Richard Wagner: Götterdämmerung: Ein psychoanalytischer Opernführer 3837921352, 9783837921359

Richard Wagners vierteiliges Musikdrama Der Ring des Nibelungen führt den Zuschauer in eine archaische Zeit zurück, die

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German Pages 131 [138] Year 2012

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Richard Wagner: Götterdämmerung: Ein psychoanalytischer Opernführer
 3837921352, 9783837921359

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Richard Wagner: Götterdämmerung

Bernd Oberhoff

Richard Wagner Götterdämmerung Ein psychoanalytischer Opernführer

Psychosozial-Verlag

Bernd Oberhoff Richard Wagner: Götterdämmerung

IMAGO Psychosozial-Verlag

Bernd Oberhoff

Richard Wagner Götterdämmerung Ein psychoanalytischer Opernführer

Psychosozial-Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. E-Book-Ausgabe 2013 © der Originalausgabe 2012 Psychosozial-Verlag Walltorstr. 10, D-35390 Gießen Fon: 06 41- 96 99 78 - 18; Fax: 0641 - 96 99 78- 19 E-Mail: [email protected] www.psychosozial-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlaggestaltung & Satz: Hanspeter Ludwig, Gießen www.imaginary-world.de ISBN Print-Ausgabe 978-3- 8379-2135-9 ISBN E-Book-PDF 978-3-6539-1

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Inhalt

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

11. 12. 13.

Einleitung Die Nornen: Prophetinnen einer jenseitigen Welt Siegfrieds Aufbruch: wohin? Auf der Suche nach dem idealisierbaren Vater Brünnhildes Kampf um Abgrenzung vom Vater Siegfrieds »verkappte« Separationsaggression gegen Brünnhilde Alberich und Hagen: Das Duo des zähen Hasses Verrat, Betrug, Täuschung – die dunklen Regungen drängen ans Licht Das Trio der rächenden Verfolger Die Rheintöchter: Ein Spiel um das Hergeben und Nicht-hergeben-Wollen Siegfrieds Tod Hagen, der wilde Eber Brünnhildes apokalyptisches Erlösungsritual

9 13 21 27 39 45 55 59 67

73 81 89 95

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14. 15. 16.

W Inhalt X

Der Abschied aus der Realität oder das bedrückende Scheitern Das Doppelantlitz der grandiosen Schlussbilder Schluss

Literatur Kurzzusammenfassung der psychologischen Sinnebene der Götterdämmerung Anhang

105 111 117 119 121 125

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Richard Wagner (1813–1883)

Götterdämmerung Ring des Nibelungen: 3. Tag Libretto: Richard Wagner Uraufführung: 17. August 1876 Festspielhaus Bayreuth Auftretende Personen Siegfried Brünnhilde Gunther Gutrune Hagen Alberich Waltraute

Heldentenor Sopran Bariton Sopran Bariton Bariton Alt

W Götterdämmerung X

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Nornen 1. Norne 2. Norne 3. Norne

Alt Mezzosopran Sopran

.

Rheintöchter Woglinde Wellgunde Floßhilde

Sopran Sopran Alt Frauenchor und Männerchor Ort und Zeit der Handlung: Mythische Vergangenheit

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1. Einleitung

Der finale Teil der Ring-Tetralogie, die Götterdämmerung, schließt nahtlos an das Ende von Siegfried an. In der Bühnenanweisung heißt es: »Die Szene ist dieselbe wie am Schluss des zweiten Tages – Nacht.« Auch musikalisch erfolgt ein Rückbezug: Das orchestrale Vorspiel beginnt mit einer dreifachen Wiederholung zweier erhabener Akkorde: Brünnhildes Erwachens-Motiv (Nr. 42). Dazu erklingen in enger Verschränkung das Wellen-Motiv (Nr. 2) und das Erda-Motiv (Nr. 21) aus dem Rheingold.1 Mit dieser ungewöhnlichen Motivzusammenstellung gibt Wagner dem Zuhörer erneut ein Rätsel auf. Was bedeutet die Verschränkung dieser drei Leitmotive? Die zur irdischen Menschenfrau verwandelte Brünnhilde wird mit der Urmutter der Wotansfamilie in einen engen (musikalischen) Zusammenhang gebracht und auch das Wellen-Motiv schlägt den Bogen zurück in die Vergangenheit, 1 Im Anhang dieses Opernführers befinden sich alle im Text erwähnten Notenbeispiele aus Rheingold, Walküre und Siegfried.

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W Götterdämmerung X

zur Ouvertüre des Rheingold, also zurück in die Tiefen des Rheins, wo alles begann. Vollendet sich hier ein Kreislauf zurück zum Uranfang des Lebens? Der Beginn der Götterdämmerung ist überhaupt ungewöhnlich. Spielte das bisherige Geschehen in einer dem Zuschauer vertrauten Welt, nämlich am deutschen Rhein irgendwo zwischen Xanten und Worms, so fügt Wagner am Beginn des letzten mythischen Tages eine Metaebene ein. Eine jenseitige Welt, die unsichtbar und unbekannt gleichwohl aber sehr nachhaltig und schicksalhaft, in das Leben der Menschen und Götter eingreift. Beim Aufgehen des Vorhangs sind auf der nächtlichen Bühne schemenhaft drei Nornen zu sehen. In der nordischen Mythologie gelten Nornen als Schicksalsgöttinnen. Sie treten stets als drei Schwestern auf, die unter dem Dach der Weltesche ihre wirkmächtigen Fäden spinnen. Sogar Wotan und seine Götterwelt sind ihnen unterworfen. Der Sage nach ging mit ihrem Erscheinen das Goldene Zeitalter zu Ende. Das war vermutlich Wagners Anknüpfungspunkt, warum er vor der Fortsetzung der Handlung aus Siegfried, diese Mächte des Schicksals hat ihre Stimme erheben lassen. Dass Brünnhilde – zumindest musikalisch – in einen Zusammenhang mit diesen urmütterlichen jenseitigen Gestalten gebracht wird, lässt an den Abend des zweiten mythischen Tages zurückdenken,

W 1. Einleitung X

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wo wir die verstoßene Wotanstochter von einer unerklärlichen Todessehnsucht erfüllt erlebt haben. Freudig und wild auflachend sang sie Siegfried zu: »Lachend laß uns verderben, lachend zugrunde gehen! […] Nacht der Vernichtung, neble herein!« und beide fielen sich in die Arme mit dem exaltierten Ruf: »Leuchtende Liebe, lachender Tod!« Auch die Nornen sinnieren auf finsterer Bühne ahnungsvoll über den Tod.

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2. Die Nornen: Prophetinnen einer jenseitigen Welt

Den Auftritt der Nornen hat Wagner als ein Vorspiel der eigentlichen Handlung vorangestellt. Im Orchester erklingt drohend das Schicksals-Motiv, bestehend aus zwei eng nebeneinander, aber harmonisch weit auseinander liegenden Akkorden (Es-Dur und D7). Nr. 43 Schicksals-Motiv

Nr. 43 Schicksals-Motiv

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Als schicksalswebende Mächte sinnen die Nornen über den Zustand des Universums nach. Ihr Blick in die Zukunft ist sorgenvoll. Was ist zu erwarten, Aufbruch oder Untergang: »Dämmert der Tag? Oder leuchtet die Lohe?« Sie wiederholen unablässig die bohrende Frage: »Was wird daraus werden?« Dass dieser Frage musikalisch jeweils das Todesverkündigungs-Motiv (Nr. 31) unterlegt ist, lässt

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W Götterdämmerung X

befürchten, dass das Schicksal der Welt bereits besiegelt ist und am Ende die Lohe lodern wird. Die erste Norne erinnert an die Weltesche, die Wotan verletzte, indem er seinen Speer aus ihr herausschnitt, und sie erinnert an den Quell ewiger Weisheit aus dem Gott Wotan trank, und dafür ein Auge einbüßte. Beide Freveltaten brachten Wotan lange Zeit Macht und Weltherrschaft, aber diese glorreiche Zeit scheint sich ihrem Ende zuzuneigen. Die erste Norn In langer Zeiten Lauf zehrte die Wunde den Wald; falb fielen die Blätter, dürr darbte der Baum, traurig versiegte des Quelles Trank: trüben Sinnes ward mein Gesang. Doch, web’ ich heut an der Weltesche nicht mehr, muß mir die Tanne taugen zu fesseln das Seil: singe, Schwester, dir werf’ ich’s zu. Weißt du, wie das wird? Wotans Urfrevel an der Weltesche trägt unverkennbar Züge des frühkindlichen Phantasmas der Eviszeration (Ausraubung) des Mutterleibes, wie wir bereits in der Walküre festgestellt hatten.

W 2. Die Nornen: Prophetinnen einer jenseitigen Welt X

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Der Stamm der Weltesche, ein Symbol für den Mutterleib, hat die zugefügte Verletzung nicht überlebt und zusammen mit dem Welken der Weltesche ist die frühkindliche, urnarzisstische Symbiose mit der Mutter zerstört worden. Dies entspricht der Urfantasie des frühkindlichen Ichs. Die zweite Norne setzt diese Rückbesinnung fort und wendet sich der gerade verflossenen Gegenwart zu. Sie erinnert an Siegfrieds Zertrümmerung des Wotan-Speeres. Die zweite Norn Ein kühner Held zerhieb im Kampfe den Speer; in Trümmer sprang der Verträge heiliger Haft. Da hieß Wotan Walhalls Helden der Weltesche welkes Geäst mit dem Stamm in Stücke zu fällen. Die Esche sank, ewig versiegte der Quell! Fessle ich heut an den scharfen Fels das Seil: singe, Schwester, dir werf’ ich’s zu. Weißt du, wie das wird? Die dritte Norne richtet ihren Blick in die Zukunft und macht sich Gedanken, was mit dem aufgeschichteten Holz rund um die Göt-

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W Götterdämmerung X

terburg Walhall geschehen wird. Seit Siegfrieds Kastrationsattacke gegen Wotans Phallus (Speer) ist der Göttervater in eine depressive Starre verfallen und suizidale Gedanken kreisen in seinem Kopf. Er will nur noch seinen Untergang. Die dritte Norn Brennt das Holz heilig brünstig und hell, sengt die Glut sehrend den glänzenden Saal: der ewigen Götter Ende dämmert ewig da auf. Wisset ihr noch? So windet von neuem das Seil […]. Das Orchester gibt sich prophetisch: Loges wild züngelnde Chromatik (Nr. 12), das aufscheinende Motiv der Todesverkündigung (Nr. 31) und das sich anschließende Walhall-Motiv (Nr. 8) verweisen unheilverkündend auf das Ende der Götterherrschaft. Auch die Schuld, die Wotan durch die Opferung seines Wälsungensohns Siegmund auf sich geladen hat, bleibt nicht ohne Erwähnung. Bemerkenswerterweise wird bei diesem Rückbezug nicht Hunding der Mord angelastet, sondern den »stechenden Splittern« von Wotans Speer: Die dritte Norn Des zerschlagenen Speers stechende Splitter

W 2. Die Nornen: Prophetinnen einer jenseitigen Welt X

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taucht’ einst Wotan dem Brünstigen tief in die Brust: zehrender Brand zündet da auf; den wirft der Gott in der Weltesche zuhauf geschichtete Scheite. Zuletzt kommt die Sprache auf den machtvollen Ring, auf dem Alberichs Fluch lastet. Die erste Norn Ein wüstes Gesicht wirrt mir wütend den Sinn. Das Rheingold raubte Alberich einst. Weißt du, was aus ihm ward? Die zweite Norn (windet mit mühevoller Hast das Seil um den zackigen Stein des Gemaches) Des Steines Schärfe schnitt in das Seil; nicht fest spannt mehr der Fäden Gespinst; verwirrt ist das Geweb’. Aus Not und Heid ragt mir des Nibelungen Ring: ein rächender Fluch nagt meiner Fäden Geflecht. Weißt du, was daraus wird? Die drei Nornen ziehen gewaltsam am Seil, woraufhin dieses reißt.

W Götterdämmerung X

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Die erste Norn Es riß! (Sie fassen die Stücke des zerrissenen Seiles und binden damit ihre Leiber aneinander.) Mahnend erklingt das Fluch-Motiv (Nr. 19). Die drei Nornen Zu End’ ewiges Wissen! Der Welt melden Weise nichts mehr. Die dritte Norn Hinab! Die zweite Norn Zur Mutter! Die erste Norn Hinab! (Sie verschwinden.) Das Ende der Götter verkündend, verschwinden diese Prophetinnen der Nacht für immer. Sie mögen der Welt nichts mehr melden. Mit

W 2. Die Nornen: Prophetinnen einer jenseitigen Welt X

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einem »Hinab! Zur Mutter! Hinab!« tauchen sie in jene Dunkelheit, in jenen tellurischen Urgrund, aus dem alles Leben erwachsen ist und in den es an seinem Ende wieder zurückgeschluckt wird. Warum kehren die weisen Frauen der Welt den Rücken? Alle Dinge, die sie anführen und die schließlich das Lebensseil reißen lassen, stehen im Zusammenhang mit Schuld. Die weisen Frauen verlesen gleichsam Wotans Schuldregister, von der Verletzung der mütterlichen Weltesche bis hin zum Ring, jenem Symbol der Aggression gegen die Mutter und damit der Vernichtung der Urharmonie (und – wie wir festgestellt hatten – der Separation), an den auch Wotan gerührt hatte. Bei der Erwähnung des Rings reißt das Seil und die Nornen verschwinden für immer in der Tiefe. Nun ist die Welt buchstäblich von allen guten Geistern verlassen. Mit dem Verschwinden der jenseitigen Schicksalsmächte sind wir zurück im irdischen Handlungsgeschehen, zurück bei Siegfried und Brünnhilde.

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3. Siegfrieds Aufbruch: wohin?

Die mythische Dunkelheit lichtet sich und wandelt sich von einer wachsenden Morgenröte zum hellen Sonnentag. Noch bevor Brünnhilde und Siegfried aus ihrer Liebeshöhle ins Freie treten, ertönen bereits ihrer beider Leitmotive: Siegfrieds Helden-Motiv (Nr. 41), das wir bereits aus Siegfried kennen und ein erstmalig erklingendes Brünnhilde-Motiv (Nr. 44): Nr. Nr. 44 44 Brünnhilde-Motiv Brünnhilde-Motiv

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Siegfried tritt in voller Waffenrüstung und zur Abreise bereit auf die Bühne, während Brünnhilde ihr Ross Grane heranführt. Etwas wehmütig schweifen ihre Gedanken zurück zu ihrem göttlichen Walkürendasein und ihrem heiligen Wissen. Sie richtet eine Bitte an Siegfried:

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W Götterdämmerung X

Brünnhilde Des Wissens bar, doch des Wunsches voll: an Liebe reich, doch ledig der Kraft: mögst du die Arme nicht verachten, die dir nur gönnen, nicht geben mehr kann! Siegfried Mehr gabst du, Wunderfrau, als ich zu wahren weiß. Nicht zürne, wenn dein Lehren mich unbelehret ließ! Ein Wissen doch wahr ich wohl: (feurig) daß mir Brünnhilde lebt; eine Lehre lernt ich leicht: Brünnhildes zu gedenken! Und noch einmal findet in Brünnhildes Worten jene ihr unbehagliche »Entkleidungsszene« (Siegfried, 3. Akt, 3. Szene) eine Erwähnung: »Gedenk der beschildeten Frau, die in tiefem Schlaf du fandest, der den festen Helm du erbrachst.« Beschwichtigend fügt Siegfried schnell hinzu, dass seine Handlungen an der schlafenden Brünnhilde einzig dem Ziel gegolten hätten, »Brünnhilde zu erwecken«. Dann beschwört Brünnhilde ihren Geliebten:

W 3. Siegfrieds Aufbruch: wohin? X

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Brünnhilde Gedenk der Eide, die uns einen; gedenk der Treue, die wir tragen; gedenk der Liebe, die wir leben: Brünnhilde brennt dann ewig heilig dir in der Brust! – (Sie umarmt Siegfried.) Diese hehren Worte klingen wie eine zauberische Formel, mit deren Hilfe die »Muttergeliebte« sich unauslöschlich in die Seele ihres kleinen Sohnes einbrennen möchte. Siegfried hat den Ring von seinem Finger gezogen und überreicht ihn Brünnhilde mit den Worten: »Was der Taten je ich schuf, des Tugend schließt er ein. Ich erschlug einen wilden Wurm, der grimmig lang ihn bewacht. Nun wahre du seine Kraft als Weihegruß meiner Treu’!« Als Gegengeschenk übergibt Brünnhilde ihr Ross Grane, das zwar nicht mehr wie ehedem durch die Lüfte fliegen kann, aber seinem neuen Besitzer in absoluter Treue ergeben sein wird. Das Geschenk des Ringes ist nicht unproblematisch, handelt es sich doch um jenen verfluchten Ring, der Unheil und Tod über seinen Besitzer bringt. Brünnhilde ist durch Wotan schon seit langem (Walküre 2. Akt, 2. Szene) über die dunklen Eigenschaften des Ringes aufgeklärt. Doch über die besondere Brisanz dieses Ringes

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wird sowohl von Brünnhilde als auch von Siegfried stillschweigend hinweggegangen. Es gibt bei Beiden so etwas wie eine unerschütterliche Weigerung, sich mit der wahren Bedeutung dieses Rings auseinanderzusetzen. Sie frönen offenbar der Überzeugung, dass es in ihrer Macht liege, dem Ring nach Belieben eine ihnen genehme Bedeutung zuzuweisen. Zum Abschluss werden noch heilige Treueschwüre ausgetauscht: Brünnhilde (mit großer Ergriffenheit) O heilige Götter, hehre Geschlechter! Weidet eu’r Aug’ an dem weihvollen Paar! Getrennt – wer will uns scheiden? Geschieden – trennt es sich nie! Siegfried Heil dir, Brünnhilde, prangender Stern! Brünnhilde Heil dir, Siegfried, siegendes Licht! Siegfried Heil, strahlende Liebe!

W 3. Siegfrieds Aufbruch: wohin? X

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Brünnhilde Heil, strahlendes Leben! Siegfried Heil, Brünnhild’! Beide Heil! Heil! Heil! Heil! Die Anhäufung der Heilrufe hat etwas Beschwörendes an sich, das der unzertrennlichen und unlösbaren Verbundenheit der beiden Liebenden Ewigkeitscharakter verleihen soll. Danach entschwindet Siegfried mit Grane hinter dem Felsenvorsprung. Brünnhilde verfolgt seinen Abstieg wehmütig. Man hört Siegfrieds Horn aus der Tiefe. Brünnhilde winkt ihrem Geliebten mit entzückter Gebärde nach. In ihrem freudigen Lächeln spiegelt sich der Anblick eines lustig davonziehenden Helden wider. Insgesamt vermittelt diese Szene den Eindruck, dass Brünnhilde über den Abschied betrübt ist, während Siegfried in ausgesprochen freudiger Stimmung zu seiner Reise aufbricht. Man fragt sich: Warum bleibt der frisch Verliebte nicht bei seiner Angebeteten? Oder, falls unbedingt ein Ortswechsel nötig ist: Warum gehen sie nicht gemeinsam auf Reisen? Was ist es, was Siegfried vom Walkürenfelsen forttreibt?

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Im gewählten Rahmen eines frühkindlichen Entwicklungsdramas lässt sich diese Frage leicht beantworten. Das Reiseziel des dem Säuglingsalter entwachsenen kleinen Knaben ist jener starke und verlässliche Vater, der ihm dabei behilflich ist, aus der Abhängigkeit zur mächtigen Mutter herauszufinden. Doch wir hatten in der Oper Siegfried festgestellt, dass dieser junge Held aus einer nicht eingestandenen Kastrationsangst heraus gegen alle Väter feindlich eingestellt ist, und gegen sie zu Felde zieht. Die so notwendige Vatersuche und Vateridealisierung hat bei Siegfried bislang nicht stattgefunden. Allem Anschein nach benötigt er gar keinen Vater, da er der Überzeugung ist, mit seinem selbstgeschmiedeten Zauberschwert Nothung einen Phallus zu besitzen, der jedem väterlichen weit überlegen ist. Oder sollte es doch noch eine verborgene Ahnung in ihm geben, dass für seine stabile Weiterentwicklung eine Bewegung »weg von der Mutter« und »hin zum Vater« unabdingbar ist? Dieses so wichtige Motiv scheint möglicherweise im Spiel zu sein, denn Siegfrieds Reiseziel heißt: König Gunther.

W 4. Auf der Suche nach dem idealisierbaren Vater X

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4. Auf der Suche nach dem idealisierbaren Vater

Szenenwechsel (1. Akt, 1. Szene). Ein neuer Ort in der Fremde eröffnet sich den Zuschauern. Im Orchester ertönt zur Fahrt auf dem Rhein noch eine Weile eine liebessehnsüchtige Musik, bis sich ein abfallender Tritonus (Hagen-Motiv, Nr. 45) hineinmischt, der den in seiner Fantasie mitreisenden, leitmotivkundigen Zuschauer darüber informiert, dass Siegfried offenbar dem Ziel seiner Reise, dem Königshof der Gibichungen, nahe gekommen ist. Nr. 45 Hagen-MotivNr. 45 Hagen-Motiv

3 & 4 œ # In einer zum Rhein hin offenen Halle erblickt der Zuschauer Gunther, den König der Gibichungen, dessen Schwester Gutrune und Halbbruder Hagen. Hagen ist zwar Sohn der gemeinsamen

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W Götterdämmerung X

Mutter (Griemhild), hat jedoch den Herrscher der Unterwelt, Alberich, zum Vater. Es ist Hagen, der das Gespräch darauf bringt, dass sowohl Gunther als auch Gutrune noch unverheiratet sind. Er hält diesen Zustand für unbedingt veränderungswürdig und hat sich bereits über mögliche Hochzeitskandidaten Gedanken gemacht. Sein Vorschlag ist: Für Gunther das »herrlichste Weib der Welt«, nämlich Brünnhilde, und für Gutrune den jungen Helden Siegfried. Als Hagen hinzufügt, dass man, um Brünnhilde zu freien, einen Feuerring überwinden muss, reagiert Gunther ablehnend. Was Hagen verschweigt, ist die Tatsache, dass Brünnhilde bereits die Geliebte Siegfrieds ist. Warum hält er diese wichtige Information zurück? Auch Gutrune meldet Skepsis an, wieso der größte Held ausgerechnet an ihr interessiert sein sollte. Doch Hagen lässt sich nicht beirren und unterbreitet im Folgenden einen ausgeklügelten Plan, wie diese Doppelhochzeit in die Tat umgesetzt werden könnte. Gunther vertraut er in einem Seitengespräch an, dass Siegfried sich mithilfe seiner Tarnkappe in Gunthers Gestalt verwandeln und auf diese Weise Brünnhilde für ihn gewinnen könne. Wieder mit lauter Stimme macht er Gutrune den Vorschlag, durch einen Vergessenstrank in Siegfrieds Gedächtnis alle vorherigen Liebesbeziehungen zu löschen, und ihn auf diese Weise frei für sie zu

W 4. Auf der Suche nach dem idealisierbaren Vater X

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machen. So wie es Hagen darstellt, ist die ganze Angelegenheit ein scheinbar harmloses und leicht zu realisierendes Unterfangen, weswegen Gutrune und Gunther schließlich, wenn auch zögerlich, zustimmen. Wie es das Schicksal so fügt, ertönt im nächsten Moment bereits Siegfrieds fröhlicher Hornruf (Nr. 38) vom Rhein herauf, sodass mit dessen Eintreffen unmittelbar zu rechnen ist. Hagen eilt dem dringlich Erwarteten entgegen und begrüßt ihn mit dem Ruf: »Heil! Siegfried, teurer Held!« König Gunther ist ebenfalls ans Ufer getreten, während Gutrune aus der Ferne, »mit staunender Bewunderung«, den ankommenden Helden in Augenschein nimmt. Siegfried (auf sein Roß gelehnt, bleibt ruhig beim Kahne stehen) Wer ist Gibichs Sohn? Gunther Gunther, ich, den du suchst. Siegfried Dich hört’ ich rühmen weit am Rhein: nun ficht mit mir oder sei mein Freund!

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Gunther Laß, den Kampf! Sei willkommen! Sein Pferd übergibt der Ankömmling an Hagen, den er etwas verwundert fragt: »Du riefst mich Siegfried: sahst Du mich schon?« Hagen reagiert ausweichend: »Ich kannte dich nur an deiner Kraft.« Im Orchester ertönt in diesem Moment das Fluch-Motiv (Nr. 19), das geeignet wäre, Siegfried vor diesem Menschen zu warnen. Doch der junge Held hat dafür kein Ohr. Sein Interesse ist ganz auf Gunther gerichtet. Als Siegfried einen Moment lang schweigend und gedankenvoll dasteht, wird von den Violinen das Brünnhilde-Motiv (Nr. 44) angespielt. Wagner, der unentwegte Mentalisierer, versäumt es also nicht, ein weiteres Mal seine Gedankenlesekunst unter Beweis zu stellen, und dem Zuschauer Einblick in unsichtbare innere Vorgänge zu geben. Doch nur kurz währt dieser Gedankenschwenk Siegfrieds zum Walkürenfelsen, dann wird er aufgefordert, von seinem Kampf mit dem Drachen zu erzählen. Hagen ist insbesondere daran interessiert, wo die Kostbarkeiten aus der Neidhöhle verblieben sind. Doch vermutlich weiß dieser hinterlistige Fuchs bereits alles haargenau und will sich nur noch einmal bestätigen lassen, dass sich der Ring bei Brünnhilde und der Tarnhelm in Siegfrieds Besitz befindet. Um nicht den Eindruck zu erwecken,

W 4. Auf der Suche nach dem idealisierbaren Vater X

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dass er an Siegfrieds Schätzen interessiert ist, lässt König Gunther sogleich verlauten: »Nicht, Siegfried sollst du mir tauschen […] ohn’ Entgelt dien’ ich dir gern.« Dann hält Hagen den Moment für gekommen, Gutrune ins Spiel zu bringen. Wie zuvor abgesprochen, nähert sie sich mit einem gefüllten Trinkhorn, jenem Trank des Vergessens, den sie Siegfried als Erfrischungsgetränk reicht. Der Ahnungslose leert den Becher in einem Zug, wobei seine Gedanken (ein letztes Mal) zu seiner fernen Geliebten schweifen: »Den ersten Trunk zu treuer Minne, Brünnhilde, bring ich dir!« Doch kaum sind die Worte gesprochen, da beginnt die Essenz bereits ihre Wirkung zu entfalten. Siegfrieds Triebe beginnen sich an ein neues Objekt der Begierde zu heften. Zu Gutrune gewandt, hören wir ihn sagen: Siegfried Ha, schönstes Weib! Schließe den Blick; das Herz in der Brust brennt mir sein Strahl: zu feurigen Strömen fühl’ ich ihn zehrend zünden mein Blut! (Mit bebender Stimme.) Gunther, wie heißt deine Schwester?

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W Götterdämmerung X

Siegfried fasst Gutrune feurig bei der Hand: »Deinem Bruder bot ich mich zum Mann: der Stolze schlug mich aus; trügst du, wie er, mir Übermut, böt’ ich mich dir zum Bund?« Gutrune verneigt sich errötend und mit einer Gebärde, als fühle sie sich seiner nicht wert, verlässt sie wankenden Schrittes die Halle. Nachdem Siegfried »wie festgezaubert« Gutrune einige Zeit nachgeschaut hat, wendet er sich wieder Gunther zu: »Hast du, Gunther, ein Weib?« Gunther erzählt nun etwas stockend, dass er an einer Frau interessiert sei, die aber schwerlich zu gewinnen wäre, da sie auf einem hohen Felsen von einem undurchdringlichen Feuerring umgeben lebe. Alle Erinnerung an Brünnhilde scheint bei Siegfried endgültig gelöscht, denn eilfertig bietet er Gunther seine Dienste an. Siegfried (kommt aus einem traumartigen Zustande zu sich und wendet sich mit übermütiger Lustigkeit zu Gunther) Ich – fürchte kein Feuer, für dich frei’ ich die Frau; denn dein Mann bin ich, und mein Mut ist dein, gewinn’ ich mir Gutrun’ zum Weib. Der Handel unter Männern ist schnell besiegelt. Siegfried bekommt Gutrune zur Frau, wenn er im Gegenzug, mithilfe des Tarnhelms,

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Brünnhilde für Gunther gewinnt. Auf Gunthers Frage, wie er das anstellen will, erklärt Siegfried: »Durch des Tarnhelms Trug tausch’ ich mir deine Gestalt.« Hagen hat für einen Eid unter Blutsbrüdern bereits alles vorbereitet. Er füllt ein Trinkhorn mit frischem Wein; dieses hält er dann Siegfried und Gunther hin, welche sich mit ihren Schwertern in die Arme ritzen und die Blutstropfen ins Getränk mischen. Dann folgt der Treueschwur. Siegfried Blühenden Lebens labendes Blut träufelt’ ich in den Trank. Gunther Bruder-brünstig mutig gemischt, blüh’ im Trank unser Blut. Beide Treue trink ich dem Freund. Froh und frei entblühe dem Bund Blut-Brüderschaft heut’! Sie bekräftigen den Bund mit einem Schluck aus dem Trinkhorn. Hagen nimmt sich wohlweislich von diesem Bund aus, mit der fadenscheinigen Begründung:

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Hagen Mein Blut verdürb’ euch den Trank; nicht fließt mir’s echt und edel wie euch; störrisch und kalt stockt’s in mir; nicht will’s die Wange mir röten. Drum bleib ich fern vom feurigen Bund. Siegfried hat es offenbar eilig. Schon im nächsten Moment bläst er zum Aufbruch. Die Segel werden gesetzt und die beiden Blutsbrüder machen sich auf den Weg zum Walkürenfelsen. Gutrune ist zu Recht erstaunt, dass Siegfried ihr kein Lebewohl sagt. Hagen deutet ihr Siegfrieds Hast als seine Eile, sie sobald als möglich zum Weib zu gewinnen. Während Gutrune sich in ihre Gemächer zurückzieht, bleibt Hagen allein in der Halle. Aus seinem Schlussmonolog wird offenbar, was er sich von Siegfrieds Mission verspricht: »Gunther bringt er die Braut, mir aber bringt er – den Ring!« Das Besondere an diesem Nachsatz besteht darin, dass es auf die Tonfolge des UrnarzissmusVerlust-Motivs (»Weibes Wonne und Wert«, Nr. 14) gesungen wird. Es bietet sich die Deutung an, dass die Urnarzissmus-Sehnsucht bei Hagen auf den Ring verschoben ist. Statt Sehnsucht nach der Urmutter erfüllt diesen dunklen Gesellen die Sehnsucht nach dem Ring. Es hat bei ihm gleichsam eine Narzissierung des Rings

W 4. Auf der Suche nach dem idealisierbaren Vater X

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(Sphinkterrings) stattgefunden, also jenes Körperorgans, das für Aggression und Sadismus steht (vgl. Oberhoff 2011). Was haben diese eigenartigen Vorgänge am Gibichenhof mit der Heldenreise des frühen Ichs zu tun? Wir finden hier eine bekannte entwicklungstypische Ereignisabfolge thematisiert: Die psychosexuelle Entwicklung und Reifung will es, dass der Sohn die Nähe und Unterstützung des Vaters sucht, um sich von der Mutter abzulösen und dann, in einer späteren Entwicklungsphase, draußen in der Welt auf die Suche nach einer seinem Alter entsprechenden Partnerin zu gehen. Die phasentypische Abfolge wird in dieser Szene angedeutet, wobei der Fokus zunächst einmal auf Siegfrieds Annäherung an eine freundlich gesinnte Vaterfigur liegt. Es ist erstaunlich, wie schnell und entschlossen sich Siegfried mit König Gunther anfreundet. Männer stellten für ihn bislang stets Rivalen dar, denen er feindlich begegnete. Doch diesem König gegenüber zeigt er sich überraschend zugewandt und steuert sogleich ein inniges Verhältnis an. Es wird in den Wortwechseln zwar die Freundes- bzw. Bruderebene betont, aber im Grunde ist Gunther eine Vatergestalt. Gunther ist ein König, während Siegfried eher den Status eines Prinzen innehat. Zu diesem König sucht der junge Held die persönliche Nähe, eine Nähe, die durchaus von einer gewissen Erotik getragen ist.

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Auf Siegfrieds noch etwas unsicher tastende Äußerung »Nun ficht mit mir oder sei mein Freund!« bietet Gunther spontan seine Freundschaft an und macht seinerseits einen Schritt auf Siegfried zu: »Ohn’ Entgelt dien’ ich dir gern.« So zögert auch Siegfried nicht lange, wenn es darum geht, Gunther einen Liebesdienst zu erweisen. Es ist für ihn nahezu eine Selbstverständlichkeit, Gunther bei der Brautwerbung behilflich zu sein, »denn dein Mann bin ich, und mein Mut ist dein« lässt er Gunther wissen. Auch gegenüber Gutrune hatte Siegfried diese Bereitschaft bereits betont: »Deinem Bruder bot ich mich zum Mann.« Ein nächster, noch weitergehender Schritt der Annäherung ist dann der Akt der Blutsbrüderschaft. »Bruder-brünstig mutig gemischt, blüh im Trank unser Blut« singt Gunther, woraufhin beide wechselseitig beteuern: »Treue trink ich dem Freund. Froh und frei entblühe dem Bund Blut-Brüderschaft heut!« Dieser Bund stellt eine hochgradige Intimität her. Libidinös gesprochen, geben sich Gunther und Siegfried einander hin und werden »ein Blut«. Diese homoerotische Annäherung trägt alle Insignien einer positiven Vateridentifizierung, wie sie sich am Beginn der ödipalen Phase, im sogenannten »negativen Ödipus«, ereignet. Indem Siegfried König Gunthers Blut trinkt, introjiziert oder inkorporiert er den Vater; er holt ihn als eine positive Instanz in seine psychische Struktur hinein.

W 4. Auf der Suche nach dem idealisierbaren Vater X

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Der Schritt, den Siegfried hier tut, ist äußerst bemerkenswert, beinahe kaum zu glauben. Waren bei dem jugendlichen Helden im Zusammensein mit Ziehvater Mime keine Ansätze einer idealisierenden Annäherung an den Vater zu erkennen – er hat diesen Ziehvater nur gehasst und abgelehnt –, so begegnet uns in dieser Situation ein neuer Siegfried, der einen ernsthaften Versuch unternimmt, eine freundschaftliche, liebevolle Allianz mit dem Vater zu suchen. Solch eine Identifizierung mit dem Väterlichen hat es ansatzweise bereits bei der Neidhöhle gegeben. Damals sog Siegfried das Blut des Riesen Fafner von seinen Händen und erwarb sich durch diese Inkorporation des mit väterlichen Aspekten ausgestatteten Riesentieres die bedeutsame Kompetenz, die Sprache der Vögel zu verstehen, d. h. in Kontakt mit seiner inneren Stimme zu gelangen, die ihm eine wichtige Orientierung für seinen weiteren Lebensweg verschaffte. Entwicklungspsychologisch schafft die homoerotische Annäherung an den idealisierten Vater das sichere Fundament, das den kleinen Sohn am Ende der ödipalen Auseinandersetzungen dazu bringt, sein inzestuöses Begehren aufzugeben und die geliebte Mutter dem Vater zu überlassen. Dieser bedeutsame Schritt, der den Untergang des Ödipuskomplexes herbeiführt, scheint sich in dieser Szene anzudeuten. Der Vergessenstrank macht es möglich, dass bei Siegfried die Ablö-

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sung von der Mutter und der Verzicht auf sie als eine Option ins Blickfeld rückt. Es stellt sich allerdings eine gewisse Skepsis ein, ob Gunther die geeignete Person ist, um Siegfrieds geheime Wünsche nach einer idealisierbaren Vaterfigur in Erfüllung gehen zu lassen. Was soll man von einem König halten, der sich seine Braut durch ein Täuschungsmanöver zu gewinnen trachtet und dazu die Hilfe eines jungen Mannes in Anspruch nimmt? Diesem König mangelt es offensichtlich an männlicher Kraft und Attraktivität, sodass zu befürchten ist, dass Siegfrieds Vatersuche – wie eine Generation zuvor – erneut »am ›schlechten‹ Charakter seiner Objekte« (Chasseguet-Smirgel 1988) scheitert. Denn dieser Vater bestärkt implizit den jungen Helden in seiner Illusion, dass seine kindliche Potenz derjenigen des Vaters weit überlegen ist.

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5. Brünnhildes Kampf um Abgrenzung vom Vater

Das Geschehen wendet sich zurück zum Walkürenfelsen (1. Akt, 3. Szene). Brünnhilde sitzt gedankenversunken am Eingang ihrer Felsenhöhle, als zum Walkürenritt-Motiv (Nr. 32) im Orchester die Walküre Waltraute durch die Lüfte herangeflogen kommt. Brünnhilde ist freudig erregt über den unerwarteten schwesterlichen Besuch. Sie weist dem geflügelten Ross im Tannenwald einen Rastplatz zu (»Dort im Tann stell den Renner zur Rast!«). Wagner nutzt dieses Ereignis erneut zur Rekapitulation der Ereignisse in Hinblick auf Brünnhildes Trotz gegen Wotan und ihre Bestrafung. Wälsungenliebe- (Nr. 26) und Siegfried-Motiv (Nr. 35) jubeln im Orchester auf, während Brünnhilde ihre göttliche Schwester freudig umarmt. Brünnhilde kann nichts anderes vermuten, als dass Waltraute das Glückgefühl ihrer neuen Liebe mit ihr teilen will. Doch Waltraute reagiert unwillig. Waltraute (heftig) Teilen den Taumel, der dich Törin erfasst?

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Ein andres bewog mich in Angst, zu brechen Wotans Gebot. Dieses »andre« bezieht sich auf Wotans beklagenswerten Zustand, den Waltraute in bewegten Worten schildert. Seit Siegfried seinen Speer zerschlagen hat, sitzt Wotan starr und reglos mit den Speersplittern in der Hand auf seinem Sitz. Die Weltesche hat er gefällt und das Holz rund um die Burg aufgeschichtet. Die Helden und Walküren liegen bestürzt zu seinen Füßen. Waltraute erzählt weiter: »Plötzlich seufzte Wotan auf und wie im Traum raunte er die Worte in Richtung Brünnhilde: »Des tiefen Rheines Töchtern, gäbe den Ring sie wieder zurück, von des Fluches Last erlöst wär’ Gott und Welt!« Diese Worte waren der Anlass für Waltraute, sich heimlich aus Walhall fortzuschleichen und an Brünnhilde die dringende Bitte zu richten, den Ring an die Rheintöchter zurückzugeben. Brünnhilde ist zunächst irritiert und reagiert dann mit Empörung. Brünnhilde Den Rheintöchtern, ich, den Ring? Siegfrieds Liebespfand? Bist du von Sinnen? Waltraute Hör mich, hör meine Angst!

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Der Welt Unheil haftet sicher an ihm. Wirf ihn von dir, fort in die Welle! Walhalls Elend zu enden, den verfluchten wirf in die Flut! Diese erneute Aufforderung zur Hergabe des Rings bringt Brünnhilde erst so richtig in Fahrt. Sie schleudert Waltraute entgegen: Brünnhilde Ha, weißt du, was er mir ist? Wie kannst du’s fassen, fühllose Maid! Mehr als Walhalls Wonne, mehr als der Ewigen Ruhm ist mir der Ring: […] Denn selig aus ihm leuchtet mir Siegfrieds Liebe, Siegfrieds Liebe! O ließ sich die Wonne dir sagen! Sie – wahrt mir der Reif. Geh’ hin zu der Götter heiligem Rat! Von meinem Ringe raune ihnen zu: die Liebe ließe ich nie, mir nähmen nie sie die Liebe, stürzt’ auch in Trümmern Walhalls strahlende Pracht! Auf Waltrautes enttäuschte Reaktion (»so in Trauer entlässt du lieblos die Schwester?«) folgt Brünnhildes unmissverständliche

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Aufforderung zum Abflug: »Schwinge dich fort! Fliege zu Roß! Den Ring entführst du mir nicht!« Mit einem zweifachen »Wehe! Wehe!« stürzt Waltraute wütend und enttäuscht von dannen und verschwindet rasch in einer düsteren Gewitterwolke. Eine kraftvolle Szene, in der sich die beiden Schwestern nichts schenken. Brünnhilde läuft zu großer Form auf. Sie nimmt es mit der gesamten Götterwelt auf. Die Wut auf Wotan, der ihr die schmerzlichste Wunde ihres Lebens zugefügt hat, beginnt so richtig aufzulodern. Wenn es in ihrer Macht stünde, würde sie augenblicklich Walhall in Schutt und Asche legen. Ihr Zorn und ihre Drohungen könnten heftiger nicht sein. So deutlich und mutig haben wir Brünnhildes Zorn gegen den Vater noch nie ausgedrückt gefunden. Bemerkenswert ist, dass bei dieser Kampfansage an den Vater, der Ring im Brennpunkt des Geschehens steht. Wir hatten im Rheingold den Ring als jenen Sphinkterring kennengelernt, dem eine doppelte Bedeutung zukommt. Der Sphinkterring ist zunächst ein bedrohliches Organ der Aggression, das die Urharmonie und die symbiotische Verbundenheit mit der Mutter zerstört. Doch im Zuge der weiteren Ichentwicklung erfährt der Sphinkterring einen Bedeutungswandel, indem er zunehmend als ein Organ konstruktiver Aggression (analer Trotz) geschätzt wird, der die Separation von der Mutter unterstützt und befördert. Dem Sphinkterring als Symbol für Abgrenzung und Loslösung

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kommt in der Tat eine wichtige Bedeutung für die weitere Persönlichkeitsentwicklung zu. Denn erst die erreichte Loslösung von den Elternimagines schafft die Voraussetzungen für die Liebe zwischen Mann und Frau. Solange Brünnhilde am Vater und Siegfried an der Mutter klebt, wird eine tragfähige Liebesbeziehung zwischen beiden nicht gelingen können. Eine positive Neudefinition des Sphinkterrings als eines Instruments, der die Individuation vorantreibt, würde für beide eine progressive Entwicklung einleiten. Brünnhilde zeigt in dieser Szene »analen Trotz« und widersetzt sich mutig den Wünschen des Vaters. Dies sind eindeutig Impulse in Richtung Separation, die Brünnhilde hier Waltraute – und letztlich Wotan – entgegenschleudert. Es bleibt abzuwarten, ob diese Trotzaufwallung nachdrücklich und entschieden genug ist, um Brünnhilde aus der Willensidentität mit dem Vater zu befreien. Das Thema Separation ist mit Waltrautes Abflug keineswegs aus der Welt. Es bleibt uns auch in der nächsten Szene erhalten, wohl der bedeutsamsten und folgenreichsten Szene in der gesamten Götterdämmerung.

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6. Siegfrieds »verkappte« Separationsaggression gegen Brünnhilde

Kaum ist Waltraute durch die Lüfte entschwunden, da beginnt sich erneut der Feuerring auf dem Walkürenfelsen zu beleben. Brünnhilde fährt entzückt auf und erwartet die Heimkehr Siegfrieds. Sie eilt zum Felsenrand, um dort jedoch entsetzt zurückzuweichen: Vor ihr steht ein ihr fremder Mann. Wir Zuschauer wissen es: Es ist Siegfried in König Gunthers Gestalt. Brünnhildes erste Worte: »Verrat! – Wer drang zu mir?« Es muss ihr so scheinen, als ob Wotans ursprüngliche herzlose Absicht, dass der Erstbeste, der vorbeikommt, über sie verfügen kann, doch noch Wirklichkeit geworden ist. Dieser unbekannte Freier gibt sich wenig ritterlich. Siegfried (mit verstellter [rauerer] Stimme) Brünnhild! Ein Freier kam, den dein Feuer nicht geschreckt. Dich werb’ ich nun zum Weib: du folge willig mir!

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Brünnhilde (heftig zitternd) Wer ist der Mann, der das vermochte, was dem Stärksten nur bestimmt? Siegfried (unverändert wie zuvor) Ein Helde, der dich zähmt, bezwingt Gewalt dich nur. Brünnhilde Ein Unhold schwang sich auf jenen Stein! Ein Aar kam geflogen, mich zu zerfleischen! Wer bist du Schrecklicher? (Langes Schweigen.) Brünnhilde erkennt sehr richtig, dass sich ihr kein Liebender, sondern ein »Schrecklicher« genähert hat, der schon bald dazu übergehen wird, ihr Gewalt anzutun. Siegfried (springt vom Steine herab und tritt näher heran) Die Nacht bricht an: in deinem Gemach mußt du dich mir vermählen! Brünnhilde (indem sie den Finger, an welchem sie Siegfrieds Ring trägt, drohend ausstreckt)

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Bleib fern! Fürchte dies Zeichen! Zur Schande zwingst du mich nicht, solang der Ring mich beschützt. Siegfried Mannesrecht gebe er Gunther, durch den Ring sei ihm vermählt! Nach Wagners Willen und Vorstellung ereignet sich Folgendes: Siegfried dringt auf Brünnhilde ein; sie ringen miteinander. Brünnhilde windet sich los, flieht und wendet sich um, wie zur Wehr. Siegfried greift sie von neuem an. Sie flieht, er erreicht sie. Beide ringen heftig miteinander. Er fasst sie bei der Hand und entzieht ihrem Finger den Ring. Brünnhilde schreit heftig auf. Doch Siegfried bleibt unbarmherzig. Siegfried (lässt die Machtlose auf die Steinbank vor dem Felsengemach niedergleiten) Jetzt bist du mein, Brünnhilde, Gunthers Braut – gönne mir nun dein Gemach! Brünnhilde (starrt ohnmächtig vor sich hin, matt) Was könntest du wehren, elendes Weib?

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(Siegfried treibt sie mit einer gebietenden Gebärde an. Zitternd und wankenden Schrittes geht sie in das Gemach.) Siegfried (zieht sein Schwert, mit seiner natürlichen Stimme) Nun, Nothung, zeuge du, daß ich in Züchten warb. Die Treue wahrend dem Bruder, trenne mich von seiner Braut! (Er folgt Brünnhilde nach. Der Vorhang fällt.) Man ist als Zuschauer schier erschrocken ob der Gewalttätigkeit, die Siegfried hier entfaltet. Er hatte von keiner Seite einen Auftrag dazu, Brünnhilde auf diese Art und Weise für Gunther zu gewinnen. Die Martialität in der Ausführung des Freundschaftsdienstes ist allein Siegfrieds Willen entsprungen. Wie wenig Einsicht er in die Heftigkeit seines Tuns besitzt, wird daraus ersichtlich, dass er sein Vorgehen als ein »in Züchten werben« bezeichnet. Welche dunklen Kräfte haben sich hier Bahn gebrochen? Siegfrieds Verhalten gegen Brünnhilde auf der Ebene erwachsener Menschen verstehen zu wollen, führt nicht weit. Selbst unter Einbezug des Vergessenstranks bleibt Siegfrieds Gewalttätigkeit gegen Brünnhilde bizarr und befremdlich. Der Freundschaftsdienst

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für Blutsbruder Gunther war als Brautwerbung, nicht als Brautdemütigung vereinbart. Vielversprechender erscheint es, diese Szene auf einer frühkindlichen Folie zu betrachten. In einer ersten Annäherung bietet sich die Deutung an, dass sich in Siegfrieds Verhalten eine Vorstellung spiegelt, die der kleine Junge davon hat, wie ein erwachsener Mann eine Braut freit. Die Szene würde dann das enthalten, was Freud einmal ein »sadistisches Mißverständnis des Sexualaktes« (Freud 1938, S. 179.) genannt hat. Dieses Missverständnis kann sich bevorzugt dann entwickeln, wenn das kleine Kind, wie es in kleinbürgerlichen Familien des 19. Jahrhunderts üblich war, in den ersten Lebensjahren das Schlafzimmer mit den Eltern geteilt hat. Dort wird es hin und wieder die Gelegenheit gehabt haben, die sexuellen Vorgänge zwischen den Eltern zu beobachten, manches wird er gesehen, anderes mehr gehört als gesehen haben. Diese Wahrnehmungen können sich zu dem Eindruck verdichten, dass der Sexualakt eine Gewalttätigkeit des Vaters gegenüber der Mutter darstellt. Aus diesem schockierenden Erlebnis heraus wird der kleine Junge sich mit der misshandelten Mutter identifizieren und die Grobheit des Vaters ablehnen, was jedoch nicht ausschließt, dass er in späteren Jahren selbst – gleichsam als eine Kopie des Vaters – Frauen gegenüber zu Gewalttätigkeiten neigt.

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Diese Perspektive enthält implizit einen deutlich anti-väterlichen Affekt, vor allem wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Konsequenzen Siegfrieds Art der Brautwerbung für König Gunther haben wird. Auf einen knappen Nenner gebracht: Der Sohn verdirbt dem Vater die Braut. Durch seine Gewaltanwendung gegen Brünnhilde, ist an eine Liebesheirat zwischen Gunther und Brünnhilde nicht mehr zu denken. Wie das weitere Handlungsgeschehen bestätigen wird, kann Brünnhilde für Gunther nur noch Hass empfinden. Neid und Eifersucht auf das, was der Vater besitzt bzw. bekommen soll, wären demnach die treibenden Motive für dieses gewalttätige Vorgehen des jungen »Sohnes«. Doch vermutlich ist der Gunther-Brünnhilde-Aspekt der Szene eher nachrangig gegenüber der Bedeutung, die diese Szene für die Siegfried-Brünnhilde-Beziehung besitzt. Wir haben den (Sphinkter-)Ring in seiner Doppelbedeutung bereits kennengelernt. Zum einen als ein anal-sadistisches Instrument und zum anderen als ein Separationsinstrument. Entsprechend kann auch das Entreißen des Rings hier in doppelter Weise gedeutet werden. Zum einen reinszeniert sich ein weiteres Mal der zentrale Frevel, um den in Wagners Ring alles kreist. Gemeint ist der Raub des Rheingolds als eine phantasmatische Aggression gegen den Körper der Mutter. Wird anfangs von Alberich das Gold entrissen, so beschränkt

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sich dieser Vorgang später ausschließlich auf den Ring: Wotan entreißt ihn Alberich, Fafner entreißt ihn Fasold und hier entreißt Siegfried ihn Brünnhilde. Die Opfer schreien jeweils schmerzvoll auf, so wie wir es auch in dieser Szene erleben. Konnte man beim Drachenkampf vor der Neidhöhle noch meinen, dass Siegfried am Ring desinteressiert sei – dort wird er nicht entrissen, sondern still an sich genommen – so hat sich das offenbar gründlich geändert. Nun reiht sich auch der junge Held in die Riege der Aggressoren ein, die den Ring entrissen haben. Wir werden Zeuge des nunmehr 5. Raubes des Rheingolds. Am dichtesten dran an jenem entwicklungspsychologischen Geschehen, dem wir Siegfrieds Aufbruch zu König Gunther zugeordnet haben, wäre allerdings jene Deutung, die sich an die Separationsfunktion des (Sphinkter-)Rings anlehnt. Siegfried startet demnach einen Loslösungsversuch aus den Fängen der als übermächtig erlebten Mutter. Solch ein aggressives Trotzen gegen die Mutter kann sich der kleine Sohn nur dann erlauben, wenn er den Vater als eine dritte Person an seiner Seite weiß. Solch eine Situation stellt sich in dieser Szene ansatzweise her. Siegfried schlüpft in die Gestalt des »Vaters«, was einer Identifizierung mit dem Vater gleichkommt, und die Partizipation an dessen Kraft gibt ihm den Mut, sich gegen die Mutter zu stellen. Und auch dem Schwert würde eine gleichsinnige Symbolbedeutung zukommen, insofern

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es sich um einen, durch Identifizierung mit dem Vater erworbenen, väterlichen Phallus handelt. Solch ein Schwert könnte ein sehr wichtiges Instrument der Abgrenzung gegenüber der Mutter sein, es könnte ein Garant für ein »Werben in Züchten« sein, weil es das Gesetz des Vaters in sich trägt, das den Inzest verbietet. Doch spätestens seit der Schwertschmiedeszene (Oberhoff 2012) wissen wir, dass Nothung solch ein väterlicher Phallus nicht ist, sondern vielmehr ein kindlicher, ein selbstfabrizierter, ein »falscher Phallus«. Auch Siegfrieds Vateridentifizierung besitzt keine fundierte Substanz, da es sich bei König Gunther, in dessen Name und Gestalt Siegfried geschlüpft ist, um keinen idealisierbaren, sondern um einen schwachen Vater handelt. Kurzum: Die »Falschheit« des Schwertes und die Identifizierung mit einem schwachen Vater lassen es nicht zu, dass Siegfried in dieser Szene eine Loslösung von der Mutter gelingen kann. Mit der gleichen Skepsis, mit der wir Brünnhildes Trotzaufwallung gegen den Willen des Vaters betrachtet haben, müssen wir auch auf Siegfrieds Befreiungsversuch gegenüber Brünnhilde schauen. Die Geschichte mit dem Schwert auf dem Nachtlager als Beweis seiner Eidestreue wird ihm im weiteren Handlungsverlauf ohnehin niemand glauben, und ein Erreichen von echter Autonomie gegenüber Brünnhilde ist bis zum Ende der Götterdämmerung nicht zu erkennen. Was wir erleben, ist das Aufwallen einer Separations-

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aggression, die jedoch unbewusst bleiben muss, weil aggressive Regungen gegen die Mutter für das Siegfried-Ich unerträglich und unvorstellbar sind. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, werden Vergessenstrank und Tarnkappe eingesetzt, um zu vernebeln, wer der eigentliche Aggressor in dieser Szene ist. Die Gewaltanwendung geht augenscheinlich von einer Person aus, die als Gunther in Erscheinung tritt. Also hat Siegfried nichts mit ihr zu schaffen. So will es das Bewusstsein des jungen Helden (und auch jenes des Dichterkomponisten). Die Tarnkappe übernimmt in dieser Szene die Funktion eines Traumzensors, der die verpönten Regungen vom reinen Helden wegnimmt und auf eine andere Person verschiebt. Das Ergebnis dieser psychischen Abwehrmaßnahme ist bekannt. Statt einer offen gezeigten und bewusst erlebten Distanzierung gegenüber der Muttergeliebten, reicht es bei Siegfried nur zu einer heimlichen, »verkappten« Separationsaggression.

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7. Alberich und Hagen: Das Duo des zähen Hasses

Das düstere Vorspiel zum 2. Akt bereitet auf die sich ausbreitende Nachtstimmung vor. Der Mond wirft sein fahles Licht auf den schlafenden Hagen, zu dem sich Vater Alberich gesellt. Aus einem halb wachenden, halb schlafendem, traumähnlichen Zustand heraus entspinnt sich ein Dialog zwischen diesen beiden Gewächsen der Nacht. Wiederholtes Hass-Motiv (Nr. 20) im Orchester und Hasstiraden auf alles Frohe und Freudvolle (»Hagen, mein Sohn, hasse die Frohen!«) verbindet die beiden nächtlichen Krieger. Alberich kündet seinem Sohn das bevorstehende Ende Wotans an und sieht sich und seinen Sprössling als Erben der Götterherrschaft. Die seinen Worten zugeordneten Leitmotive illustrieren seinen Gedankengang: Schwert-Motiv (Nr. 24), Riesen-Motiv (Nr. 10), Ring-Motiv (Nr. 7), Hass-Motiv (Nr. 20). Doch eine Kleinigkeit fehlt noch zum endgültigen Sieg: der Ring. Da dieser sich in den Händen Siegfrieds befindet, muss dieser jugendliche Held fallen (»Ihn zu verderben taugt uns nun

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einzig!«). Alberich definiert noch einmal Hagens Lebensaufgabe: Alberich Zu zähem Haß doch erzog ich Hagen, der soll mich nun rächen, den Ring gewinnen dem Wälsung und Wotan zum Hohn! Schwörst du mir’s Hagen, mein Sohn? Die nächtlichen Schatten erscheinen noch finsterer, als Alberich seinen Sprössling auf die Treue zur Vernichtung und zum Raub des Rings einschwört. Hagens Antwort lässt durchblicken, dass er insgeheim wohl eher daran denkt, den Ring für sich selbst als für den Vater zu erringen. Hagen Den Ring soll ich haben: harre in Ruh’! Alberich Schwörst du mir’s, Hagen, mein Held? Hagen Mir selbst schwör’ ich’s; schweige die Sorge!

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Mit einem »Sei treu, Hagen, mein Sohn!« entschwindet Alberich in die Finsternis. Hagen verharrt regungslos in seiner Haltung und starrt auf den Rhein, während die Morgendämmerung heraufzieht. Wir haben bereits die Funktion solcher szenischen Einschübe kennen und schätzen gelernt. Sie bringen oftmals jene inneren Regungen ans Licht, welche die zentralen Protagonisten von ihrem Bewusstsein ausgeschlossen haben. Da sowohl Siegfried als auch Brünnhilde für sich in Anspruch nehmen, strahlende, reine Heldenfiguren zu sein, so lässt uns dieser Einschub des Duos Alberich und Hagen einen kurzen Blick auf jene verdrängten Regungen werfen, die vom Heldenpaar nach Nibelheim abgeschoben wurden: Neid, Hass und Rache. Unter getarnter Kappe hat Siegfried von diesen Regungen auf dem Walkürenfelsen bereits etwas herausgelassen. Dass auch in Brünnhilde derartige archaische Affekte schlummern, wird uns das folgende Geschehen offenbaren.

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8. Verrat, Betrug, Täuschung – die dunklen Regungen drängen ans Licht

Der Rhein färbt sich im immer stärker erglühenden Morgenrot. Da steht er plötzlich vor Hagen, der jugendliche Held und Brautwerber: »Hoioh, Hagen! Müder Mann, siehst du mich kommen?« Siegfried fragt nach Gutrune, die daraufhin von Hagen herbeigerufen wird. Gutrune ist über Siegfrieds Rückkehr erfreut, doch will sie die Gewinnung von König Gunthers Braut in allen Einzelheiten geschildert bekommen. Insbesondere interessiert sie, was in der »bräutlichen Nacht« zwischen ihm und Brünnhilde geschehen ist. Siegfrieds kryptische Antwort: »Zwischen Ost und West der Nord: so nah – war Brünnhilde ihm fern.« Er erzählt weiter, dass Gunther und Brünnhilde mit dem Schiff unterwegs sind. Dieser kurz gehaltene Bericht vermag Gutrunes ungute Gefühle keineswegs zu beruhigen, vielmehr erfasst sie ein Schaudern: »Siegfried, mächtigster Mann! Wie faßt mich Furcht vor dir!«

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Hagen hat das herannahende Schiff des künftigen Herrscherpaares gesichtet. Er bläst in sein raues Stierhorn, um seine Soldaten zu versammeln. Es soll ein Hochzeitsruf sein, doch wird er von seinen Mannen vielmehr als ein Not- und Kriegssignal aufgefasst, als ob bedrohliche Feinde vor den Toren der Stadt aufgezogen seien. In voller Rüstung eilen sie herbei und fragen nach der Ursache. Hagen klärt sie auf, dass König Gunther mit seiner neuen Braut naht. Die Männer sollen Stiere für die Götter schlachten und ein großes Fest bereiten. Hagen: »Rüstig gezecht, bis der Rausch euch zähmt! Alles den Göttern zu Ehren, daß gute Ehe sie geben!« Die Krieger sind höchst erstaunt über die Aufgeräumtheit ihres ansonsten griesgrämigen Anführers. Die Mannen (brechen in ein schallendes Gelächter aus) Groß Glück und Heil lacht nun dem Rhein, da Hagen, der Grimme, so lustig mag sein! Der Hagedorn sticht nun nicht mehr; zum Hochzeitsrufer ward er bestellt. Die angeheiterten Krieger eilen zum Rheinufer und heißen ihren König und dessen Braut mit lauten Hochrufen willkommen. Gunther stellt seine Braut als hehrste und edelste Frau vor. Doch Brünnhilde hält ihren Blick trotzig gesenkt. Das Walkürenrittmotiv

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(Nr. 32) erklingt im Orchester, zum Unheil-Motiv (auch SeufzerMotiv, Nr. 4) abgewandelt. Doch Gunther besitzt kein Ohr für diese Zeichen, sondern gibt sich seinen Untertanen gegenüber gut gelaunt. Als Siegfried erscheint, schlägt Brünnhilde erschreckt die Augen auf und beginnt zu zittern. Den Umstehenden bleibt ihre Erregung nicht verborgen: »Was ist ihr? Ist sie entrückt?« Die Gedemütigte fällt halb ohnmächtig in Siegfrieds Arme und stammelt: »Siegfried – kennt mich nicht?« Siegfried antwortet ungerührt: »Gunther, deinem Weib ist übel!« Dann erblickt Brünnhilde den Ring an Siegfrieds Finger: »Ha! Der Ring an seiner Hand!« Sie fordert eine Antwort, woher er den Ring habe. Siegfried leugnet, ihn von Gunther bekommen zu haben. Darauf dringt sie in Gunther, an wen er den Ring gegeben habe, den er ihr entriss? Gunther schweigt in höchster Betroffenheit. Brünnhilde weiß nun genug. Brünnhilde (fährt wütend auf) Ha! – Dieser war es, der mir den Ring entriß: Siegfried der trugvolle Dieb! (Alles blickt erwartungsvoll auf Siegfried, welcher über der Betrachtung des Ringes in fernes Sinnen entrückt ist.)

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Siegfried Von keinem Weib kam mir der Reif; Noch war’s ein Weib, dem ich ihn abgewann: genau erkenn ich des Kampfes Lohn, den vor Neidhöhl’ einst ich bestand, als den starken Wurm ich erschlug. Hier lügt Siegfried. Ihm muss sehr wohl bewusst sein, dass er ihn Brünnhilde entrissen hat, es sei denn, er besitzt eine gespaltene Persönlichkeit, in der das Siegfried-Ich von den Taten des verkappten Gunther-Ichs keine Kenntnis besitzt. An diesem heiklen Punkt wittert Hagen seine Chance. Hagen (zwischen sie tretend) Brünnhild’, kühne Frau, kennst du genau den Ring? Ist’s der, den du Gunthern gabst, so ist er sein, und Siegfried gewann ihn durch Trug, den der Treulose büßen sollt’! Brünnhilde (in furchtbarem Schmerze aufschreiend) Betrug! Betrug! Schändlichster Betrug! Verrat! Verrat! Wie noch nie er gerächt!

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Allgemeine Bestürzung und Verwirrung. Zu Siegfrieds Worten ertönen im Orchester Motive aus fernster Vergangenheit: Riesen(Nr. 10), Rheingold- (Nr. 5) und Rheingoldruf-Motiv (Nr. 6), so als wollte Wagner beim Zuhörer die Historie des Urfrevels, des Gold- und Ringraubens, in Erinnerung rufen. Siegfried kann davon keine Kenntnis haben. Hagens Plan ist aufgegangen. Brünnhilde ist außer sich vor Wut und angefüllt mit Rachegefühlen. Sie ist wild entschlossen »den zu zertrümmern, der sie betrog«. Vor aller Öffentlichkeit tut sie kund, dass nicht Gunther, sondern Siegfried ihr rechtmäßiger Gemahl sei: »nicht ihm – dem Manne dort bin ich vermählt.« Nun schillt Siegfried Brünnhilde eine Lügnerin und beteuert, dass er den Bluteid nicht gebrochen und Brünnhilde nicht berührt habe. Implizit gibt er damit zu, dass er es war und nicht Gunther, der Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen gefreit hat. Doch auf diesen dunklen Punkt geht niemand ein. Siegfrieds heimlicher Liebesdienst für Gunther bleibt den Umstehenden somit weiterhin ein Geheimnis. Nur Brünnhilde versteht die Zusammenhänge. Brünnhilde Du listiger Held, sieh wie du lügst! Wie auf dein Schwert du schlecht dich berufst!

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Wohl kenn ich seine Schärfe, doch kenn auch die Scheide, darin so wonnig ruht’ an der Wand Nothung, der treue Freund, als die Traute sein Herr sich gewann. Was Brünnhilde hier über Siegfrieds Schwert aussagen will, bleibt dunkel. Auf jeden Fall will sie öffentlich bekunden und bei Siegfried in Erinnerung rufen, dass sie seine rechtmäßige Geliebte ist. Nun fordern auch Gunther und Gutrune mit erregter Stimme Siegfried zur Klarstellung auf. Gunther (zu Siegfried) Geschändet wär’ ich, schmählich bewahrt, gäbst du die Rede nicht ihr zurück! Gutrune Treulos, Siegfried, sannest du Trug? Bezeuge, daß jene falsch dich zeiht! Die Mannen Reinige dich, bist du im Recht! Schweige die Klage! Schwöre den Eid!

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Siegfried Schweig’ ich die Klage, schwör’ ich den Eid: Wer von euch wagt seine Waffe daran? Hagen Meines Speeres Spitze wag’ ich daran: Sie wahr’ in Ehren den Eid. Siegfried schwört mit den Worten »Helle Wehr! Heilige Waffe!«, dass er den Brüdereid nicht gebrochen hat. Doch Brünnhilde reißt Siegfrieds Hand von der Speerspitze und beschwört ihrerseits den Speer, dass er im Falle des Meineids den Frevler treffen möge. Siegfried gibt sich gleichmütig und fordert zu einer Beruhigung der erhitzten Gemüter auf. Die »freche Wut« der »wilden Felsenfrau« werde sich schon wieder legen. Gunther versichert er in einem abgewandten Gespräch noch einmal seine absolute Loyalität und ruft anschließend die versammelten Menschen zu Vorbereitungen für die Feierlichkeiten der Doppelhochzeit auf. Er schlingt in ausgelassenem Übermut seinen Arm um Gutrune und setzt damit ein Zeichen, dass nun Freude angesagt ist. Den Mannen und Frauen bleibt nichts anderes übrig, als seinem Beispiel zu folgen. Weiterhin nachdenklich gibt sich das Orchester, welches das Geschehen mit introvertierten, gedämpften Klängen begleitet. Die

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Bühne leert sich. Es bleiben schließlich nur Brünnhilde, Gunther und Hagen zurück. Täuschung, Verrat, Heimlichtuerei, In-die-Falle-Locken, alles dies sind Ingredienzien der analen Welt. Siegfried, dieser makellose und strahlende Held, der alles Dunkle und Schmutzige stets von sich gewiesen hat, findet sich plötzlich knietief im Morast steckend. Was bislang nur Alberichs und Hagens Metier war, umgibt nun auch ihn. Die glänzende Außenfassade beginnt zu bröckeln, die schwarze Magie der Analstufe drängt gewaltig ans Licht. Es ist vor allem Brünnhilde, die schonungslos in diese Abgründe Siegfrieds hineinleuchtet. Siegfrieds Abwehr gegen das Anale gerät ins Wanken, sie fällt aber nicht. Der Speereid verschafft ihm erst einmal etwas Luft. Der angeschlagene Held rückt seine strahlende Maske wieder zurecht und engagiert sich darin, frohe Stimmung zu verbreiten. Man würde ihm wünschen, dass erneut das Waldvöglein, seine innere Stimme, erscheint und ihn darauf aufmerksam macht, dass sich hinter seinem Rücken die Gruppe der auf Rache sinnenden Verfolger zu organisieren beginnt.

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9. Das Trio der rächenden Verfolger

Siegfried hatte Brünnhildes »freche Wut« als »die eines Unholds arge List« bezeichnet. Brünnhilde greift in ihrem Nachsinnen über das gerade Erlebte diese Worte noch einmal auf, indem sie fragt: Brünnhilde (in starrem Nachsinnen befangen) Welches Unholds List liegt hier verhohlen? Welches Zaubers Rat regte dies auf? Wo ist nun mein Wissen gegen diese Wirrsal? Wo sind meine Runen gegen dies Rätsel? Man müsste ihr antworten: Es ist die Wiederkehr des Verdrängten und Abgespaltenen. Was innen nicht gefühlt werden kann, formiert sich im Außen und fällt auf den heldenhaften Abwehrer zurück. Doch das würde Brünnhilde wohl nicht verstehen. Also muss die Wirrnis erst einmal weiter bestehen bleiben. Der dunkle Taktierer Hagen bietet Brünnhilde seine Hilfe an.

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Hagen Vertraue mir, betrog’ne Frau! Wer dich verriet, das räche ich. Brünnhilde lehnt dieses Angebot zunächst einmal verächtlich ab (»an Siegfried rächen – du?«), da sie Hagen dem Helden Siegfried nicht als ebenbürtig betrachtet. Doch Hagen übergeht diese zugefügte Kränkung und bleibt hartnäckig in der Verfolgung seines Zieles. Hagen Wohl kenn ich Siegfrieds siegende Kraft, wie schwer im Kampf er zu fällen; drum raune nun du mir guten Rat, wie doch der Recke mir wich’? Brünnhildes Antwort bleibt nebulös. Deshalb setzt Hagen noch einmal nach: »So kann keine Wehr ihm schaden?« Darauf hören wir aus Brünnhildes Mund die fatalen Worte: Brünnhilde Im Kampfe nicht; doch träfst du im Rücken ihn…

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Brünnhilde scheint offenbar zu allem entschlossen, auch zum Verrat an Siegfried. Im Orchester erklingt das Hass-Motiv (Nr. 20). Hagen ist am Ziel. Er verkündet voller Genugtuung und in aller Entschiedenheit: »Und dort trifft ihn mein Speer!« Schnell wendet er sich an Gunther, um auch dessen Zustimmung zum Mordplan zu erlangen. Doch der ringt mit Scham- und Schuldgefühlen. Gunther (leidenschaftlich auffahrend) O Schmach! O Schande! Wehe mir, dem jammervollsten Manne! Wie damals Alberich nach dem Verlust des Rings auf die Worte »der Traurigen traurigster Knecht«, so singt hier Gunther »dem jammervollsten Manne« auf die Tonfolge des Urnarzissmus-Verlust-Motivs (»Weibes Wonne und Wert«, Nr. 14). Brünnhilde stößt mitleidslos den Stachel noch tiefer in Gunthers Wunde: Brünnhilde O feiger Mann! Falscher Genoss’! Hinter dem Helden hehltest du dich, daß Preise des Ruhmes er dir erränge! Tief wohl sank das teure Geschlecht, das solche Zagen gezeugt.

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Nach diesen vernichtenden Worten ist es um Gunther geschehen. Er sackt kraftlos in sich zusammen. Er fleht Hagen um Ehrenrettung an: Gunther Betrüger ich – und betrogen! Verräter ich – und verraten! Zermalmt mir das Mark! Zerbrecht mir die Brust! Hilf Hagen! Hilf meiner Ehre! Hilf deiner Mutter, die mich – auch ja gebar! Gunther empfindet nicht nur seine Ehre zerstört, sondern auch die seiner Mutter. Wieder erklingt das Urnarzissmus-Verlust-Motiv (Nr. 14). Doch Hagen bleibt kalt: »Dir hilft kein Hirn, dir hilft keine Hand: dir hilft nur Siegfrieds Tod!« Gunther quält die Sorge um die Reaktion Gutrunes. Doch Brünnhilde entgegnet kalt: »Gutrune heißt der Zauber, der den Gatten mir entzückt! Angst treffe sie!« Gunthers hilfloses Hin- und Hergerissensein beendet Brünnhilde schließlich mit den entschiedenen Worten: Brünnhilde Dich verriet er und mich verrietet ihr alle! Wär’ ich gerecht, alles Blut der Welt

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büßte mir nicht eure Schuld! Doch des einen Tod taugt mir für alle: Siegfried falle zur Sühne für sich und euch! Es stockt einem der Atem. Ist es wahr, dass Brünnhilde Siegfrieds Tod will? Wir erleben die Rückkehr der Todesgöttin, die zur Wal bläst und das Todesurteil über Siegfried verkündet. Die deutlich hörbare Vernichtungs-Septime lässt keinen Zweifel daran. Wie seiner Zeit Fricka den Tod Siegmunds forderte (»Der Wälsung fällt meiner Ehre«), so fordert hier Brünnhilde mit nahezu identischen Worten den Tod Siegfrieds. Als sich wenig später alle drei Verschwörer einig sind, bekräftigt die Todesgöttin ihre grausige Forderung noch einmal: »So soll es sein! Siegfried falle!« Ich habe diese Szene so ausführlich dargestellt, weil sie ungeheuerlich ist und, weil ich mich der Tendenz der folgenden Handlung nicht anschließen möchte, dieses Ereignis dem seligen Vergessen anheimzugeben. Es wird sich schon bald niemand mehr daran erinnern wollen, dass es vor allem Brünnhilde war, die Siegfrieds Tod gefordert hat und dem Mörder den entscheidenden Hinweis auf Siegfrieds verwundbare Stelle gab. Während alle Beteiligten es zukünftig vermeiden werden, auf diese Szene noch einmal zu sprechen zu kommen, wird Brünnhilde sogar dazu übergehen, eine

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persönliche Verantwortung an Siegfrieds Tod von sich zu weisen und höheren Kräften die Schuld zusprechen. Es ist schwer erträglich, und die Gefühle wehren sich dagegen, dass nun plötzlich Hochzeitsjubel angesagt sein soll. Doch draußen vor der Halle werden Siegfried und Gutrune von der Volksmenge mit Hochrufen gefeiert. Hagen arrangiert auf die Schnelle, dass auch Gunther und Brünnhilde sich in den Zug einreihen. Das Orchester allein kennt den wirklichen Zustand der Gefühle und mischt das Unheil-/Seufzer-Motiv (Nr. 4) in den Aktschluss. Ende des 2. Aktes.

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10. Die Rheintöchter: Ein Spiel um das Hergeben und Nicht-hergeben-Wollen

Der Schicksalskreis der Tetralogie beginnt, sich zu schließen. Mit dem Auftritt der Rheintöchter und mannigfaltigen Musikreminiszenzen an Rheingold fühlt man sich an den Anfang zurückversetzt. Woglinde, Wellgunde und Floßhilde besingen die alten freudigen Zeiten, als das Gold noch in den Tiefen des Rheins erstrahlte. Sie vollführen einen munteren Reigen auf der spiegelnden Wasserfläche und warten auf das Erscheinen Siegfrieds, um von ihm das geraubte Gold zurück zu erbitten. Der sorglose Held tritt in Jägerkleidung ans Ufer und ist missgestimmt, da er noch kein Wild erlegt hat. Wellgunde: »Ein goldner Ring glänzt dir am Finger!« Alle drei: »den gib uns!« Die Rheintöchter bieten Siegfried als Gegenleistung an, dass sie ihm Wild vor die Flinte zaubern werden. Wie es ihre Art ist, necken sie ihn und treiben ihr Spiel mit ihm. Doch Siegfried zeigt sich wenig gebefreudig.

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Siegfried Nun lacht nur lustig zu! In Harm laß ich euch doch: denn giert ihr nach dem Ring, euch Nickern geb’ ich ihn nie! Die Wasserfrauen reagieren beleidigt. Mit einem »So schön! So stark! So gehrenswert! Wie schade, daß er geizig ist« tauchen die Drei ins Wasser ab. Mit etwas Verspätung scheint der allein zurückgebliebene Ringbesitzer nun doch noch Gefallen am Spiel zu finden. Er ruft den Wassernixen nach: »He! He, he, ihr muntren Wasserminnen! Kommt rasch! Ich schenk euch den Ring!« Er zieht den Ring vom Finger und hält ihn in die Höhe. Die Rheintöchter tauchen wieder auf. Aber es scheint sich bei ihnen ein Sinneswandel vollzogen zu haben. Sie geben sich diesmal ernst und feierlich und lassen Siegfried wissen: »Behalt’ ihn Held, und wahr ihn wohl, bis du das Unheil errätst – das in dem Ring du hegst. Froh fühlst du dich dann, befrein wir dich von dem Fluch.« Siegfried steckt den Ring wieder an den Finger und erklärt sich mehr widerwillig als willig bereit, dem zuzuhören, was ihm die Rheintöchter mitzuteilen haben.

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Rheintöchter Aus des Rheines Gold ist der Ring geglüht. Der ihn listig geschmiedet und schmählich verlor – der verfluchte ihn, in fernster Zeit zu zeugen den Tod dem, der ihn trüg’. Wie den Wurm du fälltest – so fällst auch du – und heute noch; so heißen wir’s dir, tauschest den Ring du uns nicht. Im tiefen Rhein ihn zu bergen. Nur seine Flut sühnet den Fluch! Im Orchester ertönt immer wieder das Fluch-Motiv (Nr. 19). Zum wiederholten Male ist Siegfried nun über die aggressive Bedeutung des Rings aufgeklärt. Doch wiederum stellt er sich taub. Er will davon nichts wissen. Stattdessen glaubt er, dass die Wassernixen weiterhin ein Spiel mit ihm treiben. Siegfried Ihr listigen Frauen, laßt das sein! Traut’ ich kaum eurem Schmeicheln, euer Drohen schreckt mich noch minder! Doch die Rheintöchter setzen in ernstem Ton noch einmal an.

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Die Rheintöchter Siegfried! Siegfried! Wir weisen dich wahr. Weiche, weiche dem Fluch! Ihn flochten nächtlich webende Nornen in des Urgesetzes Seil! Siegfried verlässt sich auf die magische Kraft seines Schwertes, das notfalls auch das Nornenseil durchschlagen kann, wie er meint. Dem Ring gegenüber gibt er sich weiterhin leidenschaftslos. Siegfried Der Welt Erbe gewänne mir ein Ring: für der Minne Gunst miß’ ich ihn gern; ich geb’ ihn euch, gönnt ihr mir Lust. Doch bedroht ihr mir Leben und Leib: fasste er nicht eines Fingers Wert, den Reif entringt ihr mir nicht! Denn Leben und Leib, seht: – so – (Er hebt eine Erdscholle vom Boden auf, hält sie über seinem Haupte und wirft sie mit den letzten Worten hinter sich.) werf’ ich sie weit von mir!

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Doch damit ist die Lust der Wassernixen, mit Siegfried zu plaudern, erschöpft. Enttäuscht wenden sie sich von ihm ab. Die Rheintöchter Kommt, Schwestern! Schwindet dem Toren! So weise und stark verwähnt sich der Held, als gebunden und blind er doch ist. […] Leb wohl, Siegfried! Ein stolzes Weib wird noch heut dich Argen beerben. Sie beut uns bess’res Gehör. Zu ihr! Zu ihr! Zu ihr! Weialala leia, Wallalala leilalala. Sie formieren sich schnell zum Reigen und entschwinden in den Fluten, während Siegfried ihnen lächelnd nachschaut. Der »zieren Frauen eine« hätte er sich gerne gezähmt, lässt er die Zuschauer wissen. Ansonsten ist seine Quintessenz aus diesem Erlebnis: Siegfried Im Wasser wie am Lande lernte nun ich Weiberart: wer nicht ihrem Schmeicheln traut, den schrecken sie mit Drohen;

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wer dem nun kühnlich trotzt, dem kommt dann ihr Keifen dran. Wagner liebt es offenbar, kurz vor Szenen, in denen der phantasmatische Kampf auf Leben und Tod tobt, noch einmal für Entspannung zu sorgen. Das war vor dem Drachenkampf so, wo Siegfried sich eine Rohrflöte bastelte und mit den Vöglein um die Wette flötete, und das erleben wir auch hier, unmittelbar vor Siegfrieds letztem Kampf. Das Spiel beginnt neckisch mit unüberhörbaren Assoziationen zur frühkindlichen Töpfchenzeit. Man kann die Reinlichkeitserziehung bei einem kleinen Kind verbissen und mit Drohen gestalten, was den Eltern aber in der Regel wenig nützt, wenn der Knirps auf seinem Thron entschieden hat: »von mir bekommt ihr nichts.« Eltern, die das Fordern und Drohen trotzdem fortsetzen, müssen mit noch mehr Widerstand rechnen: »Traut’ ich kaum eurem Schmeicheln, euer Drohen schreckt mich noch minder!« So sind Eltern oftmals gut beraten, die ganze Angelegenheit von der lockeren Seite zu nehmen und zumindest so zu tun, als wären sie gar nicht mehr daran interessiert, dass etwas ins Töpfchen fällt, denn schließlich wissen sie ja, dass der Knirps es irgendwann doch hergeben muss. So halten es auch die Wasserfrauen (»behalt’ ihn, Held«) und siehe da, Siegfried signalisiert auf einmal Bereitschaft, das Gewünschte zu liefern.

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Doch nun wechseln die Rheintöchter flink ihre Rolle und verwandeln sich zu Prophetinnen, die den dummen Knaben vor Unheil warnen. Sie erklären ihm, dass ein Fluch auf dem Ring liegt, der ihm den Tod bringen wird. Und indem sie zum Drachenkampf Bezug nehmen (»Wie den Wurm du fälltest – so fällst auch du –»), rühren sie an jenes dramatische Ereignis, bei dem Siegfried schwerste Schuld auf sich geladen hat. Wir hatten damals gesagt, dass dieser Mord (4. Raub des Rheingolds und doppelter Vatermord) große Schuldgefühle ausgelöst hat, die so unerträglich waren, dass sie abgespalten werden mussten. Das gleiche erleben wir auch hier. Zum Wurm bemerkt Siegfried: »das Fürchten lehrt’ er mich nicht!« Doch es wäre besser gewesen, er hätte das Fürchten dort gelernt. Die Unfähigkeit, Angst und Schuldgefühl zu erleben und die eigene Aggression zur Kenntnis zu nehmen, hat ihn leider bis heute begleitet, deshalb können ihn die warnenden Worte der Nixen über die Gefährlichkeit des Ringes auch nicht erreichen. Wir erleben hier eine Parallele zur Szene zwischen Brünnhilde und Waltraute. Auch Waltraute klärte Brünnhilde über die dunklen Seiten des Ringes auf. Doch davon wollte sie genauso wenig wissen, wie Siegfried an dieser Stelle. Die Verleugnung der durch den Ring symbolisierten Welt der analen Triebkräfte verbindet offenbar beide miteinander. Siegfrieds zur Schau getragenes Desinteresse am Ring macht kenntlich, dass er sich frei von Aggression wähnt. Aggressiv sind

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nur die Anderen, gegen die er dann als ein reiner Held in den Kampf zieht. Diese naive Sicht gibt Siegfried hier zum Besten und beweist damit einmal mehr, wie sehr er ein tumber Tor ist. Die Nixen diagnostizieren völlig richtig: »So weise und stark verwähnt sich der Held, als gebunden und blind er doch ist.« Es wird deutlich, dass Wagners Unbewusstes das alles ganz genau weiß, sein Bewusstsein sich aber oftmals gegen dieses Wissen sträubt und an dem Bild vom Helden Siegfried als einem, der voller Liebe ist, festhält. Leider hat sich Siegfried gegen seine wahren Gefühle zu stark abgeschottet, sodass ihm das Gespür für den Umschlagspunkt von Spiel zu Ernst in den Worten der Nixen nicht zur Verfügung steht. Deshalb begreift der kindlich naive Held wieder einmal nichts. Er lächelt zu allem, was die Wassernixen ihm vortragen und meint, eine Lektion über »Weiberart« erfolgreich absolviert zu haben. Er will sich mit dem Ring, sprich mit den archaischen Affekten von Elimination und Retention, von Vernichtung und Beherrschung, von Separation und Autonomie nicht auseinandersetzen. Doch das hat Folgen: Wer nicht hören will muss fühlen. So werden nach dem Gesetz der Wiederkehr des Verdrängten, diese vernichtenden Kräfte von außen auf ihn zurückschlagen.

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Jagdhörner reißen Siegfried aus seiner Träumerei. Hagen und Gunther steigen zusammen mit den übrigen Jägern vom Felsen herab. Siegfried berichtet von der Begegnung mit den drei Wasserfrauen, die ihm prophezeit hätten, dass er noch heute erschlagen würde. Gunther zuckt bei diesen Worten zusammen, während Hagen süffisant entgegnet: »Das wäre üble Jagd, wenn den Beutelosen selbst ein lauernd Wild erlegte!« Es kündigt sich Siegfrieds Leidenszeit und Tod an, indem Wagner ihn die emphatischen Worte sprechen lässt: »Mich dürstet!« Doch dieser vermeintliche Heilsbringer weigert sich weiterhin, Hagens Ironie verstehen zu wollen. Er lässt sich von diesem Judas sogar eine gefülltes Trinkhorn reichen und folgt naiv dessen Aufforderung, etwas über die Sangessprache der Vögel zu erzählen. Doch Siegfried muss gestehen: »Seit langem acht ich des Lallens nicht mehr.« Dabei ertönt im Orchester nicht nur das Waldvogel-Motiv, sondern auch die Musik der Rheintöchter, so als

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wollte Wagner ausdrücken: Auch auf deren weises »Lallen« hat er nicht acht gegeben. Siegfried wähnt sich klug und gibt zum Besten: »Seit Frauen ich singen hörte, vergaß ich der Vöglein ganz.« Der glücklose Jäger trinkt und reicht das Trinkhorn anschließend Gunther. Wie um die einst vollzogene Allianz mit dem väterlichen Freund noch einmal zu beschwören, fügt er hinzu: »Trink, Gunther, trink! Dein Bruder bringt es Dir!« Gleichzeitig gießt er aus Gunthers Horn in das Seinige, sodass dieses überläuft und etwas davon auf die Erde spritzt. Siegfried kommentiert: »Nun floß gemischt es über: der Mutter Erde laß das ein Labsal sein!« Die Allianz zum Vater ist das Wichtige, die Mutter Erde muss sich mit Verschüttetem begnügen. Die freundschaftliche, libidinös getönte Hinwendung zu Gunther setzt sich fort, indem er ihm anbietet, aus seinem Heldenleben zu erzählen: »Hei, Gunther, grämlicher Mann! Dankst du es mir, so sing ich dir Mären aus meinen jungen Tagen.« Siegfried beginnt, vom Ziehvater Mime zu berichten, der ein Schmied war, aber das zerschlagene Schwert Nothung nicht zu schmieden verstand, sodass er selbst sein Schwert neu erschuf. Er besiegte den Riesenwurm Fafner und erinnert sich an das Wunder, das sich ereignete, als er vom Blut Fafners trank: er konnte die Sprache der Vögel verstehen. Die rieten ihm, Ring und Tarnhelm

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aus der Höhle an sich zu nehmen und warnten ihn vor den mörderischen Plänen Mimes. Den Tod Mimes erwähnt er nur kurz und knapp: »Nothung streckte den Strolch!« Darauf Hagen ironisch: »Was nicht er geschmiedet, schmeckte doch Mime!« An dieser Stelle wird Siegfried ein weiterer Judas-Trank gereicht, in den Hagen zuvor heimlich den Saft eines Krautes hineingemischt hat, welcher das Erinnerungsvermögen zurückbringt. Nach einem Schluck aus dem Horn belebt sich in der Tat Siegfrieds Gedächtnis, und er berichtet ohne Scheu, wie er Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen für sich gewann und wie er sie brünstig umschlang und küsste. Das Orchester begleitet einfühlsam diesen Bericht über den ersten Kuss zwischen Brünnhilde und Siegfried. Wieder einmal fehlt Siegfried das Gespür für die Ungeheuerlichkeit dessen, was er da gerade erzählt. Gunther ist bei den letzten Worten empört aufgesprungen: »Was hör ich?« Laut flatternd fliegen zwei Raben auf. Hagen fragt höhnisch: »Errätst du auch dieser Raben Geraun?« Siegfried ist aufgesprungen und blickt, Hagen den Rücken zukehrend, den Raben nach. Statt seiner antwortet Hagen: »Rache rieten sie mir!« Er stößt seinen Speer in Siegfrieds Rücken. Siegfried hebt, tödlich verletzt, noch seinen Schild empor und will ihn auf Hagen werfen, doch die Kräfte verlassen ihn. Der Schild fällt ihm aus den Händen, er strauchelt und sinkt zu Boden.

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Die Umstehenden drängen voller Entsetzen auf Hagen: »Hagen, was tatest du?« worauf dieser zur Antwort gibt: »Meineid rächt’ ich!« Die Jäger blicken bestürzt auf den tödlich verletzten Siegfried, der noch einmal die Augen aufschlägt: Siegfried Brünnhilde, heilige Braut! Wach auf! Öffne dein Auge! Wer verschloß dich wieder in Schlaf? Wer band dich in Schlummer so bang? Der Wecker kam; er küßt dich wach, und aber der Braut bricht er die Bande: da lacht ihm Brünnhildes Lust! Ach, dieses Auge, ewig nun offen! Ach dieses Atems wonniges Wehen! Süßes Vergehen, seliges Grauen – Brünnhild’ bietet mir – Gruß! Er sinkt zurück und stirbt. Regungslose Betroffenheit der Umstehenden. Die Nacht ist hereingebrochen. Auf die stumme Geste Gunthers erheben die Mannen Siegfrieds Leiche und geleiten sie in feierlichem Zuge über die Felshöhe langsam der Königshalle zu.

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Was eigentlich schon beim Todesstoß Hagens hätte erklingen müssen, wird nun hier nachgeholt. Eingeleitet durch dumpfe bedrohliche Paukenschläge und sich anschließende heftig crescendierende Streicherläufe ertönt, mit einer in der Musikgeschichte noch nie dagewesenen, außerordentlichen Wucht und Lautstärke, der Trauermarsch mit dem Todes-Motiv voran.

Nr Todes-Motiv Nr. 46 Todes-Motiv

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Der »Trauermarsch Siegfrieds«, ein längeres zusammenhängendes Konzertstück, weist motivisch in die Vergangenheit zurück und zitiert Motive aus der Lebensgeschichte vieler Helden der RingTetralogie: Rheingold-, Wehwalt-, Sieglinde- und schließlich das Siegfried-Motiv. Mitten hinein erklingt immer wieder das erschütternde Todes-Motiv. In dieser Musik gehen narzisstische Heldengröße und anal-aggressive Gewalttätigkeit eine unerhörte, und bis dahin ungehörte Verbindung ein. Die Musik ist erschütternd großartig und zutiefst erschreckend. Wer sich dieser faszinierenden Gewalt einmal ohne Schonung aussetzen möchte, der höre die

FINALE

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Aufnahme mit den Berlinern Philharmonikern unter der Leitung von Lorin Maazel (Der Ring ohne Worte, TELARC 1988). Was wir erleben, ist der Vollzug jener Rache, die Siegfried unbewusst immer befürchtet hat. Die Geschehnisse vor der Neidhöhle haben ihn eingeholt. Seine kastrierenden Attacken gegen Fafner und Mime sind auf ihn zurückgeschlagen. Es hat ihm nichts genützt, den toten Mime in der Höhle fest zu verschließen. Bruder Alberich und dessen Sohn und Gehilfe Hagen haben an seiner statt die Rache organisiert. Äußerst konkretistisch erfüllt sich jene frühkindliche Angst des auf das Anale fixierten Kindes, vom rächenden Vatergenitale anal penetriert zu werden. Genau dies hat sich ereignet. Von der Verschiebung dieser Penetration, um einige Zentimeter nach oben, sollten wir uns nicht irritieren lassen. Hagen verkörpert in typischer Weise den analen Charakter. Er hat das Retentive bis zur Perfektion kultiviert: Er hält sein Wissen, seine Absichten und seine Gefühle zurück und findet äußersten Gefallen an Heimlichkeiten, Hinterlist, Täuschung und Verrat. Wie sagte doch Ernest Jones so treffend über den Analcharakter: »Am auffallendsten ist die Neigung, sich mit der Rückseite der Dinge zu beschäftigen« (zit. nach Abraham 1924, S. 122). Diese Kompetenz für das Rückseitige lässt Hagen die verwundbare Stelle bei Siegfried zielsicher treffen. Für einen kurzen Moment gibt dieser Sohn der Hölle seine Retentivität auf und überlässt mit seinem Todesstoß

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der anderen Komponente des Analen, dem Anal-Sadistischen, die Zügel. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen, mit Siegfrieds Aufbruch und Suche nach einem idealisierbaren Vater. Gunther war freundlich und bot sich zur Verbrüderung an. Zweimal hat Siegfried das Blut des Vaters introjiziert. Doch letzten Endes war auch dieser Vater enttäuschend, er hat keinen Schutz geboten. Gunther war zu schwach und ist von einem Blutsbruder zu einem Verfolger übergewechselt. Diese Entwicklung ist nicht Gunther anzulasten. Es liegt letztlich an Siegfried, dass er enttäuschende Väter aufsucht, weil er die anal-sadistischen Impulse in sich selbst nicht bewältigt und integriert hat, sodass Väter keine andere Chance haben, als früher oder später entwertet zu werden. Die äußeren Väter werden Siegfrieds inneren Väterobjekten angeglichen, die allesamt angegriffen und beschädigt sind und ihn folglich als böse Verfolger bedrohen. Siegfrieds Blindheit gegenüber der eigenen psychischen Realität ist letztlich die Ursache dafür, dass es Hagen gelungen ist, zu einem zentralen Protagonisten zu avancieren und sich dreist und ungeniert als »wilder Eber« ins Rampenlicht zu drängen.

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12. Hagen, der wilde Eber

Es ist Nacht geworden. Aus dem Nebel wird allmählich die Verwandlung der Szene erkennbar. Das Geschehen ist zurück in der Halle der Gibichungen, in die der Zuschauer Gutrune eintreten sieht. Sie lauscht auf Geräusche, die die Rückkehr Siegfrieds ankündigen könnten. Doch statt seiner dröhnt die Stimme Hagens an ihr Ohr. Ist es seine ungeheure Gefühlskälte oder ist es bereits Wahnsinn, der aus Hagen spricht? Hagen Wacht auf! Wacht auf! Lichte! Lichte! Helle Brände! Jagdbeute bringen wir heim. Hoiho! Hoiho! Gutrune (in großer Angst) Was geschah, Hagen? Nicht hört’ ich sein Horn! (Männer und Frauen, mit Lichtern und Feuerbränden,

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geleiten in großer Verwirrung den Zug, der mit Siegfrieds Leiche Heimkehrenden.) Hagen Der bleiche Held, nicht bläst er es mehr; nicht stürmt er zur Jagd, zum Streite nicht mehr, noch wirbt er um wonnige Frauen. Gutrune (mit wachsendem Entsetzen) Was bringen die? (Der Zug gelangt in die Mitte der Halle, und die Mannen setzen dort die Leiche auf einer schnell errichteten Erhöhung nieder.) Hagen Eines wilden Ebers Beute: Siegfried, deinen toten Mann. (Gutrune schreit auf und stürzt über die Leiche. Allgemeine Erschütterung und Trauer.) Gunther klärt seine Schwester darüber auf, dass Hagen dieser »verfluchte Eber« ist, der Siegfried getötet hat. Beim Nennen seines Namens richtet sich Hagen zu voller Größe auf.

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Hagen (mit furchtbarem Trotze herantretend) Ja denn! Ich hab’ ihn erschlagen. Ich, Hagen, schlug ihn zu Tod. Meinem Speer war er gespart, bei dem er Meineid sprach. Heiliges Beuterecht hab’ ich mir nun errungen: drum fordr’ ich hier diesen Ring. Als Gunther ihm entrüstet entgegentritt und den »wilden Eber« am Raub des Ringes hindern will, wird er von Hagen mit dem Speer getötet. Mit den Worten »Her den Ring!« will der Mörder nach Siegfrieds Hand greifen, doch diese hebt sich plötzlich drohend in die Höhe, sodass Hagen erschrocken zurückweicht. In diesem Moment sieht man Brünnhilde aus dem Hintergrund »fest und feierlich« nach vorne schreiten. Bemerkenswert an dieser Szene ist, dass der Tod König Gunthers nahezu keine Reaktionen hervorruft. Weder das umstehende Volk noch die handelnden Protagonisten gehen mit einer einzigen Silbe auf den Tod ihres Königs ein. Erst mit einer beträchtlichen Verzögerung beugt sich Gutrune über den Leichnam ihres Bruders. In diesem Nichtreagieren mag sich noch einmal ausdrücken: Gunther war ein schwacher, ein enttäuschender (Landes-)Vater.

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Alle Aufmerksamkeit ist stattdessen auf Brünnhilde gerichtet, die ankündigt, eine Ehrung für den »höchsten Helden« vornehmen zu wollen: Brünnhilde Schweigt eures Jammers jauchzenden Schwall. Das ihr alle verrietet, zur Rache schreitet sein Weib. Kinder hört’ ich greinen nach der Mutter, da süße Milch sie verschüttet: doch nicht erklang mir würdige Klage, des höchsten Helden wert. Als Gutrune dazwischenfährt und Brünnhilde als Unglücksbringerin für den Königshof anklagt, reagiert diese heftig und herrisch: Brünnhilde Armsel’ge schweig! Sein Eheweib warst du nie, als Buhlerin bandest du ihn. Sein Mannesgemahl bin ich, der ewige Eide er schwur, eh Siegfried je dich ersah.

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So spricht eine dominante Mutter, die ihr ursprüngliches und ewiges Recht an ihrem Sohn reklamiert und für die jede spätere Geliebte nichts weiter als eine Buhlerin ist. Wagner hat bei den Proben zur Uraufführung über Gutrune verlauten lassen: »hier stirbt Gutrune eines seelischen Todes« (zit. nach Pahlen 1983, S. 194). Gutrune (in jähe Verzweiflung ausbrechend) Verfluchter Hagen, daß du das Gift mir rietest, daß ihr den Gatten entrückt! Ach, Jammer! Wie jäh nun weiß ich’s, Brünnhild’ war die Traute, die durch den Trank er vergaß! Gutrune eröffnet damit den Reigen, die Schuld jeweils bei anderen zu suchen. Sie hat Recht, dass es Hagens hasserfüllter Plan war, Siegfried auf heimtückische Art und Weise Gutrune zuzuspielen. Doch auch sie hat an der Umsetzung dieses Plans mitgewirkt. Der Versuch Siegfrieds und Gutrunes, eine tragfähige Liebesbeziehung aufzubauen, ist gescheitert. Gutrune hat mit falschen Karten gespielt und Siegfried war noch nicht frei für eine Beziehung. Unbewusst war er mit festen Stricken an eine andere Frau gebunden, die im Folgenden ihre alten, ewigen Anrechte in überwältigenden Bildern einfordert.

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13. Brünnhildes apokalyptisches Erlösungsritual

Brünnhilde ist in die Mitte getreten. In feierlicher Erhabenheit erteilt sie ihre Anweisungen an die versammelten Männer und Frauen: Brünnhilde Starke Scheite schichtet mir dort am Rande des Rheins zuhauf! Hoch und hell lodre die Glut, die den edlen Leib des hehrsten Helden verzehrt. Sein Roß führet daher, daß mit mir dem Recken es folge; denn des Helden heiligste Ehre zu teilen, verlangt mein eigener Leib. Vollbringt Brünnhildes Wort! (Die jungen Männer errichten während des Folgenden vor der Halle nahe am Rheinufer einen mächtigen

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Scheithaufen, Frauen schmücken diesen dann mit Decken, auf welche sie Kräuter und Blumen streuen.) Brünnhilde versenkt sich eine Weile in die Betrachtung des Antlitzes der Leiche Siegfrieds. Ihre Miene nimmt dabei eine immer sanftere Verklärung an. Brünnhilde Wie Sonne lauter strahlt mir sein Licht: der Reinste war er, der mich verriet! Die Gattin trügend, treu dem Freunde, von der eigenen Trauten, einzig ihm teuer, schied er sich durch sein Schwert. Echter als er schwur keiner Eide; treuer als er hielt keiner Verträge; lautrer als er liebte kein andrer. Und doch, alle Eide, alle Verträge, die treueste Liebe trog keiner wie er! Wisst ihr wie das ward? (Nach oben blickend.) Brünnhilde spricht von Siegfried wie von einer Lichtgestalt. Er war der Reinste: Echter als er schwur keiner Eide; treuer als er hielt

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keiner Verträge; lauterer als er liebte kein anderer. Und doch hat er an seiner Geliebten Verrat geübt. Wie konnte das geschehen? Brünnhilde gibt selbst die Antwort: Brünnhilde O ihr, der Eide ewige Hüter! Lenkt euren Blick auf mein blühendes Leid, erschaut eure ewige Schuld! Meine Klage hör’, du hehrster Gott! Durch seine tapferste Tat, dir so tauglich erwünscht, weihtest du den, der sie gewirkt, dem Fluche, dem du verfielest. Mich mußte der Reinste verraten, daß wissend würde ein Weib! Weiß ich nun, was dir frommt? Alles, alles, alles weiß ich, alles ward mir nun frei! Auch deine Raben hör’ ich rauschen; mit bang ersehnter Botschaft send’ ich die beiden nun heim. Ruhe, ruhe, du Gott!

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Dass alles so gekommen ist, dafür trägt allein Wotan die Verantwortung. Er hat es so gewollt. Er hat Siegfried dem Fluch des Ringes ausgesetzt und nach Wotans Willen musste Siegfried Brünnhilde verraten, damit diese zu einem wissenden Weib würde. Brünnhilde weiß nun alles, was Wotans Willen frommt. Brünnhilde gebietet den Männern, Siegfrieds Leiche auf den Scheiterhaufen zu tragen. Zugleich zieht sie von Siegfrieds Finger den Ring ab und betrachtet ihn sinnend. Brünnhilde Mein Erbe nun nehm’ ich zu eigen. Furchtbarer Ring! Dein Gold fass’ ich und geb’ es nun fort. Der Wassertiefe weise Schwestern, des Rheines schwimmende Töchter, euch dank ich redlichen Rat. Was ihr begehrt, ich geb’ es euch: aus meiner Asche nehmt es zu eigen! Das Feuer, das mich verbrennt, rein’ge vom Fluche den Ring! Ihr in der Flut löset ihn auf, und lauter bewahrt das lichte Gold, das euch zum Unheil geraubt.

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Nun ist auch für Brünnhilde der Ring an Siegfrieds Hand kein Liebesring mehr, sondern ein verfluchter, furchtbarer Ring. Als mit magischen Kräften ausgestattete Hohepriesterin gebietet sie, dass das Feuer den Ring vom Fluch reinigen und anschließend das Wasser des Rheins die Ringform wieder auflösen und das Gold in seinen ursprünglichen Zustand, also in unschuldiges leuchtendes Gold, zurückverwandeln soll. Sie übergibt »ihr Erbe« also nicht sofort den Rheintöchtern, sondern steckt sich den Ring zunächst selbst an den Finger. Dann wendet sie sich dem Scheitergerüst zu, auf welchem Siegfrieds Leiche aufgebahrt liegt. Sie entreißt einem Mann dessen Brandfackel. Das Feuer schwingend und nach dem Hintergrunde deutend, spricht sie die Worte: Brünnhilde Fliegt heim ihr Raben! Raunt es eurem Herren, was hier am Rhein ihr gehört! An Brünnhildes Felsen fahrt vorbei. Der dort noch lodert, weiset Loge nach Walhall! Denn der Götter Ende dämmert nun auf. So – werf’ ich den Brand in Walhalls prangende Burg. (Sie schleudert den Brand in den Holzstoß, welcher sich schnell hell entzündet. Zwei Raben sind vom Felsen

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am Ufer aufgeflogen und verschwinden nach dem Hintergrunde.) Es entzündet sich der Holzstoß, auf dem Siegfried aufgebahrt liegt. Doch zugleich schleudert sie die Brandfackel hinauf zu Walhalls prangender Burg, indem sie Feuergott Loge gebietet, Walhall zu entzünden. Auch mit dieser Anordnung folgt sie dem Willen des Göttervaters. Zu den Worten »Fliegt heim ihr Raben! Raunt es eurem Herren!« schmettern die Blechbläser das Speer-/Vertrags-/Introjekt-Motiv (Nr. 9). Kurt Pahlen weiß in diesem Kontext nichts mit dem Motiv anzufangen (»über dessen Verwendung an dieser Stelle müsste man rätseln«). Ich denke, wir müssen nicht rätseln, denn einmal mehr erweist sich, dass wir es mit einem Motiv eines malignen MutterIntrojekts zu tun haben. So wie Fricka als destruktives Introjekt Siegmund den Tod gebracht hat, so ist es nun an Brünnhilde, Wotan den Lebensfaden abzuschneiden. Sie tut dies ruhig und in gewissem Sinne auf mütterliche Weise. Begleitet wird ihre Todesankündigung von den sanften Worten: »Ruhe, Ruhe du Gott«. Brünnhildes Blick fällt auf ihr Ross Grane, welches soeben von zwei Männern hereingeführt wird. Sie fasst es, zäumt es ab und neigt sich vertraulich zu ihm:

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Brünnhilde Grane, mein Roß, sei mir gegrüßt! Weißt du, mein Freund, wohin ich dich führe? Im Feuer leuchtend, liegt dort dein Herr, Siegfried, mein seliger Held. Dem Freunde zu folgen, wieherst du freudig? Lockt dich zu ihm die lachende Lohe? Fühl’ meine Brust auch, wie sie entbrennt; helles Feuer das Herz mir erfaßt, ihn zu umschlingen, umschlossen von ihm, in mächtigster Minne vermählt ihm zu sein! Heiajaho! Grane! Grüß deinen Herren! Brünnhilde hat sich auf ihr geflügeltes Walkürenross geschwungen und bevor sie zum finalen Sprung in die Flammen ansetzt, ruft sie in wahnhaftem Außersichsein: Brünnhilde Siegfried! Siegfried! Sieh, selig grüßt dich dein Weib! Die Männer und Frauen stehen wie erstarrt. Die Bühnenanweisung dirigiert von hier an das abschließende, sprachlose Geschehen:

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Sie [Brünnhilde] sprengt das Roß mit einem Satze in den brennenden Scheithaufen. Sogleich prasselt der Brand hoch auf, so daß das Feuer den ganzen Raum vor der Halle erfüllt und diese selbst schon zu ergreifen scheint. Entsetzt drängen sich die Männer und Frauen nach dem äußersten Vordergrunde. Als der ganze Bühnenraum nur noch von Feuer erfüllt erscheint, verlischt plötzlich der Glutschein, so daß bald bloß ein Dampfgewölke zurückbleibt, welches sich dem Hintergrund zu verzieht und dort am Horizont sich als finstere Wolkenschicht lagert. Zugleich ist vom Ufer her der Rhein mächtig angeschwollen und hat seine Flut über die Brandstätte gewälzt. Auf den Wogen sind die drei Rheintöchter herbeigeschwommen und erscheinen jetzt über der Brandstätte. Hagen, der seit dem Vorgange mit dem Ringe Brünnhildes Benehmen mit wachsender Angst beobachtet hat, gerät bei dem Anblick der Rheintöchter in höchsten Schreck. Er wirft hastig Speer, Schild und Helm von sich und stürzt wie wahnsinnig sich in die Flut, mit dem Ausruf: »Zurück vom Ring!« Woglinde und Wellgunde umschlingen mit ihren Armen seinen Nacken und ziehen ihn so, zurückschwimmend, mit sich in die Tiefe.

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Floßhilde hält jubelnd den gewonnenen Ring in die Höhe. Durch die Wolkenschicht, welche sich am Horizonte gelagert, bricht ein rötlicher Glutschein mit wachsender Helligkeit aus. Von dieser Helligkeit beleuchtet, sieht man die drei Rheintöchter auf den ruhigeren Wellen des allmählich wieder in sein Bett zurückgetretenen Rheines, lustig mit dem Ringe spielend, im Reigen schwimmen. Aus den Trümmern der zusammengestürzten Halle sehen die Männer und Frauen in höchster Ergriffenheit dem wachsenden Feuerschein am Himmel zu. Als dieser endlich in lichtester Helligkeit leuchtet, erblickt man darin den Saal Walhalls, in welchem die Götter und Helden, ganz nach der Schilderung Waltrautes im ersten Aufzuge, versammelt sitzen. Helle Flammen scheinen in dem Saale der Götter aufzuschlagen. Als die Götter von den Flammen gänzlich verhüllt sind, fällt der Vorhang. Nun erst füllt sich unser Verständnis für jene im Schlussduett der Walküre äußerst befremdlich klingenden Worte »Leuchtende Liebe, lachender Tod«, die Brünnhilde dem reinsten Helden damals zurief. Diese dort beschworene Todeseuphorie wird in dieser Schlussapotheose nun wahrhaft vollzogen. Denn für die göttliche Brünnhilde

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vermag offenbar nur der Tod in jenes Reich zu führen, in dem die wahre Hochzeit gefeiert werden kann. Dieser Ritt himmelwärts ist Hagen nicht vergönnt. Er hat zwar das allerletzte Wort (»Zurück vom Ring!«), doch sein Gieren nach dem Ring bringt ihn um. Er versinkt zusammen mit seinem physischen Leib in den Tiefen des Rheins. Der tellurische, stoffliche Untergrund schluckt ihn wieder zurück, während Siegfried und Brünnhilde, befreit von allen irdischen Unreinheiten, die Reise ins himmlische Paradies antreten.

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14. Der Abschied aus der Realität oder das bedrückende Scheitern

Spätestens, wenn wir das Opernhaus verlassen haben und der Rauschzustand von uns gewichen ist, wird uns zu Bewusstsein kommen, wie sehr wir dem magischen Bann eines Bilder- und Klangzaubers erlegen sind. Denn diese Schlussapotheose ist genauso grandios wie gruselig, voller Wahrheit wie voller Lüge, erhaben wie zutiefst bedrückend. Bei nüchterner Betrachtung kommen wir nicht umhin, festzustellen, dass diese halluzinatorische Himmelfahrt im Grunde eine heillose Flucht darstellt, eine Flucht vor dem Bewusstwerden eines bedrückenden Scheiterns. Brünnhilde, die göttliche Frau, und Siegfried, der unbesiegbare Held, haben sich der Welt stets als rein und lauter präsentiert. In Wahrheit hat es eines ständigen Kampfes bedurft, die bösen Regungen, die es auch in ihnen gab, vom Bewusstsein fern zu halten. Bei Siegfried drohte dieser Kampf am Schluss verloren zu gehen. Zu offensichtlich waren seine aggressiven Regungen gegen Brünnhilde

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W Götterdämmerung X

und seine Lügen, in die er sich verstrickt hatte. Als die Scham- und Schuldgefühle übermächtig wurden, erlöste ihn der Tod aus dieser ausweglosen Situation. Und auch bei Brünnhilde drohten die archaischen Affekte und ihre Schuld am Tod des Geliebten ihr Ich zu überfordern und außer Kontrolle geraten zu lassen, sodass die weitest mögliche Entfernung von der Wahrheit ihrer innerpsychischen Realität die einzige Rettung versprach. Von wieviel Reue und Verzweiflung muss Brünnhilde im Anblick des getöteten Geliebten überschwemmt worden sein? Wie sehr wird sie es insgeheim verflucht haben, am Mordkomplott gegen Siegfried mitgewirkt zu haben? Wieviel Trauer muss in ihr gewesen sein, so bald nach den glücklichen Stunden auf dem Walkürenfelsen den Liebsten wieder zu verlieren und allein dazustehen? Alles das hat sie bewegt, doch sie hat es nicht zu fühlen gewagt und konnte es auch nicht fühlen, weil sie aufgrund der fehlenden Grenze zum Vater kein starkes Ich, kein stabiles inneres Gefäß zur Aufbewahrung ihrer eigenen Gefühle hat aufbauen können. Also musste sie verleugnen, dass sie schuldig, verleugnen, dass sie ängstlich und verleugnen, dass sie traurig war. Brünnhilde war aufgebrochen, um sich aus der symbiotischen Verschmolzenheit mit dem Vater zu lösen und erste Schritte in die Autonomie zu wagen. Sie hat ihr Herz für den Helden Siegmund sprechen lassen und sich gegen den väterlichen Auftrag gestellt.

W 14. Der Abschied aus der Realität oder das bedrückende Scheitern X 107

Doch die Reaktion vonseiten Wotans war massiv bestrafend, sodass die Walküre in die Rolle einer braven kleinen Tochter zurückschlüpfte. Das war innig und berührend, aber für Brünnhildes Autonomieentwicklung und Individuation fatal. Brünnhilde war ein mutiges Kind und hat auch später Anläufe unternommen, zu eigenständigen Entscheidungen zu finden. Sie hat in der Szene mit Waltraute Wotans Ansinnen getrotzt, sie noch als Verstoßene weiterhin für seine Anliegen zu vereinnahmen. Doch all diese Auflehnungsversuche haben es letztendlich nicht vermocht, die Grundstörung zu beseitigen: Die eingerissene Grenze zwischen der Psyche des Vaters und ihrer eigenen. Ur-Walas Tochter musste zum Schluss erkennen, dass die vermeintlich ihrem eigenen Willen entsprungene persönliche Rache an Siegfried, nichts anderes war, als die Ausführung des Willens des Vaters. Wie heftig hatte sie sich im Dialog mit Waltraute noch dagegen zur Wehr gesetzt, Wotan gefällig zu sein und den Ring an die Rheintöchter zu geben. Doch hier, am Ende der Götterdämmerung, stellt sie sich widerstandslos in den Dienst all dessen, was dem väterlichen Willen frommt. Musikalisch schwebt in der Schlussapotheose über allem das Erlösungs-Motiv. Dieses besteht aus zwei Teilen: Einerseits einem weich oszillierenden Anfangsteil, bei dem sich ein Gefühl des Schwebens, des Gewiegtwerdens wie auch des Verschmelzens einstellt, augen-

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W Götterdämmerung X

scheinlich eine urnarzisstische Bewegungserfahrung. Andererseits aus jener abfallenden Septime, wie sie zuerst bei Alberichs Fluch auf die Liebe in Erscheinung getreten ist und später in Situationen von Aggression, Tod und Vernichtung auftauchte. Deshalb haben wir sie Vernichtungsseptime genannt.

Nr. 33 33 Erlösungs-Motiv Erlösungs-Motiv Nr.

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Indem diese beiden Motivteile zu einem Erlösungs-Motiv miteinander verbunden werden, vermittelt sich der Eindruck, dass eine harmonische Synthese aus Narzissmus und Trieb erreicht worden sei. Doch die süßliche Qualität dieses Motivs verrät sogleich, dass etwas Falsches mitschwingt. Es ist mitnichten eine friedliche Koexistenz von Narzissmus und Trieb erreicht worden, sondern die Helden sind der Meisterung der Welt der Triebe ausgewichen und gleichsam auf dem kürzesten Weg zum Verschmelzungspol zurückgekehrt. So wie die Vernichtungsseptime im ErlösungsMotiv alles Aggressive von sich abgestreift hat und stattdessen in einem weichen, harmonischen Gewand erscheint, so hat sich auch sonst alles Böse auf wundersame Weise in Harmonie verkehrt.

FINALE

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W 14. Der Abschied aus der Realität oder das bedrückende Scheitern X 109

Einer latenten Sehnsucht im Menschen entsprechen diese Bilder auf jeden Fall. Doch diese Harmonisierung des Triebhaften steht im Dienst der Tarnung und Verleugnung der Realität, dass nämlich ein starkes und abgegrenztes Ich nicht aufgebaut werden konnte, sondern am Ende eine unheldenhafte Regression »Zurück in den Mutterschoß« steht. Und doch stellt sich das Ende von Wagners Heldendrama überraschenderweise nicht in der Düsternis eines Scheiterns dar, sondern wird von seinem Schöpfer als ein grandioses, farbenfrohes Finale inszeniert.

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15. Das Doppelantlitz der grandiosen Schlussbilder

Die latente, tief im Menschen verankerte Sehnsucht, am Ende des mühseligen irdischen Lebens in ein paradiesisches Dasein im Reiche Gottes überwechseln zu dürfen, hat durch diese fulminante musikalische, bildliche und textliche Schlussszene eine beglückende Erfüllung erfahren. Es sind im Grunde biblische Vorstellungen von Erlösung, die Wagner hier ins Bild setzt. Es ist die Umsetzung der Vision des Johannes von einem neuen Himmel und einer neuen Erde (Offenbarung, Vers 21ff.). Siegfried und Brünnhilde erheben sich auf dem geflügelten Geistross Grane hinauf zur heiligen Stadt, zum neuen Jerusalem. Dort werden beide in ewiger Harmonie und göttlicher Herrlichkeit Wohnung beziehen und »der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen«. Diese heilige Wohnstätte wird erfüllt sein von aller Herrlichkeit und Pracht und glänzen »wie ein kostbarer Edelstein«. Es werden weder Sonne noch Mond leuchten, sondern allein die Pracht und die Kostbarkeiten, die »die Könige der Erde

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W Götterdämmerung X

in die Stadt bringen«. Weiter heißt es: »Aber nichts Unreines wird hineinkommen.« Übersetzen wir die biblischen Bilder ins Psychologische, so erleben wir am Ende der Ringtetralogie eine Rückkehr in jenen erhebend erhabenen Urzustand, den Grunberger als »reinen Narzissmus« bezeichnet hat. Das größte Hindernis, um dorthin zu gelangen, ist ganz offensichtlich der sündhafte Körper, der so verabscheuungswürdig ist, dass nur dessen vollständige Vernichtung die wahre Befreiung bringt. Die Pilger des Mittelalters haben es vorgemacht, wie man mit Peitschen seinen Köper schindet, um den Anforderungen eines narzisstischen Ideals nach absoluter Reinheit zu genügen. Um in das Reich der reinen Seelen Einlass zu finden, reicht es offenbar nicht aus, die Aggressionen im Verdrängt-Unbewussten verschwinden zu lassen. Das gesamte Körpergefäß muss ohne alle Rückstände restlos beseitigt werden. Diese Aufgabe übernimmt in Brünnhildes Zeremonie das Feuer, das zunächst Siegfrieds Leib und dann den ihrigen vernichtet und damit reinigt und verwandelt. Die Hochzeit, die ihr in ihrer irdischen Existenz nicht vergönnt war, hofft die göttliche Brünnhilde durch den Sprung in die Flammen in der anderen Welt feiern zu können, einer Welt ewiger Ungeschiedenheit und Reinheit der Seelen. In der Chéreauschen Fassung der Götterdämmerung sehen wir am Schluss Brünnhilde im weißen Gewand vor den glutroten

W 15. Das Doppelantlitz der grandiosen Schlussbilder X

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Flammen ihre beschwörenden Formeln sprechen. Brünnhilde hat sich das Gewand der absoluten Reinheit übergestreift und springt dem lachenden Tod in die Arme. Sie schlüpft gleichsam in das Totenhemd wie eine Braut ins Hochzeitskleid. Die Befreiung von der körperlichen Hülle bringt die gehassten Grenzen zum Verschwinden, die die fleischliche Inkarnation der Seele verliehen hat. Durch das Feuer werden alle Schlacken der Sterblichkeit getilgt. Selbst an Hagen erfüllt sich die biblische Vision des Johannes, dass nämlich alle »Mörder, Götzendiener und Lügner im See von brennendem Schwefel« versinken werden. In der Schlussapotheose konvergieren biblisches Wort und die klinisch-psychologische Erfahrung, dass ein absolutes Streben nach Reinheit auf seiner Kehrseite stets ein ungeheures Maß an explosiver Destruktivität mit sich führt. Brünnhilde sucht scheinbar die Befreiung von allen irdischen Finsternissen, und doch wird ihr Aufschwung zum himmlischen Jerusalem implizit zu einer Entladung von mächtigster Zerstörungswut. Wie schon Béla Grunberger feststellte: »Das narzisstische Streben nach Reinheit braucht eine Apokalypse« (Grunberger et al. 2000, S. 373). Diese Apokalypse zelebriert Wagner in überwältigenden Bildern. Der Weltenbrand, den Brünnhilde entfacht, ist nicht nur ein Ritual der Reinigung, sondern stellt zugleich eine Befriedigung destruktiver Triebe größten Ausmaßes dar. Es ist zwar nur ein kurzer Moment, in welchem

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W Götterdämmerung X

die Zeremonienmeisterin diese erfüllte Zerstörungslust auskosten kann, aber bereits der selbstgewählte Tod liefert Brünnhilde jene höchste Befriedigung, die darin liegt, dass alles, selbst der eigene Tod, der eigenen Kontrolle untersteht. Wer sich selbst tötet, wird nicht das Opfer eines Anderen, der einen schmählich in Abfall verwandelt. So erleben wir in den Schlussbildern nicht nur eine grandiose narzisstische Himmelfahrt, sondern zugleich eine nicht minder gigantische Vernichtungsorgie, in der das Weltenrund und der Götterhimmel, gleichsam das gesamte Universum auf einen Schlag vernichtet werden. Es war zwar Wotans Wille, den Flammentod zu sterben, doch dieser selbstdestruktive Wille des Vaters erlaubt es auch Brünnhilde – am eigenen und am Bewusstsein aller Zuschauer vorbei – ihre Racheaffekte lodern zu lassen. Die Situation spielt ihr die Möglichkeit in die Hände, sich für die missbräuchliche Vereinnahmung durch den Vater zu rächen. Bei der zwischen Wotan und Brünnhilde bestehenden Willensidentität ist es ohnehin unmöglich zu entscheiden, wem welche Motive zuzuordnen sind, die sich in diesem gigantischen Vernichtungswerk entladen. Dass in diesem Weltuntergang aber nicht nur heilbringende, sondern auch Affekte von Wut und Rache eine Rolle spielen, darüber dürfte kein Zweifel bestehen. Der Kreis schließt sich. Das letzte Bild führt uns zurück zum

W 15. Das Doppelantlitz der grandiosen Schlussbilder X

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grundlegenden Konflikt zwischen reinem Narzissmus und Analität, der den gesamten Ring vom Rheingold bis zur Götterdämmerung durchpulst. Es wird einmal mehr bewiesen, dass alle Versuche, ganz auf Reinheit zu setzen und sich in größtmögliche Distanz zu den analen Triebregungen zu begeben, diese dunklen Kräfte nur umso sicherer aus den Abgründen des Verdrängt-Unbewussten hervorlocken.

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16. Schluss

Die Vielzahl der Ring-Exegeten scheint sich darüber einig zu sein, dass es in diesem Musikdrama um den Antagonismus von Liebe und Macht geht. Nach unserem analysierenden Gang durch den Opernzyklus erweist sich diese Polarität als eine zu ungenaue Charakterisierung des Handlungsgeschehens. Diese Begriffe sind der Erwachsenenwelt entnommen, doch wir müssen zurück auf jene frühkindliche Stufe unseres individuellen Lebens, auf der Wagners Musikdrama angesiedelt ist. In jener Welt »vor aller Erfahrung« besitzen Liebe und Macht nämlich einen anderen Namen. Liebe heißt dort symbiotische Verschmolzenheit mit der Mutter und Macht besitzt dort die Doppelbedeutung von destruktiver Aggression einerseits, und Abgrenzung und Separation andererseits. Wir haben es, genau genommen, mit dem Antagonismus von Symbiose versus Individuation zu tun. Die Auflösung dieses Gegeneinanders wird in Wagners Drama nicht progressiv in Richtung der Entwicklung eines individuellen Selbst gesucht, sondern die Helden ziehen es

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W Götterdämmerung X

letztendlich vor, mit wehenden Fahnen in die Welt der urnarzisstischen Einheit zurückzukehren. Einmal mehr bewahrheitet sich: Wer sich ausschließlich dem reinen Narzissmus verpflichtet fühlt, wer die Mühen der Zähmung der Triebe nicht auf sich nehmen, sondern sie für immer und ewig aus seiner Person entfernt wissen will, dem bleibt in letzter Konsequenz nur der Sprung in die Arme des Todes. Die Erlösung fällt in diesem Fall mit der Vernichtung des eigenen Körpers und aller erreichten Individualität in eins. Man mag sich fragen, worin das ungebrochene Vergnügen der Opernbesucher besteht, sich ein Musikdrama anzuschauen, das eine Heldenreise zeigt, die mit einem Scheitern endet. Noch dazu mit einem Scheitern, das als eine triumphale Auferstehung dargestellt wird. Die Antwort mag lauten: Weil wir alle die frühkindlichen Entwicklungsaufgaben nicht unbeschadet überstanden und nicht alle perfekt gemeistert haben und aufgrund dessen zu Formen der Kompensation und der psychischen Abwehren Zuflucht genommen haben, die denjenigen der Protagonisten des Rings nicht unähnlich sind. Was uns dann beim Anschauen des Rings so angenehm beruhigt, ist die Tatsache, dass unsere Not und unser Scheitern in der Regel nicht ganz so dramatisch ausgefallen sind, wie jenes der Wagnerschen Helden.

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Literatur

Abraham, Karl (1924): Die manisch-depressiven Zustände und die prägenitalen Organisationsstufen der Libido. GS Bd. 2, S. 32–123. Frankfurt/M. (S. Fischer), 1982. Chasseguet-Smirgel, Janine (1988): Zwei Bäume im Garten. Zur psychischen Bedeutung der Vater- und Mutterbilder. Psychoanalytische Studien. München-Wien (Verlag Internationale Psychoanalyse). Die Bibel: Altes und neues Testament. Einheitsübersetzung. Freiburg (Herder), 1980. Freud, Sigmund (1938): Der Mann Moses und die monotheistische Religion. GW Bd XVI. Frankfurt (S. Fischer), 1999. Grunberger, Béla (1976): Vom Narzissmus zum Objekt. Gießen (PsychosozialVerlag), 2001. Grunberger, Béla; Dessuant, Pierre (2000): Narzissmus, Christentum, Antisemitismus. Eine psychoanalytische Untersuchung. Stuttgart (Klett-Cotta). Oberhoff, Bernd (2011): Richard Wagner. Rheingold. Ein psychoanalytischer Opernführer. Gießen (Psychosozial-Verlag). Oberhoff, Bernd (2012): Richard Wagner. Siegfried. Ein psychoanalytischer Opernführer. Gießen (Psychosozial-Verlag). Oberhoff, Bernd (2012a): Richard Wagner. Der Ring des Nibelungen. Eine musikpsychoanalytische Studie. Gießen (Psychosozial-Verlag). Pahlen, Kurt (1983): Richard Wagner. Götterdämmerung. Kompletter Text und Erläuterung zum vollen Verständnis des Werkes. München (GoldmannTaschenbuch).

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Kurzzusammenfassung der psychologischen Sinnebene der Götterdämmerung

Das Scheitern der Individuation Siegfried, der bislang gegen alles Väterliche vernichtend zu Felde gezogen ist, unternimmt gegen alle Erwartungen in der Götterdämmerung doch noch einen Versuch, sich mit einer Vatergestalt auf positive Weise zu verbinden. Er reist zu König Gunther an den Gibichungenhof. Ein Vergessenstrank setzt seine unbewussten Separationswünsche ins Werk: Siegfried »vergisst« seine Muttergeliebte und richtet seine Liebesgefühle auf Gunthers Schwester Gutrune. In des »Vaters« Gestalt gelingt es ihm sogar – wenn auch in recht gewalttätiger Weise – sich gegen die Muttergeliebte zur Wehr zu setzen und Macht über sie zu gewinnen. Doch dieser Ablösungsversuch kann letztendlich nicht von Erfolg gekrönt sein. Er scheitert aus zwei Gründen: Zum einen, weil das Schwert Nothung (das Siegfried abgrenzend zwischen sich und die »Mutter« gelegt hat) kein authentischer, sondern ein »falscher Phallus« ist

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W Götterdämmerung X

und zum anderen, weil diese »Mutter« nicht bereit ist, den »Sohn« einen eigenständigen Weg gehen zu lassen. Da Brünnhilde Siegfrieds Trennungsaggression als unverzeihliche Kränkung erlebt, sinnt sie auf Rache und stiftet Hagen dazu an, Siegfried zu töten. So erfüllt sich auf diesem Wege Wotans unbewusster Wunsch, dass Siegfried stellvertretend für ihn die Separationsimpulse ausleben, und dafür die gefürchtete Rache der Mutter erleiden möge. Auch wenn es anders scheint: Es steigt am Ende kein stolzes Heldenpaar zum Himmel auf, sondern eine Mutter, die ihren Sohn, dem die Ablösung von ihr nicht gelungen ist, zu sich zurücknimmt. Wie bei Siegfried, so erleben wir auch bei Brünnhilde, der anderen zentralen Ich-Heldin dieses psychologischen Entwicklungsdramas, Ansätze von Autonomiebestrebungen. Sie verhält sich trotzig gegenüber den Wünschen Wotans und ringt darum, die Willensidentität mit dem Vater zu beenden. Doch zur Ablösung vom Vater ist es nicht hinreichend, sich aggressiv gegen ihn zu gebärden, sondern es muss zugleich ein starkes Selbst aufgebaut werden, das in gutem Kontakt zu den wahren inneren Gefühlen steht. Letzteres ist Brünnhilde nicht gelungen. Ihre Trauer über den Verlust ihres Geliebten, ihre Reue über die Mitwirkung am Mordkomplott und ihre Schuldgefühle, aufgrund ihrer Mitverantwortung an Siegfrieds Tod, alle diese Gefühle hat sie nicht zu fühlen gewagt. Ihr Ich war nicht stark genug, um sich mit diesen Affekten

W Kurzzusammenfassung X

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auseinanderzusetzen. Folglich vermochte sie ihren Status nicht zu transformieren und ist bis zum Ende, sogar über das Ende hinaus, das ausführende Organ von Wotans Willen geblieben. Aufgrund von traumatisierenden Erfahrungen und geheimen psychischen Transmissionen ist es weder Brünnhilde noch Siegfried gelungen, in der irdischen Realität eine tragfähige Liebesbeziehung aufzubauen. Beide Protagonisten sind an dieser Aufgabe gescheitert, vor allem deswegen, weil sie wichtige Schritte der Ichentwicklung nicht gemeistert und keinen Zugang zu ihrer inneren Realität gefunden haben. So blieb am Ende als Ausweg nur der »lachende Tod«, der Abschied aus dieser Welt und die vage Hoffnung, vielleicht in der jenseitigen Welt das vorenthaltene Glück zu erfahren.

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Anhang

Im Text erwähnte Notenbeispiele aus Rheingold, Walküre und Siegfried Nr. 2 Wellen-Motiv

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W Götterdämmerung X

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Richard Wagners vierteiliges Musikdrama Der Ring des Nibelungen führt den Zuschauer in eine archaische Zeit zurück, die vor aller bewusster Erfahrung liegt. In vier psychoanalytischen Opernführern folgt Bernd Oberhoff Wagner in die Klüfte und Untiefen dieser archaischen Welt und kommt zu der überraschenden Entdeckung, dass der Opernbesucher zum Zuschauer einer »Heldenreise des frühen Ichs« wird. Das Rheingold bildet den Auftakt des von Richard Wagner auf drei Tage und einen Vorabend angelegten Bühnenfestspiels. In der Walküre setzt sich die im Rheingold gestartete Heldenreise fort. Die Opernführer zu Siegfried und zur Götterdämmerung vervollständigen schließlich die psychoanalytische Auseinandersetzung mit Wagners Ring.

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Wussten wir nicht bereits alles über Mozart? Bernd Oberhoffs Mozart-Studie lädt zu neuen Entdeckungen ein. Der Autor räumt mit dem Vorurteil auf, dass Mozarts Kompositionen nichts mit seiner Person zu tun hätten. Diese Fehleinschätzung konnte nur dadurch entstehen, dass man den Zusammenhang zwischen Schöpfer und Schöpfung auf der Ebene des bewussten Kalküls suchte. Doch dort ist er nicht zu finden. Erst ein Abstieg in tiefere Schichten von Komponist und Werk lässt erkennen, wo Mozarts Musik von ihrem Schöpfer spricht. Der Autor macht Ernst mit Robert Schumanns Ausspruch: »Wir würden schreckliche Dinge erfahren, würden wir bei allen Werken bis auf den Grund ihrer Entstehung sehen können.« Oberhoff wagt in seiner Mozartmonografie einen Abstieg in jene inneren Räume von Person und Werk, die bislang noch niemand betreten hat. Walltorstr. 10 · 35390 Gießen · Tel. 0641-969978-18 · Fax 0641-969978-19 www.psychosozial-verlag.de · [email protected]

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In der Oper »Idomeneo« erscheint Prinz Idamantes als ein Sohn, wie jeder Vater ihn sich wünschen würde: edelmütig, folgsam und opferbereit. Doch dieses unschuldige Bild trügt. Die musikpsychoanalytische Recherche bringt es ans Licht: Im Verborgenen tobt ein mörderischer Kampf zwischen Vater und Sohn.

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Wo hat man so etwas schon einmal erlebt, dass ein Dramma giocoso mit einem derartig markerschütternden Akkordschlag beginnt? Als Zuschauer schrickt man unwillkürlich zusammen und fürchtet Schreckliches. Als sich der Vorhang hebt, wird es offenbar, dass Don Giovanni zu nächtlicher Stunde in das Schlafgemach der Donna Anna eingedrungen ist. Als Donna Anna um Hilfe ruft, eilt der Vater herbei und fordert den Eindringling zum Duell. Im folgenden Kampf bleibt Don Giovanni Sieger und versetzt dem Vater den tödlichen Stich. Wer wollte hier nicht an Ödipus denken? Es ist die archaische Qualität der Musik wie auch das bedrohliche Wiederauftauchen des ermordeten Vaters als ein steinerner Geist am Ende der Oper, die erahnen lassen, dass unterhalb ödipaler Anklänge in dieser Oper noch ein früheres, archaischeres Drama zur Darstellung gelangt. Walltorstr. 10 · 35390 Gießen · Tel. 0641-969978-18 · Fax 0641-969978-19 www.psychosozial-verlag.de · [email protected]

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Es ist erstaunlich, mit wie viel Begeisterung erwachsene Personen in Mozarts »Figaro«ein beliebtes Kinderspiel in Szene setzen. Gleichzeitig wissen wir, dass dort, wo der Mensch spielt, es nahezu unvermeidlich ist, dass sich jene Themen hineinmengen, die ihn innerlich bewegen. Der analysierende Gang durch die Oper lässt es offenbar werden, dass in dieses musikdramatische Spiel – äußerst geschickt und kunstvoll hineingewoben – Aspekte der gesellschaftlichen und der innerpsychischen Realität der Menschen im ausgehenden 18. Jahrhundert Eingang gefunden haben. Man darf davon ausgehen, dass es nicht zuletzt diesen sozialpolitischen und humanpsychologischen Anreicherungen zu verdanken ist, dass der »Figaro« als ein vielschichtiges »So-tun-als-ob«-Spiel bis auf den heutigen Tag von erwachsenen Menschen mit kindlichem Vergnügen genossen wird. Walltorstr. 10 · 35390 Gießen · Tel. 0641-969978-18 · Fax 0641-969978-19 www.psychosozial-verlag.de · [email protected]

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Bernd Oberhoff, PD Dr., Dipl.-Psych., arbeitet als Musikpsychoanalytiker, Gruppenanalytiker und Supervisor in freier Praxis in Münster. Er lehrt Soziale Therapie an der Universität Kassel. Viele Jahre war er als Kammerchor-Leiter tätig. Im Psychosozial-Verlag erschienen zahlreiche seiner psychoanalytischen Opernführer zu Gluck, Mozart und Weber sowie verschiedene von ihm herausgegebenen Bände zum Thema Musik und Psychoanalyse, zuletzt Opernanalyse zusammen mit Sebastian Leikert (2009).

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Richard Wagner: Götterdämmerung

ichard Wagners vierteiliges Musikdrama Der Ring des Nibelungen führt den Zuschauer in eine archaische Zeit zurück, die vor aller bewusster Erfahrung liegt. In vier psychoanalytischen Opernführern folgt Bernd Oberhoff Wagner in die Klüfte und Untiefen dieser archaischen Welt und kommt zu der überraschenden Entdeckung, dass der Opernbesucher zum Zuschauer einer »Heldenreise des frühen Ichs« wird. Das Rheingold bildet den Auftakt des von Richard Wagner auf drei Tage und einen Vorabend angelegten Bühnenfestspiels. In der Walküre setzt sich die im Rheingold gestartete Heldenreise fort. Die Opernführer zu Siegfried und zur Götterdämmerung vervollständigen schließlich die psychoanalytische Auseinandersetzung mit Wagners Ring.

Richard Wagner Götterdämmerung Ein psychoanalytischer Opernführer