672); welche Tafel dann in seiner Wohnung aufgestellt ward7^): die einzelnen Annalen sind hernach in Bücher zusammengeschrieben worden. Diese Sitte erhielt sich bis auf den Pontifer P. Mucius, und die gracchischen Zeiten; wo sie abgekommen ist, weil sich nun schon eine Litteratur gebildet hatte, und die Abfassung solcher Chroniken zu tief unter der Würde des Ober­ pontifer scheinen mochte. Nun sagt allerdings Antonius bey Cicero daß diese Sitte vom Anfang

des römischen Staats bestanden habe; daraus aber folgt nicht daß Cicero habe sagen wollen daß diejenigen Annalen, welche die so spät gekommenen römischen Geschichtschreiber hatten, so hoch hinauf reichten. Denn die der früheren Zeit konnten untergegangen sehn, welches Livius und andre alte Schriftsteller ohne die Annales marimi einzeln zu nennen, als in der galli­ schen Zerstörung der Stadt geschehen, angeben: und freylich konnte dieS

Schicksal sie damals leicht treffen, wenn die Tafeln vielleicht noch gar nicht in Bücher übertragen, noch weniger Abschriften davon vorhanden, und sie nicht auf dem Capitol verwahrt waren: wo der Oberpontifer nicht wohnte; noch, wie die Duumvirn der sibyllinischen Bücher, fein Archiv zu halten Veranlassung hatte. Ich denke wir mögen es jezt als gewiß ansehen daß jene Annalen da­ mals würklich dies Schicksal hatten, und daß sie durch neue ersezt wurden. 27s

Cicero sagt, die älteste Sonnenfinsterniß welche als beobachtet in den An­ nales marimi angeführt sey, falle auf die Nonen des Junius um das

Jahr 350: die früheren wären von da zurück berechnet, bis auf die, worin Nomulus zum Himmel entrückt ward 74). Ein Fragment Catos lehrt daß 67?) Cicero de legib. I. 2. 73) Ders. de oral. II. 12. 74) De re p. I. 16. Hac in re tanta inest ratio atque sollertia, ul ex hoc die, quem apud Ennium et in maximis Annalibus consignalum videmus, superiores solis defectiones reputatae slnt, usque ad illam, quae nonis Quinctilibus fiiit regnante Romuloetc. Als diese Stelle noch nicht wieder an das Licht gekommen war, habe ich durch triftige Gründe dargethan daß an gleichzeitige pontistcische Annalen wenigstens bis zu der Schlacht am Negillus nicht zu denken sey: diese sind jezt überflüßig. — Ob nach der Unvollkommenheit der damaligen Methode

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Annales maximi. Künstliche Chronologie d. wiederhergestellten Annalen.

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die Sonnen- und Mondfinsternisse wesentlich zum Inhalt der pontificischen

Annalen gehörten; und dieses Berechnen zurück stimmt damit überein, und zeigt das Bestreben den Verlust der würklichen Beobachtungen zu ersezen: so ist es in den chinesischen Jahrbüchern geschehen, für die Zeiten deren Annalen vorhanden gewesen aber zerstört seyn sollen. Jene Finsterniß war zu Olont nicht sichtbar: aber von Gades her ist, — mit der Kunde des zu­ fälligen Umstands daß die Sonne verfinstert unterging, wodurch sie denk­ würdig war, — Tag und Stunde dort bekannt geworden. Die nach Wahrnehmung angemerkten beginnen dann erst von der Herstellung der Stadt 675).

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Waren aber die früheren Annalen hergestettt, nicht ächt: so erklären sich die seltsamen Eigenthümlichkeiten im Zahlensystem der älteren römischen

Geschichte, und dessen Beziehung auf den Zeitpunkt der gallischen Eroberung. In dieser waren freylich nicht alle Fasti und Jahresverzeichnisse verkommen; manches muß auf dem Kapitol, in latinischen Städten, erhalten worden seyn, und solches Aechte ist ausgenommen: aber ämsige Nachforschungen

werden wir von den Pontifices nicht fordern, noch auch ein Interesse sich um historische Genauigkeit zu bemühen, wo sie mit Zahlencombinationen

ausreichen konnten: nur schlimm daß ihr Werk für authentisch, und bald allein dafür galt. Nach Fabius Zeitrechnung zerfällt die römische Geschichte von der Gründung der Stadt bis zur Eroberung in 240 Jahre unter den Königen und 120 nach denselben: oder, mit einem andern Ausdruck, in drey ZeitL8i räume^), bereit jeder zehnmal zwölf Jahre enthält: zwölf, die Zahl von Romulus Augurium. Dieses Schema war das Bett des Prokrustes, worin, was man über die alte Zeit wußte over glaubte, eingespannt wurde. Es fand sich daß vor etwa 70 Jahren ein Säculum gefeyert sey: von Romulus,

Numa, den fünf folgenden Königen waren vielfache Sagen und Ueberliefe­ rungen, aber ohne alle chronologische Bestimmung, vielleicht den lezten König ausgenommen. Nun bestimmten die anordnenden Priester für die Zeit des Romulus

die Berechnungen richtig auß fielen, ist eine andre Frage; wer konnte sie prüfen? Es hat aber große Wahrscheinlichkeit daß eine solche irrige Berechnung Romulus Ausgang zu be­ stimmen angewandt ward. 675) Cicero a. a. O. ul (Ennius) scribit anno ccci fere post Romam conditam — nonis Iuniis soli lunaobslitit et nox. Die von meinem Freunde Herrn von Münchow geleiteten erschöpfenden Untersuchungen des Herrn Eduard Heis zu Cölln, ergeben als unzweifelhaftes Resultat daß jene Sonnenfinsterniß keine andre seyn kann als die am 21. Juni deß I. 399 astr. v. C. welche aber zu Rom erst nach Sonnenuntergang eintrat. Zu Gades, wo die Verfinsterung mehr als 11 zöllig war, fiel ihre Mitte 3 Minuten vor Sonnenuntergang; und dies giebt einen unerwarteten feinen Sinn für daß nun nicht mehr tautologische Soli luna obstilit et nox. Daß die Nonen auf den 21. fallen, hat bey der Jntercalation nichts be­ fremdliches: so wenig als daß die gaditanische Beobachtung zu Rom bekannt war. Mehr als gewöhnlichen Sinn für astronomische Verhältnisse zeigt von Gades die Verehrung des JahrS und des Monats als Gottheiten. 7G) Wie Mosis Leben in drey Zeiträume von je 40 Jahren: und das Geschlechtsregifter im Matthäus in drey von je vierzehn Gliedern.

144

Künstliche Chronologie d. wiederhergestellten Annalen. Familiengeschichten.

I

und Ruma, nach den oben vorgelegten Zahlenspekulationen, 77 Jahre: das erste Säculum, ein heroisches. Unter den sieben Königen, deren Statuen auf dem Kapitol standen, war Ancus Marcius der vierte: mithin ließ man die Mitte seiner Regierung auf die Mitte des den Königen bestimmten Zeitraums, also Ende 120, fallen. Man konnte ihm nun allerdings willkührlich Jahre behlegen: aber für 23^7) entschied, daß diese Zahl, mit der des ersten Säculum, grade 100 macht; und daß 132, in welchem Jahre seine Regierung also endigte, die Zahl der astronomischen in einem Säculum war. Hiernach kamen für Tullus 32 Jahre. Um nun die beyden auf Ancus folgenden Königszeiten mit an­ scheinend historischen Zahlen zu bestimmen, wurde von 120 ab ein halbes

Jahrhundert gerechnet bis an das Ende Tarquinius des Vaters: und Ser-wr

vius Regierung ward, ohne einige Rücksicht auf die daraus entstehenden Unmöglichkeiten und Widersprüche, so weit ausgedehnt daß sie bis an das Jahr 216 reichte, von wo die fünf und zwanzig Jahre des lezten Königs gezählt wurden, welche historisch seyn dürften.

Es war nur nöthig

daß die Polybianische Rechnung

der Jahre der

Könige wieder bekannt ward, damit dieses nicht allzu fein gesponnene Ge­ webe an die Sonne komme, und nun nicht weiter für etwas anderes gelte als es ist. Freylich ist es sonst möglich daß in der mythischhistorischen Zeit

die chronologischen Angaben Glauben verdienen: aber für die der römischen Könige ist eben die Chronologie durchaus ersonnen und gefabelt: es ist gar kein vernünftiger Grund etwa an Tullus Hostilius persönlichem Daseyn zu

zweifeln; aber ganz bestimmt kann eher der Zwehkampf der Horatier und des Königs Tod historisch wahr sehn, als die chronologische Angabe seiner Regierung. Eben so wenig als ächte Annalen aus den Zeiten der Könige übrig waren, reichten Familienerzählungen in jene Zeit hinauf. Daß die Valerier

einen Volesus als ihren Stammvater nannten, die Marcier ihr Geschlecht auf Ancus, andre Familien auf Ruma zurückführten, ist andrer Art: die sabinische Abstammung der Valerier im Allgemeinen will ich gern annehmen;

wenn plebejische Geschlechter ihren Stamm von den Königen herleiteten, so konnte ihnen im Ernst niemand glauben. Außer den Horatiern — und es war bestritten ob sie Rom oder Alba angehörten — wird in den Sagen von Tullus und den drey folgenden Königen kein Römer genannt. Hin­ gegen gleich vom Anfang deS Frehstaats erzählten die Familiengeschichten 233 viel, wenn auch nicht immer glaubhaft, von ihren großen Männern. Zweyerley gab in den arithmetischen Umriß der königlichen Zeit, ehe gradezu erdichtet ward, Ereignisse und Inhalt: die Formen des Staats, seines Rechts, und Einrichtungen welche den einzelnen Königen zugeschrieben wurden; und Sagen von ihren Thaten. Jene haben die frühesten Annalisten wohl nur sehr wenig beschäftigt, wie reich auch der Stoff für die späte 6:7) Diese Zahl hat Cicero de re p. II. p. 4 8.

I

145

Die Lieder.

Zeit ward.

Um so viel älter sind die Sagen: ihr Ursprung geht weit über

die Herstellung der Annalen hinaus. Daß sie in Liedern von Geschlecht auf Geschlecht überliefert wurden, daß ihr Inhalt nicht urkundlicher seyn kann als der eines jeden andern durch Gesang erhaltnen Gedichts von den Thaten der Vorzeit, ist kein neuer Ge­ danke.

Bald sind anderthalb Jahrhunderte verflossen, seitdem Perizonius

ihn aussprach 67«), und darthat daß bey den alten Römern die Sitte ge­ wesen wäre, am Gastmahl das Lob großer Männer zur Flöte zu singen^);

26^ welches Cicero nur aus Cato wußte, der, wie es scheint, davon als einem nicht mehr bestehenden Gebrauch redete. Die Gäste selbst sangen der Reihe nach; also ward erwartet daß die Lieder, als Gemeingut der Nation, keinem freyen Bürger unbekannt wären. Nach Varro, der sie alt nennt, sangen

sittsame Knaben, bald zur Flöte, bald ohne Musikso). Der eigenste Beruf der Camenen war das Lob der Alten zu singen^): und unter diesen auch der Könige.

Denn

nie hat das republikanische Rom sich selbst um ihr

Andenken verarmt, so wenig als es ihre Statuen aus dem Capitol ent­ fernte; in den schönsten Zeiten der Freyheit war ihr Andenken ehrwürdig und gefeyert^).

Wir sind durchgehends so abhängig von der Zeit der wir angehören, bestehen so in und durch sie als Theile eines Ganzen, daß der nämliche Ge­ danke einmal hinreicht um Geist, Tiefe und Kraft des Mannes zu messen, in dem er erwachte, — und zu einer andern Zeit allen nahe gebracht ist, und nur zufällig einer vor Andern veranlaßt wird ihn zu äußern. Peri­ zonius wußte von Heldenliedern nur aus Büchern; daß er von noch leben­ den, oder aus dem Munde des Volks niedergeschriebenen, jemals gehört haben sollte, ist für sein Zeitalter gar nicht denkbar: — er erlebte es noch, vernahm es vielleicht auch, aber es war schon ein Vierteljahrhundert seit 285 der Erscheinung seiner Forschungen verflossen, als Addison die stumpf ge­

wordenen Gebildeten weckte, in Chevy-chace das ächte Gold eines Gedichts mit dem Volk zu erkennen. Für uns waren die Heldenlieder Spaniens,

Schottlands und Scandinaviens schon längst Gemeingut; es war unser nationales episches Gedicht schon wieder in die lebendige Litteratur zurück­

gekehrt: und jezt, da wir die serbischen, und, den Schwanengesang der hin­ gemordeten Nation, die griechischen Lieder, vernehmen; jezt, wo jeder weiß wie Poesie in jedem Volk lebt bis metrische Formen, fremde Vorbilder, ein G78) In den Animadversiones hisloricae c. 6. Daß mir dies unbekannt war als ich zuerst über diesen Gegenstand schrieb, gestehe ich nicht ohne Erröthen: doch wußten es auch wenig­ stens die nicht, welche mich bestritten. 79) Die Hauptstelle ist Tusc. Qu. IV. 2. Gravissimus auctor in Originibus dixit Calo, morem apud maiores hunc epularum fuisse, ut deinceps, qui accubarent, canerent ad tibiam clarorum virorum laudes alque virtutes. Cicero beklagt den Verlust dieser Lieder: Brut. 18. 19. Doch waren sie, wie Appius des Blinden Sprüche, nur für den Gleichgültigen verschwunden. Dionysius kannte Lieder von Romulus. 80) Veh NoniuS II. 70. assa voce: (aderant) in conviviis pueri modesti, utcantarentcarmina antiqua, in quibus laudes erantmaiorum, assa voce, et cum tibicine. 81) FestuS AuSz. s. v. Camenae, musae, quod canunt antiquorum laudes. 82) Ennius besang sie, und Lucretius gedenkt ihrer mit höchster Ehre. Niebuhr, Röm. Gesch.

K)

146

Nenien.

(Erhaltene Nenien in Grabschriften.

tägliches Leben voll mannigfaltiger Wichtigkeit, allgemeine Muthlosigkeit oder Ueppigkeit, sie so ersticken, daß eben von den dichterischen Geistern nur ganz wenige sich Lust machen: vielmehr undichterische mit analogen Ge­ schicklichkeiten sich manchmal der Kunst bemächtigen: — jezt bedarf es der Antworten auf leere Einreden gar nicht mehr. Wer in dem Epischen der römischen Geschichte die Lieder nicht erkennt, der mag es: er wird immer mehr allein stehen: hier ist Rückgang für Menschenalter unmöglich. Eine von den mannichfachen Formen der römischen Volksdichtung waren die Nenien, das Lob der Hingeschiedenen, bey den Leichenbegängnissen zur Flöte gesungen^), wie es in den Gedenkreden erzählt ward. An griechische Threnen und Elegien ist hier nicht zu denken: in Roms alter Zeit galt es nicht sich weich zu stimmen, und den Todten zu beweinen; sondern ihn zu ehren. Wir haben also dabey Gedächtnißlieder zu denken, wie sie bey den Gastmählern gesungen wurden: ja vielleicht waren die leztern keine andern, rs» als die am Ehrentage des Todten zuerst gehört worden. Und so möchten wir, ohne es zu beachten, im Besiz solcher Lieder seyn, die Cicero für ganz verloren achtete: denn es wird doch wohl kaum ein Zweifel gegen den Gedank.'n erhoben werden können, daß die in Aversen gefaßten^) Inschriften auf den ältesten Särgen in der Gruft der Scipionen nichts anderes sind als, siy es die ganze Nenie, oder der Anfang derselben^). In diesen Ge-r87 r*93) Cicero de legib. II. 24. 84) Auf dem Sarg deS L. Barbatus sind die Verse durch trennende Striche augenscheinlich bezeichnet: in den Inschriften seines Sohn- und deS Flamen bilden sie eben so viele Zeilen, und sind als solche durch ihre sehr verschiedene Länge eben so sicher zu erkennen, wie in den jüngeren die Elegen. 85) Folgende drey Inschriften sind dieser Art: ich schreibe sie her, weil mancher Leser meine- Buch- sie wohl nie sah: Corneliu’ Lüciu’ Scipio Barbülus Gnaivo [patre] prognalu’, forlis vir sapiünsque, Quoiu’ förma virluii parissuma Mit, Consül, Censor, Aedilis, qüi fuit apüd vos, Taurüsiam, Cesäunam, Sämnio cüpit, Subicit ömnem Lucänaam, Obsidesque abdücit. Die zweyte: Hunc ünum plürimi consenliunl R(omäni) Duonörum optumum füisse virüm. Lücium Scipiönem, silium Barbäti; Consül, Censor, Aödilis, hic fuit apüd vos. Hic cüpit Cörsicam, | Alüriamque ürbem, Dddil tempeslatibus aüdem mürito. Die dritte: Qui apicem | insigne Dialis fläminis gessisti Mors pürfecit tua | ul üssent ömnia Brevia, bonos, fäma, virtüsque, Gloria, alque ingeniüm, quibus Si in longa licuisset tibi ütier vila Fäcile factis superässes glöriam maiörum. Quare lübens le in gremiüm Scipio rücipit türra, Publi, prognatum Public Cornülio. Ich habe die rohe Schreibart gemildert, und sogar die Bezeichnung aufgeopfert baß da­ endende m in Taurasiam, Cesaunam, Alenam, optumum, omnem und prognatum, uicht ausgesprochen ward. Da- kurze i in Scipio, consenliunl, fuit, fuisse, licuisset,

I

Erhaltene Nenien in Grabschriften.

Epische Victor.

147

denkschriften zeigt sich eine Eigenthümlichkeit jeder Volkspoesie, die vor allen in der neugriechischen auffallend stark hervortritt. Ganze Verse und Ge­ danken werden Elemente der dichterischen Sprache wie einzelne Worte: sie gehen aus allgemein verbreiteten älteren Stücken hinüber in neu entstehende;

geben ihnen, wenn auch der Sänger einem großen Stoff nicht genügt, dich­ terische Farbe und Haltung. So las Cicero auf dem Grab des Calatinus: hunc plurimae consentiunt gentes populi primariuin fuisse virum 686); wir auf dem des L. Scipio, des Barbatus Sohn: hunc unum plurimi *89

consentiunt R(omani) bonorum optumuin fuisse virum. Verschieden von diesen in Form, und von großem Umfang, theils zu einem Ganzen verbunden, theils einzelne nicht nothwendig zusammenhängende Lieder, waren die, woraus in prosaische Erzählung aufgelößt ist, was für

uns Geschichte der römischen Könige heißt. Die von Romulus bildet für sich eine Epopöe; von Numa können nur kurze Lieder gewesen seyn. Tul-

luS, die Geschichte der Horatier und der Zerstörung von Alba, dies bildet ein episches Ganzes wie das Gedicht von Romulus; ja hier hat Livius ein Bruchstück deS Gedichts unversehrt erhalten, in den lyrischen Numeri deS altrömischen Verses^). Hingegen was von Ancus erzählt wird, hat keinen

Anflug von poetischer Farbe. Dann aber beginnt mit L. Tarquinius Priscus ein großes Gedicht, und endigt mit der Schlacht am Regillus; und dieses Lied der Tarquinier ist noch in seiner prosaischen Gestalt unbeschreiblich dichterisch; eben so eigentlicher Geschichte ganz unähnlich. Tarquinius An­ kunft zu Rom als Lucumo: seine Thaten und Siege: sein Tod: dann »89 ServiuS Wundergeschichte: Tullias Frevelhochzeit: des gerechten Königs

Mord: die ganze Geschichte des lezten Tarquinius: die vorbereitenden Wahr­ zeichen seines Falls: Lucretia: Brutus Verstellung: sein Tod: Porsennas

Krieg: endlich die völlig homerische Schlacht am Regillus; bilden eine Epopöe, die an Tiefe und Glanz der Phantasie alles weit zurückläßt was daS spätere Rom hervorbrachte. Sie theilt sich, fremd der Einheit des

wird unterdrückt, so daß z. B. Scipio zweysilbig ist: in der Art wie sich in PlautuS noch viel auffallendere Beyspiele finden. In der Inschrift deS VarbatuS V. 2. ist patre nach Gnaivo ohne Zweifel ein ungebührendeS Einschiebsel: und in der deS Sohns, V. 6., in der dritten V. 4. 2. zu bemerken daß die Schlußshlbe von Corsicam, apicem, tua nicht elidirt wird. In der dritten habe ich si vom Ende deS dritten an den Anfang deS folgenden, maiorum vom Anfang deS siebenten an den Schluß des vorhergehenden Verses gebracht. Durchgehends ungenau, sind es die Steinmezen am Allermeisten in der Abtheilung der Verse. •®6) Cicero, de senecl. 4 7. 87) Die Verse horrendi carminis I. 26. Duümviri pörduelliönem iüdicent. Si a duümviris provocärit, Provocätiöne certäto: Si vincent, caput öbnübito: Infelici ärbore röste suspendito: Vörberato intra vel öxtra pomoerium. Die Darstellung des Wesen- der altrömischen VerSarten, als lyrischer und höchst mannichfaltiger, bis in die Mitte deS siebenten Jahrhunderts der Stadt gebrauchter, und sehr aus­ gebildeter Numeri, bleibt vorbehalten, bis ich ein die Sache entscheidendes Kapitel eines alten Grammatikers, über den versus Saturnius, herausgeben werde. lVgl. Vortr. ii. Röm. Gesch. I. S. 90 ff. A. d. H.;

148

Epische Lieder.

I

Alter der Lieder.

vollkommensten griechischen Gedichts, in Abschnitte welche den Aventüren deS Nibelungenlieds entsprechen: und hätte je einer die Kühnheit sie als Gedicht herstellen zu wollen, so würde er sehr fehlen wenn er eine andre Form er­ wählte als diese höchst edle Gestalt. Diese Lieder sind viel älter als Ennius 688), welcher sie in Herameter umformte, und in ihnen Stoff für drey Bücher fand: er, der ernsthaft glaubte Noms erster Dichter zu seyn, weil er die alte einheimische Poesie ignorirte,

verachtete und mit Erfolg unterdrückte. Ich werde an einem andern Orte von dieser, und ihrem Untergang reden: hier ist nur noch eine Bemerkung nöthig. So alt wie der epischen Lieder Grundstoff unstreitig war, so scheint-so die Form worin sie bestanden, und ein großer Theil ihres Inhalts, verhältnißmäßig jung. Wenn die pontificischen Annalen die Geschichte für die

Patricier verfälschten, so herrscht in dieser ganzen Dichtung plebejischer Sinn, Haß gegen die Unterdrücker, und sichtbare Spuren daß, als sie ge­ sungen ward, plebejische Geschlechter schon groß und mächtig waren. Numas, Tullus, Ancus und Servius Landanweisungen sind alle in diesem Sinn verstanden: alle Lieblingskönige begünstigen die Freyen: der plebejische Ser-, vius ist nächst dem heiligen Numa der vortrefflichste: als Mitschuldige an

seiner Ermordung erscheinen die Patricier gräßlich: Tarquinius, des Paters, römische, Gattin Gaja Cäcilia ist Plebejerinn, den Metellern verwandt: der Gründer der Republik und Mucius Scävola sind Plebejer: unter den An­ dern stehen nur die Valerier und Horazier edel da; der Gemeinde befreundete Geschlechter. Auch möchte ich diese Gedichte, wie wir ihren Inhalt kennen, nicht über die Herstellung der Stadt nach dem Gallischen Unglück, und dieses als den frühesten Zeitpunkt, hinaufsezen. Die Mitte des fünften Jahr­ hunderts konnte, wie die goldne Zeit der Kunst, so auch die der Dichtung seyn. Auf solche Zeit deutet auch die Befragung des pythischen Orakels. Die Erzählung, wie der lezte König seinen Sohn symbolisch angewiesen habe die vornehmen Gabiner wegzuschaffen, ist ein griechisches Mährchen bey Herodot: eben so findet sich Zopyrus List wiederholt: also muß man Kenntniß griechischer Sagen annehmen, warum nicht des Herodot unmittelbar?

Die Aera von Gründung der Stadt♦

291

Eine Zeitrechnung, die von einem gegebenen Punkt hinaufsteigend ihren Anfang durch künstelnde Combinationen findet, möchte zum chronologischen Gebrauch untauglich und dessen unwürdig scheinen. Aber zur Brauchbarkeit 688)

— scripsere alii rem Versibu’ quos olim Fauni valesque canebant: Quom neque Musarum scopulbs quisquam superarat,

Nee dicli sludiosus erat. Horazens annosa vohimina vatum können solche alte Gedichte seyn: wiewohl sie vielleicht auch von Prvphetenbüchcrn wie die der Marcier zu verstehen sind: welche, wie verächtlich auch der Seitenblick fällt, höchst dichterisch waren. Darüber können wir selbst nach den von Livius erhaltenen Stellen urtheilen: wie Horaz auch unsere Meynung von PlautuS nicht bestimmen kann.

I

Wesen der Acren überhaupt.

Römische Aera von Verbannung der Könige.

149

thut es nur noth daß der Anfangspunkt beziehungsweise feststehe; — ist

doch auch daS erste Jahr unsrer allgemein gewöhnlichen Aera anerkannt irrig: — nur muß diese chronologische Bestimmtheit nicht für eine historische Gewißheit angesehen werden. Noms Würde reinigt die seinige von der Makel ihrer Entstehung aus Trug. Die Geschichte bedarf mehr als einer Aera; Asien und Europa ver­ schiedener: gradehin schlecht sind solche vie rückwärts zählen, oder die mit

einer ausgemacht ganz falschen Vorstellung nothwendig verknüpft sind: für andre Zeiten sind andre angemessen; wie, so lange das westliche Reich bestand, die spanische Aera von der Schlacht von Actium es war: die nach­

her viel früher als eS geschah der allgemeinen christlichen hätte weichen sollen; wie die des Nabonaffar sehr vernünftig vor der seleucidischen wich. Die vorzüglichere Brauchbarkeit hängt davon ab daß die Aera früh genug be­ ginne, um in ihrer Sphäre den Raum eigentlich historischer Zeitbestimmun­ gen vorwärts gehend zu umfassen; daß diese Sphäre die Geschichte der be­ deutendsten Völker ungezwungen einschließe; und der Grund, weshalb ihr der Vorzug gebührt, lange unverändert bleibe.

In Hinsicht des Anfangs­

punkts sind die olympische Aera und die Nabonassarö wenig von der römi2S2schen unterschieden: aber während diese mit immer steigender Anwendbarkeit bis zur Schlacht von Actium sich erhält, überlebt die eine von jenen, wie Griechenland, Alexander nur wesenlos, und die zweyte, wie Babylon, hört

zur nämlichen Zeit ganz auf. Ueber den Zeitpunkt zurück wo die Grün­ dung Roms gedacht wird, giebt es für Hesperien gar keine Chronologie;

für Griechenland war Eratosthenes Rechnung von der Zerstörung Trojas, um Zeitverhältniffe anzudeuten, ein glücklicher Gedanke; für die noch früheren Zeiten der Griechen, wo alle Chronologie — außer für Asien — Wahn ist, mag man sich an die babylonische anschliefien, welche Alexanders erstem Jahr zu Babylon anhebt G89), und

1905 Jahre vor für ganz Asien

diesseits des Indus anwendbar ist. Zeitrechnungen der Stävte waren in Italien gewöhnlich, worüber Scaliger das Beyspiel des umbrischen Jnteramna aus einer Inschrift anführt oo); auch von Ameria ist es, nach Catos oben angeführter Meldung, nicht

zweifelhaft. Uns ist keine Spur erhalten daß die Römer vor Augustus ihre Jahre so zählten. Dagegen findet sich eine Aera von der Verbannung der Könige häufig; besonders für Neuerungen in der Verfassung ist es ge­ wöhnlich gewesen, ihren Zeitpunkt so zu bezeichnen. So thut es Cicero, so -v, TacituS, ja noch Gaius Ol), welche Uebereinstimmung vermuthen läßt daß ein gemeinschaftlich von ihnen benuzter Schriftsteller diese Abänderungen so verzeichnet hatte; dieser denn dürfte kein andrer als Junius Gracchanus, aus der ersten Hälfte des siebenten Jahrhunderts, gewesen seyn. t;89) S. die Abhandlung über den historischen Gewinn aus dem armenischen Cusebiu?. 9n) Emendat. tempor. p. 385. Puteoli rechnete von der Gründung der Colonie. 9 *) Bey Lydus:

aus dessen Anführungen hervorgeht daß, was wir in den Digestcn von Pomponius haben, verstümmelt und schlecht auö Gaius Einleitung zu den zwölf Tafeln ausgezogcn ist

150

Verwirrung der Chronologie durch Rechnung

Dionysius sezte voraus daß diese Zeitrechnung schon um die Mitte deS vierten Jahrhunderts gebräuchlich war; sonst würde er auf censorische Re­ gister, welche das Jahr vor der gallischen Eroberung als das Jahr 119 nach der Verbannung der Könige bezeichneten 692), nicht wie auf eine Ur­ kunde gebaut haben. Aber, die Aechtheit der Register selbst unbestritten, so

konnte diese Jahreszahl nicht gleichzeitig, sie konnte ein späterer, entweder unschuldiger oder verfälschender, Zusaz gewesen sehn; wobey nicht zu über­ sehen ist daß dieser den Gebrauch der Aera in öffentlichen Urkunden aller­ dings, wenn auch für eine spätere Zeit, beweißt. In einer Aera ist immer eine Zahl Jahre von gleicher Art zu verstehen, seyen es nun astronomische oder Mondenjahre; da also unsre Fasten vom Anfang des Consulats bis zur Einnahme 120 Magistratsjahre zählen, so würden sie Jahr vor Jahr eben so vielen der Aera entsprechen. Aber sie sind ganz unzuverläßig, wie schon dadurch erwiesen ist daß in dem Vertrag mit Karthago Brutus und Horatius als Collegen genannt würben93); ich werde an seinem Ort zeigen daß die Consuln, die sich am Anfang deS Freystaats innerhalb eines Jahrs, in solcher Zahl wie nie wieder, gefolgt seyn sollen, mehreren angehören. So fehlen auch bey Livius, der doch Catos

Zeitrechnung folgte, mindrer Abweichungen nicht zu gedenken, in diesem Zeitraum die Eonsulpaare der Jahre 248, 264, und 265: noch größere

Verschiedenheiten zeigen Diodors Fasten; welche, wie zerrüttet sie auch scheinen, doch mehr Beachtung verdienen als sie gefunden haben, da daS Anstößigste darin Schreibfehler sind. Er mag sie verdorben haben, erdichtete

sie aber gewiß nicht. Daß die Magistratsjahre denen einer Aera Zug um Zug entsprächen, war unmöglich, sobald die Wahl nicht vor Ablauf der Zeit der sizenden Magistrate vollzogen ward. Es dürfte aber sogar wahrscheinlich seyn daß anfangs auch für die Consuln, von der königlichen Zeit her, die Wahlen durch Jnterregen beybehalten waren; wenigstens geschah sehr leicht und sehr häufig, daß die abtretenden die Wahl nicht vollendeten, und ein Interregnum Statt fand. Da nun die neu erwählten nicht minder ein volles Jahr re­ gierten9^), so waren zwey Magistratsjahre um die Dauer der Interregnen länger als zwey bürgerliche. Die Regel scheint gewesen zu seyn daß die neuerwählten an Kalenden oder Iden antraten93); wodurch also, wenn nicht außerordentliche Umstände Beschleunigung veranlaßten, so oft die Wahl durch Jnterregen gehalten ward, der Anfang des Magistratsjahrs um einen halben Monat weiter hinausgeschoben ist. Aber oft folgten sich viele Interregna aus den ersten Zeiten des freyen Staats ist ihre Verzeichnung bey LiviuS

nicht zu erwarten, der sie späterhin sehr oft vergißt. So mußte die Abweichung zwischen Jahren der Fasten und fortgezählten

dahin kommen daß, angenommen im Jahr Eins wäre Anfang des einen

692) Dionysius I. 74. p. 64. a. 93) Polybiu- III. 22. 94) Sonst wäre ihnen nicht gehalten worden was die Formel ihrer Wahl versprach: ut qui optimo iure facti siqt, ’•) Diese? Meynung hat Dodwell viel Wahrscheinlichkeit gegeben.

I

I

nach Magistratsjahren.

Correction durch die Jahrnaget.

151

und deS andern zusammengefallen, vielleicht schon nach fünfzehn Jahren die Consuln erst mit dem Quinctilis ihre Würde antraten, zwischen die Jahre 15 und 16 gleich getheilt war.

also

ihre Zeit

Ging dies nun ferner

so fort, so konnte es geschehen daß das dreyßigste Consulpaar erst mit dem

Anfang des Jahrs 31

den kurulischen Thron einnahm:

also

würklich verflossenes Jahr in der Zeitrechnung verloren war;

ein

volles

und wenn

dies auch wohl erst in längerer Zeit geschehen ist, so ist es doch geschehen,

und mehr als einmal.

Hier ist Analogie, nur nicht regelmäßig, mit der

Vergleichung chronologischer Sonnen- und Mondjahrsfolgen. Jezt aber zeigt sich der Zweck jener Sazung, daß der oberste Prätor

an den Iden deS

Septembers den Nagel im Tempel

Jupiters einschlagen solle.

damals wenig geschrieben

des

kapitolinischen

Es wird gesagt, solches sey beliebt worden weil seh;

allein die Namen der

Magistrate wurden

darum nicht weniger verzeichnet, sonst hätte es keine Fasten gegeben.

Ge­

schah es aber um den Verlust ganzer Jahre in der Zeitrechnung vorzubeugen, so war das Mittel, bey seiner Einfalt, zweckmäßig.

Wenn die Iden des

Septembers in ein Interregnum fielen, so mußten entweder die vorher ab­

gehenden Consuln einen Dictator proclamirt haben, der die Solennita't voll2W zog; oder auch der Jnterrer that es; welches dem Recht über die Erhebung zur Diktatur nicht entgegen gewesen seyn kann.

und gezählt.

Jedes Jahr war bezeichnet,

Nun lehrt Livius daß M. Horatius der erste war, welcher

bey der Einweihung des Capitols diesen Jahrnagel einschlug, und jene Iden waren der Einweihungstag; daher also die von da ab gezählte Aera, welche zu Rom

bey

öffentlichen Denkmälern

gebraucht ward,

fünften Jahrhunderts696): und warum nicht weit früher?

in

der Mitte des

Auf welches Jahr

nach der Verbannung der Tarquinier diese Einweihung falle, ward ver­

schieden angegeben; die Aera von der Verbannung scheint eben dieser ent­ schieden alten gleich gemacht, ihrer Zahl die der Fasten durch Einschiebung

von erfundenen Consulaten angepaßt zu seyn. Als Vereinigung dieser Tafel, die von der Einweihung des Capitols

an das oberste Standeshaupt nannte, welches jedesmal an ven Iden des Septembers im Amt war,

mit der nach Spiel und Künstelet) in Zahlen

angelegten Zeiteintheilung der pontificischen Annalen, denke ich mir die Tafel, welche PolybiuS bey den Pontifices sah:

und auf jene Jahresverzeichnisse

müßen Varro und der Urheber der kapitolinischen Fasten — wenn dieser

von Varro verschieden ist — gebaut haben.

Es geschieht ihnen sicher Un­

recht, wenn angenommen wird daß, wo sie ein Jahr mit dem Namen eines

Diktators ohne Consuln bezeichnen, ihre Meynung gewesen sey derselbe habe 2«7 der Republik ein volles Jahr vorgestanden: ich zweifle nicht daß— vielleicht einen einzigen eigenthümlichen Fall ausgenommen



sie

nur bezeichnen

wollten, daß zwischen zwey so bezeichneten Jahren der Anfang des Magistrats-

jahrS sich um zwölf Monate verschoben habe, und zugleich an den Iven des

*96) Do» Cn. Flaviut in der Inschrift auf der Capelle der Concordia: Plinius II. dl. XXXIII. 5,: wo ohne Frage statt 304, 204 gelesen werden muß.

152

Die Einnahme der Stadt, fester Ausgangspunkt.

Davon ausgehend

i

Septembers keine Consuln waren. Hierüber können sie im Einzelnen geirrt, oder sich Willkührlichkeiteu erlaubt haben: für uns ist die Aufgabe, nach den unstäten Jahren der Fasten die Ereignisse auf bestimmte chronologische zu bringen, nicht lösbar. Um die römische Zeitrechnung mit der griechischen zu verbinden, gab die Einnahme der Stadt einen festen Punkt. Diese, als Ereigniß einer reißend schnellen und in die weiteste Ferne drohenden Völkerwandrung, hatte Schrecken bis in die griechischen Städte verbreitet, und selbst zu Athen

Aufmerksamkeit gefunden: so ließ sich bestimmt wissen daß sie in Ol. 98, 1 oder 2 sich ereignet hatte. Für das erste Jahr und den Archon Phrgion entschieden sich die meistenC97), für das zweyte Polybius und Diodorus. Wer nun, nach dem Zeitschema, ohne Berücksichtigung der kapitolini­ schen Aera und der Säkelnanfänge, 360 Jahre von der Erbauung der Stadt bis Ol. 98, 1, rechnete, sezte jene in Ol. 8, 1. Das ist die Zeitrechnung des Fabius 08).

Wer nach den erwähnten Correctionen von Ol. 98, 2 zurückrechnete, kam auf Ol. 7, 2. Das ist die Zeitrechnung des Polybius") und des^v Nepos799). Es ist bieö aber bey dem ersten so zu verstehen, wie er über­

haupt Olympiaden mit römischen Jahren vergleicht: daß, obgleich die Pa­ lilien vor der Sommersonnenwende fallen, das zweyte Jahre der siebenten Olympiade dem schon begonnenen ersten der Stadt gleich gerechnet wird; denn so ist nach ihm das erste seiner Geschichte, Ol. 140, 1, 532 der Stadt. Wer eben so rechnete, allein von Ol. 98, 1 zurück, nahm für die Er­

bauung Ol. 7, 1 an: dies that Cato.

Nun ergab sich aber eine Schwierig­

keit wie jene aus den Correctionen gefundenen vier Jahre synchronistisch angebracht werden sollten. Je richtiger man einsah welcher Art diese Chro­ nologie sey, um so mehr war der kürzeste Ausweg der liebste. Daher ließ Polybius die Jahrzahlen für die einzelnen königlichen Regierungen gelten, deren Summe 240 ergab, fügte aber dann, als durch Interregnen einge­ nommen, für das Ganze jene vier Jahre hinzu7Ü1), so daß das erste kon­ sularische Jahr auf Ol. 68, 1 kam 2).

Ob Cato ihm hierin vorangegangen

war, oder, wie es Livius thut, für Numas Negierung 43 Jahre rechnete, «»s läßt sich nicht ausmachen. Jene Methode ist ohne Frage weit vorzüglicher, da sie an den einzelnen alten Zahlen nichts ändert, und doch den nämlichen

Vortheil giebt, die Jahre der Fasten und chronologische für einander nehmen zu können; auch ich habe sie erwählt. 697) Dionysius I. 74. p. 60. d. Wahrscheinlich nach Theopompus oder Aristoteles. ") Diony­ sius, eh end. nach der vatic. Handschrift. ") Dionysius I. 74. p. 60. c. Cicero de re p. II. 10. 70°) Solinus, 2. Die Erwähnung des Eratofthenes und Apollodorus kann nur darauf bezogen werden daß Nepos ihren Kanon für Troja und den Olympiadenanfang an­ genommen: denn jener schrieb, Romulus sey Aeneas Enkel gewesen. (Oben S. 122 Anm. 598.). 7nl) Cicero de re p. II. 30. His regiis quadraginla annis et ducentis paulo cum interregnis fere amplius praeteritis. 2) Polybius III. 22. ÜQOTtQa Ttis öiaßatiEtos eZf Trp lEXXada TQtctxovT Xtlnovöt duoTv: also 28 Jahre vor 75, 1.

I

verschiedene Zeitrechnungen für die Gründung der Stadt.

153

Ganz widersinnig ist Diodors Verfahren, welcher für die Zeit der Könige 61 Olympiaden, aber von der achten an, gezählt haben muß 703): also Polybius und Fabius Rechnung mischte. Ein auffallendes Mißverständnis;, welches ich im zweyten Theil dieser Geschichte auflösen werde, verleitete Varro zu rechnen die Einnahme der Stadt müße drey Jahre früher, in Ol. 97, 2, gesezt werden: eins von diesen Jahren ward gegen die catonische Zeitrechnung ausgeglichen: es kam aber so daß er die Gründung Roms in Ol. 6, 3, sezte. : Alle diese abweichenden Zeitbestimmungen haben einen gemeinsamen Grund: Ennius, der von Roms Erbauung ungefähr siebenhundert Jahre zählte, stand auf einem ganz andern. Varro verweißt ihm diese Rechnung als ein arges Versehen 4); und freylich fehlten, als Ennius die lezten Bücher der Annalen schrieb, nach allen jenen Systemen, gegen 120 Jahre an dieser Zahl. Es ist indessen allemal fehlgegriffen, wenn bey ausgezeichneten sov Männern Unwissenheit im allgemein Bekannten angenommen wird, um zu erklären, was bey ihnen gegen das Geltende verstößt: und diese Voraussezung bringt nur Beschämung auf den der sie äußert. Ich werde weiterhin eine andre Erklärung vorlegen, wodurch der Vater der römischen Poeten durch die in solchem Fall gewöhnliche Ursache daß er mehr wußte als der Tadler, gerechtfertigt werden würde: die einfachste ist indessen wohl diese. Wer bey der alten latinischen Zeitenformel blieb, nach welcher Rom 333 Jahre nach Aeneas Ankunft erbaut war 5), und den Zeitpunkt der Zerstörung Trojas nach den Griechen annahm, der hatte, je nachdem er Eratosthenes oder Timäus folgte 6), ungefähr 100 oder 110 Jahre mehr für die Zeit­ rechnung Roms als die, von denen bisher geredet ist. Wenn Ennius, der 582 das lezte Buch seines Gedichts schrieb, die Autorität des sikeliotischen Annalisten vorzog, und sieben Jahre für die Zeit von Trojas Zerstörung an hinzurechnete, so stand, nach jener dichterischen und einheimischen Ansicht, Rom damals an die siebenhundert Jahre; ungefähr 699. Auf alle Weise bleibt es gleich unerklärlich, wie ihm Romulus der Ilia, nicht Silvias, Sohn seyn konnte. Hat aber Ennius diesen Widerspruch für sich zu beseitigen gewußt, so hindert er auch nicht anzunehmen daß Rävius dieselbe Zeitanordnung gelten ließ: ja, wenn Virgil die ganze Stelle, woraus wir sie kennen, ihm nach­ bildete, so that er es bestimmt. Vielleicht ist mir ein ausdrückliches Zeug•oi niß entgangen: doch konnte Newton, wo er ihm zuschreibt die Erbauung der Stadt hundert Jahre höher zu sezen als gewöhnlich 7), dem menschlichen Loos deS Irrthums unterliegen, und ihn mit Ennius verwechseln. 7O3) Da die fünf Bücher vor dem elften fehlen, so läßt sich dies nur durch Folgerung beweisen: daher, daß die Consuln welche bey Dionysius auf Ol. 75, 76, u.s.s. fallen, in seinen Annalen bey Ol. 76, 77, u. s. f. stehen. 4) Varro de re rüst. III. 4.

Septingenti sunt paulo plus vel minus anni Augusto, augurio postquam incluta condita Roma ’st. 5) Oben S. 4 4 6. 6) Jener rechnete L 07, dieser 44 7Jahre von jenem Zeitpunkt bis zur ersten Olympiade. 7) Chronology p. 429.

154

Verschiedene Zeitrechnungen für die Gründung der Stadt. Woher stammt

i

Cassius Hemina, am Anfang des siebenten Jahrhundert-, welcher HomerZeitalter, das bey Nepos aus griechischen Tafeln 160 Jahre vor Rom fiel, mehr als 160 Jahre nach dem trojanischen Krieg fcjte708), dürfte eben diese Berechnung im Sinn gehabt haben. Auch vom Gebrauch des zweyten Zeitschema zeigt sich sichere Spur, obwohl gemischt und entstellt. CutropiuS rechnete für Roms Erbauung Ol. 6, 3; nach Troja ungefähr 0) 394 Jahre: beydes ist nach keiner von allen Meynungen, die über den Anfang der Olympiaden bestanden, gleich­ geltend: es sind von einander ganz unabhängige Angaben. Wer jene 360 Jahre nicht von Ilions Zerstörung sondern von Albas Gründung zählte, dazu 33 seit Aeneas Landung, und ein Jahr für die Dauer seiner Fahrt, hlnzufügte, hatte diese Zahl. Timäus (um 490) sezte RomS Gründung gleichzeitig mit der Erbauung Karthagos, wie Dionysius sagt, 38 Jahr vor die erste Olympiade: derselbe Zeitpunkt, bis auf ein Jahr, findet sich für Karthago bey andern, wohl«« aus ApollodoruSlu). Das wäre in dessen Tafeln 368, jenes bey Timäus, 379 Jahre nach Trojas Untergang gewesen. Wenn aber dieser nicht zurück von den Olympiaden, sondern vorwärts von Troja zählend"), das Jahr 369 angegeben hatte, und Dionysius nicht eingedenk war daß Timäus zehn Jahre mehr als der geltende Kanon bis aus die erste Olympiade annahm; so konnte er diese Jahrszahl nach demselben bestimmen, anstatt daß er 48 Jahre vor den Olympiaden hätte rechnen sollen. Trogus hatte KarthagoErbauung 72 Jahre vor Rom gesezt"): das kommt, die Erbauung der Stadt mit Varro auf Ol. 6, 3 gesezt, grade auf diese Zeitbestimmung: und augenscheinlich folgte er in sicilischen und benachbarten Geschichten dem Timäus wenigstens sehr häufig. Darnach ergiebt sich auch hier die zweyte latinische Aera, 360. Denn eine absolute Gleichzeitigkeit der Erbauung der beyden Städte, welche begonnen hatten um die Obmacht zu kämpfen; eine ganz genaue Bestimmung der von Rom; mehnte der Annalist Siciliensicher nicht. Ich glaube die Ursachen genügend dargelegt zu haben, weshalb die An­ gaben so abweichen, wofür nichts weniger als ein historischer Grund an­ genommen werden darf. Noch ist eine wesentlich von allen andern unter­ schiedene zu erörtern übrig, die des L. Cincius AlimentuS, welcher ungefähr das vierte Jahr der zwölften Olympiade annahm"). Die Frage, welchem diese Abweichung von der Tafel der Pontifices, welche dieser Historiker noth70R) GelliuS XVII. 21.

9) Daß dies die Bedeutung der seltsamen Formel ut qui plurimum

minimumque tradiderunt, seh, hat CellariuS erwiesen. — Die Varianten mancher Hand­

schriften und alten Ausgaben sind Verfälschungen der historia misceila auS Orosius: dessen

41 4 Jahre (II. 4.) auf einem Mißverständniß beruhen, welche- zu ergründen bey einem solchen Schriftsteller der Zeit nicht werth ist: oder verschrieben sind: CCCCXIV statt CCCXC1V. 10) Dionysius I. 74. p. 60. a. Cicero de re p. II. 23. VellejuS I. 6. n) Er zählte 600 Jahre von

fr. 49. Ley Göller.

Troja bi- auf die Niederlassung deS. ChersikrateS auf Kerkyra

") JustinuS XVIII. tz.

THCCQTOV 6T0$. — SolinuS, 2,

13) Dionystu- I. 74. p. 60. d. Tttgt ro

I

die besondere Rechnung deS Cincius? Das römische Mond-Jahr.

155

wendig kannte, veranlaßt habe, ist um so bedeutender, weil Cincius ein

wahrhaft kritischer Alterthumsforscher war, welcher seine vaterländische Ge­ schichte durch Untersuchung alter Denkmäler erhellte. Er verfuhr dabey mit eben so großer Wahrhaftigkeit als gleifc714): denn es sind Fragmente aus ihm, die allein mit klaren Worten daS frühere Verhältniß von Rom und Latium darstellen, welches in allen Annalen der Nationalstolz verfälscht hat. Er war Senator, und im hannibalischen Kriege Prätor, obgleich er am Anfang desselben das Unglück gehabt hatte Gefangener der Pöner zu werden. Daß er eine bedeutende Persönlichkeit hatte, die einem großen Manne auf­ fiel, ist dadurch klar, daß Hannibal, der die römischen Gefangenen sehr rauh

zu behandeln pflegte, ihn auszeichnete, und ihm den Zug durch Gallien über die Alpen so erzählte, wie Cincius ihn nachher in seiner Geschichte niederschrieb. Nun könnte er allerdings etruskische oder latinische Zeittafeln kennen gelernt, und sie der Rechnung der Pontifices vorgezogen haben: wahrscheinlicher aber ist es doch daß auch seine Angabe nur aus einer Reflerion über die nämliche, aus der wir so viele haben entstehen sehen, her­ vorgegangen ist.

Daß Cincius ein Buch über den alten römischen Kalender geschrieben

204 hatte, lehrt MacrobiuS 15): daß er die älteste etruskische und römische Zeit­ rechnung untersucht hat, erhellt aus Livius16). Und daher daß er Rücksicht auf uralte Zeitmaaße nahm, zu einer Zeit in der sie schon ganz außer Ge­ brauch gekommen waren, erklärt sich seine Jahrangabe vollkommen.

Ich kann im Lauf der älteren Zeiten nicht vermeiden Untersuchungen als Episoden einzuschieben: ich glaube auch mit demselben Recht Anspruch

auf ihre Duldung machen zu können, dische Erzählungen einwebten. Daß Charakter mündlicher Rede entfernen, nur geschrieben sind, und nur in der

mit dem alte Geschichtschreiber episo­ diese Einschaltungen sich von dem den die Geschichte immer haben sollte: Einsamkeit seines Zimmers von dem

Gelehrten gelesen werden können, — ist ein unvermeidlicher Nachtheil dem sich der Schriftsteller sicher nicht gern aussezt. Aber ich denke es ist an­ spruchloser, Erzählung und Untersuchung zu einem Werk zu verbinden, als diese für einzelne Abhandlungen abzusondern, und in jener ihre Resultate als auSgemacht vorauszusezen: wenigstens entspricht diese Art darzustellen

der Entstehung und Ausbildung dieses Werks.

Ueber den Säcularcyklus. DaS römische Jahr war bekanntlich vor der julianischen Reformation deS Kalenders ein Mondenjahr, welches durch Einschaltung eines Jntercalarmonats mit dem Sonnenjahr in Uebereinstimmung gebracht ward, oder ge­ bracht werden sollte. Der große Joseph Scaliger hat, mit dem Hellen Blick, so»der Aussagen welche nicht wissen wovon sie reden in Zeugnisse der Wahr-

714) Auch für seine Zeit nennt ihn Liviu- maximu* auctor. ed. Bip. ,6) VII. 3,

1Ä) Saturnal. I. I2. p. 257. ff.

156

Das römische Mond-Jahr, Lustrum und Säculum. Das zehnistonatliche Jahr.

I

heit verwandelt, das ursprüngliche System dieser Zeitrechnung mit unwidersprechlicher Gewißheit entdeckt. (St hat gezeigt, daß es eine trieterische Jntercalation in zwey und zwanzigjährigen Perioden war, in deren jeder zehn­ mal ein Schaltmonat, abwechselnd von 22 und 23 Tagen, hinzugethan, die lezte Trieteris übergangen ward. Wie fünf Jahre ein Lustrum, so

bildeten fünf dieser Perioden ein Säculum von 110 Jahren 717). Der Wahn daß Italien in Barbarey lag, und Roms Beziehungen zu Griechenland dort zuerst Wissenschaft stifteten, muß weichen, wenn man sieht wie vielmehr diese leichte und regelmäßige Zeitrechnung gerade in der litterarisch gebildeten Zeit so in Vergessenheit gerathen war, daß Cäsar das Jahr um 67 Tage voraus von der wahren Zeit abweichend fand, und die Reformation des Kalenders aus fremder Wissenschaft erborgen mußte. Gänz­ liche Unwissenheit in der Mathematik und Astronomie, deren Resultate, aber nicht ihre Wissenschaft, die Etrusker den Römern mitgetheilt hatten, mag die Verwirrung schon früh erregt haben: aber eine schändliche Unredlichkeit,

wodurch die Pontifices, seitdem sie sich eine willkührliche Einschaltung angemaaßt, bald Konsuln, bald Generalpächter durch Verlängerung deS Jahrs begünstigten, oder durch Abkürzung desselben drückten, benuzte und ver­ schlimmerte sie.

Es ist allgemein bekannt, daß nach einer einstimmigen Nachricht der glaubwürdigsten alten römischen Archäologen das romulische Jahr nur aus zehn Monaten oder 304 Tagen bestanden hat.

Unter der großen Mengeso«

der Zeugen ist es hinreichend hierüber auf CensorinuS und Macrobius, welche die Zahl der Monatstage angeben, zu verweisen^). Dieses Jahr,

welches einzeln genommen weder mit dem Mond noch mit der Sonne über­ einstimmt, schien denen, welche nur an die griechischen und die späteren An­

sichten gewöhnt waren, so widersinnig, daß Plutarch fast zweifelt daß es jemals bestanden haben könne; ja, was viel auffallender ist, Scaliger es als ein Mährchen ganz läugnet, und, nach Licinius Macer und Fenestella, die es doch auch nur nicht begriffen, als entschieden annimmt, das römische

Jahr habe vom Anfang her zwölf Monate gezählt19). Aber neben jenen Angaben, die, als Nachrichten denen an Bestimmtheit wenige aus den ältesten Zeiten gleich kommen, durchaus nicht verworfen werden dürfen, wenn für die Geschichte noch irgend ein Grund bleiben soll, finden sich unverkennliche Beweise daß dieses Jahr einst in der That im Gebrauch gewesen, und mehr

als eine sichtbare Spur seiner Anwendung in einer späteren Zeit, wo es schon verkannt war. Und es ergiebt sich auS dem cyklischen Verhältniß dieses Jahrs zu dem von Scaliger erklärten Mondenschaltjahr und dessen Säcularperiode, wie es, theils als fortlaufende Correction neben demselben anwendbar, theils zum wissenschaftlichen Gebrauch vorzüglicher als jenes war. Der erste Schlüßel zum Begriff dieses Systems findet sich in einer Stelle des Censorinus, worin er sagt, das Lustrum sey das alte römischem

717) De emendat. temporum, p. 180. ff. 18) De die nalali. 20. Salurnal. I. 12. p. 255. ed. Bip. 19) De emendat. tempor. p. 173.

I

DaS Lustrum besteht aus 5 zwölfmonatl. u. 6 zehnmonatl. Jahren, Jntercalation.

157

große Jahr, oder der Cyklus in dem der Anfang des bürgerlichen Jahrs wieder auf den des Sonnenjahrs gebracht ward. Allerdings ist es zugleich klar daß er das Lustrum seiner Zeit, die kapitolinische Pentaeteris, wie Griechen die Olympiaden, dem alten Lustrum in Hinsicht der Zeitdauer unterschiebt; aber daß ein spätlebender Gelehrter den Sinn alter Nachrichten falsch auffaßt, vermindert ihren Werth und ihre Brauchbarkeit nicht, wenn das Mißverständniß sich so bestimmt ent­

decken läßt wie in diesem Satt72()). Fünf ägyptische Sonnenjahre zu 365 Tagen enthalten 1825: sechs romulische zu 304 nur 1824 Tage. Die römische Zeitrechnung verlor also in fünf Jahren einen gegen die ägyptische bürgerliche, welche keine Schalt­ jahre hatte, sondern in 1461 Jahren mit Verlust eines Jahrs, wie die Weltumsegler mit Verlust eines Tags, wieder auf den ursprünglichen An­ fang zurückkehrte; und gegen die julianische Emendation beinahe 1| Tag. DieS nun wäre allerdings eine so große Abweichung, daß, wenn nicht andre Zeiteintheilungen, sichtbar desselben Systems dem das zehnmonatliche Jahr angehört, eine systematische Jntercalation, mit einer Leichtigkeit und Harmonie die unmittelbare Evidenz hat, anböten, der cyklische Gebrauch desselben freylich unwahrscheinlich seyn müßte. 308 Diese Einteilungen sind die größte und die kleinste etruskische Zeit­

periode, das Säculum und die achttägigen Wochen. Jenes war auch das Maaß des Mondschaltjahr-Cyklus. Die lezten erhielten sich bey den Römern

in sofern, daß jeder neunte Tag (nundinae) Markttag war: dieser Tag hat bey den Tuskern, oder vielmehr nach ihrem System, auch den Namen Nonae geführt, und dieser Zeiteintheilung ist es verwandt daß der neunte Tag vor den JduS beständig den Namen behielt. Aber die römischen Nundinen standen in keiner Beziehung zum Ganzen des Jahrs, und die Nonae waren nur ein Tag im Monat: bey den Etruskern hingegen waren sie eigentliche Wochenabschnitte, und jeder neunte Tag der Geschäftstag an dem die Könige Gehör ertheilten, und Recht sprachen2^.

Das zehnmonatliche

Jahr von 304 Tagen geht grade in eine Zahl achttägiger Wochen auf, nämlich in 38: zählt mithin eben so viele alte Nonen; und grade diese Zahl ist die der dies fasti noch im julianischen Kalender22). So ist diese Zahl, nach wesentlich römischer Art, erhalten worden: also daß, weil sie so

ganz unzureichend war, eine weit größere Zahl anderer Tage für die Geschäfte des Forum, unter andern Namen, hinzugefügt worden. Da nun die Wochen jedesmal auf den nämlichen Monatstag anfangen, so muß, wenn es Jntercalarmonate gab, die Zahl ihrer Tage ebenfalls durch acht theilbar gewesen so» seyn: denn sonst war diese Ordnung gestört. Ward aber im Säculum der 79°) Censorinus de die nat. 18. Wen Scaligers Beweis hierüber, und daß die Dauer eines Lustrums fünf bürgerliche Jahre war, nicht ganz überzeugt haben sollte, den verweise ich aus nähere Bemerkungen bey der Einrichtung der Censur. 2I) Macrobius Salurnal. 1. 1 p. 274. Bip. 22) Diese Zahl hat ManutiuS, ohne über ihre Ursache zu forschen, durch Zu­ sammenzählen gefunden: de dier. ralione, in GothofreduS auctt. p. 1382. a.

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Genaue Correction d. Systems d. zehnmonatlichen Jahre- durch Zntercalation.

I

cyklischen Periode von 110 Jahren, oder 22 Lustern, zweymal, im 11. und im 22. Lustrnm, ein Jntercalarmonat von drey tuskischen Wochen oder 24 Tagen eingeschaltet "2Z), so entsteht am Schluß der Periode eine über alle Erwartung auffallende Annäherung an die wahre Zeit, und eine Correction des Mondjahrcyklus. Denn die fünf Perioden des SäculumS zählen, nach Scaligers Berechnung, der keine höhere Genauigkeit suchte als die des ju­ lianischen Kalenders, 40177 Tage: der cyklischen Jahre Tagsumme nach' dieser Jntercalation aber ist 40176. Dieser Cyklus ist also genauer als die julianische Zeitrechnung, bey der das tropische Jahr auf 365 T. 6° angenommen ist, und ergiebt eine Bestimmung desselben auf 365 T. 5° 40' 22", welche um 8' 23" kleiner ist als die Wahrheit: während daS julianische Jahr um 11' 15" zu groß ist. Wir können wohl nicht annehmen daß die berechnete Bestimmung Se­ kunden enthalten hätte; und müßen auch bemerken daß kein Volk eS unter­ nommen hat, auch eS nicht thunlich ist, daS bürgerliche Jahr dem astrono­ mischen so genau anzupassen, daß die Theorie seiner Weisen von der Dauer des lezten auS einer auch sehr großen cyklischen Periode genau entdeckt werden könnte. Es läßt sich nicht absolut verneinen, daß die Zeit von 15° 22' 10", um welche die chklische Periode von HO Jahren zu kurz ist, und die in 172 Jahren einen Tag auömacht, durch fernere Jntercalationen ausgeglichen worden wäre; aber eben daß nun die Anwendung der Zahl-sio regeln, welche bisher ein vollkommenes System giebt, nicht weiter zureicht, das macht eS höchst wahrscheinlich daß die Etrusker daS tropische Jahr genau auf 365 T. 5° 40' bestimmt hatten. Von dieser tiefen Wissenschaft schweigen wohl CensorinuS und alle andere Römer: und Enniuö den jener anführtu), gab daS Sonnenjahr auf 366 Tage an. Aber damit wollte er entweder nur sagen daß auch ein Theil des 366. Tags zum tropischen Jahr gehöre: oder er schrieb unkundig was er auf jeden Fall andern abgehört hatte. In Rom selbst war damals die astronomische Unwissenheit gewiß sehr groß: und die alte Wissenschaft, wenn sie nicht schon ganz, wie für die Späteren, erloschen war, lebte nur noch in ihren Resultaten bey etruskischen Priestern, wie die Braminen Formeln mechanisch gebrauchen deren wissenschaftliche Herleitung ihnen ganz unbekannt ist, und unbegreiflich seyn würde. AuS der wissenschaftlichen Genauigkeit folgt nun die Brauchbarkeit dieses JahrS als einer mitnichten leeren Form neben dem schon genau ge­ ordneten bürgerlichen Jahr. ES ist nämlich klar daß in der lezten Periode statt eines Schaltmonats von 23 Tagen, den die Ordnung erforderte, einer von nur 22 Tagen intercalirt werden mußte um die Harmonie beyder Systeme zu erhalten. Die Correction ergab sich sobald nur vom Anfang des Säculum bis zu seinem Schluß richtig fortgezählt ward: und um hier Verwirrung zu verhüten, womit der wandelbare Anfang des JahrS berait 723) Ich

finde mich um so mehr -erechtigt den Schaltmonat, den MerkedoniuS, kürzer als die übrigen anzunehmen, da auch der de- Mondenjahr- nur 23 oder 23 Tage zahlte. c. 4 9.

1

Correctton des bürgerlichen Jahres.

Römischer und aztekischer Cyklus.

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Fasten drohte, ward die Einschlagung des Nagels, zu Rom auf dem Capitolium, beliebt: ein Gebrauch dem man seit der Einweihung deS Tempels,

wie schon bemerkt worden, eine wahre Zeitrechnung verdankte. Der Sinn dieser Feierlichkeit, welche den unwissenden Späteren lächerlich schien, die auch wohl, seitdem das Consulat an vorher erwählte Nachfolger ohne In­ terregnum überging, aufgehört hatte, war schon um die Mitte des sechsten Jahrhunderts vergessen. Daher berichtete Cincius, er habe dieselben Nägel zu Vulsinii im Tenipel der Nortia gefunden: eS wären Bezeichnungen der Jahre aus einer Zeit, wo Schrift selten gewesen sey 725). Der Zweck war, zu bestimmen, wie viele Lustern seit dem Anfang des Säculum verflossen waren: der Schluß eines Lustrum (lustrum conditum) ward ohne Zweifel auf ähnliche Art bezeichnet.

Das ganze Morgenland ist dem Mond bey seinem Kalender gefolgt: die freye wissenschaftliche Eintheilung eines großen Zeitabschnitts gehört dem Abendlande: die Frucht vieler Jahrhunderte von Beobachtungen, aus

dem grauen Alter des Westen. Diesem Westen ist auch die uralte ausge­ storbene Welt verwandt, welche wir die neue nennen. Die alten Azteken, deren Kalender der allervollkommenste war der vor dem gregorianischen irgendwo bürgerlich gebräuchlich gewesen, rechneten ein großes Jahr von sw 104 Sonnenjahren 26). Sie theilten es nach der Quinal- und Vigesimalzählart ein, welche bey ihnen anstatt der Decimalprogression üblich war. Während dieser Periode intercalirten auch sie zweymal, zusammen 25 Tage; und es ist unmöglich bey den merikanischen Festen des neuen Feuers am

Anfang der neuen Säcularperiode sich nicht der römischen, eigentlich etruski­ schen, Säcularfeste zu erinnern: um so mehr da zu Rem an jedem ersten

März im Vestatempel ein neues Feuer angezündet ward. Hierüber freylich urtheile jeder nach seiner Neigung, nur nenne man die Entwickelung des cyklischen JahrS nicht luftige Hypothese, weil sich ihr Inhalt nicht aus den alten Schriftstellern citiren läßt.

Was aus dem Wesen dieses Zeitmaasies

mit absoluter arithmetischer Bestimmtheit, und genau harmonisch mit einem

andern unbezweifelten System, so hervorgeht, kann kein Spiel des Zufalls sehn, so wenig wie mathematische Diagramme im Sande. Und dies ist noch entscheidender als die Erwägung, daß man nur die Wahl hat zwischen

der Voraussezung daß die ältesten Römer,

nicht nur unwissend sondern

sinnlos, einen auf keine Analogie der Natur und der Wissenschaft ge­ gründeten, oder daß sie einen von einem gelehrten Volk berechneten Kalender gebraucht hätten. Mit Macrobius, der den Cyklus verkennt, anzunehmen, sie hätten, wenn die Jahrszeiten mit ihren Monaten nicht passen wollten, eine Zeit vergehen lassen die gar keinen Namen gehabt habe, heißt, aus eigner Unkunde vom Denken selbst der rohesten Völker, die Römer unter 72S) Liviu- VII. 5.

26) Eine vortreffliche Schrift über die mexikanische Zeitrechnung ist D. An­

tonio Leon y Gama, Saggio dell’ Aslronomia Cronologia e Mitologia degli anliehi Messicani, fübersezt) Roma 1804, deren Kenntniß ich 1810 Herrn Professor Zdelers gü­ tigst Mittheilung verdankte.

160

Gleichzeitige, d. lOnton. Jahrs u. d. Mondjahre-, cykl. Jahre b. Verträgen.

die Irokesen an Barbarey herabsezen.

i

Romulus wollen wir allerdings nicht

unter die Astronomen rechnen, welches Scaliger verbittet- aber der Rainer des romulischen Jahrs kann und soll auch nichts weiter bedeuten als das ursprüngliche cyklische. Darin aber fehlten wohl die römischen Archäologen daß sie zweyerley

annahmen; der zehnmonatliche Kalender sey ursprünglich allein im Gebrauch gewesen, und nachher sey er völlig aufgegeben. Jenes ist nicht wahrschein­ lich, weil er sich so genau auf den Mondjahrcyklus bezieht, daß gleichzeitige Ausbildung fast nicht bezweifelt werden kann, auch der älteste volksgebräuch­ liche wohl nothwendig den Wechsel des Mondes beobachtete: und ein solcher, der sich den Jahrszeiten anfügte, immer ein Bedürfniß gewesen seyn muß,

wie das Fußlijahr in Indien. Das zweyte ist irrig: vielmehr ist das zehn­ monatliche Jahr noch lange nach der königlichen Herrschaft gebraucht worden, und Anwendungen desselben sind geblieben, deren Ursprung von den Späteren nicht erkannt ward. Die Etrusker folgten der redlichen Regel Frieden nur unter der Form eines Waffenstillstands auf bestimmte Jahre zu schließen. Die römischen Friedensschlüße mit Veji, Tarquinii, Cäre, und Vulsinii werden fast ohne

Ausnahme als Waffenstillstand mit Beyfügung der Dauer angegeben. Nun wird aber den Etruskern nicht vorgeworfen daß sie den Vertrag gebrochen hätten, obgleich fast immer die Feindseligkeiten begonnen haben ehe die Jahre

der Waffenruhe, nach den Fasten, verlaufen sind.

Ein Beyspiel unter meh­

reren ganz unzweydeutigen, welche im Fortgang dieser Geschichte angezeigt werden sollen, gewährt der vejentische Friede des Jahrs 280. Dieser war

auf vierzig Jahre geschlossen.

Im Jahr 316 fiel Fidenä ab, und vereinigtes^

sich mit Veji: welches voraussezt daß diese Republik schon im Kriegsstand gegen Rom war. Jener Abfall war den Römern äußerst gehäßig; dennoch

klagen sie die Vejenter nicht an ihre Eide gebrochen zu haben.

Noch deut­

licher ist, daß Livius, als von dem zwanzigjährigen Stillstand des Jahrs 329 nach den Fasten achtzehn verflossen waren, im Jahr 347, sagt, der Waffen­

stillstand sey verlaufen gewesen 727). Dies erklärt sich nur durch die An­ wendung des zehnmonatlichen Jahrs. Denn von diesem sind 40=33!, 20=161: so daß im ersten Fall das Verhältniß des Friedens schon mit

dem Jahr 314, im zweyten mit dem Jahr 346, aufhörte. Die latinischen Völker und die Herniker gebrauchten höchst sonderbare Zeitrechnungen, deren System vielleicht ein Andrer aus Censorinus Er­ wähnungen der Kalender von Alba, Lavinium, Tusculum, Aricia und Fe-

rentinum errathen wird. Ihre Monate sollen von 39 Tagen bis zu 16 von einander abgewichen seyn2^). Wie auch der Kalender der ausonischen Völker geordnet gewesen seyn mag, von dem römischen bürgerlichen war er gewiß ganz verschieden. Mit ihnen, den Volskern und Aequern, schloß Rom daher auch nach cyklischen Jahren Waffenstillstand: der welcher im Jahr 323

727) Livius IV. 58. 2S) Censorinus 20. 22. 3ch bezweifle nicht daß ihr Wesen ganz derselben Art ist wie das des römischen ZahrS, nur sehr künstlich versteckt.

I

Die Cincische Aera durch Redaction zehnmonatlicher Jahre entstanden.

16L

auf acht Jahre (6f bürgerliche) beschworen ward, endigte so mit dem Jahre 330: daher eJB auch den Volskern nicht als Meineid vorgeworfen wird, daß sie im folgenden die Feindseligkeiten erneuerten. Eben so hielten es Römer und Falisker. au Eine unveränderliche Zeitrechnung da anzuwenden wo auch unwillkühr-

liche Uebertretung Strafe der Götter nach sich zu ziehen drohte, war zuverläßig im Geist der Etrusker und Italiker: und wäre schon damals in die römischen Jntercalationen Unordnung gekommen gewesen, so würde dieser

Grund zwiefaches Gewicht gehabt haben. Das zehnmonatliche Jahr war die Frist der Trauer: der Auszahlung

legirter Aussteuer: des Credits beym Verkauf von Früchten; höchst wahr­ scheinlich aller Darleihen; und Maaßstab des ältesten Zinsfußes. .Scaliger, der nur noch einen Schritt von dem Punkt zurückblieb wo er das Wesen dieser Zeitrechnungen ergriffen haben würde, und vielleicht nur deswegen sich durch das Fremdartige abschrecken ließ, weil er über den aztekischen Malender sehr unvollkommne Nachrichten hatte; er, vor dessen Augen jedes mit Wissenschaft begabte Volk der Erde Licht über die andern ergoß; — Scaliger bemerkt selbst, es sey allerdings auffallend, daß die Sa­

turnalien und Matronalien, diese schönen Feste der alten Häuslichkeit, und durch ihren Geist unzertrennlich verbunden, jene am Ende des Decembers, diese am Anfänge des Märzen gefehert worden wären. Nach welcher Zeitrechnung Ennius bis auf seine Zeit ungefähr sieben­

hundert Jahre zählte, darüber habe ich, was mir jezt die wahrscheinlichste Ansicht däucht, schon vorgetragen: doch könnten es auch cyklische zehn­ monatliche gewesen seyn; denn siebenhundert von diesen sind ungefähr 583 bürgerliche, und im Jahr 582 schrieb der Greis daS lezte Buch seiner 3i«

Annalen. Zehn war Etruriens Grundzahl als der dem Volk zugesprochenen Sä­ kulardauer: zwölf aber Roms, Und wie cyklisches und Mondschaltjahr in der Zeit, verhalten sich im Maaß des Raums der tuskische Vorsus und der

römische Actus. Sogar für je zehn Römer, welche die Tarquinienser ge­ opfert hatten, scheinen jene zwölf gefangene Etrusker hingerichtet zu haben 729). So wie nun jede Tagsangabe aus der Zeit vor der Reformation des Kalenders nach der wahren Rechnung einen ganz andern als den genannten Tag andeutet: so wäre es auch mir der Zahl der verfloßnen Jahre wenn em Staat ein andres Jahrsystem begonnen hätte. Die römischen Archäolo­ gen nahmen an, ursprünglich wären die der Stadt als zehnmonatliche ge­ zählt tporden: die meisten schrieben Numa zu, was ihnen für Einführung eines bessern Kalenders galt. Daher scheint Eincius, wie nach dieser VorauSsezung allerdings geschehen mußte, um die Epoche der Stiftung Roms in Be­ ziehung auf eine andre Aera zu bestimmen, die alten Jahre nach der Summe in der Tafel der Pontifices auf gewöhnliche reducirt zu haben. Numas und Ro-

7'29) Wenn nämlich bey Livius VIIJ 9. anstatt CCCLVHI oder CGCXLVIII der ersten Ausgaben, CCCLXV111 geschrieben werden darf: 368 für 307. vttebuhr, Nöm. Gesch.

11

Roms Anfang.

162

Das eilte velaSgische Rom

I

Mulus Zeit würde allerdings nur eine Differenz von 13 Jahren gewähren.

Aber Junius Gracchanus, ein vorzüglicher Alterthumsforscher, lehrte, jener Kalender sey bis auf Tarquinius (Priscus) Zeit gebraucht worden^"). Nun rechneten die Pontifiees bis auf diesen 132 Jahre : nahm Cincius

diese für cyklisch an, so hatte er für die ersten vier Könige genau einai? Säculum ; und zog er die Differenz mit 22 Jahren von der polybischen Aera ab, so ergiebt sich grade das Jahr Ol. 12, 4.

Roms Anfang und älteste Stämme. Als das Daseyn eines unbekannten Südlands allgemein geglaubt, als sein Umriß auf den Charten gezeichnet ward, und es für anmaaßenden Un­ glauben galt ihn als erdichtet zu verwerfen, da war es ein wesentliches Verdienst wenn Seefahrer die Linie dieses Umrisses durchschnitten, und darthaten daß hineingezegene würklich vorhandene Punkte und Küsten dem ge­ wähnten Ganzen keine Würklichkeit gaben. Ein weiterer Schritt war umfassender Beweis seines Nichtdaseyns. Aber genügt ward der Erdkunde

nur durch Untersuchung der anstatt jenes festen Landes vorhandenen ein­ zelnen Inseln;

und wenn der Weltumsegler, durch Riffe und Brandung

entfernt gehalten, auf ihnen nicht landen konnte; wenn Nebel ihm ihren deutlichen Anblick verhüllten; so war schon was er wahrnahm nicht mehr negativer Gewinn: und viel ließ sich aus der Kenntniß solcher Länder schließen, von deren Namen und Bevölkerung, Verwandschaft oder Einerleyheit

mit dem nicht unmittelbar zu erforschenden anzunehmen gute Gründe waren. Ich forsche nicht wer Rom erbaut, und seine Geseze gegeben habe? aber was Rom war ehe seine Geschichte beginnt, und wie es aus der Wiege Heranwuchs, davon läßt sich aus Ueberlieferungen und seinen Einrichtungen Kunde gewinnen. Was mir darüber durch lange Beschauung klar und«»

gewiß geworden, schicke ich mich jezt an vorzutragen; nicht in der Form endloser Untersuchung jedes kleinen Umstands den ich im Sinne habe, son­ dern, — unter dem Gesez auch nicht das Gleichgültigste mit einem andern Farbenschatten der Ueberzeugung als genau dem den es in meinem Bewußt­ seyn hat, zu äußern, — mit der regen Freyheit ohne die solche Arbeit zur

Last wird; — so frey wie Lessing das Testament Johannis erzählte. Daß Roma kein latinischer Name sey, ward als selbstverstanden ange­

nommen^): und daß die Stadt einen andern, italisch lautenden, hatte, der in den heiligen Büchern vorkam, wie der geheime des Tiberis, ist nicht zu bezweifeln. Jener, griechisch lautend, wie der von Pyrgi, gehörte der Stadt zu der Zeit, als sie mit allen umherliegenden pelasgisch war: jener kleinen

Roma der Sikeler oder Tyrrhener, auf dem palatinischen Berge.

Eine Er­

innerung von dieser Zeit liegt in Antiochus Meldung daß Sikelus aus Roma gekommen sey: auch in der kumanischen Chronik: und wenn viele

73e) EensorinuS, 20. 3I) Oben S. 443, 32J MacrobiuS III. 9. (II. p. 25.) Romani ipsius urbis nomen Latinum ignotum esse voluerunt.

I

auf d. Palatium. Pomörium. Andere Orte in Roms Umgegend, aufd. Carmen.

163

Griechen Rom tyrrhenisch nannten 733), so ist schon angenommen worden daß der fatal zweydeutige Name, wenigstens bey mehreren und ursprünglich, die alten Tyrrhener anstatt der Etrusker meynt. Daß die Überwältigung

der Sikeler durch die Casker auch sie traf ist nicht für ausgemacht zu halten; a" wohl aber wahrscheinlich daß diese Roma einst zu den latinischen Städten gehörte welche als freye Umlande Albas Hoheit ehrten. Alle Sagen erkennen einstimmig das Palatium als den Ort deS ur­ sprünglichen Roms: und nach der allgemeinen einheimischen Befestigungsart läßt sich nichts anderes annehmen, als daß sie den Hügel füllte, dessen

Seiten, wie man es konnte, abgeschrofft waren. Daß eine Stadt, zumal in uralter Zeit, so angelegt worden daß ihre Wälle im Thal gezogen wären, welches den Berg «mgiebt, ist nicht denkbar; nur im Verlauf der Zeit

totirb, wie zu Athen, ursprüngliche Asty zur Akra. Was Tacitus als das Pomörium des Nomulus angiebt34), ist eine Erweiterung des Um­ fangs; eine Vorstadt, ein Borgo, rund um die Stadt, zur Nothdurft, nur mit Wall und schmalem Graben befestigt, wie es die Chroniken von den BorghL um Florenz erzählen; dieser schwachen Befestigung spottet Nemus

in der Sage. Das Wort pomoerium selbst dürfte eigentlich nichts anders als eine zur Stadt gezogene, ihren Auspicien einverleibte Vorstadt bezeichnen. Nach Tacitus Angabe lief das romulische vom Forum Boarmm, also aus der Gegend des Janus, welchen das Mittelalter, nach einer Tradition der

man gern glauben möchte, als einen Ueberrest vom Pallast des Boethius, des lezten Römers, betrachtete, durch das Thal des Circus, dann vom Septizonium bis gegen den Anfang der Via del Colosseo, oder unter die »so Thermen Trajans 35): von dort auf die Hohe der Velia an die Kapelle der

Laren: endlich längs der via sacra bis an das Forum, hier war Sumpf

bis zum Velabrum. Ein andrer Borgo, welcher aber der Stadt auf dem Palatinus fremd, und auch wohl später entstanden war, lag auf den Carüren, bey S. Pietro in Vincola: dieser hatte einen Erdwall gegen die Subura, damals das Dorf Sucusa 36); und das Thor unter dem Viminalis, wovon die Legende aus dem sabinischen Kriege erzählte37), die Porta Janualis, sonn fein anderes seyn als das, welches den Clivus, der auf die

Carinen führte, unten schloß. Dionysius Bemerkung daß die Aboriginer in zahlreichen Dörfern auf den Bergen gewohnt hatten, wird von der Gegend um die anfängliche Roma bewahrt, welche Meynung man auch über die ursprünglichen Bewohner haben mag. Ein solcher Ort war wohl, wie ich schon geäußert, Nemuria: so nm andern Ufer des Strohms, etwa bei S. Onofrio, Vatica oder Vaticirm; denn von einem Ort dieses Namens muß der ager Vaticanus dm : n) Dionysius, oben Anm. 5 9 7 . 34) Annal. XII. 24. 35) Gewöhnlich des Titus genannt: diese Ruine fand noch Blondus (4 440) in Notarialschriften und der täglichen Rede als die curia vetus bezeichnet: doch zieht sich diese Linie fast unglaublich weitseitwärts. 3I’) Varro de 1. 1. IV. 8. p. 4 5. Bip. 3:) Macrobius Saturn. 1. 9. p. 239. Cum bello Sabino Romani porlam, quae sub radicibus collis Viminalis erat, claudere festinarent. Die- ist die oben S. 4 30. f. erzählte Legende.

164

Ort aufd. Janiculus. Quirtum, sabinische Stadt. Roma u.Quirium Doppelst.

I

semigen erhalten traben 738): aucfy mag die Sage, welche einen Ort auf den Janiculus legt, achtbar seyn, wie wenig immer die angeblichen Namen Aenea

oder AntipoUs Aufmerksamkeit verdienen.

Diese waren wohl die ersten,

welche vor Rom verschwanden. Die Mark des ursprünglichen Roms, wie die Tiber sie gegen Etrurienaat schied, war sonst von den Städten auf den benachbarten Hügeln einge» schränkt 30): nur gegen die See hin dehnte sie sich aus. Also lag damals

auf dem Aventinus keine freye Ortschaft: wohl aber auf dem Caelius die Stadt von der ich weiterhin reden werde. Doch ungleich größere Wichtig­

keit hatte die auf dem früher so genannten agonischen Hügel, als deren Arr der capitolinische betrachtet werden kann: denn die Wurzeln beyder Berge berührten sich, wo nachher ein Theil des Forum Mpium angelegt ward; während vom Velabrum her über das Forum bis in die Subura Sumpf und Morast diese Stadt von Roma auf dem Palatinus schied. Suchen wir ihren eigenen Namen, so glaube ich ohne Bedenken annehmen zu dürfen, dieser sey Quirium gewesen, denn der Name ihrer Bürger war Quirlten ^). Die Herleitung von diesem aus Cures geht schlecht, die von quiris gar nicht: zuverläßig hat auch die frühere Sage Numa als Bürger von Qui­ rium, nicht von Cures, gekannt. Der spätere Name des Bergs, Quiri-

nalis, ist von dem der Stadt abgeleitet *). Daß diese von Sabinern bewohnt war, ist so ausgemacht gewiß als irgend eine historische Thatsache aus den Jahrhunderten gleichzeitiger Ge­ schichte; es schadet dem nichts daß die Ueberlieferung sich an den Krieg des Tatius und das Heldenlied knüpft. Daß die Sabiner ein Element deösra römischen Volks waren, zeigt sich darin daß der größte Theil des Gottes­ dienstes sabinisch war, und theils von Tatius, theils von Numa hergeleitet

ward4').

Die Verbindung jener beyden Berge ist in unbestrittenem An­

denken geblieben 4?); bie Stelle wo Tatius Haus gestanden, ward auf der capitolinischen Burg gezeigt, wo nachmals der Tempel der Moneta erbaut trarb43). Die Sabiner, wie sie die Casker und Umbrer verdrängt hatten, sind erobernd die Tiber immer weiter herab vorgedrungen; daher ihre Städte

mitten unter den latinischen dieser Gegend: Collatia und Regillum44): von

T3S) Nach der Analogie von ager Albanus, Tusculaiius, Lavicanus u. s.w. 39) FestuS s. v. Pectuscum Palali. 4") Nach der Analogie von Samnium, Samnis. Beyläufig: die Stadt, wovon das noktTixöv Interamnis gebildet ward, welches gegen die Handschriften in Inleramnas geändert wird, muglnleramnium geheißen haben, die andre hieß Inleramna. *) Der Aufmerksamkeit des Lesers ist in Bezug auf da» Folgende die Stelle Thl.H. S. 56, über den Ursprung Roms als Colonie von EidSgenossen zu empfehlen. Berichtigungen N'S. zum z w eite n Th eil. 41) Varro de 1.1. IV. 1 O.p. 22.Bip. DionysiusII. 50. p. 114. a. 42) Tazios (t^zft y.ccTfywv} to KanntoXiov otieq ££ «QX^S xcu tov KuqIviov ox&ov. Dionysius H. 50. p. 113. e. Man möchte glauben daß die erste sabinische Niederlassung auf dem tarpejischen Berge gewesen sey: cum Sabini Capitolium atque arcem implessenl: LiviuS 1. 33. Wenn Numa die Vereinigung des QuirinalbergS mit Rom zugeschrieben wird (Dionysius II. 62. p. 123. d.) bezieht sich das auf den fabinifchen Charakter des Bezirks. 43) Plutarch Romul. p. 30. c. 44) Collatia, et quidquid circa Collaliamagri erat, Sabinis ademlum. LiviuS 1.38. (Doch ist nicht zu übersehen daß Vir-

J

165

Römische Doppelstadt, Janus.

den latinischen und siculischen zwischen denen sie sich festsezten,

ist es mehr

als wahrscheinlich daß sie unterthänig wurden. Diesem Loos ist denn auch die ursprüngliche Roma nicht entgangen, obwohl es eine Zeit gewährt haben kann, während welcher sie sich gegen die jenseits der trennenden Niederung 3r3 entstehende Nebenstadt behauptete. Roma und Quirium waren zwey völlig geschiedene Städte, wie das griechische und hispanische Emporiä, gesondert als Staaten, und durch Mauer: wie die phönikische Tripolis der Sidonier, Tyrier und Aradier: wie im Mittelalter Altstadt und Neustadt Danzig, und die drey unabhängigen Städte Königsbergs, welche, Mauer an Mauer

stoßend, sich bekriegten: wie das gätulische Gadames, von zwey feindseligen Stämmen, die durch eine Scheidemauer getrennt sind, im Umfang derselben Ringmauer bewohnt ist. Nicht jede Spur der Schritte, wodurch beyde

Städte zur Vereinigung in einem Staat kamen, ist ausgelöscht. Es ist eine Ueberlieferung geblieben daß jede Stadt ihren König, und ihren Senat von hundert Männern hattet), welche auf dem Comitium zusammentraten, dem daher der Name gegeben ward, zwischen dem Palatinischen und capitolinischen Berge *6). So werfe man mir auch nicht vor daß es eine nüch­ terne Auslegung des Gedichts, wie ich sie mit Ekel verwerfe, sey, wenn ich

den Raub der Sabinerinnen und den darüber ausgebrochenen Krieg als 3H eine Darstellung deute, wie einstmals noch kein Connubium zwischen beyden Städten bestand, und die früher unterjochte mit den Waffen gleiche Ehre, ja Urbergewicht erkämpfte. Romulus und Remus Erhaltung ist eine Phantasie, welche aus den Heldenliedern eines Volks in die eines andern übergehen, oder vielfach entstehen kann, wie im Orient von Eyrus, im Westen von Habis: aber der Raub der Sabinerinnen bezieht sich auf Ueber­

lieferungen ganz andrer Art. Als beyde Städte mit Gleichheit verbunden waren, erbauten sie auf der Straße vom Quirinal zum Palatium, als Thor der doppelten Landwehre, welche ihre Weichbilder schied, den doppelten Janus 47J, jeder Stadt mit

einem Thore zugewandt: offen in Kriegszeiten, damit von der einen der andern Beystand zuziehen könne; geschlossen im Frieden: sey es um unbe­

schränkten Verkehr nicht zuzulaffen, woraus Fehden entstehen konnten, oder als Symbol verbundener Geschiedenheit. Die Scheide beyder Orte dürfte durch die Via sacra bezeichnet seyn, welche, von der Höhe der Velia herabgil sie unter den latinischen Orten nennt: Aen. VI. 774.) DionhsiuS V. 40. p. 308. a. 74 5) tßovkvovro ol ßatnXEig ouz

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Regillum als sabinisch II. 4 6. cUXt)X(üvs

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Plutarch Romul. p. 30. e. 4S) Man sah freylich in comire nur Tradition von der Zu­ sammenkunft, worin beydeKönige den Vergleich schloffen (Plutarch I. c.— a.); daher waren auch ihre Standbilder dort errichtet, auf der via sacra; nämlich dem Theil derselben, der von der Seite des Kapitols nach dem Thor des Palatium führte. Aber das Comitium war nachher der Ort wo die Patricier zusammenkamen; und wie die Senate beyder Städte, so sind sicher, bey gemeinen Berathungen, auch ihre Bürger männiglich, die Vorfahren der Patricier, dort zusammengetreten. 47) lanum Quirini. Die übrigen lani auf der Via sacra waren gleicher Art.

166

Römische Doppelstadt, Janus.

Union der beiden Städte.

I

kommend, zwischen dem Quirinal und dem eigentlichen Palatinus, und dann, sich umbiegend, zwischen diesem und dem Eapitolinus fortläuft, bis zum

Vestatempel, von wo sie sich gueer über das Comitium gegen das Thor des Palatinus wandte: offenbar zu gemeinschaftlichen Opferzügen bestimmt. Eine Erinnerung des zwiefachen Königreichs war der Doppelthron, den Romulus nach Remus Tode behielt'^): für das Symbol eines doppelten3«ü Staats darf man auch, wie es die Alten schon thaten^), den Januskopf erklären der von den urältesten Zeiten her auf den römischen Affen gemünzt

ward, wo das Schiff auf die tyrrhenische Meerherrschaft deutet. Ein Doppelvolk bleiben allerdings die Römer auch tief in die historische Zeit hinein: dies mußte bey mancher Veranlassung symbolisch angedeutet werden. Das Gedicht von den Zwiüingsbrüdern hat keinen andern Sinn: und wenn es zuerst veranlaßt war durch die Verbindung von Roma und Remuria, so ward es erhalten durch die der Römer und der Quinten: und bekam die höchste Lebendigkeit durch das Verhältniß der Patricier und Ple­ bejer. Romus und Romulus sind nur zwey Formen desselben Namens5"); die Griechen, auf ein Gerücht von der Zwillingssage, wählten den ersten Namen statt des minder tönenden, Remus. Die Vereinigung ward fester: sey es daß die herannahenden Eroberun­

gen der Etrusker, oder daß Alba Gefahr drohte: als durch Wechselehen und gemeinsamen Gottesdienst im Lauf der Zeit das Gefühls ein Volk zu seyn, vorbereitet war, wurden beyde Orte einig nur einen Senat, eine Volks­ versammlung und einen König zu haben: dieser sollte abwechselnd aus einem Volke von dem andern gewählt werden^). Dürften wir annehmen daß das Gedicht in solchen Zügen historische Ueberlieferung darzustellen sich vorseze; so wäre dieser gesezlichen Ordnung eine Usurpation der Römer vor-»»« hergegangen, deren König die Wahl eines Nachfolgers für den quiritischen

College» gehindert hätte.

Wenigstens von nun an wurden beyde Völker

als unirt bey allen feyerlichen Veranlassungen genannt, populus Romanus et Quirites; eigentlich, nach dem altrömischen Sprachgebrauch solche Namen nur durch Nebenstellung zu verknüpfen, populus Romanus Quirites52): welches spätere Zeit in populus Romanus Quiritium verdrehte. Denn wenn auch in der Folge Quiriten und Plebejer gleichbedeutend waren, so darf

das der Ueberlieferung keinen Abbruch thun daß die Sabiner des Tatius eigentlich so genannt wurden. Es erklärt sich leicht wie der Name auf die Plebejer, die nun in ein ähnliches Verhältniß eingetreten waren, überging,

als aller Unterschied zwischen Römern und alten Quiriten aufgehört hatte. 748) Oben S. 129. Anm. 626. 49) Servius ad Aen. I. 294. 50) Oben S. 41. Anm. 219. 51) Daß Patres von den Späteren durchgängig von den Senatoren verstanden ward, hat der Erzählung von Numas Wahl ihre jezige Gestalt gegeben. 8?) Dies hat der große Briffonius festgestellt: de form. I. p. 61.: der nur darin zu weit geht daß er die spätere Corruptel, welche Livius schon im Sprachgebrauch sand, den Abschreibern zur Last legte, und aus den Büchern wegschaffen wollte. Diese Uebertreibung war Schuld daß der auch so vortrefflicheJ. F. GronoviuS die Wahrheit der Bemerkung verkannte: Obss. IV. 14. p. 691. ed. Lips. Es ist wie lis vindiciae und lis vindiciarum.

Wesen der Stämme des Alterthums. National-Stämme.

I

167

Durch diese Vereinigung ward Romulus in Quirinus verwandelt: und Quirium wahrscheinlich zu jenem Latinischen geheimen Namen Noms, der nicht ausgesprochen werden durfte. Wo im früheren Alterthum, ehe unwioerstehlicher Wandel der Ver327hältnisse zu demokratischen Einrichtungen führte, Stämme erwähnt werden,

du ist, wenn ihre Rechte verschieden sind, und sich über ihr Wesen etwas wahrnehmen läßt, entweder Kastenverschiedenheit oder verschiedene Herkunft unverkennbar: und auch jene, wo sie erklärbar ist, entstand immer aus Ein­ wanderung oder Unterjochung, selbst in Aegypten und Indien. Dieses Loos müßte also Attika schon vor der ionischen Einwanderung gehabt haben, wenn es kein Traum ist daß dort einst die Adlichen, Bauern und Hand­ werker drey Stämme ausmachten 753). Die vier ionischen sind historisch,

aber ihre Deutung als Kasten beruht nur auf einer höchst zweifelhaften Auslegung ihrer Namen, welche Stand und Beruf anzudeuten, und an die vier Stämme des Dgiamschiv, Priester, Krieger, Ackerleute und Hirten zu

erinnern scheinen. Dabetz- aber darf nicht übersehen werden daß dem Rang nach, über welchen die Reihenfolge der Namen unzweifelhaft entscheidet, die Hopleten die lezten sind"): wonach die Krieger den Arbeitern nachstehen würden. Von der Einrichtung der Stämme nach der Abkunft von verschiedenen 32^ Völkern oder Orten, genügen aus der älteren Zeit Griechenlands zwey

Beyspiele. Demonar ordnete die Kyrenäer in drey Stämme; in einen die Theräer und ihre Periöken, in den zweyten die Kreter und Peloponnesier, in den dritten aste von den Inseln"). @hi andres giebt T Huri um: einmal durch das Verhältniß der alten Sybariter zu den neuen Bürgern, — ob­ wohl das auch in ein anderes Kapitel gehört, — dann durch die Eintheilung der lezten, als sie allein übrig waren, in zehn Stämme, nach der Herkunft

aus dem Peloponnesus, aus Athen unv ionischen Orten, und aus andern Völkern zwischen Isthmus und Thermopylä

Noch näher findet sich ein

gleiches zu Mantua: wo die ,,Kraft des tuskischen Bluts" unter den drey Stämmen, nicht anders erklärt werden kann, als daß einer der Stämme, der herrschende, tuskisch war: die andern fremd: ligurisch oder umbusch^7). 753) Julius Pollur VIII. HL EvnuTQidat, yewf/oooi, ^rjuiov^yoi. Aber daS Sicfyt wel­ ches vyn Hermanns Erörterung dieses Gegenstands ausgeht (Vorrede zum Ion. p. XXL ff.) macht eS mir so gut wie gewiß daß die Angabe nicht ächt ist. Sicher wären sie doch nicht einfach nach ihrem Beruf genannt worden: historisch möchte etwa seyn daß vor der ionischen Zeit auch zu Athen drey, Stämme von unbekannten Namen waren. ") Nicht nur nach Herydot V. 66. sondern auch nach der daselbst von Wesseling angeführten Inschrift von Kyzikys. — Hermanns Bemerkungen haben mich von dem Joch einer lange augewohnten Mey­ nung völlig befreht, 55) Herodot IV. 4 6L In dieser Eintheilung verdient Beachtung daß, da zu Thera eine enge Aristokratie, und eine sehr beschränkte Zahl Geschlechter zum Regiment wählbar war, hier in der Colonie Theräer und Unterthanen gleich gelten. 5G) Dio­ dor XU. 4 L S7) Zu den bekannten Versen, Aen. X. 2 01. ff. — sed non genus omnibus unum. Gens illi triplex, populi sub geule qualerni: lpsa caput populis, Tusco de sanguine vires: hat sich in dem bey diesen späteren Büchern schmählich entstellten Servius doch ein unver-

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In Rom Ramnts n. Tities.

Dritter Stamm, Luceres, u. 3. Stadt, Tullus

I

So wurden die Bürger der beyden Städte, als Föderation zur Ver-ns einigung überging, Tribulen zweyer Stämme, deren Namen, Ramnes und Tities, durch einstimmige Meynung von den königlichen Stiftern abgeleitet werden. Aber neben ihnen findet sich ein dritter Stamm: die Luceres: ein Name über dessen Erklärung die römischen Archäologen vielfach gestritten

haben. Die meistens leiteten ihn von Lucumo ab, einem angeblichen etru­ skischen Bundesgenossen des Romulus, welcher im sabinischen Krieg gefallen seyn soll59): einige von dem eines Lucerus, Königs von Ardea69): mit andern Worten, die Bürger dieser Tribus galten dort für Etrusker, hier

für Tyrrhener. Eine völlig ungezwungene Erklärung ergiebt sich aus einer andern Form des Namens, nämlich Lucertes6^: welche kenntlich, wie Tiburtes, von dem eines Orts, Lucer oder Lucerum, abgeleitet ist. Auch sie waren eine Bürgerschaft die zu Tribulen ward: ihre Stadt ist auf dem Caelius zu suchen. Dieser wird schon für die romulische Zeit unter den städtischen Bergen genannt62): doch gilt eigentlich Tullus Hostilius als Gründer des Anbaus auf demselben, weil er die Albaner dorthin geführt habe: hier also 330 wohnten die albanischen Geschlechter welche durch ihn zu römischen erhoben

wurden, wie die sabinischen auf dem Quirinal. Ein Theil der Römer wird auf Tullus in derselben Weise bezogen wie die beyden ersten Stämme auf

Romulus und 9hima, die Plebes auf Ancus: diese vier Könige werden als die Urheber der alten Geseze genannt, und nur sie, TarquiniuS nicht63): und indem ihnen allen Aeckeranweisungen zugeschrieben werden, so deutet dieses an daß sie, jeder von ihnen für einen Theil der römischen Nation, als Oekisten galten. Dafür sind denn für Tullus nur die Luceres übrig, diese also einerley mit den Bürgern seiner Stadt auf dem Caelius, welche ich hinfort ohne Vorworte Lucerum nennen werde. Eben dorthin führt die Ableitung vom romulischen Lucumo: denn dieser ist kein andrer als der tuskische Hauptmann Caeles Vibenna, der sich mit seiner Schaar auf jenem Berge, der den Namen von ihm empfangen, niedergelassen haben soll.

Welcher König ihn ausgenommen habe, ward sehr abweichend angegeben: einige gingen bis zu Romulus hinauf6*), weil jener Ort schon früher als

ächtliche- Scholion erhalten: quia Mantua tres habuit populi tribus, quae in qualernas curias dividebantur. Gens für tribus ist bey Herodot I. 125, wo die zehn Stämme der Perser -y£vta genannt werden: und die Phretre der Achämemden im GenoS der Pasargaben enthalten ist. UebrigenS sind hier wohl dieEintheilungen nach Geschlechtern und nach Stadt und Landschaft vermengt: die populi zwölf Demi der lezten. Wenigsten- ist eS ein eben so leichter Sinn: Mantua ist das Haupt über zwölf Demen, — als es sich nur sehr künstlich drehen ließe, wennBirgil gesagt haben sollte: sie ist dasHauptdcr in ihren Stämmen enthaltenen Curien. Zu tusco de sanguine vires, sagt Servius: quia robur omne de Lucumonibus (von den herrschenden Etruskern) habuit. ”58) Auch Cicero de re p. II. 8. 59) Bloß weil er nachher nicht weiter vorkommt. Nur bey Poeten können dieLucerer Lucomediergenannt seyn. 60) Festuss.v. I-ucerenses. ") Feftus ebend. 6?) Dionysius II. 50. p. 113. e. (üxel lP(op,uXos to Haldriov (x«r^wy) xai to Kctfkiov oqoq. 63) Numa religionibus et divino iure populum devinxit, repertaque quaedam a Tulio et Anco: Tacitus Annal. III. 25. 64) Dionysius II. 36.

I

ihr Oekist. Lucerum schon vorher Rom unterwürfig. D. 3 TribuS n. 3 Gaue.

die Vereinigung mit den Sabinern geschah, Rom angehörte.

169

Der mächtige

Etrusker ward als Lucumo gedacht, und die Verdoppelung als Lucumo und

33i

alS Caelius kommt von denen die jenes für einen Eigennamen hielten. Wie Ruma, der Vater der Titier, aus Cures stammt, so Tullus Hostilius durch seinen Vater7C5), von Medullia, einer latinischen, Rom durch

Eroberung unterwürfigen Stadt. So wird die Unterwürfigkeit von Luce­ rum, und ihre latinische Nationalität angedeutet für eine ältere Zeit als die albanische Niederlassung: wie durch die Erzählung daß in Tatius Tagen

der CaeliuS dem römischen Könige gehorchte. Wie die Bürgerschaft jedes Orts zur Tribus, so ward ihre Feldmark 33s zur Region im gesammten (Sau66). Dies wird irrig dargestellt als Eintheilnng deS Ager: weniger unrichtig gefaßt ist die Ansicht welche den Archegeten der drey Stämme, den drey ersten Königen, Verleihung des Grundeigenthums beylegt: denn nach den römischen Grundsäzen ging diese-

von der Republik auS: die welche Bürger wurden trugen es dem Staat auf, und nahmen es zu dessen Händen zurück. Unkunde der Jüngeren hat hierin Vertheilung der Domains gesehen. Jede Nation des Alterthums hatte ihre angeerbte und eigenthümliche

Eintheilung in Stämme, sey es durch drey, oder vier, oder eine andre Zahl.

Bestand in ihr, oder in einem Theil derselben, keine Verschiedenheit der Bürger, und lebten diese nicht durch den Mittelpunkt einer Stadt vereinigt, sondern in Ortschaften vertheilt, so waren diese nach der Grundzahl geord­ net. Die Dorier wohnten stammweise auf Rhoduö in den drey Städten^); dieselbe dreyfache Eintheilung begründet die der latinischen Städte und der plebejischen Tribus wie die der Curien: über jenen, wie über diesen sind Tribus; in jenen wie in diesen nur Decurien, die sich in der latinischen Sage, wo Laviniums Gründung als Herstellung vorkommt, zeigen. So bestand der Senat einer latinischen Stadt auS zehn Decurien: eine Form,

p. 4 04. b. JL6(f)ü)V Ti$

€vo$ riyejiovos £x Tvßßrjvuts Höqvtos

em Vorbild früher geordneter Staaten. Sandte deren einer eine Cvlonie, so bildete der Oekiste das neue Volk nach demjenigen dessen Colonie es ge-»" nannt ward: in eben so viele Phylen, und diese in Phratrien und Genea eingetheilt wie jenes, nachdem es eine dorische oder ionische Stadt war. Er schied, wahrscheinlich immer, seine Ansiedler und die Fremden welche er zuließ, nach ihrer Abkunft, jede Klasse in ihre eigne Phyle: in der Phhle versammelte er die einzelnen Häuser in Geschlechter von bestimmter Zahl, wie fremd sie sich auch waren, ohne einige Rücksicht aus Verwandtschaft: und wie sie vereinigt waren blieben es ihre spätesten Nachkommen durch gemeinsame Opfer; von den Rechten ihrer Gesellschaften wird in der jüngern Zeit, wie zu Athen, nur für wenige Eupatriden eine Erinnerung sich erhalten haben. Alle Grammatiker welche erklären was die attischen Genneten waren, lehren einstimmig, und unter ihnen Julius Pollur, welcher seine unschäzbaren Nachrichten über die atheniensische Verfassung und ihre veränderten Gestalten aus Aristoteles Polilie Athens entnommen hat: als die Stämme vier waren theilte sich jeder in die drey Phratriä, und jede Phratria begriff dreyßig Geschlechter. Die zu einem GenoS gehörten, und Genneten oder Homogalakten genannt wurden, waren sich gar nicht verwandt, sondern trugen diesen Namen nur von ihrer Vereinigung 79*). Diese bestand durch gemeinschaftliche Heiligthümer, ererbt von ihren Vorfahren, die ursprünglich"« in die sogenannten Geschlechter eingetheilt waren95). Hier nun ist alles merkwürdig und folgenreich: die bestimmte und ge­ schloffene Zahl; daS Eigenthümliche derselben; daß der Begriff gemeinschaftlicher'Abstammung ausdrücklich geläugnet toirb96); und die ursprüngliche Eintheilung der Vorfahren in die Geschlechter. Denn niemand, wie viel Einfluß oder Schäze er haben mochte, wer nicht von seinen Vorfahren diesen Adel deS uralten Bürgerrechts empfangen hatte, konnte in eine Phratria, folglich auch nicht in ein GenoS eintreten 97). Auf die Stämme deS Klisthenes haben weder Phratrien noch die Geschlechter die geringste Beziehung: jene theilten sich in Demen; die Genneten eines Ge­ schlechts gehörten in die verschiedensten Demen9«): und Fremde, welche daS Bürgerrecht erhielten, wurden allerdings einer Phhle und einem Demos zu-347 T94) oZ jUET^ovite töv y£vov$ (ZxaAovyrö) ymyiat (sic) xaX o/noyaXaxTE$, ytvsi ov nQosrjxovTES, Ix irjs (Tuj/oJov outü) 7iQO$ayoQEv6f4EV

1) LiviuS VI. 4. Niebuhr, Röm. Sesch.

354

Neste ders. auf d. Capitol gerettet. Bücher d. Pontisices. Censortsche Rollen,

n

nalen der Pontifices erst von jenem Ereigniß begannen 2); so wie Claudius Quadrigarius, wahrscheinlich eben hiedurch entschieden, die seinigen auch von daher anhub 3). Der gehört zu den Annalisten welche Livius vor sich hatte; vielleicht vernehmen wir durch diesen was er angeführt hatte um seine Abweichung von dem Herkömmlichen solcher Chroniken zu rechtferti­ gen: schwerlich ist auch der ClodiuS ein anderer als er, aus dem Plutarch» anführt, noch sagte er es bey einer andern Veranlassung, daß die Stamm­ bäume, soweit sie über jene Zeit hinauf reichten, erdichtet wären 4). Wo anmaßender Irrthum vorherrscht, ist der erste Ausspruch eines zur Mündig­ keit berufenen Geistes fast immer übertrieben; und so ist es Claudius im Unwillen über den vielfachen Betrug ergangen: er übersah daß kein äußerer Grund es rechtfertige, die Ahnentafeln der Patricier deren Vorfahren ihre Laren auf dem kapitolinischen Berge hatten, wie die Manlier und Q-uinctier, für jene ältere Zeit als unächt zu verwerfen; und wie sollte er sie einzeln geprüft haben? Wären nun er selbst oder Livius auf das Staatsrecht auf­ merksam gewesen, so hätte ihnen nicht entgehen können daß die vortrefflichen Geschichtschreiber desselben aus den Büchern der Pontifices Nachrichten be­ zogen hatten, deren Aechtheit eben so unbezweifelt war als die der XII Ta­ feln, der Handfesten, andrer Geseze und Bündnisse aus jener Zeit: und eben so ausgemacht ist die der censorischen Rollen, schon dadurch daß ihre An­ gaben für die Späteren unglaublich ja undenkbar lauten mußten. Aller­ dings werden die Eremplare der meisten censorischen Familien ursprünglich au- Abschriften von wenigen geflossen seyn, die auf das Kapitol oder in benachbarte Städte gerettet waren; aber eS genügte auch, damit sie ächt auf die Nachkommen gelangten, wenn ein einziges übrig blieb und verviel­ fältigt ward. Es leidet keinen Zweifel daß, wie diese Rollen zum Gedächtniß In 4 censorischen Häusern bewahrt wurden, so die, welche das Ahnenbild eines Consuls hatten, konsularische Fasten besaßen, worin denkwürdige Ereignisse, wenigstens des für sie wichtigen Jahrs, angezeichnet standen: und auch manche andre werden im Besiz solcher gewesen seyn. Das sind nun ur­ sprüngliche Annalen, unabhängig von denen der Pontifices entstanden, und von vielen verschiedenen angelegt; nicht immer gleichzeitig, sondern für den Anfang aus eigenen oder fremden, und dann auch wohl aus irrigen Er­ innerungen über vergangene Zeiten: daher die Zeitbestimmungen sich oft widersprechen, wieder aurunkischeKrieg in 251, 252 oder258, die Schlacht am Regillus in 255 oder 258 gesezt wird: desgleichen nur aus mehreren ursprünglich verschiedenen Annalen erklärlich ist. Es läßt sich nichts darüber sagen ob sich gleichzeitige erhalten hatten die mehrere Jahre vor dem Auf*) Oben S. 1 42 f. Liviuö selbst, a. a. O., kann als Zeuge dafür betrachtet werden, wenn er die Commentarien der Pontifices, welche erhalten blieben, statt der Annalen genannt hat: si quae in commenlariis pontificum aliisque erant monumentis — inleriere. 3) Es find viele Bruchstücke aus dem ersten Buch übrig, welche Vorfülle vom gallischen Krieg bis in den zweyten samnitischen erwähnen: aus früherer Zeit keine Spur. 4) Plutarch, Numa p. 59. f. KXu>5i6$ Ti£ Zv uvayQa(pij xqqvwv-

II

konsularische Fasten. Deren Anfang. Gedächtnißreden.

355

stand der Gemeinde begannen: daß keine von diesen bis auf den Anfang deS Consulats gereicht haben kann, erhellt aus der Verwirrung der Fasten während der ersten Jahre der freyen Republik, und dem spurlosen Ver­ schwinden aller ächten Geschichte in diesem Zeitraum. Zur Erinnerung, und um dem Gedächtniß einen Halt zu geben, ward ein Ereigniß bey den Fasten unter einem Jahr der kapitolinischen Aera und der Konsuln auf gleiche Weise erwähnt wie in den Kalendarien bey einem genannten Tage bemerkt ward, daß an demselben der Dictator Tubertus gesiegt habe, und 6 welche durch die Niederlagen an der Allia, am TrasimenuS und bey Cannä, unselig geworden waren. Weder diese noch jene sprachen Umstände der Be­ gebenheit aus; sie deuteten sie nur an: von solchen annalistischen Anzeich­ nungen, deren uralte Ueberlieferung augenscheinlich ist, so daß kaum die Sprache geändert worden, haben sich etliche erhalten b). Freylich will ich keineswegs bestreiten daß auch schon früh Erzählung eingemischt seyn mag; in welchem Fall sie der Chronik des Marcellinus und ihres gleichen ähnlich werden mußten. Der eigentliche Ort für diese waren aber die Rom eigenthümlichen Gedächtnißreden, deren Gebrauch sich aus unvordenklichen Zeiten herschrieb; wie denn diese Ehre schon vor dem gallischen Krieg, oder gleich nachher, den Frauen mitgetheilt ward. Diese Schriften, in denen freylich eben so wenig eine pragmatische Darstellung als Beredsamkeit zu finden seyn konnte, mögen Livius, wenn er sich ihrer erinnerte, kaum als historische Quelle gegolten haben, da er anderswo ihre Unwahrhaftigkeit eben wie Cicero rügtc). In­ dessen haben sie damit nicht vom Anfang her behaftet seyn können: erst im Verlauf der Zeit konnte, wenn die Vorfahren bis auf den Ursprung deS Geschlechts mit ihren Ehren und Thaten hergezählt wurden 7), Eitelkeit womit wie jener bey Dionysius sTH. 2. Anm. 98] sagt, die Latiner hätten zufrieden seyn können— dieselbe welche Romulus den eroberten Städten verleiht — welche die von Eleutherä bey den Atheniensern suchten (Pausanias Alt. p. 37. a.)

II Aussterb, d. ersten Art. Nebertragung d. Namens. Uelierfiebehmg b. Municipes. 387 Municeps für sie so unpassend wie für Patricier: aber das Bedürfniß ein

70 neu gebildetes Verhältniß zu bezeichnen hat auch hier den verlaßenen Namen eines abgestorbenen ihnen angeeignet, wie mit Quirites, Populus, Plebs, Latinus. Es gab fast keine Municipia der ältesten Art mehr als das iulische Gesez das Bürgerrecht allgemein machte; und wenn einzelne Orte, wie die Camerter und Heraklea, jenes hohe Recht noch hatten, so war für so selten gewordene Verhältnisse kein allgemeiner Name mehr im Gebrauch: er war aber für die Städte im westlichen Latium, und für Fundi, Formiä, Arpinum als sie in die Tribus ausgenommen waren, gewöhnlich geblieben; und ward so auf die neuen, jenen in der Beziehung zur gesammten Republik völlig gleichen, Landstädte angewandtl21). 71 In Altgriechenland ward der übergesiedelte Jsopolit nicht zu den Bür­ gern gezählt, weil er in keinem Stamm und keiner Genoffame stand: aber wohl durchgehends bey den italischen Völkern galten die, welche die Befug­ nisse des bürgerlichen Rechts übten und gemeine Lasten theilten ohne in jene Ordnungen eingeschrieben zu seyn, für Bürger: zu Rom unter dem Namen der Aerarier. Als nun im Verlauf der Zeit auch hier Bürger ohne Tribus wenigstens im gewöhnlichen Leben nicht mehr vorkamen, ja nach den würk-

lichen Verhältnissen unmöglich schienen22), ward in der Erinnerung längst vergangener Zeiten, den Municipes ebenfalls das Bürgerrecht abgesprochen. Daß aber der Urheber jener lehrreichen Definition hierüber irrte, erhellt zur Genüge aus der Casuistik womit Sp. Postumius den Fluch des Friedens?rbruchs den Samnitern zuzuwenden gedachte. Er ward den Caudinern über­ antwortet, dem Kanton der unmittelbar an Kampanien gränzte, und ohne 121) SDa ich kein Buch über diesen Gegenstand schreibe, so erlasse ich es mir den Unsinn zu ent­ hüllen, welcher durch das ganze leidige Kapitel herrscht (XVI. 4 3.) worin Gellius den harm­ losen Irrthum seiner Zeitgenossen hat berichtigen wollen die den Bürger aus einer Militarcolonie wie den aus jeder andern Landstadt einen Municeps nannten: — absurda Gellii verba, sagt Roth (de re municipali 1. 20.); der, wiewohl sein Zweck ihm gestattete das Dickicht zu umgehen, durch dessen Dornen ich einen Weg habe suchen müssen, doch eine Un­ tersuchung die sich mit den seinigen verbindet, durch aufmerksame Prüfung ehren wird. Man glaubt sich selbst nicht, wenn es sich ergiebt daß die Colonien von denen Gellius redet jene urülteften sympolitischen von dreyhundert Hausgesinden sind, die Municipien aber die alten isopolitischen Städte: daß er so wenig von den Municipolstadten seiner Zeit etwas weiß, als von den latinischen und selbst den glanzvollen militärischen Colonien, deren noch in seinen Tagen neue gegründet wurden: dem Knaben ähnlich der im Herrn von Jarthausen seinen Vater nicht erkennt. Aber freylich auch von jenen Colonien und Municipien weiß er nur als von Bildern eines dumpfen Traums. Eine höhere Stufe der Pedanterie hat niemand erstiegen als Gellius eben hier, wo er, als längst in der ganzen römischen Welt des Kaisers Wille, der Beschluß des Senats, ja des Prätors Verordnung, das Gesez für jedermann machte, und nur noch in den Provinzen hin und wieder einzelne Landrechte galten, — den Municipicn gesezgebende Gewalt zuschreibt,' wobey er sich denn das römische Volk, dessen Gespenst einmal am Anfang jeder Negierung zu einer lex curiala aufgerufen ward, als seinen eigenen Gesezgeber dachte. Seine Würklichkeit war nicht eine verschwundene Zeit in Anschauung und Erinnerung, sondern sie stand geschrieben in verschollenen Büchern: jeder Schreiber aus einer Landstadt hätte seine Blindheit für die Gegenwart verlacht: die neben den: kindlichen doch auch etwas schauderliches hat, wie Alles was dem natürlichen entsagt. 22) Schon 580 widersprach C. Claudius der Strenge seines Collegen gegen die Lassen: aus allen TribuS ausschliessen heiße Freyheit und Bürgerrecht entreissen: Livius XLV. 4 5.

388

Exilium.

Postliminium, Mutatio civitatis postliminio.

ii

allen Zweifel derjenige war, mit welchem die Römer Jsopolitie geschloffen hatten ^): hätte es nun nicht genügt damit er samnitischer Landmann sey24), daß er 9 t om verlassen hatte, und sich in Samnium, mit der erklär­

ten Absicht dort sein Municipium geltend zu machen, befand, so wäre sein Vornehmen eben so abgeschmackt gewesen wie es empörend ist. Nach dem pharisäischen Buchstaben war es gleich, ob er die frevelhafte Beleidigung des Fetialis verübte, oder C. Pontius: aber der große Samniter, frey von Aberglauben wie Hektor, hieß die Römer sich der Ränke schämen: die Götter ließen sich nicht äffen: — über jenen Buchstaben stritt er nicht2^). Eben dieses Beyspiel zeigt daß das Bürgerrecht durch den blossen Willen

und die Thatsache der Übersiedelung ergriffen war, ohne daß von einer Annahme durch den Staat welchem sich der Municeps zuwandte die Rede gewesen wäre. Dies ist das Recht des Erulirens 20); welches noch bis vor dem Bundesgenossenkrieg auch gegen Rom, obwohl sehr selten und dunkel

geworden, galt. Erilium ist, wie Cicero treffend bemerkt, nicht Landesver­ weisung, welche das römische Gesez gar nicht kannte: es ist nichts anders als Entsagung des einheimischen Bürgerrechts durch Benuzung des Muni­ cipium; und die Vefugniß für den der auf Bürgerschaft vor dem Volks­

gericht stand, sich den Folgen des Urtheils durch das Erilium zu entziehen, ist nur Anwendung des allgemeinen Rechts. Blieb der Angeklagte bis der Spruch gefallen war2?), so war er als Römer verurtheilt, und wo er er­ griffen wäre würde das Urtheil vollzogen seyn: hatte er das Municipium zu nüzlicher Zeit angewandt, so war er Bürger eines fremden Staats ge­ worden , und der Spruch über ihn nichtig. Was ihn befreyte war nicht daß er auswanderte, sondern daß er sich einem Ort zuwandte welches mit Rom einen beschwornen Vertrag hatte, nämlich einen isopolitischen2^): wer sich an einem unberechtigten niederließ, über den mußte das Volk aussprechen daß ihm diese Niederlassung als ein rechtes Erilium gelten solle2^). Die alte Sitte, jedes Recht als eine Begebenheit eingekleidet darzustellen, hat die Erzählung veranlaßt, es wären im Jahr nach dem Bund des Cas­ sius bey großer Hungersnoth viele Familien in die benachbarten Städte ge- 74 zogen, und hätten deren Bürgerrecht angenommen: einige wären bey ihnen geblieben, andre hernach zurückgekehrt Dieses Recht wieder unter die Römer zu treten hatte ein solcher Ausgeschiedener unläugbar: vielleicht 193) Für die Ertheilung des Municipium an einen Theil der Samniter, Vellejus I. 14. Aus­ lieferung an die Caudiner, ders. II. 1. vgl. LiviuS IX. 10: traditi fecialibus Gaudium ducendi. 24) se civem Samnitem esse. 2S) Ita Dii credent Samnilem civem Postumium, non civem Romanum esse—ludibria religionum — vix puero dignas ambages. 2ß) Cicero de oralore I. 39. (177). qui Romain in exilium venisset, cui Romae exulare ius esset. ’27) Nicht so lange die Mehrheit noch nicht entschieden war, sondern so lange noch eine einzige TribuS nicht gestimmt hatte: PolybiuS VI. 14: also noch wenn alle 3 4 die Beurtheilung ausgesprochen hatten. 2S) nqbg ov$ fyovatv opxza; Polvbius a. a. O. Gleichheit der Staaten dem Buchstaben des RechtS nach ist dabey nicht nöthig: wie gänzlich Unterthan ein Pränestinischcr Befehlshaber war zeigt die Anekdote von Papirius Cursor, Livius IX. 16. — und Neapel war steuerpflichtig: ders. XXXV. 16. 29)id ei iustum exilium esse scivit plebs: ders. XXVI. 3. 30) Dionysius VII.! 8.p. 43S. d.

II

Interdictio aqua et igni. Inquilini. Bürgerrecht ohne Suffraginm ertheilt.

389

postliminio seinen alten Stand in der Tribus wieder einzunehmen, wenig­ stens aber, gleich jedem andern Municeps seiner neuen Heimat131), unter

den Römern Aerarius zu werden.

Wären nun der Anwendung dieser Be-

fugniß keine Schranken gesezt worden so würde jenes große angeborene Freyheitsrecht zu einem Spott der Regierung, und seine Erhaltung während eines halben Jahrtausends unmöglich geworden seyn; wenn der Verurtheilte als Tiburtiner zurückgekehrt wäre, hätte die vorige Klage als abgethan nicht

erneuert werden können. Daher ward die Gemeinschaft des Feuers und WasserS mit ihm untersagt: er konnte allerdings zu Rom sehn, aber unter

dem Bann, und ausser dem gemeinen Frieden: in welcher Art das Leben

vogelfrey war. Dieser Bann ist es welcher um einen Erul zurückzurufen aufgehoben wird, nicht Landesverweisung, die, wie Cicero lehrreich bemerkt, den Römern fremd nmr32).

75

Wie exul in Beziehung auf den ursprünglichen Staat den der sich von ihm entfernt hat bezeichnet, und exilium die Heimat welche er in der Fremde wählte33), so ist er in dieser inquilinus; eine abgeleitete Form von dem ohne Zweifel einst gebräuchlichen Wort oskischer Form, inquiL Ein eigen­ thümliches Wort den Municeps zu bezeichnen welcher von seinem Recht

Gebrauch gemacht hatte, konnte der im Staatsrecht reichen latinischen Sprache nicht fehlen: bey Sallustius, der den alten Sprachgebrauch mit Vor­ liebe und gelehrter Einsicht hegt, nennt Catilina den Landstädter Cicero

einen inquilinus civis34); als ob Arpinum noch immer ein der Republik fremdes Municipium gewesen wäre. Auffallend ist es aber an demselben Schriftsteller daß er einen latinischen Befehlshaber im römischen Heer, einen Bürger aus Latium nennt 35); nicht deswegen befremdet es weil er Latiner und Italiker als alte Municipes be­ trachtet, sondern weil jener Befehlshaber, wie der Umstand beweißt daß er nicht durch die porcischen Geseze geschüzt war, das römische Bürgerrecht nicht anstatt deö eigenen erkohren hatte. Allein auch hier folgt er einem Sprachgebrauch, dessen hohes Alter seine unläugbare Unrichtigkeit gegen 76

Tadel beschüzt. Die Einrichtung des Municipiums mit Städten und Kantonen bey denen kein Gedanke an Sympolitie ist, die zum Theil als Bey­ spiele der Jsopolitie angeführt sind, wird als Ertheilung des Bürgerrechts

ohne Suffragium gemeldet^): von den Kampanern und Acerranern wird *31) Ueber die mutatio civitatis postliminio Cicero pro Balbo 11. (28). Daß der Isotele die Befugniß des Municipium gleich dem Eingeborenen hatte lehrt Aelius Gallus bey FestuS s. v. municipes. ") Cicero pro Caecina 34. (100). Ueber die interdictio aqua et igni findet sich alles wesentliche bey Heineccius antiquil. I. 16, 10: indessen ist vor allem die Vorstellung zu berichtigen daß der Verurtheilte dadurch gezwungen werden sollte auszu­ wandern. Cicero hatte allerdings daö Bürgerrecht durch den Bann gar nicht verloren. 33) qui nullo certo exilio vagabantur: Sallustius. :H) Ders. Calil. 31. — Sallustius, proprietatum in verbis retinentissimus: Gellius X. 20. ‘ ) Ders. Jugurth. 69. von T. TurpiliuS, der mit Ruthen gestrichen und enthauptet ward: nam is civis ex Latio erat. 3P) Von Kampanern, Fundanern, Formianern, Kumancrn, Suessulanern: Livius VIII. 14. Von den drey ersten und einem Theil der Samniter, Vcllejns 1. 14. Von den Acerranern ders. und LiviuS Vlll. 17. Von diesen, Kumanern, Atellanern, Servius der Sohn (FestuS

390

Jus Caeritam. Cärttische Tafeln; nehmen auch die entehrten Vollbürger auf.

II

gesagt sie wären Römer geworden^), weil jeder Einzelne, sobald es ihm gefiel, Römer seyn konnte. Wenn es nun von einer solchen ganz unab­ hängigen Bürgerschaft heißt, sie wären durch ein Gesez Römer geworden, so galt dies nur so weit Rom sich dadurch verband: für die Acerraner wäre

es nichtig gewesen wenn sie es nicht annahmen 38). Sie haben es dann durch ein gleiches erwiedert, es war dasselbe Verfahren wie wenn bey den Griechen ein Friedensschluß durch ein Psephisma eingeleitet ward. Anders stand es mit bezwungenen Orten, wie mit Anagninern und andern Hernikern: diese mußten die Civität und Unterthänigkeit annehmen wie es der Souverain verordnete: ein so unwillkommnes Loos daß die Aequer weil es ihnen be­ vorstand die Waffen ergriffen 39). Indessen würden die cäritischen Tafeln, worin die sämmtlichen Bürger 77

dieser Ortschaften eingeschrieben standen, kein Buch der Unehre gewesen seyn wenn nicht die Namen der Vollbürger welche ihre Ehrenrechte verwürkt hatten, dorthin versezt wären. Auch zu Athen ward, wer in die höchste Atimie verfiel, an seinem Recht dem Jsotelen gleich: dem herabgewürdigten Römer war es der Jnquilinus auch durch den Namen eines Bürgers. Es versteht sich daß Jsopoliten die ihr Recht geltend machten wie die Sympoliten unter die Aerarier eingeschrieben wurden; aber ich halte es auch für gewiß daß die cäritischen Register nur einen Theil der allgemeinen jener Bürgerklaffe ausmachten. Man darf sie auch nicht für ein Verzeichniß der Bürger sämtlicher isopolitischer Orte ansehen: solche Verbindungen hatte Rom in großer Ausdehnung ehe Agylla etruskisch ward, und jene Orte konnten niemals anders als in Ehren genannt werden: wohl aber begreift es sich leicht wie die Verzeichnisse der Cäriter dienten die Entehrten aufzu­ nehmen, seitdem sie selbst aus jenem vornehmen Stande herabgesezt worden; und wie ihr Name für den ganzen Stand sympolitischer Unterthanen ge­ bräuchlich ward, wenn derselbe an ihnen erneuert wurde, da die alten Ort­ schaften dieser Klasse längst in die Tribus ausgenommen waren Allein 78 Verzeichnisse der Bürger jedes Orts mit dem man in Jsopolitie stand waren doch unentbehrlich um Unbefugte abzuweisen, welche es versuchten sich als 8. v. municeps).

Die Herniker heißen 7iQosXr)(p3£m$ ds ttjv nolndav, Diony.

flut VIII. 69. p. 537.e. und jioXlkxi, 77 p. 544. e. Dagegen sagte der Consul C. Varro den Kampanern, (Livius XXIII. 5) civitatem magnae parli vestrum dedimus: richtig, da jene Civität nichts weiter als die Befugniß das Municipium zu üben war, welche nur ein Theil benuzte: wo nicht sogar die Aufnahme in Tribus gemeint ist. 137) Cives Romani tune facti sunt Campani: EnniuS. 39) nisi fundi facti essent. 39) ci­ viles sine suffragii latione data: also derselbe Ausdruck wie für die Jsopolitie, von der Bestrafung der Anagniner und Herniker, Livius IX. 43. Von der Aequer Entrüstung, ders. IX. 45. Von den Cariten, Strabo V. p. 220. c. JioXvidav Jopifg; und Dionysius redet immer von noliiai und jiolnEia bey der Vereinigung der romulischen Eroberun­ gen. 40) Auf der Cariten Herabsezung werde ich bey dem Zeitpunkt zurückkommen wo sie sich ereignete. Daß sie nach dem gallischen Krieg die Jsopolitie erhielten ist eben so ausser Zweifel wie der Definition deö Municipium, welche sie ausdrücklich mit den Anagninern auf eine Linie stellt, unbedingter Glaube gebührt. Auch Strabos Tadel der Römer, a. a. O. ist bey einem so klaren Schriftsteller Bestätigung; nur dabey vermischt was zu verschiedenen Zeiten geschah.

II

2m Census werden die Jsopoliten mitgezählt.

391

Municipes einzudrängen; und wenn nach jenem weiteren Sprachgebrauch alle Bürger dieser Völker auch als römische betrachtet wurden,

und die

Summe aus allen jenen gesammelten Verzeichnissen zu derjenigen der drey römischen Städte hinzugefügt ward, so ergiebt sich, wenn auch zuerst nur

als Hypothese, die schon angedeutete Erklärung der Capita römischer Bürger in den Censuszählungen von der Gesammtheit der Römer und ihrer 3fo^o* liten 141): jener Zählungen, welche sonst für den der das Widersinnige und Unmögliche der Voraussezung daß sie von Römern im eigentlichsten Sinn zu verstehen sehen, nicht übersieht, ihres Gleichen als Kreuz in der ganzen

alten Geschichte kaum haben. Denn der schon früher erwähnten beyspiellosen und aus den Annalen unerklärlichen Ebbe und Fluth der zwischen 104000 und 150000 schwanken­ den Zahlen, nur deshalb wieder zu gedenken, daß hier nicht einmal von Veränderungen, wie der Glückswechsel durch Erweiterung und Verminderung des Gebiets sie für unsere Staaten herbeyführen kann, die Rede seyn würde, 79 sondern von einer sprungweise eintretenden Vergrößerung und Abnahme der Zahl der Bürger um viele Tausende, so sind die angegebenen Zahlen, mögen sie nun für die der Erwachsenen männlichen Geschlechts, oder noch etwas enger beschränkt und richtiger für die der Waffenfähigen 42), gelten, in diesem Sinn ganz undenkbar. Das Mittel der erhaltenen Zählungen ist ungefähr 130000, welche Summe aus dem lezten Census vor 280 angeführt wird: und hieraus ergäbe sich, wenn für Fremde und Leibleute nur eben so viele

hinzugezählt werden, eine Gesammtbevölkerung von 650000, auf einem Ge­ biet welches zwischen Crustumeria und Ostia, der etruskischen Gränze und derjenigen der nächsten latinischen Städte, schwerlich eine Ausdehnung von zwölf Quadratmeilen hatte. Man seze zwanzig: für wie viel Monate wür­ den auf jenem Boden Lebensmittel erzeugt, wie das übrige Bedürfniß ge­ kauft seyn, ohne Gewerbe und wie eine blos ackerbauende Volks­ menge sich so gehäuft haben? Eben diese 130000 wehrhaften Bürger, sammt den waffenfähigen Fremden und Knechten, wären damals von den Vejentern, die kurz zuvor von den Fabiern bedrängt gewesen waren, in den Mauern Roms eingeschlossen gehalten worden und hätten gehungert ohne auszufallen, 80 gleich jener feigen aber nicht so zahlreichen Menge die sich tausend Jahre nachher von Vitiges ängstigen ließ. Ferner: unmittelbar vor der Schlacht an der Allia waren über 152500 Capita gezählt: in der Schlacht aber standen höchstens 28000 Römer, mit Einschluß der Proletarier und Aerarier

und der sämmtlichen Betagten bis zum sechszigsten Jahr: so sehr alle Waffen­ fähige, daß nach der Zerstreuung dieses Heers Niemand war der die Mauern hätte vertheidigen können. — Und endlich um das Maaß des Undenkbaren 141) Oben S. 309 f. ") 0[ fjßg lP(op,cciot. Dionysius V. 20. p. 293. a. 75. p. 338. d. IX. 25. p. 583. c. 36. p. 594. d. numerus eorum qui arma ferre possent, Fabius bey Livius 1. 44. Also von Anlegung der männlichen Toga bis zum vollendeten 60. Jahr. Plinius, der XXXIII. 5. von libera capila redet, kommt bey einer Sache nicht in Betrach­ tung wo er den nämlichen Anstand finden mußte wie wir, und sich nicht lange bedachte wie er ihn heben solle.

n

Im Census werden die Jsopoliten mitgezahlt.

392

zu füllen: nachdem 289 nur 104000 Capita gezählt waren, herrscht 291

eine entsezliche Pest die wenigstens ein Drittheil der Bevölkerung weggerafft Haden muß, es folgen sich mehrere der allerunglücklichsten Kriegsjahre,

in

denen die Römer bey Tausenden gefallen und in die Knechtschaft geführt seyn müssen: und nun

kommt 295 eine neue Zählung die nicht weniger

als 117000 ergiebt. Wer dies alles erwägt hat Mühe jene Zählungen der Erwägung eines

ernsten Mannes nicht eben so unwürdig zu finden wie die lächerlichen Zahlen

der Knechte zu Korinth und Aegina 143).

Aber sie lassen sich nicht eben so

abweisen: sie standen so angegeben in den urkundlichen censorischen Rollen,

von denen Dionysius als

noch erhalten redet44):

und wollte man sagen

diese wären nach der gallischen Zeit erdichtet, so hätte doch niemand solche «l Widersinnigkeiten wie den Zuwachs

einfaüen lassen.

von einem Achtel nach der Pest sich

In dieser Klemme werden auch andre noch einmal an den

Ausweg zurückgekommen seyn, ob nickt, troz der bestimmten Angaben, doch eine allgemeine Volkszählung zu verstehen sehn könnte: vergebens:

da die

Angabe der Waffenfähigen während des großen cisalpinischen Kriegs mit dem Census derselben Zeit zusammenstimmt 45).

Aber diese Angabe verwandelt jene Hypothese in Gewißheit, indem mit 82 den Römern auch die Kampaner genannt werden; also daß diese lezten in allen Zählungen, die durch Livius seit dem Samniterkrieg erhalten worden,

ebenfalls zu verstehen sind: nicht aber etwa sie allein,

welche wie sie Jsopolitie hatten. die nämliche Sache, daß

sondern alle Völker

Vellejus meldet gleichzeitig, und als ganz

den Kampanern und einem samnitischen Kanton

der Bürgerstand verliehen sey; und die zwiefache Censusangabe für Aleranders

Zeit, 130000 und 2500004Ö), erklärt sich

vollkommen wenn jene als die

*") Auch die allgemein bekannte angebliche Zählung der gesummten Einwohner AttikaS verdient wenigstens in Hinsicht der Knechte gar keinen Glauben: doch ist eö begreiflicher wie selbst geistreiche Männer, die nur nicht gewöhnt sind sich philologische Ueberlieferung als würklich zu vergegenwärtigen, durch diese betrogen werden konnten. 44) Er hat sie selbst gesehen: I. 74. p. 61. e. IV. 22. p. 225. d. 45) PolybiuS II. 24. Römer und Kampaner, Fuß­ volk 250000, Reuter 23000. Bey Orostus IV. 13. wird aus Fabius für jenes 348200, für diese 26600, angegeben: wie bey ihm nichts gewöhnlicher als verschriebene Zahlen, so ist auch hier ein C zu viel, und die Totalsumme 274800 nur um 1800 verschieden von der bey PolybiuS, der keine Veranlassung hatte sevr genau seyn zu wollen. Die Zählung fällt auf 523, in welchem Jahr ein Lustrum geschlossen ward. Livius drängte, um dem hannibalischen Krieg eine runde Decade einzuräumen, die Begebenheiten von mehr als fünf Lustern, 21 Jahren, in das 20. Buch zusammen: von diesen Lustern hatte der Verfasser der Epitome die Zählungen aus zweyen ausgenommen, die eben, wie der Ort, wo er ihrer gedenkt beweißt, um den cisalpinischen Krieg fielen. In allen Handschriften steht: lustrum a censoribus bis condilum: primo lusfro censa sunt civium capita CCLXX millia: dann fahren einige fort CCXII1: andre CCX1II millia: andre schieben davor, alio, ein. Seh dies Schreibfehler oder Verfälschung, die Zahl eines zweyten Lustrum ist ausgefallen oder ver­ schrieben: eS wäre nicht gewaltsam zu schreiben, allero CCLXXI1I millia; inzwischen ist durch die Entstellung nichts wesentliches verloren da jene 270000 nur um 3000 von Poly­ biuS Zahl abweichen. — Der Kampaner, das heißt der Bürger von Kapua und ihrer Periöken, waren nicht weniger als 34000: das ist nicht für eine unbeglaubigte Zahl bey LiviuS XXIII. 5. zu achten. 46) Plutarch de fort. Romanor. p. 326. c. LiviuS IX. 19. Die lezte Zahl ist nur ungefähr.

n

Im Census werden die Jsopoliten mitgezählt.

393

lezte vor dem Anfang seiner Negierung, diese als die des Jahrs 418, nach­ dem jene Völker in die römische Jsopolitie getreten waren, verstanden wird. Dasselbe gilt nun von den frühesten Zeiten her: und so zeigt das Steigen und Fallen der Censuszahlen im dritten Jahrhundert nicht Zunahme und Abnahme der römischen Nation, sondern die Veränderung dieser eigenthüm­ lichen Verbindungen; welche allerdings größtentheils wahren Verbündungen und Cidsgenossenschaften entsprachen, aber doch auch ohne sie vollkommen denkbar sind. Sie wurden wohl mit ganz entfernten Völkern eingegangen, deren Verbrüderung nur guten Willen bieten konnte.

Ist es gegründet daß

der zweyte Q. Fabius mit der Tochter eines vornehmen Maluentaners rechtmäßig verheirathet war, so wird mit dessen Volk Jsopolitie bestanden

haben; es werden auch die Massilioten in dem Census des Jahrs 362 be»3 griffen gewesen seyn. So läßt sich durch die Bewegung in diesen Zahlen

nicht einmal die Macht welche auf Bündnissen beruhte sicher messen: nichts desto weniger ist das Verständniß jener Angabe fruchtbar, indem es Mel­ dungen über Verhältnisse zu benachbarten Völkern ausser Zweifel sezt und erhellt, was widersinnig lautete lehrreich macht147). So begreift es sich auch daß die Zahl eigentlicher Metöken in dem Grade gering war, daß sie

8*

gar nicht vorzukommen scheinen. Wäre die Summe des Census zur Zeit des cisalpinischen Kriegs nach derselben Regel wie zweyhundert Jahre früher gezogen worden, so würde sie vielleicht dieselbe gewesen sehn welche Fabius für die Waffenfähigen von

ganz Italien angab: aber das hatte sich geändert. So lange viele unab­ hängige Staaten waren, wird jeder den Census seiner Jsopoliten zu dem eigenen hinzugefügt haben; also daß die Zahl der Capita des nämlichen

Volks mehrmals wiederholt vorkam; als Rom Mittelpunkt des ganzen ge147) Auch für die Geschichte der Griechen diesseits des ionischen Meer«, welche so viele italische Einrichtungen theilten. Kaum weniger widersinnig als jene Angaben über Rom, lautet eS, daß zwar die Agrigentiner, als die Karthaginienser vor ihren Mauern erschienen, nur etwas mehr als zwanzigtausend waren, aber die Gesammtzahl, mit der fremden Einwohnerschaft, nicht weniger als zweymalhunderttausend gewesen wäre (Diodor XIII. 84): — und darunter sind wie die Zahl der Bürger beweißt, ebenfalls Erwachsene männliches Geschlechts zu den­ ken: wie denn auch jener, zwar ein Verfälscher, aber leicht älter als Diodor selbst, diese No­ tiz faßte, welcher in einer Schrift unter dem Namen der Potamilla von 800000 Freyen zu Agrigent redete (Wesseling zu Diodor a. a. £).). Sollten denn zweymalhunderttausend, wenn auch nicht alle vollständig gerüstet waren, solche Schaafseelen gehabt haben daß sie den Pönern auch nur gestattet hätten sich vor der Stadt festzusezen, geschweige sie auSzuhungern? Aber auch hier find unter den 4 80000, theils Sympoliten einer weiten Landschaft, theils Jsopoliten zu verstehen; nicht Griechen allein, sondern auch Sikaner und Sikeler, welche den schon starkgemischten Griechen gar nicht so fremd waren wie es uns vorkommt. Für gewal­ tige Zahlen bey den Jtalioten, wie zu Kroton, gilt die nämliche Erklärung : doch die dreymalhunderttausend von Sybaris möchte ich nicht als historisch betrachten, da es eine Zeit betrifft vor der Abschaffung der KönigSwürde zuRom, und eineZahl welche, die verschiedenen Stufen der Verzehnfachung hinauf, eben so wenig eigentlich numerisch ist als sieben oder siebzig eS bey denHebräern sind (.S. Reimarus meisterhafte Abhandlung de assessoribus synhedrii LXX linguarum gnaris): — sechs, und seine Multiplen mit zehn bey den La­ tinern; so die freygegebenen sechstausend Gefangenen: Livius II. 22. Dergleichen ist, wenn eS entsteht, so wenig unwahr als wahr zu nennen.

394

Schranken dafür.

Theilnahme der Latiner in Rom an den

II

worben war, hätte dies den Zweck gestört, ftu überschauen über welche Kräfte

der Zugewandten der Senat verfügen könne. Es ist sogar höchst wahr­ scheinlich das; den Bundesgenossen unter einander in vielen Fällen 148) das Municipium untersagt ward, wie den Städten im Umfang eines Volks Ein gleiches Bündniß scheint Jsopslitie In sich zu befassen, ja gleichbedeutend damit zu fetyn 49): aber das Bey­

welches gegen Rom verbrochen hatte.

spiel der Kampaner denen ein solches zugeschrieben wird, da sie doch Romssr Vorrang huldigten, ja öfter seine Hoheit anerkannt hatten, beweißt daß dieser Name nun nicht mehr buchstäblich verstanden ward. Nach dem alten Sinn des Worts waren die Römer noch immer im Municipium mit Ti­

bur, Präneste, allen verbündeten Orten wofür das Recht des Erilium be­ stand: ja mit. den Neapolitanern welche doch sogar Steuer zahlten: Latiner

und italische Bundesgenossen mit ihnen: da sie, wenn auch unter Beschrän­ kungen die ihren eigenen Bedürfnissen gewährt waren, das römische Bürger­ recht kühren konnten: aber weil diesen beyden Ständen eigenthümliche Geseze

gegeben waren, die sie unter einander und von den Municipes der alten Art unterschieden, so entzog der Sprachgebrauch ihnen diese Benennung50):

und nur die eigentlichsten Jsopoliten wurden mit den römischen Bürgern aufgeführt.

Da den jedesmal zu Rom anwesenden Latinern im sechsten Jahrhundert««

die freylich mit weniger Macht verbundene Ehre zustand in einer ausgeloosten Tribus ihre Stimmen abzugeben, so hat es freylich große Wahr­ scheinlichkeit daß sie damit für ein Stimmrecht entschädigt worden welches die übergesiedelten Municipes ausgeübt, so lange die alte Centurienverfassung bestand: und dies könnte der Erzählung zum Grunde liegen daß Cassius durch die Stimmen der ihm anhänglichen Latiner und Herniker sein Gesez durchzuführen gehofft tyabe51). So fremd wie jene abgeschaffte Verfassung geworden war, dürfte in der That die Angabe der Definition, — bis aus jene wesenlose Ausnahme vollkommen richtig seitdem alles auf den Tribus als Grundlage beruhte, — nicht unwidersprechlich beweisen daß die Muni­ cipes nicht vor Alters in den Klaffen gestimmt ^hätten; welches doch von 14R) Mit Fregellä hatten es Peligner und Samniter. 49) foedus aequum — der Kampaner, Livius XXIII. 5: zum Lohn für der Massalioten treue Hülfe in der gallischen Noth immunitas data, et locus spectaculorum in Senatu decretus, et foedus aequo iure percussum: IustinuS XLIII. 5.: das hieß ohne Zweifel in der einheimischen Erzählung, xctt TtootdQfa tv lolg aywai xat laonoltTtfa. Das mindere Bürgerrecht wie es die Transalpiner vor Claudius hatten, noch ausgeschloffen von Senat und Aemtern, nennt Tacitus Ann. XL 23. foedcra et civitatem Romanam. r,°) Klassisch für die Un­ terscheidung ist LiviuS XXVI. 15: — der Senat müsse untersuchen num (Campani) communicassent Consilia cum aliquibus sociorum, Latini nominis, municipiorum : denn so ist zu interpunktiren, daß die Namen aller drey Stände nach alter Redeweise durch Neben­ stellung verbunden seyen, und zwar steigend nach ihrem Rang: italische Bundesgenoffen, Latiner, frehverbundene Municipien, wie Kuma, Fund! und Formiä. GronoviuS hat richtig erkannt daß das lezte Substantiv die vorstehenden nicht regiere; aber die Copula welche er davor einrücken will entstellt den alten Ausdruck, und hebt die Unterscheidung von Italikern und Latinern auf. Beyläufig bemerke ich daß gleich weiter, wo cs heißt num ope eorum in bello forent et municipiorum adiuli, nach der Spur der Handschriften, welche geben et admunicipiorum, zu emendiren ist: et adminiculo. M) DionysiusVIII. 72. p. 540.d.

II

Abstimmungen.

Deutsche Bezeichnungen für die Jsopolitie,

395

den Clienten, während sie auch nur Aerarier waren nicht zu bezweifeln ist. War dieS lezte, wie ich gern zugebe, neuernde Abweichung vom Gesez deS ServiuS, so wird man schwerlich die Municipes versäumt haben, deren Stimmen sich eben gegen die Plebejer richten ließen. Wenn es aber so dar­ gestellt wird daß Cassius Latiner und Herniker zur Stadt gerufen habe um zu stimmen, so ist der Irrthum handgreiflich! und so sichtbar hat einem

späten Annalisten die Erinnerung tribunicischer Stürme aus seinem Jahr­ hundert vorgegaukelt, wenn Tribunen durch hereingerufene Latiner und «7 Italiker, und gedrohte Gewalt, den Senat zu schrecken suchten, daß jene, in verständiger Beschränkung so glaubliche, Nachricht fast zweifelhaft wird. Es ist zweckmäßig über sehr fremde Gegenstände Ausdrücke zu vermei­

den bey denen unbestimmte oder falsche Nebenbegriffe verwirren können: künftig aber werde ich auch von der Jsopolitie manchmal nach dem Staats­ recht unsrer Väter reden. Daß der Shmpolit, mit den mindern bürgerlichen Befugnissen, dem Pfahlbürger der alten Stadtrechte entspricht, ist gewiß klar genug 152): von diesem ist, meines Erachtens, der Ausbürger so zu unter­ scheiden daß er nur dann Pfahlbürger heißen kann wenn er in die Stadt zieht. Wer einzeln das Verhältniß des Ausbürgers erhielt, war durch­ gehend ein vornehmer Mann, Ritter oder Prälat; und gleicht dem Propenen;

aber nicht nur der Einzelne errichtet ein Burgrecht mit einer Stadt, sondern auch eine ganze Bürgerschaft oder Landschaft; und dieses Verhältniß, welches die schweizerische Geschichte, zumal das fünfzehnte Jahrhundert hindurch, unzähligemal nennt: nie erklärt, scheint mir nichts anders seyn zu können als Jsopolitie. Alle Bürger oder Landleute jener Gemeinde wären Aus­ bürger geworden; von Zürich, zum Beyspiel: in demselben Sinn wie die

Kampaner römische Bürger: der einzelne der es benuzte ward Pfahlbürger. Landrecht war das nämliche Verhältniß zu einer Landschaft: das Wort welches in diesen dem Pfahbürger entspräche kenne ich nicht. Mit Land­ oder Burgrechten war immer auch ein Schirmverein verbunden: daher ist 88 es kein Wunder wenn der Name jener angewandt ward um Verträge zu

verbergen dergleichen einzeln abzuschliessen den Kantonen eigentlich nicht ge­ stattet war^), und das isopolitische Verhältniß dabey in Vergessenheit kam.

Ueber das Recht der Latiner. Einige Befugnisse übte der Ausbürger ohne das Verhältniß zu dem Staat seiner Väter zu ändern, einige konnte er nur als Pfahlbürger geltend machen: und hierüber entschied nicht die höhere Würde des Rechts, sondern die Beschaffenheit der Sache. Ohne Kapua zu verlassen hatte Pacuvius 152) Vgl. Hüllmanns Gesch. d. Stände. 2. A. S. 582. ff. 53) Daß die spateren Burgrechte nichts anders als Verbündniffe waren und die oben angegebene Ursache bewogen hat jenen Namen zu gebrauchen, sind zuverläßig gegründete, durch Herrn Doctor Bluntschli mir mit­ getheilte Bemerkungen eines Züricher Rechtskundigen: aber daß Pfahlbürgerschast aus Burg­ recht hervorging, steht aus deutschen Urkunden fest.

396

Connubium der Latiner.

Inwieweit war Commercium?

n

Calavius eine Claudia geheirathet, und eine Tochter nach Rom vermählt; dadurch ward nichts verwirrt: aber wenn er römische steuerpflichtige Grund­ stücke gekauft hätte, so würde der Republik das Tributum davon entzogen seyn, welches nicht nach den Gegenständen sondern nach den Personen aus­ geschrieben ward. So war also das vornehmere Recht, das Connubium, jedem Zsopoliten offen: das Commercium dem übergesiedelten vorbehalten. Von der Römer Verhältniß zu Alba wird gemeldet daß Connubium bestanden fya&e154); und mag jede angebliche Kunde über diese uralten.Zeiten mit vielleicht unnöthiger Strenge verworfen werden, so ist dies doch alö 8S Herleitung eines gleichen Rechts mit den Latinern gemeynt, und zu beachten. Das Connubium mit Alba ist in der Sage von den Müttern der Horatier und Curiatier, das mit den Priskern und Latinern in der von den Frauen

welchen vor der Schlacht am Regillus die Scheidung freygestellt worden55), ausgesprochen; und über solche Dinge kann die Sage nicht von der Würklichkeit abweichen: die Vermählung der Tochter des lezten Königs mit dem Dictator Mamilius darf wohl für historisch gelten. Zu diesen allgemein bekannten Erzählungen ist jezt die Erwähnung hinzugetreten daß die Heere unter C. Marius und Q. Pompädius mit traurigem Herzen gegen einander unter den Waffen gestanden, weil viele durch das gesezlich bestehende Con­ nubium befreundet und verschwägert gewesen wären56). Seitdem dieses Zeugniß ans Licht gekommen, darf die Meynung daß die wahren Latiner kein Connubium gehabt, für entschieden widerlegt gelten: denn gewiß ist es undenkbar daß die welche vor den Italikern das Ehren­ recht voraus hatten zum Stimmen zugelassen zu werden, in jener wesent­ lichen Sache ihnen nachgestanden hätten. Sie hätten dann überhaupt, so lange sie sich als Ausbürger hielten, keine Gemeinschaft des Rechts mit den Römern gehabt, mit Ausnahme der zwölf Colonien welche Rera schliessen so und Erbschaften antreten sonnten57). Wie es mit diesen bewandt gewesen seyn dürfte, darüber werde ich meine Vermuthung äußern wenn die Ge­

schichte die Zeit erreicht haben wird, wo sie, wie ich denke, jene Befugniß erhielten: der Grund aus welchem das Commercium nicht bestanden hatte, war nicht mehr; und es hätte allen Latinern eingeräumt werden können, wenn nicht eben damals Mistrauen, und ein Streben ihr Aufblühen zu

hemmen, zu allen Bewilligungen abgeneigt gemacht hätten. Rach dem Plan meines Werks würde ich von den latinischen Colonien, deren Recht auf eine in der früheren Jurisprudenz so häufig erwähnte, mithin ohne Zweifel auch sehr zahlreiche, Klasse der Freygelassenen ange­

wandt ist, ebenfalls bis zur Erzählung der Zeit da dieser Stand errichtet ward, zu reden verschieben, wenn die Erörterung der Frage welche latinische

1M) Strabo V. p. 231. b. ßaaikEuofitEvoi ExaTEQOi txvyx«vov* outTty J’ tjttov tjiiycif.ua te T}(Jav (1. tntyap.ia te z/y), xat Ieqcc xoivd id tv'Akßa, zett dkka dixaia TiokiTtxd (die JsopoUtie). 55) Oben S. 311. 5G) Diodorus Exc. de Sententiis XXXVII. 10. p. 130. ed. Dind. ot nag dp,cpOTE$oiQ OiQaitmai — ou^vous oIxeIovq xat auyyEVEis xaiEVOovv, 6 zij? tmyafilag vopos tnETiouixEi xocvüWEiv Trjs TOiavTijs (pikfas. 5') Cicero pro Caecina. 35. (102).

Neues latinisches Recht jenseits des Po.

II

397

Colonien eS gewesen, nach deren Vorbild den Junianischen Latinern das Konnubium versagt ward, so lange hinstehen könnte. Ich muß also schon hier bemerklich machen daß die noch in ihrem Recht gebliebenen alten latinischen Städte, und die mit ihnen den latinischen Namen bildenden Kolonien 158) ein volles Jahrhundert ehe der Konsul Ju­ nius Norbanus das Recht der latinischen Freygelassenen einführte, sämmt­

lich römische Burger, und ihre Städte Municipien geworden waren. Nach si dem julischen Gesez gab es keine latinische Colonien, bis, ein Jahr darnach, ein neues Latium59) eingeführt ward. Das transpadanische Land hatte sich mit einer gemischten lateinisch redenden Bevölkerung aus Italikern und

umgebildeten Einheimischen gefüllt; die Stävte jenseits des Po waren noch treu, aber machten Ansprüche; deshalb wurden sie durch ein vom Konsul Kn. Pompejus Strabo angetragenes Gesez zu latinischen Colonien erheben, ohne daß Colonen dorthin gesandt wären 6"). Das eigenthümliche dieses Rechts war daß diejenigen welche in solchen Städten Magistrate und Ehren­ ämter bekleideten dadurch das römische Bürgerrecht erlangten, und nur sie61): 92 als Colonien nach diesem Recht werden namentlich Eomum und Nemausus

angeführt 02).

Von der Zeit an wurden viele Städte und Völker in diesen

Stand erhoben, der, verglichen gegen das alte latinische Recht, das mindere 93 Latium genannt ward6^), und mit vollem Fug. Daß diese Latiner kein 158) Alle Latiner sind unter diesem einigen Namen zusammengefaßt bey PolybiuS H. 24: alle erhielten zugleich unter demselben das Bürgerrecht durch das julische Gesez, Colonen wie Tiburtiner und Pränestiner. 59) Latium in der Bedeutung von ius Latii (welche- lezte sich bey Asconius, Arg. der Pisoniana, findet) hat Geßner, aber ohne Beleg: vermuthlich nach Strabo IV. p. 4 87. a. e/oua« io Actttlov (scr. ^ianov}, und Appian Civ. II. 26. tovto yctQ duvaiai io hanov: Stellen die auch, der fremden

Sprache ungeachtet, vollkommen genügten: jetzt kommt Gaius hinzu: s. (Th. 2.) Anm. 4 63. 60) non novis colonis, sed veleribus incolis manenlibus: Asconius a. a. O. Mithin ohne alleDeduction, grade imWiderspruch mit demWesenjencrDefinition (Th.2. Anm.80.) welche wohl für älter gelten darf. 61) Strabo IV. p. 4 87. a. Appian Civ. II. 26. GaiuI. 96. — und Asconius a.a.O.: denn in den widersinnigen Worten, woran schon SigoniuS mit Recht Anstoß nahm, ut pelendi magistralus gralia civitatem Rom. adipiscerentur, ist gratia Verfälschung eines Herausgebers: es fehlt ohne Zweifel in den alten Drucken wie in der Florentiner Abschrift: wonach sich die Emendation ergiebt ut potendis magistratibus civ. Rom. adip. — Eben vorher führt die Lesart jener Abschrift possent hinc fast eben so sicher auf die Verbesserung possiderent, statt deS schlechten possent habere: und weiter­ hin hat eine heillose Willkühr da- ius Italiae, wovon der unverfälschte Tert nichts hat, einge­ führt, und damit den Wahn vom Daseyn italischer Colonien — dessen gänzliches Verschwinden hoffentlich nicht mehr fern ist. Ueber dieser Stelle hat als Asconius schrieb, und al- ein vermessener Emendator sie zurecht machte, ein wahrer Unstern gewaltet: wenn unter diesem Einfluß der römische Schriftsteller auch unstreitig wähnte, es sey das Recht der alten Latiner daS näm­ liche gewesen, so wollen wir bemerklich machen daß er auch seine Verwunderung äuffert wie Cicero Placentia ein Municipium nennen könne, da es als latinische Colonie gegründet wor­ den: — nämlich er selbst kannte eS als militärische. Der nämliche Gelehrte dem alles waS sich während Ciceros öffentlichem Leben ereignete so vertraut bekannt war, begriff daS alte Staatsrecht so wenig daß ihm nicht einfiel wie die Stadt vom julischen Gesez bis die Triumvirn dort die Militarcolonie gründeten, nichts anderes seyn konnte. Um zu ermessen wie wenig auch große theilweise Einsicht und Verstand nöthigen oder rechtfertigen, einzelne Aeusse­ rungen über ganz untergegangene Zustände uns zum Gesez dienen zu lassen, muß man beob­ achtet haben wie fünfzig Jahre und noch weniger hinreichen sie völlig in Vergessenheit zu bringen. 62) Strabo und Appian a. a. O. 63) Wenn man nur unbefangen gelten läßt

398

Bund mit den Hernikern.

Umfang der Herniker.

II

Connubium hatten, da sie großentheilß Barbaren, höchstens italisirte Misch­

linge waren, ist so begreiflich als daß man es den Lassen versagte, deren eindrängender Ueberschwemmung ein Damm gesezt werden wollte: Erweite­ rung des Commercium aber war willkommen, und im Sinn mancher Maaöregel welche den Kaufpreis italischer Grundstücke zu heben bezweckte. Ein Gesez welches latinische Völker als fremde betrachtete, und auf sie den Grundsaz anwandte daß das Kind der ärgeren Hand nachschlechte164)

kann nur dieses mindere Latium betroffen haben: und wenn die Ler Mensia jene Bestimmung enthielt, so ist eine Gränze für ihr Alter gegeben.

Der Bund mit den Hernikern. Zwischen den Bünden Noms mit den Latinern und den Hernikern liegen sieben Jahre, und Ereignisse welche diese Geschichte nicht übergehen wird: das wäre aber eine knechtische Annalistik welche den inneren Zu­ sammenhang dieser Trennung aufopferte. Es war der nämliche Sp. Cassius der als Konsul beyde Bünde schloß, und ihr Inhalt wörtlich der näm­ liche^): das Bündniß den drey Völkern gemein und gleich, so daß nun,

wenn ihre Banner vereinigt ausgezogen waren, jeden: Staat ein Drittheil der gewonnenen Beute und des eroberten Landes zufiel 66), so auch gleicher 94 Antheil an Colonien zustand 67). Damit nun diese Gleichheit bestehen konnte, mußte kein ausnehmendes Misverhältniß zwischen den Kräften der Verbündeten seyn, wenn sie auch nicht genau gleichgewogen waren: die Herniker mußten einen viel bedeutenderen Umfang haben als der worin die spätere Geschichte sie zeigt. Auch sie, wie die Latiner, sind durch die Volsker und Aequer überwältigt worden, und haben an diese Eroberer einen Theil ihrer Orte verloren, von denen einige, wie es mit Ferentinum geschehen ist68), wieder gewonnen, andre zerstört seyn mögen; andre, als Friede her­ gestellt und der Besizstand durch Verträge anerkannt war, den Volskern ge­ blieben seyn können. Zu ihren Städten darf Trebia gerechnet werden, das in der Sage von Coriolanus als erobert vorkommt, welches einem Zeug­ niß gleichsteht daß es an die Aequer verloren worden; es findet sich weder

was augenscheinlich in der Handschrift steht, so lautet die Stelle bey Gaius a.a.O. unstreitig, nach einigen leider jezt auf immer unlesbaren Zeilen: magistralum gerunt, civitatem Romanam consequuntur: minus Lalium esl, cum hi tantum qui vel magistralum vel honorem gerunt (also z.B. auch die Seviri ^uguslaies, die FlamineS der Kaiser u. s. w.) all civitatem Romanam perveniunt. Diesem mußte ein maius Lalium entgegenftehen, von dem in den verlornen Zeilen die Rede war; etwa so: Maius Latium vocatur, cum quicunque Romae munus faciunt, non hi tantum qui mag. gerunt elc. ,C4) GaiuS I. 79. (mit Göschens Sinin.) : — die vergangene Zeit in seiner Erwähnung bezieht sich nur auf die deS Gesezes welches in der einzigen Stelle wo es genannt wird den seltsam lautenden Namen Mensia fuhrt. 65) dvTfy()cc(poi iiov JiQoq Aailvovq ((Jvv&qxdjv) Dionysius VIII. 69. p. 537. b. 6G) Ders. Vili. 77. p. 544. e. 16 tntßakkov Exaoioiq (der drey Völker) Äa/o?: vom eroberten Boden, das. 76. p. 542. c. Daher gebührte den Latinern ein Drittheil vom Kriegsgewinn: Plinius XXXIV. -H. C7) Oben S. 376. 68) Li­ vius IV. 54.

Zahl der Hernikischen Städte.

II

399

unter den latinischen Städten noch unter den albensischen £)rten169); und

schon die Lage macht es höchst unwahrscheinlich daß es jemals dem latini­ schen Staat angehört habe. Wohl aber den Hernikern, wenn diese einst­ mals an die Marser gränzten, von denen als dem nächsten sabellischen Volk

ihr Ursprung abgeleitet wird: und ihr Zusammenhang mit dem Stamm­ volk kann nicht immer unterbrochen gewesen seyn; es ist unmöglich daß sie

ds die unvergänglichen, von ältern Bewohnern gegründeten, in uralten Tagen eben wie Latium und die tyrrhenische Küste von Pelasgern bewohnten, Felsenburge, in einem Anlauf erobert hätten, zu dem sie sich nur eine

Straße durch ausonische Völkerschaften gebahnt gehabt, die sich alsdann wieder hinter ihnen schloß. Es ist augenscheinlich daß die Aequer das Gebürge eingenommen, und die sabellischen Völker hier auseinander ge­ trennt haben. Uebrigens, daß die Städte der Herniker, als sie sich 443 gegen Rom auflehnten, mehr an der Zahl gewesen seyn müssen als Anagnia und die vier andern welche namentlich als solche vorkommen, hat schon Cluver aus Livius Ausdruck gefolgert, daß, ausser Verulä, Alatrium, Ferentinum, alle hernikische Völker den Krieg beschlossen hätten 7"). Zu errathen wie viele ihrer waren als sie noch vollzählig bestanden, dazu führt die Entdeckung der Zahl welche die Eintheilung der Staaten des sabellischen Volksstamms bestimmte. Denn daß auch diese durch eine solche angeordnet ward ist nicht zu bezweifeln, mochte es nun wie bey den Römern drey seyn, oder eine andre; durch sich selbst, oder mit zehn vermehrt um die untern Abtheilungen zu gewähren. Solche Formen können nicht zufällig seyn; sie sind Gesez,

wie die dorische Musik; sie beweisen unmittelbar was sie zeigen. Die Sabeller haben sich in dieser Hinsicht von den Latinern grade unterschieden 96

wie Soner von Doriern: ihre anordnende Zahl war vier. Sie erscheint im Kriegswesen der Herniker und der Samniter. Die Cohorten jener zählten vierhundert Mann7l): eben so die der Samniter7?): und in der Stärke ihres regelmäßigen Heers, sechszehntausend73), findet sie sich zwiefach; es sind vier Legionen, jede von viertausend Mann 74). So sind denn auch die viertausend Samniter welche zur Vertheidigung von Paläpolis gesandt ivorben75), eben eine Legion; und jene Zahl ist ange­

geben, nicht weil man die Stärke der Hülfsvölker angemerkt hätte, sondern weil die einer samnitischen Legion den Annalisten noch wohl bekannt war. Weniger gewiß ist es wohl, allein doch sehr wahrscheinlich, daß, auch die 169) Wohl aber unter den lezten die Vitellienser, deren Ort als CoriolanuS Eroberung mit Trebia genannt wird. ^7") Livius IX. 42. Concilium populorum omnium habentibus Anagninis — praeter Alatrinatem, Ferenlinatemque et Verulanum omnes Hernici nominis populi (nicht populo) Romano bellum indixerunt. Dazu Frusino. :1) Li­ vius VII. 7. Octo cohories quadringenariae. 7a) Ders. X. 40. viginti cohorles Samnitium (quadringenariae ferme erant). Die Partikel gehört dem Schriftsteller, welcher den Ausdruck seiner alteren Quellen bestimmter findet als ihm zu verbürgen scheint, wie eS auch Dionysius macht: Th. 1. Anm. 1228. '') Die der legio linleata: Ders. X. 38. 74) Also jene zwanzig Cohorten zwey Legionen. 75) Livius VIII. 23.

400

Zahl der Hernikischen Städte.

Verhältniß von Anagnia

II

achttausend Mann mit denen Numerius Decimius bey Larinum Hannibal den Sieg entriß 176), von zwey Legionen zu verstehen sind. Die Eidsgenossenschaft der Marser zählte vier Völker: daß die samnitische eben so viele enthalten habe ist durch jene vier Legionen fast darge­ than. Denn wenn auch die Frentaner damals sich von den Eidsgenossen, Caudinern, Pentrern, Hirpinern, getrennt hatten, so mochte es doch möglich gewesen sehn der Erhaltung der Grundform durch Einrichtung eines vierten Kantons zu genügen77). Diese Zahlengeseze, einmahl erkannt, leiten so sicher daß ich ohne Bedenkerr annehme jedes selbständige sabellische Volk sei vierfach getheilt ge­ wesen, also auch die Herniker; und das zeige sich für diese in den tausend Colonen von Antium 7^). Hier ^hätten vierhundert hernikische die vier sabinischen Stämme auf gleiche Weise dargestellt wie die dreyhundert Römer die drey Tribus der Geschlechter; die dreyhundert Latiner die drey Decurien der Städte. Und so weit fühle ich Sicherheit: nicht ohne die Gränze zu überschreiten jenseits welcher Zaubergewalt dem Verwegenen austauert und die Sinne zu bethören droht, läßt sich die Vermuthung bilden daß die, in römischen Dingen so oft erscheinende, Zahl zwölf, aus der Vermehrung der Grundzahlen der in der Nation verbundenen Latiner und Sabiner mit ein­ ander, erwachsen sey: es möge in Attika in Hinsicht der Joner und Kranaer die nämliche Bewandtniß gehabt haben. Daher werde Numa, nach der Ver­ einigung beyder Völker, die Einführung des zwölfmonatlichen Jahrs zugeschriehen; welches doch von Anbeginn gewesen seyn muß, auch durch das zehnwonatliche nie verdrängt seyn konnte. Ich kehre auf meinen lieben redlichen Boden zurück, und athme frey. Pas wag may fragen ob die Herniker wohl vierzig oder sechszehn Städte gezählt haben werden? Eine andre Zahl kann es nicht seyn: und die Nachricht haß sieben und vifrzig Städte an den latinischen Ferien Antheil nahmen 7^),ss entschei^t.für die zweyte. Das aber läßt sich nicht auf gleiche Weise finden ob Anagnia in der Zahl der sechszehn begriffen ist, oder diese neben der Zeichen Stgdt^) gestanden haben, wie die dreyßig latinischen neben Alba: in den Fasten kommt es also, bey dem Triumph des Q. Marcius Tremulus, neben den übrigen Hernikern vor. Es ist unmöglich zu errathen ob der nach welchem Dionysius jene Zahl meldete, Rom, die dreyßig latinischen und sechszehn hernikische Städte, in jener Summe vereinigte, oder angeben wollte wie viele ausser Rom auf dem albanischen Berg erschienen wären. 17G) Ders. XXII 24. 77) Oben S. 364. 7S) Antiates mille mililes, bey LiviuS III. 5., ist sicher nichts anderes als eben der Widerschein einer Votiz daß zu Antium tausend Co­ lonen waren. Der Oesammtantheil der Herniker war nicht um ein Drittheil größer als der von jedem der beyden andern Bundesvölker: sondern cs empfing jeder Herniker nur 3/4 vom Loose welches einem Römer oder Latiner zugetheilt ward. 79J Dionysius IV. 49. p. 250. c. Die Volsker von Ecetra und Antium sind nur durch Verwechslung der Jsopolitie mit der Eidsgenoffenschaft eingemischt. Unter Tarquinius konnte übrigens von antiatischen Volskern die Rede gar noch nicht seyn, und schwerlich von ecetranischen. 80) dives Anagnia: Ae-

neiS, VII. 684.

Alter des hernikischen Bündnisses.

II

401

Als Hauptstadt ist es in einer wahrscheinlich recht alten Erzählung nicht zu verkennen, wo es heißt, Lävius Cispius von Anagnia habe die Herniker geführt, die, um Rom, wohl gegen einen Angriff der Sabiner, zu schüzen

während TulluS Hostilius vor Veji stand, auf einem der beyden damals noch offenen und unbebauten Hügel der Esquilien gelagert gewesen, wie ein latinischeö Heer auf dem andern 181). So alt ward das Bündniß der Römer auch mit diesem Volk gedacht, in welchem die Titier ihre Volksgenossen er99 kannten, wie die Ramner in den Latinern. Auch sie sind dann, wie die

Latiner und die Tyrrhener der Küste, unter Roms Botmäßigkeit gekommen; auch sie haben das Joch abgeschüttelt. Als freye Genossen und als Unter­ thanen waren sie in gleicher Weise durch Burgrecht mit Rom verknüpft; und wenn die Zahl der Capita durch das Hinzutreten der Sabiner zwischen 246 und 256 von 130000 bis 150700 erhöht war, so wird es die Trennung der Herniker, nicht allein die der Sabiner, gewesen seyn, wodurch der Cen­ sus 261, als die Latiner doch schon wieder gewonnen waren, auf 110000

herabkam.

Unkunde und Rhetorik haben in Cassius Bündniß,

wodurch

uraltes Burgrecht nur erneuert ward, ein ganz neues Verhältniß gesehen; und zwar unverantwortliche Verschwendung der höchsten Gnaden 82). Die Führer denen Livius folgt müßen dies bester gewußt haben, da er von dem Allen schweigt: hingegen ist bey ihm die Zusicherung eines Drittheils von dem

künftig zu erobernden Lande dahin misverstanden daß ihnen vom eigenen, wenigstens von ihrer Domaine, nur so viel gelassen sey, zwey Drittheile eingezogen wären83). Nämlich ihm gilt für gewiß daß das Bündniß als Friedensschluß einen Krieg geendigt habe: Dionysius weih sogar sehr um­ ständlich von demselben zu melden. Das verdient sicher gar keinen Glauben; weit wahrscheinlicher ist vielmehr der Krieg gänzlich erdacht weil man das Bündniß für einen Friedensvertrag ansah, und was über die Theilung von Land und Leuten daraus erwähnt war, mißdeutete. io«

Die Gefahr welche von den Volskern und Aequern drohte machte die Römer bereitwillig sich eine Vormauer durch billige Zugeständnisse zu sichern;

die Herniker aber und die Latiner erwiesen sich hinwieder in den Kriegen treu welche ihnen selber fern und gleichgiltig waren, weil sie auf der Römer Hülfe rechnen konnten, und von ihnen als gleiche Verbündete anerkannt wurden.

Die Kriege mit Volskern und Aequern, bis zum Ende des vejentischen. Die unaufhörlichen Kriege mit diesen ausonischen Völkern, welche mehr als ein Säculum hindurch fast alljährlich vorkommen, haben Livius ver­ anlaßt zu äußern, daß er mit Ueberdruß davon schreibe, und gleiches Mis181) FestuS 8. v. Septimontium, aus Varro. Es sind die Hügel von S. Maria Maggiore und S. Pietro in Vincola. 82) Dionysius VIII. 69. p. 537. b. 77. p. 544. e. 83) Agri partes duae ademtae: Livius II. 44. Niebuhr, Röm. Gesch.

402

Verfälschung der volskischen Geschichte. Kritik deS 1. volskischen

H

gefühl -eh seinen Lesern vermuthe184): wie vielmehr hat dies -er Fremde

zu erwarten, welcher, achtzehn Jahrhunderte später, unter seinen Zeitge­ nossen sehr wenige haben wird denen es klar wäre daß der volskische Name durch Arpinum und seine Söhne geadelt ist, oder die Herrlichkeit des Gebürges und des Schauplazes jener Geschichte vor Augen stände; keinen dem

jene Ereignisse durch ein heimatliches Gefühl werth wären? So muß die ewige Einförmigkeit von Vorfällen, die sich meistens nicht einmal durch Angabe anscheinend nur Einbrüchen und Plünderungen, folgenlos verlaufender immer wiederholter Unternehmungen, vollend- -iS zum Unerträglichen ermüden. Doch dieser Schein innerer Unerheblichkeit ist""

des Orts unterscheiden,

nur veranlaßt durch die Unredlichkeit der römischen Annalisten, welche die Eroberungen jener Völker geflissentlich in Vergessenheit gebracht hat, so wie die Kleinlichkeit ihres Sinns heilsame und verständige Friedensschlüsse, an Venen der Nachkommen Eitelkeit Anstoß nahm. Hätte ein Römer, bewogen durch Abkunft aus einem volskischen Municipium, einheimische Chroniken ausgesucht, so würden diese ihm große Männer genannt haben deren sich, nach Ciceros wohl nicht hingewagter Aeusserung, auch das Volk seiner Vorväter rühmen konnte^); und diese jezt so unerfreuliche Geschichte könnte, erst in den glänzenden Thaten der alten Zeit, und dann, als sich das Glück gewandt hatte, in dem unermüdeten Widerstand langer Jahre, ungeachtet

ihres beschränkten Schauplazes, achtungswürdig wie irgend eine erscheinen.

DaS Bild einer solchen wieverzuschaffen ist unmöglich: nur von Attius Tullius, Vettius Messius und Gracchus Clölius sind die Namen auf uns gekommen, ihr Andenken zum Theil von unwürdig feindlichem Sinn ent­ stellt: ihre siegreichen Tage sind ausgetilgt, Eroberungen die sich nicht ganz verbergen ließen auf einen Fremden übertragen: der Männer entwandte Ehre herstellen können

wir nicht,

noch im Allgemeinen entdecken

welche dem

Volk gebührt. Die römische Geschichte kann die volskischen Kriege um so weniger ver­

säumen, da die Macht der Latiner durch sie vernichtet ward, und die übrig­ gebliebenen sich gezwungen sahen in der Botmäßigkeit Roms Rettung zu suchen; also daß durch sie der römische, nach den Königen untergegangene, 10s Staat wieder erstand. Aber Wiederholung der annalistischen Meldungen

voll Trug und Unwahrheit führt nicht zu ihrer Kenntniß, sondern Be­ trachtung in Massen wie sie aus weiterer Entfernung zusammentreten. Vor dieser theilen sie sich in vier Zeiträume. Der erste geht bis auf den Frieden mit den Volskern im Jahr 295; während desselben hat sich die Herrschaft der beyden ausonischen Völker in

Latium ausgebreitet, und, wenn auch eine Zeitlang aus Antium zurückge­ drängt, zulezt ihre größte Höhe erreicht. Den größeren Theil desselben, voll Dunkelheit, und mit spärlicher Kunde sehr weniger bestimmter Ereignisse, nimmt der gegenwärtige Abschnitt ein. Der zweyte Zeitraum geht von

184) Livius VI. 42.

85) De re p. III. 4.

und äquischen Kriegs.

II

403

jenem Frieden bis zum Sieg des Dictators Aulus Postumius Tubertus. Während desselben erhielten sich beyde Völker im Besiz des gewonnenen

Landes; aber das Band wodurch sie stark gewesen, war, bis zum Anfang des Kriegs den jene Schlacht entschied, aufgelößt; und auch für denselben nur zwischen Aequern und Ecetranern hergestellt. Bis dahin war Rom auch mit diesen wie mit den Antiatern befreundet, wenn auch nicht immer ohne Störung: mit den Aequern in unfriedlichem Verhältniß, häustg in offenbarem Krieg. Während des dritten blieben die Antiater in der Römer Freundschaft; Ueberwältigung der andern westlichen Volsker und ver Aequer schritt stetig vorwärts, bis Rom vor den Galliern fiel. Der vierte umfaßt an dreyßig Jahre: die Aequer sind vom Sturm der Zeit niedergeworfen; die Antiater verlaßen Rom nach siebzigjähriger Freundschaft, sie und die

ivsandern vorliegenden volskischen Städte sind mit den Latinern verbunden, und endigen indem sie theils in ihren Staat theils in den römischen übergehen. Ich bin weit entfernt auch nur zu bezweifeln daß der jüngere Tarquinius Kriege, und siegreiche, mit den Volskern führte: der aurunkische Stamm

ward gegen Latium vorgedrängt; ein Mährchen aber ist es mit der Zer­ störung von Suessa Pometia, wenn dieses eins mit Pometia gewesen seyn soll welches noch in den Zeiten der Republik vorkommt186); nicht weniger als mit den dort gewonnenen unermeßlichen Schäzen. Signia, dessen Gründung, Circeji, dessen Befestigung durch Colonen, ohne Zweifel historisch dem lezten Könige zugeschrieben werden, bezeichnen offenbar eine nicht entfernte feind­ liche Gränze: Terracina, welches noch zum römischen Königreich gehörte, mochte Botmäßigkeit als wohlthätigen Schuz betrachten: daß es auch zur Zeit des karthaginiensischen Vertrags noch tyrrhenisch war läßt sich mit Grund vermuthen wegen jener Verbindung mit Rom, auch weil es nicht unter dem volskischen Namen vorkommt. Allein als gleich nachher RomS

Stärke gebrochen war, wird es in die Gewalt der Eroberer gefallen seyn, denen sich 251 schon die beyden albanischen Colonien, Cora und Pometia loiergeben hatten87).

Die Eroberer werden Aurunker genannt, wie am An­

fang des fünften Jahrhunderts die von ihrem Stamm welche um untern Liris wohnten: auch haben die Chroniken denjenigen mit denen Römer vor dem Aufstand der Gemeinde zusammentrafen Kampanien Heimat zugeschrieben88). Der Krieg wodurch ihnen jene Eroberungen

den die als auf

186) Ich habe fast Zweifel an dem Daseyn dieses Suessa Pometia: dafür redet eigentlich nur

Suessa Aurunca, wo der Behname ein anderes Suessa als Gegensaz zu bedingen scheint: aber daS Adjectiv würde Pomptina seyn. Nach der Analogie müßte man annehmen es wären

zwey Orte vereinigt, etwa wie in der Kaiserzeit Laurolavinium, hier aber nach der Sitte des hohen Alterthums ohne Veränderung und ohne Copula ihrer Namen. 87) Der Ausdruck ad Auruncos deüciunt: (Livius II. 4 6.) wird doch niemand stören? Lage die Begebenheit

auch weit näher, so hätte der Römer nach dem Gedanken daß nichts entschuldige wenn eine Rom angehörige Stadt nicht lieber untergehe als dem Feind die Thore öffne, so sprechen können. Daß die Städte welche LiviuS latinische Colonien nennt albanische waren, s. oben, S. 364. 98) Dionysius VI. 32. p. 366. c. ia rrjg Kct^navMV /wo«? Titdia. Das ist um so weniger nach dem strengsten römischen Sprachgebrauch auf die Landschaft von

Kapua zu beschränken da die Griechen alle Osker Kampaner nannten.

404

Kritik des 1. volskischen und äqutschen Kriegs.

Siege der Volsker.

n

einige Zeit wieder entrissen wurden, kommt bey Livius zwehmal vor unter den Jahren 251, 252, und 259: ja, wer die Sache beym Licht besieht, wird

zugeben daß auch jene früheren angeblichen zwey Feldzüge in der That der nämliche sind, den verschiedene Annalen theils in 251, theils in 252, gesezt hatten *89). Aus dieser Verworrenheit kann nur so viel für historisch gelten daß beyde Orte wiedergewonnen wurden und Pometia unterging; wie es denn 261 unter den latinischen Städten fehlt, Cora aber vorkommt. Auch das ist nicht zu bezweifeln daß dreyhundert aus der mit Sturm eingenom­ menen Stadt enthauptet worden. Diese werden bald als Geisseln dargestellt bald als aurunkische Principes des £)rtd °o); sind sie Geisseln gewesen, foio» würden die alten Einwohner sich früher den Römern verdächtig gemacht haben, und, obwohl sie ihre Treue hatten verbürgen müßen, dennoch abge­ fallen seyn; und es ließe sich sagen daß auch hier die Zahl nicht nach unsern

Ansichten abzuwägen sey. Ungleich wahrscheinlicher ist es indessen daß diese Schlachtopfer, der Zahl nach einer römischen Colonie gleich, eine Aurunkische waren welche den Ort hatte behaupten sollen: daß die Römer ihn zerstörten

weil er öde lag, indem die alten Einwohner weggeführt oder umgebracht waren. Denn jene Grausamkeit ist doch nur als Rache begreiflich; und an

dem Zustand mehrerer Orte deren ich gleich gedenken werde zeigt sich augen­ scheinlich wie verheerend die volskischen Eroberungen waren. Niemand wird bezweifeln daß diese sich während des latinischen Kriegs ausbreiteten: und es mag für sicher gelten, sey es nun errathen oder über­ liefert, daß die Latiner zwischen Frieden mit Nom, der Anfangs die Zwecke des Kriegs nicht gewährte, und einem angebotenen Bündniß mit den Volskern wählten 9t). Diese konnten sich, ausser durch die Einnahme von Antium, nur von ihrem und der Herniker Gebiet vergrößern; und verheißene Ent­ schädigungen auf Kosten des römischen Staats wären wenigstens höchst un­ gewiß gewesen. Sobald der Friede hergestellt war, versäumten die Ver­ bündeten nicht ihre Gränze zu befestigen. Signia muß während jener Jahre

da Rom keine Hülfe durch das feindselige Latium senden konnte, verlorenem seyn; denn es ward 259 neu gegründet, und eine neue Colonie dorthin ge­ sandt 92). Es war aber die wiedergewonnene Landschaft an Ecetra gekommen gewesen 92)^ welches, zwischen Signia und Ferentinum gelegen9*), wohl eben in jenem Zeitraum durch eine volskische Colonie eingenommen war, und seitdem zur Mahlstatt des volskischen Staats diente der sich am Gebürg 189) Livius II. 16. 17. 22. 25. 26.

Dieselben welche, in der Version nach der früheren Zeit,

Aurunker heißen, nennt er unter 259 Volsker. Der behutsame Dionysius hat jene Erzäh­ lung weggeworfen. — Man vergleiche was unter 251 und 2 52 erzählt wird: es ist das nämliche Blutbad. 90) 300 Geisseln in den Jahren 251 und 259 : II. 16. 22. principes in 252. II. 17.

91) Livius II. 22.

92) Livius II. 21.

93) Es heißt bey dems. II. 25.

und Dionysius VI. 32. p. 366. c. den Ecetranern sey ihre Mark genommen: sie ward an­

gewiesen z * Xt}QOvxois (f>vlaxTjv tov €&vovs fcxTifcpApxHuH; die Aurunker (r. ‘P.) (fgovQav ajiayaymt: eine solche (pQOvga sind Eolonen in einer festen

Stadt, l^Th. 2. Anm. 81.], nicht zerstreute Ansiedler. Der oben angenommene Zusammen­ hang muß errathen werden, ist aber nicht zweifelhaft. 94) Liviu- bestimmt den Ort einer Schlacht zwischen Ferentinum und Ecetra IV. 61.

II

Siege der Volsker.

Kritik des 1. volskischen und äquischen Kriegs.

405

tilbete195): dessen Verfassung und Lanbrath wir uns ganz wie für die latinischen Städte zu denken haben. Die Ecetraner suchten Hülfe bey ihren entfernten Stammgenoffen, oder fortgedrängte Aurunker erschienen ungerufen in Latium, und drohten den Römern Krieg wenn jene Landschaft nicht wieder geräumt würde: bey Aricia wurden sie von jenem Heer geschlagen, welches der Consul Servilius größtentheils aus Pfandleuten gebildet hatte. Aber das Land räumten sie nicht; erst im folgenden Jahr, 260, ist Veliträ ihnen wieder entrissen worden. Daß diese Stadt, welche sich auch unter den dreyßigen befindet, ursprünglich volskisch gewesen, ist eine eben so verkehrte Vori07stellung wie die nämliche Ansicht über Antium; eö ist ganz unmöglich daß alsdann Cora, und die entfernteren Städte Latium hätten angehören können. Der Irrthum ist daraus entstanden daß diese Orte allerdings nachher volskisch wurden, und es blieben bis alles weil und breit unter römische Hoheit kam. Daß ihre Bürgerschaft nicht von fremdem und feindseligem Stamm gewesen seyn kann, zeigt der Wunsch den entvölkerten Ort durch römische und latinische Colonen herzustellen, welches 262 geschah. Es gleicht keiner erfundenen Erzählung daß damals nur ein Zehntheil der Einwohner übrig gewesen sey; aber eine Pest, welche einen einzelnen fern vom Meeresufer ge­ legenen Ort also getroffen, sich nicht über Latium und Rom erstreckt hätte"), ist eben so ein Unding, wie es widersinnig ist daß Volsker Feinde zu sich

geladen haben sollten, anstatt jener aurunkischen Volksgenossen, von deren Ankunft die Annalen selbst erzählten. Es ist offenbar die Kriegsnoth ge­ wesen, welche, erst bey der volskischen Einnahme, dann bey der Wieder­

eroberung, die Bevölkerung von Veliträ hingerafft hat. Gleiches Schicksal wird Norba gehabt haben, das im nämlichen Jahr 262, um die pomptinische Landschaft zu behaupten, Colonen empfingt). Keines dieser Bollwerke wird unter den Orten genannt welche Coriolanus und die Volsker in dem Feldzuge eingenommen haben sollen der in io8 der geltenden Geschichte ohne Verschiedenheit und Zweifel in das Consulat des Sp. Nautius und Ser. Furius gesezt wird. Von diesem sollte man erwarten daß er der Skepsis welche die Glaubhaftigkeit der Geschichte der ersten vier Jahrhunderte läugnet, nicht entgangen seyn, vielmehr daß er ihr als ein augenscheinlicher Beleg ihres Urtheils gedient haben würde; allein so flüchtig sind jene Betrachtungen unternommen daß dies nicht geschehen ist. Völlig übergangen wird die gänzliche Verschiedenheit beyder Geschicht­ schreiber über die Eroberungen, die sich bey Dionysius zum Theil in grade umgekehrter Ordnung von der welche Livius annimmt, folgen; da überdies jeder mehrere Orte nennt von denen der andre schweigt"). Solche Wider195) Ort der volskischen Concilia: Dionysius VIII. 4. p. 483. e. Livius III. 10. Lage: laeva ad monles Ecetram pergunt: ders. VI. 34. 96) Dionysius VII. 4 3. p. 4'27. c. vgl. mit Livius II. 34. welcher erzählt Veliträ sey erobert, und die Colonie nach Noms Beschluß hingesandt. 97) Ders. II. 34. arx in Pomplino: wonach der ager Pomplinus die GebürgShalde über den Sümpfen dieses Namens ist. 9R) Bey Livius: Satricum, Longula, Polusca, Corioli, Mugilla, Lavinium, Corbio, ViteUia, Trebia, Lavici, Pedum — bey Dio­ nysius : Toleria, Bola, Lavici, Pedum, Corbio, Carventum, Bovillä, Lavinium (wovon nur

406

Kritik des 1. volskischen und äquischen

11

spräche hätten nun eben nach den Marimen worauf jene allgemeine Vers werfung gegründet ist entscheiden können die ganze Erzählung als Fabel zu verdammen; und in der That kann nichts unglaublicher seyn als diese Verschiedenheiten über die eroberten Stävte, welche bey Aleranders asiati­ schen Feldzügen nicht so sehr auffallen möchten, aber in einer Geschichte wo keiner sonst mehr als die Einnahme einer einzelnen Stadt darbietet nicht denkbar sind. Gegen die Unglaublichkeit daß Tag für Tag ein fester Ort eingenommen worden, ohne einen Versuch die Eroberer aufzuhalten, ohneios daß ein römisches Heer nur aufgestellt.wäre; daß, bey der bloßen Annähe­ rung der Feinde Senat und Volk die Vertheidigung Roms auch nicht als möglich gedacht hätten; gegen diese gehäuften Unglaublichkeiten wird das Befremdliche in der Nachricht von Coriolanus ruhigem Greisenalter unbe­ deutend. Das ist so unwidersprechlich einleuchtend, daß, wenn es noch in unsern Tagen gläubige Anhänger der gewöhnlichen Geschichte gäbe wie ehe­

dem, selbst von diesen das Zugeständnis; nicht schwer zu erlangen seyn könnte, es müßten hier die Eroberungen mehrerer Jahre in ein einziges zusammen­ gedrängt, und Niederlagen verschwiegen seyn. Allein nicht zu erwähnen

daß ein Theil jener Widersinnigkeiten für den der sich nicht mit Ausreden begütigen läßt auch so ungeschwächt fortbesteht, so ist damit dem Ganzen nicht geholfen wovon jener Krieg einen Theil ausmacht. Niemand wird es denkbar finden daß die Volsker ihre Eroberungen geräumt hätten, wenn auch das Heer, seinem Eid gehorsam, den befohlenen Rückzug antrat: eben so unmöglich aber ist es daß sie, von Circeji bis Bovillä und Lavinium, vor Sp. Cassius drittem Consulat in der Gewalt der Eroberer gewesen wären. Dann würde von einem Ackergesez gar nicht die Rede gewesen seyn: die Allmende war verschwunden wenn Roms Gränze bis auf die fünfte Millie zurückgezogen war; wie nachher der Streit über das Ackergesez ver­ stummte, als siegreiche Feinde die streitige Landschaft eingenommen hatten. Die Latiner, auf jene wenigen Städte um das Albanergebürg beschränkt die eine lange Zeit nachher allein übrig waren, und die ebenfalls herabgekommnen no Herniker, umringt von erobernden Nachbaren, hätten im vejentischen Krieg keine Hülfsheere senden können. Waren die Eroberungen 266 vollbracht, wie nahmen denn die Aequer erst 25 Jahre nachher ihr Lager auf dem Algidus, und von der Zeit an alljährlich? Wie konnten die Römer nach zwanzig Jahren Antium gewinnen, ohne daß sich eine Spur von vorhergegangener Wiedereroberung der vorliegenden Orte findet?

Ich will wenig Gewicht darauf legen daß Krieg mit den Hernikern im Jahr nach solcher Demüthigung gar nicht denkbar ist, da ich wenig Glau­

ben an denselben habe: verbürgen möchte ich auch nicht die historische Wahr­ heit der Meldung daß ein sikeliotischer Fürst das Getreide geschenkt habe, welches Coriolanus der Gemeinde nur um den Preis der Aufopferung ihrer

gesagt wird daß es eingeschlossen worden): dann während der dreyßigtägigen Frist, Longula, Satricum, Cetia (?) Polusca, die Albieter (hier ist, wohl durch Dionysius Schuld, das Wort Albensis versteckt; welches aus die PoluScaner ging), Mugilla, Corioli.

u

Kriegs. Gage vom CoriolanuS.

407

Freyheiten hätte zukommen lassen wollen^); denn auch hier könnte ein weit spätere- Ereignis;, eine Freygebigkeit des ersten Dionysius 200), auf ältere Zeiten zurückgeführt seyn. Ist aber dieser Umstand der Sage wohl­ gegründet, so kommt zu erwägen daß Gelo damals noch nicht zu Syrakus herrschte, welches, wie auch die größten andern Städte der Insel, frey war; und es läßt sich keine Ursache erdenken weshalb jener damals eine Gunst gegen ui bie Römer ausgeübt haben sollte, wozu der Beherrscher seefahrender Städte durch gemeinschaftliche Feindschaft wider die Etrusker veranlaßt ward 1). Die Anklage über jene abscheulichen Rathschläge wird als Veranlaßung des Plebiscits angegeben, welches die Tribunen berechtigte den der ihre Verhandlungen mit der Gemeinde störte auf eine zu verbürgende Geldbrüche zu belangen 2). Da dies Plebiscit ein allgemeines Gesez ist, so muß eS iisjünger als das publilische, 283, kann aber auch nicht viel älter als 293 seyn, in welchem Jahr es zuerst gegen Cäso Quinctius angewandt ward 3). Jene Anklage selbst gehört in ihrer Form ven Verhältnissen an welche sich erst nach dem vejentischen Frieden, 280, zeigten; wo die Eonsuln welche das Ackergesez unvollzogen gelassen hatten, und nachher Appius Claudius, vor das Gericht der Tribus gezogen wurden, von dem CoriolanuS verurtheilt ward 4). Ohne Zweifel waren die Tribunen von Anfang her dazu be­ rechtigt gegen den der auf Vernichtung der beschwornen Richtung angetragen hatte; wie hätten sie es aber damals geltend zu machen vermocht, da sie wenige Jahre nach dem worin die Annalen CoriolanuS Verurteilung sezten, den Vertreter ihrer Rechte nicht retten konnten, und daS Wahlrecht sich mußten rauben lassen? Also wenn der Handel welcher CoriolanuS Unglück 199) Daß der Senat solche- Getreide hatte, bezweifle ich gar nicht, die Frage ist nur ob es ein Geschenk au- Sicilien war. 20°) Im Jahr 344, Ol. 94. 2. Livius IV. 52. nennt Siculorum tyranni: eS war aber damals Dionysius der einzige Fürst in den Seestädten: und eben ihn nannten die Chroniken in der Geschichte von CoriolanuS. ’) Dionysius, welcher jenen Anachronismus der ungelehrten Römer verlacht, zeigt sich hier schlau, indem er Gelo nur den mächtigsten unter den Fürsten in den sicilischen Städten nennt (VII. 1. p. 41 7. d.); der Leser selbst soll ihn sich schon damals in der Größe seines Königreichs denken. Ueber Gelos Geschichte findet sich eine zwiefache, ganz cntgegengesezte, Zeitrechnung, die sich um Ol. 75. 2. als einen Angelpunkt dreht, welches, oder der Archon TimostheneS, für die einen (es genügt hier Diodor zu nennen) sein Todesjahr, für die andern (f. Corsini fasti all. III. p. 170.) der Anfang seiner Regierung zu Syrakus ist. Die lczte Angabe hat für sich daS große Gewicht der in sicilischen Sachen höchst genauen parischcn Chronik, der bis auf eine nicht erhebliche Abweichung der Scholiast zu Pindar beystimmt, welcher Timäus zu gebrau­ chen pflegt: den auch der Verfasser jener Chronik um so gewisser vor Augen hatte, da seine Geschichte in demsclbtgen Jahr endigte wovon die Chronik zurückzählt. Die Umkehrung er­ klärt sich daher daß die Erzählung Glauben gewonnen hatte, es hätten die Griechen an dem­ selben Tage bey Salamis und Himera gesiegt; wo also Ol. 75. 1. innerhalb Getos Regie­ rung gebracht werden mußte. Auch dann aber trifft der Anfang seiner Regierung zu Syrakus etwa in Ol. 73. 3. oder 4: und Dionysius übersah es nicht daß seine Synchronistik, wonach 261, Ol. 72. I. war, nicht paßt: auch um eine Olympiade berichtigt, reicht sie nicht. In­ zwischen war Gelo in der 73. gewiß Fürst von Gela, für die vorhergehende ist es nicht erweißlich. 2) Drrs. VH. QovQ«. LiviuS verkennt daß Circeji erst damals volskisch ward. 25) LiviuS VI. 30. VellejuS 1. 14. 26) Dionysius VI. 3. p. 343. a. 14. p. 352. a. 27) Ders. VIII. 82. p. 548. d. 84. p. 650. c. ff. 28) Ders. VIII. 85. p.551.d. 29) Sie werden dargestellt al- Volk ohne Eigenthum, während die welche dieses hatten zurückgeblieben wären: Ders. IX. 60. p. 616. d. (vgl. LiviuS III. 4.) — Es sind keine andre als die Aequer (pvXaxtjg mxa 7i«(ionK, welche aus der Stadt abziehen: IX. 58. p. 615. b: ihr Eigenthum ging verloren: den alten Antiatern blieb daS ihrige. 30) Oben S. 377. Anm. 82.

414

Verschleppung des 1. volskischen Kriegs.

verwechselt werden.

Nothwendigkeit d. Statthalteramts.

tt

Von den Aequern heißt es daß sie 273 eine latinische

Stadt, Ortona, belagerten. Ich wiederhole nicht was über die einzelnen Feldzüge gegen beyde Völker erzählt wird: der stete Anspruch auf Siege ist

lächerlich, da nicht die allergeringste Frucht derselben angegeben wird: für unsre unbefangene Erwägung ist es vielmehr gewiß, daß jene fortschreitend Grund gewannen.

Roms Zerrüttungen, die usurpirte Ernennung der Con-

suln, in denen die Gemeinde keine Obrigkeit erkannte, woher bald die Bil-"ü düng der Legionen gehindert ward, bald die ins Feld geschickten ihren Dienst weigerten, — endlich der vejentische Krieg, schwächten oder vernichteten dm Beystand den Latiner und Herniker von ihren Eidsgenossen erwarteten. Nur durch einen Waffenstillstand ist es begreiflich daß sie hinwieder den Römern

274 gegen Veji zuzuziehen vermochten; auf einen solchen müßen sie auch gebaut haben da ihre Völker den Krieg 279 entscheiden halfen. Inzwischen hatten doch die zurückgebliebenen Wehrhaften einen Angriff abschlagen müßen: auch der Consul Sp. Nautius führte ihnen eine römische Legion zu, und die vereinigten Heere übten rächende Verheerungen.

Aber solche Vortheile wandten den Gang des Krieges nicht, noch stellten sie den Frieden her. Wenn nun auch andre Völker sich ruhig hielten, nur Aequer und Vol­ sker an verschiedenen Gränzen abgewehrt werden mußten, so versagte doch einer der wesentlichsten Vortheile welchen die Uebertragung der höchsten Ge­ walt an zwey Collegen zu gewähren schien: der, daß die Regierung, ja die

Rechtspflege, nicht unterbrochen werde. Auch jezt war ein Statthalter23*) nöthig, der ihre Gegenwart erseze, wie einst für die Könige: aber die ver­ änderten Verhältnisse führten auch für sein Amt Aenderungen herbey, durchs deren Entdeckung, und die Erforschung der Befugnisse des Amts, die Ge­ schichte wesentlich vervollständigt und erhellt; eine Entwicklung der Ver­ fassung weit über den Zeitpunkt hinauf wo sie zu beginnen scheint er­ kannt wird.

Das Statthalteramt. So oft die Könige im Felde standen, wurden sie zu Rom durch bett ersten Senator vertreten, der, wie sie, Eigeythum und Besiz gewährte, und in dringenden Fällen Vorsorge traf32). Auch jene Zeiten des Glanzes können nicht ohne Wechsel des Glücks gewesen sehn; hat innere oder äußere Gefahr gedroht, so ist der Statthalter ohne allen Zweifel befugt gewesen 231) Der Statthalter in schweizerischen Republiken ist der welcher das abwesende oder sonst be­ hinderte Standeshaupt vertritt: daß man im übrigen Deutschland gewohnt ist sich unter die­ sem Namen nur den zu denken der eine Provinz für seinen Fürsten regiert, kann den Ge­ brauch eines Worts nicht unangemessen machen, welches um so willkommner ist als es schleppende oder uneigentliche ersezt. Prüfert der Stadt kann um so weniger vorgezo­ gen werden, da sich dabey eben für den Gelehrten die Vorstellung an das später völlig ver­ schiedene Amt einspielt, und der Statthalter wenigstens bis zum Decemvirat nicht einmal so, sondern custos urbis hieß. Diese Benennung erlaube ich mir zuweilen durch Vogtey der Stadt zu geben; in dem Sinn wie der Vormund Vogt heißt, und der Schirmherr von Kirchen und Klöstern. 32) qui ins redderet, ac subilis mederelur: TaeituS Ann. VI. 11.

IC

Custos urbis unter den Königen, nur aus Ramnes oder Tities.

415

Völker auszuheben und zu bewaffnen, den Senat zu berufen, und die Cu­ rie» abstimmen zu lassen 233): dies alles muß Tacitus unter jener Vorsorge für dringende Fälle begriffen haben. Cs versteht sich daß, was verschoben bleiben konnte, die Rückkehr des Königs erwarten mußte. Die Erzählungen i27vom Ursprünglichen und den Umwandelungen der Verfassung berichteten: als der Senat nur noch aus hundert Männern bestanden, wäre einer von den Deeemprimi vom Könige zum Princeps des ganzen Senats erkoren, und ihm jene Vogtey der Stadt aufgetragen worden3*): mithin gehörte derselbe nicht nur nothwendig zu der Decurie der Jnterregen, sondern der custos urbis, wie jener Statthalter genannt ward35), war der erste in der­ selben. Daher hält Sp. Lucretius der jenes Amt bekleidet, als Jnterrer die Wahlen der ersten Consuln3^).

Die Rechtsbücher machten den Unterschied, der einst zwischen den beyden ersten Stämmen in der Art bestand daß die Geschlechter der Tities als min­ dere geachtet wurden, auch dadurch kenntlich daß sie erzählten: nach Rumas "»Tode wären die Jnterregen aus den größeren Geschlechtern gewesen, also da­

mals den Ramnes 37): und daß der Vogt, welcher als der erste, von Romulus erkorene, genannt wird zu ihnen gerechnet sey, bewährt zur Genüge sein Raines). Eben so aber ist ferner die Erzählung daß Tullus Hostilius diese Würde dem Ruma Marcius verliehen habe, hinreichend die Ansicht darzuthun daß auf der Entwicklungsstufe, welche mit dem Namen seiner

Regierung bezeichnet wird, die Geschlechter der Tities denen des ersten Stamms in der Weise gleichgestellt wurden daß auch sie ihre Stellen in der Decurie der Jnterregen hatten, und einer derselben erster Senator seyn konnte^). Diese Angaben schreiben sich höchst wahrscheinlich von GraccharmS her. Eine andre, die doch auch aus ihm hergeleitet werden könnte, und Ruma als Urheber des Amts nennt *"), ist auffallend: es hat die Ueberlieferer solcher Meldungen, die sie ganz gläubig vortrugen, doch be­ fremden müßen daß unter der Herrschaft ungestörtes Friedens dazu Veran-

laßung gewesen.

Sollte nun nicht Ruma Pompilius, als ernennend, nur

’33) Oben S. 289 ist gezeigt, daß die angebliche Berathung der vier Römer gegen die Tarquinier einen Senatsbeschluß, gefaßt unter dem Vorsiz des Statthalters Sp. Lucretius, darstellt. 34) ££ aTtavTüJV Eva tov aqiGiov «ji^öeiSev oj xccicc nokiv meto öelv Itutq&ieiv olxovop.ia$t ote avTo$ l^ayot (JiQaTiav v71E(>6(mov: Dionysius II. 12. p. 85.e. Er erkennt den Unterschied dieses ersten, und neun anderer, von den übrigen neun­ zig, und de» Vorrang jener Decurie; martert sich aber um den Senat der hundert mit drey Stämmen und dreyßig Curien zusammenzufügen, indem ihm nicht ahndet daß bey jener

Zahl nur an zehn souveraine Curien zu denken ist. — Auch Lydus sagt vom Präfeeten: TtQtoTEvEW yEQOvatas (pah'ETat: de mensib. 19. 35) Lydus a. a.O. TtQosöTTiGato (6 Novfiäg) tov rijs no^Etos (puXaxa. — Ders. de magistrat. I. 38. vjrap/Of — custos urbis 7iQOS«yoQEvo^EVo$. — Dies ist also in den von Drakenborch (de praef. urb. p. m. 3.) gesammelten Stellen, die eigenthümliche uralte Benennung: deshalb, als edel, gewählt. 36) Als Jnterrer, Dionysius IV. 84. p. 276. b. — als PräfectuS urbis, LiviuS I. fln. 37) Ix Ttuv 7iQECfßuT^Q(ov, Dionysius III. 1. p. 1 36. c. 38) Denter RomuliuS: TacituS Aunal. VI. 11. 39) TaeituS a. a. O. — Numa MarciuS

kommt, freylich in eine ältere Zeit hinaufgesezt, als Sabiner bey Plutarch vor: Numap.63. a.

40) Lydus de mensib. 19.

416

Castos urbis nur aus Raumes ob. Tities. Majores u. Mino res im Senat.

II

durch Schuld eines der vermittelnden Schriftsteller anstatt des ernannten Numa Marcius stehen, so möchten die pontificischen Bücher damit angedeutet haben daß, ehe die Senatoren der beyden Stämme sich gleichgestellt wurden, auch unter einem König aus dem sabinischen, die Statthalterschaft einem RamneS vorbehalten gewesen ist. Ein dritter aus der Könige Zeit, welcher den Luceres angehört hätte, wie jene beyden unverkennbar den größeren Ge-"» schlechtem, kommt nicht vor: konnte es auch nicht, da die Senatoren des dritten Stamms diesen so weit nachstanden. Ich kenne keine Stelle in den Schriften des Alterthums welche ein so weit verbreitetes Räthsel lößte, dessen Wort sonst niemals durch Scharf­ sinn oder Glück zu finden seyn würde, als jene Meldung Ciceros daß die Stimmen der mindern Geschlechter nach denen der größeren erfragt tour» den 2"); wir verdanken es dem der so herrliche Trümmer des Werks von der Republik aus dem Todtenreich ans Licht gebracht, wenn wir viele Er­ wähnungen die in beyden Geschichtschreibern erhalten sind, ganz anders als sie verstehen. — Zu allen Zeiten haben alte Rathgeber das Vorurtheil für sich gehabt weiser zu seyn als die Jugend: so denkt Thukydides; und Rehabeams Schaden wird den Rathschlägen seiner Altersgenossen zugeschrieben: und obwohl die Allgemeingültigkeit dieses Sazeö zweifelhaft seyn mag, so gehört er zu denen welche beyde Geschichtschreiber Roms, wie geistreich sie auch waren, unbedingt für wahr halten mußten. Indem nun der Doppel­ sinn der Worte maiores und minores die Deutung möglich machte daß unter den lezten, welche in der Geschichte mit allen Fehlern auftreten die der Ju­ gend zugeschrieben werden, heftig und voll blinder Leidenschaft, jüngere Männer zu verstehen wären, so dachte keiner von beyden an die Möglich­ keit eines andern Sinns, noch daran daß im Senatus, ehe seine ursprüng­ liche Einrichtung sich ganz verändert hatte, niemand seyn konnte der nicht"« an Jahren zu den Seniores gehörte; — und bey Livius vertauschte sich das für den Jüngern nicht mehr sehr gewöhnliche Wort minores mit iuniores. Wie nun hierüber jezt Licht aufgegangen ist, finden wir in Dionysius nicht nur jene Erwähnung in einem Beyspiel bestätigt, wo es heißt daß, nachdem die Majores abgestimmt, die Reihe an die Minores gekommen sey"): son­ dern wir können auch aus ihm selber, in einer andern Notiz die das Ge­ präge jener ganz vortrefflichen Berichte über das alte Staatsrecht trägt, erkennen daß Macer, — nach welchem er, wie anzunehmen ist, die Ver­ handlungen über die Aussöhnung mit der Gemeinde ausbildete, — einer andern noch größeren Zurückstellung der Minderen nicht eingedenk war, in­ dem er Sp. Nautius eine Rede in den Mund legte. Sie waren aber nur berechtigt mit stummem Munde dem Antrag des Consuls beyzutreten oder ihn zu verwerfen"): ich sage, ihm beyzutreten; denn ohne Zweifel waren 24 *) Cicero de re p. II. 20. 4Z) Dionysius VI. 69. p. 393. d. Inti dt al twv nytaßvtIqwv yvüjfiac trj Mivvxtov ngoglfrsvio, xal xa&rjxEV o Xoyog Int tou$ vtcotIqous, avtoTatai ^tioqios Navriog. 43) Ders. VII. 47. p. 453. c. tekevTaioi, (avÄnaVTO) ol vtWTaTOt, koyov p?EV ovdtva llyovits — Intxv^ovv V — JtoXloJV XT)7ii(i)v, ,ufT«AZü)P. Appian a. a.O. sagt ausschließlich von den nicht verheerten Ländereyen, IninQuaxov rj den verödeten sey eine Ertragssteuer aufgelegt: es scheint die Zurückgabe an die alten Einwohner gemeint.

432

n

Possessiones, Possessor. assignirte Theil des Gemeinlands

nicht verkaufte noch

Jahre verpachtet werden 295).

solle auf je

fünf

Fast zum Ueberfluß dient um zu erkennen

wovon sein römischer Vorgänger redete, daß er dem Ertrag der Pacht die­

selbe Bestimmung anweißt welche, nach Livius, Zweck des Vectigal war als

die Tribunen sich zuerst unter günstigeren Umständen bemühten es zu Lasten der Besizer des Ager publicus herzustellen: nämlich, Sold zu zahlen 06). Wir verlassen die nur vermittelnden Käufer oder Pachter des Rechts den vorbehaltenen Antheil der Republik

an

den

Erndten

auf dem Ager

publicus zu erheben, um das Verhältniß derer zu erörtern, welche untere Verpflichtung zu dieser Abgabe die Besizthümer inne hatten, die Gegenstand

der Ackergeseze waren. Diese Besizthümer

tragen den Namen Possessiones eigenthümlich: die

sie inne hatten heißen auszeichnend Besizer;

daß sie besizen ist der aus­

schließlich gebräuchliche, solenne Ausdruck von denen die einen Antheil am

Ager publicus haben, den sie übertragen und veräußern können, daS Eigenthum der Republik gehört9').

obwohl

Er war so richtig wie gebräuch-i6s

lich: sie hatten nur den Usus; die Republik den Fructus und das Eigen­

thum; und Aelius Gallus definirte die Possession,

sie seh der Usus von

Grundstücken im Gegensaz des Eigenthums ^).

Ein jedes Landgut heißt praedium; aber nur dasjenige dessen Eigen­ thum dem Besizer gehört, heißt in Beziehung auf ihn ager: was wir in

Besiz haben, unser Eigenthum aber nicht ist noch sehn kann, possessio. So sagt Javolenus"): eine andere Definition der römischen Possessionen giebt Festus, welche mehrere bezeichnende Merkmale der Besizungen im Ge­

meinlande

enthält.

Sie

werden

angegeben

als

weitläustige

Landgüter,

29 5) Dionysius VIII. 73. p. 541.c. 76. p.544. a. 9G) Livius IV. 36. 97) Es braucht keiner vollständigen Sammlung erweisender Stellen: folgende konnten schon früher genügen um den Sprachgebrauch klar zu machen. Cicero de offic. II. 22. qui agrariam rem tentant ut possessores suis sedibus pellantur. S.(TH. 2.; Anm. 275. Livius II. 61. Ap. Claudio, causam possessorum publici agri suslinenli. IV. 36. vectigali possessoribus agro• rum imposilo. 51. agrariae legis, quae possesso per iniuriam agro publico Patres pellebal. 53. si iniusli domini possessione agri publici cederent. VI. 5. nobiles in possessionem publici agri grassari. 15. nee iam possidendis publicis agris contentos esse. 35. ne quis plus D iugera possideret. Epitome LV1II. ne quis ex pu­ blico agro plus quam M iugera possideret. FloruS III. 13. reduci plebs in agros non (nicht unde) poterat sine possidentium eversione. — Paulus 1.11.1). de evictionib. (XXL 2.). Has possessiones ex praecepto priucipali partim dislraclas, partim veteranis adsignatas (unten (Th. 2.] Anm. 311.) Auf die allerbündigfte Weise unterscheidet Cicero adv. Rulium 111. 3. (12.) die Possessionen vom Eigenthum: unter andern: sunt mulli agri lege Cornelia publicati, nec cuiquam assignali neque venditi, qui a paucis — possidentur. — hos privatos facit: hos — Rullus non vobis assignare vult, sed eis condonare qui possident. Ferner: cum ea quae vestra sunt condonari possessoribus videatis. — Zu diesen Stellen hat Savigny (vom Besiz, 4. AuSg. S. 151) eine sehr wichtige beygetragen, aus Orosius, V. 18: eodem anno loca publica quae in circuilu Capitolii ponlificibus, auguribus, decemviris et flaminibus in pos­ sessionem tradlta erant, cogenie inopia vendita sunt. Orosius hatte durchgehends Livius vor Augen: wenn auch vielleicht nur mittelbar, in einem umständlichen Auszug. ") Oben (Th. 2.] Anm. 283. ") 1. 115. D. de V. 8. Auch im Gesez des Rullus wur­ den agri und possessiones sich entgegengesezt: Cicero adv. Rulium III. 2. (7.)

n

An den Possessionen kann kein Privat-Eigenthum durch Usucapion entstehen.

433

welche nicht durch Mancipation, sondern zur Benuzung besessen wurden, und nach Willkühr eingenommen waren 3(X)). Die erwähnte Weitläuftigkeit dieser Grundstücke ist etwas nur zufälliges; und der Zusaz privatique ver­ derbt die Erklärung, wahrscheinlich durch Festus Schulv: Verrius mag ge­ sagt haben, auch Privatgrundstücke wovon man nur den Usus habe würden Possessionen genannt: und dies ist richtig; aber die übrigen Bestimmungen der Definition sind der Domaine eigenthümlich. 163 Diese Possessionen entstanden, nach vielfachen Zeugnissen, ursprünglich durch Occupation oder Besiznahme auf der verödeten Flur^); wie Vas in allen und jeden Dingen entgegengesetzte Grundeigenthum durch bestimmte Anweisung und Ueberantwortung von Seiten des Staats 2). Ungeregelte Willkühr ist dabey aber doch nicht denkbar: aus ihr müßten Gewaltthätig­ keiten und Verwirrung geflossen seyn: durch welche Ordnung diesen vor­ gebeugt ward, darüber schweigt Appian, welcher lehrt, daß die Bürger vom Staat — also durch das Evict einer Obrigkeit — aufgefordert wurden, die wüsten Strecken zur Benuzung in Besiz zu nehmen 3). Einmal bestehend, waren sie nicht anders als Eigenthum der Vererbung und Veräußerung isifähig^): allein nie konnte bey ihnen Eigenthum durch Usucapion entstehen. Diese war, nach einer Grundregel des alten Rechts, gegen den römischen Staat schlechterdings unmöglich 5): worauf sich in Javolenus Definition der Ausdruck bezieht: was unser Eigenthum nicht seyn kann. Vielfache Bey­ spiele und Erwähnungen wie Domainengrundstücke dem Staat aus langer Usurpation zurückvindicirt worden, in Geschichtschreibern, Agrimensoren und Inschriften, zeigen wie streng dieser Grundsatz von der ältesten Zeit bis auf Vespasians Censur geltend gemacht ist. Ohne diese Sicherheit würde der Staat durch Fahrlässigkeit seiner Beamten endlosen Verlust erfahren haben; er hätte die Benuzung gar nicht gestatten können. Das Eigenthum blieb der Republik bis sie eö förmlich übertrug, mit uneingeschränkter Befugniß den immer precaren Besiz aufzuheben, und die erledigten Grundstücke zu ver­ kaufen oder zu assigniren. Der Unterthan, der das eingeräumte Land seiner 30°) Possessiones appellantur agri late patentes publici privatique, quia (1. qui} nou mancipatione sed usu lenebanlur, et ul quisque occupaverat collibebat (1. colebantur). Festus s. v. ’) Bey den Agrimensoren wird dies sehr häufig angedeutet: so gleich bey Siculus Flaccus p. 3. nec tantum occupaverunt quod colere potuissent, sed quantum in spe colendi reseivavere. Auch Livius VI. 37. nec agros occupandi modum — Patribus fore: — und Festus s.v. Possessiones — s. (Th. 2.] Anm. 300. Sibi sumere: Tafel der Ler Thoria. Der entsprechende Ausdruck für das Verhältniß des Staats war Concession. Im Gesez des RulluS waren vom angewiesenen Eigenthum die Ausdrücke publice data, assignata gebraucht: von den Possessionen concessa. Cicero adv. Rull. III.2. (7.). Daß Dionysius (VIII. 73. p. 541. b.) von der Limitation des Ager publicus (nämlich, nach seiner Ansicht, der zu verpachtenden Ländereyen) redet, ist ein schla­ gendes Beyspiel wie er kecklich wagt höchst dunkle Begriffe von den eigenthümlichen römischen Verhältnissen anzuwenden, und es dann grade verkehrt trifft. ?) Diese Felder sind bie agri assignati, jene bie occupatorii; diese limilali, jene arcilinales : die latifundia arcentium vicinos: Plinius XVIII. 4. 3) Inty/qQimov, Appian a. a. O. 4) (Th. 2.) Anm. 275. 5) Frontinus (der sogen. Aggenus 11.) de conlrov. agrorum, tit. de allu-

vione p. 69. ed. Goesii, Niebuhr, Röm, Gesch,

434

An den Possessionen kann kein Privat-Cigenthum durch Usucapion entstehen.

II

Vorfahren baute, konnte nicht murren wenn sie für gut fand anders darüber zu verfügen 30C): und nicht unverlezlicher war der Besiz des Bürgers, selbst innerhalb der fünfhundert Jugern welche das licinische Gesez zu überschreiten verbot, nicht sie zusicherte: obwohl Tiberius Gracchus den Besiz bis zu

doppeltem Maaß achtete und bestätigte. Unzweifelhaft beweisen die folgenden Beyspiele. Der ager trientius tabuliusque, womit der dritte Termin der Anleihe aus dem hannibalischen Krieg abgetragen ward, lag um Rom: es war den Staatsgläubigern erlaubt sich innerhalb fünfzig Millien um die iss Stadt Grundstücke auszusuchen, welche doch hier nothwendig alle im Besiz römischer Bürger seyn mußten 7). So war die Feldmark von Kapua zwischen einer großen Menge kleiner Besizer, römischen Bürgern, getheilt: dennoch war nicht das Recht streitig sie ihnen zu entziehen um eine Colonie zu gründen, nur die Billigkeit und Klugheit 8). Als Appius der Blinde weit und breit Domainen verkaufte um die fast unerschwinglichen Kosten seiner Riesenwerke zu decken, mögen viele Fa­ milien, welche ausgewiesen wurden um den Käufern Raum zu machen, den Unternehmungen geflucht haben welche ihr Glück zerstörten; aber das Recht der Republik konnten sie nicht läugnen. Es konnten dabei ungemein harte Fälle eintreten: hätte es bloß Güter betroffen, die von den ersten her welche sie occupirt hatten vererbt waren, so wäre es leidlich gewesen ein Besizthum zu verlieren das ohne Kosten erlangt worden. Aber wenn sie auch gekauft oder auf andere Weise als Geldeswerth angenommen waren, immer gingen sie dem Besizer eben so verloren als ob sie durch ein Unglück zerstört wären: er konnte keine Eviction ansprechen; ja in einem Gutachten über einen be­ stimmten Fall findet Paulus den ausgetriebenen Besizer pflichtig den noch rückständigen Termin des Kaufgeldes zu zahlen 9). Es ist kein Grund an­ zunehmen daß die Richter fünfhundert Jahre früher eine ausgleichendere An-iss sicht gehabt haben würden als diese späten Rechtslehrer welche die gemeine Domains nur noch in seltenen Beyspielen kannten; wie derselbe Paulus von

ihr unter dem Namen agri publici redet, und lehrt: ihr Besiz, da sie auf ewig verpachtet wären, könne nur unmittelbar vom Kaiser zurückgerufen werben10): von diesem freylich, wie das angeführte Beyspiel zeigt, ohne Entschädigung H). 306) Cicero adv. Rullum 11.21. (57.).

') Livius XXXI. 13.

8) Cicero adv. Rullumll. 31. (84).

Es war nur eine interimistische Concession: oux ayovits n(o (tyokriv xt]ovttov lp Toawd'e tol$ ^ä^Xouaip Ixnovuv: Appianus a. a. O.

evict.

i") Paulus I. 11. D. de public. et vectig. (XXXIX. 4.)

Ijis9) 1.11. D. de

n) Der Fall worüber

Paulus jenes Gutachten abgab betraf ein Landgut im römischen Germanien, auf dem rechten

Rhcinufer, in der äußersten Militargränze.

Auf sie war jezt, wie eS scheint, diese Form des

alten Lesizes beschränkt, und dauerte hier fort bis auf Honorius und Theodosius. EineVerordnung des Jahrs 423 vertilgte auch dies uralte Recht: der Kaiser verwandelte den bisheri­

gen Besiz in volles Eigenthum (I. un. C. Th. de rei vindicat. — II. 23.).

Diese ist zu

Ravenna gegeben: überhaupt scheint die Sache dem östlichen Reich fremd gewesen zu seyn; und es ist kein Wunder daß nicht nur jene Constitution im Coder fehlt, sondern auch in den Pandekten kaum eine Spur des alten Rechts vorkommt. — Von den kaiserlichen Kammer­ gütern, die auch dem Privateigenthum entgegengesezt werden, ist hier die Rede nicht. Häufig aber reden die Pandekten, auch in einem eigenen Titel, von den städtischen Vectigal-

II

Insten aus den Clienten auf dem ager publicus.

167

Man sieht leicht daß der Verlust leidlich war wenn häufige Ausübung des NechtS der Republik auf die Unsicherheit des Besizes aufmerksam machte, und den Kaufwerth solcher Güter niedrig hielt; ja es mag Falle gegeben haben, wenn die Censoren sie in großen Massen zum Verkauf brachten, also wohlfeil losschlagen mußten, wo der Besizer es wohl zufrieden war um einen niedrigen Kaufpreis die Sicherheit volles Eigenthums, und Befreyung vom Zehenten, zu erlangen. Unter entgegengesezten Umständen,

435

wenn der Besiz lange Jahre nicht durch agrarische Geseze erschüttert war, konnte der Kaufpreis den Kapitalwerth des Zehenten abgerechnet, dem deS

Eigenthums sehr nahe kommen. Eben so precar wie dieser Besizstand gegen den Staat, war gegen die Patrone derjenige ihrer Clienten, denen sie als Preis der Hörigkeit ein kleines Grundstück von ihrem Antheil an der Domaine eingeräumt hatten. Sie i«8verliehen es ihnen, heißt es, wie den eigenen Söhnen 312): und die Dauer jedes Besizes den der Sohn vom Vater empfing, stand gänzlich in dessen Willkühr. Man nenne es keine moderne Idee daß sie, gegenseitig in einem ganz freyen Verhältniß, durch eine Käthe und ein Paar Morgen für die Dauer ihrer Dienste mit dem Gut verbunden gewesen wären: das Gesez gebot die Ansiedelung freyer Insten im Verhältniß der Fläche jedes Besizthums vom Gemeinfeld ^). Ein solcher Client, ein armer Häusler, war auf des alten Catos Gut Salonius, dessen Tochter er heirathete. Was in späterer Zeit verordnet werden mußte, und nicht befolgt ward, war vor Alters, als die Macht der Patricier auf der Menge ihrer Clienten beruhte,

ihr eigenes Bestreben: es war aber billig daß der Possessor sich eines unnüzen und ungetreuen Knechts müße entledigen können; und deshalb trat keine Macht schüzend für diesen ein wenn der Herr seine Belehnung zurück­ nahm und ihn entließ. Der Wechsel des Besizes auf dem Gemeinland war von allen Förmlich­

keiten entblößt die erfunden worden um dem Eigenthum Sicherheit zu geben: gittern. Diesen haben die welche sich dem richtigen Begriff am meisten näherten, die Vesizungen des Gemeinlandes gleichgestellt: doch ist der rechtliche Unterschied nicht weniger groß als der Gegenstände Umfang und Wichtigkeit. Drey Hauptpunkte sind hierüber entscheidend. I. Es ist bemerkt worden (S. 433. Anm. 305.) daß der rechtliche Besizer nie ein Grundstück des römischen Volks usucapiren konnte: Vectigalgüter der Städte konnten so usucapirt wer­ den (Savigny vom Besiz, 2. Ausg. 110.). — 2. Nach Paulus (I. 1. D. §. 1. si ager vecligalis. VI. 3.) hatte der Vectigalbesizer eine Klage gegen das Municipium, wenn ihm bey richtiger Zahlung der Erbpacht (1. 2. eod.), sein Grundstück entzogen ward, — gleich dem Zeitpächter (1. 3. eod. —: nach welcher bestimmten Angabe I. 1. pr. tamdiu und quamdiu mit Haloander versezt werden muß, welches die Florentina sinnlos umstellt). Hier­ nach war der spätere Vectigalbesiz von dem emphyteutischen nur in Hinsicht der verpachten­ den Personen verschieden, dort nothwendig eine Commune, hier auch Privatpersonen. Die römische Republik hatte ein unbeschränkte- Recht den Besizer ohne alle Entschädigung zu ent­ fernen. 3. Ein Municipium überließ die Erbpacht seiner Grundstücke einem jeden, durch Contract: die Republik den Mitgenossen der Souverainetät, oder den alten Einwohnern, durch Concession. 3I2) Patres — agrorum partes attribuebant tenuioribus, perinde ac liberis propriis. Festus im Auszug, und Fragment. Von ihren Heredien konnten sie solche Stellen nicht ab­ geben. ") Appian de bell. civ. I. 8.

436

Die possessorischen Interdikte.

II

alle Klagen und Rechtsmittel wodurch dieses behauptet ward, fehlten ihm: es wäre ohne Schuz gegen Gewaltsamkeit und Unredlichkeit gewesen, wenn nicht die höchste Gewalt welche ihn verliehen, und eingeladen hatte ihn zu ergreifen, diesen bereit gehalten hätte. Er ward durch die possessorischen Interdikte gewährt; denn ich halte nichts für unzweifelhafter als derselben unmittelbare und ursprüngliche Beziehung auf diesen Besiz. Ausdrücklich iss wendet Cicero sie darauf an314): und bey den Berathungen über das Ge­ meinland, und dem Bericht über das icilische Gesez, fehlen sie bey DionysiuS nicht"): nur über die Stelle wohin sie gehören, sieht er auch hier, wie sonst unzähligemal, falsch. Unmittelbar auf den Besiz des Ager publicus deutet der Inhalt der prätorischen Schuzgebote: freylich nicht die Formel des Interdikts uti possidetis wie wir sie jezt aus dem beständigen Edict lesen, denn hier ist die Rede von Häusern; wohl aber die weit ältere, ur­ sprünglich aus Aelius Gallus erhaltene^); biefc redet ausdrücklich von

einem Fundus. Wenn aber der Prätor nicht gestattete daß daö willkührlich ver-"o liehene (precario) gegen den Geber als fester Besiz angesprochen werde, den er wie er bestand (uti possidetis) unter seinen Schuz nahm; so schüzte er nicht minder den unabhängigen kleinen Besizer, indem erden ge­ waltsamen Besiz (vi) für ungültig erklärte. Auch über diesen klagten die Gracchen und alle Bolkssreunde ihres Zeitalters bitterlich: während der Soldat gegen den Feind diente, vertrieb der mächtige nach seinem Gütchen lüsterne Nachbar sein Weib und seine Kinder. Bey Eigenthum war dies offenbar unmöglich: auf dem Gemeinland konnte es bey der Entfernung vieler Gegenden von römischer Jurisdiction leicht gewagt werden. Dem Abwesenden, dem Reichen wie dem Armen, konnten ihm unbewußt (clam) Felder von den Nachbarn entzogen werden, wo keine Limitation schüzte: auch da gewährte der Prätor Hülfe; und in keinem Fall konnte der ent­ zogene Besiz durch Verjährung verloren gehen, die nur das Eigenthum be­ traf. Alle Deutung auf das Verhältniß zum Staat ward durch die Formel einer vom andern (alter ab altero) ausgeschlossen. 3I4) Cicero adv. Rullum Hl. 3. (11.). Haec trib. pl. promulgare ausus esl, ut quod quisque — possidet, id eo iure teneret quo qui oplimo privatum? Etiamne si vi eiecit? etiamne si clam, si precario venit in possessionem? Ergo hac lege ius civile, causae possessionum, praelorum interdicta tollunlur. 15) Et ttva ££ avTTjs zXehiovte71 Zeiten, wo jene Interdikte schon als gebräuchlich vorkommen, gar nicht schwer fiel: also daß diese Anwendung, verglichen mit der auf den Ager publicuS, damals nur sehr unerheblich gewesen seyn kann. Allerdings mußte sich dieses Verhältniß umwenden als das römische Recht auch für den eigent­ lichen Provinzialboden geltend ward, und der Geist der Zeit in Italien selbst Vernachläßigung der beschwerlichen Formen der Uebertragung deS Eigenthums immer allgemeiner machte; während eben daselbst der Ager publicus allmählig verschwand. Seine ungeheure Ausdehnung war durch die Ackergeseze von Tiberius Gracchus bis auf den marsischen Krieg, wäh­ rend desselben durch Verkauf, ausserordentlich geschmälert; und wenn die Eroberungen in diesem Krieg, und die Confiscationen der bürgerlichen, große

Bezirke wieder hinzugefügt hatten, so waren diese alsbald an Militarcolonien weggegeben. Der Krieg wodurch Bespasian das Reich eroberte, und die Belohnungen seiner Legionen, hatten die lezten großen Veränderungen dieser Art, bedeutende Ackeranweisungen an die Veteranen in Samnium^?), verursacht: darauf aber vindicirte seine strenge Sparsamkeit alle von den aufgetheilten Territorien übrig gebliebene, vom Staat nicht ausdrücklich ver­ gebene, von den Colonien und Municipien als Communalland usurpirte Landstriche, die subseciva. Diese Maaßregel erschütterte das Vermögen fast aller Landstädte, und Domitian ward durch ein Edikt welches dieses sämt­ liche Land den Gemeinden schenkte die es früher benuzt hatten, der Wohli72thäter Italiens^): aber damit verschwand auch fast alles Landeigenthum des Staats; und ein Schriftsteller, der wahrscheinlich in das zweyte Jahr­ hundert n. Chr. gehört, weiß nur noch in dem damaligen Picenum, um Reale, von Ländereyen welche Eigenthum des römischen Volks waren, und deren Steuer der Schaz empfing 19). Bis auf so unbedeutende Ausnahmen war nun das Gemeingut (publi­ cum) des Staats in der Halbinsel beinahe auf Ströhme, Ufer, Straßen beschränkt: und so mögen schon die Verfügungen des Edikts über dasselbe, nicht bloß die Erläuterungen welche wir in Bruchstücken lesen, fast nur

diese Gegenstände betroffen haben. Aber nichts desto weniger kann der Um­ stand daß, nach der Ordnung der Abhandlung in Ulpians Commentar, wie in den Pandekten, jene Interdikte auf die Verfügungen welche das Gemein­ gut angingen im Edikt gefolgt zu seyn scheinen20), als eine Bestätigung dafür gelten daß sie ursprünglich den Ager publicus betrafen. 3I') AggenuS de conlrov. p, 54. 1S) Frontinus (Aggenus II.) tit. de subsecivis p. 68. 69. 19) Siculus Flaccus p. 2. Auch einige Forsten: Frontinus p. 42. 20) Die Verfügungen über das publicum stehen Big. XLI1I. til. 6 —15, dann folgen die Jnterdicte: bey Ulpian standen jene im 69. diese im 70. Buch des CommentarS.

438

Die bonorum possessio.

II

Diese hat Savigny mir mitgetheilt, als ich ihm meine Untersuchungen über den Ager publicus und die Ansicht über den Gegenstand der Unterbiete vorlegte: nicht ohne Aengstlichkeit auf einem Boden zu straucheln den ich

als Fremder betrat. Sein Beifall gab meinen Schritten Sicherheit; und als nachher jene Untersuchungen bekannt gemacht wurden, verdanke ich es vor allem seiner öffentlich ausgesprochenen Zustimmung daß ihre Ergebnisse nun wohl ganz allgemein angenommen sind; anstatt daß sonst der Un-173 zünftige für die Vermessenheit die Wahrheit zu entdecken, gebüßt haben würde. So wagte ich es denn schon vor einigen Jahren in mündlichen Vorträgen

die weitere Anwendung des Sazes auszusprechen, daß der Prätor sich den Schuz der Possession auf dem Ager publicus angelegen seyn ließ. Eine geringe Vergegenwärtigung der Verhältnisse genügt um zu über­ zeugen daß eine Erbschaft nur Eigenthum befassen, daß namentlich ein Testa­ ment durch Mancipation den Besiz niemals enthalten und übertragen konnte. Ohne Hülfe des Staats wäre er bey jedem Todesfall erledigt gewesen, und hätte dem ersten der sich seiner bemächtigen wollte offen gestanden: aber die­ selbe höchste Gewalt welche ihn ursprünglich verliehen hatte, gegen Beein­ trächtigung schirmte, verlieh ihn dem Erben, der dann ihren Schirm gleich seinem Vorgänger anrufen konnte. Der Prätor gab die Poffession des Grundstücks dem der es, wenn es Eigenthum gewesen wäre, nach Landrecht oder dem lezten Willen des Verstorbenen, als Erbe angesprochen haben würde: weil aber der Staat über sein Eigenthum frey verfügen konnte, so

war auch die Obrigkeit nicht nur durch die Regeln des gesezlichen Erbrechts nicht streng gebunden, sondern sie konnte auch von den leztwilligen Ver­

fügungen abweichen, die über diese Gegenstände nur als Wunsch galten. Billigkeit und Verständigkeit durften sie bestimmen; also jeden Prätor wie er sie erkannte; und einer konnte hierüber ganz anders verordnen als seine Vorgänger. Eine Magistratur die es sich hätte anmaßen dürfen ein Erbrecht ein-174 zuführen wodurch das gesezlich bestehende untergraben werden solltest), ist eine Monstrosität welche kein verständiger Mann, sobald er sich die Sache verwürklicht denkt, für möglich halten kann. Wenn aber über die Nuzung des Eigenthums der Republik, welches ganz ausserhalb der Gesezgebung lag, ein System sich festgestellt hatte, und diese Nuzung einen so großen Theil alles Vermögens ausmachte wie es zwischen dem hannibalischen Krieg und dem sempronischen Gesez der Fall war: wenn das Eigenthum in den zu­

gewandten Ländern und Provinzen, welches auch nicht unter das Erbrecht der XII Tafeln gehörte, derselben gleichgestellt ward; — so bildete sich durch Gewohnheit ein Erbrecht, dessen allmähliche Ausbreitung zum Nachtheil des gesezlichen gar nicht mehr befremden kann. Es mögen äusserst wenige Verlassenschaften, über das Maaß der Dürftigkeit, eröffnet sehn, wo 321) Diese ganz unverständige Meynung trägt, um nur einen sonst sehr ehrenwerthen Gelehrten zu nennen, HcinecciuS so vor als ob die Sache ganz klar wäre, und gar nichts anstößiges in sich hätte.

II

Die bonorum possessio. daS Erbrecht genügt hätte, wesen wäre.

das

Eintreten

des

439 Prätors

entbehrlich ge­

Daß die Bonorum Possessio im Recht der Kaiserzeit eine andre Gestalt und Wesen hat, weiß allerdings jedermann: aber dergleichen Veränderungen sind dem bürgerlichen Recht der Römer eben so gewöhnlich wie ihrem

Staatsrecht, oder den Rechten der neueren Völker. Es hing gleich diesen von der Gewalt der innern Umbildungen ab; ja es war eben so wenig gegen 176ben Einfluß von Misverständnifsen gesichert welche arge Ungerechtigkeiten förderten. Unkunde des einheimischen Rechts hat in Irland nach Thrones Rebellion die Confiscation des Landeigenthums aller Unterthanen der empörten Häuptlinge veranlaßt; man wandte gern die Grundsäze des Lehn­ rechts auf sie an, welches der Nation ganz fremd tour 322): gleiche Unkunde hat veranlaßt daß deutsche Gerichte den erblichen Besizern, die dem Guts­ herrn nur zu Laudemien, leichten Diensten und einer bloß anerkennenden Entrichtung pflichtig waren, ihre Rechte abgesprochen, und dem habsüchti­ gen Herrn die Befugniß zuerkannt haben, sie auf Zeitpacht zu sezen, und nach Belieben auszustoßen. Eben so hat die römische Jurisprudenz an den Provinzialgrundstücken gesündigt. Es ist unstreitig daß sie schon unter den Ant-oninen das Eigenthum des Bovens in den Provinzen dem römischen Volk oder dem Kaiser zuschrieb, je nachdem dieser oder jenes als Souverain betrachtet rtmrb23). Die freyen verbündeten Srädte, wie Rhodus, würde Gaius selbst als Ausnahme haben gelten lassen: aber ausser solchen nennt Cicero im Umfang der Provinz Sicilien rechts- und steuerfrehe Orte ohne Bündniß; ja, durch den Gegensaz sehr weniger, deren Landschaft durch den Krieg an Rom verfallen war, erkennt er daß der Boden in den übrigen Orten, die zehentpflichtig waren, Privateigenthum sey"): freylich nach i7vfremdem und allgemeinem Recht2^). Von einer Feldmark in Sicilien er­ wähnt er, es werde bestritten ob sie den Einwohnern oder dem römischen Volk gehöre 26). Es ist kein Wunder daß auf der einen Seite die Erwer­ bung des Orients und Aegyptens, wo von jeher der Boden Eigenthum der Landesherrschaft war, auf der andern die Eroberung von Gallien und den

Gränzprovinzen, als Massen die älteren Provinzialländerehen weit über­ wiegend, ihren Rechtsstand für die Regierenden und Richtenden zu Rom eben so verdunkelten wie die Verhältnisse der Bauern in eroberten wendi­ schen Ländern über die in angränzenden deutschen Landschaften irre geführt haben: auffallender ist es daß die Wahrheit die in Büchern stand in sechszig Jahren vergessen war: da noch Frontinus die arva publica in den Pro­ vinzen im Gegensaz der agri privati in denselben genannt hatte. Der Unterschied zwischen diesen und dem Landeigenthum italisches Rechts war 322) Ueber diese Greuel der Ungerechtigkeit redet Sir John Davie (unter K. Jacob I.) höchst auf­ richtig in den äusserst lehrreichen hislorical Iracts. 23) Gaius Inst. II. 7. '") S. (Th. 2.) Anm. 277. 25) Freylich taillable et corvöable ä volonte. 2b) Rullus hatte in Sici­ lien einen ager Recentoriciis vom Verkauf ausgenommen: si privalus est, sagt Cicero, so ist es ja unnöthig ihn auSzunehmen: adv. Rull. 1. 4. (14.)

440

Die romulischen Ackercenturien.

Drcytheilung der romulischen

n

nur daß jene Grundsteuer entrichteten, Steuerfreyheit zum Wesen der lezten

gehörte 327).

Die Landanweisungen vor Sp. Cassius. Man mochte Rom als Colonie von Alba, oder als die des Göttersohns denken der die Stelle einer Mutterstadt einnahm, so ward über seine Grün­ dung angenommen, und als überliefert berichtet was bey Colonien gebrauch-1?? lich war. Wie Romulus das Pomörium mit dem Pflug bezeichnet haben sollte, so ward ihm auch die Anweisung von je zwey Zugern als erbliches Eigenthum, an jeden seiner Bürger, zugeschrieben und daß diese kleinen Loose auch zu Rom in uralten Zeiten würklich bestanden haben, kann un­ möglich in Zweifel gezogen werden. Hundert solcher bildeten eine alte Cen­ turie, von zweyhundert Zugern Baufeld29), eingeschlossen von Reinen die als unwandelbare Gränzen nach den Regeln der Himmelschau gezogen waren. Dieses war die Flur einer Curie: daß jede eine gleiche besaß, gehört zu den Ueberlieferungen des alten Rechts^'): und daß für die Curie hundert Haus­ gesinde angenommen wurden, erhellt daraus daß für die dreh Stämme dreytausend Wehren gezählt sind 31), wie die Colonen von Antium als tausend Soldaten bezeichnet werden: also ist unzweifelhaft die Angabe von tausend

Hausgesinden im anfänglichen Rom von den Ramnes verstanden worden32), wenn sie auch ursprünglich einen Zustand betreffen sollte, dessen Andenken absichtlich vertilgt ist. Als Hundert von Bürgern wird die Curie auchi78 durch die Decurien welche sie enthielt, bezeichnet33). Jede Ackercenturie war eine Gesammtheit, welche ihren Theilnehmern bürgte3^), jede Curie eben­ falls; es ist eine undenkbare Jnconsequenz daß das Eigenthum des ohne Erben verstorbenen Bürgers an sein Geschlecht, die Verlaffenschaft desjenigen der zulezt von einem ausgestorbenen Geschlecht überlebte nicht an die Curie in der eS enthalten war, verfallen sey3^). Als die Potitier erloschen mußte 321) AggenuS zum Frontinus p. 47. ed. Goesii. Ideo publica (arva) hoc loco eum dixisse exislimo quod omnes etiam privati agri (in provinciis) iributa atque vectigalia persolvunt. 29) Oben (Th. 2.] Anm. 92. 20) Siculus Flaccus ed. Goes. p. 15. und Barro de re r. I. 40: der hier daS Richtige angiebt, anderswo, de 1. 1. V. 4. (IV. p. 4 0. Bip.). auf dieselbe Weise wie man die ursprünglichen Centurien der Legion aus 4 00 Män­ nern bestehend dachte, eine Centurie von 4 00 Zugern, die nirgends vorkommt, auch wohl nie war, als die ursprüngliche annimmt. 3n) didtov tt)V yriv dg TQidxovTa (f. (Th. 2.] Anm. 3 44.) xXtiqovs iGoug, exdöTy (ppaTgy xlijgov dndStoxtv eva. Dionysius II. 7. p. 82. d. 3|) singulae Iribus singula millia militum millebant, Varro de 1. 1. V. 4 6. (IV. p. 26). ") (Th. 2.) Anm. 94. 33) Dionysius a. a. O. ") Hierauf beruht die agrarische Controverse de modo. Wenn der Strohm ein Stück wegriß, oder ein Erdfall entstanden wäre, so traf der Verlust alle Eigenthümer in der Centurie im Verhältniß ihres Maßes. 3r’) Kam die Verlaffenschaft des Erbenlosen an das Geschlecht zum gemeinschaft­ lichen Besiz, oder an die Gentilen, so daß sie zwischen ihnen getheilt ward? Ich vermuthe das lezte; stehe wenigstens nicht an als ein Beyspiel allgemeiner Vertheilungen in den Curien die plautinischen Verse gelten zu lassen: Aulul. I. 2. 29. Nam noster nostrae qui esl magister curiae Dividere argenii numos dixit ih viros. Uebersezung aus dem Griechischen wenn die Sache zu Rom nicht vorkam ist mehr als unwahrscheinlich: freylich war eine Curie gegen 550 ein ganz andres Wesen als dreyhundert Jahre vorher; auch hätte

II

Feldmark.

Die Sandanweisung an die beyden jüngeren Stämme.

441

dies freylich wesentlich anders sehn. Es liegt ausserhalb aller Möglichkeit eines Beweises, oder höchst wahrscheinlich ist es daß kein Heredium an jemanden übergehen konnte der nicht zur Curie gehörte.

Allein Romulus wies; nicht das ganze Gefilde seinen zehn Curien zum Eigenthum an: er bestimmte einen andern Antheil für den Gottesdienst und den König: einen dritten ließ er als gemeine Mark336), nämlich zu Triften. Es ist schon bemerkt daß zwey Jugern unmöglich eine Familie ernähren können: das Vieh welches auf der Gemeinflur erhalten ward, half auS, und der größte Theil des Vermögens bestand in Heerden37). Für die Nuzung ward dem gemeinen Wesen eine Abgabe entrichtet) und auf diese ältesten Zeiten scheint die Meldung sich zu beziehen, daß der Populus ur­

sprünglich nur von den Triften Steuer empfangen habe, und daher in den censorischen Registern alle steuerpflichtigen Gemeinländereyen pascua genannt wären38). Die Darstellung des Rechts beachtet nicht in welchen Verhältnissen die beyden andern Gesammtheiten ihr Grunveigenthum hielten ehe sie Stämme des römischen Volks wurden: sie macht den Saz augenscheinlich, daß alles quiritarische von der Republik ausging; daß Communen welche das Bürger­ recht empfingen dem römischen Staat ihr Land auftrugen, und von dessen

Händen zurück erhielten. Daher wird Anweisung von Landeigenthum den Königen durch die jene Stämme in die Geschichte eintreten als die erste isoHandlung ihrer Herrschaft zugeschrieben39), und so gelangt die Person ificlrende Entwicklung der Rechte zur Vollendung des eigentlichen ager Romanus, der, sofern er Eigenthum der Geschlechter war, aus drey Regionen nach den Namen der alten Stämme bestand4"), mithin zusammen aus dreyßig Centurien oder 6000 Jugern limitirter eigenthümlicher Aecker: daneben aber

hatte jeder der drey Orte sein Königs- und Tempelgut, und eine gemeine Mark, welches alles erst im Verlauf der Zeit vereinigt seyn kann. In diese einfache und in ihrer Art gesunde Vorstellung brachte die verkehrte, un­ möglich anders als spät entstandene Verwechslung des vollendeten Zustands des Populus mit dem romulischen, völlige Verwirrung. Romulus sollte schon dreyßig Curien eingerichtet haben4l), und bey der Gründung der Stadt werden ihm dreytausend Bürger zugeschrieben"): wie man sich nun ein Euclio, den der Dichter wie alle ähnliche Personen römisch gedacht nur als Aerarier

nimmt, vor Alters gar nicht darin sehn können; — aber die Spenden können nicht in den umgebildeten Curien begonnen haben. 33R) Dionysius a. a. O. «Qxovcfav

ItQa xal

xat riva xat

t(7>

xoivqi yrjv xaiaXintoV. Aus dem reichen xXtjoos der Könige (vgl. Cicero de re p. V. 2.) bestritten sie auch die Kosten des Gottesdienstes: ders. III. 1. p. 137. a.

37) Columella

VI. pr. 3R) PliniuS XVIII. 3. 39) Von Numa — yirilim — Cicero de re p. II. 14. DionhstuS II. 62. p. 423. c. d. Numa assignirt dq? {]$ 'PatsivXos £zeztt)to /cuprtf,

xat dno tifc dr^q-oalag nichts erhalten hatten.

p,oiQav nva oXfyTjv, an die welche unter Romulus

Von Tullus, ders. III. 1. p. 1 37. a. auch an die welche kein Land-

looS hatten: mit welcher Anweisung die Gründung der Stadt auf dem Caelius verbunden ist um ihnen Obdach zu geben: ebendas. 40) Varro de I. 1. V. 9. (IV.p.4 7). 41) S. [3^.2.]

Anm. 330.

") Dionysius 11. 2. p. 78. c. — er fügt noch 300 Reisige hinzu, die wahr­

scheinlicher in jener Zahl begriffen gedacht sind.

vgl. I.TH. 2.] Anm. 334.

442

Die Landanweisung an die Plebs unter AncuS. Entstehung d. ager publicus.

II

fruchtlos quält um die hundert Senatoren den dreyßig Curien anzupaffen, so geht eS eben auch mit den Lanvanweisungen des zweyten und dritten

Königs: für jenen fehlt es freylich nicht an Ländereyen aus Romulus Er­ oberungen; 9?umci aber halte seinem Nachfolger keine hinterlassen, daher erdacht ist daß Tullus des Königs Tafelgut getheilt habe. Von beyden wird es als Milde gegen die Armuth dargestellt. Da nun das Daseyn der dreyßig Fluren der Curien unzweifelhaft ist, isi so irrt freylich Livius indem er annimmt daß die Geschlechter vor Alters kein Landeigenthum hatten; denn es wäre fast ohne Ausnahme alles Land erobert, und alles davon verkaufte und angewiesene in den Händen der

Plebes gewesen 343). Uebrigens war nicht bloß die Esch des alten ager Romanus, wie alles Eigenthum, gegen ein jedes Ackergesez gesichert, sondern auch die alte Allmende und was dazu gewonnen war ehe es eine PlebeS gab. Jh.rem Gründer, dem König Ancus, wird die vierte Anweisung von Aeckern zugeschrieben44): und diese ist wieder nichts als historischer Aus­

druck jener Regel wonach es sich verstand daß auch die latinischen Gemeinden aus denen der neue Stand geschaffen ward, ihren Boden dem römischen Staat übertragen, und von ihm, nach den Gesezen der Limitation, zurück empfangen hatten. Dabey waren Umlegung unv Austausch unvermeidlich, zumal wenn es Grund hat daß die Bürgerschaften zum Theil ihre Wohnsize veränderten. Das Gemeinland deö römischen Staats muß schon vor Servius einen

sehr großen Umfang erreicht gehabt haben. Wenn Städte mit dem Schwerdt erobert waren, oder Bürgerschaften durch unbedingte Uebergabe ihrer Per­ sonen und ihres Eigenthums 45) sich vor Tod over Knechtschaft gerettet hatten, so war ihr sämtliches Land Eigenthum des Siegers 46): manchmal rs2 überließ ein Ort einen Theil, meistens ein Drittheil, seiner Landschaft oder seines gemeinen Landes als Preis des Friedens. Ohne Zweifel ist es unter den Königen gehalten worden wie später:

Ländereyen wo der Anbau nicht untergegangen war, und die nicht an Co­ lonen noch an die alten Einwohner zu precarem Besiz überlassen wurden, werden verkauft seyn 47), vermuthlich vorzüglich noch wohl bestandene Oel343) Livius IV. 48. nec enim ferme quidquam agri, ut in urbe alieno solo posita, non armis partum erat, nec quod venissel, assignatumve publice esset, praeterquam plebs habebat. 44) Oben S. 199. Anin. 880. 45) In der DeditionSformel bey Li­ vius I. 38. übergeben die Gesandten sich selbst, ihr Volk, urbem, agros, aquam, terminos, delubra, utensilia (die fahrende Habe), divina humanaque omnia. 46) Publicatur is ager qui ex hostibus captus sit: PomponiuS I. 20. D. de caplivis et postlim. (XLIX. 15.). War das eroberte Land vorher römisch gewesen, so kehrte eS an den Eigen­ thümer zurück : nicht so wenn es Fremden gehört hatte; wovon die cimbrischen Eroberungen gallischer Landschaften ein Beyspiel sind. — Die Saracenen gaben dem Eroberungsrecht dieselbe Ausdehnung und Beschränkung wie Rom. 3n Städten die sich unterwarfen blieb das Grundeigcnthum, nicht in denen die mit dem Schwerdt erobert wurden; und die Ge­ schichte der Eroberung Mesopotamiens welche unter Elwakedis Namen geht, erzählt, der Feldherr habe erklärt, die Bekehrung zum Islam erhalte eS den Einwohnern von Circesium nicht: sie mußten pachten. 47) Hierüber ist Appian de bell. civ. 1. 7. höchst bestimmt und zuverläßig.

II Rechtd. Plebs amagerpudUous. Servianische Ordnung. Assignation d. 7 Iugern. 443

und Weinberge. Denn über den Besiz dieser konnten die welche als Mit­ glieder der Bürgerschaft gleiche Ansprüche hatten sich unmöglich friedlich vergleichen; jeder mußte ihn wünschen, und der Umfang unverheerter Pflan­ zungen konnte nur sehr beschränkt seyn: es wird in Latium, wie in Attika und in der Lombardey, bey einem feindlichen Einbruch jeder Fruchtbaum und jede Rebe umgehauen seyn, wenn nicht ein Zufall die Zerstörung 163hinderte. Das wüste Land hätte nun den Bürgern zu Eigenthum ange­ wiesen werden können; höchst wahrscheinlich geschah dies nicht weil es zu gleichen Loosen an die Curien hätte gegeben werden müßen, und diese nach mehreren Menschenaltern nothwendig sehr ungleich an Zahl waren: es hätte sich dabey auch der Widersinn ergeben daß in den schwächsten, welche dem Staat weniger leisteten, die Einzelnen größeren Vortheil gehabt haben wür­ den. Aus solchen Gründen muß die an sich so auffallende Nuzung durch Besiz eingeführt seyn, womit ohne Zweifel von jeher die Entrichtung des Zehenten verbunden war: dessen Ertrag, nebst der Lösung aus verkauften Grundstücken, die großen Werke der Könige allein möglich machen konnte. Diese Nuzung war dem Mächtigen gelegen, der viele Hörige anzusieveln hatte: mancher, für den die Zuweisung eines kleinen entfernten Eigenthums nichts anziehendes gehabt, der es doch nur veräussert hätte, meldete sich nicht,

und war zufrieden mit einer Spende aus dem gemeinen Kasten seiner Cu­ rie^) vom Ertrag des Zehenten.

Sobald die Plebes gebildet war, und in dem Heer des Staats diente, gebührte ihr von dem mit den Waffen gewonnenen Lande ein billiger Theil, wenn gleich der Name des ager publicus von jener Zeit fortdauerte wo der Populus allein der Staat war: seitdem aber die servianische Gesezgebung sie ausschließlich zum Dienst als Fußvolk verpflichtete, war die Anmaßung sie von dem mit ihrem Blut erworbenen Lande auszuschließen, unleidlich. Dem Urheber jener Gesezgebung wird daher auch eine unwillige Aeusserung imii6er diese Schamlosigkeit der Patricier zugeschrieben 49): und eine allgemeine Assignation an die Männer von der Gemeinde5()). Es ist aber nicht denk­ bar daß ServiuS bey einer vorübergehenden Handlung stehen blieb: eine Ordnung welche für die Zukunft verfügte was gerecht und billig war, kann der Gesammtheit der wohlthätigen Geseze nicht gefehlt haben die seinen Namen trugen: in ihr darf man den Ursprung der plebejischen Hufen von sieben Zugern suchen51). Wie die beyden Stände durchaus in allem verschieden waren, so auch hier. Die Plebejer erhielten ein bestimmtes und gleiches Maaß, zu ewigem Eigenthum, nach strengstem Recht vererblich und ver­ äußerlich; frey von Ertragsteuer, aber berechnet im Census, und dadurch jeder ausgeschriebenen Anlage unterworfen, die den Besiz auf dem Gemein­ land nie berührte: die Loose wurden den Einzelnen angewiesen, indem die Plebejer ohne Vermittlung einer Gesammtheit in der Tribus standen, Einzelne 348) ^Th. 2.] Anm. 335. 49) Dionvsiu- IV. 9. p. 215. c. ztjs v pEylowv xuqios ijv, xaid ictg (soccTpas y>T](f 7}q o()(üv. — IX. 41. p. 598. b.

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flrat.)

edti TtQoßovXEvaapETYiQ Trjs

94) Ganz unstreitig bey NumaS Ernennung: I. 17.

9S) Dio­

nysius IX l.p. 559.b. djiodEtxvuiai Katotov ptv (f>dßtog — und tt)$ ßovXfj$ — Zndoios dl «$. 2) Das Concilium der Curien ward gehalten teV Wahl der Tri794) Die Entwicklung stand auf verlornen Blättern: es läßt sich aber nach dem Vorhergehenden und XI. 45. p. 725. d. vollkommene Uebereinstimmung mit LiviuS nicht bezweifeln. 85) Ci­ cero de re p. 11.37. und ders. Fragm. der Cornel.a. a.O. 8G) de re p. 11.31. 8') Brut. 14. (54.) qui post decemviralem invidiam plebem in Patres incilatam legibus et concionibus suis mitigaverit. 89) Diodor XII. 24. 25. 89) (Th. 2.) Anm. 502.

554

Eigenthümlichk. d. Wahl d. neu. Tribunen. Amnestie. Patricische Consuln v. d.

II

bunen bey der Herstellung ihres Amts vorzustehen berufen ward; zumal da dies bey der ersten Einrichtung desselben nicht geschehen war. Jndeffen warenios die Umstände auch nicht die nämlichen: damals bestanden die Stämme der

Gemeinde abgeschieden, und die beyden ersten Volkstribunen, welche sich dreh College» zuwählen ließen, waren keine andern als die Decurionen unter den alten gesezmäßig ernannten servianischen Tribunen: aber die unter denen M. Oppins und Ser. Manilius dieselbe Stelle einnahmen waren im Auf­ stand erwählt: denn mit der Aufhebung des plebejischen Standes hatten diese mindern Tribunen aufgehört, und wofern auch die Nationaltribus ihre Phylarchen hatten, so müssen unter ihnen zum wenigsten viele Patricier gewesen seyn. Ferner waren zu jener Zeit die Erwählten von den Curien bestätigt worden, und diese, längst beseitigte, Theilnahme ward so, einmal für alle, durch die Anwesenheit und Zustimmung des Haupts desjenigen Collegiums ersezt, dessen Anwesenheit gewiß schon damals hinreichte um

eine Scheinhandlung des Standes gültig zu machen: eine solche mußte das von den Curien unter pontificischen Auspicien angenommene Gesez aufheben wodurch das Tribunal abgeschafft war, denn die Herstellung der Freyheit

duldete keinen Verzug. Endlich fehlte den Plebejern ein Institut wie das der Jnterregen, vermöge dessen die Ueberlieferung der patricischen Obrigkeiten nie ausging. Die neuen Tribunen beriefen die Plebes

auf eine Wiese unter dem

Kapitol gegen das Marsfeld gelegen, wo lange nachher der flaminische Cir­ cus gebaut ward'0"), und ohne Zweifel von Alters her die plebejischen^? Spiele begangen wurden, deren Ort ausserhalb des großen Circus gesucht werden muß, wie Forum und Comitium geschieden waren.

Der erste Be­

schluß, welcher die Unsträflichkeit jeder Theilnahme am Aufstand erklärte, vollendete den Senatsbeschluß der das nämliche verbürgt hatte zum Gesez: damit sicherte die Gemeinde ihr Recht. Dieses Plebiscit ließ L. Jcilius ver­ ordnen, Virginias Verlobter, den sein Stand mit ihrem Vater und Oheim ernannt hatte, ihren Manen zum Trost die noch um Rache schrieen: aber die Seele des gesammten Collegiums war M. Duilius. Auf seinen Vor­ trag beschloß die Gemeinde, die Jnterregen sollten zur Ausübung der höch­ sten Gewalt zwey patricische Consuln von denen die Provokation frey stehe, frey durch die Centurien erwählen lassen 91). Auch hierin ist nur Bestäti­

gung eines vorhergehenden Beschlusses

der Patres

durch

die Tribus als

79°) Ein Leser deS LiviuS dem die Topographie fremd ist wird sich diesen Ort auf dem AventinuS denken: aber die Worte ea omnia etc. (III. 54.) sind nur auf da« zu beziehen waS durch die neugewühlten Tribunen verhandelt worden. An solchen Beyspielen ist zu sehen wie weit die klassischen Schriftsteller entfernt waren die Regel anzucrkennen, man muffe so schreiben daß auch der Unkundige und Gedankenlose nicht misverstehen könne; sonst habe ein solcher volles Recht daS zu höhnen wobey der einsichtige Leser nicht den geringsten Anstoß finden wird. 91) DivnvsiuS XI. 45. p. 725. c. erwähnt ausdrücklich die Ernennung durch die Centurien: nümlich nach einem Annalisten der bemerklich machen wollte daß diese Ordnung nun nach 36 Jahren völlig hergestellt war. Ihm selber muß eS wunderlich vorgekommen seyn daß grade die Centurien, aus deren Wesen er sich sonst die oligarchischen Wahlen er­ klärt, die populärsten Consuln ernannten.

11 Centurien erwählt. L. Valerius u. M. Horatius Consuln.

Ihre Gesezgebung. 555

Zweig der Gesezgebung zu sehen, nicht Anmaassung, die eben so lächerlich 403ald sträflich gewesen seyn würde, einseitig über die Verfaßung zu entscheiden. Es kann gar nicht bezweifelt werden daß die Häupter der Stände vor der Rückkehr der Plebes hierüber einig geworden waren: denn wenn diese Tri­ bunen hatte, und daneben die Hälfte der Stellen im Decemvirat, so fehlte ihr nur noch der Besiz einer großen Zahl Stimmen im Senat zu einer entschiedenen Uebermacht. Um ein wahres Gleichgewicht der Stände einzu­ führen gab es einen zwiefachen Weg: entweder das Tribunat beyden gemein­

schaftlich zu machen, wie es jezt die Tribus waren, oder die Zusammensezung des Decemvirats zu verändern. Hierüber mußten billige Manner

von beyden Partheyen einig seyn: hierauf mußten Valerius und Horatius bestehen, wenn sie auch ganz frey von dem Wunsch gewesen seyn sollten, der sich nicht tadeln ließe, ihre Mitstände zu begünstigen: Duiliuö selbst war unverkennbar ganz in dieser Ansicht: aber auch bey redlichem Willen war der Augenblick zu schnell sich über das Beste zu verständigen, und das Er­ kannte in Kraft zu sezen fand ungeheure Hindernisse; so daß es nothwendig war eine provisorische Einrichtung zu belieben, damit die Zeit Bahn breche. Es war wohl weil dieses Amt nicht als bleibende Erneuerung des frühern gewaltigen eintrat, daß der Name Consuln an die Stelle des älte-

409 teil, Prätoren, fani 792): er trägt sichtbarlich die Spur der gemilderten Ge­ walt, indem er nur die Vereinigung zweyer im nämlichen Amt, nicht Mach und Herrschaft, andeutet. Damals war es kein Opfer für die Gemeinde das Consulat dem ersten Stande zuzugestehen; es war billig den beyden Eveln, welche sich ihnen und der Republik treu erwiesen hatten, gemeinschaftlich zu lohnen. Die Ernennung deS L. Valerius und M. Horatius war allerdings ein Ge­ schenk der Plebes9^), dem Senat und Curien ihre Bestätigung nur nicht versagen konnten: und wie früher die angemaaßte Ernennung an der Per­ sönlichkeit deS einen Consuls, den die Klassen unmöglich gewählt haben können, oft erkennbar ist, so zeigt es sich hier augenscheinlich daß beyde Consuln, wie es auch ausdrücklich gesagt wird9*), von den Centurien er­

nannt waren. Und diese Wahlfreyheit, wie sie für das Decemvirat herge­ stellt war, bleibt von nun an, auch nachdem das Consulat dauernd einge­ richtet worden 95). Die Erwählten des Volks entsprachen seiner Zuversicht: einträchtig in der Macht, wie sie es im Widerstand gegen die Tyranney gewesen waren, 79?) ES war eben Benennung der provisorischen Magistratur, und blieb zufällig. ZonaraS II. p. 28. c. tOTS X^ytiat jiqcotov vnaiovg avroug TT^ogayoQSvOrjvai^ (JiQ(tTi]yovg zaXovy^vovg t6 71q6tsqov. LiviuS hätte also nicht sagen sollen daß die Consuln da­ mals Prätoren genannt wären. Wie, wenn die Decemvirn in den XII Tafeln consules hießen? 91) Bey LiviuS III. 67, 9. muß mit dem Coder des LatiniuS geschrieben werden: patricium quoque magistralum plebis donum fieri vidimus, nicht plebi, welches bey LiviuS nur wo die alte Form durch den Sprachgebrauch festgestellt war, der Genitiv seyn kann. ”*) sTh. 2.] Anm. 791. 95j Vielleicht mit einer einzigen Ausnahme, 34 6 — wovon zu seiner Zeit: — und allerdings übertrug die Ernennung der Censur die Usurpation einer Stelle im vollständigen Consulat auf den abgezweigten mächtigeren Theil desselben.

556

Plebiscite den Centuriatbeschlüssen gleichgestellt. Genehmigung der Patres.

II

gründeten sie die Freyheit auf hergestellte oder neue Geseze. Für diese konnte der Senat seinen Beschluß, welcher dem Antrag an die Centurien zuvor-"v gehen mußte, so wenig verweigern wie die allgemeine Versammlung der Ge­ schlechter ihre Zustimmung: denn die Patricier waren gedemüthigt, voll Sorgen wegen der drohenden Anklagen über die noch ein düstres Still­ schweigen herrschte: jeder maß seine Gefahr nach dem Bewußtseyn seiner Schuld und seines Hasses. Die Geseze der Consuln wurden mit Unmuth, aber ohne Widerstreben angenommen 796). Die neuen Tribunen halten das Recht welches durch das publilische Gesez eingeleitet, durch Jcilius vollendet war, schon ausgeübt; und es ver­ stand sich allerdings daß ihr Amt in dem ganzen Umfang seiner Befugnisse wiederbelebt sey. Um indessen das Vorgeben zu vermitteln, es wären die später gewonnenen erloschen, ein von den Patres angenommenes Plebiscit sey doch kein Gesez97), liessen die Consuln durch die Centurien, unter Ver­ lust des Lebens und des Vermögens für den zuwider Handelnden 98), ver­ ordnen, daß ein Plebiscit einem Beschluß der Centurien gleich zu achten sey "). Cine Gleichstellung die, zum Ueberfluß, als Zeugniß dient daß die bis zum publilischen Gesez von 412 für Centuriatgeseze unentbehrliche aus­ drückliche Annahme durch die Patres nicht etwa schon damals bey den Ple­ bisciten weggefallen seyn kann. Es darf nicht irre leiten daß allerdings die Ausdrücke worin die Ver-"i sügung bey Livius erhalten ist: daß die von der Plebes in den Tribus gefaßten Beschlüsse für alle Quinten verbindlich seyn sollten: — einen ganz andern Sinn zu enthalten scheinen. Freylich kam eine Zeit da die Volks­ gemeinde die Macht des Senats und der höchsten Obrigkeiten willkührlich beschränkte, und, durch agrarische Geseze, das Vermögen der Nobilität schmälerte8^): da waren die Plebiscite für jeden Römer Geseze, deren le­ gale Gültigkeit, wer sie als verderblich schalt, nicht bestreiten konnte: aber damals war auch die Plebes, bis auf eine kleine Zahl Familien, die lange nicht den mächtigsten und bedeutendsten Theil des Adels bildeten, die Nation selbst; da das Tribunal hergestellt ward saß ohne Zweifel noch kein Plebe­ jer im Senat. So lehrt schon die Anschauung der Sache, jenen Saz durch die Clausel ergänzen: — wofern die Patres solche Beschlüsse bestätigen. Ein Plebiscit war noch nichts weiter als eine vom Haus der Gemeinen ange­ nommene Bill, die erst durch den Beytritt der beyden andern Zweige der Legislatur zum Gesez wird *). Was so augenscheinlich aus den Verhält796) Livius III. 55. haec — ul invilis ila non adversantibus patriciis transacla. 59. mulli erant qui mollius consullum dicerent quod legurn ab iis lalarum Patres auctores fuissent. 9') Ders. 55. cum veluli in conlroverso iure esset, lenerenlurne Patres plebiscitis. 9>) Dionysius XL 45. p. 7*25. e. ") Ebendas, p. 725. d. tov$ vnb ioü öri/Liov Tt')8VT(c$ tv kus (sv).tTizccig tzzXrja(ttt£ vofiovg (tnctai zhg'Püjucdot$ ££ I'gou, tt)V (tvTtjv iyorias öuvufjtv ro7g koyiTiaiv £zzXTjcn'ai$ cioutroig. S,H') Polybius VI. 16. *) Die Comitien der TribuS seit dem hortensischen Gesez, in ihrer gcsezgebenden Gewalt, sind gegen die ursprünglichen wie ein einziges HauS, allein aus Repräsentanten bestehend, sich zu dem alten der Gemeinen verhalten haben würde, wenn aus dem langen Parlament, anstatt Oligarchie und Usurpation, eine würkliche Republik

II

Umgekehrt werden Senatsbeschlüsse Gesez durch Beystimmung der Plebes.

557

41-niffen hervorgeht, dafür zeugt auch die Geschichte der Rogationen wodurch allmählich und langsam die Gleichheit des plebejischen Standes errungen ward: wo das Hinderniß immer daran lag daß die Patres, — bald schon

der Senat, bald die Curien allein, — ihre Zustimmung verweigerten: oder wenn, ohne daß dies ausgesprochen wäre, durch vorgegebene Anspielen, welche das Concilium des Populus störten, der Beschluß vereitelt ward ^2). Die

ertheilte Sanction erhob sie zu einem vollkommnen Gesez gleich einem consularischen: und erst seitdem sie entweder ganz wegfiel, oder nur in einer leeren Förmlichkeit bestand, konnte ein Wortstreit darüber erhoben werden, ob einer solchen Verordnung, ihrer Rechtskräftigkeit unbeschadet, der Name eines Gesezes zukomme3). Wie Wahlen und Gesezgebung die von den Centurien ausgingen, so sind dieselben Handlungen die in den Tribus be­ gannen völlig gleicher Art unter einander: es wurden aber die mindern Magistrate von den TribuS gewählt, und von den Curien eingesezt *).

Da nun die Versammlung der Plebes als Zweig der Gesezgebung an­ erkannt war, konnte auch umgewandt ein im Senat entstandener Beschluß durch die Beystimmung der Plebes, auf der Tribunen Vortrag, zum Gesez 4lserhoben werden 5). Beyspiele hievon sind in einer späteren Zeit häufig: keines ist so bestimmt ausgesprochen als, nur vier oder fünf Jahre nach die­ sen Gesezen, die Errichtung der Censur; worüber es heißt, der Senat habe die Sache vorgeschlagen, die Patres hätten sie eifrig ergriffen, die Tribunen nicht eben widerstrebt 6). Sollte nun auch hier die ursprüngliche Form der Ernennung der Censoren mit der Errichtung ihres Amts verwechselt seyn,

so sind nur Gesezgebung und Wahl verwechselt, weil sie verschwistert waren; es ist Irrthum in der Anwendung dessen was die Annalisten von andern Fällen richtig wußten. Ein Misverständniß ist unmöglich bey der Meldung, daß zwanzig Jahre vor dem jüngeren publilischen Gesez ein Senatöbeschluß an die Tribus gebracht worden ist, um als Gesez verordnet zu tvertieti '). Wie es kommen konnte daß der Senat für ein Gesez diesen Weg vorzog, ist zu erörtern hier der Ort noch nicht: daß es willkommen war ein Mittel zu haben für eilige Verwaltungsbeschlüße, ohne von einem Comitialtag, und ohne von Auspicien abzuhängen, die Sanction zu erlangen, welche eigent4»4lich die Centurien geben sollten, ist deutlich genug, da schon ein Gewitter entstanden wäre. Und eigentlich sind alle nordamerikanische Legislaturen solche demokratische Entwicklungen des brittischen Unterhauses. 802) Dies versteht Dio mit den Worten ßQ«X^« Ttvä (f. &u&£Gni£ovTt volle Bürgerrecht erhielten gebildet, zu den bestehenden hinzugefügt83): dies meldet nur daß sie und keine andre kurulische Magistratur das Gesez, wel­

ches die TribuS anordnete, vor dem Volk in Antrag brachten.

Willkühr

979) So berichtete Dionysius — exc. Mai. 64. ed. R. (p. 97. Franks. AuSg.) mit einer Be­ stimmtheit die keinen Zweifel zuläßt. 80) Dies ist wohl gewiß der Sinn der Formel uxor liberorum quaerendorum causa. 81) ovdtvi, (hier sind die Aerarier vergessen) oute xanrikov oute xetQ0T^Xvrlv ^X£IV DionysiusIX. 26. p. 583. c. Die Strafe konnte nur censorische Notation seyn. 8?) GelliuS IV. 12. — Agrum male colere censorium probnim iudicabatur, Plinius XVIII. 3. 83) tribus additae pro-

pternovos cives — censores addiderunt Q. Publilius, 8p. Postumius: LiviuS VUI. 4 7.

II

Notation der Ritter u. Senatoren. Verwaltung des Vermögens der Republik.

577

konnte dabey unmöglich Statt finden, da kaum etwas für den Zustand der

Republik so folgenreich war wie die Einrichtung solcher: und die Ertheilung des vollen Bürgerrechts an Municipien war so sehr eine Handlung der Hoheit daß die Tribunen im sechsten Jahrhundert nicht einmal dem Senat

die Befugniß zu einem Vorschlag darüber zugestehen wollten^). Freylich standen die Bürger sympolitischer Orte den übrigen Aerariern gleich: aber für die Republik war es etwas ganz anderes ob die

Censoren Einzelne,

die zu Rom lebten, mit den einheimischen Römern vielfach verbunden wa­ ren, — oder ob sie gesonderte, zum Theil entfernte, fremde Gesammtheiten

zum Recht der Quinten erhoben. Auch die Patricier, als in den allgemeinen Tribus begriffen, waren

der Schande dort ausgestrichen zu werden ausgesezt: der AerariuS stand dem Bürger, nicht mehr dem Plebejer im alten Sinne, entgegen. Aber in Hin­ sicht des patricischen Ritterstandes konnte sich die Macht der Censoren nur auf Bewilligung und Entziehung der Ritterpferde erstrecken: für den plebe­ jischen muß es allerdings schon anfänglich von ihnen abgehangen haben ihn 453zu ergänzen, und von Unwürdigen zu reinigen. Die Meynung daß vor Alters die Inhaber der königlichen Gewalt den Senat willkührlich aus Be­ freundeten zusammengesezt hätten, verkennt gänzlich das Wesen desselben: andre als solche die sich Atimie zugezogen hatten vom Senat auszuschliessen, können die Censoren kaum befugt gewesen sehn: wohl aber wäre es den da­ maligen Verhältnissen angemessen, wenn ein Gesez, dessen Namen, Urheber

und Umstände unentschieden dahinstehen müßen, sie anwies denselben nach den Curie» durch die Besten zu ergänzen 85). Plebejer welche dem konsu­ larischen Tribunal vorgestanden gehabt, konnten nicht ausgeschlossen seyn:

mochten sie nun ausser der Zahl stehen, oder die Abordnung der Curien

um so viele Stellen vermindert werden: wohl aber ist es wahrscheinlich daß damals die Absicht war die Zulassung aus ihrem Stande auf sie zu beschränken. Die Verwaltung des Vermögens der Republik war den Censoren ohne Zweifel vom Anfang her eben so vollkommen überlassen wie in den späteren Zeiten; wo sie nicht nur an unterthänigen Orten Zölle und Accise wie es ihnen gefiel errichteten, sondern den Preis sezten wozu die Pachter der Salz­ wiesen in Rom selbst und in den Bezirken und Marktflecken römischer Bür45»ger das Salz verkaufen durften^). Die Verpachtung der Zölle und ähn­ licher Einkünfte, so wie die Verdingung öffentlicher Arbeiten, war ihnen überlassen, doch so daß der Senat mit billigen Ermäßigungen einschritt^). "4) LiviuS XXXVIII. 36. 85) Festus s. v. praeleriti senatores. Ein wunderlicher Artikel, an dem Scaliger und A. Augustinus mit vollem Recht Anstoß genommen haben: doch läßt sich allenfalls die Angabe daß auch die Eonfulartribunen die Liste der Senatoren verfaßt hätten, von den Censoren deuten als diese zu ihnen gezählt wurden : und ich will nicht ver­ schweigen daß mir ejne Möglichkeit klar ist, jenes Gesez, dessen Namen auf alle Weise ver­ schrieben ist, könnte wohl um viele- jünger seyn. 86) Livius XXIX. 37. XXXII. 7. XL. 31. 87) Ders. XXXIX. 44. PolybiuS VI. 17. Die Gesuche der Publicani um Nachlaß in Ci­ ceros Zeit, sind bekannt. Niebuhr, 91 öm. Gesch.

37

578

Die Schoßzahlung.

Tribunicischeö Veto.

II

Der Schoß, fest in Geld bestimmt, war der Verpachtung nicht unterworfen. Ihn erhoben die Tribunen des Aerarium, wofern er nicht zum Behuf des

Solds ausgeschrieben war, und der Soldat ihn unmittelbar vom Zahlungs­ pflichtigen einforderte, wie der Reisige das Ritterpferdsgeld. Doch bey der Einführung der Censur ward noch kein Sold gezahlt, und schwerlich ver­ anlaßten damals andre Zwecke daß ein Tributum ausgeschrieben888) ward. Ob dies geschehen, und welche Summe aufgebracht, mithin wie viel vom Tausend des Census, dem Maafistab wonach der Schoß berechnet tvarb89),

entrichtet werden sollte, entschied der Senat ausschließlich, so wie er allein Zahlungen aus dem Schaz anwies9"): bey ihrer größten Entwicklung hat die Demokratie doch nie Anspruch gemacht die Steuern zu bewilligen. Die Comitien konnten die Kriegserklärung verweigern: hatten sie aber den Zweck

beschloßen, so war die Regierung berechtigt die Mittel dafür aufzubieten: Geld und Menschen. Eine Landgemeinde von vielen Tausenden ist doch nur Repräsentation der Nation, wie eine nicht erwählte Behörde im Besiz der"'nämlichen Befugniß seyn kann: wenn irgend eine Vertretung, in den Formen die von dem einen zum andern dieser äussersten Punkte der Regierung die Mittel der Erhaltung des Staats versagt, Gränzen überschritten innerhalb welcher Herrschaft und Freyheit, Nation, sich abwechselnd beschränken. Es ist Krieg, und eine der beyden Mächte muß unterliegen: Usurpation oder Revolution ist vorder Thür. Dahin konnte das tribunicische Veto gegen die Zahlung des Schoßes nicht führen, denn es ward damit vor dem gallischen Krieg nur gefordert daß der erste Stand redlich von seinem Besitz des Gemeinlands steure: wie vor Zeiten, als die fürstlichen Domainen sehr groß waren, als die Bedürf­ nisse des Staats gar nicht ausser Verhältniß zu ihrem Ertrag standen, die Stände- Subsidien verweigern konnten ohne mehr als eine Verlegenheit für den Fürsten hervorzubringen. Nachher erklärten die Tribunen mit dieser Verwahrung, daß die Wucherer ihre Forderungen nicht sollten geltend ma­ chen können wenn die Republik Vermögenssteuer von den Grundstücken er­ heben wolle von deren Ertrag jeder As an den Gläubiger kam: oder, mit andern Worten, sie verwiesen den Senat, wofern kein billiges Abkommen unendlichen sich folgen, so sind die Staat und

für die zu Grunde gerichteten Landeigenthümer getroffen würde, an eine auf die Geldeigenthümer auszuschreibende Vermögenssteuer. Auch war dieses Veto durch die Regellosigkeit der tribunicischen Gewalt ohne Vergleich we­ niger gefährlich als wenn es in scheinbar streng rechtlichen Formen ausge­

übt wäre. So weit waren die 91 ö in er davon entfernt die Besteurung als dem "6 Willen des Volks überlassen, und den Beschluß darüber als die große An­ gelegenheit der Freyheit zu betrachten, daß sich wohl ausser der auf die Frey­ lassungen gelegten Abgabe von fünf vom Hundert kein einziges Beyspiel 88s) indicere, imperare. 89) Livius XXIX. 15. XXXIX. 44. Auch XXXIX. 7: denn die Rückzahlung geschieht nach demselben Fuß wie die Zahlung. Dies genügt hier: die Erklä­ rung der Stelle bleibt bis zu ihrer Zeit verschoben 90) Polybius VI. 15.

11

Unbeschrankte Gewalt der Censoren bey Anordnung des Schosses. Kataster.

579

findet wo die Gesezgebung hierüber eingetreten wäre. Selbst der Senat überließ die Anordnung des Schosses ausschließlich dem Gutdünken der Cen­ soren. Camillus und Albinus belegten die Hagestolzen mit einer schwereren Belastung, und zogen die Waisen unter die gewöhnliche Steuer99*): Cato und Flaccus unterwarfen Kleider und Schmuck der Frauen, und Wägen

über einen gewissen Preis, der Besteurung; sezten den Steuerwerth kostba­ rer junger Sklaven auf den zehnfachen Betrag ihres Kaufpreises und be­ stimmten für alle diese Gegenstände, deren Besiz sie strafen wollten, eine höhere Abgabe02). Diese Beyspiele allgemeiner Verordnungen sind zufällig erhalten: vielleicht sind wenige Censuren gewesen deren Cdict nicht einige

Aenderungen solcher Art gebracht hätte; keine einzige so milde daß nicht einzelnen Bürgern eine vielfache Versteurung ihres Census auferlegt wäre, 457wie es sich C. Furius und M. Geganius gegen einen der ersten Bürger erlaubten9^). Hiernach, und nach der Vervielfachung des Werths jener Skla­ ven, ist es klar daß auch bei dem römischen Census der wahre Betrag des Eigenthums, und die Berechnung desselben znm Schoß, verschieden waren94): aber auf eine ganz andere Weise als in der atheniensischen Steuerordnung.

Denn Theil tiger Rom

in dieser ward das sämtliche Vermögen veranschlagt, aber nur ein davon, und für die geringeren Klassen ein kleinerer, als schoßpflich­ Census ausgesondert, von diesem der nämliche Antheil gesteuert: zu kam ein sehr großer Theil, weil er nur Besiz war, nicht in Anschlag,

ja manches Eigenthum war davon ausgeschlvßen: für gewisse Arten desselben war der Census mehrfach der abgeschäzte Werth; und von demselben, in einzelnen Fällen vom gesammten Census, mußte überdies ein mehrfaches Simplum erlegt werden: dagegen findet sich keine Spur daß, von der Gränze an wo Besteurung eintrat, das mindere Vermögen begünstigt wäre. Die Calculatur und die Führung der Register waren das Geschäft von Notarien; deren Innung, aus Frehgelaßenen bestehend, sicher über die Einsezung der Censur hinaufreicht: die eigentliche Schreiberey mochte großen-

"4 theils den Knechten des Staats aufgetragen seyn welche als Dienerschaft der Censoren erwähnt werdeno»); sie waren aber auch sonst unentbehrlich um Ordnung zu halten, und für vielfache Aufträge. Es ist gewiß keine Ursache anzunehmen daß die Ueberschreibung unge­ schickter und nachläfiiger geschehen als gegenwärtig99); eben so gut wie jezt 89‘) Plutarch Camil. p. 429. d. Valerius Marimus II. 9. 4. 9?) Livius XXXIX. 44. bis rebus omnibus terni in millia aeris allribuerentur: welches nicht erwähnt seyn könnte wenn nicht drey Affe mehr als das gewöhnliche Steuerquotum waren. Das Simplum wird ein As von tausend gewesen seyn, wie es den Colonien zur Strafe aufgelegt ward. — Plutarch Calo Censor, p. 346. d. hat einige Verschiedenheit, aber in Dingen die hier übersehen werden können. 93) LiviuS IV. 24. 94) Vöckhs Entdeckung des Unterschieds, und Ergrün­ dung des Verhältniffes der ouat« und des (Staatshaußh. Th. II. Ans.) bieten, ne­ ben ihrem eigenen hohen Werth, ein lehrreiches Beispiel wie Schriftsteller des Alterthums, welche sonst mit Recht im höchsten Grade Autorität sind, sich in Irrthümern verfingen, welche ihre unmittelbaren Nachfolger nicht ahndeten, die kritische Philologie aber darlegen, und die von jenen nicht geahndete Wahrheit finden kann. 95) LiviuS XL 111. 4 6. 9h) Ich kenne selbst sehr alte Kataster — namentlich in Italien einen aus dem XV. Jahrhundert, — deren 37*

580

Kataster.

11

haben einzelne Stücke, die den Eigenthümer veränderten, vermessen, und in den Steuerregistern ab und zugeschrieben werden können. Jndeßen ließ sich für den allergrößten Theil des schoßpflichtigen Landes die Ordnung im Ka­ taster viel leichter und sichrer bewahren wenn die assignirten oder quästo-

rischen plebejischen Hufen geschloßene Höfe bildeten, von denen nur im Unzialverhältniß einzelne Theile an neue Eigenthümer übergehen konnten: eine Bestimmung ohne welche die agrarische Controverse vom Modus offenbar nicht denkbar wäre. Auch ist, so weit römische Einrichtungen in den An­ fang des Mittelalters herabgehen, und Italien nicht longobardisch geworden war, die Veräußerung von Unzialtheilen eines Fundus in Gebrauch geblie­ ben: ja bis auf den heutigen Tag hat sich um Rom und in Latium ein

Landmaaß erhalten welches mit seiner Benennung aus dem Grundbuch her­ stammt. Die Pezza ist das alte Sugerum897), der Rubbio von sieben Pezze die plebejische Hufe von sieben Jugern98): der Name offenbar rubrum: der45s Katasterabschnitt: so genannt weil der Name des Fundus mit rother Dinte geschrieben, darunter eingetragen stand wer das Eigenthum habe, und wie es sich verändere. Es ist sehr anziehend den täglichen Geschäftsverkehr deS

Alterthums zu errathen: so bemerke ich hier daß die Zeugen dienten, um zu erweisen daß der Erwerber in der That derjenige sey dessen Namen in den Bürgerrollen, entweder unter seiner Tribus oder als Aerarius, einge­ tragen stand: indem der bloße Ausbürger so wenig als ein Fremder Liegen­

schaften erwerben konnte: von allen Eigenthümern, die in den nach den Re-) Victor«.a. O.u.23. und FloruS 1.13, 13.16: — der ihn als Befehlshaber während der Belagerung betrachtet. ,b) Dionysius exe.22. p.24. l~) Servius ad Aen. VIII. 652. 1S) £)vib Fast. VI. 350. ff. Florus 1.13, 15. SuidaS s. v. angeführt von Mai. Vl) Anstatt 1000 Pfund, giebt Dionysius exc. 23. p. 24. — 25 Talente an: welche, indem ohne Zweifel attische gemeynt sind, 1500 Pfund betragen. Im Verlauf der Erzählung heißt cS ferner, durch die Unredlichkeit der Gallier habe ein Dritthcil am Gewicht gefehlt, zu dessen Herbeyschaffung Niebuhr, 9löm. Gcsch.

42

658

Die Sage von Camillus Zug gegen die Gallier.

U

Die Zeit während welcher die Stadt im Besiz der Barbaren gewesen, wird abweichend zu sechs, sieben oder acht Monaten angegeben 122ü). Als Polybius schrieb, die Gallier wären, nachdem sie die Stadt aus Gnaden zurückgegeben, ohne Schaden mit ihrer Beute heimgekehrt 20, ist es sicher nicht sein Zweck gewesen damit dem Mährchen zu widersprechen, wel-«" ches vorgiebt, der Schaz sey ihnen entrissen, ja ihr ganzes Heer sey vertilgt worden: wie die Griechen in der allerdürrsten historischen Zeit, die Be­ strafung des Zugs gegen Delphi erfunden haben. Doch ist diese Fabel ge­ wiß nicht erst nach seiner Zeit ersonnen worden, sie mag vielmehr schon ehe Nom an den Senonern Rache und Ersaz bis zur Sättigung genommen hatte, in der Sage von Camillus ausgebildet, und im Munde des Volks gewesen seyn. Diese Sage erzählte, den alten Verhältnissen so angemessen daß daran erkannt werden kann wie früh sie sich gestaltet hat: die zu Veji Versammelten hätten durch ein Plebiscit Camillus Herstellung und Er­ nennung zum Dictator beschlossen: dazu fehlte, damit eö Gesez sey, die Zu­ stimmung des Senats und der Gurien22); und er weigerte sich, als Cädicius kam, den angetragnen Befehl zu übernehmen ehe diese gegeben sey. Deßhalb ward Cominius aus das Kapitol gesandt2^). Camillus fand zu Veji zwanzigtausend Römer, und viele Freywillige aus Latium versammel­ ten sich um ihn: diese führte er gegen die Stadt. Eben hatte Q. Sulpicius begonnen dem gallischen König das Gold darzuwägen, als der Dictator mit dem Heer in das Thor einrückte, und auf das Forum eilte. Die Götter wollten nicht daß Roms Daseyn erkauft seyn solle: er kam ehe das Goldes übergeben war, und verwarf den ohne seine Genehmigung geschloßenen Ver­ trag. Brennus schalt zornig über Treubruch: inzwischen waren die Le­ gionen ihrem Feldherrn gefolgt, und es kam zum Gefecht: die Gallier wur­ den aus der Stadt geschlagen. Ein zweytes Treffen, auf der gabinischen Straße, wo sie sich gesammelt hatten, rächte Rom vollständig: auch nicht ein Mann entkam aus der Niederlage, die Botschaft anzusagen. Brennus die Römer Frist erhalten hätten; 1500 und ein Drittheil wären 2000 Pfund, welche Einige als den Betrag des Lösegelds angeben: ([5^.2.] 2lnm. 1227:) nahm nun Dionysius an das Mangelnde sey nicht entrichtet worden, und, mit Varro, in dem vermauerten Golde sey ausser dem Lösegeld auch anderes enthalten gewesen, so vermied er den Widerspruch wovon unten die Rede seyn wird. 1220) Für sechs Monate spricht Varro bey NoniuS IX. 6. (genit. pro abl.): dieselbe Zahl hat Florus I. 13, 15.; — acht giebt Servius an (ad Aen. VIII. 652.); in der Mitte stehen Polybius II. 22. und Plutarch Gamill. p. 144. b. mit sieben: — und diese Zahl wäre freylich gewiß wenn die angegebene Zeit der Räumung, Mitte Februar, fest stände: das aber hätte Barro wissen müßen, und hätte dann keine falsche Mondenzahl annehmen können. Uebrigens gehört zu dem Befremdenden welches immerfort in historischen Fragmenten begegnet, daß es in dem aus Varro angeführten heißt: ul noster exercilus ita sil fugatus ut Galli Romae Capitolii (so) sinl potili. 21) Polybius II. 22. ^OsXovtl xaX X’) Ders. VIII. 24. Durch diese entgegengesezten Versehen verlängert er den Aufenthalt dieses Alexanders in Italien auf 18 Jahre. 5 ’) Er würde nicht bey dem gedach­ ten Jahr, IX. 16., gesagt haben, Papirius Cursor würde Alexander» als Feldherr entgegen gestanden haben wofern dieser nach Italien gekommen wäre, noch die berühmte Vergleichung der römischen Macht mit der Alexanders angestellt, wenn er sich diesen schon vor sechs Jah­ ren gestorben dachte: hingegen gab eS Veranlaßung dazu wenn sich dessen Tod bey jenem Zeitpunkt angegeben fand.

Verheerung Nom's.

II

669

Rom nach der Räumung. Die Entfernung der Gallier gab den Diniern in der Stadt eine öde

Brandstätte zurück: und wenigstens auf dem linken Tiberufer kann nur zu­ fällig eine einzelne Wohnung des Landmanns der Zerstörung entgangen seyn. Die Einfälle der Peloponnesier verschonten in Attika kein Haus und keinen Baum, wohin sie reichten) und hier erschienen Barbaren, unter deren Fuß­ tritt alles Leben erstarb. Ostia mochte sich behaupten; von den latinischen Stävtchen die mit der römischen Landschaft vereinigt waren ist es eben so

unwahrscheinlich daß die Gallier Orte wo Beute zu gewinnen war unan­ getastet gelassen, als daß solche ihnen widerstanden hätten. Der größte Theil der Bürger war umgefommen 1254): die meisten Wehrhaften an der Alia: unerozählige, auch Weiber und Kinder, die nicht entrinnen konnten, müssen unter dem Schwerdt oder in die Knechtschaft des Siegers gefallen seyn. Wer kann sich überreden daß der Fluß die vejentische Felvmark gedeckt habe, wenigstens als das gallische Heer noch versammelt war? und bis tief in Latium muß mancher Geflüchtete vom Verderben erreicht seyn. Konnte selbst von den Heiligthümern nur ein Theil fortgeschafft, mußte das meiste vergraben wer­

den, so ward von den Habseligkeiten der Einzelnen gewiß noch viel weniger geborgen; und räuberisches Aufwühlen wird das vergrabene hervorgezogen haben, welches einen höheren Werth hatte als thönerne geweihte Gegenstände.

Am linken Ufer konnte der Landmann, wenn er noch das Leben rettete, nicht einmal sein Vieh forttreiben, wenn das Flüchten nicht schon vor der Schlacht begonnen hatte;

da der Feind gleich nach dem Sieg die ganze Gegend um

die Stadt bedeckte. Eine Nachricht welche aus der Geschichte verdrängt ist gewährt eine Vorstellung von Noms hülflosem Zustand nach der Räumung: und mit ihrem Geist stimmen erhaltene Sagen überein, welche Dichtung, aber sicht­ bar in einer sehr alten Zeit entstanden sind, und so das Vilv kund thun unter welchem die nicht sehr entfernten Nachkommen sich dieser Schicksale erinnerten. Während die Gallier ungestört in Rom gelagert waren hatten sie be-

64ogonnen auch die Mauern der Stadt niederzuwerfen. Diese herzustellen war im ersten Jahr, neben der Errichtung eines Obdachs, das Geschäft des zu­ rückkehrenden Volkses): eS geschah was daS dringende Bedürfniß erforderte:

erst 377 ward die Aufführung einer neuen Ringmauer von Werkstücken be­ gonnen ^6). Anfangs also waren die Zurückgekehrten, während sie den Schutt auf1254) twv TiXtfOTtoV jiokntoy «TtoktoXoTtoV: Diodor XIV. 11 6. Die Erwähnung daß, während die Gallier die Stadt inne hatten, zwanzigtausend Römer zu Peji unter den Waf­ fen gewesen wären (Plutarch Camill. p. 4 42. a. und vermuthlich nach ihm, aus dem er manches nahm was Dio nicht hatte, ZonaraS, p. 34. c.), hat ursprünglich wohl nur sagen sollen daß nicht mehr als die Hälfte von denen übrig gewesen wären die an der Alia standen. 55) ia TtC/Tj cmxaCviGav: ZonaraS p. 35. d. 5G) LiviuS VI. 32.

670

Sage vom Ausstand der Nachbar-Orte.

Die sexagenarii.

II

räumten, so unbeschüzt gelagert, und unter nicht minder bittern Feinden, als die Colonie welche Esra auf die Ruinen der Stadt ihrer Väter zurück­ führte. In dieser Lage ist es denkbar daß die unterwürfigen Orte wie Ficulea,

auch so unbedeutende wie die Einwohnerschaft welche sich nach der Zerstö­ rung von Fidenä dort wieder gesammelt haben mochte, den Gehorsam ver­ weigerten ,257); nicht unglaublich daß die plözliche Annäherung ihrer Bewaff­

neten und der von benachbarten Ortschaften, ein panisches Schrecken verbreitet habe, dessen Andenken in der Solemnität der Volksflucht, an den Nonen des Quinctilis, den Geschichtschreibern zum Troz, bis tief in die Kaiserzeit erhalten war. Dieses Ereigniß nimmt Varro, — welcher den angeblichen Sieg des Camillus auch hier verwirft, indem er sagt, es habe sich nach dem Abzug der Gallier zugetragen58), — für vollkommen historisch: aber er unterscheidet die Populifugia von dem Fest der Nonä Caprotinä, an deren". Tagen sie dargestellt ward, invem er dasselbe aus alter latinischer Religions-

sitte erklärt: und verwirft also stillschweigend eine verwandte, berühmtere Sage über jene Empörung, welche Plutarch und Macrobius erzählen^). Nach ihr hätten sich die Völker der benachbarten Orte unter dem Be­ fehl des Dictators von Fidenä, Postumius Livius, vor Nom gelagert, und als Preis des Friedens oder Geisseln, Frauen und Jungfrauen von guten Geschlechtern gefordert. Die Römer hätten zwischen dieser Schmach und der Unmöglichkeit des Widerstands keinen Rath gesunden, bis eine Magd, Phi­ lotis oder Tutula genannt, ihn ersonnen und ausgeführt habe. Sie wäre, nebst andern Dirnen, als edle Fräulein mit der Präterta bekleidet, unter täuschenden Thränen der Scheidenden, jenen Latinern übergeben worden.

Als diese sich des übermüthigen Vertrags schwelgend freuten; dann von den Listigen zum Trunk ermuntert, sorglos und achtlos in tiefen Schlaf versunken lagen, erhob die Anführerin gegen die Stadt von einem Baum das verabredete Zeichen einer brennenden Fackel: darauf überfielen die Römer das unbewachte Lager und erwürgten die Vermessenen. Der Tutula und ihren Begleiterinnen ward mit Freyheit und Aussteuer gelohnt. Dies ist Fabel, gleich dem nicht unähnlichen Gedicht von der Judith:642 und gleicher Art eine Sage über die nämliche Zeit welche Verrius Flaccus aus ungenannten Schriften nahm^o). Um das wenige Brod für die zu sparen von deren Erhaltung die Fortdauer der Republik abhing, sey der Beschluß gefaßt und ausgeführt worden, die sechszigjährigen Greise in die Tiber zu stürzen: eine Grausamkeit die im Alterthum so wenig unerhört Es ist aber unerklärlich wie solche Orte, zum Beyspiel Ficulea, drey Millien von Nom, sich erhalten hätten: sollten die Gallier ihnen LoSkauf gewährt und gehalten haben? 58) Dies poplifugia videtur nominalus, quod eo die tumultu repenle fugeril populus, non mullo enim post hie dies quam decessus Gallorum ex urbe, et qui tum sub urbe populi, ul Ficuleales ac Fidenates et finilimi alii, contra nos coniurarunt. Barro de 1. L. VL 3. (V. p. 56). 59) Plutarch Romul. p. 36. d. Camili. p. 445. 4 46. MacrobiuS Saturn. I. 4 4. p. 254. Hat der lezte nicht auch hier nach Plutarch geschrieben, dessen philosophische Schriften er compilirt; — hat er einheimische Bücher vor Augen gehabt, so sind die starken Ausdrücke über Roms Ohnmacht merkwürdig: cum sedalus esset gallicus motus, res publica vero ad tenue deducta. 60) Festus s. v. sexagenarios.

II

Maßregeln um den Staat wieder zu heben. Plan nach Veji überzusiedeln.

671

war daß sie auf Keos als Gesez bestanden haben soll, und, außer den Ufern der Insel, gepriesen ward. Doch der Fortgang der Erzählung enthüllt ihr Wesen: ein einziger Greis sey von seinem frommen Sohn verborgen wor­ den, und zum Dank für den weisen Rath den die Republik von ihm durch den Mund dieses Sohns oft empfangen habe, das Gesez zurückgenommen worden. An einheimischen Geschichten der Art, wie von Papirius Prätertatus, von dem zum Hungertode verurtheilten gesäugten Vater, war die römische Sage reich ehe sich die Historie bildete: diese zeigt zur Genüge wie jammervoll der Zustand der Zurückkehrenden in der Ueberlieferung geschil­ dert war. Ist eS aber freylich zu vermuthen daß die Entkräfteten in jener Noth eine schwere Bürde für die übrigen Landesleute seyn mochten, so muß man dagegen, wie nach ähnlichen Katastrophen in andern Republiken des Alter­ thums, das Bedürfniß erkannt haben, die so sehr verminderte Zahl der «"Wehrhaften auf alle mögliche Weise zu ergänzen. Auch zu Nom werden die Verbannten zurückgerufen seyn: — und es ist sehr möglich daß Camitlus seine Rückkehr einem allgemeinen Gesez dieser Art verdankte: — auch hier Metöken und Freygelaßene in die Tribus eingeschrieben seyn. Es geschah mehr: Capenater, Vejenter und Falisker die während der Kriege zu den Römern übergetreten waren, erhielten das Bürgerrecht, und wurden zwey Jahre später (368) in vier neue Tribus vereinigt '26t). also daß deren nun fünfundzwanzig wurden. Livius denkt sich einzelne Ueberläufer: es ist aber schon bemerkt daß ohne Zweifel unterthänige Ortschaften zu denken sind, die von jenen Städten abgefallen waren02). Die welche vier Tribus aus­ machten, mußten wenigstens dem Fünftheil der übriggebliebenen alten Bürger­ schaft gleichkommen: nach dem System welches Rom nachher immer bey der Aufnahme von Fremden befolgte, wodurch allein es möglich war ganze Bürgerschaften aufzunehmen ohne den Geist der Republik zu ändern, müßen sie viel zahlreicher gewesen sehn, vielleicht sogar als die welche sich in einer gleichen Zahl Tribus befanden ehe sie durch den Krieg verövet waren. Vielmehr ist zu vermuthen daß ganz Capena damals römisch geworden sey; denn es kommt in der Folge nie mehr als selbständig vor. Es war weise, da Latium sich losgeriffen hatte und feindselig war, die Bürgerschaft aus nichtlatinischen Völkern zu ergänzen. Das Volk blickte mit Grauen auf die Wiedererbauung der Stadt; es «^begehrte heftig mit dieser Noth verschont zu bleiben; und das darf ihm nicht als schmähliche Verzagtheit angerechnet werden. Wie eng und gering auch daS Haus war welches dem alten Römer in der guten Zeit, selbst in ihrem Glanz, genügte, — auch dieses konnte doch, wer nicht etwas gerettet hatte, nicht aufführen ohne zu borgen. Und Veji gewährte Wohnungen und öffent­ liche Gebäude, schöner als die römischen vor der Zerstörung gewesen waren: der Besiz dieser Stadt, vom Schicksal verliehen, hatte den römischen Namen "b') Livius VI. 4. 5.

62) Oben S. 614.

672

Plan nach Veji überzusiedeln.

Wiederaufbau Roms.

n

gerettet: es war wenigstens für die noch übrige Volksmenge geräumig ge­ nug: das sollte freywillig verschmäht werden! DaS Gebiet enthielt überdies die vor kurzem an die Gemeinde angewiesenen weitläuftigen Marken, welche denen die zu Rom wohnten fern lagen. Hatten nun auch die Patricier hierüber ein entgegengeseztes Interesse, — indem das alte Gemeinland, also bey weitem der größte Theil ihrer Besizungen, auf dem linken Ufer lag, und, wenn Rom verlassen ward, wenigstens dem unmittelbaren Schuz der Waffen entzogen war, — so darf man doch nicht zweifeln daß auch edlere Ansichten die Beharrlichkeit des Senats entschieden: daß der harte Druck der Gegenwart der weislich erkannte Preis der späteren Größe Roms war. Der demüthigende Beschluß die Stadt aufzugeben, würde ohne Zweifel die Bestimmung der Nation entschieden haben; wer den ersten Schritt, von dem das Herz zurückhält, früherem Ruhm und früherem Streben nach Größe zu entsagen, gethan, der läßt sich nachher von Erwägungen des Augenblicks treiben. Ein Wohnsiz jenseits der Tiber würde das Band zwischen Römern und Latinern völlig zerrissen; diese, mit den Volskern vereinigt, würden"; leicht eine Colonie in die verlaßenen Mauern geführt haben; und der Strohm für die römischen Vejenter eben so unübersteiglich geworden seyn als er es für die etruskischen gewesen war. Und selbst wenn diese Gefahren abgewandt wären, so hätte dasselbe Volk, in einer andern Stadt, in einem andern Vaterland, entfernt von allen frommen, mythischen und historischen Andenken, unmöglich bleiben können was es in seiner Heimat war. Es wäre zu einer Eolonie herabgesunken, deren Geschichte von gestern begonnen hätte. Das glückliche Omen eines wohl klüglich veranstalteten Worts 1263), entschied die zwischen Noth und Scham unentschlossenen Gemüther. Rom ward innerhalb eines Jahrs wieder aufgebaut; gewiß höchst ärmlich. Die Strassen in den tiefen Theilen der Stadt waren vorher breit und gerade gewesen, denn die Cloaken lagen unter ihnen: auch auf den Hügeln scheint, so weit der Boden eS zuließ, bey der allmähligen Erweiterung unter den Königen die Ordnung beobachtet zu seyn welche bey der Anlage neuer Coloniestävte befolgt ward, daß, mit Vorbehalt schnurgerader breiter Straßen, welche dem Staat blieben 64), feie von ihnen begränzten Baupläze regelmäßig eingetheilt, und als Eigenthum angewiesen wurden. Dieses scheint die Re-sts gierung alß erloschen durch die feindliche Eroberung betrachtet zu haben: daher kennte jedem erlaubt werden sich anzubauen wo er es wünschte, da­ mit der Eifer des Beginnens ermuntert, und nach einigem Fortgang so viel mehrere für beharrliche Ausdauer gewonnen seyn möchten. Die Nach­ kommen, uneingedenk daß sie ohne diesen Nachtheil Nom wahrscheinlich nicht bewohnt haben würden, beklagten die Uebereilung, indem es im größten Nach Dionysius (Plutarch Carnill. p. 1 45. b.) hatte Camillus eben den ersten Senator L. Lucretius gerufen seine Stimme zu geben, als das Wort des Centurio vernommen ward: laßt uns hier bleiben. Auf die Umstände der Erzählung ist nichts zu geben: aber nicht zu übersehen daß hier angenommen wird, L. Lucretius sey der erste Senator gewesen, weil er 361 Consul war, und wohl kein anderer Consular lebte. So weit standen also die consula» rischen Tribunen nach. ®4) Daher in publicum prodire.

II

Wiederaufbau Roms.

Ehrenerweifuugen für die Helfer in der Noth.

673

Glanz der Stadt, Lis auf Neros Brand, unmöglich war die Krümme und Enge der Straßen abzuändern. Als indessen diese Verschönerung erlangt war, glaubte man wahrzunehmen daß die Gesundheit durch die graden und breiten Gaffen leide ^65^ und täuschte sicher sich nicht: denn es ist bekannt daß im heutigen Nom die regelmäßigen, von großen Straßen durchschnittenen Quartiere, weit ungesunder sind als die im Mittelalter zwischen Tiber und Via Flaminia, eben so unförmig und verworren wie jenes eilig hergestellte

Rom, angebauten. Dort fühlt man den gefährlichen Wechsel der Luftwärme nach Sonnenuntergang weit empfindlicher; und im Winter werden sie von den schneidenden Nordwinden, die bey Heller Luft herrschen, wenn man auf sonnigen geschüzten Pläzen erhizt wird, durchstrichen. Ich weiß nicht ob Erfahrung in Griechenland die entgegengesezte Meynung bewährte, daß breite für den Ost- und Nordwind offene Straßen der Gesundheit zuträglich seyen: fast möchte ich hierin eine theoretische Voraussezung zu sehen glauben: denn 647wo wären, als Aristoteles schrieb, solche gewesen ausser im Piräeus, den Hippodamus regelmäßig anlegteG6J? Sonst waren sie in allen griechischen Städten, selbst zu Athen, so eng und krumm wie noch jezt im Orient. Das Wesen der Limitation, ausgehend vom Ganzen, war den eigentlichen Griechen fremd, deren Einrichtungen auf den Individuen der Bürger und dem Begriff ursprüngliches Privateigentums beruhten. Zur Erleichterung schenkte der Senat Ziegel: jedem ward vergönnt Steine zu brechen und Holz zu fällen wo er wollte, wenn er Bürgen stellte den Bau binnen Jahresfrist zu vollenden. Um jene zu schenken mußte der Staat Gebäude zum Abbrechen überlassen: womit hätte er die Anferti­ gung von Ziegeln bezahlen sollen? Solche Gebäude hatte er zu Veji; und es war angemessen um den verhaßten Gedanken der Auswanderung auf im­ mer zu verbannen, die Abtragung jener Stadt zu begünstigen, welche auch kaum als ein geringer Ort bestand bis sie unter Augustus als Militarcolonie ein wenig wieder auflebte. Auch zu den Substructionen deö Kapi­ tols, welche bald nachher, ohne Zweifel unter der Arr, wo Cominius und

die Gallier auf dem gewachsenen Stein hinaufgeklommen waren, aufgeführt wurden, und zur Herstellung der Mauern, wird Veji die fertigen Bruch­ steine hergegeben haben: so verschwanden die Tempel und Ringmauern. 6i8Die welche auS Scheu vor der Last des Bauens dort geblieben waren, wur­ den durch ein Senatusconsult unter schwerster Strafe^) vor einem bestimm­ ten Tage zurückgerufen. Zahllose Gegenstände waren unersezlich verloren: es ist ein Wunder

daß irgend einer der durch seinen Stoff für die Barbaren Geldeswerth hatte, wie die ehernen Tafeln mit den lateinischen Bündnißen aus dem Dianen12G5) TacituS Ann. XV. 43. GG) Ueber jene Meynung s. Aristoteles Polit. VII. 1 1. p. 200. b. — Die Hauptstädte welche der Wille makedonischer Könige schuf, waren freilich sehr regel­ mäßig, mit breiten Straßen, wie Antiochia, zumal die Neustadt des Epiphanes; wo aber die Hallen den Nachtheil wenigstens verminderten. b7) poena capilalis, Livius VI.4. ist auch hier nicht nothwendig Lebensstrafe. iebuhr, Röm. Gesch.

674

Camillus. Abfall d.Unterthanen u. Verbündeten. Auflösung d. Latinerbundes.

n

tempel und von den Rostris, wie die Standbilder der zu Fidenä umgebrach­

ten Abgeordneten, dem Raub; — daß andre die das Feuer verzehren konnte, wie jenes hölzerne Bild der Fortuna, der Vernichtung haben entgehen kön­ nen. Oder sollte die Aechtheit von allem Beweglichen was ausserhalb des Kapitols zurückgeblieben seyn müßte, eben so verdächtig sehn wie die von Romulus Krummstab, den die Augurn unter der Asche und den Kohlen von der mit Stroh gedeckten Hütte des Mavors unversehrt gefunden haben wollten ^6«)? Füx dies Wunder ward ihre Zerstörung gern erzählt: sonst sollte die welche bestand und gezeigt ward, für die ursprüngliche gelten. Denen die sich in der unglücklichen Zeit hülfreich erwiesen hatten ward durch Ehre gelohnt: den Matronen zugestanden daß auch bey ihren Begräb­ nissen Gedächtnißreden gesprochen würden; den Cäriten und Massiliensern das Municipium decretirt: den lezten mit vielleicht ungewöhnlichen Aus­ zeichnungen 09). Die Seele der Republik war damals Camillus, den die

Nachkommen den zweyten Romulus nannten: und als Herrführer in den64» Kriegen, welche, mit Ausnahme der unwandelbar treuen Sabiner, auf allen Seiten ausbrachen, bewährte und erhöhte sich das Vertrauen der Nation in den ihr wiedergegebenen grossen Bürger.

Die Kriege bis zur Reform von 384. Als die übriggebliebenen Römer, in die Stadt zurückgekehrt, wieder zu sich gekommen waren, sanden sie den Staat ohne Unterthanen, auf sich selbst zusammengesunken; wie Florenz, nachdem der Herzog von Athen ausgestoßen war.

Die Orte welche seit Latiums Fall um Schuz

zu genießen unter

Roms Hoheit getreten waren, verschmähten es diese jezt anzuerkennen. Schon im Jahr 366 ist die Rede vom Abfall der Latiner und Herniker7"): welches doch nur von der Lösung des damaligen Bandes zu verstehen ist: schieden

indessen die Latiner auch ohne Feindseligkeit, so konnte es nicht fehlen daß diese bald in den Gemüthern wurzelte. Ihre Landsgemeinde mußte sich her­ stellen sobald die Ueberreste der Nation ihre Selbständigkeit wiedernahmen. Bey ihr beschwerte sich der römische Senat 369 daß diese Zeit her keine Hülfsvölker gegeben wären, und das Gefühl der Ohnmacht zwang eine leere Ausrede gelten zu lassen 71). Indessen muß diese Verbindung damals sehrlose gewesen seyn: Lage oder andere Verhältniße bestimmten einzelne Städte sich an Rom zu halten; wodurch es erklärlich wird daß auch in diesem «so Zeitraum latinische Colonien unter römischer Hoheit gegründet werden konn­ ten, wie Sutrium und Nepet: und Setia, welches vermuthlich zu den vor 365 gemachten Eroberungen über die Volsker gehörte. Unter dem Jahr 372 nennt Livius Latium verdächtig: doch waren zu derselben Zeit Tusculum, Gabii und Lavici Rom anhänglich, wie hingegen Lanuvium sich damals

1268) Dionysius, 6X6. 27. p. 31. (u. Mais Anm.) — Plutarch Camill. p. 145. d. G9) fTh. 2.] Anm. 4 49. und S. 660. ,0) deseclio Latinorum Hernicorumque, Liviu- VI. 2. -71) Ders. VI. 4 0.

II

Kriege mit Präueste. Auflösung d. äquischen Verbindung. Angriff der Volsker.

675

mit den Volskern befreundete "72). Häufig dienten Freywillige aus latinischen Städten unter diesen7^): das war, wie sehr eS auch die Römer verlezte, keine allgemeine feindliche Handlung, da der alte Bund des Sp. Cassius, der auch dem Einzelnen untersagte die Waffen gegen die Eidsgenoffen zu führen, seine Gültigkeit verloren hatte.

Der falsche Schein als ob die Latiner aus treuen Verbündeten Roms Feinde geworden wären, wird hauptsächlich dadurch befördert daß Präneste, in alten Tagen eine der dreyßig Städte, in späteren die vornehmste in La­ tium, seit 373 in offnem Krieg gegen Rom erscheint. Wie sie aber, als die Gränze zwischen Tusculum und ihr lag, nicht den Latinern angehört haben kann, sondern äquisch gewesen seyn muß: sey es nun daß sie erobert

worden, oder daß sie sich mit den Siegern vereinigt hatte: so tritt augen­ scheinlich dieser pränestinische Krieg an die Stelle der früher unaufhörlich esi erneuerten mit den Aequern. Denn von diesen ist nach dem Jahr 367 die Rede nicht mehr: erst nach dem zweyten samnitischen Krieg, lesen wir ihren Namen wieder. Es scheint daß auch ihre Verbündung, gleich der latinischen, aufgelößt war: die Aequer welche Rom gegen die Mitte des fünften Jahr­ hunderts sich unterwarf, waren die eigentliche Nation in den Gebürgen zwischen dem Liriö und Fucinus, und um den Ursprung des Anio; deren Name vorher sich über ihre Zugewandten und Unterthanen verbreitet hatte. Bei dieser Auflösung bildeten sich neue Gesammtheiten; oder solche wo schon eine herrschende Stadt mit ihrer Landschaft bestand traten jezt abgesondert als Staaten hervor.

So herrschte Präneste wenigstens über acht Städte7^):

den Tiburtern, welche Livius eine Nation nennt75), war eine nicht an­ gegebene Zahl Unterthan. Jene Auflösung dürfte Folge eines schweren Schlags seyn den die Aequer von den Galliern erlitten hätten; die, wenn Apulien sie als Ziel anzog, die Straße dorthin durch die mit unbemauerten Flecken angefüllte äqulsche Landschaft und die vier nördlichen Orte der Sabeller weit offner fanden als die latinische, voll sehr fester Städte; wo nachher die Samniter an ihrer Gränze hätten überwunden werden müßen. So gediehen selbst die Einbrüche der Gallier Rom zum Segen, und förderten seine Größe. Die eigentlichen Aequer mögen vielleicht schon damals in das Landrecht getreten seyn welches mit ihnen, ehe es 443 zum Kriege kam, offenbar bestand. 6S2 Mit andrer Gesinnung als die Latiner, und allerdings als Feinde, zer­ rißen die Volsker von Antium und (Scetra76) dieses Recht, welches seit siebzig Jahren, sehr selten gestört, sie mit Rom verknüpft hatte. Eine lange verhaltene Gehäßigkeit brach aus als Rom gefallen war: das sehr feste, und auf der See mächtige Antium konnte von den schrecklichen Zeitläuften lange nicht so getroffen seyn wie das innere Latium.

1272) Siöiu? VL 21. Lavici war allerdings einer römischen Colonie übergeben: daß die Stadt Schuz zu Rom suchte, ist Beweis daß diese nicht ausgestossen war. 73) Ders. VI. 7. 10. 12. 17. 74) sTH. 2.] Anm. 1296. 75) LiviuS VII. 19. 7G) Obwohl Livius durchgehends die volskische Nation unbestimmt nennt, so ist doch nur an diese Orte zu denken: VI. 31. 43*

676

Niederlage der Volsker.

Kämpfe mit den Aequern und Etruskern.

ii

Doch erfüllte schon der erste Feldzug, 366, die Träume nicht womit das unedle Unternehmen, gesunkne Größe zu zertrümmern, begonnen war. Anfangs zwar drohte der einzigen Legion, welche die Republik dorthin sen­ den konnte, völlige Vernichtung: sie mußte sich auf dem Berg Mäcius, unweit Lanuvium, fünf und zwanzig Millien von Rom, in einem festen

Lager behaupten; und das Heil der Republik beruhte auf dem Entsaz wozu Camillus als Dictator die Betagten und Entschuldigten herbeyführte1277). Mit Sonnenaufgang griff er die Volsker und ihre Bundsgenossen an: die bedrängten Römer fielen aus ihrem Lager heraus, und die Feinde wurden mit sehr großem Verlust geschlagen und zerstreut. So lautet ein glaub­ licher Bericht7^): aber die dichterische Sage, geflißen Camillus in allen«5Z seinen Thaten zu verherrlichen, war auch hier geschäftig. Sie, die Livius immer wählt79), verschwieg die anfängliche Bedrängniß, und ließ Camillus sogleich ins Feld ziehen. Auf das Gerücht von ^seiner Annäherung er­

schrecken die Volsker und umgeben ihr mit Wall und Pfahlwerk verschanztes Lager noch durch einen Verhau. In diesen läßt der Dictator Feuer werfen; sein Glücksstern erregt die Flamme, und jagt sie in daS Lager, woraus die Feinde entweichen müßen, und, vom Element besiegt, fliehend in die Waffen der Römer fallen welche sie vertilgen.

Nach jener Niederlage unternahmen die Volsker nichts ehe das dritte Jahr um war: aber Camillus mußte, wie König Friedrich nach dem Tage

von Collin, die umringenden Feinde einen nach dem andern zurückschleudern. Er nöthigte die Aequer die Belagerung von Bola aufzuheben so): darnach wandte er sich nach Etrurien, wo die bey Veji versammelten Cohorten zu schwach gewesen waren um Sutrium zu entsezen. Die treue Bürgerschaft hatte freyen Abzug annehmen müßen: der Dictator aber entriß die Stadt den Eroberern wieder. Auch hier ist das Gedicht in der Erzählung nicht zu verkennen, daß der traurige Zug der mit dem bloßen Leben Entlassenenesi an demselben Tage wo sie ihre Heimat geräumt hatten, dem römischen Heer begegnete; und Camillus die Etrusker so überraschte daß alle in ihre Ge­ walt gekommene Habe ganz unberührt war, und kein Mann entkam: denn die Stadt sey auf einmal umringt, und alle Thore eingenommen worden. Wenn nicht sogar dieser ganze Krieg um Sutrium eine bloße Verdoppelung aus der Folgezeit ist; denn wir lesen auch über 369, und erkennen hier die Annalen, daß die etruskische Gränze sich selbst überlassen bleiben mußte, bis der volskische Feldzug durch eine gewonnene Schlacht geendigt war. Wäh1277) T)vayxaG&)i xcd

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QTjßrjzoiccg) xa&ojiMocuPlutarch Camill. p. 146. e. — Dies bezeichnet noch genauer die Reserve der Veteranen (oben S. 420 f.) als Diodors Ausdruck, XIV. 117. jumaq Tov$ 7]hzia — obwohl dieser auf die Ausrüstung der causarii sehr wohl paßt. s) Bey Diodor XIV. 117. und Plutarch Camill. p. 1 46. e. f. 79) Plurarch führt mit ihr jene glaubhafte fort: p. 147. a. — worin Dionysius Manier, die ver­ schiedenen Erzählungen zusammenzusezen, erscheint. 80) So Diodor: Bolä mochte doch auch die im I. 341 geforderte Colonie später bekommen haben, vielleicht gleichzeitig mit Vitellia: der feste Ort einer römischen Kleruchie geworden sehn und sich, wie mancher andre in Latium, erhalten haben. Nach Livius VI. 2. waren die Aequer jezt im Vestz der Stadt.

II

Kä mpfe gegen die Etrusker und die Volsker.

677

rend dieses Verzugs hatte Nepet sich den Feinden ergeben: in Sutrium waren sie eingedrungen, und die Bürger vertheidigten sich nur noch hinter Abschnitten in den Straßen. Camillus schloß die Etrusker ein in der von ihnen gewonnenen Region: hier wurden sie überwältigt und niedergemacht. Dann führte er seine Völker gegen Nepet, wo die welche die Uebergabe ent­ schieden hatten, vor der Ahndung zitterten. Sie weigerten sich der Auf­ forderung, die etruskische Besazung zu vertreiben oder zu verrathen: aber diese konnte die unglückliche Stadt nicht vertheidigen: sie ward stürmend genommen; und die des Verraths angeschuldigten Obrigkeiten büßten mit dem Leben l281). Von der Zeit an ist Ruhe an jener Gränze bis zum Jahr 391: wo Krieg gegen die Tarquinienser ausörach, welche vielleicht das einzige Volk gewesen es; waren womit Rom dort gestritten hatte. So zeigt der Krieg sich 368, in welchem Jahr sie durch Einnahme und Zerstörung zweyer Stävte büßten: und unverkennbar ist es die Stimme des Gedichts welche meldet in jenem überall so zweifelhaften Feldzug habe ganz Etrurien Sutrium belagert82). Dieses und Nepet erhielten Colonien: das erste 372, daö zweyte 38 2 83), unv bildeten nun während sechszig Jahren unangetastet die Vormauer des römischen Staats.

Ein Streifzug nach den Aequern bin, 367, ist bis zum Jahr 369, die einzige Erwähnung von Kriegsvorfällen in Latium: es muß das Ansehen gehabt haben daß der Friede dort dauerhaft gesichert sey, da die Tribunen die Anweisung der pomptinischen Landschaft forderten. Doch dieser Glaube täuschte: indem genannten Jahr bestanden die Antiater, verstärkt durch zahl­ reiche Freywillige aus ganz Latium, eine hartnäckige Schlacht bey Sutrium gegen Camillus selbst. Ein Gewitter mit seinem Regenguß trennte die sssHeere: allein der Sieg war nicht zweifelhaft: die latinischen Reisläuser zer­ streuten sich in ihre Heimathen; die Volsker wichen auf Antium zurück.

Satricum, einst eine der dreyßig latinischen Städte, findet sich, nach ver­ schiedenem Wechsel, kurz vor der gallischen Zeit abtrünnig von Roms Ho­ heit8^): mag es nun ehe das Unglück eintrat nicht wieder bezwungen, oder aufs neue abgefallen sehn, — jezt war es volskisch, und ward mit gewaffneter Hand bezwungen. Camillus trachtete, Antium selbst zu belagern: aber jede weitere Verfolgung des Siegs ward durch die Nothwendigkeit gestört jenen Zug nach Sutrium und Nepet auszuführen. Daher erschienen die Ge­ schlagenen im folgenden Jahr wieder angreifend (370): stark genug daß ein Dictator, A. Cornelius Cossus, wider sie ernannt werden mußte. Das tyrrhenische Circeji, welches vor mehr als achtzig Jahren von volskischen Die verspätete Hülfe, die Einschließung und Vertilgung der Etrusker im eingenommenen Sutrium, gleichen sich in derselben Art wie des Clölius Schicksal auf dem Algidus und vor Ardea. Plutarch versezt die zweyte Erzählung von 369 auf 374, Satricum und Sutrium verwechselnd: p. 1 49. a : — welches aber keineswegs berechtigt die erste, die so deutlich das Gepräge der Dichtung trägt, vorzuziehen. Diodor hilft hier nichts zur Entscheidung: indem er also diese Ereignisse und noch mehrere in das angebliche Jahr der Eroberung Roms 98.2. haust: weil er sie in den folgenden fünf, die doppelt stehen, nicht anbringen kaun. Etruria prope omnis, Livius VI. 3. ist wieder eine verfälschende Minderung der alten Bestimmt­ heit. 83) So Vellesus I. 14. Livius der die Gründung der Eolonie in Nepet in 372 sezt, VI. 21. verwechselt beyde Orte, und übergeht daher Sutrium. 84J Oben S. 612.

678

Abfall von Veliträ, Ctrceji, Lanuvium.

Krieg mit Präneste.

II

Colonen eingenommen, seit 362 im Besiz von latinischen war, folgte der Sinnesart die nun in Lehden Völkern herrschte: und wenn Veliträ auch eine ganz römische Colonie erhallen hätte, so war dort die volskische Volksart so

Überwiegend geblieben, und so fest gewurzelt 1285), daß es nicht befremden kann, wenn aus beyden Städten Freywillige unter den Fahnen der Antiater und Ecetraner, mit geworbenen Latinern und Hernikern, dienten. Wie zahlreich aber auch dieses Heer war, doch erfocht der Dictator im pomptinischen Gebietes? einen entschiedenen Sieg, und machte viele Gefangene; unter ihnen manche die als Empörer angesehen wurden. Als solche mögen sie gestraft seyn, und dies den Entschluß der Veliterner und Circejenser bestimmt haben sich von der römi­ schen Herrschaft zu befreyen: dieser ward vor 372 ausgesuhrt; in welchem Jahr beyde Städte, nicht mehr nur einzelne ihrer Burger, unter Roms Feinden sind88).

Nach dem Sieg des Dictators Cossus war eine Colonie von zweytausend römischen Bürgern für das, im Jahr zuvor eroberte, Satricum beschlossen8?): diese Niederlassung, wodurch die Römer sich zwischen Antium und Lanuvium festsezten88), veranlaßte das lezte sich mit den Volskern zu verbünden (372). Die anwachsende Vereinigung machte besorgt: selbst ge­ gen das empörte Veliträ ward der Krieg zögernd erklärt: irgend eine An­ näherung hätte den Senat bereit gefunden: das Volk war heftiger. Ob­ gleich die Pränestiner daS Gebiet treuer latinischer Städte verwüstet hatten, wollte die Herrschaft doch in ihnen keine Feinde sehen: erst als im Jahr darnach das römische Heer in einem Treffen gegen die Veliterner, bey deren Stadt, auch mit zahlreichen pränestinischen Hülfsvölkern gestritten hatte, ward diesen abgesagt. Durch Veliträ war ihnen, wie vor Zeiten den Aequern,ss8 die Verbindung mit den Antiatern sicher und offen: vereinigt mit diesen er­ oberten sie Satricum; wo wider die römischen Colonen grausam gewüthet ward. Nach diesem Unglück ward Camillus zum siebentenmal zum Consulartribun gewählt (374): obwohl er, hochbetagt und krank, ihm die Pflicht zu erlassen bat. Das Vertrauen der Nation daß seine Weisheit die Repu­ blik stüzen werde, auch wenn sein Arm schwach geworden, täuschte sich nicht. Es ist ungewiß ob das römische Heer gegen Präneste oder Satricum zog88). Die Verbündeten waren sehr überlegen an Zahl: aber beyde Heere gleich un­ geduldig den Feldzug zu entscheiden: und L. Furius Medullinus, ein jünge­ rer Geschlechtsvetter, welcher abwechselnd als College den Befehl mit Ca­ millus theilte, war taub für seine Vorstellungen Uebereilung zu meiden. 1785) 93elitrv t(Hs'Pwfiatois /zfnjv, ecl. devirt. etvil.ed. Val.p. 529. (p. 33. Frf.)

680

Niederlage der Pränestiner an der Ma, 375.

Krieg mit den Volskern.

II

erleichtern: verständige Entwürfe, wenn die welche sie faßten hätten vertrauen dürfen in offnem Felde zu siegen. Die Oertlichkeit der Alia, wo sie das Treffen anboten, verminderte der 9t ö niet Siegesvertrauen nicht: und für sie

selbst war es Thorheit sich in eine Gegend zu begeben, von wo ihnen kein sichrer Rückzug nach Präneste offen stand; daher suchten sie Rettung ineei eiligster Flucht sobald die Schlacht sich gegen sie zu entscheiden angefangen hatte. Die Römer verfolgten: und solcher Schrecken ging vor ihnen her

daß T. Quinctius in neun Tagen eben so viele Orte einnahm. Nach Livius waren acht von diesen den Pränestinern Unterthan: in der neunten sieht er Melitta 1295): ohne Zweifel eine ganz irrige Meynung: denn weder würde eine Stadt welche eine Colonie ausgestoßen gehabt begnadigt seyn, wie es Veliträ hätte seyn müßen, da es unbeschädigt fortbesteht, — noch ist es glaublich daß eine Feste vor welcher die römische Macht nachher jahrelang nichts ausrichtete, in einem Anlauf gewonnen sey. Die Zahl von neun eroberten Orten steht fest: die Inschrift sprach sie aus womit T. Quinctius, der am zwanzigsten Tag nach seiner Ernennung triumphirte, auf dem Ka­

pitol von den Manubien einen

goldnen Kranz,

an Gewicht zwey und ein

Drittheil Pfund99), weihte: die älteste unter allen erhaltenen römischen derenser Zeitalter ganz genau bekannt ist97). Präneste selbst soll sich am zehnten Tage ergeben haben: eigentliche Dedition ist bey einer uneinnehmbaren Stadt nicht zu denken"), aber Kleinmuth konnte, wenn Tag vor Tag ein Ort in des Siegers Gewalt fiel, bewegen sich vor ihm zu beugen, und einen demüthigenden Frieden einzugehen, der schnell bereut und gebrochen ward sobald in dem nächsten Jahr, 376, ein römisches Heer durch seiner Anführer Unvorsichtigkeit großen Verlust von den Volskern erlitten hatte. Da verleiteten die Pränestiner andre Latiner

1296) Livius VI. 29. Octo oppida erant sub dilione Praenestinorum — deincepsque, haud magno cerlamine captis, Velilras exercitus ductus: eae quoque expugnatae. Dionysius scheint nur von neun Städten, ohne Veliträ, geredet zu haben: exc. 28. p. 32. 9G) So erklärte Cincius den Ausdruck lrientem lerlium pondo — bey Feftus s. v. und die Analogie der angeführten ähnlichen, quadrans quartus, seslerlius, bes alter, ist ent­ scheidend ; obwohl man nach dem römischen Zahlenwesen drey und ein Drittheil Pfund er­ wartet, wie das Gelübde eines Aufwands von 333333.Assen: Livius XXII. 10. Und wie, wenn das Gewicht würklich so viel betrug, und die Annalen einen falschen Ausdruck ge­ brauchten, anstatt triens quartus? denn anzunehmen daß die Inschrift, wenn sie auch mehr enthalten haben wird als Livius giebt, es bezeichnet habe, ist kein Grund vorhanden. 9?)Pighius Supplement ist in seiner Weise — gewissenlos verwegen, und ganz verwerflich: indessen sind ohne allen Zweifel bey Livius, wie der große Gronovius durchschaute, wegen des Homöoteleuton, die Worte diebus novem ausgefallen. So stehen drey altrömische Verse da: Iüppiter, citque Divi omnes hoc dederunt

Ul Tilus Quinclius dick'dor (Komanus) Oppida novem diebus novem caperet. Solche Inschriften waren immer in saturnischen Versen, wie die des Prätors L. AemiliuS Regillus über den Seesieg bey Erythrä (Livius XL. 52. und Atilius Fortunatianus p. 2680), und des D. Brutus Callaicus: (schol. zu Cicero pro Arch. 11.27.). 95) Die Versezung der Statue des Jupiter Imperator aus das Kapitol beweißt nichts: Lipstus hat dargethan daß T. Quinctius Flamininus mit dem eben so genannten Cincinnatuö.verwechselt ist: daß sie aus Makedonien, nicht aus Präneste gebracht war: Drakenborch zu VI. 29. 8.

II

Ende des Kriegs mit Antium.

Kämpfe und Frieden mit Veliträ.

681

sich ihnen anzuschließen. Die nächsten Eonsulartribunen (377) rächten die Niederlage durch Verheerung des Volskerlandes bis Ecetra: und im folgen663t)en Jahr, 376, entschied eine zweytägige Schlacht den antiatischen Krieg im drehzehnten Jahr. Die Ueberwundenen warfen sich in Satricum; und hier brach zwischen ihnen die Entzweyung aus, womit eine vom Glück verlaßene Verbindung gewöhnlich endet. Die Antiater wollten den Krieg nicht fortsezen; es stand in ihrer Willkühr das alte Verhältniß herzustellen: nicht so für die Veliterner, denen schon eine Strafe drohte wie sie Nom ein Men­ schenalter später verhängte: die Pränestiner theilten die Erbitterung sich ver­ lassen zu finden. Als die Antiater Satricum geräumt, ohne Zweifel diesen Ort den Römern abgetreten hatten, war er noch von den Verbündeten besezt, die ihn völlig einäscherten. Von der Brandstätte eilten sie nach Tusculum,

und überraschten die nachläßig bewachten Thore. Die Bürger flüchteten mit Weib und Kind auf die geräumige Oberstadt: die römische Veteranlegion1299) eilte ihnen zu Hülfe; und von ihr und den Tusculanern von der Höhe herab

wurden die Eingedrungenen niedergemacht. Bald darauf ward die Kraft der Republik gegen das Ausland durch die Folgen des Sträubens der Oligarchie wider die licinischen Rogationen gelähmt: Tusculum war sich selbst überlassen, und ward von den Veliternern belagert. Da schwieg der Tribunen Einsage gegen die Wahlen: ein römisches Heer entsezte die treuen Unterthanen, und schloß Veliträ ein1300). 664Von der Belagerung dieser Stadt ist wiederholt die Rede seit 380 bis 383: bey dem lezten Jahr als von einem zwar langwierigen, aber in seinem Aus­ gang sichern Unternehmen x): dennoch hat sie gewiß nicht zur Eroberung geführt, wie es Livius durch jene Aeusserung verstehen lassen wollte, zu er­ zählen nicht wagte: andre hatten sich nicht gescheut darüber als von CamilluS lezter Kriegsthat zu schreiben 2). Rach der Herstellung des Consulats ist Friede; und der wird erst 392 gebrochen: es ist klar daß Roms innere Zerrrüttung den Veliternern eine glückliche Gelegenheit dargeboten hat Frieden zu erlangen ohne zu büssen. Eben so ist es klar daß Präneste vorher nichts zu ihrem Beystand unternommen hatte: allem Ansehen nach

hat es schon 380 die Bereitwilligkeit deS Senats benuzt, einen Frieden zu schließen der nichts neuerte. Mit beyden Orten wird das Municipium her­ gestellt sehn: eben so mit Antium. Auch ein gallischer Krieg wird am Schluß dieses Zeitraums (383) erwähnt, worin M. Camillus seine lezten Lorbern gewonnen haben soll: doch ist es höchst befremdlich daß Livius, welcher mit so viel Neigung 1299) Zwey Legionen (exercitus longe validissimus) waren gegen Satricum gesandt: ausser diesen stand die Reserve bereit, und eS waren städtische Cvhorten gebildet: Livius VI. 32. 13ü0) Da die Fasten kein anderes Mittel wußten, um anzudeuten daß in den fünf Jahren

379 — 383 während etwa zwölf Monaten Interregnen bestanden hätten, als indem sie diese gesammelt für ein Jahr cinschoben, so mußte dadurch irgendwo in der Folge der Begeben­ heiten eine Lücke entstehen. Nach jenen fällt der Entsaz von Tusculum in 380, und gehört doch offenbar schon in 379. *) Livius VI. 42. *) Plutarch Camill. p. 1 51. c. Man er­ kennt hier Dionysius; wie er über AntiumS Einnahme leichtgläubig ist, S. 495. Anm. 579.

682

Erzählung v. einem gallischen Kriege 383. Ursachen d. licinischen Gesezgebung.

11

Schlachten ausmahlt, von dieser nichts erzählt als daß viele tausend Bar­ baren im Treffen, viele tausend im Lager umgekommen wären: die entron­ nenen hätten ihre Rettung der Entlegenheit Apuliens verdankt, wohin ihresss Flucht sich gewandt, und ihre Zerstreuung auf derselben. Dionysius war

ausführlicher berichtet: Camillus habe ruhig erwartet daß die Gallier durch Völlerei feist, träge, weichlich und unbeholfen geworden wären^): inzwischen sein Heer sorgfältig gerüstet, und auf den Höhen im Lager gehalten, bis die Zeit der Schlacht gekommen. Allein weder Polybius, der den gallischen Zug im Jahr 389 als den ersten nach der Zerstörung der Stadt betrachtet, hat von diesem etwas gewußt) noch, wie Diodors Stillschweigen verbürgt, Fabius: noch Q. Quadrigarius 4). Auch verräth sich die eigenthümliche Sünde der späteren römischen Annalisten, die eine Erzählung, mythisch oder

historisch, auf eine andre Zeit zurückspiegelnd verdoppeln, durch die Ver­ gleichung mit dem großen Sieg welchen L. Camillus 401 eben wie hier erzählt wird am Albanergebürg gewann, worauf die Gallier eben so nach Apulien zogen. Auch hier hat sich, mährchenhaft und fabelnd, ja unredlich, die Sage in die Geschichte eingedrängt wie der Nachkommen Thorheit sie ausgeschmückt und gehegt hatte.

Innere Geschichte bis zum Jahr 374. Ich habe die Geschichte der Kriege, welche auf die Herstellung der Stadt

folgten, bis zu dem Friedenöstand geführt den das Bedürfniß schuf die neue Ordnung deö Staats nach der licinischen Gesezgebung zu begründen: die innere Geschichte gestattet der Raum dieses Theils nur bis an den Zeitpunkt zu bringen wo diese Gesezgebung promulgirt ward. Die Gährung wodurch sie Herbehgefübrt wurde, entstand nicht, wie die Aufregung welche zu den publilischen Gesezen und der Wahl der Decemvirn führte, in den Ansprüchen der vornehmen Plebejer auf größere Freyheit und

gebührende Ehre, — sondern aus dem Elend welches die gallische Eroberung zurückließ. Revolutionen zu denen ein weit verbreiteter Nothstand treibt, zerstören, um diesem abzuhelfen, die Grundlagen einer dauernden freyen Ver­ fassung, und haben fast immer, durch entsezliche Zerstörungen, zum Despo­ tismus geführt: es ist der allerhöchste Ruhm des römischen Volks, worin kein andres sich ihm vergleichen kann, daß zweymal aus einer Aufregung dieser Art eine höhere und kräftigere gesezliche Freyheit hervorging. Was ihr anderswo Untergang brachte, heilte zu Rom die innere Krankheit der Republik: und die Verfassung erreichte den Zustand welcher, bey der Hinfällig­ keit menschlicher Dinge, wie eine ähnliche Stufe für unser Lebensglück, wohl 1303) Die Vergleichung von Dionysius exc. 29. p. 35. ff. mit Appian fr. 7. Gelt. p. 81. zeigt daß dieser auch hier nach jenem geschrieben hat: Plutarch doch wohl nicht, da er den Krieg an den Anio sezt. Es scheint daß ein confuser Gedanke an die schlimme Würkung die das Lagern in Italien für die Cimbern hatte, den Stoff zu jener wunderlichen Erzählung gegeben hat. 4) Dieser fegte in das Jahr 388 allerdings auch einen gallischen Krieg; aber den am Anio, wo T. ManliuS im Zweykampf siegte: s. sTH. 2.] Anm. 1251.

««»

II

Steigen d. Wohlst. nach d. Decemvirat u. dadurch Unschadlichk. d. Schuldrechts.

683

der erfreulichste ist: sie war nur noch um einen Schritt von der Vollendung entfernt, nach der jede fernere Veränderung, Ausartung und Verfall ist, «67 wenn auch lange unerkannt, ja als Ausbildung und Gewinn betrachtet. Seit dem Decemvirat war der Wohlstand der Nation offenbar unge­ mein erhöht: in der daraus entstandenen Behaglichkeit ist, neben der Mischung der Plebes mit den Clienten, die Erklärung der in den inneren Fehven seit

Mälius Tode sichtbaren Versöhnlichkeit zu suchen. Das Vermögen der Patricier wurde durch die Erweiterungen des Gemeinlands sehr vermehrt:

die Plebejer erhielten Ackeranweisungen, die, wenn sie auch, ausser der vejentischen, gering waren, doch vielen Familien wenigstens ein kleines Eigen­ thum verliehen: Kriegssteuern besiegter Völker und Beute bereicherten man­ chen; die Zahlung des Solds war eine große Wohlthat sobald der Zehnte entrichtet ward, und die Ausschreibung des Schoßes selten geworden und auf mäßige Säze herabgebracht war. Ein halbes Jahrhundert hindurch war das römische Gebiet fast nie von Kriegsverheerung getroffen. Die Erhöhung der Preise von Korn und Vieh, welche wir in Griechenland finden, hat sich wohl gewiß bis auf Latium erstreckt, und die glücklichen Folgen dieser Ver­ änderung dürften durch Herabsezung des Gewichts der Affe erhöht fitynJ3Ü5). Ein leidlicher Zinsfuß war eingesührt 6), und keine Klage über Druck und

«es

Verschuldung begegnet uns. So hatte die persönliche Verpfändung, ließen,

welche die XII Tafeln bestehen

in diesem Zeitraum keine weit verbreitete und häufige empörende

Folgen: der Verhaftete7) war gewöhnlich im Stande sich am Verfalltag durch Zahlung zu lösen; und die Bestimmung jener Geseze, daß sein bür­ gerliches Recht dem des Ledigen gleich seyn solle, nahm dem Verhältniß das Schmähliche, und erleichterte Geschäfte die zur Lösung führten. Ursprüng­

lich war offenbar der Nerus so wenig als jemand der in Potestas oder Ma­ nus stand, befugt gewesen für sich rechtsgültig zu handeln; er war eines

Andern, nicht mehr sein, eigen; und was er hatte stand auch demselben zu Gebot: jezt hob eine Fiction dieses auf, und redliche Mann bisher nach seinem Gewissen so dann zur Verfallzeit der Schuldner nicht sofort eidlich erhärtete daß er Mittel habe^), so wird

bildete zum Recht was der gehalten hatte. Und wenn Rath schaffen konnte, aber er die Tribunen nicht ver­

gebens angerufen haben.

Unter diesen Umständen hatten Verfügungen der Tafeln die gräßlich lauten, und ihre Gesezgebung schon vor Alters in den Ruf abscheulicher Barbareh gebracht haben, in der Würklichkeit wenig schreckliches. Nur die Schuldsorderung welche die Form eines Nerum angenommen hatte, befähigte 1305) Nach der Vermuthung, oben S. 256 f., daß die Asse mit dem Typus eine- Rinds sich auf die Abschäzung der Multa durch das Gesez von 325 beziehen. G) Oben S. 542. Die Er­ örterung, was die Unzialzinse war, findet ihre Stelle bey der Herstellung derselben, im näch­ sten Bande. 7) DaS Wort entspricht dem latinischen nexus vollkommen, auch dadurch daß es, wie dieses, einen Gefangenen zu bezeichnen scheint, und doch nur auf daS Haften und Verbundcnseyn sich bezieht. 8) bonam copiam iurare.

684

Schuldrecht der XII Tafeln.

II

den Gläubiger zu summarischer Betreibung "(w). eg solle aber sein Recht auch

bey allen übrigen geschüzt, und deren Verwandlung in ein Nerum begünstigt

werden. Die mannichfaltigsten Beyspiele von solchen Schulden bieten sichens an; wie sie aus geleisteten Diensten, auö Geschäften, aus Abrechnungen, Verlassenschaften, entstanden: wer könnte sie aufzählen? Das Gesez fügte aber auch noch gerichtliche Erkenntniße hinzu: nicht bloß welche eine aus solchen Quellen entsprungene Schuld bestätigten, sondern auch, die für ein

Verbrechen oder Vergehen eine Entschädigung oder Buße in Geld bestimm­ ten. Hierüber verordneten die Decemvirn, was wahrscheinlich auch nur altes Recht war: für selche Schulden solle eine Frist von dreyßig Tagen zuge­ standen seyn.

Nach deren Ablauf möge der Gläubiger den Schuldner er­

greifen, und vor Gericht bringen: entrichte derselbe dann seine Schuld nicht, oder fände Niemand der ihn verbürgte, so solle er ihn nach seinem Hause

abführen, und in Fesseln oder Ketten legen: nicht leichter als fünfzehn Pfund: schwerer möge er sie ihm anlegen. Nähren darf der Gefangene sich selbst: thut er es nicht, so ist der Gläubiger pflichtig ein Pfund Korn zu reichen: mehr mag er geben. Sechszig Tage dauert das Gefängniß, während wel­ cher Zeit der Schuldner oder dessen Freunde um seine Lösung handeln mö­

gen^). Sind diese nicht bewürkt, so soll der Gefangene an drey Markt­ tagen hinter einander") auf das Comitium vor den Prätor geführt, und seine Schuldsumme ausgerufen werden: hat auch dann Keiner Erbarmen mit ihm so mag ihn der Schuldherr tödten, oder über die Tiber verkaufen").6ro

Sind mehrere Gläubiger so können sie seinen Leib theilen; hackt einer ein größeres Theil ab als im Verhältniß seiner Schuld, so ist er darum nicht zu strafen"). Diese lezte Bestimmung räumt die Einrede weg welche Shylock bey

einer ähnlichen Rechtsbefugniß im Wege stand, und zeigt wie völliger Ernst es den Gesezgebern war sie zur Vollziehung kommen zu lassen. Sogar für

den Fall daß unter mehreren Gläubigern auch nur einer unerbittlich war, ist diesem sein Recht bewahrt; ihm stand frey den gemeinsamen Schuldner, wo nicht auf einem Streich umzubringen, so doch ihn zu verstümmeln daß er sterben mußte. Jeder Versuch die Unmenschlichkeit des Gesezes durch Deutung zu beseitigen ist verkehrt und unwahr: sie war empörend wie sein buchstäblich verstandner Sinn: auch möchte ich nicht mit Gellius behaupten daß es nie angewandt, niemals ein Verschuldeter getödtet, oder vollends zerhauen sey. Aber unerhört selten wird es geschehen seyn: denn die ganze Absicht des Gesezes mit seinen Schrecknissen war keine andre als den Schuld1309) Durch Vindication oder manus iniectio. 10) Auch hier findet sich mit der ersten Frist die Zahl dreyßig dreymal. 1 ’) Man sieht auch hier wie dies Recht die Plebejer betraf. "12) Nicht nach Latium, damit er nicht von dort manumittirt zurückkehrend, das Recht des MunicepS geltend mache. In Etrurien muß zur Zeit der Decemvirn kein Ort Jsopolitie mit Rom ge­ habt haben. 13) Si plus minusve secuerunt sc fraude eslo: dies allein Hütte aus je­ dem gesunden Kopf den Gedanken an eine sectio bonorum entfernen sollen: erst das pötelische Gesez nahm das Vermögen in Anspruch. Es ist fast überflüßig wegen aller dieser Ver­ fügungen auf Gellius XX. 1. zu verweisen.

II

Schuldrecht der XII Tafeln.

685

671 ner zu zwingen daß er sich löse oder ein Nerum eingehe, wodurch er Zinsen schuldig ward, aber auch eine Frist bekam, und, wenn er keinen Zahlungs­ werth bieten konnte, mit Arbeit abtrug. Anstatt des abgelebten Vaters trat auch wohl der kraftvolle Sohn in Leibhaft, die in Schuldknechtschaft überging1314): und wenige werden so verlassen gewesen seyn daß gar Nie­ mand für sie hergekommen wäre um dem Gläubiger ein Gebot zu thun was ihm vortheilhafter gewesen seyn wurde als der Verkauf des Unglück­ lichen. Gegen einen Wüthrich, der Billiges ausgeschlagen hätte um seinen Zorn für das verlorene Geld im Blut deS Schuldners zu kühlen; oder taub für die menschlichen Vorstellungen derer, die mit ihm einbüßten, gewesen wäre, würden zuverläßig die Tribunen eingeschritten seyn. Um die Urheber des Gesezes gerecht zu beurtheilen erwäge man daß sie die verbundene Macht von Starrsinn und Geiz überwältigen wollten: Affecte, die beyde gleich tiefe Wurzeln im römischen Charakter hatten, und häufig alle glimpfliche Wege, Bemittelte zur Zahlungsleistung zu zwingen, ver­ eiteln mußten. Der Nerus sah den Tag kommen wo er in Schuldknecht­ schaft verfallen, und den leiblichen Züchtigungen eines aufgebrachten Herrn hingegeben seyn werde: aber der Ungebundene lachte aller Drohungen: er konnte seinen Sohn emancipiren und ihm alles Gut übergeben. Also konnte er, wenn er ein Nerum eingehen mußte, leidliche Bedingungen erlangen: Herabsezung der Schuld auf eine Summe nach deren Zahlung ihm und den 672 Seinigen noch etwas blieb, sey es daß er sie sogleich entrichtete, oder sich für eine Frist verpfändete: der Gläubiger gewann ebenfalls, auch wenn er ein erhebliches nachließ. Hatte jener kein Vermögen, aber starke Glied­ massen, so war er vollends nur durch ärgere Schrecknisse zu bewegen daß er sich bequeme für die Schuld zu arbeiten. Diese durch das Bewußtseyn die Seinigen nicht ganz bettelarm zu hinterlassen, erhöhte Kraft des Trozes, um einen leidlichen Vergleich zu erzwingen, muß in jenen eisernen Ge­ müthern eine Stärke gehabt haben die wir nach unserer Art gar nicht zu ermessen vermögen ^). Die Mittel der Lösung wurden seltner wie die Verschuldung weiter um sich griff: und sollte auch nach der gallischen Zeit die Tödtung des Schuld­ ners noch immer beynahe eben so schwierig eingetreten seyn wie die Anwen­ dung der Tortur oder des Zweykampfs als sie in unsern Tagen noch im englischen Criminalrecht bestanden, so war hingegen Knechtschaft, die nicht erst mit einem entfernten Verfalltage eintrat, der einzige Ausweg. Cs war jenes Nerum wo der Schuldner mit Arbeit abtrug1^): und diese Knecht­ schaft verlebte er im Zuchthause, gleich dem Sklaven. Sie war das Loos 1314) cum se C. Publilius ob aes alienum paternum nexum dedisset: Livius VIII. 28. 15) Zch weiß, sagte ein Janitschar zu einem europäischen Consul, der ihn wegen einer Schuld heftig drängte, daß du ein Todesurtheil gegen mich auswirken kannst. Aber wenn ich hinge-richtet werde, was bekommt der Kaufmann dann? und ich sage dir daß ich nicht mehr bezah­ len will als ich geboten habe. Felir Beaujour tableau du commerce de la Gröce: II. p. 176. 16) Oben S. 323. Sinnt. 1273. Livius VII. 19. elsi levala usura eral,

sorte ipsa obruebantur inopes, nexumque inibant.

686

Verschuldung in Folge deö gallischen llnglücks.

ll

des wegen eines Darlehens als eigen zugesprochenen Schuldner-, wie des­ jenigen dem das Gesez mit Tod oder Verkauf in die Dienstbarkeit drohte. Die einen und die andern füllten schaarenweise die Verließe in den adlichensrg Rufern1317), wo sie in Hunger und Kummer verkamen^). Den Soldaten, den Manlius auslößte, erwartete ein Kerkerleben wie es der eingesperrte Sklav führte: an Hinrichtung oder Verkauf in die wilde Fremde wird nicht

gedacht. Die Nothwendigkeit gleichzeitig in Stadt und Land die zerstörten Häuser aufzubauen, wie dürftig es auch gerathen mochte; Zugvieh, Geräth, Saat­ korn, anzuschaffen, führte unvermeidlich allgemeine Verschuldung herbey. Geld, so viel das Bedürfniß erforderte, konnte nicht vorhanden sehn: um so weniger da die schwere Erzmünze mit Karren fortgeschafft werden mußte,

und zum Flüchten aus der Stadt nur sechs und dreyßig Stunden, von der Kunde der Niederlage an, frey gewesen waren. ES mußte auS der Fremde herbeygezogen werden; wie die Lombarden, welche das Geschäft der alten Argentarji ohne einige Veränderung führten^), ihre Banken dorthin ver-

1317) Gregatim quotidie de foro addictos duci, et repleri vinclis nobiles domos: et ubicumque palricius habitet, ibi carcerem privatum esse: LiviuS VI. 36. 18) Oben S. 334. 19) Ich habe in den Anmerkungen zu den vaticanischen Bruchstücken der Rede pro Fonteio dargethan, daß die doppelte Buchhaltereh schon bey den Römern geführt ward, selbst in den quäftorischen Rechnungen, keineswegs Erfindung der Lombarden ist: ebenso wird es sich mit den Wechseln verhalten. Daö Wort campsare, welches, als dem täglichen Leben angehörend, nur zufällig erhalten ist, bezeichnete wohl schon damals dies Geschäft. (Zus. d. H.) Da N's. Ausgabe der erwähnten Bruchstücke der Rede pro Fonteio sirr M. Tullii Ciceronis .... fragmenta ed. Nieb. Romae 18201 selten ist, werden die be­ sagten Anmerkungen über die doppelte Buchhaltereh der Römer hier abgedruckt:

p. 53. Nam ita ego defendo M. Fonteium, judices, ilaque contendo, post legem Valeriam lalam, a Marco Fonteio quaestore usque ad Tilum Crispinum quaestorem aliler neminem soluisse) Haec est illa lex Valeria turpissima, quae crediloribus quadrantem solvi jussit, lata a L. Valerio Flacco, consule suffecto a. 666: de qua vide Velleium Paterculum II. c. 23. et Corlium ad Sallustii Catil. c. 33: quam per aliquot annos valuisse ex hoc fragmenlo constat: mansisse autem donec lege Cornelia unciaria haud paulo milius rei foenerariae remedium adhiberelur, coniicio. Hujus vero generis leges in iis tanlum debitis valere possunt quae ante eas latas contracta fuerint; nemo enim pecuniam crederet nisi lege illis negotiis cautum esset quaecunque in posterum flerent: nisi forte acriore quadam improbitate haec lex eas quoque solutiones comprehenderit, quae, nulla ad aes credilum relatione, in subsequens tempus stipulatae anlea fuerant,’ ex localionibus censoriis, verbi gralia. Ulut hoc fuerit, quum aerarium P. R. per quaeslores, haud secus quam privati, quadrante dissolveret, eique pariter solveretur, apparet quam ampla furto materies data fuerit, praeserlim quum iisdem tabulis aes novum conlinerelur quod ex ässe, etvelus, quod quadrante solveretur. Sane igilur optimo consilio L. Hirtuleius, quaestor, ut puto, ejus anni, quo lex Valeria lata est, duorum generum tabulas instituerat, et dodrantarias et quadrantarias: quoties enim quadrante dissolveret, assem quidem nomini expensum ferebat, dodrantem autem ejus in lucris ponebat: sin aliler, nihil in lucro: atque contraria ratione in illis utebalur quae populo deberentur, et tum damnum dodrantis factum esse scribebat. Jam qui tabularum conficiendarum ralionem tenet quas duplices vocant, Transalpin! Italicas vocamus, is perspiciet hoc nihil aliud esse quam quod in re simili argentarii et negotiatores facturi essent: atque hinc apparet harum tabularum usum minime, ut ferunt, septingentis vel octingentis annis abhinc invectum esse, sed ab antiquissimis Romanorum temporibus in Italia perdurasse.

II

Verschuldung in Folge des gallischen Unglücks.

687

674sezten wo sich ein reicher Wucher darbot; auch in sehr entfernte Gegenden. Aber der Zinsfuß welchen die XII Tafeln festgesezt hatten, konnte keinen Trapezitm locken, er war weit niedriger als zuAthm^ro); bje Bestimmung der Unzialzinse im Zahr 393 kann nur Herstellung, — dieser Fuß muß nach der gallischen Zeit aufgehoben gewesen sehn, eben um Kapitalien nach Rom zu ziehen. Es war aber nicht allein für das eigene unmittelbare Bedürf­ niß nothwendig zu borgen, sondern eS wurden auch Anlagen ausgeschrieben, theils zur Vollendung öffentlicher Werke, theils um das Gold zu ersezen welches zum Loskauf der Stadt aus den Tempeln entlehnt mar21)* Da nun der Schoß immer nicht die Einkünfte, sondern das auf dem Namen des Steuerpflichtigen stehende Eigenthum traf, dieser also steuern mußte als wäre der Ertrag ihm frey gewesen, und dabey doch mit den ©einigen leben sollte, — so blieb oft nichts übrig als die Zinsen wenigstens zum Theil zum Ka­ pital zu schlagen; alljährlich eine um so viel angewachsene Schuld anzu­ erkennen. Allem Ansehen nach ist ein Zustand wo jede Abweichung vom Billigen weit mehr als sonst verlezte, dadurch noch verschlimmert worden daß die alten Kataster, welche sonst von Lustrum zu Lustrum die Anfertigung neuer 675vorbereiteten und begründeten, wenn sie nicht gar verloren gegangen, so doch durch die allgemeine Zerstörung völlig unbrauchbar geworden waren, und die Abfaßung neuer stockte. Denn während fünfzehn Jahren behalf man sich mit ungefähren Abschäzungen22): wobey es an Begünstigungen und BeQuod quidem eo quoque confirmalur, quod nulla fere res in hoc tolo negolio occurrit quae non proprio suo vocabulo ex optimorum scriplorum usu iatine dici possit; in quo tarnen atlenta lectio meliora suppeditabit quam lexica. p. 64. Acceptas populo Romano pecunias omnes istei reliulerunt: Sei protinus aliis aeque magnas aut soluerunt aut dederunt, ut, quod acceptum populo Romano est, id expensum quoipiam sit, cerle nihil polest esse detractum) Magnam hic locus vim habet ad probandum id, quod dixi, tabularum apud Romanos eandem fuisse indolem quam earum quas Italicas vocamus Germani. Fac enim illo modo institutas fuisse quo eae quas in Germania nostrates tabulas nuncupamus, iam minime verum erit quod hic ait Cicero. Al in llalicis nihil cuiquam acceptum referri potest quod non alii expensum referatur; quae quidem propria earum vis est. Negotia enim ipsa haud secus quam homines nomina in iis sunt, tarn in adversariis quam in codice: ut si quis a populo Romano opus redemlum habebat, opus illud in quaestoriis labulis uomen erat, et quodcunque eo nomine solveretur, id illi quaestor expensum ferebat. Possumus igitur suspicari quid hoc loco intersitinter solvere et dare, modo eorum memores simus quae in hac re aut ipsi facinras aut ab aliis fieri quotidie videmus. Modo enim solvitur, quum de homine sermo est cui debetur, modo datur, negolio scilicet. Neque tarnen contendam reiiciendam esse herum vocabulorum signiflcationem consuelam. Id cerle verissimum est, rite inslitulis labulis nulle modo fieri potuisse ut lateret si quid detractum fuisset: omnis aut em interpolalio, comparalione instiluta, evidentissime arguebatur: quapropter rite confici tabulas ad communem utilitalem pertinebat.— Quoius, quoi, Ciceroni iure vindicatur. BöckhS StaatShauSh. I. S. 4 43. ff. 2I) Ueber den Ersaz deS entlehnten TempelgoldS, oben S. 660. Anm. 4 228. Der Bau der Stadtmauern, wozu ein Tributum ausgeschrieben ward (LiviuS VI. 32.) fällt etwas später; aber das Aufmauern des kapitolinischen BergS kann auf keine andre Weife bestritten seyn: und wie viele öffentliche Gebäude erforderten nicht eine Herstellung welche sich nicht verschieben ließ ? 22) Einen andern Sinn kann die

688

Versuche zur Negulirung deS Schuldenzustandes 371—373.

drückungen nicht fehlen konnte.

II

Endlich wurden dreymal Censoren erwählt,

um eine gerechtere Ordnung herzustellen (371 bis 373). Sie sollten den Schuldenzustand untersuchen'^): wohl das verpfändete Eigenthum um­ schreiben: vielleicht, wie es später geschah, eine allgemeine Liquidation durch Werth für Geld einleiten. Allein das erstemal gab der Tod des einen Cen­ sors einen Vorwand seinen College» abdanken zu lassen: die zweyten muß­ ten ihr Amt niederlegen wegen vorgegebener irriger Auspicien; eigentlich aber, wie klar am Tage liegt, weil einer von ihnen, P. Trebonius, nach

demselben Recht wie die Militartribunen, mit deren Amt die Censur ver­ bunden worden, aus der Plebes erwählt war2*): die dritten blieben un­ thätiges). Hier ist die Hand des herrschenden Stands unverkennbar, welcher den«^ Ertrag der Grundstücke seiner Schuldner genießen wollte, ohne die Steuer davon zu entrichten: Thoren, die nicht einsahen daß der Staat, welchen sie als ihr Eigenthum betrachteten, zu Grunde gehen mußte wenn sie den Mit­ telstand zu einem Bettlerhaufen herabbrachten. Immer noch erscheinen die Patricier als die Wucherer2^): nicht daß es glaublich wäre daß sie alles

baare Geld glücklich geborgen gehabt hätten; sondern wohl hauptsächlich weil der fremde Geldhändler nur unter dem Namen eines Patrons Geschäfte machen konnte: ein Vortheil der nothwendig hochbezahlt sehn muß, wie die Befugniß für einen Leibeigenen Handel und Gewerbe zu treiben. Auch hatten sie aus früherer Zeit ihre Forderungen ausstehen. Die römische Oligarchie hätte ohne sich zu verderben hochmüthig gegen die plebejischen Ritter seyn können, wenn sie, wie die karthaginiensische und

die einiger griechischen Städte, vor allen aber die der Republik Bern, für den Wohlstand der Volksmenge Sorge getragen hätte. 3a auch ohne milde und freundliche Verwaltung möchte sie sich viel länger erhalten haben, wenn der Senat mit den Mitteln bekannt gewesen wäre welche die neuere Finanz erfunden hat, die Noth der Gegenwart zu übertünchen und den Nachkom­ men zu überantworten: wenn auch nur ein System hypothekarisches Credits

und dauernde Darlehen mit leidlichem Zinsfuß bestanden hätten.

M. Manlius, der Retter des Kapitols, von dem die Chroniken sagen,577 daß er an Adel und Tapferkeit Keinem nachstand, durch Schönheit, Thaten, Beredsamkeit, Kraft und Zuversicht vor allen ausgezeichnet mar27), fand sich Nachricht vom tribulum temerarium (FestuS s. v. tributorum) nicht haben; welches weder in capita noch ex censu entrichtet ward, quia proximis quindecim annis post urbem a Gallis captam Census alius (1. actus) non erat. 1323) maxime propter incerlam famam aeris alieni: Liv. VI. 27.noscendiaeris alieni causa 31. ")Jch habe oben S. 571. gezeigt, daß die beyden Militartribunen welche DiodorXV. 51. mehr hat als Livius, Censoren waren. Von ihren Namen ist der eine, 'Eqevova ' loq, ohne Zweifel verschrieben, und wird rtvoimoff heissen sollen: die Genucier hatten Familien aus beyden Ständen, und hier ist ein Patricier anzunehmcn: die Trebonier sind uns seit dem Tribun von 307 als Plebejer, und nur als solche, bekannt. 25) ne rem agerent, bello impediti sunt: daS ist eine Beschönigung, höchstens schon der Annalen, vielleicht nur des Geschichtschreibers selbst. 26) LiviuS VI. 36. am Schluß. 27) Quadrigarius bey Gellius XVII. 2. forma, factis, eloquentia, dignitate, acrimonia, confidenlia, pariler praecellebat. Plinius, VH. 29, erzählt, daß er vor dem siebzehnten Jahr, als Prätertatus,

II

M. Manlius.

llnterftüzung der Schuldner durch denselben.

689

in seinen Ansprüchen auf Dank und Ehre bitter getäuscht. Camillus, sein Feind, dem er sich wenigstens gleich fühlte, der die Noth der Belagerung

nicht getheilt, der dem Vaterland geflucht hatte, ward wiederholt durch die Geschlechter zu Diktaturen, durch die von der Aristokratie abhängigen Wah­ len zum Consulartribunat erhoben: er selbst, obwohl Altconsul, fand sich von allen Würden ausgeschlossen. Diese schnöde Zurücksezung, als Lohn

einer That die in einem Heldenleben von unerschöpfter Kraft hervorragend aber nicht einzeln stand, vergiftete sein Herz mit bitterm Groll. Er war einer von den mächtigen Menschen die den Beruf empfangen haben die Ersten im Vaterland zu seyn, und unüberwindliche Leidenschaft ihn geltend zu machen, während der Neid und die Abneigung niedrigerer Naturen sie von der Stelle die ihnen gebührt zurückzudrängen entschlossen sind; von deren dämonischem Gemüth, wie es dieser Kampf enthüllt, auch rechtschaffene aber ängstliche Männer scheu zurückweichen. Denn allerdings ist ihnen ein Geist als Ge678selle beygegeben, gegen deffen Fallstricke eben nur das Vertrauen und die Gunst edler Menschen sie schüzen könnten. Gott wird ihre Seele von denen fordern welche sie auf unselige Wege trieben: ihre Fehler wird er gnädiger richten, als die welche sein herrlichstes Werk verderbten. Immer ist solchen Gewaltigen ein inniges Gefühl für Recht, Wahrheit und alles Herrliche; Liebe und Erbarmen, Haß und Zorn rechter Art, angeboren: es wird den wilden Leidenschaften dienstbar, aber es erstirbt nicht; und es ist schreyend ungerecht, auch wenn ihr Leben unwiederbringlich verirrt ist, Handlungen, die in einem unbescholtenen als edel und löblich gepriesen werden würden, bey ihnen anders zu betrachten, weil gemeine Seelen dergleichen als berech­ netes Werk üben mögen. Gewiß mit reinem Gefühl begann Manlius sich der hülflosen Schuld­ ner zu erbarmen.

Er erkannte auf dem Forum einen alten Kriegsgefährten,

einen durch vielfache Thaten ausgezeichneten Hauptmann, den der Wucherer, nach Urtheil und Recht, gefesselt wegführte. Auf der Stelle zahlte er für ihn, und gab ihn den Seinigen wieder.

Als der Befreyte Worte gefunden

hatte, erzählte er der umgebenden Menge sein Schicksal, worin die meisten Zuhörer ihr eigenes erkannten. Der Krieg, und die gezwungene Herstellung

seines HauseS, hatten ihn in Schulden gestürzt: die Zinsen, zum Kapital geschlagen, dieses, und endlich sein ganzes Vermögen, weit überstiegen. Er enthüllte seine rühmlichen Narben aus vielen Kriegen. Seinem Wohlthäter gelobte er ewigen Dank und unbedingte Treue. Alle Versammelte waren bewegt, Manlius war begeistert. Er verkaufte vor allem Volk ein Landgut, 679 sein reichstes Erbe; und schwur, so lange er noch ein Pfund habe werde er nicht gestatten daß ein Quirit als Schuldknecht abgesührt werde. Das hat er treu gehalten: als er auf den Tod angeklagt war, hat er an vierhundert

zwey Spolien erbeutet hatte: er war der erste Reisige der eine Mauerkrone gewann: er zeigte 6 Bürgerkronen, 37 Ehrengeschenke und 23 Narben adverso corpore.

Niebuhr, Nvm. Gesch.

44

690

Manlius regt die Plebs auf.

II

Bürger als Zeugen gestellt, die er durch Darleihen ohne Zinsen, auS dem Schuldkerker errettet hatte. Seit diesem Tage begrüßte ihn die Gemeinde mit dem Namen ihres

Patronus, der allerdings für die Herrschaft beunruhigend seyn sonnte1328). In seinem Hause auf der Burg begannen Plebejer von allen Klassen sich zu versammeln; vor diesen soll er seine Mitstände angeklagt haben, sie hätten das gallische Gold unterschlagen: das solle man von ihnen zurückfordern, und zur Schuldentilgung verwenden. Die Erwähnung des Schoßes, wel­ cher ausgeschrieben worden um jenes Gold aufzubringen2"), läßt erkennen daß hier keine ausmahlende Erzählung fabelnder Annalisten, nicht an das angeblich von Camillus wiedereroberte gedacht ist. Die Chroniken meynten eine Ausschreibung um das aus den Tempeln entlehnte zu ersezen: und zwar zwiefach, wie denn das eingemauerte doppelt so viel betrug als das Löse­ geld3"). Hätte man glückliche Zeiten erwartet, so war dawider nichts zu

erinnern damit der Staat sich nicht gewöhne Tempelraub als eine bereite Aushülfe zu betrachten: mußte aber das Geld zum Schoß beydem Wucherer^«

erborgt werden, so empörte, was vielleicht nur Bigotterie sein mochte, als Heucheley; und da es zum Behuf einer vor allen Augen verschloßenen Nie­ derlegung geschah, so war Niemanden der Argwohn zu verdenken, es seh gar nur eine Erpressung zum Bortheil mächtiger Plünderer, welche sich das Kapital theilten, für dessen Darleihen an die unglücklichen Steuerpflichtigen

sie von Clienten, die unter ihrem Schuz Wucher trieben, Procente empfan­ gen hatten. Sobald ein solcher Verdacht sich verbreitete, galt er der ge­ quälten Armuth für ausgemacht; und dies mußte weit mehr als alle alte

Bedrückungen die schreckliche Stimmung erregen worin Aufstand ein willkomner Gedanke wird. Solche Rügen konnten nur erbittern: was der Noth würklich abhelfen sollte waren Anträge auf Ackertheilung und Schuldentilgung. Dionysius

erzählte31),

Manlius habe diese Tilgung gefordert, ohne daß das Gemein­

land verkauft werde, um mit dem Ertrag die Schulden abzuzahlen: das war, wenn es nur mit einem Theil geschah, — so viel als billig zur Assignation hätte kommen können, — jene in einer bessern Form. Noch ist wohl nur an

Vorschläge zu denken wofür es möglich war die Einwilligung der Curien wenigstens abzudringen: also nicht an eine allgemeine Ackeranweisung. Es war das Jahr 370, das fünfte von der Herstellung der Stadt. —

A. Cornelius Cossus war wegen des volskischen Kriegs zum Dictator er­ nannt; er, dessen Gewalt auch nach der schnellen Beendigung des Feldzugs fortdauerte, ließ Manlius als Verläumder der Herrschaft, und als Meuterern 1329) Sititud VI. 18. Victor de vir. ill. 24 : wo aber dieser große Ehrenname (verändert zu pa­ tronus populi) schon auf die Rettung des Kapitols bezogen wird. Auch parens plebis scheint er genannt zu seyn: LiviuS VI. 14. 3. ") Ders. VI. 14. ad redimendam civitatem a Gallis — tribulo collalionem factam. 30) Plinius XXXIII. 15. 31) Denn ihn vernehmen wir in Appian fr. 9. Italic, p. 40.

Manlius eingekerkert.

II

691

in den Kerker werfen. Ms ob den Patronus oder einen nahen Freund dieses Schicksal getroffen hätte, trauerten nun, nebst denen die ihm Freyheit

und Tageslicht verdankten, viele andre Plebejer in zerrissenen Kleidern und mit verwildertem Haupthaar und Bart; täglich wuchs ihre Zahl und vom frühesten Morgen verließen sie den ganzen Tag die Thür des Kerkers nicht. Um die Gemeinde von ihrem Führer abzuziehen, ward eine Colonie von zweytausend Bürgern nach Satricum beschlossen: aber die beschränkte Zahl, und zwey und ein halbes Jugerum für die Familiewurden mit Hohn: die Lage des Orts, wo die Angesiedelten auch bald nachher umkamen, ward als eine verrätherische Arglist ausgenommen. Nun wichen Manlius An­ hänger auch die Nacht hindurch nicht: man drohte gewaltsame Befreyung:

anstatt ein Gericht entscheiden zu lassen, faßt der Senat den Entschluß ihn in Freyheit zu sezen: sey es, daß man nur für den Augenblick einen ge­ waltsamen Ausbruch zu vermeiden suchte, oder daß auch nicht einmal schein­ bare Beweise hochverrätherischer Entwürfe gegen ihn vorzubringen waren, wohl aber zu erwarten stand daß das stürmische Gemüth sich nun unfehlbar zu Schritten verirren würde, die gerichtlich schuldig machten. Wer kann bezweifeln daß, wenn nun sein Anhang sich wieder um ihn versammelt fand, ihre Reden vielfach ergrimmter und drohender waren als

ess zuvor? Wer will es läugnen daß der Gedanke sich die Königswürde anzu­

maßen, den das gesunde Bewußtseyn eines Römers nicht fassen konnte, in der Finsterniß des Kerkers die fiebernde Seele ergriffen, und sie nicht wieder verlassen haben mag? Aber nirgends fand Livius ihm eine Handlung zur Last gelegt welche unmittelbar auf jenes Vorhaben gedeutet hätte33). Viel­ leicht würde ManliuS auch jezt noch in das Verhältniß des gesezlichen Bür­

gers zurückgekehrt seyn, wenn seine gerechten Ansprüche erfüllt wären; doch Nachgiebigkeit und Vertrauen waren für die Machthaber eben so unmöglich,

als für ihn daß er in tugendhafter Demuth des Friedens wegen geduldet hätte. So war er denn, schuldig oder nicht, durch ein Unglück das niemand beseitigen konnte,

höchst gefährlich,

und es konnte nur schlimmer werden.

Diesen Knoten hätte Ostracismus lösen können; und die Tribunen, welche

ihn vor den Centurien anklagten34), dürften nichts anders gewollt haben als einen Bürger entfernen, dessen Anwesenheit mit dem Bestehen einer Regie­

rung unverträglich war, deren gewaltsame Zerstörung, wie tadelnswerth 6S3jene seyn mochte, dennoch das höchste Unrecht und das allerärgste Uebel ge-

1332) 5000 3ugern sind eben hundert quästorische oder plebejische Centurien, zu 100 Actus. 33) Quae praeter coetus multiludinis, sediliosasque voces, et largilionem, et fallax iudiCium, perlinentia proprie ad regni crimen — objecta sint, — apud neminem anderem invenio. Livius VI. 20. 34) Ihre Namen heißen bet) Livius, VI. 19. M. Ma­ nius und Q. PubliliuS, beyde nach Cmendation, welche für den zweyten als wohlbegründet gelten darf, und den Vater oder Großvater des Dictators zeigt: allein für den ersten sollte hier und IV. 53. die Lesart aller Handschriften, M. Menenius, hergestellt werden, welche SigoniuS mit zu großer Dreistigkeit geändert hat) so mancher Volkstribun führt den Namen eines patricischen Geschlechts!

692

Gericht über McmliuS.

wesen seyn würde.

Lossprechung durch d. Centurien.

Aufstand.

Neue

II

Offenbar wollten sie ihn nur veranlaßen sich zu entfer­

nen, sonst würden sie ihn verhaftet haben: jezt hätte er ohne Schimpf das Bürgerrecht eines Municipiums führen können: leider blieb er unbiegsam, und erwartete das Gericht. Dies ließ um so viel mehr Gunst für ihn er­ warten, je ungemässigter sich die Wuth der Patricier zeigte: die Abtrünnig­ keit der gesammten Freundschaft, welche ihre heiligen gentilicischen Pflichten

brach; die Verläugnung seiner eigenen Brüder, welche die Trauerkleider ab­ gelegt hatten, — empörten um so mehr da es im Andenken war wie im Gegentheil C. Claudius und sein ganzes Geschlecht während der Anklage des Decemvirs getrauert hatten. Als er aber die als Zeugen vorrief, denen er Freyheit und Eigenthum wiedergegeben, oder in Kriegen das Leben ge­ rettet hatte, — unter diesen den Obersten der Reisigen, C. Servilius, der nicht erschien ihm durch Zeugniß zu vergelten: — als er die Waffen dreyßig erlegter Feinde, vierzig von den Feldherrn empfangene Ehrengeschenke, zeigte, die Narben seiner Brust enthüllte, und, von der auf dem Marsfeld versam­ melten Gemeinde nach dem Kapitol gewandt, betend, nicht mehr die jeder Wohlthat undankbar vergessenden Menschen, sondern die ewigen Götter an­ flehte, ihm in seiner Noth zu gedenken daß er ihren heiligen Tempel von Entweihung und Zerstörung errettet habe, — da fühlten sich auch die, welche seine Erhaltung unvereinbar mit der des Staats glaubten, unwürdig einen solchen Mann zu verdammen. Anerkannt ist daß er nicht verurtheilt ward: nicht zu bezweifeln daß ihn die Centurien losgesprochen haben; die Angabe,«84

es sey das Urtheil verschoben worden, ist nur erfunden nach dem Wahn, das Gericht welches ihn verdammte sey eine rechtmässige Fortsezung von jenem auf dem Marsfeld gewesen. Jeder Gedanke an glimpfliche Entscheidung war nun hin. Manlius Anhänger bereiteten sich mit ihm das Kapitol bewaffnet zu behaupten: die Vornehmen und Besonnenen von der Plebes überließen wehmüthig den Sieg

in einer heillos gewordnen Sache denen die ärger und unedler waren als der Verirrte. Von der andern Seite war Camillus, zum viertenmal zur

Diktatur erhoben 1335), jezt in der Stadt30), beschäftigt den Untergang seines Feindes zu vollenden. Unter dem Schuz der Allgewalt seines Amts er­ neuerten die Rügeherren vor den (Surien37) die mislungene Anklage; oder 1335) Dio Cassius (Zonaras p. 35. f.) meldet diese Dictatur, welche er als die vierte des Camillus

zählt, ausdrücklich; und Livius Erzählung ist Zeugniß dafür daß C. Servilius zur Zeit des

Gerichts Oberster der Ritter war: VI.20. inter quos C. Servilium magistrum equitum absentem nominalum. Er hatte dieses Amt 366 bekleidet, aber unmöglich war es Livius Gedanke, Manliushabe ihm damals das Leben gerettet; worüber Plinius Erwähnung VII. 29. freylich nichts entscheidet. Jener hat sich hier wie über 369 (VI. 6.) durch die Ansicht irre

leiten lassen, der Consulartribun könne diktatorische Gewalt empfangen haben, nicht aber zum Dictator ernannt seyn. 3b) Wenigstens der Magister equitum war vorher abwesend. 37) In Petelinum lucnm extra portam Nomentanam Concilium populi indictum esl: Li­ vius VI. 20.

Schon oben S. 238. habe ich bemerkt daß hier kein anderer Populus als die

Curien zu verstehen seyn kann: den Eomitiat der Centurien kann kein Annalist ein Conci­

lium populi genannt haben, welches jene eben so waren wie die Versammlung der Ge-

II

Anklagen.

Manlins verurtheitt.

Kampf auf d. Kapitol.

Manlius Tod.

693

es»sie trugen bey derselben auf Aechtung an: und dies däucht mir wahrschein­ licher; denn, obwohl die XII Tafeln solche Geseze wider den Einzelnen un­ tersagt hatten, so mochte doch die Beystimmung der Gemeinde, welche dort nicht berücksichtigt seyn konnte, der Sache eine andre Gestalt gefcen 1338). Das

Concilium des patricischen Populus im petelinischen Hain, vordem Nomentaner Thor, sprach den Tod über Manlius aus.

Dies ist nicht mit Unrecht geschehen wenn er nun im Aufruhr war: doch wer mag verbürgen daß der Unglückliche nicht eben durch die Aechtung zu einem Schritt getrieben ward bis zu dem er sich vielleicht sonst nie ver­ irrt hätte? Daß es geschehen; daß er nicht, wie Livius Erzählung voraussezt, als ein duldendes Opfer fiel, wonach denn seine Unschuld fast ausser eg«Zweifel scheinen muß, — darüber hat Dio ohne Zweifel aus der ächtesten Quelle, wie so manches andre, eine Erzählung erhalten, wobey er nur in

den bey andern römischen Geschichtschreibern so gewöhnlichen Fehler einer widersinnigen Verbindung mit der sonst angenommenen, verfallen ist. Da­

von getrennt lautet sie so glaubwürdig wie bedeutend. ManliuS mit seinem Anhang Meister des Kapitols,

Nach ihr nun war und im offenen Krieg

gegen die Republik: aber die angesehenen Plebejer hatten alle ihn verlassen, und er konnte keine Hülfe verschmähen. Ein Sklav, der durch die Wachen des Dictators geschlichen zu seyn schien, fand sich auf dem Berge ein, vor­

geblich als der Bote einer Verschwörung seiner Klaffe. Manlius, auf der Area, am Rand der schroffen Bergwand, hin und her wandelnd, lieh ihm Gehör ohne Argwohn': an einem einsamen Ort warf sich der Verräther auf ihn, und stieß ihn vom Felsen hinab30). Die Nachkommen, der feigen Hinterlist b8,sich schämend, haben erzählt, die Tribunen hätten ihn hinabgestürzt4()): meinde da- Concilium plebis war und hieß. Auch sind die Centurien niemals anderswo zusammengekommen al- auf dem Marsfeld : der PopuluS der Geschlechter hat auch die 9 er Hortensia in einem Hain angenommen: dem esculelum. — Einige Annalen nannten als Anklüger nur die Tribunen, andre nur die Quästoren (Livius VI. 19, 5. 20, 12.). Gegen so viele Beyspiele an denen ich gerügt habe daß zwey abweichende Erzählungen der nämlichen Sache zusammengefügt werden als wären es verschiedene Ereigniffe, ist hier ein in der römi­ schen älteren Geschichte äufferft seltenes vom Gegentheil. Es ist ein feiner Gedanke daß das Volk wo da- Kapitol vor ihren Augen war das Urtheil zu sprechen kein Herz fassen konnte; aber daran hing des Angeklagten Schicksal nicht. — DionvsiuS scheint (nach exc. 28. p. 32. und Plutarch Camill. p. 148. b. c ) ganz wie Livius erzählt zu haben. na») Die- ist waS ich oben S. 633. im Sinn hatte. 39) Dio, fr. XXXI. Reim. vgl. mit Zonara-, durch den jenes Fragment erst verständlich wird, p. 35. f. Nichts kann unglücklicher seyn als der Zusammenhang worin die Erzählung gestellt ist: man habe sich nur seiner Per­ son bemächtigt, um ihn vor die Centurien zu stellen: darauf folgt das zwiefache Gericht, endlich wird er zum zwehtenmal vom tarpejischen Felsen gestürzt. Da starb er denn : hätte daS erstemal so wenig Leides empfunden daß er vor dem Volk redete ? Er wäre in offenbarer Empörung gewesen, und doch freygesprochen worden? Vielmehr hätte alsdann gar kein Ge­ richt Statt gefunden; der Dictator würde ihn haben hinrichten lassen. — Auch Diodor redet über Manlius als überwältigt in völliger Empörung: bußcdoptvog iuo«vvldi zal xqaTTj&Eis avriQ&iT): XV. 35. 40) So erzählen Livius, Dionysius (exc. und Plutarch), Dio — übereinstimmend mit Varro, bey GelliuS XVII. 21 : wobey nur an die Tribunen zu denken ist, die kein Recht hatten eine Hinrichtung vollziehen zu lassen, am allerwenigsten

694

Assignationen und

Das Andenken des Frevels des Manlius.

II

andre sagten, er seh gestäupt und enthauptet""): vielleicht nur weil ein Tovesurtheil, welches die Curien ausgesprochen, so vollzogen worden wäre:

möglich ist es daß der Unglückliche noch athmend ausgenommen, und hinge­

richtet ward. Daß Manlius sich der Feste hatte bemeistern können weil er dort ein Haus hatte, veranlaßte den Beschluß daß in Zukunft kein Patricier auf dem

Kapitol wohnen dürfe. Nicht daß die Geschlechter ihn zu Unehren ihres eigenen Standes gefaßt, daß Plebejer größeres Zutrauens würdig geschienen hätten: sondern es ist ein Vorrecht aufgehoben worden: es sollte von nun an überall Niemand

auf der Burg wohnen,

wie es den Plebejern immer

verwehrt gewesen war"). Jenes Haus ward geschleift, und, nach der einen Darstellung, die Stätte mit zwey Hainen bepflanzt; nach einer andern der Tempel der Juno Moneta, später auch die Münze, dort aufgeführt"). Auch

beliebte das Manlische Geschlecht auf ewige Zeiten daß kein Patricier unter ihnen den Namen Marcus führen solle44). M. Manlius ward im Jahr 371 getödtet.

und Seuche und Mißwacbs,

Das Volk beweinte ihn,«««

die bald folgten, und das Elend vermehrten,

schienen eine Nache der Götter dafür zu sehn daß der Netter ihrer Tempel aufgeopfert worden"). Wie nach Mälius Tode wohlfeile Getreidepreise gegeben wurden,

so689

beschloß jezt, 372, der Senat die Assignation des pomptinischen Gebiets, gegen einen Patricier, da sie kein magislratus populi waren : wohl aber zu todten ((Th. 2.) Anm. 372). ’341) Cornelius Nepos bey Gellius a. a. O. — die Strafe für den Perduellio wenn er auf der Duumvirn Anklage inore maiorum hingcrichtct ward. 47 Daher war der kapitolinische Berg in keiner plebejischen Region und kommt in Barros Topographie nicht vor. 43) Die Rede pro domo 28 (101). — Livius VI. 10. Plutarch Camill. p. 143. d. 44) Wie daS Claudische einst den Namen Lucius ausschloß, weil zwey ihrer Gentilen, die ihn führten, der eine wegen Mord der andre wegen Straßenraub, verurtheilt wurden. 45) Ein sonderbares Spiel des Schicksals hat unter den Byzantinern jenen fabelhaften Glanz den die dichterische Sage für Camillus schuf auf seinen unglücklichen Nebenbuhler übertragen. Johannes MalalaS (Chronogr. Vll. p. 233 — 239 ) erzählt, aus einem BrunichiuS, vom Mallio Capitolinus wie er, von boshaften Feinden aus Rom verbannt, sich auf seine Güter bey Aquileja zurückgezogen. Aber nach der Einnahme der Stadt habe ihn der reuige Senat zum Feldherrn erwählt: er dann die Legionen aus den Festungen zusammengezogen, mit ihnen das Kapitol entsezt, BrennuS mit eigener Hand erschlagen, sey darauf zum Oberhaupt ernannt, und habe seinen Erzfeind, den verrätherischen, auS galli­ schem Geschlecht abftammcnden, Senator Februarius verjagt. Dieselbe Erzählung hat Cedrenus. — Brunichius ist sicher kein erdichteter Schriftsteller wie die in den kleinen Paralle­ len, dem Buch von den Flüßen, dem Scholiasten zum Ibis, vielleicht auch dem ravennatischen Erdbeschreiber: ein Römer war er freylich nicht: der Name ist offenbar gothisch, wie Wit­ tich. Nichts ist begreiflicher als daß die germanischen Ansiedler die Geschichten welche sie in Italien wieder zu Sagen geworden fanden, theils unvollkommen auffaßten, theils mit der­ selben Freyheit behandelten wie sie es mit ihren ererbten einheimischen gewohnt waren. Spuren völliger Entstellung der alten Geschichte in volksmäßiger Erzählung zeigen sich we­ nigstens nicht lange nach dem Untergang des westlichen Reichs: offenbare Züge einer solchen Gestaltung trügt die von Camillus im Commentar zum VL Buch der Aeneis (ad. v. 826.), der unter Servius Namen geht aber zu denjenigen gehört wovon nur ein ungeschickter und mannichfaltig veränderter, zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert in einer der dürftig fort-

II

Colonien.

Besserung der Rechte der Plebs.

Kämpfe.

695

welche schon vor vier Jahren von den Tribunen gefordert trat1346). Doch ward diese Niederlassung bald durch den Verlust von Satricum wieder zer­ stört, bey dem nur wenige der unglücklichen Colonen sich retteten. Unrer glücklicheren Auspicien zogen die aus welche um Eigenthum zu erlangen in die latinischen Colonien Sutrium,

372, Setia, 373, und Nepete, 382,

wandernd4?), dem Bürgerrecht entsagten. 890 Nicht unwichtig ist für die Verfassung, daß die von Senat und Ge­ schlecht beschloßene Kriegserklärung jezt der Gemeinde zur Genehmigung vorgetragen ward4^), anstatt daß früher die Centurien ihre Beystimmung

ertheilt hatten4^).

Doch wäre dem Volk jede Linderung seiner Noth tritt»

kommner gewesen als solche Besserungen der Verfassung, oder ein Abkom­ men zwischen den Häuptern beyder Stände, wie dasjenige wodurch die Pa­ tricier 376 zum erstenmal nach siebzehn Jahren die Ernennung plebejischer Militartribunen wieder zuliessen: zumal da diesen nur der Name des Amts blieb. Denn der Gewalt hatten sich die patricischen Cottegen willkührlich angemaaßt: sie haben sie sehr unglücklich ausgeübt: dadurch ließen indeßen

die Herrschenden sich nicht hindern im folgenden Jahr wieder alle plebejische Candidaten ausser einem auszuschließen. Jener Vergleich war erzwungen worden indem die Volkstribunen sich der Ueberantwortung der Schuldknechte an die Gläubiger, und der Aus­

hebung der Soldaten widersezt hatten, biö annahende Gefahr verpflichtete über diese lezte nachzugeben. Als sie 377 ihre Einsagen erneuten, vertrug man sich daß, so lange der Krieg währe, kein Urtheil über fällige Schulden gesprochen, noch Schoß ausgeschrieben werden solle. Vielleicht gelang es cor für die Dauer so kurzer Feldzüge, wie jener des Dictators T. Quinctius,

den Sold mit dem Ertrag des Zehenten zu bestreiten: vielleicht fanden die Plebejer, es sey ein minderes Uebel ihn zu entbehren, da der Senat die Völker jezt nicht unbestimmt im Felde halten konnte. Es war nun das dritte Jahr daß Censoren ernannt wurden um den Schuldenstand zu prüfen lebenden grammatischen Schulen abgefaßter Auszug vorhanden ist. Sichtbar jung ist die Angabe vom Ort des Siegs: bey Pisaurum, welches, wie die etymologische Erklärung, — vom italienischen pesare, — zeigt, schon Pesaurum ausgesprochen sehn muß: eigenthüm­ lich ist daß er nachher in das Eril zurückgeht. — Die großen Namen lebten fort mit innerer Unsterblichkeit, aber die Phantasie spielte wild mit ihnen wie das Geschwäz eines Kindes, oder wie Geschichte und Erdkunde sich in Nitterromancn gestalten. So ist Catilina im frühesten Mittelalter zum Helden der florentinischen Chroniken geworden: so war Hannibal in der Tradition Roms im zwölften Jahrhundert ein römischer Feldherr, von dem eine Fa­ milie der Stadt ihr Geschlecht ableitete. Wahrlich war dies harmlos, und den abgeschiedenen Geistern willkommener als völlige Vergessenheit so lange die Geschichte im Grabe lag. MalalaS kennt diese vor Augustus nur so: er erzählt wie Romulus die Factionen des Circus ge­ stiftet, und Brutus den Knecht Vindicius zum Comes ernannt habe. 1346) Livius VI. 5. 2'1. 47) So giebt Vellejus die Jahrszahlen an. Livius sezt die Colonie zu Setia in 376, zu Nepete in 382 (VI. 30. 21.) — übergeht Sutrium. Satricum war eine Colonie von Römern: solche liegen ausser dem Plan des Verzeichnisses bey Vellejus, und weder bey ihm noch bey Livius Vf. 16. darf geändert werden. ,s) Livius VI. 21. omnes tribus bellum iusserunt. 49) (Th. 2.] Anm. 946.

696

Fortwährende Kämpfe der Stände 376 ff.

Steigende Noth der Gemeinde.

II

und zu erleichtern, aber, nach der Absicht der Faktion, ihren Auftrag ver­ eitelten: vielmehr ward die Verschuldung noch gesteigert, indem sie ein Tributum zum Bau der Mauern ausschrieben ^25"). Ueber die Ernennung der Eonsulartribunen des nächsten Jahrs, 378, des L. Aemilius und seiner College»^), sagt Livius daß sie durch die Patricier erzwungen worden^); dies vereinigt sich mit Diodors Angabe, es sey vorher eine Zeit in Auf­ stand und Interregnen verfloßen, weil ein Theil die Ernennung von Consuln gewollt habe ^2). Die es redlich mit dem Vaterland meynten, werdens auch diesesmal, als die Feinde ins Feld rückten, sich wehmüthig entschlossen haben dem schnöden Unrecht lieber zu weichen. Jezt war die allgemeine Noth aufs Hochs e gekommen:

täglich wurden Schuldknechte zugesprochen, und in die HauSkerker geführt. Die Gemeinde erlag unter dem Elend, und versank in ein dumpfeS Dulden; wobei die Frage wegen der Rechte der Stände als Gesammtheiten, über die schon am Anfang deS dem Ende entgegengehenden Jahrhunderts mit so großer Heftig­

keit gestritten wurde, jezt ganz für den herrschenden entschieden schien^). Die Zahl der Freyen nahm zusehends ab; die welche übrig blieben waren durch Verschuldung abhängig. Nom war im Begriff zu einer elenden Oli­ garchie herabzusinken: der Name einer latinischen Stadt in griechischen Bü­

chern, wenn solche ohne der Römer weltordnende Herrschaft hätten erhalten

seyn können, wäre was unsere Zeit höchstens von ihr wüßte, wenn nicht auf diesem Punkt des hoffnungslosen Verfalls zwey Männer erschienen wären die daS Schicksal der Nation und der Welt wandten. Unsre Vorältern, die sich an Sprüchen särkten, haben gesagt: wenn man dem Volk die Ziegel doppelt, so kommt Moses. Diese Zuversicht ist eine Täuschung: die Hellenen sind von jeder Stufe des Elends und deresr Knechtschaft zu einer immer tieferen herabgesunken, und für MosiS Volk ist 1 J5°) Livius VI. 32. Den Unwillen über die beschönigte Vereitelung bei Census, ne rem agerent belle impediti sunt (VI. 31.) spricht er aus VI. 27.: eam ludificationem — ferendam negabant: — die Tribunen hemmen Rechtigang und Aushebung donec inspeclo aere alieno, initaque ratione minuendi eius, sciat unusquisque quid sui quid alieni sit. 51) Diese Bezeichnung einer zahlreichen Magistratur durch den ersten und seine Cottegen ist 57 coacla prmcipum opibus: Livius VI. 32. in den florentinischen Chroniken üblich. r’3) DiodorXV. 61. Ol. 102. 4. Tia^a 'Ptopcdoig lyivtio arwo'/f, twv ptv olop^vtov

vJiaTOvs, Ttov Je ytXtaQyovg cuQttö&ai. tnl fitv ovv Tiva /qovov «v«qyla T7)V oiäoiv ^uer« (Je tccvtcc eJo^e yiZtanyoug aiQuafrat e£. Da Diodor gewiß nicht- aus eigenem Wiz hinzuthut, so laßt sich nicht annehmen, er selbst habe fälschlich die licinische Rogation im Sinn gehabt. Also haben entweder die licinischen Un­ ruhen, welche Livius unter diese Consulartribunen sezt, schon unter denen des Jahrs vorher begonnen, — oder die Patricier wollten damals Coniuln, au- denselben Ursachen wie vor der gallischen Zeit. 54) Livius VI. 34. in urbe vis Palrum in dies, miseriaque plebis crescebanl — cum iam ex re mini dari possel, fama et corpore ludicali atque addicti credilonbus salisfaciebanl; poenaque in vicem stdei cesserat. Adeo ergo obnoxios submiserant animos, non infimi solum sed prmcipes eliam plebis, ut — ne ad plebeios quidem nr gistralus capessendos ulh viro acri experientique animus esset: possessionemque honoris, usurpati modo a plebe per paucos annos, recuperasse in perpetuum Patres viderenlur.

Verzagtheit.

11

697

kein zweyter Erretter erschienen; wohl aber mancher falsche Prophet, der es in neues und schrecklicheres Unglück gestürzt hat. Sie ist sogar gefährlich; denn sie kann zu dem Glauben an jene Lügengeister führen die in einer

hoffnungslosen Zeit mit Verheißungen auftreten, und zu verzweifeltem Be­ ginnen ermuntern, welches noch Schlimmeres bringt als jenes Arge das man als unleidlich herabwürdigend empfand. Doch jene beyden Tribunen waren

Netter wie sie der sich erbarmende Himmel allerdings zuweilen sendet wenn die Noth am höchsten ist: von ihnen ist ungemischter Segen ausgegangen,

weil die Nation noch gesund war, und das Bestehende, wenn es gebessert worden, heilig hielt: weil sie selbst nur die durch den Wandel der Zeit ver­ lorne Angemessenheit des Einzelnen herstellten; die Verfaßung auf ihren Be­ griff zurückführten,

nicht träumten

eine neue zu schaffen; kein Band des

Staats zerrißen; sondern unverdroßen ausharrten bis die Besserung in aller Form Rechtens erlangt war.

698

Das alte römische Recht

II

Anhang. Ueber die römische Eintheilung des Landeigen­ thums, und die Limitation'). Die folgende Einteilung, nach strengen römischen Begriffen, giebt auch

die eigenthümlichen Ausdrücke des alten Staatsrechts. Ager, Mark, ist die Gesammtheit des einer Staatsgemeinde eigenthüm­ lichen Bodens, im Gegensaz von terra, Land, welches viele solcher Eigen­ thumsbezirke neben einander begreift: terra Italia, Graecia 2).

Alles Land-«ss

eigenthum (ager im engeren Sinn) ist römisch oder fremd (aut Romanus aut peregrinus). Fremd ist auch dasjenige der isopolitischen Völker. Alles römische Land ist Eigenthum des Staats (Gemeinland, Domaine),

oder Privateigenthum (aut publicus aut privatus). Das Landeigenthum des Staats ist entweder den Göttern geweiht (sacer), oder menschlicher Benuzung gewidmet (profanus, humani iuris). Spätere Ansicht machte diese Eintheilung zur höchsten, und unterschied dann das Eigenthum menschliches Rechts in Gemeingut und Privateigenthum 3): Die Abhandlung „über das agrarische Recht" in der ersten Ausgabe dieses Theils, enthielt den ganzen Umfang der Untersuchungen welche mich zuerst und allmählich aus ihrem eignen Kreise zur Kritik der römischen Geschichte geführt haben. Damals waren sie mir noch bis in das Kleinste sehr angelegen, und aus dieser Vorliebe übersah ich daß ihr Umfang daS Ebenmaaß zerstöre, worauf das Kapitel „vom gemeinen Feld und dessen Nuzung" S. 424. ff. zurückgeführt ist. daß die nachstehende Untersuchung nicht wie dessen Inhalt dem Verständ­ niß der Geschichte nothwendig ist. In einem Anhänge wird sie nicht stören; und sie erläutert uralte römische Eigenthümlichkeiten. Dagegen habe ich die, früher als Anhang gegebene, Abhandlung über die Agrimensoren nicht wieder ausgenommen. Sie ist durch die erste Ausgabe dieser Geschichte entweder in den Händen derer die dafür Interesse haben, oder ihnen sehr leicht zugänglich: dann gehört sie auch zu den Versuchen, welche durch etwas Vollkommncres ersezt und beseitigt werden müßen: dies erwarte ich von meinem Freund Blume, der, wenn er die Agrimensoren kritisch giebt, in einer Untersuchung welche ich nicht habe wieder aufnehmen können, gewiß manches berichtigen, und sie weiter führen wird. [Die Abhandlung über die Agrimensoren ist in der 2. Sammlung der Kleinen historischen und philologischen Schriften S. 81. abgedruckt. A. d.H.)

2) Varro de 1. L. VH. 2. (VI. p. 84.) ul ager Tusculanus sic Calydonius, ager est non terra. 3) Gaius II. 2 — 9.

II

über Grundeigenthum.

Das Rechts-System in den Agrimensoren.

699

aber eine Schrift welche offenbar unter Domitian, und sicher von Frontinus, verfaßt ist 4), — die einzige unter denen der Agrimensoren welche zu den

classischen gezählt werden kann, und mit wahrer Rechtswissenschaft geschrie­ ben ist: — diese sagt, der Boden heiliger Haine seh unstreitig Eigenthum 6l>s des römischen Volks b). Dies wird durch die Nachricht bey Livius bestätigt,

daß der Tempel und Hain der Juno zu Lanuvium gemeinschaftliches Eigen­ thum des römischen Volks und des Municipiums geworden seh, als den Lanuvinern das Bürgerrecht gegeben ward 6). Alles Landeigenthum des Staats, menschliches Rechts, ist entweder denen die das Eigenthum daran verloren, oder Bürgern und Zugewandten

zum Besiz überlassen (aut redditus aut occupatus). Alles Privatlandeigenthum ist entweder aus dem Gemeinland ausgeschieden (ex publico factus privatus), oder es ist durch Verleihung des Bürgerrechts an eine fremde Gemeinde römisch geworden (ager municipalis). Jenes ist entweder verkauft (quaestorius), oder verliehen (assignatus): und das ver­

liehene ist entweder allen Plebejern in gleichen Loosen gegeben, — eigentlich jedem Familienvater, denn eine größere Allgemeinheit war Ausnahme7) —

(viritanus 8)—): oder nur einer bestimmten, in eine Gemeinheit vereinigten Anzahl (colonicus). Ist die Colonie latinisch, so verliert das angewiesene Land die Eigenschaft eines römischen Bodens, und wird fremd, wie der dort­ hin ziehende Römer sein Bürgerrecht aufgiebt: doch tritt es nicht aus den Gränzen des Commercium.

Das Municipalland war entweder das Gemeinland welches jede italische Stadt — um nur von Italien zu reden — in ihrer alten Selbständigkeit ^besessen hatte (ager veotigalis der Pandekten): oder es war Privateigenthum

(privatus). Dasselbe gilt für die Colonien, auch die militärischen. Jenes alte Recht, dem diese Eintheilung angehörte, ist ganz unterge­ gangen. Aber eine andre, die ihre Hauptklassen durch äussere Form bezeich­ net, hat sich in den Agrimensoren erhalten: den unverständlichsten und am meisten vernachläßigten Schriftstellern der römischen Litteratur: der sie auch eigentlich nicht mehr angehören als wie Bücher ungebildeter Männer über Gegenstände des ganz täglichen Lebens der unsrigen. Aber nichts gewinnt

durch den Verlauf der Zeit an Werth wie solche Schriften: technologische deS Alterthums wären jezt schäzbarer als nur nicht vortreffliche Dichter. Auch diese, welche dem Römer, der den Beruf ihrer sonderbaren Kunst nicht übte, ganz gleichgültig sehn mußten, da wohl jeder, der nicht ganz und gar Städter war, anschaulich einen Begriff von ihren Grundregeln hatte, sind für uns mit Recht der Gegenstand eines mühsamen Studiums. Denn es 4) Der Tyrann, dessen mit Abscheu beladener Name nach seinem Tode auf Denkmälern ausgctilgt ward, konnte gewiß nur bey seinem Leben praeslanlissimus Domitianus genannt werden, wie es das von RigaltiuS herausgegebene und dem AggenuS zugeschriebene Frag­ ment de controversiis agrorum thut: — tit. de subsecivis: p. 69. ed. Goesii. Frontinuö schrieb unter ihm die Kriegslisten, und schrieb über die Agrimensur. 5) tit. de locis sacris et religiosis, p. 74. ti) Livius VIII. 14. 7) So wird von der Assignation der vejentischen Landschaft geredet: LiviuS V. 30. 8) Festus s. v.

700

Allgemeinheit des alten ital. agrar. Rechts.

Ager limitatus, arcifinius.

II

lohnt sich wohl, und nur durch sie ist es zu erlangen, jene Form zu kennen,

wodurch die Römer das zum Eigenthum vom Gemeingut abgesonderte Land bezeichneten, und seine einzelnen Theile mit unveränderlichen Gränzen um­ schrieben: eine Form älter als die Stadt; und die, dem Anschein nach eine

gezwungene und hinfällige Künstelei), mit der innern Kraft römischer In­ stitutionen, den Untergang des westlichen Reichs um ein halbes Jahrtausend überlebte.

Diese Form, die nach Varro von den Etruskern erdacht, und auf ihrees3 Himmelschau gegründet tonr 9), wird wie in Latium so bey den italischen Völkern angenommen gewesen seyn, da sie sich, während man den Griechen

jenseits des Meers jede auch nur verwandte Einrichtung absprechen kann, bey den Jtalioten findet: denn auf den Tafeln von Heraklea ist die Lage von Grundstücken durch Bezeichnungen angedeutet worin Mazzocchi mit Recht eine der römischen ähnliche Limitation erkennt^). Hiernach läßt sich an­

nehmen, daß die Felvmark welche die Sybariten zu Thurii für sich von der ihren Mitbürgern anzuweisenden absonderten, eben so das Wesen des ita­ lischen agrarischen Rechts und seine Formen trug, wie ihre Ansprüche auf ausschließlichen Besiz der bürgerlichen Würden den patricischen ent­ sprachen").

Aber im Sinn des agrarischen Rechts ist nur das Land limitirt wel­ ches dem Herkommen der Republik, und denjenigen Formen der Himmel­ schau gemäß die sie angenommen, mit dieser Eintheilung bezeichnet ist. Jede

andere Limitation läßt es für den Römer formlos. Der Agrimensoren Ge­ genstand ist das limitirte Land: das übrige erwähnen sie nur durch Entgegensezung. Limitirt ist jedes Feld welches die Republik vom Gemeinland abgeson-««» dert hat: keine Absonderung kann ohne Limitation geschehen: und wo diese sich findet ist, wenn auch einzelne Grundstücke im Umfang des ihr unter­ worfenen Ganzen dem Gemeinland geblieben sind, doch für dasselbe jene Aus­

scheidung nothwendig angedeutet. Formlos dagegen, (arcifinius), nur durch natürliche oder willkührliche Feldscheiden abgegränzt, ist, außer jeder fremden, auch jede Municipalmark: der wichtigste Theil dieser Klasse ist aber das römische Gemeinland"). Hier verwirren die späten Schriftsteller zwey Begriffe. Eben wie jener eigen­ thümliche, nicht von der Republik assignirte Boden, gehört auch das Ge­ meinland zum ager arcifinius; selbst als es, vielleicht unter Trajan, einge­ führt ward die Domai.nen in den Provinzen zu vermessen und abjugränzen, geschah dies mißbräuchlich zwar auch nach den Regeln der wahren Limita9) Varro im Fragm. de limitibus (aus FrontinuS) p. 215: — wo disciplinam elruscam statt d. rusticam zu lesen ist: — Hyginus de limitib. p. 150. Die Erwähnung der Aruspicin betrifft die Eintheilung des Himmelgewölbes zur Auslegung der Blize; aber dieselbe galt für die Auspicien, deren Wesen sabellisch war: — und vielleicht ist auch hier eine tustische Institution für etruskisch angesehen. Mazzocchi lab. Heracl. p. 180 — 182. Wa­ dern limes entspricht wird mit einem ganz unerhörten Wort avropos genannt. n) Dio­ dor XII. 11. 12) Lalifundia arcenlium vicinos: Plinius XVIII. 5.

Begriff der Limitation. Das Templum.

II

701

tion, richtiger aber in Streifen und Blöcken (per strigas et scamna). Aber der Ausdruck ager occupatorius ist nicht von gleichem Umfang, sondern beschränkt sich auf das eigentlichste Gemeinland, in dem es die Art der Besizergreifung bezeichnet. Der Begriff aller Limitation ist die Ziehung von Linien in der Rich-

tung der vier Weltgegenden, parallel und sich kreuzend, zur gleichförmigen Eintheilung der vom Gemeinland in Privateigenthum übergehenden Land7voloose, und zu unveränderlicher Feststellung ihrer Gränzen"). Daher wer­ den sie — die limites — durch eine ihnen angewiesene, von allem Anbau ausgeschlossene Breite, als Reine oder Wege, und ihre Winkel durch eine

Reihe mit Zahlen versehener Steine bezeichnet. Wie das Himmelsgewölbe templum hieß, und der ursprüngliche Begriff eines Tempels war, so ist auf Erden ein Tempel was der Augur in seinem Gemüth, nach den Weltgegenden, so weit der Blick trägt, als ein Ganzes

zum Behuf der Auspicien abgegränzt hat. Rur in einem Tempel konnten Auspicien und Augurien genommen werden; aber die ganze Stadt war — durch die ursprüngliche Inauguration — ein Tempel: auch ein Lager war ein Tempel, weil in ihm Auspicien wahrgenommen werden mußten: daher waren Mauern und Thore sancta: daher die Unveränderlichkeit des Pomörium. Denn alles waS auf diese Weise bestimmt war sollte unverrücklich feststehen, wenn es nicht durch stärkere Auspicien aufgehoben ward; aber ge­ heiligt war es dadurch nicht: wie Barro lehrt, waren viele Tempel den Göttern nicht geweiht, also auch nicht heilig; hingegen auch die Kirchen der

Götter — für ein einziges Mal muß dieser Ausdruck erlaubt seyn — nicht nothwendig Tempel"): nicht in allen konnten Auspicien genommen wer­

Doch müßen wir dem Sprachgebrauch, obgleich er falsch ist, gehorchen, vornämlich um keinen anstößigen Ausdruck anzuwenden — und die den

den.

70i Göttern geweihten Gebäude ohne Unterschied, und nach dem Zufälligen als wäre es die Hauptsache, Tempel nennen. Eben so war nun ein ganzes,

durch Auspicien zur Theilung bestimmtes, Territorium, in der That ein Tempel und unverrücklich: hierauf beziehe ich den Ausspruch Ciceros als Augur,

in einer Sache die nach unsrer Ansicht für die Beurtheilung des

Staatsrechts gehört: daß, wo einmal eine Colvnie unter ächten Auspicien gegründet war, so lange sie unverheert bestand, daselbst keine neue angesiedelt werden dürfet).

Also bekam jede Landassignation, selbst jeder Berkaus von

der Domaine, eine religiöse Sicherheit: sie konnte vom Staat nie wieder zurückgenommen werden. Ueber den Standpunkt des Augurs bey der Bestimmung eines Tempels finden sich drey abweichende Angaben. Nach Livius^) schaute er, bey der

") Von denen sie, bey den plebejischen Assignationen, meistens zwey Seiten und einen Winkel, wenigstens eine Seite, unmittelbar bildeten, und die übrigen Selten und Winkel unzweifel­ haft anzeigten. Von der würklichen Begrünzung kommt der gewöhnlichere Sprachgebrauch des Worts Ihnes. 14) Varro de 1. L. VII. 2. (VI. p. 82). 15) Cicero Philipp. II. 40. (102.). lti) Livius I. 18.

702

Verschiedene Systeme der Orientirung im Templum.

11

Inauguration des Königs, — und, wie aus Dionysius17) erhellt, auch eines Konsuls, — nach Osten und bestimmte Nord als links, Süd als rechts. Neben ihm saß, nach Süden gewandt, der dessen Inauguration ge­ sucht ward. Hieher gehörte auch die spätere Richtung der Limiten von Westen nach Osten18). Nach Barros schaute er gegen Süden, und Ost war links: hierauf bezieht sich auch die Eintheilung des Himmelsgewölbes bey Festus2"), und was in einer verstümmelten Stelle desselben aus Serv. Sulpicius ausgezogen war"). Allein nach Frontinus22) war Westen bei*702 Gesichtspunkt bey der Eintheilung des Bodens: daher heißen ihm die an der

Westseite der durch den Standpunkt des Augurs lausenden Mittagslinie ge­ zogenen Limiten anticae, die an der Ostseite posticae: wogegen Servius Sulpicius die Parallellimiten, welche südlich und nördlich von der von Ost nach West gezogenen Linie worauf der Augur steht fallen, anticae und po­

sticae genannt haben mufe23). Diese drey so verschiedenen Angaben laßen sich, wie es scheint, durch eine aus Varro erhaltene Notiz vereinigen. Der Augur dachte sich schauend, wie die Götter auf die Erde schauten: der Wohnsiz der Götter ward im Norden der Erde geglaubt2^). In dieselbe Weltgegend sezen die Indier den Götterberg Meru: selbst die Griechen dachten sich diese

Erdgränze, jenseits des Boreas, als eine selige Gegend: die Heimat gottgeliebter Menschen. Vom Norden her richteten die Götter nach den drey übrigen Weltgegenden ihr über die Erde waltendes Auge: nur wenn sie ihr zornig den Rücken wandten reichte ihre Linke nach Westen: und daß sie es thaten wenn die Akuspicien ungünstig erschienen, war zuverläßig die Lehre der Augurn. Deiw Sinn nach ist also kein Widerspruch in diesen verschiedenen Gesichtspunkten. Daß, so lange die alte Religion in ihrer Kraft lebte, für die Landtheilung in der That auch ein zwiefacher bestand, Süd und West,

ist aus den angeführten Stellen klar.

Jener erste war den späteren Land-?..»

Messern unbekannt geworden: er scheint aber grade der älteste gewesen zu seyn weil Nord und Süd die Richtung des Karvo ist, der Hauptlinie dieser Eintheilung. Der älteste Feldmesser war unstreitig ein Augur, begleitet von etruski­ schen Priestern oder ihren Schülern, die gewiß allein im Besiz der wenigen mathematischen Kenntniße waren, welche Rom zum Hausgebrauch aus dem vielleicht reichen Schaz Etruriens erborgte. Der Augur, welcher auf seinem Standpunkt die im Senatsbeschluß oder Gesez bestimmten Gränzen im Sinn faßte, — vorsichtig die Inauguration gegen ein Versehen der Rede durch den Vorbehalt zu schüzen, es gelte was er meyne, — dieser fehlte bei den Assignationen der Kaiserzeit: da nahm der Feldmesser seine Stelle ein. Auch dieser begann damit sich zu orientiren, und zwar nach den wahren Welt­ gegenden, nicht nach dem zufälligen Ort des Aufgangs und Niedergangs der

*") Dionysius II. 5. p. 81. e. 1S) Hyginus de limilib. p. 4 52. 19) Varro a. a. O. — s. Anm. 9. — und bey Festus s. v. sinislrae. Ders. s. v. pos;icum ostium. 21) Ders. s.v. postica. (Frontinus) de limilib.p. 24 5. Hyginus de limilib.p. 4 50. 23) Festus 8. v. sinislrae. 24) Varro bey Festus s. v. sinislrae.

II

Kardo.

Decumanns.

Limites.

Die Quadrate.

Actus.

703

Sonne: obwohl lezteres zuweilen geschehen ist; ein Beweis von der Rohheit der einheimischen römischen Meßkünstler^). Hiernach zog er die Hauptlinie

von Mittag nach Mitternacht, welche, als der Weltare entsprechend, Kardo genannt ward. Die welche sie rechtwinklig; durchschnitt trug den Namen Decumanus, wahrscheinlich von der Kreuzform der Durchschneidung, die dem Zahlzeichen X gleicht, — wie decussatus. Diese beyden Hauptlinien wurden bis an die Gränze des zur Theilung bestimmten Bezirks verlängert, und ihnen parallel, näher oder ferner wie es die Größe der Vierecke, worin 704bie Feldmark eingetheilt werden sollte, angab, andere Linien abgesteckt, welche mit dem Namen der Hauptlinie belegt wurden der sie parallel liefen; diese

ward durch den Zusaz maximus unterschieden. Alle wurden auf dem Bo­ den, so weit es seine Beschaffenheit zuließ, durch Reine bezeichnet, von denen die welche die Grundlinien darstellten die größte Breite empfingen: nach ihnen, wenn wir nach griechischer Weise zählen, je der sechste, oder, nach römischer Sitte im Raum wie in der Zeit, — da keine zweymal, aber diejenige welche auf die Grundlinie folgt als die erste gezählt wird, — der fünfte26). Diese Reine nun, die anschauliche Gestalt der formalen Linien, werden

limites genannt: sie blieben Gemeingut: und in Italien alle, nicht bloß jene breiteren, zu öffentlichen Wegen vorbehalten. Ihr Flächeninhalt ward dem zur Theilung bestimmten Boden entzogen, so daß die an die breiteren Stra­ ßen gränzenden Gevierte kleiner als die übrigen geriethen, ohne Zweifel um den unwissenden Landmesser einer jeden nur im allergeringsten verwickelten Berechnung zu überheben2?). Die Entfernung der Limiten von einander ward durch die Größe der Vierecke bestimmt welche, unter dem Namen von Centurien, durch sie be-

gränzt wurden. Ich habe bemerkt daß die ältesten des Populus 200 Jugern ^enthielten; die der Plebes 50; daß auch die von 210 sich auf die Assignationen nach sieben plebejischen Jugern beziehen2^): die übrigen sind neu, und gehen die alten Verhältnisse nicht an. Noch die Triumoirn assignirten nach Centurien von 50 Jugern unter diesem Namen, welchen die Agrimensoren auf die alten quästorischen Aecker nicht anwenden wollten. Denn sie dachten

nur an das Jugerum als Einheit: daö Mehr erklärten sie sich: aber das Weniger war ihnen unbegreiflich. Aber das Jugerum war, wie es auch der Name andeutet, ein Doppelmaaß2^), und die eigentliche Einheit des römi­ schen Feldmaaßes ist der Actus von 14400 Quadratschuhen, also ein Ge­ viertes von dem jede Seite 120 Fuß mißt30)- Ein Quadrat von 50 Ju­ gern Flächeninhalt hielt zehn Actus ins Gevierte^), und war eben so eine

25) Hyginus de limilib. p. 153. 86) Eben so ist quinquennale tempus für Römer un­ streitig eine Zeit von fünf Jahren, während die griechische deren nur vier be­ greift. 27) Hyginus de limilib. p. 152. — Sieben Loose von je sieben Jugern, in der Centurie von fünfzig, blieben unverkümmert. 28) Oben S. 440. Anm. 329. S. 444. Anm. 355. 29) ColumellaV. 1. 30) Nur ungefähr diesem entsprechen, so daß die Römer in Gallien die Worte gleichbedeutend gebrauchten, konnte der gallische Aripennis: dem auch der ArpeM von irgend einer Größe unmöglich ganz genau gleich seyn kann. 31) Denis aclibus L ingera incluserunt: SiculuS Flaccus p. 2.

704

Vorsus.

Centurie,

nämlich von

Assignation der ausgemessencn Quadrate.

hundert Actus,

Subseciva.

wie die romulische von hundert

Heredien32). Zu der Quadratwurzel des römischen Actus oder Fundus, zwölf zehn-

füßigen Ruthen, verhielt sich die des etruskischen und umbrischen Versus oder Vorsus von zehn derselben, den wir aus einem Fragment des Fron­ tinus 33), — durch Varro3^) als Maaß Kampaniens, — kennen, grade wie das cyclische Jahr zu dem römischen bürgerlichen. Wie nun die Limites der plebejischen Centurien, sowohl die Decumane als die Kardines, zwölf- ra« hundert Fuß von einander entfernt gezogen wurden, so lagen ohne Zweifel zwischen denen der etruskischen je tausend Fuß, so daß zwölf ihrer Centurien

zehn römischen gleich waren. Eingetheilt ward nach diesen Regeln der ganze Distrikt dessen Assigna­ tion beschlossen war: aber assignirt, zu Eigenthum übergeben, wurden nur Aecker und Pflanzungen3^). Das Ackergesez bestimmte den zu theilenden Bezirk, die Größe der Ackerloose, und wie Viele Land empfangen sollten: die Vertheilung geschah durch Verloosung, indem so viele Berechtigte als deren Antheile zusammen eine Centurie füllten, unter eine Nummer zusam­ mengezählt; eben so Loose für alle ganz aus urbarem Lande bestehende Cen­ turien, jede durch die Zahlen ihrer Gränzlinien bestimmt, in eine Urne ge­ than wurden; von denen man dann eine nach der andern heraushob, und wie sie herauskamen der entsprechenden Nummer der Namen zuschrieb. Die Beschaffenheit des Bodens war dem Glück überlassen; das Maaß allein, und daß der Acker angebaut gewesen war, kam in Betrachtung: nur als ein sehr seltner

Fall, wo die Verschiedenheit des Bodens gar zu groß gewesen seyn muß, wird bey den Colonien der Kaiser Ausgleichung nach der Bonität erwähnt. Aus der Art der Verloosung folgte nothwendig daß alle Centurien die

entweder ganz oder zum Theil aus unurbarem Lande bestanden, oder, an die-o? unregelmäßige Gränzlinie stoßend, nicht volles Maaß hielten, gar nicht zur Vertheilung kamen: denen auf die sie gefallen wären würde Unrecht ge­ schehen seyn. Diese Grundstücke blieben unter dem Namen subseciva (Reste) Eigenthum des römischen Volks, und mit ihnen auch die vollständigen Cen­

turien urbares Landes welche bey der Verloosung übrig bleiben mochten. Die urbaren Reste wurden zuweilen den Gemeinden neuer Eigenthümer ge­ schenkt, gewöhnlicher als Domains genuzt: Wald, Weide und Wüste jenen

fast ganz als Mark verliehen: denn Gemeintriften durften nie fehlen, weil nur Baufelv zugetheilt ward. Wäre das urbare Land nicht hinreichend ge­ wesen jedem sein volles Maaß zu gewähren, so würde unter der Republik

ein andrer Domainenbezirk das fehlende ersezt haben: bei den Militarcolonien that es gesezlose Confiscation der angränzenden Landschaft, wie Mantua

dieses Schicksal erfuhr. Das limitirte und das formlose Land hatten, mit allen übrigen Eigen32) Oben S. 444. 33) fragrn. de limilib. p. 216. 34) Varro de re r. I. 10. 35) qua falx el araler ieril. Hyginus de limilib. p. 192 : augenscheinlich eine uralte Bestimmung; er führt sie nur aus auguftischen Ackergesezen an, kennt aber auch die alteren gar nicht.

11 Nechtseigenthümlichk. d. limitirt. Landes. Gränzen, Namen, Eigenthüm. d. Fundi. 705

schäften des quiritarischen Grundeigenthums, auch die directe Steuerfreyheit unter sich gemein: wogegen ihr Werth im Census abgeschäzt, und im Tributum versteuert ward. Sonst hatte das limitirte Rechtseigenthümlichkeiten, wovon freylich kaum eine andre Notiz ausdrücklich erhalten ist als daß ihm die Alluvien fehlte3^), weil ein bestimmtes Maaß die Bedingung seiner Bildung war. Fast vorherrschend, unter den Kaisern, in den meisten Regio»08nm Italiens, gewöhnlich in den Provinzen des Westens, scheint im Osten dieser Charakter deS Grundeigenthums äußerst selten gewesen zu seyn: da­ her die Versäumniß bey den Auszügen für die Pandekten. Die Nichterwäh­ nung auch der auffallendsten Eigenschaften kann folglich nicht als Beweis

gegen ihr Daseyn gelten: wir dürfen aus innern Beweisen folgern, waS factisch darzulegen zufällige Zerstörung der Zeugnisse vielleicht auf immer unmöglich gemacht hat; was vielleicht auch nur einem beleseneren und glück­ licheren Forscher vorbehalten ist. Es ist klar daß die ganze Kunst der Agrimensoren, die ursprünglichen Gränzscheiden zu entdecken, an der Freyheit einzelne Landstücke von willkührlichem Umfang zu veräußern hätte scheitern müßen: und, gewohnt diese

vorauszusezen, werden wir jene eben deswegen zwecklos nnd widersinnig finden. Die ursprünglichen Gränzen mochten sie ausmitteln, aber von nun an entschieden nur Kaufbriefe und andere Documente: und wenn diese nicht vollkommen geometrisch bestimmt abgefaßt waren, so konnte kein Eigenthum unsicherer seyn als Erwerbungen auf limitirtem Boden, wo die in derselben Centurie Begüterten die kontroverse de modo erheben konnten. Dies führt auf die Vermuthung daß ein assignirter Fundus als eine

geschlossene Hufe, als ein Ganzes in unveränderlichen Gränzen, anzusehen ist. Eine Vorstellung welche schon in den Grundzwecken der Limitation

ihre Bewährung zu haben scheint. Aus den Pandekten', Inschriften und alten Urkunden, ist bekannt daß 709 ein Fundus gewöhnlich einen eigenthümlichen Namen trug: nicht veränder­ lich nach dem jedesmaligen Besizer, sondern so fortdauernd daß noch jezt,

wer diesen Spuren nachginge, ohne Zweifel, vorzüglich in der römischen Campania, viele hundert Beyspiele ganz kenntlich erhaltener römischer Namen von Grundstücken finden würde. Von den vier fundis welche die Schen­ kung des A. Quinctilius zu Ferentinum nennt, haben zwey ihre Namen fast unverändert bewahrt 36 37): welches gar nicht als etwas auffallendes be­ richtet wird. Der h. Hieronymus meldet, jener Fundus welchen der Dichter Attius bey der Assignation der Kolonie Pisaurum zu seinem Loos empfan­

gen, werde nach seinem Namen genannt38): und wiewohl auch in nichtgetheilten Landschaften solche dauernde Benennungen gelten mochten, so ist es wahrscheinlich daß sie auf assignirtem Boden, wie dort zu Pisaurum, 36) 1. 16. D. de adquir. rer. dorn. (XLI. 1.). I. 1. §. 6. D. de fluminib. (XL1II. 12.). 37) Marianna Dionigi (viaggj in alcune ciltä. del Lazio, p. 18.) bemerkt daß die fundi, Roianus und Ceponianus, ohne Zweifel dieselben Grundstücke sind welche jezt la Roana und la Cipollara heißen. 38) Chron. n. 1 877. Niebuhr, Röm. Gesch.

706

Gemeinschaftliches Eigenthum mehrerer Eigenthümer eines Fundus.

II

nach den ersten Belehnten gegeben sind, unter deren Namen die Hufe in daGrundbuch eingeschrieben worden. Nun aber finden sich in den ältesten Urkunden jener suburbicarischen

Gegenden die ländlichen Grundstücke fast immer unter einem solchen Namen bezeichnet, und ihr Verkauf oder Vermächtniß, wo nicht das Ganze veräussert wird, geschieht im Unzialverhältniß. Damit stimmt die in den Pan­ dekten häufige, uns auch so fremde, Erwähnung mehrerer Eigenthümer eines Fundus: damit, aus der alten Geschichte Roms, jene Gütergemeinschaft der 710

sechszehn Aelier, denen eine einzige Hufe im Vejentanischen gehörte^). Dies schließt nicht Theilung 4"), ja auch nicht Verkauf, im Unzial­ verhältniß, aus: aber die ursprüngliche Gränze begriff wie ein Ganzes alles in sich, und alle Theile hafteten für den Modus der ersten Assignation. Es ist auch schon bemerkt worden, wie wesentlich durch solche unveränder­ liche Einheiten die Ordnung im Kataster der Censoren erleichtert ward.

39) Valerius Marimus IV. 4. 8.

40) Daher die termini comportionales.

Berichtigungen. Nachträglich zum ersten Theil, will ich nur zwey Punkte der Aufmerksamkeit de- Lesers empfehlen. Der erste und wichtigste betrifft den Ursprung Roms als Colonia von EidSgenoffen: — Oben ©.380 : — der zweyte, oben©. 583 f., berichtigt dieMeynung©.305. daß die Mucier ursprüng­ lich Plebejer gewesen wären.

Dritter Theil.

Die Gesezgebung des C. Licinius Stolo und L. Sextius.

III

709

Die Licinischen Rogationen. V°n C Licinius Stolo und L. Scrtius, den Urhebern der Wiedergebürt RomS, wissen wir kaum mehr als ihre Namen und sehr unvoll­ ständig den Inhalt ihrer Geseze. Aber die Größe und Kühnheit ihrer ent­ worfenen Gesezgebung, ihre unermüdliche Beharrlichkeit, die Ruhe, womit sie, streng auf die gesezlichen Wege sich beschränkend, die Vollendung heran­ kommen ließen, ohne daß weder ihnen, noch der Gemeinde, obwohl die Annalen noch lange ausschließlich von der feindseligen Parthey geschrieben wurden, die geringste Gewaltthätigkeit vorgeworfen wird: das alles giebt das Maaß ihres Geistes und ihres Charakters. Eine Revolution, die in Griechischen Republiken oder in Florenz gewaltsam unternommen, in weni­ gen Monaten ausgeführt oder gescheitert, mit Verbannungen und Blut be­ siegelt wäre, bildete sich während fünf Jahren unablässigen männlichen Ringens, und hat keinem einzigen Bürger seinen Frieden gestört1). Es ist eine so gewöhnliche, wie leidige Bosheit der Feinde des An­ denkens großer Männer und großer Thaten, die Veranlassung dieser in gemeine, dem Adel ihrer Zwecke möglichst entgegenstehende Ursachen zu sezen; wie denn noch bis auf diesen Tag aller Ueberführung zum Troz vorgegeben wird, Luther sey zur Reformation durch den Neid seiner Ordensbrüder, durch die Dominikaner, und durch die Absicht, seine Nonne zu heirathen, bewogen worden. Dergleichen Lügen müssen unverdrossen angegriffen und enthüllt werden, so oft sie sich zeigen, weil es unmöglich ist, ihre Keime auszurotten, die in dem Niedrigsten der menschlichen Natur wurzeln: im Trieb herabzuwürdigen. In diesem Geist hat die überwundene Parthey der groß gedachten, groß ausgesührten Unternehmung des C. Licinius, die elen­ deste weibliche Eitelkeit als Ursache angedichtet, und das häßliche Mährchen sich so fest in die Geschichte eingenistet, daß selbst Perizonius seine buch‘)

Doch Obst, da« bald vom Baume geht, DaS taugt gemeiniglich nicht viel. Ich denke, wie'- im Liede steht : Laß fahren, was nicht bleiben will. Opitz.

710

C. Licinius Stolo.

Umfang der Licinischen Gesezgebung.

in

stäbliche Wahrheit nicht in Zweifel zog und erst Beaufort die Lüge ent­ hüllte 2); und diese ist so augenscheinlich, daß nun auch niemand es wagen wird sie vertreten zu wollen. M. Fabius Ambustus, Consulartribun im Jahr 374, hatte zwey Töch­ ter, deren eine mit Ser. Sulpicius, Consulartribun im Jahr 378, die andere mit dem Plebejer C. Licinius Stolo verheirathet war. Nun wird erzählt3): auf einem Besuch im Hause der Schwester sey die jüngere Fabia über dem Lärmen, womit die Lictoren, als Sulpicius vom Forum zurückkehrte, den 3 Eintritt des Herrn ankündigten, erschrocken zusammengefahren, und von ihrer Schwester über eine Furcht verspottet worden, welche den niedrigen Stand verriethe, wohin sie ihre Hand vergeben habe. Diese Beleidigung habe sie bewogen, ihren Mann und selbst ihren Vater zu verführen, daß sie ihr gelobten, nicht zu ruhen, bis ähnlicher!Glanz auch ihr Haus schmücke*). Den aber hätte diese Fabia doch im Hause des Vaters kennen müssen, der vier Jahre früher das Consulartribunat bekleidet hatte: wie konnte erste befremden? Was sie wünschte, war, der Schwester nicht nach­ zustehen: also für ihren Mann das Consulartribunat. Hätte dieser nichts

anderes gesucht, so konnte es dem Schwiegersohn des Ambustus, nach den Vorgängen der beiden nächsten Jahre wohl kaum entgehen. Die Licinische

Familie zählte schon drey Ahnenbilder. Ein C. Licinius Calvus war gerade im vorhergehenden Jahre 377 Consulartribun gewesen; freylich nicht der Volkstribun selbst, wodurch alle weitere Erörterung überflüssig wäre: denn jener Militartribun war hernach 382 Oberster der Ritter, während Stolo wie vorher und nachher das mit jenem Amt unvereinbare Volkstribunat bekleidete. So müßte man über die Erzählung hinausgehen, und annehmen, sie habe die Schwester verdunkeln wollen. Aber das Consulat war seit der 4 Einnahme der Stadt gar nicht mehr zur Rede gekommen: seine Erreichung für die Plebejer war unter weit günstigern Umständen entschieden vereitelt; dahin konnten sich die Wünsche einer eitlen Frau nicht richten; obwohl es dem kühnen und großen Mann als der Kranz der heftigsten Kämpfe auf Sieg oder Untergang entgegenglänzte. C. Licinius, dessen Familienname Stolo sehr glaublich von der Sorg­ falt hergeleitet wird, womit der erste, dem er gegeben ward, vielleicht er selbst, die Wurzelschosse um die Stämme ausgrub 5), war ohne Zweifel Nachkomme des C. Licinius, welcher 120 Jahre vorher sich unter den ersten Volkstribunen findet. Das große Ansehen seines Geschlechts zeigte sich im 2) Beaufort sur Fincerlitude de Fhistoire Romaine. II. 4 0. 3) Nicht von Livius allein, und denen, die aus ihm geschrieben haben, sondern auch von Dio: Zonaras VII. 24. [II. p. 36.] 4) Dionysiuö scheint diese Erzählung nicht angenommen zu haben: nicht nur findet fich keine Spur von ihr bey Plutarch, dem es nicht ähnlich ist, daß er eine solche ver­ säumt hätte, sondern in einem Fragment Exc. Val. p. 2313. R. gedenkt er des Sulpicius als eines gemäßigten; hat also ihn offenbar als Vermittler betrachtet; also wohl nicht sein Haus als den Ursprung der Entzweiung. 5) Plinius H. N. XVII. 1. und Varro de re rüst. I. 2. welches lezte von zwey Stolonen redet, deren einer das Maaß des LandbesizeS bestimmt, der andere die Anweisung in Loosen von sieben Zugern angeordnet habe. Die Jahrszahl für den lezten ist offenbar verschrieben.

in

Widerstand in d. Plebs selbst. Fünfjährige Ausdauer d. Licinius u. d. Sextus.

711

Erfolg ihrer Bewerbung um das Consulartribunat. Daß der Tribun sehr reich war, zeigt sein großer Landbesiz, wie denn die Licinier nachher die reichsten unter allen Römern waren. Die Geseze tragen seinen Namen: die Tradition deutet auf ihn, als den, der die Hize des Kampfs getragen habe: und so mögen wir Licinius als die Seele der Unternehmung betrachten, obwohl sein Genosse L. Sertius vor ihm den Lohn der Ehre empfing. Ihre Gesezgebung umfaßte alles, was der Republik Noth that. Auf den alten Grundfesten der Verfassung, ohne Gewohnheiten und Herkommen zu stören, -errichteten sie, durch eine einzige Bestimmung eine Ordnung, welche sogleich die Willkühr und Uebermacht der Herrschenden abschaffte, dem Volk seine Freyheiten gewährte und sicherte, den jährlich erneuten Hader verbannte, und auf das Ziel der Vollendung, von dem sie freylich noch entfernt war,

von Stufe zu Stufe unwiverstehlich, aber immer aufgehalten, fortschreitend, die glückliche Jugend der Ausbildung noch eine geraume Zeit erhielt. Ein

zweytes Gesez entzog der Oligarchie den ausschließenven Gewinn vom ge­ meinen Gut, und verwandelte es zu einer allgemeinen Quelle des Wohl­ standes aller Bürger; ein drittes suchte der gegenwärtigen Noth abzuhelfen, und die Folgen der bisherigen Härte zu tilgen. Auf solche Weise das Uebel in seinem Grund zu heilen, unternahmen sie, als die Gemeinde so wenig Willen für ihr eignes Wohl hatte, daß ihre sämmtlichen Eollegen ihnen widerstanden, wornach zu vermuthen ist, daß ihre Anträge, wenn sie an die Tribus zur Abstimmung gelangt wären, auch dort verworfen seyn würden. In jener Zeit der Verwirrung der Censusbücher mögen die Cen­ soren viele Unbefugte in die Tribus eingeschrieben haben: doch die Zahl der den Machthabern Ergebenen kann nicht groß gewesen seyn; sünfundsiebzig

seit dem Decemvirat verfioßne Jahre müssen viele der damals in die Plebs gebrachten Hörigen durch das Aussterben der Häuser ihrer Patrone selbständig gemacht haben; und die vorherrschende Abhängigkeit war Folge eines gegen­ wärtigen leidigen Zwangs oder dumpfer Niedergeschlagenheit und Hoffnungs­ losigkeit. Anfangs, als die Anträge ein eitler Versuch schienen, der so wenig als frühere zum Ziel führen könnte, leicht aber ihre Urheber ins

6 Verderben bringen möchte, glaubten sehr viele von den unerwarteten Um­ ständen doch den Vortheil ziehen zu können, größeren Glimpf bei ihren Schuldherren, Gunst bei andern Mächtigen zu finden, wenn sie sich wider die erklärten, welche die gemeine Sache des Standes vertraten; andere wur­ den durch Drohungen, das strenge Recht wider sie anzuwenden oder Vor­ theile zu entziehen, in Furcht gesezt. Aber die Reformatoren konnten be­ rechnen, daß das Verhältniß sich mit jeder Wiedererwählung günstiger stellen

müsse; daß die Meynung, der Erfolg seh doch möglich, die nur Gleichgülti­ gen; die Vermehrung ihrer Parthey und Macht auch einen Theil der Aengstlichen herüberführen, und daß endlich, wenn man sich allgemein sage, es werde gewiß gelingen, auch die Abhängigen und Bedrückten Muth fassen würden, den Unwillen ihrer Schuldherren zu reizen, um ihrer Gewalt zu entkommen: zumal da die Tribunen ihnen gewiß Beystand verhießen.

712

Günstige Umstände.

Erste Licinische Rogation: Herstellung

in

Ein sehr günstiger Umstand, verglichen mit den Zeiten vor der Ein­ nahme der Stadt, war die Trennung von Latium, Hernikern und Volskern. Die Herrschaft hatte jezt weder eine unterthänige Landschaft, welche sie auf­ bieten, noch Eidgenossen, welche sie mahnen konnte, mit gewaffneter Hand wider die Gemeinde zu ziehen. Die Orte waren im Besiz der Unabhängig­ keit, womit einst der Beystand des gemeinen Latium erkauft war, und der Wunsch, daß Nom seine frühere Macht nicht wieder erlangen möge, mußte entscheiden, jeden Antrag abzulehnen, wenn er durch lockende Bedingungen hätte empfohlen seyn können. Aber ohne solche Hülfe konnten die Patricier nicht mit Bürgerkrieg drohen: die Clienten hatten durch ihre Mischung mit den? Plebejern aufgehört, ein blindes und bereites Werkzeug zu seyn. So war es doch muthig und nicht verwegen, daß C. Licinius und L. Sertius ihr gro­ ßes Werk antraten: vielmehr konnten sie, so weit menschliche Voraussicht reicht, des endlichen Siegs gewiß seyn, wenn sie Anfangs nur genug wider die Furchtsamen vermochten, um allen Drohungen zum Troz, wiedererwählt zu werden. Das erste Licinische Gesez verordnete, daß hinfort nicht mehr Militär­ tribunen, sondern Consuln erwählt werden sollten, aus den Geschlechtern und der Gemeinde 6): einer müsse nothwendig aus dieser ernannt werden. Ohne diese Bestimmung erneuerte sich alljährlich das Bestreben der Patricier, das anerkannte Recht in der Ausübung7zu vereiteln; die bösen Künste, um dies bei der Wahl zu erlangen, dauerten fort, und damit Erbitterung: es ward kein Friede. Die Decemviralverfassung hätte, wie man glauben möchte, am voll­ kommensten dahin führen können: mehrere Gründe konnten entscheiden, diese auf immer abzustellen. Die Sonderung der Censur von der städtischen Prätur hätte doch erhalten bleiben müssen, da man eingesehen, welche unmäßige Gewalt aus ihrer Vereinigung entstand. Es war nicht vergessen, wie dies Untreue einzelner durch schnöde Willkühr verführter Plebejer eine tyrannische Majorität im Collegium gebildet hatte. Nun hätte zwar jezt das Volkstribunat geschüzt: aber der einzelne Consul gab eine sichrere Bürgschaft. Für den Kriegsbefehl hatte die gleiche Gewalt mehrerer Consulartribunen öfter sehr schlimme Folgen gehabt, und wenn in Gefahr die Uebertragung des­ selben an einen Alleinherrscher eine gewohnte Zuflucht war, so mußte für gewöhnliche Zeiten die Verfassung, welche der königlichen am nächsten stand, dem Volkssinn am meisten zusagen, wofern ihr gewehrt war, daß sie nicht tyrannisch werde. Endlich würden die Patricier einer Ordnung, welche die Theilung der Gewalten folgerecht über alle Zweige festsezte, und sogleich dahin führte, wohin die Republik erst ein Menschenalter später gelangte, 6) Unsere Alten, vom Andenken an die Umwandelung der Verfassung in den freyen Städten ge­ leitet, faßten daS Verhältniß der Patricier und Plebejer vollkommen richtig, und ganz anders als die Gelehrten, ihre eignen Nachkommen und ihre fremden Zeitgenossen; so heißt es im Mahnzer Liviuö z. B. bey dem Jahr 400 : als Lucius Cornelius Scipio von den Geschlechten, und Marcus PopilliuS Lenas von der Gemeind Bürgermeister waren.

des Confulats, ein Consul aus der Plebs.

in

713

noch viel unbiegsamer widerstanden haben, als dem Antrag, dessen Unbe­ stimmtheit zuließ, dem Consulat Gränzen zu sezen, und einen Theil seiner ursprünglichen Attribute ihrem Stande vorzubehalten. Das war Gewinn gegen nothwendige und gleiche Theilung der Stellen des Militartribunats nach den Attributen, welche durch das Vorkommniß von 350 7) festgesezt waren, deren Einräumung nicht hätte abgewehrt werden können, und der höhere Glanz deS Consulats war nichts Unbedeutendes. Manche von ihnen, wenn sie auch nicht mehr den Aberglauben einer ausschließlichen Befugniß ihres Standes für die Auspicien hegten, konnten mit der Ehrlichkeit eines von Kindesbeinen gehegten Vorurtheils bereit seyn, lieber den Untergang »des Staats zu wagen, als die Annahme der Reform nachzugeben, welche herstellte, was sogar schon förmliches Recht gewesen war: edle Männer, wohlwollend und unfähig, die Gewalt zu mißbrauchen, deren sündliche Hand­ habung durch die Ihrigen sie nicht leugneten. Richt weniger redlich konnten auch solche Plebejer, die für sich oder die Ihrigen nähere oder fernere Vor­ theile von dieser Besserung erwarteten, mit klarem Bewußtseyn, daß sie der Republik unentbehrlich sey, bereit seyn, Gut und Blut an ihren Erfolg zu geben. Oft bewährt unwidersprechlich nur die Erfahrung die Weisheit eines GesezeS. LiviuS läßt dem Tribun scheinbar treffend einwenden: wenn der größte Mann deS Zeitalters, in der dringendsten Gefahr zum Heil des Vaterlandes um das Consulat werbend, ein Patricier wäre, — sein Appius konnte nur Camillus nennen, wir denken füglicher an den großen Scipio, — wenn er mit verdienten Patriciern und einem einzigen nichtswürdigen ple­ bejischen Demagogen die Magistratur suchte, ob es alsdann nicht unsinnig sey, daß er seiner Erwählung ungewiß seyn, vielleicht sie verfehlen müsse, während der Plebejer sie müßig erwarten könne? Der Geschichtschreiber hätte eine solche Einwendung nicht unerwiedert hinstellen sollen, weil er Leser erwarten konnte, welche das willkührlich oder nachlässig unerwiederte für unwiderleglich hielten. Er hätte Licinius die Antwort leihen müssen: in Rom würden aus beyden Ständen noch lange nur im Krieg erprobte Männer sich um das Consulat bewerben dürfen: des größten Feldherrn plebejischer Mitbewerber werde dem patricischen nicht nach­ stehen, wenn auch beyde seiner Größe sich nicht vergleichen könnten. Aber 10 auch ein Plebejer könne eben so wohl dieser Held seiner Zeit seyn, wenn ihm nur nicht das belebende Sonnenlicht freyer Obermacht entzogen würde: und einen solchen wollten die Patricier der Republik ganz rauben, ihn nur dienstbar dulden, ob ein patricischer Consul die Geneigtheit haben möchte, ihn zu befragen und zu hören. Auch wäre die getadelte Bestimmung nur wegen der Erfahrung unverbesserlicher Treulosigkeit nothwendig. Hätte ein­ mal der erste Stand sich gewöhnt, redlich zu handeln, dann möchte die Wahl der Würdigsten ohne alle Beschränkungen des Standes das bessere seyn, ob­ gleich keine freye Verfassung den Buchstaben entbehren könne. Wer aber 7) Oben S. 573.

714

Erste Licinische Negation: Herstellung deS Consulats,

Hl

dürfte jezt an die gute Treue der Patricier glauben? Glücklich die Republik, wenn auch der heilig beschworne, ängstlich abgewogene Buchstabe dieses Gesezes gegen dreiste Verlegung sicher seyn würde! Wäre einst der alte stän­ dische Geist in allgemeine Vaterlandsliebe aufgelößt; kämen dann prüfende Tage deö Unglücks, dann könne der bessere Enkel für eine Zeit die Fesseln des Gesezes lösen. Eine Niederlage sey minder verderblich, als Knechtschaft, und verkrüppelnde Einzwängung des lebensvollen Körpers. Woher aber diese dunklen Besorgnisse plebejischer Unfähigkeit und Untugend? Doch nicht aus der Erfahrung; denn in dem einzigen Zeitraum, wo es den Patriciern nicht gelungen sey, sie von der Führung der Heere auszuschließen, hätten plebejische Consulartribunen auf dem nämlichen Boden gesiegt, der durch die verschuldete Niederlage ihrer patricischen Vorgänger traurig geworden war. Wer bey Alia dem Heer geboten habe? Und im schlimmsten Fall biete die Verfassung selbst die Rettung dar: durch die Diktatur, welche an keinen Stand gebunden seyn dürfe. Denn auch aus den Plebejern würden Männer erstehen, die als Dictatoren ihr Vaterland retten, es nicht bedrohen, noch Waffen, die für den Feind bestimmt waren, gegen die Bürger wenden würden. Weise habe der Staat von Alters her ganze Gemeinden zu Römern erhoben, um eine Bürgerschaft zu einer großen Nation zu erweitern. Für höhere Zwecke, als seit der patricischen Alleinherrschaft gefaßt wären, werde eine weit größere Ausdehnung dieses Systems nothwendig sehn. Könne man denn aber die aufgenommenen Völker an das neue Vaterland mit Liebe binden, wenn ihrem Ritterstand alle Ehren versagt würden? Und wenn, wie schon patricische Geschlechter ausgestorben wären, ihre Zahl fortdauernd abnähme, wenn man die Plebejer gewaltsam von allem edlen Emporstreben abhielte, ihre Neichen zum Gelderwerb als Beschäftigung hinwiese, die Er­ neuerung des ersten Standes durch reinitalische edle Geschlechter hindere, wenn aufgenommene Freygelassene den Stamm der Nation verfälschten, dürfe dann das Maaß der Geistesgröße und Tugend der noch übrigen Patricier den Beruf der Republik bestimmen? Jede Erfahrung lehre, daß Oligarchieen nicht schleuniger an Zahl als an geistiger Kraft ausstürben. Aller Seegen zukünftiger Größe, den die Götter an die Augurien der Stadt, bei ihrer Geburt und der Gründung des Kapitols, gelegt, würde dann auf ewig untergehen. Dies möge dem gleichgültig scheinen, dem Herrschaft und Be­ reicherung in seinen Tagen genüge; aber wie wolle man verhindern, daß, wie eS so vielen griechischen Republiken geschehen sey, eine halb ausgestor-12 bene und immer mehr tyrannische Oligarchie durch eine blutige Demokratie oder einen Tyrannen vertilgt werde? Vielleicht würde diese Revolution sehr nahe seyn. Schon lange leide und sieche der Staat, weil er in einem un­ natürlichen Zustande lebe. Befreyt von diesem, einträchtig in sich, gestählt durch die Kraft, wodurch er sein persönliches Leben hergestellt haben werde, sey er zu jeder Größe berufen. Dies alles hätte Licinius, ohne den Geist der Weissagung zu haben, sagen können: so mußte Livius aus seiner Seele reden, wenn er hier redende

ein Konsul auS der Plebs.

III

Zweyte Licinische Rogation: Ackergesez.

715

Erörterung angemessen fand. Denn die spätere Geschichte Noms bewährt, daß neben unendlichem Seegen auch kein einziger Nachtheil aus diesem Gesez entstanden ist. Plebejer waren die Decier, die sich als Sühnopfer für das ganze Volk Hingaben 8); eS waren Plebejer, welche Pyrrhus erst aufhielten, dann besiegten: ein Plebejer unterwarf die Gallier Italiens: derselbe hemmte Hannibals Siege: ein Plebejer vertilgte die Cimbern und Teutonen, der bäurische Feldherr auS der Jnstenhütte o): ein plebejischer Konsul rettete «Rom gegen die Verschwornen Catilinas: Plebejer waren die Catonen, die Gracchen, und Brutus. Scipio der Große allerdings war Patricier, und er ragt über seiner Nation hervor, wie Hannibal über allen Völkern. Die Aemilier, die Valerier, die Sulpicier, die Fabier, noch neben den Scipionen andere Familien der Cornelier, zählten Männer, die zu den ersten der Republik gehörten. Ihre Bilver stehen friedlich neben denen der großen Ple­ bejer: auf den Thaten eines jeden erhob sich der andere zu neuen Höhen. Alle entarteten allmälig im Besiz der Uebermacht und in der Gewalt des seelenbeherrschenden Reichthums. Aber die Municipien verjüngten das Volk mit neuen Familien: die Patricier, mit Ausnahme weniger Geschlechter, die um so schöner glänzen, verdarben so tief, wie es die Verschwörung des Catilina zeigt, deren Häupter, er selbst, Lentulus und Cethegus, alle Pa­ tricier waren: daher Cornelius Severus sie mit dem schrecklichen Namen des patricischen Verbrechens bezeichnet1()). Die zweyte Rogation enthielt das licinische Ackergesez. Dieses wird viel häufiger erwähnt als das Gesez, wodurch Licinius der Plebes die Theil­ nahme am Consulat erwarb, aber namentlich angeführt nur als Quelle der Beschränkung des Besizes vom gemeinen Feld auf fünfhundert Zugern. Daß i4 diese nicht das Eigenthum betraf, sondern den Ager publicus, — dieses an­ zuerkennen, mußten sich vormals eben die sträuben, denen klarer Begriff Bedürfniß ist, obwohl sie nicht leugnen konnten, daß das sempronische Ge­ sez, welches ganz unleugbar diese vormals rätselhaften Ländereien betraf, das licinische nur in milderer Form erneuerte. Zezt, da das Wesen jenes Bauerngeschlecht war der Decier Stamm, plebejische Seelen Waren sie nur: für Quinten jedoch, und die sämmtliche Heerschaar, Für die Verbündeten all, und für Latiums kämpfende Jugend, Nahmen die Todtengötter sie hin, und Erde, die Mutter. Denn ihr Werth war höher, wie alles, was sie gerettet. Juvenal VIII. v. 254 — 258. 9) Auch er war Arpiner, gewohnt auf Volskergebirgen Tagelohn, ermüdet an fremdem Pfluge, zu fordern. Blutend brach seine Scheitel alsdann den knotigen Rebstock, Wenn er im Feld saumselig geschanzt mit zögerndem Beile. Doch er ists, der die Cimbern besteht: der die nahe Vertilgung Wendet von uns: und allein er schirmet die bebende Hauptstadt. Als zu dem Wahlplaz nun und der Cimbern Stätte die Raben Flogen herbei, — nie nagten sie je so gewaltige Riesen: — Da schmückt minderer Lorbeer den hochgebornen Collegen. Juvenal ebendas, v. 245 — 253. 10) Patricium nefas. Bei M. Seneca Suasor. 6. 8)

716

Inhalt des Licinischen AckergesezeS.

in

Besizes erklärt und außer Zweifel ist, wird man nicht bestreiten, daß LiviuS, wann er in seinem Bericht vom Licinischen Ackergesez daS gemeine Land nicht nennt, dessen Gegenstand dadurch hinreichend bezeichnet, daß er das Wort besizen wählte"): wofern es für einen Römer auch damals noch sich nicht von selbst verstanden hätte, daß ein Ackergesez nur den Ager publicuS betreffen konnte. Aber diese Verordnung ist nothwendig nur eine auS vielen, zum Theil nicht minder folgereichen, und dieses Gesez die Grundlage deS spätern agra­ rischen Rechts gewesen: wie es auch vorübergehende, nur die Gegenwart be­ treffende Bestimmungen enthalten haben muß. Mehrere von jenen Haupt­ punkten lassen sich in dem, was nachher rechtlich galt, erkennen, und ich glaube den wesentlichsten Inhalt beyder Theile in folgenden Hauptstücken entwerfen zu können. Das Gemeinland des römischen Volks soll in seinen Gränzen bestimmt werden. Grundstücke, welche Privatpersonen davon usurpirt haben, sollen der Republik vindicirt: die, deren Eigenthum streitig ist, verkauft werden, damit das Recht unter Privatpersonen entscheide"). Jeder Besiz, der nicht größer ist als dieses Gesez gestattet, nicht ge-" waltthätig, nicht verstohlen, nicht geliehen, soll gegen jeden Dritten geschüzt seyn. Jeder römische Bürger soll berechtigt seyn neu erworbenes Gemeinland, wenn es nicht im Besiz der alten Eigenthümer gelassen, noch der Gemeinde zum Eigenthum vertheilt, oder eine Colonie darauf gegründet wird, für seinen Antheil durch Besiz zu nuzen, sofern er das Maaß nicht überschreitet, welches dieses Gesez bestimmt"). Niemand darf vom Gemeinland an Bau- und Baumland mehr als fünfhundert Jugern besizen, noch auf der Gemeinweide mehr als hundert Häupter großes, und fünfhundert Stück kleines Vieh grasen lassen. Wer dagegen handelt, den sollen die Aedilen vor dem Volk auf eine Geldstrafeis belangen; er soll das Landmaaß, welches er gesezwidrig besaß, verbrochen haben. Eben so diejenigen, welche ihre Triften unerlaubt erweitern"). H) VI. 35. ne quis plus D iugera agri possideret. Oben @.432. Anm. 297. ") Gewiß hat Dionysius jenes Senatusconfult, welches der Gemeinde anstatt des rassischen GesezeS ge­ währt seyn soll (VIII. 76. p. 544. a.), nicht ersonnen: aber wie mehr als unwahrscheinlich ist die Aechtheit dieser genauen Urkunde eines nie ausgeführten Beschlusses, bei der Heimlich­ keit der Senatsarchive vor dem Jahr 305? Die Nichtigkeit der Reden wird jeder einräumen. Mir scheint es, daß die Annalisten auch hier eine dürftige Notiz mit dem Stoff eine- spätern Zeitalters ausstatteten: also wahrscheinlich aus dem ihnen noch wohlbekannten licinischen Ge­ sez, welches sich folglich in diesem Hauptstück aus Dionysius herstellen lasse. Usurpation war anlockend schon, als die Domaine keine Abgabe zahlte, weil Privateigenthum, als unter allen Umständen sicher, doch einen höhern Kaufwerth gehabt haben muß, noch mehr seitdem sie ihr unterworfen war, wie nachsichtig auch die Einforderung seyn mochte. 13) Seit dem licinischen Gesez ist die Benuzung der Domaine durch Plebejer unzweifelhaft, da C. Stolo selbst sein Gesez überschritt. Und zugegeben, daß dies durch Kauf geschehen seyn könne, und reiche Plebejer schon früher solche Ländereyen auf diese Weise besizen mochten: so war die Nobilität des gracchischen Zeitalters großtentheils plebejisch, und ihr Besiz gründete sich auf die Okkupation ihrer Vorfahren. 14) Nichts ist bekannter als das Maaß deS Landbesitze-: wie

Hl

Inhalt des Licinischen Ackergesezes.

17

Die Besizer des Gemeinlandes sollen an die Republik vom Acker den zehnten Scheffel, von Baumpflanzungen und Weinbergen den fünften des Ertrages entrichten: von jedem Haupt großes, von jedem Stück kleines Vieh, welches sie auf der Gemeinweide halten, ein bestimmtes jährliches Grasgeld zahlen15).

717

die Hutgerechtigkeit beschränkt gewesen, meldet Appian (de bell, civil. 1. 7.). Die plebeji­ schen Aedilen erscheinen als Ankläger vor dem Volk gegen gesezwidrige Ackerbestzer im Jahr 449 (4 54) mit Erfolg (Livius X. 13.), wegen übermäßiger Weidebenuzung (derselbe X. 23. 47. XXXIII. 42. XXXV. 10. OvidiuS fast. V. 283 sqq.). Gewiß war auch M. PopilliuS Länas AediliS des Volk- (Livius VII. 16.), al- er den Urheber des Gefezes überwies, daß er selbst, durch Emancipation seines SohnS, ihm listig ausweichend entgegenhandle. Der Geldstrafen wird in allen Fällen gedacht. E. LiciniuS Stolo ward zu zehntausend Affen verurtheilt, weil er tausend Jugern besaß. Nicht daß jene Geldsumme, oder eine bestimmte für daS Jugerum, eine feste Strafe gewesen wäre: Veränderlichkeit nach erschwerenden oder mil­ dernden Umständen ist der nothwendige Eharacter einer irrogirten Mult. [93gL Th. 2. Anm. 690.] Daß aber übrigen- nur der unerlaubte Besiz eingezogen, nicht auch der gesezmäßige seinetwegen verwirkt ward, scheint durch die Milde der Sempronischen Gesezgebung bewiesen. — Fünfhundert Jugern, ungefähr 490Magdeburger Morgen, sind nach heutigem Maaß über 70 Rubbio, welches im agro Romano als eine tenula di grano für ein ansehn­ liches Landgut gilt: dergleichen von Verwaltungen der todten Hand oder Intendanten an be­ günstigte Pächter zu 20 Scudi vom Rubbio überlassen werden: welches diesen mercanti di campagna einen gewaltigen Vortheil auf ihrem Betriebscapital abwirft. Von ausgezeich­ net fruchtbarem Boden, wie z. B. das Thal von Aricia zum Flachsbau, tragen kleine Pach­ tungen dem Grundherrn 60 bis 70 Scudi vom Rubbio jährlich: und in dieser Art einträg­ lich konnten die großen Gutsbesizer durch ihre Clienten nuzen. Oelwälder und Weinberge sind noch viel einträglicher. Um zu schäzen, wie wenig das Gesez den Reichthum und große Wirthschaften zu unterdrücken suchte, muß man den gesegneten Ertrag des Südens, die ver­ kannte Fruchtbarkeit von Latium kennen, und erwägen, daß die 500 Jugern ganz in Acker­ land oder Pflanzungen bestanden, indem die Gemeintrift zur Weide diente. Dem Athenienser hätte dieser Besiz sehr groß und glänzend geschienen, da AlkibiadeS Familiengut weniger als 300 Plethrcn maaß: noch nicht einmal 120 Jugern (Plato Alcib. pr. p. 123. c.). UeberdieS galt die Beschränkung durchaus nur für den Besiz, nicht für den Erwerb von Ei­ genthum, römischem und fremdem: dem waren keine Schranken gesezt. 15) ES ist dargethan, daß die Abgabe schon geraume Zeit vor dem Licinischen Gesez hergestellt war; aber eS ist anzunehmen, daß dieses ihre Einrichtung genau bestimmte, und unter die Aufsicht der plebejischen Obrigkeiten gestellt haben wird: also diese Verordnung, welche Ap­ pian bell, civil. I. 7. pag. 10. erhalten hat, in demselben enthalten war. Von Baum­ früchten und Trauben konnte eine höhere Ertragssteuer erlegt werden, als vom Getreide, weil die Aussaat wegfällt und die Bestellung weniger Mühe und Kosten erfordert, als bey Ge­ treide und desgleichen; theils durch das so oft wiederholte Pflügen in der Brache, theils um daS Unkraut zu vertilgen (la terra nera). Daher giebt der mezzajuol häufig drey von vier Eimern Wein, wenn er die Hälfte des Korns entrichtet. So steuerte auch Judäa den Syrischen Königen von jenen Früchten die Hälfte, vom Korn den dritten Scheffel (1. Mac­ cab. 10, 39). Der Zehnte war eine sehr geringe Steuer. Aegypten zahlte an die Pharao­ nen den Fünften (1. Mos. 47, 24. 26.). Die Indier steuern von einem Viertheil bis zu drey Diertheilen, wo sie dann im lezten Fall immer das Saatkorn und oft Brodkorn von dem Generalpächter borgen müssen. Diese Ertragssteuern waren allenthalben in Asien die Quelle der unermeßlichen fürstlichen Schäzc: daher erklären sich die Reichthümer Davids und Salomo-, nämlich aus der Grundsteuer der fremden Völker. Karthago scheint von dem unterthänigen Afrika ein Viertheil des Ertrags erhoben zu haben: denn, als im ersten punischen Kriege den Städten der Tribut verdoppelt ward, ist vom Lande die Hälfte der Erndten an Getreide und Früchten gefordert worden (Polvbius I. 72). Die Araber erhoben nur den Zehnten (die Aschera): eine außerordentliche Erleichterung für den von den bvzantinischen Finanzen auSgesogenen Orient, der gewiß keine milderen Steuern entrichtete als jene Syri­ schen; denn Rom erleichterte so viel wir wissen nur einmal die Lasten der eroberten Länder. So verschmerzten die Unterthanen der Khalifen leicht die bey der Eroberung geforderten

718

Inhalt des Licinischen Ackergesezes.

in

Die Censoren sollen die dem römischen Volk vom Gemeinland vorbe-is haltens jährliche Abgabe jedesmal auf ein Lustrum an den Meistbietenden verkaufen. Die Finanzpächter sollen der Republik Sicherheit für die Er­ füllung ihrer Verpflichtungen stellen. Bey unvorhergesehenen Unglücksfällen mag der Senat ihnen Erlaß an der schuldigen Summe gestatten. Der Er­ trag soll zur Zahlung des Solds an die Armee verwandt werben16). Die Finanzpächter sollen sich mit den Besizern über den Antheil einigen, den sie, von wegen des Staats, vom Ertrag ihres Besizes zu fordern be­ rechtigt sind. Kein Vieh darf, ohne bey ihnen verzeichnet zu seyn und Hut­ geld gezahlt zu haben, auf die Gemeinweide getrieben werden: was so der*» Abgabe entzogen wird, verfällt der Republik1?). Die Besizer des Gemeinlandes sind verpflichtet, in einem bestimmten Verhältniß zum Umfang ihres Besizes Freye als Feldarbeiter zu gebrauchen16). Soweit waren die Bestimmungen des Gesezes, welche sich entdecken lassen, allgemeines und dauerndes Inhalts. Das folgende war Verfügung in Hinsicht der Gegenwart. Was Einzelne gegenwärtig über fünfhundert Jugern Acker und Pflan­ zung vom Gemeinland besizen, soll allen Plebejern in Loosen von sieben Zugern zum Eigenthum angewiesen werben19). Kriegssteuern; daher die Blüthe jener Länder bis inS zehnte Jahrhunderts nur dann war daLoos der Besiegten hart, wenn der Landesherr sein durch die Eroberung gewonnene- Eigen­ thumsrecht ausübte. 16) Verkaufen, durch Mancipation: s. Oben S. 430. Ueber die Verbürgung und den Erlaß Polybius VI. 17. Die Verwendung im Senatusconsult bey Dionysius. VIII. 73. p. 541. c. sDas Citat ist fatsch; es muß wohl heißen: ,,Die Verwendung ist nach Analogie de- Vor­ schlags des AppiuS bey Dionysius p. 541. c. angegeben." A. d. ) Oben

772

Die Macht der Samniter.

Kapua.

III

zu einer Nation vereinigt; waren nicht gesondert geblieben wie die Lucaner; durch diese redliche Vereinigung war die Nation so stark. Sitten und Charakter waren sabellisch, die Sprache oskisch. Neben einander faßte Italien Nom und Samnium nicht. Hätten die Samniter sich und den Staat den sie besiegen oder dem sie unterliegen muß­ ten, nicht nach der Volkszahl, dem Muth und der Kriegslust allein ge­ messen, hätten sie, wie die Italiker des siebenten Jahrhunderts ihre Souverainetät in einer Hauptstadt zusammengezogen, als die einzige Art voll-

kommner Vereinigung eines Staats durch einen Mittelpunkt deren die Völker Italiens fähig waren, so gehörte die Oberherrschaft ihrer Nation. Davon zeugt die verfälschte und unredlich verkleinernde Geschichte ihrer römi­ schen Kriege, ihrer felsenfesten Ausdauer, ihrer Leiden, und ihres Unter­ ganges. Es läßt sich nicht verkennen, daß sie und alle größere Völker Italiens durch die Thorheit fielen, um Sieg und Erhaltung nur mit den Mitteln und Einrichtungen zu ringen, welche, noch unversehrt und unerschöpst, im ersten Kampf versagt halten, während die Römer, unablässig

den Zwecken nachdenkend, und ihnen angemessen rüstend, sich unter den feind­ lichen Siegen bildeten, wie der kräftige Jüngling unter einem harten Lehrer. Seit dem Jahr 331 herrschten Samniter zu Kapua: aber die großem Zahl der Einwohner bestand aus Ostern, und den aus ihnen gemischten

Nachkommen der alten Tusker: und die Milde der sabellischen Sinnesart, obwohl die herrschenden Sabeller sich als Kampaner, eben wie die Lucaner, einen gesonderten Populuö bildeten, war ihnen förderlich die Freyheiten einer günstig behandelten Plebes zu behalten, oder zu gewinnen. Wem die wesent­ lichen Züge der Stände in Italien vertraut sind, dem muß es einleuchten, daß die 1600 Ritter zu Kapua, welche keinen Antheil am Abfall von Rom genommen, die sabellischen Geschlechter waren, vier Stämme^), welche sich

geweigert hatten das Plebiscit über das Bündniß mit Latinern und Zuge­ wandten wider Rom und Samnium zu genehmigen. Eine Revolution, welche nicht so weit ging, daß die Sabeller ausgestoßen, oder so herabgesezt wären wie die Ritter zu Florenz durch die Ordinanz der Gerechtigkeit, aber doch ihnen die Herrschaft nahm, und dem alten Volk einen solchen Antheil daran wieder zuwandte, daß eS gegen die Neigung der kampanischen Patricier entscheiden konnte, erklärt die Feindschaft, welche Kapua gegen Samnium zeigt. Allerdings sind auch im Alterthum Colonien ost undankbar gewesen, und im vierten Geschlecht seit der ersten Aufnahme der Samniter zu Vulturnum

mochten Blut und Sitten der sabellischen Geschlechter höchst gemischt, und dem samnitischen Charakter entfremdet seyn. Doch nur durch diese Umstände erklärt sich wie, ungeachtet der samnitischen Colonie, Verachtung und Haß zwischen den glänzenden Städtern, und den Hirten des Gebürgs eingewurzelt waren, so bittere wie einst zwischen den verweichlichten Bürgern von Vulturnum und den alten Sabellern, als diese von den Bergen herabstiegen, um sich den Besiz des 2O7) Oben S. 399 f.

m

Kapua.

773

reichsten Kleinods zu erobern, welches Italien in seinem ganzen Umfang ent­ hält. Durch die Entzweyung des Populus und der Plebs, wovon jener die mächtigen Nachbaren, wenn auch nicht mit der Pietät einer wohldenken­ den Colonie, so doch mit ganz andern Augen betrachtete als diese; ja von ihnen Schuz und Beystand erwarten mochte, erklärt sich ferner Kapuas dermalige Schwäche. Diese Stadt, welche neben Rom und Karthago genannt wird, welche sich von der Oberherrschaft Italiens träumen lassen konnte, hat dem damaligen Rom sicher weder an Größe noch an Volksmenge nach­ gestanden. Aber Volksmenge in den Ringmauern einer Stadt gab nicht das Maaß kriegerischer Macht, nicht einmal die Zahl der Freyen, nur die der einträchtigen Bürger. Die der Sclaven mußte groß in der Stadt seyn in der die Gladiatoren entstanden: und selbst die hohe Blüthe der Künste, welche in den alten Republiken, wenn auch von Freyen geleitet, doch von Sclaven ausgeübt wurden, läßt auf ihre überwiegende Menge in jeder Fabrik­ stadt schließen. Vielleicht beschäftigte der Anbau des reichsten Gefildes der Welt auch viele Freye; aber eine Stadt, die im höchsten Lurus und der wildesten Ueppigkeit schwelgte, deren Hauptgasse — Seplasia — Laden an Laden zählte, wo Salben und Wohlgerüche feil standen; eine Stadt, in der ein solcher Senat und ein solches Volk haderten, wie sie Pacuvius Calavius am Anfang des hannibalischen Kriegs gegen einander mißbrauchte: in i2?der das Volk so schamlos aller Achtung gegen die Regierung vergaß, aus Gefühllosigkeit gegen ihre Würde, nicht aus Unwillen über ihre Entweihung durch Unwürdige: in der Ueppigkeit fortlebte als über ihre Angesehenen das schrecklichste Gericht ergangen, und nur noch der niedrigste Pöbel in ihr zurückgelassen war: eine solche Stadt ist in der Geschichte gerichtet. Doch zeigten sich die Kampaner treu und edel nach dem caudinischen Unglück, und Decius Magiuö kann neben den vortrefflichsten Römern genannt werden: auch müssen wir nicht verschweigen, daß die bildenden Künste in Kampanien die Höhe griechischer Vortrefflichkeit erlangt hatten. Weder die Gemählde noch Münzen stehen griechischer Kunst nach: die Künstler hatten die Anmuth gefaßt, die den Etruskern fremd blieb: sie arbeiteten groß und leicht; die mechanische Ausführung ist so vortrefflich als das Bild, welches der Künst­ ler aus seiner Seele darzustellen strebte. Die griechische Mythologie der Kunstwerke läßt auf Vertraulichkeit mit der Sprache und Poesie Griechen­ lands unfehlbar schließen: ja eS fehlte gewiß nicht an kampanischen Dichtern und Schriftstellern in griechischer Sprache, obwohl sich kein Andenken dieser eingeimpften Litteratur erhalten hat. An eigenthümlicher hatten sie burleske Komödien, die Atellanen, welche gewöhnlich improvisirt geworden zu seyn scheinen, und an deren Darstellungen, Nachahmungen oder Uebersezungen, das römische Publicum lebhaftes Wohlgefallen hatte: auS ihnen stammt der

vortreffliche Pulcinella, der wie Kampaniens Himmel und Gefilde unwandel­ bar im Wechsel der herrschenden Völker geblieben ist. 128 Allerdings bedeutet der Nahme Kampaner, Bürger von Kapua: aber auf die Stadt ist er nicht eingeschränkt. Eine Landschaft Kampanien hatte

774 Kampanische Landschaft. Die Sidiciner rufen Kapuas Hülfe geg. d. Samniter an.

IH

schon daS damalige Italien, freylich von weit engeren Gränzen als die von Augustus bis an den Liris erweiterte Region. Kapua war kriegerisch ge­ wesen, und es befand sich, nach dem italischen Völkerrecht, im Besiz weit-

läuftiger Landschaften. Außer der eigentlichen kampanischen Feldmark, den phlegräischen Feldern, gehörten der Stadt, was wir namentlich kennen, der Falerner Distrikt, das Stellatische Feld, und die Bezirke der damaligen Colonie Vulturnum, Liternum, und des altgriechischen Dikäarchia 208). Aber neben diesem eigenthümlichen Besiz Kapuas gehören zu Kampanien die freyen Städte, welche, in einem Halbkreis um ihr Haupt gelegen, zu Kapua in einem ähnlichen Verhältniß standen wie die latinischen Städte zu Rom. Die souverainen Bürgerschaften zu Kumä, Atella, Acerrä, Calatia, Sues-

sula, Casilinum waren von den sabellischen Eroberern Kapuas ausgegangen. Nuceria und Nola, groß und volkreich, das lezte nach der Sprache seiner Münzen, und der Griechen Meldung, mit einer hellenisirten Bevölkerung, waren als zugewandte Orte den Samnitern treu. Die Samniter breiteten sich damals erobernd vom obern Vulturnus gegen den Liris aus: über eine Landschaft wo alte ausonische Stämme sich behauptet hatten. Unter diesen waren die Sidiciner das bedeutendste Volk, i*?» ihre Stadt Teanum hieß, selbst unter den weitläuftigen Städten Italiens, groß 0), und ihr Gebiet erstreckte sich einst bis Fregellä^). Doch als die Samniter sie überzogen, verzagten sie an ihrer eigenen Kraft, und suchten Hülfe bey den Kampanern. Dazumal, und schon im vierten Jahrhundert waren kampanische Legio­

nen unter den fremden Schaaren, welche in Sicilien ihre Dienste verkauften sehr bedeutend"), weder ihr Muth, noch ihr Kriegsdienst werden getadelt, wohl aber ihre Treue. Denn wie die wildesten Barbaren folgten sie frevel­ haft dem Meistbietenden, ohne den mindesten Sinn für Kriegsehre: furcht­ bar waren sie den Städten, wo sie in Quartieren lagen; unaufhörlich ver­ suchten sie sich ihrer zu bemeistern, und wenn es ihnen gelang, so verfuhren sie wie Straßenräuber: sie ermordeten die Männer, und theilten sich Weiber und Kinder. So anlockend war der Dienst in Sicilien für das lose Ge-i^ sindel dieser Gegenden, daß wir lesen, es sey zu PlatoS Zeit Gefahr ge­ wesen, daß die Griechen der Insel ausgerottet, und ihre Städte punisch oder 208) Salernum und Burentum, welche durch den Untergang des kampanischen Staats an Rom verfielen, können zu der Zeit von der hier geredet wird noch nicht ihr Eigenthum gewesen seyn: wann sie es wahrscheinlich geworden, wird später angegeben werden. 9) Strabo V. c. 3. §. 9. [p. 248.d.J i") Siviud VIII. 22. 1 *) Die kampanischen Regimenter muffen ur­ sprünglich in Kampanien geworben, auch wohl nachhaltig ergänzt seyn; wahrscheinlich zufolge von Kapitulationen; übrigens sind im Verlauf der Zeit andere Nationen (Samniter und Lucaner) in ihnen wohl so vorherrschend an Zahl geworden, wie Fremde aller Völker unter den wallonischen Regimentern Spaniens. Die Römer litten keine fremde Werbungen, und werden sie auch in Kampanien verboten haben, sobald sie dort herrschten. Dennoch konnte der Name, mit Resten vom alten Stamm, noch lange bleiben; aber nach AgathokleS Tod ist nicht mehr von Kampanern die Rede, sondern von Mamertinern, als dem allgemeinen Namen der sabelli­ schen Miethsoldaten. Im fünften Jahrhundert finden sich auch tyrrhenische Truppen auf Sicilien in verdungenem Dienst, nicht früher.

III

Niederlage der Kampaner.

Bund zwischen Rom und Samnium.

775

oskisch würden212). So hatten sie sich schon Meister von Entella gemacht, und bewohnten auch Aetna. Jenen wilden Reißläufern waren die Milizen deS reichen Kapua nur durch den Namen ähnlich. Sie wurden von den Samnitern im ersten Treffen bey Teanum geschlagen, und wichen nach ihrer Hauptstadt zurück. Die Sieger folgten, den Krieg gegen die Sidiciner ver­ schiebend; gingen über den Vulturnus, und lagerten sich auf dem Berge Tifata, der Kapua überschaut. Von hier verheerten sie die reiche Ebene rings um die Stadt, bis die Flammen der Höfe und Landhäuser die Kampaner in daS Feld lockten, und den Samnitern eine gewünschte neue Schlacht gewährten. Ein zweyter leichter Sieg, Beute und Verheerung, scheinen ihnen genügt zu haben: der Zusammenhang der Erzählung zeigt, daß sie sogar das Gebiet Kapuas gänzlich verließen. Wahrscheinlich diente ihre Mannschaft als Aufgebot, ohne Sold, für die Beute: daher ihre Feldzüge nie den Zusammenhang und die Dauer der römischen hatten. Kapua hatte von einer Belagerung wohl wenig zu besorgen; aber sein Gebiet lag ohne Schuz jährlichen Einbrüchen der Samniter offen. Nur das Bündniß eines mächtigen Staats konnte sie von diesem Unglück, oder einem Frieden wie ihn der Sieger vorschrieb, befreyen. in Sie wandten ihre Blicke, wie Livius sagt, auf Rom, welches allein den Kampf mit Samnitern bestehen konnte, und konnte wagen wollen. Aber seit dem Jahre 396 (401) waren beyde Nationen durch ein Bündniß ver­ einigt, wozu, außer der Annäherung ihrer, sonst durch bedeutende Völker getrennten Gränzen, auch die in jenem Zeitalter vorzüglich furchtbare Ge­ fahr vor den Galliern, Veranlassung gewesen zu seyn scheint. Freylich war ein Bündniß, im Sinn der italischen Völker, bey weitem nicht immer ein Hülfsverein. Nach den Begriffen ihres Völkerrechts konnte in einem frem­ den Staat niemand in seiner eigenen Person aus irgend einem Geschäft Rechte auSüben, wenn nicht das Volk dem er angehörte durch gegenseitige ausdrückliche Zusicherung dies für seine Bürger gewonnen hatte: und wie Völker die sich bekriegt hatten eines Bündnisses bedurften, um wieder in gesezliche Verhältnisse gegen einander zu treten, so auch die zwischen denen zuerst Beziehungen entstanden. Dann beschränkten sie sich auch gegenseitig ihr Kriegsrecht; zogen die Gränzen innerhalb welcher, im gemeinsamen Be­ reich, es jedem erlaubt seh Orte einzunehmen und sich zu unterwerfen; wo dann der andere allerdings befugt war, wenn Krieg ihn so weit führte, Eroberungen zu machen, doch durfte er nur Menschen und Habe wegführen, die Städte und den Boden verpflichtete er sich seinem Verbündeten einzu­ räumen^). Kapua hatte ohne Zweifel bedeutenden Verkehr mit Rom, daS >3sGegentheil ist in der That undenkbar, und schon der Name der Porta Eapena mag als erweisend betrachtet werden: es wird also auch einen Vertrag gehabt haben, der eben bloS solche Verhältnisse der Bürger betroffen haben kann. 2l2) Ep. VII. p. 353. 6. unter den platonischen Briefen. 13) DaS erhellt auS den alten Tra(taten zwischen Nom und Karthago, Rom und den Aetolern, und in Hinsicht auf Samnium aus Livius VIII. 1. Pacem — bellique jus adversus Sidicinos petierunl.

776

Kapna sucht die Hülfe Roms und LatiumS.

Kritik der

III

Es mag seyn, daß der Römer samnitisches Bündniß über die Kampaner schwieg, auf keine Weise den Samnitern ein Recht zugestanden hatte sie zu unterwerfen: aber nimmermehr war es einseitig von den Römern geschlossen, ohne Theilnahme der beyden ihnen verbündeten Völker, welche durch ihre Lage noch viel näher als Rom selbst dabey betheiligt waren. Ganz unmöglich ist es, daß Latium, mit Rom zu einem Ganzen verflochten, nicht am Abschluß gleichen Theil gehabt hätte: eben so undenkbar aber auch, daß eS Rom allein gewesen, durch dessen Bündniß, oder, wenn eS sehn mußte, unter dessen Hoheit die Kampaner Schuz gesucht hatten. DaS ist Livius Darstellung, gegründet auf dem Wahn, daß Latium damals dem Recht nach der römischen Republik unterthänig gewesen sey, wiewohl seit einigen Jahren in der Treue gewankt habe?"). Allein daß die Latiner so frey gegen Rom standen, wie je ein verbündeter Staat, ist dargethan; nim­ mermehr hätten sie den Krieg gegen die Samniter aus Gefälligkeit für Rom geführt, und nach seiner eignen Darstellung waren sie in denselben Der« wickelt"). Im Verlauf desselben vergeht das Jahr 408 (413), in dem die römische Armee sich empörte, auf eine ganz unerklärliche Weise, ohne Er­ wähnung der Samniter: ohne daß diese den Verlust des vorigen Feldzugs durch Benuzung der römischen Unthätigkeit zu ersezen versucht hätten: dann 133 im folgenden Jahr führte der Consul die römische Armee nach Samnium, also daß die Früchte der früheren Siege durch jene Wehrlosigkeit nicht ver­ loren waren. Eben so wenig benuzen die Latiner, welche schon im vorigen Jahr zum römischen Krieg gerüstet gewesen seyn sollen"), diesen Zeitpunkt. Die Heere, welche im Jahr 407 (412) über die Herrschaft Kampaniens kämpfen, sind äußerst zahlreich, wenn auch die angegebenen Zahlen übertrie­ ben sehn werden, wornach den beyden römischen hunderttausend Samniter entgegengestanden haben müßten; vier römische Legionen, die größte Macht welche Rom allein hätte senden können, würden zuverläßig nicht vermocht haben, nur mit dem Zuzug der Kampaner und Sidiciner diese so zu besiegen. Bey dem Ausbruch des latinischen Kriegs wird mit einer Bestimmtheit, die sehr von der willkührlichen Ansicht eines Annalisten verschieden ist, bemerkt: es sey wie ein Bürgerkrieg gewesen, denn die Offiziere hätten häufig in denselben Legionen als Collegen, die Soldaten neben einander in denselben Manipeln gebient17). Es ist ferner zu beachten, daß die Marser und Peligner damals den Samnitern befreundet waren18), aber das Land der leztgenannten überzogen die Latiner während des ersten Feldzugs19). Falsch ist ebenfalls, ohne allen Zweifel, Livius Darstellung, Rom habe gewissenhaft das Bündniß der Kampaner abgelehnt: als aber die Abgesandten ihr Vaterland der Republik zum Eigenthum übertragen hätten, den Schuz

der Unterthanen, als eine höhere Verpflichtung, dem samnitischen Bündniß134 vorgezogen20). Kapua stand nicht in diesem Verhältniß der Unterthänig-

214) Livius VIII. 2. 3. ,r>) Ders. Ebendas. ") Ders. VIII. 38. 17) Ders. VIII. 6 und 8. Ders. VIII. 6. 19) Ders. VII. 38. 20) Nach demselben Gewissen-recht, welche- den Clienten wider den Blut-freund zu schüzen gebot.

Hl

Darstellung des LiviuS.

777

feit zu Rom; an Unterthanen würden die Römer Abfall ganz anders geahn­ det haben, als KapuaS Strafe nach dem latinifchen Kriege fiel: denen die durch freye Wahl sich den Römern zu eignen Leuten hingegeben und dar­ nach untreu geworden, würde gleiches Siinbnifi221) nicht geschenkt seyn; wohl konnte dieS Verbündeten, die sich verirrt hatten, wiedergegeben wer­ den, zumal wenn daS Regiment einer den Römern anhänglichen Parthey

zugesichert ward.

ES war den Römern eine ehrfürchtige Sorgfalt für der Vorfahren guten Ruf eigen, die ihre Ungerechtigkeiten ängstlich verfchleyerte, und allen ihren Handlungen die Gestalt einer guten Sache und reines Gewissens zu geben trachtete. Reben dieser auS löblichem Trieb hervorgehenden Unredlichkeit be­ wegte aber auch eine ganz thörichte Eitelkeit sie zu verstecken, daß die Re­ publik nicht immer glücklich, groß und herrschend, sondern wohl gar gedemüthigt, klein und schwach gewesen war: eine Thorheit, die zunahm, je mehr sie ihrem Alterthum fremd wurden; ihre ältesten Annalisten scheinen unbefangen gewesen zu seyn. Die jüngeren ergingen sich gradehin in prah­ lerischen Erdichtungen. Von diesen ist Livius betrogen worden, ob auch von jener frommen Unwahrheit und dem Betrug eines krankhaften Patrio­ tismus durchaus ohne sie zu ahnden, mag dahingestellt seyn: aber alle diese "rUrsachen haben gewürkt ein ganz unwahres Bild von dem Verhältniß zwischen Rom und Latium zu schaffen; somit von dem Schuzbündniß der Kampaner. Auf die Enthüllung der innern Unwahrheit der livianischen Erzählung neben ihrer Wiederholung, mußte meine Geschichte sich schon so ost beschrän­ ken; sie müßte eS auch jezt, wenn nicht die ziemlich ausführlich erhaltene

Kunde der einzelnen Begebenheiten eine Herstellung ihrer geflissentlich zer­ rütteten Umriffe begünstigte. Der Geschichte ist eine erzählende Darstellung des Hergangs jener großen Begebenheiten unentbehrlich, wodurch Rom die Höhe erstieg, von der es nach Italiens Reich streben konnte. Ich wage diese: überzeugt, daß sie der Wahrheit weit näher stehen wird als die, welche sich

für historisch ausgiebt: aber auch wohl wissend, daß sich zwar das Erdich­ tete sicher erkennen und fortschaffen, aber das Zerstörte, welches ihm aufge­ opfert ward, nur ungefähr in die dann sichtbaren Lücken hineinzeichnen läßt. Die Götter versagten sich Pelops Wiederbelebung nicht, obwohl sie ihm die elfenbeinerne Schulter geben mußten. Unsere Arbeit ist aber viel­ mehr der eines Naturforschers zu vergleichen, der ein leichtfertig zusammengesezteS Skelett fossiler Knochen von den falschen Zusäzen befreyt: für das

nun fehlende, wenn ihm das Glück diente, Ergänzungen schafft, und auS dem aufgefaßten Begriff des Baus die einst lebendige Gestalt in ihren Um­ rissen zeichnet. Er selbst wird sich bescheiden, daß er in einzelnen Verbin­ dungen irren könne, und daß es ihm und jedem unmöglich sey, durch Divi23‘) Livius XX1JI. 5.

778

in

Annahme des Bundes mit Kapua. Krieg mit Samnium. Schlacht am Gaurus.

nation daS Auge, die Farbe und die eigentliche Form des Leben- in allen beweglichen Theilen zu errathen; dennoch hat er der Wissenschaft genuzt. 3m Jahr 407 (412) erschienen kampanische Gesandte auf dem Tag derin Römer und Bundesgenossen, um angenommen zu werden und Schuz gegen die Samniter zu erhalten. Kapua bot den Beitritt der reichsten Stadt Italiens und ihrer Angehörigen dar, und alle- waö Ehrsucht locken konnte. Als Zugewandte wurden mit ihnen wahrscheinlich die Sidiciner ausge­

nommen. Der Senat Roms, welches in jenem Jahr Vorort war, ließ den Samnitern das abgeschlossene Bündniß anzeigen, und forderte, daß alle Feindseligkeiten gegen die Kampaner und Sidiciner^) eingestellt würden. Die Samniter aber erkannten in der Verbündung mit ihren erklärten Fein­ den einen Friedensbruch; stolz nahmen sie den Krieg an, und die Befehls­ haber ihrer Cohorten

Kampanien Beyde dem Lande das zweyte decken, und

empfingen von den römischen Gesandten Befehl,

in

einzufallen. Consuln führten Heere dorthin; eines bestimmt die Feinde aus der Bundesgenossen zu vertreiben, unter M. Valerius CorvuS: sollte durch Einnahme der Gebürgspäffe die Gegend von Kapua die Noth des Kriegs nach Samnium selbst tragen.

Valerius fand die Feinde zwischen dem Vulturnus und dem Meerbusen ausgebreitet, wo die Griechen von Parthenope, bedroht von den Kampanern, den Verwüstern ihres Mutterstaats, mit Samnium im Bündniß standen^), wie immer der nächste Furchtbare zur Verbündung mit seinem Feinde treibt. Er nahm sein Lager über Kumä, an dem damals fruchtbaren und reben-137 reichen, jezt, seit der Saracenen Zeit, nackten und öden Berge Gaurus^): offenbar die erzwungene Wahl eines zurückgedrängten HeerS in einem Winkel, wo es, abgeschnitten von Kapua, hinter sich das Meer, den tiefen Vultur­ nus auf der Straße nach Rom, nach einer Niederlage rettungslos verloren war. Die Geschichte der ersten Vorfälle des Feldzugs, welche Gefechte den Eonsul gezwungen hatten dorthin zu weichen, und den Samnitern daS Siegsvertrauen gaben, mit dem sie zum Angriff eilten; diese Kunde ist, wie

fast alles wodurch die samnitischen Kriege begreiflicher sehn würden, in ewige Nacht begraben. Die Schlacht am Gauruö, wie selten sie auch genannt wird, gehört zu den denkwürdigsten der Weltgeschichte: sie entschied als Prärogative über

den großen Kampf der jezt zwischen Sabellern und Latinern über der Welt Herrschaft angehoben hatte. An Muth und Bewaffnung waren die Samni­ ter den Römern gleich: diese hatten von ihnen die ausgezeichnet vorzüglich22?) Sonst würden die Samniter nicht im Friedensschluß von 404 (409) sich daS Recht des

Kriegs gegen die Sidiciner ausbedungen haben. Livius VIII. 1. 23) Livius V1IL22. Dio­ nysius Exc. de Legat, p. 2324. R. [p. 738. c.) 24) Für diesen, gegen einen andern Berg gleiches Namens bey Nuceria (Eckhel Doclr. num. I. p. 414) entscheiden die Vor­

fälle nach der Schlacht.

Wäre sie in der Gegend von Nuceria vorgefallen, so würden die

Samniter nach Suessula vorgerückt, nicht zurückgcwichen seyn: auch lag er nicht in Kampa­ nien. (Vgl. Vortr. ü. Röm. Gesch. Bd. 1. S. 429. Anm. L]

in

Sieg des Valerius. Gefahr des anderen Heeres. Rettung durch P. Decius.

779

sten ihrer Waffen entlehnt?^); auch Kriegskunst entschied an diesem Tage nicht, nur Ausdauer, und wahrscheinlich die Verzweiflung deS Heers, wel"scheS siegen mußte um nicht vertilgt zu werden. Die Samniter, die Män­ ner vom Gebürg, hatten ihre ganze Stärke in der Infanterie. Die Reuterey der Römer, immer ihre schlechteste Waffe, versuchte vergebens die eisernen Reihen zu durchbrechen. ValeriuS zog sie zurück, und vertheilte sie auf die Flanken. Tausende waren bey den samnitischen Fahnen gefallen, welche die Römer mit unaufhörlich erneuerter Anstrengung stürmten: beyde Heere wa­ ren, nach Livius schönem Ausdruck, entschlossen sich nur vom Tode besiegen zu lassen: der Tag war weit vorgerückt: da entschied ein lezter verzweiflungs­

voller Angriff. Die Samniter wichen; Unordnung und Flucht verbreitete sich 20) f ehe ihr verschanztes Lager sie aufnahm. Dieses räumten sie in der

Nacht. Die samnitischen Soldaten dieser Schlacht haben nachher gesagt: es habe ihnen gedäucht, die Augen der Römer brennten: ihre Minen hätten Wahnsinn geredet: vor diesem Anblick wären sie geflohen. Vom Gaurus zogen sie sich auf Suessula zurück, am Fuß der Hügel gelegen, auf der Straße die von Kapua nach Nola führt. Im feindlichen Lande, in dieser gedrängt bewohnten Ebene, durchschnitten von Gräben, durchkreuzt von Baumpflanzungen, ward der Rückzug hinter Verbacken, zer­ störten Brücken und brennenden Dörfern ruhig ausgeführt. Valerius war als Sieger von den frohlockenden Kampanern empfangen worden; aber es erwartete ihn noch ein zweyter Kampf, ehe das Land vom Feinde be139

freyt war. Während er am Gaurus siegte, war daö Heer seines Eollegen A. Cor­ nelius Coffus am Rande des Untergangs in denselben oder benachbarten Bergpäffen, wo die Caudinische Schmach ein und zwanzig Jahre später Rom betraf. Samniums Gränze lag nahe an Kapua: die erste Stadt war Saticula: von dort führte der Weg über die Gebürge nach Beneventum, in fruchtreiche und lachende Thäler. Die Bergreihen des Apenninus laufen hier parallel von Norden in einer südlichen Richtung: zwischen ihnen liegen wohlgewässerte Gefilde, die Straße übersteigt die Bergrücken, und durch­ schneidet die von ihnen eingeschloffenen Thäler??). Auf diesem Weg führte der Consul sein Heer sorglos, weil, was ihn hätte beunruhigen sollen, kein Feind sichtbar war. Als aber die Spize der Colonne schon das Thal erreicht hatte, erblickte man die Samniter auf der Höhe des Bergrückens von dem sie herabstieg, seitwärts im Walde der das 225) SallustiuS Cat. 51. (Vgl. jedoch oben S. 766). Der Ausdruck, daß die Lanzen der Sam­ niter blinkten (Livius VH. 33) kann erstens gewagt seyn: und dann schließt er keineswegs das Pilum aus, indem ja auch wenigstens die eineCohorte der römischen Antesignani mit Lanzen gerüstet war. (Die ganze Anmerkung und der entsprechende Saz im Tert (aus der 1. AuSg. des 2. Theils) würden bey der lezten Ueberarbeitung wahrscheinlich gestrichen worden seyn, da die später geschriebene Stelle oben S. 766 offenbar N's. lezte Ansicht enthält. A. d. H.) 2ß) Das Hinzufügen oder Wegftreichen der Verneinung ist in der Regel der Conjecturalkritik nicht zu gestatten; aber hier möchte ich eS wagen zu lesen: Lum capi, non occidi Samnis. (VII. 33.) 21) Vergl. LiviuS IX. 2. mit der an sich kaum verständlichen Erzählung VII. 3 4.

780

Rettung des zweyten Heeres durch P. DeeiuS. Ehren desselben.

HI

ganze Gebürg und seine Söhne deckte??«). Es war ein ganzes Heer, und schon bewegte sich dieses um den Nachzug anzugreifen: der Weg über die gegenüberstehenden Berge war gesperrt. Die einzige Rettung war auf seinen Schritten umzukehren: aber ehe dies ausgeführt ward, konnte schon der Rückweg abgeschnitten seyn. In dieser entsezlichen Gefahr erbot sich der

Tribun P. Decius mit den Hastaten und den Principes einer Legion, sechszehnhundert Mann29), einen Gipfel einzunehmen, der über dem Wege, wo-140 her die Samniter andrangen, hervorragte. ES gelang ihm sie zu erreichen. Von diesem kleinen Haufen auS der Höhe mit jeglichem Geschoß angegriffen, suchten die Feinde zuerst ihn zu vertreiben. Der heftigste Widerstand, und freywillige Angriffe der beyden Cohorten hielten sie auf, bis der unwieder­ bringliche Augenblick verloren war, und die römische Armee den Bergrücken wieder gewonnen hatte, von dem sie in sicherer Ordnung in eine bessere Stellung zurückkehrte. Indessen behauptete sich DeciuS mit den Seinigen in unaufhörlichem Gefecht. Als die Nacht eingebrochen war, lagerten sich die Samniter um die Höhe und überließen sich dem Schlaf: nach der zweyten Nachtwache stie­ gen die Römer herab, um sich einen Weg zum Heer des Consuls zu bahnen. Sie waren schon in der Samniter Mitte wie sie entdeckt wurden: ihr Muth führte sie glücklich an das Ziel. In der Nähe des Lagers ließ DeciuS sie Halt machen bis es tage: es gezieme sich nicht, daß solche Männer unter dem Schatten der Nacht einrückten. Auf die Botschaft, daß die, welche sich für aller Heil dem Tode dargeboten, erhalten, und nahe wären, eilte ihnen

alles entgegen: der Tribun zog im Glanz eines freywilligen Triumphs in das Lager ein; und der Consul begrüßte ihn mit öffentlichem Dank. Aber Decius unterbrach die müßige Lobrede: eS sey die Zeit, der Feinde Be­ stürzung ob ihrer zwiefachen Täuschung zu benuzen. Ungesäumt sollen die Legionen gegen die Berge geführt, viele Feinde zerstreut niedergemacht, viele"i entflohen seyn. Dreyßigtausend, die sich in das Lager geworfen, wären all­ zumal darin niedergehauen. Auch abgesehen von der augenscheinlichen Ueber­ treibung der Zahl, erzähle ich diesen Sieg zweifelnd, weil nicht auf die entfernteste Weise angedeutet wird, daß der Zweck deS Zugs, Samniums Verheerung, verfolgt ward. Der Triumph des Consuls beweist ihn nicht: denn er theilte ohne Zweifel die Schlacht von Sueffula. Freylich könnte man auch muthmaaßen, es sey der Rückzug seines Collegen bis Kumä ge­ wesen, welcher ihn genöthigt hätte der Benuzung des Sieges zu entsagen. Es mögen die, mit denen A. Cornelius focht, ein Aufgebot gewesen

seyn, welches die Heimath deckte, während der Kern der Armee auf feind­ lichem Boden den Krieg führte. Erfreulich ist es, die Belohnungen, welche DeciuS und die Seinigen empfingen, nach dem römischen Geschichtschreiber zu erzählen. Der Tribun erhielt, außer andern gewöhnlichen Ehrenzeichen, einen goldenen Kranz, hun22S) Ich gebe die einzige Darstellung der von LiviuS erzählten Begebenheit, welche für mich nach vielfacherUeberlegung denkbar ist. ") 1620: eine Centurie zählte damals sieben und zwanzig.

Sieg bey Suessula.

III

781

M. Valerius CorvuS.

bert Rinder, und einen ausgezeichneten weißen Stier mit vergoldeten Hör­ nern: jene Belohnung, die einst L. Minucius verliehen war. Die Soldaten empfingen auf immer doppelte Portionen, jeder zwey Kleider, und einen Ochsen. Die Armee, das Geschenk des Consuls mit lautem Rufen billigend, überreichte Decius einen von Gras gewundenen Kranz, den Ehrenlohn des­ jenigen, der eine Schaar aus Feindes Gewalt und Belagerung befreyte: einen gleichen weihten ihm seine Gefährten. Er brachte den Opferstier dem Kriegsi4»gott dar, die hundert Rinder schenkte er seinen Soldaten; und um ihr Fest zu vollenden, gab jever Soldat deS übrigen Heers ihnen ein Pfund Korn und einen Schoppen Wein. Gegen Suessula mögen beyde römische Heere unter ValeriuS Oberbefehl vereinigt gewesen sehn: wenigstens ließ dieser, den Feind von dort verfolgend, zwey Legionen zurück: und mehr, außer den HülfStruppen, zählte ein kon­

sularisches Lager nicht. Dort hatte sich daS am Gaurus geschlagene Heer gesezt, zahlreiche Ver­ stärkungen ausgenommen, und erneuerte die Verwüstung Kampaniens. So vorsichtig alS entschlossen, wagte eS Valerius nicht das feste Lager anzu­ greifen: er schickte allen Troß fort, welcher in Kapuas Nähe um so leichter entbehrlich war, und bezog ein enges Lager, welches nur die Bewaffneten, vermuthlich, wie das Lager der Consuln C. Claudius und M. Livius, beyde Armeen faßte. Getäuscht durch den Schein, und die Zahl der Soldaten berechnend wie ein Lager dieses Umfangs sie zu enthalten pflegte, sehnten sich die Samniter es zu stürmen: ihre Feldherren gestatteten es nicht. Bald genöthigt das Land nach Lebensmitteln zu durchstreifen, wurden sie durch die Unthätigkeit des Consuls ermuntert, solche Züge in weiterem Umfang zu wagen: dies war sein Zweck. Er bemächtigte sich nun des schwach ver­

theidigten Lagers: zwey Legionen blieben zur Besazung zurück; das übrige Heer theilte sich die zerstreuten Haufen anzugreifen, und ihnen Vereinigung oder Rückzug abzuschneiden. Alles gelang: die, welche in Schlachtordnung am Gaurus bis auf den Tod gekämpft hatten, flüchteten bestürzt, oder strecki43 ten die Waffen. Vierzigtausend Schilde von Todten und Flüchtlingen, und hundert und siebzig Fahnen, sollen vor dem Consul aufgehäuft worden seyn: freylich sind die römischen Angaben erbeuteter Siegeszeichen und erschlagener Feinde selten frey vom Verdacht großer Uebertreibung: und in den Erzäh­

lungen über Männer des valerischen Geschlechts zeigt diese sich so auffallend, daß man wohl vermuthen muß, eö walte die dreiste Erdichtung ihres Gentilen von Antium; der, auS Neigung fabelnd, hier eine Pflicht zu erfüllen

gewähnt zu haben scheint. Solche Triumphe hatte Rom noch nicht gesehen. M. Valerius war der erste Feldherr seines Zeitalters23°),

und

nicht

weniger mächtig im Lager durch Liebenswürdigkeit als durch Bewunderung und Vertrauen. In den edlen Spielen, die statt der Würfel der rohen 23°) Liviu- VIII. 4 6.

782

M. Valerius Corvus.

Horden deS

Feldzüge ohne große Entscheidungen.

dreyßigjährigen Kriegs^)

ergözten, im Lauf,

den römischen Soldaten

III im Felde

im Sprung, im Ausrichten schwerer Hebel ^), maß er

sich, außer den Stunden des ernsten Befehls, mit jedem Landsknecht: er neckte sie vertraulich, und hörte unbeleidigt den soldatischen Scherzi). Er war die Zuversicht seiner Nation im Krieg und im Staat, er vermittelte

den endlichen Frieden der Stände. Sein Leben war beyspiellos durch reiche Fülle von Glück und dessen langem Genuß. Im neun und zwanzigsten Jahr siegte er über die Samniter, im dreh und zwanzigsten war er zu seinem ersten (Konsulat erwählt worden; sechs und vierzig Jahre nachher bekleidete eri" das sechste; nicht als ein bloßes Geschenk der Volksliebe, sondern weil die Republik in sehr schwieriger Zeit den alten Helden aufrief. Es ist süß für eine große Seele in früher Jugend erkannt, und aus der gewöhnlichen Reihe auf eine eigenthümliche Stelle entrückt zu werden: es ist noch seltener, daß ein solcher Mann Beständigkeit bey seinem Volk für ein halbes Jahrhundert, und, wie Valerius, in einem Zeitalter finde, welches die Tage seiner Väter durch Reichthum an großen Männern verdunkelt. Ein und zwanzigmal hat er den kurulischen Thron eingenommen, und das hundertste Lebenjahr er­ reicht^). Er hatte noch den Sieg über Pyrrhus und Italiens Unterwer­ fung erlebt, welche er begründet hatte: freylich sah er sich nicht mehr um­ geben von großen Naturen, und in der seligen Zeit des Werdens^). In demselben Jahr 407 (412) überzog ein abgesondertes latinischeßiiL

Heer die Peligner, der Samniter Stammgenoffen und damals Verbündete; eine Unternehmung, die für das Urtheil deS Unbefangenen in unläugbarer Verbindung mit dem ganzen Plan dieses glorreichen Feldzuges steht. Im folgenden Jahr muß der abwechselnde Oberbefehl bey den Latinern gewesen seyn, denn Rom war durch die Empörung der Armee gelähmt: es wird keines einzigen Kriegsvorfalls gedacht, und es ist schon bemerkt wor­ den, daß ungeachtet dieser scheinbaren Unthätigkeit alle im vorigen Feldzug

gewonnenen Vortheile den Verbündeten geblieben sind. Vielmehr ist eS wahrscheinlich, daß während des Jahrs 408 (413) neue erfochten wurden, aber durch die Latiner: am Ende deS Feldzugs von 407 (412) streiften die Samniter ungeachtet der großen verlornen Schlachten doch an beyden Seiten 23 *) Wie ihre Sitten mit der alleranschaulichsten Wahrheit im SimplicissimuS geschildert sind. 32) Sallust Fragm. Hist, p.284. ed. Bip. 33) Liviu-VH. 33. 34) Plinius H.N.V1I.48. 35) Unsere Vater, ehe wir, nun Bejahrte, geboren wurden, erkannten im Götz und den andern Gedichten eine- jungen Mannes, der Valerius in seinem ersten Consulat am Alter gleich war, den Dichter, der über alle, die unser Volk zahlte, weit hervorrage, und nie übertroffen werden könne. Diese Anerkennung genießt Göthe seit mehr als einem halben Jahrhundert; schon blickt daS dritte Geschlecht reifer Manner zu ihm hinauf al- dem Ersten der Nation, ohne einen Zweyten und Nebenbuhler, und die Kinder vernehmen seinen Namen wie einst unter den Griechen den deö HomeruS. Er hat es erlebt, daß unsere Litteratur, vor allem seinetwegen, vom Ausland anerkannt und geehrt ist: aber überlebt hat er in ihr die Zeit der Dichtung und der Jugend; und ist einsam übrig geblieben. Möge Er dennoch, seiner ewigen Kraft froh, noch lange heiter unter unS verweilen; von uns als Greisen die nümlichen Hul­ digungen empfangen, die wir ihm als Knaben reichten: möchte ich ihm diese Geschichte, wel­ cher Er seine Gunst schenkt, vollendet darbringen können. (Geschrieben im Sommer 1829.)

Hl

Stellung Rom- zu Samnium u. Latium.

Latiner mit Sidicinem verbündet.

783

des VulturnuS, und sogar bis ©ueffa236): so unverzagt verschmerzte daS männliche Volk auch die größten Niederlagen. Dagegen dringt im Jahr

408 (413) ein einziges konsularisches Heer, unter L. AemiliuS, ungehindert in Samnium ein. Ohne Zweifel stand die sabeüische Armee in einer andern Gegend gegen einen gefährlicheren Feind: der Krieg zwischen Rom und Samnium war in den Gemüthern schon geendigt. Den Frieden herzustellen, nicht länger die besten Kräfte an einer sehr entlegenen Gränze zu verbluten, war dringend nothwendig, sobald Gefahr da war, daß die Früchte theuer erkaufter Siege für Andere gewonnen wür­

den, und die Republik sich im zwiefachen Verhältniß schwäche und in Ge"6fahr bringe. Nach den Siegen der ersten Feldzüge konnte die völlige Be­ zwingung Samniums nahe scheinen, und dann hätte Rom sich selbst des Gegengewichts wider die gewaltige Macht der Verbindung von Latium und Kampanien beraubt. Der Friede ward leicht geschloffen: für Roms Ehre genügte es, daß die Samniter den Betrag eines jährlichen Solds zahlten, und eine dreymonatliche Getreideverpflegung für die Armee ablieferten; aber sie verloren keinen Zollbreit Landes, und die Römer versprachen, sie nicht zu hindern sich die Sidiciner zu unterwerfen, über welche der Krieg entstan­ den war, deren Land, mit Samnium vereinigt, Latium und Kampanien trennte. Es folgte dem Frieden, oder war in ihm enthalten, ein förmliches VertheidigungSbündniß beyder Staaten37). Dieses konnte nur gegen die­ jenigen gerichtet seyn, an deren Seite noch eben vorher die römischen Sol­ daten gefochten hatten: deren wachsende Macht aber jezt Unruhe und Ab­ gunst erregte.

Der latinische Krieg. Das konsularische Jahr begann damals im Sommer, etwa mit dem der Olympiade; es ist anzunehmen, daß die Feldzüge durchgehends in den Herbst fallen; und wie der Winter Ruhe brachte, so bereitete er in ihr Ver­ änderungen und Umwandelungen. Im Jahr 409 (414), ehe der samnitische i47Friede geschlossen ward, zog der Consul C. Plautius noch im Sinn des Bündnisses, ins Feld wider die Volsker von Privernum und Antium. Jene erkauften den Frieden mit zwey Drittheilen ihres Gemeinlandes: augenschein­ lich empfing sowohl Latium wie Rom eins der Drittheile. Mit den An-

tiatern ward aufs neue um Satricum gestritten; ein hartgewonnener Sieg führte zur Verheerung ihrer Landschaft bis an das Meeresufer.

Als aber Rom sich vom Krieg gegen Samnium durch einen, ohne allen Zweifel bündnißwidrigen Frieden losgesagt hatte, da mußten alsbald neue

Verbindungen sich bilden. 236) Livius VII. 38.

Die Sidiciner, den Samnitern überlassen; die

Die Suessaner erbaten sich Besazung.

37) Dies ist klar aus dem Anfang

de- latinifchen Kriegs: die Confuln ziehen durch das Land der Marfer und Peligner,

durch

die Samnitische Gränze, und vereinigen sich beb Kapua mit den Samnitern. Liviuö VIII. 6.

784

D. Latiner m. Kampanern u. Volskern geg. Samnium. Rom versucht Vermittelung.

III

Kampaner, nachdem die römischen Besazungen zurückgezogen waren, sahen ihr Heil nur in der Fortdauer ihres Bündnisses mit den Latinern; auch waren sie, vereinigt, stark genug, um im Frühling desselben ConsularjahrS mit großer Heeresmacht in Samnium einzufallen. Wie Nom und Samnium, so hatten nun Latium und die Volsker von Antium, und welche sonst am Meer vom volskischen Namen übrig seyn

mochten, den Krieg behgelegt und sich verbündet^»): eben so die Aurunker, — die Volsker am Liris. Fund! jedoch und Formiä hielten sich gesondert, und gewährten den Römern offene Straßen: von den Hernikern geben die Triumphalfasten Zeugniß, daß sie nicht mit den Latinern waren: die Fort­ dauer des alten günstigen Bündnisses bewährt, daß sie entschieden mit den Römern gewesen seyn müssen: und der leidige Groll wider den Nachbar ge­ nügt zu erklären, weshalb sie den Latinern entgegen waren. Allein, auch vereinigt mit ihnen kann Nom an Volkszahl Latium und seine Zugewandten"« nicht erreicht haben. Es war weder Nom noch Latium zu tadeln, daß sie sich geschieden hatten: ein widersinnig angeordneteS Verhältniß hatte das Ende genommen, welches nicht ausbleiben, nur aufgehalten und verschoben werden konnte. Da es aber dahin gekommen, war es unmöglich, daß sie friedlich als gesonderte und verfreundete Staaten beständen: ein harter Kampf mußte entscheiden, ob Rom eine latinische Stadt, oder die Latiner Nom unterthänig werden sollten: und für diesen erwählte die Nation zum Consulat, mit T. Manlius, den Retter des cornelischen Heers in Samnium, P. Decius. Es war

das Jahr 410 (415). Die Latiner indessen wünschten dem Krieg durch Vereinigung auszu­

weichen: welche, nach der Gleichheit zweyer völlig freyer Völker beurtheilt, von dem welches damals an Zahl eigener und verbündeter Streiter das zahlreichste gewesen seyn muß, eher wie eine Einräumung, denn mit einiger Anmaaßung angetragen ward. So weit Livius Erzählung für historisch gelten kann, unternahmen die Römer, wenigstens zum Schein, die Ver­ mittelung zwischen Latinern und Samnitern. Latinische Gesandte, die zehn Ersten ihres Senats, und selbst die beyden Prätoren verfügten sich nach Rom, wo ihnen der Senat auf dem Kapitol Gehör gab. Diese Gesandten erklärten im Namen ihrer Nation: ES sey klar, daß das von den Vorvätern gegründete Verhältniß nicht mehr auf die jezigen Umstände anwendbar seh, und daß es sich durch Krieg oder Vertrag ändern müsse.

Sie wären bereit

Roms Vorrang anzuerkennen, und den gemeinschaftlichen Namen ihres"« Landes mit dem der ersten unter allen latinischen Städten zu vertauschen. Der römische Name möge statt des latinischen herrschen. Aber seiner Würde und Freyheit etwas zu vergeben, sey Latium so wenig genöthigt als geson­ nen, jezt da es daö Haupt aller umwohnenden Völker sey. Es gebe nur

eine wahre Verbindung zweyer Völker, in gemeinschaftlicher Regierung und 238) LiviuS VIII. 3.

Vorschlag der Latiner zu völliger Vereinigung mit Nom. Ablehnung desselben. völliger Einheit.

785

Rom und Latium möchten zu einer Nation zusammen­

treten: die Hälfte des Senats aus Latinern bestehen, und ein Consul aus Latium

erwählt werden. In dem Sinn dieses Antrags war nothwendig enthalten, daß die Zahl der römischen Tribus durch eben so viele latinische verdoppelt, und die Theilnahme an den Magistraturen aus jede die zwiefache Stellen hatte ausgedehnt, alle andere, durch Erweiterung, dieser Theilung hätten

fähig gemacht werden sollen.

Die Centurienverfassung würde schwerlich ge­

blieben seyn, da, wenn die Mahlstatt zu Rom gewesen wäre, wie nicht zu bezweifeln ist, die Latiner voraussehen mußten, daß die Ihrigen hier in der

Minderzahl erscheinen würden. Ein solcher Antrag mißfiel kaum heftiger den Mächtigen als jedem Quiriten, der auf diese Weise sein Erbe der Landeshoheit getheilt und ge­ schmälert sah.

Also, fragte einer den andern, werden wir unsere eigensten

Angelegenheiten nicht mehr entscheiden: die Fremden, wäre es auch nur um uns zu beherrschen, als eine Faction verbunden, werden uns verspotten, mit der Masse ihrer Stimmen der Minderheit, auch der allergeringsten, die Ent-

isoscheidung zuspielen: unsere jüngsten Tribus, ihnen verwandt, in ihrer Mitte wohnend, werden sich ihnen anschließen, und dann sind wir immer über­

stimmt.

Das wird wohl Eintracht und Ausgleichung seyn, und nicht viel­

mehr unvermeidliche Erbitterung uns in wenigen Jahren reizen, die fremden Unterdrücker mit den Waffen vom Forum zu treiben? Und wie sehr auch

Partheysinn in solchen Fällen schwarzblutige Träume erzeugt, die Erfahrung meistens das Böse nicht so arg noch dauernd bringt, so dürfen wir doch be­

haupten, daß dieser Vertrag seinen Zweck wenig besser erfüllt haben würde als die Verfassung der Decemvirn, deren Entwürfe, nach größerem Maaß­ stab, er sehr ähnlich war. Die Scheidung von Geschlechtern und Gemeinde, sonst schon nicht mehr angemessen, war es doch in Hinsicht der Candivatur

für kurulische Aemter; denn noch dauerten die Vortheile, welche der lange ausschließlich behauptete Besiz durch historische Erinnerungen und Reichthum

den Familien des ersten Standes, wenn auch durch Usurpation, erworben hatte. Der einzige Ausweg, daß die römischen Stände Jahr um Jahr, wie bey der Aedilität, hätten wechseln müssen, wäre bey der höchsten Würde schlimm genug gewesen. Dennoch sprach die Billigkeit ganz für die La­ tiner; sie hätten sich geringer achten müssen als die Römer, um weniger zu fordern; und wie verächtlich auch von dem Menschen aus Setia geredet wird, so hat Tusculum die edelsten Familien der folgenden Fasten gegeben. Die Senatoren aber erhoben sich um so erbitterter, als der Ausgang nichts weniger als entschieden war. Sie klagten die Latiner des Eivbruchs und der Treulosigkeit an, sie riefen die Götter zu Rächern ihrer Sache. Dennoch 151 scheint es auch nicht an Einzelnen gefehlt zu haben, welche den Wunsch

nicht verhehlten, durch einen Vergleich, dessen Folgen und Dauer dem Him­

mel anheimgestellt werden müsse, einem Kampf zu entgehen, dessen Unrecht

gute Seelen beschämte; der sich wenig vom Bürgerkriege unterschiede. Gegen diese, und um den Anfang nachgiebiger Abstimmungen zu verhüten, erklärte Niebuhr, 9lom. Gesch. 50

786

Ablehnung des Vorschlages. Marsch der Römer gegen das latinische

in

der Consul T. Manlius, er würde, wenn die Republik diese Forderungen feig bewilligte, bewaffnet in die Curie kommen, und den ersten Latiner, den er dort erblicke, niederstoßen.

Der Römer Sage erzählte, als im Senat die Götter als Bürgen der alten Bünde wiederholt angerufen worden, habe der latinische Prätor L. An­ nins von Setia, der das Wort für die Gesandtschaft führte, auszusprechen gewagt, er troze dem römischen Jupiter.

Alsbald that der Gott mit einem

entsezlichen Donnerschlag und Plazregen seine Gegenwart kund, und daß er seine gekränkte Majestät rächen werde. Den Frevler traf die Ahndung

augenblicklich: als er von des Tempels Halle mit der Heftigkeit des Zorns die Stufen hinuntereilte 23°), stürzte er ihre ganze Höhe hinab und lag ent­

seelt^"). Kaum gelang es den Obrigkeiten die Gesandten so lange sie in den"« römischen Gränzen waren, gegen die Wuth des Volks zu schüzen.

Die Legionen ihrer Republik standen gegen Samnium, vereint mit den Bundesgenossen, beyKapua^). Man muß annehmen, daß sie dorthin schon ehe ihre Gesandten nach Rom gingen aufgebrochen waren; hätten sie den nahen Ausbruch eines römischen Kriegs erwartet, schwerlich würden sie dann ihre ganze Macht in die entlegenste Entfernung gesandt haben. Die Römer aber entwarfen und verfolgten einen Plan des FeldzugS,

der zugleich zu den kühnsten und tiefsten gehört, welche je einen Feldherrn mit Lorbern gekränzt haben. Zwey konsularische Heere, vier Legionen wa­ ren für den Krieg bestimmt: eine Reserve aus den Bejahrten, und städtische

Legionen, blieben unter dem Prätor L. Papirius, der zum Dictator erhoben ward **), in und vor Rom. Wahrscheinlich unmittelbar nachdem die Unter­ handlungen abgebrochen waren, zogen die Armeen in Eilmärschen nach Samnium, durch das Land der Sabiner, der Marser und Peligner, wo allenthalben das samnitische Bündniß offne Straßen und Quartiere bereitete, die Cohorten der Herniker sich ihnen anschließen konnten: den Bogen be­ schreibend dessen Sehne die Straße von Rom nach Kapua bildet. Waren die Latiner wohlbedacht, so mußten sie eiligst aufbrechen, und gegen Rom ziehen: alsdann schnitten sie die Consuln von der Stadt ab, welche in die höchste Gefahr kam; sie hatten nur gegen die Römer allein zu kämpfen; eine gewonnene Schlacht konnte entscheiden, wenn diese auf die Nachricht^ von dem Entschluß der Feinde von ihrem Weg abgebogen waren; ihr Ver­ lust war für sie selbst nicht vernichtend mitten im eigenen Lande und unter

festen Städten. Für beyde war eine in Kampanien verlorne Schlacht ganz entscheidend. Hätten die Römer sich die Entfernung des latinischen Heers

wohl gefallen lassen, um die einzelnen Städte anzugreifen, so würden sie 23i)) Der kapitolinische Tempel lag auf einer bereiteten Area, die sich vor demselben ausbreitete: eS kann keine Treppe zu ihm geleitet haben, dergleichen die Alten nie anlegten außer um ein Gebäude, welches auf einer Höhe lag zugänglich zu machen. Es werden also die centum gradus zu verstehen seyn, welche vom Nelabrum her den tarpejischen Fels hinausführten. *°) So redeten fast alle Annalen: exanimatum auctores non omnes sunt: LiviuVlll. 6.; einige zogen eine Ohnmacht vor, um des Wunderbaren etwas weniger zu haben: und er mit ihnen. 41) Livius VIII. 6. *a) Ders. VIII. 42.

Heer bey Kapua durch Samuium.

III

Schlacht am Vesuvius.

787

vielleicht eine oder die andere haben einnehmen mögen: kam das Heer der

Latiner und Volsker dann herbey sie zu schüzen, so konnten die Samniter allein in Kampanien entscheiden, und hatte Kapua einmal ihnen gehuldigt, dann war damals wenig Hoffnung, je wieder das Reich über den Vulturnus

auszudehnen. Aber der stärkere Geist gebietet seinem schwachsinnigeren Gegner die Fehler, welche er begehen soll. Die Kühnheit selbst der Unternehmung bannte das latinische Heer fest wo sie standen: denn es war doch ungewiß, ob und wo die Römer von ihrer Straße abweichen, oder sie bis in Kam­

panien verfolgen würden; dieses mußten die Latiner nach kleinen Motiven lieber als Latium zum Schauplaz des Kriegs machen; auch leicht einsehen, daß schwankende Hin- und Hermärsche, durch Gerüchte geleitet, alles gegen sie entscheiden würden. Diese Erwägungen der Feinde, und daß sie Kapua, ihren großen Erwerb, nicht sich selbst und seiner Muthlosigkeit überlassen würden, konnten die Römer berechnen, und darauf berechneten sie ihren

Feldzug. So durchgreifend war die Verfälschung der römischen Annalen,

daß

einige vorgaben, die Samniter wären erst nach der Schlacht zu den Römern i54gestoßen, während die meisten vernünftig erzählten, das römische Heer sey mit den Samnitern vereinigt vor Kapua gerückt 243). Aber nicht bey dieser Stadt, sondern am Fuß des Vesuvs entschied die Schlacht44). Als beyde Heere einander gegenüber standen, ließen die Consuln ein Verbot ausgehen, daß, bey Todesstrafe, keiner sich in einen Zweykampf bey

den Vorposten einlassen solle, wozu der Anlaß um so leichter entstehen konnte, da Römer und Latiner aus den früheren Feldzügen sich einzeln kannten. Es mochte nöthig erachtet werden, weil sich daraus leicht zu un­ günstiger Stunde ein allgemeines Gefecht erheben konnte, oder eine Kränkung verschmerzt werden mußte; vielleicht aber wollte man eigentlich der Möglich­ keit vorbeugen, daß solche Händel zum Vorwand dienen könnten, um durch die alte Vertraulichkeit Verrath einzuleiten ^). Die Verordnung konnte dem Feinde kein Geheimniß bleiben: dem Sohn des Eonsuls Manlius, der

einige Reuter führte, begegnete ein tuskulanischer Befehlshaber, und verspottete die weise Vorsicht der Feldherren, und ihrer Völker klugen Gehor­ Der Jüngling erlag der Aufreizung; sie fochten; der Vermessene fiel von seiner Lanze. Auch ein weiches Herz hätte nicht begnadigen dürfen: der Aufstand der Armee vor zwey Jahren mochte eine Auflösung zurückgelaffen haben, deren Folgen in einem solchen Kriege höchst gefährlich waren, sam.

wo alles Heil von der unbedingten Kriegszucht abhing, wodurch das Heer 24 3) Livius VIII. 11. vergl. 6. 10. Dionysius ergreift die Lüge als Stoff zu Staatsdiscoursen. Exc. de leg. p. 2320. 2323. R. [p. 739. d. 740. c.J 44) Ich nenne sie die Schlacht am Vcsuvius: Livius sagt, sie sey am Fuß des Berges vorgefallen, auf der Straße ad Veserim. Daher die Römer sie die Schlacht ad Veserim nennen: wir wissen aber nicht, ob das ein Ort, ein Berg, oder ein Fluß war. 45) Wo Livius diese als Ursache angegeben fand, VIII. 6, 15. muß die Gefahr des Berraths gemeynt seyn : und die Worte ne quo errore milites caperentur, dürften als Milderung zu nehmen seyn; error statt delictum (f. Forcellini). Verrath römischer Soldaten war ein unaussprechlicher, unausdenkbarer Greuel. 50*

788

Schlacht am Vesuvius.

HI

ein Körper wird, dessen Seele der Feldherr, und mit ihm nur ein lebendiges Ganze ist. Livius Erzählung wie der bethörte Siegstrunkene seinem entsezten Vater die blutigen Spolien darbrachte; wie dieser sein Urtheil sprach, unv vollziehen ließ, ist herrlich: aber der Fremde darf ihr eine so große

Stelle in seiner Geschichte nicht einräumen. Wohl mag er aber nach dem großen Erzähler, andeuten, wie die Kriegsgefährten des unglücklichen Jüng­ lings die Leiche mit den traurigen Siegszeichen verbrannten, welche, hätte

er sie in erlaubtem Gefecht gewonnen, ihn bey dem Triumph seines Vaters begleitet, und seine Penaten geschmückt haben würden; wie die Krieger, während der Vater sein Herz verhärtet hielt, um den Todten klagten; wie die Jünglinge dem Sieger nicht entgegengingen, und ihn, so lange er lebte, flohen und verwünschten 24G). Im Traum erschien beyden Consuln die Gestalt eines übermenschlichen Wesens, zu verkündigen, der Feldherr des einen der kämpfenden Heere, das andere Heer, seyen den Todteng'öttern und der Mutter Erde verfallen. Beyde vereinigten sich, der, dessen Flügel anfinge zu wanken, wolle sich und das feindliche Heer der Unterwelt weihen. Auch vor der Schlacht weissagte das"« Opfer dem Decius Unglück4?): es schadet nicht, antwortete er dem Arusper,

wenn der College glückliche Wahrzeichen gefunden hat. Die Römer verschweigen den Antheil der Samniter an dem entscheiden­ den Tage: aber es war nicht Geist dieses Volks, entfernt aufgestellt dem Leben der Schlacht müßig zuzuschauen48): so schien der Preis des Siegs für sie noch näher zu liegen, als für Rom, wenn es auch diesem gelang ihn zu entwinden. Auch können nicht die Herniker allein, den vier ver­ bündeten Völkern der Latiner gegenüber gesiegt haben. Hier war der Ort der Samniter: sabelllsche Kriegsordnung stand der oskischen, wie latinische der latinischen entgegen. Als auf dem linken römischen Flügel, wo Decius befahl, daS erste Treffen zurückwich, da erfüllte der Consul sein Gelübde. Nach der vom Pontifer M. Valerius ausgesprochenen Formel, betete er zum Opfer ange­

than, mit verhülltem Haupt, auf einer Wehre stehend: ,,Janus, Jupiter, Vater Mars, Quirinus, Bellona, Laren, Ihr neun Götter 40), Ihr Ahnen-iw götter, Ihr Götter, die ihr über uns schaltet und über die Feinde, Ihr Todtengötter: zu Euch bete ich, Euch flehe ich, daß Ihr wollet dem römi­ schen Volk und den Quirlten 50) Gewalt und Sieg segnen und gedeihen 24 6) LiviuS VIH. 7. 47) caput jecinoris a familiari parte caesum. Livius VIII. 9. Den Theil, womit die Leber an das Zwerchfell verwachsen ist, nennen die Fleischer zu Rom capo del fegalo; eS ist gewiß eben jenes caput. Wenn sie nun loSgeschnitten ward, und für die AruSspicin in die beyden entgegenstehenden Theile unterschieden war, so hatte eS Bedeutung, wo das Messer eindrang. Daß man von allen Eingeweiden hauptsächlich aus der Leber wahr­ sagte, ist sehr begreiflich, da hier krankhafte oder an sich harmlose Veränderungen und Eigen­ thümlichkeiten nie fehlen, oft sich in großer Menge zeigen. 4S) Samniles sub radicibus montis procul instrucli —! LiviuS VIII. 10. 49) Dii Novensiles: die einfachste Er­ klärung ist von den neun blizsendenden Göttern der etruskischen Religion. Die Ungewißheit hierüber gehört zu den sprechendsten Beweisen, wie das hohe Alterthum schon Cäsars Zeit­ genossen ein verschlossenes Buch war. 50) Ueber die Formel s. oben S. 166. A. 762. Sn

111

Schlacht am Vesuvius. lassen, Furcht, Grausen, Tod auf ihre Feinde senden.

789 Also weihe ich für

daö römische Volk und die Quiriten, für daS Heer, die Legionen, die Bun­ desgenossen des römischen Volks und der Quiriten, der Feinde Legionen und Verbündete mit mir den Todtengöttern und der Mutter Erde." Von dem Augenblick erschien er auf seinem Roß beyden Heeren als der

Geist des Verderbens, der sich unter die latinischen Legionen stürzte.

Ent-

sezen ging vor ihm her: und als er von Geschossen durchbohrt nieder­ sank da wichen die Latiner: aber noch waren sie unbesiegt. Vorher­ sehend, daß eine einzige Schlacht entscheiden müsse, hatten die Konsuln die Ersazcohorte, die Accensi, als Linientruppen mit Spießen gerüstet und ge­

übt; den Latinern war es nicht in den Sinn gekommen über die Regeln indes Hergebrachten hinauszugehen. In einer mit gleicher Entschlossenheit und gleichen Kräften gefochtenen Schlacht, entscheidet das Eintreten einer noch frischen Reserve, der keine gleiche entgegenzusezen ist. Als die Antesignani beyder Heere müde waren, rückten bey den Römern die Accensi ein; die Feinde mußten schon die Triarier heranziehen: auch diese ließ Manlius sich abmatten ehe er seine Triarier vorführte, welche unwiderstehlich ent­ schieden 52). Auf den hartnäckigsten Widerstand folgte eine allgemeine Flucht

und eine unermeßliche Niederlage. Kaum der vierte Theil der latinischen Armee soll entkommen seyn. Unmittelbar nach der Schlacht eroberten die Sieger das Lager; der Gefangenen war eine sehr große Zahl, zumal Kam-

paner. Decius Leichnam ward erst am folgenden Tage unter einem Haufen feindlicher Todten gefunden, und herrlich bestattet. Die Trümmer deS latinischen Heers, verlassen von den Kampanern, welche, wie es nicht zu bezweifeln ist, dem Sieger bald nach der Schlacht auf leidlichen Accord ihre Stadt Übergaben, sammelten-sich erst in der Ausonischen Stadt Vescia^). Einige Städte mochten den nimmer zu ver­ söhnenden Schritt der Erklärung gegen Rom zögernd und unschlüssig ausgeführt : aber noch jezt zurückgeblieben oder neugebildete Cohorten gesandt haben: ja es gelang dem latinischen Feldherrn Numisius, der die Nation beschwor den Krieg nicht aufzugeben, einen allgemeinen Landsturm aufzu­ bieten. Im Vertrauen auf der Römer auch sehr großen Verlust wagte er mit diesem unordentlichen Heer bey Trifanum, zwischen Sinueffa und Minturnä, dieser hat LiviuS ohne Zweifel geschrieben pro pop. R. Quiritibus, — am wenigsten, wie die Vulgata es hat, pro republica Quiriüum; aber auch wohl nicht, wie BrissoniuS mehnte, pro republica Quiritibus. 251) ES gab auch eine andere Erzählung, wornach er, alSgeweihteSOpfer,von einem römischen Sol­ daten getödtet worden (Zonaras II. [p. 39. a. oi dt vno GuGTgocTtcoTOu nokrnxov G(payijvat]): zum Glück läßt sich nicht ermitteln, daß dieser Greuel wahr seh. 52) Der Grund von Livius Bericht ist ächt und vortrefflich, nur Ergänzung bedarf er. 53) Wohl gewiß daS heutige S. Agata di Goti, wo viele Alterthümer gefunden werden, die das Daseyn einer al­ ten Stadt beweisen. Die nahen Berge, welche man auf der Straße nach Kapua rechts hat, find ohne Frage die Montes Vescini. 54) DaS Kontingent von Lavinum vernahm die Nach­ richt von der Niederlage eben als es zu den Thoren ausrückte. Das Wort ihres Prütors Milionius, sie würden für den kurzen Weg den Römern theuer bezahlen müssen, scheint anzudeuten, daß sie ihren Marsch einstellten, und damit die Sache vergeffen glaubten.

790

Schlacht bey Trifanum.

Gericht über die Latiner.

KapuaS Verhältniß.

Hl

eine Schlacht anzunehmen, um dem Consul den Uebergang über den Liris zu wehren.

Dieser Strohm schnitt den Geschlagenen den Rückweg ab; und

die Niederlage der Latiner war so entschieden, daß der ganze Bund sich auf­ löste, und die Orte sich einzeln unterwarfen. Daß alle es gethan^), ist höchst unwahrscheinlich, da der Krieg fortdauerte; und wohl nur daraus gefolgert, daß der Senat Gericht hielt, und über das latinische Gemeinland verfügte. Welche Städte ihre Thore geöffnet hatten, die wurden während des Winters von dem Sieger gerichtet. Das Blut, welches nach den un­ abänderlichen Grundsäzen römischer Obmacht geflossen seyn muß; daS Blut,

welches Manlius, getrieben von den Furien des Sohns, als Consul ver­ gossen haben muß, ist unsern Blicken durch die mildernde Geschichte entzogen. Wir haben nur Kunde von der Verkeilung des latinischen Gemeinlandes, welches durch die Auflösung des Bundes dem Sieger verfallen war, und mit zwey Drittheilen der Privernermark, und der Falerner Landschaft bis

an den Vulturnus, — diese lezte Eigenthum der kampanischen Republik, — ieo dem römischen Volk aufgetheilt ward; doch so, daß den Vornehmen noch ein großes Gemeinland geblieben sehn muß56), denn diesseits des Liris wurden männiglich nur 2%, jenseits 3% Zugern gegeben. Die kampanischen Ritter, weil sie Rom treu geblieben, erhielten das römische Bürgerrecht, das Municipium: der Republik Kapua ward die Verpflichtung aufgelegt, jedem Ritter, es waren ihrer aber sechszehnhundert, eine jährliche Rente von 450 Denarien zu zahlen. Es ist schon bemerkt, daß sie durch einen Curienbeschluß sich für Rom, wider das Bündniß mit den Latinern, müssen erklärt Die Rente ward ihnen wohl als Entschädigung für die Falernische Landschaft, als von ihnen benuztes Gemeinland ihres Staats, zu­ gehabt haben.

gesprochen: Die Größe der Summe, 720000 Denarien, zeugt merkwürdig von Kapuas Reichthum. So war die große, und, wenn sie nur wollte, mächtige Stadt getheilt, und ihre Vornehmen, gleich den Eigenthümern einer Staatsschuld, an Roms Schicksal geknüpft. Was die Samniter durch diesen Krieg gewannen, wissen wir nicht an­

zugeben: wahrscheinlich freye Erweiterung gegen den oberen Liris. Kapua entging ihnen; dennoch kam ihr römisches Bündniß nicht als unbesonnen getadelt werden. Denn Latium, wenn es siegte, war ihnen eben so gefähr­ lich, Latium und Rom mit unversehrter Macht zu einem Staat verbunden noch gefährlicher als das siegreiche Rom: und die Vereinigung war zu er­ warten, wenn sie Rom sich selbst überließen; jezt bluteten und schwächten sich beyde Völker, ehe sie in einer Souverainetät vereinigt wurden. iei Im nämlichen Jahr 410 (415) war der Prätor L. Papirius zum Dictator wider die Antiater ernannt, welche römische und treue Landschaften

verwüsteten; er führte den Krieg vertheidigend. Livius nimmt an, dies sey nach Manlius Rückkehr geschehen: viel wahrscheinlicher ist, daß dies alles während des Feldzugs in Kampanien fällt: denn es war aller Grund vor255) Livius VIII. 11. adeo accisae res sunt, ut consuli — dederent se omnes Latin!. 5R) Daher die Klage über geizige Assignation: ager maligne plebei divisus. Livius VIII. 12.

in

Krieg mit Antium und andern Städten. Vollendung d. Eroberung von Latium.

791

Handen einen Dictator zurückzulassen, ehe beyde Consuln sich so weit ent­ fernten: nach Manlius Rückkehr hingegen, keiner.

AntiumS Ausdauer ermuthigte die Städte, die noch unter den Waffen waren, zu beharren, vielleicht mehrere, die sich unterworfen hatten und nun ob ihrer Leiden verzweifelten,

im folgenden Jahr 411 (416) sich zu

empören. Bey Pedum in den prä'nestinischen Gebirgen versammelte sich ein Heer aus Tibur, Präneste, Veliträ, Antium und Lavinium^'). Daran, daß dieser

Feldzug sehr matt geführt ward, sieht man klar, wie blutig und erschöpfend der vorige auch für Rom gewesen seyn muß. Der Konsul Q. Publilius

schlug die Insurgenten im Felde, aber sein College vermochte nicht Pedum iss

einzunehmen. Die Eroberung Latiums ward im Jahr 412 (417) vollendet. Die Latiner hatten der Hoffnung entsagt in Schlachten zu widerstehen: sie be­ schränkten sich darauf, daß jede Stadt ihre Mauern vertheidige, und im Fall eines Angriffs von den übrigen Hülfe erhalte. Der Konsul K. Mänius schlug die Veliterner, Ariciner und Lavinier, welche zum Entsaz der Antia-

ter herankamen, am Fluß Astura; L. Kamillus die Tiburter und Pränesti-

ner, die ihn vor Pedum Angriffen, indem die Belagerten herausfielen.

Pe­

dum ward an demselben Tage erstiegen. Rach diesen Niederlagen legten alle Latiner die Waffen nieder, römische Besazungen wurden in ihre Städte gelegt. Die Entscheidung ward schnell vollendet; die Consuln, welche sicher

nicht heimkehrten, ehe alles vollendet war, triumphirten in den lezten Tagen des Septembers b8). Aber Rom wäre ohnmächtiger durch seinen Sieg geworden,

es hätte

die Truppen verloren, welche bis dahin die Legionen verdoppelten, und die Empörung würde sich bey jeder Veranlassung wieder entzündet haben, wenn

nicht der Senat ein System der Mäßigung und der Klugheit angenommen hätte. Die latinischen Völker wurden getheilt; einige, zu Römern erhoben, von ihren alten Genossen getrennt, und ihren Wünschen und Unternehmun­ gen entgegengestellt:

die mächtigsten Städte geschwächt und gedemüthigt,

ohne daß die ganze Nation es als ihre Sache ansah. Livius lehrreicher Bericht über die Bestimmung des Schicksals von i6»Latium ist, wie ohne Zweifel äußerst unvollständig, so gewiß nicht frey von großer Ungenauigkeit. Er meldet, Aricia, Nomentum und Pedum hätten in gleicher Weise mit Lanuvium das Bürgerthum empfangen^); dem aber

widerspricht, daß die-classische Darstellung der drey Arten deS Municipium die Ariciner in die nämliche mit den Anagninern sezt, als solche, deren ganze 2 57) Diese Lesart ist wohl richtiger als Lanuvium, denn daß im Jahr 412 (417) über die Lavinier triumphirt ward, lehren die Fasten.

Nach der Zertrümmerung des Latinischen Staats

treten die alten Masten wieder hervor: hier Tibur und Präneste, dort Veliträ und Antium,

woran sich einzelne Theile der übrigen an Gehorsam gewöhnten Latiner anschließen.

Die

Ardeater, deren Landschaft von Antium her verwüstet ward, mögen ganz treu geblieben sevn. 58) S. die Fasten. Man erinnere sich, daß sie ihr Amt etwa Anfang Juli antraten. 5*2 3)* 5VIII. 14.

792

Die Latiner zum Theil zu Römern gemacht.

Bestrafung einzelner Städte,

in

Bürgerschaft in den Römischen Staat ausgenommen worden; nämlich als Unterthanen und ohne Suffragium, hingegen die Lanuviner und Tusculaner als Jsopoliten aufführt, hinzufügend, sie wären in der Folge Römische Bür­

ger geworden2^). Daß den Aricinern nur Cäritisches Recht der Unterthanen ertheilt sey, hat auch Bellejus angenommen, indem er ihrer in dem Ver-

zeichniß der Colonien gedenkt, aber keines einzigen Ortes, der volles Recht der Römer ersieh61): und wahrlich ist es nicht glaublich, daß die von Pedum, deren Stadt der Mittelpunkt des hartnäckigsten Widerstandes gewesen und mit Sturm eingenommen war, solches Glückes gewürdigt wären. Die Lanuviner hingegen wurden als sehr treue Verbündete geachtet, und nur durch den Schreibfehler, welcher ihren Namen anstatt der Lavinier gesezt, hat es das Ansehn, als ob sie heftigen Antheil an der Fortdauer des Kriegs genommen,

wie eben die Ariciner.

Daher ist der Fehler offenbar,

worin

Livius verfallen: er fand von jenen dreh Städten wie über Lanuvium ge­ sagt, daß ihnen die Civitas gegeben seh, und erwog nicht, daß damit Glück oder Elend ertheilt ward, je nachdem es Bürgerrecht oder Unterthänigkeit

war. Es müssen aber Latiner jenes in seinen sämmtlichen Vorzügen erhal­ ten haben, weil die nächsten Censoren zwey Tribus bildeten, deren Namens Zeugniß geben, daß ihre Regionen in Latium lagenC2): da nun die Mäcia ihren Namen von dem Berge Mäcius in der Nähe von Lanuvium oder einem an ihm gelegenen Orte hatte, so ist sicher anzunehmen, daß die Lanu­ viner als Vollbürger hier eingetragen wurden. Ihre Erwähnung als Jso­ politen bezieht sich also auf die alte Zeit während der Auflösung des Lati­ nischen Bundes, wo mit ihnen wie mit den Tusculanern das abgebrochne Verhältniß hergestellt war. Von den lezten sagte Livius, es seh ihnen das

Bürgerrecht, welches sie hatten, erhalten worden:

und sie werden damals

wohl kein voükommneres erlangt haben, ja wahrscheinlich herabgesezt seyn, indem sie später mit Veliternern und Privernaten ein verzweifeltes Unter­

nehmen begannen, wie es Vollbürgern wohl nimmermehr in den Sinn ge­ kommen wäre. Den Antiatern wurden ihre Galeeren genommen, mit denen sie Seeraub trieben. Es blieb ihnen untersagt, das Meer mit bewaffneten Schiffen zu befahren. Ihre Stadt ward zu einer römischen Hafencolonie gemacht, und

erhielt demnach dreyhundert Colonen; aber auch die alten Antiater wurden als Bürger ausgenommen, folglich blieb ihnen ein Theil deö Grundeigen­ thums, obgleich nicht so viel, noch dasjenige, welches jeder früher besessen

hatte.

Denn die ganze Mark ward vermessen und getheilt,

und auch für

den Theil, der nicht an römische Colonisten kam, war es eine Separation durch das Loos.

Veliträ ward hart behandelt: die Mauern der Stadt wur­

den eingerissen, die Geschlechter über die Tiber verbannt, ihre Fluren an"s römische Colonisten vertheilt. Veliträ gehörte zur Tribus (Scaptia63): 26°) FestuS s. v. municipium. 61) I. 4 4. G2) Livius VIII. 4 7. tribus additae Maecia et Scaptia. 63) Die Octavier waren dort zu Hause, und Tributen der Scaptia. Suet. Ociav. 40.

in

Aushebung der Gemeinschaft der Latiner.

Bund mit Kapua, Kumä u. s. w.

793

möglich ist eS, daß eS schon 417 (422) ihr zugetheilt ward, und daß die römischen Colonen keine eigene Stadtgemeinde bildeten. Tibur und Präneste verloren einen Theil ihrer Landschaft; ohne Zweifel wurden die unterthänigen Städte ihnen entzogen, und kamen unmittelbar unter Noms Hoheit. Aber die Jsopolitie ward ihnen hergestellt: bis zum julischen Gesez bestand

mit ihnen ein Bündniß, kraft dessen jeder Römer zu ihnen ins Erilium ziehen sonnte264): es war ohne Zweifel, bis auf die Gleichheit, jenes des Sp. Cassius. Dasselbe blieb den Laurentern und wohl mehreren, wo es

nicht erwähnt wird:

so wie andere, die das Bürgerrecht empfingen, über-

gangen sehn können. Allen latinischen Völkern wurden Landtage untersagt, das Recht gül­

tiger Ehen und des Landeigenthums auf die Bürger jeder einzelnen Stadt beschränkt6^). So konnte sich nicht nur keine Verbündung durch Beschluß der Obrigkeiten bilden, Empörungen, wenn sie vorfielen, waren nur tumul-

tuarische Bewegungen: allmählig wurden sich die Orte fremd, und, wie es unter benachbarten Gemeinden geht, sobald sie sich von einander entfernen, gehässig: in einer verfallenen Stadt konnte kein fremder Latiner die ausge­ botenen Grundstücke kaufen; sie kamen in die Hände römischer Bürger66). 166 Mit Kapua, Kumä, Suessula, Fundi und Formiä als Verbündeten

ward ein Municipium errichtet6?),

wie es vordem das ganze Latium ge­

habt. Sie waren eben so frey wie es dieses gewesen: doch Rom nicht so vollkommen gleich. Ihre Heerdienste berechtigten sie zu einem Antheil an

den Eroberungen: ihre Contingente wurden von ihren eigenen Befehlshabern geführt. Sie waren immer abgesondert: die Verbindung der Latiner in den Manipeln war eine Zufälligkeit. Das Andenken der Siege, wodurch Rom auö diesem Krieg als Herr­ lebte in Denkmälern. Von den Antiatischen Galeeren

scherin hervorging,

wurde ein Theil nach Rom ins Schifflager geführt, einem andern die Rostra Nach Livius

i67abgeschnitten, und zum Schmuck des Suggestum verwandt6^).

264) Oben S. 388. 65J Das ganze Grundgesez bey Livius VIII. 1 4. Gfi) Es sollte unnöthig seyn, ist es aber vielleicht nicht, daß der Geschichtschreiber, welcher die tiefberechnete Zweck­ mäßigkeit solcher Verfügungen darlegt, sich gegen die Beschuldigungen verwahre, daß er es mit Wohlgefallen thue. Ich bin wohl weit entfernt Roms Entscheidung über der Latiner LooS edel und großmüthig, und seine Sache in diesem Kriege gerecht zu finden: aber mora­ lische Betrachtungen sind müßig: eS hat keine Gefahr, daß der Leser parteyisch für Rom sey. Das Mitgefühl mit dem Unglücklichen ist eine ganz andere Sache, und das gebührt den La­ tinern. 67) VellejuS Angabe (I. 4 4.) der Zeit, wo Kapua, Fundi, Formiä das Bürgerrecht erhielten, steht in einem Widerspruch mit der bey Liviuö. Man muß glauben, daß er eine ganz falsche Tafel vor Augen hatte, welche sich auf eine meistens unerklärliche Weise über jene« ganze Capitel bey ihm erstreckt. 68) Livius VIII. 4 4. XXXVI. 3. Die Angabe, daß ihre Flotte nur sechs Schiffe gezählt habe, welche bey einem Declamator vorkommt, der stets Freude daran hat das kindisch Kleine des Quantitativen im Alterthum hervorzuheben (FloruS 1.4 4.), ist wohl nur dadurch veranlaßt, daß so viele in den Rostris zu Rom eingemauert gewesen seyn werden. In dem langen Gemäuer, welches in einem Winkel gegen die drey Säulen läuft, welche unter vielen durchaus verkehrten Benennungen, am längsten den Na­ men deS Jupiter Stator getragen haben, die aber zur Curia Julia gehören, habe ich die Rostra nova entdeckt, und darnach ist die Form der alten ebenfalls leicht zu erdenken. ES war ein manche Schritte langes Suggestum, nicht breit: an beyden Enden führte eine Treppe

Diktatur des Q. PublilinS Philo

794

Hl

wurden beyden Consuln Standbilder zu Roß errichtet^). Plinius70) Stillschweigen beweist nicht, daß L. Camillus dieser Ehre nicht theilhaft

geworden: es waren so viele alte Bilder untergegangen. Aber seine An­ gabe, daß die Statue des C. Manius auf eine Säule gestellt gewesen war, ist zu bestimmt, um nicht größern Glauben als die beyläufige der Annalen zu verdienen.

Die Geseze des Dictators Q. Publilius. Seitdem die Zahl der Plebejer im Senat und ihre persönliche Bedeu­ tung groß geworden war, und immer zunahm, und ebenso der edelgesinnten

Patricier immer mehr wurden,

welche dem quälenden Treiben ihrer unbe­

lehrbaren Standesgenoffen herzlich gram waren, und mit den Häuptern derie8 Plebejer freudig vorwärts trachteten, mußte sich ein bedeutender und ärger­

licher Widerstreit zwischen der Mehrheit der Patres conscripti, und dem ge­ meinen Rath der Patres, den Curien erheben. ES konnte nicht fehlen, daß in diesen die Mehrheit ohne belehrende Erfahrung in der Leitung der Ge­ schäfte, und ohne Verantwortlichkeit für ihren Erfolg, die Zeiten bejammernd, wo die Ansprüche auf ihre alten Vorrechte vom Senat vertreten wurden,

bey allen Veranlassungen Protestation erhob; und sich großer Erbitterung am allermeisten wider die verständigen Standesgenoffen, welche als Ab­ trünnige verschrieen wurden, überließ. Ein solcher Zustand, wo eine Faction, welche täglich an verhältnißmäßiger Kraft und Bedeutung zurückwich, dem Senat seinen Beruf als Regierung störte, mußte beseitigt werden.

Daß dies Gefühl hierüber nicht das partheyische eines Standes gegen den andern, sondern das verständige der guten Bürger und Vaterlands­ freunde gegen leidige Friedensstörer war, zeigt sich schon dadurch, daß es ein Patricier aus einem der allerersten Geschlechter war, der Consul Tibe­ rius Aemilius, welcher, als die Beendigung des Feldzugs von 411 (416) Muße gewährte, seinen Collegen Q. Publilius Philo mit diktatorischer Macht ausrüstete, um das Uebel durch Geseze abzustellen, welche, von Tribunen angetragen, einen weit stürmischeren Gang genommen haben würden. Es ist thöricht zu reden als ob die befreundeten Consuln dem Senat entgegen gewesen wären: Philo muß vom Senat zur Diktatur ernannt seyn; und wie er nur den Centurien oder den Curien Geseze vortragen konnte, nichts den Tribus, so konnte er dies auch nur in Folge eines Senatusconsults thun. Mithin waren es nicht anmaaßende Entwürfe eines Demagogen, hinauf: der Redner ging hin und her auf einem weiten Raum: es war Plaz zur Genüge, um auf demselben die Statuen aufzustellen, welche diesen Ehrenort erhielten. Die alten Roftra lagen zwischen Comitium und Forum, daß der Redner sich hierhin und dorthin wen­ den konnte. Der Kern der neuen ist von Ziegeln und Gußwerk, eS versteht sich, daß er mit Marmor bekleidet war: die alten werden ganz und gar aus Peperin aufgeführt sehn. Gegen beyde Mahlftätten gewandt, zeigten sie eine Wand, vielleicht -10 Fuß hoch: in diese wurden die Schiffsschnäbel eingemauert. — Auch die Griechen verstümmelten eroberte Galeeren also, um Siegeszeichen zu haben: das ist "69) VIII. 13.

:o) XXXIV. 5.

in

zur Gesezgebung. Publilische Geseze: 1) Abschaffung des Veto der Curien:e.

795

sondern Beschlüsse deS Senats, in welchem, sieben und zwanzig Jahre nach dem licinischen Gesez, die Mehrheit noch immer patricisch gewesen seyn wird.

Sonst war Q. Publilius, ein Mann auS dem Geschlecht, vielleicht ein Nachkomme des Tribuns Volero, durch den die Gemeinde ein Zweig der Gesezgebung geworden, allerdings, nach seiner Abstammung wie persönlich, freudig und berufen die Freyheiten seines Standes zu vollenden. Daß es nöthig gefunden ward einen Dictator zu bestellen, um die Ge­ seze durchzuführen, zeigt, daß man gewaltsamen Widerstand erwartete: ja

es mag seyn, daß der Senat die Entsagung der Curien auf ihre Vorrechte durch Schrecknisse erzwingen wollte. In solchen Umständen verräth sich die Fiction freyer Annahme in berathenden Versammlungen; und wie wir ge­ sehen haben, daß ein Senat, der sich mit Wahrheit rühmt die reichste Ver­ sammlung der Welt zu seyn, und als die vornehmste betrachtet seyn will, eine bisher mit starrem Eigensinn und sehr großer Mehrheit zurückgestoßene Besserung, sobald das Ministerium seinen Willen entschieden hatte, mit

einer sehr großen Mehrheit annahm, — so konnte es freylich auch zu Rom unvermeidlich und verzeihlich gefunden werden, die Unvernunft einer be­ rathenden Versammlung durch die Mittel zu beugen, welche der höchsten

170

Regierung zu Gebot standen. Das erste Gesez verordnete, daß die Patricier über die Geseze, welche den Centurien vorgetragen würden, ehe die Abmehrung eintrete, ihr Ergeb­

niß bestätigen sollten: mit andern Worten, es ward das Veto der Curien bey der Gesezgebung durch die Centurien abgeschafft. Der Erschwerungen ihres Gangs gab es so vollauf: denn kein Beschluß konnte vom Senat ge­

faßt werden, außer nach dem Vortrag des Consuls, Prätors oder Dicta­ tors; und die Centurien konnten nur mit Ja und Nein über solchen Be­ schluß abmehren; und nichts daran ab oder zuthun. Verwarfen sie einen heilsamen Antrag, so konnten die Curien nicht bessern: waren Senat und Centurien einig, so konnte es nicht denkbar seyn, daß der Widerspruch der

Curien einen andern Grund als Vorurtheil und Gehässigkeit habe.

So

lange die Curien sich und ihre Gesinnungen im Senat abgespiegelt sahen, war ihre Bestätigung ausgemacht und eine überflüssige Förmlichkeit: so blieb

nun die Förmlichkeit als Andenken und Reliquie, um nichts

ohne Spur

auszutilgen. Anders war es mit der Bestätigung der kurulischen Aemter, wobey der Senat keine Stimme hatte, und irgend ein Veto der gänzlich frey gegebenen

Wahl gegenüber heilsam, wenigstens ein minderes Uebel scheinen konnte. Hier blieb es ihnen beynahe noch ein halbes Jahrhundert erhalten; bis der immer einfältigere Geist der Oligarchie und dessen Feindseligkeit gegen die schon ausgebildete Nobilität es unmöglich machten, ein solches Mittel den Frieden zu stören dem Unverstand in Händen zu lassen.

Abschaffung des Veto der Curien war ausgemacht auch des zweyten i?iGesezes Inhalt, welches in denselben Worten wie das der Consuln L. Va­ lerius und M. Horatius und des Dictators Q. Hortensius gemeldet wird:

796

2) Verbindlichkeit der Plebiscite ohne Bestätigung der Curien.

in

daß Plebiscita alle Quirlten verbinden sollten. Nämlich bisher war Behstimmung des Senats und Bestätigung der Curien erfordert gewesen; nun genügte jene, um eine Willkühr zum Gesez zu erheben. Der Senat vertrat jezt ganz und gar die Patres, und die Nachkommen vergaßen, daß jemals die genehmigenden oder verwerfenden Patres mehr als er gewesen wären. Hinwiederum trat nun auch daS Volk — der Name der Gemeinde ist nun für sie uneigentlich geworden, — an die Stelle des alten PopuluS, wo es vor Zeiten üblich gewesen, daß dieser die Beschlüsse des Senats genehmige und bestätige; später, bey der Entwickelung der Verfassung, verordnet war, daß die Gemeinde als dritter Zweig der Gesezgebung zustimmen mußte, und verwerfen konnte. So führte sich nun die Rede ein, daß auf Veranstaltung des Senats durch die Tribunen dem Populus Verwaltungsbeschlüffe vorge­ tragen wurden; Beschlüsse die bis dahin zum Theil ohne Theilnahme der Plebes, bloß den Curien vorgetragen seyn mögen. Dieser Sprachgebrauch sezte sich dann so fest, daß es nicht zu verwundern ist, daß die Annalen auch in der vorhergehenden Zeit da wo die Plebes nur bestätigend für ein vorhergegangenes Jussum Populi eintrat, von Anträgen der Tribunen an den Populus sprechen; mit welchem im eigentlichen Sinn, und sofern auch die Centurien unter dem Namen verstanden werden, die VolkStribunen nie zu handeln hatten, nie handeln konnten. Weil endlich das Volk nun den Populus vertrat, und bey dessen Ab-172 Mehrungen die Auspicien wesentlich und unerläßlich waren, so mußten die Tribunen diese bey der Fassung solcher Beschlüsse wahrnehmen: und so muß es gekommen seyn, daß auch sie Auspicien nehmen271), und das bey dieser Gelegenheit eingeführt seyn. Wenn nun einer bemerkte, daß die Patricier also hier unbillig ganz ausgeschlossen worden wären, daß die Tribus der Nation, worin auch sie enthalten waren, hätten berufen und die Volkstribunen ohne Unterschied des Standes gewählt werden müssen, so würde ich ihm gern Recht geben: nur glaube ich, daß jene sich schwerlich von einem plebejischen Tribun hätten berufen lassen: und für die Republik war es gleichgültig. Denn auflösen­ den Anträgen, falls sie möglich gewesen, widersprachen die angesehenen Ple­ bejer gleich entschieden, und mit mehr Gunst in der Versammlung: der Senat einstimmig. Doch ist allerdings unterblieben, was wahrhaft heilsam gewesen wäre: die Schöpfung einer neuen Macht, um den Senat bey Wider­ spruch gegen das Volk zu stärken; eines aus beyden alten Ständen, die ihrem ursprünglichen Sinn und Wesen schon ganz fremd gewesen waren, gebilveten Ritterthums, dessen Gedanke unbestimmt und unerreichbar den Späteren vorschwebte. Aber grade dieser Vorschlag, wenn es möglich ge­ wesen wäre mit Ahndungen dem gegenwärtigen Bedürfniß so weit vorzueilen, würde von der Hofsahrt damals noch heftiger, als die gänzliche Beseitigung ihrer Rechte, welche sie wiederzugewinnen immer träumte, verworfen seyn. 271) Zonaras II. [p. 28. d.]

IN na

3) Ein Censor muß Plebejer seyn. Ende d. Zwietracht d. Stände. Wahlstreitigk. 797

Manche Veränderungen, die in früherer Zeit einen nicht zu besänfti­ genden Widerspruch gefunden haben würden, werden später als eine noth­

wendige Folge der Verhältnisse gradehin eingeräumt. Das dritte publilische Gesez, welches das licinische auf die Censur anwandte, also daß allemal

nothwendig ein Censor Plebejer sehn müsse, wird, zumal neben jenen andern, wohl gar nicht bestritten seyn. Doch war es heilsam um Reizungen zu ent­ fernen: das Recht der Plebejer zu jenem Amt war mit der Wahl des

C. Marcius zugegeben.

Durch welche Mittel nun immer die Zustimmung der Curien für die beyden ersten Geseze erlangt seyn mag, alle wurden in Form Rechtens an­ genommen: und was immer ihnen mangelte, so waren sie für die Gegen­ wart, und blieben noch lange eine seegensvolle Wohlthat. Es ward durch

sie die innere Zwietracht verbannt; ein schnell ausgebreiteter weitläustiger Staat ward damals dauerhaft gegründet, und eine weit glänzendere Zukunft vorbereitet: es begann jenes goldene Zeitalter der römischen Tugend und Heldengröße, welches die erwachende Aufmerksamkeit der Griechen auf das

mächtig emporwachsende Barbarenvolk mit staunender Bewunderung erfüllte: ein Zeitalter, welches die Welt nur einmal gesehen hat, und zu dem schon der censorische Cato als aus der Mitte eines entarteten Geschlechts weh­ müthig hinaufblickte.

1T*

Innere Geschichte bis auf den caudinischen Frieden. In mehreren Jahren dieses Zeitraums erscheinen Spuren, daß die Pa­ tricier dem thörichten Traume noch nicht entsagt hatten, die unwiederbring­

lich verlornen Vorrechte durch Starrsinn zurückzugewinnen 272): ihre Ver­ suche, wenn sie quälten und ärgerten, waren der Ruhe nicht gefährlich, weil sie wohl unbiegsam genug waren, den Zank immer zu erneuern, aber nicht so tollkühn, das äußerste zu wagen, wenn der weggeträumte Widerstand sie

hemmte. Noch lebten viele in ungeschwächtem reifen Alter und in ihnen unvergänglich die Erinnerung der alten Alleinherrschaft und der Verdruß überwunden zu seyn: es mußte ein anderes Geschlecht an ihre Stelle treten,

welches die alte Zeit nur als Sage kannte, damit Ruhe werde; und wenige ihrer Enkel würden so verblendet gewesen seyn, daß sie, wenn es möglich gewesen wäre, damals das Verlorne wieder an sich zu reißen, diese Herstel­ lung gegen das hätten tauschen mögen, was für sie und alle entstanden

war: aber das Unternehmen konnte nicht gelingen, und die weisern Spach­ kommen beyder Partheyen mußten es für das größte Glück achten, daß un­ vernünftiges Streben nicht das Gleichgewicht in der Republik durch Verlezung der Aristokratie vernichte.

798

Prätur des Q. Publilius Philo, erste plebejische Prätur.

Hl

Es zeigt sich dasselbe in der eine Zeitlang fast alljährlich wiederholten Erneuerung eines Dictators für die Wahlcomitien; aber ein Plebejer, zu

dieser Würde ernannt, ward unter nichtigen Vorwänden genöthigt, sie nie-175 derzulegen; und ihm folgten wie früher einmal fünf bis vierzehn Jnterregen, ehe die Wahl der Eonsuln vollendet roarb 273). Es ist wahrscheinlicher, daß diese Vorsizer sich weigerten Stimmen für den plebejischen Candidaten anzunehmen, oder die Curien ihre Bestätigung versagten, als daß die Comitten nur unter allerley Vorwand verschoben worden seyen 74); die Patricier

wollten nicht Anarchie, sie wollten bestimmte Wahlen erzwingen.

Aber

aller Streit und Kampf, wovon Livius selbst in den einsylbigen Annalen wenig erzählt lesen mochte, wovon aber was Cicero über Curius erzählt75)

einen Begriff giebt, endigte immer mit einer Wahl nach dem licinischen Gesez. Im Jahr 418 (423), dreyßig Jahr nachdem als Folge der licinischen Geseze die Prätur vom Consulat getrennt worden war, erlangte zum ersten­ mal ein Plebejer, Q. Publilius Philo, der Urheber jener heilsamen Geseze, diese Würde. Damals, auch noch eine Zeit nachher, wurden die niedern curulischen Würden noch nicht als Stufen zur höchsten betrachtet, von der man nicht wieder zu ihnen Herabstieg. Prätur und kurulische Aedilität waren nach wiederholtem Consulat und Triumphen Gegenstände der Ehrsucht7ß); und um so mehr, da die Geseze des Jahrs 408 (413) die Wiederholungi?«

des Consulats beschränkt hatten: und dies scheint sich erst geändert zu haben, als die Aedilität mit Liturgien belastet ward, so schwer, daß die Nothwen­ digkeit sie zu tragen, um die höheren Würden zu erreichen, erfordert ward,

damit die römische Sparsamkeit sich in sie ergäbe. Unter allen seinen Mitständen übertraf gewiß keiner Q. Publilius an dem Ansehn, welches der bedurfte, der seinem Stande zuerst die Bahn einer neuen Ehre öffnen sollte: aber unmittelbar war der Gesezgeber von 411 (416) dazu berufen. Wird Geschehenes durch das zufällige Stillschweigen eines flüchtigen Historikers und durch den zufälligen Verlust anderer Quellen so vernichtet, daß man es nicht errathen soll: sind allein in der Geschichte des Alterthums bey der schärfsten Ausbildung der Geseze und schrittweisem, nicht durch weither wehende Stürme wie in unsern Tagen vorwärts ge­ schleudertem Fortgang der Begebenheiten, Chaos und Verwirrung die Gott­ heiten, deren Walten rechtgläubig verfochten werden muß; so müssen wir uns auch hier auf das beschränken, was Livius meldet: der patricische Con-

sul C. Sulpicius, Vorsizer der Wahl, habe keine Stimmen für den Plebejer annehmen wollen, aber der Senat, da größere Vorrechte verloren waren,

über das geringere nachgegeben. Forschen wir aber in der römischen Ge­ schichte unter den einzigen Bedingungen, die der Mühe lohnen sie zu kennen, 273) LiviuS VIII. 1 7. 23. 74) dilalis alia alque alia de causa comiliis. Livius VIII. 23. 7fi) Brutus 14. (55.) s. oben S. 750. Auch bey LiviuöX. 15. werfen die Patricier O. Fa­ bius vor, daß er nicht suche zwey ihres Standes erwählen zu lassen. 76) Wie das Beyspiel von M. Valerius CorvuS zeigt, s. oben S. 730. Plinius H. N. VII. 48. S. auch Livius X. 9., wo Licinius Macer ohne Vergleich bessere Gewähr leistet als Piso: ja als der einzige, welcher Urkunden untersuchte, als irgend ein anderer.

Hl Theilung d. Prätur. Poetelisches Gesez: Abschaff, d. Verpfänd, d. persönl. Frcih. 799 so werden wir nicht glauben, daß ein einzelner Plebejer, wie groß auch immer sein Ansehen sehn mochte, es versuchen konnte, sich zu einer Würde einzudrängen, die seinem Stande versagt war: daß es ihm zufällig gelingen irrdurfte, dabey aber für die Zukunft es wieder eben so vom Zufall abhing, ob sein Beyspiel Folge hatte oder nicht. Die Prätur ist ganz gewiß gesezlich mit jährlichem Wechsel zwischen beyden Ständen getheilt gewesen, ehe ein plebejischer Kandidat sich um sie bewerben konnte; und wie Q. Publilius die Theilung für die Censur festgesezt hatte, so wird er sie auch für die Prätur erlangt haben, vermuthlich durch ein viertes Gesez seiner Diktatur, welches Livius übersah: daher ist er der erste plebejische Prätor, so wie, gewiß auch nicht zufällig, für das nächste Lustrum Censor. Diese Sicherung des Gleichgewichts der Stände gegen Willkühr und Zufall, wodurch der, dessen Kräfte durch die Macht der Umstände schwanden, zu seinem eigenen Heil von verwegenen Versuchen ab­ gehalten ward, wieder an sich zu reißen, was er nicht zu halten vermocht hatte, und der anwachsenden Unterdrückung gewehrt wurde, — diese ist römisch. Beyspiele von dieser Theilung, die nur nach den Jahren seyn konnte, so lange ein Prätor war, und nach der Errichtung einer zweyten Stelle dem Beyspiel der übrigen kurulischen Würden gemäß geworden seyn wird, versagt vielleicht die Aermlichkeit der Fasten: als jährlich vier Prä­ toren ernannt wurden, waren selbst im hannibalischen Kriege, wie doch alle Wahlgeseze gehemmt waren, die den entschieden Vorzüglichern in der Zeit dringender Gefahr hätten ausschließen können, zwey von ihnen Patricier, zwey Plebejer 277). ns Noch länger erhielt sich die jährliche Abwechslung zwischen beyden Ständen bey der Aedilität*). Die Abschaffung der Verpfändung der persönlichen Freyheit war für den ganzen plebejischen Stand zugleich Befreyung von herabwürdigender Makel und Tyranney. Es ist gezeigt worden, daß die Schuldknechtschaft nur sie traf78), und daß ihre ganze Strenge auch nach dem XII. Tafelgeseze fortbestand79) **). Livius sezt diese große Veränderung des bürgerlichen Rechts, deren Ein­ fluß auf die bürgerlichen Verhältnisse wenigstens so groß als eine Abände­ rung in der Verfassung war, ausdrücklich in das Jahr 424 (429) 8U), und da die Wichtigkeit der Sache ihre Erörterung fordert, der Zeitpunkt wo sie eintrat doch um nicht viele Jahre fehlen kann, so will*ich davon in diesem Zeitraum reden. Sonst ist es allerdings wahrscheinlicher, daß das Gesez, 577) Man sehe in LiviuS dritter Dekade unter jedem Jahr die Namen der Prätoren. Ewig kön­ nen solche Einrichtungen zum Vortheil eines ausfterbenden Standes, der sich nicht ergänzt, nicht dauern; auch hier entschied am Ende die unzureichende Zahl fähiger Männer unter den Patriciern, und seit dem Ende des hannibalischen Kriegs ist jene Regel zur Seite gesezt. *) Die Ausführung dieses Sazes ist hier weggelaffen, weil sie schon oben S. 733. vorkommt. A. d. H. 78) S. oben S. 320. 79) Oben S. 538, vergl. S. 683 f. **) Hier ist eine Berichtigung älterer Ansichten N'S. über die Schuldgeseze, wie sie N. in die sväteren Ausgaben der ersten Bände ausgenommen hat, ausgelassen. A.d.H. 80) VIII. 27.

800

Poetelisches Gesez: Abschaffung d. Verpfändung d. persönl. Freiheit. Fiducia.

111

dessen Veranlassung nach der Sage eine Folge deS caudinischen Unglücks war, von C. Poetelius als Dictator 435 (440)281) gegeben wurde, dessen Name Livius oder seine Vorgänger irrig auf sein um zwölf Jahr früheres Consulat hinführte. Alle Schriftsteller, die von dieser Begebenheit reden, erzählen einstimmig, ein Jüngling, der sich wegen Schulden seines Vaters82) in Schuldknecht-"s schäft ergeben, sey von dem Wucherer ersucht, bedroht, endlich mit Geißel­ hieben mishandelt worden, damit er sich seiner schändlichen Lust bequeme. Er habe seine Keuschheit bewahrt, eine Gelegenheit gefunden aus dem Kerker zu entspringen und sich auf das Forum unter das Volk zu retten, dessen heftige Theilnahme dem Senat die Abschaffung des gottlosen NechtS abge­ drungen habe. Livius, wenigstens in den kritischen Ausgaben, nennt den Unglücklichen C. Publilius 8^): Dionysius ganz gewiß eben so, Valerius Marimus aber T. Veturius84). Die beyden lezten sind darin einstimmig, daß der Vater als Offizier der Capitulaüon von Caudium in Elend ge­ rathen sey. Diese Unsicherheit, dagegen die bestimmte Nennung des Wucherers, unter dem Namen des stolzesten Patriciers der Zeit, L. PapiriuS, machen die Sage von dem bestimmten Fall als Mährchen, daß der Haß ausgebil­ det, verdächtig: das aber ist nicht zu bezweifeln, daß durch ein Poetelisches Gesez die Schuldknechtschaft des Nerus abgeschafft worden ist *). Es verbot die Verpfändung der Person für die Zukunft: es löste sie für alle, welche beschwören konnten, daß sie hinreichendes Eigenthum besäßen, um ihre Schuld zu bezahlen85). Dies für die nexi: die addicti sicherte eöiso gegen Ketten und Baude, ausgenommen die, welche wegen Verbrechen bis sie gesühnt hatten ausgesprochen waren. In solchen Fällen kommt Addiktion und Privatkerker bey Plautus vor als das allerderbste Zwangsmittel, dem übrigens entging, wer zahlen konnte, wozu er verurtheilt ward: da Ballio als Freygelassener gedacht werden muß und diese schon damals völlig für Bürger gelten, so kann man nicht sagen, daß die Vortheile der Plebejer aus dem Poetelischen Gesez sich nur nicht auf ihn erstreckten: eben so sind bey Livius im hannibalischen Kriege die zu Geldersaz Verurtheilten in Banden, wie die schweren Verbrecher im Kerker. Anstatt des Leibes sollte die Habe für Schulden haften auf zweyerlei 281) DieS würde ganz ausgemacht seyn, wenn die florentiner Handschrift VarroS in der so schänd­ lich in den Ausgaben verfälschten Stelle VII. 5. (VI. p. 101.) der Emendation (wahrscheinlich von VertraniuS) näher käme, nach der SigoniuS zu (Livius VIII. 28.) sie anführt und die Scaliger stillschweigend billigt: C. Poelelio Visolo diclatore. Aber sie liest: C. Popillio vocare sillo diclatore. 8?) Es wirst Licht auf Sitten und Familienrecht, daß Dionysius Exc. Val. p. 2338.R. erzählt, die Vettern hätten dem Armen die Beysteuer zum väterlichen Begräbniß nicht geleistet, auf die er gerechnet gehabt. 8^) Nicht er, nur ein Abschreiber konnte Publilius für einen Familiennamen halten, welcher arge Fehler übrigens in allen livianischen Handschriften zu herrschen scheint, da Drakenborch von den besten sagt, daß in ihnen gelesen werde, wie Gelenius geändert habe, der doch Publius stehen ließ. 84) VI. 1.9. *) Im Msct. folgt hier eine Darstellung des nexum u. s. w., die als Wiederholung weggelaffen worden ist. A. d. H. 85) Omnes qui bonam copiam iurarent, ne essent nexi, dissoluli. Diesen wichtigen Zusaz hat Varro, statt daß Livius von unbedingter Lösung redet.

Zug des Alexander von (fpirus.

III

801

Weise. Verpfändender Scheinverkauf von quiritarischem Eigenthum, die fiducia, trat an die Stelle deS nexum der Person: und Zuerkennung der

Habe an die der Addiktion, wo der Darlehnscontract nicht in jener Form geschlossen war, weil der Borgende kein hinreichendes quiritarisches Eigen­

thum hatte, oder weil es aus irgend einem Grunde anders beliebt war, oder wenn die Schuld auf irgend eine andere Weise als durch Borgen ent­ standen war. War es nun, weil die Addiktion Standeserniedrigung mit sich führte, oder war es eine eigenthümliche gesezliche Strenge, diese Schmach traf wenn auch in niederm Grade, auch wenn der Prätor das Vermögen des Schuldiglners seinem Gläubiger zuerkannte: nämlich als Verlust der Tribus und bürgerliche Ehrlosigkeit: und dies nicht bloß bey vollendetem Bankerott, son­ dern auch wenn der Schuldner wieder in Besiz seines Vermögens fam 286). Die Abschaffung des Selbstverkaufs hinderte übrigens den Vater nicht, seinen Sohn unter Bedingung der Remancipation oder schlechthin zu ver­ kaufen: und jene mußte oft dem Wesen nach wahre Schuldknechtschaft veranlassen.

Alexander von Epirus. Es ist ein wesentlicher Theil des Berufs, den ich mir erwählt habe, — die römische Geschichte, so weit es meine Kräfte und die vorhandenen Hülfs­

mittel erlauben, also zu erhellen, daß sie nicht minder vertraut und anschau­ lich vernommen werde als die der neuern, nur nicht unmittelbar von uns er­ lebten Zeit, — die Völker und Staaten, mit denen Nom in der Ausdehnung seines Reiches in Beziehungen der Freundschaft oder in Krieg geräth, dar­ zustellen, damit der Leser anstatt eines bloßen Namens, etwa der Epiroten oder Aetoler, in allgemeinen Zügen wisse, was damals der Umfang ihres iLsStaates, welche ihre Macht, was ihre Verfassung und ihre Lebensweise war. Diese Darstellungen sind die Frucht im Allgemeinen einer früh auf alle Notizen über verschmähte und übersehene Nationen und Zeiträume ge­ richteten Aufmerksamkeit; im Einzelnen oft von nicht weniger mühseligen Forschungen als die sind, wodurch ich mir das ChaoS der älteren römischen Zeiten geordnet habe, mit denen ich aber vermeiden werde den Umfang eines Werkes zu vergrößern, dessen unvermeidliche Ausdehnung mir an der Grenze des Alters wenig Hoffnung läßt es zu vollführen. Zu einer solchen Episode veranlaßt der Zug des Königs Alexander von Epirus nach Italien; ein Ereigniß, welches freylich der römischen Ge286) Hierauf beruht die ganze Wichtigkeit der Frage, welche in der Rede pro Quinctio debattirt wird, ob der auf jeden Fall wieder aufgehobene Zuspruch seines Vermögens rechtskräftig ge­ wesen seh; daher ist es causa capitis: c. 8. (31.) 9. (32.) — L4q)e(at)a> naoa oiTTav Je OtojLitt) Tiaoa c)" Inti noXizov, a^/uGiagog, an 6 te dave(ov xataXXov navzog Gu^ßoXatou. Dionysius VI. LI. Zch habe an viele verborgtes Geld verloren, sagt AppiuS ebend. VI. 59., aber ovdtva zwv anoazEQ^aavzcov ps tiqosxHtov tnoiriGap,r}V ovd* aTip,ov. Niebuhr, Nöm. Gesch.

51

802

Zustand Großgriechenlands.

Tarent.

in

schichte, ausgenommen durch einen Vertrag, der ohne Folgen blieb, unmittel­ bar fremd war, und über dessen mittelbare Einwirkungen, durch Verrückung der Verhältnisse in Großgriechenland sich wenig Sicheres errathen läßt,

welches aber dennoch einen solchen Einfluß hatte, der sich auf die Beziehun­ gen der Römer zu den Völkern jener Gegenden erstreckte. Es würde aber den Zusammenhang der eigentlichen römischen Geschichte brechen, diese Episode bis auf das Jahr zu verschieben, unter dem Annalen von dem Vertrage reden würden, durch den allein Alerander von Epirus der Ge­ schichte Roms angehört 287). Die südlichern griechischen Stävte in Italien waren durch die Kriegen mit den Lukanern und dem ältern Dionysius in den tiefsten Verfall ge­ rathen; Posidonia, welches eine barbarische Colonie aufnehmen mußte, war unter denen die dem Feinde ihre Thore hatten öffnen müssen nicht am härte­ sten vom Schicksal getroffen; andere lagen zerstört oder waren spärlich von einer fremden Bevölkerung oder wenigen der alten Bewohner, die aus der Knechtschaft zurückkehrten, wieder bewohnt. Auch denen, die ihre Unab­ hängigkeit behauptet hatten, war die Blüthe ihrer Bürger aufgerieben und nach dem Verluste der weitläuftigen Landschaften, die sie einst beherrschten, waren sie auf ihre Mauern beschränkt, in deren weitem Umfang der be­ wohnte Theil sich immer enger zusammenzog88).

Tarent war, wie es scheint, im Kriege gegen Dionysius neutral ge­ blieben und gleiche Absonderung von der gemeinen Sache der Jtalioten war wohl Ursache, daß die Lukaner ihre Waffen erst spät in jene Gegenden wandten. Vielmehr bekriegten die Tarentiner das hart bedrängte Thurii, welches den hoffnungslosen Kampf gegen die Lukaner mit einer bey den damaligen Griechen ungewöhnlichen Ausdauer sortsezte, und scheinen sich Abtretungen erzwungen zu haben8^). Als aber der Aufstand der Bruttier die Lukaner von den südlichen Jtalioten schied, richteten sie ihre ganze Machte» gegen die Siritis, und Tarent mit Metapontum und Heraklea konnten mit ihren eigenen Milizen den italischen Cohorten nicht widerstehen, obwohl Tarent um die Mitte des damals beginnenden fünften Jahrhunderts 20000 Fußknechte und 2000 Reisige in seiner Bürgerschaft zählte. In dieser Stadt bestand schon lange Demokratie, weil die Vornehmen in der schreck­ lichen Niederlage durch die Messapier gefallen waren 6Ü): wie die außer­ ordentliche Volksmenge der griechischen Colonien nur durch die Zulassung, nicht nur von Griechen aller Völker, sondern auch von Einheimischen be297) (Am Rande des Manuskripts finden sich hier folgende zerstreute Andeutungen ohne Hinwei­ sung und Ausführung: Verhältniß Roms zu den Griechen. — NB. Revolution in Syrakus; Vertreibung der yapoooL vnb tov xat iah' (MpETtyary dovXcov Je KlIIixvqlmv. Herodot. — Auch zu Kuma war Aristokratie. Dionysius VII. 4. [p. 420. b.]) ") Posidonia, Kaulonia, Rhcgium, Hipponium, Kroton. ") JUeanbna$, der spartanische Verbannte, welcher den Frieden zwischen Tarent und Thurii vermittelte (Strabo VI. p. 264. c.) ist wohl kein anderer, als der, welcher in der Schlacht von Leuktra bey den Thebanern war: denn Leandrias ist augenscheinlich verschrieben (Diodor XVI. 54.): und der nämliche Feldherr der Thurier gegen die Lukaner, von deffen Thaten PolYänuS er­ zählt (II. 10. 2. 4.) unter dem Namen KleandrideS. 90) Ariftot. Polit. V. 3.

III

Tarent.

Zug des Archidamus im Solde Tarents.

803

greiflich ist, so werden diese in verschiedene Stämme eingeschrieben gewesen seyn und die Nachkommen der reinen Dorier für die Ihrigen Vorrechte ge­ nossen haben, an deren Statt die Folgen jenes unglücklichen Tages allgemeine Gleichheit brachten. Sehr viel Italisches scheint durch die Mischung der Bürger in Tarent einheimisch geh)arbeit zu seyn; deren Beziehungen mit den italischen Völkern ohne Vergleich häufiger und wichtiger seyn mußten als mit Altgriechenland. Wollenzeugsabrikation und Färberey, welche zu allen Zeiten die Entstehung und den Unterhalt einer großen städtischen Be­ völkerung am meisten begünstigt haben, müssen die Hauptquellen des Wohl­ stands von Tarent gewesen seyn: die Heerden, welche den Winter am Galäsus zubrachten, wurden im Sommer in die Gebürge von Abruzzo getrieben: von Tarent konnten sich die innern Landschaften mit dem schönsten Salz ^versorgen: und so waren Tarent und Samnium natürlich verbunden291)Daß Tarent dem eigentlichen Griechenland fremd war, erklärt weshalb es bey ansehnlicher Schiffahrt und der reichsten Fischerey doch nie als See­ macht erscheint. Die Tarentiner sind durch frevelnden Leichtsinn, der sie in den römischen

Krieg stürzte, und vielleicht noch mehr durch die Geringschäzung, mit der Pyrrhus ihnen begegnete, in ein verächtliches Andenken gekommen, welches wenigstens für die frühere Zeit ungerecht seyn muß. Archytas war ihr Mitbürger und seine Weisheit und Wissenschaft machte ihn in ihren Augen nicht unfähig den Staat und ihre Heere zu führen; Kaufleute, Fabrikanten, Schiffer und Fischer konnten keine Linieninfanterie bilden, der überhaupt der

Geist der griechischen Demokratie entgegen war, und wenn Tarent Söldner miethete, so war es wenigstens eben so sehr entschuldigt als Athen; und

nicht minder gezwungen es zu thun als Florenz, nachdem die Demokratie tyrannisch geworden war, und wie Tarent nahm auch Florenz mehr als einmal fremde Fürsten mit ganzen Heeren in seinen Sold, welche freylich eine weit bedeutendere Macht gewährten, als eine gleiche Zahl Miethsolvaten unter un­ abhängigen, unter sich eifersüchtigen und zum Verrath geneigten Führern 02). 186 Der erste griechische Fürst der in die Dienste der Stadt trat war Archi­ damus von Sparta, von dessen Feldzügen keine andere Kunde erhalten ist, als daß er am Tage der Schlacht von Chäronea mit seinem ganzen Heere von den Lukanern niedergemacht ward. So verächtlich war die Gesinnung der entarteten Griechen, daß dies erzählt wird, nicht als höchst tragisch, daß an einem Tage Athens Freyheit und Würde fiel, und der heldenmüthige König Spartas, Sohn des Agesilaus und Vater des Agis, der sein Vater­ land verlassen hatte, weil er es nicht ertragen konnte Zeuge seiner Herab­ würdigung und seines Kleinmuthes zu seyn, sondern als ob die Hand der Gottheit in seinem Untergänge zu erkennen sey, weil Archidamus sich der ?91) Freundschaft der Samniter für die Griechen. Strabo V. p. 250. c. 9?) Daß übrigens wenigstens die Reuterey der Tarentiner nicht an sich verächtlich gewesen seyn kann, beweisen die leichten Reuter dieses Namens, und anfänglich wohl dort geworben, in den makedoni­ schen Armeen.

804

3u$ des Archidamus im Solde Tarents.

Chronologie.

Cs nimmt

in

Phokier angenommen hatte, der durch lügnerischen ReligionSeifer zur Ver­

zweiflung getriebenen Phokier, der Todfeinde derer, die sein Volk von der uralten Höhe seiner Hegemonie gestürzt hatten, des Volks, daS gegen den allgemeinen Feind die Thore Griechenlands vertheidigte, und weil unter seinen Soldaten viele von den einst mit dem Tempelgold bezahlten Söld­

nern waren. Diodor erzählt unter dem Jahr Ol. 108, 3. 409, daß Archidamus von Tarentinischen Gesandten nach Italien geladen sey, nicht daß er jenes Jahr als Zeitbestimmung angegeben, sondern nur um bey dem Schluß des heili­ gen Krieges zu erzählen, wie die höhern Mächte an allen Mitschuldigen den Tempelraub geahndet hätten. Seine Landung in Italien fällt noch später,

nämlich ohne Zweifel in Ol. 109, 1. 411. Denn auf dieses muß LiviuS durch falsche Synchronistik veranlaßte und in der Person des griechischen Fürsten irrige Angabe der Landung des Königs Alerander von Epirus i8? zurückgeführt werden^). Nach dem Untergang dieses Heeres nahmen die Tarentiner den König i88 Alerander von EpiruS in ihren Sold. Diesen Fürsten, Bruder der Königin 293J Er erwähnt sie bey dem Jahr 415. VIII. 3.; eben so sezt er die Erbauung von Alerandria und den Tod des epirotischen Alexanders ins Jahr 429, so wie er den Tod des makedoni­ schen Alexanders in das Jahr 435 gesezt haben muß, weil er unter demselben die berühmte Vergleichung zwischen ihm und Nom einschaltet. Da nun Alexandria nach Eusebius 425 erbaut ist, Ol. 412, 3., Alexander von Makedonien aber Ol. 41 4, 4. 434 starb, so ist in diesen Zeiten seine Synchronistik der Olympiaden und Jahre der Stadt gegen die de- Dio­ nysius und Polybius, der ich genau zu folgen suche, um vier Jahr falsch, welche von denen der Stadt abgezogen werden muffen. Der Fehler, welcher in die Geschichte des epirotischen Alexanders die größten Irrthümer gebracht hat, ist daher entstanden, daß die nach der catonischen Aera richtige Reduktion der Olympiadenjahre im (in) Jahre der Stadt auf die Aera des Fabius, die um eine Olympiade später fällt, übertragen ist. Zur Erläuterung: bey Fabius waren T. Manlius und P. Decius Consuln deS Jahrs 44 4 und zugleich Ol. 4 4 0, 3. Wer nun übersah, daß neue Synchronistik, welche Ol. 4 09, 3. ebenfalls durch 44 4 auödrückte, nach der catonischen Aera berechnet sey, der konnte nicht anders als das für dieses Jahr an­ gegebene griechische Ereigniß auf das Consulat von Manlius und Decius beziehen. Ja dies dürfte Fabius selbst begegnet seyn; denn es ist gar kein Grund vorhanden zu behaupten, daß Cato die Zeitrechnung erfunden habe, welche seinen Namen trügt; die Verwechslung beyder Könige hat nichts befremdliches, wenn das alte Chronikon etwa so schrieb: anno CCCCXI. rex graecus cum exercitu in Ilaliam venit: und in dieser Art schreiben die Chroniken des untergehenden Reichs wieder, da die Kindheit des Alters eintrat. — Dieß beweist, daß Livius Angabe der Zeit seiner Ankunft in Italien auch dann falsch seyn würde, wenn meine Beobachtung der Regel in seinen synchronistischen Irrthümern sollte bestritten werden kön­ nen. (Offenbar hat Niebuhr später, als er die chronologischen Untersuchungen führte, deren Resultate im zweyten Theile, in dem Abschnitt: Ueber das Olympiadenjahr der Einnahme Roms S. CG I — 668. niedergelegt sind, diese Erklärung für Livius Irrthum fallen lassen. Er nimmt S. 668. nur an, daß Livius die Jahrsangabe eines Annalisten 44 5, welche nach der richtigen Reduktion aus dem Olympiadenjahr 4 4 2, 4 . berechnet war, nach seiner Weise für das Jahr Ol. 4 4 0, 4. verstanden habe. Es stand daher für Niebuhr nach der spätern Ansicht das Jahr der Landung des Epirotischen Alexanders, welches in der gegenwärtigen Darstellung zweifelhaft bleiben mußte, fest auf 44 5. Somit fällt auch der Grund weg, die Landung des Archidamus in Italien, abweichend von Diodor, von 409 auf 44 4 vorzurücken. Wir haben indeß Bedenken getragen, diese wie andere Differenzen zwischen unserer Stelle und jener vollendeten Untersuchung auszugleichen, um dem Leser die fortschreitende Entwick­ lung der Ansicht nicht vorzuenthalten.)

III

Alexander von Epirus in Sold.

Dunkelheit der Nachrichten.

805

Olympias, hatte sein Schwager, Philipp von Macedonien, zum Nachtheil der älteren Linie, der Kinder seines Oheims Arymbas, den Molossern zum Könige gegeben^») und zur Feher seiner Vermählung mit der königlichen Tochter Kleopatra wurden zu Pella jene Feste gehalten, welche Gelegenheit zu Philippus Ermordung gewährten. Philippus hatte durch die Erhöhung seines Angehörigen sich selbst und iso seht Haus geehrt, aber er wollte ihn nicht mächtig und unabhängig sehn lassen. Von Ambracia ist es bekannt, daß eö macedonische Besazung batte, und wenn auch, waS sich nicht entscheiden läßt, Alerander zu der Krone, die einem Andern aus seiner Familie gebührte, die Herrschaft über andere epirotische Völker erhalten hatte, die früher nie von den Molossern 05) und Pyrrhiden abhängig gewesen waren, so mußte er sich neben Macedonien ohnmächtig und gering suhlen, und dies Gefühl wenigstens eben so sehr als Nacheiferung gegen den Kriegsruhm seines Neffen ihn reizen nach Italien zu ziehen, wo die Hülfsbedürftigkeit der noch übrigen Griechen der Hoffnung als willkommner Schuzherr angenommen zu werden und so ein selbständiges Königreich zu gründen, einen verführerischen Schein geben konnte. Die Tarentiner aber hatten sich ihm nicht, wie später an Pyrrhus, in der Ver­ zweiflung hingegeben; sie betrachteten ihn als im Dienst der Republik und es ist bezeugt, daß zwischen ihnen und dem Könige eine Verfeindung ent­ stand, die allem Ansehen nach bis zu offenen Feindseligkeiten stieg und viel­ leicht zu einseitig ihnen als Undankbarkeit vorgeworfen worden ist. Der epirotische König soll über die Unbilligkeit des Schicksals geklagt . haben, welches seinem Neffen Siege über Weiber, ihm schweren Kampf gegen Männer beschieden habe. Mit nicht geringerer Partheylichkeit schenkte es lgobeni Macedonier Geschichtschreiber und erhielt ihre Werke; ihm nur Erwäh­ nung in allgemeinen Werken^), die untergegangen sind; ja als hätte es geflissentlich den beneideten Ruhm für die Nachwelt ihm entziehen wollen, hat es den Theil eines sonst erhaltenen vernichtet, wo sich ohne Zweifel viel befriedigendere Nachrichten über seine Feldzüge ausgezogen fanden, als bey den beyden römischen Schriftstellern, die einiges darüber sehr verworren erzählen97). a94) Ol. 1 09. 3. Daß schon ein Jahr vorher in der Rede über Halonnesus gesagt wird, Philipp habe die drey griechischen Städte in Kassopia besezt, und habe sie seinem Schwager als Knechte geschenkt, entscheidet nichts über den Anfang seiner Negierung als König: es war ein kleiner Staat, geschenkt bis der Thron erledigt würde. 95) Die ältern griechischen Schriftsteller, auch solche, die wie Aristoteles nicht atticisircn, schreiben immer Molottcr; welche- die Römer nach falscher Analogie zu Molosser geändert haben. Die Thessaler waren TheSproter und das doppelte T theffalisch. 96) Nur Duris, Diylluö und Timäus können unter den bekannten Geschichtschreibern seine Feldzüge erzählt haben. 97) Don Ol. 111, 1. bis 115, 2. findet sich in Diodors 17tcnt und 1 Stein Buch nur die Geschichte Alexanders und der Diadochen; nicht- über alle andere Länder, die doch keineswegs ihre Unabhängigkeit vom makedonischen System verloren hatten; daß er diese auch für die Zeit der Negierung Alexanders schreiben, nur diese nicht wie sonst durch synchronistische Erzählungen zerstückcn wollte, sagt er selbst im Proömium des 17ten Buchs; daß er sie für die Zeit der sieben ersten Jahre nach Alexanders Tod im 1 Sten Buch, wo nun doch keine Spur davon vorhanden ist, geschrieben hatte, erhellt aus seiner eigenen ErwähnungXIX. 3. Nämlich ein zweyter Theil des I Sten Buchs ist verloren — wie das 17te in zwey Theile getheilt ist: und dieser ver-

806

Krieg und Untergang des Alexander.

HI

Nur das Jahr, wo er umkam, läßt sich bestimmen, nicht daS, in dem er 191 landete, nicht, wie viele Feldzüge hindurch er sich behauptetes. Er wandte seine Waffen zuerst gegen die Meffapier oder Sallentiner: der Besiz von Brundusium würde die nächste von Tarents Gesinnungen unabhängige Verbindung mit Epirus gewährt haben; aber er begnügte sich

mit den Vortheilen, welche Frieden und Bündniß mit diesem Volk gemähr­ ten. Aehnliche Verträge schloß er mit den benachbarten Peuketiern und Metapontum: die adlichen Familien, welche er als Geißel nach Epirus sandte, müssen von jenen italischen Völkern und den griechischen Städten gegeben seyn. Erst hierauf kann er die Eroberung von Lukanien und Bruttium unternommen haben; er eroberte viele Städte beyder Völker, versezte den Krieg an die Ufer des tyrrhenischen Meeres, wo er bey Pästum landete und eine Hauptschlacht über die Lukaner und Samniter gewann, für welche die makedonischen Phalangen eben so unerschütterlich waren als für die Römer, und nach dieser Schlacht schloß er ein Freundschaftsbündniß mit Rom 418 (423). Damals aber müssen die Tarentiner zu seinen Feinden übergegangen seyn: Heraklea wird als ihre Colonie unter seinen Eroberungen genannt, und bey Pandosia, wo er mit seinem Heere umkam, ist es schon

vor der Schlacht sichtbar, daß das Kriegsglück sich gegen ihn gewandt hat, daß er vertheidigend gegen völligen Untergang kämpft. So weit war er 192 zurückgewichen, abgedrängt von seiner Basis am tarentinischen Meerbusen; er nimmt Läger auf festen Höhen — ohne Zweifel die Bundesgenossen von

seinen Epiroten gesondert: die lukanischen Verbannten verzweifeln schon an seinem Glück und erkaufen ihren Frieden durch Verrath, er bleibt in der. gefährlichsten Lage, die noch dringendere Gefahr des wohl schon vergebens versuchten Rückzugs durch die unwegsamen Gebürge fürchtend. Begünstigt von Regengüssen, welche die gesonderten Eorps ganz trennen, überwältigtm die Italiker zwey Läger; ihm bleibt nichts übrig, da die Feinde ihn schon eingeschloffen halten, als jenen gefürchteten Rückzug zu erkämpfen; es gelang

aus dem Lager herauszubrechen, aber nach diesem ersten Erfolge, der nur der Anfang unsäglicher Mühseligkeiten und Gefahren seyn konnte, zerstreuten sich seine Truppen: an der Furth eines durch Regen angeschwollenen Flusses, durch den er eine Schaar führte, die sich wieder um ihn gesammelt hatte, griffen die Lukaner an, der König fiel, von einem Wurfspieß getroffen, lerne Theil enthielt die nicht makedonische Geschichte jener achtzehn Jahre. Daß der Schluß des 18ten Buchs sich unmittelbar auf das 4 9te bezieht, ist Verfälschung eines Abschreibers, der auch die von den Auslegern zu XVIII. 44. wohl bemerkte Lücke von mehr als zwey Jah­ ren durch Wegschneiden der verstümmelten Stelle und Uebertünchen so versteckt hat, daß bis­ her niemand sicher hat errathen können, wo sie zu suchen sey. Aehnliche Verfälschungen im Dio Cassius hat die Venetianische Handschrift aus Licht gebracht: unwissende Käufer müssen Ekel gegen Bücher gehabt haben, die nicht vollständig erschienen. Ich wünsche mit dieser Bemerkung zu veranlassen, daß man sich nach einer Handschrift Divdors umsehe, die das 1 8te Buch enthalte und älter als das fünfzehnte Jahrhundert sey: ist eine solche noch vor­ handen, so ist sie für dieses Werk was die venetianische für Dio CassiuS, Quelle allerübrigen, und gewährt gewiß Gewinne gleicher Art. (vgl. Th. 2. A. 861. u. 1127.)

III

Bündniß Roms mit Alexander. Die röm. Gesandtschaft an Alexander d. Gr.

807

Livius erzählt nur die Mißhandlungen, welche sein Leichnam erfuhr) ein sicherer Beweis, daß er als Sieger sehr grausam gewesen war*). Bey solcher Wuth können die übriggebliebenen vom Heer keine Gnade erlangt haben, können wie es kaum für einzelne möglich seyn konnte, nicht bis zu irgend einer griechischen Stadt geflohen seyn. Tarent erscheint nach dieser Katastrophe mächtiger und angesehener als vorher: nicht nur mit den Samnitern verbündet, und auf die Lukaner Ein­ fluß übend, deren Macht sich von den ersten Niederlagen dieses Krieges nie

i93wieder erholt: Tarent wagt es nun vermittelnd und einmischend sogar gegen Nom schüzen zu wollen. Wie die Lukaner sinken, wächst die Macht der Bruttier. Die Belagerung von Kroton, wo nur die kräftige Hülfe der Shrakusaner die Stadt rettete2"), fällt gewiß sehr balv nach Aleranders Untergang; wahrscheinlich war sie unmittelbare Rache für Verbündung der Krotoniaten mit ihm, und ein so entscheidender Sieg ermunterte zu dem noch nie gewagten Unternehmen. Das Bündniß mit Alerander ist eine Makel in der Geschichte Noms; um so mehr da keine Gefahr es auch nur entschuldigt: Feindseligkeit gegen

die Samniter, mit denen der Friede und das alte Bündniß doch hergestellt war, und die damals die Vorkämpfer Italiens waren, konnte allein es ver­ anlassen: und hätten die Samniter sich zu einem unedlen Frieden und Bündniß verstanden, so würde Roms Fall Folge des bösen Vergehens ge­ wesen sehn. Der Vertrag gehörte übrigens nicht zu den eigentlichen Hülfsbündnissen: — sonst wäre der Krieg mit Samnium damals ausgebrochen —; doch erregte er unfehlbar in großem Maaße die Erbitterung, welche diesen Krieg unvermeidlich machte, sobald sich eine Veranlassung fand: er war Anerkennung der Eroberungen, welche Alerander sich schmeichelte zu vollenden. Sechs oder sieben Jahr später starb Alerander der Große zu Babylon, wo die entferntesten Völker Europas und Libyens ihm huldigten. Daß Gesandte der Lukaner, Bruttier und Tyrrhener hier erschienen und Geschenke i94überreichten, erzählt Arrian als sicher: welcher doch der Gesandtschaften der Karthaginienser, Iberer, Kelten, Aethioper und Skythen nur als nach einer Sage gedenkt: jene also sand er bey Aristobulus und Ptolemäus namentlich erwähnt: und allerdings hatten Lukaner und Bruttier eine dringende Ver­ anlassung bey der Erwartung, daß Alerander von den östlichen Gränzen der Erde zurückkehrend, seinen Blutfreund rächen werve, Begnadigung zu er­ bitten. Klitarchus erzähltes, auch eine Gesandtschaft der Römer sey vor *) Vergl. den Aufsaz: Ueber das Zeitalter Lykophron des Dunkeln; Kl. Schr. 4. Sammt. S. 447 f. A. d.H. 2") Diodor XIX. 3. 30") Klitarchus schrieb nicht lange nach AlerandcrS Tod, als Rom freylich die Griechen schon aufmerksam «lachte, aber keineswegs so, daß eS auf Alcranders Glanz Ginfluß haben konnte, ob es sich vor ihm neigte: und die Gefähr­ ten des Königs können die Römer wohl zu den Tyrrhcnern gezählt haben, oder die Tyrrhcner, von denen sie reden, eben die Römer gewesen seyn. Spätere Schriftsteller, wie Aristus und Asklepiades zu sehn scheinen, darf man allerdings nicht als Zeugen zählen : wie die rö­ mischen Annalisten aus Stolz das Andenken einer solchen Gesandtschaft unterdrücken mußten, wären solche Griechen versucht gewesen, davon zu fabeln ohne allen Grund: und sie hatten

808

Nom und Alexander der Große.

m

ihm erschienen 301)z welches Plinius anführt ohne einen Zweifel zu äußern, wie er auch sonst gar keine Eitelkeit für die frühern Zeiten seines Volkes empfindet. Ich sehe gar keinen Grund die Erzählung zu verwerfen: das Still­ schweigen der römischen Annalisten, wenn wir auch Arrian ohne Ein­ schränkung glauben könnten, daß keiner etwas davon erwähnt habe, bewiese nichts, da dergleichen Demüthigungen gewiß aus der Geschichte getilgt wurden. Von Verhandlungen zwischen den Römern und Alexander ist eine merk-iss würdige und übersehene Notiz bey Strabo 2). Der König hatte gefangene antiatische Seeräuber zurückgesandt; aber Abstellung des Unfugs gefordert. Dies wäre unmittelbare Veranlassung eine Gesandtschaft abzuordnen ge­

wesen, so wie die Tyrrhener ganz dieselbe haben konnten. Rom hatte einen wesentlichen Grund mehr in seinem Bündniß mit Alerander von Epirus, dem es vielleicht die glimpfliche Behandlung seiner Unterthanen verdankte. Die Meynung, welche Livius theilt, daß die Römer auch nicht den Namen Alexanders vernommen hätten, ist lächerlich; Folge der Jsolirung der römischen Geschichte, als ob die Römer selbst, wie der Leser, die übrigen Völker erst dann kennen gelernt hätten, wenn sie in Waffen mit ihnen zu­ sammen stießen. Man muß sich die Vergangenheit durchaus nicht vergegen­ wärtigen können, um nicht weit eher zu vermuthen, daß bis in Britannien Alexanders Name genannt worden, als zu bezweifeln, daß zu Nom die Blicke aller Häupter des Staats auf ihn geheftet waren. Mit nicht mehr Einsicht erörtert Livius die Frage, welchen Ausgang der Conflict zwischen den Römern und Alexander gehabt haben würde, um sich günstig für sie zu entscheiden. Weder Livius konnte sagen, noch kön­ nen wir es, ob nicht Alexander sich in Italien mit einer Hegemonie wie in Griechenland begnügt und Römer und Samniter sich nicht darin bequemt haben würden. Daß die Völker Italiens, Römer mit Samnitern für einen Mann gestanden haben würden, läßt sich schwerlich denken; daß die Römer,"« deren 40 Jahr später weit tiefer gegründete Macht Pyrrhus mit ungleich geringeren Kräften erschütterte, allein hätten widerstehen können, darf man unmöglich nennen, zumal da Alexander aus dem bezwungenen Afrika nach Italien gekommen seyn würde, nicht mit 30000 Macedoniern allein, sondern mit so viel Tausend griechischen Phalangiten, als der Herr der Schäze Ita­ liens anzuwerben Lust gehabt: und anstatt eines Schwarmes von Persern

und Medern, mit Heeren von Aftern und Spaniern. doch Klrtarchus: waS sie weiter hinzufügten, darf man gradehin verwerfen. sPgl. Vortr. ü. Röm. Gesch. Bd. 1. S. 472 ; ü. Alte Gesch. Bd. 2. S. 503.] 301) PliniuS H. N. 111. 9. 2) V. p. 232. d.

Erster Frieden mit den Galliern 423.

in

809

Aeußere Verhältnisse bis zum zweyten samnitischen Kriege. Im nämlichen*)

Jahr,

wenn

PolybiuS Zeitangabe richtig

ist3),

schloffen die Römer den ersten Frieden mit den Galliern, also aus den näm­ lichen Gründen, die ihren Vertrag mit Alerander veranlaßten, und um wäh­ rend des Krieges mit den Samnitern auf dieser Seite gesichert zu seyn. Livius Erzählung unter demselben Jahr, daß sich Besorgnisse wegen eines gallischen Heerzuges verbreitet hätten und ein Dictator ernannt worden sey: die ausgesandten Kundschafter aber hätten berichtet, daß Alles bey den Gal­ liern ruhig sey, hat eine dunkle Beziehung auf jene Meldung: so weit ließen die Annalen Spuren von einer an die Gallier abgeordneten Gesandtschaft. Die Erwähnung des Friedens ward vertilgt; diesen mit den Römern zu schließen, die außer aller Berührung mit ihnen waren, wenn sie nicht selbst ivrgegen Rom zogen, konnten die Gallier keine andere Veranlassung haben, als wenn er erbeten ward, und keinen Grund ihn zu bewilligen als Ge­ schenke, wo nicht jährlichen Tribut, den an Barbaren zu entrichten auch die Stolzesten oft nicht für entehrend gehalten haben; denn allerdings machte dieser Friede, der alle den Römern angehörige Völker schüzte, wie fern auch Rom war, ihren Raubzügen fast ein Ende. Die nördliche etrurische Grenze war durch die Unwegsamkeit der Apenninen gedeckt: der Weg durch die

Abruzzen von ihren tapfern Bewohnern leicht vertheidigt, und mochte durch mehr als eine Niederlage den Barbaren verleidet seyn: es blieb die mittlere Straße durch das gewiß unterjochte Umbrien und die untere Tiber hinab. Freylich scheint jener Angabe zu widersprechen, daß Livius nachher ^) erzählt, im Jahr 421 (426) sey die Stadt durch das Gerücht eines galli­ schen Zuges mit Schrecken erfüllt worden; der Senat habe eine allgemeine Bewaffnung verordnet, und sogar die Handwerker — sonst in jener Zeit noch als unwürdig und außer den Tribus stehend vom Kriegsdienste aus­ geschloffen — wären aufgeboten worden: das Heer habe sich bey Veji auf­ gestellt, damit die Gallier nicht, wenn man weiter vorgehe, auf anderer Straße gegen die Stadt andringen möchten: der Feind wäre aber nicht er­ schienen. Polybius konnte es für überflüssig halten, eines grundlosen

Allarms zu erwähnen: die Römer können mit Unrecht Verdacht gegen die Barbaren gehabt haben: es kann ein neuer Schwarm, den die Verträge seiner Landsleute nicht banden, über vie Alpen gekommen seyn: alle diese 198Vermuthungen sind wahrscheinlicher, als daß Polybius, so umsichtig und in der Zeitrechnung so sorgfältig, das Jahr des Friedensschluffes falsch

angegeben habe. Von Rom an die Samniter als Preis des Friedens und Bündnisses

*) [Ueber „nämlichen" im Mscr. ein NB.] 3) Vier und dreißig Jahre vor der Schlacht bey Sentinum: PolybiuS II. 18. 19, also 418 (423). 4) VIII. 20.

810

Kriege und Colonien in Campamen.

Schicksal der Sidiciner.

in

aufgeopfert, hatten die Sidiciner den Krieg der Latiner gegen Nom und ihre Niederlage getheilt^). Sie allein legten nachher die Waffen nicht nieder und bekriegten ihre vormaligen Bundesgenossen, die Aurunker, welche sich Nom unterworfen hatten: dieses sandte ihnen Heeresmacht, aber eine aurunkische Stadt war gefallen, ehe die Hülfe eintraf 63).* * Dies führte rö­ mische Heere zwischen den Liris und Vulturnus, und diese wandten sich gegen die Ausoner von Cales, einem andern Canton der nämlichen Aurunker, der den Sidicinern treu geblieben war oder sich ihnen unterworfen hatte. Der Besiz dieser Stadt war unentbehrlich zur Sicherstellung der Falerner Landschaft, welche den Plebejern zugetheilt war, und wo sich sehr viele Römer niedergelassen hatten, und als militärische Verbindung mit Capua: daher als sie im Jahr 415 (420) mit Sturm erobert worden, ward schon im folgenden Jahr eine Colonie von 2500 Männern dorthin gesandt: die erste latinische Colonie, die seit der Veränderung des Verhältnisses zu La­ tium gestiftet ward, ohne Zweifel aus Quinten, Ausbürgern und gleichen Bundesgenossen gesammelt, und die erste der Festungen, mit denen Romiss allmählich seine Gränze gegen Samnium schloß und zu Angriffskriegen be­ reitete: denn als Festungen muß man diese Colonien betrachten, und ihre Bürgerschaft als Gränzregimenter. Cs ist sonderbar, daß von den Sidicinern nun weiter gar nicht mehr die Rede ist, bis mehr als dreyßig Jahre später der Marsch eines konsula­ rischen Heers durch ihr Gebiet so erzählt wird, als sey dieses für die Römer Freundesland gewesen 7). Daß die Römer sich nicht angestrengt haben, eine so bedeutende Stadt wie Teanum zu erobern, kann nicht befremden, da die Crinnerung deö Rechts die Sidiciner zu bekriegen, zur Folge haben mußte, daß sie den Samnitern Stadt und Land hätten einräumen und sich mit der beweglichen Beute begnügen müssen 8).9 Wohl aber kann man sich nicht denken, wie die Samniter sich nicht auf das äußerste angestrengt hätten eine Eroberung auszuführen, die ihnen einige Jahre früher nur durch fremde Einmischung war entrissen worden, und die sie sich ausdrücklich vorbehalten hatten, zumal da sie gewiß so wenig als die Römer sich darüber täuschten, daß Friede zwischen ihnen, bis die einen oder die andern besiegt wären, ein unnatürlicher Zustand sey. Auch darf man vermuthen, daß die Sidiciner sich ihnen wirklich unterwarfen, da 423 (428) die Privernaten und Fundaner den Samnitern benachbarte Völker genannt werden O), Fregellä von ihnen erobert worden war 1()), Fabrateria Schuz gegen sie suchte 420 (425), und ein römisches Beobachtungsheer 416 (421) und 418 (423) im sidicini-200 sch en Lande stand. Daß Teanum sich später von ihrer Herrschaft wieder 3°r’) Die Fasten nennen Latiner, Kampancr, Sidiciner und Aurunker als die Völker, über welche T. Manlius triumphirtc. ) Wenigstens kannte er diesen: Exc. ex VII. Diod. ap. Syncellum: — und lateinisch ge­ schriebene Annalisten las er schwerlich, llebrigens sind seine Fasten so seltsam, daß man fast vermuthen möchte, er habe sie nicht aus einem Römer, sondern aus Timäus, welcher aller­ dings die Geschichten Roms synchronistisch in sein großes Werk eingeschaltet hatte. (Vergl. jedoch oben S. GGif. '"y Livius XXIII. 1 4. 97) ad eximendos obsidione socios. IX. 21. 9H) Valerius Mar. VIII. 1. n. 9. — Der Eonsul gleiches Namens, der im ersten panischen Krieg ewigen Nachruhm erwarb, heißt in den Fasten A. F. C. N., war also gewiß Sohn dieses übel berüchtigten Mannes, aber auch Enkel des großen FabiuS. — Diese Aeuße­ rung beweißt, daß damals schon die Ehe ohne Trauung, bey der die Frau in der väterlichen Gewalt blieb, auch in den großen Häusern gewöhnlich war. Und beyläufig: die Usurpation des trinoctii war wohl zum Vortheil der väterlichen Gewalt, nicht der Unabhängigkeit

der Frau.

III

b. Saticula. D. Landsturm unter d. Dictator Q. Fabius b. Lautulä geschlagen.

845

ftrittene und sehr blutige Schlacht und die belagerte Stadt ergab sich. Die Römer verheerten hierauf das feindliche Land ohne Widerstand und dran­

gen bis in Apulien, welches Schauplaz des Krieges war. Die Samniter rüsteten alle Waffenfähige und bereiteten sich den Krieg durch eine entschei­ dende Schlacht zu endigen: zu Rom ward Q. Fabius zum Dictator und von ihm Q. Aulius zum Heermeister ernannt. Diese trafen mit dem Feinde bei Lautulä zusammen. Lautulä ist der enge Paß auf der Straße von Terracina nach Fondi, zwischen den Bergen von Lenola und Monticelli und dem 9)1 m 3"): die nächste Straße nach Kampanien und seitdem Fregellä verloren war die ein­

zige.

Wenn es nun höchst befremdet,

daß Konsuln wie Papirius Cursor

und Publilius Philo doch wohl, wie nach dem caudinischen Frieden, als die Zuversicht der Nation erwählt um des Vaterlandes Zustand zu bessern,

2ti?bey LiviuS gar nicht als Heerführer in diesem Felvzuge vorkommen 4(M)), sondern es vielmehr heißt, die Consuln wären zu Rom geblieben, Q. Fa­ bius habe Ersaztrupyen nach Saticula geführt und dort das Heer vom

Dictator L. AemiliuS übernommen, so verliert sich dieser seltsame Schein dadurch, daß man sich die Lokalität vergegenwärtigt *). Die Consuln waren im Herzen von Samnium oder in Apulien, von Rom weit entfernt. Der Plan der Samniter war die Römer von Kampanien zu trennen und den Krieg nach Latium zu versezen: es lag in diesem, daß sie Sora und Fregellä erobert hatten; wenn sie sich bei Lautulä festsezten und die aurunkischen Städte gewannen, so war er ausgeführt, und Kampanien konnte den Entschluß fassen sich loszureißen. Es waren also nicht die Truppen, die den Consuln gegenüber standen, die bey Lautulä erschienen, sondern jener

^Landsturm; und das Heer des Dictators Q. Fabius war ein neues, wel­ ches er zu Rom conscribirt hatte2). Hier wurden die Römer gänzlich ge3") Livius VII. 39. Der Name deutet auf heiße Quelle«, wie bey Thermopylä. (S. Th. 3. Anm. 115.) 401) foedus antiquum reddilum.lX. 45.

5?) otl tovg vnr\xoovq ofiokoyifaavTas töe-

klStt,, xat Int touko tw dtxaüo xcnaXuacty^vouq tot noXE^OT, ancma nEtxteo&at dft tois naQEiXijtpoot ttjv «07?jy. Exc. legal, p. 2331 .R. [p. 742. d.J 63) Beyde

Städte mit ihrem Gebiet wurden an Kapua gegeben: s. lTh. 3.] Anm. 208. ist gewiß in diesem Kriege an dieselbe Stadt gekommen.

Surrentum

in

Krieges.

Untertänigkeit d. im Aufstande gewesenen Herniker.

865

paläpolitamschen Krieges gerechnet und zwar vom Anfänge des consularischen Jahrs, in dem derselbe ausbrach, bis zum Ende desjenigen, in dem der Friede geschloffen ward. Nun traten die Consuln des Jahr 428 (433)

ihre Würde am ersten Quinctilis an; am Ende des Kriegs aber erst gegen das Ende des bürgerlichen Jahrs: wie denn die Fasten 443 (449) den Triumph des noch regierenden ConsulS IV. Kal. Nov. und einen andern 449 (455) auf die Iden des Novembers sezen^).

Verhältnisse zu den an Samnium gränzenden Völkern nach dem Frieden. Das LooS der Herniker ward im Wesentlichen wie dreyßig Jahr vorher 306bad der Latiner entschieden. Den dreh Städten, die nicht abgefallen waren, blieben ihre Geseze und wechselseitiges Eherecht: ohne Zweifel auch das Commercium: aber doch schwerlich das Recht Tage zu halten. Anagnia und die übrigen Herniker wurden Municipien ohne Suffragium und von Präfekten verwaltet und das Recht bey ihnen gesprochen, die der römische Prätorjährlich ernannte 65); penn ihre herkömmlichen Magistrate, welche um den Gottesdienst nicht zu stören der Form nach blieben, wurden aus­ schließlich auf die priesterlichen Gebräuche ihres Amtes beschränkt^). DaS Connubium mit den übrigen Hernikern ward ihnen genommen und sicher auch aus der nämlichen Absicht wie den Latinern das Commercium. Frusino verlor nach Diodor schon 441 (447), nach LiviuS als Strafe eines Versuchs die Nation aufzuwiegeln 444 (450), ein Drittheil seiner Feldmark: welches Land, wie Diodor meldet, verkauft ward. Rom war nun seiner vertrags­ mäßigen Leistungen ledig, die doch vielleicht in der lezten Zeit nicht mehr in der Einräumung eines Drittheils des Kriegsgewinns, sondern darin be­

standen, daß außer der Anweisung eines Antheils der römische Schaz den Sold für das Contingent der Herniker auszahlte ^): und dies war ein so wichtiger Gewinn, daß C. Marcius eine Reuterstatue vor dem Tempel des Castors errichtet ward 58). 307 Im lezten Jahr des Kriegs, als die Samniter schon durch Waffen­ stillstand gebunden waren, drohte den Aequern Strafe dafür, daß eine große Zahl von ihnen unter den geworbenen Truppen der Samniter gedient, und nach Auflösung des hernikischen Staats fast das ganze Volk offen für die Sa454) (Vergl. oben S. 663.) 55) FestuS s. v. praefecturae. r>6) LiviuS IX. 43. 57) (Vgl. oben (Th. 3.] Sinin. 168.) 58) LiviuS IX. 43. Plinius XXXIV. 11. — Die Hattvioi, welche nach DiodorXX. 90. 442 (448) von den Römern überwunden, ihres Landes beraubt und einigen das römische Bürgerrecht gegeben ward, sind schwerlich, wie emendirt worden ist, die Peligner; sondern der Name ist wohl auS Avayvioi verschrieben, wie cS in der Uncialschrift sehr leicht geschehen konnte. Die Schwierigkeit, daß er die Anagniner c. 80. wohl gewiß 'AvayviTcti, nannte, ist bey ihm lange nicht so erheblich, wie sie eS bey einem andern Schriftsteller seyn würde, da Diodor in den ethnischen Namen, wie Wesseling zu XX.101. bemerkt, ausnehmend unbeständig ist, z.B. dieAequer bald Aixot, bald Alxloi^ bald Alxcwoi nannte. Niebuhr, Nöm, Gesch.

55

866

Unterjochung fr. Aequer. Vertrag fr er nörfrlichen sabellischen Stämme mit Rom.

mniter die Waffen genommen hatte.

m

Es scheint daß der Senat neben der

Auslieferung der Urheber dieser Schritte einseitig verfügte, daß das äquische Volk das römische Bürgerrecht annehmen sollte 459); war dies ohne Suffra-

gium in der Art, wie es für die Anagniner verordnet worden, so drückte die Veränderung schmerzlich ohne einen entscheidenden Vortheil zu gewähren; ward auch das volle Bürgerrecht gegeben, so war, geringfügig wie der verhältnißmäßige Antheil an der Souverainetät ausfiel, und da für solche Landleute gar keine Hoffnung, ja kaum ein erträumter Neiz sehn konnte, irgend einen Theil an den Ehren zu nehmen, die Last der Besteuerung und des Kriegsdienstes groß, die Vernichtung des ererbten Herkommens und der heimischen Ehren und Nobilität bitter. Es ist also kein Wunder, daß das äquische Volk um abzuwehren, was zwey Jahrhunderte später die Bundes-308 genossen durch den blutigsten Krieg zu erringen aufstanden, und in der Hoffnung, daß auch diesmal die Friedensunterhandlungen sich zerschlagen würden, den Krieg wählten. Aber die Zeiten waren nicht mehr, wo der

äquische Name den Römern furchtbar war. Sie hatten ihre Macht in ein Lager zusammen gezogen: als diesem die erdrückende Uebermacht von zwey consularischen Heeren gegenüber stand, lößte sich das versammelte Heer, am Ausgang einer Schlacht verzweifelnd, auf, so daß das (Kontingent jeder Stadt heimkehrte, um für die ihrigen zu streiten. Sie hatten ein und

vierzig Ortschaften: ihre Landschaft erstreckte sich von Velino, wo Alba noch äquisch war9"), wohl auch bis gegen Präneste, Tibur und an die Herniker. Orte, von denen viele, wie die namenlosen Stätten

der Gegend des Berges bis fast von Rieti hin Diese ein und vierzig noch zeigen, cyclopisch

befestigt waren, wurden einer nach dem andern in fünfzig Tagen erobert und größtentheils verbrannt und zerstört 09. Damals dürften die Städte zerstört seyn, wo nach Varro die Aboriginer in uralten Zeiten tuo^ntett62). Die Unterjochung der Aequer war, wenn des SulpiciuS Triumph Glauben verdient, mehr als einen Monat vor seiner Rückkehr aus Samnium vollen- 30s bet63). Ihr Schicksal bewog nach LiviuS die Marser, Marruciner, Peligner und Frentaner einen Vertrag mit Rom zu schließen, welcher wenn Diodors Ausdruck für abgewogen gelten dürfte64), ein Schuzbündniß, schwerlich ein gleiches, war. In den zweyten samnitischen Krieg, der die Treue der römischen Unter­ thanen oft auf eine Probe stellte, die sie nicht bestanden, gehört ohne Zweifel

die älteste aller römischen Urkunden; ein auf den Vortrag des Prätors L. Cornelius verfaßtes Senatusconsult: denn dieser L. Cornelius, des Cnäus

459) Ich denke, daß dies klar aus Llvius Worten folgt IX. 45.: tentationem esse ut incusso terrore belli Romanos se fieri paterentur, u. w. f. Daß die Aequer wirklich Bürger wurden, wird weiterhin gezeigt werden. 60) LiviuS X. 4. Vgl. IV. 57. wo ein Castell am See Fucinus erwähnt wird. Daß es volskisch genannt ist, bedeutet bey der steten Verwir­ rung dieser Völker nichts. 6|) Diodors genaue Uebereinstimmung bey dieser Angabe giebt seinen Abweichungen wenigstens das Gewicht, daß man steht, er zog würklich seine Erzählun­ gen aus Jahrbüchern mit Treue, wenn auch oft wohl nicht ohne Irrthum. 6?) Dionysius I. 4 4. [p. 41. d. sqq.] 63) Sempronius triumphirte VII. Kal. Oct. SulpiciuS Kal.Nov. 64) 6 JiJ.uo$ cP, 7TQo$ — (avTOvsj — dv^ua/iav bion]tiaTO Diodor XX. 404.

III

. Scihitiivconfult für die Tidnrter.

867

Sohn, ist sicher der nämliche L. Cornelius Scipio Barbatus, von Gnävos erzeugt, dessen Sarg eines der allerehrwürdigsten Denkmähler zu Rom ist: die Zuschrift desselben sagt ausdrücklich, daß er auch Prätor gewesen fety665). Es giebt den Tiburtern die Versicherung, daß der Senat ihre Rechtferti­ gung gegen Anklagen ihrer Treue als wahr und gültig annehme, und diesen Anklagen schon vorher keinen Glauben gegeben: ,,weil wir wußten, daß wir um Euch nicht verdient hätten, daß ihr es thätet und daß es Euer nicht würdig gewesen wäre es zu thun, und daß es Euch und Euerm Staat nicht nüzlich gewesen wäre, und nachdem der Senat Eure Reden gehört,

3ioglauben wir noch mehr wie wir vorher dachten, daß in diesen Dingen von Euch nicht gesündigt seh. Und da Ihr über diese Dinge dem Senat ge­ rechtfertigt seyd, denken wir, und Ihr müßt glauben, daß Ihr auch vor 3ii

dem römischen Volke werdet schuldlos geachtet werden6G)." Die Dinge, worin die Tiburter angeklagt waren, sich gegen das rö­ mische Volk vergangen zu haben, können nichts andres sehn als ein an465) Im sechszehnten Jahrhundert, da man dieses mehr als zweyhundert Jahr später entdeckte Denkmal noch nicht kannte, rieth man, nach den Namen der Senatoren, welche als Zeugen bey der Niederschreibung aufgeführt werden, auf eine noch viel ältere Zeit: näm­ lich saft unmittelbar nach der gallischen Eroberung der Stadt. Aber damals gab es noch keinen Prätor. 66) Ich seze daS ganze SenatuSconsult hieher, da GruterS Samm­ lung manchem nicht zur Hand seyn dürfte, wie es bey ihm pag. 499. fteht, nur mit Auf­ lösung einiger Abkürzungen und ohne alle Lesarten zu vertreten: denn ich selbst möchte ver­ muthen, daß L. PostumiuSb. nicht 8. F. heißen sollte u. s. f. L. Cornelius Cn. F. Prae­ tor Senatum consuluit a. d. III. Nonas Maias sub aede Kastorus: scribendo adfuerunt A. Manlius A. F. Sex. Julius, L. Postumius S. F. Quod Teiburtes verba fecerunt, quibusque de rebus vos purgavistis, ea senatus animum advorlit ita utei aequom fuit: nosque ea ila audiveramus ut vos deixsistis vobeis nontiata esse: ea nos animum nostrum non indoucebamus ita facta esse propter ea quod scibamus ea vos merito nostro facere non potuisse: neque vos dignos esse, quei ea faceretis, neque id vobeis, neque rei poplicae vostrae oilile esse facere: et postquam vostra verba senatus audivit, tanto magis animum nostrum indoucimus, ita utei ante arbitrabamur de eieis rebus af vobeis peccatum non esse. Quonque de eieis rebus Senaluei purgatei estis, credimus vosque animum vostrum indoucere oportet, item vos populo Romano purgatos so re. Die eherne Tafel, welche dieses Senatusconsult enthält, wurde im sechszehnten Jahrhundert zu Tivoli, in der Nähe der Kathedrale, wo der Herculestempel mit seiner Bibliothek gestanden, gefunden. Ficoroni sah sie noch gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in der damals noch an Alter­ thümern reichen barberinischen Bibliothek: jezt findet sie sich dort nicht mehr, wie man mich auf wiederholte Erkundigungen ganz bestimmt versichert hat: und ich vermuthe, daß die Verschleuderung, wodurch daS Haus Barberini bald nach Ficoronis Zeit so viele andere Kleinode der Kunst und deS Alterthums einbüßte, auch dieses betroffen hat, dessen Kostbarkeit man damals wohl kannte: denn Garatoni, fast die ganze Zeit der Regierung PiuS VI. hin^ durch Bibliothekar des Fürstenhauses, führt dieses Senatusconsult nicht an, wo er unmittel­ bar veranlaßt war es zu thun, wenn er es vor Augen hatte: und leider ist eS so ganz aus der Welt verschwunden: wenigstens habe ich es in allen mir zugänglichen Sammlungen Italiens, die sich aus der barberinischen bereichern konnten, vergebens gesucht und niemanden gefunden, der auch nur ein Gerücht davon gewußt, wo es hingekommen sey. So ist auch daS Senatusconsult über die Ehren des Germanicus, wovon Fea zum Glück einen Ghpsabguß genommen, aus der Welt verschwunden. — Gruter sagt nach FulviuS Ursinuö die Schrift seh uralt: darüber ließe sich jezt viel sicherer reden als man es damals konnte: eine spätere Copie kann, wie die der Inschrift des DuiliuS eben so ächt wie ein Original seyn. — Möchten doch andere jener Tafel nachspüren!

868

Colonie im Aequerlande.

Aufstände der

geschuldigtes verräterisches Verständniß. Dieses haben 426 (431) oder 434 (439). Da aber die von Tibur gränzten, so hat es wohl überwiegende die Anklage gegen sie erhoben ward, ehe der Krieg

III

könnte Statt gefunden Aequer an das Gebiet Wahrscheinlichkeit, daß gegen dieses Volk auS-

brach nach der Unterwerfung der Herniker, wofür auch spricht, daß L. Scipio 448 (454) Consul war. Ich denke, die Würde, Schonung und Treue gegen eine treue Stadt in dieser Urkunde sollte den Unparteiischen mit den Römern jener Zeit wegen manches Vorwurfs versöhnen, den ihr Verfahren schon in jenen

Zeitläuften veranlaßt: wovon ich aber immer den Bruch des caudinischen Friedens ausnehme, den nichts entschuldigt. Sonst sollte man nicht über­ sehen, daß der Kampf mit den Samnitern für Rom in der Herrschaft das»'« Daseyn betraf: und daß die Römer von der Vorsehung berufen, Italien eine neue Gestalt zu geben, gegen welche die Samniter allein mit Recht rangen, weil auch sie eS gekonnt hätten, in dem auch harten Zwang gegen die Völker, welche sie hinderten und gefährdeten, aus Nothwendigkeit handelten. Der Gewinn an Gemeindeland war aus dem äquischen Kriege um so größer, da die zahlreichen Orte einzeln mit dem Schwerte erobert waren. Als daher beschlossen war zu Alba am See Fucinus eine Colonie zu grün­ den, welche mit den Aequern auch die Marser im Gehorsam erhalte, war genug Gebiet vorhanden, um es an sechs tausend Colonen anzuweisen 444

(450). Alba ist eine cyclopische Stadt und ward als einer der allerfestesten Pläze Italiens betrachtet. Zn demselben Jahr ward zu Sora eine neue Colonie von vier tausend Männern angesiedelt; drey^) oder viere8) Jahr später ward auch im Aequerlande Carseoli als Colonie mit vier tausend

Bürgern angelegt. Diese Festung und Alba lagen auf der nachmaligen Valerischen Straße, die wie die allermeisten römischen, lange ehe sie mit Kunst gebaut ward, Landstraße war, und von Tibur im Thal deS Anio hinauf nach Carseoli, dann auf Alba und durch das marsische Land an den Ausfluß des Tronto führte. Die Verzweiflung über solche Anlagen, welche die Dauer der römischen Herrschaft unerschütterlich befestigten, trieb die Aequer zweymal 445 und 446 (451 und 452) zu einem hoffnungslosen Aufstande, der sehr bald überwältigt ward. Das erstemal, wo die neuen Bürger von Alba sich allein mit eigenen Kräften gegen einen heftigen An-31.3

griff behaupteten, hatte die unmittelbar gemeinschaftliche Sache die Marser mit ihnen vereinigt oo), welche eben so wenig den römischen Waffen zu

widerstehen vermochten. Sie wurden geschlagen und drey ihrer Städte, Milionia, Plestina und Fresilia erobert, und dann ihren Bitten ein neues Bündniß gewährt, welches wenigstens jezt sicher die Anerkennung der römi­

schen Hoheit bedang, da sie zur Strafe sogar einen Theil ihrer Landschaft

467) Vellejus I. 14. 68) Livius X. 13. 69) Aber Carseoli war damals noch nicht gegründet: beschlossen wird eS wohl schon gewesen seyn: und auf keinen Fall lag diese Stadt im Lande der Marser (Livius X. 3.), sondern im Herzen des üquischen.

III

Aequer. Bürgerrecht dieser u. d. Volsker. 2 neue Tribus.

869

abtreten mußten. Denn so sehr war es nur die unmittelbarste Gemein­ schaftlichkeit der Sache, daß die den Marsern verbundenen Völker gar keinen

Antheil an ihrem Kriege genommen zu haben scheinen und in demselben Jahre die Vestiner ein Vündniß mit Rom suchten und erhielten. Dasselbe thaten zwey Jahr hernach die Picenter47"). Durch die wiederholten Niederlagen ward freylich die Nation der Aequer tief herabgebracht; aber die Worte, daß sie fast vertilgt werden seyen, sind

keineswegs buchstäblich so zu verstehen, wie die Epiroten fast vertilgt wur­ den 71)« Es war ein großes Volk; die kurze Dauer der spätern Aufstände konnte nicht sehr viel Blut fließen lassen, ja es muß eine große Volksmenge übrig geblieben sehn, die, so weit der Verlust eines großen Theiles des Landes eS nicht hinderte, die Bevölkerung herstellte. Cicero sagt, die Aequer ^"hätten daS Bürgerrecht erhalten 72); er selbst war Volsker; er scheint von der Geschichte seines Stammvolkes und der ihnen verwandten Aequer einige Kenntniß gehabt, einiges von großen Männern, die unter ihnen gewesen, gewußt zu haben73)j er kann hier nicht irren, und im Census der italischen Völkerschaften zur Zeit des großen cisalpinischen Krieges werden so wenig

die Aequer als die Volsker aufgeführt, — weil sie römische Bürger waren. Sie wurden eS ganz gewiß nach diesem Kriege: oder nach der Gründung

der beyden Colonien, welche jeden weitern Versuch die Herrschaft abzu­ schütteln unsinnig machten, ward das schon 443 (449) ihnen zugetheilte Bürgerrecht zum vollen quiritischen erweitert. Denn 447 (453) bildeten P. SemproniuS und P. SulpiciuS, dieselben welche sie 443 (449) unter­ warfen , zwey neue Tribus, die Terentina und Aniensis, die sicher keine andern neuen Bürger als eben die Aequer enthielten. Denn jene war den Arpinaten und Atinaten nicht fern74), und die Lage der Region der zwey­ ten am obern Anio — am untern war alles latinisch oder von Alters her

in Regionen getheilt — erhellt genug aus ihrem Namen. Daraus nun, daß ihnen zwey Tribus gegeben wurden, wie nachher den Sabinern nicht mehrere, ist eS auch klar, daß sie noch sehr zahlreich gewesen seyn müssen.'

Im Jahr 444 (450) wurde den Arpinaten und Trebulanern an der samnitischen Gränze zwischen Casilinum und Caudium das Bürgerrecht ohne als

Suffragium gegeben 75). Die Lukaner hatten nicht sobald ihre Unabhängigkeit wiedergewonnen, als sie zur Uebung der ererbten Feindseligkeiten gegen Tarent zurückkehrten, welches noch keinen Frieden mit den Römern geschlossen hatte, die von Apulien her freylich nicht die Mauern ihrer Stadt, wohl aber ihr Gebiet bedrohten 76). Des Beystandes der Samniter beraubt kehrten sie zu ihrem System zurück, einen Fürsten mit seinem Heer in Sold zu rufen77): noch

47°) Livius X. 3. 10. 71) Nomen Aequorum prope ad internecionem deletum. Livius IX. 45 72) Cicero de off. I. 11. (35). 7J) de re publ. 111. 4. (7.) 74) Dies erhellt aus Cicero pro Plancio 16. (39.) 7S) Livius X. 1. 76) TciQavtTvoi nolefiov fyov71QÖ5 Atvxavoxcd lP(opaiov$. Diodor XX. 104. 77) Daß dies jezt geschah und die ganze Zeit des samnitischen Krieges hindurch entbehrlich gewesen war, wird denen, die die Geschichte anschaulich zu verstehen wiffen, ein Beweis seyn, daß, waS in dieser Ge-

870

Krieg d. Lukaner m. Tarent. Svanas Hülfe. Zug d. Kleonvmuö.

M

immer, obwohl sich in Griechenland alles verändert hatte, wandten sich ihre Blicke (450) nach der Mutterstadt Sparta. Als Staat war Sparta, seit­

dem Agis muthvolles Unternehmen ganz unglücklich geendigt hatte, außer Stande Hülfe zu gewähren: es bestand nur durch die Ohnmacht der Nach­ barvölker; welche doch in der Zeit, die von der Schlacht bey Mantinea bis auf den lezten Agis verstoß, die Gränzen von Lakonika durch fortschreitende Eroberungen so schmälerten, wie sie sich nachher finden. Im Innern erfuhr es die ganze Verderblichkeit völlig unveränderter Formen und Institutionen, die den von ihnen abgefallenen Sinn nicht zurückführen können. Ein solcher Zustand hat dem, der aus der Entbehrung fester Formen entsteht, nichts vorzuwerfen, ja er ist noch ärger, denn in ihm waltet vor dem Thron des

todten Buchstabens Scheingerechtigkeit mit ihrem Hochmuth und Gleißnerey: die edelsten freyen Bewegungen des Herzens und Geistes, die in einem auf-3,6 gelösten Zustande sich noch herrlich entfalten können, sind eben am meisten verdammt und unterdrückt. Rom konnte seine Sitten und Geseze nicht ver­ ewigen, welches keinen menschlichen Dingen gegeben ist; aber Jahrhunderte hindurch verjüngte es sie, die Formen dem Bestehenden zubildend, und als dieses versäumt war und jeder Versuch das Abgestorbene herzustellen thöricht, lebten die Sitten doch noch in den Gefühlen vieler unv in den Handlungen einiger fort. Zu Sparta war kein Zug an den Gesezen verändert, die als Offenbarung galten: die Syssitien und die Erziehung bestanden äußerlich wie vor Jahrhunderten, aber die Lücken der Gesezgebung benuzend war Reichthum und Wucher eingedrungen, und nirgends war die Theilung der

Nation in wenige überreiche Häuser und äußerste Armuth ohne einen Mittel­ stand ärger; und die Schooßsünde des Volks, der Geiz, die Lykurgus durch das Verbot des gemünzten Goldes und Silbers ins Gesicht bestritten hatte, hatte grade hierüber von den Gesezen dispensirt, mit deren pharisäischer

Heilighaltung man stolz that; und je beschränkter der Gedankenkreis, in dem man sich legal beschäftigen durfte, umso roher war die Untugend: Literatur und Wissenschaft, der übrigen so tief gefallenen Nationen Trost, ja ihre einzige sittliche Verwahrung, waren auch jezt noch verbannt. Die Spartiaten, selbst Herakliden, suchten an den macedonischen Höfen die unwür­ digste Bereicherung und in der Fremde ungestörte Uebung aller Ueppigkeit. Ein solcher war Kleonymus, Enkel des bey Leuktra gefallenen Königs Kleombrotus: Großvater des lezten spartanischen Königs Kleomenes. Er­ bittert über den gerechten Ausspruch, der seinem Neffen Areus den Throne? zuerkannt hatte, störte er mit seinem Ehrgeiz die Ruhe, und die Ephoren gestanden den Bitten der Tarentiner gern die Erlaubniß, daß er ein Heer werben und ihnen zuführen dürfe. Je ärger die Verwilderung und je all­ gemeiner die Noth in ganz Griechenland war, um so leichter war es Schaaren zu werben; und der, dem aus der Einäscherung seiner Vaterstadt nur

das nackte Leben übrig geblieben war, fand sich unter den nämlichen neu schichte über da- Verhältniß der Tarentiner und Lukaner zu den Samnitern gesagt worden, nicht spizfindig aus unzureichenden Datis gefolgert ist. '

III

Kleonymus zieht ab.

Friesen zwischen Nom und Tarent.

871

aufgepflanzten Fahnen mit dem alten Landsknecht zusammen, an dessen Händen aus jener Erstürmung das Blut der Seinigen klebte, oft mit dem Blut des Heerführers gemischt, unter dessen Anführung er damals mordete. Die Tarentinischen Schiffe führten Kleonymus mit 5000 Mann nach Italien; unter einer gleichen Zahl, welche er dort anwarb, waren sicher sehr viele Sarnniter, die den geworbenen Dienst liebten 478). Die Milizen von Tarent, 20000 Fußvolk und 2000 Reuter, kamen auch unter den Befehl des Ober­ hauptmanns; und diese Macht ward durch den Beytritt der Salentiner und der meisten Jtalioten noch sehr vergrößert. Die Lukaner baten und erhielten

Frieden, und von dem griechischen Feldherrn, der als Veschüzer der Griechen gekommen zu seyn vorgab, die Aufforderung, mit ihm das noch reiche und von Tarent noch immer unabhängige Metapontum zu bekriegen. Dies mußte seine Thore öffnen, und Kleonymus führte von dort sechshundert Talente und unter dem Namen von Geißeln zweyhundert Jungfrauen fort, um unter ihnen Genuß für seine Lüste zu suchen. dty Der Zweck, um den ihn Tarent gerufen, war nun erreicht: denn wenn ein griechisches Heer in Verbindung mit den Samnitern vielleicht dem Krieg eine ganz andere Wendung gegeben hätte, so war doch, da die Samniter den Krieg durch einen so unglücklichen Frieden geendigt hatten, der Zeitpunkt nicht, einen eigenen ohne Aussicht auf Beendigung, in dessen Lauf ein so ruchloser Feldherr Plözlich den Dienst verlassen oder vielleicht gar sich der Tyranney bemächtigen konnte, gegen Rom zu wagen. Eben so wenig konnte Kleonymus dazu geneigt seyn; ihn lockten die Einladungen vertriebener Sikelioten, ihre Insel von Agathokles Herrschaft zu befreyen, obwohl sie ihr dadurch einen eben so argen und verächtlicheren Tyrannen wiedergegeben hätten. So gelang eS den Tarentinern ihn sicher mit Aufopferung großer Summen zum Abzug zu bewegen, und ihn nach Kerkyra hinüber zu schiffen,

von welcher herrlichen, aber schon längst, wie zur Buße für die entsezlichen Frevelthaten ihrer blühenden Zeit, ganz ohnmächtigen Insel er ohne Wider­ stand als zu einem Waffenplaz Besiz nahm, dort sich ferner rüstete und

sie aussog. Nicht lange, so entledigte sich Tarent des gefährlichen Bündnisses, unter dessen Vorwand Kleonymus zurückkehren konnte, und dies 445 (451) ist ohne Zweifel der Zeitpunkt, wo der Friede zwischen Rom und Tarent ge­ schlossen ward, unter dessen Bedingungen eine bestimmte, daß die römischen Kriegsschiffe nicht nördlich vom lacinischen Vorgebürge kommen fottten 79): eine Bedingung, die allein beweist, daß Tarent mit vollster Bewahrung 3'9 seiner Unabhängigkeit abschloß. Es können ältere Verträge zwischen beyden

Staaten bestanden haben, denn ohne Zweifel war Roms Beziehungssphäre schon längst ungleich weiter, als Livius sie gekannt hat und zeigt, aber solche wären durch den Krieg ungültig geworden und hätten nicht angeführt werden können.

Daß aber ein solcher Vertrag galt, als der große Krieg

478) Der wahre und arglos gebrauchte Name der Soldner ist lalrones. p. 56. Schw.

76der Aristokratie beyder Stände^»), und C. PlautiuS Schwäche jedes gesezliche Hinderniß beseitigt hatte; da wandte sich Appius, allein Censor ge­ blieben, zu einem Unternehmen, welches nicht mehr wie jene Senatswahl eine Verhöhnung blieb, sondern eine wahre Grundveränderung im Staate hervorbrachte. 503) (Am Rande deö Manuskripts ein NB.) (Bgl. Vortr. ü. Röm. Gesch. Bd. X. S. 514 f.]

886

Appius Veränderungen im Staat. Alte Gruudsäze über Aufnahme in d. Plebs,

ui

ES erhellt schon aus dem Gebrauch der Fasten, Vater und Großvater zu kennen, und aus der bekannten Notiz, daß vor Alters die Söhne der Freygelassenen mit ihnen im Stande der Libertini begriffen waren, daß zwey freye Ahnen, eben so sehr als Landeigenthum, wenigstens bäuerliches

Gewerbe, und Nichtausübung von Handel und Handwerk, das Recht zum plebejischen Stande zu gehören bedingte. Daß ein Municeps, der diese Eigenschaften nachwies, die Eintragung in eine Tribus fordern durfte, ist höchst wahrscheinlich; daß wenn neue Tribus gebildet wurden, nach den­ selben Bedingungen nur diejenigen, welche, wären sie Altbürger gewesen, zur Plebs gehört haben würden, eingeschrieben wurden, kann nicht bezweifelt werden; die übrigen wurden auch Bürger, aber nur Aerarier. Es ist ferner klar, daß die Libertini so wenig als die übrigen Aerarier an den der Plebs zugestandenen Rechten Theil hatten, und daß diese sie gegen das Eindringen Unbefugter mit Eifersucht vertheidigt haben wird, wodurch eben die Er­ weiterung der Verfassung ein ganz ungestörter Gewinn für das gemeine Wesen ward, und, wie man immer den engherzigen Eigennuz des Aus­ schließens Anderer von denselben Rechten, die man für sich errungen hat,

schelten mag, der heilsamste Damm gegen aufgelöstes Volksregiment, und3" die Aristokratie der Freyen neben der der Adlichen sich begründete. So war die Regel; aber die Vollmacht der Censoren, in die Tribus einzuschreiben und daraus zu tilgen, wie in den Ritterstand und in den Senat, ist doch sicher nicht so beschränkt gewesen, daß sie einem würdigen Libertinus die plebejische Ehre durchaus hätten versagen müssen, wenn er die Bedingungen erfüllte, die in seiner Macht standen: nämlich wenn er dem Erwerb seines Standes entsagte und quiritarischeS Landeigenthum nachwieS. 3a auch diese Beschränkungen dürfte nur die Natur der Sache und Sitte festgesezt haben, die gesezliche Bestimmung aber so allgemein und blos sittlich abgefaßt gewesen sehn, wie für den Senat: würdige also zu ehren; denn hätte Appius den Buchstaben des Gesezes gebrochen, so würde er doch wohl früher oder später gebüßt haben. Von der Verpflichtung dem für unedel geachteten Gewerbe zu entsagen, selbst nach Appius Neuerung, um auf plebejische Ehrenstellen Anspruch machen zu können, gewährt das Beyspiel des Cn. Flavius Beweis, welcher als wählbar für die Aedilität erst da zugelassen ward, als er eidlich erklärt hatte den Notariatsgeschäften zu entsagens: und auch den niedern Magi­ straturen stand dieser Beruf, nach dem was Livius aus Macer anführt, eben so unüberwindlich im Wege.

Es waren nämlich die Aerarier und die in ihnen enthaltenen Libertini doch mit nichten ein formloser Haufe, sondern auch sie waren in Zünfte vereinigt, in denen sie ihre eigenthümliche Ehre übten und genossen, mit»«» Hoffnung durch Verdienst 5) 6) selbst die höhere plebejische Ehre zu errin-

504) Livius IX. 46. Gellius VI. 9. 5) Es kann nicht fehlen, daß das Volk zu Rom wie zu Athen glänzende Freygebigkeit belohnte: ohne die Redner wüßten wir auch nicht, was zu Athen in dieser Art geschah. Von Rom ist das Beyspiel der .Tarratia bekannt: GelliuS VI. 7. 6) (Am Rande: NB. NB.) (Vgl. Vortr. ü. Röm. Gesch. Bd. 1. S. 182. 336.]

Rechtsverhältnisse der Aerarier.

III

Pagani und montani.

Die Zünfte.

887

gen; und ruhig in der Aussicht, daß sie ihren Nachkommen offen stand, wenn sie reichlicheren Gewinn und gefahrloses Leben mit dem plebejischen Eisen des Pflugs und Schwertes vertauschen wollten. Daneben theilten sie,

obgleich Wählbarkeit ihnen fehlte, das Wählerrecht; nur daß ein großer Theil ihres Vermögens ihnen nicht zugerechnet ward, also ihr Rang in niedere Classen fiel als der des gleich bemittelten Plebejers. Daß sie in den Centurien, der allgemeinsten Nationalversammlung, stimmten, kann nicht dadurch unwahrscheinlich gemacht werden, daß sie, wofern nicht allgemeine Bewaffnung befohlen ward, vom Kriegsdienst ausgeschlossen waren. Denn wenn z. B. für die Hastaten aus jeder Tribus ein Soldat in jeder Cen­ turie ausgehoben wurde, so kamen die Bürger derselben Centurie, die keiner TribuS angehörten, doch nicht zur Aushebung. Nun aber wurden die Comitien der Centurien immer seltener berufen, je gewöhnlicher man den leichtern Weg einschlug, daß die Tribunen einen Senatsbeschluß von der

Plebs in den Tribus annehmen ließen, und so verlor allerdings die Wich­ tigkeit ihres Antheils an der Souverainetät; auch waren die Wahlen zu

den neu geschaffenen Aemtern, die Prätur allein ausgenommen, nicht den stsCenturien, sondern den Tribus eingeräumt. Ein anderes Verhältniß, worin sie mit den Bürgern des höhern Standes, wo nicht mit den Patriciern selbst, gemischt und ihnen gleich standen, war daS als pagani und montani, eine Eintheilung, welche den attischen Demen analog, sich auf den Boden und die Bewohnung bezog *). Die montes waren von den sieben Hügeln ganz verschieden und enthalten seltsamer Weise unter diesem Namen auch daS Thal der Subura; sie sind wohl gewiß eine Eintheilung deS Umfangs des servianischen Pomörium, welches gar keine Beziehung auf den befestigten Umfang hattet). Die uralten Zünfte waren an der Zahl neun 8): Pfeifer, Goldschmiede, Zimmerleute, Färber, Riemer, Gerber, Kupferschmiede, Töpferund andere Handwerker insgemein. Daß jede als wahre Corporation Vorsteher hatte, Eigenthum, besondere Andachten, läßt sich mit völliger Gewißheit aus den Beyspielen späterer Zeit urtheilen: ihre Gründung gehörte in unvordenkliche Zeit und ward daher Numa zugeschrieben. Aber gewiß waren schon in ur­ alter Zeit andere Gewerbe in Zünfte vereinigt, wie die Geldhändler,

Handelsleute, Flußschiffer, Mezger; doch die angesehenste von allen war die der Notarien oder scribae, alle Libertini, so daß, wie schon bemerkt wor­ 3öo

den, plebejische Ehren mit diesem Beruf unvereinbar waren. Die Schreibekunst, welche noch heutzutage im Orient sehr allgemein

*) ES ist wohl fein Spiel deS Zufalls, daß heutzutage noch der Paino den Gegensaz zu dem ächten Römer bezeichnet. Daß er oft dem Montigiano gegenüber tritt, also der alte Gegensaz stch anscheinend buchstäblich erneuert, ist allerdings bloßer Zufall, da der Name der Montigiani neues Ursprunges ist. A. d. £.] 507) (Vergl. Th. 1. Anm. 931.) 8) Plutarch Numa p. 71. D. Auch hier erscheint die Drehzahl. Die Zeit ist vielleicht schon gekommen, wo eS überflüssig ist, bemerklich zu machen, wie sehr er irrt in den Zünften, denen kein Quirlte, noch weniger ein Patricier angehören konnte, ein Mittel zu sehen, die ältesten TribuS in Unterabtheilnngen zu verschmelzen.

888

Die Zunft der Notare.

III

ist, war zu Rom in der Zeit, von der es sich hier handelt, gewiß nicht selten, obgleich sie nur zu den Bedürfnissen des Lebens angewandt wurde, zu denen auch nothdürftige Verzeichnung des Geschichtlichen gehörte; zur Litteratur so gut wie gar nicht. ES ward aber zu Nom in öffentlichen Geschäften sehr viel und umständlich geschrieben; die buchstäbliche Verzeich­ nung der gerichtlichen und administrativen Verhandlungen, von der so viele

Stücke als acta vorhanden sind, kommt sicher aus uralter Zeit her: alle Verhandlungen des Senats wurden protokollirt; die Beschlüsse mit Förm­ lichkeit niedergeschrieben: die prätorischen Verhandlungen sicher auch nicht allein dem Gedächtnisse anvertraut: der Census allein veranlaßte eine uner­ meßliche Schreiberey, die ganze Führung der Finanzen, die Quästuren eine noch weitläuftigere. Mit diesem Allem befaßte sich kein Sohn eines freygebornen Römers, es gehörte zum Beruf der Notarien, so weit nicht dafür zugelernte Knechte dazu gebraucht wurden, die nach ihrer Freylassung sich in die geschloffenen Zünfte eingekauft haben werden. So fehlte auch aller­ dings im Alterthum der wesentlichste Theil der Geschäfte nicht, welcher die dem Wesen, wenn auch nicht immer dem Scheine nach, untergeordnete Klaffe der Offizianten beschäftigt und nährt; aber weit entfernt davon für eine Vorschule der Staatsgeschäfte zu gelten, war er von ihren Ehren durch eine unübersteigliche Kluft getrennt. Außer diesen öffentlichen Geschäften gab die Abfassung von Privatdocumenten den Notarien reichlichen Erwerb.

Diese Zunft, sich als unentbehrliches Werkzeug der Negierung fühlend,

und an Bedeutung und Reichthum wachsend, wie sich der Staat ausdehnte, 351 und theils die Negierung, theils die sicher schon längst bestandenen Finanz­

compagnien eine immer größere Zahl Buchhalter und Schreiber brauchte,

machte gegen das Ende der Republik, als der bewegliche Geldreichthum einen zweyten und eigentlich mächtigeren Adel ausmachte, Anspruch darauf, als Gesammtheit der Offiziantenklasse einen dritten Stand zu bilden: und dieser Anspruch ward ihnen eigentlich eingeräumt. In Appiuö des Blinden Tagen hatte sie sich noch nicht so weit gehoben: sie war von den übrigen Libertinen noch nicht abgesondert: also war sie ohne Zweifel die bedeutendste Vermittlerin der gemeinschaftlichen Ansprüche, um so mehr, da an ihrer Spize Cn. Flavius stand, der unstreitig zu den ausgezeichnetsten Männern seiner Zeit gehörte. Daß dieser in Verabredung mit App. Claudius han­ delte, wird ausdrücklich gesagt 509).

So lange das römische Reich bestand, blieben die Notare, den Namen wechselnd, eine mächtige Corporation, obwohl sich der Offiziantenstand auSbildete und von ihnen ausschied. Gegen Ende des Reichs, und so lange die Decurionatsverfaffung unter byzantinischer Hoheit fortbestand, zeigte sich in der Klasse der Possessores und neben ihnen den Zünften ein dem Ver­ hältniß in Rom vor Appius Censur analoger Zustand; und unter den Zünften ist die der Notare die erste oder eine der ersten. Noch auffallender 809) (rivius a. a. O. Diodor XX. 36. Plinius H, N. XXXIII. 4. ?)

III Aufnahme neu. Elemente in d. Trib. Folgen. Appius Feindseligk. gcg. d. Plcbs. 889

ist das Analogon in den lombardischen Städten, wo die Geschlechter ein neues Patriciat bilden, und wenn nach der Ansicht eines hellsehenden Rechts3L2gelehrten, die, wie es mir scheint, überzeugt sobald sie ausgesprochen ist, die Notare das römische Recht in Italien bewahrten, so verdanken die Manen der Helden und Gesezgeber Roms einer Zunft, in der sie nicht mit Unrecht einen Keim deS Untergangs der alten edlen Ordnungen sahen und deren Ansprüche sie unwillig machten, großentheils, daß die späte Nachwelt diese

Ordnungen und ihre Entwicklungen erkennen und bewundern kann. Es scheint, daß im fünfzehnten Jahr eines sehr blutigen Krieges sehr gute Gründe seyn mußten, über politische Marimen hinwegzusehen, und der Erschöpfung deS kriegsdienstpflichtigen Theils der Nation durch Aufnahme einer Auswahl unter den niedrig gebornen Bürgern vorzubeugen, und es ist billig nicht zu vergessen, daß AppiuS dieses vor Augen gehabt haben muß. Aber er nahm die ganze Masse der Libertinen unter die Plebs auf: sey es nun, daß, wie eS ihm gut dünkte, er selbst sie unter die TribuS vertheilte^), ober jedem frehstellte, sich eine Tribus zu wählen"). In jedem freyen Staat sieht jede Klasse die Theilnahme einer andern an den Rechten,

die sie bisher ausschließend genossen, mit gleicher Eifersucht wie der engste Oligarch: die Ansprüche der amerikanischen Colonien hatten im Cabinette 353säum so leidenschaftliche Gegner als in den Schenken: und die Spaltung zwischen der Plebs und der Marktfaction würde sich vorauösezen lassen, wenn sie nicht historisch bezeugt wäre12). Jene Benennung der Handwerker,

Handelsleute und Schreiber, die immer auf dem Markte verkehrten, ist aus dem Griechischen übertragen"): vielleicht nur von den Geschichtschreibern. Daß in dieser Spaltung die niedriggebornen überwogen, zeigt die Wahl des Cn. FlaviuS wenige Jahre später: und so waren nicht nur diejenigen Wah­ len, von denen sie vorher ganz ausgeschlossen waren, oft in ihrer Gewalt,

sondern auch die Plebiscite: und so ward die Republik von steter Unruhe erschüttert, und jede Wahl, jedes Concilium erforderte vorbereitende Mühen und an Ränke gränzende Verabredungen und Verhandlungen, in denen die Nation verdorben seyn würde, wenn zu Rom eine lange Friedensruhe mög­ lich gewesen wäre. Einen sehr merkwürdigen Contrast mit dieser Begünstigung der gemei­ nen Leute bietet desselben Appius erklärte Feindseligkeit gegen den plebejischen

Stand, von der getrieben er als Siiterrer14) und als Bewerber") alles aufbot, um dem licinischen Gesez zum Troz die Plebejer vom Consulat auszuschließen; wie er denn auch dem Ogulnischen Geseze widersprochen haben soll. Und eben hier, wo die frühere Ansicht von dem plebejischen 51n) humilibus per omnes tribus divisis: Livius a. a. O. Die Erschöpfung der Rekruten mußte z. B. in der Romilia weit größer fcbn als in der Scaptia. aber auf der andern Seite die Einmischung einer kleineren Zahl von Stadtbewohnern in eine entfernte Tribus, von der wenige zu den Comitien kamen, einen gleichen Einfluß haben, wie die einer größeren Zahl in eine suburbanischc. ") Diodor a. a. O. 1?) Bey LiviuS a. a. O. und dadurch, daß Cn. FlaviuS die Aussöhnung der Stände bewirkte. Plinius H. N. XXXIII. 1. ") ccyooaios o/Aof. H) Cicero Brut. 14. (55.). ,5) LiviuS X. 15.

890

AppiuS Witt durch die Libertinen den plebejischen Adel bekämpfen.

Ul

Stande eine unbegreifliche Widersinnigkeit sehen mußte, findet sich wohl die Erklärung seines ganzen Verfahrens. Unter den Geschlechtern deS Patriciats war nur eine beschränkte Zahl mächtig und reich geblieben oder ge--"

worden, und bildete nun einen wahren Adel, wie er in den aristokratischen Republiken neuerer Zeit bestand: neben diesem erwuchs, und drohte ihn zu überwachsen, der plebejische Adel. Die Oligarchie haßt die unabhängige Wohlgeburt, welche sich ihr gleich fühlt: sie sieht im niedrigen Volk, wo sie manchem Einzelnen mit beschüzendem Gefühl redlich wohlwollen mag, Verbündete gegen jene Gehaßte. Der venezianische Adel war mit dem Gon­

delführer vertraulich, und gegen den Edelmann von festem Land insolent: und wenn überhaupt eine Abänderung in den Gesezen möglich gewesen wäre, so würde der Senat sich eher entschlossen haben die Schiffer und Lastträger,

von denen keiner auf die Regierungswürde Anspruch gemacht hätte, in den großen Rath zuzulaffen, als Maffeis Vorschlag anzunehmen. Die römische Geschichte selbst giebt ein entscheidendes Beyspiel: Sulla konnte die Ver­ fassung nicht weiter als bis auf den Zustand des licinischen Gesezes zurück­ schieben, weil die patricischen Familien zu sehr weggestorben waren und der plebejische Adel doch für sich selbst wesentlichen Gewinn haben wollte: aber indem er für die damalige Oligarchie dieselben Gesinnungen hatte, wie Appius für die seiner Zeit, und den Ritterstand niederdrückte, hob er bis auf einen gewissen Grad, ja in den Senat, Leute vom allergeringsten Stande. Wenn Oligarchen gegen die Mitte des fünften Jahrhunderts den ver­ blendeten Gedanken hegen konnten, die mehr als fünfzig Jahre feit dem li­ cinischen Gesez tilgen zu wollen, so konnten sie sich kein anderes Mittel erdenken dazu zu gelangen, als die Verfälschung der plebejischen Gemeinde:-" wer von einem Knechte abstammte, in welchem Gliede es auch war, konnte sich nimmer träumen lassen, zum Consulate zu gelangen. Und die Feind­

seligkeit und Schadenfreude, welche sich immer gegen die wendet, welche zu­ nächst stehen, richtete sich bey den Libertinen gegen den zweyten Stand. Wenn man nun annimmt, daß die Senatoren, welche Appius in seiner unanständigen Liste ausgeschlossen, Plebejer waren, — und niemand sagt, daß es Patricier gewesen, — so gewinnt die ganze Erklärung um so mehr Wahrscheinlichkeit. Daß der Senat, welcher die Liste verwarf, in der Mehr­ zahl aus Patriciern bestand, wird durch nichts angedeutet: und hätte er es, so waren unter den Patriciern viele, — gewiß unter andern Q. FabiuS, — welche das Unternehmen einer blinden Faction nicht nur unsinnig, sondern

auch ruchlos fanden. Wer diese Erklärung nicht zulassen will, muß, da Appius denn doch gewiß kein alberner Geck war, annehmen, daß er nach der Tyranneh trach­ tete: es wäre der Weg dazu gewesen. Ein solcher Gedanke hätte aber doch damals nur in einen wahnsinnigen Kopf kommen können, welchen Schein auch der Frevel des P. Claudius, des AppiuS Sohn, und seiner Schwester haben mag; und ungeachtet der Erzählung von einem nicht näher zu be­ stimmenden Claudius, der doch wohl auch um die Zeit des ersten punischen

in

Appius Censur verlängert, er will daneben Consul bleiben.

Seine Werke.

891

Krieges gelebt haben mußte, der sich eine Statue mit einem Diadem bei Forum Appii habe sezen lassen, und damit umgegangen sey, sich Italiens durch Clientelen zu bemächtigen 51C). äse Die Werke, welche des Appius Censur verewigen, gaben Veranlassung, daß er dem Geseze und Herkommen trozte und die Censur nach verflossenen achtzehn Monaten, ungeachtet der ernsten Rügen des Tribunen P. Sempronius, nicht niederlegte, damit nicht ein Anderer die Ehre von ihrer Vollen­ dung habe. Doch vollendete er die fünf Jahre des Lustrums nicht in der Würde, indem er gegen das Ende deS vierten oder nach demselben das Consulat erlangte, welches er mit der Censur zugleich bekleiden wollte. Daß die Censur mit der Prätur zugleich bekleidet werden konnte, zeigt das Bey­ spiel deS? C. MäniuS?^). Die Verbindung mit dem Consulat, von dem diese Magistratur wegen der allzugroßen Macht getrennt worden, war aber

etwas ganz anderes, und am allergefährlichsten bey einem solchen Manne; und vor Allem, da er als Consul den Senat nach seiner Liste berufen haben würde. Ein Volkstribun L. Furius zwang ihn nun die Censur niederzu­

legen durch Drohung, ihn sonst als Empörer in den Kerker führen zu lassen. Als Consul blieb er zu Rom; Q. Fabius blieb Befehlshaber des Heeres, welches er würde haben führen sollen: wahrscheinlich ward ihm vergönnt, jene Werke zur Vollendung oder wenigstens ihr näher zu bringen. DaS größte von diesen ist die Appische Straße nach Kapua, die aller­ dings als sein Werk zu betrachten ist, wiewohl es unmöglich scheint, daß sie hundert und zwanzig (?) Millien weit bis zu diesem Ziel in vier oder 357au$ fünf Jahren entworfen und gebaut werden konnte: und wiewohl die

Pflasterung mit Polygonen von Lava, welche die unvergleichliche Herrlich­ keit der römischen Straßen eigentlich ausmacht, bedeutend später geschehen ist: denn erst 451 (457) ward aus der ersten Millie von der Porta Capena bis zum Marstempel der Weg zum Gehen und Reiten — semita — mit gehauenen Steinen (Peperin) gepflastert^), und 453 (459) die ganze Straße von dort bis Bovillä mit Lava^). Das Wesentliche der Arbeit ist aber die Gründung, der Unterbau durch tiefe Gründe, die Brücken, das Durch­ schneiden der Höhen, und bey dieser Straße der Canal durch den pomptinischen Sumpf, mit der doppelten Bestimmung das Land vom Wasser zu be516) SuetoniuS Tiberius c. 2. 17) 3m Jahr?: Fasten. (Die Fasten, auf welche hier aus dem Gedächtniß verwiesen ist, enthalten wenigstens unter dem Jahr 435, in welches MäniuS Censur fällt, diese Angabe nicht.) (ES ist aber auch MäniuS Name im Tert mit doppeltem Fragezeichen bezeichnet.) ") Semita bedeutet ohne Rücksicht auf die Breite auch eine cordonata oder eine mit gesenkten, breiten niedrigen Absäzen gemauerte Straße eine Höhe hinan, auf welcher Saumthiere sicher und gemächlich treten, Fuhrwerk aber nur etwa herabkommen konnte: clivus ist eine Fahrstraße. Eine bekannte Inschrift lehrt, daß auf der Appia bey dem Tempel des Mars ein clivus war, neben dem nun die semita diese Gestalt einer cordonata annehmen mußte. Eine solche war, wie die Lokalität deutlich lehrt, die alta semita, welche von der Subura, neben S. Agata vorbey, auf den quirinalischen Hügel führte. Römische oder latinische Cordonaten, ganz im System wie jezt, aber freylich in him­ melweit verschiedenem Styl gebaut, finden sich in den Thoren sogenannter cyclopischer Städte. 19) Livius X. 23. 47.

892

Canal.

Wasserleitung

III

freyen, und die Fortschaffungen der Kriegsbedürfnisse auS Latium nach Terracina zu erleichtern: dies war für einen Staat, der die See keineswegs beherrschte, sehr richtig. Durch den Sumpf baute Appius die Straße nicht, von welcher der Canal einen Theil ausmachte, der beyde Theile der eigent­ lichen Straße verband: das scheint erst Trajan gethan zu haben. Als Mi-^a litärstraße nach Kampanien von Veliträ bis Terracina diente die Setinische: von Cisterna in einem Marsch Terracina zu erreichen, ist, zumal im Som­ mer, ganz unmöglich; zwischen beyden Orten zu campiren, wäre im Som­ mer und Herbst tödtlich; in der regnigten Jahreszeit völlig unmöglich; ja in den heißen Monaten würde ein einziges Nachtlager bey Cisterna die Hälfte einer Armee mit Fiebern schlagen 52()). Forum Appii am Canal war sicher auch eine Anlage dieses Appius Claudius: ein Marktflecken, der bey dem immer zunehmenden Verkehr mit der Hauptstadt in den Wintermonaten sehr volkreich seyn konnte, aber auch dann nur Bootsleute und Wirthsgesindel enthielt21). Die Appische Straße ward die Königinn der Straßen genannt und warass es: aber es ist eine unbewährte Meynung, daß sie auch die älteste unter den großen römischen Landstraßen gewesen sey; selbst dahin beschränkt, es nur von dem Bau zu verstehen, welchen die Römer von den Carthaginiensern lernten22): die Via Latina und Salaria dürften das Vorurtheil eines höheren Alters für sich haben, weil sie nicht nach ihren Gründern be­ nannt sind. Aber die Appische Wasserleitung ist allerdings zu Rom2^) das älteste

dieser Werke, welche vom Bedürfniß beginnend nach und nach bis zum äußersten Ueberfluß vermehrt wurden. Bis dahin hatte man sich mit dem Wasser einiger Quellen und Brunnen2^) begnügt, ja daS unreine Tiber-

v’°) Horaz und fein Barkenführer schliefen des Nachts auf dem Canal; das war aber im Winter, und dann hat eS auch jezt eben so wenig Gefahr. 2I) ES ist physisch unmöglich, daß die pomptinischen Sümpfe jemals etwas anderes waren, als erst ein Haf hinter den Dünen an der See; und als dieses von den einfließenden Strömen mit Schlamm gefüllt ward, ein Sumpf, der sich langsam, aber doch allmählig erhöht hat. Die Erzählung von den Städten, die dort untergegangen wären, ist eine reine Fabel, und die von Suessa Pometia, welches dort gelegen habe, und von den Korneinkäufen für Rom in der pomptinischen Landschaft kön­ nen nur durch Mißverständnisse, wie eS freylich die Zeitgenossen Augusts selbst gethan, auf jene Gegend bezogen werden: da man nun eine Hypothese suchen muß um zu erklären, was sich nicht als grundlos abweisen läßt, so sehe ich nicht waS hindert anzunehmen, jene- Suessa sey kein anderes als das, welches nachher den Namen Aurunka erhielt (Suessam communisse, quae nunc Aurunca appellala: LiviuS VIII. 4 5.), und unter der pomptinischen Landschaft das reiche Kornland um die Mündung des Liris, welches zu Kampanien nicht ge­ hörte, zu verstehen. (Pergl. Th. 2. Anm. 4 86.) 22) Jsidorus XV. 4 6. ")ZuRom: denn die Bauart des WaffergewölbeS zu Tusculum deutet auf so sehr alte Zeiten, und die die Emissarien der Seen brachen, nivellirten so richtig und bauten so herrlich, daß sie gewiß das Wasser auch hinführten, wo eS fehlte. 24) Unter pulei (Frontinus de aquaeduct. 4.) können auch Cisternen begriffen gewesen seyn, für die eS noch jezt keinen andern Namen giebt als pozzo, wie auch die Oelbehälter genannt werden. Aber eS giebt noch Brunnen aus der atterältesten Zeit Roms, welche der Reisende, welcher wahrhaft ihre ganz wenigen Reliquien verehren will, aufsuchen sollte; der interessanteste unter ihnen ist der im kapitolinischen Berge auf eine ungeheure Tiefe in den Tuf gehauen, und gewiß älter als die gallische Belagerung: wo­ her hätten sonst die Belagerten Wasser erhalten? Und nachdem Wafferleitungen angelegt waren

des Appius.

111

893

360waffer ward getrunken. Die Vorstädte am Strohm 525) konnten kein anderes haben. Die Wasserleitung hatte also hier einer wahren Noth abzuhelfen: sie faßte Quellen links von der Pränestinischen Straße etwa acht Millien vor dem Esquilinischen Thor, und führte sie unter der Erde absichtlich, daaciinit daS Wasser im Kriege nicht abgeschnitten werde26), mit Ausnahme von sechzig Schritten Bogenwerk bey der Porta Capena unter dem Berge Cälius und Aventinus bis wo die Vertheilung anfing, zwischen der Porta Trigemina und dem Clivus Publicius27). Anlage der Tuf der römischen Hügel sehr nehmen, daß im Thal zwischen dem Cälius Schritt Mauerwerk über der Erde nöthig

Wie tief die Gänge liegen, deren erleichtert, läßt sich daraus ab­ und Aventinus doch nur sechzig war; und da sie so tief lagen,

versteht sich von selbst, daß sie nur den niedrigsten Gegenden Wasser zu­ führen konnten, also Der Vorstadt, dem Circus, dem Velabrum, dem Vicus TuscuS: vielleicht auch noch der Subura; der zugeführte Wasserfluß war aber auch zu gering, um nur alle diese Gegenden reichlich zu versorgen. Das Verdienst die Quellen gefunden zu haben, welche die Wasser­ leitung nährten, gehört dem Censor C. Plautius, dem aber davon nur der Beyname Venor geworden ist, da AppiuS allein das Werk vollendete2^), und die Gefahr wieder auf die Arr beschränkt zu werden immer mehr aus den Möglichkeiten verschwand, arbeitete man ein solche- Werk gewiß nicht, dessen Wasser, außer in der aller­ höchsten Noth, nicht einmal bey dem Gottesdienst gebraucht werden konnte. Er hat immer­ große Wasserfülle, ist aber durch die in einem Garten auf Monte Eaprino sichtbare Oeffnung schändlich verunreinigt.

Man gelangt dahin von dem sogenannten palazzaccio unter der

Seite de- tarpejischen Felsen- gegen den PalatinuS, von wo die Verurteilten herabgestürzt

wurden, durch ebenfalls uralte in den Tuf gebrochene Gänge, die labyrinthisch unter dem

kapitolinischen Berge bestimmt bi- unter da- Jntermontium laufen; alte Steinbrüche, ohne allen Zweifel die favissae.

Schade daß sie großenteils gesperrt und vermauert sind,

so daß e- schwer halten würde einen Plan aufzunehmen: die Mühe sie zugänglich zu machen dürfte sich aber wohl belohnen; nicht allein durch Kunstwerke, — die große mithrische Darstellung in der Gallerie de- Vatikans ward im sechszehnten Jahrhundert dort gefunden, —

sondern auch durch uralte Inschriften.

In diesen Gewölben fanden meine Freunde und ich

die einzige zum Mährchen umgebildete alte Sage noch lebendig bestehend, dergleichen sich,

wie nebst den Mirabilibus urbis unter andern auch Ser Giovanni zeigt, im Mittelalter­ viele umgebildet hatten, die von der schönen Tarpeja.

(oben S. 130f.) — Andere solche ur­

alte Brunnen sind der im Tullianum und in der unterirdischen Kirche von S. S. CoSma und Damiano u. s. f., deren sich geistliche Legenden bemächtigt haben.

Von den Quellen

find auch noch mehrere kenntlich. 62r‘) Nämlich die jähe Felswand deS Aventinus gegen den Fluß und eine Mauer, welche zugleich

die niedrigen Gegenden wider Ueberschwemmungen schüzte, von der nördlichen Ecke deS Aven­

tinus bis an den kapitolinischen Berg machte die Befestigung Rom- auf dieser Seite.

In

dieser Mauer lag die Porta Flumentana: läng- dem Fluß unter dem Aventin und von da

bi- gegen den Circus Flaminius war schon zur Zeit de- hannibalifchen Krieges eine große Vorstadt: extra porlam Flumentanam: hier war das formn olitorium. Die fublicifche Brücke lag außer der Stadt. 26) FrontinuS de aquaeduct. 5. 21) Wo die Befestigung

in jähen und durch Untermauern oder Abhauen noch schroffer gebildeten Felswänden bestand, wie hier am Aventinus, da waren die Thore eine durch Thürme und Mauern befestigte Cordonata; welche- die Darstellungen im Werk der Frau Dionigi am deutlichsten machen.

Ein solche- Thor, entweder mit dreyfachem JanuS oder wirklich dreyfach, oben auf dem Berge, auf der Mitte der Salita und unten, war die Porta Trigemina: wo die Salita ist, die neben den Mauern der favelltfchen Festung nach Santa Sabina hinaufführt. vus Publicius war, wo der Weg nach den Fenili und der Via de' Cerchi hinabgeht.

tinuS de aquaeduclib. a. a. O.

Der Cli­ 2S) Fron­

894

legende vom Herkutesdienst der Potitier und Pinarier.

Verhältniß

III

Diodor, der wie wenig er auch als Grieche das Wesen der innern Ver­ wickelungen Roms begreift, und immer nur Volk und Senat sich entgegen-ss» sezt, doch über das einzelne Geschehene Erzählungen folgt, die alle Aufmerk­ samkeit verdienen, sagt, das Werk sey ohne einen Senatsbeschluß unternommen worden^, aus Appius Ehrgeiz für glänzende Thaten. Die Kosten, so wie die des Wegebaues, seyen ungeheuer groß gewesen, und AppiuS habe die ganzen Einkünfte der Republik aufgewandt; man möchte vielmehr glau­ ben, daß die Einkünfte vom Zehnten, den Zöllen und Steuern wohl nicht einmal hinreichen konnten — der Schoß war für die KriegSkaffe bestimmt — und solche Werke, wie jezt dazu Capitalien angeliehen werden, den Verkauf von Domainen nothwendig machen mußten, also Diodors Ausdruck in einem auf die Zukunft ausgedehnten Sinn gefaßt werden müßte. Freylich bauten wohl auch Kriegsgefangene mit den tagelöhnernden Arbeitern. Eine sehr bekannte Legende knüpft sich an Appius Censur: daß bis dahin das Politische Geschlecht mit dem Pinarischen den Dienst deS Herkules geübt, wie der Halbgott selbst ihre Vorfahren unterrichtet, er aber sie über­ redet Staatsknechte die Gebräuche zu lehren, worauf daS ganze Geschlecht, dreyßig erwachsene Männer in zwölf Familien, in kurzer Zeit weggestorben und Appius selbst erblindet sey. Solche Legenden nehmen eS wenigstens mit der Chronologie nicht gar genau, und es wird wohl eher die große Pest seyn, die fünfzehn bis zwanzig Jahr später wüthete, welche daS Potitische Geschlecht, wenn eS ausstarb und vorher noch so zahlreich war, weg­ raffte: wichtiger ist, die Veranlassung nicht zu verkennen, weshalb Appius sich nach dem Urtheil der Frommen so versündigte. Man kann doch wohl3«3

nicht zweifeln, daß jene beyden Geschlechter den Dienst des Herkules nach griechischen Cäremonien, wie die Nautier den Dienst Minervas, als gentilicischen Religionsgebrauch hatten, die römische Religion selbst nicht daS geringste davon wußte. Nun aber hatte die Bedrängniß deS famnitifchen Kriegs veranlaßt das Orakel zu Delphi zu fragen, und wie dieses sonst

verordnete, andere griechische Gottheiten mit griechischen Sitten zu fehern, so befahl eS nun den heldenmüthigsten aller Heroen so zu verehren. Nun erhielt kein fremder Gott einen Flamen, und es ist nicht wohl einzusehen, wie, wenn die Potitier nicht selbst die Gebräuche für den Staat vollbringen wollten, vielleicht durften, etwas anderes geschehen konnte, als daß sie

darin unterrichteten. Sonst hätte ein griechischer Priester gerufen werden müssen, wie Kalliphana aus Velia. Es mochte sehn, daß die Pythia nichts besseres zu antworten wußte, damals und als sie nachher um die Pest ab­ zuwenden gebot, Asklepios aus EpidauruS zu berufen: daß aber die Grie­ chen dabey wenigstens die Nebenabsicht hatten, ihre Nation den Römern hehr zu machen, wird auch durch einen andern Orakelspruch wahrscheinlich, der um dieselbe Zeit fällt: nämlich als der üble Fortgang deS samnitischen Krieges — Caudium oder Lautulä? — den Senat veranlaßte zu Delphi 529) XX. 36.

Rath zu fragen. Apollo befahl Statuen des tapfersten und des weisesten der Griechen zu errichten, und der Senat ließ die des Pythagoras und des AlkibiadeS auf dem Comitium aufstellen 53°). Plinius mäkelt über die ^"Wahl, da ihm so wenig als uns der Ausgang Beweis war, daß der Sinn des Orakels richtig getroffen worden: daß er Sokrates haben möchte ist natürlich, aber kein Jtaliote, und Jtalioten befragte man doch wohl, oder wer zu Rom über die Griechen mehr wußte wußte eS von ihnen, hätte Pythagoras nicht für den größten Weisen halten können: die Entscheidung wer der Tapferste gewesen, war freyer: aber wenn dies nicht von Tod ver­ achtendem Muthe allein gedeutet ward, sondern von einer Feldherrngröße, bey der eS sich verstand, daß auch dieser Muth da sey, wie sie den Römern eben Noth that, so ließ sich wohl auS der historischen Zeit, der Aristomenes nicht angehörte, keine herrlichere Wahl treffen. Die Jtalioten waren zu ihrem Unglück hier unbetheiligt. ES ist eine sehr allgemeine, aber ganz gewiß durchaus falsche Vor­ stellung, daß die griechische Litteratur, ehe eine ihr nachgebildete unter den Römern entstand, ihnen ganz unbekannt und verachtet gewesen sey, wie bey den Arabern, ehe sie Uebersezungen erhielten, und bey den Türken. Ein wichtiger Grund ganz anders zu denken ist die Vertrautheit mit der grie­ chischen Dichtung bey den Völkern an beyden Seiten der Stadt, welche in ihren Kunstwerken hell am Tage liegt: auf welche nicht weniger die in ^griechischer Art gebauten Theater zu TuSculum und Fäsulä^) mit Gewiß­ heit schließen lassen: Gebäude, deren sehr hohes Alter augenscheinlich ist, obgleich eS sich nicht genau bestimmen lägt32). Wozu solche Theater, wenn nicht übersezte oder nachgebildete griechische Tragödien dort aufgeführt wur­ den'^ Römische Censoren widerstrebten allerdings der griechischen Einwirkung, und die Litteratur, welche bis auf den marsischen Krieg in den latinischen Städten, d. h. bey den italischen Bundesgenossen weit mehr als in der Hauptstadt blühte, war gewiß noch mehr griechische als einheimische: aber dieses Widerstreben war eben gegen eine nur allzu große Neigung gerichtet, die väterliche gegen schlechte fremde Sitte zu vertauschen. Wie hätte Livius Andronicus griechische Fabeln auf daö Theater bringen und damit des Se­ nats wie deö Volkes Gunst gewinnen können, wenn die griechische Mythen­ welt zu Rom fremd gewesen wäre? Milano und Venezia würden nicht Mailand und Venedig genannt worden seyn, wenn ihr Name nicht im 53°) Plinius H. N. XXXIV. 12. 31) Nur populäre Unwissenheit kann in dem von Fäsulä ein Amphitheater sehen, wie eS freylich genannt wird. Beyde sind, wie in den griechischen Städten, wo eS möglich war, hoch auf dem Berge am Abhange angelegt, so daß Säulengänge umher nicht Statt finden und von allen Reihen die weiteste Aussicht über die Gegend von Tusculum bis auf« Meer herrscht. 32) Das Theater von Fäsulä ist vom allergrößten etruskischen Styl, und liegt hart an einem sehr großen Gebäude welches in demselben aufgeführt ist. Von diesem ist nur eine Ecke im Sommer 4 816 ganz zufällig an- Licht ge­ bracht; man hat keine Neugierde gehabt eS weiter zu verfolgen. — Das von Tusculum ist fast ganz wieder verschüttet: aber nach der Erzählung eines Augenzeugen war die Basis, die einst eine Statue des FulviuS Nobilior trug, später in die Orchestra gesczt und doch, mit ihrer Inschrift, augenscheinlich sehr alt, vermuthlich während seine- Leben- errichtet.

896

Appius d. älteste bekannte rem. Schriftsteller. Vermehrung d. Militärtribunen.

m

Munde vieler Tausende gewesen wäre; und die ähnlichen Aenderungen, wie Argi für Argos, Melo für Nilus, und auö den Mythen Latona, Herkules, Ulires, Alumentus, Catamitus, beweisen, daß die in lebender Rede umge­ bildeten Namen so fest geworden waren, daß sie, als man anfing sie schrift-3k« lich häufiger zu gebrauchen, in dieser Veränderung theils beharrten, theils erst spät sie ablegten, als das nationale dem gebildeten Fremden allenthalben zu weichen anfing. L. Postumius redete zu Tarent nicht durch einen Dollmetscher: es fehlte zwar viel daran, daß er griechisch gesprochen hätte, wie

jener Lukaner, dessen fehlerlose Rede das Volk zu SyrakuS zur Bewunderung brachte: seine Sprachfehler wurden ausgelacht, aber verständlich genug machte er sich und war auch wohl nicht als ein Virtuos in der Sprache gewählt, sondern weil der Eroberer von Venusia furchtbar genug in jenen Gegenden

bekannt seyn mußte. Der Beyname Sophus, den P. SemproniuS führte, ist ihm entweder von Griechen gekommen oder von Landsleuten, als einem Weisen in griechischer Art: wie auch der Zuname des Q. Publilius aus griechischem Verkehr kommt. Vorgezogene Kenntniß pythagorischer Wissenschaft, als andere griechische auch offen lag, zeigt sich bey C. Sul-

picius Gallus 533) freylich viel später: aber zwischen ihr und der etruskischen dürfte nahe Verwandtschaft gewesen und sie auch den Römern früh bekannt gewesen seyn.

So wird nun wohl auch die Aehnlichkeit, welche Panätius zwischen einem Gedichte des Appius Claudius des Blinden und den pythagorischen fand, nichts weniger als zufällig gewesen seyn34). Dieses Gedicht kannte Cicero nur durch den Griechen: thätig und wirkend, dabey ganz nach grie­ chischer Art gebildet, war er gegen das alteinheimische mehr als gleich­ gültig: es war denn aber doch nicht verloren, sondern ward wieder hervor-^? gezogen, und es sind sogar Bruchstücke daraus auf unö gekommen, welche nicht übersehen werden müssen3^). Die Rede, welche Appius in der Be­ rathung deS Senats über Pyrrhus Bündniß sprach, laS Cicero, der sie als Rede wohl mit Recht unerfreulich fand3^): so ist AppiuS in beyderley Re­ den der älteste namentlich bekannte Schriftsteller: nicht ein Fremver und Freygelassener ist es.

Während Appius Claudius Censur 437 (443) hatte die Plebs ver­

ordnet, jährlich sechzehn Militärtribunen zu wählen, anstatt daß bisher nur sechs erwählt, die übrigen von den Konsuln oder Dictatoren ernannt wa­ ren: so scheint es, daß die Aushebung von vier Legionen als Regel be­ trachtet ward, und wenn in jeder sechs waren, so bleibt noch ein Drittheil der Stellen für die Wahl der Feldherrn. Im nämlichen Jahr ward die

533) Plinius H. N. II. 19. '") Cicero Tuscul. IV. 2. (4.) 35) PriScian VIII. p. 792. P. Amicum cum vides, obliviscere miserias; Amicus si es commentus, nec Übens aeque. Denn im zweyten NerS wird es doch nicht inimicus seyn können. Commentus, tteDas zweyte Fragment findet sich bey dem falschen Sallust do ordin. rep. 1.1. (FestuS s. v. sluprum.) 36) Cicero Brut. 16. (61.)

III

Admiräle. Cn. Ftavinö. Sein Malender, schic ^mnmhnifl t. legis actiones. jährliche Wahl von zwey Admirälen verordnet*); ein Amt, welches

897

im

ersten pnnischen Kriege eingegangen war.

Cn. Flavius. So lange der etruskische Kalender auch im bürgerlichen Leben gebrauch­

an denen die Landleute zur Stadt kamen, auch die Tage, an denen die Könige Richter gaben, Recht sprachen und zusprachen, wo vor ihnen nach dem Geseze gehandelt werden konnte 537). Diese Nundinen waren achtunddreyßig, welche Jahr für Jahr immer auf den nämlichen Monatstag fielen. Als das zwölfmonatliche Jahr eingeführt

tes sich war, waren die Nundinen,

war und man auch es gerathen fand, Nundinen und Rechtslage zu trennen, blieb die Zahl der lezten, der dies fasti, unverändert achtunddreyßig 28): welches wohl doch ein einleuchtender Beweis ist, daß, was ich über den bürgerlichen Gebrauch des zehnmonatlichen Jahres gesagt habe, kein Hirngespinnst ist. Aber diese achtunddreyßig Tage wurden nun, ohne daß sich

eine dabey beobachtete Regel erkennen ließ, durch alle zwölf Monate ver­ teilt: und da die Geschäfte sich mehrten, auch an den Comitialtagen, wenn keine Comitien gehalten wurden, Recht gepflogen, und sogar von vielen Nefasten einige Stunden, ehe das religiöse Hinderniß des Tags eintrat

oder wenn es vorüber war, von den Pontifices für die Geschäfte bewilligt. Es kam also nun darauf an, um weder durch vergebliche Gänge Zeit zu verlieren oder eine Frist zu versäumen, zu wissen, welche Tage ganz oder zur Hälfte und in welchen Stunden nefast waren: und dies mußte jeder

von den Pontifices erfragen, so oft es ihm darauf ankam eS zu wissen. Da dies nun täglich vorkam, so sollte man denken, daß früh mehrere den sehr einfachen Gedanken gefaßt haben würden aus solchen Erkundigungen einen .^Kalender zu verfassen^); es war aber Cn. Flavius, der zuerst es wagte, diese einfache Sache auszuführen, und einen Kalender, der den Rechtscharakter jedes Tags angab, auf einer gegypsten Tafel gemahlt auf dem Forum aus­ stellte. Dies war für das ganze Volk, Plebejer wie Libertiner, ein Ge­ schenk, wofür alle dem Urheber großen Dank wußten, da sie sich von einer höchst lästigen und ärgerlichen Abhängigkeit befreyt fühlten. Das ist die Wohlthat, wodurch Flavius alle gewann, und das Stillschweigen derer, die wenn sie von der Volksgunst erzählen, die er dadurch sich erwarb, seiner Sammlung der legis actiones nicht erwähnen, schwächt die Sicherheit der Nachricht über ihre Verfertigung nichts- Cicero allein erzählt die Sache so, als ob diese actiones erst nachher erdacht worden wären, um den *) Vgl. Vortr. ü. Röm. Gesch. Bd. 4. S. 551. Anm. 1. A. d. H. r‘37) Oben S. 472. 3H) Manulius de dierum raiione in Gothofreds auctores 1. lat. p. 1381. sqq. 39) Es scheint, daß die einzige Schwierigkeit in den Comitialtagen seyn konnte, die einmal fasti waren, wenn kein Comitium gehalten ward, im Gegentheil nicht: wenn nämlich die Ponti­ fices wie sie wohl gethan haben werden, um ihr Geheimniß zu erhalten, nur sagten ob Recht gepflogen werden könne oder nicht; und nicht welcher Art der Tag sey. 40) Citationen wurden hier ganz überflüßig seyn. Niebuhr, Röm. Gesch.

57

898

bn. Flavius, obwohl 9totar, wird Aedilis curulis.

III

wesentlichen Vortheil der Selbständigkeit im Rechtsuchen aufzphebe^: da? ist aber ausgemacht falsch, auch wohl nicht Irrthum, sondery Neckerey, ynd wie so vieles in der nämlichen Rede sehr absichtlich thöricht gesprochen, wie die sprachen, welche es nicht besser wußten, um durch Ironie und Heiterkeit die ernste Prüfung einer Sache abzulehnen 'f welche sie keineswegs ertragen

sonnte541): an andern Stellen ist es klar, daß er vom ins civile des Fla-n.» viuS recht wohl wußte. Diese Sammlung war, wenn die Gebräuche und Formeln der legis actiones vorher nur durch Tradition erhalten gewesen wären, wichtig, um einschleichenden Abänderungen und Ungewißheiten vorzubeugen, wenn sie Autorität erhielt: sie konnte aber nach der Beschaffen­ heit der Sache, wo der geringste Fehler alles verdarb, den Beystand Rechts­ kundiger nicht entbehrlich machen, und daß es nun sun^möglich ward durch Aufmerksamkeit und häufigen Besuch des prätorischen Tribunal? rechts­

erfahren zu werden, wenn auch die Gesezkundigen Unterricht verweigerten, ward wohl nicht als ein allgemeiner Vortheil gewürdigt. Ueber den Inhalt des Buchs kann kein Zweifel seyn, daß die verschiedenen Actionen jeder Art darin ohne einige Gesezlehre oder System aufge­ führt waren, und daß bey den einzelnen als Protocollformular verzeichnest

war, waS AuluS Agerius, was NumeriuS NegidiuS, wgs der Prätor sprachen und thaten. PomponiuS giebt dieses Buch für eine Arbeit des App. Claudius aus, welche Flavius entwandt habe; Plinius"), ein Zeuge von großem Gewicht in der römischen Geschichte, nennt dagegen Appius al? den auf dessen Rath Flavius die Fasten gesammelt habe: und jener Erzäh­ lung dürfte also wohl nichts weiter als die Notiz eines Verhältnisses, wel­ ches zwischen beyden bestanden hatte, mißverstanden zum Grunde liegen. Die Popularität, welche Cn. FlaviuS gewonnen und verdient hatte, gab ihm Vertrauen sich um die kurulische Aedilität zu bewerben; und da er de?

Erfolgs sicher seyn konnte, der vorsizende Aedilis aber die Stimmen für ihn^> nicht annehmen wollte, weil er Notarius sey, soll' er eidlich diesem Geschäft entsagt haben. Diese Erzählung war sehr verbreitet; doch verwarf Äacer sie, vor andern in Urkunden und des alten Staatsrechts erfahren: weil er schon vorher Aemter bekleidet, die nicht minder mit libertinischen Berufs­ geschäften unverträglich gewesen seyen. Wie dem auch sey, so war seine Ernennung der entschiedenste Triumph der Gewerbsfaktion, wie es auch der

lezte war; er war noch troziger und drohender, wenn es gegründet ist, daß er zugleich zum Volkstribun gewählt ward"): die Wahl seines Kollegen

war ein gleicher für die municipes, die also mit jenen verbündet erscheinen: denn da Präneste das Bürgerrecht nicht hatte, so konnte es doch nur nach dem Rechte der Isopolitie seyn, daß Q. Anicius, vor nur wenigen Zähren Landesfeind44), mit ihm erwählt ward. Die überwundenen Candidaten von 54*) pro Murena c. 11. (vgl. Rhein. Mus. I. 3. S. 226 ff. (wieder abgedruckt in Al. Schr. Th. 2. S. 213.] Die dort mitgetheilten Bemerkungen waren zuerst als Anmerkung zu die­ ser Stelle ausgezeichnet, wo sie jezt wegfallen durften.)

4?) H. N. XXXIII. 6.

muS a. a. O. und auch PomponiuS will wohl eben die- sagen.

44) Oben S. 646.

43) Pli-

Bestürzung. Vermittelung. Flavius Vorgang ohne Nachfolge. Troz desselben.

III

899

plebejischem Adel waren C. Poetilius, M Altconsuls und Dictators Sohn,

und ein DomitiuS. Eine solche Wahl, nach der eß schien, daß das reinste Blut der Nation Roms Größe zum Vortheil abtrünniger Bundesgenossen und der Nach­ kommen gefangener Feinde erlaufe, empörte so allgemein, daß der Adel wie bey allgemeiner Trauer die goldenen Ringe, und die Ritter den silbernen Pferdeschmuck ablegten, und von nun an mußte der Entschluß gefaßt seyn, ohne Scheu und Zögern das Wahlgesez zu ändern.

sr-r

Cn. Flavius hatte der Concordia einen Tempel gelobt, wenn er die Stände mit dem Volke auSsöhnte545). Unter dem Volk (populus) sind hier augenscheinlich die Geschlechter zu verstehen; die Stände wären die Ple­

bejer und die Zünsler: aber welche Versöhnung ist hier wahrzunehmen? und anstatt mit den Zünftern vereinigt zu seyn, war vielmehr der plebejische Adel unmittelbarer beleidigt: obgleich da die Zünfter, waS unmöglich ge­ schienen, die ihrigen hoben, und nicht bloße Werkzeuge seyn wollten, die

Patricier nun mcht minder beunruhigt seyn mußten. Also da Flavius sich verbunden fand, sein Gelübde zu lösen, muß eine Aussöhnung eingetreten seyn, die mit ihren Umständen unbekannt ist: und über die sich nur ahnden läßt. Ich ahnde4Ö) aber, daß, da die Censur von Fabius und Decius noch

in daS nämliche Jahr fällt, Cn. Flavius Vermittler zwischen dm Seinigm und den höhern Ständen ward: einsehend, daß wenn seine Eigenschaften ihn zu hohen Dingen als Auszeichnung beriefen, die allgemeine Regel, durch die er sich gehoben, verderblich war; daß zu viel gewonnen worden und zurück­ gegangen werden mußte. Er hätte also gehandelt wie Michele di Lands bey der Empörung der Ciompi. Da nun grade solches Verdienst nie von denen anerkannt wird, die sich

nur mit der absoluten Herstellung der frühern Ordnung befriedigt fühlen, so kann eS auch bey dieser Hypothese nicht befremden, daß der Senat das ln^Geld versagte, um einem Gelübde zu genügen, welches den Staat freylich

auch wohl kaum verpflichtete: und daß, als FlaviuS im Ertrage von Geld­ strafe Mittel und Wege gefunden hatte, der Pontifer marimus sich weigerte, die Capelle mit ihm einzuweihen: worüber er doch wieder dem allgemeinen Willen nachgeben mußte. Dasselbe Volk verordnete aber damals auf deS Senats Vorschlag, daß niemand künftig ein Heiligthum ohne Verordnung deS Senats oder der Mehrheit der Volkstribunen weihen solle. Die Capelle war ganz von Erz, wie später der Tempel deS Janus. Mit einem Fremden, der in seiner Heimath adlich gewesen seyn wird, söhnten die Vornehmen sich leichter auS als mit seinen niedrig gebornen College«; jenem machten, als er krank lag, adliche Jünglinge einen Besuch;

als Flavius aber dahin kam, standen sie ihm nicht auf. Er ließ den kuru­ lischen Sessel herbeybringen und in die Thür stellen, also daß sie, so lange es ihm zu bleiben gefiel, ihn sehen mußten, wie es sie ärgerte ihn zu sehen.

54 5) Si populo reconciliasset ordines. PllniuS a. a. O.

4fi) pcwTEvopcu.

900

Censur deö Q. Fabius und P. Dccius.

Ihr Zweck.

III

Livius nennt dies ein denkwürdiges Beyspiel plebejischen Trozes 547) gegen adlichen Hochmuth: aber die Plebität hat hier nichts zu- schaffen: es ist die

Hoffahrt der niedrigen Geburt gegen die der vornehmen: und dieses Zusammen­ stößen verräth eine Stimmung, die höchst gefährlich werden konnte. Es ist merkwürdig, daß L. Piso, in der gracchischen Zeit selbst Oligarch, diese Anekdote mit Behagen erzählte^).

Die Censur des Q. Fabius und P.Decius. Es war, bis alle römische Einrichtungen unverrückte Festigkeit erlangten, ganz gewöhnlich, daß mehr als fünf Jahre verstossen, ehe neue Censoren

erwählt wurden: es ist aber, so weit eS sich wissen läßt, ohne Beyspiel, daß es in kürzerer Zeit geschah, und in acht Jahren dreymal neue Censoren erwählt wurden; acht Jahr 443 (449) nach Appius und Plautius 436 (442), Q. Fabius und P. Decius 50). Diese Beschleunigung, die Wahl des Paars gleichgesinnter Freunde, der ersten in beyden Ständen, läßt keinen Zweifel zu, daß sie berufen wurden um dem Uebel abzuhelfen, dem bei tätigerm Verzug leicht nicht mehr mit friedlichen Mitteln zu begegnen gewesen seyn würde. Nun ist es bekannt, daß von diesen Censoren die Folgen der Neue­ rung des Appius bezwungen wurden, daß durch sie Ruhe und Gesezlichkeit zurückkehrte, und Scandale, wie das der Wahl des Flavius, nicht mehr vorkamen, daß sie die Libertinen auf die vier städtischen Tribus beschränkten, daß dies allgemein als das Mittel angegeben wird, wodurch jenes große

Resultat erreicht wurde, und daß £1. Fabius, der als die Seele dieser ent­ scheidenden Unternehmung betrachtet seyn muß, daher den Zunamen Mari-^ä

mus erhielt. Aber wenn es klar genug ist, wie dadurch die Comitien der Tribus, also die Plebiscite, die Wahlen der Volkstribunen, beyder Aedili-

täten, der Militärtribunen und der niedern Magistrate ihnen entzogen, oder ihre Theilnahme bey getheilten Stimmen höchst beschränkt wurde, so war damit freylich im Wesentlichen die Verfassung dahin zurückgeführt, wo sie

vor 436 (442) stand. Aber die Neuerung war keine willkührlich dargebotene gewesen: die Begünstigten waren sehr zahlreich; sie mußten das Geschenkte lebhaft begehrt haben, da sie es leidenschaftlich benuzten, und wenn ihnen ihre ganze frühere gesezliche Befugniß blieb, so kann es keine Frage sehn, daß sie von dieser in den Centurien einen ganz andern Gebrauch machten als vorher; sie mußten ringen, um das Verlorne wieder zu gewinnen: die

Republik kam nicht zur Ruhe: und doch war diese Ruhe hergestellt. Ich habe bemerklich gemacht, daß der Staat schon vor Appius Censur

54,7) Was er hier plebeia libertas nennt, nannte er vorher contumacia. 49) Gellius VI. 9. 49) (Hierzu im Manuskript ein NB.) 5Ü) Ich weiß nicht ob schon bemerkt worden, daß die Verschiebung eines Sazes den falschen Schein auf Livius wirft, als habe er gedacht, es sey eine Zeit zwischen Flavius Aedilitüt und dieser Censur verflossen. Nämlich der Saz IX. 46. 12.: tantumque Flavii comilia — deponerent, muß von hier zwischen die Abschnitte 3 und 4 versezt werden: ex eo tempore (13) geht auf Appius Censur (11) nicht auf die Wahl.

III

Veränder. d. Wesens d. Ceutttnen-Verfass. 1) rurch d. Zuwachs neuer Völker; stechte:

daß Ränke

Betrachtung.

übermächtig waren.

Dieser Zustand

901

erheischt nähere

Es wird nicht an Stimmen fehlen, die, was ich nun vor­

tragen will, als einen Roman und willkührlich ersonnen verschmähen wer­ den. Mögen sich dann unbefangene Leser nur erinnern lassen, daß wer sich

mit der Erdkunde als Nebensache beschäftigt und wer sie als Wissenschaft erforscht, Landcharten mit ganz verschiedenen Augen betrachtet. Mag jener, was auf der Charte steht, eben sowohl anzugeben wissen als dieser, so hat dieser, wie Danville, einen Takt, der sein Urtheil und seine Wahl zwischen Angaben entscheidet, von denen jener eine blindlings vorzieht, oder alle als ^unsicher zur Seite schiebt, oder sich ein Mittel herauszieht, welches noth­ wendig falsch seyn muß: der eigentliche Geograph vermag aus einzelnen An­ gaben Folgerungen für das Unbekannte zu ziehen, die dem Ergebniß faktischer Beobachtungen ganz nahe kommen und sie ersezen können: die Gränzen des nicht genau Erforschten und des Unbekannten fallen für ihn nicht zusammen: ihm genügen beschränkte Data, um sich ein Bild von dem darzustellen, was auch kein unmittelbarer Augenzeuge beschrieb.

Die Geschichte des Alterthums

war lange jener todten Kenntniß und nach veralteten Charten gleich: Ent­ deckungen haben auch die Umrisse bereichert, unv der tüchtigen Forscher wer­ den immer mehr, für welche die Dinge selbst vernehmlich reden. Der ursprüngliche Zweck der Centurienverfaffung war, die Geschlechter

und die Gemeinde zu verbinden, so daß die Freyheiten und Rechte der lezten gesichert wären, jenen aber das Regiment bliebe, und zugleich den Aerariern, sowohl eigentlichen Municipes als Freygelassenen einen Ort zu gewähren, wo sie dem Staate nicht fremd wären; wobey die Eintheilung in Klassen,

außerdem daß sie nach dem Sinn der Timokratie gedacht war, das Zu­

sammenstößen der Stände in Massen hinderte und brach. Nun erlitten aber die zur Erreichung des Zweckes gewählten Mittel das unvermeidliche Schick­ sal, im Laufe von mehr als drittehalb Jahrhunderten in dem Grade unan­ gemessen zu werden, daß es, wenn auch der ursprüngliche Zweck nicht sehr modificirt worden wäre, doch unerläßlich geworden seyn würde, die Formen umzubilden; noch unentbehrlicher aber, da die Bestimmung der Centurien

3?T

sich geändert hatte. Die älteste plebejische Gemeinde, aus Latinern gebildet, deren Städte, wenn sie nicht zerstört wurden, zu Pagi (Demen) herabgebracht waren, war ein einartiges Ganze. Anders verhielt es sich mit den fremden Landschaften, die nach und nach zum vollen quiritischen Rechte zugelaffen wurden; diese waren nicht nur latinische Städte, die als solche fortbestanden, sondern auch Sabiner, Volsker, Etrusker; jezt sollten auch die Aequer ausgenommen wer­ den. Damit diese in der plebejischen Versammlung nicht vorherrschten, wurden von ihnen neue Tribus gebildet, die augenscheinlich ohne alles Ver­ hältniß zahlstärker als die alten gewesen seyn müssen. Diese Vorsicht war aber bey den Centurien eitel, und so viele von den neuen Bürgern in eine Klasse gehörten und sich zu Rom einfanden, mit eben so vielen Stimmen galten sie in diesen Comitien. /21ns diese Weise konnte man unmöglich

902

2) die Vermehrung der Aerarier;

3) Schwinden der Patricier:

111

fortfahren, den italischen Völkern das volle Bürgerrecht zu ertheilen, wel­ ches doch das wesentliche Mittel war, die Nation zu erfrischen und- zu stärken) daß es nachher verlassen warv. vafür ist die Herrschsucht und der Neid deS plebejischen Adels gegen die italischen Geschlechter verantwortlich, und diese gewissenlose und kleinliche Verwahrlosung des Gedankens der Vor­ fahren hat Rom um mehrere Jahrhundert von Jugend gebracht und Italien zu Grunde gerichtet; damals war aber seine Heilsamkeit entschieden einer* kannt, indem in dreyßig Jahren sechs neue Tribus gebildet wurden; und ohne alle Frage war es die Absicht solcher Bürger und Landeshäupter wie Fabius und Decius, Volk auf Volk in Tribus von einer Volkszahl, die

in Verhältniß der Entfernung und Fremdartigkeit immer zugenommen, mit»'»

den Quirlten zu verbinden. Die Ertheilung der Jsopolitie an so bedeutende Cantone wie Kapua, und die täglich steigende Wichtigkeit Roms und seines Bürgerrechts, der in der Natur der Sache gegründete Anwachs der Zahl der Libertinen, ver­ mehrte die Zahl der Aerarier in stets steigendem Verhältniß; diese Klassen, ansäßig .zu Rom, waren wenigstens großentheils der Clientel hingegeben> die ihnen die Unabhängigkeit nahm. Auf der andern Seite war das Verhältniß der Patricier in der Re­

publik durchaus anders geworden. Im Regiment auf die Hälfte beschränkt, des Veto bey Gesezen, wofür sich manches sagen ließ, beraubt, blieb ihnen noch das Veto für die Wahlen, dessen Anwendung jezt aber nichts als

Quälerey und Störung des Friedens verursachen konnte, und dies konnte also nicht bestehen; es war eins von den Rechten, wie verständige Männer sie lieber selbst hingeben. Ein geschlossener Stand, der immer mehr auöstarb, neben einem, der gewaltig anwuchs, und alle moralische Elemente immer reicher entwickelte, auf die sich die Ansprüche jenes begründen konnten, mußte, um nicht alles zu verlieren, sich beschränken: da er aber ohne das Wesen der Verfassung zu zerstören nicht verschwinden durfte, so durfte er

in der Centuriengemeinde eine günstigere Proportion fordern, alS welche genügte, so lange seine Theilnahme an ihr ganz unbedeutende Nebensache war; alS er nur erschien, um auch da nicht zu fehlen. Eine große Veränderung war ferner durch das Poetelische Gesez blei­ bend und für den größten Umfang vorbereitet. Es liegt gradehin im Wesenw der Sache, daß so wie früher der verschuldete Eigenthümer den Schoß be­ zahlte und in seiner Klasse blieb, so jezt der fiduciarische Besizer das ihm

zur Sicherheit gegebene Eigenthum im Census aus seinen Namen schreiben und sich zurechnen ließ: welches die Verhältnisse der Klaffen gänzlich um­ ändern mußte. Ich bin weit entfernt die Meynung modificiren zu wollen, daß die leichtere Ausmünzung des Kupfers im Wesentlichen durch das Steigen des Preises dieses Metalls gegen Silber regulirt worden ist^i): daraus folgt *51) Oben S. 268 s.

in

1) die Veränderung der Vermögens- Verhältnisse und de§ Geldwertes.

903

aber mit Nichten, daß nicht die Preise der allermeisten Gegenstände gestiegen sehn sollten; wie sie zu Athen, wo doch Silber ohne Veränderung im Münzfuß Courant war, von Solon bis auf Demosthenes stiegen ; ja eö wird niemand bezweifeln, daß dies zu Rom wie allenthalben geschehen sehn muß, und dieselbe Zahl Asse, ohne Rücksicht auf ihr Gewicht, den Werth einer ungleich geringeren Masse von Sachen ausdrückten als vor zweyhundert und fünfzig Jahren. Dazu kam, daß wenn zu Rom unter den lezten Königen ungleich mehr Reichthum gewesen sehn wird, als zu verschiedenen Zeiten später, schon seit mehr als dreyßig Jahren das Vermögen der Einzelnen wie die Zahl der Bemittelten, beh so großem Erwerb von Gemeinland *52) und so reichen neuen Quellen des Gewinns, auf eine vorher nie erfahrne Weise gestiegen sehn muß: also daß hunderttausend Affe damals gar viel weniger bedeuteten als vor Alters, und in einer Bezeichnung der Klaffen 38ob'ch weitem nicht mehr die eigentlich Reichen abgränzten und vom Mittel­ stände unterschieden. Roms Aussichten aber waren nun so glänzend, daß Gesezgeber, welche in die Zukunft sahen, berechnen konnten und wenn sie palliative Anordnungett für den Augenblick machen wollten, erwägen mußten, daß dieselben Ursachell von nun an mit stetiger Kraft würken würden. Und die Bereicherten und die sich künftig bereichern würden, waren wohl großenteils den beydell ersten Ständen fremd. Ferner angenommen, wofür sich ein triftiger Grund zeigen dürfte, daß' die Preise Durchschnittsweise auf das Dreyfache gestiegen waren, so gehörte die ganze fünfte Klasse, ja manche Individuen von der vierten der Wirk­ lichkeit nach im Sinne der ursprünglichen Anordnung unter die Accensi, und die Abtheilungen der mittleren drey Klassen, wo schon längst die Be­ ziehung der Stimmzahl und Kopfzahl verschwunden war, waren eine lästige Künstelet): eingetheilt und gesondert wär, wo Absonderung keine wahre Klasse deS Vermögensstanves mehr bezeichnete. Reiche von der größten Verschieden­ heit im Maaße des Reichthums und nur Wohlhabende bildeten eine unge­ sonderte Masse. WaS hatte nun der Gesezgeber zu thun, der gegenwärtiges Uebel abstellen und künftiges Wohl vorbereiten wollte? Es hätte nicht genügt, um den plebejischen Stand herzustellen, wie er vor Appius war/ die Rennsurllmen der verschiedenen Klaffen, um ein Bey­ spiel zu hübest, auf das Dreyfache zu "erhöhen: fernere Aenderungen würden ebeü so nothwendig geworden seyn: also neue Krisen: ein zu großes Gewicht 38i neuer Bürget, das Eindringell der Aerarier, wäre nicht abgewandt worden: gradehin schädlich wäre es dabey gewesen, daß eine sehr große Menge, die jezt dienstpflichtig war, voll den Legionen ausgeschlossen seyn würde. Dann ist aber die erste Bedingung eines entworfenen Gesezes, daß seine Annahme in gtsezlicher Form muß erlangt werden können, wenn auch diese Form nicht der Ausdruck deS faktisch überwiegenden, oft thörichten Willens'ist: und 552) Nicht als ob eS schöKpsiichtig gewesen wäre, sondern als Mittel der Geldgewinns.

904

Mittel ren entstandenen ttcbelständen ent^e^enzuwirken.

III

daß eS muß bestehen unv sich befestigen können. Ein solcher Vorschlag, der im zweyten und dritten Stande so viele ausgeübte, gewonnene Rechte

gekränkt hätte, wäre nimmermehr angenommen worden, und wäre ein Machtstreich möglich gewesen, um ihn einzuführen, so würde die Freyheit in Revolutionen untergegangen seyn. Heilsam, und bleibend heilsam war ein Wahlgesez, (wir können es so nennen, weil die Wahlen immer mehr Hauptsache der Centurien wurden) welches die Zünsler auf einen weit geringern Antheil beschränkte als sie vorher genoffen, die Municipes, bis sie in eine Tribus ausgenommen wur­

den, ausschloß: den Antheil, welchen jene seit wenigen Jahren in den Comitien der Tribus gewonnen, unbedeutend machte: es war doppelt heilsam, wenn es die Aushebung für den wahren Liniendienst vollkommner zu machen sich anwenden ließ.

Und freye Annahme, ja allgemeine Zufriedenheit war

dafür zu gewinnen, wenn es den Patriciern ein günstigeres Verhältniß ihrer

Stimmen zur Gesammtzahl; den wahrhaft Reichen unter den Plebejern neue Ehren; den minder Begüterten und bis an die Gränze des geringen Mannes herab Erhaltung, ja Ausdehnung der genossenen Rechte; den neuen

Bürgern Ansehen und Einfluß für ihre Vornehmen, für die Menge eine^ größere Schonung bey den Aushebungen, den Libertinen eben diese Vor­ theile gewährte: wenn dabey namentlich den lezten die Aussicht blieb, daß wenigstens ihre Nachkommen durch individuelle Zulassung, wofern sie Grund­

eigenthum erworben, zur vollen plebejischen Ehre gelangen würden. Mit Zweck und Hindernissen sind auch die Mittel angegeben: man nehme folgenden Plan nur noch als Hypothese für den entwickelten Fall, und aus diesem Gesichtspunkte prüfe man, ob er beydes, angemessen und

ausführbar, war. Man behielt von dem System der Centurien nur die Eintheilung in

den Ritterstand und den nichtritterlichen: wer nicht zu einer Tribus gehörte, war ausgeschlossen, wie in den rein plebejischen Comitien. Die Klaffen, wie sie bisher bestanden, wurden abgeschafft, und alle Tributen, die weniger als eine Million Affe und über viertausend Affe versteuerten, waren sich gleich; jede Tribus stimmte mit zwey Centurien, einer der Männer unter fünfundvierzig Jahren, einer andern über diese Altersgränze. Die Libertini

wurden auf vier TribuS beschränkt und diese Tribus den ländlichen so nachgesezt, daß sie erst nach ihnen, den zuerst berufenen, zum Stimmen gerufen wurden. In den sechs Suffragien blieben die patricischen Geschlechter, ohne Rücksicht auf Vermögen, wie sie bisher gewesen waren; in die zwölf andern Rittercenturien wurden alle eingeschrieben, die von einer Million Affe an versteuerten; den Municipes ward vor den Comitien eine Tribus durchs Loos angewiesen. So waren damals achtzig Centurien, sechs patricische,^

zwölf plebejische ritterliche, vierundsunfzig der ländlichen und acht der städti­ schen Tribus. Wenn das Stimmrecht in den Centurien von der Stimme in den Tri­ bus abhängig gemacht ward, so stand es in der Macht der Censoren,

III

Mittel den entstandenen Uebelnanden entgegenzuwirken.

905

zuzulassen und auszuschließen, die Munieipes waren entfernt und die Li­ bertin!, wenn sie auf wenige Tribus eingeschränkt wurden, waren in diesen Comitien, wie in denen der Tribus, ohne einen wesentlichen Einfluß. Die Stimmen der Municipes entschieden bey der Annahme, wie sehr sie einer solchen Aenderung entgegen seyn mußten, im geringsten nicht: ungerecht war es eben so wenig sie zu entfernen, da die vertragsmäßigen Verhältnisse zu den Latinern und Hernikern erloschen waren; und wenn denen, die von den Censoren das volle Bürgerrecht nicht erworben hatten, ein Ehrenrecht ge­ lassen ward, so war allen Forderungen der Billigkeit genügt. Wenn die Libertin! in wenige Tribus vereinigt waren, die Aushebung aber nach den Tribus geschah, so traf der Kriegsdienst, dem Zünsler, der seine eigenthümliche Kunstfertigkeit, womit er seinen Hausstand erhielt, oft nicht durch einen andern Arbeiter ersezen konnte, weit drückender als dem Bauer, sie in viel geringerem Maaße, als wenn zwar nach den Klaffen und TribuS conscribirt ward, aber wenn sie in allen Tribus waren, theils eine weit ausgedehntere Verpflichtung auf ihnen lag, theils unter den Tri­ buten die ihrigen absichtlich ausgehoben werden sonnte» 553). ast Dieselbe Erwägung mußte die Bürger der neuen Tribus geneigt machen, Vortheilen zu entsagen, welche die meisten wohl nur gebrauchten, wenn einflußreiche Tributen sie bewogen einige Tage an den Weg nach Rom zu wenden; und wenn eine allgemeine Regel aufgestellt ward, nach welcher den Reichen ein nur durch Verscherzung der Ehre einzubüßender Vorrang gesichert ward, so waren auch diese gewonnen. Die niedern Klassen waren es, wenn die erste ihr Uebergewicht verlor und die zwecklos gewordenen Scheidungen unter ihnen selbst weggeräumt wurden, ganz entschieden; und wenn die Ritterschaft ihnen bestimmte, so gaben sie die Mehrheit. Aber auch in der ersten Klaffe mußten viele einer Veränderung geneigt seyn, welche die schwere Last des Kriegsdienstes für sie erleichterte, und dies, so wie eine wesentliche Auszeichnung derer, die jezt waren, waö ursprünglich die ganze Klasse seyn sollte, wenigstens in vielen Centurien die Stimmen gewinnen. Die Ritter, wenn sie etwa anstatt Eines Zehntheiles der übrigen Centurienstimmen drey Zehntheile erhielten, gewannen so sehr, daß ihre ganze Unterstützung gesichert war: die Patricier ohne Beymischung fremder, die plebejischen Ritter, auch wenn ihre Centurien neue Mitglieder aufnahmen. Uns kann es eine Frage scheinen, und um so mehr je fremder unsrer Zeit also combinirte Verfassungen sind, ob denn aber nicht das fast gänz^liche Aufgeben des timokratischen Prinzips eine Annäherung zur Demokratie war, welche die angedeuteten Vortheile überwogen hätte. Allerdings war sie es, in so fern der geringste Vermbgenssaz noch weiter herabgesezt ward: und die Feilheit der Comitien in spätern Zeiten wäre bey der servianischen 553) In mehr als einem Lande sind bey der Anwendung der französischen Conscription die Juden in einem viel größern Verhältnisse auSgehoben worden : nicht daß man ihnen eine unverdiente Ehre der Meynung geschenkt, sondern um ihre Zahl zu vermindern.

906

Mittet den entstandenen Ilebelstänkett^entgegenzuwirken.

III

Verfassung, wenn die Klaffen, wie der Maaßstab deS RrichthuinS sich ver­ größerte, im Verhältniß der ursprünglichen Säze verändert worden wären, nicht denkbar gewesen: aber da die Linientruppen im Verhältniß dieser Er-' Höhungen abgenommen haben würden, so hätte die Republik schon den samnitischen Krieg nicht bestehen können. Eine nothwendige Folge der Be­ gründung der Centurien auf die Tribus war diese Feilheit, welche doch auch erst lange nachher ausbrach, keineswegs, sondern die Schuld theils des un­ seligen Stillstandes der Entwickelung der Verfassung, theils der Fahrlässig­ keit der Censoren in Zulassung von allerley Völk in die ländlichen Tribus: die Ausartung der Sitten konnte in einem Falle auch noch mehr verderben als im andern. Wenn die alte Timokratie der Wahrheit nach schon nicht mehr bestand, und ihr eigentliches Wesen nicht hergestellt werden konnte, noch durfte: wenn von hunderttausend bis zu einer Million doch nur eine Klaffe war, warum die hunderttausend haarscharf spalten? Wenn die Ver­ pflichtung zum Liniendienst weiter ausgedehnt werden mußte: wenn die bis­ herige Pflicht sich selbst zu rüsten aufhörte: mit welchem Fug hätte man denn die ganz für den Kriegsdienst abgemessenen alten Eintheilungen bey­ behalten? Je ferner von Rom neue TribuS gebildet wurden, je zahlreicher die Bürger, welche in den assignirten Landschaften wohnten, um so mehrst waren, wenn die städtische Bevölkerung unbedeutend gemacht war, die bey den Comitien Anwesenden verhältnißmäßig in größerer Zahl aus der be­ mittelten Klasse. Als die Centurien angeordnet wurden, standen ihnen die Patricier als ein Stand, der sich damals wohl nicht einmal durch Adoption ergänzen konnte, gegenüber: unter einander sich völlig gleich: doch wissen wir aus Sagen, die in solchen Dingen der Geschichte gleich gelten können, ^>aß sich unter ihnen sehr arme befanden. Das Prinzip des Reichthums war also damals durch das der Ehre ausgewogen: hätte man eö nun be­ haupten wollen, da die Patricier, weil sie sich nicht stärkten und erneuerten, weil sie sich nicht zu einem Nationaladel bilden konnten, noch wollten, immer mehr Boden verloren, zu wessen Vortheil wäre es geschehen? Richt zu dem des großen Vermögens, welches eine Macht ist, und als solche anerkannt werven muß, sondern ihm zum Nachtheil, zu dem emeS sehr mittelmäßigen: darauf aber kommt lange nicht so viel an, als darauf, daß eS natürlich weit weniger die Landleute als die niedrig Gebornen waren, die reich wur­ den. Aber überhaupt ist die Klassification nach dem Vermögen nur ein dürftiges Auskunftsmittel, wo die Begründung wahrer Aristokratie fehlt. Diese gewährte bey den Plebejern aller Klassen das Gefühl freyer Ahnen, der unfreyen Abstammung entgegenstehend, der Kriegsdienst, aus dem die Heere doch noch immer zu den Wahlen heimkehrten 554), fcie selbsterworbenen und von den Vorfahren ererbten Spolien und Ehrengeschenke, Verwandt-^ schäft mit geehrten Familien. Der Plebejer aus alter Tribus fühlte sich adlich, wie der Asturier: und er war es: wo aber Gleichheit ist, trennen 5"54) Welche- eine Ursache war, daß die Wahlen nicht vor dem Ende des AmtSjahreS gehalten wurden.

III

Mittel den entstandenen ttebelstandcn entqegenzuwirken.

907

und scheiden wollen, toetberM die Emporgehobenen und Zurückgesezten: glück­ lich Rom, daß es ein zwiefaches adlicheS Volk hatte! Die Möglichkeit der Freyheit beruht darauf, daß in der höchsten Gewalt die Gesammtheiten, welche sie sich theilen, so auf einander hemmend und eintretend würken kön­ nen, daß keine, ohne größere Gefahr als sie wagen mag, Willkühr ausüben könne: darauf daß in ihrem populären Theil statt Einförmigkeit Mannig­ faltigkeit bestehe, wie die Verschiedenheit der alten, neuen und neuesten, der ländlichen und städtischen Tribus, sogar Feindseligkeiten zwischen einzelnen655) sie hier gewährte: endlich darauf, daß die überwiegende Zahl der ganzen Bevölkerung, nicht minder durch die Geseze geschüzt, von dem, waS die Stände, von deren Aufwiegen die Freyheit abhängt, nahe berührt, nicht bewegt werde: und so standen die Aerarier selbst nach AppiuS Neuerungen, ja selbst die Libertini waren im Grunde auf diese Lage in die städtischen Tribus wieder beschränkt. UebrigenS kam es den Römern nicht in den Sinn von Wahlen zu erwarten, daß die Wählenden den ausnehmend taug­ lichen finden sollten: sie sahen darin eben wie in der censorischen Berufung in den Senat nur einen Nothbehelf, wie irgend einer da seyn mußte um den Mann auf seine Stelle zu sezen: das zeigt der Einfluß der Prärogativa hinreichend. 1 Ich glaube dargethan zu haben, daß eine Ordnung wie die oben ge­ zeichnete, den Bedürfnissen der Republik höchst angemessen, daß sie für alle Stände annehmlich war, und daß nichts empfahl, an ihrer Statt eine bloße Umbildung der alten vorzuziehen: die historische Frage, ob sie eingerichtet ward, ist eine ganz verschiedene, obwohl ihre Beantwortung von jener Unter­ suchung vorbereitet werden mußte. Es ist gewiß hinreichend darüber sehr kurz zu seyn, daß die servianische Verfassung wenigstens am Ende der Re­ publik und in den nichtigen Comitien, welche unter August fortdauerten, nicht mehr bestand. Bor Zeiten mochte man sich vorstellen, daß Cicero durch die Einstimmigkeit der Ritter und der achtzig Centurien der ersten Klasse gewählt worden sey: jezt denkt es wohl Niemand mehr, der sich einiger­ maßen mit historischer Philologie beschäftigt; und veralteten Wahn darf man als beseitigt betrachten. Hier ist es hinreichend an die längstbekannten Stellen, welche mit klaren Worten darthun, daß jene Ordnung nicht mehr bestand, nur zu erinnern: wenn es auch nöthig seyn wird zur AuSmittlung dessen waS ward, auf sie zurückzukommen 5§). Nicht überflüßig aber ist es ein Paar, wenn ich nicht irre, übersehene anzuzeigen: die Capitalgerichte, welche immerfort bey den Centurien waren, wurden zu PolhbiuS Zeit nach Trtbus gehalten, also daß wenn nur eine noch nicht gestimmt hatte, der Angeklagte das Land räumen konnte57); ja schon in PlautuS Sagen57*): 555) z. B. zwischen der Pollia und Papina: LiviuS VIII. 37. 5S) Livius I. 43, 12. 13 und die welche schon Ursi»«- nach Ant. Augustinus, bey dieser Stelle anführt. XXIV. 7. und 9. XXVI. 22. XXVII. 6, Cic. de leg. agr. II. 2. (4.) pro Plancio 20. (49.) 5‘) VI. 14.: xav €TL pXa (pvkrj iwv tmxvQOvötoV tijv xq(ow 57a) Captivi III. 1. 15. 16. Ipsi de foro tarn aperto capile ad lenones eunt, Quam in tribu aperto capile sontes condemnant reos.

908

Die servianische Verfassung schon für Cicero eine Antiquität.

HI

und noch einmal daraus aufmerksam zu machen, wie große Verschiedenheiten bey Livius, Dionysius und Cicero in der Zahl und der Stellung der beyge-sss ordneten Centurien, daher in der Gesammtzahl, zwischen jenen beyden über den Census der fünften Klasse herrschen, welches sonnenklar zeigt, daß sie vergangene und verschwundene Dinge beschrieben^). ferner daß nach Livius die Ritter zuerst berufen wurden, da doch schon im hannibalischen Kriege eine Tribuscenturie als Prärogativa vorgerufen ward: endlich daß die neuere Ordnung der Legionen, wie Polybius sie schon für die Zeit des hannibalischen Kriegs beschreibt, die Beseitigung der Klassenunterschiede eben so entschieden voraussezt, wie die ältere die Klassen genau nach der servianischen Verfassung. Lessing frägt, ob eine Meynung deshalb verwerflich sey, weil sie sich dem unverkünstelten Verstände zuerst dargeboten? Und je mehr Beyspiele ich in der römischen Topographie kennen gelernt habe, mit wie richtigem Blick die ersten Restitutoren oft trafen, wenn sie auch manchmal wieder falsch sahen, und wie das, was sie völlig genügend bestimmt hatten, nachher durch Klügeln minder Hellsehender, die sich mit einem zusammengetragenen Ap­ parat verwirrten, den sie nicht zu überschauen vermochten, in die größten Irrthümer verkehrt worden ist, so wundert man sich nicht, wenn auch in andern Dingen die Forschung nur das wieder hervorzieht, was schon in390 der ersten Halste des sechszehnten Jahrhunderts gelehrt, und nachher als durch Klügeres ersezt, bey Seite gethan und vergessen ist. Von dieser Art ist die Ansicht, deren Antonius Augustinus bey Ursinus 59) angeblich nach Dinge des öffentlichen Lebens übersezt Plautus nie: und bey den Griechen ward in den Ge­ richten nicht nach Phylen gestimmt. 55fl) S. meine Schrift über die Stelle Ciceros von den Comitien der Centurien. [©. 5 ff. Zuf. d. Her. Da diese Schrift in die zweite Sammlung der Kleinen Schriften nicht ausgenom­ men ist, weil ihr Inhalt im Wesentlichen in die Römische Gesch. Th. 1. S. 477. der 3. AuSg. übergegangen war, die hier angezogene Stelle aber die Unterschiede zwischen den drey Ge­ währsmännern in so conciser Weise darstettt, wie die Geschichte eö nicht thut, so wird die besagte Stelle hier abgedruckt: „Livius zählt eine Centurie mehr als Dionysius, 1 94 statt 193: nämlich die accensi, von denen der griechische Schriftsteller nichts weiß: jener rech­ net die Zimmerleute zur ersten, die Spielleute zur fünften Klaffe; dieser die einen zur zwey­ ten, die andern zur vierten: jener sezt den Census der fünften Klaffe zu 11000 Affen an, dieser zu 12500 (nämlich 1250 Drachmen): — eine nicht minder bedeutende Verschieden­ heit, obwohl der Verfassung fremd, ist in der Angabe der Bewaffnung der fünften Klasse: nach Livius "ipilot — Rorarier; nach Dionysius Hopliten, nur unvollkommen gerüstet. Cicero weicht von beyden darin ab, daß er nur eine Centurie der Zimmerleute kennt: diese aber verbindet er, eben wie Livius, mit der ersten Klasse: er bestätigt auch, gegen Dio­ nysius, die accensi als Theil der Centurien Comitien : doch wieder mit wesentlicher Ab­ weichung von LiviuS; indem er, wie es bestimmt den Anschein hat, zwey Centurien annimmt, accensi und velali. Wichtiger als diese Verschiedenheiten, ja bey aufmerksamer Erwägung sehr folgenreich, ist, daß durch ihn die von GelliuS erhaltene Notiz über den Stand der Pro­ letarier bestätigt wird. Livius sowohl als Dionysius sind in der Angabe einig: alle die we­ niger als den niedrigsten Saz der fünften Klasse an steuerbarem Vermögen angegeben hätten, wären, vom Kriegsdienste befreyt, in eine einzige Centurie begriffen gewesen. Cicero aber, eine Centurie der Proletarier unter diesem Namen ausdrücklich anerkennend, bestätigt Gel­ liuS Meldung, daß nur die zu diesem Stande gezählt wurden, welche höchstens 1500 Asse Vermögen angaben.") r’9) zu Livius a. a. O.'

III

D. richtige Meyn. üb. d. spät. Gestalt d. Eent.-Bersass. schon im 16. I. H. oorgetr. 909 Pantagathussoo), nur im Vorbeygehen sie verwerfend, gedenkt, ohne ihren

Urheber zu nennen.

Die Verdoppelung der Tribus, sagt er, bestand nicht

darin, wie Jemand 61) gemeynt hat, daß, nachdem fünf und dreyßig Tribus

errichtet waren, diese siebenzig Centurien ausmachten, und diese, wie derselbe

aus der Stelle in der zweyten Philippica*) folgert, in zwey Klaffen ein­

Nach dieser Verdammung wird die Meynung des

getheilt gewesen wären.

PantagathuS als die einzig richtige vorgetragen, nach welcher die fünf Klas­ sen geblieben wären, so daß jede die beyden Centurien für jede Tribus ent­

halten hätte: nicht anders wären auch die Ritter nach Tribus eingetheilt gewesen, wobey eS nur unentschieden bleibt, ob nur die Jüngern, also nur

eine oder auch bey ihnen zwey Centurien: im ersten Fall wären dreyhundert fünf und achtzig, im zweyten vierhundert und zwanzig Centurien gewesen.

391

Die Unzuläßigkeit dieser Meynung erhellt zunächst aus der physischen Unmöglichkeit der Sache.

Die römischen Wahlversammlungen konnten nicht,

wie englische auf mehrere Tage hinausgezogen werden; sie mußten in einem Tage beendigt seyn oder wieder von vorne beginnen.

Sie mußten, wie alle

öffentlichen Handlungen, mit Sonnenuntergang geschlossen seyn, und began­ nen doch wohl nicht vor Tagesanbruch.

Dann blieben, wenn der Fall ein­

trat, den Cicero so anführt, daß er gar nicht unerhört seyn konnte, daß

man bey einer bestrittenen Wahl alle Centurien stimmen lassen mußte, an einem mittlern Tage grade zwey Minuten, um die Stimmgebenden über die

Stege zu lassen und ihre Stimmen anzunehmen.

DaS ist gradehin undenk-

bar: wobey ich nicht verkenne, daß seit dem Cassischen Gesez auch acht und achtzig Centurien Mühe haben mochten fertig zu werden, da auf jede noch nicht völlig zehn Minuten kommen: aber schwierig ist nicht unmöglich.

Die Auslegung,

wodurch die Worte bey Livius, die am allermeisten

bedeuten, von zwey Centurien in jeder Klasse verstanden werden sollen, will

ich nicht als eigentlich unzuläßig verwerfen: doch hätte Livius sich alsdann

sehr sorglos ausgedrückt. Und wenn die Klasseneintheilung selbst mit der Centurienzahl einer jeden dahin deutet, daß bey der ersten Einrichtung von je fünf und dreyßig Bür­

gern der ersten fünf Klassen, sechs

in der ersten, neun und zwanzig in den

vier übrigen ungefähr gezählt seyn müssen, so mag

immerhin hypothetisch

gedacht werden, worüber sich nichts mit einigem Schein angeben läßt, daß zur Zeit der Aenderung die Zahl der Bürger der ersten Klasse, nach Ab­

sonderung der Ritter, ein Fünftheil der ganzen in den Klassen zugelaffenen

Bürgerschaft ausgemacht habe, und daß im Sinne griechischer Demokratie

ihnen nun auch nicht mehr Stimmen gelassen wären.

Aber daß nun ferner

56°) Ich sage angeblich, weil sich nicht wissen läßt, wie viel die Schüler wirklich von den münd­ lichen Belehrungen dieses philologischen Socrates empfangen haben; und ob sie nicht, wie man wohl vermuthen möchte, sehr oft seinen Namen vorwandten, um ihre eigenen Gedanken unangefochtener vorzutragen. Er war ein römischer Mönch. Dieser Jemand wird Gabriel Faernus seyn, gegen den PantagathuS Jünger einen giftigen Groll hatten, wofür Michelan­ gelos Freundschaft den ausnehmenden Mann entschädigte. FacrnuS mochte bey seiner Bearbei­ tung der Philippika auf die Folgen jener Hauptstelle aufmerksam geworden seyn. *) 11. 33.

910

Hinwendungen gegen dieselbe. Veränderung des Census der Klassen.

III

die ihr zunächst stehenden umgekehrt gegen sie, und direct gegen die lezte Klaffe begünstigt worden seyn sollten, das stimmt mit keinem System und läßt sich gar nicht denken: eben so wenig läßt eS sich denken, daß, wo schon eine ganze, und wie in klaren Zahlen vor dem hannibalischen Kriege er­ scheint, sehr zahlreiche Klasse von Eigenthümern über eine Million bestand, die nur eine Klaffe bildete, die Verschiedenheit in den Fraktionen zwischen hunderttausend und zwölftausend fünfhundert, welche nur Wichtigkeit haben konnten, so lange hunderttausend Affe den verhältnißmäßig reichen Mann machten, und nur wenige einzelne weit darüber hinausreichten, noch eine so wesentliche Bedeutung gehabt haben sollte, daß eine Klaffe gegen die an­ dere, und zwar ausnehmend begünstigt worden tväre 562). Wie der GeldeSwerth fiel, veränderte sich vielleicht das Verhältniß der Zahl der eigentlich393 Armen zu der der mehr oder minder Bemittelten (der proletarii zu den locupletes) nicht: aber es ward immer gleichgültiger, wie viel daran fehlte wohlhabend zu seyn: am allerwenigsten konnte dies der Verfassung zur Basis dienen, oder die Klassen dieser Art begünstigt werden. Männer wie Antonius Augustinus und Andere, die später diese Mey­ nung gebilligt haben, konnten dies nur übersehen, weil sie versäumten, sich bürgerliche Zustände aus dem Bücherstaub und den der Anschauung fremden Formen einer ganz andern Zeit ins Leben zu führen. Hätten sie dieS ge­ than, so würden sie unfehlbar einen Schritt weiter gegangen sehn, ange­ nommen haben, daß Klassen nach dem Vermögen allerdings geblieben, aber nach dem veränderten Geldwerth normirt worden seyen: ein solches Uebersehen, durch dessen Wahrnehmung der Gedanke eigentlich nur vervollständigt wird, kann sogar billiger Weise nicht gegen ihn angewandt werden^). ES wären diesen belesenen Forschern auch Stellen nicht entgangen, wo man allerdings in den Vermögensklaffen einen bedeutenderen Sinn zu finden 391 glauben könnte^): doch kann nur vorgefaßte Meynung bestimmen, eine höchst einfache Ansicht, die keiner weitern Hypothese bedarf, einer künstlichere 5f,?) Damit die großen Zahlen und das fremde Geld nicht täuschen, will ich ein Beyspiel in be­ kanntem Gelde fezen: hundert alte Asse oder zehn Denare kann man, wo es auf große Ge* nauigkeit nicht ankommt, vier Gulden Reichsgeld gleich rechnen, also hunderttausend Affe viertausend Gulden. Nun würde etwa im vierzehnten Jahrhundert der Silhergehalt, der jezigen viertausend Gulden entspricht, in Deutschland das Vermögen eine- recht wohlhaben­ den Bürger- au-gemacht haben: und wiewohl es einzelne weit reichere gab, diese Klaffe ganz füglich dadurch haben abgemessen werden können. Damals hätten denn auch dreytaufeird, zweytausend, tausend und fünfhundert Gulden weitere angemessene Klassenabtheilungen an­ gegeben. Wenn nun aber im Lauf der Jahrhunderte das Vermögen so stieg, und der Werth deS Gelbe- so abnahm, daß eine ganze Klaffe von Reichen über vierzigtausend Gulden ge­ bildet worden wäre, wie wäre eS dann denkbar, daß die Klaffen so gestellt worden wären, daß die Eigenthümer zwischen vier- und dreytausend Gulden, die sehr Reichen abgerechnet, ein Fünftheil der Stimmen erhalten haben sollten? daß man überhaupt nur noch Wichtig­ keit auf diese geringfügigen Unterschiede gelegt habe. 63) Daher habe ich der Hypothese dePantagathuS Consequenz und Concinnität zugeftanden, welche freylich ohne diese Vervoll­ ständigung ihr fehlt. ®4) Bey Liviu- XXIV. 14., wo Schiff-leute gestellt werden sollen: eine Million, dreyhunderttausend, hunderttausend, funfzigtausend Affe: und XLV. 1&. ein Censu- von fünfundsiebzigtausend Affen für Freygelassene.

nachzusezen, welche sich nicht ohne neue Hypothesen halten kann, die auf so ganz unsichere Angaben gegründet werden müßten. Wenn aber die Verdoppelung der Tribuszahl darin bestand, daß für jede Tribus zwey Centurien, eine der Aeltern und eine der Jüngern, er­ schienen, dann, und eigentlich doch nur dann ist Livius Ausdruck genqu: ja dann ist er es so sehr, daß, wenn der Geschichtschreiber an die Noth­ wendigkeit hätte denken können, einem Mißverständniß der Nachwelt vorzubeugen, er keinen schärfer gefaßten hätte wählen können. Damit stimmt denn auch die Nennung der Centurien ohne nähere Bestimmung, deren Aus­ lassung eine andere Hypothese annehmen muß: damit Polybius Erwähnung der sämmtlich zum Stimmen in den iudiciis capitis berufenen Tribus. Ja ich seze hinzu: dafür redet auch ein zwar negativer Beweis, aber von der größten Dedeu-tung, daß dieser nämliche umsichtsvolle Geschichtserzähler*), wo er den Griechen das Mesen der römischen Negierung klar zu machen sich bemüht, vom Volk nur als spricht, wobey jeder Grieche durch­ aus nur an eine nach Phylen stimmende Gemeinde Gleicher denken konnte: ohne ein Mort, was sich durch irgend eine Interpretation auf Vermögens»"klqffen beziehen ließe: außer daß er sagt, die Ritter, ehemals aristokratisch auSgewählt, würden jezt nach ihrem Reichthum eingeschrieben: und das ist um so entscheidender, da jene alte Centurienverfassung oder was ihr nur analog gewesen wäre, für die damaligen Griechen wenigstens ganz beyspiel­ los und unerhört war: er aber so sorgfältig ist, daß er sonst erwähnt, wie die, deren Census über zehntausend Drachmen betrug, — also die ehemalige erste Klaffe, — obgleich ohne Unterschied zwischen die übrigen rangirt, nach der römischen Sitte in Allem Andenken des Vergangenen zu bewahren, durch die Brustplatten unterschieden waren. Ich liebe Appellationen nicht, wie die, zu der ich mich hier genöthigt fühle: aber ich muß es sagen: wer Polybius Manier kennt, der kann nicht bezweifeln, daß, wenn jene Solda­ ten von mehr als zehntausend Drachmen Vermögen zu einer ersten Klaffe gehört hätten, er hinzugefügt haben würde: ,,und welche zu denen gehören, die bey ihnen in den Wahlen und Volksgerichten, und wenn die Consuln ein Gesez in die Volksversammlung bringen, die erste Symmorie bilven und daS meiste vermögen:" denn diese Ausführlichkeit liegt in seiner Natur und dem Bedürfniß, eben so klar und vollständig begriffen zu werden wie er henkt. Daß seine Schilderung der Volksmacht mit der alten Centurienverfaffung ganz unvereinbar ist, ist mir lange vorher unbegreiflich ausgefallen, ehe ich in diesen Dingen Licht sah: und so wird eS jedem seyn, der unbe­ fangen foxschenh uytz anschaulich liest. Nun kommt in den weitläuftigen Berichten über die Einrichtung und das Verfahren der servianischen Centuriencomitien keine Spur einer Prärogativa 396vor, noch war sie nöthig, da eine Majorität unter den Rittern und der ersten Klaffe über die Candidaten einig seyn konnte, ehe der Wahltag kam.

912 Prärogative beb fr. Wahlen fr. neuen Centurien: schon früher heu fr. Tribn^wahl.

li(

Anders war es unter den Tribus, wo viele Landleute mit ihren Haus­ pflichten und ehrlicher Arbeit beschäftigt, die öffentlichen Begebenheiten wenig

beachteten, und nur wenn es nöthig war, zur Stadt kamen: um diesen die ihnen unbekannten Candidaten zur Wahl vorzuzeichnen, ward eine als Prärogativa aufgerufen 565). Nämlich zu jeder Tribus gehörten Männer, welche allerdings in der Stadt und im Gemeinwesen lebten und webten, und von ihren Genossen als Autorität geehrt wurden, und wenn diese unter sich einig waren, so stimmten ihre Tributen ihnen bey: nach diesem Resultat aber bestimmten sich die übrigen Tribus, seltene Fälle ausgenommen: wie denn auch später, als die Centuriatcomitien tribusweise gehalten wurden, bestrittene Wahlen vorkommen, so daß die stete Entscheidung der Prärogativs ja nicht buchstäblich genommen werden muß 66). Die Römer dachten sich bey den Wahlen, wie bey Abstimmungen über Geseze, keine individuelle Entscheidung des Stimmenden; die Idee, durch deren Zusammensummirung und Majo­ rität tüchtige Entscheidungen zu erlangen, konnte ihnen gar nicht in den Sinn kommen 67): sie sahen namentlich in den Wahlformen nur ein mehr oder minder unvollkommenes Mittel einen Mann an seine Stelle zu sezen, nicht anders als durch die censorische Eintragung in den Senat, Ritter-»s? schäft und Tribus. Hätte eine Tribus die Vorstimme bleibend gehabt, so würde diese alles entschieden und eigentlich die Republik beherrscht haben: sie würde der Gegenstand unaufhörlicher Intriguen und Bestechungen gewor­

den und verderbt seyn: eine natürliche Opposition der übrigen hätte den Zweck der Sache vereitelt, das Loos also mußte entscheiden: ferner aber läßt sich ohne einigen Zweifel annehmen, daß in der TribuS der zuerst stimmende, welcher namentlich bezeichnet wird, nicht eben so durchs LooS entschieden ward, sondern durch die Wahl des vorsizenden Magistrats, als der notabelste und achtbarste, dessen Stimme wieder der ganzen Tribus die Richtung gab. DaS Daseyn einer Prärogativa in den Tribuscomitien er­ hellt auS den Comitien der Militärtribunen, im Jahr 359 cß), wie die Auf­

rufung der übrigen Tribus nach einem Recht der Ordnung, aus dem Aus­ druck iure vocatae. Dieser Einfluß und diese Ehre der Prärogativa konnte einer auss^ Libertinen bestehenden Tribus unmöglich zu Theil werden: wie also hierin 665) Varro bey FestuS s. v. Praerogativae. si6) Nicht in den älteren Zeiten; in Ciceros Tagen mochte es anders seyn. ti7) Sie gehört zu denen, welche Lessing, wenn er unsere Tage er­ lebt hätte, „schaal, ekel und anfstoßend" genannt haben würde. 68) Livius V. 4 8. CS er­ hellt ferner aus dieser Stelle, daß die Militärtribunen mit consularischer Gewalt nicht von den Centurien, sondern den Tribus gewählt wurden: ein höchst wichtiger Umstand, wodurch es erst klar wird, warum dem Senat so viel daran lag, daß Consularcomitien gehalten wur­ den. Denn unter den Patriciern waren Freunde deS Friedens und der gerechten Ordnungen, welche man in diesen ausschließen konnte, in jenen nicht: der Beweis ist unzweifelhaft in den Worten iure vocatis tribubus (vergl. ein Bedenken dagegen oben S. 573). Wäre Dukern dieses in den Sinn gekommen, so würde die Untersuchung in seiner schönen Anmerkung zu jener Stelle leicht an das Ziel gekommen seyn, vor dem sie nun ungewiß umherirrt. Wie Schade, daß Duker nicht das römische Staatsrecht außgesondert ergründete! Wie Schade, daß er ThucydideS herauSgab! — UebrigenS bin ich wohl weit entfernt, ihm daS einzelne Uebersehene vorzurücken: ist es mir doch nicht anders ergangen.

III

Prärogative nur f. d. iändl. Trib. ttntersch. d. neu. Comitien v. d. Trib. Com.

913

Unterschied eintrat und jene nur aus den ländlichen gezogen ward, wurden diese unter den iure vocatis (das waren alle) 569) sehr passend durch den Namen primo vocatae unterschieden. Die Versezung aus einer ländlichen in eine städtische Tribus war also nun auch, nicht allein in Hinsicht auf den Ursprung der Tributen, eine bürgerliche Herabsezung.

Die städtischen

können im Gegensaz postremo vocatae genannt sehn. ES dürste aber auch nicht befremden, wenn beyde Abtheilungen als prima und secunda classis unterschieden worden wären: denn so eigenthümlich das Wort classis eine

Heeresabtheilung und daher den Inbegriff von alten Centurien bezeichnet, so verlor sich diese bestimmte Bedeutung in die allgemeinere, und die Ab­

theilungen der späteren Centurien verschiedenes Rechtes konnten zunächst höchst füglich so genannt werden.. So erkläre ich nun die bekannte Stelle

der zweyten Philippica79): bie erste Klaffe sind die Centurien der ländlichen Tribus mit den zwölf der Ritter: alsdann werden die sechs suffragia ge­ rufen : zulezt die Centurien der städtischen Tribus. Daß die suffragia nach der ersten Klasse stimmten, sagt die angeführte Stelle mit klaren Worten, die man der kritischen Willkühr nicht Preis geben darf: und es folgt aus der eben so bekannten vom Volksgericht über -sgden Censor C. Claudius, wo die zwölf Centurien der Ritter als in der

ersten Klasse stimmend erwähnt werden 71). Diese Verbindung war ganz angemessen und natürlich, denn die Ritter in ihnen waren Plebejer; in den sechs Suffragien hingegen waren die patricischen Geschlechter 7?) enthalten, auf welche die Bestimmung der Ver­ mögensgränze von einer Million Affe natürlich keine Anwendung fand; ja im eigentlichsten Ausdruck werden diese nicht zu den ganz limokratisch ge­ ordneten Rittern gezählt. Dieses Stimmen nach dem plebejischen Stand ist in der alten Ordnung der Entscheidung der Curien über die Beschlüsse der andern Comitien begründet. In vier sehr wesentlichen Punkten waren die Comitien der neuen Ord­ nung noch immer von denen der Tribus unterschieden: in der Absonderung der plebejischen Ritter und Theilnahme der Patricier: der Theilung der TribuS in Centurien der Aeltern und Jüngern: der Ausschließung der Prole­ tarier: der Anwendung der Auspicien. Die Centurien der Aeltern bildeten eine moralische Aristokratie einer viel kleineren Zahl erfahrner Männer, welche ihre bürgerliche Achtbarkeit und Vermögen bis zu einem Alter bewahrt hatten, wo Beydes, im Allge­ meinen zu reden, für das übrige Leben gesichert war. Die Ausschließung der Proletarier, jezt derer die unter viertausend Affe Vermögen angaben, 4oovom Legionendienst73), läßt ihre Ausschließung aus den Comitien folgern: 5G9) Auch unter den urbanis war nothwendig eine Rangfolge: btc Esquilina muß die niedrigste gewesen seyn. (LiviuS XLV. 15.) 70) c. 33. (82.) Prima classis vocatur. 71) LiviuS XL11I. 16. 72) Festus s. v. Diese Unterscheidung liegt auch dem zum Grunde, was Li­ viuS I. 43. 8. 9. sagt, wo Gronovs Emendation e tribus evident wahr ist. 73) PolybiuS VI. 19. Die Annahme dieser neuen Vermögensbestimmung, deutet auf jene Veränderung des Geldwerthes auf ungefähr ein Drittheil zur Zeit der Abänderung des Wahlgesezeö. Niebuhr, Röm. Gesch. 58

914

in

Schwierigkeiten der obigen Darstellung und Lösung.

in den Tribus hingegen stimmte jeder Quirite ohne einigen Unterschieds. Die Auspicien, wenn gleich in ihrem Ursprung religiös gemeynt, waren doch schon früh auch ein politisches Mittel der hemmenden Einwirkung der Re­ gierung auf die Volksversammlungen75). Ich habe meine Ansicht von der Beschaffenheit der späteren Centurienverfassung mit dem Ausdruck der Gewißheit vorgetragen, der meiner Ueber­ zeugung entspricht, daß ihr Wesen hinreichend durch die Worte der zu er­

wägenden Stellen und durch die Verhältnisse bewiesen ist, aus denen sie eben so hervorgehen mußte: daß die alte Einrichtung nicht geblieben war, noch ohne Widersinnigkeit bleiben konnte. Darum aber verkenne ich nicht, daß eben eine so einfache Ansicht, auf die Livius ausdrückliche Worte und die Erwähnung nur zweyer Klassen und der Suffragien in der Erzählung einer beendigten Wahl schon vor fast dreyhundert Jahren jenen Unbekannten Hinwiesen, einen Schein gegen sich haben mußte, welcher sie hinderte allge­

mein angenommen, ja fast auch nur bemerkt Statt gezwungene und gekünstelte Deutungen nun übrig zu erforschen und darzulegen, was kann, um wie es redlicher Untersuchung eigen und um auch diese Schwierigkeiten zu lösen.

zu werden, so daß an ihrer aufkamen. Es bleibt also 401 gegen sie angeführt werden ist, nichts zu verschweigen,

Dionysius, nachdem er die servianische Anordnung beschrieben, endigt so: ,,diese Ordnung ist viele Menschenalter hindurch bewahrt geblieben; aber in unsern Zeiten aus zwingenden Gründen verändert und demokratischer geworden; doch sind die Centurien nicht abgeschafft, aber ihre Berufung

geschieht nicht mehr nach der alten Regel, wie ich beobachtet habe, da ich bey ihren Wahlen oft gegenwärtig war." 76) In dem zwar unächten, aber doch spätestens im zweyten Jahrhundert erdichteten Briefe Sallusts an Cäsar, empfiehlt der Verfasser aus allen fünf Klassen die Centurien durch das Loos ziehen zu lassen, worüber C. Gracchus einen Gesezvorschlag promulgirt gehabt77).

DaS Voconische Gesez, welches denen, die mit mehr als hunderttausend Assen Vermögen eingeschrieben waren, die Befugniß untersagte, Frauen zu Erben einzusezen, scheint um so mehr die erste Klaffe zu berücksichtigen, da Cato in der Empfehlung desselben die Worte classicas und infra classem gebrauchte 78)> Die eigenthümliche Rüstung derer, die sich zu mehr als zehntausend Denarien geschätzt hatten79), die Verfügung in Ciceros Gesez, daß die Cen­ soren das Volk nach Alter, Ständen, Klassen eintheilen sollten89), selbst der figürliche Ausdruck ,,zur fünften Klaffe gehören", für einen, der den^ 574) Dionvsius VII. 59. [p. 465. c.] tva — iaoi/jrjspob y.at öfiOTi/toi ndvisg

Xoig

yEVOjLiEvoi (tut xXt^el TTjV ifjijqiov ^TiEvfyxtüOb xaid (pvXdg.j Hieran denken auch die Geschichtschreiber, wenn sie sagen, daß vor Servius der geringste Bürger dem Angesehen­ sten in den Comitten gleich gewesen sey. 7r’) In einer so dürftigen Geschichte können davon nur wenige Beyspiele erwartet werden: doch gehört hieher Livius VIII. 23. 76) IV. 21. [p. 225. b.] 77) de ordin. republ. II. 8. 78) Gellius VII. 13. 79) Polybius VI. 23. 80) Cicero de legib. III. 3. (7.)

III

Schwierigkeiten ter obigen Darstellung und Lösung.

915

Ausgezeichneten seiner Art weit nachsteht, aber doch etwas ist5dl): — dies

Alles scheint auf die Fortdauer der alten Ordnung hinzudeuten. Die Stelle des Dionysius widerspricht meiner Hypothese nicht mehr als jeder, welche die ausdrücklichen Zeugnisse und Erwähnungen aus dem sechsten und siebenten Jahrhundert über das Hervortreten der Tribus in den Centuriatcomitien zu erklären sucht; denn nach ihr hätte die Veränderung, die doch nur die Ordnung des Stimmens der Centurien betroffen habe, erst unter Cäsar oder August eintreten können; bis dahin wäre alles unverändert geblieben. Wer also nun nicht jene Stellen alle gradehin auf die unbegreif­ lichste Weise aufzugeben sich entschließt, der muß, wenn er auch meine Hypo­ these nicht billigt, doch ebenfalls anerkennen, daß Dionysius hier kein Gehör verdient. Wie er bey den Wahlen oft Zuschauer seyn und doch so unge­

heuer irren konnte, bleibt freylich unbegreiflich; aber wer will die Gränze seines Irrthums sezen, dessen Daseyn im Allgemeinen Niemand leugnen kann? Sollte vielleicht eine Beziehung auf die Wahlen in dem Unterschiede,

den Augustus zwischen den Tribus und der plebs urbana einführte, da er in den Municipien stimmen und die Wahlprotocolle einsenden ließ, gelegen haben? Sollte er in jener plebs urbana, eben als von den Tribus unter­ schieden, die Klassen wieder erweckt haben, aber die Centurien nicht mehr in der alten Ordnung berufen? Dann konnte Dionysius die lange Zeit, wo «»atie Tribuscenturien bestanden, übersehen und die neue Künsteley als eine unmittelbare Abänderung der ältesten Verfassung betrachten. Diese Hypo­ these würde nun auch für den falschen Sallust genügen: und ich möchte ihr

viel Gewicht geben, wenn nicht eben Livius, der bald nach Dionysius schrieb, von den Tribuscenturien als der bestehenden Ordnung redete. An sich würde jener Falsarius mit der Erwähnung der Klassen nicht mehr Be­ achtung verdienen, als das angebliche Gesez des C. Gracchus; wenn es da­ mit überhaupt einigen Grund hat, so wird es darauf hinausgekommen seyn, daß die Centurien nicht mehr nach der herkömmlichen Ordnung zum Stim­ men aufgerufen würden, — welches der unredlichen Bewerbung ihr fauleS Werk erleichterte, — sondern das Loos die Stimmenfolge der ländlichen entschiede: denn man kennt die Gracchen wenig, wenn man glaubt, sie würden die städtischen mit ihnen gemischt haben. Die fortdauernde Einschreibung der Bürger in Klassen nach der alten Norm, oder wenigstens ihre Berücksichtigung bey Gesezen und Sitten — eine figürliche Redensart kann die Sache um manches Jahrhundert über­ leben — hat zu Rom so wenig Befremdendes, wie die Fortdauer der Curien, als sie längst jede politische Bedeutung verloren hatten. Abge­ schafft ward zu Rom von gesetzlich gegründeten Einrichtungen schwerlich eine: neben ihnen wurden nach Analogie neue gebildet, wie daS Bedürfniß sie erforderte; was von deren Entwickelung überschattet abstarb, ward doch

nicht ausgerottet.

5tH) Cicero LuculluS (Acad. Pr. II.) 23. (73.)

916

Zeitpunkt der neuen Ordnung.

Census der nichtpatricischen Ritter vielleicht

III

Die Umbildung der Klaffencenturien in gedoppelte der TribuS scheint Livius nach der Zeit zu sezen, wo die Tribus auf die Zahl gebracht waren,«o* die nachher nicht mehr vermehrt ward.

Ganz entschieden ist es aber doch

nicht, daß er dieses sagen wollte: er konnte auch nur die Summe der alten Ordnung und die, welche seit der Bildung der fünfunddreyßig Tribus bestand vergleichen wollen. Daß diese Angabe auf jeden Fall nichts entscheide, hat Duker eingesehen Veränderung müßte zwischen dem ersten und zweyten punischen Kriege geschehen sehn, da die neue Ordnung während dieses Krieges besteht: ja schon vor 521 (527), in welchem Jahre Legionen von viertausend zweyhundert Mann vorkommen, die der neuen Ordnung entsprechen^): und in diesem Zeitraum sucht man vergebens einen Mann, von dem sie habe ausgehen und doch nicht ihm zugeschrieben werden können, und auch eine Veranlassung. Bey Fabius Censur war diese dringend: sein Verdienst als

Hersteller der guten Ordnung blieb in ewigem Andenken: ich glaube darge­ than zu haben, daß die Umbildung der städtischen TribuS ohne diese Aus­

dehnung der TribuSverhältnisse das Ziel nicht erreichen konnte, welches er erreichte. Ein direkter Beweis aber ist, daß nun im Jahr 449 (455) bey der Consulwahl die primo vocatae centuriae vorkommen ^). Das Bedürfniß der Aushebung einen großem Umfang zu geben, ist unter den wahrscheinlichen Ursachen der Einführung der neuen Ordnung angeführt worden: man darf dabey die erkannte Heilsamkeit einer Umbildung der Heeresordnung nicht verkennen, deren Künstlichkeit zu erhalten kein Grund mehr vorhanden war, seitdem Römer und Latiner nicht mehr huos Manipeln vereinigt wurden. Die Legion war im Verhältniß gegen die Linieninfanterie zu stark an leichten Truppen: auf 3600 Mann nach dem

Schema ohne das Depotbataillon waren 1200 leichtbewaffnete; und das konnte nicht anders seyn, so lange der Soldat sich selbst rüsten mußte. Jezt wurden 120 Mann von jeder TribuS ausgehvben, also daß die Legion nach 447 (453) auf 3960 kam, wovon nur85)-------- leichtbewaffnete waren. Das Depotbataillon ging ganz ein. Wenigstens jezt ward auch daS sehr

vertheuerte Erz mit Eisen vertauscht: von der Veränderung in der Taktik wird später die Rede seyn. Die Umänderung, wodurch anstatt der bloß aristokratischen Auswahl der Dritter für die nichtpatricischen ein Census als Bedingung des Standes, deffen Besiz aber von Makellosigkeit abhängig war, festgesezt ward, läßt sich weniger sicher als die Umbildung der Centurien auf Fabius als ihren Ur­

heber zurückführen. Aber die Bewahrung des timokratischen Prinzips, wo eS Bedeutung und Wesentlichkeit hatte, und doch vom Wandel und der Ehre abhing, vollendet die Zweckmäßigkeit der ganzen Umbildung: Wohl­ geburt ohne ererbte Wohlhabenheit ist gedrückt und der freyen Zuversicht592) zu Livius V. 18. 83) Polhbius II. 24. 84) LiviuS X. 1 5. 85) (Die Zahl der Leichtbewaffneten fehlt im Manuskript). (Nach Analogie der Zusammensezung der Legion, wie PolybiuS sie angiebt (VI. 21.), 1200 Leichtbewaffnete auf 3000 Schwerbewaffnete würde die Zahl 1130 zu ergänzen seyn. A. d. H.).

in

auf Fabius Censur zurückzuführen.

Sinn der Verkaufs der Nitterrofse.

917

lichkeit, die niemand scheut und niemand beneidet, beraubt, wodurch sie der herrliche Seegen ist, ohne den sich manches Menschen Werth nicht ausbildet. ^Wahrscheinlich, aber freylich unsicher, ist das Daseyn eines ritterlichen Census von einer Million zur Zeit des hannibalischen Krieges: denn den Senatoren wird doch keine schwerere Last auferlegt seyn, als ihr Vermögen tragen konnte; der Würde wegen konnten sie ein wenig höher belastet werden, als andere von gleichem Vermögensmuß also schon damals einen senate^ rischen Census gegeben haben und man sieht keinen Grund, warum dieser damals höher gewesen sehn sollte als der ritterliche: es war aber jener eine Anwendung der Regel, die für die plebejischen Senatoren galt, auch auf die patricischen. Eine direkte Spur, daß Q. FabiuS und P. Decius auch den Ritterstand neu ordneten, scheint doch allerdings darin zu bestehen, daß sie es waren, welche den jährlichen feierlichen Zug der Ritter anordneten^). Ich weiß keinen schicklichern Ort um eine Vermuthung über den Sinn des censorischen Gebots an den unwürdigen Ritter, sein Roß zu verkaufen, zu äußern. Wenn die Republik mittelbar oder unmittelbar zehntausend Asse zum Ankauf des PferdeS gab, und der Ritter dabey zweytausend jährlich zur Unterhaltung hatte, so war er unmäßig begünstigt und der Staat über­ lastet. Nimmt man aber an, daß jene Summe das Capital war, wofür der, dem der Censor ein Pferd angewiesen hatte, um in die Zahl derer ein­ zutreten, welche Roßdienste thaten, — eine ohne Vergleich kleinere als die der Ritter, — ein erledigtes, sey es durch Tod oder Entsezung, kaufen mußte, so begreift sich alles: nur daß irrig angenommen ward, der Staat habe sie io? ursprünglich gegeben, um den Dienst einzurichten. Diese Rosse müssen als eisern gedacht werden: der Inhaber mußte immer für ein wohlbestehendes sorgen —daher die censorische Aufsicht auf die Beschaffenheit des PferdeS — und ohne Zweifel es ersezen, wenn es fiel oder unbrauchbar ward: dagegen hatte er jährlich zwanzig Procent von diesem Capital zu genießen, als Zin­ sen, alS Sold und als Assecuranz für Unfälle. Es ist grade dasselbe als Einkäufen in eine geschlossene Zunft, wovon zu Rom das Kaufen einer Notarienstelle gewiß nur ein Beyspiel unter vielen ist, oder einer rentetra­ genden vererblichen oder verkäuflichen Charge durch Erlegung eines Capitals. Und so begreift eö sich auch, wie L. Tarquinius, des großen L. CincinnatuS Freund, seiner Armuth wegen nicht zu Roß dienen konnte: zehntausend Asse einmal und dann zweytausend jährlich einzunehmen hindert Armuth nicht. Die Verpflichtung sich in den Roßdienst einzukaufen, konnte sehr wider Wunsch vom Censor aufgelegt werden: daher Sicherung dagegen zu den Immunitäten gehörte^). Von dieser Censur empfing Q. Fabius den Zunamen des Größten, welchen so viele Siege und Triumphe ihm nicht erworben hatten^): mit 586) von einer Million sieben Seeleute: ein Senator acht. Livius XXIV. 11.

8') Livius IX. 46.

") Livius XXXIX. 19.: ne invilus militares, neve censor ei equnm publicum assignaret. (Vergl. die spätere Ansicht über diesen Gegenstand oben S. 246.) ") Livius

IX. 46. UebrigenS war dieser Zuname so äußerst selten nicht: ihn erhielten auch M. Vale­ riu- und Sp. CarviiiuS. Die Zeitgenossen müssen ein warmes Herz gehabt haben.

918

Anerkennung d. Q. FabiuS Maximus. Die Ungteicbb. d. drey patricischen

in

höchstem Recht, wie es mehr ist seinen Geist bilden alS einzelne Kenntnisse gewinnen, mehr das Leben verjüngen als von einer Krankheit genesen. Hätten« Fabius in einem Zeitalter handeln müssen, aus dem die Stimme jeder be­ leidigten Eitelkeit und die Wuth vereitelter verderblicher Entwürfe sich ver­ nehmen lassen könnte, und vom Fanatismus des blinden und dünkelvollen Glaubens der flachsten Meynungen gierig ausgenommen würde, so könnte ihm dennoch schwerlich sein Ruhm geschmälert werden, da die erfüllte Zeit vor Augen legt, was ungeachtet seiner Reform geschah. Darin aber genoß er seltenen Seegen vom Glück, daß er, so weit sich in dieser Dämmerung erkennen läßt, ungemischt heilbringende Anordnungen wählen konnte: hätte er sich bequemen müssen solche zu erwählen, aus denen eigenthümliches Uebel entstand: wäre aber doch das Böse, was unmittelbar bezwungen werden mußte, überwältigt worden, so würde leicht das gränzenlose Verderben, dem er wehrte zu entstehen, — Tyranney nach verächtlicher Auflösung, — geläugnet und das Uebel, dem er Raum lassen mußte, gegen ihn aufgerufen. Dennoch war auch sein Glück nicht ganz vollkommen: denn daß die Nach­ kommen Fortbildung und Entwicklung unterdrücken würden, deren und ihres Seegens Beyspiel die Vorfahren ihnen gegeben, das zerstörte und ver­ darb sein Werk. Washington hätte ein weit größerer Feldherr seyn können als er war, und doch würde die Bundesverfassung sein größtes Werk seyn: obwohl im Gegensaz der römischen Reform eben ihre Entwicklung im Verderben endigen muß. Was dahin führte, konnte er aber unmöglich abweisen noch beherr­ schen: ihm fehlten römische Elemente: aber ohne seine Gesezgebung ward sein Vaterland die Verachtung der Welt. Die Geschichtsforschung ist reich an Genuß, wo sie im Kleinen und Großen, was im Andenken erstorben ^ ist, wieder erweckt, daß es in die übrige Vergangenheit wieder eintritt, die auch nur in dem Gedanken fortlebt. Eins aber macht glücklich, vergessene und übersehene Größe wieder dahin zu stellen, wo sie erkannt wird: wem dieses beschieden ist, der tritt in ein Herzensverhältniß zu den längst abge­ schiedenen Geistern, und er fühlt sich selig, wenn Aehnlichkeit der Thaten und der Gesinnung mit dem Gefühl für sie das, womit er einen großen Mann als Freund liebt, verschmilzt.

Das Ogulnische Gesez. Die Einrichtungen, welche offenbar auf die Eintheilung des ältesten römischen Volks in dreh Tribus hindeuten, zeugen auch eben so unverkennbar da­ von, daß diese ursprünglichen Stämme der patricischen Geschlechter nicht gleich unter einander waren: ja die Ungleichheit des dritten Stammes (ber gentes minores) hat in einigen Punkten immer fortgedauert, vielleicht weil seit der Abschaffung der Königswürde die gesezliche Form fehlte, ihr abzuhelfen 5 mit jenen beyden Colonien auch Sena genannt würde, welches erst nach der Vertilgung der Senoner gestif­

ersten panischen Kriegs

tet werden konnte. Das sabinische Land ist, wie wenig andere Gegenden, für den Oelbau geschaffen: auch die Sieben bringen überflüssig Trauben, obgleich auch im Alterthum mittelmäßige Weine. Durch langen Frieden, den nur gallische Einbrüche gestört hatten, mußte ein solches Land wohl so reich werden, daß

die Römer durch diese Eroberung den Reichthum kennen lernten8"). Uner­ meßliche Landstrecken wurden für das römische Volk gewonnen, und die Zahl der Gefangenen war so ungeheuer, daß Curius sagen konnte: des Landes sey so viel, daß es wüst liegen müßte, wenn der Gefangenen weniger wären: die Gefangenen in solcher Zahl, daß sie verhungern würden ohne so viel Land. Die Uebriggebliebenen mußten nun das cäritische Bürgerrecht annehmen, Reate und Nursia wurden Präfecturen81)j gewiß auch Amiternum 8?). Wie nun Arpinum, auch Präfectur, nach dem Frieden von 443 (449), das

^"Bürgerrecht in dieser Form erhielt, und später die Ausdehnung dieses Ver­ hältnisses ganz aufhört, aber vom latinischen Kriege an, und namentlich seit dem zweyten samnitischen sehr lebhaft gefördert ward, so vermuthe ich, daß um diese nämliche Zeit, oder doch nicht viel später Venafrum, Allifä8?) und Atina84) auf die nämliche Weise Präfecturen geworden sind. Die zweyte dieser Städte war, wie es scheint, samnitisch: die dritte gewiß, wahrscheinlich die erste volskisch. Auch Saturnia8^) wird bald nachher

Präfectur geworden seyn, als die Etrusker bezwungen wurden; und da Festus andeutet, daß es außer den Orten, welche er nennt, noch manche 677) Auct. de viris ill. 33. ’8) LiviuS Epitome XL 79) VellejuS Paterc. I. 14. 80) Strabo V. c. 3. in. [p. 228. d.] nach FabiuS. 81) Festus s. v. praefecturae. 82) LiviuS XXVIII. 45. 83) Festus ebendas. 84) Praefeclura Alinas: Cicero pro Plancio 8.(19). ") Festus a. a. O.

952

in

Unklare Nachrichten über den Verlauf des etruskischen Krieg- nach 451.

andere Präfecturen gab, so mag, bis die Fortbildung des Staats stockte, der Umfang der eigentlich römischen Landschaft noch auf mehrere Orte aus­ gedehnt worden seyn. Daß Cäre Präfectur war, erklärt sich keineswegs

durch die uralte Jsopolitie, sondern auch diese Stadt muß im Laus deS fünften Jahrhunderts ein abhängiges Municipium geworden seyn. Mit dem Feldzug von 451 (457) endigt der Zusammenhang zwischen dem samnitischen und etruskischen Kriege. Im Jahr 452 (458) triumphirte L. Postumius über die Etrusker. Livius meldet, daß er die Volsinier, über die vielleicht auch sein College triumphirt hat, nahe vor ihren Mauern

schlug und hierauf in die rusellanische Landschaft zog, wo er eine Stadt einnahm: wäre dies Rusellä selbst gewesen, eine der etruskischen Hauptstädte,

so würde, sollte man glauben, eine bedeutendere Anzahl von Todten Gefangenen angegeben werden, als viertausend zusammen. Noch in nämlichen Jahr baten Arretium, Perusia und Volsinii um Frieden: Preis der Unterhandlungen lieferten sie dem römischen Heer Kleidung Verpflegung: als Preis eines vierzigjährigen Friedens erlegten jene

und tarn 8niger deshalb weil sie Städte auf dem Boden Italiens bewohnten. Daher ist eS kein Widerspruch, daß Tarent die Freyheit geschenkt worden, und daß ihm Tribut auferlegt sey4?).

Die Neapolitaner, obwohl verbündet^) und

von erprobter Treue, wußten, daß ihre Dienste gegen den Feind nicht ge­ braucht werden würden, als sie im hannibalischen Krieg ihre Tempelschäze darbrachten44). Wie aber die Trieren der griechischen Seestädte, natürlich von ihnen bemannt, gebraucht wurden, ehe Rom eine Flotte hatte, so wer­ den die Seeleute für die römischen Schiffe großentheils bey ihnen ausge­ schrieben seyn.

Das Verhältniß der durch Vertrag Verbündeten muß nach den Um­ ständen, unter denen es entstand, mannichfaltige Verschiedenheiten gezeigt haben; und das wissen wir von mehr als einem Vertrag von Orten in Italien^): die Haupteintheilung aber ist, daß das Bündniß entweder gleich war, oder die Clausel enthielt, daß das mindere Volk die Hoheit des rö­ mischen gern und willig ehren solle46). Daß Rom damals noch in gleichem

bisBündniß mit einigen Orten stand ist denkbar, diese wären dann freylich nicht als Angehörige zu betrachten, aber sie sind nach und nach verschwun­ den,

und wir brauchen uns von ihrer Anomalie nicht stören zu lassen 47).

94°) Cicero pro Flacco 32. (80).

Die Verpflichtung konnte durch Privilegium erlassen sehn

(vacatio): aber sie bestand ursprünglich.

41) Milite atque equite scire se nisi Ro­

mano Latinique nominis non uli populum Romanum, schreibt Hicro: LiviusXXlI.37. Der römische Schriftsteller, dessen Ohr an socios Lalini nominis gewöhnt war, und der aus der ersten Jugend und seiner transpadanischcn Heimat das dort eingeführte Latinische Recht erinnerte, fast dreyßig Jahre später geboren, als das älteste Recht der Zugewandten erloschen war, fehlt nur im Ausdruck, wo er vermuthlich aus PolvbiuS outup,a%oi überfezt. 4?) Jenes sagt die Epitome XV.: dieses Zonaras [VIII. 6. II. p. 50. g.) 43) Livius VIII. 26.

44) 81 quam opem in se crederent, eodem Studio fuisse oblaturos.

LiviuS

XXII. 32. — ES mag seyn, daß die Brultiani zur Beschimpfung der Bruttier bey ihnen

ausgeschrieben wurden; obwohl nach der Etymologie, welche Diodor und Strabo vom Na­ men Brultius geben, die Schergen ihn lange vorher geführt haben können; ich bezweifle, daß die Bruttier, als Halbgriechen, jemals in den römischen Lägern gedient haben. 4S) Von dem der Camerter und dem von Heraklea, aus Cicero pro Baldo 20 (46.) 22. (50.)

46)Ma-

jestatem pop. R. comiter colunto: Cicero pro Baldo 1 6. (35). und ProculuS I. 7. D. de captivis et posllim. 47) Die Verhältnisse des öffentlichen Rechts zwischen der Re­ publik und den von ihr abhängigen Gemeinden entsprechen denen des privaten persönlichen

deutlich: Municipien ohne Suffragium arrogirten Söhnen: Bundsgenoffen, die der Hoheit

der Republik huldigen, Personen die in manu: die dediti denen, die in mancipio sind: die, denen die Freyheit wiedergegeben ist, den Libertinen. Niebuhr, Röm. Gesch.

65

1026 D. politische Zusammenhang d. italisch. Völker. D. Rechte d. socii u. latini in

III

Die bleibenden Eroberungen waren, wie das Beyspiel von Beneventum

zeigt, so zerstreut, daß die Samniter, zumal nach dem endlichen Frieden, nichts weniger als ein geschlossenes Gebiet hatten. Daß die übrig gebliebe­ nen Theile durch Abordnungen zu einem Ganzen verbunden blieben: kann

zweifelhaft scheinen, weil Nom bey den Latinern die Tagsazungen aufhob, und nach demselben Grundsaz in Griechenland auflöste und untersagte: aber es ist überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie bey den Italikern, wie

auch immer abgeändert, sortdauerten. Gesammtvorstellungen der Peligner, ja selbst nach dem hannibalischen Kriege der SamniterO*^, scheinen doch ein solches Band oorauszusezen. Wie die Marser und überhaupt die Italiker den Bundsgenossenkrieg vorbereiten und anheben, das zeigt, daß sie nicht entwöhnt waren als Völker zu handeln; und eben dafür spricht die Ein­ stimmigkeit der Entschlüsse in Hannibals Kriege, wogegen die Spaltung,

welche die Pentrer den Römern treu erhielt, während die Hirpiner und Caudiner ihm zufielen, darauf deutet, daß nur die einzelnen samnitischen Völker^ als solche blieben; was aber sie zu einer gesammten Nation vereinigte, ab­ geschafft war. Welches denn auch für jedes einzelne Volk von den ehemals gewählten Landeshäuptern sich fast von selbst versteht. Daß wenigstens in vielen Fällen, wo es gewöhnlich war bey Einrich­ tung einer Provinz die Verfassung der Städte einförmig anzuordnen und der Oligarchie zu nähern, ein gleiches auch in Italien geschah, läßt sich daher vermuthen, weil im hannibalischen Kriege allgemein die Senate rö­

misch, die Gemeinden punisch waren 49). Die Latiner allein waren befugt, in einer Tribus welche das Loos er­ gab zu stimmen^"): ein wesenloses Ehrenrecht. Diese aber, wie jene, waren

berechtigt nach Nom zu ziehen, und sich in das Bürgerbuch einschreiben zu lassen, wenn sie in ihrer Heimat einen Sohn zurückließen, damit nicht ihr Haus ausgehe, und die Lasten ihrer Mitbürger erschwert würden51). Das war ein Großes; denn wenn auch diese Einzeichnung die edleren Bürger­ rechte noch nicht verlieh, so stand dies nun im Willen eines künftigen Cen­

sors; und nur durch solche Einzeichnung konnte M. Perperna sogar die curulischen Würden erlangen, indem übersehen ward, daß ihm der volle Bürgerstand nie gegeben war. Aber ohne Vergleich wichtiger waren die Berechtigungen der sämmt­

lichen Angehörigen und Latiner zur Mitbenuzung der Gemeinländereyen des römischen Staats, welche, im Allgemeinen bündig zugesichert, für jeden einzelnen Bezirk immer der Befugnisi des herrschenden Volks offen gestanden ^21

haben muß, jeden Theil der Domaine der Benuzung zu entziehen und in Eigenthum aufzutheilen. Daß die Italiker, welche, wenn sie die Schranken der Geseze nicht überschritten, in latinische Colonieen ziehen konnten, wie Samniter und Peligner bey Tausenden sich zu Fregellä niederließen52), giebt, wenn es nöthig scheinen könnte, bestimmten Erweis dafür, daß sie, 9*s) Livius XLL 8. 49) (Hiezu am Rande des Manuskripts ein NB.) Appian bell. civ. I. 23. 51) Livius XLL 8. 5?) Livius XLL 8.

50) Livius XXV. 3.

III

Nom.

Mitbenuzung des ager publicus.

Der Kriegsdienst der socii.

1027

bey Gründung einer solchen, mit Quinten und Latinern, ihre Namen geben dursten. Daß auch sie bey Assignationen einen Antheil ausgeworfen er­ hielten, wie wir dieses von den Municipien gezeigt haben, wird in Aus­ drücken gesagt, die aus einem scharf abmessenden Erzähler übernommen zu seyn scheinen 053). Wegen jenes Rechts nun hatten Zugewandte und Latiner gleiches Interesse mit den römischen Gutsbesizern gegen das Ackergesez des

Tiberius Gracchus, welches nur gegen sie, nicht gegen diese unbillig war");

die Ausführung desselben entzog der Republik den freywilligen Gehorsam 62zber Untergebenen, und C. Gracchus hätte deshalb ihnen das Bürgerrecht einräumen müssen, wäre es auch nicht sonst weise und nothwendig gewesen. So hatte die Aristokratie an den Unterthanen Beystand gegen die Ansprüche der Gemeinde: das Interesse an der Erhaltung der bestehenden Ordnung

ward auf viele ausgedehnt, wenn Lukaner in Samnium, Samniter in Apulien Güter besaßen, deren Titel sich von der römischen Eroberung her­ schrieb: und selbst die Völker, denen weitläuftige Landschaften entrissen waren, konnten sich einigermaßen erholen und Herstellen, wenn sie einen Theil derselben für eine Abgabe an die Republik") bauen konnten, wofür an der Verpflegung ihrer Contingente und durch den Bau von Landstraßen ihnen selbst Vortheile wieder zuflossen. War es doch der Zweck der römi­

schen Geseze, vom Gemeinland Knechte zu entfernen, und einen tüchtigen Schlag freyer Italiker, als Taglöhner und Häusler, dort zu erhalten. Auch ist nichts erstaunender, als daß die Samniter in fünfzig Jahren wieder 70000 Bürger und 7000 Ritter zählten. Denn den italischen Bundsge­

noffen ward, den Fußvölkern die nämliche Verpflegung wie den römischen, den Reutern zwey Drittheile der römischen, auf Kosten der Republik ge­

reicht"): ihren Orten lag nur ob Rüstung und Sold, und, wenn es nöthig war, einen Zuschuß zur Verpflegung der Reuter zu bestreiten. Jeder Stadt oder Landschaft war ihr (Kontingent bestimmt: nicht alle wurden jährlich aufgerufen, es ganz oder zum Theil zu stellen, sondern die Consuln ^bestimmten, welche die Reihe treffe57J: jeder Ort ernannte den Obersten, wie die mindern Befehlshaber für seine Trllppe: daß die Präfecten der Bundsgenoffen, welche von den Eonsuln, halb so viel als Tribunen, er953) 9lu6 PosidoniuS: Appian bell. civ. 1. 48. oar] yij — tn&irm-io.) rj zoig av/Ltpic/oig i n i cF tT] p 7] t o: oute t« oup,ß6Xai«1 ovte rag zh/pou/t«; eil 1%6vTtoV «7i«VT(ov. 54) Cicero de rep. 111.29. räumt ein, Tiberius, der in der Verfügung über Asien mit höchster Gerechtigkeit begonnen (dies ist von Anfang zu ergänzen), sey gegen die Mit­ bürger gerecht geblieben: die Rechte der Vundsgenoffen und Latiner habe er gekränkt. Ver­ gleiche I. 4 9. Somn. Sc. 2. de Amic. 3. Appianus bell. civ. I. 4 8. 4 9. — Ich will die Vermuthung nicht verschweigen, wenn sie auch spizfündig gescholten werden mag, daß die Verödung in Etrurien, deren Anblick Tib. Gracchus so heftig traf, daher entstanden seyn dürfte, daß die Etrusker daß Benuzungsrecht der, in der Maremma weitläufigen, Domaine nicht hatten. 55) Wie Ofellus seine Hufe für einen Zins an den eingedrungenen Eigenthümer. 56) Polybius VI. 39. 57) Dcrs. VI. 24. ol vtioctoi TiaQayy^kXovai roTg aQ/ovat ioTg dno t(5v avpp«yjö(üv tioXewv 1.x ttjg'lTatfag, ££ cur dv ßouXamca auarQaiEVEiv zovg av^ud^ovg, diaaarpovVTtg to jiLrjOog x. t. Z. Livius XXXIV. 56. Aus beyden Stellen erhellt, daß die Standeshäuvter dieser Orte sich am Anfang des consularischen Zahrs zu Rom einzufinden hatten.

1028

Autonomie der socii.

Gerichtsbarkeit unter denselben.

in

Die Patronen.

nannt wurden058), aus ihnen, nicht aus den Römern gewählt sind, ist ohne Vergleich wahrscheinlicher als die entgegengesezte Annahme. Im hannibalischen Krieg befehligte ein Pentrischer Samnit, Rum. Decimius, mehrere Tausende^), und wo die Bundsgenossen sich auszeichnen, werden als ihre Anführer immer Italiker, nicht Römer genannt, und ein Präfect dieser Art

muß T. Turpilius gewesen seyn, ein Latiner, dem sogar Tribunen unter­

geordnet waren 6()). Mit dem Ausland konnten die Angehörigen Roms weder einen Vertrag

schließen, noch Krieg führen; auch

nicht mit eigenen Kräften unter eigener

Anführung ohne Genehmigung des Senats, sich vertheidigen^). Im Innern waren die Bundsgenossen vollkommen frey, Bürger anzu­

nehmen 62) und sich Geseze zu geben: die Tafel von Bantia, wenn die Geld­ strafen darin nach Sestertien angesezt sind, gewährt ein Beyspiel von der Gesetzgebung auS dieser Zeit der Verbindung mit Rom. Hingegen scheinen die den latinischen Städten gemeinen Rechte 62), wie sie darthun, daß diesen Colonieen bey ihrer Gründung ein gleichförmiges bürgerliches Recht über­ wiesen ward, auch folgern zu lassen, waö von den Colonieen römisches

Rechts bestimmt gesagt wird, daß dieses ertheilte Recht nicht abgeändert werden konnte.

Der Gebrauch der einheimischen Sprache blieb.

Also behielten auch

ihre Obrigkeiten die peinliche Gerichtsbarkeit, und die bürgerliche in den ge­

mischten Fällen, wo in den Provinzen die des römischen Statthalters eintrat. Unter ihnen selbst gegenseitig, dann in Beschwerden einzelner Bürger gegen seinen Staat, und in Anklagen wegen Verbrechen gegen Rom, richtete der römische Senat 6^), entschied oder vermittelte innern Unfrieden: gewöhn­

lich aber vertraute er dies den Patronen 65). Denn auch jedes freye italische Volk hatte zu Rom einen Patronus, der als Prorenus und Vertreter ihre Angelegenheiten in Obhut hielt; dessen Verhältniß in den Zeiten guter Sitte

heilig war,

und unbezahlte saure Mühe brachte wie das eines Vaters; in

ausgearteten bereicherte. Ein römischer Consul oder Prätor erschien unter ihnen mit der vollen Macht deß

Imperium,

und ließ seine Aussprüche

ohne Aufschub

voll­

strecken 66). So goldenes Zeitalter war nie, daß, wenn auch Geiz und Wollust bey solcher Machtfülle keinen Frevel verursacht hätten, —und weil es keine Volkstribunen gab, sündigten schon die Decemvirn, — nicht Stolze

und Jähzorn dazu geführt haben sollten; der einzige Schirm gegen den Mißbrauch einer Gewalt, der sich eben keine Schranken sezen ließen ohne

sie zu vernichten, war bey den Patronen, welche die Bedrängten auch gegen eigene Angehörige zu

vertreten hatten 67),

und denen,

die sich vergehen

959) Polybius VI. 26. 59) Livius XXII. 24. 60) Sallust Jug. 67. 69. 61) Was Livius II. 22. über die Latiner nach der Schlacht am Regillus sagt, ist für jene Zeit ein handgreif­ liches Märchen, aber aus der späteren übertragen. 6?) Dies konnten die Städte in Grie­ chenland. Eieero pro Arch. 3. (5). 63) Gellius IV. 4. XVI. 13. 64) Polybius VI. 13. B7) Dionysius II. 11. in. [p. 85. b. c.J 66) C. Gracchus bey Gellius X. 3. 67j GelliuS V. 13. XX. 1. Und da der Gaftfreund (hospes) als abwesend und fremd der hülfSbedürftigste war, so war geboten, ihn selbst gegen den (einheimischen) Clienten zu vertreten.

HI

Die Ertheilung des römischen Bürgerrechts an die socii.

1029

mochten, an Stand und Einfluß gleich waren, so daß Ahndung nicht leicht ausblieb. Zn den latinischen Städten waren die Obrigkeiten gegen tyran­ nische Wildheiten der römischen Machthaber dadurch geschüzt, daß sie mit ihren Würden das römische Bürgerrecht erhielten 968): und dies war auch ohne Zweifel der Zweck solcher Auszeichnung. Welches andern Volks Bundsgenossen hatten sich solcher Rechte zu erfreuen? welche größere konnten sie fordern, als solche? freylich fehlte den aufstrebenden Gemüthern viel, weil ihnen das höhere Bügerrecht fehlte: aber es war unmöglich dieses zu erthei­ len, ehe durch langes Zusammenleben und Zusammenhandeln die Bunds­ genoffen in Sinn und Art Römer geworden waren; und der Zeitpunkt, wo es thunlich ward, lag in der Zukunft als der einer Verjüngung durch Ver­ einigung mit gleichartig gewordenen reichen Elementen: worin das Geheim­ niß des Emporwachsens des römischen Staats lag, welches das Absterben des griechischen erklärt. WaS im kleinen Staat die Aufnahme der mindern Stämme, im beschränkteren die Gleichstellung der Plebejer gefruchtet hatte, e^etzas war nun vorbereitet, wenn die Einsichten tieferer Klugheit gegen Bor­ urtheile, Beschränktheit und Kleinlichkeit siegen konnten. Diese natürliche Entwicklung ward gehemmt. Als Italien unter die Hoheit Roms kam, wurden noch neue Tribus gebildet, und die allgemeine Erwartung mußte seyn, daß so werde fortgefahren werden: und wenn bey diesem System auf zwey Seiten Gefahr schien, entweder den neuen Bürgern gegen die dama­ ligen solches Uebergewicht zu geben, wie eS die Plebejer gegen die einst alten Bürger erlangt hatten, oder die Last des Kriegsdienstes unverhältnißmäßig auf die alten Quinten zu werfen, und sie also aufzureiben, so gab Er­ findung, wie sie einst Servius Tullius geleitet hatte, Mittel der Aushülfe durch neue Formen. Was ein König vermochte, war im freyen Staat un­ möglich. Zwiefaches that Roth: die höhern Stände zu erfrischen und zu stärken: der einzige Vorschlag von dem wir wissen, der hierauf gerichtet war, des Sp. Earvilius nach der Schlacht bey Cannä, ward als Hochver­ rath ausgenommen, und bezweckte nur eine vorübergehende Maaßregel: es hätte aber der Schutt der zusammengefallenen Curien weggeräumt, und neue Geschlechter aus Patriciern, Plebejern, Latinern, Italikern errichtet werden müssen. Das zweyte Bedürfniß ward nicht verkannt; die Freygelassenen vom Regiment zu entfernen; das hätte aber nur gelingen können durch Co­ lonisation außer Italien. Die Freyheit einer Verfassung erstarrt, wenn diese einen Zustand fest­ halten will, nicht die Bedingungen, woraus er hervorgeht: wenn sie erstickt, was neues neben dem Bestehenden keimt und sich zu bilden strebt. Wendet 6-7 ihm das Leben sich würklich zu und weicht von dem, was Willkühr eben allein erhalten will, so bleibt dies als eine hohle todte Gestalt: solche Be­ strebungen täuschen vielleicht, weil ein lebendiges Böses den Plaz nicht leer findet ihn einzunehmen: aber das lebendige Schöne, dem er auch gewehrt 968) Appian bell. civ. II. 26.

1030

Dersäumniß RomS, aus den socii

in

ist, erscheint nicht mit seinen Ansprüchen: denn es kann nicht anS Licht. Auch das trägt schwere Verantwortung und bereitet den Nachkommen bittere Tage, wenn Aufleben und Entwicklung nicht gehindert wird, aber das Ent­

stehende nicht geordnet, so daß es sich mit dem Vorhandenen ausgleiche und einrichte, nicht das Recht des Werdens und des Bestehens verglichen: Klas­

sen der Unmündigkeit entzogen, aber kein Ort bereitet, den sie einnehmen können, ohne andere zu drängen. Bey dieser Sorglosigkeit geschieht von mehreren möglichen Uebeln unausbleiblich eins: entweder erwacht die alte Macht, die sich gefährdet fühlt, und unterjocht und erstickt das neue Leben: oder dieses überwältigt und unterdrückt das Alternde, oder alles erwächst

in wuchernder Formlosigkeit, der Geist der Freyheit ist entflohn, und das ganze Volk ist unmündig geworden. DaS egoistische Zurückvrängen gerechter Ansprüche hilft selten dem, der

ihnen feind ist: aber sie ändern ihre Natur, wie sich gesunde zurückgedrängte Säfte vergiften. Durch das Leben geht jede freye Verfassung, wie wir selbst, zum Tode:

was seine verzehrende Schnelligkeit mäßigt, was Hemmungen darstellt, deren Ueberwindung Zeit erfordert, verlängert ihr Daseyn. Der Feuerbrand der Parzen, an dem Meleagers Leben hing, konnte der Glut entzogen werden: wäre aber das Kind in starren Schlaf versunken, so lange das Feuer nichts an seinem Talisman nagte, so wäre ihm eine traurige Wohlthat geleistet worden. Das aber hat ein Staat vor dem Einzelnen voraus, daß er, in immer weiterem Kreise immer mehrere zu seiner höchsten Freyheit erhebend, sein Leben, und mehr als einmal, zur Jugend zurückführen und mit frischer

Regung wieder durchleben ;Linn. Dieses vorbereiten, wachen darob, daß nicht Schlaf einfalle und das, was rühmlich eigenthümlich war, wie sich auch die äußern Formen wandeln, erhalten bleibe oder wieder auflebe; das ist die Aufgabe der Gründer und Regenten freyer Staaten, und wo ihnen die Macht gebricht dies zu bewürken, da ist der Untergang unvermeidlich. Kein Staat hatte in dieser Art Roms Vollkommenheit, und hier ist die Erklärung seiner Größe und seines Verfalls. Auch Großbritannien hat sich im Innern von der Gewalt der Barone und der Freyheit weniger Ge­ meinen also erweitert, die Hörigen den freyen Mannen gleichgestellt, die Leibeigenen befreht, jedem jede Ehre erreichbar gemacht: dann sein freyes Recht über die abgesonderten Provinzen verbreitet; endlich auf Schottland, und dieses von einer ärmlichen zu seiner Freyheit erhoben; zulezt Irland durch Vereinigung die Möglichkeit besserer Tage bereitet. Aber Nordamerika ward verloren, weil, was da hätte sollen dargeboten werden, weder wahr­ haft gewünscht, noch klüglich eingeräumt warb, als die Zeit verscherzt war. In Irland hatte eine oligarchische Minorität ein Jahrhundert lang die Ein­ heimischen auszurotten oder zu scheuen Thieren einzuschüchtern getrachtet,

um ihre Ungerechtigkeit fest zu behaupten. Als die Kräfte der Natur stär-b2s ker waren wie eine Tyranney, welcher der Entschluß fehlte zu würgen oder als Sklaven zu verkaufen, und als die, welche man hatte vertilgen wollen,

III

frisches Leben zu ziehen. Bedrängniß Tarents.

1031

zu Millionen erwachsen waren; anstatt da, spät, aber doch einmal, ihre (Erhebung zu gleichen Rechten stufenweise zu bereiten, gewährte man unverständig dem Haufen, und versagte neidisch und beleidigend den Optimaten.

Und wird denn je die Mehrheit derer, die zu entscheiden haben, einsehen, daß, wie vieles bey den irländischen Katholiken betrübt, besseres erst ent­ stehen kann, wenn ihnen das volle Bürgerrecht gegeben seyn wird; und be­ herzigen, daß Rom, wenn es nur noch dem marsischen Krieg durch Ge­ währung gerechter Forderungen zuvorkam, war es gleich für freudige Folgen

zu spät, doch die Bürgerkriege nicht erlitt: endlich aber, selbst erschöpft, Erschöpften doch einräumen mußte, was nun weder ihm noch ihnen frommen

konnte 969)? Venedig starb schon ab, als es die Stellen seiner erloschenen Geschlechter

nicht mit solchen füllte, die den ausgegangenen, wie sie vor Alters eintra­ ten, gleich waren, sondern mit denen, die ihre Erhebung erkauften: der Vorschlag des Marchese Maffei würde wenigstens ein Palliativ für die bereits allzu sichtbaren Uebel gewährt haben. Nie aber ward eine Gelegenheit, dem Staate auf Jahrhunderte hinaus Beweglichkeit und Leben zu bereiten, ge­ dankenloser verscherzt. Nichts würde einem Römer sinnloser vorgekommen sehn, als da in Merico die Völkerstämme gleichgestellt wurden, anstatt zu

63oerwarten und vorzubereiten, daß die Einheimischen an Sprache und Sitten Spanier würden, das Bedürfniß gewönnen ihre Mitbürger zu werden, und allmählich dies Ziel erreichten. Als Pyrrhus zu Argos gefallen war, wandten sich die Tarentiner heimlich an die karthaginiensischen Befehlshaber in Sicilien 70) um Hülfe. Diese sandten eine Flotte, welche vor dem Hafen Anker warf, während Papirius vor der Stadt gelagert stand. Es ist leicht begreiflich, wie der Ad­ miral, wenn er ohne Befehl seiner Regierung zu einem Unternehmen abge­

gangen war, welches, wenn es Erfolg hatte, die Republik in Krieg mit Rom verwickelte, zögerte und nichts unternahm, bis Ereignisse, die aber nicht eintraten, ihn äußerlich rechtfertigten; nachdem man doch auch die Ueberwindung nicht gehabt hatte, sich einen so ungeheuern Gewinn zu ver­ sagen. Für Milo waren beyde Völker gleich feindselig, und wie hoch die Erbitterung zwischen ihm und der Stadt gestiegen war, kann vielleicht sein Verfahren zeigen: übrigens müssen die Pöner, wie öfters, zur Unzeit ge­ kargt haben, und Papirius freygebig gewesen seyn, wie er es mit der Beute

Tarents vor sich freylich leichter seyn konnte, als die welche schüzen sollten. Milo überredete die Tarentiner, daß Papirius, damit die Stadt nicht in die Gewalt der Pöner komme, geneigt sey einen leidlichen Frieden zu be­ willigen. Das war so glaublich, ein nur nicht arger Friede der Aufnahme einer Besazung von Libyern, Galliern, oder andern Barbaren in pönischem

Sold so weit vorzuziehen, daß Milo ermächtigt ward, für die Stadt zu e,31 unterhandeln; offen mit dem Eonsul Unterredungen hatte, und die Taren-

969) (Geschrieben im Jahre 18'24.) ™) Nicht an den Senat, sonst hätte sich nicht beschwören lassen, daß die Flotte ohne dessen Wissen gekommen sey: OrosiuS IV. 5.

1032

Erscheinen ein. punlsch. Flotte. Fall Tarents. Beschwerde Noms geg. Karthago,

in

tiner mit fortgehenden erdichteten Berichten über die angeblichen Unterhand­ lungen betrügen konnte, bis alle Stipulationen für ihn und die Seinigen vollendet waren, und die Bürger mit tätlichem Entsezen vernahmen, daß die Römer in der Burg sehen 971). Milo zog mit allen Geldern ungehindert nach Epirus ab. Es ist kaum denkbar, daß die Ueberraschten sich gegen feindlichen Einbruch von der Burg her noch schirmen konnten, oder daß die Römer sich es versagten, das Gewanv des Fetialis in Blut auszuspülen: wir wissen aber nur, daß der Stadt zwar Freyheit zugestanden ward, aber

die Mauern gebrochen, Schiffe und Waffen genommen wurden72)*

Wenn

es Grund hat, daß die Triumphe dieses Kriegs Kostbarkeiten aller Art, Gemälde und Statuen nach Rom brachten7^), so müssen diese zu Tarent

gewonnen sehn. Zehn Jahre mochten die Schuldigsten auf die Bahre gelegt

haben, immer gehört die Bestrafung der Feinde Roms zu dem, was sich von selbst versteht, aber doch verschleyerr wird. Ein Flüchtling aus Italien, Lykinus, war nicht lange nach diesen Begebenheiten im Dienst des Königs Antigonus, und sein Befehlshaber zu Athens): offenbar ist dieser vor den Römern entwichen. Etwas mehr als vierzig Jahre nachher lag regelmäßig eine Legion in der unglücklichen Stadt75), wahrscheinlicher ist es, daß dies

gleich nach der Eroberung begann, um die umgebenden Völker im Gehorsames« zu erhalten, und Unternehmungen des ehrgeizigen Aleranders, Pyrrhus Sohn, vorzubeugen, und so blieb, als daß es nach dem punischen Kriege begonnen hätte, da Epirus ganz ohnmächtig geworden, Makedonien weit entfernt war von Zügen über das Meer auch nur zu träumen.

Polhbius hat aus den Urkunden Philinus widerlegt, welcher die Römer des Treubruchs zieh, indem durch die Verträge ihnen gewehrt gewesen sey,

sich in die Angelegenheiten Siciliens zu mischen, den Karthaginiensern in die Italiens 7G). Der Irrthum muß bey beyden Völkern verbreitet gewesen sehn, da Livius, den Annalisten nachschreibend, welche nicht ahndeten, daß sie dadurch die von dem bey den Griechen beliebtesten Geschichtschreiber gegen ihre Vorfahren erhobene Anklage bestätigten, sagte, Karthago habe durch die

Ankunft dieser Flotte den Vertrag gebrochen 77). Diplomatisch hat Polybius gewiß Recht, aber eben so richtig war die öffentliche Meynung in bey­ den Hauptstädten, die ein durch die Umstände jeder angewiesenes Gebiet anerkannte, wo der andere Staat nicht eingreifen konnte, ohne den Frieden zu brechen. Daher führte auch Rom zu Karthago heftige Beschwerden über jene usurpirende Einmischung, und der punische Senat entschuldigte sich durch eidliche Betheurung, daran unschuldig zu seyn 78). Daß es bey Tarent zwischen der Kriegsmacht beyder Völker zu offenen Feindseligkeiten gekommen

sey, wie Orosius allein meldet, muß entweder ganz erdichtet, oder aus un­ bedeutenden Händeln übertrieben sehn. 971) Frontinus Strateg. III. 3. 1. ZonaraS II. p. 50. f. [VIII. 6.] 72J Zonaras a. a. O. Doch erwähnt Polhbius I. 20. am Anfang des punischen Kriegs tarentinischer Trieren. 73) FloruS I. 18. 74) Teles bey Stobäus Serm. XL. 8. [Vgl. Kl. Schr. 1. Sammt. S. 461.] 75) Polhbius II. 2 4. 76) Polhbius III. 26. 77) Epitome XIV. 78) OrosiuS IV. 5.

III

eaa

Belagerung in Nhegium.

Einnahme und Herstellung von Nhegium.

1033

Die Abtrünnigen zu Nhegium, welche keine Verzeihung zu hoffen hat­

ten, und als der Krieg weit und breit erloschen war, die Strafe heran­

nahen sahen, übten selbst Feindseligkeiten, überraschten die Besazung zu Kroton, machten sie nieder, und verheerten die Ueberreste der Stadt. Der Consul C. Genucius 476 (482) 979) schloß Nhegium ein, und trennte die Mamertiner durch Vertrag von den Rebellen8()). Nach einer langen Be­ lagerung, während welcher die Römer durch Mangel an Lebensmitteln litten,

634bem Hiero abhalf, welcher auch Soldaten sandte8'),

ward die Stadt mit stürmender Hand eingenommen: die allermeisten von den Kampanern fielen, die Gefangenen sonderte der Consul: was von losem Gesindel unter ihnen

sich fand, ward sogleich hingerichtet: wenige über drehhundert, die von der Legion übrig waren, wurden in Ketten nach Rom geschickt. Nach einer Erzählung wurden sie von den Tribus einstimmig zum Tode verurtheilt; nach einer andern beschloß und vollzog der Senat gegen den Widerspruch deö Tribun M. Flaccus die Strafe8?). Alle wurden gestäupt und enthaup­ tet, jeden Tag fünfzig, bis alle gebüßt hatten: die Hingerichteten durften nicht bestattet, noch betrauert werden8^). Welche von den Rheginern über­

lebten, wurden in ihre öde Heimat geladen, und waö zurückgegeben werden konnte, mit der Freyheit ihrer Stadt wiedergegeben: die neu erwachsene Gemeinde war eine von den sehr wenigen Städten, welche noch zu Strabos «süZeit als griechisch bestanden; ja wahrscheinlich hat sie diese Auszeichnung bis vor wenige Jahrhunderte bewahrt. In demselben Jahr triumphirte der andre Consul über die Sarsinaten; 979) Dionysius Exc. XX. 7. OrosiuS giebt nur den Geschlechtsnamen: aber auch 475 (481) war ein Genucius Consul; und auf dieses Jahr führte seine Chronologie, welcher man ge­ folgt ist: aber der Urheber jener Excerpte ist so unwissend gewesen, daß, da er einen Vornamen sezt, dieser gewiß unverändert abgeschrieben ist. Mit diesem Jahr stimmt auch daS per decem annos (Livius XXVIII. 28.) besser. Außer jenen beyden nennt Niemand den Consul. 80) Einen andern Sinn können die möglich vom byzantinischen Schriftsteller un­ verständlich gefaßten und noch etwas verschriebenen Worte: TOvg ovv MctfieQTtvovg

— ovg cfvfipd^ovg ol tv tu 'Prjytü) jTQoatöfyov’to, opokoyfa TiQogtd^navTO: Zonaras II. 51. a. [VIII. 6. sin.J wohl nicht verbergen. 81) So sagt ZonaraS a. a. O. Polybius hat dies wohl nicht gewußt, sonst hätte er schwerlich davon geschwiegen, wo er der römischen Herrschaft Benehmen in Hinsicht der Mamertiner nach Verdienst tadelt, — eS wird so noch sträflicher: — aber daß er einen Umstand, der 150 Jahre hinter seiner Zeit liegt, nicht weiß, entscheidet nichts. Hiero hatte alle mögliche Gründe die Römer zu unterstüzen, damit die Bundsgenossen der Mamertiner aus Rhegium auögerottet würden, und Rom, da­ mals mit den Karkhaginiensern gespannt, ihm förderlich sey Messana einzunehmen. Ob er schon damals das Diadem trug, ist ungewiß: königliche Gewalt hatte er. 82) Jenes findet sich in den Maischen Excerpten des Dionysius XX. 7. und wesentlich bey OrosiuS IV. 3. (populi iussu): dieses bey Valerius MarimuS II. 7. 15. 83) Die Zahl von 300 und einigen hat allein Polybius I. 7. LiviuS, als ob die Legion sich vollständig rekrutirt und vollzählig ergeben hätte, rechnete 4000 Hingerichtete: daS zeigt fein eigenes Werk XXVIII. 28.: und die ihn ausschreiben, Valerius MarimuS a. a. O. und Frontinus IV. 1. 38., — auch Oro­ siuS a. a. O. meynt eS so: — die Maischen Excerpte des Dionysius XX. 8. zählen 4500, womit denn freylich die Legion noch vollzähliger ist, welche je täglich 300 hingerichtet wä­ ren: vielleicht ließ daS vollständige Werk die Wahl zwischen dieser und einer andern Erzäh­ lung, wonach Appian (exc. Peir. p. 564.) die Hinrichtung auf die Häupter beschränkt. — Es ist sonderbar, daß allgemein übersehen wird, daß die schuldige Legion aus Kampanern be­ stand: deren Bestrafung konnte den Römern so schwer nicht fallen.

1034

Aufstand in Samnium. Krieg nut d. Picentern. Deren Colonie am M.B. v.

in

im folgenden 478 (484) loderte zum legten Mal samnitischer Krieg aus der Asche auf. LolliuS, der als Geißel zu Nom gehalten ward, entkam in die

Gebürge seiner Heimat, und fand Anhang von Verzweifelten und Raub­ gesindel. Der Senat sandte beyde consularische Heere, um die Empörung schnell zu ersticken: der größte Theil der Empörer, kaum bewaffnet, entsagte der sinnlosen Unternehmung: doch blieb ein Bergkastell der Caricener 984) im Aufstand, bis es unter der Führung von Verräthern bey Nacht im Schnee­

gestöber erstiegen ward85). Die Häupter wurden, nach der Sitte, ent­ hauptet, die übrigen Gefangenen verkauft88). Lollius hatte wahrscheinlich

auf die Picenter gezählt, welche im nämlichen Zahr Dloni absagten8'), und deren Besiegung das nächste 479 (485) merkwürdig macht, ja es ist wahr­ scheinlich genug, daß die Sallentiner schon damals wenigstens vor andern mißvergnügten Völkern, die Absichten nicht verhehlten, welche im Jahr 480 (486) zu ihrer Niederlage führten: die Nachrichten über diesen Zeitraum sind so ganz ärmlich, daß sich gar nicht sagen läßt, ob sie nicht schon im Jahr vorher die Waffen ergriffen hatten. Verzweifelnden kann eine Cala-

mität, welche ihren glücklichen Feind zwar nicht anders als sie selbst trifft, — aber sie glauben nicht elender werden zu können,— die Meynung geben,

der Augenblick etwas zu wagen sey gekommen. Eine solche Calamität war der»?s beyspiellose Winter des Consularjahrs 477 (483), und die Erde tobte in jener Zeit, als ob die Welt vergehen wollte. Beyde Consuln haben über die Picenter triumphirt: als Befehlshaber in der einzigen entscheidenden Schlacht wird nur P. Sempronius genannt ^). Wie beyde Heere sich zur Schlacht geordnet gegenüberstanden, bebte die Erde: auf beyden Seiten ver­

breitete sich gleiches Entsezen, aber der Consul belebte der Seinigen Muth durch Gelübde und Anrede. Da die Picenter sich unterwarfen, wurden ihrer

360000gezählt88); hier ist augenscheinlich nicht an einen Census und Rollen zu denken, welche ungefähr die Zahl der Waffenfähigen gaben, sondern an eine Volkszählung beyder Geschlechter. Daß picentische Orte mit Gewalt genommen, und zur Verfügung behalten wurden, zeigt schon die spätere Gründung der Colonieen Firmum und Castrum.

Nach diesem Kriege muß

aber auch die Verpflanzung eines Theils der besiegten Nation an das untere Meer geschehen seyn, um den Meerbusen von Salerno, wo eine Stadt Picentia gegründet ward, von der das neue Volk den Namen Picentiner er­ hielt: denn diese Ansiedelung war von den Römern angeordnet 00); und von

jener Küste, vorher samnitisch, wenn sie nicht im Kriege verödet war, die alten Bewohner zu entfernen, die Samniter ganz vom Meer zu trennen, war eben damals dringende Veranlassung, da niemand sich verhehlen konnte, der Krieg gegen Karthago möge verschoben werden, aber er sey unausbleib­ lich: auch ist das Gewaltsame der Maaßregel der Entscheidung über ein«jt unterworfenes Volk frisch nach der Eroberung entsprechender, als wenn 984) In den höchsten Abruzzen, über den Pentrern. b5) Zonarasa. a.O. [VIII. 7.in.II.p. 54. c.] 8ß) Dionysius Mui Erc. XX. 9. 8') Eutropius II. 9. 88J Bon Orosius IV. 4. und Frontinu« I. 42. 3. S9) Plinius H. N. III. 18. 90) Strabo V. p. 251. b.

Ill

Salerno.

Römische Colonieen.

Präfecturen.

Sallentiner bezwungen.

1035

nachher schon Zeit verflossen ist. Diese Bevölkerung ward vermuthlich aus jener Landschaft weggeführt, welche den Namen des Ager PicenuS behielt,

und an die vormals von den Senonern bewohnte gränzte. In beyden ent­ stand eine sehr bedeutende römische Ansiedelung; später durch Asstgnation:

damals scheint eine bedeutende Strecke verkauft zu seyn99*). Um die Picentiner in Gehorsam zu erhalten, dienten die kampanischen Colonieen Saler-

num und Burentum. Der nämliche Zweck,

die Küste für den bevorstehenden Seekrieg, in

dem Rom keine Flotte hatte den Feind von Italien zu entfernen, zu ver­ wahren, hatte schon 473 (479) bewogen Cossa und Pästum mit Colonieen einzunehmen. Im Jahr 478 (484) ward die Colenie Beneventum gestiftet, im Herzen deS Landes der caudinischen Samniter, und sicherte die grade Straße von Kapua nach Apulien; 484 (490) Aesernia, welches die Caudiner und Pentrer trennte: ebenso 478 (484) Ariminum, die Völker jenseits

des ApenninuS zu beherrschen, und die dort von römischen Bürgern angevsssiedelte Landschaft zu schüzen: und 483 (489) unter den Picentern Firmum:

vielleicht 92) auch Castrum an derselben Küste. Daß Venafrum und Allifä von Samnium getrennt wurden, ist daraus klar, daß der Prätor in diese Stävte alljährliche Präfecten sandte, wie nach Formiä und Sunbi 93): sie waren mithin Unterthanen cäritisches Rechts; dadurch ward das ganze Land auf dem rechten Ufer des Vulturnus von Samnium getrennt, und dem Einfluß einheimischer Obrigkeiten entzogen; geschah dies nicht schon nach dem dritten Frieden, später ist es sicher nicht als in dieser Zeit geschehen.

Ueber den Krieg, wodurch die Sallentiner bezwungen wurden, fehlt es an irgend einer Erzählung; nur aus den Triumphalfasten ist klar, daß in jedem der Jahre 479 (485) und 480 (486) beyde Consuln ihn führten: int Herbst des zweyten Jahrs, vier Monate vor dem lezten Triumph, haben die Consuln über die Sarsinaten triumphirt; deren Empörung, oder ein von

den Sallentinern erkaufter Waffenstillstand also die Unternehmungen gegen diese unterbrochen hatte. Brundusium war zur Sicherheit Italiens äußerst wichtig, und, wenn es erst lange nachher Colonie ward, so wird eS doch vor allen zu den Punkten gehört haben, welche eine Legion, deren Haupt­ quartier zu Tarent war, besezt hielt. 639 Damit war die Vereinigung Italiens vollendet: nach Volsinii zogen die Römer nur als Beschüzer der Aristokratie, welche jeder republikanischen ®stleviuö MarimuS VI. 5. I. vergl. mit M. Ercerpten des Dionysius XX. am Schluß. UebrigenS können die in die Knechtschaft verkauften Camariner, denen der Senat die Freyheit wiedergab, nicht die Carrierter gewesen sehn: und ich würde den P. Claudius nicht für Ap­ pius den Consul dieses IahrS zu nehmen einwilligen, wenn nicht die verstümmelte und nicht erkannte Stelle der Ercerpte wäre. 92) Denn allerdings sezt die Epitome XL die Gründung einer Colonie dieses Namens zwanzig Zahre früher, und nennt sie mit Sena und Hadria. Aber das einzigemal, wo eine solche von LiviuS nachher erwähnt wird, (XXXVI. 3.) Castrum novum, ist es der Hafenort am untern Meere, zwischen Ostia und Tarquinii. 93) FestuS s. v. praefecturae.

1036

Expedition gegen die Leibeigenen in Volsinii. Zerstönmg i^on Volstnii. Die

m

Herrschaft, ist sie nicht zum äußersten demokratisch, für die abhängigen Orte

die willkommenste ist. In Etrurien waren keine freyen Gemeinden entstan­ den, und die herrschende Nation mußte ihre Hörigen bewaffnen, um sich zu

vertheidigen. Die Leibeigenen der Volsiinier^) hatten dadurch in dem langen römischen Krieg große Wichtigkeit erlangt: als der Friede geschloffen war, stellten die Oligarchen noch immer ihr Contingent aus ihnen; und da die Waffen in ihren Händen blieben, erzwangen sie sich auch Bürgerrecht, Ehe­ recht, Erbrecht, Siz im Senat.

Daß mancher seinem alten Zwingherrn

Mißhandlung vergolten habe, mögen wir leicht glauben: aber auch wenn es nicht so arg ward, konnten die Gedcmüthigten versucht sehn zu Rom Hülfe zur Herstellung der alten Ordnung zu suchen. Sie ward, zugesagt,

aber die heimliche Unterhandlung ward verrathen, und von den Machthabern grausam geahndet. Es war Q. Fabius Gurges, schon längst seines Vaters

würdig, den die Republik zu strafen sandte 481 (487): er siegte im Felde, verlor aber sein Leben bey einem mißlungenen Sturm: dieser Vortheil ver­ längerte aber nur den Widerstand der Eingeschlossenen, welche nur der Hun­ ger zwingen konnte sich zu ergeben. Die Triumphalfasten legen den Triumph dem Consul des Jahrs 482 (488), M. Fulvius, bey, und sezen ihn in den November: eine andere Erzählung schreibt die Eroberung P. Decius ju95):6io vielleicht war dieser Prätor als Fabius umkam, und übernahm den Befehl,

und er war eS, der die aus der Stadt wieder zurücktrieb; und das weitere wäre übertrieben. Die Vertheidiger der Stadt, welche lebendig in die Ge­ walt des Siegers kamen, wurden als empörte Sklaven hingerichtet, oder den überlebenden Patriciern ausgeliefert: aber von denen die nicht hatten flüchten können, werden, unter ihren Todfeinden, in Hungersnoth, nicht mehr als von den schwedischen Gefangenen zu Breysach überlebt haben. Die

äußerst feste Stadt ward geschleift, die Ueberbleibsel der Volsinienser an einem offenen Ort angesiedelt, welcher vielleicht gemeynt ist, wo später Vol­ sinii genannt wird ov): unter den etruskischen Städten sind sie verschwun­

den 07). Vielleicht bestimmte ein allgemeiner Beschluß die Verhältnisse der ita­ lischen Völker, welche nicht durch Bündnisse festgesezt waren, wie nach der Besiegung der Latiner: vielleicht bildeten sie sich weniger planmäßig aus.

Auf welchem Wege nun es geschah: — daran ist zu erkennen, wie weise und wohlthätig Italiens Schicksal bestimmt ward, daß, während des punischen Kriegs, welcher unmittelbar aus die Vereinigung der Halbinsel folgte,

auch nicht eine Bewegung gegen Rom Statt fand, und daß, ehe Hannibal den Krieg dorthin trug, welcher das Mark der Nation verzehrte, das Lander

an Volksmenge und Wohlstand in einem Grade, den die Nachkommen kaum 994) Zur Rechtfertigung dieser Auffassung der Darstellung bey ZonaraS II. p. 51. f. ff. [VIII. 7.] und dem Auctor de vir. ill. 36. verweise ich auf oben S. 71. 95) Auct. de vir. ill. 36. Ebendaselbst 37. wird deö jüngern App. Claudius Beyname Caudex von diesem Kriege her­ geleitet : eS muß also eine Sage gewesen seyn, er habe den Eingeschloffenen auf ihrem See durch Böte oder Flöße Abbruch gethan. 9tt) Liviuö XXVII. 23. 97) Im Berzcichniß derer, die Scipios Unternehmung unterstüzten. Livius XXVIII. 45.

III

Verfassung des italisch. Staats. Noms Bündniß mit PtolemäuS PhiladelphuS. 1037 glaublich fanden,

lien

zu

blühte.

Diese Verfassung, welche zum erstenmal Ita­ verband, werde ich jezt darzustellen ver­

einem einzigen Staat

suchen 098). ---------------

Innere Geschichte und Verschiedenes aus dem

Zeitraum vom lukanischen Kriege bis zum ersten punischen. Zwey Jahre nachdem Pyrrhus überwunden war,

473 (479),

suchte

Ptolemäus PhiladelphuS der Römer Freundschaft und Vündniß durch eine

Gesandtschaft, welche zu Rom mit großer Auszeichnung empfangen ward. Der Senat nahm den Antrag sehr bereit an, und sandte erwiedernd drey Botschafter mit Geschenken nach Alerandria: es war aber Sitte, befreundeten Königen eine purpurne Toga und Tuniea, und einen elfenbeinernen Thron zu überschicken.

schen Schäzen

An Kostbarkeiten konnten die Römer mit den alerandrini-

nicht

wetteifern

wollen:

aber der erste der Gesandtschaft,

Q. Fabius Gurges, war der erste im Senat;

ktrsich kein zweytes Beyspiel findet oo).

eine Auszeichnung, von der

Die Gesandten wurden glänzend em­

pfangen: der König ließ ihnen, nach griechischer Sitte, goldene Kränze rei­ chen: sie, um das Omen zu bewahren, und den König zu ehren, nahmen

das Geschenk an, aber legten sie seinen Statuen auf das Haupt. Andere Verehrungen, die nicht so abgelehnt werden konnten, überlieferten sie dem Schaz, noch ehe sie über die Gesandtschaft berichteten: aber der Senat gab ihnen alles zum Eigenthum Diese Verhandlungen waren kein leeres Spiel der Eitelkeit. Der Be­ herrscher des ersten Handelsstaates der damaligen Welt hatte mit den Be­ herrschern Italiens nicht wenig wichtige Beziehungen: aber politische, welche, bey der Vereinzelung der bis auf fast unkenntliche Bruchstücke zertrümmerten Staatengeschichten, wahrzunehmen, es aufmerksamer Beschauung bedarf, be­

wogen den alerandrinischen König mehr als ein dem Verkehr seiner Unter­ thanen günstiges Vernehmen zu suchen. Karthago konnte ihn nicht beunsisruhigen, noch er an Eroberungen dorthin denken.

Aber Alerandria

war

998) (Diese Darstellung ist leider unausgeführt geblieben.) (Dergl. die Anmerkung zu der betr. Stelle der Vorrede, wonach hier keine Lücke ist, vielmehr nur N. die Absicht gehabt hat, die S. 1023 — 1029 schon gegebene Darstellung deS Rechts der italischen Genoffen in geänderter Form hierher, an das Ende deS Capitels zu verfezen.) ") Von seinen College» ist O.Ogulnius gewiß der nämliche gewesen, welcher Aesculapius aus EpidauruS erbeten hatte, also auch der griechischen Sprache kundig; und von Numerius FabiuS ist dasselbe sehr wahrschein­ lich, als dem Sohn deS Malers, der sicher mit Griechen verkehrte, und dem die griechischen Dichter nicht fremd seyn konnten: auch wäre sein Neffe nicht nach Delphi gesandt worden, wäre ihm die Sprache unverständlich gewesen. 100°) Alle Stellen s. bey FabriciuS zum Dio p. 61. n. 248. Daß Lykophron nicht auf diesesVündniß deutet, werde ich an einem andern Orte darthun. (Dies ist geschehen in der Abhandlung: Ueber das Zeitalter Lykophrons deS Dunkeln. Rhein. Mus. I. 2. S. 4 08ff. Kl. Schriften 4. Sammt. S. 442 ff.)

1038

Noms Bnndniß mit Ptolemaus PhiladelphuS. Gesandtschaft der Apolloniaten.

HI

von der Natur bestimmt, wie eS dem Gründer klar gewesen war, Haupt­ stadt eines Reichs zu seyn, welches die Inseln und alle Küstenländer der östlichen Halste des Mittelmeeres vereinigen sollte: schon der erste Ptolemaus hatte sich Phönike und Cypern unterworfen, worauf er seine Seemacht gründete; PhiladelphuS erweiterte die Herrschaft bis Karien; und die He­ gemonie von Griechenland war unter den drey ersten Königen ein Ziel, von dem sie nie absahen. Wo sich der Gang der Kriege jenes dunkeln Zeit­

raums einigermaaßen entdecken läßt, da sind doch alle Zeitbestimmungen verschwunden, und es läßt sich nicht ausmitteln, wann der für den zweyten seleukidischen König so unglückliche Krieg begonnen hat, dessen Ende er nicht erlebte.

Doch wäre der auch noch nicht ausgebrochen

gewesen;

er

war die Folge wesentlicher Verhältnisse, nicht persönlicher, also vorherge­

sehen: und eben so durch die Verhältnisse gestiftet war die Verbindung zwi­ schen dem makedonischen und syrischen Königreich gegen das alexandrinische, bis diesem alle gewonnene Küstenländer entrissen waren. Die Verwandtschaft unter den damals regierenden Königen, da Antiochus mit Stratonike, der Schwester des AntigonuS, vermählt war, mochte sie engerziehen; aber auch

wenn Pyrrhus das Reich der Antigoniden bleibend und ganz gewonnen hätte, würde die Dynastie der Aeakiden, ungeachtet der Blutsfreundschaft zwischen Berenikens Nachkommen, in das nämliche Verhältniß getreten seyn. Der Fall wirklicher Waffengemeinschaft war also leicht vorhanden, wenn die Römer einwilligten Legionen über das ionische Meer gehen zu lassen:

und wenn Pyrrhus damals, wie es wahrscheinlich ist, zum zweytenmal im«"

Besiz Makedoniens war, so hatte der Senat Ursache genug ein Bündniß

gern zu schließen, wodurch eine verbündete Flotte Unternehmungen, die er mit weit größer» Kräften hätte versuchen mögen, unmöglich machen konnte: Tarent hielt noch für ihn aus: und die Italiker waren noch nicht unter­

worfen.

Wie Rom der Politik der östlichen Welt nicht mehr fremd war, kann die Gesandtschaft der Apolloniaten vom ionischen Meerbusen, welche 480 (486) zu Rom war, den Auftrag gehabt haben, Beystand zu suchen: und dann wohl gegen keinen andern als gegen Alexander, Pyrrhus Sohn, dessen illyrische Kriege"^), um diese Zeit, auch die griechischen Städte jener Gegend gefährdeten. Doch mögen sie auch nur Beschwerden gegen römische Unter­ thanen der andern Küste geführt haben. Diese Gesandtschaft ist dadurch im

Andenken geblieben, daß, da sich vornehme Römer 2) gröblich an ihnen ver­ gangen hatten, der Senat diese, obwohl einer der Schuldigen die curulische Aedilität bekleidete, den Beleidigten ausliefern, und sie bis Brundusium ge­ leiten ließ, zur Sicherheit gegen alle Gewaltsamkeit der Blutsfreunde. Die Apolloniaten täuschten sich nicht über ihr Verhältniß, und entließen die FrontinuS Slrat. II. 5. 10. Prol. Trogi XXV. 2) Zn jenem Zahr war die Reihe plebe­ jischer Aedilen, also konnte O. FabiuS diese Magistratnr nicht bekleiden: auch nennt ihn Dio fr. 43. einen Senator.

III

8 statt 4 Quästoren.

Beleidiger ungeahndet:

Veränderter Charakter des Senats.

Münzamt.

1039

Rom aber hatte sich großen Ruhm erworben, ohne

daß je Gefahr gewesen wäre, die Großmuth bereuen zu können. 1 Im Jahr 479 (485) ward die Zahl der Quästoren auf acht erhöht,003):

die Verdoppelung war durch die Erwerbung vielfacher und reicher Einkünfte nothwendig geworden. Hat schon damals die Quästur ein Anrecht zur Aufnahme in den Senat gegeben, so war diese, sonst anscheinend für die Verfassung gleichgültige Aenderung darin sehr wichtig, daß censorische Willkühr der Aufnahme wegfiel, indem die gewesenen Quästoren als vom Volk ernannte Candidaten für die durch Tod oder Unwürdigkeit erledigten Stellen im Senat zu betrachten sind, welche andern nachzusezen eine Erklärung an­ genommener Unwürdigkeit war. Aber nach einem Lustrum konnten schwer­ lich je an vierzig Stellen erledigt seyn: und die Kränkung, welche es ent­

hielt, auszuschließen, mochte veranlassen, die Zahl der Senatoren nicht streng zu beobachten; vornehmlich wenn die nur halb so zahlreichen Quä­

storen das Recht genoffen hatten im Senat beyzusizen,

und dies der ver­

doppelten Zahl nicht bestritten werden konnte. * So wäre der Senat, ursprünglich eine Repräsentation der Geschlechter,

dann ernannt durch Auswahl nach den Eurien von gewählten Landeshäup­ tern, ferner durch Auswahl aus der ganzen Nation, worin sich Volkswahl beymischt, endlich zu einer vom Volk auf Lebenszeit erwählten Versamm­

lung, nur die censorische Nichtannahme umgewandelt worden. In die lezte Hälfte des

oder Ausschließung

vorbehalten,

fünften Jahrhunderts, oder den Anfang des

folgenden, muß, wie verworren auch Pomponius sich es vorgestellt hat, die Einrichtung der Magistraturen gesezt werden, welche er chronologisch mit der zweyten Prätur und dem Triumvirat der Profosse zusammenbringt4): und da es unmöglich ist zu Bestimmtheit hierüber zu gelangen, scheint dieser Ort, am Ende des Zeitraums, wo Roms Herrschaft sich noch auf Italien beschränkte, angemessen ihrer zu gedenken. Um so mehr, da die

Einrichtung des Münzamts unter Triumvirn doch gewiß in die Zeit zu gehören scheint, wo Rom das alte nationale Münzsystem verließ, und Silbercourant auszuprägen anfing, welches im Jahr 477 (483) geschah. Ueber diese höchst wichtige Neuerung ausführlich zu handeln, muß der Nu­ mismatik vorbehalten bleiben, welche für die Zeiten der römischen Republik einer lebendigen Ergründung sehr entbehrt. Die Geschichte beschränkt sich darauf zu bemerken, daß auch hier die römische Gesezgebung nur ausbil­ dend für das, was schon begonnen hatte, Daseyn zu gewinnen, eintrat; ioo3) Das Jahr ist erst durch Johannes Lydus bekannt geworden: de magg. I. 27: und da er die Namen der Consuln sezt (3Iovvfov statt 'lovMov ist wohl sein Fehler), so Hütte das aus­ gefallene xcd TtaaaQ«xoai([) in der Jahreszahl hergestettt werden müssen. Durch Tacituö Ausdruck (welcher, beyläufig gesagt, merkwürdig darthut, wie fremd ihm alle Bestimmt­ heit der Vorstellungen von altstaatsrechtlichen Verhältnissen war) iam slipendiaria llalia, hatte sich die Meynung festgesezt, eS sey diese Vermehrung zwey Jahre später eingetreten. Wie LyduS dazu gekommen ist, anzunehmen die Zahl sey auf zwölf erhoben worden, begreift sich ohne Erklärung: aber die Benennung classici ist gewiß richtig. 4) I. 2. D. de Orig, iur. 29. 31.

1040 Münzwesen. Nachtpolizey. Deeemvirn d. Prozesse. D. Gericht d. Centumvirn.

in

die Denarien von kampanischem und neapolitanischem Gepräge, mit der Aufschrift Romanom, sind offenbar eine Aushülfe für den Verkehr welcher Silber bedurfte, und dieses noch nicht vom Staat erhielt. Die wichtigste Frage «47 über das römische Silbergeld wäre, ob dessen Ausmünzung eine Regale war, oder von Privatpersonen, einzelnen oder Geschlechtern, geübt werden konnte? Die Typen, welche sich so ganz eigenthümlich auf Familien beziehen, und die Namen von den Triumvirn herzuleiten, — wo nicht die Namen und Titel der Mitglieder des Collegiums zu lesen sind, — scheint aller Logik der Interpretation völlig zuwider: vor allem aber ist die Verwirrung im Münzwesen, welche Marius Gratidianus at) stellte 1005), nachdem sie daö Volk,

wie das Kipper- und Wipperwesen, gequält hatte, nur dadurch denkbar daß viele, jeder für seinen schnöden Gewinn, münzten. Eine Localmagistratur für die Stadt waren die Quinqueviri für die Sicherheit der Stadt nach Sonnenuntergang, mit welcher Stunde die Frohnpsticht der Obrigkeit aufhörte 6). Um die nämliche Zeit sollen die Decemvirn der Prozesse eingesezt seyn.

Daß diese ursprünglich bestimmt waren,

dem Gericht der Centumvirn vor­

zustehen, also August ihnen diesen Beruf wiedergegeben, nicht allererst er­ theilt, mögen wir Pomponius glauben. Denn lis dürfte ganz eigentlich die Benennung der Centumviralprozesse fetyn 7): und den abgegangenen Quä­ storen konnte einmal in außerordentlichen Zeiten ein solcher Auftrag gegebenem

seyn, und dies sich lange fortsezen, aber sicher nicht ursprünglich 8).

Die neuen Magistraturen wurden von den Comitien der Tribus er­ nannt: anders war es mit den Centumvirn, welche, da sie drey für jede waren, und als ein allgemeines plebejisches Gericht vertretend zu betrachten sind, unmittelbar delegirt seyn müssen, je drey von ihrer Tribus erwählt. Die Wahlen der Centumvirn sind wahrscheinlich unter dem Vorsiz der ple­

bejischen Aedilen gehalten worden, welche selbst Richter waren0). Der Um­ fang der Befugnisse dieses Gerichts ist freylich nicht verzeichnet, aber die, wie gesagt wird 10), unter unzähligen erwähnten Arten, zeigen, daß daS quiritarische Eigenthumsrecht, und was damit zusammenhängt, das Erbrecht ohne und durch Testament, so wie das caput, vor die Centumvirn gehörte"):

1005) Giccro deoff. III. 20. (80). Jaclabalur enim temporibus illis numus sic ul nemo posset scire; quid haberel. Oie Ordnung, welche getroffen ward, wird keine andere seyn als die, welche Plinius unter Drusus Tribunal sezt, über daS Verhältniß der Alliage. b) Solis occasus suprema tempeslas. 7) Wo sacramento certirt ward, nahm der Prätor Bür­ gen litis et vindiciarum. s) Ueber die Verwechslung dieser Decemvirn mit dem Consilium des Prätor und dergl. wird es wohl jezt unnöthig seyn zu reden. 9) Dionysius VI. 90. [p. 411. b.) ou$ vTiTjoEicts tarv xal ouvaQ^ovias xal öixa QTdq Ixdlovv. (Hier schloffen Nch im Manuskript noch diejenigen Bemerkungen über die Zeit der Einsezung und den ältesten Charakter deö CentumviralgerichtS an, welche bereits oben S. 339 f. ihren passenderen Ort gefunden haben.) 10) Cicero de oral. I. 38., ferner 39. 56. (173. 1 76. 238.) n) Nexa, mancipia ; — usucapiones: — die Rechte der praedia, welche res mancipii waren; mithin gewiß nicht allein die von Cicero angeführten: die Anspülungen und Abspülungen: — Gültigkeit der Testamente: — Rechte der Agnaten, Gentilen, — die Fälle, welche daS caput betreffen: Cicero a. a. O.: — Befugniß zur Tutel; welches lezte ebenfalls die Erhaltung des Vermögens in der Familie gilt.

III

Allgemeine plebej. Affiliation. Bürgerrecht eines Theils der Sabiner. Census. 1041

s4sPakte so wenig als Crimtnalfälle: das unermeßliche Gebiet des Besizes war ganz und gar der Prätur anvertrautl012). Das Verhältniß der Decemvirn zu den Centumvirn läßt sich nur ungefähr aus dem Wesen der Sache ermitteln: eine Richterversammlung

kann nicht bestehen ohne Vorsizer, welche die Verhandlung einführen und die Frage stellen. Ob sie selbst und abgesondert richteten? erhellt schwerlich. Eine allgemeine plebejische Assignation hat nach dem Kriege des Pyrrhus Statt gefunden, wo auch C. Fabricius sieben Zugern annahm und fcefldlte13). Nach einer Notiz, die wir mit mehreren aus derselben Quelle eronicht verschmähen dürfen, ward auch der Ertrag von verkauften Gemeinländereyen damals an die Gemeinde vertheilt"). Nach Vellejuö,5) wäre den Sabinern im Jahr 478 (484) daS volle Bürgerrecht verliehen worden: diese Angabe wird aber dadurch sehr zweifel»

haft, daß die Velina und Quirina, in denen vom Velinus und die um Cures eingeschrieben spater errichtet ftnb 16). Wie dem auch sey, von dem ganzen sabinischen Volke verstanden

die Sabiner auö der Gegend waren, erst an dreyßig Jahre diese Begnadigung darf nicht werden: Nursia und Reate

blieben Präfekturen*?): ihnen gleich an Recht waren Amiternum 18) und die Conriliabula

der Sabinerlandschaft:

denn aus diesen Orten19)

wurden

Scipio Freywillige angeboten, da er nicht ausheben durfte (nach den Tribus). Die Zahlen, welche der CensuS während dieses Zeitraums ergab, sind durch die Verschiedenheiten in den Handschriften der Epitome sehr unsicher. Nach den Lesarten, welche am meisten für sich haben29), war die Kopfzahl

466 (472) auf 287000 gestiegen; ungeachtet des großen Verlusts im galli­ schen Krieg, eine Vermehrung von 15000 gegen den nächst vorhergehenden Census von 458 (464): aber durch den Krieg fällt jene Zahl 471 (477) auf 271000, oder gar 261000. Der nächste Census ist verloren: dagegen «Li giebt der von 482 (488) wieder 292000. Wären die Zahlen auch sicher, so würde es doch eine sehr mißliche Speculation seyn nachzugrübeln, welchen Antheil die Erweiterung des Bürgerrechts, und welchen der Anwachs durch Mehrgeburten und Freylassung an dieser wiederholten Herstellung "der Be­

völkerung hatte. "'")Man denke nur ja nicht z. B. wegen der causa tulelarum an das iudicium tutelae: oder verwechsele, daß über das caput in causa liberal! mit dem sacramentum certirt wird, mit dem iudicium gegen den, der einen Freyen als Knecht gehalten; daß im lezten Fall ein arbiler, und zwar ein Senator, genommen ward, ist klar aus PlautuS RudenSIll.4. 7.: dato De senatu Cyrenensi quemvis opulentum arbitrum si tuas esse oportet, nive eas esse oportet liberas, nive te in carcerem compingi est aequom: wo der Senat von Khrene nicht irre machen darf. Ein gleiches ist vom iudicium tutelae und allen turpibus sicher. — Einklagung von schuldig gewordenen Geldsummen, wo nicht mit aes et libra ge­ handelt war, gehörte vor den Prätor (vergl. die Geschichte von dem einfältigen Sachwalter de oral. I. 37. (168).), um einen arbiter zu erhalten u. s. f. Die Erekution des Urtheils der Eentumvirn war auch nur vor dem Tribunal zu erlangen: durch addiclio oder manus inieclio. ") Columella, praef. 14) Maische Erc. d. Dionysius XX. 9. in f. 15) 1. 14. ") Nach der Epitome XIX., wo so wenig als bey Livius in solchen Dingen Irrthum ange­ nommen werden kann. 17) FestuS s. v. praefeclurae. 18) Auch schließt der Artikel bey FestuS mit aliaque complura. 19) LiviuS XXVIII. 45. 20) Hierüber ist Drakenborch nachzusehen. Nirbuhr, 916m. Gesch.

ßß

1042

Gleiche Theilnahme der Plebs an der Censur.

Die alte Sitte.

in

C. Marc'ius, keiner vor ihm und nach ihm, und er wider seinen Wil­ len, war im Jahr 482 (488) zum zwehtenmal Censor, deshalb er den Beh-

namen Censorinus erhalten haben soll: eine zweifelhafte Angabe, indem derselbe eben so füglich daher kommen konnte, daß durch seinen Vater zuerst die Plebs Antheil an der Würde gewonnen hatte. Im Jahr 466 (472) ward nun diese Theilnahme völlig gleich, indem Cn. Domitius, was bis­ her Vorrang des patricischen Censors gewesen war, das Lustrum durch daS

hergebrachte Opfer schloß. Die Censuren folgen sich noch in unregelmäßigen Zeitabschnitten: nach 458 (464) vergehen acht Jahre bis zum nächsten Lustrum. Die des FabriciuS und Papus 471 (477) ist wie keine andere berühmt geworden dadurch, daß sie P. Cornelius Nufinus aus dem Senat ausschloffen, weil er zehn Pfund an Silbergeschirr für Gastmähler besaß Die Censoren selbst hatten nur silberne Schalen und Salzfässer zu Opfern 22): war aber

wohl nicht so sehr die Wachsamkeit gegen einbrechenden Lurus, als die Ueberzeugung, daß Kostbarkeiten, so ungewöhnlich nach der Landessitte, ders^

Beute, wohl namentlich von Kroton, entzogen waren, welche ein treuer Feldherr unverkürzt dem Schazmeister übergeben haben würde. P. Rufinus Raubsucht und Unredlichkeit ist bekannt. Eben dadurch, daß schon ausartende Sitten die noch nicht ausgegan­ gene väterliche Tugend in helleres Licht sezte, ist es geschehen, daß jene all­ bekannten Züge mächtiger Genügsamkeit aus dieser Zeit im Andenken ge­ blieben sind. Leider sind sie auch in den Mund der Deklamatoren gerathen, und es ist peinlich, nach Valerius Marimus von Curius und Fabricius

Armuth zu erzählen. Doch kann der Erzähler der römischen Geschichte nicht auslaffen, wie Curius auf seiner Hufe im Sabinerland die Gesandten der Samniter, welche, sich in seine Clientel enipfehlend, Geschenke überbrachten,

am Heerd empfing, wo er, autz hölzerner Schüssel, auf hölzerner Bank, Rüben aß, die er sich in der Asche gebraten hatte, und das Gold abwieö; nicht moralisirend, sondern unbefangen seiner Neigung folgend: sie sollten

es behalten, denn es mache ihm mehr Vergnügen reichen Leuten zu befehlen, als selbst reich zu seyn 23). Uebersehen dagegen ist die Tradition, daß, da den römischen Befehlshabern vom Staat alles überwiesen ward, was sie be­ durften, um, sey es in der Stadt oder im Felde, ihrer Würde gemäß auf-era zutreten, Curius nur zwey Reitknechte, statt aller Dienerschaft, ins Feld nahm?*). Beyde Helden der alten Sitte, Curius und Fabricius, Plebejer ohne Geschlecht, durch ihre Geburt, und ohne Clienten, durch ihren Willen, rori) Becher: Dionysius Exc. XXI. 4. 22) Daher, daß verarbeitetes Silber im Census angege­ ben werden mußte, erklärt sich das Wort dominia für Tafelgeschirr von edlen Metallen. Es war nämlich eine res mancipii oder dominium 2. Verr. III. 4. — Nonius hat gerathen und verkehrt erklärt. 23) In Gellius I. 4 4. findet sich im Wesentlichen die nämliche Ge­ schichte von C. Fabricius erzählt, aus Julius Hyginus: die Antwort, nicht stolz und hart, gleicht einer Ueberlieferung aus alter Zeit. Fabricius glitt mit den flachen Händen von den Augen bis zum Bauch: so lange ich die alle beherrsche, brauche ich keinen Reichthum. 24) Apulejus Apol. p. 265. ed. Alt.

III

Q. FabiuS Maximus.

Bauten.

Anio vetus.

Privathäuser.

1043

ohne für ihr Haus etwas zu vermissen, hatten keine Aussteuer für ihre Töchter 1O25): die gab der Senat, welcher Fabricius eine Grabstätte in der

Stadt anwies 26): damit ward anerkannt, er habe so gottähnlich gelebt, daß seine Gebeine nicht, wie sonst das Todte, die Reinheit des Tempelgebiets der himmlischen Götter verderbe; noch auch seine Manen als Gespenst,

welches das geweihte Pomörium bannte, die Lebenden beunruhigen könnten. — Curius starb 476 (482)27). Den großen Q. Fabius nach Würden zu ehren, steuerte das Volk zu seinem Leichenbegängniß männiglich, wie für Publi-

cola und MeneniuS: so gab jeder ohne Unterschied sich für einen Clienten des Todten. Das Haus bedurfte der Gaben nicht, und Q. FabiuS Gurges verwandte es zu einem allgemeinen Mahl für das Volk. Die Appische Wasserleitung versorgte nur einen kleinen Theil der Stadt:

die Beute des Kriegs gegen Pyrrhus2«) lrart) bestimmt, den übrigen Ge­ genden Wasser zu verschaffen, und Curius nach Verdienst die Ehre verSL4 gönnt, dies Werk auszuführen, welches aber der Tod ihm entzog. DiesesWasser war der Anio, später der alte beygenannt: oberhalb Tivoli, 20 Mil­ lien von Rom abgeleitet vom Flusse, und 43 Millien weit umhergezogen,

um den Thälern auszubeugen: denn nur 221 Schritte lang war es auf Bögen geführt. Roch schien es möglich, daß Krieg der Stadt so nahe kommen könnte, daß offene Leitungen abgebrochen würden29). Cälius, Palatinus, Aventinus und der zwischen beyden liegende Circus hatten keinen An­

theil an diesem Wasser39). Einige Regionen, damals Vorstädte, können später Ableitungen erhalten haben; die Piscina publica, die Gegend der Antoninischen Thermen, ist unter denen, welche Frontinus nennt; und da im hannibalischen Krieg dort schon der Weiher als öffentlicher Ort genannt wirb31), welcher zu Festus, wo nicht schon zu Verrius Zeiten verschwun­

den war, so möchte man vermuthen, sie sey vom Anio genährt worden, und als Folge seiner Leitung gegraben. Aber der Boden jener Gegend ist quellig, und es möchte zu einer solchen Anlage überflüssig seyn, Wasser aus der Ferne herzuleiten. Rom begann nun auch an Privatgebäuden ein stattlicheres Ansehn zu gewinnen: bis zum Krieg des Pyrrhus war die Stadt allgemein mit Schin­ deln gedeckt gewesen32): nun kamen die Regenziegel (imbrices), wie sie noch üblich sind, in Gebrauch. 665 Die Landstraßen, welche seit Flaminius Censur gebaut wurden, führten den Namen ihrer Gründer: die Latina, Salaria, Nomentana, die älteste Tibur(ina, ist alle Ursache da, älter zu glauben: der punische Krieg mit seinen Geldbedrängniffen war nicht die Zeit solcher Unternehmungen: älter 1O25) Ebendas, p. 266. Man erinnere sich, daß Gentilen und Clienten die Dos schafften. 26) Ci­ cero de legg. II. 23. (58). 27) Frontinuö de aquaed. 6. 2S) Unter den Manubien ist nicht blos das gewonnene Geld, sondern auch alles zu verstehen, was die Quästoren aus dem Verkauf der Sklaven und aller Art Habe löseten; auch aus dem von Grundstücken, welche in jenem Krieg gewonnen waren. 2anno.

mit dreyhundert und fünfzig Penteren entgegen, welche nicht weniger als hundert und fünfzig tausend Mann führten. Es war die größte wahrhaft kriegerische Anstrengung, welche die alte Welt gesehen hatte. Die Flotten trafen aufeinander im Angesicht des Eknomus, wo die Pöner vor einem halben Jahrhundert über Agathokles gesiegt hatten. Ha-

milkar, welcher sich bisher weit vor den übrigen karthaginiensischen Feldherrn in diesem Kriege ausgezeichnet hatte,

und Hanno führten die Flotte ihrer Nation: beyde Eonsuln, L. Manlius, und, den glänzendes Glück von die­

sem Tage in das tiefste Unglück, und auf die sonderbarste Art zu einem Nachruhm führte, der sich gegen alle Kritik behaupten wird, M. AtiliuS Regulus.

Die Schlacht war zerstörend und entscheidend: aber wie wir ge­

wöhnt sind in Seegefechten noch höhere Gewandtheit als in Landkriegen zu erblicken, und ihre Entscheidung eben von dieser Gewandtheit und derHerr-vss schäft der Bemannung über ihr Schiff zu erwarten, so sehen wir halb lä­

chelnd, halb unmuthig, daß rohe Gewalt alle Vortheile der Kunst und der Uebung vernichtete, auf diese römischen Seeschlachten. Die römische Flotte war in vier Escadren getheilt, deren erste von den Eonsuln unmittelbar angeführt wurden. Diese waren so gestellt, daß die Admiralsschiffe neben­ einander, dieses auf dem rechten Flügel der linken, jenes auf dem linkender rechten Escadre ihren Ort hatten: und indem diese vorgingen, so ließen sie sich von den übrigen so folgen, daß indem von jeder Escadre sich je eines nach dem andern in Bewegung sezte, während die frühern beständig fort­ ruderten, die

wandelt ward.

grade Linie dadurch allmählich in einen rechten Winkel ver­

Dieser ward geschloffen durch die dritte Escadre, welche die

Transportschiffe der Kavallerie im Schlepptau führte, und diese wurden unmittelbar durch die vierte gedeckt. Auch die punische Flotte war in vier Escadren getheilt: während zwey die das Centrum bildeten die römische Avantgarde von dem dritten und vierten Treffen durch eine scheinbare Flucht abzogen, umsegelte sie der linke Flügel der karthaginiensischen Flotte und griff die dritte, der rechte inzwischen die vierte Escadre an: so daß zugleich drey Schlachten geschlagen wurden. Die römische Hauptmacht siegte, und da sie die Feinde zerstreut hatte, befreyte sie die beiden übrigen Escadren,

welche hart gedrängt wurden, und verloren gewesen wären, wenn die Karthaginienser die Enterbrücken weniger gescheut hätten. Die Reste der punischen Flotte sammelten sich wieder bey Herakles. Mehr als dreyßig punischesL? Schiffe waren versenkt: vier und sechzig mit der Mannschaft erobert: die Römer hatten vier und zwanzig zerstörte Schiffe verloren 1061)» Während die Konsuln die beschädigten Schiffe herstellten und sich rüsteten nach Afrika

zu segeln, erschien bey ihnen der punische Feldherr Hanno, um die drohende Gefahr durch einen Friedensschluß abzuwenden, oder Zeit zu gewinnen. Seine Sendung war fruchtlos, und veranlaßte nur eine leere Ruhmredigkeit

der Annalisten von der Römer Tugend, welche seine Freyheit nicht verlezt habe, obgleich er sich in ihre Gewalt gegeben hätte. ,061)!ßoli?fciu8 I. 26 — 28.

in

Landung d. Römer in Afrika, Fortschritte.

Rückkehr e. Theiss d. Heeres.

1061

Mit Grauen und trüben Ahndungen verließ das römische Heer die sicilische Küste: selbst die Tribunen murrten über die verderbliche Verwegenheit, und Regulus unterdrückte die Gährung nur durch Androhung der äußersten

Strafen.

Die punische Flotte war viel zu schwach,

um sich der römischen

offen entgegenzustellen; Hamilkar und Hanno trennten sich, um mit dem Vortheil besser segelnder Schiffe, welche einem Gefecht ausweichen konnten, gegen sie zu kreuzen und Gelegenheiten wahrzunehmen: aber Hanno ward diesem Plan untreu, und eilte nach Karthago, fürchtend, daß die feindliche Flotte ihren Lauf grade nach diesem Hafen nehmen möchte. Sie that es nicht, sondern landete an der östlichen Küste des hermäi-

schen Vorgebürgs.

Clupea, die erste Stadt, vor der sich die Römer zeig­

ten, ward von den Einwohnern verlassen: hier errichteten sie ihren Waffen-

plaz, und errichteten Verschanzungen zum Schuz ihrer Flotte. Afrika hatte ewsich von Agathokles Zug erholt: es bot dieselbe Fülle von Reichthum dar,

in deren Zerstörung der syrakusanische Fürst geschwelgt hatte, und denselben Stoff der Gährung und Empörung.

Das Land war auf viele Meilen von

Karthago wie ein Garten angebaut: die prächtigen Gebäude, der zierliche und üppige Anblick der Gefilde hatte vor einem halben Jahrhundert der Griechen Bewunderung erregt; noch viel fremder war den Römern dieser

Glanz. Sie überströmten das Land zerstörend; diese Paläste und Land­ häuser gingen in Flammen auf, nachdem fortgeführt war was des Weg­ führens werth schien; eine zahllose Menge Gefangener und Heerden erbeutetes Viehs wurden nach Clupea getrieben. Viele römische Gefangene wurden

aus der Knechtschaft befreyt. Es war damals noch gewöhnlich, daß wenigstens das eine der konsu­ larischen Heere im Winter nach Rom zurückkehrte und entlassen ward; oft

blieben nur einzelne Besazungen: durch dieses Kriegssystem, welches freylich die Absonderung des Wehrstandes von den Bürgern hinderte, war Italiens Eroberung so lange verzögert worden. Auch jezt ward beschlossen, daß L. Manlius mit seinem Heer und dem größten Theil der Flotte zurück­ kehren sollte: eine Maaßregel, welche ganz widersinnig scheint, da der Krieg in Afrika nur mit Karthagos Eroberung oder Unterwerfung, oder mit dem Untergang des römischen Heers endigen konnte, und Regulus Heer allein,

wenn es auch durch die abtrünnigen Numidier und andre Afrikaner unterstüzt ward, der völligen Besiegung Karthagos nur dann genügte, wenn sbsRoms Feldherrn fortwährend durch die Unfähigkeit der karthaginiensischen unterstüzt wurden. Damals soll Regulus den Senat um seine Zurückberufung gebeten haben, weil seine plebejische Bauerhufe während seiner Abwesenheit zu Grunde gehe, und die (einigen Noth litten: worauf der Senat beschlossen habe, die Kosten der Wirthschaft während seiner Abwesenheit von wegen der Republik zu bestreiten, und seine Familie zu versorgen. Diese Erzäh­ lung gehört zu den bekanntesten Emblemen der alten römischen Tugend,

theils in dieser Gestalt, theils in einer etwaö abweichenden, nach welcher

1062

Regulus.

10. Feldzug.

m

Siege des Regulus in Afrika.

Negulus aus diesem Grunde sich geweigert habe das Consulat zu über­

nehmen. Und an jener Klage, und an diesem Beschluß des Senats möchte man so wenig kritisch zweifeln, als Veranlassung dazu vorhanden zu seyn

scheint. Aber daß Negulus gewünscht hätte das Heer zu verlassen, glaubte Polybius nicht, welcher urtheilt er habe eilen gewollt Karthago zum Frie­ den zu zwingen, damit nicht sein Nachfolger den Ruhm ernbte1062), und die höchste Größe, welche den einzelnen Ruhm entbehren kann, diese fehlte dem sehr überschäzten Charakter des Regulus. Cr gehört gar nicht zu den größ­ ten Männern seiner Zeit,

obwohl er die Tugenden dieser Zeit hatte:

er

war keineswegs ein vollendeter Feldherr; er vertraute blind, und ohne alle Voraussicht einem übermäßigen Glück, und vermaß sich in diesem Glück so,

daß ihn die Nemesis traf, nicht weniger zu des Vaterlands Verderben als seinem eigenen. Nachdem L. Manlius 27000 Gefangene auf der Flotte eingeschifft hatte sso 491 (497), führte Negulus seine Armee aus der Ruhe kurzer Winterquar­ tiere, und eröffnete den Feldzug durch die Belagerung deren Lage wie das meiste der vorrömischen Geographie ungewiß ist. Die Pöner hatten inzwischen eine Armee sammelt, und einen Theil der sieilischen herübergezogen.

einer Stadt Adis, Afrika's wenigstens bey Karthago ver­ Sie Übergaben den

Befehl drey Feldherrn, Hamilkar, Hasvrubal und Bostar, welche mit allen Nachtheilen einer zertheilten Macht die noch größeren einer Unfähigkeit ver­ banden, im zehnten Feldzug die Eigenthümlichkeit eines römischen Kriegs,

und die Kraft oder Schwäche ihrer eigenen Heere zu fassen. Sie vermieden die Ebenen, in denen die Römer ihren Reutern und Elephanten zu begegnen fürchten mußten, un^ zogen sich in die Gebürge, wo die Gegend sie un­ brauchbar und den Feinden unschädlich machte, ohne dieses eigenthümliche Kraft zu schwächen. So lagerten sie sich im Gebürge bey Adis um diese

Stadt zu entsezen, und daher wurden die fremden Truppen, ohne einige Unterstüzung von der Reuterey und den Elephanten, nach muthigem Wider­ stand geschlagen und zerstreut. Achtzehntausend Mann vom Karthaginiensischen Heer sollen in der Schlacht gefallen seyn: fünftausend, und achtzehn Elephanten wurden gefangen. Nach dieser Schlacht wichen die Karthaginienser in die Mauern ihrer Stadt zurück: Negulus eroberte Tunes; vier

und siebzig Städte unterwarfen sich ihm: die Numidier entsagten Karthagos Herrschaft, und vollendeten die Verwüstung des Landes.

Gehörte nicht Regulus noch dem dichterischen Zeitalter Roms, undm, hätte nicht Nävius von dem ersten punischen Kriege in alter Weise und einheimischem Versmaaß gesungen, so würden wir schwerlich in der Ge­ schichte dieses Feldzugs von dem Kampf gegen die Riesenschlange lesen, welche hundert und zwanzig Fuß maaß, die Soldaten am Fluß Bagradas anfiel, verschlang, oder mit giftigem Hauch tödtete, und den Wurfgeschossen

der ganzen Armee widerstand, bis die Batisten herausgeführt wurden, sie zerschmetterten.

1062) I. 3L 4.

und

III

Friedensuntcrhandlungen.

Ncgulus sintert Unmögliches.

Lanthippuö.

1063

Regulus schrieb dem Senat, er habe die Thore Karthagos mit Schrecken versiegelt: viele Hunderttausende, die unzählige Bevölkerung der Stadt, ver­ mehrt durch die flüchtigen Landleute, waren von diesen Thoren eingeschlossen und litten Hunger. und Regulus

Eine Gesandtschaft bat im römischen Lager um Frieden,

konnte damals erhalten, was die Republik durch

dreyzehn

Jahre fortgesezten Kriegs mit dem Leben von mehr als hunderttausend Bür­ gern und Bundsgenoffen mühselig errang. Aber der Proconsul hielt in sei­

nem Wahn Karthagos Schicksal in der Hand: und er wollte es entscheiden. Denn er erwartete wohl, wenn Friedensbedingungen, welche von Karthago als erträglich angenommen wären, dem römischen Volk vorgelegt würden, so werde dieses in der Hoffnung schon jezt Afrika zu erobern, den Frieden verweigern: inzwischen vergehe die Zeit in Waffenstillstand, und da damals

die consularische Macht nur auf ein Jahr verlängert ward, so werde der Consul des folgenden Jahrs den Befehl in Afrika übernehmen und den 692

Krieg durch die Eroberung Karthagos vollenden. Er forderte daher die Abtretung Siciliens und Sardiniens: die Zurück­ gabe aller römischen Gefangenen ohne Lösegeld, die Lösung der punischen: einen jährlichen Tribut: Anerkennung der römischen Hoheit: Entsagung des Rechts ohne Genehmigung Roms Kriege zu führen: Auslieferung aller Kriegsschiffe bis auf ein einziges: wenn aber Rom es fordere, dann solle

Karthago Anstalt treffen ihm fünfzig Kriegsschiffe zur Hülfe zu stellen. Als

diese Bedingungen den punischen Botschaftern angekündigt wurden, entfern­ ten sie sich ohne Antwort zu geben, weil diese nicht leichter als der Unter­ gang selbst wären. Indessen wäre diese Verzweiflung fruchtlos gewesen, und Karthago würde wahrscheinlich untergegangen sehn, wenn nicht das Schicksal, welches

Rems Herrschaft sich langsamer erheben und tiefer begründen lassen wollte, unter andern Frehwilligen, welche aus Griechenland, wo jedem thätigeren das Leben immer unerträglicher ward, auch den Lakedämonier Xanthippus nach Karthago geführt hätte. Spana war damals im tiefsten Verfall der Ohnmacht und innerer Entartung: noch war Agis Kind, der es zuerst wieder aus der Dunkelheit zog: Sparta war öve und matt, aber noch be­ standen Lykurgs Geseze, und Bürger, deren Geist besseren Zeiten verwandt war, konnten sich durch sie zu diesen Zeiten erheben. Wir kennen Xan-

thippus nur aus diesem punischen Krieg, aber in der ganzen alten Geschichte ist nichts völliger, und wohl verdient, zerstört, als die Jahrbücher der ma­ kedonischen Reiche dieser Zeit: in ihren Kriegen muß Xanthippus sich ge­

bildet, und Ruhm gewonnen haben: denn nicht als bloßer Söldner kam er vs3nach Karthago, und sein Urtheil wäre nicht beachtet worden: wenn es nicht von einem Mann gekommen wäre, dessen Urtheil der Ruf zu achten gebot.

Wir streben natürlich uns das Leben eines großen Mannes in seinem gan­ zen Umriß zu denken: und wir werden nicht irren, annehmend, er habe als Jüngling gegen Pyrrhus in der Vertheidigung Spartas und mit Areus,

da dieser für das Vaterland bey Korinth fiel, gefochten.

1064

Völlige Niederlage der Römer durch XanthippnS.

Regulus gefangen.

Hl

Lanthippus äußerte mit spartanischer Freyrnüthigkeit, weder die Römer noch die Truppen Karthagos wären Ursache dieser ununterbrochenen Reihe

schmählicher Niederlagen, welche Karthago an den Rand des Verderbens gebracht hätten, sondern allein die Unkunde der punifchen Feldherrn, welche ihre sehr brauchbaren Truppen nicht zu gebrauchen wüßten. Ist es wahr, daß Karthagos Demokratie dem öffentlichen Heil oft schädlich gewesen ist, so

mag dies versöhnt werden, indem ohne diese Demokratie, welche die Re­ gierung zwang dem fremden Netter Gehör zu geben, die punifchen Feldherrn wahrscheinlich lieber mit ihrem Vaterlande zu Grunde gegangen wären, als daß sie einen Fremden über sich erhöht hätten.

Aber eine Ahndung der

Rettung durchdrang das Volk, und die allgemeine Stimme forderte,

Xanthippus den Krieg leiten solle.

daß Als dies beschlossen war, als Lanthip-

pus die Armee ordnete, und vor der Stadt übte, da sah ein jeder, daß

ein ganz fremder höherer Geist durch ihn walte,

und jeder war des Siegs

gewißlu63). Wie die Karthaginienser erst durch die makedonische Taktik den Ge­ brauch der Elephanten im Kriege angenommen hatten, obwohl Afrika dieser«»* Thiere Vaterland ist, so ist es auch sichtbar in den bisherigen Feldzügen, daß sie keinen Gebrauch von ihnen zu machen gewußt, ehe Lanthippus sie belehrte. Im Vertrauen auf hundert Elephanten und viertausend Reuter ging er den Römern entgegen, obwohl er nur vierzehntausend Mann In­ fanterie, und Regulus ein Heer von mehr als zwey und dreyßigtausend

Mann versammelt hatte. Die Römer spotteten des Griechen, der sich ver­ messe gegen sie ins Feld zu gehen: denn der Name eines Griechen war bey ihnen verächtlich, wie unter den Lombarden und Franken der Name eines Römers. Doch befremdete und beunruhigte sie bald das Vertrauen, womit er sich in den Ebenen zeigte.

Xanthippus stellte auf dem rechten Flügel die geworbenen Truppen: den linken ertheilte er den Karthaginiensern: auf beyde Flanken waren die Reuter und leichten Truppen vertheilt, und die Elephanten vor der Fronte der Infanterie aufgestellt. Die Römer suchten sich gegen die Thiere durch die

leichten Truppen zu decken, und machten ihre Schlachtordnung ungewöhnlich tief, um ihrem Anfall zu widerstehen. Der linke Flügel der Römer griff die geworbenen Truppen an, schlug und verfolgte sie. Der rechte ward von den Elephanten niedergeworfen.

Die Kohorten,

welche durch sie hervor­

brachen, wurden von den Karthaginiensern empfangen und zerstreut. Schon am Anfang der Schlacht hatte die punische Reuterey die ungleich schwächere römische von den Flanken des römischen Heers verjagt, und was nicht durch

die Elephanten zerstreut war, mußte sich gegen diesen Feind wenden. Die ganze römische Armee ward aufgelöst und vernichtet. Der Consul mit fünf-sss

hundert ward gefangen, die Römer selbst gaben ihre Todten auf dreyßigtausend an: zweytausend retteten sich in der Verwirrung der Verfolgung nach Elupea. ,063) Polybiur I. 32. 6.

III

Unsichcrh. d. Chronolog. 11. u. 12. Kricgsj. 2. röm. Cxped. Sieg b. Clupea. 1065 Die Chronologie dieser Zeiten, selten in den uns erhaltenen Nachrichten angegeben, wird dadurch noch mehr verdunkelt, daß das konsularische Jahr noch immer nicht gleichzeitig mit dem der Aera anfängt. Aus den Trium­ phalfasten erhellt, daß die Consuln ihre Würde noch immer nach den Iden

des Aprils, wahrscheinlich mit dem May, antraten; und daß die Erpedi-

tion nach Afrika um die von Regulus Heer Uebrigen zu retten in den Frühling fiel, ist gewiß, weil der Sturm sie auf der Rückkehr, nach der Sommersonnenwende, oder am Anfang unseres Julius traf1064). Daß aber

damals Serv. Fulvius und M. Aemilius schon als Proconsuln den Befehl führten, aber kurz vor dem Ende ihrer Magistratur nach Afrika gesegelt waren, folglich auch Regulus Niederlage in den Anfang des chronologischen Jahrs 492 (498) gesezt werden muß, ist deswegen nicht zu bezweifeln, weil

der Seetriumph jener Befehlshaber als Proconsuln in den Januar des Jahrs 493 (499) fällt65): folglich mußte ihr Konsulat im Frühling des verflosse­

nen JahrS sein Ende erreicht haben. Die römische Besazung zu Clupea vertheidigte sich über Erwartung, wie sehr auch die Karthaginienser sich anstrengten, ihren Boden von diesen lezten Feinden zu reinigen. Erklärlicher wird der Erfolg ihrer Vertheidi696gung dadurch, daß die Rebellen in Afrika noch unter den Waffen waren,

und Karthagos Macht nothwendig theilten. Die ganze römische Flotte, wenigstens dreyhundert Kriegsschiffe66), ward unter den beyden schon ge­ nannten Consuln dorthin gesandt.

Sie unterwarf Cossura der

römischen

Hoheit, und begegnete der punischen Flotte am hermäischen Vorgebürge. Das Treffen währte eine Zeitlang unentschieden, bis die bey Clupea zurück­ gelassene römische Escadre auslief, und die Pöner zu einer getheilten Ver­

theidigung zwang. Daß dieser Sieg einer der größten und glänzendsten war, ist nicht zu bezweifeln, wie sehr auch die Angaben über den Verlust der Karthaginienser von einander abweichen. Wir können nicht bezweifeln, daß LiviuS meldete, eS wären ihnen hundert und vier Schiffe zerstört, dreyßig mit der vollen Mannschaft erobert worden6r), dreyßigtausend Mann umge­

kommen : die Römer hätten mit elfhundert Todten neun zerstörte Schiffe verloren. Polybius Zahlen sind höchst wahrscheinlich verdorben66): in dem gleichgültigen Diodor ist es sichtbar, daß er Philinus partheyischer Dar­

stellung für Karthago folgt, indem er von den zerstörten Schiffen schweigt, und nur von vier und zwanzig genommenen meldet 69). Nach diesem Siege landeten die Consuln zu Clupea. Eine Schlacht, worin die Karthaginienser neuntausend Mann verloren haben sollen, ver«9? trieb die feindliche Armee aus dieser Gegend, und sicherte die Einschiffung.

Aber gänzlicher Mangel an Lebensmitteln, ein Hinderniß, welches die Römer

je tiefer die Verwüstung mit jedem neuen Feldzug eingriff, immer drückender 1064J Polybius I. 37. 4. und SchweighäuferS Anmerkungen. 6S) XIII. Kal. Febr. Triumphalfasten. 66) OrosiuS IV. 9. Polybius 1.36.10. redet von dreyhundert und fünfzig. 67) £Dtosius a. a. O. Eutropius II. 22. b8) I. 36. II. vav$ Haßoy ixaiov dexaT^oaaQcts, Diodor XXIII. exe. 14,

1066

Wiedereinschiffmlg.

Schiffbruch ter römischen Flotte bey Kamarina.

III

empfanden, zwang sie allen Aussichten zu entsagen, welche dieser Sieg und die fortwährende Empörung der punischen Unterthanen in Afrika gewährte. Man mußte die Einschiffung aufs äußerste beschleunigen, um nicht vor Hunger umzukommen. ES war auf der Sommersonnenwende, gegen den Ausgang des Sirius, um die Zeit, da die Etesien eintreten, und die früher veränderlichen nörd­ lichen und östlichen Winde mit stürmischem Wetter aufbrechen, um dem westlichen Passat Raum zu machen. Auch in unseren nördlichen Breiten

und den weiteren Seen ist diese Jahreszeit stürmisch: das Mittelmeer und besonders das Meer zwischen Sicilien und der Syrte ist weit stürmischer und gefährlicher als der Ocean;

die besten Seeleute mit den tüchtigsten

scheuen diese Gewässer, welche grade um diese Jahreszeit auch Kriegsschiffen den Untergang drohen. Schiffen

Die Piloten warnten die römischen Befehlshaber, wegen dieser Gefahr die südliche Küste Siciliens zu vermeiden, und ihren Lauf um Lilybäum

längs der nördlichen

zu nehmen.

Aber diese war bis Tyndaris ganz in

der Feinde Gewalt, und das Bedürfniß, schleunig einen freundlichen Hafen

und einen reichlichen Markt zu erreichen, scheint den verwegenen Entschluß der Römer, diese Warnungen zu überhören, richtiger zu erklären als die

Meynung, es sey ihre Absicht gewesen, einige Seestädte zu überraschen 1Ü7Ü). Auf der Küste bey Kamarina, welches vor wenigen Jahren das Opfer rö-ess Mischer Grausamkeit gewesen war und noch im Schutt lag, ergriff der Sturm die Flotte. Sie erlitt einen unerhörten Schiffbruch. Die Zahl der ver­

lornen Kriegsschiffe, welche theils von den Wellen verschlungen, theils auf den Strand geworfen wurden, wird sehr abweichend angegeben, und in den beyden äußersten, dreyhundert und vierzig71) und zweyhundert und zwan­ zig 72), können wir den partheyischen Glauben oder die täuschende Darstellung der beyden Historiker dieses Kriegs, Philinus und Fabius, erkennen. Ueberdies sollen dreyhundert Transportschiffe gestrandet seyn. Die ganze Küste

von Kamarina bis an den Pachynus war mit Trümmern und Leichen be­ deckt. In dieser traurigen Noth bewährte sich Hiero als treuer Bundsgenoffe, er versorgte die Geretteten mit Speise und Kleidung. Flotte sammelten sich bey Messana.

Die Reste der

Die Römer haben nie auf der See geglänzt, und bie, Seekriege der Alten sind überhaupt fast kindisch gegen die der neuen Zeit, ungeachtet des

ungeheuren Aufwands an Menschen.

Doch müssen die Schiffbrüche ganzer

Flotten im Alterthum nicht einen».gar zu verächtlichen Begriff von der alten Völker Schiffahrt geben. Noch jezt bauen einheimische Meister in den Häfen der Barbarey und Griechenlands ohne Theorie, nach einer Tradition, deren Ursprung untrüglich in das classische Alterthum hinaufgesezt werden muß,

vortrefflich segelnde und j^em Ungewitter nicht weniger als die des OceanS trozende Schiffe. Aber wie jezt die Kriegsschiffe die vollkommensten, so ,07°) PolydiuS I. 37. 5.

71) Diodor XXIII. exc. 14.

72) OrosiuS a. a. O.

III

Fortschritte Karthagos.

Nene Rüstung und Erfolge Noms.

1067

699waren sie im Alterthum grade die gebrechlichsten Schiffe, weil sie nicht auf das Segeln, sondern so gebaut werden mußten, daß sie ganz in der Gewalt der Ruderer wären. Sie konnten keinen Sturm in freyer See bestehen,

und wenn sie auch so flach gingen, daß die Mannschaft, wenn sie auf den Strand geworfen waren, sich wohl gewöhnlich retten konnte, so zertrümmerte

doch ihr schwaches Gebäude von dem Stoß. Diese fürchterliche Begebenheit hob den Muth der Karthaginieuser.

Die

abtrünnigen Völker Afrikas waren bezwungen: ihre Häupter wurden ge­ henkt, den Völkern eine Strafe von tausend Talenten und zwanzigtausend

Rindern aufgelegt: und Lanthippus schien eine Taktik gelehrt zu haben, die den Römern unwiderstehlich sey. Aber er selbst hatte Karthago verlassen, um sich dem Neide zu entziehen und seinen in der Fremde erworbenen Ruhm im Vaterlande zu genießen, welches diesen lieber anerkennt, als ihn selbst

denselben Eigenschaften ertheilt. Noch waren die Pöner Herren der Hälfte Siciliens, feit 488 (494) hatten die Römer keine Fortschritte aus dieser

Insel gemacht. Karthago eroberte Agrigentum, und wiederholte an dem unglücklichen Haufen, der sich wieder in diesen der Zerstörung geweihten Mauern gesammelt hatte, die Greuel der ersten Eroberung >"7^).

Aus Afrika

landete eine neue Armee mit hundert und vierzig Elephanten: zweyhundert Kriegsschiffe wurden zu Karthago ausgerüstet, und man erwartete, daß 7oo

Hasdrubal offensiv verfahren werde74). Aber die römische Republik hatte bey der schrecklichen Botschaft von der Flotte Schicksal den Muth so wenig sinken lassen, daß der erste Gedanke nur der Befehl war, eine neue zu erbauen. Diese, zweyhundert und zwan­

zig Schiffe, war in drey Monaten vollendet, und En. Scipio und A. AtiliuS Calatinus7^) führten sie nach Sicilien, mit zahlreichen Truppen. Sie gewannen Kephalödion durch Verrath, und schlossen Panormuö ein, ohne daß der punische Feldherr es gewagt hätte, seine Quartiere um Lilybäum zu verlassen. Panormus ward groß, als die älteren Städte gefallen waren, doch war es schon als eine alte punische, oder wahrscheinlicher von allerley griechischen Abentheurern unter punischer Herrschaft gegründete und bewohnte Stadt, ansehnlich und blühend: ihre innere Kraft bezeugte die, vielen Städten

des gesegneten Siciliens eigne, Neustadt, welche die anwachsende Volks­

menge erbaut hatte. Diese ward zuerst mit Sturm eingenommen: die Alt­ stadt capitulirte, daß die Freyen gegen eine Ranzion von zwey Pfunden Silber für den Kopf, mit Zurücklassung alles ihres Eigenthums, abziehen sollten. Dreyzehntausend, welche diesen Preis zu zahlen nicht vermochten, wurden in die Knechtschaft verkauft. Nach dieser sehr wichtigen Eroberung

unterwarfen sich mehrere Städte, welche bisher Karthago treu gewesen wa­

ren, den römischen Waffen, unter ihnen das griechische Tyndaris und das altphönicische Soloeis. Aber die Schiffe, welche die reiche Beute nach Rom führten, wurden von den Karthaginiensern genommen. 1O73) Diodor a. a. O.

74) PolybiuS I. 38. 2.

75) Es scheint als Proconfuln 493 (499).

1068 3. Expedit, nach Afrika. Schiffbruch.

13.—15. Kriegsjahr.

Schlacht bey

III

Die langsamen Fortschritte der Eroberung Siciliens lockten die Römer noch einmal nach Afrika. In demselben Jahr 493 (499) verwüsteten dieroi Consuln En. Servilius Cäpio und E. Sempronius Bläsus die libysche Küste mit einer Flotte von zweyhundert und sechszig Schiffen, der keine punische widerstand. Sie verweilten an der Küste der kleinen Syrtis, der reichsten Gegend Afrikas, in deren unmittelbarem Besiz die Karthaginienser gewesen, und sie mit der höchsten Cultur angebaut zu haben scheinen. Während diese von einem barbarischen Feinde öde gelegt wurde, brachte die Unkunde der Piloten die römische Flotte dem Untergang nahe. In diesen

gefährlichen Meerbusen herrscht eine Ebbe und Fluth, und sie sind voll Klippen und seichter Gründe: daher geriethen die römischen Schiffe auf den Grund und arbeiteten sich nur durch Auswerfen aller Lasten bey der zurück­

kehrenden Fluth los.

Hierauf flüchteten sie von dieser Küste: sie erreichten

Panormus, und steuerten, was für diese Nuderschiffe verwegen schien, durch

die offene See nach der italischen Küste.

Hier, am Vorgebürge Palinurus,

überfiel auch sie ein fürchterliches Unwetter, hundert und fünfzig Kriegs­ schiffe scheiterten, und die ganze Beute ward von den Wellen verschlungen. Diese wiederholten Schläge beugten den Muth der Römer: der Senat be­ schloß, die Flotte nicht wieder herzustellen, sondern sich auf sechszig Schiffe zur Vertheidigung der Küsten Italiens und zur Bedeckung der Transporte

zu beschränken. Dennoch eroberten die Römer,

seitdem sie der Flotte entsagt hatten,

Lipara, welches ihnen widerstand, so lange sie die kleine Insel mit Seemacht umringen konnten: die Eroberung war die Vertilgung dieser alten griechischen

Kolonie. Auch Thermä, entstanden an den Ruinen des alten Himera, ward?02 in demselben Jahr 494 (500) eingenommen, verlassen von den Einwohnern, welche die Pöner NachtS eingeschifft hatten. Diese waren jezt auf den westlichsten Winkel Siciliens eingeschränkt,

aber die Römer wagten es nicht sie hier anzugreifen.

Seit ReguluS Nieder­

lage war die Furcht vor den Elephanten unüberwindlich, und die römischen Armeen standen während des Jahrs 495 (501) den feindlichen im Gebiet von SelinuS und Lilybäum oft gegenüber, ohne eine Schlacht anzunehmen. Dieses überwand die Scheu des karthaginiensischen Feldherrn, eine Entschei­ dung zu wagen. Der Proconsul L. Cäcilius Metellus war an der Gränze des panormitanischen Gebiets gelagert, um die Erndte der römischen Unter­

thanen zu beschüzen. Die Annäherung des gesammten punischen HeerS ge­ währte die Hoffnung, ihm in günstiger Lage eine Schlacht zu liefern: und für diese gab Metellus die kleineren Rücksichten Preis. Er verließ die Pässe und wich bis unter die Mauern von Panormus zurück, an die ein ver­ schanztes Lager gelehnt war. Vor den Graben des Lagers waren leichte Truppen gestellt, überflüssig mit Wurfspießen und Geschossen jeder Art ge­ rüstet, und beständig mit neuen Vorräthen versorgt. Diesen war vorge­ schrieben, wenn sie sich nicht länger behaupten könnten, sich in das Lager

III

Panormus. Karthago auf Selinus u. Drepana beschränkt sucht Frieden.

1069

zu ziehen, und ihre Waffen hinter den Palliffaden und von der Höhe des

Walls zu gebrauchen 1()7C). Sobald das Gefecht angefangen hatte, und die Führer die Elephanten 703gegen das römische Lager drängten, um durch sie allein die Schlacht zu ent­

scheiden, sandte der Proconsul unaufhörlich Verstärkungen in die Linien, während er den übrigen Theil der Armee in der Stadt zum Ausfall bereit hielt. Die Elephanten verjagten die römischen leichten Truppen in das La­ ger: aber indem ihre Führer sie in den Graben hineintrieben, um den Wall zu stürmen, benuzten die Römer den Augenblick, sie mit Geschossen zu be­

decken.

Viele stürzten, die übrigen flohen verwirrt.

In diesem Augenblick

wurde das Thor geöffnet, und die römische Armee erschien auf der linken Flanke der Karthaginienser. Die Niederlage war augenblicklich entschieden und fürchterlich. Viele stürzten sich in das Meer, um zu einer karthaginiensischen Escadre zu schwimmen, welche den Bewegungen der Armee folgte, und kamen in den Wellen um. Die Todten werden zu zwanzigtausend an­ gegeben77), und Metellus führte dreyzehn feindliche Generale hinter seinem Triumphwagen. Am glänzendsten aber war dieser Triumph durch hundert und vier erbeutete Elephanten: die Karthaginienser hatten alle verloren, denn die übrigen waren getödtet. Die erbeuteten wurden im Circus umhergetrie­ ben, und um dem Volk die Furcht vor ihnen zu nehmen, mit Wurfspießen

getödtet. Im fünfzehnten Felvzuge war dieses die dritte Schlacht, welche Kar­ thaginienser und Römer sich in Sicilien lieferten, und obwohl der Krieg sich während noch acht ganzer Feldzüge verlängerte, so blieb sie doch die

lezte. Darin, und daß der Krieg fast ganz in einer Reihe langsam geführ704 ter Belagerungen in einem eng begränzten Lande bestand, gleicht dieser erste punische Krieg dem niederländisch spanischen.

Er war aber nicht weniger

mörderisch, weil Hauptschlachten so äußerst selten waren: viele Tausende kamen um in den Seeschlachten, und noch weit mehrere in den Seeschäden: Krankheiten und Hunger waren in den Lägern fast einheimisch, denn Sici­ lien muß größtentheils schon damals zu jener Wüsteney vorbereitet seyn, worin eS, wiewohl der hannibalische Krieg das Elend vollendete, im sieben­ ten Jahrhundert erscheint: diese Insel mußte während beynahe vier und

zwanzig Jahren beyde Heere und die Flotten, oft über zweymal hundert­ tausend Menschen ernähren, und Plünderung der sicilischen Städte war die oft erneuerte Belohnung der Soldaten. Nach der Schlacht bey PanormuS räumten die Karthaginienser Selinus, dessen Einwohner sie nach Lilybäum führten.

Diese Stadt und Drepana

waren jezt die einzigen erheblichen Orte, in deren Besiz sie sich noch behaup­ teten, beyde aber durch ihre Lage unüberwindlich. Um diese Zeit fertigten die Karthaginienser eine Gesandtschaft nach Rom ab mit Anträgen zum Frieden, oder wenigstens zu einer Auswechs­ lung der Gefangenen: und mit ihren eigenen Gesandten M. Regulus, wel-

,076) Polhbius I. 40. 8.

77) Eutropiu- II. 24.

1070

III

Friedensgesandtschast der Karthaginicnser. Der Tod des

cher jezt im fünften Jahr gefangen war. Wenige Begebenheiten der römi­ schen Geschichte sind berühmter als diese von den römischen Dichtern

besungene, und von den Rednern gepriesene Gesandtschaft, und ReguluS Märtyrertod. Wer weiß nicht, daß Regulus als Knecht der Karthaginienser sich geweigert in die Stadt zu kommen: daß er, mit ihrer Genehmigung, der Beratschlagung des Senats beygewohnt, und die Auswechslung nichts

weniger heftig als den Frieden verworfen: daß er die wankenden Väter in ihrem Entschlüsse bestimmt: die Ehre und seinen Eid allen Lockungen zurück­ zubleiben vorgezogen-, und um die Verführungen zu entfernen, vorgegeben habe, eS sey ihm durch punische Treulosigkeit ein schleichendes Gift beyge­

bracht, welches seine Tage bald endigen würde, wenn auch der Senat, des

Vaterlands weniger als des einzelnen eingedenk, ihn durch Auswechslung oder Schuz zurückhalten wollte: wie er sich den Umarmungen der Seinigen, als entehrt, entzogen; und nach seiner Rückkehr zu Karthago durch teuf­ lische Martern gelödtet worden sey? Gegen diese Erzählung erklärte sich

zuerst Palmerius,

nachdem die

Valesischen Ercerpte aus Diodor bekannt geworden waren, und seine Gründe sind von Beaufort mit andern sehr triftigen verstärkt geworden:

nur hat der lezte die Skepsis vielleicht zu weit getrieben, indem er, wegen Polybius Stillschweigen, die Wahrheit der Gesandtschaft bezweifelt und

eigentlich verwirft. Keiner von beyden hat angeführt, was von großem Gewicht ist, daß Dio EassiuS^«) ^en Martertod des ReguluS für eine bloße Sage erklärte, obwohl er diese Sage wiederholte. Derselbe erzählte^), anfänglich, nach­

dem ReguluS in die Gefangenschaft gerathen, sey ihm der Schlaf gestört geworden, indem er mit einem Elephanten eingeschlossen gehalten sey: diese Grausamkeit aber habe nicht lange gedauert. Sie ist erklärlich und sogar verzeihlich, da Regulus alle Gefühle des menschlichen Schicksals gegen Kar-r.e thago vergaß, als es gefallen war und seine Milde anrief: und aus dieser Erzählung möchte wohl die bey weitem am meisten verbreitete von seiner Todesart gebildet seyn. Es ist ungleich am wahrscheinlichsten, daß Regulus Tod nicht wider das Schicksal war: und es ist sehr möglich, daß die grausame Mißhandlung der punischen Gefangenen, von denen eS auch nach römischen Zeugnissen gewiß ist, daß sie der Familie als Geißel, oder zur Rache überliefert wur­

den, mit der unverzeihlichen Verleumdung, welche die Römer sich beständig gegen Karthago erlaubten, Veranlassung der herrschenden Erzählung ge­ worden ist. Arn glaublichsten scheint es, daß Hasorubal und Bostar als Geißel überliefert wurden, weil Regulus wirklich glaubte, und die Römer seine Meynung theilten, daß er heimlich vergiftet sey. Aber mit unbefange­ nem Urtheil müssen wir Diodors Erzählung80) von der ganz unmensch­ lichen Wuth der Familie des Regulus gegen diese schuldlosen Gefangenen 1O79) ZonaraS VIII. 15. [II. p. 62. c. 19) Ebendas. [VIII. 13. II. p. 59. s.]

vn ccvtmv, tu? 80) 1. XXIV. Exc. 2.

djit&ave.}

III

Regulus.

Charakter der lezteu Kriegöjahre.

Lilybäum.

1071

nicht weniger als die römische für sehr zweifelhaft halten; da eS wohl gewiß ist, daß kein Römer diese Schande seines Volks schrieb, und auch hier PhilinuS als Diodors Quelle angenommen werden muß, dessen Haß gegen Rom sehr verzeihlich ist, aber sein Zeugniß immer höchst verdächtig macht. Uebrigens, wenn uns diese That des Regulus nicht von Alters her als heroisch gepriesen wäre, so möchten wir wohl, ohne Vorurtheil, sie

weniger glänzend finden. Daß er zurückging, weil er geschworen hatte, war waö nicht zu thun mit Ehrlosigkeit gebrandmarkt seyn würde. Hätte er 707zu furchten Ursache gehabt, so war es Folge des schnöden Mißbrauchs, den er selbst vom Siege gemacht hatte, während er ihn nur als ein bloßeS Glückskind, und hinter den meisten Feldherrn, feinen Zeitgenossen, zurück­ stehend, zu behandeln wußte. En. Scipio war unverlezt und, was be­ fremdet, so unentehrt aus der Gefangenschaft ausgewechselt, daß er sogar ein zweytes Consulat erlangte. Dieses, und daß drey Jahre später, nach­ dem die Römer in einem weit ungünstigeren Verhältniß stanoen, das Cartel, dessen Verhinderung Regulus zum Verdienst gemacht wird,

würklich abge­ schlossen ward, macht die Logik dieses Heroismus ganz unerklärlich, denn das Uebergewicht der Gefangenen mußte, wenn nicht alle Berichte täuschend sind, ohne Vergleich zum Vortheil der Römer seyn, und die Ranzion dem erschöpften Schaz keineswegs unbedeutend. Die Verweigerung des Friedens war nach Roms Grundsäzen nothwendig, da der Senat den völligen Besiz Siciliens einmal als Bedingung des Friedens geäußert hatte, und Karthago ohne Zweifel, wie bey den Unterhandlungen mit Pyrrhus, noch immer auf dem Besiz von Lilybäum bestand, wenn es auch ebenfalls dieseSmal sich er­ boten hätte, unter dieser Bedingung eine bedeutende Summe zur Entschädi­

gung für die Kriegskosten zu zahlen. Die folgenden Jahre dieses Kriegs bis zu dem Siege, welcher die Karthaginienser zu einem den Römern gefälligen Frieden zwang, weil ihre Kräfte ganz erschöpft waren, indem sie weniger mit Nationalanstrengungen als mit Geld den Krieg führten, sind für Rom unrühmlich, voll Unglück 708unb Schmach: und kaum glänzt irgendwo die Standhaftigkeit der Republik

größer als darin, daß sie ihr Daseyn an die Erreichung eines Ziels sezte, welches dem flüchtigen Blick mit jedem Jahr unerreichbarer scheinen mußte. Man kann sich nicht täuschen, daß diese Jahre für die Römer und Italiker

eine Zeit unsäglicher Noth und Leiden gewesen seyn müssen.

Lilybäum war von den Pönern nach der Zerstörung von Motye durch den ältern Dionysius, ehemals die wichtigste der phönikischen Pflanzstädte an der sicilischen Küste, als Hauptstadt der karthaginiensischen Provinz ge­ gründet, und mit allen Anstrengungen der damaligen Festungsbaukunst be­

festigt. Der Festungsgraben maaß neunzig Fuß in der Breite bey einer Tiefe von sechszig Fuß, und die Mauern hatten Pyrrhus Belagerung wider­ standen. DaS Fahrwasser am Eingang des HafenS, zwischen Sandbänken, war sehr verwickelt, und ohne einen kundigen Lootsen nicht zu entdecken, sobald die Baken aufgehoben waren; und dieses sicherte der Stadt, selbst

1072

NI

Belagerung von Lilybäum.

wenn sie von einer feindlichen Flotte eingeschlossen gehalten ward, die sich

aus dieser Ursache nicht sehr nähern durste, einige Gemeinschaft mit der See. Lilybäum war eine ansehnliche Stadt, deren Bürgerschaft Karthago

anhänglich war. Wenn in einer Nachricht, welche überhaupt einer Ueber­ treibung der Zahlen verdächtig scheint, die Zahl der Belagerten auf sechszig­ tausend Bewaffnete angegeben trirb1081), während eine ungleich zuverläßigere82) die der regulären Truppen, ohne die bewaffneten Einwohner, auf zehntausend schäzt, so darf aber doch wohl die waffenfähige Bürgerschaft, 70s

wenn gleich vermehrt durch die Einwohner anderer Städte, die von den Pönern dorthin geführt waren, nicht auf funfzigtausend geschäzt werden. Diese Stadt ward, wahrscheinlich noch im Spätjahr 496 (502), von den Consuln C. Atilius Regulus und L. Manlius Bulso mit vier Legio­ nen und zweyhundert Kriegsschiffen eingeschlossen: normuS hatte den Muth der Römer so erhoben,

denn der Sieg bey Padaß sie ungesäumt eine

Flotte hergestellt hatten. Die Legionen und die Bundsgenossen bildeten ein Heer von mehr als vierzigtausend Mann, und wenn zu diesen die Beman­ nung der Kriegsschiffe gezählt wird, welche größtentheils ohne Zweifel auf

dem Lande an den Belagerungsarbeiten Antheil nahm, so möchte die von Diodor angegebene Zahl eines römischen Heers von hundert und zehntausend Mann8^) so sehr übertrieben nicht seyn, deren Bereinigung auf diesem äußer­

sten engen Borgebürge der Insel ihr Elend ganz unerträglich machen mußte, ohne daß auch der Untergang der Einwohner hinreichte, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die römischen Befehlshaber wandten nun die Maschinen an, welche die zu Syrakusä in dem Zeitalter der Lehrer Archimedes schon fast vollendete Mechanik gewährte, und das ganze griechische System der Belagerung, wel­

ches sich, ihnen früher fremd, aus den ihnen mit den Griechen vor Jahr­ hunderten gemeinschaftlichen rohen Anfängen der Kindheit dieser Kunst ent­ wickelt hatte. Sie schloffen die Festung von Meer zu Meer durch eine stark befestigte Linie ein:

sie näherten sich mit regelmäßigen Approchen: und darm

sie sich auf der Contrescarpe festgesezt hatten, warfen sie Dämme durch den

Graben: sie beschossen die Stadt aus Steinstücken, und erschütterten die Mauern mit Sturmböcken, während sie dieselben untergruben, und wenn sie nun auf Gerüsten schwebten, diese anzündeten und sie einstürzten. Sie versenkten den Eingang des Hafens mit fünfzehn Schiffen. waren niedergestürzt, erschüttert.

Die feilen

Sechs Thürme

und alle wurden von den römischen Mauerbrechern Lohnknechte, deren Vertheidigung Karthago

seine

Festungen anvertraute, unterhandelten den Verkauf der Festung. Ein Grieche entdeckte das Verbrechen der Barbaren dem karthaginienstschen Feld­ herrn Himilko, und dieser, ohnmächtig zu strafen und zu drohen, konnte ihre Treue nur durch die Verheißung größerer Vortheile erhandeln.

Auch

hier bewährte Himilko die Klugheit, womit er die ganze Vertheidigung der Stadt führte. Die Belagerung von Lilybäum gleicht in der Art des An-

109‘) Diodor Exc. XXIV. 1.

82) PolybiuS 1. 42. 11.

83) a. a. O.

m

Noth der Römer.

Expedition des Consuls P. Claudius.

1073

griffs und der Vertheidigung der von Ostende, wie beyder Städte Verthei­ digungsmittel als Seepläze sich ähnlich sind. Auch hier fanden die Bela­ gerer, als die Hauptmauer in Schutt lag, eine zweyte, zu deren Zerstörung sie alle Mittel des Angriffs aufs neue aufbieten mußten. Ein karthagittiensischer Admiral, einer der vielen, welche in diesem Kriege unter dem Namen Hannibal erscheinen, und derjenige, welcher dessen Größe sich am meisten näherte, unternahm es, troz der römischen Flotte,

welche Lilybäum blokirte, Truppen und Bedürfnisse in die Stadt zu werfen. Er wählte fünfzig der besten Galeeren, und ankerte mit diesen zwischen den rilAegadischen Inseln im Angesicht des Hafens. Hier erwartete er eine frische Kühlung, und lief vor dieser mit vollen Segeln auf den Hafen zu. Die römische Flotte, wie sehr auch an Zahl überlegen, wagte es nicht, Hanni­

bal in diesen schwierigen Gewässern das Treffen zu liefern, welches er an­ bot, und die ganze Flotte lief ohne einigen Verlust unter dem Freudengeschreh der Einwohner in den Hafen ein. Die punischen Feldherrn fanden ihre Soldaten bereit, in diesem Freudenjubel einen Ausfall zu thun. Hier aber mußten sie nach einem unregelmäßigen und äußerst blutigen Gefecht daS Vorhaben aufgeben, die römischen Maschinen zu verbrennen. In derselben

Nacht verließ Hannibal mit den Kriegsschiffen den Hafen, um der einge­ schlossenen Besazung die Lebensmittel nicht zu verzehren, und vereinigte sich mit dem Hauptbefehlshaber der punischen Macht, Adherbal, zu Drepana, wohin er auch die Reuter brachte, welche in der belagerten Stadt unnüz gewesen waren,. 523. c.) emendirt I. 174. Athenienser, ihr Zug nach Sicilien ist von den römischen Annalen auf die Karthaginienser bezogen 11.635. 636. Atilius, A. CalatinuS, im Verdacht Sora an die Samniter verrathen zu haben III. 265. Vater des folgenden, des Feld­ herrn im ersten punischen Kriege HL A. 398. Atilius, A. Calatinus, Consul im Jahr 488 siegreich auf Sicilien III. 682. Proconsul 493 geht mit der neuen Flotte nach Sicilien III. 700. zum Dictator ernannt nach der Schlacht bep Drepana III. 715. sein Beyname SeranuS, ebendas. AtiliuS, C. Regulus, Consul im 1.496 beginnt die Belagerung von Lilybäum III. 709. AtiliuS, L. LonguS, Plebejer II 463. AtiliuS, M., Consul 452 von den Samnttern geschlagen III. 455. siegt darauf in Apulien III. 456. und hält nach den Fasten einen Triumph, ebendas. Atilius, M. ReguluS, Consul 490 siegt bep Eknomus über die Karthaginien­ ser III. 685. geht nach Afrika über, und landet am hermäischen Vorgebürge III. 687. sein Ruhm ist sehr übertrieben III. 689. er schlägt dieKarthaginienser durch ihre eigne Unfähig, keit III. 690. weist übermüthig die Friedensbedingungen zurück III. 691. und macht dagegen unverständige For­ derungen III. 692. von Xanthippus gänzlich geschlagen III. 694. sein Heer vernichtet, er selbst gefangen im An­ fang des I. 492: III. 695. 496 mit einer karthaginiensischen Friedensge­ sandtschaft nach Rom geschickt III. 704. sein Tod wahrscheinlich natürlich Ul. 706. Beurtheilung seiner Handlungs­ weise III. 707. Atimie auch zu Rom, durch ein iudiciiim turpe II. 449. Atina zu Samnium gezählt III. A. 339. von den Römern 435 erobert in. 276.

1095

lag unfern der TribuS Terentina HI. 314. von den Samnitern wieder er­ obert, und darauf die Landschaft von den Römern verwüstet III. 459. wird nach dem sabinischen Kriege wahrschein­ lich Präfectur III. 474. Atintaner, eine der nördlichen epirotischen Völkerschaften III. 527. Attika, dreyfache örtliche Eintheilung II. 345. Attische drey Stämme zweifelhaft: ioni­ sche vier, nicht als Kasten von ver­ schiedenem Beruf zu verstehen I. 327. A. 753. 754. Attisches Privatrecht kann bey den XII Tafeln nicht beachtet seyn II. 344. wohl aber die Verfassung II. 345. Attius, nicht AttuS II. A. 217. Attiuö, L., dessen Prätertata Brutus I. A. 1150. Attius Tullius, König der Volsker, groß in der Geschichte seines Volks II. 119. 120. erregt Krieg gegen Rom durch Arglist II. 122. AttuS Navius, gegen den König TarquiniuS: Sabiner von Herkunft I. 398. war ganz unzweifelhaft im Collegium der Augurn A. 891. sein Wunder und Standbild I. 399. Auctoritas patrum und auctores patricii für die Magistraturen, gleichbedeutend mit der curiata lex de imperio I. A. 849. konnte einem Plebiscit vorangehen II. A. 805. Beyspiele II. 413. — haupt­ sächlich bey Verwaltungsbeschlüffen an­ gemessen II. 414. anet, senatus, Be­ schluß dem die Gemeinde ihre Bey­ stimmung nicht gegeben II. A. 951. Aufidena, samnitische Stadt 448 von den Römern erobert III. 421. Aufstand der Armee im I. 408 und seine Folgen III. 71 ff. erscheint in der livianischen Darstellung durchaus un­ glaublich III. 77. sein wahrer Charakter III. 78. IH. 82. — der Privernaten und Fundaner im I. 420: III. 200. — in Latium im I. 426: III. 228. aufs strengste geahndet lll. 230. — der Unterthanen Roms nach der Nieder­ lage von Lautulä III. 268. Aufstellung des römischen Heeres zehn Mann lies, von ältester Zeit her bey den Römern gebräuchlich: die Centu­ rien der erstenKlasse in halben Rotten; hinter ihnen die der beyden folgenden I. 529. im Feldzug 451: III. 441. III. 444. in der Schlacht bey Sentinum lll. 446.

1096

Register.

Austragung und Zurückverleihung des Grundeigenthums bey Einverleibung einer Bürgerschaft I. 332. II. 179. Augur, verschiedene Angaben über dessen Standpunkt bey der Bestimmung eines Templum II. 701. 702. Augurn, wa­ ren vier, davon 2 von Numa, also für jeden der beyden ersten Stämme 2: I. 335. 336. durch das ogulnische Gesez wurden fünf aus den Plebejern zugewählt und dadurch neun III. 411. Augurat war nach der richtigen Ansicht auf die beyden ersten Stämme, und vor dem ogulnischen Gesez auf vier Mitglieder beschränkt Iil. 410. 411. Augurium der zwölf Schicksalsvögel auf die Dauer von zwölf Säkeln für Rom gedeutet I. 248 — 250. Augustus hat vielleicht in der Absonde­ rung der Plebs urbana von den Tribuö eine künstliche Erneuerung der fünf Classen versucht III. 402. 403. seine Eintheilung der Stadt war die zweckmäßigste III. A. 330. Aulius, Q., 425 Consul, führt ein Heer nach Apulien III. 227. Magister Equitum bey Q. Fabius 433: III. 266. bey Lautulä geschlagen, läßt er sich nieder­ hauen III. 268. Auruni, ursprüngliche Form des Namens der Ausoner, daher Amunci I. 77. Aurunker, unter diesem Namen kommen die Volsker bey ihrem Einbruch in La­ tium vor I. 78. II. 103. A. 189. Kam­ panien wird als ihre Heimat genannt. — der Krieg gegen sie um Cora und Pometia kommt bey Livius zwey, ja dreymal vor II. 104. werden 405 durch die vereinigten Römer und Latiner besiegt III. 101. mit Latium gegen Rom verbündet im I. 409: III. 147. unter­ werfen sich Rom, werden aber von den Sidicinern bekriegt III. 198. sie hatten mehr als eine Stadt III. A. 306. Aurunkischer Krieg von 251 und 252, und volskischer von 259 sind dieselben I. 615. Ausbürger, Prorenen und Jsopoliten II. 87. AuSbürger: deren Unterschied vom Pfahlbürger, ebendas. Aushebung zu den Legionen traf aus­ schließlich die welche in einer Tribus standen I. 521. Art sie gewaltsam aus­ zuführen II. 210. lege sacrata, II. A. 990. seit Fabius und Decius Censur nicht mehr nach den Centurien, son­ dern nach den Tribus gehalten III. 383.

Ausona, Stadt der Ausoner am LiriS, durch Verrath von den Römern ge­ nommen in. 273. Ausoner, Name einer Völkerschaft der Opiker, nach Aristoteles I. 71. 73. sie und Opiker, nach Antiochus dasselbe Volk, von Polybius irrig als verschie­ den betrachtet I. 73. auch von Strabo I. 74. wo Livius sie nennt schreibt er nach einem Griechen, und würde sie sonst Aurunker nennen I. 78. Ausoner von CaleS, Canton der Aurun­ ker, mit den Sidicinern verbündet, während die übrigen Aurunker von ihnen bekriegt werden III. 198. — um die Mündung des Liris fallen nach der Schlacht bey Lautulä von Rom ab III. 268. doch Anfangs nicht ganz offenbar 111. 272. werden darauf gänz­ lich vertilgt III. 273. Ausonien, bey den Alexandrinern das südliche Italien, bey Apollonius die ganze Küste Italiens am untern Meer I. 26. für ganz Italien, bey spätern griechischen Dichtern I. A. 50. Ausonische Inseln der orphischen Argonautik 1. A. 50. ausonische Sprache, volgare, ebendas. Auspicien auf römischem oder fremdem Boden verschieden: Regel über ihre Wiederholung III. 222. blieben in den neuen Centuriatcomitien, anders als in den Tribusversammlungen III. 399. schon früh ein politisches Mittel zur Hemmung der Volksgewalt 111. 400. 111. 411. der Glaube an sie schon früh wankend HI. 459. Auswanderung nach einem Ort mit dem kein Municipium bestand, begründete kein wahres Exilium 11. 73. avTOVQyol I. A. 497. Aventinus, daselbst Tatius Grab I. 258. Plebejische Stadt auf demselben, von Ancus gegründet I. 454. dessen feste Lage — außerhalb des Pomörium 11. 340. bey Varro nicht in der Beschrei­ bung der Stadt enthalten II. A. 689. nach der ältesten Sage hat Romulus dort und nicht auf dem Palatinus die Auspicien beobachtet I. A. 618. kann bey der Secession nicht geräumt ge­ wesen seyn II. A. 780.

Bäuerliches Gewerbe, Bedingung des plebejischen Standes HI. 346. Barbaren haben oft durch Strate g

Register.

1097

nicht immer durch rohe Gewalt, ge­ Beneventum, Schlacht bey III. 608 ff. siegt 11. A. 1191. 478 mit einer Colonie besezt 111. 637. Barberinische Bibliothek: ihre Sammlun­ Berenike, Königin von Aegypten, Pyrgen sind im achtzehnten Jahrhundert rhus Beschüzerin 111. 535. verschleudert III. 466. Berge Roms, jeder war eine arx I. 671. Barka, kein Geschlechtsname, sondern Bksiz wird stets bey der Nuzung deö wahrscheinlich persönlicher Beyname: ager piiblicns genannt, welches der der Bliz III. 718. Pachtung widerspricht: — er kommt Bauerhöfe im Florentinischen, deren Ver­ vor als durch Erbe oder Kauf über­ minderung seit dem Mittelalter 11. tragen II. 151. A. 275. Besiz und BeA. 269. sizen (possidere, possessio) solenne Bayles flüchtige Skepsis über die rö­ Ausdrücke für den Antheil der Einzel­ mische Geschichte 1. Vorr. S. VIII. nen an dem ager publiciis II. 161. A. 297. dieser war immer precar, Beauforts Werth und Mängel 1. Vorr. und konnte von der Republik willkührS. VIII. seine Kritik des Kriegs mit lich eingezogen werden II. 164. ging Porsenna, sehr gelungen I. A. 1216. verloren, als ob er durch ein Unglück hat die über Camillus gallischen Sieg zerstört wäre — Eviction galt nicht vollendet li. 618. verwirft mit Unrecht gegen den Verkäufer 11 165. 166. die Sendung des Regulus ganz 111. Betende, wohin gewandt sie standen, weß705. halb sie sich umdrehten? II. A. 1056. Bedingungen des Vollbürgerrechts: zwey freye Ahnen, bäuerliches Gewerbe, und Bevölkerung von Rom durch den ersten punilchen Krieg stark vermindert HI. Nichtausübung von Handel und Hand­ 723. werk III. 346. Befestigungsart der italischen Städte Bewaffnung, römische, nach einer An­ gabe von den Italikern entlehnt Hl. III. 461. 112. 111. 544. Begräbniß durch Besteurung beyder Stände für Publicola und Agr. Me- Beynamen die von latinischen Orten hergeleitet sind 1. A. 765. aus Proneniuö I. 620. Jl. 334. renie oder Patronat II. A. 553. von Behutsamkeit: herkömmliches Gesez der Siegen oder Eroberungen beginnen römischen Feldherren 111. ^29. erst von Scipio I. 616. Beklagter, dessen Recht befolgt wenn die Bieeps und triceps, doppelt und drey­ Partheyen verschiedenes hatten 11 320. fach II. A. 107. Belagerung von Lilybäum der von Blindheit schloß wohl von Aemtern und Ostende zu vergleichen in. 710. Gerichten, doch schwerlich vom Senat Belagerungskunst bildet sich im fünften aus III. A. 852. Jahrhundert zuerst bey den Makedo­ Bliz pflegt heutigestags das Kapitol zu niern aus 111. 209. von den Römern verschonen, und trifft oft die Peters­ besonders vor Lilybäum angewandt kirche HI. A. 919. 111. 710. Bogud, karthaginiensischer Schiffshaupt­ Beleidigte, Volk oder Stand, richteten mann nimmt den Consul Cornelius nach italischem Völkerrecht in eigner Asina gefangen 111. 677. Sache I. 684. II. 236. A. 467. Bojer brechen im I. 463 auf, die Nie­ Belgen, mit andern Namen Kymern, derlage der Senonen zu rächen III. oder Kimbern — von Posidonius Ga­ 501. am See Vadimo gänzlich ge­ later genannt II. 586. über den Rhein schlagen 111 502. das folgende Jahr her in Gallien eingewandert: — wohn­ noch einmal von Q. Aemilius, und ten einst wenigstens bis zur Loire machen dann Frieden III. 503. dann wieder von den Galen zurückge­ Bolä erobert II. 523. — ein äquischeS drängt: Verwandtschaft mit diesen und Volk II. A. 1023. Forderung daß die Verschiedenheit II. 587. Landschaft unter die Legion getheilt Bellona: ihr weiht Appius Claudius ei­ werde 11. 490. Folgen der Ver­ nen Tempel 111. 433. weigerung II. 491. Bolä von den Bellovesus und Sigovesus: gallische Sage Aequern belagert und entsezt II. 653. war vielleicht damals römische Colo­ von ihrem Auszug II. 582. Belohnungen der Tapferkeit bey den nie II. A. 1280. Bonorum Possessio hat ursprünglich den Römern III. 141.

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Register.

Befiz auf dem Gemeingut betroffen II. 173. 174. Bostar, Feldherr der Karthaginienser ge­ gen Regulus III. 690. wahrscheinlich den Römern als Geißel ausgeliefert; die Erzählung von seinem qualvollen Tode ist aber wenig glaublich III. 706. Bottiäer, allem Ansehen nach Pelaöger I. 36. angeblich von Meffapiern auSgegangen I. 167. Bovianum im Lande der Pentrer, die reichste Stadt in Samnium, 437 von den Römern erobert III. 284. dann öfter geräumt und wieder erobert, ebendas., zulezt 442 durch die Römer, worüber die Berichte verschieden sind III. 302. im ersten Feldzug des drit­ ten samnitischen Kriegs von Cn. FulviuS eingenommen III. 421. Bovillä und Lavinium mögen für Antium zurückgegeben seyn II. 293. Britanniens ursprüngliche Bewohner wa­ ren Gallier II. 586. BritomariS, Führer der Gallier, der sie zum Mord der römischen Gesandten antrieb HI. 501. nachmals gefangen und im Triumph aufgeführt, ebendas. Brode, in der Hungersnoth auf die Gal­ lier geschleudert II. 615. Brongus, die Sau II. 579. Brüchten, Verschiedenheit für Patricier und Plebejer II. 318. Brücke des CuriuS über den Canal von Terni, jezt nur mit Mühe sichtbar 111. 487. Brüderschaften, geistliche, doppelt, den beyden ersten Stämmen angehörig I. 337. Druudusium gehört nicht zu den Meffa­ piern I. 167. sondern den Kalabrern I. 166. wichtig zur Verbindung mit Epirus III. 191. erhielt nach dem Kriege des Pyrrhus römische Besazuna III. 638. Brunichius, ein Gothe II. A. 1345. Brunnen im kapitolinischen Berg I. 255. II. 611. III. A. 524.

Brutales I. A. 307. Bruti waren Plebejer l. 579. 580. Ihr Stamm von Lucius Brutus abgeleitet I. 580. Druttier redeten Griechisch 1. 70. waren die empörten önotrischen Leibeigenen, gemischt mit Oskern H. 71. der Name bedeutet empörte Knechte II. 71. ist schon vor der Entstehung des Volks für solche Empörte gebräuchlich gewe­ sen: - ihre Bildung zum Staat 1.

109. aus gemischten Völkern, größtentheils Oenotrern: viele griechische Städte durch sie zerstört I. 110. durch ihren Aufstand werden die Lukaner von den südlichen Jtalioten geschieden lll. 183. bekriegt von Alexander von Epirus III. 191. ihre Macht steigt, da die der Lukaner sinkt III. 193. huldi­ gen Alexander dem Großen zu Baby­ lon III. 193. 194. verbünden sich nach AgathokleS Tode mit den Karthaginiensern III. 507. von C. Fabricius vor Thurii geschlagen lll. 511. von Sp. Carvilius und C. Papirius un­ terworfen lll. 613. Bruttus, als Archeget der Bruttier er­ funden I. 109. Buch