Reform der Landpacht [Reprint 2021 ed.] 9783112455685, 9783112455678


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Reform der Landpacht [Reprint 2021 ed.]
 9783112455685, 9783112455678

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Reform der Landpacht

Dr. Karl-Äugust LrisollL

19 3 0

Verlag vonGeorgSlilkekn Berlin

Alle Rechte Vorbehalten

Druck der Meyerschen Hofbuchdruckerel, Detmold

Meinem hochverehrten Lehrer, Derrn

Geheimen Justizrat, Professor Dr. Ernst Deymann

als Leichen ehrfurchtsvollster Verehrung und Dankbarfeit gewidmet.

Inhaltsverzeichnis. Allgemeine Betrachtungen. I. Ist die heutige Zeit berufen, das Pachtrecht des Bürgerlrchen Gesetzbuches zu ändern?................................ II. Erscheint eine Änderung des Pachtrechts notwendig? . III. Eine Änderung des Pachtrechts mutz in den Wortlaut des BGB. eingearbeitet werden.... IV. Gefahren bei Teiländerungen des BGB. V. Eingriff auch in die Rechte Dritter . . VI. Vertragsfreiheit VII. Mögliche Auswirkungen der Grundzüge .

6eite

3—5 5—7

8 9—13 13—16 17—22 20—22

Die einzelnen Bestimmungen der Grundzüge. Behandelt aus den Grundzügen die Nrn.:

I. Das Wesen der Pacht landwirt­ schaftlicher Grundstück« A 1; C 1 A. Der Begriff »landw. Grundstück" . . 1 B. Das Wesen der .Pacht landw. Grund­ stücke" 2 II. Der Abschluß des Vertrages A. Form des Vertrages B. Bei öffentl. Versteigerung (unter20da) C. Guts- und Gebäudebeschreibung

3 2811 4

III. Der Pachtzins A. Fälligkeit... 2II, 27 B. Veränderlichkeit 281 C. Lastenverteilung 10 IV. Die Erhaltung des Pachtgrundstücks A. Ausbesserungen . 8 B. Mängelhaftung . . 5—7 1. Zwingendes Recht ..... 6 Satz 1 2. Übernahme der Beseitigung be­ kannter Mängel durch den Pächter 7 3. Gesundheitsschädigende Wohn­ räume . . 9

22—25 22 24

25—32 25 28 30 32—37 32 33 35 37—47 37 41 42

43 44

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a. Ersatzanspruch 9II 91 b. Kündigungsrecht des Pächters 4. Wildschaden . 11 V. Bewirtschaftung des Pachtgrund­ stücks 2, 18, 19 A. Das Recht zum Gebrauch B. Wirtschaftsänderungen und Verbesse­ rungen 12—14,16—17 1. Die Bestimmungen der Grundzüge a) Anspruch des Pächters auf 16, 17 Änderungen der Wirtschaft. b) Anspruch des Pächters auf Vornahme vonVerbesserungen 12, 14, 17 c) Anspruch des Verpächters auf Vornahme von Verbesserungen 13, 14, 17 2. Folgen der Bestimmungen a) auf den Pachtfrieden . . . b) auf den Verpächterkredit . . a) Aufrechnungsvecbot . . ß) Sicherungshypothek . . c) auf die Kündigungsmöglich­ 46 keit des Verpächrers. . . . VI. Sonderbestimmungen über die Rechtsstellung der Parteien A. Kündigung 1. Notwendigkeit der schriftlichen Kündigung..................................... 29, 30, 34 2. Die einzelnen Kündigungsarten 29-35 a) Die gewöhnliche Kündigung a) Folgen der Nichtkündi34 gung .... . . 3011 ß) Kündigungsfrist . . T) Kündigungsgründe . 30 a«) des Pächters. . 31-33 ßß) des Verpächters 36-39 b) Die sofortige Kündigung. . 9II, 5, 37 a a) des Pächters ß) des Verpächters.... 36,37,39 c) Die autzergewöhnl Kündigung a) der Drittberechtigten. . 33 Satz 2 51 ß) bei Ableben des Pächters T) des Verpächters bei Pacht­ 21II zession ............................ 3. Auswirkungen der Kündigungs­ 29, 35 vorschriften ................................ B. Pfandrecht und Zurückbehaltungsrecht 47 1. des Verpächters 48-50 2. des Pächters................................ 4011 3. Zurückbehaltungsrecht desPächters

VII. Rückgabe des Pachtgrundstücks A. Allgemeines.................................. B. Zurücklassungspflicht des Pächters C. Wegnahmerecht des Pächters VIII. Jnventarpachten IX. Pachtämter A. Zusammensetzung . B. Arbeitsweise . C. Zuständigkeit

20 21-22 53

Seite 88 88 88 89 93

40—45 43, 44 15, 17

94—97 94 95 96

23, 26

97-98

52

C. Rechtsnachfolger des Verpächters . . D. Abtretung von Rechten des Pächters 1. Nutzung durch Dritte . 2. Die Pachtzession . . . E. Heuerlingsverträge . ...

B:

98—104 1—3 98 2, 4, 5, 7 101 A: 9II, 1211, 103 131,13111,16, 21II, 28, 31, Z'ff. 2, 53 B : 1, 2, 3 C: 2

X. Übergangsbestimmungen

C 2

104—106

XI. Die Dauerpacht

C 3

106-111

Schlußbetrachtung

111

Anhang I: Der Text der »Grundzüge" mit den beabsichtigten Änderungen.................... Anhang II: Text der §§ 535-597 BGB.

112 139

hältnisse der christlichen Kirchen von weittragendster Bedeutung sind, da die Besoldung der Pfarrer und Kirchenbeamten zu einem nicht unerheblichen Teile auf den Einkünften aus den Verpachtungen kirchlicher Länder beruht. Daher dürfte es an­ gebracht erscheinen, vor Vornahme einer Pachtrechtsreform nach­ zuprüfen, welchen Einfluß die geplante Reform auf die Ver­ hältnisse der Kirchen hat, da hieran auch die Allgemeinheit interessiert sein dürfte, weil sie ja die evtl, verringerten Pacht­ einnahmen der Kirchen durch erhöhte Kirchensteuern ausgleichen muß. Ähnliche Verhältnisse liegen für Städte, Universitäten, milde Stiftungen und ähnliche öffentlich-rechtliche Körperschaften vor, die in zahlreichen Fällen über größeren, meist verpachteten landwirtschaftlichen Grundbesitz verfügen. Aufgabe der vorliegenden Ausführungen soll nun sein, weite Kreise auf die in den Erundzügen enthaltenen Absichten der Regierung hinzuweisen, um die Öffentlichkeit zu einer Stellung­ nahme aufzufordern. Um die Lösung dieser Aufgabe zu ver­ suchen, wird in den folgenden Zeilen derart vorgegangen werden, daß zunächst die Erunttzüge einer allgemeinen juristischen Be­ trachtung unterzogen werden, woran sich dann die juristische Untersuchung ihrer einzelnen Vorschriften anschließen soll. Diese wird aber die Reihenfolge der Erundzüge nicht einhalten, son­ dern die einzelnen Vorschriften der Grunktzüge werden unter größeren Gesichtspunkten zusammengefaßt betrachtet werden. Hervorgehoben sei, daß'die folgenden Zeilen sich lediglich auf die juristische Betrachtungsweise beschränken, die volkswirtschaft­ lichen und politischen Untersuchungen dagegen anderen, dazu berufeneren Federn überlassen wollen.

I. Ist die hentige Zeit berufen, das Pachtrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches zu ändern?

Die erste Frage, die sich bei dem Streit um die Vornahme einer schwerwiegenden Rechtsreform ergibt, ist — wie auch die rechtsgeschichtliche Entwicklung lehrt — die Frage, ob die Ver­ hältnisse zu der Zeit, zu der die Reform vorgenommen werden soll, geeignet sind, eine derartige Rechtsreform vorzunehmen. Die Beantwortung dieser Frage ist für das Gebiet des land­ wirtschaftlichen Pachtrechts von ganz besonderer Bedeutung. Es darf als feststehend angenommen werden, daß auf wenigen Ge­ bieten auch nur kleine Rechtsänderungen so langandauernde

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3

Veränderungen der Verhältnisse zur Folge haben, als auf den Rechtsgebieten, die die Landwirtschaft betreffen. Zm Wesen der Landwirtschaft liegt es begründet, daß derjenige, der sich ihr widmet, seine Kalkulationen stets auf Zahre hinaus erstrecken muß; so sei als Beispiel angeführt, datz die preußischen Domänen durchschnittlich auf 18 Jahre verpachtet werden. Wegen dieser Eigenart des Landwirtschaftsrechts mutz die Beantwortung der Vorfrage, ob die heutige Zeit zur Gesetzes­ änderung berufen ist, ganz besonders vorsichtig vorgenommen werden, bevor an eine Gesetzesänderung geschritten wird. Die Richtigkeit der vorstehenden Ausführungen ergibt sich von selbst, wenn man überlegt, datz die notwendigerweise auf lange Jahre hinaus abzuschlietzenden Pachtverträge für die ganze Zeit ihrer Gültigkeit von den Rechtsverhältnissen bestimmt werden, die zur Zeit ihres Abschlusses galten. Deshalb kann das Landwirt­ schaftsrecht nur von einer Zeit ge- oder umgestaltet werden, die die Gewähr einer starken Konsolidierung in jeder Beziehung in stch trägt. Es soll bei Beantwortung der Frage „vom Berufe unserer Zeit zur Gesetzgebung", insonderheit zur Pachtgesetzgebung, von der Erörterung allgemeiner Umstände ganz abgesehen wer­ den, da dies den Rahmen dieser Zeilen überschreiten würde. Eines aber ist als sicher anzunehmen: Die Frage, ob eine Änderung der bürgerlich-rechtlichen Gesetzgebung zweckmäßig ist, ist sachgemäß nur für eine Zeit zu bejahen, in der sich das Wirt­ schaftsleben in normalen und ruhigen Bahnen bewegt und in der auch die Auffassung über Sozial- und Wirtschaftspolitik zu einer gewissen einheitlichen Stellung gelangt ist, so daß die aus dieser Politik abgeleiteten Grundsätze den Anspruch auf ein gewisses Mindestmaß von Allgemeingeltung und Stetigkeit er­ heben können. Ein solcher Zeitpunkt war z. B. zur Zeit der Schaffung des BEB. gegeben. Damals waren nach der Grün­ dung des Reiches, das keine derartigen wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen zur Voraussetzung hatte wie die Re­ publik, etwa 20 Jahre gleichmäßiger Entwicklung vergangen. Die Verhältnisse waren damals außen- und innenpolitisch kon­ solidiert, und die wirtschaftliche Entwicklung war zu einer gewis­ sen Stetigkeit gelangt. Im Gegensatz zu der Ansicht der Re­ gierung dürfte jetzt aber ein solcher Zeitpunkt nicht als ge­ geben angesehen werden können. Zunächst dürfte es zum min­ desten äußerst zweifelhaft sein, ob die wirtschaftlichen Verhält-

Nisse der augenblicklichen Zeit als konsolidiert angesehen werden können. Selbst wenn man aber dies bejahen wollte, so dürfte es keineswegs richtig erscheinen, aus einer derartigen Bejahung bereits zu folgern, daß die heutige Zeit geeignet fei, Gesetze zu schaffen, die — wie es für das Gebiet des landwirtschaftlichen Pachtrechts nach den obigen Ausführungen unbedingt notwendig ist — eine Gewähr für eine längere Gültigkeit in sich tragen. Denn die Eesetzesreform, die in den Erundzügen zum Ausdruck kommt, setzt nicht nur eine wirtschaftliche Konsolidierung voraus, sondern sie mutz auch auf einer gewissen Allgemeingültigkeit der in ihr zum Ausdruck kommenden Lebensanschauung beruhen. Die Frage z. B., ob das Pachtverhältnis durch Ablauf einer bestimmten Zeit von selber erlöschen soll, oder ob der Verpächter nur — wie in den Erundzügen geplant — ein beschränktes Kün­ digungsrecht haben soll, hat mit der Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse wenig zu tun. Dies ist eine Frage der Lebens­ anschauung. Wir befinden uns aber gerade in weltanschaulicher Beziehung noch in einer typischen Übergangszeit, in der alles im Fluß und nichts abgeschlossen ist. Deshalb darf der jetzige Zeitpunkt in keiner Weise als geeignet angesehen werden, Rechtsverhältnisse, die unbedingt einer stetigen Entwicklung unterliegen müssen, gesetzgeberisch umzugestalten. Ganz besonders gefahrvoll erscheinen aber in dieser Beziehung 5ie Grundzüge, da — wie unten eingehend dargestellt werden wird — die meisten in ihnen in Aussicht genommenen Vor­ schriften zwingenden Rechts sein sollen. Die Parteien können daher, selbst wenn sie beide übereinstimmend anderer Ansicht als der Gesetzgeber sind, in rechtsgültiger Weise nichts anderes ver­ einbaren, als der Gesetzgeber nach seiner augenblicklichen sozial­ politischen Anschauung und entsprechend den augenblicklichen wirtschaftlichen Verhältnissen für richtig hält. II. Erscheint eine Änderung des Pachtrechts notwendig?

Wenn nun aber trotz dieser Bedenken gegen den „Beruf unserer Zeit" zu einer Gesetzesänderung von einer derartigen Tragweite, wie sie die Erundzüge enthalten, mit einer Änderung des BEB. begonnen werden soll, so ist es wohl völlig unerfind­ lich, weshalb die Regierung gerade das Pachtrecht für so dringend reformbedürftig hält. Bei einem ersten Durchlesen der Grundzüge scheint es einem geradezu, als ob die Eesetzesänderun-

Nisse der augenblicklichen Zeit als konsolidiert angesehen werden können. Selbst wenn man aber dies bejahen wollte, so dürfte es keineswegs richtig erscheinen, aus einer derartigen Bejahung bereits zu folgern, daß die heutige Zeit geeignet fei, Gesetze zu schaffen, die — wie es für das Gebiet des landwirtschaftlichen Pachtrechts nach den obigen Ausführungen unbedingt notwendig ist — eine Gewähr für eine längere Gültigkeit in sich tragen. Denn die Eesetzesreform, die in den Erundzügen zum Ausdruck kommt, setzt nicht nur eine wirtschaftliche Konsolidierung voraus, sondern sie mutz auch auf einer gewissen Allgemeingültigkeit der in ihr zum Ausdruck kommenden Lebensanschauung beruhen. Die Frage z. B., ob das Pachtverhältnis durch Ablauf einer bestimmten Zeit von selber erlöschen soll, oder ob der Verpächter nur — wie in den Erundzügen geplant — ein beschränktes Kün­ digungsrecht haben soll, hat mit der Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse wenig zu tun. Dies ist eine Frage der Lebens­ anschauung. Wir befinden uns aber gerade in weltanschaulicher Beziehung noch in einer typischen Übergangszeit, in der alles im Fluß und nichts abgeschlossen ist. Deshalb darf der jetzige Zeitpunkt in keiner Weise als geeignet angesehen werden, Rechtsverhältnisse, die unbedingt einer stetigen Entwicklung unterliegen müssen, gesetzgeberisch umzugestalten. Ganz besonders gefahrvoll erscheinen aber in dieser Beziehung 5ie Grundzüge, da — wie unten eingehend dargestellt werden wird — die meisten in ihnen in Aussicht genommenen Vor­ schriften zwingenden Rechts sein sollen. Die Parteien können daher, selbst wenn sie beide übereinstimmend anderer Ansicht als der Gesetzgeber sind, in rechtsgültiger Weise nichts anderes ver­ einbaren, als der Gesetzgeber nach seiner augenblicklichen sozial­ politischen Anschauung und entsprechend den augenblicklichen wirtschaftlichen Verhältnissen für richtig hält. II. Erscheint eine Änderung des Pachtrechts notwendig?

Wenn nun aber trotz dieser Bedenken gegen den „Beruf unserer Zeit" zu einer Gesetzesänderung von einer derartigen Tragweite, wie sie die Erundzüge enthalten, mit einer Änderung des BEB. begonnen werden soll, so ist es wohl völlig unerfind­ lich, weshalb die Regierung gerade das Pachtrecht für so dringend reformbedürftig hält. Bei einem ersten Durchlesen der Grundzüge scheint es einem geradezu, als ob die Eesetzesänderun-

gen davon ausgingen, daß die Verhältnisse in dem Gebiete des landwirtschaftlichen Pachtrechts die ungesundesten seien. Ohne eine solche Grundlage ist es nämlich nicht verständlich, warum der Gesetzgeber bei der sonst im bürgerlichen Recht überall herr­ schenden Vertragsfreiheit alle Vorschriften von auch nur einiger Bedeutung für unabdingbar erklären will. Daß die Verhältnisse im Gebiete der landwirtschaftlichen Pacht keineswegs derartig sind, ergibt sich aus den eben erschienenen ausführlichen Dar­ legungen von Karl Brandt^), der wohl zu den besten Kennern der Pachtverhältnisse zu rechnen ist. Auch die eingehenden Unter­ suchungen, die vom Forschungsinstitut für Agrar- und Sied­ lungswesen im Zahle 1924 über die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Zeitpacht angestellt sind2), erbringen keinerlei Tatsachen, die eine grundlegende Änderung der Gesetzgebung rechtfertigen könnten. Zm Gegenteil ergeben diese Unter­ suchungen, die auf zahlreichen eingehenden örtlichen Erhebungen und den Beantwortungen vieler Fragebogen beruhen, und die von verschiedenen, nicht anders als sachkundig zu bezeichnenden Bearbeitern vorgenommen worden sind, daß die deutschen Pacht­ verhältnisse innerlich völlig gesund sind. Es mögen vereinzelte Mängel vorhanden sein, diese sind aber in jeder lebensvollen wirtschaftlichen Einrichtung selbstverständlich. Auch sei hervor­ gehoben, daß die Rechtsstreitigkeiten vor den Pachteinigungs­ ämtern in der Zeit von 1924 bis 1928, also in den letzten 4 Zähren, auf etwa ein Achtel gesunken sind9*).* Dies alles dürfte mit voller Klarheit und Deutlichkeit ergeben, daß die landwirt­ schaftlichen Pachtverhältnisse nicht in einer derartig unbilligen oder ungesunden Lage sind, daß Gesetzesänderungen von solcher Tragweite, wie sie die Erunkqüge enthalten, erforderlich erschei­ nen. Jedenfalls sind bisher, soweit bekannt, von keiner Seite irgendwelche wissenschaftlich fundierten Berichte der Öffentlich­ keit übergeben worden, aus denen ein anderes als das geschil­ derte Bild der Pachtverhältnisse entnommen werden könnte. Die Betrachtung unseres Wirtschaftslebens dürfte für jeden Praktiker vielmehr mit aller Deutlichkeit ergeben, daß viele Vor­ schriften des bürgerlichen Rechts, die eine weit größere Bedeu­ tung als das Pachtrecht haben, bei weitem reformbedürftiger *) 2) 9) heft

Im Handbuch der Landwirtschaft I, 524 ff. Veröffentlicht in „Berichte über Landwirtschaft" 1924. Nach von Zastrow in „Berichte über Landwirtschaft", Sonder­ 1929.

sind, als gerade die Vorschriften der §§ 581 ff. BEB. So sei z. B. daran erinnert, daß der § 246 BEB. ebenso wie der § 288 BEB. immer noch nur 4 % gesetzliche Zinsen gewähren*)» während tatsächlich heute kein Richter wegen der offenbaren Unbilligkeit dieser Vorschrift auch nur einen Augenblick daran denkt, einem obsiegenden Kläger nur 4 % Zinsen als gesetzliche Zinsen zuzubilligen 2). Ganz besonders reformbedürftig erscheint — wie die Rechtsprechung ergibt — vor allem auch das Recht der sogenannten Sukzessivlieferungsverträge und der Ab­ zahlungsgeschäfte. Gerade diese beiden Eeschäftsarten, nament­ lich das zuletzt genannte, stehen heute im Vordergründe des Wirt­ schaftslebens, was durch die Armut des deutschen Volkes, ver­ bunden mit den erhöhten Lebensansprüchen nach der Inflations­ zeit, erklärlich ist. Es ist geradezu unglaublich, welche Rechts­ unsicherheit bei den beiden Geschäften vorliegt. Namentlich ist das Gesetz über die Abzahlungsgeschäfte, das aus dem Zahre 1894 stammt und in ganzen acht Paragraphen diese überaus diffizile Materie regeln will, total lückenhaft und völlig über­ holt. Es ist seiner ganzen Struktur und seinen Eedankengängen nach nur für ganz kleine Geschäfte mit einfachen Tatbeständen berechnet, während heute die schwierigsten und zum Teil ganz außerordentlich wertvolle Geschäfte auf Abzahlung getätigt wer­ den. Die gesetzliche Festlegung bzw. Änderung dieser beiden Rechtsmaterien erscheint viel notwendiger als eine Änderung des landwirtschaftlichen Pachtrechts. Einmal ist das Pachtrecht — als uralte Rechtsinstitution und als Teil des BEB. — viel intensiver und besser durchdacht, als das Recht der beiden Ge­ biete, und zweitens spielen diese beiden Geschäfte im heutigen Wirtschaftsleben eine viel größere Rolle, als das landwirtschaft­ liche Pachtrecht. Gibt es doch, abgesehen von zahlreichen Zwergund Parzellenbetrieben, die aber als gärtnerisch genutzte nicht als landwirtschaftliche Grundstücke in Betracht kommen, in Deutschland') nur: 4732 Eroßpachtbetriebe, 2548 großbäuerliche und 18390 mittel- und kleinbäuerliche Pachtbetriebe mit aus­ schließlichem Pachtland. 0 Merkwürdiger- und völlig unverständlicherweise hat man durch Gesetz vom 3. 7. 25 (RGVl. I, 93) nur die Wechsel- und Scheckzinsen auf 2% über Reichsbankdiskont erhöht. -) Vgl. Crisolli in DIZ. 26, 167. 8) Brandt, a. a. O., S. 535.

III. Eine Änderung des Pachtrechts muß in den Wortlaut des Bürgerlichen Gesetzbuches eiugearbeitet werden. Trotzdem also verneint werden muß, daß augenblicklich der Zeitpunkt und die Notwendigkeit zu einer Pachtrechtsänderung gegeben find, ist es, wenn überhaupt eine Gesetzesänderung vor­ genommen wird, zu begrüßen, daß diese Änderung durch ein Gesetz vorgenommen werden soll. Mag das vielleicht ergehende Gesetz von den verschiedensten Seiten auch als fehlerhaft oder völlig verfehlt angesehen werden, so ist eine gesetzliche Regelung doch besser als die Regelung durch dilatorische Verordnungen oder Ordnungen. Denn, wie bereits betont, verlangt gerade das Gebiet des Landwirtschaftsrechts eine Konsolidierung. Nichts ist für dieses Gebiet verhängnisvoller, als eine dilatorische Re­ gelung, von der stets befürchtet werden muß, daß sie in kurzer Zeit abermals geändert wird. Die Schaffung eines Gesetzes ent­ hält eine gewisse Gewähr für eine längere Dauer der Regelung, wenn man hieran auch auf Grund der jüngsten Entwicklung zu zweifeln nicht ganz ohne Veranlassung sein mag. Wenn das Gebiet des landwirtschaflichen Pachtrechts geändert werden soll, so ist zu fordern, daß die Änderung in das Bürger­ liche Gesetzbuch eingearbeitet wird. Es erscheint auf keinen Fall angängig 9, wie die Erundzüge es tun9, „ein Lebensgebiet des bürgerlichen Rechts nach dem andern aus dem BEB. heraus­ zunehmen und für sich zu kodifizieren. Die gegenwärtige Unüber­ sichtlichkeit der Legislatur wird dadurch unerträglich vergrößert. Man mag für Notzeiten gesetzliche Anordnungen in Sonder­ gesetzen treffen, die bei Beendigung der Notzeit der Aufhebung verfallen, so daß das Normalgesetz wieder in Kraft treten kann. Eine dauernde Abänderung des Normalgesetzes aber muß in diesem Gesetze selbst vollzogen werden." Gerade bei der geplanten Änderung des Pachtrechts, die — bis auf das Erbbaurecht — zum ersten Male eine Änderung eines ganzen Komplexes von Vorschriften des BEB. bedeutet, muß unbedingt gefordert werden, daß diese durch Änderung der großen Kodifikation vor sich geht. Sonst besteht die Gefahr, daß wir mehr und mehr wieder in Verhältniße zurückfallen, die vor Schaffung des ALR. bestanden, bei denen ein Laie sich von der Rechtslage überhaupt kein Bild mehr machen konnte.

9 Culemann, a.