Rechtes Auflichten 9783787325191, 9783787309351

Chang Tsai (1020-1078) gab mit Cheng-meng, seiner enzyklopädisch angelegten Auseinandersetzung mit den kanonischen Schri

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German Pages 326 [434] Year 1996

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Rechtes Auflichten
 9783787325191, 9783787309351

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•• I.

Chang Tsai 1 020- 1078 n. Chr.

CHANGTSAI

Rechtes Auflichten I Cheng-meng Übersetzt aus dem Chinesischen, mit Einleitung und Kommentar versehen und herausgegeben von Michael Friedrich, Michael Lackner und Friedrich Reimann

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 419

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­ sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0935-1 ISBN eBook: 978-3-7873-2519-1

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1996. Alle Rechte vor­ behalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany.  www.meiner.de

VORWORT DER HERAUSGEBER

Das hiermit zum ersten Mal vollständig in eine europäische Spra­ che übertragene Cheng-meng des Chang Tsai (1020 - 1078) nimmt in der chinesischen Geistesgeschichte des letzten Jahrtausends eine einzigartige Stellung ein. In seiner Auseinandersetzung mit den kanonischen Texten des Konfuzianismus und dem Bemühen, ih­ nen neue Verbindlichkeit zu verleihen, hat es einen wesentlichen Beitrag zum Neukonfuzianismus geleistet. Dem enzyklopädischen Anspruch des Werkes liegt ein systema­ tischer Aufbau zugrunde, der sich nicht ohne weiteres erschließt. Daher wurden der Ü bersetzung eine umfangreiche Einleitung, analytische Kommentare zu den einzelnen Kapiteln sowie ein An­ hang beigegeben . Während die Ü bersetzung gemeinsam erarbeitet wurde, sind die Beigaben von den Herausgebern unter Absprache gesondert erstellt und gezeichnet. Mit Rücksicht auf die komplexe Struktur des Werkes wird emp­ fohlen, sich zunächst anhand der Beigaben einen Ü berblick zu verschaffen und bei Lektüre der Übersetzung besonders die Kom­ mentare heranzuziehen . Sinologisch orientierte Fachwissen­ schaftler werden anhand der Siglen zum Text und einer Reihe von Hilfen und Nachweisen die in die Ü bersetzung eingegangene Ar­ beit und die philologische Grundlage der Übersetzung nachvoll­ ziehen können . Unser Dank gilt Herrn Professor Chen Junmin aus Xi'an, der im Herbst 1 986 eigens für zwei Wochen nach München reiste, um an einem Kolloquium über das Cheng-meng teilzunehmen. Sein damals von ihm in bester chinesischer Tradition verfaßtes ehrendes Vorwort mit ausführlichen Bemerkungen zum For­ schungsstand und zur Konzeption der Ausgabe ist 1988 in der Zeitschrift Chung-kuo wen-hua yü Chung-kuo che-hsüeh veröf­ fentlicht worden . Zu Dank verpflichtet sind wir ferner der Natio­ nal Central Library in Taipei, der National Diet Library in Tökyö und der Peking-Bibliothek, die freundlicherweise Kopien von in

VI

Vorwort der Herausgeber

ihrem Besitz befindlichen Rara anfertigten bzw. deren Einsicht ermöglichten . Ohne die vorbildliche Betreuung durch den Felix Meiner Verlag wäre aus den Manuskripten niemals ein Buch ge­ worden . M . F. , M . L . , F. R.

INHALT

Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Einleitung. Von Michael Friedrich, Michael Lackner und Friedrich Reimann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

A. Das Leben des Chang Tsai [F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

I . Herkunft und Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Zeit der Suche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Wiederentdeckung der konfuzianischen Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Tätigkeit im Staatsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Berufung an den Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI . Rückzug aus der Politik und Vollendung des Lebenswerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI XVIII XXI XXIII XXVI XXX

B. Sprache und Stil des Werks [M . F.] . . . . . . . . . . . . . . . XXXVI I. Zur Geschichte der chinesischen Sprache li. Zur Sprache des »Rechten Auflichtens« . III. Sprache und Wirklichkeit im »Rechten Auflichten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Ü bersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . XXXVII . . . . . . XLIV ...... ......

LI LVI

C . Überlieferung, Inhalt und Wirkung des »Rechten LX Auflichtens« [M . L . , M. F. , F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung und Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . LX II. Der Titel >>Rechtes Auflichten« . . . . . . . . . . . . . . . LXVI III. Der Inhalt des Werks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXIX IV. Die kanonischen Schriften als Quellen der Ü berlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXXIV V. Die Wirkungsgeschichte des Werks . . . . . . . . . . . LXXXI Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

CV

Inhalt

VIII

CHANG TsAr Rechtes Auflichten Ü bersetzung der Kapitel I. li. Ill . IV. V. VI . VII . VII I . IX. X. XI . XII . XIII. XIV. XV. XVI . XVII .

Größter Einklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreiheit und Paarigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Himmelsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geistwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegliche Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrheit und Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das große Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mitte und das Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ziel des Sollens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schöpfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mit Dreißig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wer Tugend hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wer Aufsicht hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das große Einfache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musikgefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gottesopfer des Königs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chi'en preiset als Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 11 18 22 28 32 40 44 58 67 73 84 91 94 111 123 132

Analytischer Kommentar zu den Kapiteln I. li. III. IV. V. VI . VII . VII I . IX. X. XI .

Größter Einklang [F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreiheit und Paarigkeit [M . L.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . Himmelsweg [M . F.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geistwandlung [F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegliche Dinge [M . L . ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrheit und Licht [F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das große Herz [M . F.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mitte und das Rechte [M . F.] . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ziel des Sollens [F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schöpfer [M . L . ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mit Dreißig [M . L . ] .

.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145 1 52 1 59 1 62 171 1 75 1 84 1 89 1 99 205 211

IX

Inhalt XII . XII I . XIV. XV. XVI . XVII .

Wer Tugend hat [M . F.] Wer Aufsicht hat [M . R . ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das große Einfache [M . L . ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musikgefäße [M . F.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gottesopfer des Königs [F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . Ch'ien preiset als Vater [F. R.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217 221 225 236 242 250

Anhang A. Grundbegriffe aus dem >>Buch vom Einfachen« bei Chang Tsai [M . L . ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 B . Zur Kritik an nichtkonfuzianischen Lehren im >>Rechten Auflichten« [M . F.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Chang Tsai und die Lehren des Buddhismus 266 II. Chang Tsai und der Taoismus 287 111. Chang Tsai und die Doktrin von der >>Yereinbarkeit der Drei Lehren« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C . Die Ausgaben des >>Cheng-meng« [M. F.] . . . . . . . . . . . . . 290 Siglen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

EINLEITUNG

A. D as Leben des Chang Tsai Die umfangreiche und allen anderen Biographien zugrunde lie­ gende Darstellung des Lebens von Chang Tsai durch einen seiner Schüler trägt eindeutig hagiographische Züge, erlaubt es aber, im Zusammenhang mit anderen Quellen ein im Ganzen zuverlässiges Bild zu gewinnen. 1

I . Herkunft und Jugend Die Familie des Chang Tsai läßt sich bis auf den Urgroßvater, dessen persönlicher Name allerdings nicht überliefert ist, zurück­ verfolgen. Sie stammte aller Wahrscheinlichkeit nach aus Ch'ang1

Die umfassendste Auflistung der Quellen zur Biographie von Chang Tsai findet sich in Ch'eng Pi-te u. a. (Hrsg.): Sung-jen chuan-chi tzu-liao so-yin, 6 Bde . , Taipei (Ting-wen) 2 1 984, Bd. 3, 2297-2298 . Die erste zu­ sammenhängende Darstellung des Lebens von Chang Tsai wurde von seinem Schüler Lü Ta-lin ( 1 046 - 1 092) verfaßt, vgl. Lü Ta-lin: Heng-ch'ü hsien-sheng hsing-chuang, in CTC 3 8 1 - 3 8 5 ; alle späteren Darstellungen gehen von dieser das Leben von Chang Tsai im Hinblick auf das von ihm selbst entworfene Ideal darstellenden Biographie aus und ergänzen sie nur unwesentlich; Angaben aus dieser Biographie werden im Folgenden nicht weiter belegt; vgl. ferner vor allem die Biographien in Sung-shih 427, 12723 - 1 2725 (auch aufgenommen in CTC 285 - 287) und in SYHA 1 7 :382 - 3 8 3 . Eine durch zahlreiche Angaben ergänzte Übersetzung der Biographie aus Sung-shih gibt Werner Eichhorn: Die Westinschrift des Chang Tsai, Leipzig 1 937, 2 - 9 . Vgl. zusätzlich Wing-tsit Chan: »Chang Tsai«, in: Herbert Franke (Hrsg. ) : Sung Biographies, 3 Bde . , Wiesbaden 1 976, Bd. 1, 3 9 - 4 1 . Die meisten der in der vorliegenden Darstellung des Lebens von Chang Tsai erscheinenden Personen werden in dieser Samm­ lung von Biographien besprochen, auf die im Folgenden nicht in jedem Fall verwiesen wird. Weiteres Material zur Biographie von Chang Tsai findet sich in seinem eigenen Werk, vgl. besonders YL und Tzu-tao, in CHLK, in CTC 288 - 292 .

XII

Einleitung Friedrich Reimann ·

an (Shensi),2 der Hauptstadt Chinas während der Tang-Zeit (6 1 8 - 906 n. Chr. ) . Kurz bevor der letzte unmündige Kaiser der Tang-Dynastie abdanken mußte und damit das Zwischenspiel der Fünf Dynastien (907- 960) einleitete, das im Jahr 960 mit der Aus­ rufung der Sung-Dynastie (960- 1279) durch deren ersten Kaiser T'ai-tsu (reg. 960-976) endete, ohne daß es jedoch bereits zu einer Wiedereroberung aller verlorenen Gebiete gekommen wäre, wurde der Urgroßvater von Chang Tsai geboren. Es ist möglich, daß dessen Vorfahren Ämter am Tang-Hof eingenommen hatten, er selbst aber übte während der unruhigen Zeit der kurzlebigen Dynastien im Norden Chinas keine offizielle Tätigkeit aus , son­ dern lebte in Zurückgezogenheit. Schon sein Sohn Chang Fu (fl. 991-1023) jedoch, der Großva­ ter von Chang Tsai, brachte es unter Chen-tsung (reg. 997 - 1022), dem dritten Kaiser der neuen Dynastie, zu einer hohen Stellung bei Hofe .3 Die Familie hatte sich inzwischen in der neuen Haupt-

2 Die meisten Quellen geben an, daß die Familie über Generationen bei K'ai-feng (Honan) ansässig war, so auch Chang Tsai selbst in der Grabin­ schrift für seinen B ruder, vgl. CTC 366 . 9 . Dennoch spricht einiges dafür, daß die Familie erst dorthin umsiedelte, als K'ai-feng die Hauptstadt des Sung-Reiches wurde (960) : die Biographie in Sung-shih bezeichnet Chang Tsai ausdrücklich als aus Ch'ang-an stammend; nach dem Tod des Vaters läßt sich die Familie bei Ch'ang-an nieder und kehrt auch später nicht nach K'ai-feng zurück; von der Schwester seines Vaters, der Großmutter der Brüder Ch'eng, heißt es, daß sie aus Ch'ang-an stammte, vgl. Ch'eng 1 : Ming-tao hsien-sheng hsing-chuang, in: Ho-nan Ch'eng-shih wen-chi 1 1 , i n ECC, Bd. 2 , 630 - 639, hier 630 . 5 ; die B rüder Ch'eng haben Chang Tsai »Onkel« genannt, und zwar mit der Bezeichnung, welche die genannte Beziehung ausdrückt, vgl. u. a. Ho-nan Ch'eng-shih wai-shu 1 1 , in ECC, Bd. 2, 4 1 4 . 1 6 . Chu Hsi spricht davon, daß die YL für ihn oftmals schwer zu verstehen seien, da Chang Tsai darin den im Gebiet von Ch'ang-an gesprochenen Dialekt gebrauche, vgl. CTYL 98 :2506. 3 . 3 Z u Chang F u finden sich für die Zeit von 991 - 1 023 mehrere Angaben in HTCTCCP und in SHYCK; obwohl dort nicht direkt gesagt wird, daß er der Großvater von Chang Tsai war, lassen die vielen Ü bereinstimmun­ gen mit den Angaben der Biographie von Lü Ta-lin kaum eine andere Mög­ lichkeit zu . Nach diesen beiden Quellen war Chang Fu u. a. befaßt mit der Erstellung amtlicher Biographien von Angehörigen des Kaiserhauses, mit Opferangelegenheiten (u. a. mit dem Feng-shan-Opfer von 1 008) und mit

Das Leben des Chang Tsai

XIII

stadt K'ai-feng (Honan) niedergelassen. Auch der Vater von Chang Tsai, Chang Ti, war zunächst am Hof unter dem Nachfol­ ger von Chen-tsung, dem vierten Kaiser der Sung-Dynastie Jen­ tsung (reg. 1022 - 1063), tätig, wurde jedoch später als Leiter der Subpräfektur Fu in die Provinz Szechuan versetzt, wohin er mit seiner Familie übersiedelte .• Als Chang Tsai im Jahr 1020 geboren wurde - es gibt keine Angaben darüber, ob die Familie zu dieser Zeit noch in K'ai-feng lebte, oder ob der Vater schon sein neues Amt angetreten hatte -, erlebte China eine Zeit relativen Wohlstands und äußerer Ruhe. Der im Jahr 1004 mit den Kitan der Liao-Dynastie geschlossene Vertrag von Shan-yüan, welcher allerdings durch das Zugeständnis erheblicher Tributzahlungen erkauft worden war und aufgrund der Anerkennung des Liao-Kaisers als jüngeren B ruders des Kai­ sers der Sung-Dynastie ein Zurücktreten vom unumschränkten imperialen Anspruch bedeutete, hatte die Nordostgrenze nach Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen zur Ruhe kommen lassen, was sich nachhaltig belebend auf die politische und wirt­ schaftliche Entwicklung auswirkte . Besonders der damit verbun­ dene Anstieg der Bevölkerungszahl hatte zunächst erhöhte Steu­ ereinnahmen und damit einen Aufschwung der Staatsfinanzen zur Folge. Die T'ang-Dynastie war unter den Auseinandersetzungen der lokalen Militärgouverneure zusammengebrochen, die immer mehr Macht an sich gezogen hatten und vom Hof in Ch'ang-an schließlich nicht mehr in Schranken gehalten werden konnten. Im Bewußtsein dieser Umstände war T'ai-tsu, der erste Kaiser der Sung-Dynastie, obwohl selbst als General an der Spitze seiner Truppen an die Macht gekommen, von Anfang an darauf aus, das militärische Element zugunsten des zivilen zu schwächen. Der militärische Charakter der Reichsgründung ging damit sehr bald der Ü berwachung von Staatsprüfungen. Wegen seiner Verdienste wurde dem Urgroßvater von Chang Tsai posthum ein Ehrentitel verliehen. 4 Wann die Versetzung, die wohl eine Degradierung bedeutete, genau stattfand, ist nicht bekannt; im Gegensatz zu seinem Vater ist über Chang Ti nichts weiter überliefert.

XIV

Einleitung Friedrich Reimann ·

verloren, und die Politik wurde zunehmend von Beamten be­ stimmt, die keinen militärischen Hintergrund mehr hatten; in der Folge wurden selbst bei den späteren Auseinandersetzungen mit den Taoguten (Hsi-hsia) an der Nordwestgrenze des Reiches hohe Zivilbeamte als Heerführer eingesetzt. Auch der starke Einfluß, den der Taoismus zu Beginn der Dynastie auf das Herrscherhaus ausübte, trat mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund, um der Gelehrtentradition als wichtigster Grundlage für die Regierung des Reiches das Feld zu überlassen. 5 Vom Aufenthalt der Familie in der Hauptstadt der Subpräfektur Fu in der Nähe der Einmündung des Flusses Wu in den Yangtzu im südlichen Szechuan ist nicht mehr überliefert, als daß Chang Tsai hier eine Schule besuchte und sich vor allem durch einen starken Willen und den unbedingten Gehorsam den Weisungen seines Va­ ters gegenüber auszeichnete. 6 Nach dem Tod des Familienober­ hauptes plante man zunächst, nach K'ai-feng zurückzukehren; es heißt jedoch, daß die verwaisten Kinder noch zu jung waren, um die lange und strapaziöse Reise durchzustehen. So mußte der Um­ zug auf halbem Wege unterbrochen und in der Präfektur Feng­ hsiang (Shensi) ein Zwischenhalt eingelegt werden; dort fand die Familie am Südausgang des Ta-ehen-Tales bei der Stadt Heng-ch'ü im Kreis Mei Unterkunft/ Wie groß sie zu diesem Zeitpunkt war, und welche Familienmitglieder die Reise tatsächlich mitmachten, ist nicht bekannt. In jedem Fall wird neben Chang Tsai noch des­ sen um zehn Jahre jüngerer Bruder Chang Chien ( 1 030- 1 076) dabei gewesen sein . 8 Nachdem zunächst wohl nur ein vorüberge­ hender Aufenthalt in Heng-ch'ü geplant war, wird dieser Ort dann Vgl. Anhang: Kritik; die sich auf verschiedene kanonische Texte beru­ fende Gelehrtentradition wird meist mit dem »Konfuzianismus« gleichge­ setzt, vgl . zu dem problematischen Begriff Hans Stumpfeldt: »Konfuzius und der Konfuzianismus«, in: Silke Krieger / Rolf Trauzettel (Hrsg. ) : Konfuzianismus und d i e Modernisierung Chinas, Mainz 1 990, 2 9 - 4 0 . 6 Vgl. Biographie in Sung-shih. 7 Zu geographischen Einzelheiten vgl. Mao Feng-chih : Shan-hsi nan­ shan ku-k'ou k'ao, in Wen-ying-lou yü-ti ts'ung-shu, Ausg. PPTS 26 b . 8 Vgl. Biographie i n SYHA 1 8 :446; aber auch Chang Tien-ch'i mu­ chih-ming, in CTC 366 - 367. 5

Das Leben des C h an g Tsai

XV

schließlich doch der neue Wohnsitz für Chang Tsai und die Fami­ lie; von ihm leitet sich auch sein späterer Beiname »Heng-ch'ü« her. Was allerdings letzten Endes die ausschlaggebende Ursache dafür war, daß sich die Familie gerade in dieser abgelegenen Ge­ gend niederließ, ist nicht bekannt. Möglicherweise kam man bei hier ansässigen Verwandten unter, was bei der Nähe von Ch'ang­ an, dem vermutlichen Stammsitz der Familie Chang, nicht ganz auszuschließen ist. Die neue Heimat von Chang Tsai lag dort, wo die chinesischen Kernlande begannen, in die vom nomadischen Steppenvolk der Tanguten, einem tibetischem Stamm, bewohnten und dominierten großen Ebenen überzugehen. In ruhigen Zeiten lebten beide Be­ völkerungselemente friedlich nebeneinander, und alle profitierten vom gegenseitigen Handel und Güteraustausch; die Tanguten er­ kannten eine nominelle Oberhoheit des chinesischen Kaisers an und waren darüber hinaus bestrebt, den eigenen Staat nach chine­ sischem Vorbild zu organisieren . Demungeachtet kam es jedoch immer wieder zu mehr oder weniger koordinierten Einfällen tan­ gutischer Horden, so daß die Lage im Grenzgebiet nie ganz spannungsfrei war. 9 Bei einer solchen Atmosphäre, die sein Leben von jetzt ab bestimmte, überrascht es nicht, daß Chang Tsai be­ gann, sich mit dem Militärwesen zu befassen, und Freunde um sich sammelte, mit denen er darüber debattierte, wie der mißlichen Lage zu begegnen sei und wie man sich der Einfälle der Barbaren erwehren könne. Es kam so weit, daß eine Gefolgschaft mit dem Ziel gegründet wurde, von den Tanguten besetzt gehaltene Ge­ biete zurückzugewinnen . 1o Im Jahr 1038 erkannten die Tanguten die chinesische Oberho­ heit nicht mehr an und riefen eine eigene Dynastie aus . Der dadurch angemeldete imperiale Anspruch wurde durch massive Angriffe auf den chinesischen Nachbarn mit dem Ziel der Ausdeh9 Eine anschauliche Schilderung der Verhältnisse gibt Yasushi lnoue: Die Höhlen von Dun-huang, Frankfurt/M . 1986. 10 Nach der Biographie des Lü Ta-lin war ihm dabei ein gewisser Chiao Yin aus Pin (Shensi) ein Vorbild; nach der Biographie in SYHA liegt das Gebiet, um das es sich handelt, westlich des T'ao, eines Nebenflusses des Huangho, in Shensi .

XVI

Einleitung Friedrich Reimann ·

nung des eigenen Gebietes auf Kosten der hier herrschenden Dynastie unterstrichen. Als die ersten Versuche, dieser Bedro­ hung zu begegnen, mit schweren Niederlagen chinesischer Heere endeten, wurden Fan Chung-yen (989 - 1 052) und Han Ch'i ( 1 008 - 1 075) an die Front gesandt, um die Führung des Kampfes gegen die vordringenden Tanguten zu übernehmen . Fan Chung-yen war einer der ersten gewesen, der die ruhige Prosperität der frühen Jahre der Sung-Dynastie als trügerisch er­ kannt hatte und als Gegenmittel gegen die sich immer deutlicher abzeichnenden Probleme die tatsächliche Umsetzung der in den kanonischen Schriften überlieferten Werte, die bis dahin eine eher theoretische Verbindlichkeit besaßen, in praktische Politik emp­ fahl. Seitdem ihn seine Karriere im Jahr 1 024 zum ersten Mal in die Hauptstadt geführt hatte, machte er immer wieder durch Einga­ ben auf sich aufmerksam, in denen er Mißstände am Hofe und in der Administration anprangerte. 1 043 erhielt er vom Kaiser Jen­ tsung den Auftrag, Vorschläge zu Reformen zu unterbreiten. Zu­ sammen mit seinem Kollegen Han Ch'i arbeitete er daraufhin das berühmte Zehn-Punkte-Memorandum11 aus, welches im Inter­ esse einer effektiveren Verwaltung die Notwendigkeit einer nicht zuletzt moralisch qualifizierten Beamtenschaft betonte, ohne da­ bei jedoch umwälzende Veränderungen ins Auge zu fassen. Die Bedeutung der anschließend eingeleiteten Reformen liegt trotz der letztlich bescheidenen Inhalte darin, daß der Kaiser selbst zum ersten Mal die Notwendigkeit von Reformen offen anerkannt hatte, und daß es Ideale aus der kanonischen Tradition sein sollten, die als letzter Maßstab zu dienen hätten . Den Plänen von Fan Chung-yen war allerdings kein einschneidender Erfolg beschie­ den; denn bereits innerhalb eines Jahres wurden die Reformen aufgrund des energischen Widerstands eines großen Teils der Be­ amtenschaft wieder rückgängig gemacht.

11

Vgl. Sung-shih 3 1 4 , 10273 - 1 0274 und die Paraphrase in Franke (Hrsg.), a. a. 0., Bd. 1 , 326; vgl. ferner James T. C. Liu : »An Early Sung Reformer: Fan Chung-yen«, in: John K. Fairbank (Hrsg. ) : Chinese Thought and Institutions, Chicago 1 957, 1 05 - 1 3 1 .

Das Leben des Chang Tsai

XVII

Als die Verantwortung für die Sicherung der Nordwestgrenze Fan Chung-yen und Han Ch'i übertragen worden war, suchten beide den Erfolg zunächst auf unterschiedliche Art und Weise. Während Han ch'i eine offensive Strategie bevorzugte, die vorsah, den Gegner ins feindliche Hinterland zu verfolgen, bis man ihn stellen und zur Schlacht zwingen konnte, verlegte sich Fan Chung-yen mehr auf die Defensive und versuchte, den Feind durch ein System von Festungsanlagen und hohe Flexibilität beim Einsatz der zur Verfügung stehenden Truppen am Eindringen in chinesisches Gebiet zu hindern. Das Vorgehen von Han ch'i er­ wies sich als völlig verfehlt, doch mußte er erst eine schwere Niederlage mit immensen Verlusten erleiden, bevor er mit Fan Chung-yen nach dessen Vorstellungen zusammenarbeitete . Es war zu Beginn der vierziger Jahre, daß Chang Tsai mit dem Repräsentanten der politischen Kräfte zusammenkam, der sich für eine Wiederbelebung auch der praktischen Verbindlichkeit der ka­ nonischen Tradition einsetzte. Es ist eine eigenartige Fügung, die es gerade den Inbegriff des >>gelehrten Generals>Lehre vom Weg« genannt wurde. Darunter ist das Be­ mühen zu verstehen, allgemeine Verhältnisse zu ergründen, wel­ che die natürliche und vor allem die menschliche Wirklichkeit bestimmen, und auf Grundlage der gewonnenen Einsichten eine ideale Gesellschaft einzurichten . Hinsichtlich des Vorhabens und des Ziels dieser Bemühungen gab es wohl keine größeren Diffe­ renzen zwischen den Brüdern Ch'eng und Chang Tsai; was jedoch diese Gespräche so bedeutsam für Chang Tsai werden ließen, war der Umstand, daß er im Verlauf dieser Gespräche von den B rüdern darauf gebracht wurde, daß schon im kanonischen Schrifttum al­ lein diese Lehre vollständig enthalten sei, und man nicht auf fremde Traditionen wie etwa den Buddhismus zurückgreifen müsse.24 Diese Entdeckung sollte in der Folge zu der Überzeu­ gung führen, das wiedergefunden zu haben, was seit dem Tod des Menzius (trad . 390 - 305 v. Chr. ), der die Tradition des Konfuzius 23

Von diesen Briefen sind allerdings nur zwei überliefert, und zwar Antworten von Ch'eng I auf verlorene Schreiben von Chang Tsai mit Fra­ gen bezüglich des Studiums; vgl. Ta Heng-ch'ü hsien-sheng shu und Tsai-ta, in: Ho-nan Ch'eng-shih wen-chi 9, in ECC, Bd. 2, 596 - 597. 24 Die erste von zwei Fassungen der Biographie von Lü Ta-lin gibt an, daß Chang Tsai, nachdem er die Brüder Ch'eng getroffen hatte, seine bis­ herigen Auffassungen vollkommen verwarf. Diese wohl etwas übertrie­ bene Formulierung veranlaßte Ch'eng I zu der Äußerung, daß es zwar Gemeinsamkeiten zwischen ihm, seinem Bruder und Chang Tsai gebe, dieser aber nicht bei ihnen gelernt hätte; er selbst habe Lü Ta-lin aufgetra­ gen, die irreführenden Formulierungen zu streichen. Chu Hsi lag zusätz­ lich zur ersten auch die zweite korrigierte Fassung der Biographie vor, welche dahingehend abgeändert wurde, daß Chang Tsai »alle andersartigen Lehren verwarf«, was sich wohl auf nichtkonfuzianische Lehren bezieht; vgl. Ho-nan Ch'eng-shih wai-shu 1 1 , in ECC, Bd. 2, 4 1 4 - 4 1 5 und die im Anhang zur Biographie des Lü Ta-lin in CTC 385 wiedergegebenen Bemer­ kungen.

XXII

Einleitung Friedrich Reimann ·

fortführte, nicht mehr verstanden worden sei und deshalb verfal­ len mußte.25 Die Gespräche hatten zur Folge, daß Chang Tsai seine Vorle­ sungen zum Buch vom Einfachen mit der Aufforderung an seine Studenten abgebrochen haben soll, sie möchten ihr Studium bei den Brüdern Ch'eng fortsetzen, da er selbst noch nicht so weit gekommen sei wie diese und ihnen daher keine angemessene Inter­ pretation des Werkes vortragen könne .26 Diese Anerkennung der Ü berlegenheit seiner Neffen kommt unter anderem darin zum Ausdruck, daß er sich schon früher mit Briefen an Ch'eng I gewen­ det hatte, in denen er ihn zu Stellen aus den kanonischen Schriften befragte. Zwei Antwortschreiben seines Neffen sind erhalten . Ch'eng I hält darin seinem Onkel vor, bei den Studien zu große Anstrengungen auf Einzelfragen und Details zu verwenden, was nur Einseitigkeiten und Verzerrungen zur Folge haben könne. Das eigentliche Ziel bestehe darin, den Dingen mit größtmöglicher Offenheit zu begegnen und sie im Erkennen ganz ohne eigenes Eingreifen »licht« werden zu lassen .27 Chang Tsai kehrt danach wohl noch einmal aus K'ai-feng zu seinem Wohnort in Shensi zurück.28 Bevor er im folgenden Jahr wieder in die Hauptstadt reist, um an den Staatsprüfungen teilzu­ nehmen, wird er von dem früheren Kanzler Wen Yen-po ( 1 005 - 1 069) nach Ch'ang-an eingeladen, um an einer Schule einen Vortrag zu halten, und bei dieser Gelegenheit reich beschenkt. 29

25

Vgl. u . a. CHLK, in CTC 274 . 1 -2; darum auch spricht man von Neukonfuzianismus« . 26 Vielleicht war er bei seiner Interpretation des Buches vom Einfachen von den Spekulationen beeinflußt, die einige Buddhisten ausgehend von dieser Schrift erarbeitet hatten; daß ihm diese Spekulationen bekannt wa­ ren, dazu vgl . CHLK, in CTC 249.2. 2 7 Vgl. Anm. 23. 28 Möglicherweise war die Begegnung mit den Brüdern Ch'eng der Grund dafür, daß er nicht nur seine Vorlesungstätigkeit aufgab, sondern sogar die Hauptstadt verließ; vgl. Ho-nan Ch'eng-shih wai-shu 12, in ECC, Bd. 2, 436. 1 6 - 437.2. 2 9 Wen Yen-po war zur Erledigung einer Strafsache nach Ch'ang-an beordert worden. »

Das Le b en d e s C h an g Tsai

XXIII

IV. Die Tätigkeit im Staatsdienst Nachdem Chang Tsai im Jahr 1 057 das Reichsexamen30 abgelegt hatte, erhielt er als erste Stellung einen niedrigen Posten als Justiz­ inspektor in der Subpräfektur Ch'i südlich des heutigen Peking. Wie lange genau er diese Stellung einnahm, ist nicht bekannt, doch wird seine Versetzung als Kreisverwalter nach Yün-yen in der Sub­ präfektur Tan im mittleren Shensi aller Wahrscheinlichkeit nach vor 1 062 stattgefunden haben . Denn wohl nach dieser Versetzung kam es zu einer weiteren Begegnung mit Ch' eng Hao, der bis 1 062 im nicht weit entfernten Kreis Hu als Registrator tätig war. Chang Tsai wandte sich mit einer Schrift an Ch'eng Hao, in der er die genauere Bestimmung des »Wesens« problematisiert hatte.31 Wie­ derum ist nur die Anwort auf die Schrift erhalten, in der sich Ch' eng Hao zum Problem von Chang Tsai äußert, wie der Mensch das Ziel eines in sich gefestigten und in sich ruhenden Wesens erreichen könne, obwohl es ständig an die Dinge der äußeren Wirklichkeit gebunden sei und so in fortdauernderer Unruhe ge­ halten werde . Ch'eng Hao führt die Schwierigkeit von Chang Tsai darauf zurück, daß dieser eine tatsächlich nicht bestehende Ten­ nung von Innen und Außen voraussetze, und argumentiert dage­ gen, dieses scheinbare Innen und Außen seien immer nur zwei Aspekte, die in dem einen Wesen, das der seelisch-geistigen Tätig­ keit des Menschen ebenso wie der scheinbar äußeren Wirklichkeit zugrunde liegt, gar nicht unterschieden sind . In dem Problem von 30

In den Prüfungen dieses Jahres wurde erstmalig seit Beginn der Sung­ Zeit vom Hauptprüfer Ou-yang Hsiu ( 1 007 - 1 072) bei der Bewertung der Aufsätze der klassische Stil dem der zeitgenössischen Schriftsprache vorge­ zogen; vgl. Einleitung B. und Jo hn W. Chaffee: The Thorny Gates of Learning in Sung China, Cambridge 1 985, 69 - 70. Mit Chang Tsai bestand auch Ch'eng Hao die Prüfung, während Ch'eng I durchfiel. Beide hatten an der Hofakademie bei dem für seine neue Art der Exegese des Kanons bekannten Hu Yüan (993 - 1 059) studiert, weswegen es möglich ist, daß Chang Tsai von dessen umfangreichen Werk Kennmis gehabt hat; vgl. die entsprechenden Biographien in Franke (Hrsg.), a. a. 0. 3 1 Diese Episode wird überliefert von Yu Tso ( 1 053 - 1 123), einem wich­ tigen Schüler der B rüder Ch'eng; vgl. Yu Tso : Shu hsing-chuang hou, in: Ho-nan Ch'eng-shih i-shu fu-lu, in ECC, Bd. 1, 334 - 336, hier 334 .

XXIV

Einleitung Friedrich Reimann ·

Chang Tsai spiegelt sich möglicherweise eine noch nicht überwun­ dene vulgär-buddhistische Auffassung wieder, die, wie er es in seinen späteren Schriften heftig kritisiert, die äußere Gestaltwelt als eine die Ruhe des eigentlichen, über das Herz des Menschen sich erschließenden Wesens trübende und verwirrende Illusion auffaßt.32 Während seiner Tätigkeit als Kreisverwalter von Yün-yen soll es ihm vor allem darum gegangen sein, bei den Bewohnern des Krei­ ses das Gefühl für die sich im gesellschaftlichen Umgang der Menschen miteinander offenbarenden natürlichen Verhältnisse als im Grunde sittlicher zu erwecken und zu stärken, um so auch die mehr äußerliche Erscheinung dieser Natur in den Sitten und Ge­ bräuchen auf das ihm vorschwebende Ideal hin zu entwickeln. Ein wichtiges Element bei diesem Vorhaben waren die Kreisversamm­ lungen, zu denen er zu Beginn jeden Monats lud . Diese Veranstal­ tungen dienten der zeremoniellen Demonstration von Sittlichkeit mit gleichzeitig administrativer Funktion und hatten ihr kanoni­ sches Vorbild in den Schriften über die Sitten. Einerseits wurde bei diesen Anlässen den Gemeindeältesten durch Zutrinken gehul­ digt, um damit der Verpflichtung zum Unterhalt und zum Dienst an der jeweils älteren Generation Ausdruck zu geben; andererseits waren diese Veranstaltungen ein Forum, Probleme und Klagen der Bewohner des Kreises anzuhören, um davon ausgehend mögliche Mißstände abzustellen, wodurch wiederum der Verpflichtung der jeweils Älteren und Verantwortlichen zur Fürsorge und zum Ein­ satz für die Jugend bzw. die Schutzbefohlenen nachgekommen wurde. Hervorgehoben wird weiter die ständige Sorge von Chang Tsai darum, daß ergangene Erlasse auch tatsächlich jeden der ihm anvertrauten Bewohner des Kreises erreichten, um so sicherzu­ stellen, daß die durchaus auch pädagogisch verstandene Verwal­ tungsarbeit wirklich jedem zugute käme.33 32

Vgl. Ch'eng Hao: Ta Heng-ch'ü Chang Tzu-hou hsien-sheng shu, in: Ho-nan Ch'eng-shih wen-chi 2 , in ECC, Bd. 2, 460 - 46 1 . 3 3 Das kanonische Vorbild für solche Veranstaltungen sind die soge­ nannten »Dorf-Symposien•, wofür eine detaillierte Beschreibung des Ze­ remoniells in einem Kapitel der Formalen Sitten vorliegt; vgl . die Ü berset­ zung vonlohn Steele: The I - Li, 2 Bde . , London 1 9 1 7, Bd. 1, 5 1 - 73 .

Das Leben des Chang Tsai

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Zusätzlich widmete Chang Tsai sich auch weiterhin seiner Vor­ tragstätigkeit. Bekannt ist, daß er auf Einladung des Gelehrten und Beamten Wang T'ao ( 1 020 - 1 080)34 Vorlesungen in der Prä­ fekturschule veranstaltete, wodurch er viele neue Anhänger ge­ wann. Die >>Tugend« soll als Thema im Mittelpunkt dieser Lehr­ veranstaltungen gestanden haben, nach dem Verständnis von Chang Tsai die Sittlichkeit begründende natürliche Kraft, die der einzelne aus sich heraus in der Gesellschaft zu verwirklichen habe. Die Möglichkeiten dazu schätzte Chang Tsai allerdings wie viele seiner Zeitgenossen und Weggefährten unter der herrschenden Dynastie nicht sehr optimistisch ein, wie die Äußerung von ihm zeigt, daß man sich weniger um die Staatsprüfungen und die sich damit eröffnende Beamtenlaufbahn, als vielmehr um die in den kanonischen Schriften enthaltene Wahrheit bemühen solle .35 Wohl gegen Anfang der sechziger Jahre wird Chang Tsai von Yün-yen nach Westen in das von den Tanguten verunsicherte Grenzgebiet versetzt, wo er als Leiter der Militärverwaltung der in der Nähe seines Wohnsitzes Heng-ch'ü gelegenen Subpräfektur Wei tätig wird . Von seinem großen Einsatz auch in militärischen Angelegenheiten zeugen noch einige Schriften, die er wahrschein­ lich anläßlich der Amtsübernahme des neuen Militärgouverneurs und Generals von Wei, Ts'ai T'ing ( 1 0 14 - 1 079), im Jahr nach der Thronbesteigung durch Kaiser Shen-tsung (reg. 1 067 - 1 085) ver­ faßt hat. Unter anderem entwickelt er in ihnen ein detailliertes Programm zur Organisation der Verteidigung gegen die Tanguten, wobei er das defensive Konzept von Fan Chung-yen fortführt und die bestmögliche Vorbereitung der Bevölkerung innerhalb und außerhalb der Befestigungsanlagen sowie ein Milizsystem zur Entlastung der regulären Truppen vorschlägt. Darüberhinaus un­ terbreitet er dem General Vorschläge, welche Verhandlungsposi­ tionen dem 1 067 an die Macht gekommenen neuen Herrscher der Taoguten gegenüber eingenommen werden sollten. Er tritt dafür ein, die neue Situation zu nutzen, um einen friedlichen Ausgleich und Zugeständnisse seitens der Taoguten anzustreben; die Wie3< 35

Vgl. die Biographie in Sung-shih 329, 1 06 1 0 - 10612. Vgl. YL, in CTC 329.

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Einleitung Friedrich Reimann ·

derbelebung des Handels im Grenzgebiet werden ebenso wie Fragen des Austausches von Ü berläufern in die Ü berlegungen ein­ bezogen .36 V. Die Berufung an den Hof Die Tätigkeit in der Präfektur Wei findet ihren Abschluß im Jahr 1 069, als der neue Kaiser Shen-tsung gerade im dritten Jahr die Regierungsgeschäfte leitete. Mit seinen einundzwanzig Jahren war dieser von großem Reformeifer beseelt. Die Notwendigkeit von Reformen im administrativen Bereich war immer dringlicher ge­ worden, um der Belastung des Staatshaushaltes durch gesunkene Steuereinnahmen und drastische Erhöhungen der Militärausgaben zur Finanzierung der Auseinandersetzungen mit den Steppenvöl­ kern im Norden zu begegnen. Auf Empfehlung seines Erziehers hatte sich Shen-tsung mit den Schriften des Wang An-shih ( 1 02 1 - 1 086) befaßt und war zu der Auffassung gekommen, daß die darin entwickelten Ideen zur Bewältigung der Krise beitragen könnten, nicht zuletzt auch deshalb, weil der gute Ruf, den sich der Verfasser in der lokalen Verwaltung erworben hatte, schon bis an den Hof gedrungen war. Als er Wang An-shih persönlich ken­ nenlernte, war er von dessen Art und seiner außergewöhnlichen Belesenheit so beeindruckt, daß er ihn nach kurzer Zeit zum Vize­ kanzler ernannte und mit der Durchführung der ins Auge gefaßten Reformen betrauteY Wang An-shih gab zentral gelenkten Maßnahmen den Vorzug, er plante eine Reform von oben, die die Lage der Bauern vor allem auf Kosten der G rundbesitzer und der priviligierten Beamten­ schaft verbessern sollte . Durch die unterschiedliche Beurteilung

36

Zur Biographie von Ts'ai T'ing vgl. Sung-shih 328, 10575 - 10578. Die Schriften von Chang Tsai finden sich in CTC 356- 365; es handelt sich dabei um insgesamt vier Texte: 1. Pien-i (356 - 359), 2. Yü Ts'ai-shuai pien­ shih hua i (359 - 3 6 1 ) , 3. Ching-yüan-lu ching-lüeh-ssu lun pien-shih chuang (361 - 363), 4. Ching-lüeh-ssu hua i (363 - 365). 37 Zu Wang An-shih vgl. James T. C . Liu: Reform in Sung China: Wang An-shih ( 1 02 1 - 1 086) and His New Policies, Cambridge/Mass. 1959.

Das Leben des C h ang Tsai

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der im Zuge des Reformprogrammes eingeleiteten Maßnahmen tat sich in der ohnehin seit Jahren in Kämpfe um Macht und Einfluß verwickelten Beamtenschaft ein neuer Riß auf.38 Gegen Wang An­ shih und seine Proteges, die >>Neue Partei«, formierten sich die Beamten, die um ihre Privilegien fürchteten oder denen die Refor­ men zu radikal erschienen, als die »Alte Partei«, zu der neben den Brüdern Ch'eng und dem Bruder von Chang Tsai, Chang Chien, als bedeutendster Vertreter vor allem Ssu-ma Kuang ( 1 0 1 9 - 1 086) gehörte . 39 Das im Mittelpunkt der Kritik stehende Vorhaben einer radikalen Reform von oben war auch ein Anlaß für eine Auseinan­ dersetzung, die sich zwischen Wang An-shih und Chang Tsai ereignen sollte, welche jedoch letztlich in einer in entscheidenden Punkten völlig voneinander abweichenden Auffassung von der ka­ nonischen Tradition wurzelte.40 Chang Tsai war im Zusammenhang mit den Bemühungen, viele fähige Beamte für die Mitarbeit am Reformprogramm zu gewin­ nen, am 2 8 . September 1 069 durch den hohen Beamten und Anhänger der Alten Partei Lü Kung-chu ( 1 0 1 8 - 1 089) am Hof empfohlen worden. 41 Bei der Audienz, die ihm dann etwa zwei Die wichtigsten dieser Parteikämpfe, welche sich an zeremoniellen Fragen entzündet hatten, waren: die Kontroverse in der Folge des Versto­ ßes der Kaiserin Kuo durch Kaiser Jen-tsung im Jahr 1 033, die Kontroverse um die korrekte Regelung der zeremoniellen Anreden bei Trauer- und Opferfeierlichkeiten für den leiblichen Vater P'u-wang (995-1 059) von Kaiser Ying-tsung (reg. 1 063- 1 067) einerseits und dessen Vorgänger Jen­ tsung andererseits; vgl. die entsprechenden Biographien in Franke (Hrsg. ), a. a. O . 3 9 Hierbei spielten auch regionale Unterschiede eine Rolle: Wang An­ shih und seine Anhänger waren homines novi aus dem Süden, während die Vertreter der Alten Partei meist aus dem Norden stammten, vgl . Liu, a. a. O . 4° Für die politischen Vorstellungen beider waren besonders wichtig die Sitten der Chou und das Buch Menzius, welche sie aber in wichtigen As­ pekten verschieden auslegten . 1073 wurde eigens ein Amt eingerichtet, um die neue Politik auch kanonisch abzusichern; unter Aufsicht von Wang An-shih wurden neue Kommentare zum Buch der Lieder, zum Buch der Urkunden und zu den Sitten der Chou verlaßt, die ab 1 075 für die Prüfun­ gen verbindlich waren, vgl. das Vorwort in Ch'iu Han-sheng: Wang An­ shih Shih-i kou-ch'en, Peking (Chung-hua) 1982, I-XXVIII, hier I I . 4 t Vgl. SHYCK 4747/ 1 . 38

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Einleitung Friedrich Reimann ·

Monate später gewährt wurde, befragte ihn der Kaiser nach seinen Vorstellungen zu dem Reformprogramm. Chang Tsai trug diesem daraufhin seine Vorschläge zur Lösung der administrativen Pro­ bleme vor, die eine schrittweise Rückkehr zu dem System beinhal­ teten, wie es in seinen Augen zuletzt unter der Westlichen Chou­ Dynastie (ca. 1050- 771 v. Chr. ) praktiziert worden war. Dabei bildeten zwei Aspekte den Schwerpunkt: einmal eine von kleinen Einheiten, den »Brunnenfeldern« , ausgehende Neuverteilung und Besteuerung der Anbauflächen, die jedoch keine umwälzende Veränderung der bestehenden Vermögensverhältnisse bedeuten sollten, und zweitens eine damit in engem Zusammenhang ste­ hende Gliederung des Reiches in kleinere, relativ unabhängige »Lehen«, um so die Nachteile eines unflexiblen, zentral gelenkten Systems zu vermeiden .42 Schon in diesem Ietzen Punkt wich die Auffassung von Chang Tsai entscheidend von derjenigen des Vizekanzlers ab, doch die Unvereinbarkeit der Standpunkte ergab sich wohl eher aus Fol­ gendem . Chang Tsai kam alles darauf an, den einzelnen Menschen für mögliche Reformen zu gewinnen . Er war der festen Ü berzeu­ gung, daß ausgehend von dem an sich sittlichen Wesen des Men­ schen eine harmonische, funktionierende Gesellschaft aufgebaut werden könne, wenn nur j edem Einzelnen die Möglichkeit gege­ ben werde, dieses Wesen in sich freizulegen und ihm entsprechend zu leben, daß jedoch den Betroffenen zur bloßen Organisation des Ganzen aufgezwungene Gesetze niemals die erhoffte Wirkung er­ zielen könnten . Die Aufgabe des Kaisers und der von ihm einzu­ setzenden Lehnsträger und der Beamtenschaft sah Chang Tsai in dem durch diese darzustellenden Vorbild einer von dem sittlichen Wesen ausgehenden Lebensführung.43 Der Kaiser verschloß sich den Vorstellungen von Chang Tsai nicht und beabsichtigte, ihn bei den Reformen mitarbeiten zu las42

Die ausführlichste Darstellung der diesbezüglichen Vorstellungen von Chang Tsai finden sich in CHLK, in CTC 248 - 255; vgl. auch Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 10, in ECC, Bd. 1 , 1 1 0. 1 1 - 1 1 1 . 1 1 ; vgl. zusätzlich den Kommentar zu Kapitel XIII. 43 Zum Vorbild für diese Vorstellungen bei Menzius 4 a 1 vgl. Kapitel XIII.

Das Leben des Chang Tsai

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sen. Er schlug ihm vor, sich an den täglichen Beratungen der beiden höchsten Organe des Reiches zu beteiligen, des für militä­ rische Angelegenheiten zuständigen Geheimen Staatsrates und der an der Spitze des Verwaltungsapparates stehenden Reichskanzlei . Chang Tsai erbat sich zunächst eine Frist, während der er sich mit den Prinzipien der neuen Politik vertraut machen wolle, was ihm der Kaiser auch zugestand . Einige Tage später kam es zu einem Gespräch mit Wang An-shih, in dem dieser Chang Tsai bat, an der Durchführung des Reformprogrammes aktiv mitzuwirken . Chang Tsai konnte jedoch aus seiner Abneigung gegen die Politik und wohl auch gegen die Person von Wang An-shih keinen Hehl machen und entgegnete auf das Angebot, nur wenn man vom Gu­ ten im Menschen, dem sittlichen Wesen ausgehe und ihn von daher gewinnen könne, würde sicherlich jeder sein Letztes für das Wohl des Reiches einsetzen . Wang An-shih wolle den Menschen jedoch nur im Interesse einer von ihm erhofften Effektivität Gesetze auf­ erlegen, was nichts anderes sei als einen Jadeschleifer darüber zu belehren, wie er seine Jade zu bearbeiten habe. Die Reaktion von Wang An-shih auf die mit einem Menzius-Zitat ( 1 b9) formulierte Ablehnung seines Angebotes wird als eisiges Schweigen beschrie­ ben, welches seinen Ä rger kaum verbarg. Am 2 5 . Dezember 1 069 wurde Chang Tsai zum Textprüfer in der kaiserlichen Bibliothek ernannt. Als er diesen Posten ablehnte, wurde ihm kein Dispens gewährt, sondern er erhielt statt dessen den neuen Auftrag, eine sich schon länger hinziehende Strafsache im weit von der Hauptstadt entfernten Chekiang zu regeln.44 Am 7. Januar 1 070 setzten sich u. a. sein Mentor Lü Kung-chu und sein Neffe Ch'eng Hao, der zu dieser Zeit das Amt eines Zensors inne­ hatte, für ihn ein, indem sie Eingaben an den Thron verfaßten, in denen sie um Aufhebung der Verfügung mit der Begründung er­ suchten, daß ein Mann, der gerade aufgrund seiner herausragen­ den Gelehrsamkeit und Integrität an den Hof berufen worden sei, nicht ausgerechnet auf einen solchen Posten abgeschoben werden könne . Wang An-shih äußerte sich dazu mit der Arroganz, die ihm Vgl. SHYCK 2767/1 ; zur Strafsache vgl. Sung-shih 200, 4997 - 4998; vgl . zusätzlich Eichhorn, a. a. 0., 6. 44

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Einleitung Friedrich Reimann ·

schon viele Feinde verschafft hatte, wenn Chang Tsai tatsächlich diese Qualitäten besitze, sei doch gerade er für die aufgetragene Aufgabe wie geschaffen .•s Als Chang Tsai nach Erledigung der Angelegenheit etwa ein halbes Jahr später in die Hauptstadt zurückkehrte, mußte er erfah­ ren, daß es auch zwischen seinem Bruden Chang Chien und Wang An-shih zu einer Auseinandersetzung gekommen war. Chang Chien war als Zensor in der gleichen Behörde wie Ch'eng Hao tätig gewesen und hatte sich im Kampf gegen die Reformen neben anderen Mitgliedern der Alten Partei besonders exponiert, da er mehrfach die Aufhebung der Reformgesetze gefordert hatte. Im Verlauf einer diesbezüglichen Beratung war es dann am 7. Juni 1 070 zu einem Eklat gekommen, und Chang Chien hatte sich Wang An-shih gegenüber zu einer despektierlichen Bemerkung hinreißen lassen, die seine Strafversetzung in die Lokalverwaltung zur Folge gehabt hatte. 46 Als Chang Tsai davon hörte, verließ ihn jede weitere Bereitschaft, bei der Durchführung der neuen Politik mitzuwirken . Er nahm eine Krankheit zum Anlaß, sich beurlau­ ben zu lassen, und kehrte schließlich zu seinem Wohnsitz in Shensi zurück. VI . Rückzug aus der Politik und Vollendung des Lebenswerks Heng-ch'ü am Fuß des Chung-nan-Gebirges war nur eine kleine und zudem sehr abgelegene Ansiedlung. Zur Versorgung der Be­ wohner stand nur eine sehr beschränkte Anbaufläche zur Verfü­ gung, deren Ertrag in normalen Jahren gerade die Sicherung des Lebensunterhaltes gewährleistete. Die Verhältnisse, in denen Chang Tsai hier lebte, müssen wohl als dürftig bezeichnet werden, was ihn jedoch nicht davon abgehalten haben soll, sich gerade in Die Eingaben finden sich in SHYCK 6596/2; vgl. auch Ch'eng Hao : Ch'i liu Chang Tsai chuang, i n : Ho-nan Ch'eng-shih wen-chi I , i n ECC, Bd. 2, 456; die Äußerung von Wang An-shih schreibt SHYCK an gleicher Stelle im Gegensatz zur Biographie des Lü Ta-lin dem Kaiser zu . 46 Vgl. u. a. SHYCK 4844/4 und 4849/2 ; HTCTCCP 2 1 0 : 8 a und 2!0:12 b - 13 b. 45

Das Leben des Chang Tsai

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schlechten Zeiten um die Linderung der Not seiner Mitbewohner zu bemühen . Nach Aussage eines seiner Schüler muß er unmittelbar nach seiner Rückkehr mit der Arbeit an seinem Lebenswerk Rechtes Auflichten begonnen haben . Die Intensität, mit der er sich dieser Aufgabe widmete, läßt sich aus Berichten ersehen, nach denen er ganze Tage seine Arbeitsstätte nicht verließ und denkend und schreibend über seinen Büchern saß . Er konnte bis tief in die Nacht hinein tätig sein und erst Ruhe finden, wenn er eine Frage, die ihn beschäftigte, gelöst hatte. Bisweilen erhob er sich nachts wieder von seinem Lager, um neue Gedanken zu formulieren Y Die letzten Jahre seines Lebens, die er fast ausschließlich in Heng-ch'ü verbrachte, werden in seiner Biographie als vollkom­ mene Verschmelzung von Leben, Lernen und Lehren geschildert. Im Fall von Chang Tsai bedeutet das natürlich vor allem die Aus­ richtung seines Lebens an den kanonischen Schriften, in denen die sittlichen Grundsätze für eine ideale Lebensführung als »Lehre vom Weg« enthalten sind . Seine Biographie läßt in verschiedenen Hinsichten eine gewisse Nähe zu der des Konfuzius erkennen, so daß zusammen mit einigen anderen Äußerungen, die sich in sei­ nem Werk finden, der Eindruck entsteht, daß er in Konfuzius den idealen Menschen sah, mit dem er sich immer mehr zu identifizie­ ren versuchte . So scheute er sich nicht, sein Leben in Heng-ch'ü ganz an diesem Ideal auszurichten. Von den anderen Mitgliedern der Gemeinde zunächst belächelt und verspottet wurde seine strikte Einhaltung der Trauer- und Opfervorschriften; er brachte es jedoch dahin, daß ihm immer mehr darin folgten und die Beleh­ rung durch sein Vorbild annahmen . So war ihm innerhalb des bescheidenen Rahmens der Gemeinde doch einige Genugtuung beschieden, seine Vorstellungen in die Wirklichkeit umsetzen zu können . Der Plan, mit seinen Schülern ein Stück Land zu kaufen Vgl. neben der Biographie des Lü Ta-lin auch CTYL 99:2532 . 1 1 - 1 3 ; nach Aussage seines Schülers Fan Yü hat Chang Tsai sieben (nach unserer Rechnung sechs) Jahre an dem Werk gearbeitet; da er es im Jahr 1 076 seinen Schülern überreichte, muß er gleich nach Rückkehr aus der Hauptstadt mit der Arbeit begonnen haben, vgl. das Vorwort des Fan Yü in CTC 4 - 6, hier 4.2. 47

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Einleitung Friedrich Reimann ·

und es nach dem »Brunnenfeldsystem« zu verwalten, ließ sich allerdings nicht durchführen. Vor allem im Umgang mit den Schü­ lern soll er jedoch auf der Einhaltung der überlieferten Sitten bestanden haben, die diesen den erforderlichen Rückhalt und die notwendige Festigkeit gerade zu Beginn des Weges des Lernens geben sollten.48 Kann Chang Tsai auch hier in Heng-ch'ü einige seiner Ideen durchsetzen, reichen seine eigentlichen Intentionen jedoch sehr viel weiter, wie ein gerne zitiertes Motto von ihm besagt: »Für Himmel und Erde das Streben ausrichten und für das gebärende Volk den Weg einrichten ! Für die früheren Berufenen ihre verges­ sene Lehre fortführen und für zehntausend Generationen den Großen Frieden stiften ! «49 Doch er hatte sich nach der Auseinan­ dersetzung mit Wang An-shih vom Hof zurückziehen müssen, da er dort keine Möglichkeit zu wirken mehr sah, und es erfüllte ihn wohl auch ein Mißtrauen gegenüber der Legitimität der Dynastie, unter der er lebte . Zu einschneidend waren die vielen Verstöße gegen das in den Schriften überlieferte Bild vom wahren Herr­ scher: die nicht ohne blutige Auseinandersetzungen abgegangene Machtergreifung des ersten Kaisers T'ai-tsu; die Thronübernahme durch T'ai-tsung (reg. 976 - 997), der nicht sein Sohn, sondern der Bruder war; die Durchführung des Feng-shan-Opfers durch Kai­ ser Chen-tsung 1 008; der Verstoß der legitimen Kaiserin durch den vierten Kaiser Jen-tsung; und nicht zuletzt die Berufung von Wang An-shih an die Spitze der Regierung durch Kaiser Shen­ tsung. Alle diese Ereignisse hatten zu Parteiungen und zu heftigen Streitigkeiten in der Beamtenschaft geführt und wohl auch das Vertrauen von Chang Tsai in die Dynastie erschüttert. 50 Dennoch hatte er vielleicht noch nicht ganz resigniert. In einer melancholischen Betrachtung des Widerspruchs zwi­ schen seiner Situation in Heng-ch'ü und seinen Hoffnungen sieht 48 49 50

Zu seinen Schülern vgl. Anm. 1 79 . Vgl. Y L , i n CTC 320 . 1 4 . Vgl. Anm. 3 8 ; zum Feng-shan-Opfer vgl. Helwig Schmidt-Glintzer: »Die Manipulation von Omina und ihre Beurteilung bei Hofe - Das Bei­ spiel der Himmelsbriefe Wang Ch'in-jos unter Chen-tsung (regierte 998 - 1 023)«, in: Asiatische Studien 35 ( 1 9 8 1 ), 1 - 14 .

Das Leben des Chang Tsai

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er drei historische Gestalten, deren beharrliches Festhalten am als richtig erkannten Weg schließlich auf die eine oder andere Weise ihre Erfüllung fand . Er vergleicht sich mit Chu-ko Liang (1 8 1 - 234), der vom späteren Herrscher des Staates Shu (22 1 263), Liu Pei ( 1 6 1 - 223), »entdeckt« wurde und daraufhin sein Talent zur Entfaltung bringen konnte; er denkt an das Haus der Chou, das sich in einem Gebiet nicht weit von Heng-ch'ü entfernt aus bescheidensten Anfängen heraus zur mächtigen, traditions­ stiftenden Dynastie entwickelt hatte . Und auch Konfuzius er­ scheint in dieser Betrachtung: Ihm war es trotz seiner Vorbild­ lichkeit nicht zuteil geworden, als Herrscher den Weg in der Welt einzurichten; er hatte auf der anderen Seite jedoch durch sein vor­ bildliches Leben und seine Lehren die Grundlage dafür geschaf­ fen, daß der Weg nach langer Zeit der Vergessenheit von Chang Tsai wieder erkannt worden war. S I In diese Jahre der Zurückgezogenheit fällt der Tod seines Bru­ ders Chang Chien am 6. April 1 076 . Der ungebrochene Wider­ stand gegen die Politik des Hofes hatte schließlich dazu geführt, daß er zur Jahreswende 1074/75 mit anderen Vertretern der Alten Partei degradiert und in der Folge endgültig in die lokale Verwal­ tung abgeschoben worden war. Zuletzt war er als Forstaufseher in der Präfektur Feng-hsiang tätig gewesen, zu der auch Heng-ch'ü gehörte. Chang Chien hatte ähnliche Ideale wie sein Bruder ange­ strebt und vielleicht noch energischer als dieser versucht, sie zu verwirklichen. Sein Tod muß Chang Tsai tief erschüttert haben, was die von ihm verfaßte Grabinschschrift bezeugt. 52 Nicht viel später wurden am 25. Juni 1 076 dem Großvater Chang Fu post­ hum sämtliche Ehrentitel aberkannt, ohne daß sich allerdings der Grund dafür bisher in Erfahrung bringen ließe. 53 Gegen Ende des Jahres 1 076 erreicht Chang Tsai die Nachricht von der erneuten und diesmal wohl endgültigen Demissionierung von Wang An-shih, die wegen des zu groß gewordenen Druckes seiner Gegner nicht mehr zu umgehen gewesen war. Vielleicht ist 5t 52 5>

Vgl. CHLK, in CTC 290-291 . Vgl. den Text in CTC 366 - 367. Vgl. SHYCK 3853/1 .

XXX IV

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es kein Zufall, wenn für den Herbst des gleichen Jahres berichtet wird, daß Chang Tsai auf einen Traum hin seinen Schülern das Rechte Auflichten überreichte, an dessen Vollendung er die letzten Jahre gearbeitet hatte; möglicherweise war die Absicht der Her­ ausgabe zu diesem Zeitpunkt, sich und seine Lehre von neuem bei Hof zu empfehlen . Chang Tsai wurde tatsächlich noch einmal auf Empfehlung des hochrangigen Vertreters der Alten Partei Lü Ta-fang ( 1 027 - 1 097) am 3. April 1 077 an den Hof zurückgerufen . Der Weg in die Hauptstadt führte ihn über Lo-yang, wo er am Krankenbett von Shao Yung ( 1 0 1 1 - 1 077), der am 27. Juli des gleichen Jahres sterben sollte, mit Ssu-ma Kuang und den Brüdern Ch'eng zusammen­ kam .54 In K'ai-feng trat man ihm zwar allenthalben sehr respekt­ voll entgegen, jedoch ist es wahrscheinlich, daß man ihn eher als Sonderling mit merkwürdigen Vorstellung ansah. Man nahm seine allgemein bekannten Kenntnisse in den kanonischen Schriften zum Anlaß, ihn im Hofopferamt einzusetzen . Die Beamten dieser Behörde achteten schon lange nicht mehr auf die Durchführung der vielen Zeremonien in ihrer strengen Form, sondern es wurde das vollzogen, was zwar oft diskutierte, aber immer weniger am Kanon selbst überprüfte Tradition geworden war. Dem Einwand des Chang Tsai, alles müsse im Einklang mit den entsprechenden Schriften durchgeführt werden, begegnete man mit dem Argu­ ment, daß sich die Zeiten eben änderten, und sich deshalb auch bei den Zeremonien zwangsläufig Änderungen ergeben müßten . Chang Tsai konnte letztendlich wohl keinen Einfluß mehr aus­ üben, was unter anderem auch daran gelegen haben mag, daß der Ü ber die Begegnung von Chang Tsai mit Shao Yung (vgl. Anm . 1 8) berichtet der Sohn von letzterem, vgl. Shao Po-wen: Shao-shih wen-chien­ lu, Peking (Chung-hua) 1 983, 1 60 - 1 6 1 ; für eine ausführlichere Wieder­ gabe der bei dieser Gelegenheit geführten Gespräche vgl . die Biographie von Shao Yung in SYHA 9:208 - 209; vgl. auch ein Gedicht, das Chang Tsai anläßlich dieser Begegnung verfaßt hat: Shih-shang Yao-fu hsien-sheng chien-chi Po-ch'un Cheng-shu, in CTC 270; für das enge Verhältnis, das wahrscheinlich zwischen Ssu-ma Kuang und Chang Tsai bestanden hat, spricht auch, daß jener mindestens ein Gedicht in Trauer um Chang Tsai verfaßt hat, vgl . Ssu-ma Kuang: Yu ai Heng-ch'ü shih, in CTC 3 8 8 . 54

Das Leben des Chang Tsai

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leitende Kopf der Neuen Partei zwar zurückgetreten war, die Grundlinien seiner Politik jedoch noch nicht aufgegeben worden waren, da seine Vertrauten noch die entscheidenden Ämter besetz­ ten. So nahm er am 3. April 1 077 eine Krankheit zum Anlaß, um wegen der mangelnden Übereinstimmung mit den anderen Beam­ ten der Behörde sein Amt niederzulegen und sich ein weiteres Mal auf den Heimweg nach Heng-ch'ü zu machen. 55 Auf der Rückreise begegnet er in Lo-yang noch einmal seinen beiden Neffen Ch'eng Hao und Ch'eng I. Aus den von einem Schüler aufgezeichneten Gesprächen geht hervor, daß er zu die­ sem Zeitpunkt wohl endgültig resigniert hatte. Er berichtet, wie man ihm in K'ai-feng alle Wirkungsmöglichkeiten entzogen hatte, und er schließlich nur noch mit der Verleihung von Ehrentiteln und der Organisation von unbedeutenden Angelegenheiten be­ schäftigt gewesen war. Seine Hoffnung bestand nur noch darin, daß sein Werk von jemandem gelesen würde, der die darin entwik­ kelten Ideen zu neuem Leben erwecken und vielleicht den Weg wieder erkennen könne. 56 Auf der anschließenden Weiterreise verschlimmert sich uner­ wartet die Krankheit, die ihn in K'ai-feng befallen hatte, und er starb, noch bevor er seinen Wohnsitz erreicht hatte, während eines Aufenthaltes in Lin-t'ung östlich von Ch'ang-an am 9. Januar 1 078 . Sein plötzlicher Tod verhinderte es, daß er noch einmal zu seinen Schülern sprechen konnte. Am Tag seines Todes befand sich nur ein Neffe in seiner Begleitung, und erst am folgenden Tag konnten diejenigen seiner Schüler, die sich in Ch'ang-an aufhiel­ ten, nach Lin-t'ung eilen, um seinen Tod zu beklagen und seine Bestattung in Heng-ch'ü zu organisieren . Er selbst hinterließ kei­ nen ausreichenden Besitz, aus dem die Mittel hätten aufgebracht werden können, sondern seine Schüler mußten dafür aufkommen. Erst als er etwa zwei Monate später auf Fürsprache verschiedener Vgl. HTCTCCP 283 : 1 1 a; diese Quelle spricht als einzige davon, daß Chang Tsai wegen mangelnder Ü bereinstimmung mit den anderen Beam­ ten der Behörde seines Amtes »enthoben« worden sei. 56 Die Gespräche von Chang Tsai mit den Brüdern Ch'eng wurden von seinem Schüler Su Ping aufgezeichnet; vgl. dessen Lo-yang i-lun, in: Ho­ nan Ch'eng-shih i-shu 10, in ECC, Bd. 1, 1 1 0 - 1 1 6 . 55

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Einleitung Michael Friedrich ·

Beamter mit der Hälfte seines letztenq Gehaltes für das Begräbnis geehrt wurde, konnte sein Leichnam neben der Grabstätte seines Vaters beigesetzt werden. Chang Tsai hinterließ seine Frau, die einer Familie Kuo aus Nan-yang (Honan) angehörte, und seinen noch unmündigen Sohn Chang Yin . Die Schüler Chang Tsais setzten sich dafür ein, daß ihrem da­ hingeschiedenen Lehrer der offizielle Ehrentitel »Meister des Lichts und der Wahrheit« verliehen werde; ihre Eingaben blieben jedoch erfolglos . 57 Erst 142 Jahre später, im Jahre 1220, wurde Chang Tsai ein minderer Ehrentitel verliehen; 1241 wurde er als »Markgraf von Mei (Shensi)« in den Konfuziuskult eingeschlos­ sen; 1530 wurde der Ehrentitel geändert in »Früherer Schriftge­ lehrter Meister Chang « . 58 Einem der Vorworte zu seinen gesam­ melten Schriften zufolge, wurde er noch 1 8 70 in einem Tempel in Feng-hsiang verehrt, der von einem seiner Nachkommen betreut wurde. 59 Seit Anfang der neunziger Jahre dieses Jahrhunderts wird sein Tempel in Heng-ch'ü restauriert, der zuvor als Schule gedient hatte. B . Sprache und Stil des Werks Der Stil, in dem Chang Tsai das Rechte Auflichten verfaßt hat, orientiert sich an einer Sprache, die seit etwa tausend Jahren nicht mehr gesprochen wurde. Da die Besonderheiten dieses Stils in einem sachlichen Bezug zu dem Werk und damit zu der hier vor­ gelegten Übersetzung stehen, folgen einige Hinweise zu der Spra­ che des Rechten Auflichtens und ihren Voraussetzungen .

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Wortführer der Schüler war offenbar Chang Shun-min (etwa 1 034 etwa 1 1 10), vgl . Sun Meng: Chün-chai tu-shu chih chiao-cheng, Shanghai (Shang-hai ku-chi) 1 990, 45 1 ; zur Ablehnung vgl. den diesbezüglichen Brief von Ssu-ma Kuang in CTC 387-3 8 8 . 5 8 Vgl. die Biographien i n Sung-shih und SYHA; zur Ä nderung des Ehrentitels vgl . Feng Ts'ung-wu: Kuan-hsüeh pien, Peking (Chung-hua) 1 987, 5 . 8- 1 0 . 5 9 Vgl. das Vorwort von Li Shen i n CTC 398-400, hier 398 . 1 4 - 399. 1 .

Sprache und Stil

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I . Zur Geschichte der chinesischen Sprache60 Die chinesische Sprache liegt typologisch in der Mitte zwischen den nichttonalen polysyllabischen Sprachen Nordasiens und den tonalen monosyllabischen Südostasiens . Sie gehört zur sinotibeti­ schen Familie, scheint sich aber bereits früh von ihr getrennt zu haben, da nur noch in einem geringen Teil des Grundwortschatzes Verwandtschaft festzustellen ist. 1. Die ältesten Zeugen der Sprache sind Orakeltexte auf Schild­ krötenpanzern und Knochen aus der Zeit von etwa 1250 bis 1 000 v. Chr. ; sie verwenden schon Vorläufer der noch heute gebräuch­ lichen Schriftzeichen. Für die folgende Zeit bis etwa SOO v. Chr. stellen neben Inschriften auf Sakralgefäßen drei kanonische Texte die wichtigsten Quellen dar: das Buch vom Einfachen (in Teilen), das Buch der Urkunden (in Teilen) und das Buch der Lieder.61 Wenn auch die überlieferten Texte aus verschiedenen Zeiten und Gegenden stammen, bieten sie doch genügend Material, um die Grundzüge eines Lexikons und einer Grammatik des vorklassi­ schen Chinesisch zu rekonstruieren, dessen Aussprache allerdings unbekannt ist. 62 Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung beginnen und enden die häufig einsilbigen Wörter oft mit Konsonantenballun­ gen, in denen man Affixe oder Enklitika vermutet, welche die Bedeutung des Stammes modifizieren . In Analogie vor allem zum Tibetischen ist in einigen Fällen bereits der Nachweis der Funktion solcher Affixe gelungen .63 Es ist nicht auszuschließen, daß die chinesische Sprache zu dieser Zeit noch keine Töne kannte . Zur 60 Vgl. zum Folgenden Jerry Norman: Chinese, Cambridge 1 98 8 , vor allem 1 - 57, 83 - 1 1 0 sowie die dort angegebene Literatur; als Ergänzung immer noch brauchbar ist R. A. D. Forrest: The Chinese Language, Lon­ don 3 1 973 . 61 Vgl. zu den hier und im Folgenden erwähnten kanonischen Texten Einleitung C. IV. 62 Vgl. Axel Schuessler: A Dictionary of Early Zhou Chinese, Hono­ lulu 1 98 7. 63 Vgl. Ulrich Unger: Beiträge zur Indosinistik und zur Erforschung des Altchinesischen, Münster 1 99 1 .

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Einleitung Michael Friedrich ·

klassischen Sprache bestehen deutliche Unterschiede sowohl im Vokabular als auch in der Wortstellung. 2. Die klassische Sprache64 (5 . - 3 . Jh . v. Chr. ) ist in den Gesprä­ chen des Konfuzius, dem Buch Menzius und einer Reihe von anderen überlieferten Texten greifbar. Die Quellen erlauben Rückschlüsse auf den Sprachwandel und auf dialektale Besonder­ heiten . Die vorklassische Morphologie ist noch vorhanden, doch verarmt die Sprache in der klassischen Periode lautlich immer mehr, so daß an ihrem Ausgang viele Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung und ursprünglich unterschiedlicher Aussprache ähn­ lich oder sogar gleich lauten . Vielleicht auch darum nimmt seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert die Zahl der sogenannten Synonym-Komposita zu, die einen Begriff nicht mehr durch ein Wort, sondern durch die Koordination von zwei sinnverwandten ausdrücken. 3 . Die weitere Entwicklung der Sprache führt dazu, daß wohl seit der Zeitenwende die Umgangssprache von den Gebildeten als vulgär empfunden wird und kaum noch in ihren Werken zu finden ist. 65 So trennt sich die geschriebene Sprache von der gesproche­ nen, und es entsteht die Schriftsprache im engeren Sinne, welche zunächst noch an klassische Traditionen anknüpft, sich aber schon bald nach eigenen Gesetzen weiterentwickelt. Sie hat zwar die Verbindung zur Umgangssprache nie ganz verloren, doch gewinnt in ihr die Schrift als Zeichensystem eine relative Unabhängigkeit vom gesprochenen Wort. 66 64 In der Sprachwissenschaft machen archaisches und klassisches Chi­ nesisch zusammen die Periode des Altchinesischen aus; vgl . zu letzterem Ulrich Unger: Einführung in das Klassische Chinesisch, 2 Bde . , Wiesba­ den 1 985, hier vor allem die »Exkurse« in Bd. 2 sowie ders . : Glossar des Klassischen Chinesisch, Wiesbaden 1989. 6 5 Sprachgeschichtlich entspricht dem der Ü bergang zum Mittelchine­ sischen . 66 Der entscheidende Unterschied zwischen der klassischen und der Schriftsprache wird bis heute oft übersehen, was leicht zu Fehlschlüssen verleitet. Auch die Schriftsprache ist aber ein historisches Gebilde, welches in seiner zweitausendjährigen Geschichte sich nach Epoche, Stil und Autor so sehr differenziert, daß allgemeine Aussagen schwerfallen. »Schriftspra­ che« bezeichnet also im Gegensatz zu den traditionellen Philologien in der

Sprache und Stil

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Die chinesischen Schriftzeichen enthalten neben bildliehen Ele­ menten zwar auch lautliche, doch geben sie nicht wie in einer alphabetischen Schrift den Laut direkt wieder. Hinzu kommt, daß verschiedene Bedeutungen eines Wortes mit verschiedenen Zei­ chen geschrieben werden können. 67 Die Schriftsprache hat von diesen Möglichkeiten, unabhängig von der Aussprache mit der Schreibweise der Zeichen eine zusätz­ liche Bedeutungsschicht zu komponieren, häufig Gebrauch ge­ macht. In extremen Fällen entstehen >>Schriften>Lob und Tadel« über historische Persönlichkeiten ausgesprochen haben . a) Eines der Prinzipien in dem Geschichtswerk Frühling und Herbst ist das »Rechtmachen der Namen«. Hier ist darunter zu verstehen, daß die 'Dinge beim Namen genannt' werden, Sachver­ halte also wirklichkeitsgetreu wiedergegeben werden. Dies ge­ schieht nun über ein eng an den historischen und kultischen Kontext geknüpftes Netz von »Metaphern« : die Weise, wie der Tod eines Lehnsfürsten notiert ist, sagt etwas über den Status sei­ nes Staates aus, diejenige, wie das Begräbnis vermerkt ist, etwas über die zwischenstaatlichen Beziehungen aus der Sicht von Lu . Dazu kommen systematische »Lücken . . . genügen [aber die Sitten der auf Hsia und Shang folgenden Dynastie] Chou zum Zeugnis [auch für diese] , dann folgen [wir] ihnen . . . «. Das Rechte Auflichten spricht nun nicht nur die Sprache der Chou-Zeit, son­ dern stellt auch politische und gesellschaftliche Probleme der Chou-Dynastie vor. Der analytische Kommentar zu einigen Kapi­ teln der vorliegenden Übersetzung macht darauf aufmerksam, daß die sachlichen Probleme, die in historischer Gestalt angesprochen werden, oft solche der Zeit von Chang Tsai sind . Schließlich sind auch die wenigen Stellen, wo es >>jetzt« heißt (VIII . 3 5 , 47; X.9; XI .9, XIV. 62 ; XV.29), ernst zu nehmen als Mahnung an die eigene Zeit. Chang Tsai war in seinen letzten Jahren sehr pessimistisch geworden und hatte seine Hoffnung auf kommende Generationen gesetzt, denen er sein Werk als Ver­ mächtnis hinterließ; auch hierin sah er sich wohl in einer ähnlichen Lage wie Konfuzius , der kurz vor seinem Tode Frühling und Herbst fertiggestellt haben soll . 91 3 . Die zahlreichen kommentierenden Abschnitte des Werkes sollen nicht nur einzelne schwierige Stellen aus den kanonischen Schriften >>auflichtendu« auf den Gesprächspartner von Konfuzius, kommt dann aber in Schwierigkeiten mit dem folgen­ den, welches sie mit einem Subjektswechsel zum >>Volk« erklärt. Chang Tsai faßt den Satz offenbar als Maxime auf. 2) XV. 3 1 zitiert eine Stelle aus dem kanonischen Buch der Ur­ kunden , worin der Herzog von Chou versucht, den Herzog von Shao als Mitregenten für den unmündigen König Ch'eng zu ge­ winnen. Im überlieferten Text ist von >>durch Erfahrung geschaffe­ ner Tugend« die Rede, was im Zusammenhang gewisse Probleme aufwirft. Chang Tsai schreibt nun für das Zeichen, welches als >>Erfahrung« gelesen wird, ein ähnliches mit dem gleichen Laut und liest >>wenn Tugend [einmal] geschaffen wäre>Gottesopfer« unter den Chou weiter ein jahreszeitliches 92

Chang Tsai sah allerdings die Philologie nur als Hilfswissenschaft an und verlangte von seinen Schülern, sie sollten nicht >>am Text kleben«, sondern die »Große Gliederung suchen« (CHLK, in CTC 276 . 1 4 - 1 6); andererseits zeigen viele Aussprüche, daß er sich nicht nur mit philologi­ schen Fragen befaßt hat, sondern auch großes Interesse an der Phonetik der alten Sprache, besonders der Lieder, hatte (vgl . CHLK, in CTC 262 -263). 93 Verschiedene Kommentatoren, u . a. Wang Fu-chih, bessern den Text des Rechten Auflichtens hier wieder mit der Quelle aus, was verfehlt ist, da Chang Tsai jedes Zeichen mit Absicht gesetzt hat, und die frühe Ü berliefe­ rung seines Werkes in diesem Falle einheitlich ist.

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Opfer gewesen war, und erklärt damit den zu seiner Zeit geübten Brauch, es alle fünf Jahre zu feiern, für falsch . Jüngere historische Untersuchungen geben Chang Tsai recht. 94

III. Sprache und Wirklichkeit im >>Rechten Auflichten>Rechtmachen der NamenLuft«, welches als Substrat die gestalthafte Wirklichkeit trägt, wird in einer ersten Differenz, dem >>AnsatZBild « . Die als »Bild« auftretende Differenz wird für den Geist sichtbar, noch bevor sie wirkliche Gestalt angenommen hat. >>Was unter Gestalt ist>Na­ men« benannt werden, während das, >>was über Gestalt istGestalt« aus, beVgl. Ts'ui Shu : Wang-cheng san ta-tien k'ao, in: Ku Chieh-kang (Hrsg. ) : Ts'ui Tung-pi i-shu, Shanghai (Shang-hai ku-chi) 1 983, 489 - 5 2 1 , hier 496 - 5 12; die Praxis des »Gottesopfers« unter den Sung war von An­ fang an umstritten, vgl. Sung-shih 107, 2579 - 2590 . 9 5 Das Thema der Sprache wird bereits i n 1 . 1 mit dem Erkennen ver­ knüpft und zieht sich durch das gesamte Werk; die wichtigsten Stellen sind III . 1 7, IV. 6 - 7, 22, VIII.30, XII .4, XV.4 und XVII.2; hinzuziehen ist fer­ ner IS (in CTC 1 98 . 8 - 1 1 , 205 . 1 , 9 - 12, 225 . 2 - 5 sowie 23 1 . 2 - 8); zur Sprachtheorie des Hsün Tzu vgl. A. S. Cua: Ethical Argumentation, Ho­ nolu lu 1985. 94

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Einleitung Michael Friedrich ·

zeichnet andererseits aber in systematischer Hinsicht die Bezo­ genheit des sich Gestaltenden auf Anderes . >>Bilder« sind ebenfalls benennbar; ihre »Namen« sind Begriffe . Die in den >>Bildern« gegebenen realen Verhältnisse kann der Mensch in seiner »Vorstellung« finden, die hier nicht - wie sonst meist - für das beschränkte empirische Ich steht, sondern für das menschliche Vermögen, Verhältnisse >>Über Gestalt>Bild« ist nur dann wirklich >>gefunden«, wenn auch ein >>Name>Spruch>Gestalten« (»Dingen«), sondern um den Begriff von Verhältnis­ sen, die als »Ereignisse« wirklich sind . Unter ihnen nehmen wie­ derum die sittlichen Verhältnisse, deren >>Namen« in den kanoni­ schen Schriften verbindlich festgelegt sind, eine herausragende Stellung ein. Auch sie sind aber Darstellungen des absoluten Ver­ hältnisses, des »Grundmusters Gliederung - Wirkung« geht be­ griffsgeschichtlich zwar auf das Buch vom Einfachen zurück, ist aber wohl erst seit dem 6. Jh . methodisch gebraucht worden . 98 Es kommt unserer Vorstellung von >>Subjekt und Prädikat>Begriff und Wirklichkeit« stehen und bezeich­ net ein Verfahren, worin beide Glieder über ein Drittes bestimmt 96

HT 22 : 84 . 39; vgl. Hermann Köster: Hsün-tzu, Kaidenkirchen 1 967,

293 . Vgl. hierzu Kommentar zu Kapitel I . Vgl. Shimada Kenji: »Tai-yö n o rekishi n i yosete«, in: Tsukamoto hakase shöju kinen bukkyöshigaku ronshü, Kyöto 1961, 4 1 6 - 430. 97 98

Sprache und Stil

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werden, das zum Schluß wieder hinausfällt. Chang Tsai gebraucht es oft und setzt es offenbar als bekannt voraus , da es im Rechten Auflichten nirgends erläutert wird . In Kapitel IV gibt er ein Beispiel, wie das Verfahren zur Begriffs­ bestimmung angewendet werden kann. Der Titel des Kapitels besteht aus dem meist nominalen Wort >>Geist« und dem überwie­ gend verbal verwendeten »Wandeln>Geist wandeltWandlung« (>>wandelnHimmels>Tugend>Weg« bestimmt, folgend werden sie dem Schema gemäß als >>Gliederung« und »Wirkung« jenes Dritten vorgestellt und schließlich als Einheit im Substrat der »Luft« identifiziert. Die Identität beider wird allerdings in Hin­ sicht auf das Dritte (>>HimmelKopula>Reon­ tologisierung« einer ursprünglich technisch verstandenen Me­ thode sprechen . Folglich werden alle sprachlichen und realen Subjekte relativ zu dem absoluten Subjekt, dessen Prädikate sie sind . Sie sind unter sich aber nur gleichwertig, insofern sie ihre relative Identität von der absoluten her beziehen; als relative Subjekte hingegen betrach­ tet, besteht zwischen ihnen die im Satz festgehaltene Differenz, die in unendlich vielen Möglichkeiten relativ ausgesprochen wer­ den kann. Die absolute Identität selbst kann aber wiederum nur in

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Einleitung Michael Friedrich ·

einem Verhältnis beschrieben werden, an sich bleibt sie dem Er­ kennen transzendent. Mit diesem Entwurf hat Chang Tsai nicht nur die Grundstruk­ tur des Buches vom Einfachen in der sprachlichen Aussage wieder­ gefunden, sondern sie zugleich als Struktur der Wirklichkeit bestätigt. Das »Grundmuster« gilt nicht nur im sprachlich-logi­ schen Bereich oder in der Wirklichkeit, sondern stellt auch beider Verhältnis dar: die absolute Identität (der »Geist«) sagt sich selbst als relationale Identität oder »Einfaches« (entspricht dem »Muster des Einfachen und Offenen>-heit« wiederzugeben, hatten die Mönche entsprechende Wörter an das »Stammwort>Gliederung>Wesen>vollen« Bedeutungsträger »Gliederung« und »Wesen>leeren« Wörtern wurden . Die Reduktion der Sprache des Rechten Auflichtens auf den Wortschatz der klas­ sischen läßt auch in dieser Hinsicht wieder die Absicht erkennen, zu den >>Worten« der Vorbilder zurückzukehren.

Sprache und Stil

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3 . »Worte>Tugend hat« (XII . l ), besonders dann die des Konfuzius oder Menzius (vgl. auch XIV. l ) . Durch solche wahren >>Worte« oder >>Aussprüche>Weg der Wechselwandlung>Berufener« könne man >>Worte« ohne Fehler machen. 99 Im Kontext des Rechten Auf­ lichtens bedeutet das nun, daß die in den kanonischen Schriften und von Konfuzius überlieferten >>Worte« die eine Wahrheit für ihre Zeit verbindlich offenbart haben. Das Ziel des »Lernens« be­ steht nun darin, den wahren Sinn wiederzufinden und auf die eigene Zeit neu anzuwenden . Da Chang Tsai im Rechten Auf­ lichten die eigenen >>Wortewas über Gestalt ist>Geist>Wandlung>Bildern« unterliegt dasselbe Substrat (IV. 7) wie der menschlichen Stimme (V. l l ) : beider Ver­ hältnis muß daher wesentlich sein und kann nicht bloß in Ähn­ lichkeit bestehen . Auch wenn >>Namen>verweisen>Re­ ontologisierung« der Sprache zu beabsichtigen .

IV. Zur Ü bersetzung Da im Rechten Auflichten Dargestelltes und Darstellung eng ver­ woben sind, wozu noch die Eigenheiten des Individualstiles von Chang Tsai kommen, war es nicht möglich, den Inhalt aus der Form zu lösen und als Paraphrase von der deutschen Sprachauffas­ sung ausgehend wiederzugeben. Umgekehrt wurde die Ge­ schmeidigkeit der deutschen Sprache ausgenützt, um den Leser so nahe als möglich an das Original zu führen . Fremde Konstruktio­ nen wurden deshalb nicht »eingedeutschtanhaften«

Sprache und Stil

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wenigen Ausnahmen entspricht einem chinesischen Wort immer dasselbe deutsche; verschiedene Funktionen eines chinesischen Wortes sind durch Beugung eines deutschen Stammes ausge­ drückt, beispielsweise >>Gliederung«, »Glieder«, >>gliedern« . An­ dere Aufgaben eines Verbum werden mit »lassen«, »machen zu« , >>werdensein>KompositaBewußtsein>Geist>Gliederung>WirkungFunktion>durchgängig>unterteilen« zu dürfen, um es >>rezitier­ bar« zu machen . Daraufhin antwortete Chang Tsai : >>Wie ich dieses Buch verfaßt habe, so gleicht es einem vertrockneten Baum­ stamm, bei dem Wurzeln, Zweige und Blätter sämtlich vorhanden sind : doch was ihn zur Blüte bringt, das ist einzig und allein die Arbeit anderer. Ferner gleicht es dem Teller, den man dem Einjäh­ rigen zeigt: alle möglichen Dinge liegen darauf, aber es wird nur beachtet, was es nimmt« . 1 1 0 Su Ping bearbeitete nun den Text, >>Setzte dem Sinngehalt nach zusammen und nahm dabei die Ge­ spräche und Menzius zum Vorbild, ordnete die Abschnitte und Sätze in Kapitel, so daß Zusammengehöriges aufeinander folgte, und machte siebzehn Kapitel daraus« . 1 1 1 Schüler, einzig das Rechte Auflichten habe Chang Tsai selbst geschrieben, vgl. Hsing-li ta ch'üan-shu, Ausg. SKCS 6:48 b 7 - 8 . 1os Vorwort von Fan Yü, i n CTC 4 . 3 ; vgl. Einleitung A . 109 Biographie von L ü Ta-lin, i n CTC 3 84 . 3 - 5 . 1 1 0 Vorwort von S u Ping, i n CTC 3 . 2 - 3 ; man hält dem Einjährigen einen Teller mit verschiedenen Gegenständen hin, um anhand desjenigen, nach dem es greift, seine Begabungen und Neigungen feststellen zu kön­ nen . Möglicherweise spielt Chang Tsai hier mit »Zweigen und Blätter« auf LC 32.23 an, der »Stamm>Wer den Berufenen sehen will, für den gibt es nichts Wichtigeres als die Gespräche und das Buch Menzius; diese beiden Bücher enthalten alles , was der Lernende braucht, man muß sich nur in sie versen­ ken« . I6 0 Besonders wichtig war für Chang Tsai ferner ein kurzer Text aus dem corpus der Aufzeichnungen über die Sitten, die Wirklichkeit der Mitte, mit der er sich seit seiner Jugend beschäftigt hatte, und welche ihm nach eigener Aussage immer wieder neue Einsichten vermittelte . 161 In seinem Werk zur Kanonistik stellt er ein weiteres Kapitel desselben corpus, das Große Lernen, der Wirklichkeit der Mitte an die Seite: »Die Wirklichkeit der Mitte und das Große Lernen stammen ohne Zweifel beide aus der Schule der Berufe­ nen«. I 62 Wie die Häufigkeit zeigt, mit denen sie im Rechten Auflichten zitiert werden, sind also schon für Chang Tsai jene vier Werke sehr wichtig, die später eher willkürlich einer Traditionslinie von Kon­ fuzius bis Menzius zugeordnet werden, um schließlich von Chu Hsi (1 130-2000) als die Vier Bücher zusammengefaßt zu werden und eine Bedeutung zugeschrieben zu bekommen, die fast noch über die der eigentlichen kanonischen Schriften hinausging. 163 Damit sind die Quellen genannt, die für Chang Tsai die allein verbindlichen für das von ihm ins Auge gefaßte Ziel sind, das Wesen der Berufenen zu verstehen. Im Zusammenhang damit sagt er, die Bücher des Kanons wären »Ohne bestimmte Gliederung« und somit nicht an festen Kompositionsgesetzen ausgerichtet, sondern sie seien im Hinblick auf das ihnen genauso wie der ge­ samten Wirklichkeit zugrunde liegende Grundmuster geschrieben Vgl . CHLK, in CTC 271 - 278 passim . C HLK, in CTC 272 . 10, ähnlich auch 277. 1 3 . C HLK, i n CTC 277. 10, vgl. auch Einleitung A . 1 62 C HLK, in CTC 277. 1 3 - 1 4 . 1 63 Vgl. Chu, a. a . O , 2 3 . 1 s9 16° 161

Überlieferung und Wirkungsgeschichte

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und auch zu verstehen . 164 Dieses Grundmuster begründet die Ein­ heit der zu verschiedenen Zeiten und Anlässen verfaßten kanoni­ schen Texte, so daß dunkle oder schwerverständliche Aussagen im Kanon durch Hinzuziehung anderer Stellen erklärt werden kön­ nen . Hier ist wieder an den Titel des Werkes zu denken: an einer Stelle (XI I . S), an der er das zweite Wort des Titels gebraucht, heißt es, daß schwerverständliche Stellen nicht isoliert zu erklären seien, sondern sich gegenseitig »auflichten>Herz« des Berufe­ nen hin verstanden werden . Diese hermeneutische Absicht läßt sich aber nach Chang Tsai letztlich nicht durch bloßes Lesen ver­ wirklichen, sondern erfordert eine jahrelange intensive Beschäfti­ gung mit den kanonischen Texten, wodurch man sich nach und nach der Stufe der Berufung nähern könne . 165 Die gesamte schriftliche Ü berlieferung außerhalb des Kanons kann das für Chang Tsai n icht vermitteln . Er faßt das nichtkanoni­ sche Schrifttum unter vier Kategorien zusammen und beurteilt es folgendermaßen nach seinem Wert für das erklärte Ziel : Werke geschichtlichen Inhalts trügen nichts Wesentliches dazu bei, da sie nur abstraktes Wissen vermitteln; die Beschäftigung mit medizini­ schen Schriften diene nur der körperlichen Gesundheit; literari­ sche Schriften wie etwa Werkausgaben einzelner Autoren oder Anthologien seien überhaupt von geringem Interesse; hinsichtlich des buddhistischen und des taoistischen Kanons schade es nicht, wenn man diese gar nicht erst lese. Die negative Einschätzung wird hinsichtlich der geschichtlichen und literarischen Werke da­ hingehend gemildert, daß hier manchmal etwas Nützliches gefun­ den werden könne. I 66 Zwar beurteilt Chang Tsai die gesamte außerhalb des Kanons stehende Literatur eher abwertend, doch ergibt sich bei der Lek1 64 1 65 1 66

C HLK, in CTC 255 . 1 1 , vgl . auch Einleitung B . I l - III. Vgl . CHLK, in CTC 278 . 5 - 6 . Vgl. CHLK, i n CTC 278 .2 - 5 .

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Einleitung Lackner, Friedrich, Reimann ·

türe des Rechten Auflichtens ein etwas modifiziertes Bild . Die institutionalisierten Kommentare zu den kanonischen Büchern werden bisweilen für Erläuterungen herangezogen . Er zitiert ei­ nige Male darin aufgenommene Autoren namentlich und über­ nimmt einige ihrer Kommentare, was zu seiner Einstellung paßt, daß in außerkanonischen Schriften bisweilen etwas Brauchbares zu finden sei . 167 Die gleiche Einstellung gilt gegenüber allen, die sich nach Menzius mit dem Kanon auseinandergesetzt und ihn ausgelegt haben; wenn er Spätere erwähnt, dann geschieht dies meist wohlwollend, doch oft mit dem Zusatz, daß sie den Berufe­ nen nicht erkannt hätten. I 68 Dem Taoismus wirft Chang Tsai vor allem die Vorstellung einer Trennung der gestalthaften Wirklichkeit von dem Prinzip, das sie hervorbringt, vor; er verwendet im Rechten Auflichten einige Ausdrücke aus dem Buch Lao Tzu und dem Buch Chuang Tzu, was jedoch in den meisten Fällen mit kritischen Anmerkungen versehen wird . 169 Aus den überlieferten Schriften medizinischen Inhalts hat er sicher Anregungen erhalten . Besonders Vorstellungen aus einem vermutlich im 2. Jh. aus älteren Quellen kompilierten Werk, dem Inneren Leitfaden des Gelben Kaisers nehmen auch im Rechten Auflichten einen wichtigen Platz ein, 170 so etwa der auf makro­ und mikrokosmologische Zusammenhänge angewendete Begriff der »Luft« oder die Vorstellung einer sich inmitten der >>Größten Leere« befindende Erde. I7I Obwohl das gesamte Bild des in sich die Möglichkeit zur Beru­ fung tragenden Menschen, der stufenförmige Weg des Lernens bis 1 67 1 68

Vgl. u. a. Abschnitt XVI . 3 - 5 sowie Anm . 70. Zu seiner Beurteilung vgl. CHLK: Hsün Tzu (3 1 5 -245 ? v. Chr. ) : 273 . 12; Tung Chung-shu ( 1 79 - 1 04 v . Chr. ) : 25 1 . 12, 258 . 1 ; Yang Hsiung (53 v. - 1 8 n. Chr. ) : 25 1 . 1 0 - 12, 273 . 12, 291 .4; Cheng Hsüan (127-200) : 297.9; Wang Tung: (584 - 6 1 7?): 291.4; Han Yü (76 8 - 824): 258 .2, 2 9 1 . 4 , 299 . 8 ; L i A o (772 - 84 1 ) : 255. 1 1 - 1 2 . 1 6 9 Vgl. Anhang: Kritik. 1 70 Vgl. Ilza Veith : The Yellow Emperor's Classic of Interna! Medicine, Berkeley 1 966. 1 7 1 Vgl . Einleitung B . I I . l .

Überlieferung und Wirkungsgeschichte

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zum Ziel der Berufung sowie die wesentliche Eigenschaft des Be­ rufenen als Lehrer große Ähnlichkeit mit dem buddhistischen Ideal des Bodhisattva zeigt, wird diese Nähe der Vorstellungen an keiner Stelle ausgesprochen . Die Auseinandersetzung scheint ein­ zig auf den sich oft wiederholenden Vorwurf hinauszulaufen, die Buddhisten faßten die Erscheinungen der Wirklichkeit als bloßes Produkt des Bewußtseins auf. Im auffälligen Gegensatz dazu steht allerdings, daß sich einige der im Rechten Auflichten entwickelten Begriffe und Vorstellungen direkt aus dem buddhistischen Kon­ text ableiten lassen . l 72 Chang Tsai hat offensichtlich intensiven Anteil am geistigen Le­ ben seiner Zeit genommen, und ihm waren sicherlich die wichtig­ sten zu seiner Zeit wirksamen geistigen Strömungen und deren Repräsentanten bekannt, doch die Zahl der in den von ihm überlie­ ferten Gesprächen bzw. seiner Biographie erwähnten Kontakte mit bekannten Vertretern anderer Richtungen ist dennoch sehr be­ schränkt. Eine Ausnahme machen hier einzig Ssu-ma Kuang und seine Neffen, die Brüder Ch'eng, die er namentlich erwähnt, und die darüber hinaus , wie aus seiner Biographie hervorgeht, entschei­ denden Einfluß auf die Entwicklung seines Denkens ausgeübt ha­ ben dürften . 1 73 Im Rechten Auflichten selbst gibt es weder auf sie noch auf andere aktuelle Schulen oder Werke einen direkten Hin­ weis, wobei jedoch manche seiner Auslegungen sicherlich indirekt gegen anderslautende zeitgenössische Auffassungen gerichtet sind .

V. Die Wirkungsgeschichte des Werks Bestimmte Aspekte stehen im Zentrum der Auseinandersetzung mit dem Rechten Auflichten . Von einer Ausnahme abgesehen, 1 74 1 72 1 73

Vgl . Anm . 26 sowie Anhang: Kritik. Vgl . CHLK, in CTC 280. 1 0 - 1 1 , 299. 1 - 1 sowie Einleitung A . ; das »Abschneiden der Vier« (VIII . 1 5 - 1 9) spielt auf das Yü-shu des Ssu-ma Kuang an. 1 74 Die Ausnahme bildet das Huang-chi ching-shih shu von Shao Yung ( 1 0 1 1 - 1 077), mit dem Chang Tsai bekannt war, vgl. Anm . 54; es ist deut­ lich taoistisch beeinflußt und vor allem wegen seiner kosmologischen und

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Einleitung Lackner, Friedrich, Reimann ·

haben die frühen Neukonfuzianer keine umfassenden Weltent­ würfe in monographischer Form vorgelegt. Was von ihnen überlie­ fert ist, sind zum überwiegenden Teil entweder Texte, die im weitesten Sinne Exegese betreiben, oder Sammlungen von Aus­ sprüchen und Lehrgesprächen, die meist erst nach ihrem Tode von Schülern herausgegeben wurden . 175 Viele von ihnen haben es of­ fenbar vermieden, ein fixes >>SystemGrößten Leere« bei Chang Tsai ab . 183 Die Brüder scheinen hier bei ihm einen Dualismus zwischen dem vermeintlich leeren »Muster« und der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit gesehen zu haben und kritisieren darum mehrfach die Begrifflichkeit für den Grund bei Chang Tsai, die unter dem Schlagwort »Durchsichtigkeit, Leere, Einheit und Größe« zusam­ mengefaßt wurde. 184 Vor allem die ersten beiden Ausdrücke erin­ nern an die Sprache der Buddhisten und Taoisten; der »Geist« als über dem Gegensatz stehendes Prinzip könne nicht durch einsei­ tige Bestimmungen ausgesprochen werden, sondern müßte auch »Trübheit« und »Fülle« einschließen . 185 Die Kritik scheint eher 1 80

» , seit Menzius hat man eine solche Schrift noch nicht gesehen« (Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 2 a, in ECC, Bd. 1, 37. 1 3). 181 Vgl. den Briefwechsel von Ch'eng I mit Yang Shih ( 1 053 - 1 135), in KSC 1 6 : 6 a - 9 a, dessen Kurzfassung in Ho-nan Ch'eng-shih ts'ui-yen 1 , in ECC, Bd. 4, 1202 . 1 2 - 1 203 . 6 und Kommentar zu Kapitel XVII . 182 Vgl. Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 1 1 , i n ECC, B d . 1 , 1 1 8 . 2 . 1 8 3 Vgl. Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 3 , i n ECC, Bd. 1 , 66 . 7 - 8 . 1 84 Vgl. u . a. Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 2 a, i n ECC, B d . 1 , 2 1 . 8 , 1 1 - 1 2 und vor allem 34. 9 - 10; hier werden die vier als didaktisches Mittel hinge­ stellt, um einer starrsinnigen Welt das Ideal vorzuhalten, welches dann allerdings mißverstanden werden könne. Es ist sehr fraglich, ob Chang Tsai diese vielleicht erst nach seinem Tod vorgenommene Verkürzung akzep­ tiert hätte, die überdies nicht explizit auf das Rechte Auflichten bezogen ist. Fan Yü kennt diese Kritik, akzeptiert sie aber nicht und versucht in einem beträchtlichen Teil seines Vorwortes, sie zu widerlegen, vgl. CTC 4 . 8 - 5 . 12; er wird in Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 2 a, in ECC, Bd. 1, 27. 9 von den Ch'eng als jemand mit »Vorgefaßten Meinungen« charakterisiert. Sein Vorwort wurde von Yeh Shih ( 1 150- 1223) zum Anlaß für eine grund­ sätzliche Kritik an der neukonfuzianischen Bewegung genommen, s. CTC 400 -405, vgl. Winston Wan Lo: The Life and Thought of Yeh Shih, Hong Kong 1 974 . 18 5 S. Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 2 a, in ECC, Bd. 1 , 2 1 . 8 ; vgl. hierzu CTYL 99:2533 . 8 - 1 4 . • • •

Überlieferung und Wirkungsgeschichte

LXXXV

dem Schlagwort als dem Text des Rechten Auflichtens zu gelten . 186 Während sich hierin die sachlichen Vorwürfe augenscheinlich er­ schöpfen, fallen auch Bemerkungen über den Charakter von Chang Tsai : er sei verbissen und pedantisch, ihm fehle es an Milde und Leichtigkeit. 187 Sicher ist ferner, daß die Ch'eng jene Gelehrsamkeit wenig schätzten, wie sie Chang Tsai in seinem Werk vorführt. Die Neffen scheinen die mündliche Unterweisung im Lehrgespräch der text­ orientierten Exegese vorgezogen zu haben; sie legten vor allem Wert auf das intuitive Erfassen der Wahrheit, während Chang Tsai eher eine schrittweise Annäherung in der Arbeit an den Texten lehrte . 188 Auf der andern Seite standen sie der freien schriftstelleri­ schen Tätigkeit eher skeptisch gegenüber; die wenigen von ihnen überlieferten Werke gehören allesamt zur Exegese . 189 Unter ihren Schülern gehörte gleichwohl das Buch neben der Westinschrift zu den meistgelesenen zeitgenössischen Texten, wie Zitate und kritische Bemerkungen dazu belegen . 190 Aussagen aus

1 86

Ira E. Kasoff: The Thought of Chang Tsai, Cambridge 1 984, 142 wirft den Ch'eng ein unvollkommenes und seichtes Verständnis des Den­ kens von Chang Tsai vor. 18 7 Vgl. Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 1 8 , in ECC, Bd. 1, 196. 1 6 - 1 97. 3 . 188 Chang Tsai hat selbst das »Lernen« der Ch'eng kritisiert, s . CHLK, in CTC 280. 1 0 - 1 1 , vgl. aber auch seine »gradualistische« Kritik am »Subi­ tismus« der Ch'eng in Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 10, in ECC, Bd. 1 , 1 1 5 . 7- 10; sein Schüler S u Ping warf später den Ch'eng indirekt vor, das Studium der kanonischen Texte zu vernachlässigen, s. Ho-nan Ch'eng­ shih i-shu 1, in ECC, Bd. 1, 2 . 6 - 14; zum »Selbstfinden« in der späteren Tradition vgl. Wm . Theodore de Bary : Learning for One's Self, New York 1 99 1 . 1 8 9 Vgl. Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 1 , i n ECC, B d . 1 , 8 . 6 und 2 a , ebd . , 26. 3 - 4; sie scheinen auch i n der Schulpraxis näher a m Zen gestanden zu haben, während Chang Tsai hier vor allem Wert auf das Einüben in die »Sitten« legte. Zur Meditation in der Schule der Ch'eng vgl. Rodney L . Taylor: The Confucian Way o f Contemplation, Columbia!S . C. 1988, 34 - 4 1 ; von Chang Tsai ist nichts dergleichen bekannt. Zu den Werken der Ch'eng vgl. A. C. Graham, Two Chinese Philosophers, London 1 958, 143 - 145. 1 90 Noch einer der bekannteren Schüler von Yang Shih, Lo Ts'ung-yen (1072 - 1 1 35), scheint sich intensiv mit dem Rechten Auflichten befaßt zu

LXXXVI

Einleitung · Lackner, Friedrich, Reimann

dem Umkreis der Ch'eng läßt sich ferner entnehmen, daß es noch in der ersten Hälfte des 1 2 . Jh . eine »Schule>Seitenlinien« der Ch'eng erscheinen zu lassen, die überdies nur ein unvollkommenes Verständnis der >>Lehre vom Weg>Alten Partei>Orthodoxie« bei Chu Hsi vgl . Graham, a. a. 0 . , 1 52 - 1 75; John W. Haeger: »The Intellectual Context of Neo-Confucian Syncre­ tism«, in: Journal of Asian Studies 31 ( 1 972), 499 - 5 1 3 ; James T. C. Liu : »The Road to Neo-Confucian Orthodoxy: An Interpretation«, in: Philo­ sophy East and West 23 ( 1 973 ), 483 - 505 und Michael Friedrich : »Tradition und Intuition: Zur Vorgeschichte der Schule von Chu Hsi«, in: Helwig Schmidt-Glintzer (Hrsg.): Lebenswelt und Weltanschauung im frühneu­ zeitlichen China, Stuttgart 1 990, 1 -43. Nach Darstellung v.on Chu Hsi, der sich hier auf Hu Hung stützt, war Chou Tun-i der erste, der nach Menzius den »Weg« wiedergefunden hatte und ihn an die Brüder Ch'eng weitergab; Yang Shih wiederum soll ihn an den Lehrer des Chu Hsi gege­ ben haben. Chang Tsai wird entsprechend als unvollkommene »Seitenli­ nie« aufgefaßt. Die Behauptung, die abgebrochene wahre Tradition wie­ dergefunden zu haben, ist nach Quellenlage erstmals von Chang Tsai vorgebracht worden, vgl. YL, in CTC 329. 9; die gleiche Behauptung, nur auf Ch' eng Hao gemünzt, findet sich erst nach dessen Tod in Texten seines Bruders, vgl. Friedrich, a. a. 0 . , 29- 30. Zum Problem des Begriffes »Or­ thodoxie« in diesem Zusammenhang vgl. Helwig Schmidt-Glintzer: »Viele Pfade oder ein Weg ? Betrachtungen zur Durchsetzung der konfuziani­ schen Orthopraxie«, in: Wolfgang Schluchter (Hrsg. ) : Max Webers Studie über Konfuzianismus und Taoismus, Frankfurt/M . 1 983, 298 - 34 1 . 200 Zum Hintergrund der Fraktionskämpfe unter der Südlichen Sung­ Dynastie vgl . Conrad Schirokauer: »Neo-Confucians Under AttackWeges«. In der Praxis hatte dies allerdings zunächst kaum Auswirkungen . In den Jahren 1 3 1 3 bis 1 3 1 5 schließlich wurden unter der mon­ golischen Yüan-Dynastie (1280 - 1 368) weitere Kommentare von Ch'eng I und Chu Hsi zu kanonischen Texten in die Pflichtlektüre für Beamtenanwärter aufgenommen, womit die Entwicklung ei­ ner Staatsideologie aus der Orthodoxie beginnt. Ein Jahrhundert später, unter der Ming-Dynastie (1368 - 1 644), ließ der Hof die neukonfuzianische Anthologie Hsing-li ta ch 'üan-shu kompilie­ ren; mit ihr wurde auch das Rechte Auflichten zum Prüfungsstoff. Während zunächst also nur die Anhänger der neukonfuzianischen Hauptrichtung sich mit dem Buch von Chang Tsai zu befassen hatten, war seine Lektüre seit 1 4 1 5 allen höherrangigen Staatsdie•

John W. Haeger (Hrsg. ) : Crisis and Prosperity in Sung China, Tucson 1 975, 1 63 - 1 98 und John W. Chaffee: »Chao Ju-yü, Spurious Learning, and Southern Sung Political Culture« , in : Journal of Sung-Yuan Studies 22 ( 1 990 - 92), 23 - 6 1 sowie das Werk von Tillman. 201 Vgl. Lyman V. Cady: The Philosophy of Lu Hsiang-shan, Theol. Diss . Union Theological Seminary New York 1 939 und Siu-chi Huang: Lu Hsiang-shan. A Twe!fth Century Chinese Idealist Philosopher, New Ha­ ven 1 944; die Schule scheint nach dem Tode seines Schülers Yang Chien ( 1 1 4 1 - 1226) erloschen zu sein, sie erfreute sich der Unterstützung des von 1208 bis zu seinem Tode 1 233 regierenden Kanzlers Shih Mi-yüan . 202 An erster Stelle ist hier zu nennen Chen Te-hsiu ( 1 1 78 - 1235), der Chu Hsi zwar nicht persönlich gekannt hat, aber dennoch einer seiner eifrigsten Vertreter wurde, vgl . Wm . Theodore de Bary: Neo-Confucian Orthodoxy and the Learning of the Mind-and-Heart, New York 1 98 1 ; daneben hat auch das Pei-hsi tzu-i von Ch'en Ch'un ( 1 159- 1 223), einem Schüler von Chu Hsi, große Wirkung ausgeübt, vgl. Wing-tsit Chan : Neo­ Confucian Terms Explained, New York 1 986.

Überlieferung und Wirkungsgeschichte

XCI

nern zum Eingang vorgeschrieben. Weiterhin erfreute sich zwar die Westinschrift größerer Beliebtheit,203 doch intensiviert sich seitdem die Beschäftigung mit dem Rechten Auflichten . Noch im 1 3 . und 1 4 . Jh. waren mehrere Kommentare zum Rechten Auflichten entstanden, sie sind jedoch ebenso wie damals vorgenommene Ausgaben verloren;2 04 es finden sich aber auch Hinweise auf Rezeption in nichtexegetischer Literatur.2 05 Von ei­ nem der neukonfuzianischen »Meister« zu Beginn der Ming-Zeit namens Hsüeh Hsüan (1392 - 1 464) heißt es , sein Hauptwerk be­ stehe zum größten Teil aus Fußnoten zu den Schriften von Chou Tun-i und Chang Tsai . 206 In der Nähe der alten Heimat von Chang Tsai in Shensi bildete sich dann in der zweiten Hälfte des 1 5 . Jh. um den Minister Wang Shu ( 1 4 16 - 1 508) eine Schule, die in Vielem der neuen Orthodoxie kritisch gegenüberstand und offenbar das Werk von Chang Tsai besonders gepflegt hat.2 0 7 3 . Eine Renaissance erlebt das Werk in den zwanzigerJahren des 16. Jh . , als die politischen Verhältnisse denen der sechziger Jahre des 1 1 . Jh. verblüffend ähnlich sind . Nur wenige Tage, nachdem Kaiser Shih-tsung im Jahre 1 52 1 den Thron bestiegen hatte, ver20 3

Mit einer Ausnahme: Liu Tsung-chou ( 1 5 78 - 1 645) schätzte die Ostinschrift höher ein, vgl. SYHAPI 1 7 : 1 7 b . 2 04 Vgl. Anhang: Ausgaben, Nr. 8 - 1 3 . 2 0 5 S o u. a . i n dem Werk von Wu Ch'eng (1249 - 1 333), einem der be­ kanntesten Gelehrten der Mongolenzeit, der auch Chu Hsi gegenüber eine gewisse Distanz wahrte, vgl . nur den Brief, in dem er bereits den späteren Streit um das Verhältnis zwischen »Muster« und »Luft« vorwegzunehmen scheint und gerade den Abschnitt Vl . 2 1 des Rechten Auflichtens lobt (in: Hsing-li ch'ün-shu pu-chu 9 : 1 4 b - 1 7 b, s . Anhang: Ausgaben, Nr. 13), vgl . David Gedalecia: »Wu Ch'eng and the Perpetuation of the Classical Heritage in the Yüan«, in: John D. Langlois (Hrsg. ) : China under Mongoi Rule, Princeton 1 9 8 1 , 1 8 6 - 2 1 1 und ders . : »Wu Ch'eng's Approach to Interna! Self-cultivation and Externat Knowledge-seeking«, in: Hok-lam Chan u. a. (Hrsg.), a. a. 0. , 279 - 326; ferner übernimmt aber auch etwa das Ts'ao-mu tzu von Yeh Tzu-ch'i (fl. 1 3 78) die Pneumalehre von Chang Tsai . 2 0 6 Vgl. zu den Gelehrten der Ming-Zeit die Darstellungen bei L. Car­ rington Goodrich/Chaoying Fang (Hrsg. ): Dictionary of Ming Biography 1368 - 1 644, 2 Bde . , New York 1 976. 20 7 Vgl. Anhang: Ausgaben, Nr. 1 5 - 1 7.

XCII

Einleitung Lackner, Friedrich, Reimann ·

langte er posthume Ehrungen für seine leiblichen Eltern, da er aus einer Seitenlinie der herrschenden Dynastie stammte. Damit be­ gann eine Debatte, welche die Beamtenschaft in zwei Lager spal­ tete und erst 1 524 mit der Entlassung des prominentesten Gegners der kaiserlichen Position beendet wurde; in der Folge wurden alle Oppositionellen hart gestraft. Die Debatte fand hauptsächlich auf dem Feld der Exegese kanonischer Texte statt, weshalb vermutlich auch das Rechte Auflichten erneut auf großes Interesse stieß .20 8 Die Autoren von Kommentaren zum Rechten Auflichten bzw. Vorworten dazu, aber auch diejenigen, die eigene Lehren in Aus­ einandersetzung mit dem Buch entwickelten, waren fast alle an dieser Debatte beteiligt.2 09 Die meisten von ihnen hatten sich be­ reits in den Jahren 1 506 bis 1 5 1 0 miteinander angefreundet, als ein Eunuch alle Gewalt im Staate an sich gerissen hatte; viele gehörten überdies zum Kreis um Wang Shu . Seitdem war die allgemeine Tendenz des Hofes zu immer stärkerer Machtkonzentration in den Händen einzelner oder weniger nur selten unterbrochen worden . Hier fand man offenbar im Buche von Chang Tsai einen politi­ schen Entwurf, der wieder Aktualität gewonnen hatte und durch­ aus unterschiedlich interpretiert werden konnte : Liu Chi (1457 - 1 532) gehörte zu der großen Gruppe derjenigen, welche die kaiserliche Position unterstützten, während Lü Nan (1479 - 1 542) seine Opposition dagegen mit Kerkerhaft bezahlen mußte. Beide schrieben Kommentare zum Werk von Chang Tsai .21 0 208

Vgl. zum Folgenden Denis Twitchett!John K. Fairbank (Hrsg. ) : The Cambridge History of China, Bd. 7, Cambridge 1988, 405 - 4 1 2 und 440 -450 sowie Carney Thomas Fisher: The Great Ritual Controversy in Ming China, Phi! . Diss . Univ. of Michigan 1977. 2 09 Vgl. die im Anhang: Ausgaben, Nr. 1 5 - 1 7 genannten Personen, aber auch die unten behandelten Wang Yang-ming, Lo Ch'in-shun und Wang Ting-hsiang: die meisten gehörten zur Ministerialbürokratie und waren miteinander befreundet oder wenigstens bekannt. 2 10 Das Kommentarwerk des Liu Chi war auf Geheiß eines vehementen Befürworters der kaiserlichen Position noch vor Beginn der Debatte nie­ dergeschrieben worden; wohl nicht ganz zufällig sagt Lü Nan im Vorwort zu seinem Kommentar, er habe ihn 1 524 abgeschlossen, als diese Gruppe siegte.

Ü b erl i efe rung und Wi rkungsg es ch i ch te

XCIII

Hinzu kam, daß die Befürworter der kaiserlichen Position mit Wang Yang-ming (eig. Wang Shou-jen, 1472 - 1 529) in Verbindung gebracht wurden, einem Denker, dessen »intuitionistische« Leh­ ren von seinen Gegnern als >>buddhistisch« verteufelt und als Grund für den Niedergang der Orthodoxie betrachtet wurden.2 1 1 Die Kritik a m Buddhismus i m Rechten Auflichten konnte so zum Ausgangspunkt für die Widerlegung jener Lehren werden; der Buddhismus selbst besaß zu Anfang des 1 6 . Jh . keine große Be­ deutung. Wang Yang-ming selbst berief sich zwar zur Hauptsache auf Lu Chiu-yüan, den Widersacher von Chu Hsi, hat aber mit dem Be­ griff der »Größten Leere« auch einen Grundgedanken des Rech­ ten Auflichtens an zentraler Stelle übernommen . Ihm zufolge ist das absolute Bewußtsein die höchste Realität und letzter Grund aller Wirklichkeit, sie kann nur durch einen intuitiven Akt erfah­ ren werden. In diesem Sinne spricht Wang Yang-ming von der »Größten Leere«; auch für ihn stellt der Pneumastrom den ein­ heitlichen Zusammenhang zwischen Grund und Erscheinungen dar. 212 Diese Seite seines stark buddhistisch geprägten Denkens wurde von seinem Schüler Wang Chi (1498 - 1 583) weiterentwik­ kelt und war bis ins folgende Jahrhundert hinein weit verbrei­ tet. 213 Geistesgeschichtlich einflußreich wurde ferner die kritische Weiterentwicklung der Pneumatik des Chang Tsai in Auseinander211

Vgl. Frederick Goodrich Henke : The Philosophy of Wang Yang­ ming, Chicago 1 9 1 6 ; Wing-tsit Chan: lnstructions for Practical Living and Other Neo-Confucian Writings by Wang Yang-ming, New York 1 963; Julia Ching: The philosophical letters of Wang Yang-ming, Canberra 1 972 ; Proceedings of East-West Philosopher's Conference on Wang Yangming, in: Philosophy East and West 23 ( 1 973), 3 - 249; A. S. Cua: The Unity of Knowledge and Action, Honolulu 1 982. 2 1 2 Vgl. hierzu Julia Ching: To Acquire Wisdom, New York 1 976, 1 3 6 - 145, vgl. ferner Chang Tsai : , die Größte Leere ist die Fülle des Himmels; . . . , die Größte Leere ist die Fülle des Herzens« (YL, in CTC 324 . 13). 2 l l Vgl. Takehiko Okada: >>Wang Chi and the Rise of Existentialism«, in: Wm. Theodore de Bary (Hrsg.): Self and Society in Ming Thought, New York 1 970, 1 2 1 - 1 44 . »

• • •

XCIV

Einleitung · Lackner, Friedrich, Reim ann

setzung mit den Lehren sowohl der Orthodoxie als auch des Wang Yang-ming. Ein Problem, welches viele Autoren dieser Zeit be­ schäftigte, liegt in dem Verhältnis von >>MusterGrößten Leere>Alten Schule« von Bedeutung, etwa Yamaga Sokö ( 1 627 - 1 685), ltö Jinsai ( 1 627 - 1 705) und Kai­ bara Ekken ( 1630- 1 714). 232 Eine ganz eigene Aufnahme fanden Gedanken des Rechten Auflichtens bei Nakae Töju ( 1 608- 1648): unter starkem Einfluß chinesischer Autoren wie Lo Ch'in-shun und Wang Chi entwickelte er aus dem Begriff der »Größten Leere« eine theistische Gottesvorstellung. 233 6. Die Wirkung des Rechten Auflichtens hält auch nach dem Untergang der Ming und der Begründung der Mandschu-Herr­ schaft als Ch'ing-Dynastie ( 1 644 - 1 9 12) unvermindert an. Bis zum Ende der Kaiserzeit wurden die Werke des Chang Tsai immer wieder nachgedruckt und kommentiert. 234 Vor allem zu Beginn des 1 8 . Jh . hat hier das persönliche Interesse des regierenden Kai­ sers an der Orthodoxie eine nicht unerhebliche Rolle gespielt.235 Wenn auch viele der Kommentare verloren sind und andere nur geringe Bedeutung besitzen, stammen aus dieser Zeit doch zwei von besonderem Range .

2 32

Vgl. Yoshio Abe: »Development of Neo-Confucianism in Japan, Korea and China«, in: Acta Asiatica 19 ( 1 970), 1 6 - 39; Masao Maruyama: Studies in the lntellectual History of Tokugawa Japan, Princeton 1 974; Peter Nosco (Hrsg.): Confucianism and Tokugawa Culture, Princeton 1 984; Herman Ooms : Tokugawa Ideology, Princeton 1 985; Klaus Kracht: Studien zur Geschichte des Denkens im Japan des 1 7. bis 19. Jahrhunderts, Wiesbaden 1 986. 2 33 Vgl. Ryüji Yamashita: »Nakae Töju's Religious Thought and lts Re­ lation to 'Jitsugaku'«, in: Wm . Theodore de Bary ! Irene Bloom (Hrsg.): Principle and Practicality, New York 1 979, 307-335. 2 3 4 Vgl. Anhang: Ausgaben, Nr. 2 5 - 40; zu den Gelehrten der Ch'ing­ Zeit vgl. Artbur W. Hummel (Hrsg. ) : Eminent Chinese of the Ch'ing Period, Washington 1 943. 2 3 5 Li Kuang-ti ( 1 642 - 1 71 8), ein Vertrauter des Kaisers, der von An­ fang an loyal zu der Mandschu-Herrschaft gestanden hatte, soll seine Kommentare zu den Sung-zeitlichen Neukonfuzianern nur deshalb ge­ schrieben haben, um sich gegen Anwürfe zu verteidigen, daß er sie nicht achte, vgl. Anhang: Ausgaben, Nr. 30- 3 1 ; demgegenüber entspringen diejenigen von Chang Po-hsing ( 1 652 - 1 725) angeblich einem aufrichtigen Interesse, vgl. Anhang: Ausgaben, Nr. 29.

Einleitung Lackner, Friedrich, Reimann

c

·

Wang Fu-chih ( 1 6 1 9 - 1 692), der noch persönlich an letzten Kämpfen gegen die Mandschu beteiligt war, schrieb nach deren Sieg als Privatgelehrter den wohl bedeutendsten Kommentar zum Rechten Auflichten .236 Er war wie Chang Tsai selbst im Buddhis­ mus bewandert und entfaltete wohl auch auf diesem Hintergrund die theoretischen lmplikationen des Textes auf einem ebenbürti­ gen Niveau . Wie zuvor Wang T'ing-hsiang ist auch Wang Fu-chih in seinem gesamten späteren Werk wesentlich vom Rechten Auf­ lichten beeinflußt. Er schrieb den Kommentar jedoch noch ohne Publikum; seine Werke wurden erst im 1 9 . Jh. gedruckt und lösten anschließend großes Interesse bei den frühen chinesischen Natio­ nalisten aus . Wang Chih schloß im Jahre 1 72 1 den wohl umfangreichsten Kommentar überhaupt zum Rechten Auflichten ab . Er gibt eine Auswahl von früheren Autoren, tut aber meist auch die eigene Ansicht kund . Programmatisch heißt es zu Beginn, der Text sei so oft nach bloßem Gutdünken interpretiert worden, daß es an der Zeit sei, wieder auf ihn selbst zu hören . Unüberhörbar gegen die orthodoxe Auffassung gerichtet ist eine kurze Abhandlung über den Begriff der >>Größten Leere>Schichten>Intellektuelle Anschauung und chinesische Philosophie« den Abschnitt VII .4 des Rechten Auflichtens zum Anlaß genommen, in seiner Kritik an Kant die »Möglichkeit chinesischer Philosophie« zu begrün­ den .250

2 49

Vgl. T'ang Chün-i: Chung-kuo che-hsüeh yüan-lun, 7 Bde . , hier Yüan-chiao p'ien, 2 Bde . , Taipei (Hsüeh-sheng) 3 1 979, Bd. 1, 70 - 1 1 8; Mou Tsung-san: Hsin-t'i yü hsing-t'i, 3 Bde . , Taipei (Cheng-chung) 4 1 979, Bd. 1, 4 1 7 - 570 . 2 5° Chih ti chih-chüeh yü Chung-kuo che-hsüeh, Taipei (Shang-wu) 3 1 980, 1 84 - 202, vgl. Wei-ming Tu: »Die neokonfuzianische Ontologie«, in Schluchter (Hrsg.), a. a. 0., 271 - 297.

ED ITORIS CHER B ERICHT

Zur Quellenlage des Cheng-meng wird verwiesen auf die Anga­ ben in der Einleitung Teil C und in Anhang C (Kommentierte Auflistung aller Ausgaben des Cheng-meng mit Hinweisen auf den der Ü bersetzung zugrundeliegenden Text) . Die dem Text der Ü bersetzung zugeordneten Siglen ermög­ lichen dem sinologischen Leser genauen Nachvollzug der philolo­ gischen Grundlagen der Übersetzung. Im Anhang befindet sich das Siglen-Verzeichnis. Auf die Übersetzung des Cheng-meng folgen analytische Kom­ mentare zu den einzelnen Kapiteln des Textes. Der Anhang A enthält die für das Werk zentralen Grundbegriffe aus dem Buch des Einfachen , Anhang B gibt einen Ü berblick über Chang Tsais Kritik an nichtkonfuzianischen Lehren. Auf einige wesentliche Begriffe chinesischer Tradition, die im Kommentar und Anhang nicht nachgewiesen werden, wird im laufenden Text (bei erstmaligem Vorkommen) durch ein hochge­ stelltes aufmerksam gemacht; sie sind hier (mit Angabe von Seite und Zeile) notiert: •

3,8 3,17

4,13

4,23 -24 4,35 5,34

Wirrwarr] Metapher für die produktive Verschrän­ kung von Yin und Yang Wildpferd] Metapher im Buch Chuang Tzu, lt. Kommentar von Kuo Hsiang für die Luft im Zu­ stand zwischen Ansammlung und Zerstreuung Zehntausend Dinge] Ausdruck für die Gesamtheit aller Dinge, prägnant für Lebewesen und Men­ schen stilles Verlöschen] das buddhistische Nirvana hohle Leere] der leere Raum, oft in buddhistischen Texten gebraucht Trugwandlung] der Schein der empirischen Welt im Buddhismus (mäyä)

CVI

6,9 6,10 7,29

8,10 1 2, 1 7 - 1 8 13,21 43,5

43 , 1 6

43,26 -27 43 ,27-28 9 1 ,6

1 3 7, 7 - 8 1 3 7, 1 3 - 14

Editorischer Bericht unscharf und unklar] im Buch Lao Tzu für die Er­ scheinung des Tao Traum und Trug] wie Trugwandlung Dreiheit und Fünfheit] unklar; zunächst vermut­ lich astronomisch : Drei Gestirne (Sonne, Mond und Fixsterne) und Fünf Planeten; dann auch my­ thologisch : Drei Erhabene und Fünf Götter oder ethisch: Dreifache Anlage und Fünf menschliche B eziehungen Durchsichtigkeit] wird auch für das hohe Tonregi­ ster gebraucht Sieben Regenten] Sonne, Mond und die fünf sicht­ baren Planeten Sieben Gleißende] wie die Sieben Regenten Gesetz des Herzens] Faktoren, die Aufbau und Funktion des Bewußtseins bestimmen (buddhi­ stisch) Sechs Wurzeln] im Buch Chuang Tzu wohl schon für die sechs Sinnesorgane, später im Buddhismus mit gleicher Bedeutung geläufig das Sechsfach Zusammengeschlossene] die vier Himmelsrichtungen, Zenith und Nadir: die Welt Senfkorn im Staube] buddhistische Metapher Yin- und Yang-Pfeifen] Instrumente mit kosmisch­ musikalischer Bedeutung, mit denen man angeb­ lich in alter Zeit die gerade dominierende Luftart feststellte, vielleicht zum Divinieren gebraucht Rollen und Fließen] der Geburtenkreislauf der Buddhisten (s;up.sära) Nicht-Zweiheit] buddhistischer Ausdruck für die Einheit aller vom Bewußtsein produzierten schein­ baren Gegensätze (advaitä)

CHANG TSAI

Rechtes Auflichten I Cheng-meng

RECHTES AUFL ICHTEN

Kapitel I . Größter Einklang 1 . Größter Einklang ist es, was da Weg heißt; er schließt in seiner Mitte das Wesen von EinanderErregen in Treiben und Sinken, Steigen und Fallen, Bewegung und Ruhe und gebiert so den Anfang von Zusammenziehung und Ausdehnung in »Wirrwarr«a, Einander-Erschüttern, Siegen und Unterliegen . Im Kommen ist er Ansatz und unfaßbar, einfach und offen; im Letzten ist er weit und groß, fest und starr. Als das , was Erkennen im Einfachen erstehen läßt, ist er Ch'ien ! Als das, was das Gesetz im Offenen in Verkehr bringt, ist er K'un ! Zerstreut und unterscheidet er sich, kann er Bild werden und ist Luft; ist er durchsichtig und durchgängig, kann er nicht Bild werden und ist Geist. Gliche er nicht dem >>Wildpferd«a, dem »Wirrwarr«, genügte es nicht, um ihn Größten Einklang zu heißen . Erkennt dies einer, der über den Weg spricht, heißt es den Weg kennen; sieht dies einer, der das Einfache lernt, heißt es das Einfache sehen . Gleicht die Erkenntnis dem nicht, genügt sie nicht, um gepriesen zu werden, selbst wenn die Eigenschaften schön [wie die des] Herzogs von Chou wären . 2 . Größte Leere hat keine Gestalt - so ist die Grundgliederung der Luft; ihre Ansammlung, ihre Zerstreuung sind nur Gastgestalten der Wechselwandlung. Höchste Ruhe hat keine Erregung - so ist die abgründige Quelle des Wesens; etwas verstehen und etwas erkennen sind nur Gasterregungen im Verkehr der Dinge . Gasterregungen und Gast-

CI 1 t; HNT 6 ,4a-b FY 1 3 , 4b 1 ; HTC b3; b9 SW 26, 8 . 6b 1 0 HTC b4; a1 HTC b4 HTC a1 ; SK 12; 13 HTC a5; CY 26 YC 13; HTC a1 YC 6

CT 1 , 1 . 4

CT 1 3 , 3 4 . 3 1 HTC a 9 HTC a12

LY 8 . 1 1

CT 22,60.65 CT 25,72 . 71 HTC a4 com; a9 SW 27, 8 . 10b7 SW 65 , 1 8 . 10a4 MS 241 . 7 M T 6a1 5

4

Kapitel I

gestalten eint nur der mit Erregungslosem und Gestaltlosem, der das Wesen auslegt. 3 . Die Luft von Himmel und Erde ist trotz hundert Pfaden bei Ansammlung und Zerstreuung, Angreifen und Nehmen doch, insofern sie Muster ist, gefügig und irrt nicht. Insofern Luft Ding ist, geht sie in Zerstreuung in das Gestaltlose ein, und es schickt sich genau so, daß sie unsere Gliederung findet; in Ansammlung wird sie zu Bildhaftem und verfehlt nicht unsere Dauer. Die Größte Leere kann nicht ohne Luft sein; die Luft kann nicht anders, als sich anzusammeln, so daß sie zu den Zehntausend Dingen• wird; die Zehntausend Dinge können nicht anders, als sich zu zerstreuen, so daß sie zur Größten Leere werden . Sie richten sich nach solchem Auf- und Eingehen - das liegt daran, daß dieses alles kein Aufhören findet und so ist. So legt dann der Berufene den Weg dazwischen aus; daß er die [paarigen] Glieder zusammenhält, ohne sich zu verstricken, das beruht auf dem Geist - darin ist er am Ziel. Wenn jene [Buddhisten] über das »stille Verlöschen«• sprechen, [bleibt das] ein Fortgehen ohne Rückkehr; der Geburt nachzulaufen [wie manche Taoisten] und nach Vorhandenem zu greifen, [meint] ein Dinglichbleiben ohne Wandlung - zwischen den Zweien ist zwar [ein Unterschied] vorhanden, doch wiegen sie sich darin aus, daß sie den Weg verfehlen . 4. Angesammelt ist [die Luft] unsere Gliede­ rung, zerstreut ist [sie] unsere Gliederung - einen, der erkennt, daß Gestorbenes nicht vergeht, mag man an Worten über das Wesen teilhaben lassen. 5 . Erkennt man, daß die hohle Leere• eben Luft ist, dann sind Vorhandenes und Nichtvorhandenes , Verborgenes und Erscheinendes, Geist und

SK 1 HTC b3 HTC b9 SK 2; HK I HTC a4

sw 2 7, 8 . 10b7 CT 1 8 ,46 . 1 7

HTC a i O ; b7

CT 1 8 ,47.45 MT 7a2

LC 3 7. 1

CT 1 ,2 . 2 7

TTC 33 LY 5 . 1 3

CT 24,65 . 1 2 HTC b2

Größter Einklang Wandlung, Wesen und Ruf durchgängig Eines ohne Zwei; berücksichtigt man Ansammlung und Zerstreuung, Auf- und Eingehen, Gestaltetes und Un­ gestaltetes und kann auf den Grund schließen, woher sie kommen, dann ist man einer, der »tief im Einfachen« ist. Wenn es heißt, die Leere könne Luft gebären, dann wäre die Leere unerschöpflich, die Luft wäre begrenzt, Gliederung und Wirkung wären unter­ schieden und [voneinander] abgeschnitten - [damit] ist man bei der Erörterung der »Geburt von Vorhandenem aus Nichtvorhandenem« und dessen, »was von selbst so ist«, durch Lao Tzu und versteht nicht, was da heißt die [beständige] Dauer der Vermischung von Vorhandenem und Nichtvor­ handenem zu Einem. Wenn es heißt, die Zehntausend Bilder seien Dinge, die man inmitten der Größten Leere sehe, dann setzten Dinge und Leere einander nicht vor­ aus, Gestalt wäre von selbst Gestalt, Wesen wäre von selbst Wesen, Gestalt und Wesen sowie Him­ mel und Mensch wären unabhängig voneinander ­ [damit] verfällt man in die Rede des Buddha, der Berge, Flüsse und die große Erde für krankhafte [Einbildungen] des Sehens hält. Diese Wege sind nicht licht; genau weil die Toren [zwar] im Umriß erkennen, daß die hohle Leere das Wesen der Gliederung ist, [aber] nicht, daß der Himmelsweg die Wirkung des Grundes ist, leiten sie umgekehrt aus dem Kleinen des menschlichen Sehens ursächlich Himmel und Erde ab . Am Lichten legen sie das Vorhandene nicht aus und verleumden dann die Welt, Ch'ien und K'un als Trugwandlung•. An Dunklem und Lichtem können sie nicht das Wichtige hervorheben, folglich ist es so, daß sie eine Stufe überspringen und irrige Vorstellungen [hegen] . Sie erwachen nicht dazu,

5 CI 1 c; SK 1

LC 26 . 1

TIC 40 TIC 25

HTC a3 LC 1 8 . 3

6

Kapitel I

daß >>einmal Yin, einmal Yang>Offen« [im gleichnamigen Liede] ist: umreißen, ist: nichts für schwierig halten; ist einer aber sehr [offen] , dann ist er nicht mehr ehrerbietig dabei . Nichts ist so unehrerbietig, als daß ein Weiser wie einer der Mannen um Gehalt dient, [wenn] es nicht so [wie in des Konfuzius Jugend] ist, daß er von Hunger und Kälte getrieben würde. [Singt der Tänzer im Lied : ] »Offen bin ich ! Of­ fen bin ich ! « , geißelt er zwar, daß sein derzeitiger Herr ihn nicht [angemessen] wirken läßt, doch als einer der Mannen [mit dem Streben zu dienen] kann er nicht umhin, daß in seinem Vorwurf etwas zu offen ist; also zeigt der Dichter die Blüte seiner Haltung und Miene, das Zwingende, wie gut er die Zügel hält - darin ist er anders als der, der [in seinem Liede einen Tänzer sagen läßt:] »Der Herrliehe [winkt mich] von der Kammer her« , »von der Bühne her« , [aber] nicht vom Kriegerischen seiner Anlage spricht. 1 9 . [Der von Soldaten des Herzogs von Chou gesungene Vers :] »Zerbrochen habe ich meine Axt, zerschlagen habe ich mein Beil« - das faßt in ein Wort: die vier Staaten waren Haupt der Unordnung, [doch] was konnten sie tun ! [Die Soldaten brauchten] lediglich »meine Axt« und »mein Beil« zu »Zerbrechen« und zu »zerschlagen« , und so »berichtigte« und befriedete sie der Herzog von Chou - das ist das Ziel der Liebe zu Menschen .

MS 125 com

LY 1 5 .25

MS 38 hsü LY 6 . 2 ; SY 1 9 . 3 4 M T 5b4-6

MS 254 . 1

MS 67

MS 1 5 7 hsü com sub

117

Musikgefäße 2 0 . (Das Lied] »Einen Axtgriff schlagen« faßt i n ein Wort, daß [König Ch'eng] von Rechts wegen dem Herzog von Chou Sitte hinzufügen sollte, [um durch dieses Entgegenkommen] »einen anderen einzunehmen durch die eigene Person« - das Ende sieht man in der Urkunde [worin der König sagt:] >>Ich kleiner Sohn, dem werde ich N eues (Entgegenkommen] widerfahren lassen«. 21. (Das Lied] »NeunernetZwie trach­ tete ich nicht nach der Liebe zu älterem und jünge­ rem Bruder>Mispel« war im Grunde ein Lied für den König Schrift; das in dieser einen [Strophe] offen­ kundig Gemachte hat der Herzog von Chou als Schöpfer festgesetzt und sie hinzugefügt, um Rei­ henfolge in die eigene echte [Regung] zu bringen . Konfuzius [aber] nahm an, man müsse es nicht auf Dauer dabei beruhen lassen, und tat sie darum ab . 26. [Das Lied vom »Regenbogen«] Die Sonne geht auf, und Yin steigt von Westen, [so] geht die Sonne der Versammlung mit ihm entgegen - das [steht für das] Eintreffen von Regen, das verdeutlicht, daß die Heirat Sitte findet. Die Sonne ist schon im Westen, aber Yin gebiert sich im Osten - das verdeutlicht, daß die Heirat den Weg verfehlt. 27. [Das Lied »Der Kranich schreit«] »Der Kranich schreit, und die Söhne klingen em« - das ist das Gute im Aufgehen von Worten !

MS 1 64 hsü com sub

LY 9.30 CCFL 3,34

MS 5 1 com sub

CI 6 1 . 2 HTC a6

Musikgefäße >>Der Kranich schreit, der Fisch taucht unter« das ist das nicht Frommende in der Furcht, daß »der Ton gehört wird« ! 2 8 . [Das Lied vom »Morgenwind«] >>Flink - jener Morgenwind, düster - jener Nordwald« - der >>Morgenwind« ist zwar ein Greifvogel, doch ist es so, daß er [anders als der Herrliche] in der Zeitigung ein Zurücktreten findet, so daß er am Nordwald innehält. 29. Das Wort [im Lied] »Stetig, stetig, diese Fe!sen«, [worin die Mühen eines Feldzugs gegen auf­ ständische Barbaren besungen werden:] »Schweine gibt's mit weißen Füßen, in Herden sind sie über die Fluten gesetzt« -daß >>Schweine sich auf dem Pfade niederlegen« und im Dreck wälzen, das ist ihr dauerndes Wesen : jetzt sind die Schweinefüße alle weiß, sind sie in Mengen über die Fluten gesetzt und fort, so ist das etwas, woran man erkennen mag, daß der Kummer durch Wasser vielfältig ist. 30. [Bei dem Satz:] ••Was der Herrliche für edel hält auf seinem Weg, ist dreifach« wie auch [bei dem Satz :] »Um ein rechter König über Alles unter dem Himmel zu sein, dafür gibt es ein dreifach Gewichtiges« handelt es sich um Wort, um Bewegung und um Gang. 3 1 . Wenn die ••Tugend [einmal] geschaffen wäre und herabfiele«, dann wäre auch das Volk wahr und im Einklang, Phönixe könnten anlangen; also wären »schreiende Vögel« zu hören - das ist es, warum man sie für die Entsprechung von »Luft im Einklang« hält. 32 . [Erklärung der] Abfolge der Neun Abteilungen [der rechten Herrschaft] : [I .] Bei dem, was das Volk zum Gebären voraussetzt, geht nichts den himmlischen Anlagen voraus; also wird als Haupt [der Neun Abteilungen] gesagt: »Fünffacher Gang [der Elemente]« .

1 19 MS 1 84 MS 3 3 . 4 ; LY 9.27 MT 4b1 8 MS 1 32 . 1 hsü com sub

MS 232

CI 3 8 . 6

LY 8 . 4 CY 29

SS 36,5 1 1 S S 32,371 SS 5 , 509

LC 24. 1 4 SS 24,91 com sub CI 2 t HT 1 6 , 6 1 . 6 1

120

Kapitel XV

[II .J [Will] einer Herr über Alles unter dem Himmel werden, muß er zuvor sich selbst recht machen; also ist das Nächste das » Fünffache EreigniS«. [III . ] Erst nachdem er selbst recht ist, wird das Land zur Ordnung finden; also folgt das »Achtfa­ che Regieren« . [IV. ] Hebt e r i m Regieren nicht das Zeitigen [der rechten Auflagen] hervor, muß es finster werden; also folgt die » Fünffache Richtschnur [der Zeiti­ gung] « . [V.] Erst nachdem die Fünffache Richtschnur licht ist, findet er im Zeitigen von Auflagen die Mitte; also folgt das »Aufrichten« des »Erhabenen Äußersten«. [VI .] Sucht er die Große Mitte, darf die »ausgleichende Gewalt« nicht unerkannt bleiben; also folgt die »Dreifache Tugend« . [VII.] Ü ber die »ausgleichende Gewalt« muß es Zweifel geben; also folgt das >>Losen bei Zweifel« . [VIII.] Erst nachdem ein Zeugnis möglich ist, werden Zweifel entschieden; also folgen die »Zahl­ reichen Zeugnisse« . [IX .] Erst nachdem [der fünffache] Segen und das [ sechsfach] äußerst [Hassenswerte] bezeugt sind, mag er ohne Mühsal ordnen; also beendet die neunte [Abteilung die Reihe] mit »Anleitung [durch Segen}< und »Ansporn [durch Hassenswer­ tes]Ausglei­ chende Gewalt« ist das, was die Mitte überschrei­ tet, sich aber mit Sinn zusammenschließt; also hat die >>Dreifache Tugend« ihre Bleibe auf der Sechs . 3 3 . [Die Aufzeichnungen über die Sitten sagen: ] >>Eltern z u Eltern machen, Würdige z u Würdigen machenWürdigen von Weisen« handelt, dann muß für das >>Abtöten« [der echten Regung gegenüber solchen, für die man die Stellung von] Eltern oder Würdigen [einnimmt] , erst ausgleichende Gewalt vorhanden sein, und dann geht es . >>Auf der Hast danach sein, für Weise Eltern zu werden« , war der Weg [des Verhältnisses] von Yao z u Shun [als seinem Schwiegersohn] - demnach muß es dann auch so sein, daß Weise, [für die man die Stellung von] Eltern [ein­ nimmt] , es vor fremden Weisen finden . [Im Buch der Urkunden heißt es :] Yao >>lichtete vortreffliche Tugend« in den neun Generationen, so daß in den neun Generationen Einvernehmen herrschte; er machte vortreffliche Tugend offenbar bei den Hundert Geschlechtern, so daß in den Zehntausend Ländern Eintracht herrschte und unter dem schwarzhaarigen Volk Einmütigkeit. »Mit Lauterkeit den neun Generationen Rangfolge zu erklärenNahes in die Ferne reichen möge«; dann lichtete er vorerst starr diejenigen aus den Neun Generationen, die sich mühten und achtsam waren, und erst dann war

121

MT 5b3; 5b6

MT 7a46 LC 32 . 1 1

SS 1 ,3 1 com sub

SS 4,34 com sub

122

Kapitel XV

es möglich, die Ferneren der Reihenfolge nach mit der Erklärung zu erreichen. [Tseng Tzu] behauptet im Großen Lernen, »Vortreffliche Tugend lichten können« sei [gleichbe­ deutend mit] »selbst seine Tugend zu lichten« - da ist der Kommentar des K'ung [An-kuo zu dem obigen Satz im Buch der Urkunden] bei weitem besser. 34 . »Sinnhaftes Volk« ist nur ausgezeichnetes Volk, das sich in seinem Teil befriedet; »Vortreffliches Volk« ist Volk von vortrefflicher Tugend. Können die Amtsinhaber etwas, dann gibt es [in den Ämtern] »Maßstab« und »Hirte« kein »Sinnhaftes Volk« [sondern "vortreffliches Volk«] ; ist die Ordnung verfinstert, dann ist die Wirkung des »vortrefflichen Volkes« nicht mehr zu fassen. 35. Die » Fünffachen Worte« [im Buch der Urkunden] sind Worte, die als musikalische Sprache die fünffache Tugend besingen . 36. [Shun sagte zu Yü, als dieser den Thron ablehnte und die Befragung des Orakels forderte: ] »Beim Orakel gewöhne man sich nicht an [die Entscheidung] >HeilHeilFest und Kostopfer« gesagt ist, ist »Fest>Fest« - das ist auch ein Wort, um Herbst und Winter als Gegenüber hervorzuheben . Die Hsia und Shang nahmen das Gottesopfer für ein Zeitigungsopfer, [daraus] ist zu erkennen, daß das Gedenkfest [oder Gottesopfer] im Sommer stattgefunden haben muß . Ist es so, dann begingen die Himmelssöhne der Hsia und Shang jährlich genau fünf Feste - das ist: das Gottesopfer war in die vier Opfer [im Jahreslauf] eingereiht, daneben stand das Opfer unter Einschluß aller Ahnen, so daß es fünf waren . Die Chou paßten das Gottesopfer [oder Som­ meropfer] als Trinkopfer an [ den jahreslauf an und feierten das Gottesopfer gesondert] , dann waren der Feste des Himmelssohnes sechs; die Lehnsfür­ sten »feiern nicht das Gottesopfer >>[im Sommer anläßlich] des Gottesopfers [des Himmelssohnes] einmal [ihr Opfer] als Opfer an nur einen Ahnen, einmal als Opfer unter Ein­ schluß aller Ahnen« - das faßt in ein Wort, daß sie bei Zeitigung des Sommergottesopfers rechtmäßig ein Opfer feiern [durften] , [aber] nur gesondert einmal als Opfer unter Einschluß aller Ahnen. Ist es so, ist daran wieder greifbar und sichtbar geworden : >>Wer nicht der rechte König ist, feiert nicht das Gottesopfer>Sie [dürfen im Herbst] das Kostopfer feiern, und [zwar als] Opfer unter Einschluß aller Ahnen, [im Winter] das Dünstopfer, und [zwar als] Opfer un­ ter Einschluß aller Ahnen>Die zahlreichen Söhne opfern nicht dem Ahn« :

LC 5 . 3 1 sub

LC 1 5 . 1 3 ; 1 6 . 1

LC 1 5 . 9

126

Kapitel XVI

»das bringt den Stamm ans Licht>sie opfern nicht dem Erzeuger« :

»das bringt den Stamm ans Licht«; »die zahlreichen Söhne zerreißen nicht [in Trauer) um den ältesten Sohn [ihre Gewänder] « - »das ist also: sie knüpfen nicht an Ahn und Erzeuger an« . 5 . [In den Aufzeichnungen über die Sitten heißt es weiter:) »Die zahlreichen Söhne opfern nicht den Frühverstorbenen und den NachkommenlosenNach­ kommenlosen< heißt: ältere und jüngere Brüder, Vaterbrüder«; den Frühverstorbenen und Nach­ kommenlosen opfert man, wenn sich der Ahntempel im Hause des kleinen Stammes befindet, so als ob er sich beim großen Stamm befände. 6 . Von den Shang aufwärts [gab es] sieben Tempel : vom Ahnvater abwärts fünf, daneben zwei, die als >>in die Ferne reichende Tempel« Aufbewah­ rungsschreine [für die Tafeln noch früherer Ahnen] waren - man hatte keinen Tempel für den Großahn, der nicht umzieht. Erst seitdem die Chou ihren »auf hundert Generationen unzerstörbaren Ahn« hatten, waren es dann drei »Strahlende« [Ahnen in drei Tempeln zur Linken] und drei »Ehr­ würdige« [Ahnen in drei Tempeln zur Rechten] : vier waren Tempel für die [vier vorangegangenen Generationen von] Eltern, zwei waren Gemächer für die zwei Generationen der Schrift und des Krieges, daneben [der für den] Anfangsahn, so daß es sieben waren. Die Lehnsfürsten hatten nicht die zwei Aufbe­ wahrungsschreine, also fünf [Tempel] . Die Groß­ leute hatten nicht den Ahn, der nicht umzieht,

127

LC 2 3 . 8

LC 1 5 . 9

LC 7.32 com LC 2 3 . 5 ; 5 . 3 0

LC 1 6 . 9

LC 5 . 30 sub LC 1 4 . 1 7

128

Kapitel XVI

dann [hatten sie] einen »Strahlenden« , einen >>Ehr­ würdigen>Ihn frevelnd in das Opfer einschließen« ­ das ist: man sollte ihn nicht in das Opfer ein schließen, schli�ßt ihn aber doch gesondert ein . > Behauptet K'ung [Ying-ta] in seinem Kommentar, die >>Königssatzung« sei die Satzung der Chou, er­ reicht er es auch nur im Groben und ist ungenau . 7. [Beim Opfer an die verstorbenen Eltern] »entfalte man Matten und setze [die Darsteller] an den gleichen Tischlinks und rechts, der Tisch ist einerOpfern an den Altären von Erde und Hirse«, bei den »fünf Feiern« und bei denen an die »hundert Geister« handelt es sich nur darum, mit dem Verdienst der hundert Geister die Tugend des Himmels zu vergelten; mit dem Himmel also den Dienst an Seelen und Geistern zum Ereignis zu machen, das ist das Ziel des Ereignisses, das Auslegen des Musters . 9. »Der Himmelssohn verleiht [den Lehnsfürsten] Geschlechternamen nach Geburt, die Lehnsfürsten nehmen [ihren persönlichen] Mannesnamen für die Sippe [der ihnen Hörigen]>Der Himmelssohn verleiht [den Lehnsfürsten] Geschlechternamen nach Geburt« - schwierig ist es, damit die Menschen zu rufen, die zu den Unteren [gehören] ; auch das ist der Weg, die überen als Würdige zu lenken : 1 1 . Stützt man sich auf [das Kapitel] Jadegräser [in den Aufzeichnungen über die Sitten], ist wenig Zweifel, daß der Himmelssohn [beim jährlichen Empfang des Kalenders für das folgende Jahr] »den Neumonden gehorchte« i m Lichtsaal, und die Lehnsfürsten [nach Empfang des Kalenders durch den Himmelssohn] dann im Großtempel sich an die »Bleibe der geborgenen Neumonde« begaben, dem Ahn Mitteilung machten und ihren Gang gingen. 1 2 . [Beim Himmelsopfer] »den Ruf empfangen im Ahntempel, die Schildkröte schöpferisch werden lassen im Erzeugerpalast« - angemessen in der Reihenfolge . 1 3 . Die Mannen von Herzögen bis hin zur Menge der Knechte von Großleuten sind »die Menge der Knechte« ; die Räte und Großleute von Herzögen und die »Vorsteher im Gemach« von Räten oder Großleuten bis hin zu den Mannen von Haus oder Stadt sind »Edelknechte« - oben fassen [die Formalen Sitten] »Herzog und Mannen>das zu tragende [Gewand] empfangen wird«, ist wenig Zweifel, daß der »Amtsälteste« von selbst einstellt und entläßt, [die Mannen] aber noch nicht einen Platz am Königshofe haben; also heißt man sie nur >>Amtsmeister« . 1 5 . »Sind es kleine Ereignisse, dann dringt man in Hinwendung vor« - das sind wohl diejenigen, für die es sich findet, daß sie von selbst zu ihrem [jeweiligen] Herrn vordringen [dürfen] und nicht darauf harren, von dem Ältesten zu hören; ist wohl das, was in den [Aufzeichnungen über die] Sitten heißt: »Amt mit [Befugnis zum] Vordringen« . Derjenige, der heißt »Ältester von Ämtern mit [Befugnis zum] Vordringen«, ist der Älteste von denen, für die es sich findet, von selbst vordringen [zu dürfen] ; derjenige, der »Amtsmeister« heißt, ist der dem Ältesten Nachfolgende. Ist es so, dann mag man daran erkennen, daß der »Älteste von Ämtern mit [Befugnis zum] Vordringen« »dreifachen Ruf« nach oben [empfangen] haben muß, daß der »Amtsmeister« dann einer der mittleren Mannen ist und doppelten Ruf [empfangen] hat, und die zahlreichen Mannen dann einen Ruf [empfangen] haben. 1 6 . Ein »[mit Sechsfachern Ruf] verliehenes Amt« ist eines, das zur Knechtung von Hörigen führt. 1 7. »Ist der Ahntempel noch nicht zerstört, lehrt man [verlobte Töchter und Enkelinnen] im Ge-

LC 2 3 . 5-8 MT 5a5 CL 5 , 1 5a

CL 1 ,2a sub CL 5 , 1 5a sub LC 2 3 . 5-8 CL 1 ,20a

LC 4 . 2

LC 2 3 . 5-8

CL 5 , 1 5a

CL 5 , 1 5a sub

LC 44 . 7 IL 2 , 1 1 b

Das Gottesopfer des Königs meinnützigen Palast« - daran ist zu erkennen, daß die Lehnsfürsten im Verhältnis zu [Trauer] tragenden Sippenangehörigen, [an deren Trauer sie nicht teilhatten] , diese auch heranzogen und ihnen Eltern waren wie den Hausangehörigen . 1 8 . Das »Hinabsteigen und Trinken« [beim Bogenschießen] - das ist: wer nicht gesiegt hat, steigt von selbst vom Saal hinab und empfängt den Trank [des Verlierers vom Sieger] ; >>wenn er so streitet, [ist er ein Herrlicher]« - er streitet nur um Bescheidenheit und Vortritt lassen. 1 9 . Beim Bogenschießen nimmt der Herrliche das Treffen der Mitte als Sieg, muß aber nicht das Durchbohren des umgeformten [Leders] als Sieg nehmen. Als Zielscheibe dient das entfaltete [Tuch] , als Ziel das umgeformte [Leder in dessen Mitte] ; auch wenn [der Pfeil] nicht das umgeformte [Leder] durchbohrt, sondern auf den Boden stürzt, wird erkennbar, daß er das Ziel in der Mitte getroffen hat - dies ist ein [Fall] von »im Ausüben von Kraft nicht vom gleichen Fach sein«. 20. »Kennt man den Gestorbenen, kennt aber nicht den Lebenden, ist man verletzt, erweist aber kein Beileid« - bei [Tod durch] Fürchterliches [wie die Todesstrafe] , Erschlagenwerden [von einem Baum] oder Ertrinken darf man verletzt sein und sich sehr grämen, also bringt man gesondert seine Trauer um den Gestorbenen zum Ziel, erweist aber dem Lebenden kein Beileid, um das Andersartige [des Todes auszudrücken] ; dazu hat der [sonst übliche] Satz: »Wie ungebührend« nichts, worauf man ihn verbreitete. 2 1 . >>Sich umfassend daran halten« [und so Frieden in den Liedern finden] - das ist: sich gut an sie halten, sie beständig singen und musizieren; »Buntes tragen« [und so Frieden in den Sitten finden] -

131

LC 42. 1 -2 LY 3 . 7 L C 46. 1 1

IL 5,23b-24a LY 3 . 1 6 YC 26 L C 46 . 8

L C 1 . 34 LC 3 . 25

LC 20.21 LC 1 8 . 3 SS 2,688

132

Kapitel XVII

das ist: an Buntes sich gewöhnen in der Schrift, die Zahlen festsetzt und Naheliegendes trägt. 22 . »Frühling und Herbst sind im Großen und Wichtigen Ereignisse des Himmelssohnes« ; also sagte [Konfuzius] : >>Wenn man mich erkennt, liegt das nur an Frühling und Herbst! Wenn man mich beschuldigt, liegt das nur an Frühling und

CI 60 h LC 4 1 . 1 0 MT 3b9

Herbst! « 23 . [Der Abschnitt i n den Gesprächen, der be­ ginnt:] >>Was sproßt, aber nicht knospt« ist mit dem darunter [folgenden, der über jemanden spricht] , »der nicht genügt, ihn zu fürchten« eine Rede.

LY 9 . 22 LY 9.23

Kapitel XVI I . Ch'ien p reiset als Vater 1 . [Westinschrift] Ch'ien preiset als Vater, K'un preiset als Mutter - SK 9 so winzig bin ich gegen sie, doch gemischt [aus ihnen] hab' ich als [ihre] Mitte meine Bleibe. Was HTC a1 also Himmel und Erde vollfüllt - unser ist seine MT 2a2 Gliederung; was Himmel und Erde lenkt - unser ist sein Wesen. Das Volk und wir sind aus gleichem MT 7a45 Schoß ; die Dinge und wir haben [aneinander] teil. Der Großherr ist der Stammsohn unseres Vaters CI 7. 6 und der Mutter; sein Großknecht ist der Haus bei- CY 1 5 stand des Stammsohns . Würdiget die Hochbejahr- L C 2 . 2 ten, dadurch macht ihr die Älteren zu den Euren; M T 4al l erbarmet euch der Waisen und der Schwachen, da- 55 1 6,498 durch macht ihr die Jungen zu den Euren . Beru- MT 1 a7 fung ist solcher Zusammenschluß der Tugend, CI 1 w Weisheit ihr Knospen . Alle unter dem Himmel, die CL 9 , 1 l a hinfällig oder entstellt sind, ohne Bruder oder L C 5 . 50 Sohn, ohne Frau und ohne Mann, sind solche un- MT 1 b5 serer Brüder, die geplagt sind, doch niemand haben, um sich mitzuteilen.

Ch'ien preiset als Vater >>Dies zeitigend bewahrenfreudig sein und sich dazu nicht sorgenAuflehnung gegen Tugend« ; der Menschlichkeit schaden, dazu saget »Diebstahl>Nicht-ZweiheitTor und Mauer« der berufenen Schule zu »spähenhehre EigenschaftenWechsel durch die schweifende Einbildungsseele « ! Das, was da »Wechsel« heißt, ist in der Schrift dem Anhäufen und Zerstreuen, Beruhen und Vergehen gegenübergestellt, ist [aber] nicht eine Rede wie etwa die von der Wandlung zu Glühwürmern [die aus faulenden Gräsern entstehen] und von Spatzen [die zu Meereswürmern werden] ,

HTC a 1 2

TTC 73 HTC b3 HTC a 1 0 HTC a S TTC 6

HTC b3

HNT 8 , 3 a TTC 14

HTC a4

LC 6 . 54; 1 6 . 1 3 LC 6 . 84 sub

142

Kapitel XVII

die auf die frühere und die nachfolgende Person verwe1st. 1 6 . Um Dinge zu mehren, muß einer wahr sein, so wie der Himmel im Gebären der Dinge täglich voranschreitet und täglich atmet; mehrt einer sich, muß er wahr sein, so wie der Strom im >>Ürten des Ziels« täglich schwillt und täglich findet. Macht einer Irrtümer im Ausbreiten [der Lehre] und ist er nicht fleißig im Lernen, begehrt [aber] , sich zu mehren und dazu andere zu mehren, wird es schwierig sein ! Das Einfache sagt: »Mehrung läßt Wohlstand wachsen, setzt aber nicht [etwas hinzu]« - haltet das für redlich ! 1 7. Will einer sich selbst hegen, muß er Großzügigkeit und Gewichtigkeit voranstellen, um sich selbst zu fassen; ist er großzügig und gewichtig und kennt das Lernen - genau dann ist er in der Tugend vorangeschritten, aber nicht starr geworden . Um treu und redlich in der Tugend voranzuschreiten, ehre man nur Freunde und sei »auf der Hast nach Weisen«; begehrt man für solche, die über einen selbst siegen, Eltern zu sein, gibt es nichts Besseres , als mit dem Anpassen von Ü berschreitungen nicht zu zaudern. 1 8 . [Ostinschrift] Scherzhafte Worte sind etwas, das vom Trachten ausgeht; scherzhafte Bewegungen sind etwas , das vom Planen geschaffen wird . [Die einen] entwikkeln sich in Tönen, [die anderen] werden sichtbar in den vier Gliedmaßen - behauptet einer, es sei nicht das eigene Herz, ist es so, daß er nicht lichtet; begehrt er [so] , daß andere keine Zweifel an ihm selbst haben, ist es so, daß er es nicht kann . Übertriebene Worte sind nicht das Herz, übertriebene Bewegungen sind nicht die Wahrheit. [Die einen] fehlen in Tönen, [die anderen] verdrehen und beirren die vier Gliedmaßen - behauptet einer,

CI 42 CY 23 CI 42 t MS 166.3

HTC b6

LY 1 4 . 42 CT 22,58.24

CI 1 . 4 w LY 1 . 8 CI 1.3 w MT 5b8; 7a46 MT 2a7 SS 1 1 , 1 70

LY 1 7. 3 ; SY 1 . 1 1 E Y 1 , 1 a12 sub CI 2 w

LC 27. 3 M T 2 a2 C Y 22

143

Ch'ien preiset als Vater

man selbst solle so sein, ist es so, daß er sich betrügt; begehrt er [so] , daß Andere ihm selbst folgen, ist es so, daß er andere betrügt. Manche beheimaten den Makel von etwas, das vom Herzen ausgegangen ist, im eigenen Scherz, [oder] betrügen sich, es sei eigene Wahrheit, wo sie in [ihrem] Trachten gefehlt haben . Kennst du es nicht, aufzupassen auf das, was von dir ausgeht, oder beheimatest du als Makel etwas, das nicht von dir ausgeht, so wirst du Ü berheblichkeit wachsen lassen und dazu Falschheit entfachen - es ist nicht z u erkennen, welches von beiden schlimmer ist!

HSWC 5.5

TC Huan 1 8 .2

LC 1 . 1

ANALYTISCHER KOMMENTAR

Zu >> Kapitel l . Größter Einklang« Das Rechte Auflichten wird eingeleitet durch den Entwurf einer Rückführung der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit auf ein dieser zugrunde liegendes Substrat mit seinen wesentlichen Be­ stimmungen. Dabei legt die Gedankenführung in einer ersten Gesamtschau bereits den Weg zurück, auf dem sich auch das Werk als Ganzes entwickeln wird . Im Folgenden sollen deshalb zu­ nächst einige Begriffe erläutert werden, die für das gesamte Werk von zentraler Bedeutung sind . »Gesetze« und »Bilder« An der sich ständig verändernden Wirklichkeit der sinnlich wahrnehmbaren Welt der »Gestalten« , welcher sich der Mensch gegen übersieht, lassen sich einander entgegengesetzte Phasen von Entstehen und Vergehen ablesen . Der Jahresablauf mit dem Auf­ gehen und dem Rückzug der Vegetation, die den Phasen des Mondes entsprechenden Monate, der Wechsel von Sonne und Mond zu Tag und Nacht, der Kreislauf von Geburt, Wachstum, Altern und Sterben bei den Lebewesen - alles wird dem Menschen zu » GesetzenZwei Pole>Luft>Lichten>Luft« und Yin die sinkende, trübe und schwere >>Luft>Luft« als Substrat ebenso den >>dunklen« Bereich ausmacht, ist sie allein durch die Funktion be­ stimmt, den »lichten« Bereich zu ermöglichen und aus sich her­ austreten zu lassen . In dieser Hinsicht ist sie die »Größte Leere« oder der >>Himmel>Himmel>gestalthafteS>Bilder«, die in der >>Größten Leere« erscheinen, sind allerdings vergänglich und haben keinen Wert an sich; sie sind nur »Trester und Asche«, von denen ausgehend das sie begrün­ dende Wesen erkannt werden muß (1.6). Das »Einfache« und das »Muster>verändern« und »einfach>Eins« (1 . 14); damit steht für Chang Tsai der Aspekt des >>Einfachen« im Vordergrund, weshalb das Zeichen mit der eigent­ lich doppelten Bedeutung in der Ü bersetzung stets als >>einfach« oder das >>Einfache« wiedergegeben ist. Dieses Zeichen setzt sich für Chang Tsai im Anschluß an ältere Traditionen aus zwei graphischen Elementen zusammen, die als selbständige Zeichen >>Sonne« bzw. >>Mond« bedeuten. In diesem Zusammenhang stehen >>Sonne>Mond« zusammen für >>Licht>einfachlichten>Licht>Sonne« und >>Mond>Einfachen>Offene« nimmt das durch Ch'ien >>Erkannte« als sein >>Gesetz« auf und trägt es in die bestimmte Wirklichkeit aus (vgl. IS, in CTC 1 78 . 3 - 5) . Auf diese Weise wird durch die beiden entgegengesetz­ ten, beständig ineinander übergehenden Seiten des »Einfachen« ­ im weiteren Verlauf des Werkes das »Einfache« und das »Offene« ­ die sich nach diesem Grundmuster vollziehende Prozeßhaftigkeit begründet, von der hier zur Verdeutlichung eine schematische Darstellung gegeben sei: das »Einfache« (Erkennen) das »Einfache>Einfachen>Einfachen« und dem »OffenenSeelische« als die zurückweichende und sich besondernde Seite . Hierbei wird jetzt nicht von einem Prozeß des >>Erkennens« bzw. >>Erkanntwerdens« gesprochen, sondern der Modus der sich ent­ wickelnden Wechselbeziehung ist >>ErregungSeelischen« und des >>Geistigen« miteinander ver­ schränkt. Das >>Seelische>Geistige« sind in anderer Hinsicht das »ausgezeichnete Können>Luft«, wodurch die sich in allen Besonderungen erhaltende Bestimmtheit der >>Zwei Arten von Luft« als passive >>YinluftYinluft«

»Gliederung>Glie­ derung>WirkungWirkung« gegenüber. » Gliede­ rung« ist immer die Fülle der unbestimmten »einfachen« Einheit, die sich in »paarige« Gegensätze gliedert, in denen sie jedoch als Einheit erhalten bleibt. In diesem Sinn ist die »Größte Leere« die >>Grundgliederung« der »Luft«, wodurch positiv die »einfache« Einheit ausgesprochen ist; dagegen hat das »Einfache« keine »Glieder«, womit negativ die unbestimmte Einheit ausgedrückt ist. Jedes »Glied« innerhalb der so aufgefaßten »Gliederung« kann sich selbst wiederum in die Aspekte »GliederungGrößten Einklangs« zur Sprache, und zwar durch ein Zitat aus den Urkunden, demzufolge das Er­ scheinen von »Phönixen« am Hof des »Himmelssohnes« das äu­ ßere Zeichen eines vollkommenen Einklangs des Menschen mit der Natur ist.

Zu >>Kapitel Il. D reiheit und Paarigkeit« Das Muster, daß der Wechsel innerhalb der Zweiheit (Yin und Yang, Tag und Nacht usf. ) als >>Veränderung« zugleich das »Einfa­ che« ist, wird auch für das Kapitel über »Dreiheit und Paarigkeit« bestimmend . Himmel und Erde sind ein Paar, doch auch die sie verbindende Einheit wird als »Himmel« bezeichnet; der für diese Form des Einfachen gewählte Ausdruck »Dreiheit« verweist letzt­ lich auf eine Art der »Dreieinigkeit«, die im Fortgang dieses

Zu Kapitel li

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Kapitels nicht mehr genannt wird, weil sie als Setzung dem auf vier Stufen beschriebenen Verhältnis von Yin und Yang zugrunde liegt. Schon das Buch vom Einfachen folgt diesem Muster: die Ab­ folge von drei Strichen, die jeweils lediglich zwei Formen, nämlich »durchbrachen« - - (Yin, auch : »gerade«) bzw. »nicht durchbra­ chen« - (Yang, auch : »ungerade«) haben können, schafft ein Dreierzeichen, eines der acht möglichen Urzeichen, die jeweils wiederum als »Einheit« begriffen werden; doppelt man diese Ur­ zeichen (eine Dreiheit), macht man sie also »paarig«, so entstehen die Sechserzeichen des Buches vom Einfachen, und auch diese werden jeweils als Einheit verstanden (vgl. Anhang: A. Grundbe­ griffe). Chang Tsai setzt die Kenntnis der graphischen Gestalt der Dreierzeichen im gesamten Kapitel II voraus, ohne sie jemals wörtlich anzuführen. Bemerkenswert ist der Umstand, daß auf der kosmologischen Ebene die zusammengesetzten Sechserzei­ chen keine Rolle spielen . Auf dieser Ebene ist dem Menschen noch kein Platz zugewiesen. Chang Tsai handelt hier über die Mechanik der unbelebten Welt. Die Denkweise des Buches vom Einfachen wird von Chang Tsai nun in abstrakter Weise im Sinne einer »Physik« auf die kosmi­ schen Erscheinungen angelegt, und zwar in einer von oben nach unten absteigenden, zunehmend komplexere Zusammensetzun­ gen von Yin und Yang beschreibenden Stufenleiter, die mit der Definition von Erde und Himmel als Yin bzw. Yang beginnt, um bei der Erde zu enden . Das Verhältnis von Yin und Yang wird auf insgesamt vier Stufen als descensus dargelegt: 1 ) Himmel als »Geist>Muster, das von selbst so ist« Momente konkreter Ruhe annimmt. Dieser obere Bereich wird als »Yin inmitten von Yang« beschrieben . =

=

1 54

Analytischer Kommentar

2) Mond und Sonne (Dreierzeichen K'an = = und Li - - ) als Entäußerungen von Yin und Yang bzw. K'un und Ch'ien in der gestalthaften Welt. Das Zusammenwirken von »Feuer>Wasser« (Mond) schafft die Zeitrechnung. 3) Die meteorologischen Erscheinungen in einem unteren Be­ reich als >>Yang inmitten von Yin>Gang« bzw. »Reihe>Was­ ser«) führt aufgrund des Yang-Striches in der Mitte zu dem Satz, der »Stoff>Feuer]ahresgestirn>Holz>azurne Gestalt« (II . 13), interessiert Chang Tsai jedoch nur auf einer untergeordneten, >>diachronenLeere>FülleAntrieb>Fal-

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Analytischer Kommentar

len und Steigen« von Yangluft sind wiederum Vorstellungen, die Chang Tsai aus den medizinischen Klassikern entlehnt hat. Sonne und Mond - Kaiendarisches Zur Zeit von Chang Tsai waren zwei kreisförmige Anordnun­ gen der acht Dreierzeichen bekannt. Sowohl in der sogenann­ ten hsien-t'ien-Ordnung (vgl. Taf. 3 auf S. 232) als auch in der hou-t'ien-Ordnung (vgl . Taf. 1) stehen die Dreierzeichen Li (in Feuer Holz

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Tafel 1. Ordnung der acht Dreierzeichen nach dem König Schrift (sog. hou-t'ien-Ordnung)

Sonne

"' >treibende Blume« von >>Erde«, deren Wesen anhand des in Il.20 definierten Verkehrs von Feuer und Wasser sich offenbart; >>Metall« als >>Ding«, als Bodenschatz, liegt als »voller [Kern] « in der Erde, weil es das »Feine« des Feuers wie auch das »Feine« des Wassers dort findet (vgl. das oben zu Sonne und Mond Gesagte). >>Holz« und »Metall« sind jedoch durch >>Feuer« und »Wasser« nicht etwa kausal bedingt, nicht etwa durch diese letzteren ent­ standen; der Zusammenhang ist eher einer des Aspekts , wie denn auch in der sog. hsien-t'ien-Ordnung die Dreierzeichen Chen

Zu Kapitel III

1 59

(>>Donner«, auch : »Holz«) und Tui (»Marsch«, auch: »Metall«) einander gegenüberstehen (vgl. Komm . zu Kap . XIV, Taf. 3).

Zu »Kapitel I I I . H immelsweg« Das dritte Kapitel knüpft an zwei Abschnitte des ersten an (1.6, 23) und setzt die Darstellung des Grundmusters an der unbelebten äußeren Natur in Kapitel II voraus . Es hat das Verhältnis zwischen Natur und Mensch in seiner Vermittlung durch den Berufenen zum Thema und läßt sich folgendermaßen unterteilen: 1) die Na­ tur als Lehrerin des Berufenen (111 . 2 - 12), 2) der Berufene als Lehrer der Menschen (III . 1 3 - 1 9) ; der einleitende Abschnitt gibt das Thema, während der letzte zusammenfaßt und überleitet. Die Entwicklung des Gedankens ist durch den Begriff des Geistes ver­ knüpft, der ausgesprochen oder unausgesprochen in fast jedem Abschnitt erscheint. Die Natur als Lehrerin des Berufenen Die Natur ist im Begriff des »Himmels« als >>Muster« und »Geist« definiert worden (1. 1 1 , 11. 1 - 2, 6, 13); der »Himmelsweg« (oder poetisch die »Himmelslast«) drückt ihre wirkliche Seite als gestalthafter Wandlungsprozeß aus . Der Prozeß ist zeitlich (als Kreis der Jahreszeiten in der »vierfachen Zeitigung>Herz«, aber auch der Mög­ lichkeit nach offen für die unendliche Fülle des Wesens (vgl . YL, in CTC 324 . 1 3 ) . Die Einheit der Natur >>gliedert« sich als Totalität des Prozesses in alle möglichen einzelnen >>Dinge«, während die »Menschlichkeit« (des Berufenen) alle möglichen >>Ereignisse glie­ dert«. Der Text nimmt hier eine Unterscheidung vorweg, die erst in V. 7 geklärt wird : einzelne >>Dinge« sind nicht an sich zu begrei­ fen, sondern nur in Beziehung auf Anderes als »Ereignis« in einem Ausschnitt der Wirklichkeit. Der Mensch steht mm wesentlich in Beziehung zu anderen Menschen und hat daher zunächst völlig unbestimmt »Mensch­ lichkeit« . Der vollkommene Mensch erkennt diese wesentliche Eigenschaft (vgl . VIII . 1 ) und bestimmt sie gemäß dem Grundmu­ ster in ihren »sittlichen« Verhältnissen . In diesen erscheint somit dieselbe produktive Kraft, die auch den natürlichen Wandlungs­ prozeß kennzeichnet. Die vom Menschen geschaffene Kultur be­ gründet sich im Vorbild der Natur und ist in ihr schon angelegt (III .2; vgl . YL, in CTC 326 . 12 - 32 7.3). Die folgenden Abschnitte beschreiben den durchgängigen Ein­ klang des vollkommenen Menschen mit der Natur von der frucht­ baren Einheit des Geistes her. Als Kulturschöpfer und Weltherr­ scher vermittelt der Berufene die an sich vernünftige, aber unbewußte Natur in Einrichtungen, die ebenso vernünftig sind und darum ebenso fraglos akzeptiert werden wie die Natur in regelmäßigen (»dauernden«, >>redlichen«) Erscheinungen, die auf derselben Produktivität des Geistes beruhen . Dabei wird der Mensch im Einklang mit der Natur selbst schöpferisch : er >>begei­ stet« sie (III .4). Der allgemeine, in der Natur wirkende Geist schafft sich im menschlichen Bewußtsein die Differenz, in der sich die »herzlose« Natur selbst erkennt. Der vollkommene Mensch überwindet seine Beschränktheit als einzelnes »Ding«, indem er

Zu Kapitel III

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das Wesen der Natur als Beziehung und Geist erkennt und sol­ chermaßen selbst >>geistigGefäß« (vgl. Kap . IX) für den allgemeinen Geist der Natur dient, gleicht er ihr in dieser Hinsicht, so daß beider Attri­ bute austauschbar werden (III . 9 - 1 1 ) . Der erste Teil schließt mit einem Abschnitt, worin Chang Tsai die Differenz zwischen (vollkommenem) Menschen und Natur in die menschliche Welt überträgt. Die in alter Zeit sakrale Legitima­ tion der Herrschaft von Menschen über Menschen durch den >>Ruf>GottesZeitigung>begeistetDingwesen« erkannt werden (Ill . 14). Die letzten Abschnitte betonen wiederum die Einheit des Beru­ fenen als Lehrer mit dem allgemeinen Geist und kritisieren zu­ gleich eine taoistische Auffassung, nach der Geist bloße Rezepti­ vität sei (im Bild vom >>Tal«). Damit sei nur die »Gliederung« erkannt, nicht aber die >>Wirkung« . Wenn der Mensch >>Himmels­ tugend«, also Geist hat, wird er wie dieser selbst wirken und das eine wahre Verhältnis in jedem >>Wort« auslegen (Ill . l S - 19). Der Schlußsatz (Ill .20) faßt das Kapitel dahingehend zusam­ men, daß die Wahrheit der Natur nicht in ihren äußeren, abgelei­ teten Verhältnisse liege, sondern in ihrem inneren Wesen, welches nur im wahren Licht der rechten Lehre zugänglich wird . Das Licht des Geistes und seine >>Wandlung« sind Thema des folgenden Ka­ pitels . Wie schon im vorangegangenen Kapitel schwingen auch hier wieder politische Untertöne mit: Sonne und Mond stehen für Herrscher und Kanzler; nach einer Aussage in der Wirklichkeit der Mitte darf sich der Fürst nicht >>blendenWahrheit>Himmelsweg« und dem Wirken des Berufenen bzw. dessen Vermitteln des »Weges« in die Welt zugrunde liegt, bestimmt dieses Kapitel das Verhältnis der beiden Seiten vor allem im Ausgang vom Menschen.

Zu Kapitel IV

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Neben zwei einleitenden (IV. l - 2) und einem schließenden (IV.29) Abschnitt gliedert sich das Kapitel in drei Teile. Der erste (IV. 3 - 9) versucht die nicht der sinnlichen Wahrnehmung zugäng­ liche >>Geistwandlung« durch Rückbindung an das Substrat der »Luft« als real zu erweisen. Der zweite Teil (IV. 1 0 - 1 9) hat die Verschmelzung des Berufenen mit dem Prozeß der »Geistwand­ lung« zum Thema, während der letzte (IV.20-28) darlegt, daß der Mensch den Wandlungsprozeß als durch den Geist begründet zu erkennen und in seinem Dasein stets das ausgewogene Verhältnis seiner Momente zu wahren hat. Einleitung Die ersten beiden Abschnitte stecken den Rahmen des Kapitels ab . An dem Wirklichkeit begründenden »Himmel« werden der Aspekt der absoluten Identität als Geist oder »Himmelstugend« und der Aspekt der relationalen, die Prozeßhaftigkeit des »Wan­ dels« ausmachenden Identität des »WegesSprüche«, wie sie besonders im Buch vom Ein­ fachen überliefert sind . Diese >>Sprüche>Geistes« und seiner >>Wandlung>Geistwandlung>Luft« gesetzten Substrates aufgezeigt. Die >>Wandlung>zwei Arten von Luft«, Yin und Yang. Der Mensch ist in den Wandlungsprozeß eingebunden, die diesen bestimmenden Momente stellen sich ihm im >>Erkennen von Sinn>Verwirklichen von Nutzbringen­ dem>Sinn>Sinn>sinnhafte« Verhalten des Men­ schen gegenüber der äußeren Wirklichkeit insgesamt, wobei diese der Maßstab für den >>Sinn>Nutzbringend« ist für Chang Tsai in Anlehnung an das Buch vom Einfachen ein Epitheton für den Geist, da alles »Geistige>nutzbringend« bezeichnet werden kann . Dem Menschen ist durch das Aufgehen in der Identität des Geistes, das »Erschöpfen>Sinn>Nutzbringendes verwirklichendes« Han­ deln so zu verschmelzen, daß das Erkennen von »Sinn« unmittel­ bar dessen Verwirklichung beinhaltet. Auf diese Weise wird der Mensch zum Medium, welches die >>Wandlung« der Natur »er­ kennt>verwirklicht>Sinn>Bilder>Zeitigungen«, die sich mit der »Geistwandlung« im Substrat der Luft ergebenden Konstellatio­ nen . Im Gegensatz zur von Chang Tsai so verstandenen buddhisti­ schen Vorstellung, daß die »GestaltenErde« zeigende Geist, die Natur. Im Menschen begegnet dieses allgemeine >>Geistige>GeistigenSeelischen« , so daß im Erkennen der Natur durch den Men­ schen sich das Allgemeine im Besonderen erkennt. Dieses >>Wahr­ heit>nicht zu verhüllenMühensLernen« schließlich möglich wird, die den »Bil­ dern« und ihren gestalthaften Verfestigungen vorausgehenden »Ansätze>Ansatz« bezeichnet den Punkt, an welchem aus dem Relationalität übersteigenden Geist ein wie auch immer geartetes Verhältnis hervorgeht, eine »Erre­ gung>Ansätzen>Sinn« zukünftiger >>Ereignisse« zugänglich werden, bevor sie tatsächlich »Bild>Gestalt« annehmen, und zwar in einer von weiteren Verschränkungen noch unver­ fälschten Form . Dieser unmittelbar aus der »Größten Leere« des Geistes hervorgehende »Sinn>feine Sinn« ; will der Mensch Wirklichkeit aus >>feinem Sinn« heraus erfassen, muß er mit dem Geist verschmelzen, >>mit dem Himmel Eines werden>Ahnung« bezieht sich Chang Tsai auf ein Sechserzeichen aus dem Buch vom Einfachen . In diesem Zeichen steht der Yin-Strich auf dem zweiten Platz ohne Beziehung zu einem anderen Strich des Zeichens, die ihn festlegen oder be­ schränken könnte, für die vollkommene, ruhige Offenheit des Menschen der reinen Wirklichkeit des Geistes gegenüber. Auf­ grund dieser Offenheit ist es dem Menschen möglich, jede sich abzeichnende Differenzierung zu erfassen, ohne durch die gestalt­ hafte Wirklichkeit abgelenkt oder beschränkt zu werden, und er vermag daher, den mit den >>Ansätzenreinem Nutzenbefriedet er die Person«, was ihn umge­ kehrt den >>Ansätzen>geistigererhöht« die »Tugend« des Men­ schen . Auch in diesem Zusammenhang bleibt die Abgrenzung zwischen den Stufen der » Größe« und der »Wandlung>Nähren der Tugend>Mühen>Himmelstugend« selbst über, in einen sich selbst erhaltenden Prozeß, das unaufhörliche »Blühen der TugendReifens der Menschlichkeit« nicht mehr gerecht . Will man der >>Wandlung beim Wachsen helfenEinfachen« auf die absolute Identität des Geistes zurückfüh­ ren können . Handelt er aus diesem Erkennen heraus, wird er sich stets im Einklang mit den wesentlichen Verhältnissen der Wirk­ lichkeit befinden, und diese wird ihm notwendig als »heilvoll« begegnen (IV.22; vgl. Vl . 34 - 35). Das »Erkennen des GeisteS>Erkennen des GeisteSEin­ fachen« und des >>Offenen>Sit­ ten>Offenen>Musik>Sitten>Einfachen« entspricht. Das hier ver­ wendete Schriftzeichen für Musik bedeutet in einer anderen Aus­ sprache »Freude>Ding wandeln« würde (IV.25). Im Gegensatz dazu muß er seiner eigentlichen Bestim­ mung gerecht werden, indem er das >>Selbst rechtmacht« (IV.27) . Das beinhaltet, daß e r das Verhältnis , das e r z u den Dingen als vereinzelten hat, in den Hintergrund treten läßt, und jedes auf Dinge gerichtete, im vereinzelten Ich begründete Interesse auf­ gibt. Begegnet er den Dingen in diesem Sinne »ichlos« , ohne vom Standpunkt der Vereinzelung in den Wandlungsprozeß der Wirk­ lichkeit einzugreifen, dann kann er die >>Dinge dingen>Herz>auf dem Geist zu beruhen>äußere>ichlos« ist, unverfälscht von Vorstellungen des in der Vereinzelung befange­ nen Ichs erfassen kann . In seinem Bestreben, ganz mit der unbe­ stimmten Fülle des Geistes zu verschmelzen, darf sich der Mensch diesen »Erregungen« nicht verschließen, da das ein »Ertrinken im Hohlen« oder ein »Hinabgesogenwerden in die Ruhe« bedeuten würde, wie Chang Tsai es bei den Anhängern des Buddhismus bzw. denen des Taoismus sieht. Seiner Auffassung nach sind die unbestimmte Fülle der » Gliederung« des Geistes und seine »Wir­ kung« nicht voneinander zu trennen. Daher muß der Mensch diese Fülle in uneingeschränkter Offenheit der Wirklichkeit zu­ wenden, »großzügig« sein und sich den »Erregungen fügen« , das »Wesen wesen« lassen und den »Erregungen« durch die äußere Wirklichkeit »ehrlich« entsprechen (IV.26). Damit ist nun ein »Rechtmachen der Dinge« ausgesprochen, welches dem » Rechtmachen des Selbst>Menschlichkeit« als reine Wirklichkeit ist wie das >>Einfache>Kapitel V. Bewegliche Dinge« In Kapitel II war das Muster von Einheit und Zweiheit an der Mechanik der astronomischen Bewegungen und Verhältnisse dar­ gelegt worden, die in der Natur, dem »Himmel>Dämonen und GeisterErgründung des Gewohnten« (V. 12 - 1 3 ) . An anderer Stelle (HLSI, in CTC 3 73 . 4 - 6) spricht Chang Tsai davon, daß man sich eigentlich über die allergewöhnlichsten Erscheinungen auf der Welt zu wundern habe. Solcherlei Erscheinungen werden in V. 1 3 als >>Gottesregeln>WunderlichesKönnen der Luft«, durch welche Phänomene wie Traum und Wachen, Töne und die sinnliche Umgebung des Menschen über­ haupt bewirkt werden (V. l l - 1 3 ) . Schon der erste Schritt jedoch, der i m Erschöpfen des Musters durch Ergründung des Gewohnten besteht, war nur möglich, weil dem Menschen, anders als den Dingen, mit welchen ihn das Vor­ handensein von Wesen verbindet, zusätzlich Erkenntnis eignet. Diese richtet sich zunächst auf zwei Begriffe der Ordnung, die »Himmelsreihenfolge« und die >>Himmelsrangfolge>Vorher und Nachher Rechtma­ chen des Leitfadens>Geist« (IV.22) und zum >>Sinn>Himmel« vertretenden Sechserzeichens Ch'ien (vgl. Komm. zu Kap . XIV) . Wie Chang Tsai an anderem Orte (CHLK, in CTC 264 . 1 0 - 1 2) ausführt, besitzen diese beide Ordnungen etwas na­ turgegeben Unwandelbares . Die Erkenntnis der Gleichzeitigkeit des Bestehens der beiden Ordnungen bildet eine Voraussetzung für die im Folgenden ent­ wickelte Notwendigkeit des Bestehens der beiden Seiten des Er­ regungsprozesses, durch welchen Dingliches entsteht (V. 7). Als Zusammenschau findet sich diese Notwendigkeit auch im Erken­ nen dieses Dinglichen, das nur als »gemeinsames«, »wahres« im Sinne einer Reduktion auf die der Zweiheit zugrundeliegende Ein­ heit >>Vom Rechten von Yin und Yang ausgehen« kann (V. 8 ) . Dieser Schritt war bereits i n V. 7 vorbereitet worden: daß kein Ding für sich allein, »Verwaist« stehen kann, sondern nur als aus der Zweiheit Vollendetes gesehen werden kann, ist Vorgriff auf die in V. 8 entwickelte »Wahrheit« der Sichtweise; Vollendung und Wahrheit bestimmen einander wechselseitig in der Wirklichkeit der Mitte, wo es heißt, daß ohne Wahrheit kein Ding sein kann. Erst damit sind die Bedingungen geschaffen, mit der Ergrundung des Gewohnten auf das Seelische und Geistige abzuzielen, dessen Äu­ ßerungen, recht betrachtet, das Wunderlichste auf der Welt sind .

Zu Kapitel VI

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Zu » Kapitel VI . Wahrheit und Licht« Während im fünften Kapitel ausgehend von Erscheinungen der empirischen Wirklichkeit allgemeine Verhältnisse in der belebten Natur aufgedeckt wurden, legt das sechste Kapitel dar, daß wahre Erkenntnis sich nicht aus der sinnlichen Wahrnehmung, sondern aus der alles tragenden Gesetzmäßigkeit der Natur selbst herleitet; weiter erläutert das Kapitel es, wie der Mensch die ihm wesentlich gegebene Möglichkeit verwirklichen kann, sich aus der Verhaf­ tung an die empirische Wirklichkeit zu lösen und Naturnotwen­ digkeit als menschliche Geschichte zu entfalten . Das Kapitel gliedert sich in sechs Teile. Zunächst werden die Begriffe »Licht>Wahrheit« als Ziel menschlichen Erkennens und Handeins umrissen (Vl . 1 - 6 ), woran sich eine weitere Bestim­ mung des Wesens im Zusammenhang mit dem »Ruf« anschließt (VI . 7 - 1 4 ). Der endliche, der Sinnlichkeit verhaftete Mensch, der gleichwohl das alles tragende Wesen in sich freilegen kann, ist Thema des dritten Teiles (Vl . l S - 20), auf den eine Erläuterung des Prozesses dieser Freilegung (VI . 2 1 - 23) mit den lmplikationen für den Herrscher folgt (Vl .24 - 29). Der abschließende Teil verweist auf Gefahren des Rückfalls vom Standpunkt der Verschmelzung mit dem allgemeinen Wesen her (Vl . 30 - 36). »Wahrheit« und »Licht>Weg>Berufung>Geist>WegWeg des Himmels«, die Natur als das sich in Prozeßhaftigkeit entfaltende Wesen selbst, wahr und unvergäng­ lich . Der Mensch wird zum »wahren>Menschlichkeit>wahrer« Sohn ist nur der, der die durch das Ideal der >>Kindlichkeit« vorgegebenen Ver­ pflichtungen erfüllt. Alle Dinge existieren überhaupt nur da­ durch, daß sie in Entstehen und Vergehen, von »Anfang>Ende«, mit dem Wesen identisch bleiben; es gibt nichts »Unech­ tes«, d. h. Wirklichkeit jenseits von Wesen oder nicht >>wahre>Wahrheit>Licht« i m Men­ schen bedingen sich gegenseitig; jedoch besteht für Chang Tsai im Anschluß an die Wirklichkeit der Mitte ein Unterschied darin, von welchem ausgehend das jeweils andere betrachtet wird . Im Zu­ sammenhang des Werkes ist vor allem die vom »Licht>MusterWahrheit>Licht>Wahrheit« das sich in Pro­ zeßhaftigkeit auslegende Wesen ist, ist >>Licht« gleichbedeutend mit der unverfälschten >>Auslegung des Wesens>wahreWahrheitWahrheitlichterschöpfend« erfaßt (Vl .6). Wesen und >>Ruf>Gliedernde« mit der sich beständig ändern­ den Wirklichkeit als seiner >>Wirkung>ausgezeichnete Können des Himmels« . Alles >>Können« des Menschen, das ihm ermöglicht, in der äußeren Welt tätig zu sein, bleibt immer an diese ihm vorgängige und ihn tragende Kraft gebunden. Er kann auf nichts als sein eigenes, ausschließlich ihm zugehöriges >>Können>heilvoll« oder >>unheilvoll« erfahrene äußere Wirklichkeit das Schicksal des Men­ schen oder den an ihn ergangenen »Ruf« aus , sondern das im Verlauf des Lebens zu verwirklichende, besondere Wesen . Die Unterscheidung zwischen dem die Wirklichkeit insgesamt begründenden Wesen und einem nur auf das Einzelwesen bezoge­ nen »Ruf« bleibt letztlich jedoch abstrakt, da zwar jeder Mensch mit seinem >>Ruf« eine gewisse besondere Vorgabe erhält, die ein­ zelnen »Rufe« jedoch insgesamt im allgemeinen Wesen gründen, und sich der einzelne »Ruf>Rufes« immer als durch den Zu­ sammenhang des Ganzen bedingt begreift (VI . l l ) . Das »Wesentliche« des Menschen Alle Lebensäußerungen wie die auf Einzelnes gerichteten »Be­ gierdengegliedert«. Indem gleichzeitig aber die Dinge erst durch diese Wechselwirkung in das >>Licht« des Erkennens treten, scheinen sie ebenso eine Funktion der Person zu sein, werden von der Person »gegliedert«. Damit ist keine Seite ohne die andere denkbar, und sie verschmelzen letztlich zu einem einzigen Prozeß

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Analytischer Kommentar

des »Lichtens«, der jedoch verfälscht bleiben muß, solange die Freilegung des sich als »Ruf« besondernden Wesens noch nicht verwirklicht ist. Erst mit der vollkommenen Freilegung wird der Mensch an der >>nicht auswechselbaren Regel« seines »Rufes an­ langenauslegt«, wird er dann auch die den begegnenden einzelnen Din­ gen durch ihren »Ruf« gegebene >>Regel>Ruf der Dinge anlangen« (VI . 1 9). Immer ist es jedoch die eigene Anstrengung, welche den Men­ schen zu diesem Ziel führt; über das »Herz>WegRuf« , hervor; es ist das Gesetz, das die Wechselwirkungen der Einzelwesen un­ tereinander bestimmt. Auf der anderen Seite ist es gerade die End­ lichkeit des Menschen, seine >>lchhaftigkeitSorglosigkeit« der Naturnotwendig­ keit teilt, sorgt sich der Berufene darum, daß die wesentlichen Verhältnisse auch tatsächlich die Wirklichkeit bestimmen und der »Weg« in die Welt »ausgedehnt>gut«, da es die Grundlage aller Wirklichkeit ist. Beim Menschen kann jedoch nur im Hin­ blick auf seine Möglichkeit, sich dem Wesen zu öffnen, von »gut>gemischt>gut umkehren« . Hat er das Ziel erreicht, daß sich das

Zu Kapitel VI

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Wesen uneingeschränkt i n ihm auslegt, ist damit die Differenz zum Wesen und somit auch das sich aus dem Gegensatz zum >>Schlech­ ten« bestimmende »Gute« aufgehoben : der Mensch hat das »We­ sen vollendet«, von »gut« oder »schlecht« kann nicht mehr gesprochen werden. Der »Ruf« als die Besonderung des allgemei­ nen Wesens ist in einem ähnlichen Sinne immer »recht« , da er die Person des Menschen überhaupt konstituiert. Dieser muß sich dem »fügen«, was ihm durch den »RufLichte«, das alles in eine einheitliche Ord­ nung fügende »TugendwesenDunkle« , die Auflösung bewirkenden, gegeinander kämpfenden Einzelinteressen die Oberhand gewinnen (VI . 3 1 ) . Diese wechselhaft begegnende Na­ turnotwendigkeit darf den Menschen jedoch nicht dazu bringen, die Wirklichkeit unter dem Aspekt zu beurteilen, inwiefern sie seinen begrenzten, persönlichen Zielen förderlich ist, sondern Kriterium für sein Handeln muß stets das Absehen von diesen Zielen und die Orientierung an den in diesem Zusammenhang noch einmal thematisierten Begriffen der >>Wahrheit>Rechten« sein . Entsprechend seinen Möglichkeiten muß der Mensch das Gute fördern und das Schlechte verhindern . Durch das Lernen wird er in die Lage versetzt, das jeweils Erforderliche zu erkennen und entsprechend zu handeln (VI . 3 1 ) . Letztes Ziel und ebensosehr Voraussetzung des Lernens ist immer die das Wesentliche erken­ nende und sich daran orientierende Hingabe der ganzen Person, die keine Einschränkung oder Nachlässigkeit duldet: >>Wahrheit« und >>ErnstErnstZu­ sammenschluß von Wesen sowie Erkennen und Vernehmen>Erregung« als das »Geistige des Wesens>dinglichen Begierden« . Wenn auch das »Begehren« seine Stelle im vernünftigen Zusammenhang hat (vgl. VIII . 1 , 4; Xl . 1 ), kehrt es sich jedoch gegen das >>Muster«, wenn es sich nur auf einzelne äußere Gegenstände richtet. Das Bewußtsein kann nun die in der sinnlichen Wahrnehmung gegebene Vereinzelung überwinden, indem es »die Dinge glie­ dert« . Unter » Gliedern« ist hier ein Erkennen zu verstehen, wel­ ches sich nicht wie das der Sinne auf einen stets außen bleibenden Gegenstand bezieht, sondern ihn in einen Zusammenhang mit dem Bewußtsein »eingliedert« . Das Aufnehmen und Umfangen immer größerer Ausschnitte aus der begegnenden Wirklichkeit >>macht das Herz groß,, , indem es zunehmend seine Verhaftung an Einzelnes abstreift und weitere gegenständliche Beziehungen als eigene Verhältnisse begreift. Das vollkommene Bewußtsein des Berufenen hebt in diesem Prozeß schließlich jede Differenz zwischen >>einzugliedernden>eingliederndem« Ich auf, so daß es wie die Natur selbst kein »Außen« mehr hat, sondern sich auf die gesamte erscheinende Wirklichkeit aus­ dehnt. Hier zitiert Chang Tsai ein Wort des Menzius, daß aus dem >>Auslegen des Herzens« die Erkenntnis des Wesens und der Natur folge. Da das Bewußtsein selbst vom allgemeinen Grund der

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Analytischer Kommentar

Wirklichkeit getragen wird, bedeutet jedes Aufnehmen von äuße­ rer Wirklichkeit zugleich ein Erkennen des inneren Grundes, ein >>Auslegen des Wesens«. In dem Maße, in dem das Bewußtsein äußere Wirklichkeit als Darstellung der inneren, grundlegenden Identität begriffen und umfangen hat, legt es auch den Grund des Wesens aus sich heraus aus . Hat das Bewußtsein sich vollständig ausgelegt, verschwindet jeder Gegensatz zwischen empirischem Ich und äußeren Gegenständen, und es fällt mit dem >>Himmels­ herz« zusammen . Diesen Ausdruck versteht Chang Tsai, da die Natur »herzlos« und unbewußt ist, als Metapher für die sich selbst erzeugende Produktivität der Natur, die >>Himmelstugend« (vgl. IS, in CTC 1 1 3 . 2 - 1 0), die aber nichts anderes ist als die fruchtbare Kraft des Geistes, in der das Bewußtsein nach Ü berwindung sei­ ner empirischen Besonderung als >>Seelisches« aufgeht (vgl. Komm . zu Kap . IV) . So erkennt es nicht mehr als vereinzeltes Bewußtsein, sondern wird zum >>durchsichtigen« Platz des sich in ihm bestimmenden allgemeinen >>Tugendwesens«, durch den hin­ durch der Geist erkennt (VII . 1 ) . Aufbau des Bewußtseins Das Bewußtsein hat als seelische Besonderung des allgemeinen Geistes die >>Bilder« zum Inhalt, in denen sich der Geist auch in die gestalthafte Wirklichkeit vermittelt. Da sie nicht äußere Gegen­ stände sind, sondern >>geistige>verstehenBild Zusammenschluß von Innen und Außen« erkennt (VII . 3 - 5) . Person und Grund Der Mittelteil wendet sich der »Person« zu, der seelisch-leib­ lichen Einheit, als die der Mensch sich vorfindet. Sie ist wie die gesamte gestalthafte Wirklichkeit von der produktiven Kraft des Wesens , dem >>Geist des Himmels« geschaffen. Auch im Bewußt­ sein findet darum Erkenntnis nicht als voraussetzungsloser Akt statt, sondern als Verwirklichung eines allgemeinen Vermögens (vgl . Vl . 12 , 14). Insofern nicht der einzelne Mensch erkennt, son­ dern der Geist in ihm, ist es unwissend und anmaßend, das einzelne empirische Ich mit seinen wechselnden Bestimmungen als Urheber von Erkenntnis auszugeben (VI I . 6) . D e r >>Grund des Weges«, also des Wandlungsprozesses, in dem auch der Mensch steht, ist die Identität des Wesens, das sich in der lebendigen Wirklichkeit differenziert und »gliedert«. Geht der Mensch von der eigenen Person aus, um den Prozeß zu erfassen, kann er >>groß« werden, gelangt aber nicht über seine empirische Existenz als bedingtes, einzelnes >>Ding« hinaus (VI I . 7) . Da der Mensch jedoch im Bewußtsein die Möglichkeit besitzt, sein Wesen als das allgemeine und seinen Geist als den allgemeinen zu erken­ nen, kann er die zufälligen und wechselhaften Zustände seiner Person und des empirischen Ich ebenso zum Gegenstand machen wie Ausschnitte der äußeren Wirklichkeit. Wenn er so vom Allge­ meinen (>>Himmel« , >>Weg«) her die eigene Person >>eingliedert>Begierden« und andere >>ichhafte« Beschränkungen als unwesentlich relativiert, wird er keine Schwierigkeiten haben, die äußere Wirklichkeit ebenfalls in den Zusammenhang einzubezie­ hen . Die wichtigste Aufgabe für den Lernenden ist es darum, erkennend die empirischen Einschränkungen seines Bewußtseins aufzuheben, die Wesen und Geist an der Entfaltung hindern (VI I . 8 ) . Das vollkommene Bewußtsein Dafür, daß der Mensch handelnd den rechten >>Weg>Wandlung« in dem in Kapitel IV beschriebenen doppelten Sinne, die den Menschen selbst durch »BerufungWandlung>Gliederung« als Verhältnismäßigkeit des i m Grunde guten Wesens >>recht>Schiefheiten des Luftstof­ fes>Streckens« durch die in der Lehre vermittelten Sittlichkeit, um die Mitte zu finden . So

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muß »Krummes« durch »Wechsel« wahr gemacht werden, woraus dann die »Wandlung« folgen kann (VIII .9). Der Ehrgeiz, in seinem »Streben>Wahrheit« und »Licht« aus Kapitel VI wieder aufnehmen; in seinem und damit im Zentrum des gesamten Kapitels steht ein Abschnitt (VIII.29), der eine allgemeine Bestimmung des »Herrlichen>paarigen Pole« in der Na-

Zu Kapitel VIII

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tur zur Wiederherstellung der wirklichen Mitte drängt (VIII. 1 4 - 20). Das >>Wahrmachen« der Person ist jedoch nur die eine Seite des Lernprozesses, zu der die andere des »Lichtens« gehört. In dem­ selben Maße, wie das Bewußtsein sich von seinen zufälligen, wechselnden Bestimmungen freimacht und seine wahre Identität im Wesen auslegt, wird es auch frei, in immeren größeren Berei­ chen der äußeren Wirklichkeit das wahre Licht des Geistes zu sehen und so das >>Muster zu erschöpfen« . Beide Seiten bedingen einander: je »wahrer« ein Mensch ist, desto größere Ausschnitte der Wirklichkeit eröffnen sich ihm; je mehr er sich um den »Sinn« äußerer Verhältnisse bemüht, desto freier wird er von seinem em­ pirischen Ich . Für denjenigen, der den Entschluß zum lernenden Leben gefaßt hat, wird zunächst die in den kanonischen Schriften niedergelegte »Lehre« Anhaltspunkt sein. Wenn er sich an ihrem Sinn abarbeitet und in ihren >>Geist eingeht« , wird er in seinem Handeln ebenso wahr werden wie derjenige, der »das Wesen aus­ legt« (VIII . 2 1 ) . In zwei Abschnitten gibt Chang Tsai weitere Beispiele für die Dreistufigkeit des Weges : Mit dem Entschluß zum »Lernen« wird der Weg betreten, der den Schüler zunächst zwingt, sich gegen persönliche Neigungen unter den Primat der Sittlichkeit zu stellen; auf diese Weise gewinnt er »Stand« als eigen­ ständige Persönlichkeit und darf schließlich, wenn keinerlei Unsi­ cherheit mehr bezüglich der jeweils zu verwirklichenden Mitte herrscht, >>ausgleichende Gewalt« ausüben, unter der jede Verlet­ zung sittlicher Normen zu verstehen ist, die mit dem Ziel ge­ schieht, in Mißachtung geratene Normen wieder in ihr Recht einzusetzen (vgl . XV.33). Völlig parallel dazu hat sich der Schüler zunächst in der (kanonischen) Schrift zu bilden, um »Sinn zu sam­ meln« (vgl. CHLK, in CTC 286 . 8 - 9); anschließend mag er vom >>Sinn« ausgehend den in den kanonischen Schriften enthaltenen >>Leitfäden« oder Normen durch sein Handeln wieder Geltung verschaffen (VIII .23 - 24). Bei allem Lernen steht die Einheit von Denken und Handeln im Vordergrund . Wer sich erkennend um Sittlichkeit bemüht, muß seine Einsichten in die Verbindlichkeit erkannten »Sinnes« auch in die Tat umsetzen; wahre Erkenntnis betrifft und verpflichtet den

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Erkennenden (VIII.25). Da die »Tugend>Herrlichen« fortschreitet, greift Chang Tsai nun die eingangs gegebene Unterscheidung des Weges in Stufen wieder auf, die für den von einem Menschen erreichten Stand des Lernens stehen . Der Ausgangspunkt des Lernenden war das Erkennen, >Mensch werden zu wollen>Mitte« bestimmt ist und so­ mit auch die Beseitigung von »Ungutem« verlangt. Der »Haß auf Unmenschliches« betrifft sowohl die eigene Person wie auch den weiteren Lebensbereich; die Erkenntnis des jeweiligen »Sinnes« , der i n der entsprechenden Situation den Ausgleich schafft, muß das unbestimmte »Streben nach Menschlichkeit« in das jeweilig angemessene Verhältnis bringen. Der »Gute« bleibt in den Augen von Chang Tsai ein Egoist, der sich damit begnügt, nicht Schlech­ tes zu tun; wahre Tugend verlangt aber auch, handelnd einzugrei-

Zu Kapitel VIII

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fen und >>Unmenschliches« in der eigenen Person sowie in der Welt zu beseitigen . >>Menschlichkeit« und »Sinn« sind zwei Aspekte der einen Tugend, die nicht einzeln, sondern nur zusammen »ausge­ legt>Herrliche>Weg« her bestimmt, wird er wahrgenommenes oder erlittenes Unrecht nicht die Wahrheit seiner Person beein­ trächtigen lassen; denn Groll oder Gram würden der »Tugend>Lehren macht die Hälfte des Ler­ nens aus« , den Chang Tsai aber wohl voraussetzt, da er im Folgen­ den den Lernenden auch als Lehrer vorstellt. Als Lehrer, der selbst noch lernt, wird Yen Hui angeführt (VIII.38); die Abschnitte vor­ her (vor allem VIII . 3 5 , 36) sind aber wohl eher auf den Herrscher zu beziehen, der als solcher zwar schon Lehrer und Vorbild des Reiches ist, selbst aber noch zu lernen hat, wie er dieser Aufgabe vom Ideal des Berufenen her gerecht werden kann . Dazu sind vor allem Vertrautheit mit der Tradition erforderlich, die es erlaubt, die ewig gültigen Gesetze immer neu >>jetztWahrheit« zu­ rückgehen (VIII .40 - 4 1 ). Wer noch >>eigennützig>wahre« Person anerkennt, sondern ihm aus nicht nur sachlichen Gründen etwas aufdrängen will, wodurch selbst die rechte Lehre verfälscht wird (VIII . 42) . Der Mittelteil schließt die Ausführungen über das Lernen damit ab, daß wie­ derum »Wahrheit>Tugend« dargestellt wird . Die Einheit der Tugend wird daran deutlich, daß es aus-

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Analytischer Kommentar

reicht, eine einzelne Situation oder auch eine einzelne Textstelle (ein »Krummes«) vollständig zu erfassen und sein Handeln danach einzurichten, um so in der Berufung durchgängig für den Geist zu werden (VIII.45). Gerade hieran wird die zirkuläre Struktur des »Lernens« sicht­ bar: einerseits war >>Wahrheit« Voraussetzung für die der Berufung noch untergeordnete »GrößemenschlichesErkennen der Tugend>das Rechte verfehlt>Vorstellung>Weg>Kapitel IX. Das Ziel des Sollens« Das neunte Kapitel führt das im vorhergehenden entwickelte Thema des >>Weges des Herrlichen>Tugend>Herrlichen>Ein­ fachen und Offenen>kleine Tugend« ausgehend von der sie begründenden >>großen Tugend>Tugend« und Sittlichkeit >>Tugend>Tugend>Ziel des Sollens>flutenden Luft« (IX. 7) beeinträchtigen könnte, und sich vollkommen in den Wandlungsprozeß einbindet. Als »große Tu-

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gend« begründet die besagte Produktivität auch die sich in den gesellschaftlichen Verhältnissen verwirklichende Sittlichkeit, wo­ bei eine eigentümliche Abhängigkeit zwischen der begründenden >>Tugend>Knecht>Tugend des KnechteSErgründung der menschlichen Leitsätze« (X.4 ), in der Liebe zu einem bösartigen älteren Bruder (X.S) sowie in Ehrfurcht vor einem übelwollenden Vater (X. 7) . Shun ist somit der erste Knecht, und vornehmlich als solchen charakterisiert ihn Chang Tsai, was vermuten läßt, es sei ihm bei der Schilderung dieser Figur um ein Plädoyer für das Ü bergehen der natürlichen Erbfolge zugunsten des Fähigsten ge­ gangen. Einen anderen Weg als Shun beschritt ein weiterer »Schöpfer«, T'ang, der auch »Vollender T'ang« genannt wird; dieser sah sich dem Tyrannen Chieh, dem letzten Herrscher der historisch nicht vollends greifbaren Hsia-Dynastie, gegenüber (X. 7 - 9) . Im Un­ terschied zu dem idealen Herrn Yao, der sich gegenüber den Regierten selbst zurücknahm (X.3), war Chieh »schuldig« gewor­ den (X.9). T'ang wurde nun zum ersten Rebellen, der im Sinne einer Revolution »den Himmelsruf umformte« . Das problemati­ sche Verhalten dieses ersten Herrschers der Shang-Dynastie, der wegen der >>unglücklichen« äußeren Lage (X. 7) nicht mehr - wie noch Shun - unmittelbar >>gut« wirken konnte, läßt sich jedoch aus dessen >>Gemeinnützigkeit« in der Auswahl weiser Knechte (X. 8) rechtfertigen, die er >>wie sich selbst wirken« ließ (X.3). Auch T'ang nimmt sich also gegenüber anderen zurück, freilich in anderem Sinne als Yao , den noch eher das passive »Auslosen« der Meinungen der Menge kennzeichnete . Die Tat des T'ang führt erstmalig zu einer gleichmäßigen und für immer gültigen Ver­ knechtung aller Menschen (X.9). Die Haltung von T'ang ist zu­ nächst schwankend, er verbannt den überwundenen Tyrannen, wagt es aber nicht, diesen zu begnadigen (X. 7), weil das dem Wil­ len des Himmels zuwider wäre (X. 9): es ist nämlich der Himmel, der ihn zum >>Gottesknecht>von selbst heimkehrt>geboren«, begründet hat. Dem Subkommentar zu diesem Lied zufolge, dem Chang Tsai hier offenbar folgt, handelt es sich bei den >>vier FreundenSorge« kommt das zeitigende Moment des Berufe­ nen im Unterschied zur dauernden Gegenwart des Himmels zum Ausdruck. Angesichts des Niedergangs der Chou-Dynastie hegt er »Vorstellungen« über eine Restauration von deren verfallenden Gesetzen (XI . 7), und er läßt die Welt nicht fallen, nur weil in ihr der Weg nicht vorhanden ist (XI . 8) . Daß Konfuzius nicht >>er­ kannt« wurde, ist in der Tatsache begründet, daß der Weg in der Welt, draußen, nicht vorhanden war (XI . 30); er ist nämlich viel­ mehr in Konfuzius selbst vorhanden und in seinen Versuchen, die Zweiheit des Wechsels zur Einheit zu bringen, sie »einfach« zu machen (XI . 8 ) . Dies kann nur geschehen, indem e r i n der Welt wirkt, und Chang Tsai stellt dabei zunächst den Gedanken des uneigennützi­ gen »Dienens« in den Vordergrund (XI . 9). Zwar dient Konfuzius zunächst in niedriger Stellung, doch auch dies bleibt ihm im wei­ teren Verlauf versagt, da seine Bekanntheit, die freilich nicht mit einem Erkanntwerden seiner Ganzheit verwechselt werden darf, steigt. Da der Berufene es eilig hat, seine Aufgabe zu erfüllen und »Zur Tat zu schreiten« , muß er sich >>mühen«, und zwar in dem Bereich, wo das ordnungsstiftende »Künden« am meisten not tut, in den »Sitten« und der mit diesen untrennbar verbundenen Mu­ sik. Dabei erweist sich Konfuzius als »Herrlicher« im eigentlichen Sinne, der gegenüber dem »Herrensohn« (nur in der Auslegung dieser Stelle durch Chang Tsai wird der Begriff, der ansonsten lediglich für »Herrlicher« steht, in einem eher pejorativen Sinne gebraucht) den »Wilden« herauskehren muß, weil er nichts außer­ halb seines Teiles wünscht (XI . lO). Da Konfuzius nicht erprobt wurde, sahen die Menschen nur seine »Künste«, d. h. sie wurden zwar der Einzeltugenden, nicht aber der Ganzheit seiner »Tugendblüte« gewahr. In diesem Sinne geben die folgenden Abschnitte XI . 1 3 -23 Aufschluß über das

Zu Kapitel XI

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Wirken des Berufenen in der Welt, wodurch in gewisser Weise die Motive der Lebensalter des ersten Abschnittes wieder aufgenom­ men werden; dies geschieht mit zum Teil deutlichen Hinweisen auf die fünf konfuzianischen Kardinaltugenden: Konfuzius spricht über rituelle Texte (X . 13), die »Schrift der Sitten von Lu>Suchen« vor das »Fin­ den>Er­ kenntnis« darstellt, wurde bereits ausgeführt (IV.29, VI .3). »MenschlichkeitBerufung« zu­ gestanden werden (XI .30). Doch die »Gleichheit>HerrlicheTugend« überordnen (XII.27) . Der Mittelteil endet mit der Mahnung, in seiner Person wahr zu bleiben und Verantwortung für die Welt auf sich zu nehmen (XII .28 -29). Handeln In seiner Verantwortung ist der »Herrliche« bereit, für die »Tu­ gend« zu sterben, und gibt sich daher auch mit unwürdigen Ver­ hältnissen ab; er wird in seiner Liebe zu den Menschen niemanden hassen, selbst wenn er unmenschlich ist. Der loyale » Knecht« bleibt seinem Herrn treu und damit sich selbst und dem Weg (XII . 3 1 ) . Er wird niemals zu Gewalt in Wort oder Tat greifen, die sich meist gegen ihren Urheber wendet (XII .32). Er wird, wenn er >>weise« ist, sich vorbildlich nach vorhandenen »Gesetzen« rich­ ten, wenn er »berufen>Wort«, welches mit »sagt« eingeleitet wird; Chang Tsai spricht hier wohl selbst und deutet an, daß er in seinem Werk das »Zeitalter« und den »Boden mei­ deteinfach ist, zu folgen« .

Zu >>Kapitel XIII . Wer Aufsicht hatregieren« im Chinesischen die Konnotation von »recht machen«. Dieses »Rechtmachen>Gutes« zu fördern ist, alle auf privaten Nutzen abzielenden be­ sonderen Interessen jedoch als »Ungutes« eingeschränkt werden müssen.

Zu Kapitel XIV

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Zu » Kapitel XIV. Das große Einfache« Mit dem Kapitel über das Buch vom Einfachen beginnt die Reihe der exegetischen Kapitel des Rechten Auflichtens. Die Interpreta­ tion der kanonischen Schriften durchzieht allerdings das gesamte Werk und ist daher kein von Chang Tsais Deutung der Welt ablös­ barer Komplex. Die Einheit von Schrift und Welt ist sogar die Voraussetzung für die Entfaltung der Gedanken über das »große EinfacheVorhandenes und Nichtvorhandenes>nichts Schwieriges>vierfachen Tugend« bilden mit »Ch'ien« die ersten fünf Wörter des Buches vom Einfachen über­ haupt (XIV. l S) . Zwar kommen einzelne dieser vier Tugenden nur bei der Hälfte der Zeichen im Buch vom Einfachen vor, und nur sechs weitere enthalten alle vier; doch stehen sie bei Ch'ien, der Urform aller Zeichen, für zwei Aspekte des Einfachen : einmal als Himmel und Erde umgreifende, ohne Anfang und Ende seiende Dauer, die die Dinge »bevatert und bemuttert« (XIV. 16); zum anderen für dessen einen Pol, der als Gegenstück K'un hat. Da Himmel und Erde einander gleichsam »vermählt« sind (vgl. 11 .6), vermählt sich die erste Tugend, »das Hervorbringende« auch je­ weils mit Ch'ien und K'un (XIV. l 7) . Die vierfache Tugend, die i n XIV. l S durch Wendungen aus der Überlieferung zu den Angehängten Sprüchen genauer bestimmt worden war, wird nun in XIV. 1 8 mit vier der konfuzianischen Kardinaltugenden analogisiert; die in dieser Aufzählung fehlende

Zu Kapitel XIV

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Tugend »Erkenntnis« steht damit für Ch'ien als Ganzes; denn das Attribut des Einfachen als Ch'ien ist das Erkennen (vgl. XIV.33 u . Komm. z u Kap . I ) . Ch'ien - Die Plätze Einen Ausschnitt aus der Ganzheit aller Zeitigungen verkörpert nicht nur jedes der 64 Sechserzeichen, sondern der Übergang von einem Zeichen in andere wird erst ermöglicht durch die an den Strichen als Kreuzungen zwischen Yin und Yang vonstatten ge­ henden Wechsel, die zu einer Wandlung des gesamten Zeichens führen, so daß bereits jede Kreuzung einen Ausschnitt darstellt, dessen Bedeutung durch die jeweils Angehängten Sprüche (zur Kreuzung) in Worte gefaßt wird . Die Potenz des im Folgenden weiterhin als Ch'ien gefaßten Einfachen, »durchgängig« in alle anderen Zeichen umschlagen zu können, wird in dem Ü bergangs­ abschnitt XIV. 1 9 mit den Tugenden des »Nutzbringenden>Wahrenden>Platz« bezeichnet, wobei dem ersten Platz Yang-Qualität, dem zweiten Yin-Qualität zukommt usf. Zwar kommen die Sprüche zu einem Platz diesem eigentlich nur dann zu, wenn es sich um eine »Kreuzung« handelt, also ein »Wechsel>Berufener« sowohl gleichzeitige als auch unterschiedene Ereignisse sind . In Rückbin­ dung an das Kapitel über Konfuzius (Kap . XI) macht Chang Tsai das komplexe Verhältnis zwischen fünftem und zweitem Platz zu­ nächst anhand der Beziehung zwischen Konfuzius und seinen Schülern deutlich (XIV.20, 22). Yen Hui ist noch nicht einmal in der Lage, in der »Unteren« Mitte »innezuhalten« , während Konfu­ zius, darin Ch'ien (vgl. XIV. 1 6) und dem Himmel gleich (XIV.22), bald »VOr«, bald :ohinter ihm« ist; das liegt daran, daß der Berufene »das Äußerste der Mitte wirken« läßt, mit anderen Worten der fünfte Platz hier derjenige Ausschnitt der Zeitigung ist, in den alle anderen einmünden . Auch in dieser Hinsicht mag, wie bereits in Kapitel XI, die Vorstellung eines Kreises hilfreich sein, auf wel­ chem der Berufene sowohl die Mitte besetzt (»innehält«) als auch den Weg des Kreisumfangs begeht, den Schülern jedoch (XIV.22, 24) nur letzteres zukommt. Der fünfte Platz ist jedoch »nicht auf Stufen zu ersteigen« , da­ zwischen liegt ein »Sprung« , ein »Abgrund« (XIV. 30), etwas, das mit den Worten »der Große ist Wandlung geworden« (wobei Chang Tsai hier auf einer perfektiven Partikel aus der Oberliefe­ rung zu den Schriftworten insistiert) ausgedrückt wird (XIV. 2 1 ) . E s handelt sich u m eine Art Gnade, freilich nicht i m christ­ lichen Sinne. Dritter und vierter Platz haben die untere Mitte (des zweiten als »Zeitigung, die Herberge findet«) bereits hinter sich gelassen, sind als >>Gefahr« und »Zweifel« instabil. Die darauf errungene obere Mitte der Berufung darf allerdings nicht mit einem Herrschen als Himmelssohn verwechselt wer­ den (XIV.23, 2 6 - 27); denn, wie bereits aus Kapitel X und XI hervorging, muß der Berufene vom Herrscher unterschieden wer­ den.

Zu Kapitel XIV

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Während der fünfte Platz nicht mehr allein durch eigene An­ strengung errungen werden kann, der sechste im Grunde ein Ü berschreiten der äußersten Mitte in Richtung auf ein Ü berflüssi­ ges besagt (XIV. 2 1 ) , markieren gerade die ersten vier Plätze noch in gewissem Grade einen Bildungsweg. Daher kann der selbstbe­ zogene, »untergetauchte>Eingehen« (Dreierzeichen Hsün) anführt statt umgekehrt. Bis auf diese Aus­ nahme gibt jedoch diese Einteilung die Ü berleitung zum Folgen­ den : 3) Stellt man, wiederum in Anlehnung an die Rede über die Zeichen (SK 3), die Dreierzeichen - ebenfalls in kreisförmiger Anordnung - paarweise so gegenüber, daß die Striche der einan­ der gegenüberliegenden Dreierzeichen jeweils umgekehrt sind (ein Yang-Strich also zum Yin-Strich wird und vice versa), entsteht eine Anordnung, die nun nicht mehr kreisförmig, sondern nach den jeweiligen Gegensatzpaaren durchgegangen werden muß (XIV. 3 7 - 44 , vgl. Taf. 3 ) . An der Darstellung hier ist zweierlei auffällig: sie beginnt - entgegen der Tradition - nicht mit Ch'ien, sondern mit Hsün, was zur Folge hat, daß dessen Gegenüber, Chen, mit dem die erste Anordnung begann, nun am Schluß zu stehen kommt (ansonsten folgen die Gegensatzpaare ordentlich aufeinander); weiterhin wählt Chang Tsai aus der Zahl der über die Rede über die Zeichen zur Verfügung stehenden Attribute der Dreierzeichen sieben für Hsün, drei für dessen Gegensatz Chen aus, hingegen nur jeweils zwei für alle übrigen Dreierzeichen . Die einzige Ü bereinstimmung zur ersten Anordnung besteht darin, daß das Dreierzeichen Li an dritter Stelle genannt wird .

Zu Kapitel XIV

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Diese drei Anordnungen des Einfachen als 1) Einheit in Bewe­ gung, 2) Gegensatz, 3) Bewegung im Gegensatz werden nun durch Betrachtungen zu drei Dreierzeichen abgeschlossen, deren Mate­ rial Chang Tsai aus einem weiteren Bestandteil des Buches vom Einfachen, der - von ihm ansonsten nicht sonderlich geschätzten ­ Reihenfolge der Zeichen, entnommen hat. In deutlicher Bezug­ nahme zu Kapitel n , vor allem dessen letzten Abschnitt, werden zunächst die Dreierzeichen Li und K' an kommentiert; diesen wird das Dreierzeichen Ken, das >>Innehalten>Sonne«) und K'an (»Mond>LichtenBrunnen«, das mit einem Vers aus den Liedern in Verbindung gebracht wird, legt auch eine politische Deutung im Sinne einer Resignation nahe. Bemerkens­ wert ist immerhin, daß Li als einziges der acht Dreierzeichen, welches zuvor schon sowohl durch die »verkehrte>Wahrheit« mitschwingt. Diese Thematik ist bereits aus Kapitel VI vertraut. In diesem Zusammenhang scheint das als »Herz« gefaßte Dreierzeichen K'an, der Gegensatz zu dem feh­ lendem Li, von besonderer Bedeutung zu sein; im ersten der acht Sechserzeichen steht es unten, im letzten oben, zudem wird es betont durch die Doppelung im gleichnamigen Sechserzeichen in XIV.49: das Herz als der Ort des wahren Lichtes . Das auffällige Vorherrschen des Elementes »Wasser« (Herz, K'an) in der Reihe dieser acht Sechserzeichen ist vielleicht ein Hinweis auf den alten Staat Sung, der nach der Theorie der fünf Elemente mit der »Tu­ gend« des >>Wassers« regierte (Sung-shu 27, 785), und dem am Himmel ein Stern aus einer >>Herz« genannten Konstellation zuge­ ordnet war; an dessen Namen knüpfte auch die Dynastie an, unter der Chang Tsai lebte. Weiterhin kann man durch das für diese Zeichen verwendete Material aus dem Buch vom Einfachen die Abfolge auch als eine Anleitung zur Lektüre des Buches verstehen : XIV.47 und 54 be­ ziehen sich auf die Angehängten Sprüche; XIV.48 nimmt diese zwar ebenfalls zum Ausgang, legt jedoch besonderes Gewicht auf die dem Konfuzius zugesprochene Überlieferung zu den Ange­ hä'ngten Sprüchen und steht in dieser Hinsicht parallel zu XIV. 5 3 . Bei XIV.49 und 5 2 steht der Text aus dem Urteil i m Vordergrund, während XIV. 50 und 51 vom Bild des Zeichens ausgehen . Vermittlung des Einfachen Der Wert des Buches vom Einfachen liegt darin, daß es den Menschen, der am Einfachen immer schon konstituierend teil­ hat (vgl . XIV. 3 ) über die Schrift mit sich selbst vermittelt. So offenbart es in Gestalt von Ch'ien und K'un das bereits aus Kapitel

Zu Kapitel XIV

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V und VII bekannte Muster der Sinneswahrnehmung (XIV. SS); weitaus bedeutsamer ist jedoch, daß auch die möglichen Haltun­ gen des Menschen gegenüber den Ausschnitten selbst wiederum als Ausschnitte gefaßt werden . Dazu bedient sich Chang Tsai zu­ nächst der Begriffe >>Wechselbewegung« und »reine Bewegung>nicht mehr auswechselbare>verweist« , der sich fü­ gend man negativen Folgen (>>UnheilUn­ heil« nicht ausgewichen werden kann: konkrete Bewegung (»Wechselbewegungreiner Bewegung«). Diese scheinbar widersprüchlichen Bestimmungen werden nun in manchen Texten zu den Sechserzeichen im Buch vom Einfachen in unmittelbarer Verbindung genannt, z. B . »Unheil . Ohne Ma­ kel«; gerade diese Verbindung ist es aber, die in der Sicht von Chang Tsai die Einheit offenbart, kraft derer der Mensch sich mit dem Einfachen irreinsgesetzt hat, so daß er die Entscheidungen zu Einzelheiten >>nicht mehr zu berücksichtigen>Kreuzungen und Bilder« des Buches vom Einfachen als einem Innen mit den situativen Ausschnitten in Gestalt von >>Heil>Unheil« als einem Außen überein (XIV. 57); dieses Außen ist am Innen in Form der Bilder von Wechsel und Wandlung des Buches vom Einfachen ab lesbar (XIV.60). Voraussetzung dafür, sie richtig zu lesen, ist der oben genannte Verzicht auf divinatorische Einzel­ betrachtung, der im Sinne einer simultanen Schau aller möglichen Momente, Zeitigungen des Einfachen auf >>Ruhe>Weg« zu bringen sei, und Kapitel XIV am Sechserzeichen Ch'ien den Berufenen als idealen Herrscher vorgestellt hatte, handelt das vorliegende Kapitel nun vom >>könig­ lichen Weg>wenn das Verdienst eines rechten Königs vollendet ist, Musik geschaffen, Bestimmungen geordnet und Sitten festgesetzt>Ordnung« der menschlichen Welt folgt auf die legitime Über­ nahme des Thrones des »HimmelssohnesVollendungWahrheit« richtenden Lernens (XVII . 16 - 1 7) leitet zur Ostin­ schrift über, die in Hinblick auf diese Wahrheit vor Selbsttäu­ schungen warnt. »Westinschrift« Mehr noch als das Rechte Auflichten selbst wurde die in der vorliegenden Ausgabe das siebzehnte Kapitel einleitende Westin­ schrift schon sehr bald als einzigartiges Werk anerkannt. Daß sie immer wieder Gegenstand der Auseinandersetzung wurde, zeigen die vielen Kommentare, die zu ihr überliefert sind . Für Ch'eng I stellte sie die »Quintessenz« aller von Chang Tsai verfaßten Schrif­ ten dar, ein Werk, wie es seit dem Buch Menzius nicht mehr geschrieben worden sei (Ho-nan Ch'eng-shih i-shu 1 8 , in ECC, Bd. 1, 1 96 . 1 3 ) . Zur Überwindung von Dummheit war der ur­ sprüngliche Titel der Schrift gewesen, von der Ch'eng I sagt, sie habe die rechte Wand des Arbeitsraumes in Heng-ch'ü ge­ schmückt, wo Chang Tsai seine Vorlesungen abhielt. Auf der gegenüberliegenden Wand soll Chang Tsai die Schrift Zur Heilung von Torheit angebracht haben . Beide Werke waren nach eigener Aussage (YL, in CTC 3 1 3 . 1 0) wohl zunächst nur für den engeren Kreis seiner Schüler verfaßt worden . Wahrscheinlich erst später, als sie als Bestandteile des Rechten Auflichtens einer weiteren Ö f­ fentlichkeit zugänglich wurden, bekamen die beiden Schriften auf Veranlassung von Ch'eng I die Titel Westinschrift bzw. Ostin­ schrift, unter denen sie noch heute bekannt sind . Als Grund dafür nennt Ch'eng I, daß die ursprünglichen Titel »Anlaß zu Kontro­ versen geben könnten« (Ho-nan Ch'eng-shih wai-shu 1 1 , in ECC, Bd. 2 , 4 1 8 . 1 1 ) . Das ist einleuchtend, wenn man sich vor Augen hält, daß Chang Tsai für seine Westinschrift offensichtlich eine Vorlage hatte, der sie inhaltlich und formal in vielerlei Hinsicht ähnelt: eine Eingabe aus dem Jahre 91 v. Chr. an den Kaiser Wu der Han-Dynastie (reg. 140 - 86 v. Chr. ), worin dieser dazu aufge­ fordert wird, im Interesse der Dynastie eine Auseinandersetzung mit dem Thronfolger beizulegen, um damit auch der moralischen Verpflichtung, die er als Vater trüge, gerecht zu werden (Han-shu 63, 2 744 - 2 745). Vor diesem Hintergrund kann die Westinschrift

Zu Kapitel XVII

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auch als eine an den Kaiser gerichtete Ermahnung verstanden wer­ den, was es ratsam erscheinen haben lassen mag, einen anderen Titel als Zur Überwindung von Dummheit für sie zu wählen und auch ihr Gegenstück Zur Heilung von Torheit neu zu benennen, um nicht den Verdacht einer Majestätsbeleidigung aufkommen zu lassen. Die in einer prägnanten, sentenzenhaften Sprache mit Reimen im ersten und letzten Satz abgefaßte Westinschrift läßt sich inhalt­ lich in fünf Teile gliedern . Der erste Teil (Absatz 1) setzt eine »horizontale Identität>Vater« und »Mutter« verehrt sehen will, hat nach seiner eigenen Aussage nur metaphorischenen Sinn und beabsich­ tigt, in den Schülern ein Bewußtsein für den grundlegenden Cha­ rakter dieses Verhältnisses zu wecken (YL, in CTC 3 1 3 . 10). Alle Menschen, das zu regierende »Volk« und »wir« - impliziert hier wohl die der konfuzianischen Tradition verpflichtete Beamten­ schaft - sind durch das gleiche grundlegende Verhältnis hervorge­ bracht, haben damit die gleichen »Eltern«, und auch die gestalt­ hafte Wirklichkeit, die »Dinge«, sind in dieser Hinsicht grund­ sätzlich nicht von »Uns« unterschieden. Daß der Einzelne die anderen Menschen und auch die Dinge als seinesgleichen zu er­ kennen hat, begründet die Menschlichkeit, die er jedem anderen schuldet, und die »Liebe« , zu der er den Dingen gegenüber ver­ pflichtet ist. Yang Shih ( 1 053 - 1 135), ein Schüler von Ch'eng I , hat Chang Tsai den Vorwurf gemacht, in der Westinschrift würde nur diese Seite der grundsätzlichen Gleichheit der Menschen und Dinge er­ örtert, d. h. er betone die wesentliche »Gliederung« der Wirk­ lichkeit und entwerte so die Realität der durch Differenz bestimm-

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ten gestalthaften Wirklichkeit. Damit habe er sich der Lehre des nicht orthodoxen Mo Tzu (480 - 390 v. Chr. ) angenähert, der mit seinem Eintreten für eine >>allgemeine Liebe« die realen Differen­ zen der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht anerkannt habe. Doch schon Ch'eng I hatte diese Kritik zurückgewiesen (vgl. Ho­ nan Ch'eng-shih ts'ui-yen 1, in ECC, Bd. 4, 1202 . 12 - 1203.6), die durch den Text selbst im Folgenden widerlegt wird . Im zweiten Teil (Absatz 2) begründet das gleiche Verhältnis vor dem Hintergrund der »horizontalen Identität« die »Vertikale Dif­ ferenz« . Zunächst bleibt die Metaphorik, die Ch'ien und K'un als »Eltern« aller Menschen bezeichnet, für den Kontext entschei­ dend, der jetzt die einzelne Familie in die Ü berlegungen einbe­ zieht, wobei jedoch gleichzeitig die ganze menschliche Gesell­ schaft eine Familie ist. Bei der prinzipiellen Gleichheit der Menschen ergeben sich doch Unterschiede hinsichtlich der alters­ und rangmäßigen Stellung, Unterschiede, die jedoch immer nur Darstellungen des einen Grundmusters sind (vgl. V. S). Zunächst rangmäßig exponiert gegenüber den Geschwistern einer Familie ist der als Erb- bzw. Thronfolger bestimmte »Stammsohn«, bezo­ gen auf die Gesellschaft als Ganzes der »Großherr«, der Herr­ scher. Dem »Stammsohn>GroßknechtKindlichkeit«, die jeder seinen Eltern zu erweisen hat, und die in den Begriffen des Grundmusters ausge­ drückt nichts anderes ist als die vollkommene Fügsamkeit des passiven Momentes K'un, des einzelnen Menschen, gegenüber dem aktiven Moment Ch'ien, in diesem Kontext eben den Eltern. Bedingt durch dieses Verhältnis kann sich der Mensch nur als des­ sen ständige Weiterentfaltung verwirklichen. Das »Bloße in der Kindlichkeit« manifestiert sich darin, im bereitwilligen Bewahren und Entfalten des von den Eltern übernommenen Werkes seinen >>Ruf« zu erkennen. Die Zitate verweisen hier u. a. auf den König Krieg, der die Herrschaft vom König Schrift übernommen und die Shang-Dynastie gestürzt hat. Jedes Zuwiderhandeln gegen die durch die jeweils eigenen besonderen Verhältnisse vorgegebenen Verpflichtungen insbesondere gegenüber den Eltern oder deren Nichtbeachtung aufgrund von persönlichen Rücksichten schädigt die allgemeine Produktivität der Natur, was gleichbedeutend mit einer Verletzung des Allgemeinwohls oder der Menschlichkeit ist. Nur wer in jeder Beziehung sein Handeln an dem Grundmuster orientiert, wer diesem »ähnlich« ist, wird der vorgegebenen »Ge­ stalt« (was hier in der Interpretation einer Stelle aus dem Buch Menzius durch Chang Tsai das eigene Wesen meint) gerecht wer­ den, d. h. wesentliche Verhältnisse in die Wirklichkeit umsetzen, während alles andere auf eine Förderung des sittlich Schlechten hinausläuft. Unter Anspielung auf den König Krieg und den Her­ zog von Chou, die beide das Werk ihres Vaters, des Königs Schrift,

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Analytischer Kommentar

fortsetzten und denen im Hinblick darauf in der Wirklichkeit der Mitte vollkommene »Kindlichkeit« attestiert wird, wird diese >>KindlichkeitKindlich­ keit>Kind­ lichkeit« des Sohnes, die mit der sich auf die Eltern als Herrscher richtenden des Thronfolgers kontrastiert wird . Das spricht der Text nicht aus, es ergibt sich aber, wenn die hier verkürzten Zitate aus dem Buch der Lieder ergänzt werden: »Nicht schmachvoll sei es>für die, die dich geboren haben« und »Nicht nachlässig seiet>ScherZ>UnwahrheitVorsatz« und »Fahrlässigkeit>Berichtigung falscher Vorstellungen«; sie bildet zugleich den ro­ ten Faden, der das gesamte Werk durchzieht. Wahre Erkenntnis ist für Chang Tsai weniger von theoretischer Neugier bewegt als viel­ mehr von dem Willen, als wahr und vernünftig erkannte Verhält­ nisse in der menschlichen Welt zu verwirklichen. Hierin liegt auch die eigentliche Absicht des Werkes, die Erkenntnis nicht getrennt vom menschlichen Handeln sieht, sondern in ihr gerade die Kraft findet, welche sich notwendig in angemessenes Handeln um­ setzt.

ANHANG

A . Grundbegriffe aus dem >>Buch vom Einfachen« bei Chang Tsai Das Buch vom Einfachen ist das erste der kanonischen Bücher Chinas; im deutschen Sprachraum ist es als »Buch der Wandlun­ gen« bekannt. 1 Seine ältesten Schichten stammen vermutlich aus dem siebten, seine jüngsten Schichten aus dem dritten vorchrist­ lichen Jahrhundert. Für Chang Tsai galt jedoch eine andere Datie­ rung und eine andere Zuschreibung der Verfasserschaft der einzel­ nen Bestandteile, und im Folgenden soll nur diese traditionelle Auffassung zu Worte kommen .2 Chang Tsai verwendet den Begriff des Einfachen (I) unter­ schiedslos sowohl für das Buch als auch für das der Welt zugrun­ deliegende Eine Muster; er folgt der überlieferten Meinung, das Schriftzeichen für das Einfache sei aus den Schriftzeichen für Sonne und Mond zusammengesetzt, wodurch die Einheit in der Veränderung zutage tritt.3 Die traditionelle chinesische Bezeich­ nung für das Werk ist Chou I, was sowohl >>Das Einfache der Chou[-Dynastie}< (etwa seit 1 050 v. Chr. ) als auch >>Das runde Einfache« heißen kann; durch letzteres kommt die Verschränkung der einzelnen Bestandteile zu einem Ganzen zum Ausdruck. Das Buch vom Einfachen war ursprünglich ein Orakelbuch für den Fürsten, das dem Fragenden situativ bezogene Einzelaus­ schnitte aus dem Ganzen des Werkes , die er durch mantische Manipulationen erlangt hatte, als Antwort präsentiert. Diese rein divinatorische Befragung des Buches für individuelle Belange Nach der weit verbeiteten Ü bersetzung von Richard Wilhelm : I Ging. Das Buch der Wandlungen, Jena 1 924. 2 Zu anderen Auffassungen des Buches im 1 1 . und 12. Jh. vgl. Kidder Smith Jr. u. a. (Hrsg. ) : Sung Dynasty Uses of the I Ching, Princeton 1 990. 3 IS, in CTC 243 . 8 ; vgl. Kommentar zu Kapitel I. 1

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Anhang

lehnt Chang Tsai ab; denn wenn im Einfachen die Ordnung der Welt enthalten ist, dann ist das Ganze in jedem seiner Momente vertreten, und nur um dieses Ganze ist es Chang Tsai zu tun . Die Ausschnitte sind solche aus einem Kontinuum (Schwinden und Atmen, hsiao-hsi), die ineinander übergehen und deshalb nie ge­ trennt voneinander betrachtet werden dürfen. Die erste Grundlage des Einfachen bilden »Zahlen« (shu), die früher wohl durch die Deutung der Risse im erhitzten Panzer einer Schildkröte, später durch Auszählen von Schafgarbenstengeln ge­ wonnen wurden. Wie man in ältester Zeit zu den Zahlen gelangte, ist unklar. Der Vorgang heißt »Orakel« (chan), bzw. »Orakelneh­ men« (pu-shih), wobei die Vorstellung, daß das Einfache, »wenn es einen Ruf empfängt, wie ein Echo ist«, sich auf das Zusammen­ wirken zwischen der inneren Lage des Fragestellers und der Ab­ stimmung des Orakels auf dieselbe bezieht. Späteren Rekonstruk­ tionen zufolge handelt es sich um die mehrfache Teilung eines aus fünfzig Stengeln bestehenden Bündels , von dem man vorab einen Stenge! wegnimmt, so daß 49 Stenge! zu teilen sind . Die so erhal­ tenen Zahlen münden schließlich in zwei graphisch darstellbare Möglichkeiten, die auch als die »Paarigen Formen« (liang i) be­ zeichnet werden : einen durchbrochenen »Strich« (hua), der für die »Gerade Zahl« (entweder 8 oder 6) steht, Yin vertritt und »Weich« (jou) genannt wird; einen nicht durchbrochenen Strich, der die »Ungerade Zahl« (entweder 7 oder 9) vertritt, für Yang steht und »Hart« (kang) heißt. Drei solcher Striche bilden ein »Dreierzei­ chen« (kua) . Die Schöpfung der acht möglichen Dreierzeichen wird einer legendären Figur, Fu Hsi, zugeschrieben . Zwei Dreier­ zeichen sind homogen : Ch'ien besteht aus drei harten, K'un aus drei weichen Strichen. Der Ü berlieferung nach soll der König Schrift die acht Dreier­ zeichen zu »Sechserzeichen« (kua) kombiniert haben, so daß die heute vorliegenden 64 Sechserzeichen entstanden . Der chinesische Ausdruck für ein aus zwei Dreierzeichen bestehendes Sechserzei­ chen ist >>doppeltes Dreierzeichen« (ch'ung-kua), zwischen Dreier- und Sechserzeichen wird meist aber sprachlich nicht diffe­ renziert. Die Sechserzeichen Ch'ien und K'un haben als reine Repräsentationen der sie bildenden Striche (Yang bzw. Yin, Hart

Grundbegriffe aus dem »Buch vom Einfachen«

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bzw. Weich) eine Sonderstellung. Ch'ien ist als das erste aller Sech­ serzeichen im Buch vom Einfachen das »Einfache« (I) schlechthin, K'un, sein »GegenüberHervorbringend ! Stiftend ! Recht« (cheng), d. h. rechter Platz . Besonders bedeutsam sind diejenigen Fälle, wo ein Strich die >>Mitte und den Rechten PlatZ>Buch vom Einfachen>zusammengesetztes« (ho-ho) . 1 3 Sie findet sich allerdings auch in einem verbreiteten Text von Tsung­ mi, der darin auf Vorwürfe von Han Yü antwortet. Er führt die einheimischen chinesischen Lehren allesamt auf das Prinzip der »Luft« zurück und gibt als deren Auffassung von der Geburt eines Menschen an: »Herz und Geist . . . gehen in den Embryo im Mut­ terleib ein, nehmen Luft auf und empfangen Stoff« . 14 Ähnliche Unterscheidungen gibt es allerdings auch schon in früheren bud­ dhistischen Werken; hier ist dann die Rede von einem »reinen« (ching) und einem »gefärbten« (jan) Wesen. 15

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T 945 : 4 . 1 2 1 c 24 - 25, die Unterscheidung wird allerdings gleich an­ schließend wieder als unsinnig verworfen, sie bezieht sich auf ältere Vor­ stellungen, daß jedes Ding aus den Vier Elementen (der indischen Tradi­ tion) zusammengesetzt sei . 1 4 Yüan-jen lun (T 1 886:710 b 22 - 23), vgl. zum zwischen 828 und 835 verfaßten Text Gregory, 255 - 294; wenig später (T 1 88 6 : 71 0 c 1 1 - 12) führt der Autor die »aufgenommene Luft« auf das »Urpneuma« (yüan-ch'i) zu­ rück, welches als außerhalb des Bewußtseins gesetzter Gegenstand aber selbst wiederum vom Speicherbewußtsein produziert ist, s. hierzu unten; das durchgängige Insistieren auf der Wirklichkeit der »Luft« im Rechten Auflichten richtet sich eben gegen solche Auffassungen . Feng Yu-lan: Chung-kuo che-hsüeh shih, Bd. 2, Shanghai (Shang-wu) 1 934, 797 - 799 sieht in dem oben zitierten Satz einen Anstoß für den Neukonfuzianismus, womit nur Chang Tsai gemeint sein kann. Der Text war im 1 1 . Jh. von einem Hua-yen Mönch kommentiert worden. 1 5 Diese Unterscheidung stammt aus der Tathägatagarbha-Lehre, die sich im Mahäyäna in einem längeren Prozeß entwickelt hat, vgl. hierzu Takasaki Jikidö : A Study of the Ratnagotravibhäga, Rom 1 966, David Sey­ fort Ruegg: La Theorie du Tathägatagarbha et du Gotra, Paris 1 969 sowie Diana Mary Paul: The Buddhist Feminine Ideal. Queen Srimälä and the Tathägatagarbha, Missoula/Mont. 1980. Diese Lehre hat im Zusammen­ hang mit dem Begriff des »Speicherbewußtseins« (älayavijiiäna) im sog. buddhistischen Idealismus (Vijiiäptimätratä oder Yogäcära) wesentlich zur Entwicklung der einheimischen Schulen in China seit dem 6. Jh . beigetra­ g_en, vgl. zu dem indischen Missionar Paramärtha (499 - 569) und seinen Ubersetzungen ins Chinesische Diana Y. Paul: Philosophy of Mind in Sixth-Century China, Stanford 1 984. Das Ta-sheng chih-kuan fa-men (T 1 924 ), wohl um 600 entstanden, führt auch bereits vor, wie das Bewußtsein anhand seiner wechselnden Inhalte auf die Identität seiner Struktur schlie-

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Anhang

In einem weiteren Falle zitiert Chang Tsai vermutlich indirekt das Leng-yen ching, da nämlich, wo er das Bild von Wasser und Eis für das Wesen gebraucht (1 . 8 , V. 3 , Vl . 1 3). 16 Ferner erinnert aber auch die Unterscheidung von zwei Arten der Erkenntnis im Leng­ yen ching an das Rechte Auflichten : »Stellen Erkennen und Sehen Erkenntnis auf, so ist das der Grund des Unwissens; sehen Erken­ nen und Sehen nichts, so ist das dann Nirvana« . 1 7 In diesem Zusammenhang wird zudem das unbefleckte Bewußtsein als We­ sen und grundlegende Kraft bestimmt, die alle Sinneswahrneh­ mung überhaupt erst ermöglicht und stets in ihr anwesend ist; schließlich gehört d ;s Sutra zu den buddhistischen Texten, in deßen kann, vgl . zu Text und Autor Paul Magnin: La vie et l'oeuvre de Huisi (5 1 5 - 5 77), Paris 1 979 . 1 6 Man vergleiche nur Abschnitt V.3 mit T 945 : 3 . 1 1 9 b 8 - 9 : »Die von den Eltern geborene Person verhält sich wie ein Atom, welches in die hohle Leere der zehn Welten geblasen wird : ob es beruht, ob es vergeht, das gleicht einem treibenden Gischttropfen auf dem abgründigen und riesigen Meer . . . »; der Ausdruck »treibende Gischt« (fu-ou) wird bildlich nur in buddhistischem Zusammenhang gebraucht, er erscheint auch einmal in direkter Nähe zur Rede von der »Krankheit des Sehens« in T 945 :2 . 1 1 0 c 29 . Vgl. ferner T 945 :3 . 1 1 7 b 28 -29: Ö shima Akira: »'Sui-hyö no hiyu' shiron«, in: Jöchi Daigaku Kokubun Gakka Kiyö ( 1 985) 1 , 197-212; 2, 129 - 1 43 hat gezeigt, daß die Wasser-Eis Metapher auf alte chinesische Texte (Huai-nan Tzu, Lun-heng) zurückgeht; wie Chang Tsai sie gebraucht, dürfte aber eher über einen taoistischen oder buddhistischen Kontext zu erklären sein, vor allem dann, wenn das Leng-yen ching tat­ sächlich apokryph und somit von der einheimischen Tradition beeinflußt ist, vgl . zur verwickelten Geschichte der Metapher ferner Ch'ien Chung­ shu : Kuan-chui pien, Bd. 3, Peking (Chung-hua) 1 979, 121 1 - 1 2 1 3 ; Chu Hsi spricht diesbezüglich von »Nähe zum Buddhismus«, s. CTYL 99:2536.3 - 9 . 1 7 T 945 : 5 . 1 24 c 9; ähnlich heißt e s dann i m Ch'uan-hsin fa-yao, einem Zen-Text mit Vorwort von 857 (T 2012A:380 b-c): »[Die Weltmenschen erkennen nicht das reine, ursprüngliche, ewige und überall hin strahlende Herz, sondern] begreifen nur Hören und Sehen, Wahrnehmen und Erken­ nen als Herz und werden so von ihnen zugedeckt, deshalb erblicken sie nicht die feine und lichte Grundgliederung . . . . [Diejenigen aber, die den Weg lernen, . . . ] begreifen in jenen nur das ursprüngliche Herz, lassen in Bezug darauf aber keine Ansichten oder Erklärungen entstehen . . . ». T 2012B :385 c zitiert wohl indirekt das Leng-yen ching: »Berge, Flüsse und die große Erde . . . sind allesamt dein Herz«.

Zur Kritik der Hauptlehren der Tradit ion

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nen die Lichtmetapher für das reine Bewußtsein durchgängig Anwendung findet. 18 Auch Li Ch'un-fu ( 1 1 8 5 - 123 1 ) geht in sei­ ner Kritik an Chang Tsai davon aus, daß er den buddhistischen Text gekannt habe. 19 Einen weiteren Hinweis gibt Yang Shih, jener Schüler der Ch'eng, der Chang Tsai in seine Tradition einordnen wollte und die Westinschrift kritisiert hatte . Er sagt einmal, sie habe die wich­ tigsten Aussagen der Alten versammelt und entspreche somit ei­ nem Text aus der Hua-yen Tradition, der die Schau der Wirk­ lichkeit zum Thema hat. 20 Inhaltlich kann diese Äußerung nicht gemeint sein; denn der betreffende Text ist begrifflich und sachlich ein Beispiel buddhistischer, schulmäßiger Unterweisung. Yang Shih spricht hier wohl eher die Struktur an: das Grundverhältnis, welches sich in der Westinschrift auf allen Ebenen darstellt, scheint sachlich der Auffassung des Hua-yen nahezustehen, Alles sei in Einem, und das Eine in Allem enthalten. Die Formulierung in Abschnitt I .20 des Rechten Auflichtens, gerade wegen der unend18

Vgl. Tsuchida, 3 1 - 5 8 , 1 1 5; zu den beiden Arten von Erkenntnis bei Chang Tsai vgl. Kommentar zu Kapitel VII, zur Lichtmetapher für das Denken in der Tathägatagarbha-Lehre vgl. Ruegg, 409 - 454 und Paul, Buddhist Feminine Ideal, 55 - 63 , 92 -93. 1 9 Vgl. Anhang: Ausgaben, Nr. 7; er wirft Chang Tsai allerdings man­ gelndes Verständnis vor. 2 ° KSC 1 2 : 2 8 b; es handelt sich um das Tu Shun (557 - 640) zugeschrie­ bene Hua-yen fa-chieh kuan-men, Text u. a. in T 1 883 (Komm. von Ch'eng Kuan) und 1 884 (Komm. von Tsung-mi), vgl. dazu Robert M. Gimello: »Apophatic and kataphatic discourse in Mahäyäna: A Chinese view«, in: Philosophy East and West 26 ( 1 976 ), 1 1 7 - 136; mit diesem Text verbundene Lehren scheinen zu jener Zeit bei Neukonfuzianern bekannt gewesen zu sein, wie der Briefwechsel von Yang Shih mit Ch'en Kuan ( 1 057- 1 122) zeigt, vgl. KSC 1 9 : 7 a, 9 b . Der Kommentar des Tsung-mi erinnert an V. 7, zur Erklärung, warum der Text nur drei der vier dharmadhatu behandele und die der >>Ereignisse« (shih) auslasse, schreibt der Mönch nämlich : »Weil die Ereignisse nicht unabhängig dastehen, weil i n der These von dharmadhätu nicht der dharma des verwaist und einzeln (ku-tan) gegeben ist; wenn man sie hingegen unabhängig anschaute, so wäre das der Gegen­ standshereich der Einbildung, weil es nicht derjenige von Schau und Erkenntnis ist« (T 1 884:684 c 4 - 6). Chang Tsai formuliert ganz ähnlich, nur in Bezug auf die >>Dinge« . Tu Shun trägt den Beinamen »Chung-nan« nach den Bergen, in denen er sich lange Jahre aufgehalten hat.

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Iichen Verschiedenheit der Dinge seien sie in Wirklichkeit nur Eines, entspricht einer im Hua-yen gängigen Auffassung.21 In der Tat hat man vor allem Einflüsse des Hua-yen bei den frühen Neu­ konfuzianern sehen wollen, so auch bei Chang Tsai. 22 Schließlich läßt die Formulierung »Das Volk und wir sind aus gleichem Schoß; die Dinge und wir haben aneinander teil« der Westinschrift an eine ähnliche Aussage von Seng-chao (? 3 83- ?414) denken. In einem Traktat über das Nirvana heißt es bei ihm : »Himmel, Erde und ich haben an der gleichen Wurzel teil; die Zehntausend Dinge und ich haben an der Einen Gliederung teik23 Außerdem erscheint hier viermal der Begriff der »Größten Leere«, und zwar zur Charakterisierung des Nirvana.24 Der Text erfreute sich im 1 1 . Jh. einer gewissen Popularität, wie zwei Kom­ mentare von einflußreichen Vertretern des Hua-yen und des T'ien­ t'ai zeigen .25 Wiederum finden sich aber ähnliche Formulierungen in vielen buddhistischen Texten, nicht zuletzt in solchen des Zen. 26 In dieser Tradition kann die »Größte Leere« seit dem 8 . Jh. gleich­ bedeutend mit dem Absoluten stehen wie etwa in dem Vers einer verbreiteten Inschrift: »Rundum gleich der Größten Leere, ohne Mangel, ohne Ü bermaß«.27 Aus dem Zen rührt vielleicht auch der 21 22

Vgl. Francis H . Cook: Hua-yen Buddhism, Univ. Park 1 977, 8 5 . Vgl. RoberJa Lion Kong: T h e Influence o f Buddhist Philosophy on the Neo-Confucianism of Ch'eng Hao and Ch'eng I, Phi!. Diss . Univer­ sity of New York at Buffalo 1 977, 205 Anm . 2; der Hua-yen hatte aber bereits selbst offenbar Elemente der einheimischen Traditionen aufgenom­ men, vgl. Whalen Lai: »The 1 - Ching and the Formation of the Hua-Yen Philosophy«, in : Journal of Chinese Philosophy 7 ( 1 980), 245 -258. 23 T 1 858 : 1 59 b 28 -29, vgl. Walter Liebenthal: Chao Lun. The Treatises of Seng-chao, Hong Kong 2 1 968, 1 1 7. 2 4 T 1 85 8 : 1 57 c 7, 1 5 8 a 1 5 , 25, 1 60 c 1 2 - 1 3 . 2 5 Liebenthal, 1 3 - 14, Nr. 4 - 5 . 2 6 Kusumoto führt hierzu und z u weiteren Parallelen vor allem das bereits zitierte Ch'uan-hsin fa-yao sowie das Plattform-Sutra an, vgl. zu letzterem Philip B. Yampolsky: The Platform Sutra of the Sixth Patriarch, New York 1 967. 2 7 Hsin-hsin ming, T 2010:376 b, Vers 7; vgl. ferner die Aussage in dem umfangreichen Kompendium zur buddhistischen Bewußtseinslehre Tsung-ching Iu von Yen-shou : »Das Vermögen (liang, pramäna) des Dhar­ mawesens gleicht der Größten Leere . . . » (T 201 6 : 1 3 .485 a 27) und T

Zur Kritik d er Hauptl ehren der Tradition

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eigenartige Begriff des »abgesonderten Lichts« (! . 7) her, der - al­ lerdings nur in einer Variante und in anderem Kontext - in einer Gruppe von Texten in einer esoterischen Formel erscheint.28 Mit Ausnahme des Leng-yen ching läßt sich also nicht mit Si­ cherheit sagen, in welchem Maße Chang Tsai welche Traditionen kannte. Obwohl er gleich in mehreren Punkten durch diesen Text angeregt worden sein dürfte, greift Chang Tsai einige Elemente daraus zusammen mit dem radikalen Zen als Buddhismus schlechthin an . Im Unterschied zu früherer Polemik versucht Chang Tsai, seine Ablehnung »der« Buddhisten oder auch nur »jener« zu begrün­ den . Neben Anspielungen in anderen Abschnitten formuliert er seine Kritik im Rechten Auflichten ausdrücklich in ! . 3 , 5; Vll . 1 5 , 1 6 ; Vlll .44; XVII.4, 1 0 und 1 1 . Wenn sie auch je anders akzentu­ iert wird, läßt sie sich doch auf zwei miteinander verbundene Einwände zurückführen: Chang Tsai räumt ein, daß die Buddhisten mit dem » Übergang zur Fülle« (shih-chi, bhütakoti, absolute Wirklichkeit) die »Glie­ derung« erfaßt hätten, die bei ihm »Wahrheit« oder »Himmelstu­ gend« heißt. Jener >> Ü bergang« ist der Sache nach das gegen die empirische Wirklichkeit gesetzte Wesen, welches allein wahr ge­ genüber dem Schein der Welt ist. Für Chang Tsai ist das »Wesen« 201 6 : 3 3 . 6 1 0 a 8 - 9; s. hierzu unten. Neben dem emphatischen Gebrauch heißt der Ausdruck in buddhistischen Texten aber oft nicht mehr als »leerer Raum« . 28 Vgl. Whalen W . Lai: »Sinitic Mandalas : The Wu-wei-t'u of Ts'ao­ shan«, in: ders . / Lancaster (Hrsg.), a. a. 0., 229 -257 zum Material sowie Alfonso Verdu: »The 'Five Ranks' Dialectic of the Sötö-Zen School�, in: Monumenta Nipponica 2 1 ( 1 966), 1 25 - 1 70 und ders . : Dialectical Aspects in Buddhist Thought, Center for East Asian Studies / University of Kansas 1 974; in einer Ü bertragung der »Fünf Plätze« der Ts'ao-shan Lehre auf das Verhältnis zwischen Herr und Knecht wird der erste, der den Herrn »an sich« charakterisiert, mit dem Begriff der »Größten Leere« verbunden, s. T 1987A : 527 a 13 (vgl. Lai, a. a. 0., 24 1 ) ; das »abgesonderte Licht« (li-ming) erscheint kurz danach (T 1987A : 527 a 29, Variante nach Lai 243). Als ein­ ziger weiterer Beleg ließ sich nur eine Stelle in Yün-chi ch'i-ch'ien 2 : 1 4 a finden, worin I i das gleichnamige Orakelzeichen meint. Kusumoto, 259 identifiziert die Aussage von Abschnitt 1.5 des Rechten Auflichtens mit dem dritten der fünf »Plätze«, vgl. auch Einleitung A . , Anm . 26.

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der wahre Grund der realen Wirklichkeit, deshalb lehnt er jede Ü bereinstimmung mit dem buddhistischen Wesen (buddhata, >>Buddhawesen« ; svabhäva, »Selbstwesen>Gemeinde« einzu­ richten, mag man als Antwort auf den buddhistischen samgha sehen. Der Briefwechsel mit den Brüdern Ch'eng belegt, daß Chang Tsai noch mit etwa vierzig Jahren kanonische Schriften auf buddhi­ stisch gefärbte Weise interpretierte. 57 Er wird in jedem Fall wie die Ch'eng auch durch buddhistische Texte und persönliche Begeg­ nungen mit Mönchen Anregungen erhalten haben, den Kanon der eigenen Tradition mit anderen Augen zu lesen. Eine Frucht dieser Kontakte war womöglich auch der Versuch, den oft widersprüch­ lichen chinesischen Kanon auf eine Einheit hin auszulegen; die exegetische Literatur des chinesischen Buddhismus hat in dieser Hinsicht ein weitaus umfangreicheres corpus bewältigt. Aus­ gangspunkt war hierbei ohne Zweifel das Buch vom Einfachen , welches seit dem 9. Jh. von Zen-Mönchen zur Erörterung des Problems von Identität und Differenz herangezogen wurde. 58 Es ist wohl kein Zufall, daß die erste Generation der N eukonfuzianer ohne Ausnahme sich diesem Buch mit besonderem Interesse ge­ widmet hat. So ist es kein Wunder, wenn auch nach dem Wiederfinden der eigenen Tradition sich noch Spuren buddhistischer Studien finden . Für eine abschließende Würdigung ist es zu früh, doch gilt wohl für das Alterswerk insgesamt wie schon für die Aneignung des methodischen Schemas von »Gliederung und Wirkung« , daß bud­ dhistische Denkformen einer grundsätzlichen Neubestimmung unterworfen werden . Selbst wenn Begriffe oder Figuren bei Chang Tsai historisch-genetisch vom Buddhismus abhängen mö­ gen, hat sich ihr systematischer Ort durch die neue Perspektive verschoben: Während für die Buddhisten das Ziel in der Erlösung aller Lebewesen besteht, ging es dem Neukonfuzianer um die gute Einrichtung der Gesellschaft. Chang Tsai hat schließlich bereits 5 7 Vgl. Einleitung A. IV. 5 8 S. Anm . 2 8 .

Zur Kritik der Hauptlehren der Tradition

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die Grundlage für alle spätere neukonfuzianische Kritik am Bud­ dhismus gelegt. 59

I I. Chang Tsai und der Taoismus Unter dem Titel »Taoismus>Weg>Cheng-meng«

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kumentiert. Die folgende Aufstellung erfaßt und verzeichnet da­ her erstmals alle bekannten Ausgaben und Kommentare des Werks einschließlich derjenigen, die nur Auszüge des Cheng-meng ent­ halten; nicht berücksichtigt wurden jedoch die zahlreichen Ein­ zelausgaben und -kommentare der Westinschrift, die nicht nur in China, sondern auch in Korea und Japan nachhaltige Wirkung entfalteten . Die bibliographischen Angaben chüan (Band), p'ien (Kapitel) und ts'e (Heft) bleiben unübersetzt. Als Urtext und einzige autoritative Quelle aller späteren Ausga­ ben des Cheng-meng gilt die auf der Grundlage des von Chang Tsai erstellten Manuskriptes von dessen Schüler Su Ping angefer­ tigte und unter dem Langtitel »Cheng-meng shu« in Umlauf gebrachte »rezitierbareKommen­ taren>Freunde« Sung-tzu Jui-ch'en und Chao-tzu T'ung-yüan, deren persönliche Namen ebensowenig wie sie selbst bisher gefunden werden konnten; der Hrsg. selbst hat Quellenangaben ( cheng­ yin), Paraphrasen (yü-i) sowie eigene Kommentare angefügt; vgl . CSLC 67: 5364 - 5365, CJHA 1 95 : 1 1 a - 3 1 a; neben weiteren Kom­ mentarwerken hat der Hrsg. mehrere Bücher zur historischen Phonetik verfaßt. 35) Cheng-meng chi-shuo, 17 chüan Sammelkommentar von Yang Fang-ta (fl . 1 724 - 1 749); in Yang Fu-ts'ang ch'i chung, vgl . CKTSTL, Bd. 1 , 602 (in Shanghai­ Bibl . ) ; nicht gesehen; vgl. CJHA 56:30 a-b, der Hrsg. wurde 1 749 zusammen mit Hua Hsi-min (Nr. 33) in die Hauptstadt geladen . 36) Cheng-meng kuan-chien Kommentar, hrsg . von Liu Chi-hsien ( ?); nur noch fragmentarisch in Nr. 37 überliefert, s. dort. 3 7) Cheng-meng shih-yao, 1 chüan Kommentar, hrsg. von Li Yüan-ch'un ( 1 769 - 1 854); als Teil des Chang-tzu shih-yao in T'ung-ko ch'üan-shu (u. a. in Akad. d . Wiss . ; vgl . CKTSTL, Bd. 1 , 520; nicht gesehen) und i n Kuan­ chung tao-mai ssu chung shu (gedruckt 1 830, u. a. in Peking-Bibl. , vgl . CKTSTL, Bd. 1 , 702); in seinem undatierten Vorwort stellt

Die Ausgaben des >>Cheng-meng>Ursachen, Gegner und Anfänge des Neukon­ fuzianismus« , in: Sinica 16 ( 1 94 1 ), S. 34-47. Fung Yu-lan : >>The Rise of Neo-Confucianism and Its Borrowings from Buddhism and Taoism