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German Pages [274] Year 2014
Alexej Baskakov
«Ströme von Kraft » Thomas Mann und Tolstoi
2014
BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Friedrich Bluhme und Else Jebsen-Stiftung , Lübeck , und der Reinhold Jarchow Stiftung , Ratekau
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung : Montage : Thomas Mann , Foto Fred Stein und Leo N. Tolstoi , Portrait , Foto Röhnert (© für beide : pa picture alliance , Frankfurt )
© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie , Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1 , D-50668 Köln , www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat : Jörg Eipper-Kaiser , Graz Umschlaggestaltung : Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Satz : Carolin Noack , Wien Druck und Bindung : BALTO print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22413-4
Inhalt 7 « Tolstoi blieb Mythos » 10 Starke Hand oder : Warum Tolstoi ? ( 1895–1899 ) 17 Der Mythos wächst wie an einer Quelle ( 1899–1904 ) 33 « Ich kann nicht allein leiden ». Katia und Kity ( 1904–1914 ) 49 Hätte der Krieg es gewagt auszubrechen ? ( 1914–1918 ) 65 Ein cholerischer Tonio Kröger ? Tolstois Tagebuch ( 1918–1919 ) 76 Tolstoi , Goethe und die Republik : Drei Mythen ( 1919–1922 ) 91 Settembrini gegen Tolstoi. Der Zauberberg ( 1922–1924 ) 106 Tolstoi , Schmeljow und die deutsche Schicksalfertigkeit ( 1924–1926 ) 120 Die glückliche Majestät der Patriarchen ( 1926–1933 ) 142 Der Staub des Vaterlandes ( 1933–1934 ) 155 Andere Ufer ( 1934–1939 ) 169 Frieden im Krieg ( 1939–1943 ) 181 Lewin , Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus ( 1943–1945 ) 194 Traurige Müdigkeit ( 1945–1949 ) 211 Fluchtgedanken : Jasnaja Poljana und Pacific Palisades ( 1949–1952 ) 223 « Um ihn war Kälte » ( 1952–1955 ) 236 Dank 237 Anhang 237 Anmerkungen 265 Verzeichnis der erwähnten Werke Thomas Manns 266 Verzeichnis der erwähnten Werke Leo Tolstois 267 Abbildungsnachweise 268 Literatur 271 Personenregister Mit einem Bildteil auf den Seiten 135 bis 141. 5
«Tolstoi blieb Mythos» Leser nannten Tolstoi nicht deshalb einen Riesen , weil die anderen Autoren Zwerge wären , sondern weil er stets seine eigene Statur hat und genau mit uns Schritt hält statt , wie andere Autoren , in der Ferne an uns vorüberzuziehen. Vladimir Nabokov , Die Kunst des Lesens1
Thomas Mann und Tolstoi hätten sich begegnen können. Von einer ersten Gelegenheit dazu berichtete Thomas Mann 1921 : Als ich fünfundzwanzig war oder etwas älter , hieß es , Tolstoi werde zum Friedenskongreß nach Christiania kommen und reden. Ich überrechnete meine Mittel und war dreiviertel entschlossen , ebenfalls nach Christiania zu fahren , um Tolstoi zu sehen. Er sollte eher klein von Person und großköpfig sein , wie Wagner. Aber Tolstoi wurde krank und sagte ab. So hatte ich es mir gedacht und war im Grunde wohl einverstanden damit. Tolstoi blieb Mythos.2
Ein lebender Mensch als mythische Figur : Das hat etwas Mysteriöses. Aber Thomas Manns Bericht wirkt vor allem in einem anderen Punkt mysteriös. Als er fünfundzwanzig war , gab es keinen Friedenskongress in Christiania. Auch später nicht. Mehr noch : Zum 10. Internationalen Friedenskongress von 1900, der in Paris stattfand , wurde Tolstoi zwar durch ein Rundschreiben zur Teilnahme am Kuratorium eingeladen , von einer dort zu haltenden Ansprache war aber nicht die Rede. Auch Tolstoi selbst hatte nicht die Absicht , auf dem Kongress aufzutreten , denn im Winter 1900 hatte er sich gerade von einer schweren Krankheit erholt. Er schickte dem Friedenskongresskommitee eine höfliche Absage. Allerdings hätte es noch eine weitere Möglichkeit gegeben , den großen Russen in Westeuropa unmittelbar zu erleben. 1909 wurde er zum 18. Friedenskongress nach Stockholm eingeladen. Diese Einladung nahm Tolstoi gegen den Willen seiner Angehörigen an und hat eine Rede vorbereitet. Doch der Kongress wurde wegen eines Arbeiterstreiks auf das nächste Jahr verlegt. Tolstoi vermutete , dass der wahre Grund dafür sein bereits angekündigter pazifistischer Vortrag sei , und antwortete auf die erneute Einladung für 1910 mit einer kurzen Absage. Thomas Manns Bericht würde vielmehr auf den Friedenskongress
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in Stockholm zutreffen. Aber damals , 1909, war er schon berühmt und wohlhabend und hätte es nicht nötig gehabt , seine Mittel zu überrechnen , falls es ihm darum gegangen wäre , den großen Tolstoi zu sehen. Zu welchem Kongress sich der angeblich Fünfundzwanzigjährige auf den Weg machen wollte , bleibt also unklar. Tolstoi behielt seine Mythos-Aureole , und es war gut so. Denn die « hautnahe » Realität wirkt bekannterweise entmythisierend , was häufig zu Enttäuschungen führt. Der Anblick des großen Geistes , der klein von Person und altersschwach war , wurde Thomas Mann in Westeuropa nicht zuteil. Eine andere Möglichkeit , Tolstoi kennenzulernen , wäre es gewesen , in Dichters Lande zu gehen. Seinem Altersgenossen Rilke gleich , hätte der junge Thomas Mann – nach einer gründlichen Überrechnung seiner bescheidenen Mittel – nach Russland fahren können : Nach Moskau , wo der künftige Autor des Malte Laurids Brigge Tolstoi 1899 in dessen Stadthaus besuchte ; oder nach Jasnaja Poljana , auf das Landgut , wohin die ganze Welt pilgerte , um den « großen Propheten » zu sehen. Dort war der Mythos in seinem Heim , in natürlicher Umgebung zu bewundern , eben nicht am Rednerpult oder im Präsidium eines Kongresses. Aber in Tolstois letztem Lebensjahrzehnt war Thomas Mann mit vielen anderen Dingen beschäftigt. Mit Buddenbrooks , mit seiner Heirat , mit seiner neuen Rolle als Familienvater , mit Königliche Hoheit – sodass es zu keiner Pilgerfahrt zu Tolstoi kam. Eine Vortragsreise « zu den Nachfahren Gogols » wurde Thomas Mann 1913 , schon nach dem Tode Tolstois , angeboten. Sie hätte 1914 oder 1915 stattgefunden , wenn sie nicht vom Ersten Weltkrieg vereitelt worden wäre. Tolstoi hätte – wenigstens theoretisch – Thomas Mann lesen können. Wie die meisten russischen Aristokraten beherrschte er mehrere Fremdsprachen. Der Weimarer Lehrer Stötzer , den Thomas Mann verewigt hat , bezeugte , dass Tolstoi Deutsch wie ein Deutscher sprach.3 Schon 1903 erschien in Russland eine erste Übersetzung aus Buddenbrooks. Der junge Décadent mit hanseatischen Wurzeln wurde für die Nachfahren Gogols früh zu einem Begriff. Ob Tolstoi am Ende seines Lebens diese aufkommende Literaturerscheinung bemerkt hat ? Bis jetzt hat sich diese Überlegung jedenfalls nicht bestätigt. Für Thomas Mann ist « der Prophet aus Jasnaja Poljana » ein Mythos geblieben , der ihn sein Leben lang stärkend begleitet hat. In der dekadenten Finde-siècle-Zeit las der Dreiundzwanzigjährige , um für die erste große Aufgabe seines Schriftstellerlebens Kräfte zu schöpfen , jeden Tag Tolstoi. Mehr als ein halbes Jahrhundert später , anderthalb Jahre vor seinem Tode trug der nunmehr 8
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Achtundsiebzigjährige in sein Tagebuch ein : « Nachmittags herzlicher AbsageBrief nach Oslo meines Alters und unsicherer Gesundheit wegen. – TolstoiLektüre , stärkend wie immer. »4 So schließt sich der Kreis. In diesem Künstlerleben war Tolstoi ständig präsent. Von den Stationen der stärkenden Begleitung Thomas Manns durch den Mythos Tolstoi wird dieses Buch handeln.
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Starke Hand oder: Warum Tolstoi? (1895–1899) Naive Bücher haben auf unsere Manie , immer denken zu müssen , dieselbe Wirkung wie schwedische Gymnastik auf zu große nervliche Anspannung. Aus diesem Grund liebte Claude [ Debussy ] die Märchen von Hans-Christian Andersen , die ihn ebenso stärkten wie Tolstoi oder Schopenhauer. Roger Nichols , Claude Debussy im Spiegel seiner Zeit5
Thomas Manns Jugendbriefe vermitteln von ihrem Autor einen eigenartigen Eindruck. Sie sind eine Mischung aus kokettierender Selbstherabsetzung , gepaart mit ausschweifender Höflichkeit vom Schlage Felix Krulls – und nachsichtig-belehrender Hochnäsigkeit. Die Erstere galt Personen , die Rang und Namen bzw. Einfluss hatten , wie Richard Dehmel , an den er beispielsweise am 15. Mai 1895 schrieb : Indem ich nun schließlich doch dies Manuskript an Sie schicke , obgleich ich weiß , daß Sie nicht Zeit haben , jeden schüchternen Anfänger zu belehren und zu ermutigen , – möchte ich wenigstens ausdrücklich bemerken , daß dabei von einem begehrlichen Seitenblick meinerseits auf den ‹ Pan › durchaus nicht die Rede ist. Ich hoffe nichts , als daß Sie über kurz oder lang einmal Muße finden werden , die Novelle durchzusehen und mir Ihre Meinung darüber mitzuteilen , ob die Arbeit etwas taugt. Das ist grade genug der Hoffnung , ist vielleicht schon zuviel verlangt …6
In einem weiteren Brief an Richard Dehmel , vom 31. August 1899 datiert , hieß es : « Erlauben Sie mir , im Namen der Simplicissimus-Redaktion an Sie die Bitte zu richten , uns nach so langer Zeit doch wieder einmal mit einem Prosa-Beitrag zu erfreuen. Wie Sie bemerkt haben werden , leidet das Blatt in dieser Beziehung bittre Noth – ( Historien wie die Novellette ‹ Gerächt › bitte ich dringend , nur als Beleg hierfür aufzufassen ! ) »7 In vergleichbarem Ton sind die frühen Briefe an Korfiz Holm , Thomas Manns ehemaligen Mitschüler und seit 1896 Mitarbeiter des Münchener Verlages Albert Langen , gehalten : « Ich wäre sehr vergnügt , wenn Sie mich eines 10
schönen Nachmittags [ … ] einmal besuchten. Ich würde dann Gelegenheit nehmen , Ihnen heimlich ein Exemplar meines Novellenbandes in die Tasche zu schieben , damit doch ein Mensch ihn liest. »8 An Kurt Martens wurden am 8. Juli 1899 insbesondere folgende , mit gespielter Selbstironie durchdrungene Zeilen gerichtet : « Da mein ‹ Kleiderschrank › Ihnen gefallen hat , interessiert es Sie vielleicht , daß die New-Yorker Volkszeitung ihn abgedruckt hat. Das darf man da drüben ja wohl ohne jedwede Verpflichtung. Jedenfalls ist das amerikanische Volk aufrichtig zu beglückwünschen. »9 An denselbigen hieß es am 4. August 1899 : « Nehmen Sie mir das , was demnächst im Simplicissimus stehen wird , nicht übel ! Es ist recht minderwerthig ; aber ich muß mich doch , bis der Roman fertig ist , hie und da in Erinnerung bringen. »10 All das hätte man allerdings auf die Schüchternheit des unerfahrenen jungen Literaten sowie auf den Höflichkeitsusus eines vergangenen Zeitalters zurückführen können – wenn es in der gleichen Zeit nicht wenigstens eine Person gegeben hätte , der gegenüber ein ganz anderer Ton angeschlagen wurde. Das war Thomas Manns jüngerer Schulfreund Otto Grautoff , Sprössling einer ruinierten Familie und provinzieller Dichter. « Also Deine Novellen habe ich mit großem Interesse gelesen , mit Freude , dann und wann mit : Erstaunen » , schrieb ihm Thomas Mann am 20. Januar 1895. « Das heißt , ich rede von der zweiten. Die erste wirst Du ja selbst längst als Wirr- und Irrsinn erkannt haben ; aber in der zweiten bist Du Dir selbst ganz erheblich über den Kopf gewachsen. Was ich mir gleich gedacht hatte fand ich bestätigt. Für Prosa bist Du ungleich mehr begabt , als für Gedichte , denn für letztere bist Du meiner Ansicht nach gar nicht begabt. »11 Im Brief an Grautoff vom 23. April 1897 steht : « So ruhig und würdig Dein Schreiben gehalten ist – Redensarten wie : ‹ bis eine Ohnmacht meine Sinne umfing › kannst Du niemals unterdrücken , wenn Du auch wohl verzeihen wirst , daß ich jedes Mal dabei zu lachen anfange. [ … ] Aber nichts für ungut ! Ich will Dir Deine Lyrik nicht verweisen. Ich amüsiere mich immer königlich dabei. Singe nur ruhig weiter. »12 Es sei beiläufig erwähnt , dass sieben Jahre zuvor Heinrich Mann sich in einem Brief an Ludwig Ewers über vergleichbare Stilperlen in der Lyrik seines Bruders Thomas lustig gemacht hatte.13 Solcher mal belehrender , mal verletzender Passagen gibt es in Thomas Manns Briefen an Grautoff eine nicht geringe Anzahl. Bei all ihrem sonst kumpelhaft-freundlichen Tenor sind diese Briefe ein Zeugnis dafür , dass Thomas Mann sich auf Kosten seines noch « schwächeren » Brieffreundes bestätigte. Der « getreue Grautoff » war zugleich Thomas Manns Konfident. Denn als unsiche1895–1899
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rer junger Mensch brauchte Thomas Mann nicht nur jemanden , dem gegenüber er als der Überlegene auftreten konnte , sondern auch eine verständnisvolle Person , der er seine Probleme , Sorgen und Ängste anzuvertrauen vermochte. Das Vertrauen beruhte auf Gegenseitigkeit. « Schließlich [ … ] » , hieß es im Brief an Grautoff vom 18. Juni 1896, « gibt es hier in München irgendwo ein Mädchen , das noch immer nicht genug Rosen von mir bekommen hat , und bei dem ich entarteter Schwächling den Brackenburg noch immer nicht genug gespielt habe. »14 Am 8. November 1896 schrieb « der entartete Schwächling » aus Neapel : « Ich denke an mein Leiden. An das Problem meines Leidens. Woran leide ich ? An der Wissenschaft … wird sie mich denn zu Grunde richten ? Woran leide ich ? An der Geschlechtlichkeit … wird sie mich denn zu Grunde richten ? – Wie ich sie hasse , diese Wissenschaft , die selbst die Kunst noch zwingt , sich ihr anzuschließen. Wie ich sie hasse , diese Geschlechtlichkeit , die alles Schöne als ihre Folge und Wirkung für sich in Anspruch nimmt ! Ach , sie ist das Gift , das in aller Schönheit lauert ! »15 Am 8. Mai 1898 nannte er sich « ein[ en ] arm[ en ] Neurastheniker ».16 Dabei ging es nicht um ein Kokettieren mit einer vornehm-exklusiven Krankheit , denn so exklusiv war die Neurasthenie oder « reizbare Schwäche » um jene Zeit beileibe nicht mehr , sondern um ein ernstgemeintes Leiden. «‹ Nervosität › [ damals ein Synonym von ‹ Neurasthenie › ] » schreibt Joachim Radkau , « bezeichnete bei Thomas Mann typischerweise einen Zustand un- oder halbbefriedigten , aber keineswegs aus dem Bewußtsein verdrängten sexuellen Verlangens , eben den Zustand Gustav Aschenbachs in Venedig ; und ähnlich stand es mit vielen anderen Neurasthenikern jener Zeit. »17 Einen wichtigen Beitrag zur Erfassung des Lebensgefühls des jungen Thomas Mann leistet sein Gedicht Monolog aus dem Jahr 1899 ( als die Arbeit an Buddenbrooks schon in vollem Gange war ): Ich bin ein kindischer und schwacher Fant , Und irrend schweift mein Geist in alle Runde , Und schweifend fass ich jede starke Hand …
Da sind sie , die « Unsicherheit , Haltlosigkeit , die Suche nach Vorbildern und Orientierungshelfern , das Bemühen um Sicherung des eigenen Ich , das sich aus sich selbst heraus nicht festigen kann und schwankend bleibt ».18 An dieser Stelle ist es aufschlussreich , wie ein bekannter Pariser Arzt am Anfang der Neunzigerjahre den Zustand Guy de Maupassants ( 1850–1893 ) beschrieb. Der 12
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französische Schriftsteller litt – Friedrich Nietzsche und Adrian Leverkühn vergleichbar – an Syphilis und beschwerte sich über Unproduktivität und Schmerzen. « Sie hatten alle Erscheinungen dessen , was man Neurasthenie nennt » , sagte der Doktor seinem Patienten. « Das liegt an der geistigen Übermüdung. Der Hälfte aller Literaten und Börsenmänner geht es so wie Ihnen. Kurz , sind Ihre Nerven durch das Rudern ermüdet , dann durch Ihr geistiges Werk ; es ist nichts als die Nerven , die alles bei Ihnen in Unruhe versetzen. Ihre körperliche Verfassung ist aber ausgezeichnet und sie wird Sie noch sehr weit bringen , abgesehen von Hindernissen. »19 Hier kann man verallgemeinern : Um die Zeit , zu welcher der Verleger Samuel Fischer Thomas Mann zur Arbeit am ersten Lebensprojekt animierte , war der Autor des bescheidenen Novellenbandes ein sensibler und unsicherer junger Mann. Zu den wichtigsten Erlebnissen seines Heranwachsendenalters gehörten der Verlust eines starken Vaters und das Ende einer alten Familientradition , woraus sein lange anhaltendes Identitätsproblem und der Komplex einer nicht ausreichenden Männlichkeit resultierten ;20 zu diesen Erlebnissen gehörte auch die künstlerische Überlegenheit seines Bruders sowie dessen ungezwungener Lebensstil. Der künftige Autor der Buddenbrooks war anerkennungs- , anlehnungs- und liebebedürftig. Seine unbefriedigte Sexualität bereitete ihm großes Leiden. Es fiel ihm anscheinend schwer , sich bei Menschen durchzusetzen , die ihm als « überlegen » erschienen. Dabei ließ er sich wohl nicht die Gelegenheit entgehen , sein Selbstwertgefühl vor einem « Schwächeren » zu bestärken. Er hielt sich für entartet , schwach und kindisch und suchte – sowohl menschlich als auch künstlerisch – nach Vorbildern und Orientierungshelfern. Die Herausforderung , der sich dieser junge Mann im Herbst 1897 stellte ,21 verlangte von ihm eine jahrelange enorme Kraftanspannung. 1930 erinnerte er sich an diese Zeit zurück : Es ist etwas höchst Merkwürdiges um diesen Eigenwillen eines Werkes , das werden soll , das ideell eigentlich schon da ist und bei dessen Verwirklichung den Autor selbst die größten Überraschungen treffen. Ein erstes Werk , welche Schule der Erfahrung für den jungen Künstler – der objektiven und subjektiven Erfahrung ! Was das eigentlich sei , das Element des Epischen , ich erfuhr es erst , indem es mich auf seinen Wellen dahintrug. Was ich selber sei , was ich wolle und nicht wolle [ … ], wie ich mich zum Leben verhielte und zum Tode : ich erfuhr das alles , indem ich schrieb – und erfuhr zugleich , daß der Mensch auf keine andere Weise sich kennenlernt , als indem er handelt.
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So wuchs die Achtung vor dem Unternehmen , das so, wie es sich da machte , von mir gar nicht unternommen worden war , eine Achtung freilich mit Einschaltungen tiefer Gleichgültigkeit , gelangweilten Unglaubens. Lektüre mußte die schwankende Kraft stützen : russische namentlich , die geliebte westöstliche Turgenjews immer wieder , Tolstois moralistisches Gigantenwerk und Gontscharow [ … ].22
Im Brief vom 25. Oktober 1898 berichtete er Grautoff , dass er mit besonderer Liebe Turgenjew lese , der seit Jahren seinem « Talent immer wieder neue Anregung gegeben hat. »23 Tolstoi wird in den Briefen an den getreuen Schulfreund nicht erwähnt. In Thomas Manns Notizbuch aus der gleichen Zeit findet sich lediglich ein langes Zitat aus Anna Karenina , das ihn bei der Arbeit an der Episode mit der Pöppenrader Ernte inspirierte.24 Thomas Manns früheste öffentliche Stellungnahme zum Autor der Anna Karenina datiert von 1908, enthält allerdings keinen Hinweis auf die Arbeit an Buddenbrooks. Ganz im Geiste des Mythos Tolstoi steht dort insbesondere Folgendes : « Tolstoi hat auf mich gewirkt , wie eine so ungeheure plastische Kraft auf jeden Künstler wirken muß : erschütternd , stärkend , die Ansprüche steigernd. »25 Von dieser Stellungnahme wird noch die Rede sein. Auch 1917 schrieb Thomas Mann in den Betrachtungen eines Unpolitischen , dass Anna Karenina ihn während der Arbeit an Buddenbrooks gestärkt hätte.26 Ungefähr dreißig Jahre nach dem Abschluss des Buddenbrooks-Manuskriptes entsann er sich also eines Dreigestirns aus russischen Autoren. Noch später , 1940, wurde allein Tolstois als Stütze gedacht : « … wie ich mich denn erinnere , damals besonders Tolstois ‹ Anna Karenina › und ‹ Krieg und Frieden › gelesen zu haben , um Kräfte zu schöpfen für eine Aufgabe , der ich mich nur in beständiger Anlehnung an die Größten gewachsen zeigen konnte. »27 Und am Ende der Vierzigerjahre äußerte sich Thomas Mann noch konkreter : « Der Dreiundzwanzig- bis Fünfundzwanzigjährige hätte die ‹ Buddenbrooks › nie zustande gebracht , wenn er sich nicht immer wieder durch Tolstoi-Lektüre dazu gestärkt und ermutigt hätte. »28 Dass Thomas Mann schon in seiner Jugend mit Tolstois Werk bekannt war , ist an sich nichts Ungewöhnliches : Auszüge aus Krieg und Frieden wurden in deutschsprachigen Zeitschriften bereits seit 1870 abgedruckt. 1885 kamen die ersten deutschen Buchausgaben von Anna Karenina und Krieg und Frieden auf den Markt. Das Publikum im Kaiserreich wurde auf den russischen Dichter aufmerksam. Von 1887 bis 1897 sind 96 Übersetzungen seiner literarischen Wer14
Starke Hand oder: Warum Tolstoi?
ke ins Deutsche erschienen. Der Roman Auferstehung brach 1899 / 1900 mit seinen zwölf verschiedenen deutschen Übersetzungen jeden Rekord.29 Von der Ausgabe der Auferstehung durch Diederichs unterrichtete Thomas Mann am 20. November 1899 seinen Korrespondenzpartner Korfiz Holm.30 Tolstois 1890 in deutscher Übersetzung erschienene Kreutzersonate ( 1889 ) muss Thomas Mann spätestens 1894 gelesen haben. Für den jungen Ästheten , der an der Geschlechtlichkeit litt und sich vor der Vulgarität banaler Liebschaften ekelte ,31 wurde diese Erzählung zu einer Art Anleitung zur Askese , Tolstoi somit – zu einem Orientierungshelfer. Thomas Manns erste Buchveröffentlichung , die Novelle Gefallen ( 1894 ), stellt , wie Stefan Pegatzky schreibt , « eine Kreutzersonate im Kleinen dar ».32 Die Novelle Luischen ( 1897 ) ist der Erzählung Tolstois ebenfalls stark nachempfunden. Außerdem geriet Tolstoi als Autor publizistischer Schriften in den Mittelpunkt einer kulturell-theologischen Diskussion , die im protestantischen Kulturraum , welchem Thomas Mann entstammte , mit besonderer Aktivität geführt wurde.33 1892 veröffentlichte die Münchener Gesellschaft eine kritische Besprechung von Krieg und Frieden von Heinrich Mann.34 In Thomas Manns Erinnerung an die erste große Aufgabe seines Lebens tritt Tolstoi als Quelle von Stärkung und Ermutigung immer mehr in den Vordergrund. Und so scheint es , dass die Rolle des Mythos Tolstoi für Thomas Mann mit den Jahren an Wichtigkeit gewonnen hat. Als Thomas Mann an Buddenbrooks arbeitete , waren die Schriften Mereschkowskis und Gorkis , die den Mythos der tolstoischen Urkraft im Wesentlichen begründeten , noch nicht geschrieben worden. So könnte man vermuten , dass der überforderte Anfänger vor allem durch die scheinbare Leichtigkeit , mit der Tolstoi in Krieg und Frieden wie in Anna Karenina kolossale epische und psychologische Aufgaben bewältigte , gestärkt wurde.35 Das war die Stärkung , die ihm das « kammermusikalische » , filigrane Werk Turgenjews nicht zu geben vermochte. Auch Tolstois Umgang mit dem Thema Tod kann « den entarteten Schwächling » – wiederum anders als der Umgang Turgenjews damit – positiv beeindruckt haben. Denn wenn Tolstoi in den beiden großen Romanen auf das Sterben einer seiner Figuren ausführlich eingeht , – sei es der alte Bolkonski oder sein Sohn Andrej , sei es Lewins Bruder – vermittelt er den Eindruck , dass Tod zugleich Verklärung , Verbesserung und Versöhnung mit sich bringt. Dieser christlich gefärbte Optimismus muss auf den jungen Thomas Mann eine stabilisierende Wirkung gehabt haben. Wie stark sein Liebäugeln mit dem Thema Tod – sowohl 1895–1899
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vor der Lektüre Schopenhauers als auch nach ihr36 – gewesen sein mag , blieb dieses Liebäugeln zum Glück nur theoretisch. Im realen Leben suchte er nach der Sicherung des eigenen Ich , nach dem Positiven und Stabilisierenden. Thomas Mann selbst hat keinen Bericht über konkrete künstlerische Lösungen bei Tolstoi , die ihn gestärkt haben , hinterlassen. « Die rein erzählerische Macht seines Werkes » , schrieb er 1940, ist ohnegleichen , jede Berührung damit , noch dort , wo er Kunst gar nicht mehr wollte , sie schmähte und verschmähte und nur gewohnheitsmäßig sich ihrer als Mittel zur Erteilung moralischer Lehren bediente , führt dem Talent , das zu empfangen weiß ( aber ein anderes gibt es nicht ), Ströme von Kraft und Erfrischung , von bildnerischer Urlust und Gesundheit zu. Selten wirkte Kunst so ganz als Natur ; sein gewaltig-selbstverständliches Schöpfertum ist nur eine andere Erscheinung der Natur selbst , und ihn wieder lesen , die tierische Schärfe dieses Blicks , die einfache Wucht dieses Bildnergriffes , die von keiner Mystik getrübte , vollkommen klare und wahre Größe dieser Epik auf sich wirken lassen heißt heimfinden aus jeder Gefahr der Verkünstelung und kränklicher Spielerei zur Ursprünglichkeit und Gesundheit , zu dem was in uns selbst gesund und ursprünglich ist.37
Also recht wenige konkrete Griffe und Verfahren. Es sind « Ströme von Kraft und Erfrischung , von bildnerischer Urlust und Gesundheit » , die Thomas Mann von Tolstoi empfangen will. Hier tritt der Thomas Mann’sche Tolstoi-Mythos in seiner deutlichsten Ausprägung zutage. Das ist im weitesten Sinne die « starke Hand » , die er in seiner Jugend so dringend brauchte.
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Starke Hand oder: Warum Tolstoi?
Der Mythos wächst wie an einer Quelle (1899–1904) Beispielsweise steht uns die Verbindung zwischen Gesund heit und Kraft , dem Überflusse des Lebens einerseits , zwischen Krankheit und Schwäche , dem Lebensmangel , andererseits zu klar vor Augen. Besteht aber nicht ein weniger sichtbares , aber nicht minder wirkliches Band zwischen Krankheit und Stärke , zwischen anscheinender Krankheit und wirklicher Kraft ? Dmitry Mereschkowski , Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler38
Die « zwei kleinen Räumlichkeiten » in der Marktstraße 5 / III , die Thomas Mann vom Oktober 1898 bis zum Februar 1899 bewohnte , wären in der Literaturgeschichte lediglich eines seiner Schwabinger Verstecke geblieben , sie heben sich jedoch von den übrigen vorübergehenden Domizilen des jungen Thomas Mann durch mehrere Umstände ab. Erstens wurde die Einrichtung der Marktstraßenwohnung 1898 in der Erzählung Der Kleiderschrank verewigt. Zweitens wurde dem getreuen Grautoff im Zusammenhang mit dem Einmieten ein Bericht über den aktuellen Stand des Buddenbrooks-Manuskriptes erstattet.39 Drittens erinnert sich Viktor Mann , dass ihm auf dem « ganz primitiven Arbeitstisch » seines Bruders in dieser Wohnung « ein mit Blumen oder kleinen Zweigen geschmücktes Bild » von Tolstoi auffiel.40 Ein anderer Zeitgenosse berichtet , vor dem bekränzten Tolstoi-Porträt sich in beträchtlicher Höhe türmende , « große , mit präziser , steiler Schrift bedeckte Manuskriptblätter » gesehen zu haben.41 Das werdende Manuskript der Buddenbroks hatte der Autor wie auf einem Altar vor dem Bild seines Meisters liegen. Im bereits zitierten Brief an Grautoff vom 25. Oktober 1898 teilte Thomas Mann mit , dass er allerhand lese , mit Akzent auf Turgenjew. Zur gleichen Zeit nahm seine Verehrung Tolstois schon die Form eines privaten Kultes an. Im selben Jahr 1898 erschien die deutsche Übersetzung der Studie Gegen die moderne Kunst von Tolstoi. Auf diese neue , kunsttheoretische Abhandlung des großen Meisters wurde Thomas Mann früh aufmerksam , auch wenn er erst zehn Jahre später notiert hat , dass sie zu seinen Lieblingsbüchern zähle.42 Im 17
November 1900 schrieb er an den Bruder Heinrich : « [ … ] ich lese Verse überhaupt sehr schlecht , und mein Tolstojismus läßt mich beinahe schon Reim und Rhythmus als ruchlos empfinden. »43 Der Mann’sche « Tolstojismus » anno 1900 wurzelt offensichtlich in der genannten Studie Tolstois. Sie war ein sarkastischer Angriff insbesondere auf die Poesie , und zwar nicht nur auf die moderne – wie das Werk von Baudelaire und Verlaine , bei denen Tolstoi unter anderem pornographische Details anprangerte , – sondern auch auf Puschkin.44 « Reim und Rhythmus » können hier , wie Stephan Pegatzky meint ,45 erotisch besetzt sein. Es ist aber auch denkbar , dass Mann , von Tolstois tiefer religiöser Überzeugung beeindruckt , Reim und Rhythmus als Merkmal der Dichtkunst im Allgemeinen für ruchlos hielt. In der Novelle Gladius Dei ( 1902 ), die von der Tolstoi’schen Kompromisslosigkeit geprägt ist , hat er das Adjektiv ruchlos und seine Ableitungen vier Mal verwendet ,46 und zwar immer in der ursprünglichen Bedeutung als gottlos , frevelhaft ,47 also eher ohne Konnotation von abstoßend und obszön. Auf dieses Adjektiv wird er etwa fünfzehn Jahre später in Betrachtungen eines Unpolitischen ausführlich eingehen.48 Der siebzigjährige Tolstoi beschuldigte die gesamte « moderne Kunst » wegen ihrer Unklarheit , Undeutlichkeit , Unschärfe , Affektiertheit , Neigung zu Mystifikation und zu Andeutungen. Dem fünfundzwanzigjährigen Thomas Mann ging es nicht darum , aus Tolstois Abhandlung Schlüsse für seine persönliche Ästhetik zu ziehen , denn dies hätte eine Negation der gesamten Moderne , in der er ja aufgewachsen war , bedeutet : und konsequenterweise das Verwerfen solcher Leitfiguren , wie Nietzsche und Wagner , die Tolstoi ebenfalls zunichte macht. Andeutung und Unklarheit waren den Novellen des jungen Décadent nicht fremd ; und ein Gedicht von Verlaine zitierte er sogar auf Französisch ,49 was zumindest von Interesse zeugt. Von den « Methoden » ( Nachempfinden , Zierat , packende Effekte , Erregung der Neugier ), die laut Tolstoi die modernen Künstler ersonnen haben , « um immer neuere Vergnügungen zu schaffen » ,50 hat sich Thomas Mann wenigstens der ersteren , d. h. des Nachempfindens , erfolgreich bedient. Gegen die moderne Kunst war für ihn also keine Anleitung in angewandter Ästhetik. Die Orientierungshilfe , die ihm Tolstois Aufsatz bot , bestand vor allem in der Bestätigung seiner Askese. Der Tenor dieses Aufsatzes war schließlich das Anprangern der Sinnlichkeit und der Genusssucht der zeitgenössischen Kunst. Thomas Mann mit seiner unbefriedigten Geschlechtlichkeit , mit seinem schwa18
Der Mythos wächst wie an einer Quelle
chen Ich und seinem Bedürfnis nach einer konstant sicheren Lebensform fühlte sich durch das Tolstoi’sche Pathos der Enthaltsamkeit unterstützt und gestärkt. Der junge Décadent hatte diese Unterstützung durch eine starke Hand nach wie vor nötig. Im Zeitraum zwischen dem Abschluss der Buddenbrooks und deren Veröffentlichung ging es ihm in der Regel sehr verschieden. « Depressionen wirklich arger Art mit vollkommen ernst gemeinten Selbstabschaffungsplänen haben mit einem unbeschreiblichen , reinen und unverhofften Herzensglück gewechselt , mit Erlebnissen die sich nicht erzählen lassen , und deren Andeutung natürlich wie Renommage wirkt. »51 So umschrieb er seinen aktuellen Zustand im Februar 1901. Zwei Wochen später meinte er , in die Brüche gekommen zu sein , und wünschte sich « einen soliden Typhus mit befriedigendem Ausgang ». In der bald darauf eingetroffenen Antwort riet ihm Heinrich – vermutlich mit etwas burschikoser Anteilnahme – von den « Dummheiten » ab. Heinrichs Brief , mit seiner damals stärkeren Bruderhand geschrieben , löste die innere Spannung von Thomas einigermaßen auf. Im Grunde waren das keine Todespläne , sondern Todesfantasien , die aus Depression und Einsamkeit resultierten. Nein , schrieb er dann an den Bruder zurück , er würde sicher keine « Dummheiten » machen. Um den besorgten Heinrich ( und nicht zuletzt sich selbst ) zu beruhigen , bezeichnete er das Ganze als « Metaphysik , Musik und Pubertätserotik. » Aus der Pubertät komme er , Thomas , nie heraus , hieß am 7. März 1901.52 Depressive Zustände und innere Unsicherheit ließen ihn jedoch auch weiterhin nicht zur Ruhe kommen. Über den « Mangel an Treue und Dauer » , den er im Wechsel der Jahreszeiten und in den Naturveränderungen verkörpert sah , beklagte er sich am 25. März desselben Jahres. Am 1. April berichtete er dem Bruder von seinem Anerkennungsbedürfnis.53 Die seelischen Probleme fielen besonders vor dem Hintergrund chronischer Geldsorgen erschwerend ins Gewicht.54 Indes bekam die Popularität Tolstois in Deutschland einen neuen Impuls. Am 9. Juli 1902 mussten sich der Verleger Eugen Diederichs und sein Mitarbeiter Raphael Löwenfeld vor dem Leipziger Landgericht verantworten : In einer von ihnen veröffentlichten polemischen Schrift Tolstois wurde eine Beschimpfung der römisch-katholischen Kirche gesehen. Der Prozess wurde in der Presse , insbesondere im Simplizissimus , in dessen Redaktion Thomas Mann bis 1900 gearbeitet hatte , beleuchtet.55 Thomas Manns Gladius Dei erschien in der Wiener Zeitschrift Die Zeit zufälligerweise drei Tage nach dem Beginn der Haupt1899–1904
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verhandlung. In diesem Kontext ermangelt es nicht einer gewissen Komik , dass ausgerechnet der tolstojanisch geprägte Hauptheld des Gladius Dei – objektiv gesehen – ein strenger Katholik und Vorbote des Savonarola in Fiorenza war. Das Verfahren endete mit einem Freispruch , Tolstois Name gewann noch mehr an Autorität. Die Anzahl der Übersetzungen seiner Werke ins Deutsche stieg in den nachfolgenden Jahren merklich an.56 Thomas Mann schrieb 1902 Tonio Kröger fertig – die Geschichte über einen melancholischen Außenseiter , der zwischen zwei Welten steht , in keiner daheim ist und es infolgedessen ( gelinde ausgedrückt ) « ein wenig schwer » hat. Tonio Kröger ist ebenso wie sein Schöpfer « haltlos zwischen krassen Extremen , zwischen eisiger Geistigkeit und verzehrender Sinnesglut hin und her geworfen. »57 Tonio Kröger liest gerne Schillers Don Karlos , den einsamen König Philipp empfindet er als seinen Leidensgenossen. Doch wenigstens in Einem ist er glücklicher als der Monarch. « Die gute Vorsicht » hatte ihm schließlich zwar keinen Freund beschert , aber immerhin eine treue Freundin , « der er alles sagte ». Diese Freundin ist zur gleichen Zeit auch die erste russische Gestalt im Werk Thomas Manns. Die Malerin Lisaweta Iwanowna ist eine Freundin , wie sie sich ein melancholischer Außenseiter vom Schlage Thomas Manns inniglich wünschen kann : eine gleichaltrige Ida Boy-Ed , mit slawischem Charme und russischer Aufgeschlossenheit versehen. Schon durch die Stabilität , die sie ausstrahlt , nimmt sie dem bedürftigen Tonio Kröger einen Teil seiner Schwäche und seiner Selbstzweifel. Aber nicht nur das : Sie ist bereit , auf seine Probleme einfühlsam einzugehen. Angesichts dieser Bereitschaft ist es kein so großes Übel für Tonio Kröger , sich am Ende des Gesprächs erledigt zu fühlen , denn selbst bittere Wahrheiten , die Lisaweta konstatiert , werden von deren Treue und Vertrauenswürdigkeit überwogen. Dass die Freundin Tonio Krögers ausgerechnet eine Russin ist , wurde bei Thomas Mann durch seine bisherige Lektüre der russischen Literatur vorbereitet. Die volkstümliche Namensform Lisaweta – der korrekte Vorname wäre Jelisaweta – erinnert an Dostojewski. Lisaweta Iwanowna hieß die Schwester der alten Pfandleiherin , das zweite , ungewollte Mordopfer Raskolnikows in Schuld und Sühne. Während seiner Auskundschaftung bei der Pfandleiherin im ersten Kapitel des Romanes wird Raskolnikow von derselben sieben Mal mit «Väterchen » (« Batjuschka ») angeredet. Dieser Anrede , die aus ihrem Munde Batuschka klingt , bedient sich auch die Malerin Lisaweta Iwanowna.58 20
Der Mythos wächst wie an einer Quelle
Auf Tonio Krögers Monolog über den ihn so quälenden Gegensatz zwischen Leben und Kunst erwidert sie , dass er die Dinge ansieht , « wie sie nicht notwendig angesehen zu werden brauchen. » Und sie bietet ihm eine andere Sicht der Dinge : Die reinigende , heiligende Wirkung der Literatur , die Zerstörung der Leidenschaften durch die Erkenntnis und das Wort , die Literatur als Weg zum Verstehen , zum Vergeben und zur Liebe , die erlösende Macht der Sprache , der literarische Geist als die edelste Erscheinung des Menschengeistes überhaupt , der Literat als vollkommener Mensch , als Heiliger , – die Dinge so betrachten , hieße , sie nicht genau genug betrachten ? 59
Lisaweta , meint darauf Tonio Kröger , habe ein Recht so zu sprechen , und zwar im Hinblick auf die anbetungswürdige , ja heilige russische Literatur … Alexei Rybakov sieht hier in der russischen Literatur « eine Art dritte Position , [ … ] die Andeutung eines möglichen Auswegs aus dem Konflikt » , eine Versöhnung zwischen Leben und Kunst , zwischen Norden und Süden , zwischen dem Väterlichen und dem Mütterlichen – « eine Versöhnung , die also im Zeichen der heiliggesprochenen russischen Literatur geschieht. » Der dritte Weg – weder der Norden noch der Süden – führt in den Osten.60 Das Image eines Literaten als Heiligen wäre traditionell am ehesten auf Dostojewski zugeschnitten und – mit Einschränkungen – auf Tolstoi. « Die Literatur als Weg zum Verstehen , zum Vergeben und zur Liebe » – das ließe sich sowohl über das Werk der beiden genannten großen Meister als auch über die Bücher von Turgenjew wie Gontscharow sagen. Die wegweisende Äußerung Lisawetas erfasst somit beinahe alle großen russischen Dichter , die Thomas Mann damals kannte. Das dezent Tolstoi’sche an der Freundin Tonio Krögers – im Sinne des Tolstoi-Mythos von Thomas Mann – ist aber ihre emotionale Funktion. Unaufdringlich gibt sie ihrem leidenden Freund etwas von ihrer stillen Stärke : etwas , was ihm weder seine Bohème-Kollegen noch die unglücklich geliebten Blonden und Blauäugigen zu geben vermochten. Mit anderen Worten : Wenn Tonio Kröger sich schwach fühlt , geht er zu Lisaweta. 1903 hatte Thomas Mann ein für seinen Tolstoi-Mythos schicksalhaftes Leseerlebnis. In diesem Jahr erschien die deutsche Übersetzung der Studie Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler von Dmitry Mereschkowski ( Russisch 1901–1902 ). Eine Notiz im Exemplar aus Manns Privatbibliothek zeugt davon , dass er es bald nach dem Erscheinen erworben hat. Fast auf jeder 1899–1904
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Seite enthält es seine Anstreichungen und andere Lesespuren. Da dieses Buch ihn sein Leben lang begleitete , stammen sie aus verschiedenen Zeiten. Was ihn insbesondere bei der Erstlektüre beeindruckt hat , lässt sich deswegen nur als Vermutung rekonstruieren. Es war eine gewisse Geistesverwandtschaft , die Mereschkowski zum treuen Cicerone Thomas Manns durch die Welt der russischen Literatur machte. Die Forschung hat sie inzwischen aufgedeckt und beschrieben. Wie sein deutscher Verehrer , wurde er durch Schopenhauer und Nietzsche beeinflusst ;61 er dachte in Antithesen und strebte nach einem « Dritten Reich des Geistes » , das alle Antithesen aufheben sollte.62 Mereschkowskis Studie wurde eine Quelle , an der Thomas Manns Tolstoi-Mythos gewachsen ist. Mann hatte wahrscheinlich noch nie zuvor eine dermaßen ausführliche und anspruchsvolle Arbeit über seinen großen Meister gelesen. Vor allem hat Mereschkowski Tatsachen und Betrachtungen über Tolstoi begründet und zu einem System zusammengefasst. Möglicherweise konnte der Schöpfer Tonio Krögers bei ihm eigene , bisher fragmentarische Schlüsse in einer systematisierten Form wiederentdecken. Der nächstliegende von ihnen war wohl die Idee von gesunder Kraft und Erfrischung. Mereschkowski schrieb vom « Überschuß an Sinnlichkeit , Kraft und Gesundheit L. Tolstois ». « Sein ganzes Leben , » hieß es an einer anderen Stelle , « ist durch diese nicht mehr jungfräuliche , aber in der größten Wollust keusche Reinheit und Frische geläutert wie ein alter noch grünender Baum , wie eine frische , durchsichtige unterirdische Quelle. Krankhafte Widersprüche und Lügen sind im Leben , in den Taten und selbst in den Gefühlen L. Tolstois nicht wahrzunehmen [ … ]. » Tolstois Gesicht atme , « trotz der Runzeln seiner siebzig Jahre » , « unverwelkbare Jugend und Frische ». Erscheint seine Sprache schwerfällig , so sei das « die Schwerfälligkeit eines Titanen , der Block auf Block türmt. »63 Mereschkowski hatte ein sehr detailliertes Porträt von Tolstoi gemalt. Und so konnte Thomas Mann , neben gesunder Kraft und Erfrischung , noch andere Eigenschaften bei seinem Meister entdecken , die für ihn neu oder wenigstens nicht so nahe liegend waren. Mit Verweis auf Memoiren von Augenzeugen berichtete Mereschkowski , dass Tolstoi in Pferde- und Schweinezucht regelrecht aufging. Die Begeisterung für die Landwirtschaft sowie stete Sorge um das stille häusliche Familienglück hätten Tolstoi ausgerechnet in der Zeit von Krieg und Frieden und Anna Karenina beherrscht. Darin , so Mereschkowski , spreche « die ewige Stimme der Natur , die unüberwindliche Lebenswitterung ». Tolstoi , 22
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« angenommen , er tröstete sich , indem er sich mit seinen Ferkeln beschäftigte , [ … ] mit dem Gedanken , er bemühe sich um die allgemeine Wohlfahrt des Menschengeschlechts , [ … ] folgte dabei nur der intensiven und richtigen Witterung unseres animalischen Lebens. »64 «Vor allem » , resümiert Mereschkowski , « ist hierin die große und einfache Liebe zum Leben , die ewig kindliche Lebensfreude , die auch Goethe beseelt hat , zu finden. »65 Die Kehrseite dieser Liebe zum Leben sei die Furcht vor dem Tode. Trotz seines Bedürfnisses nach einem festen religiösen Glauben , trotz seines Wunschchristentums , wurde Tolstoi immer wieder von einer panischen Todesangst überkommen. Sie sei bei ihm « keine Folge der körperlichen Feigheit , Schüchternheit ; diese zuweilen an Feigheit streifende Furcht ist eine viel tiefer liegende , innere , in ihrem Ursprunge abstrakte , sozusagen metaphysische. » « Diese plötzlichen finsteren Gedanken » , setzt Mereschkowski fort , « erschrecken um so mehr , als sie sich in seiner Seele und seinen Werken Seite an Seite mit der größten Liebe zum Leben befinden. » In Tolstoi seien scheinbar zwei Menschen , «von denen der eine immer das erstrebte , was der andere nicht wünschte. »66 Die Dissonanz , die Tolstoi angeblich eigene Zweiteilung in bewusst und unbewusst ist einer der Grundgedanken der Studie von Mereschkowski. Schon am Anfang des Buches wird die Fragestellung so umrissen : der eine Leo Tolstoi , « der zur Erkenntnis gekommene , der gute und schwache , demütigt sich , tut Buße , hegt einen Widerwillen zu sich selbst , gegen seine eigene Verderbtheit ; der andere , der nicht zur Erkenntnis gekommene , der böse und starke , [ … ] findet einen besonderen , verfeinerten , wollustigen Genuß in dem Stolze , ja in dem Widerwillen gegen sich selbst [ … ]. » Es ginge schließlich , so Mereschkowski , um zwei Gefühle : um die Liebe zu sich selbst , zu seinem Körper und zu seinem Ich ; und um den Widerwillen , den Hass gegen sich selbst. Aller Anfang und Ende sei das Ich.67 Was kann Thomas Mann an all dem besonders angesprochen haben ? Tolstoi liebte das Leben. Tonio Kröger tat ebenso, auch wenn sein Begriff vom Leben dezenter und bescheidener ausfiel , als « das dem Naturwillen gehorsame Nestbauen » Tolstois.68 Er sehnte sich « nur » nach « dem Harmlosen , Einfachen und Lebendigen , nach ein wenig Freundschaft , Hingebung , Vertraulichkeit und menschlichem Glück , [ … ] nach den Wonnen der Gewöhnlichkeit. »69 Die wichtigste Erkenntnis für Thomas Mann muss hier die gewesen sein , dass Tolstoi , ähnlich wie Tonio Kröger , « haltlos zwischen krassen Extremen , zwi1899–1904
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schen eisiger Geistigkeit und verzehrender Sinnesglut hin und her geworfen , unter Gewissensnöten ein erschöpfendes Leben führte , ein ausbündiges , ausschweifendes und außerordentliches Leben [ … ]. »70 Mit anderen Worten , war das die aufregende Erkenntnis , dass zwischen dem Meister , dessen starke Hand er immer wieder ergriffen hatte , und ihm selbst , der sich als dekadent und schwach empfand , gewisse Ähnlichkeiten bestanden : Auch in Tolstois Brust – so wie Mereschkowski ihn schildert – wohnten zwei Seelen. Auch er war ein Asket aus Vernunftgründen , der stets mit sich selbst kämpfte – und häufig bittere Niederlagen erlitt. Eine weitere wichtige Erkenntnis , die Mann aus Mereschkowskis Buch schöpfen konnte , war die Größe Tolstois als Schilderer des Körperlichen , des Physischen. « Ich glaube nicht » , meint Mereschkowski , « daß es in der ganzen Weltliteratur einen Schriftsteller gibt , der L. Tolstoi in der Schilderung des menschlichen Körpers vermittels des Wortes gleichkommt. »71 An einer anderen Stelle sagt er das noch konkreter : « Der Schrecken des menschlichen Körpers , des menschlichen Fleisches schwebt über allen Schöpfungen L. Tolstois. »72 Eine kindliche Bewunderung seines Körpers , wie Tolstoi sie in Knabenalter beschreibt , hebt Mereschkowski als eine Art Schlüsselerlebnis hervor : « Die tiefste elementare Grundlage aller seiner Gefühle und Gedanken ist thatsächlich diese erste reine , unvermischte Empfindung des fleischlichen Lebens – die Liebe zum körperlichen Dasein. »73 Wie hat wohl der junge Décadent diese für Mereschkowskis Buch leitmotivische Botschaft aufgenommen : Sein Orientierungshelfer in Sachen Askese war zugleich ein Sänger des Fleisches ; ein Künstler , dessen Überzeugungskraft immer mehr nachließ , je weiter er sich vom Physischen entfernte ?74 Die Botschaft – angenommen , diese Eigenschaft Tolstois war ihm nicht schon früher aufgefallen , – hat ihn jedenfalls nicht abgeschreckt. Im Gegenteil : Kombiniert mit Mereschkowskis Deutung von Tolstoi als « ein[ em ] ewig[ en ] Narziß »75 ( d iese Wortverbindung ist in Thomas Manns Buch-Exemplar dick unterstrichen ), setzte sie einen « Wandel der Mann’schen Einstellung zur Körperlichkeit » in Gang.76 Die Sorgfalt , die Thomas Buddenbrook seinem Äußeren zuwandte , war noch ein Ausdruck tiefgreifender Ängste. Nach der Lektüre Mereschkowskis erkannte Thomas Mann , wie Stefan Pegatzky demonstriert , « den Zusammenhang von Narzissmus und Künstlertum ».77 Die Körperlichkeit verließ somit das Reich des « Bösen » , das ihr im Weltbild des jungen Thomas Mann zugewiesen worden war. Diese Erkenntnis ist in Verbindung mit 24
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seinem Tolstoi-Mythos erwähnenswert , weil sie mit einem Komplex von Unsicherheiten aufräumte und eine stabilisierende Wirkung mit sich brachte. Der Tolstoi-Mythos wurde wesentlich durch die Studie Mereschkowskis begründet. Es kam nicht darauf an , wie erfolgreich Tolstoi jedes Mal die großen Aufgaben , die er sich gestellt hatte , bewältigte , sondern auf ihre Größe. Tolstoi wurde von Mereschkowski als eine mächtige Künstlerpersönlichkeit dargestellt , der eine natürliche Urkraft innewohnte , eine Persönlichkeit ohne « krankhafte Widersprüche und Lügen ». Das Jahr 1903 war reich an Ereignissen , an denen Thomas Manns Selbstsicherheit wuchs. Tonio Kröger erschien im Februar. Frühestens im Sommer las er die Studie von Mereschkowski. Eine erste , sehr diskrete Andeutung auf seine Träume von Katia Pringsheim datiert vom August.78 Im September wurde die zehnte Auflage der Buddenbrooks ausgeliefert. Zwischendurch war er auf Vortragsreisen und knüpfte nützliche Kontakte. Das alles hört sich sehr positiv an : bedeutende Erfolgserlebnisse , eine aufbauende Lektüre , Empfänge bei der Welt und die Hoffnung , eine Millionärstochter auf seine Person aufmerksam zu machen. Man könnte glauben , Thomas Mann wäre nunmehr auf dem besten Wege , die Komplexe seiner Jugend loszuwerden. Sein ungewohnt scharfer Brief an Heinrich Mann vom 5. Dezember scheint das erfolgreiche Jahr noch zu krönen. Er liest sich so, als ob der jüngere Bruder sich endlich stark genug fühlte , die Autorität des älteren unmittelbar infrage zu stellen. Doch dieser Eindruck täuscht. Thomas Mann lebte wie in einer Zwangsjacke. Seine Liebe zum Leben war nicht nur unerwidert , sie war auch verboten – denn ein Tonio Kröger hält nichts vom Glück und ist zur Einsamkeit verdammt. Das war die Einsamkeit eines Schöpfers , nur in ihr konnte er produktiv sein. Er sehnte sich nach dem , was er selbst sich verwehrte ; seine innigsten Wünsche blieben unerfüllt. Er war auf Ersatz- oder Scheinwelten voller « Gesundheit » , « Frische » und « Stärke » angewiesen , die ihm seine Fantasie , auf mehrere Orientierungshelfer gestützt , lieferte. Dank der Erfolge und neuer Erfahrungen mag seine äußere Sicherheit zugenommen haben , aber sein instabiles Ich verlangte nach wie vor nach Bestätigung. Grautoff , auf dessen Kosten er sich gelegentlich bestärkt hatte , war ein recht harmloser Zeitgenosse. Heinrich dagegen war sein ewiger Gegenspieler und bis jetzt immer der « stärkere » gewesen. In einem Notizbuch schrieb Thomas 1903 , dass er « unter dem Gefühl des Hasses wie unter keinem anderen » leide. Wer das Objekt des Hasses war , 1899–1904
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folgt aus weiteren Eintragungen unmissverständlich. Er , Thomas , fühle sich neben Heinrich als « weichmütiger Plebejer , aber mit sehr viel mehr Herrschsucht ausgestattet. »79 Am Ende seines ersten erfolgreichen Jahres wagte der « Plebejer » einen Angriff auf den «Vornehmen ». Eine höfliche Geringschätzung des eigenen Werkes sowie eine Selbstbestätigung durch Herabsetzen des Anderen hatte Thomas Mann auch schon in seinen früheren Briefen an den Tag gelegt. Das Eigenartige an seinem Brief an Heinrich vom 5. Dezember 1903 ist , dass darin beide Momente zugleich , und zwar mit großer Intensität , zum Vorschein kommen. Eine Studie , so Thomas Mann , sei ihm vollständig ausgerutscht , und er schickte sie ab in der Erwartung , « sie mit Hohn und Schande als untauglich zurückzubekommen ». Er arbeite ohne Genugtuung , gebe « den Dreck in tiefster Verzweiflung weg » , und dann – lies : völlig unerwartet – kommen Geld und Verehrung. Der Erfolg der Buddenbrooks sei zuletzt ein Missverständnis , die großen Auflagen ebenfalls. Nach allem , was er hege und plane , werde « außer den paar Hundert innerlich Interessierten kein Hahn krähen. » Neben Heinrich sei er sich schon immer « plebejisch , barbarisch und spaßmacherhaft vorgekommen » ( seine « Herrschsucht » lässt er hier natürlich unerwähnt ). Er wirft Heinrich vor , er habe sich im Roman Die Jagd nach Liebe eines Ausdrucks aus Tonio Kröger bedient , und deutet an , dass der Bruder diesen Vorwurf vielleicht kleinlich finde. Aber er , Heinrich , könne doch « an die Geschichte von dem reichen Manne denken , der dem armen sein einziges Schaf wegnahm [ … ]. » Und wenn sein Brief für die Geschichte erhalten bliebe , würden sich wohl « spätere Leute einmal über den Töffel von einem jüngeren Bruder amüsieren » , der die Größe des älteren nicht zu schätzen wusste …80 Der Moralist La Rochefoucauld meinte : « Man weist das Lob zurück , um ein weiteres Mal gelobt zu werden. »81 Thomas Mann , der in diesem Brief als Moralist auftreten will ,82 geht nach einem vergleichbaren Muster vor : Er schmälert seine Bedeutung , um sein stetes Anerkennungsbedürfnis zu verschleiern. Aber noch stärker war sein Bedürfnis nach Selbstbestätigung. Diesmal sollte es durch das Niedermachen der Jagd nach Liebe befriedigt werden. Der Angriff auf den Roman des Bruders startete nach einem recht unschädlichen epistolaren Vorspiel gleich von null auf hundert. Seine Eindrücke seien « nicht grade sehr angenehm » gewesen. Das Buch liege nicht allein außerhalb der deutschen Entwicklung , sondern auch außerhalb der eigenen Entwicklung Heinrichs. Dieser – noch vor wenigen Jahren eine souveräne und vornehme Künstlerpersön26
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lichkeit – liefere darin « Lästerungen der Wahrheit und Menschlichkeit » und nehme «verzweifelte Attacken auf des Lesers Interesse » vor. « Der seelische Gehalt des Werkes , die Sehnsucht aus schwacher Künstlichkeit nach dem Leben , [ … ] wie soll sie denn rühren » , exklamiert Thomas Mann , « wie überzeugend wirken , da auch nicht ein Versuch gemacht ist , dem Leben nahe zu kommen [ … ]? » Heinrich , meint er , werde von der « Begierde nach Wirkung » korrumpiert. Seine literarische Produktion sei krank , weil sie « das Resultat einer schiefen und unnatürlichen Entwicklung ist und einer Wirkungssucht » , die ihm « unaussprechlich schlecht zu Gesichte steht. » Der Stil des Romans sei « wahllos , schillernd , international. [ … ] Alles , was wirken kann , ist herangezogen , ohne Rücksicht auf Angemessenheit. »83 Helmut Koopmann fasste diesen Brief zusammen : « Der innerlich noch unsichere , nach Selbstbestätigung suchende und von Vorbildern abhängige Thomas Mann stabilisiert hier sein Ich , indem er das des Bruders grundsätzlich in Frage stellt. »84 Die eigentliche Pointe kommt am Ende des Briefes. « Was bleibt ? » , fragt Thomas Mann rhetorisch , nachdem er des Bruders Roman in Grund und Boden kritisiert hat : Es bleibt die Erotik , will sagen : das Sexuelle. Denn Sexualismus ist nicht Erotik. Erotik ist Poesie , ist das , was aus der Tiefe redet , ist das Ungenannte , was Allem seinen Schauer , seinen süßen Reiz und sein Geheimnis gibt. Sexualismus ist das Nackte , das Unvergeistigte , das einfach bei Namen Genannte. Es wird ein wenig oft bei Namen genannt in der « Jagd nach Liebe ». [ … ] die vollständige sittliche Nonchalance , mit der Deine Leute , haben sich nur ihre Hände berührt , mit einander umfallen und l’amore machen , kann keinen besseren Menschen ansprechen. Diese schlaffe Brunst in Permanenz , dieser fortwährende Fleischgeruch ermüden , widern an. Es ist zu viel , zu viel « Schenkel » , « Brüste » , « Lende » , « Wade » , « Fleisch » , und man begreift nicht , wie Du jeden Vormittag wieder davon anfangen mochtest [ … ]. Ich spiele nicht Frà Girolamo, indem ich dies schreibe. Ein Moralist ist das Gegentheil von einem Moralprediger : ich bin ganz Nietzscheaner in diesem Punkte. Aber nur Affen und andere Südländer können die Moral überhaupt ignoriren , und wo sie noch nicht einmal Problem , noch nicht Leidenschaft geworden ist , liegt das Land langweiliger Gemeinheit.85
Eins ist nicht zu übersehen : Dieser Brief – eine Weiche im Verhältnis zwischen den Brüdern – entstand mit Rückblick auf Mereschkowskis Studie. Tolstoi wurde dort als ein Sänger des menschlichen Fleisches dargestellt. 1899–1904
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« Es scheint zuweilen » , schrieb Mereschkowski im Zusammenhang mit einer Szene aus Krieg und Frieden , daß die ganze Welt ihm als der schmutzige Teich mit den darin herumplätschernden , unzähligen nackten Körpern , mit dem niedrig erscheinenden Himmel und der brennenden Sonne , die im Staube wie eine rote Kugel aussieht – oder als das niedrige Zelt mit den nackten , blutbedeckten Menschenkörpern erscheint. Daher ist es so schwül ; deshalb erscheint es , als ob es den Werken L. Tolstois ‹ an Luft mangle , ohne die man nicht atmen kann. › Nach den Worten Turgeniews ist es schwül – von Fleisch und Blut – ‹ von menschlichem Fleische. › Alles ist zu fleischig , zu körperlich , zu blutig – der Geruch von den Windeln aus der Kinderstube Nataschas , diesem übelduftenden menschlichen Neste , oder der Blutgeruch im Zelte der Verwundeten. Es ist schwül wie vor einem Gewitter , aber es ist kein Gewitter – es zieht nicht herauf ; die Wolken ballen sich , aber es kann nicht ausbrechen. Die Erwartung spannt nur ab. [ … ] Zuweilen scheinen sich selbst die Helden-Opfer zu empören. Krampfhaft kämpfen sie gegen das Alpdrücken des Fleisches und des Blutes ; sie fliehen vom Fleische , vom Blutstrom in das Gebiet der abstrakten christlichen Grübeleien. Was ist das aber für eine klägliche und langsame Flucht ! Das Band , das Seele und Körper verknüpft , hält sie zurück , das Band des Blutes und des irdisch geborenen Fleisches , das Band der Familie.86
Der Ästhet Turgenjew ( ebenso wie Mereschkowski , der ihn zitiert ) erstickt geradezu in dieser von menschlichem Fleische schwülen Tolstoi’schen Literaturwelt. Der Asket Thomas Mann fühlt sich von Fleischgeruch und schlaffer Brunst in einem Roman seines Bruders ermüdet und angewidert. Die « Behandlung » des Fleischlichen durch Tolstoi – so wie Mereschkowski sie beschreibt – hat Thomas Mann weder damals noch später direkt kritisiert , geschweige denn angegriffen. Mehr noch : Er hat sogar einiges von ihr gelernt. War etwa Tolstoi erlaubt , was Heinrich Mann nicht durfte ? Die Frage stellte sich anders. Tolstoi blieb für Thomas Mann eine mythische Figur. Seine Vorliebe für das Fleischliche stand der Kraft und Sicherheit , die er ausstrahlte , nicht im Wege. Sie stärkte Thomas Mann , wie fast alles , was von Tolstoi ausging , indem sie ihm einen tieferen Blick auf seine eigene Askese gewährte. Heinrich Mann war dagegen eine durchaus reale Figur , ein Bruder und Gegenspieler. Sein Künstler-Spiel mit dem Fleischlichen betraf den sensiblen und delikaten Bereich der Sexualität , und zwar auf eine Art und Weise , die Thomas Mann profan und vulgär erschien. 28
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Das ereignisreiche Jahr 1903 ging zu Ende : Mitte Dezember dankte Thomas Mann dem Verleger Fischer für dessen Geschäftstüchtigkeit und erfreuliche Mitteilungen über den fortdauernden Erfolg der Buddenbrooks – und beklagte sich sogleich über sein schwankendes Befinden. « [ … ] oft habe ich » , schrieb er , « prachtvolle , reiche Stimmungen , voller Kraftbewußtsein und Zuversicht , und oft bin ich vollständig mürbe. »87 Einige Tage später wiederholte sich die Klage in einem Brief an Richard Schaukal und wiederum vor dem Hintergrund der Erfolgsmeldungen : Oft habe er « wundervolle , reiche Stimmungen , voll Zuversicht und Kraftbewußtsein » und oft sei ihm « sterbensübel zu Sinn. » Auch der Ruhm habe schließlich sein Anstrengendes , er bringe « Erregungen und Erhitzungen mancher Art. » Der Schluss des Briefes vom 21. Dezember klingt jedoch optimistischer : Der Dichter hoffe , sich « durch Vernunft und Selbstzucht immer arbeitsfähiger , lebhafter , thätiger zu machen. »88 Ein weiterer langer Brief an den Bruder Heinrich , vom 8. Januar 1904 datiert , enthielt ebenfalls einen Bericht über Thomas Manns Gemütsleben. Es war «von einem langen Nachdenken , Grübeln , Bohren und Brüten » die Rede , diesem ungesunden und entkräftenden Zustand , in den ich so leicht verfalle und den ich so hasse , weil er unfruchtbar ist. Du weißt noch » , setzt er fort , daß mit mir nicht zu disputiren ist ; es geht schriftlich so wenig wie mündlich. Ich bin nicht imstande , eine Gedankenreihe zu isoliren , ein Gespräch künstlerisch durchzuführen. Ich gerate innerlich vom Hundertsten ins Tausend[ st ]e , mein ganzes psychologisches Wissen wird aufgewirbelt , steigt mir zu Kopfe , die Complicirtheit der Welt überwältigt mich , die Erkenntnis , daß alle Gedanken nur Kunstwerth aber keinen Wahrheitswerth haben , würgt mich physisch an der Kehle , ich gerate ins Zittern , ich habe Magenklopfen [ … ], das Gehirn dreht sich mir herum …89
Die Unfähigkeit , einen Disput mit kühlem Kopf zu führen , von der Thomas Mann schreibt , erinnert einen Tolstoi-Leser an Konstantin Lewin. In dieser Figur aus Anna Karenina lebte ihr Schöpfer genauso wie Thomas Mann in seinem Tonio Kröger. Einiges spricht dafür , dass die Ähnlichkeit hier kein Zufall ist. Ein detailliertes Porträt von Lewin als Disputanten findet man im Dritten Teil des Romans. Sein Gegenspieler ist sein Halbbruder Sergey Iwanowitsch Kosnyscheff.90 Dieser ist ein Schriftsteller und Feingeist , und es fällt ihm nicht schwer , den « Landbewohner » Lewin mittels einwandfreier Logik in die Enge zu treiben. « Für Sergey Iwanowitsch selbst » , heißt es im ersten Kapitel des dritten Teils , 1899–1904
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war der jüngere Bruder ein guter Mensch , von Gefühl , bien établi , wie er sich französisch ausdrückte , aber mit einer , wenn auch ziemlich beweglichen , so doch gleichwohl den Eindrücken des Augenblicks unterworfenen und daher an Widersprüchen reichen Geistesrichtung. Mit einer Herablassung des älteren Bruders erklärte er ihm daher bisweilen die Bedeutung der Dinge , fand aber keinen Genuß darin , mit ihm zu debattieren , da er ihn zu leicht schlug.91
Im dritten Kapitel kommt es dann doch zu einem « exemplarischen » Gespräch , in dem jeder der Brüder seine Ansichten auf das Allgemeinwohl verteidigt. Lewin nimmt sich das Thema allzu sehr zu Herzen , deswegen fallen seine Argumente , wie immer , unlogisch und konfus aus. Kosnyscheff geht höflich und verhalten auf sie ein , auch wenn er sich bei der Diskussion mit dem « schwachen » Gegner unterfordert fühlt. Allerdings ärgern ihn Lewins Widersprüche. Er mag sie grundsätzlich nicht , « und am wenigsten solche , die beständig von dem einen auf das Andere übersprangen , und ohne inneren Zusammenhang neue Beweisgründe beibrachten , so daß man nicht mehr erkennen konnte , worauf man antworten solle. »92 Zwei grundverschiedene Brüder : Der ältere ist vornehm-intellektuell und dazu noch ein bekannter Schriftsteller , der jüngere chaotisch und etwas tölpelhaft wirkend – diese Konstellation traf nahezu den Kern eines persönlichen Grundproblems von Thomas Mann. Allein die Wortverbindung « mit einer Herablassung des älteren Bruders » brachte schon das Leid seiner jungen Jahre auf den Punkt. Es ist nicht bekannt , ob er gegen Ende 1903 Anna Karenina wiedergelesen oder wenigstens darin geblättert hat. Die stärkende Lektüre dieses Romans lag aber noch nicht lange zurück. Das einzige Zitat aus ihm in Thomas Manns Notizbüchern stammt aus dem ersten Kapitel des dritten Teils ,93 d. h. aus dem Abschnitt , welcher den Disput zwischen den Brüdern einleitet. Auch in späterer Zeit hat Thomas Manns Interesse für die Brüderdiskussion über Volksbildung und Allgemeinwohl nicht nachgelassen. Im Exemplar von Anna Karenina aus seiner Privatbibliothek94 sind zahlreiche Stellen in den Kapiteln 1 bis 3 des dritten Teils angestrichen. 1904 ist ihm der Eindruck , den Tolstois Roman einst auf ihn gemacht hatte , vor allem durch die Studie Mereschkowskis in Erinnerung gerufen worden. Im Brief an Heinrich vom 8. Januar 1904 kommt Thomas Manns Fähigkeit zum Vorschein , sich mit Figuren oder Verfassern von Literaturwerken , die ihn beeindruckten , zu identifizieren. 1897, in der Erzählung Der Bajazzo, äußerte sich eine Ich-Figur folgenderweise : « Ich las viel , las alles , was mir erreichbar 30
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war , und meine Eindrucksfähigkeit war groß. Jede dichterische Persönlichkeit verstand ich mit dem Gefühl , glaubte in ihr mich selbst zu erkennen und dachte und empfand so lange in dem Stile eines Buches , bis ein neues seinen Einfluß auf mich ausgeübt hatte. »95 1904 berichtete Thomas Mann , wie er als Kind , von einem Mythologie-Buch fasziniert , sich in antike Helden und Gottheiten hineinversetzt hatte.96 Konstantin Lewin und Thomas Mann waren sehr verschieden in Charakter und Temperament. Von der melancholischen Sprödigkeit eines Tonio Kröger war der impulsive Wahrheitssucher Lewin weit entfernt. Ein mythisches Rollenspiel verlangt aber nicht nach einer umfassenden Ähnlichkeit zwischen dem Vorbild und seinem Nachahmer. Lewins Gestalt hat den jungen Thomas Mann im Kontext der Brüderlichkeit angesprochen. Spätestens aus dem Buch Mereschkowskis erfuhr er , dass Konstantin Lewin « ein Doppelgänger von Leo Tolstoi war » ,97 was sein Verhältnis zu dieser Figur mitbestimmt haben muss. Einige Probleme , die Tolstoi durch Lewin ausgelebt hatte , waren mit denen vergleichbar , die Mann durch Tonio Kröger loswerden wollte. Auch der Titan hatte seine Schwächen. Das ermutigte den Unsicheren noch mehr. Der Stimmungswechsel , den Thomas Mann in den zitierten Briefen meldete , war nichts Neues. Ein konstant positives Lebensgefühl gehörte nicht zu seinen Stärken. Neu waren der Lebensabschnitt , den er gerade antrat , und die Aufgaben , die er – wenn auch im Rückgriff auf mächtige Orientierungshelfer – faktisch allein zu bewältigen hatte. Zu diesen Aufgaben gehörten primär der Umgang mit seinem unerwarteten Ruhm sowie eine Neupositionierung vor dem Bruder und der Gesellschaft. Aus seinen Briefen spricht die Unruhe , die er angesichts kommender Veränderungen empfand. Aus dem Brief an Heinrich vom 27. Februar 1904 sprach sie ebenfalls : Begeisterte Lobsprüche für eine Novelle des Bruders gingen « organisch » in eine vorsichtige Kritik an seinem Stil über ; dieser folgte gleich ein Exkurs über Heinrichs neue Weltanschauung – und dann kam Thomas Mann auf das Wichtigste zu sprechen : auf seinen Zustand. Dem Hauptstück des Briefes wurde ein kurzes Vorspiel vorangestellt , in dem es um seine Erfolge ging. « Ich muß mich erst in die Rolle als berühmter Mann einleben ; es erhitzt doch sehr. Die Zeitungen beunruhigen mich mit ihrer Gier nach Beiträgen » ,98 teilte er unter anderem mit. Die Nachricht , die das Hauptstück übermittelte , war noch erhitzender als die Rolle eines berühmten Mannes : Er sei gesellschaftlich eingeführt , bei Pringsheims , und konnte dabei die Tochter des Hauses kennenlernen. Die Aufregung , vor der ihm fast der Atem stockt , weiß der Schriftsteller wiederzugeben : 1899–1904
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Nach acht Tagen war ich wieder dort , zum Thee , ‹ um › der Mutter ein Buch wieder zu bringen , das sie mir geliehen. Sie … sie rief Katja herunter , und wir plauderten zu dritt eine Stunde. [ … ] Hatte ich mich getäuscht , wenn ich ein Entgegenkommen gespürt hatte ? Nein ! [ … ] Alles lebt nur in meiner Phantasie , aber es ist zu kühn , zu neu , zu bunt , zu herrlich abenteuerlich , als daß ich es schon jetzt daraus vertreiben möchte. Die Möglichkeit ist mir aufgegangen und macht mich fiebern.99
Und es begann Thomas Manns zweites Lebensprojekt.
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Der Mythos wächst wie an einer Quelle
«Ich kann nicht allein leiden». Katia und Kity (1904–1914) Rede mir zu , streichle mich , blicke mich fest und freundlich an – ach , Du kannst das alles auch mit Worten , wenn Du mir fern bist – thu es , und zu meiner Liebe gesellt sich mein wärmster Dank. Ich will ein Mann sein , Dein Mann sein , und bitte Dich : behandle mich wie ein Kind. Theodor Fontane , Brief an Emilie Rouanet-Kummer , 9. April 1849100
Das Hauptthema des bisherigen Werkes von Thomas Mann war er selbst und seine Probleme : das schwankende Ich , die Identität und die qualvolle Spanne zwischen Leben und Kunst.101 In seiner Dichtung hatte er seine seelische Wahrheit umgesetzt und deren Entwicklungsmöglichkeiten durchgespielt. Die Degradierung des Bajazzos war eine Möglichkeit. Eine andere war der frühe Tod Hanno Buddenbrooks. Leiden und Größe Tonio Krögers – eine dritte. Thomas Manns Werben um Katia Pringsheim erscheint wie eine Abrechnung mit dem Bajazzo-Muster. Die Intensität dieses Werbens erweckt den Eindruck , als ob er sich aus aller Kraft bemühte , eine neue Wahrheit zu schaffen , um mit ihr die eigene Dichtung zu widerlegen. Sieben Jahre zuvor ließ er seinen Bajazzo an einer brünetten und schlanken Frau , der Tochter eines Justizrates , die Herzensruhe verlieren. Sie hatte schmale und langgeschnittene Augen , « deren kaum zur Hälfte sichtbare Iris blitzend schwarz war »102 ( wie Katias Augen waren , wird uns später in Königliche Hoheit anvertraut werden : groß und braunschwarz103 ). Sie war ein « kostbare[ s ] und unerreichliche[ s ] Geschöpf. » ( Katia war , wie der Bruder Heinrich erfahren durfte , « etwas unbeschreiblich Seltenes und Kostbares »104 ). Drei Mal hintereinander erwähnte der Autor , dass des Bajazzos glücklicher Rivale Sicherheit bzw. Selbstbewusstsein ausstrahlte ,105 – während der Bajazzo bei der einzigen Gelegenheit , seine Angebetete anzusprechen , aus Schüchternheit und Aufregung versagte : « Das Gefühl , daß ich , ein Fremder , Unberechtigter , Unzugehöriger , hier störte und mich lächerlich machte , befiel mich. Unsicherheit , Hilf33
losigkeit , Haß und Jämmerlichkeit verwirrten mir den Blick [ … ]. »106 Daran ging der Bajazzo auch zugrunde. Das war eine typische Entwicklung : Das Leben ließ nur Mitglieder in seinen « Klub » ein , Bajazzos und anderen empfindlichen Personen war der Eintritt verwehrt. Dem Schriftsteller Thomas Mann bot sich nun eine ganz andere Lösung – eine Synthese zwischen Leben und Kunst , die , wenigstens in der Theorie , Sicherheit und Stabilisierung versprach. Er war nicht bereit , wie ein Bajazzo zu versagen , und begab sich mit aller Entschlossenheit ans Werk. Im Februar wurde er ins Palais Pringsheim eingeführt. Ende März berichtete er von einer unglaublichen Initiative , die er « in Wort und That » an den Tag gelegt habe.107 Auf Katia wirkte er zuerst « sehr korrekt mit seinem Schnurrbart und in seinem ganzen Auftreten. »108 Bald durfte er direkt an sie schreiben. Die erhaltenen Fragmente seiner Liebesbriefe verraten , dass der Achtundzwanzigjährige bis dahin vorwiegend mit sich selbst beschäftigt war. Ihr Tenor deutete weniger auf seine Gefühle für Katia hin als auf seine Probleme , deren Lösung er sich von der Verbindung mit ihr erhoffte. In den meisten Briefen setzte er sie höflich unter Druck , um ihr anerkennende Worte für sein schwieriges Wesen zu entlocken. Katia ihrerseits muss sich bedrängt und verunsichert gefühlt haben , zumal sie mit ihrer gewohnten Lebensform sehr zufrieden war.109 Ob Tolstois Porträt damals immer noch auf Thomas Manns Arbeitstisch stand ? Konstantin Lewin , das Alter Ego des großen Meisters , hatte es jedenfalls auch nicht so leicht gehabt als Brautanwärter. Dieser ewig unruhige Geist überraschte seine Braut mit Zweifeln an ihrer Liebe. Weshalb sollte sie ihn eigentlich lieben , fragte er sie einige Stunden vor der Hochzeit … Die dramatische Szene hatte dann doch ein gutes Ende : Lewin wurde Kitys Liebe versichert und führte sie getrost zum Altar.110 Über die künstlerischen Werke Tolstois schrieb Mereschkowski : « sind sie doch im Grunde nichts anderes als ein mächtiges , durch fünfzig Lebensjahre hindurch führendes Tagebuch , eine endlose , ausführliche ‹ Beichte ›. »111 Lewins Bedürfnis , seine Laster zu beichten , um eine beruhigende Absolution zu bekommen , musste Kity schon bald nach der Verlobung über sich ergehen lassen. Aus Überzeugung , dass zwischen ihnen beiden kein Geheimnis bestehen dürfe , übergab er ihr sein intimes Tagebuch. Kity war durch die Lektüre verletzt und erschüttert , aber sie verzieh ihm seine stürmische Vergangenheit. Sein Glück war groß : « Sie hatte ihm vergeben , aber seitdem erachtete er sich ihrer noch viel weniger würdig … »112 34
«Ich kann nicht allein leiden». Katia und Kity
Kity erschrak , als Lewin am Hochzeitstag plötzlich bei ihr erschien , um sie mit seinen Zweifeln zu überschütten. « Kity , ich leide. Ich kann aber nicht allein leiden » ,113 antwortete er auf ihre stumme Frage. Würde dieses Geständnis nicht auch auf Thomas Mann zutreffen ? Sein Tagebuch war sicherlich zu intim , als dass Katia es hätte lesen dürfen. Doch die Versuche , seine komplexe , mit Leiden erfüllte Existenz vor ihr zu rechtfertigen und « erlöst » zu werden , ähneln einer Beichte. Mitte Mai 1904 schrieb er an sie , dass es ihm bewusst sei , « nicht der Mann zu sein , um einfache und unmittelbar sichere Gefühle zu erwecken. Ich füge heute hinzu » , hieß es weiter , daß ich dies nicht geradezu als einen Einwand gegen mich betrachte. Gemischte Empfindungen , ‹ R athlosigkeit › zu verursachen , ist ja , verzeihen Sie ! ein Zeichen von Persönlichkeit. Wer niemals Zweifel , niemals Befremden , niemals , sit venia verbo, ein wenig Grauen erweckt , wer einfach immer nur geliebt wird , ist ein Trottel , eine Lichtgestalt , eine ironische Figur. Ich habe keinen Ehrgeiz in dieser Richtung.114
Das Gefühl der Entfremdung , das seine Ausstrahlung bei Katia auslöst , wandelt Thomas Mann zu seinen Gunsten in « Zeichen von Persönlichkeit » um. Das mag ein geschickter Griff gewesen sein , nur dass dabei auch ein recht egozentrisches Verhältnis zur Liebe mit ausgeplaudert wird : Wer « nur geliebt » wird , ohne den Liebenden ständig vor eine Rätsellösung zu stellen , sei ein Trottel. Wer bemüht ist , seiner « anderen Hälfte » das Leben leichter zu machen , ist es also auch. Ich will nicht allein leiden , könnte das heißen. Mehr nach Beichte klingt das Brieffragment vom Anfang Juni. « Ich weiß ja , weiß es so schrecklich gut » , schreibt Thomas Mann , wie sehr ich schuld bin an der ‹ Art von Unbeholfenheit oder so etwas › ( d ieses rührende ‹ oder so etwas › ! ), die Sie mir gegenüber so leicht empfinden , wie sehr ich durch meinen ‹ Mangel an Harmlosigkeit › , an Unbefangenheit , an Unbewußtheit , durch die ganze Nervosität , Künstlichkeit und Schwierigkeit meines Wesens es jedermann , auch dem Wohlmeinendsten , erschwere , mir näher zu kommen oder überhaupt auf leidlich behagliche Art mit mir fertig zu werden ; und das betrübt mich umso mehr , wenn ich , was bei all dem ganz unglaublich oft geschieht , jenes wärmere Interesse , das man Sympathie nennt , aus dem Verhalten der Leute gegen mich herausfühle … Daß es meine
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Schuld ist ; und daher mein unablässiges Bedürfnis , mich vor Ihnen zu commentieren , zu erklären , zu rechtfertigen.115
Am Ende des Fragmentes bittet er Katia , seine Bejahung , seine Rechtfertigung , seine Vollendung , seine Erlöserin , seine – Frau zu sein.116 Katia fühlte sich nach wie vor bedrängt und ängstigte sich vor dem entscheidenden Jawort. Der besorgte Verliebte zog daraufhin – ganz im Geiste des nervösen Zeitalters – einen Nervenarzt zu Rate.117 Hermann Kurzke meint , dass diese Aktion «von einem bedauerlichen Mangel an Selbstkritik und Einfühlungsvermögen » zeugt.118 Thomas Mann beichtete weiter : « Einmal in den guten Tagen [ … ] » , schrieb er Ende August , erzählte ich Ihnen , daß ich im Verkehr mit Menschen fast nie das Gefühl meines Werthes bei der Hand hätte. Das ist wahr. Aber wenn ich dieses Gefühl nicht habe , so habe ich dafür das gute Vertrauen , daß die Anderen es für mich haben. Und ich betrachte es , so anmaßend das klingen mag , als ein Criterium der seelischen Bildung eines Menschen , wie er sich zu mir verhält … Man sagt , daß ein starkes Gefühl den Menschen hebe und belebe , daß es ihn keck , freudig und aktiv stimmen müsse ; aber das ist Volksmund und mag beim ‹ Volk › seine Richtigkeit haben. Bei mir nicht. Ich bin verstört , entgleist , mirselbst entfremdet …119
Das klingt wie eine Variation über das wohlbekannte Thema : « … Und irrend schweift mein Geist in alle Runde , // Und schweifend fass ich jede starke Hand … ». Seit diesem Gedicht waren fünf Jahre vergangen. Innere Stabilität , mithilfe einer stärkeren Hand erreicht , blieb immer noch sein oberstes Ziel. Nach dem Sommer , dessen Großteil Katia außerhalb Münchens verbracht hatte ( Tony Buddenbrook wurde – in einer vergleichbaren Lage – nach Travemünde geschickt ; weitere Vergleiche mit ihrer ersten Ehe wären hier unangebracht ), nach dem Sommer also erhielt Thomas Mann ihre Zustimmung. Aber je näher die ersehnte Trauung rückte , desto größer wurden seine Ängste. Er befürchtete , dass die « Synthese » vielleicht nicht so perfekt , wie erwartet , ausfallen könnte und dass er , dem Leben zugewandt , als Künstler scheitern würde. « Im Ganzen » , schrieb er Ende Oktober an Philipp Witkop ,
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«Ich kann nicht allein leiden». Katia und Kity
ist mir zu Muthe wie Einem , dem viel zu schnell dictirt wird , sodaß er bei Weitem nicht mitschreiben kann. Auch kommt das Gewissen nicht zur Ruhe , denn meine Furcht vor dem ‹ Glücke › ist nicht klein , und ich stehe noch immer in Zweifel , ob meine Hingabe an das ‹ Leben › eigentlich etwas hoch Moralisches oder eine Art Liederlichkeit ist.120
In dieser Zeit enden seine Liebes- und Beichtbriefe an Katia : Entweder hat er keine mehr geschrieben – schließlich stand das Datum der Hochzeit fest und er , als Fiancé , durfte nunmehr uneingeschränkt mit ihr unter vier Augen sprechen – oder er hat keine weiteren Abschriften gemacht. Dafür wurde sein aktuelles Leid in den Briefen an Heinrich umso intensiver geklagt. Es lag dem Frischverlobten viel daran , den eventuellen Eindruck , er bade in seinem Glück , zu entkräften. So ist sein Brief vom 23. Dezember 1904 ein einziger langer Bericht über die kaum zu ertragende Last des « Glücks ». Nervliche Anspannung , die neuen Verpflichtungen , auch die in der Gesellschaft ; die Bemühungen , sich in eine ganz neue Daseinsform einzuarbeiten und sich in eine neue Familie einzupassen , – von all dem fühlte er sich gequält und überstrapaziert. Das « Glück » sei ein Dienst – das Gegenteil davon sei viel bequemer ; das betone er , nicht weil er bei Heinrich so etwas wie Neid voraussetze , sondern weil er , Thomas , argwöhne , dass Heinrich « sogar mit etwas Geringschätzung auf mein neues Sein und Wesen » blicke. Das solle er nicht tun.121 Mit Melancholie à la Tonio Kröger ist auch der Brief vom 18. Dezember 1905 durchdrungen , den Thomas Mann in Zürich während seiner Hochzeitsreise geschrieben hat. Das Hotel , in dem das Ehepaar logierte , war purer Luxus – aber die wenigen Zeilen , welche er seiner Einrichtung widmete , sollte Heinrich nicht als eine Glücksrenommisterei verstehen. Der Jungvermählte habe « nicht immer einen guten Magen » , und überhaupt war ihm nicht so sehr positiv zumute. Er sehne sich « nicht selten nach ein bischen mehr Klosterfrieden und … Geistigkeit. » Am Schluss des Briefes nannte er sich und den Bruder in gewohnter Weise Neurastheniker. 122 Als Beichtvater und Seelsorger kam Heinrich nicht infrage , denn mit sehr viel Verständnis für sein schwieriges Wesen hatte Thomas bei ihm nicht zu rechnen. Aber « der dualistische Bruch zwischen Kunst und Leben »123 war auch für Heinrich einer der Grundbegriffe. Die Problematik seines Bruders kannte er aus erster Hand. Thomas Manns – sehr komfortabel eingerichtete – « Hingabe an das ‹ Leben ›» hätte seinem älteren Bruder einen moralischen Vorteil liefern können. Dieser Vorteil hätte die durch den Erfolg der Buddenbrooks halbwegs 1904–1914
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gesicherte Eigenständigkeit des Jüngeren gestört. Und so stünde Heinrich , wie früher , als stolz-vornehmer Künstler da , mit Geringschätzung auf den Anderen blickend , während Thomas auf die Rolle eines « plebejischen » Strebers zurückgeworfen wäre. Hinter den beiden zitierten Leidensberichten verbirgt sich die Angst Thomas Manns vor dem Verlust seiner nunmehr ein wenig stabileren Position gegenüber Heinrich. Indem Thomas versuchte , dem « Gegner » zuvorzukommen , ihm durch eine Selbst-Rechtfertigung den Wind aus den Segeln zu nehmen , kämpfte er um seine eigene Stabilität. Thomas Manns zweites Lebensprojekt war nicht weniger anstrengend als sein erstes. Das Vorspiel , welches mit Werbezeit zu betiteln wäre , war schon schwer genug gewesen ; dann kamen die an allen seinen Kräften zehrende Verlobung und Vermählung. Und dann war da noch das Nachspiel : Dass er , ein Asket und « Neurastheniker » , eine Millionärstochter geheiratet hatte , bedurfte einer geistigen Einordnung und einer Rechtfertigung vor sich selbst. Ob ihm der Meister aus Jasnaja Poljana auch diesmal etwas Unterstützendes bieten konnte ? Dass es einem Künstler möglich war , nach einer glücklichen Heirat und weiterhin in der Ehe künstlerisch produktiv zu bleiben , schildert Mereschkowski. Alle früheren Versuche Tolstois , sich im Leben einzurichten , meint er , « waren nur Liebhabereien , Dilettantismus [ … ]. » Die Heirat dagegen war « das erste wichtige Ereignis in seinem Leben , das alles erneuerte und umbildete – eine heilige und schreckliche Sache für ihn , der er sich nicht allein hingeben will , sondern auch thatsächlich hingiebt. » Mit vierunddreißig hatte er geheiratet – und dann wurden die nächsten zwanzig Jahre zu seinen besten : In dieser Zeit schuf er Krieg und Frieden sowie Anna Karenina.124 Wie die Anstreichung in Thomas Manns Exemplar von Tolstoi und Dostojewski zeigt , wurde er in jedem Fall auf den Abschnitt aufmerksam , der von der künstlerischen Produktivität Tolstois nach dessen Heirat handelt. Es lässt sich allerdings nicht feststellen , aus welcher Zeit die Lesespur stammt. Einen anderen , handfesteren Hinweis auf Tolstois Beistand liefert die Skizze Schwere Stunde , die Thomas Mann 1905 kurz nach seiner Hochzeitsreise geschrieben hat. Sie behandelt eine Situation der schöpferischen Unproduktivität am Beispiel Schillers : Er hat das Gefühl , dass das Werk , an dem er gerade arbeitet , misslingt. Ein passendes Motto zu Schwere Stunde wäre ein Zitat von Flaubert , das Thomas Mann in einem Brief an Katia angeführt hatte : « Mon livre me fait beaucoup de douleurs. »125 Von diesem Augenblick der Schwäche 38
«Ich kann nicht allein leiden». Katia und Kity
wird auf allgemeinere Probleme geschlossen , die – wie so häufig – Thomas Manns eigene sind : Künstlerdasein , Eifersucht , Leid , Anerkennungsbedürfnis. Die Schiller-Skizze war vor allem eine Rechtfertigung für Thomas Manns « Hingabe an das ‹ Leben ›». Die Ehe hatte seiner strengen Askese ein Ende gesetzt. Der müde und kranke Schiller stärkt sich in einer schweren Stunde am Anblick seiner schlafenden Ehefrau. Auch ein asketischer Außenseiter – so lässt sich diese Szene deuten – darf sich eines Menschenglücks erfreuen. Gerade aus diesem Glück könne er neue Schaffenskräfte schöpfen. Über längere Zeit war Tolstoi Thomas Manns Orientierungshelfer in der Askese , in Schwere Stunde zeigte sich seine stärkende Wirkung von einer anderen Seite. Etwa ein halbes Jahr zuvor berichtete Thomas Mann an Ida Boy-Ed von der Lektüre der Confessions von Rousseau. « Eitelkeit » , kommentierte er , « will einfach geliebt sein. Aber die treibende Leidenschaft des Buches ist die , gekannt und geliebt zu sein , jener reiche zärtliche und exhibitionistische Egoismus , der zum Typus des moralischen ( moralistischen ) Künstlers zu gehören scheint und auch bei Tolstoi feststeht. »126 Rousseaus Autobiographie erinnerte Thomas Mann an eine bestimmte Eigenschaft Tolstois , die Mereschkowski geschildert hatte. Und nun hat er diese Eigenschaft dem Schiller der Schweren Stunde eingegeben , hinter dem er selbst stand. Schiller schwärmt von « Welteroberung und Unsterblichkeit des Namens. » Er will gekannt sein , – « gekannt und geliebt von den Völkern der Erde ! Schwatzet von Ichsucht , die ihr nichts wißt von der Süßigkeit dieses Traumes und Dranges ! Ichsüchtig ist alles Außerordentliche , sofern es leidet. » Schiller kennt einen Künstleregoismus sehr wohl : « jene[ ] Leidenschaft für sein Ich , die unauslöslich in seiner Tiefe » brennt. « Zuweilen brauchte er nur seine Hand zu betrachten , um von einer begeisterten Zärtlichkeit für sich selbst erfüllt zu werden , in deren Dienst er alles , was ihm an Waffen des Talentes und der Kunst gegeben war , zu stellen beschloß. »127 Wie bereits – mit Blick auf die Arbeit von Stefan Pegatzky – erwähnt wurde , erkannte Thomas Mann dank der Studie Mereschkowskis die Verbindung zwischen Narzissmus und Künstlertum. Tolstois Narzissmus und seine Faszination für das Physische bewirkten bei ihm ein entspannteres Verhältnis zur Körperlichkeit. Thomas Manns Schiller empfindet eine Leidenschaft für sein Ich , für seinen schwachen und ermüdeten Körper. Auch ein subtiler Außenseiter – dieser Reihe gehörten ja bis jetzt alle Thomas-Mann’schen Künstlernaturen an – durfte also seinen Körper lieben , er musste nahezu ein Narziss sein. 1904–1914
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Die neue , durch Tolstoi erworbene Erkenntnis wurde hier von Thomas Mann « konkret » umgesetzt. In der Rolle als Ehemann und Vater fühlte er sich immer noch nicht sicher genug. Sein altes , chronisches Leiden : « der dualistische Bruch zwischen Leben und Kunst » machte sich bemerkbar und überschattete die wohltuenden Erfolgserlebnisse. Das Repräsentieren fing langsam an , ihm Spaß zu machen.128 Zuweilen hatte er , wenn er morgens aufwachte , das Kind schreien hörte und Arbeitslust spürte , « ein durchdringendes Gefühl von Glück ».129 Dafür aber wurde seine Empfindlichkeit durch neue Zerreißproben , wie die Zuordnung der Buddenbrooks zu einer minderwertigen Kolportage-Literatur ( die « BilseAffäre »)130 und die Unannehmlichkeiten um die Erzählung Wälsungenblut ,131 aufs Äußerste strapaziert. Nach dem Druckstopp von Wälsungenblut schrieb er an Heinrich : Ein Gefühl von Unfreiheit , das in hypochondrischen Stunden sehr drückend wird , werde ich freilich seither nicht los , und Du nennst mich gewiß einen feigen Bürger. Aber Du hast leicht reden. Du bist absolut. Ich dagegen habe geruht , mir eine Verfassung zu geben.132
In einer konstitutionellen Monarchie ist der Herrscher unfrei. Thomas Manns Gefühl der Unfreiheit rührte jedoch nicht nur von der «Verfassung » her , die er seinem persönlichen Künstler-Staat oktroyiert hatte. Der Dichter-Monarch war grundsätzlich auf der Suche nach einem harmonischen System und war sich noch nicht darüber im Klaren , ob Glück und Leid sich bei ihm ausgleichen würden. Ab und zu beschwerte er sich über verschiedene Gebrechen , denen ( wie konnte es bei einem Neurastheniker anders sein ) hauptsächlich eine nervliche Anspannung zugrunde lag. Im Februar 1906 erhielt seine mütterliche Freundin Ida Boy-Ed einen nach allen Regeln narzisstischer Selbstmedizin verfassten Befund : [ … ] ich war in den letzten acht Tagen so elend , daß ich mich zu dem kleinsten Geschäfte untauglich fühlte. Das kommt alle acht oder zehn Wochen mal. Es ist der Darm in idealem Zusammenwirken mit dem Magen , übrigens ein rein nervöser Zustand. Es fängt an mit Depressionen , Augenschwäche , Unruhe , tiefer Verstimmung. Dann liege ich eine Nacht völlig schlaflos unter Übelkeiten und ununterbrochenen quälenden Nervenschmerzen im Leibe. Den nächsten Tag bin ich vollständig ka-
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putt , vertrage nichts als Suppe und dämmere so hin. Unter starkem Schlafbedürfnis kommt dann langsam Besserung zum Normalzustand , der vom Idealzustand ziemlich weit entfernt ist. Sie glauben nicht , mit welchem Gram um mich selbst ich mich herumzuschlagen habe , – natürlich nicht um ‹ m ich › , sondern um mein Talent , mein Künstlertum. Mehr und mehr neige ich zu einer Müdigkeit , einem Überdruß , einer Unlust , die verzehrt , weil sie mit rasender Ungeduld verbunden ist ; denn ich habe die Leistung nöthig , um mich vor mirselbst zu rechtfertigen. Auch um mit meinen Erlebnissen fertig zu werden.133
Wie Tonio Kröger von Lisaweta , erwartete Thomas Mann von Ida Boy-Ed Verständnis für seinen Gram und anerkennende , aufbauende Worte. Und als Heinrich einen Artikel veröffentlichte , in dem er Thomas vor einer scharfen Kritik an dessen Stück Fiorenza in Schutz nahm , reagierte der jüngere Bruder mit einem vielsagenden Vergleich : « Herzlichen Dank ! Dein Artikel hat mich sehr erquickt , gerührt , erheitert. Es ist wie unter Jungen : Einer hat mir was gethan , und der ältere Bruder kommt und rächt mich. »134 Heinrich blieb sein häufigster Briefpartner. Auch an ihn schickte er ausführliche Berichte von seiner durch nervliches Leiden angegriffenen Gesundheit. Nach wie vor lag ihm viel daran , sich vor Heinrich zu erkären , ihm sein « Glück » zu klagen und eine mögliche Geringschätzung seitens des älteren Bruders vorwegzunehmen. Der Schluss seines Briefes vom 17. Juni 1906, den er nach einem Kuraufenthalt geschrieben hat , klingt wie ein trauriges Resumé des neuen Lebensabschitts : Mir geht es miserabel. Die Wirkung vom Weißen Hirsch [ ein Sanatorium – A. B. ] ist eher negativ. Ich sage es niemandem von meiner Umgebung , wie schlecht und erschöpft und abgenutzt und tot und fertig ich mich fühle. Ohne Frau und Kind und Anhang wäre mir wohler und wurstiger. Mich quält der Gedanke , daß ich mich nicht hätte menschlich attachiren und binden dürfen. Ich hatte schon damals den Verdacht , daß es ein Rest von Kraft sei , mit dem ich mir das aeußere Glück eroberte. Genug ! Ich glaube , Du hörst dergleichen nicht gern und hast auch ein Recht , es abzulehnen. Du hast Deinem Künstlerthum strenger und treuer gedient , und Dein schöpferischer Egoismus braucht nicht zu wissen , daß ich , der scheinbar Glücklichere , es längst unvergleichlich schwerer habe , als Du. Genug , die dunklen Redensarten des Kummers ekeln mich. Man will mit solchem Gerede nur stören und auf sich aufmerksam machen.135
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Hatte ihm Tolstoi , der jahrzehntelang ein glücklicher Ehemann war , in dieser Situation etwas zu sagen ? Vielleicht. Vergleichbare , wenn auch anders motivierte Äußerungen Tolstois sind erhalten geblieben. Thomas Mann kann sie bei seinem getreuen Vermittler nachgelesen und mythisch nachempfunden haben : « Der glückliche Familienvater » , exklamiert Mereschkowski , ein modernes Ebenbild der alttestamentlichen Patriarchen Abraham , Isaak und Jakob , der siebenunddreißig Jahre in inniger Seelengemeinschaft mit seiner Frau gelebt hat , beneidet plötzlich am Ende seines Lebens die Freiheit eines Junggesellen , als ob sein eigenes Familienleben eine geheime Sklaverei gewesen sei , und giebt einem fast fremdem Manne zu verstehen , daß er seine Frau des Namens eines Freundes nicht für würdig erachte.136
In Thomas Manns Schriften und Korrespondenz der ersten drei Ehejahre gibt es nur wenige direkte Hinweise auf Tolstoi. Allerdings zeugt ihr Charakter von seiner unablässigen Aufmersamkeit gegenüber dem großen Meister. So meinte er im Zuge der Aufregung um die Bilse-Affäre , dass Tolstois Werk « mindestens genauso streng autobiographisch » sei wie sein eigenes.137 In seinen Notizbüchern merkte er vermutlich 1906 oder 1907 die Anschaffung mehrerer Schriften von Tolstoi vor.138 Unter ihnen waren die Lebensstufen , wo er insbesondere über die kindliche Bewunderung nachlesen konnte , die der Ich-Erzähler beim Baden für seinen Körper empfand. Dieser Episode maß Mereschkowski eine Schlüsselbedeutung für den Tolstoi’schen Narzissmus zu.139 Eine Betrachtung aus diesem autobiographisch gefärbten Buch Tolstois hätte als Epigraph zu praktisch jeder Künstler-Novelle Thomas Manns dienen können : [ … ] häufig bildete ich mir ein , ein großer Mensch zu sein , der zum Wohle der ganzen Menschheit neue Wahrheiten entdeckt , und im stolzen Bewußtsein meiner Würde blicke ich auf alle andern Sterblichen herab ; aber wie seltsam : kam ich mit diesen Sterblichen zusammen , so war ich immer schüchtern , und je höher ich mich selber in meiner eigenen Meinung wähnte , um so weniger war ich imstande , in Gegenwart anderer nicht nur das Bewußtsein meiner eigenen Würde zur Schau zu tragen , nein , ich konnte mich nicht einmal daran gewöhnen , mich des einfachsten Wortes oder der einfachen Bewegung nicht zu schämen.140
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Es war ein Integrationsproblem , das Thomas Mann hinter diesen Zeilen seines großen Orientierungshelfers wiedererkennen konnte. Selbst wenn das Außenseitertum des Tolstoi’schen Ich-Erzählers wohl einen andern Hintergrund hatte , als das Tonio Krögers e tutti quanti , ging es bei Tolstoi um eine schwächere Position gegenüber den « normalen Sterblichen » , also dem Leben. Tolstoi war ein « Titan » , voller « Kraft und Frische » , aber in seiner Jugend hatte er an Schüchternheit und Beklommenheit gelitten. Vielleicht darf der unsichere Tonio Kröger aus diesem Schema eine Hoffnung für sich geschöpft haben. Thomas Manns erste öffentliche Stellungnahme zum russischen Dichter datiert von 1908. Sie erschien einen Tag vor dessen 80. Geburtstag. « Tolstoi » , schrieb er , hat auf mich gewirkt , wie eine so ungeheure plastische Kraft auf jeden Künstler wirken muß : erschütternd , stärkend , die Ansprüche steigernd. Was seine Persönlichkeit als Bekenner und Apostel betrifft , so macht sie , wie das Rousseausche Genie überhaupt , einige Zweifel erlaubt. Turgenjew hat ihn ‹ unfrei › genannt … er hat noch Schwereres gegen ihn gesagt. Denn Turgenjew gehörte zu einem dem Rousseauschen entgegengesetzten Genietypus , jenem vornehmen , geistig reinen und nicht nur bis zu einem gewissen Grade aufrichtigen , dessen Darsteller die Wahrheit mehr lieben als sich selbst , und den wir in Dostojewski , Ibsen und Nietzsche verehren.141
In dieser kurzen Jubiläumsschrift kommt das Wesentliche des Mann’schen Tolstoi-Mythos zum Vorschein. Die Wortverbindung plastische Kraft stammt von Nietzsche und wird in den Unzeitgemäßen Betrachtungen definiert als : « [ … ] jene Kraft , aus sich heraus eigenartig zu wachsen , Vergangnes und Fremdes umzubilden und einzuverleiben , Wunden auszuheilen , Verlornes zu ersetzen , zerbrochne Formen aus sich nachzuformen. »142 Nietzsche führt diesen Begriff im Kontext der Historie ein und bezieht ihn sowohl auf Völker und Kulturen als auch auf einzelne Menschen. Einige Individuen , meint er , die wenig plastische Kraft besitzen , können nicht einmal einen einzigen Schmerz , ein einziges zartes Unrecht ohne fatale Folgen aushalten. Andere dagegen , die viel davon haben , vermögen es , selbst die schlimmsten Lebensunfälle restlos zu verarbeiten.143 Man kann wohl davon ausgehen , dass Thomas Mann hier die Wortverbindung plastische Kraft korrekt im Sinne der Urquelle gebraucht. Dem « entar1904–1914
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teten Schwächling » ging es um physische und künstlerische Vitalität , die durch Tolstois stärkende Wirkung begründet werden sollte. Thomas Manns Zweifel an Tolstois Persönlichkeit als Bekenner und Apostel haben wiederum in der Lektüre Mereschkowskis ihren Ursprung. Im Kapitel 5 des ersten Teils seiner Studie wird auf das schwierige Verhältnis zwischen Tolstoi und Turgenjew – diese Mischung aus nahezu brüderlicher Liebe , Hass , Verachtung und Argwohn – eingegangen. Mereschkowski zitiert den letzten Brief des sterbenden Turgenjew an Tolstoi , in dem er seinen großen Kollegen anflehte , zur literarischen Tätigkeit zurückzukehren. « In diesen Worten » , so lautet Mereschkowskis anschließender Kommentar , « liegt die unausgesprochene Furcht um Tolstoi , der stumme Zweifel an seiner christlichen Umwälzung. »144 Diesen stummen Zweifel hat Thomas Mann aufgegriffen. Als sanft-melancholischer Geist war Turgenjew dem Autor von Tonio Kröger näher als der titanenhafte Tolstoi. Und im Konflikt zwischen den beiden sah der zehn Jahre ältere Turgenjew zuweilen wie ein jüngerer Bruder aus : zurückhaltend und unsicher. So schließt sich Thomas Mann in dem Bereich , der nichts mit « Stärkung » zu tun hat , entschieden dem Urteil Turgenjews an. « Sein [ Tolstois ] Hauptfehler » , sagt Turgenjew , von Mereschkowski zitiert , « liegt in dem Mangel seelischer Freiheit. »145 Er hat tatsächlich noch Schwereres über Tolstoi gesagt. Zum Beispiel , dass Tolstois Doppelgänger Lewin niemanden außer sich selbst lieben könne.146 Auch diese Urteile greift Thomas Mann auf. Aber seinem Tolstoi-Mythos tun die durch Turgenjew und Mereschkowski übermittelten Zweifel keinen Abbruch. Der große Meister wird « erschütternd , stärkend , die Ansprüche steigernd » bleiben. Zu dieser Zeit beschäftigte sich Thomas Mann unverändert viel mit seiner Gesundheit und seinen Nerven. « Ich komme mir recht stumpf vor. Meine Produktionsart macht starrsinnig und apathisch » , beschwerte er sich bei Heinrich. Dieser hatte ihm in spontanen Ausdrücken über die Spanische Treppe in Rom geschrieben. « Ich bin sicher » , antwortete Thomas verzagt , « daß ich nie eine Treppe in dieser Weise werde bewundern können. Diese Fähigkeit zum freien Genuß schöner Sichtbarkeiten ist gewiß hauptsächlich , was Du Deiner ‹ mühelosen Jugend › verdankst. Ich habe sie nicht ; stak in den Jahren , wo man dergleichen entwickelt wohl zu tief in schwierigen Innerlichkeiten. »147 An seine Lübecker Lisaweta , Ida Boy-Ed , schrieb er : « Ich bin zu träge , schwerfällig und meistens zu schlaff und gelangweilt durch meine unselig langsame Produktionsart , um ein aufgelegter und mitteilungsfreudiger Briefschreiber zu sein. »148 44
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Ein Blick von außen gibt dieser recht trostlosen Dichter-Gestalt einen entscheidenden Schliff. Heinrichs Geliebte , Inés Schmied , fasste im Januar 1909 einen Besuch beim Ehepaar Thomas Mann in Bad Tölz zusammen : Das kalte Wetter , die Steifheit Deines Bruders , die kleine rote Nase von der kleinen Erika , der feuchte Garten. Mit einem Wort die Stimmung war schrecklich ! Du [ unleserlich ] kalt und redetest davon mit ( ‹ Beziehung › ) dass die Frauen immer wirken wollen , Katja schwatzte , ich weiss nicht was , ich dachte immer , ist es der Mühe zu leben , wenn alles so schrecklich melancholisch ist. Immer sehe ich das Gesicht Deines Bruders wie er so kalt gleichmutig und doch immer mit einer Art Unbehagen in die Luft guckt. Dazu diese nüchterne poesielose Gegend.149
Melancholie und Kälte. Inés Schmied hatte mit diesen zwei Worten wohl die gesamte Ausstrahlung des Dichters umschrieben. Melancholie war ein angeborener Temperamentzug. Alles , was König Midas berührte , wurde zu Gold. Thomas Mann muss wohl durch seine Gegenwart allein seinem Umfeld einen melancholischen Touch verliehen haben. Und Kälte war eine Schutzmauer gegen das Leben , das für sein Leid und seine Schwächen so wenig Verständnis hatte. Auch in diesen Jahren stak er noch immer zu tief « in schwierigen Innerlichkeiten. » Thomas Mann reagierte gereizt , wenn er sich auf dem eigenen Herrschaftsgebiet , d. h. als Schriftsteller , angegriffen fühlte. So beispielsweise auf eine spöttische Äußerung Alfred Kerrs über Königliche Hoheit. Thomas Mann schrieb an Heinrich : Ich sammle , notiere und studiere für die Bekenntnisse des Hochstaplers , die wohl mein Sonderbarstes werden. Ich bin manchmal überrascht , was ich dabei aus mir heraushole. Es ist aber eine ungesunde Arbeit und für die Nerven nicht gut. Vielleicht ist dies der Grund , weshalb es Kerr wirklich gelungen ist , mich zu enervieren und in meiner Arbeit zu stören.
Weiter , nachdem er den enervierenden Passus aus Kerr zitiert hat , gesteht er , dass ihm « Tage lang sehr übel davon war. »150 Eine vergleichbare Reaktion hatte er schon 1905 im Fall Bilse und mit Richard von Schaukal gezeigt.151 1910 wird er auch Theodor Lessing niedermachen.152 Ob das wirklich an den Nerven lag , sei dahingestellt. Vor allem waren Thomas Manns Rachezüge jedes Mal 1904–1914
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eine Art Selbstdefinition über ein Feindbild. Um so wichtiger die Rolle Heinrichs als seines konstanten Gegenspielers. Königliche Hoheit war nicht nur eine romanhafte Rechtfertigung der Synthese von Leben und Kunst , sondern auch ein Brüder-Künstler-Stück , in dem der ältere Bruder schließlich in eine Sackgasse verbannt wurde. Auch Der Tod in Venedig wird auf eine Abgrenzung von Heinrich zielen.153 Die Arbeit an Thomas Manns « Sonderbarstem » , den Hochstapler-Bekentnissen , ging nur langsam voran , wurde immer wieder von anderen Projekten unterbrochen , bis sie ganz zum Stillstand kam. Der Aufenthalt auf der Insel Brioni und in Venedig im Frühjahr 1911 inspirierte ihn zu einem neuen Werk. Es war wohl das erste Mal , dass ihm ein Erlebnis praktisch alle Details für eine künftige Erzählung – angefangen bei tristem Wetter bis hin zur Begegnung mit einer polnischen Familie – in einer so kompakten und lückenlosen Form lieferte. Es galt nur , den Stoff zu beseelen , ihn damit zu durchdringen und zu erfüllen , « was des Dichters ist. »154 Des Dichters war ein neues Modell für das Zusammenwirken von Kunst und Leben : diesmal keine rettende Synthese , sondern die Auflösung des Künstlers in einem durch Leidenschaft erzeugten Chaos. War « das Gefühl einer gewissen souveränen Getragenheit » , das Thomas Mann bei der Arbeit an der Erzählung erprobte ,155 so ergreifend , dass er momentan keine Stärkung von außerhalb brauchte ? Wurden Tolstoi ( und Mereschkowski ) vorübergehend ins Bücherregal zurückgestellt ? Wohl kaum. Mereschkowskis Studie hatte sich schon , einigen anderen Büchern gleich , als seine ewige Gefährtin behauptet. Dass er darin auch in der Zeit von Tod in Venedig gelesen hatte , wurde in der Forschung gezeigt.156 Eine Stelle aus Mereschkowskis Buch verbindet das , was im werdenden Tod in Venedig des Dichters war , mit dessen Tolstoi-Mythos. Mereschkowski zitiert einen langen Abschnitt aus Tolstois Erzählung Kosaken. Es handelt sich um einen Brief , den die Hauptfigur Olenin in der Art eines Tagebuchs an sich selbst schreibt : ‹ Ich bin nicht schuld , daß ich mich verliebt habe › – in einem Augenblicke der Verzweiflung entschlüpft ihm dies erschütternde Geheimnis – ‹ ich suchte meiner Liebe durch Selbstverleugnung zu entfliehen , ich wollte eine freudige Genugtuung in der Liebe des Kosaken Lukaschka zu Mariana finden und habe nur meine Liebe , meine Eifersucht entfacht … Ich habe keinen freien Willen , eine elementare Gewalt liebt sie über mich hinweg ; die ganze Gotteswelt , die ganze Natur zwingt mir diese Liebe in mein Herz
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«Ich kann nicht allein leiden». Katia und Kity
und ruft mir zu : liebe ! Ich schrieb früher von meinen neuen ( d. h. christlichen ) Überzeugungen. Niemand kann wissen , mit welcher Mühe sie sich aus mir herausarbeiteten , mit welcher Freude ich zu ihrer Erkenntnis kam und einen neuentdeckten Lebenspfad vor mir sah. Nichts war mir teurer als diese Überzeugungen. Nun … kam die Liebe – sie verschwanden , und auch das Bedauern derselben existiert nicht mehr. Es fällt mir sogar schwer , zu verstehen , wie ich auf eine so einseitige , kalte Geistesrichtung Wert legen konnte. Die Schönheit trat auf und zerstreute die ganze ägyptische innere Lebensarbeit zu Asche. Und ich bedaure das Entschwundene nicht. Selbstverleugnung – alles ist Unsinn , leerer Schall. Es ist alles nur Hochmut , die Zuflucht vor wohlverdientem Unglücke , die Rettung vor dem Neide über das Glück anderer. Für andere leben , Gutes thun ! Warum ? Wenn in meiner Seele nur die Liebe zu mir selbst ist ? ›157
Die Schönheit trat auf und zerstreute die ganze ägyptische innere Lebensarbeit zu Asche. Die Liebe kam wie eine elementare Gewalt – und die mit so viel Mühe herausgearbeiteten Überzeugungen verschwanden , ohne das leiseste Bedauern zu hinterlassen. War es viel anders bei Aschenbach , der « ein herbes , standhaftes und enthaltsames Leben [ … ] zum Sinnbild für einen zarten und zeitgemäßen Heroismus gestaltet hatte » ?158 Hat er seiner auf Selbstzucht beruhenden Welt , die auf einmal entschwunden war , nachgetrauert ? Nein , das alles wurde ihm zum Unsinn , zum leeren Schall : « [ … ] der Gedanke an Heimkehr , an Besonnenheit , Nüchternheit , Mühsal und Meisterschaft widerte ihn in solchem Maße , daß sein Gesicht sich zum Ausdruck physischer Übelkeit verzerrte. [ … ] Was galt ihm noch Kunst und Tugend gegenüber den Vorteilen des Chaos ? »159 Mereschkowski hatte den von ihm zitierten Abschnitt um Einiges gekürzt. Ausgelassen wurden Olenins analytische Überlegungen über den Charakter seiner Liebe.160 Der Zufall wollte es , dass durch diese Kürzung die « Aussage » Tolstois ausgerechnet im Sinne Thomas Manns ( und Aschenbachs ) konkreter und kompakter wurde : Leidenschaft und Schönheit zerstörten eine ganze ägyptische Arbeit. Eine weitere Bestätigung dafür , dass Tolstoi Kollisionen von Selbstzucht und Leben , von Theorie und Praxis sehr wohl kannte , ist im nächsten Kapitel der Studie von Mereschkowski zu finden. Es wird dort vom religiös-moralischen Umschwung bei Tolstoi berichtet , als er zur Überzeugung kam , dass seine Wohltätigkeit verwerflich sei. Mereschkowski resümiert : « Das ganze Gebäude , das er unter so viel Qualen , mit so viel Kraftaufwand errichtet hatte , ging auf einmal in die Brüche , stürzte zusammen , und er mußte sich aufs neue anklagen und öffentlich Buße tun. »161 1904–1914
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Aschenbach ging an einer ähnlichen Katastrophe zugrunde. Und der Anlehnungsbedürftige – sein Schöpfer – konnte bei dem « Starken » und « Gesunden » abermals Leidensmuster entdecken , die mit seinen eigenen verwandt waren. Im Tod in Venedig ließ er seine innigsten Wünsche sich fiktiv erfüllen und befreite sich von einem inneren Krampf. Diese Erzählung schloss eine Epoche in seinem Leben und Werk ab. Es nahte auch das Ende einer gesamten europäischen Ordnung. Seine auf 1914‒1915 geplante Vortragsreise nach Russland wird nicht stattfinden können.
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«Ich kann nicht allein leiden». Katia und Kity
Hätte der Krieg es gewagt auszubrechen? (1914–1918) … mein Vater raschelte mit der deutschen Zeitung [ … ] « … Tolstoi vient de mourir » , fügte er plötzlich mit einer anderen , betroffenen Stimme hinzu und wandte sich zu meiner Mutter hin. « Da tschto ty [ so etwas wie ‹ du meine Güte › ]! » rief sie betrübt aus und faltete die Hände auf dem Schoß. « Pora domoj [ Zeit nach Hause zu fahren ] » , schloß sie , als wäre Tolstois Tod der Vorbote apokalyptischer Katastrophen. Vladimir Nabokov , Erinnerung , sprich.162
Am 12. Juni 1812 überschritt die Grande Armée Napoleons , verstärkt von Truppenteilen aus den meisten Ländern Europas , die Grenze zu Russland. Mit diesem Ereignis beginnt der dritte Band von Krieg und Frieden , von ihm wird auch das gesamte Pathos der zweiten Hälfte der Tolstoi’schen Epopöe bestimmt. Tolstoi beschrieb , wie die von der französischen Invasion ausgelöste Nationalerhebung alle Schichten des russischen Volkes ergriff – vom Zaren Alexander bis hin zu Kleinbürgern und Bauern. Anfang August 1914 wurden alle Großnationen Europas von einer Welle des Patriotismus fortgerissen. Der kommende Krieg erschien ihnen edel und gerecht. Als die Nachricht von der Mobilmachung einschlug , soll Thomas Mann gesagt haben : « [ … ] wenn der Alte noch lebte , – er brauchte gar nichts zu tun , nur da zu sein , auf Jasnaja Poljana , – dies wäre nicht geschehen , – es hätte nicht gewagt , zu geschehen … »163 Später erinnerte er sich , dass dieser Gedanke ihm damals ( angeblich ) häufig in den Sinn gekommen war : es hätte es nicht gewagt auszubrechen , wenn die Augen des alten Tolstoi noch offen gewesen wären.164 Das war nicht nur eine symbolhafte Hommage an den großen Geist und bekannten Pazifisten. Der Glaube , dass « der Alte » durch sein bloßes Dasein hätte eine Apokalypse verhindern können , war mythischen Ursprungs. Der Riese und Titan wurde von seinem Verehrer als « allmächtig » empfunden. Thomas Mann selbst war in diesen Jahren vom Pazifismus weit entfernt. Der König Midas , dessen Berührung alles zu Gold machte , drohte durch diese Zauberkraft zu verhungern. Dionysos war ihm gnädig und schickte ihn zum Fluss Paktolos , in dem er den Zauber abwaschen sollte. Für den Autor von To49
nio Kröger , der seiner Figur so ähnlich war , wurde der Krieg zu einem Paktolos. Darin wollte er seine Melancholie und seine Ängste « abwaschen » , die ihn zu einer konstanten Krise zu führen drohten. Die Kriegserklärung überraschte den Dichter. « Ich bin noch immer wie im Traum » , schrieb er am 7. August an Heinrich , « und doch muß man sich jetzt wohl schämen , es nicht für möglich gehalten und nicht gesehen zu haben , daß die Katastrophe kommen mußte. Welche Heimsuchung ! » Weiter prophezeihte er sich einen finanziellen Ruin , wenn der Krieg lange dauern würde , und erklärte « eine ungeheuere Neugier » , gepaart mit der tiefsten Sympathie für Deutschland , für sein Hauptgefühl.165 Im Herbst 1914 wechselten die Brüder noch einige Briefe , in denen es hauptsächlich um Geldsorgen ging. Hier scheinen sie voreinander mit Zukunftspessimismus zu kokettieren : Der eine teilt mit , dass er zur Zeit gar nichts verdiene , und verkündet – nicht ohne Stolz – eine starke Verschlechterung seines materiellen Lebens nach dem Kriege ; der andere erwidert , es gehe ihm noch schlechter , und außerdem würde seine Produktion auch nach dem Kriege unverwendbar bleiben.166 Heinrich war ein Kriegsgegner und der Verfasser des Untertans. Und so ist in den letzten Zeilen , die Thomas vor dem Abbruch des Briefwechsels an ihn richtete , eine mokante Zweideutigkeit unverkennbar : Er , Thomas , teile seinen Pessimismus nicht. « Kannst Du wirklich glauben » , fragt er , « daß durch diesen großen , grundanständigen , ja feierlichen Volkskrieg Deutschland in seiner Kultur oder Gesittung so sollte zurückgeworfen werden , daß es Deine Gaben dauernd abweisen könnte ? »167 Mit dieser Frage brach der Briefwechsel für drei Jahre ab. An Thomas Manns Kriegsengagement war nichts Ungewöhnliches. Zahlreiche Künstler verschiedener Nationen – unter ihnen sein literarischer Taufpate Richard Dehmel – sahen im Kampf für ihr jeweiliges Vaterland eine Ehrenpflicht und meldeten sich als Freiwillige zum Einsatz. Thomas Mann tat es auch , wurde aber ausgemustert. Das Besondere an seinem Engagement zeigte sich erst danach. Es war die Rolle des Nationaldichters , in die er sich gegen Ende 1914 allmählich hineinlebte. Er hatte schon 1905 von einem historischen Roman über Friedrich II. von Preußen geträumt. « Einen Helden menschlich-allzumenschlich darstellen , mit Skepsis , mit Gehässigkeit , mit psychologischem Radicalismus und dennoch positiv , lyrisch , aus eigenem Erleben : mir scheint , das ist überhaupt noch nicht geschehen … Die Gegenfigur würde sein Bruder ( das Bruderproblem reizt mich immer ) … »168 – so schrieb er neun Jahre vor dem Kriegsbeginn 50
Hätte der Krieg es gewagt auszubrechen?
an Heinrich. Wie ernst er dieses Projekt nahm , zeigen seine Notizbücher169 und Briefe , wobei es wiederum der Bruder war , den er am ausführlichsten darüber informierte. Im Januar 1906 berichtete er , dass er viel Material für einen modernen Großstadt-Roman gesammelt habe , aber sich nicht mehr Geduld und Bescheidenheit zutraue , sich an einem solchen Werk zu versuchen. « Mein ‹ Friedrich › – das ist was Anderes » , fügte er hinzu. « Das giebt Stolz im Tragen , giebt Halt , läßt aushalten … »170 Warum ist es bei diesem so vielversprechenden Projekt lediglich bei Vorarbeiten geblieben ? Es war schon vorgekommen , dass er ein neues größeres Werk in begeisterter Schaffensstimmung anfing , dann aber abbrach , weil es nicht mehr so zügig voranging oder weil ein anderes , zu dem Zeitpunkt attraktiveres Thema ihn gefesselt hatte. So geschah es mit dem Felix-Krull-Roman und dem Zauberberg. Das Buch über Friedrich hat er , trotz aller Anfangseuphorie , nicht einmal angefangen. Thomas Mann war in jener Zeit stets mit seinen inneren Problemen beschäftigt. Das eigentlich Historische und Heroische an der Figur des preußischen Monarchen sowie an dessen Epoche zog ihn zwar an , war jedoch wohl eher nur als Hintergrund für das Persönliche gedacht. Der Friedrich-Stoff bot ihm andererseits zu wenig Raum , der mit dem Thema « dualistischer Bruch zwischen Leben und Kunst » hätte beseelt werden können. Die Hauptsache bei der großen Figur , um die es sich handelte , war – wie Thomas Mann betonte – eben ihre Größe. War er , ein « Lyriker » , denn imstande , die Größe zu schildern ? « Denn dazu gehört Wissen um die Größe , Erfahrung , Erlebnis in der Größe … Habe ich sie ? » , fragte er besorgt.171 Ein historischer Roman , in dem der König aus des Autors eigenem Erleben lyrisch , positiv , aber « mit psychologischem Radikalismus » dargestellt werden sollte ; ein Roman , in welchem als Gegenfigur des Helden sein Bruder aufzutreten hatte , – in allgemeinen Zügen erinnerte das an die noch fertig zu schreibende Königliche Hoheit. Der Stoff war also faszinierend und – schlecht verwendbar. Für einen Nationalroman voller Heroik und Größe war Thomas Mann noch nicht sicher genug. Im Endeffekt musste er sich mit der «Vermittler »-Rolle begnügen , indem er diesen Stoff an Aschenbach abtrat. Aschenbach war die nächste Probefigur auf dem Wege Thomas Manns zu seiner bisher größten Rolle : der des Nationaldichters. Der zum Tod in Venedig Geweihte hatte nicht nur alles ( mit der Ausnahme eines Bruders ), was auch seinen Schöpfer kennzeichnete : Er hatte noch mehr. Zu seinem fünfzigsten Geburtstag wurde ihm der persönliche Adel verliehen ; die Nation ehrte sei1914–1918
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ne Meisterschaft ; er war « der Autor der klaren und mächtigen Prosa-Epopöe vom Leben Friedrichs von Preußen [ … ] ».172 Und – er hat die Würde gewonnen , das Verworfene verworfen , die Sympathie mit dem Abgrund überwunden.173 Mit anderen Worten , er hatte die dekadente Schwäche bekämpft und ein wohltuendes Gleichgewicht erlangt. Aschenbach wäre einige Jahre später mit Sicherheit der führende intellektuelle Kriegsmann geworden. Wenn nicht die Reise nach Venedig gewesen wäre , die er 1911 unternahm. Thomas Manns Bekenntnisse zeugen davon , dass er , im Gegensatz zu dem Verstorbenen , dieser Rolle noch zwei Jahre später nicht gewachsen war. Im November 1913 schrieb er an Heinrich : Ich bin recht gemütskrank und zerquält. Die Sorgen sind zu viele : die bürgerlichmenschlichen und die geistigen um mich und meine Arbeit. [ … ] Wenn nur die Arbeitskraft und -Lust entsprechend wäre. Aber das Innere : die immer drohende Erschöpfung , Skrupel , Müdigkeit , Zweifel , eine Wundheit und Schwäche , daß mich jeder Angriff bis auf den Grund erschüttert ; dazu die Unfähigkeit , mich geistig und politisch eigentlich zu orientieren , wie Du es gekonnt hast ; eine wachsende Sympathie mit dem Tode , mir tief eingeboren : mein ganzes Interesse galt immer dem Verfall , und das ist es wohl eigentlich , was mich hindert , mich für Fortschritt zu interessieren.174
Von Größe und Würde aus eigenem Erleben konnte also noch neun Monate vor dem Kriegsbeginn nicht die Rede sein. In Thomas Manns ersten Kriegsschriften fällt sein Bemühen auf , seine inneren Probleme in den zeithistorischen Kontext zu integrieren. De facto sieht es nicht selten wie eine Anpassung der Zeitgeschichte an diese Probleme aus. So befasste sich die Schrift Gute Feldpost , vermutlich im Oktober 1914 geschrieben , generell mit der Kluft zwischen Geist und Leben. Zum Stoff dafür wurde das Kriegsgeschehen , das – so Thomas Manns Hauptgedanke – diese verhängnisvolle Kluft überbrückt hatte. Zuerst wurde auf die eigentliche Fragestellung eingegangen. Nebenbei machte der Dichter einen nahezu obligaten Hinweis auf seine Jugend , welche die besagte Kluft als Schmerz erfahren hatte. Dann wurde sein aktuelles Credo festgehalten : « Soldatisch zu leben , aber nicht als Soldat » – eine rettende Synthese also. Als Schlussfolgerung wurde die Nähe des Geistes und des Lebens konstatiert. Diese sollte durch Briefe von der Front bescheinigt werden. Kämpfer für Deutschland hätten dem Dichter geschrieben , dass sein Tod in Venedig ihnen niemals näher gewesen wäre.175 52
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Die andere Schrift aus dem Herbst 1914, Gedanken im Kriege , behandelte den Unterschied zwischen Kultur und Zivilisation , wobei der Autor unumgänglich auf die Kunst zu sprechen kam , und zwar um zu klären , zu welchem der beiden Begriffe sie gehöre. Die Kunst sei jedenfalls eine « erhaltende und formgebende , keine auflösende Macht. [ … ] Man darf sie noch einer anderen Elementar- und Grundmacht des Lebens an die Seite stellen [ … ]. » Diese Macht sei der Krieg.176 Den Krieg poetisierte er dann auf mehreren Seiten mit steigender Emotionalität , wodurch wiederum eine Synthese von Kunst und Leben konstruiert wurde. So machte sich Thomas Mann das Thema Krieg zu eigen und sicherte sich allmählich einen Platz im Pantheon der Nationaldichter. Endgültig legitimiert wurde dieser Platz durch Betrachtungen eines Unpolitischen , in denen auch die Gestalt Tolstois wieder auftaucht. Am Anfang des großen polemischen Werkes stand ein persönliches Erlebnis. Im Winter 1914–1915 griff Thomas Mann auf das an Aschenbach abgetretene Friedrich-Projekt zurück. Was der in Venedig Gestorbene zu einem Roman gemacht hatte , wurde bei seinem Schöpfer zu einem Abriß für den Tag und Stunde mit dem Titel Friedrich und die große Koalition. Das war ein historisierendes Essay , von dem sich der frankophile und kriegsgegnerische Heinrich Mann herausgefordert fühlte. Seine Antwort war das bald darauf erschienene Essay Zola. Den Gegnern Zolas galt dort eine glühende Anklage , in der unter anderem stand : « Durch Streberei Nationaldichter werden für ein halbes Menschenalter , wenn der Atem so lange aushält ; unbedingt aber mitrennen , immer anfeuernd , vor Hochgefühl von Sinnen , verantwortungslos für die heranwachsende Katastrophe , und übrigens unwissend über sie wie der Letzte ! »177 Heinrich hat noch Schwereres gegen Zolas Gegner gesagt , was in Wirklichkeit auf Thomas gemünzt war. Doch es muss diese Passage gewesen sein , die auf den werdenden Nationaldichter wie ein ins Gesicht geschleuderter Handschuh wirkte. « Jeder Propagandaangriff der Entente trifft ihn persönlich » , schreibt Kurt Sontheimer über Thomas Mann anno 1915, « jedes verleumderische Wort über seine Nation verwundet ihn. Und wie hart muß es ihn erst treffen und heimsuchen , als solche Worte aus unmittelbarer , aus brüderlicher Nähe an sein Ohr dringen , und als er selbst , wenn auch in verhüllter Form , zum Gegenstand der ‹ antideutschen › Polemik wird. Dieser Schock ist die Geburtsstunde der Betrachtungen eines Unpolitischen. »178 Thomas Manns Vaterland führte einen erbitterten Kampf an den Kriegsfronten. Er hatte nicht mit gedurft. Dann kam Zola – ein Angriff auf ihn , auf seinem Herrschaftsgebiet ausgeführt. Die Antwort darauf sollte sein persönli1914–1918
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cher Einsatz werden. Er hatte nunmehr nicht nur für Deutschland , sondern auch für seine eigene Ehre zu kämpfen ; nicht nur gegen einen abstrakten Widersacher , sondern auch gegen einen Feind in Person. Ließen sich Thomas Manns Liebesbriefe an Katia als eine lange Beichte zusammenfassen , so wäre für die Betrachtungen – ebenfalls in symbolischer Anlehnung an Tolstoi – Worin besteht mein Glaube oder Ich kann nicht schweigen ein passender Untertitel gewesen. Dieses Buch ist ein gewaltiger Monolog des Schwachen und Überempfindlichen , dessen intimer Stärke- und Männlichkeitsmythos öffentlich banalisiert wurde. Die Beleidigung seitens des abtrünnigen Bruders machte bei ihm eine enorme Wortgewandtheit und ein enormes Aussagebedürfnis frei. Die Betrachtungen sind auch ein Labyrinth aus ineinander eingehenden , sich überschneidenden Ideen und Begriffen. Ein Ariadnefaden dafür wäre die Wortverbindung Konservatismus als Lebensgefühl. Einen beschreibenden Hinweis auf diese Eigenschaft enthält Thomas Manns Brief an Otto Grautoff vom 6. September 1900 : Ich halte das Abwarten für die weiseste Handlungsweise der Welt. Solange man ganz jung ist , noch jünger als wir , hält man jede Lebensweise , jede Lebensperiode , in der man sich gerade befindet , für etwas Dauerndes und Endgültiges und glaubt , verzweifeln oder plötzlich gewaltsam eingreifen zu müssen. Das ist ganz falsch ; ich weiß darüber längst besser Bescheid. Es gilt in aller Stille und Geduld abzuwarten , bis Alles wieder , leicht und von selbst , ganz anders wird – und das tut es , zuverlässig , zu seiner Zeit.179
Als melancholischer « entarteter Schwächling » fühlte er sich unwohl in seiner Haut und suchte – aus Angst , dass dieser Zustand endgültig wäre , – seine Situation aktiv zu verändern. Die Alternative wäre Verzweiflung. Einschneidende Veränderungen waren jedoch auch etwas Beängstigendes , weil sie leicht ein Gefühl der Instabilität provozierten : Man denke nur an den « Mangel an Treue und Dauer » , über den sich der junge Dichter im Zusammenhang mit dem Wechsel der Jahreszeiten beklagte.180 Einen Ausweg aus dieser scheinbar ausweglosen Lage glaubte er zu wissen : Abwarten ; sich in Geduld üben , nichts überstürzen , keine Veränderungen erzwingen , nicht die Dinge unter Druck setzen , sondern ihnen freien Lauf lassen. Veränderungen , die infolge solcher Handlungsweise kommen würden , waren genehm. Es geht um einen Konservatismus als Lebensgefühl. Wie ein roter Faden zieht er sich durch Thomas Manns ( un- )politisch-ästhetizistische Betrachtungen. 54
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Seine aus dem Geist der Musik sowie aus dem Gedankengut Schopenhauers , Nietzsches und Wagners geborene Deutschland-Utopie verteidigte Thomas Mann gegen den politischen Liberalismus. Dabei war er nicht grundsätzlich gegen Veränderungen im Sinne des « sozialen Fortschritts » – im Gegenteil , er erkannte in ihnen eine objektive westeuropäische Zeittendenz an. Seine Kritik galt einer gewaltsamen Beschleunigung dieser Tendenz und einem Kult , der in liberalen Kreisen mit ihr getrieben wurde. Ein Konservativer aus Lebensgefühl , setzte er eine organische Entwicklung einer mechanischen Forcierung entgegen. Den revolutionären Drang verkörperte in seinem Buch die feindliche Macht Nummer eins : Frankreich. Die besagten liberalen Kreise verleiblichte der Bruder Heinrich , welchem Thomas Mann den verallgemeinernden Decknamen Zivilisationsliterat gab. Auf diesen war sein ganzer Hass gerichtet. Die gesamte brüderlichpolitische Konstellation gibt die folgende Passage aus den Betrachtungen wieder : Er [ der Zivilisationsliterat ] will und betreibt eine Entwicklung , – die ich für notwendig , das heißt : für unvermeidlich halte ; an der auch ich meiner Natur nach unwillkürlich in gewissem Grade teilhabe ; der zuzujauchzen ich aber gleichwohl keinen Grund sehe. Er fördert mit Peitsche und Sporn einen Fortschritt , – der mir , nicht selten wenigstens , als unaufhaltsam und schicksalsgegeben erscheint , und den an meinem bescheidenen Teile zu fördern , mein eigenes Schicksal ist ; dem ich aber trotzdem aus dunklen Gründen Opposition bereite …181
Diese Opposition wollte mit starken Argumenten bekräftigt werden. Und so wandte sich Thomas Mann unter anderem der Welt der russischen Literatur zu. Russlands autokratisches Staatssystem wurde in Westeuropa traditionell mit dem sogenannten « Zarismus » , mit « Polizeiregime » , Verbannung nach Sibirien und anderen Horrorbildern assoziiert. Im Krieg wurden die PropagandaKlischees umso verbreiteter. Thomas Mann zollte ihnen Tribut ,182 obwohl in puncto konservativer Obrigkeitsstaat Russlands System dem System des deutschen Kaiserreichs viel näher stand als dem seiner westlichen Verbündeten. Die russische Literatur dagegen war bereits von Tonio Kröger heilig gesprochen. Sie spiegelte den scharfen geistig-kulturellen Konflikt , auf den sich der Dichter nunmehr eingelassen hat , wider. Bei ihr hatte er gelernt ; unter ihren großen Namen befand sich mindestens einer , der ihn schon immer gestärkt hatte. In der 1918 nachträglich geschriebenen Vorrede zu den Betrachtungen fasste er seine Ansichten zum Verhältnis zwischen Deutschland und dem Westen zu1914–1918
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sammen. Als Muster bezog er sich auf die Polemik zwischen den Slawophilen und den Westlern ( russisch Sapadniki ) in Russland , deren Höhepunkt auf die 1840er- bis 1850er-Jahre gefallen war. « Die deutsche Demokratie » , schrieb er , ist nicht echte Demokratie , denn sie ist nicht Politik , nicht Revolution. Ihre Politisierung , so, daß der Gegensatz Deutschlands zum Westen in diesem Punkt zum Verschwinden gebracht und ausgeglichen würde , ist Wahn. Ein solcher Umschwung , das leugnen auch seine Anhänger nicht , wäre durch Institutionen , Wahlrechtsreformen u. dgl. nicht zu bewirken : nur eine seelische Strukturveränderung , die völlige Umwandlung des Volkscharakters wäre vermögend , ihn herbeizuführen – und das ist freilich , was der deutsche Sapadnik wünscht und woran er darum glaubt. Er schwärmt und irrt.183
Als Thomas Mann diese Zeilen zu Papier brachte , existierte das Russland , das er aus der klassischen Literatur kannte , nicht mehr. Die kommunistische Sowjetregierung hatte gerade den Brest-Litowsker Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen , welcher den Zusammenbruch des Kaiserreichs um einige Monate verzögerte. 1915 bis 1917, während der langwierigen Arbeit am Haupttext der Betrachtungen , sollten russische Dichter Thomas Manns Verbündete im Kampf für seine Deutschland-Utopie werden. So berief er sich einige Male auf Gogol und Gontscharow als beispielhaft für eine auf Liebe zum Vaterland beruhende soziale Kritik in der Literatur.184 Mit einem Zitat von Gogol bekräftigte er auch seine Vorliebe für die Monarchie als Staatsordnung.185 Häufig ging er auf Turgenjew als Vorbild künstlerischer Objektivität ein.186 Der konservative Christ Dostojewski wurde praktisch zu einem Mitautor des Buches. Eine besondere Stellung genoss dennoch Tolstoi. Erstens blieb er für Thomas Mann eine wichtige mythische Figur ; zweitens hatte Heinrich Mann in seinem Essay Tolstoi mit Zola fraternisiert , was Thomas nicht ertragen konnte und widerlegen musste ; drittens war Tolstoi als Denker im politischen Kontext der Betrachtungen ein Gegenspieler Dostojewskis und somit auch Thomas Manns selbst. Der Tolstoi-Mythos lebte tatsächlich weiter. Im Frühjahr 1916 hatte Thomas Mann eine schwere Influenza. In seinem Brief an Jakob Wassermann vom 29. März – der Adressat war ebenfalls krank – war hauptsächlich von den Gebrechen die Rede. Der Brief endete mit einer Zuschrift in englischer Sprache , die dem Dichter wahrscheinlich unter dem Einfluss der Kriegsmeldungen ( große Verluste bei Verdun , die russische Offensive bei Dwinsk … ) herausgerutscht 56
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war : « I think , we can’t win the war. » In dieser schweren Stunde griff Thomas Mann zum altbewährten Mittel , das ihm bei Trübsal und Not so treu Hilfe geleistet hatte. « Ich lese ‹ Anna Karenina ›» , stand zwischen dem Krankenbericht und dem defätistischen Spruch. « Wenn irgend etwas das Lebensgefühl stärken kann , so ist es dies. Ich erinnere mich , wie diese Lektüre mich aufrecht hielt , während ich an ‹ Buddenbrooks › arbeitete. »187 So funktionierte das mythische Muster wieder einmal einwandfrei : Thomas Mann stärkte sich an Tolstois Kraft. In den Betrachtungen überschneidet sich der Mann’sche Tolstoi-Mythos mit Tolstois Funktion als aktuellem Gegenspieler. Das lässt sich besonders deutlich im Abschnitt des Kapitels Vom Glauben ablesen , in welchem Thomas Mann den Glauben bei Turgenjew und dem späteren Tolstoi vergleicht. Bei ersterem soll es sich um einen « Ästhetizismus als Religiosität » handeln. Bei dem anderen ist es eine sozial-religiöse Prophetie , das Ergebnis einer langen Suche , einer Selbstquälerei und einer Entwicklung , die « organisch notwendig und für den Sehenden schon in frühen Werken klar vorgezeichnet war. »188 Thomas Mann geht auf Turgenjews Verhältnis zum Abfall des späten Tolstoi von der Kunst ein. Es sei « [ d ]er größte Schmerz seines Lebens » gewesen , dass Tolstoi die literarische Tätigkeit wegen solchen Unsinns (« billevesées ») wie die theologischen Schriften aufgegeben hatte.189 Auch fand Turgenjew , dass Krieg und Frieden ein Beispiel des Mangels an wahrer Freiheit bei seinem Autor , « entspringend dem Beispiel an wahrer Bildung » böte. Nicht desto trotz bewunderte er Tolstois Roman als Kunstwerk.190 Im Sommer und Herbst 1917 hatte Thomas Mann Krieg und Frieden wiedergelesen. Davon berichtete er mit Begeisterung im Brief an Philipp Witkop vom 4. Oktober.191 Ein Beispiel der Überschneidung der zwei Tolstoi-Bilder ist die anschließende Ausführung aus dem zitierten Abschnitt des Kapitels Vom Glauben : Ich habe in diesen Wochen das Riesenwerk wieder gelesen , – beglückt und erschüttert von seiner schöpferischen Gewalt und voller Abneigung gegen alles , was Idee , was Geschichtsphilosophie darin ist : gegen diese christlich-demokratische Hartstirnigkeit , diese radikale und mushikhafte Negierung des Helden , des großen Menschen. Hier ist die Kluft und Fremdheit zwischen deutschem und national russischem Geist , hier beginnt der Widerstand eines , der in der Heimat Goethe’s und Nietzsche’s atmet. Was mir aber nicht entgeht , während es Turgenjew scheinbar entging , das ist die Einheit der Kraft , die in ‹ Krieg und Frieden › wie in Tolstois ganzem epischen Gigantenwerk wal-
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tet : es ist dies , daß die ‹ schöpferische poetische Bedeutung › des Werkes , die Turgenjew fast widerwillig bewunderte , eines Ursprungs ist mit seiner geistigen Bäuerlichkeit und Enge ; daß diese bornierte Christlichkeit dieselbe moralische Urkraft ist , welche , ohne zu keuchen , künstlerische Lasten trägt , unter denen Turgenjews Kultur zerknickt wäre , – jene plastische Leidenskraft , jene moralische Kunstgewalt , die Tolstoi zu einem Bruder Michelangelo’s und Richard Wagners macht.192
Dass die schöpferische Gewalt von Krieg und Frieden Thomas Mann beglückt und erschüttert hat , ist nicht ungewöhnlich. Mit dieser Wirkung des Riesenwerkes muss er gerechnet , ja sogar auf sie gehofft haben. Vielleicht war sie gerade der Grund , warum er Tolstois Epopöe 1917 wieder aus dem Regal nahm. Sein Urteil über Tolstois Geschichtsphilosophie steht gewissermaßen mit seiner Stellungnahme zum russischen Dichter von 1908 im Einklang. Damals äußerte er sich negativ – wenn auch reserviert und korrekt-diplomatisch – über Tolstois « Persönlichkeit als Bekenner und Apostel ». Ebenso berief er sich damals auf Turgenjew. Gleichwohl wurde in den Betrachtungen Thomas Manns kritisches Verhältnis zu Tolstois « Ideen » konkreter formuliert (« Abneigung »). Krieg und Frieden gehörte zu der relativ frühen Schaffenszeit Tolstois , in der er sich noch nicht als « Bekenner und Apostel » positioniert hatte. Thomas Mann betrachtete seine späteren religiösen Ansichten als Ergebnis einer Entwicklung , die in Tolstois Jugend angefangen hatte. Insofern ist es konsequent , dass er auch schon in Krieg und Frieden bestimmte Ansätze dessen feststellte , was er beim späteren Tolstoi ablehnte. Eine wichtige Quelle muss für ihn die Tolstoi-Biographie von Paul Birukof gewesen sein , insbesondere deren zweiter Band , der in deutscher Übersetzung 1909 erschienen war. Thomas Manns persönliches Exemplar dieses Buches ist nicht erhalten , direkte Hinweise auf die Lektüre gibt es erst seit 1921. 193 Es ist jedoch denkbar , dass er dieses Werk bereits früher gelesen hatte. So zitiert Birukof eine Passage aus Tolstois Bekenntnissen , die Thomas Mann wahrscheinlich in der Zeit der Betrachtungen eines Unpolitischen zur Kenntnis genommen hat : Tolstoi meinte , dass seine religiöse Umbesinnung sich schon seit langem in ihm vorbereitet habe und ihre Keime seit jeher in ihm vorhanden gewesen seien.194 Thomas Manns Abneigung gegen die « Ideen » Tolstois passte auch grundsätzlich zum Tenor des « unpolitischen » Buches : Denn ein aufdringliches Philosophieren hatte – der Logik des Ästheten Thomas Mann zufolge – in einem Kunstwerk nichts zu suchen ; ideologischer Druck in der Literatur wäre ja das Geschäft des Zivilisationsliteraten. 58
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Inhaltlich erfüllte die vorsichtige Kritik an Tolstoi , die der Dichter im zitierten Abschnitt vornahm , eine der Grundaufgaben der Betrachtungen : Es war die Abgrenzung des deutschen Kulturtyps , wie er sich diesen vorstellte. Die Abgrenzung erfolgte hier durch Hervorheben des Unterschieds zwischen « deutschem und national russischem Geist. » Mit Abneigung begegnete Thomas Mann also der Geschichtsphilosophie Tolstois. Er meinte damit philosophierende Abschweifungen , an denen der dritte und vierte Band von Krieg und Frieden so reich sind. Tolstoi hatte sich damit große Mühe gegeben , eine Theorie des historischen Determinismus zu begründen. Einige Auszüge , die vom gesamten Kontext dieser Theorie nicht losgelöst sind , gewähren einen Einblick in das , was Thomas Manns Abneigung hervorgerufen hat. « Die Geschichte » , schrieb Tolstoi , das heißt das unbewußte , allgemeine Massenleben der Menschheit , benützt jede Minute im Leben des Kaisers als Werkzeug ihrer Ziele. [ … ] Bei geschichtlichen Ereignissen sind sogenannte große Menschen nur die Etiquette , die dem Ereignis den Namen gibt , und sie haben , wie alle Etiquetten , nur wenig mit dem Ereignis selbst zu tun. Ihre Taten , die sie geneigt sind für freiwillige zu halten , sind im geschichtlichen Sinne nicht freiwillig , sondern stehen im Zusammenhange mit dem ganzen Gange der Geschichte und sind von Ewigkeit vorherbestimmt.195
Und wenig später heißt es : Nur wenn wir die unendlich kleine Einheit , die Differentiale der Geschichte , das heißt die gleichartigen Strebungen der Menschen , zum Gegenstande der Betrachtung nehmen , und die Kunst der Integrale erlernt haben ( die Summen dieser unendlich kleinen Einheiten zu ziehen ), dürfen wir hoffen , die Gesetze der Geschichte zu verstehen. [ … ] Um die Gesetze der Geschichte zu erforschen , müssen wir den Gegenstand der Betrachtung wechseln. Wir müssen Kaiser , Minister und Generale bei Seite lassen und an ihre Statt die gleichartigen , unendlich kleinen Elemente studieren , welche die Massen in Bewegung bringen.196
Solche Passagen sind in der zweiten Hälfte von Krieg und Frieden immer wieder in das Erzählgewebe eingeschaltet. Flaubert hatte 1880 über Tolstois Roman geschrieben : « Die beiden ersten Bände sind sublim ; doch der dritte fällt entsetzlich ab. Er wiederholt sich und philosophiert. Man sieht den Herrn , den 1914–1918
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Verfasser und den Russen , während man bis dahin nur Natur und Menschheit gesehen hat. »197 Thomas Mann sah in ihnen eine seinem deutschen Geist widerstrebende « Negierung des großen Menschen ». Es stellt sich die Frage , warum er diese Negierung unter anderem für bäuerlich und dem « national russischen Geist » entsprungen hielt ? Und warum er die « Hartstirnigkeit » Tolstois ( d. h. wohl dessen Unwillen , die Rolle einzelner großer Menschen anzuerkennen ) christlich-demokratisch nannte ? Tolstoi deutete mehrmals eine Vorbestimmung ( oder Vorherbestimmung ) der Ereignisse an und versuchte , die von ihm konstruierte Geschichtsalgebra mit einem Christentum zu krönen. Im vierten Band des Romans philosophierte er über den Begriff der Größe einzelner Geschichtshelden , was vor allem auf Napoleon gemünzt war. Es scheine , so Tolstoi , dass dieser Begriff bei den Historikern den Maßstab für Gut und Böse ausschließt. « Für uns » , schrieb er am Ende des Kapitels , « die wir von Christus den Maßstab des Guten und Bösen haben , gibt es nichts Unmeßbares. Und es gibt keine Größe , wo nicht Einfalt , Güte und Wahrheit ist. »198 Die besagten Andeutungen , die zitierte Passage , der volkstümliche Demokratismus des Christen Platon Karatajew , welcher Pierre Besuchows geistig-geistliches Vorbild war , müssen Thomas Mann veranlasst haben , von einer christlich-demokratischen Hartstirnigkeit bei Tolstoi zu reden. Die Legende von Tolstois « geistige[ r ] Bäuerlichkeit » bzw. seinem national russischen Charakter könnte Thomas Mann sowohl bei Birukof als auch bei Mereschkowski aufgegriffen haben. Birukof schreibt , dass Tolstoi seinen individuellen Glauben nur deswegen orthodox ( im Sinne der russisch-orthodoxen Kirche ) nannte , « weil er den leidenschaftlichen Wunsch hatte , mit der Masse des arbeitenden Volkes , das , wie er sich auszudrücken pflegte , das Leben schafft , in geistiger Verbindung zu bleiben. »199 Mereschkowski widmet Tolstois « Einfachwerdung » , seinen Versuchen , « beim gewöhnlichen Volke Anhalt zu finden » ,200 ganze Seiten und sieht in ihnen – ähnlich wie Dostojewski – eine Pose , eine Koketterie des narzisstischen Aristokraten. Dasselbe gilt bei Mereschkowski auch Tolstois Bestrebungen nach einem sittsamen , zurückhaltenden und christlichen Leben.201 Was das Nationale betrifft , so schrieb Mereschkowski : L. Tolstoi , der als Künstler eine Weltbedeutung besitzt , als Mensch aber von ausgesprochener national-russischer Eigenart ist , entbehrt zu gleicher Zeit das , was Dostojewski als das dem russischen Volke Eigentümliche bezeichnet : die Fähigkeit , sich der Aller-
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Hätte der Krieg es gewagt auszubrechen?
weltkultur anzupassen. Trotz dem vernünftigen , pseudochristlichen Kosmopolitismus L. Tolstois scheint es unter den russischen Schriftstellern keinen in seinen Schöpfungen an die Bedingungen des Ortes und der Zeit , an die Schranken seiner Nationalität und seines Zeitalters so gebundenen zu geben wie Tolstoi. Alles Nichtrussische und Nichtzeitgemäße stand ihm nicht feindselig gegenüber , sondern nur einfach fremd , unverständlich , uninteressant.202
Ersichtlich ist , dass Thomas Mann hier die eigentliche Tendenz beider Quellen außer acht lässt und nur das herausangelt , was er für seine Argumentation ad hoc braucht.203 Nachdem der Dichter den deutschen Kulturtyp ex negativo abgegrenzt hatte , kam er auf den gewohnten Boden der Synthese zurück und nahm seinen Tolstoi-Mythos in Schutz. Abweichend von Turgenjew , der Tolstoi als Künstler von Tolstoi als Prediger klar trennte , ließ Thomas Mann die Tolstoi’sche Urkraft über Kunst und « bornierte Christlichkeit » zugleich walten. Mit anderen Worten , wollte er die mythische Kraft , an der er sich stärkte , als unteilbar und unbegrenzt empfinden. Der Abschnitt des Kapitels Vom Glauben , in dem die zwei Tolstoi-Bilder Thomas Manns auf einander treffen , führt fort : Die « plastische Leidenskraft » , die « moralistische Kunstgewalt » , die Tolstoi zum Bruder Michelangelos und Wagners macht , sei wahrhaftig das Gegenteil alles Ästhetizismus , aber – sprich : nicht des Turgenjew’schen – des französierenden in der Art eines Zivilisationsliteraten. Dieser glaubt ja an die Losungen der Revolution : Freiheit , Gleichheit , Brüderlichkeit … Sein Ästhetizismus werfe sich auf diese Losungen und – auf « das Glück der Menschheit. »204 Tolstoi hat an anderes geglaubt. « Das Fazit von Pierre Besuchows Leben » , schreibt Thomas Mann weiter , « dem Leben eines Gottsuchers , – ich will es ausziehen und zu Trost und Stärkung hier eintragen. » Dem folgt ein langes Zitat aus Krieg und Frieden , in dem Thomas Mann zwei Auszüge aus Tolstois Roman zusammengefügt hat. Im ersten von ihnen ( aus Band IV , Teil 3 , Kap. XII )205 geht es darum , dass Leiden und Freiheit relativ seien. Pierre Besuchow , ein Aristokrat und Millionär , wurde in Moskau von der französischen Besatzungsmacht verhaftet und landete in einer Baracke für Kriegsgefangene. Er verbrachte dort mehrere Wochen unter dem gemeinen Volk und erkannte , dass Leiden und Freiheit nicht an soziale und materielle Umstände gebunden seien. Es gebe keinen Zustand , in dem man völlig unglücklich oder völlig unfrei wäre. Jeder Leidende , 1914–1918
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ob reich oder arm , habe sein eigenes Leiden. Und sich frei fühlen könne man auch im Gefängnis , genauso wie man sich in einem Palais unfrei fühlen könne. Im zweiten von Thomas Mann zitierten Auszug ( Krieg und Frieden , Band IV , Teil 4, Kap. XII ) geht es um den Glauben : « Was ihn [ Pierre Besuchow ] früher gequält hatte , was er beständig gesucht hatte , den Zweck des Lebens , war jetzt für ihn nicht vorhanden. [ … ] Er konnte keinen Zweck haben , denn er hatte jetzt den Glauben – nicht den Glauben an irgendwelche Grundsätze , Worte oder Ideen , sondern den Glauben an einen lebendigen , stets empfundenen Gott. Früher hatte er Ihn in den Zielen gesucht , die er sich steckte ; dieses Suchen der Ziele war nur ein Suchen Gottes. »206 Das war also das Fazit von Pierre Besuchows Leben. Dem langen , « zu Trost und Stärkung » eingetragenen Tolstoi-Zitat schließt Thomas Mann einen eigenen Kommentar an : Nein , der wahre Glaube ist keine Doktrin und keine verstockte und rednerische Rechthaberei. Es ist nicht der Glaube an irgendwelche Grundsätze , Worte oder Ideen wie Freiheit , Gleichheit , Demokratie , Zivilisation und Fortschritt. Es ist der Glaube an Gott. Was aber ist Gott ? Ist er nicht die Allseitigkeit , das plastische Prinzip , die allwissende Gerechtigkeit , die umfassende Liebe ? Der Glaube an Gott ist der Glaube an die Liebe , an das Leben und an die Kunst.207
Der späte Tolstoi , der « Bekenner und Apostel » , war in den Betrachtungen ein Opponent Thomas Manns. Er war « sozial-religiös vergreist[ ] ».208 Und alles in Deutschland , « was Radikalismus und Politik im Leibe hat » , schwor auf Tolstoi. Diese Radikalen hielten es , so der Autor der Betrachtungen , « mit dem alten , dem Nicht-mehr-Künstler Tolstoi , dem Sozial-Propheten und christlich-anarchistischen Utopisten , dem Pazifisten , Anti-Militaristen und Staatsfeind : mit Fug und Recht. »209 Den anderen Tolstoi , den Spender von Trost und Stärke , machte er hier , trotz dessen « geistige[ r ] Bäuerlichkeit » , zu seinem Eideshelfer. Pierre Besuchows Erkenntnisse sollten ein Beispiel für Tolstois unpolitisches ( oder eher : politikfreies ), von gängigen Schlagworten und Ideen unabhängiges Künstlertum sein. Auch auf der Ebene der Religion nutzte Thomas Mann die Erkenntnisse Besuchows aus , um abermals den Radikalismus seiner Gegner anzuprangern. Tolstois Held ist zum Glauben an den lebendigen , stets empfundenen Gott gekommen. Thomas Mann ignorierte die eindeutig christliche Komponente die62
Hätte der Krieg es gewagt auszubrechen?
ses Glaubens und gebrauchte ihn , um sein eigenes unpolitisch-ästhetizistisches Credo ex negativo zu formulieren : keine Losungen der Zivilisation , sondern die Liebe , das Leben und die Kunst. Mit der Frage : Was – und eben nicht Wer – ist aber Gott , verließ er den Rahmen des Christentums – selbst desjenigen in der Form des liberalen Luthertums , in welchem er aufgewachsen war , – und bekannte sich zum Glauben nur an moralische und ästhetische Werte. In diesem Punkt stand ihm der praktizierende russisch-orthodoxe Christ Dostojewski noch ferner als Tolstois Pierre Besuchow mit seiner anonymen Christlichkeit.210 Eine weitere kritische Auseinandersetzung mit dem späten Tolstoi in den Betrachtungen trägt ebenfalls einen angewandten Charakter , d. h. Thomas Mann polemisiert nicht mit Tolstois Ansichten , sondern nutzt sie aus , um eigene Ansichten ex negativo zu untermauern. So kommentiert er die satirisch-sarkastische Schilderung der Strafprozessordnung in Tolstois Auferstehung. Der russische Dichter sei « der sozialreligiöse Prophet der Spätzeit , ein echtbürtiger Rousseauit und , als Philantrop , durchaus achtzehntes Jahrhundert » ; der Fall , den er in seinem Roman aufgestellt hat , sei im Zeichen des christlichen « Richtet nicht ! » gestaltet. Thomas Manns Antwort lautet : « Nein , Gott bewahre uns ! » Wer würde sich schon die Fähigkeit anmaßen , einen Mitmenschen zu richten ? « Aber Recht sprechen – wenn anders es ein gesellschaftliches Kulturleben , irgend etwas wie Staat also, geben soll , – Recht sprechen müssen wir ja wohl , diese soziale Last will am Ende getragen sein. »211 Es folgt eine Ausführung , in der Tolstoi gleichsam auf der Strecke bleibt und Thomas Manns Erzfeind – « der Politiker , der philantropische Revolutionär und Zivilisationsliterat » , in diesem Fall : Gegner der Todesstrafe und der Justiz überhaupt , bekämpft wird.212 Der Konservative Thomas Mann tritt hier für ein nach allen Regeln von Recht und Ordnung funktionierendes Staatssystem ein. Tolstois Rechtsnihilismus wird von ihm als nahezu absurdes Gegenbeispiel eingesetzt. Nebenbei antwortete er auch dem Bruder Heinrich , der Tolstoi einen Bruder Zolas genannt hatte.213 « [ … ] Zola » , schrieb Thomas Mann , « hat niemals , auch nicht , bevor er sich auf die Politik geworfen , zu den wahrhaft großen Erzählern gehört. Ihn mit Tolstoi zu vergleichen ist eine Grausamkeit , wenn auch eine lehrreiche. Der Unterschied zwischen epischer Naturkraft und ehrgeizig aufgepumpter Übertriebenheit springt in die Augen [ … ]. »214 Einige Jahre später wird es eine ausführlichere Antwort auf diese « Grausamkeit » geben. Im Moment aber nahte sich der Weltkrieg seinem Ende. Die erste Ausgabe der Betrachtungen eines Unpolitischen erschien 1918 einige Wochen vor dem 1914–1918
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Waffenstillstand. « Welche Heimsuchung ! » , hatte Thomas Mann vier Jahre zuvor über den Kriegsbeginn geschrieben. « Wie wird Europa aussehen , innerlich und aeußerlich , wenn sie vorüber ist ? »215 War nun sein Traum von den Lorbeeren eines Nationaldichters in Erfüllung gegangen ? Jedenfalls hatte er sein Bestes dafür getan. In den kommenden Jahren sollte er zum inneren Aussehen des neuen Europa beitragen. Es stellt sich noch eine andere Frage : Hätte der Krieg es gewagt , auszubrechen , wenn Tolstoi noch gelebt hätte ? Als Thomas Mann sie stellte , meinte er nicht den Tolstoi von Krieg und Frieden und Anna Karenina , nicht den « unpolitischen » Künstler – sondern den alten Tolstoi , den Staatsfeind und Pazifisten , eine Repräsentation der verhassten Entente. Es sprach wiederum Thomas Manns Tolstoi-Mythos. Ein Mythos fürchtet sich nicht vor Widersprüchen. Seine Logik liegt auf einer anderen Ebene.
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Hätte der Krieg es gewagt auszubrechen?
Ein cholerischer Tonio Kröger? Tolstois Tagebuch (1918–1919) Ich bin Demokrat höchstens mit der Vernunft ; mit dem Gefühle eher konservativ. Thomas Mann , Brief an S. Fischer , 24. März 1916
Meine Hoffnung für die Zukunft ist , es werden an Stelle des absterbenden Nationalgefühls edlere Gefühle treten. – Dann werden wir in unserer Verarmung ( die ich schon sehr spüre ) nicht unglücklicher sein als vorher. Hermann Hesse , Brief an die Schwester Adele , 23. Dezember 1918216
Der Brand von Moskau hatte Pierre Besuchow um die zwei Millionen gekostet. Das war eine kolossale Summe – und dabei fühlte er sich dank der Erfahrung , die er im Krieg und unter der französischen Besatzung gemacht hatte , drei Mal so reich wie vorher.217 Der alte Graf Rostow , eine weitere Figur aus Krieg und Frieden , ordnete vor der Flucht aus Moskau an , dass sein gesamtes , am Vortag sorgfältig eingepacktes Hab und Gut in die Keller geschafft wurde. Die frei gewordenen Wagen – insgesamt dreißig an der Zahl – sollten den verwundeten russischen Soldaten und Offizieren überlassen werden. Der Besitz der Rostows blieb in Moskau zurück. Die Verwundeten konnten mitflüchten.218 Weltbewegende Ereignisse schlugen diese Figuren Tolstois in ihren Bann und öffneten ihnen über Werte die Augen , die ihnen mit einem Male höher erschienen als materieller Besitz. Thomas Mann war von ähnlicher Stimmung ergriffen , als er sich im August 1914 eine ehrenvolle Verarmung prophezeihte. Vier Jahre später , in den trostlosen letzten Kriegswochen war ihm nicht mehr nach « romantischen » Ausbrüchen zumute. In seinem Tagebuch notierte er : « Der Humbug ist so stark , daß ich mich weigere , mich seelisch und geistig länger zu engagieren. Ich wünsche , nicht zu verarmen , das ist der Wunsch , den ich anmelde. »219 65
Er verarmte nicht. Auch während der Inflation im Jahre 1923 durfte er sich nicht beklagen.220 Als Humbug empfand er zunehmend die politischen Aktivitäten der Aliierten , die deren baldigen Sieg untermauern sollten.221 Sein leidenschaftlicher unpolitischer Monolog vor dem kriegsbegeisterten Vaterland hatte sich in die Länge gezogen. Während dessen nahm das Schicksal Deutschlands , das er mit beeinflussen wollte , eine andere Wendung. Als der Monolog zu Ende ging , bemerkte Thomas Mann , dass der « Saal » gerade noch halb voll war. Und der Beifall war spärlich. Der Zivilisationsliterat durfte also auf seine Kosten kommen. Sich seelisch und geistig engagieren hieß nun für den Nationaldichter sich auseinandersetzen mit der nahenden Kriegsniederlage und mit der objektiven Verspätung der Betrachtungen. Er beschloss sich zu weigern , aber es gelang ihm nicht : Weitere Tagebucheintragungen und seine Briefe sind eine Chronik seines seelischen und geistigen Engagements. Das muss die bis dahin tiefste Krise seines Lebens gewesen sein. Vor Verzweiflung und einem Nervenzusammenbruch rettete ihn sein Konservatismus als Lebensgefühl. 1900 glaubte er , die richtige Handlungsweise in Krisensituationen zu wissen : Es galt nicht einzugreifen , « in aller Stille und Geduld abzuwarten , bis Alles wieder , leicht und von selbst , ganz anders wird – und das tut es , zuverlässig , zu seiner Zeit. »222 In den Betrachtungen erkannte er die kommende Demokratisierung des Vaterlandes als objektive Zeittendenz an.223 Es kam ihm nicht darauf an , sie zu bekämpfen , sondern darauf , ihren organischen Fortgang vor einer gewaltsamen Forcierung zu schützen. Im März 1916 schrieb er an Samuel Fischer , er sei « nicht so dumm [ … ], zu leugnen , daß die Politisierung , Demokratisierung , Literarisierung , Intellektualisierung Deutschlands , kurz , all das , was man beinahe die Entdeutschung Deutschlands nennen könnte , fortschreiten wird und muß. »224 « Ich sehe die Notwendigkeit der Entwicklung ; » , hieß es drei Wochen später in einem Brief an denselben Adressaten , « aber um sie mit Hurrah und Hussah anzufeuern , dazu fehlt es mir an Begeisterung für sie. [ … ] Ganz unerträglich » , schrieb Thomas Mann weiter , [ … ] ist mir der Gedanke , daß uns der demokratische Fortschritt im Sinne der letzten Asquith-Rede von außen her , durch die Niederlage sollte aufgezwungen werden , – daß es auch nur den Anschein gewänne , als habe Deutschland sich geistig fügen und schicken müssen. Unsere Demokratisierung muß die Folge unseres Sieges , die Begleiterscheinung unseres Eintritts in die Weltpolitik sein ; aus geistigen , innenpolitischen Gründen hätte ich wenig für sie übrig , und gar als Produkt der Niederlage wäre sie mir abscheulich.225
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Ein cholerischer Tonio Kröger? Tolstois Tagebuch
1918 kam sie in der Tat als Produkt der Niederlage , und es war derselbe Konservatismus als Lebensgefühl , der Thomas Mann zu einer allmählichen SelbstAnpassung an die neue Situation verhalf und ihn so aus der Krise rettete. Seine ersten Anpassungsversuche wurden in einem ironisch-sarkastischen Ton ausgedrückt. Sie wirken wie eine gespielte Verharmlosung der Nationalkatastrophe und eine Art Selbsttherapie gegen Depression und nervliche Überrreiztheit.226 In seiner am 14. Oktober 1918 beendeten Idylle Herr und Hund , mit der er sich vom Stress der Kriegspoesie freigeschrieben hatte , fällt die Wortverbindung , die auf seine eigene Stimmung zutrifft : « … aus einer Art von verzweifelter , die Tatsachen verwerfender Munterkeit … »227 So schrieb er an Samuel Fischer , gleich nach der Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems im Kaiserreich : « Ich hatte doch einen starken Choc [ … ]. Im Ganzen : der Standpunkt ‹ Hübsch ist es doch , was man alles erlebt › kommt mir immer einladender vor. Wenn es uns nur nicht noch ganz persönlich an den Kragen geht und die Neger das Kindchen fressen. »228 Am 7. Oktober 1918 registrierte Thomas Mann im Tagebuch ein Telefonat mit Bruno Frank. Den Gesprächspartner glaubte er « in politicis durch philosophische Heiterkeit » überrascht zu haben. « Wirklich ist meine Stimmung » , zog er das Fazit , « ziemlich leichtsinnig und getrost , obgleich ich wohl sehe , daß noch das Abenteuerlichste , Unglaubwürdigste sich ereignen kann. »229 Nach einer kurzen Zeit nahm der Anpassungsgedanke eine festere Form an und entwickelte sich zu einer geistigen Überlebensstrategie. So liest sich schon die Tagebucheintragung vom 12. Oktober 1918 : Deutschland ( und folglich auch Thomas Mann selbst ) sollte « die Dinge von der Komödienseite » nehmen und « den Sieg der Tugend-Entente für einen Riesen-Humbug » erklären. Im Übrigen wäre es ratsam für das Vaterland , das ernstgenommen der eigentliche Sieger in diesem Kriege sei , « die Richtung des politischen Weltganges zu erkennen und anzuerkennen , die demokratische Neue Welt mit guter Miene zu salutieren , als einen Weltkomfort , mit dem sich ja wird leben lassen » , vorausgesetzt Deutschland bekomme Rohstoffe und würde korrekt behandelt werden. Dies sei der Standpunkt , der ihm , Thomas Mann , allein gemäß sei.230 Die Eintragung vom 28. Oktober klingt noch hoffnungsvoller : « Das Ende der Weltgeschichte ist dieser Friede auf keinen Fall. Ich persönlich aber bin , glaube ich , über die Aufregung u. schlaflosen Nächte nun hinaus … »231 Auch durch die Nachrichten von den revolutionären Unruhen in ganz Deutschland ließ er sich nicht aus der Fassung bringen. Er sei , steht im Tagebuch , « durchaus versöhn1918–1919
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lich und positiv gestimmt gegen die großdeutsche soziale Republik Deutschland , die sich zu bilden scheint. »232 Konstant war diese ausgeglichenere Stimmung noch nicht. Das Weltgeschehen und die Revolution im eigenen Lande werden den Dichter noch reichlich Aufregung und viele schlaflose Nächte kosten. Aber der Anpassungskurs war klar angegeben. Es galt nun , die Scherben der zerbrochenen Würde und Strenge zusammenzufügen und – wie sein Konservatismus als Lebensgefühl es gebot – « in aller Stille und Geduld abzuwarten , bis Alles wieder , leicht und von selbst , ganz anders wird. » Die Alternative wäre Ratlosigkeit , Verzweiflung und Chaos. Oder ein Elfenbeinturm : « eine einsame , abgesonderte , grüblerische , wunderliche und trübe Existenz »233 auf Dauer. In dieser Zeit blieb Thomas Manns geistige Beziehung zu Tolstoi nicht weniger intensiv. Es spricht einiges dafür , dass die Hundeseele in Herr und Hund mit Rückblick auf die Jagdszenen aus Anna Karenina geschildert wurde. Auch dort wurden Gemütsbewegungen eines Hundes gleichsam von innen beobachtet und seine « Gedanken » als direkte Rede wiedergegeben.234 Ende September 1918 las Thomas Mann zwei spätere Erzählungen Tolstois : Der Tod des Iwan Iljitsch ( 1886 ) und Chodynka ( 1910 ).235 Eine aufschlussreiche Auskunft über Tolstois frühe Tagebücher enthielt das Kapitel Jugend aus seiner Biographie von Birukof ,236 die Thomas Mann , wie erwähnt , wahrscheinlich schon vor dem Kriege gelesen hatte. An einer anderen Stelle kommentierte Birukof zusammenfassend : Mit 18 Jahren fängt er an , ein Tagebuch zu führen. In diesem sieht man bereits die innere Arbeit gegen sich selbst. Er schreibt sich Lebensregeln vor , verteilt die Beschäftigung , steckt sich die weitesten und besten Ziele. Die Bedeutung , die er schon damals seiner inneren , seelischen Welt beimaß , ist aus der folgenden Äußerung in seinem Tagebuche ersichtlich : ‹ Eine Änderung in meiner Lebensweise muß eintreten , aber es ist notwendig , daß diese Änderung nicht das Produkt äußerer Verhältnisse , sondern das Werk der Seele sei. ›237
Vieles an dieser Zusammenfassung des Tolstoi-Biographen war Thomas Mann sicherlich verwandt vorgekommen. Auch er war ein eifriger Tagebuchschreiber. Wann genau er damit angefangen hatte , ist uns nicht bekannt , aber die Masse seiner damals sämmtlichen Tagebücher , die er mit zwanzig Jahren verbrannte , soll nicht so gering gewesen sein.238 Auch er – wie insbesondere seine Briefe 68
Ein cholerischer Tonio Kröger? Tolstois Tagebuch
an Grautoff zeigen – hatte mit sich gekämpft und war mit intensiver Selbstbeobachtung beschäftigt. Andererseits – und das war ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Dichtern – suchte der junge Thomas Mann nach einer starken Hand und hielt Geduld und Abwarten für die beste Handlungsweise angesichts schwieriger Lebensphasen. Tolstoi dagegen schrieb sich aktive Lösungen , vor allem stete innere Arbeit an seiner Person oder – so Birukof – « gegen sich selbst » vor. Auf Tolstois späte Tagebücher wurde Thomas Mann durch ein neues Buch von Mereschkowski , einen Essay-Band , aufmerksam gemacht , wie er am 26. Oktober 1918 kurz notierte.239 In Mereschkowskis Essay – oder vielmehr einer Art Prosadichtung – mit dem Titel Ein Tagelöhner Christi wurde Tolstois Tagebuch 1895–1899 « eines seiner gewaltigsten Werke , wenn nicht das gewaltigste »240 genannt und aus religiöser Sicht kommentiert. Diese Informationen über die Tagebücher Tolstois wurden durch dritte Autoren zu verschiedenen Zeiten vermittelt. Das Originalwerk erreichte Thomas Mann in einer persönlichen Krise , die er gerade zu überwinden versuchte. Am 12. Dezember 1918 erhielt er vom Verleger Müller die soeben gedruckte deutsche Übersetzung der Jugend-Tagebücher von Tolstoi.241 Zwei Wochen später las er schon « in Tolstois Greisen-Tagebuch ».242 Am 13. Dezember folgte sein erster Kommentar : Abends Tolstoi-Tagebuch. Er ist neben Goethe unter den fortlebenden Geistern derjenige , dessen Lebensform mich am meisten anzieht , und dessen Lebensgefühl durch alle seine Äußerungen das meine am unmittelbarsten belebt. Sein Künstlertum , eine großartige und organische Verbindung von Sinnlichkeit und Moralismus. In den Aufzeichnungen des 23-jährigen finden sich einige glänzende Gedanken und ein paar Natur- und Menschenschilderungen von so ruhiger und unnachahmlicher Kraft wie nur irgendwelche späteren.243
Was an Tolstois Aufzeichnungen hat Thomas Mann zu diesem Bekenntnis bewogen ? Wurde er durch sie an seine eigene Jugend erinnert oder wirkten sie auf ihn gerade in seiner aktuellen Krisensituation so belebend ? Oder war beides der Fall ? Da sein Exemplar der Jugend-Tagebücher Tolstois nicht erhalten ist , kann man das nur vermuten. Die innere Arbeit Tolstois gegen sich selbst war in seinem Jugend-Tagebuch nicht nur zu « sehen ». Sie war nahezu dessen Vorsatz und Essenz. Es diente 1918–1919
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ihm zur Planung seiner Zukunft auf der Grundlage moralischer Regeln. « Ich möchte mir angewöhnen » , schrieb der Einundzwanzigjährige , « meine Lebensweise im voraus festzusetzen , nicht bloß für einen Tag , sondern für ein Jahr , für einige Jahre , für das ganze Leben ; es ist schwer , fast unmöglich. Dennoch will ich es versuchen , zuerst für einen Tag , dann für zwei Tage , und ich werde mir immer so viele Tage aufgeben , als ich vorher den Bestimmungen treu geblieben bin. »244 Später erkannte Tolstoi , dass seine Aufzeichnungen auch zur Rekapitulation und Bewertung des Erlebten dienen könnten : « Ich finde für das Tagebuch » , notierte er , « außer der Festsetzung , was künftig getan werden soll , noch einen nützlichen Zweck : Rechenschaft über jeden Tag vom Standpunkt der Schwächen , die man ablegen will. »245 Das war nichts anderes als ein Selbstzucht-Programm. Und Thomas Mann konnte nicht umhin zu bemerken , dass der Meister , der ihn immer stärkte , als junger Mann an ähnlichen Schwächen gelitten hatte wie er selbst. Ein Vergleich kann dies deutlich machen :
Tolstoi , Tagebuch der Jugend
Thomas Mann , Briefe an Otto Grautoff
16. 06. 1847 : « Ich fange an , mich an die
05. 03. 1895 : « Ich sage , Du brauchst
erste Regel zu gewöhnen und gebe mir
den Unterleib nicht zu verachten , Du
heute eine zweite , die nämlich : Betrach-
darfst es aber gern ; ich thu’s näm-
te die Gesellschaft der Frauen als ein not-
lich auch. Ich habe mich letzter Zeit
wendiges Übel des allgemeinen Lebens
nahezu zum Asketen entwickelt. Ich
und meide sie so viel als möglich. » ( S. 41 )
schwärme , in meinen schönen Stunden , für reine ästhetische Sinnlichkeit , für die Sinnlichkeit des Geistes , für den Geist , die Seele , das Gemüt überhaupt. Ich sage , trennen wir den Unterleib von der Liebe ! » ( S. 30 )
20. 03. 1852 : « Die Wollust hat einen ande-
17. 02. 1896 : « Dein Gesundheitszustand
ren [ im Gegensatz zur Spiellust ], ent-
nimmt mich nicht Wunder. Ich rathe Dir ,
gegengesetzten Grund : je mehr Enthal-
regelmäßig eine bestimmte Anzahl von
tung , desto größer der Wunsch. Es gibt
Stunden zu schlafen und jeden Morgen
zwei Ursachen dieser Leidenschaft :
den ganzen Körper kalt zu waschen. [ … ]
70
Ein cholerischer Tonio Kröger? Tolstois Tagebuch
das Fleisch und die Phantasie. Dem
Das Ausrotten eines schlechten Trie-
Fleisch ist leicht zu widerstehen , der
bes geschieht allerdings nicht plötz-
Phantasie aber , mit ihrem Einfluß auf
lich mit einem moralischen Aufraf-
den Körper , schwer. Das Mittel gegen
fen ; das bedeutet garnichts , und man
das eine wie das andere ist Arbeit und
ist bei einem unvermeidlichen Rück-
Tätigkeit , sowohl physische – Gymnas-
fall nur desto verzweifelter. Es ist ein
tik – , als auch moralische – schriftstel-
langsames , behutsames Schwächen und
lerische Arbeit. Übrigens nein : da es ein
Abdorrenlassen des Triebes nötig , wobei
natürlicher Trieb ist , der , wie ich fin-
alle möglichen intellectuellen Kunst-
de , nur schlimm ist in der unnatürli-
griffe helfen , die einem der Selbster-
chen Lage , in der ich mich befinde ( mit
haltungsinstinkt suggeriert. » ( S. 68 )
23 Jahren ledig ), so wird nichts helfen mit Ausnahme der Kraft des Willens und des Gebets zu Gott : Führe uns nicht in Versuchung. » ( S. 132 ) 09. 03. 1851 : « Lange nicht aufgestan-
16. 05. 1895 : « Meine Mutter wünscht
den , Mangel an Energie. » ( S. 71 )
einen festen , arbeitsamen Beruf für mich , und sie hat vielleicht ganz recht. Man
14. 03. 1851 : « Faul aufgestanden : Faul-
braucht vielleicht einen festen Halt , eine
heit ; Notizen nicht gemacht. Faul-
geregelte Thätigkeit , um nicht ganz zu
heit. Zum Schreiben zu zerstreut ,
verbummeln. Bevor ich Stenographie-
zum Leben zu träge. » ( S. 74 )
stunde hatte , schlief ich immer bis 12 Uhr mittags , manchmal bis 3 Uhr nach-
16. 03. 1851 : « Faulheit , Zerstreutheit ,
mittags. Das ist abscheulich ; aber wer
wenig Stetigkeit , Mangel an Charak-
kann ohne eine äußere Stütze gegen
ter , Verwegenheit im Spiel. » ( S. 75 )
seine dekadente Natur. » ( S. 48 )
20. 03. 1851 : «Viele Schwächen habe
18. 06. 1895 : « In letzter Zeit habe ich
ich in dieser Zeit gehabt. Vor allem
sehr unsolide gelebt ; in dem bischen
habe ich den moralischen Regeln
Komödiespielen bestand meine gan-
wenig Aufmerksamkeit geschenkt
ze Arbeit. Meistens kam ich erst um 4
und mich von anderen leiten las-
oder halb 5 Uhr morgens nach Hau-
sen , die Erfolg versprachen. » ( S. 77 )
se , wenn es schon ganz hell war und alle Vögel zwitscherten. » ( S. 55 )
1918–1919
71
24. 03. 1851 : « Faulheit , Feigheit , gerin-
28. 06. 1895 : « Hier habe ich gleich wie-
ge Energie , Weichlichkeit. » ( S. 80 )
der zu leben angefangen , wie ich aufgehört hatte , : faul und bummelig , in
20. 05. 1851 : « Die letzte Zeit meines Auf-
Gesellschaft beim Wein im Café Luit-
enthaltes in Moskau ist interessant durch
pold , morgens zu Bett und mittags wie-
meine Haltung zur Gesellschaft , durch
der auf. Seit Wochen habe ich keine
meine Verachtung derselben und durch
Zeile Prosa mehr geschrieben. ( S. 56 )
unaufhörliche innere Kämpfe. » ( S. 88 ) 02. 03. 1851 : « Regeln : Bei jeder Sache
04. 01. 1897 : « Über den Inhalt Deiner
denken , daß die erste und einzige Ver-
Briefe kann ich mich auf dieser Kar-
bindung , von der der Erfolg abhängt ,
te ja nicht äußern. Ich kann vorläu-
die Geduld ist. Und was am meis-
fig nichts thun und nur sagen : Es wird
ten in jeder Sache hinderlich ist und
sich schon alles entwickeln und ent-
was mir schon viel geschadet hat ,
wirren. Zum Leben sind drei Dinge
das ist die Hastigkeit. » ( S. 67 )
nötig. Geduld , Geduld , Geduld. ( S. 83 )
13. 06. 1851 : « Ich bin immer noch faul ,
06. 04. 1897 : « Jetzt in dieser Zeit des
doch ich bin mit mir zufrieden , abge-
Wartens [ … ] beschäftige ich mich
sehen von der Sinnlichkeit. » ( S. 94 )
hauptsächlich damit , den Augias-Stall meines Gewissens ein wenig zu kehren – denn es hilft nichts , man hat ein Gewissen , und bestehe es auch nur in dem unabweisbaren Bedürfnis , sichselbst zu gefallen … Ich stehe zeitig auf , gehe viel spazieren , wozu sich hier reichliche und schöne Gelegenheit[ en ] bieten , schränke das Cigarettenrauchen ein und suche auf alle Weise , meinen verwahrlosten Nerven ein wenig aufzuhelfen. » ( S. 90 f. )
Der Vergleich dieser Selbstzeugnisse demonstriert eine Ähnlichkeit der Hauptschwächen beider jungen Männer : Ihre unbefriedigte Sinnlichkeit und ihre « dekadente » – in der Jugend Tolstois war dieser Begriff noch nicht so gängig wie zur Jahrhundertwende – Neigung zum Sich-Gehen-Lassen. Nur der Um72
Ein cholerischer Tonio Kröger? Tolstois Tagebuch
gang mit diesen Schwächen war bei den beiden verschieden motiviert. Tolstois Bestreben nach einer Selbstvervollkommnung durch die Vernunft wurzelte im Gedankengut der Aufklärer ; einige Jahre später kam noch seine Selbst-Identifikation als Christ dazu.246 Thomas Mann ging gegen seine Schwächen aus Angst vor dem Chaos an. Allerdings wird es kaum diese Ähnlichkeit allein sein , die Thomas Manns Lebensgefühl im Dezember 1918 belebte. Dem Jugend-Tagebuch Tolstois war vor allem zu entnehmen , dass der künftige Autor von Krieg und Frieden ein Außenseiter war. Das Integrationsproblem Nikolai Irtenjews , der Hauptfigur der Lebensstufen und eines Selbstbildnisses von Tolstoi , hatte Thomas Mann spätestens 1906 oder 1907 erkannt. Doch nun , 1918, bekam er ein Zeugnis für Tolstois Außenseitertum aus erster Hand. Tolstoi verachtete die Gesellschaft , der er durch Geburt legitim angehörte. Die in dieser Gesellschaft als üblich und normal geltenden Verhaltensweisen bezeichnete er als Schwächen und Leidenschaften , die zu bekämpfen waren. Seine Selbstvervollkommnung sollte sich in der Wendung gegen die Gesellschaft vollziehen. Nichtsdestotrotz suchte er ihre Anerkennung und erarbeitete sich ein Verhaltensprogramm zur Verbesserung seines Ansehens bei ihr.247 Er profitierte von seiner sozialen Position und hatte am liederlichen Dasein « ohne Dienst , ohne Beschäftigung , ohne Zweck und Ziel » nicht so selten seinen Spaß.248 Das war ein Leben in « zwei Welten » und das Lebensgefühl eines Tonio Kröger , dessen Künstlertum noch nicht durchgebrochen war. Was aber bei dem jungen Tolstoi gänzlich fehlte , war Tonio Krögers Abschiedsmelancholie. Zuweilen überfiel auch ihn eine leicht depressive Stimmung , doch sie war von ganz anderer Natur , als die Wehmut des entwurzelten Hanseaten. So schrieb Tolstoi einmal mit 22 Jahren : Meine Traurigkeit [ … ] kann ich nur fühlen , nicht begreifen , nicht ergründen. Zu bedauern habe ich nichts , zu wünschen habe ich auch fast nichts , dem Schicksal zu zürnen habe ich keinen Grund. Ich begreife , wie man vornehmlich in der Phantasie leben kann. Aber nein , die Phantasie gaukelt mir keine Trugbilder vor , ich habe keine Illusionen. Die Menschen verachten ist auch irgendein trüber Genuß , aber auch das kann ich nicht : ich denke gar nicht an sie. [ … ] Einen gar so starken Glauben an die Freundschaft , an die Liebe , an die Schönheit habe ich nicht , enttäuscht hat mich das Leben in wichtigen Dingen und in Kleinigkeiten bin ich noch ein Kind.249
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Dieser für Tolstoi eher untypische Monolog , im Original zwei Seiten lang , lässt sich als Nachahmung romantischer Einzelgänger einordnen. Mit Tonio Krögers wehmütiger und produktiver Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit hat er nichts gemein. Mehr noch : In manchen Situationen verhielt sich Tolstoi nahezu streitsuchend. Von seiner direkten Art , andere Menschen zurechtzuweisen bzw. ihnen Unangenehmes ins Gesicht zu sagen , wusste Thomas Mann schon aus Mereschkowskis Studie Tolstoi und Dostojewski sowie aus Birukofs Biographie. Dieser zitierte unter anderem folgende Äußerung aus Tolstois Tagebuch des Jahres 1854 : « Ich bin häßlich , linkisch , unsauber und im weltlichen Sinne ungebildet. Ich bin reizbar , ein Stichler anderen gegenüber , grob , intolerant und schüchtern wie ein Kind. Was ich weiß , habe ich zufällig bruchstückweise aufgeschnappt. [ … ] Ich bin verweichlicht , unentschlossen , unbeständig , dumm , eingebildet und jähzornig wie alle Leute , die einen schwachen Charakter haben. »250 Eines der Opfer seiner Sticheleien wurde Turgenjew , auf dessen Konflikt mit Tolstoi sowohl Mereschkowski als auch Birukof eingegangen sind. In Mereschkowskis Turgenjew-Essay , den Thomas Mann vorzüglich fand ,251 wurde dieses Thema nochmals ausführlich behandelt.252 Im JugendTagebuch wurden weitere Episoden fixiert , die ein Licht auf Tolstois Temperament werfen. Seine Unbeherrschtheit machte er sich zum Vorwurf , war aber offensichtlich nicht imstande , ihr Zügel anzulegen.253 Lisaweta Iwanowna nannte Tonio Kröger einen verirrten Bürger. War dann Graf Leo Tolstoi , so wie er sich in seinem Jugend-Tagebuch präsentierte , nicht ein verirrter Aristokrat ? Seine Lebensform , die Thomas Mann so anzog , wurde durch Noblesse und Reichtum bestimmt. Sein Lebensgefühl , das Thomas Mann so belebte , äußerte sich in der Selbstzucht und im Außenseitertum am deutlichsten. Wie Aschenbach war er von seiner Selbstzucht auf die Leistung verpflichtet. Sein Außenseitertum war mit dem Tonio Krögers verwandt , auch wenn sein Temperament anders war. Die Alterstagebücher von Tolstoi hatten vorwiegend seine religiösen und philosophierenden Betrachtungen zum Inhalt , die Thomas Mann weniger ansprachen als Selbstzeugnisse aus Tolstois Jugend. Manns Äußerung über Mereschkowskis Essay-Band , dort sei einiges « zu spezifisch russisch , nicht nur stofflich , sondern auch durch ein mir unverdauliches byzantinisch-christliches Element » ,254 mag sich durchaus auf Ein Tagelöhner Christi bezogen haben. Gleichwohl enthält Thomas Manns Exemplar des Tagebuchs 1895–1899 zahlreiche Lesespuren. Da es sich laut Stempel nach 1933 in der Bibliothek der 74
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Münchener Gestapo befunden hat , steht jedenfalls fest , dass die Lesespuren aus dem Zeitraum zwischen 1918 und 1933 stammen. Der Erstlektüre von 1918 lassen sich mit ziemlicher Sicherheit die von Thomas Mann angestrichenen Erwähnungen des Hadschi-Murad zuordnen. Anfang 1919 las er dieses Spätwerk von Tolstoi seinen älteren Kindern zu Ende vor , «voll Bewunderung für die mächtige , ernste , fromme Kraft u. Gewalt der Erzählung … » Deren Konzeption und Entstehung verfolgte er in Tolstois Tagebuch.255 Tolstoi schrieb ihm aus der Seele. Denn das Tagebuch dokumentierte , dass Hadschi-Murad , diese von Kraft erfüllte Erzählung – wie fast jedes Werk von Thomas Mann selbst – unter Leid , Schmerz und Selbstzweifeln entstanden war. In der Werbezeit um Katia hatte Thomas Mann viel daran gelegen , sich bei ihr über intime Seiten seines Künstlertums auszusprechen. Es war darum gegangen , dass es ein Leidensweg war , der zum Schöpfertum führte. « Nur bei Damen und Dilettanten sprudelt es » , schrieb damals der Verliebte an seine Braut , « bei den Schnellzufriedenen und Unwissenden , die nicht unter dem Druck und der Zucht des Talentes leben. Denn das Talent ist nichts Leichtes , nichts Tändelndes , es ist nicht ohne Weiteres ein Können. » Als einen Leidensgenossen zitierte er noch Flaubert : « Mon livre me fait beaucoup de douleurs ! »256 Vierzehn Jahre später las er Ähnliches bei Tolstoi. Die Alterstagebücher seines Meisters zeigten ihm mit plastischer Kraft , dass Leiden die Kehrseite der künstlerischen und menschlichen Vitalität Tolstois gewesen war. Im Oktober 1896 notierte Tolstoi : « Erinnere dich , wenn du leidest , daß dein Leiden kein Übel ist , von dem du dich zu befreien wünschen mußt , sondern daß das Leiden die eigentliche Aufgabe des Lebens ist. »257 Thomas Mann hat auch diese Tagebuchstelle angestrichen.
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Tolstoi, Goethe und die Republik: Drei Mythen (1919–1922) Es war das klügste , den Dingen ihren Lauf zu lassen , und es war hauptsächlich höchst angenehm. Thomas Mann , Der Tod in Venedig
… Der Glücklichste denke , zum Streite Immer gerüstet zu sein , und jeder gleiche dem Krieger , Der von Helios’ Blick zu scheiden immer bereit ist. Goethe , Achilleis258
Thomas Manns allmähliche Integration in die « neue Zeit » begann kurz nach deren Anbruch. Seine äußere Anpassung bestand in der Suche nach einem korrekt-loyalen Bürgerstatus. Für die innere Anpassung brauchte er eine seelische und ästhetische Begründung der neuen Verhältnisse. Das Kaiserreich , dessen Bild er in Königlicher Hoheit beseelt und zu einem imaginären Kleinstaat namens Grimmburg verwandelt hatte , existierte nicht mehr. Stabilität empfand Thomas Mann nur auf dem Boden der Synthese. Eine Verknüpfung der « neuen Zeit » mit seiner persönlichen « Grimmburg » sollte ihm nunmehr zum Gleichgewicht verhelfen. Die Politik der siegreichen Westmächte empörte ihn nach wie vor. Er bildete sich ein , den Kommunismus beinahe zu lieben , soweit dieser « Entente-feindlich ist ». In seiner erregten Fantasie entstand ein Bild , das nicht einer grotesken Komik entbehrte : Er sei imstande , « auf die Straße zu laufen und zu schreien ‹ Nieder mit der westlichen Lügendemokratie ! Hoch Deutschland und Rußland ! Hoch der Kommunismus ! ›»259 Auch mit der kommunistischen Idee an sich , die ein aktueller Ausdruck der « neuen Zeit » war , versuchte er sich anzufreunden. Das Ergebnis waren scholastische Theorien , die aus seiner Feder stammten : Die kommunistische Zukunft sei eine Synthese von Reaktion und Aufklärung ,260 das Ziel des Kommunismus sei « d ie Vermenschlichung und 76
Entgiftung der Welt durch ihre Entpolitisierung ». Vor der « Proletarierkultur » freilich bekreuzige sich der Ästhet doppelt und dreifach …261 Es ist bekannt , wie Thomas Mann mit seinen Quellen umging : Er holte sich aus ihnen das , was ihm ins Konzept passte.262 Mit Erscheinungen des politischen Lebens verfuhr er offenbar ähnlich , wenn es ihm darauf ankam , in eine rettende Illusion zu fliehen. Neben dem abstrakten Theoretisieren musste er sich mit konkreten Gefahren auseinandersetzen , die der revolutionäre Alltag von 1919 mit sich brachte. Außerdem erfuhr er einiges über die wahren Zustände im Sowjetstaat : Das war eine « Schreckens- und Willkürherrschaft. »263 Thomas Mann wog sich in der Gewissheit , dass in der « Heimat Goethe’s » die Verhältnisse sich nicht so radikal zuspitzen würden. Erleichtert aufatmen konnte er trotzdem erst nach der Wiederherstellung der gewohnten « bürgerlichen » Ordnung. « Die Münchener kommunistische Episode ist vorüber ; » , hielt er am 1. Mai 1919 im Tagebuch fest , « es wird wenig Lust vorhanden sein , sie zu erneuern. Eines Gefühls der Befreiung und Erheiterung entschlage auch ich mich nicht. Der Druck war abscheulich. »264 1881 hatte sich Tolstoi für eine Begnadigung der Zarenmörder eingesetzt. Thomas Mann hätte die Anführer der « Roten » gerne als Schädlinge erschossen gesehen ,265 aber als ihre Bestrafung direkt infrage stand , unterzeichnete er einen Aufruf zur Milde. Die Arbeit am Zauberberg , die Thomas Mann zehn Tage vor dem Fall der Räte-Republik wiederaufgenommen hatte ,266 nahm ihn nun ganz in Anspruch. Die neuzeitliche nationale Struktur , die mit seiner persönlichen « Grimmburg » verknüpft werden sollte , kristallisierte sich indes langsam heraus. Ein Beispiel seines unpolitischen Denkens in politicis jener Zeit ist der Tagebucheintrag vom 16. März 1920. Im Separatismus und in der Auflösung des Reiches als seiner unvermeidlichen Folge vermutete er die Richtung , « in der die deutschen Dinge laufen ». Das war eine Perspektive , die damals ein Patriot als Tragödie hätte empfinden müssen. Doch Thomas Mann erblickte in ihr den Keim einer positiven Zukunftsentwicklung : Über die Auflösung führe der Weg zu Großdeutschland , das Reich könnte wieder « Idee , Traum , Hoffnung » werden.267 Im vorwilhelminischen Nationaltraum schwebte ihm ein zukunftweisendes geistiges Ideal vor. So wie er – in Erwartung , dass alles « ganz anders wird » , – die Scherben seiner Würde und Strenge zusammenfügte , sollte sich das Vaterland aus den Scherben neu zusammenfügen. In my end is my beginning.
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Über die Bedrohung des Kulturabendlandes durch « asiatisches Chaos » hatte sich Thomas Mann schon vor dem Weltkrieg Gedanken gemacht. Indem er Aschenbach ausgerechnet vom fremden Gott Dionysos in den Tod reißen ließ , mythologisierte er die Ängste , die das dekadente Zeitalter beherrschten.268 In den ersten Nachkriegsjahren bekam seine « Asiatismus »-Idee neue Anregungen , unter anderem von Ernst Bertram.269 Durch Nachrichten aus dem Sowjetland musste er sie bestätigt sehen : Es ging ja um revolutionäres Chaos und Bedrohung der Kultur. « In der letzten Zeit » , schrieb er an Paul Eltzbacher am 16. Juni 1919, « gewann ein gewisser – ich möchte sagen humanistischer Widerwille gegen das mongolenhaft-kulturrasierende , antihistorische , antieuropäische und krank-extatische ( ‹ expressionistische › ) Wesen des Bolschewismus bei mir wieder die Obenhand … ».270 Kurz davor war es eine « Kirgisen-Idee des Rasierens und Vernichtens » , die ihm Sorgen machte.271 Der « Asiatismus » hatte auch eine künstlerisch produktive Seite : Er sollte in den werdenden Zauberberg mit eingehen. Mitte Juni 1919 besuchte Thomas Mann – « Clawdia’s wegen » – zwei russische Tanzveranstaltungen und machte flüchtig die Bekanntschaft der ihn « am meisten interessierenden Tänzerin mit schiefen Augen. » – « Eine gute Mme Chauchat » , kommentierte er lakonisch.272 Die Beschäftigung mit dem « Asiatismus » brachte Thomas Mann ins Vorfeld des Vortrages über Goethe und Tolstoi. Zur gleichen Zeit wurde auch sein Tolstoi-Mythos neu belebt. Stefan Zweigs 1920 erschienenes Buch , das ein Essay über Dostojewski mit einschloss ,273 veranlasste ihn zu einem Vergleich zwischen Dostojewski und Tolstoi. Der Letztere , schrieb er an Zweig , stehe seinem , Thomas Manns , epischen Ideale näher. « Tolstoi , der Seher des Leibes » , erklärte er , « steht in der homerischen Ahnenreihe , auf die meine schmächtige Modernität ehrfürchtig , aber mit einer gewissen – Verzeihung für das Wort – Vertraulichkeit zurückblickt. In Dostojewskij konnte ich kaum je etwas anderes , als ein völlig extraordinäres , wildes , monströses und ungeheuerliches Ereignis außerhalb aller epischen Überlieferung sehen. [ … ] Das ist eine ganz andere Welt als die plastisch-epische ; Tolstoi , dessen Moralistentum sogar noch etwas kindlich Sinnliches hat , wußte nicht viel davon. »274 Das erinnert an Thomas Manns erste öffentliche Stellungnahme zum Autor von Anna Karenina aus dem Jahr 1908. Dieser habe , hieß es damals , auf ihn gewirkt , « wie eine so ungeheure plastische Kraft auf jeden Künstler wirken muß : erschütternd , stärkend , die Ansprüche steigernd. »275 Nun ordnet er Tolstoi der großen epischen Tradition zu , aus der – so könnte man den Abschnitt aus dem 78
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Brief an Stefan Zweig deuten – seine dekadente Modernität « Kraft und Erfrischung » schöpft. Dagegen mutet Dostojewskis grausame Seelenzergliederung destruktiv-« expressionistisch » an und vermag – im Gegensatz zur plastischepischen Welt – den Bedürftigen nicht zu stärken. Thomas Manns Tolstoi-Mythos wurde auch durch das russische Element belebt , das sich in der jungen Weimarer Republik bemerkbar gemacht hatte. Gegen Anfang der Zwanzigerjahre erreichte die Flüchtlingswelle aus dem Sowjetland einen Höhepunkt. Die Anzahl der Exilrussen in Deutschland dürfte um 1922 bei 350000 gelegen haben.276 Viele von ihnen trugen ihre russische Kultur , aus der Tolstoi nicht wegzudenken war , in sich und bildeten , vor allem in Berlin und München , eine einzigartige geistige Gemeinde. Alexander Eliasberg war nicht mit dieser Flüchtlingswelle nach Deutschland gekommen , da er schon seit 1905 in München lebte. Aber als Philologe und Übersetzer , der dem deutschen Publikum die russische Kunst und Literatur vermittelte , hatte auch er in der Kultur-Diaspora seinen festen Platz. Mit Thomas Mann befreundet , bat er ihn Ende 1920 die Einleitung zu einer Sammlung russischer Prosa zu schreiben. Die daraufhin entstandene Russische Anthologie Thomas Manns wurde aus der Erinnerung an die Jahre der Buddenbrooks und des Tonio Kröger heraus geschrieben. Mit Nostalgie zeichnet er darin einzelne Stationen seines Jugendmythos der russischen Literatur auf : Das nicht stattgefundene Tolstoi-Erlebnis bei einem Friedenskongress , die vom Krieg vereitelte Reise nach Russland , das Ausbleiben des angekündigten Besuchs durch Mereschkowski. Aus Angst , den Mythos zu gefährden , hatte Aschenbach seinen Angebeteten kein einziges Mal angesprochen. Thomas Manns Jugendmythos der russischen Literatur ( und insbesondere sein Tolstoi-Mythos ) fürchtete sich vor Alltäglichkeit. Das Schicksal sorgte für seine Erhaltung , denn jeder der Annäherungversuche Manns an die « mythische Sphäre » wurde – wie er mit melancholischem Humor berichtet – immer durch einen Zufall abgewendet.277 Wie ein Tolstoi-Mythos zugrunde gehen kann , erfuhr Thomas Mann am Beispiel eines anderen feinnervigen Künstlers , der auf seinem Gebiete Tolstoi ebenbürtig war : Peter Tschaikowski. Mit Hinweis auf Briefe und Tagebücher des großen Komponisten berichtet Birukof , dass dieser ursprünglich einen wahren Kultus mit dem Namen Tolstois getrieben habe. Der Dichter war ihm als Halbgott erschienen. Auch nach der persönlichen Bekanntschaft blieb Tschaikowski von Tolstois « idealer Persönlichkeit » begeistert. Nach einiger Zeit jedoch kam es zu einer Enttäuschung und schließlich Entmythisierung. « Tscha1919–1922
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jkowski » , schreibt Birukof , « hatte sich zu sehr daran gewöhnt , sich aus der Ferne vor seinem Gott zu neigen , um diesen Kultus aufrechterhalten zu können , sobald er das Götzenbild in die Hand bekam und sehen konnte , wie und woraus es gemacht war , welche Fehler es hatte u. s. w. Es tat Tschajkowski weh , bei näherer Bekanntschaft seinen Glauben an ihn zu verlieren [ … ]. »278 Die Beziehungen zwischen den beiden brachen dann für immer ab. Einen besonders wichtigen Impuls bekamen Thomas Manns Tolstoi-Mythos und auch sein künftiger Vortrag Goethe und Tolstoi durch die Erinnerungen Maxim Gorkis. Zum ersten Mal wurden sie am 28. August 1920 im Tagebuch als « äußerst interessanter Aufsatz Gorki’s über Tolstoi » erwähnt.279 Es scheint , dass Thomas Mann sie gelesen , registriert und beiseite gelegt hat , bis sie im Juni des nächsten Jahres als Quelle an die Reihe gekommen sind. Das Bild von Tolstoi , das in den Erinnerungen übermittelt wurde , stand mit Thomas Manns Mythos im Einklang. Mit einer stellenweise hymnischen Intonation besang Gorki Tolstois Größe : « Der Gedanke , der am häufigsten und am sichtbarsten an ihm nagt , ist der Gedanke an Gott. » – « In Jasnaja Poljana schien er mir ein Mann , der alles wußte und nichts mehr zu lernen hatte – ein Mann , der jede Frage erledigt hatte. » – « Wäre er ein Fisch , er würde gewiß nur im Ozean schwimmen , nie nach den engen Meeren und vor allem nicht nach den seichten Gewässern der irdischen Flüsse kommen. » – « [ … ] ich sehe , was für eine ungeheure Summe Leben in diesem Manne verkörpert war , wie unmenschlich klug er war , wie erschreckend. » – « Er kam hervor , ziemlich klein wirkend , und sogleich wirkte jeder um ihn kleiner als er. » – « Der alte Magier steht vor mir , ein Fremder allen , ein einsamer Wanderer durch die Wüsten des Denkens auf der Suche nach einer allumfassenden Wahrheit , die er nicht gefunden hat [ … ]. » – « [ … ] schon sein Name verrät die Kraft seines Innern [ … ]. »280 Gorki bestätigte das , was Thomas Mann spätestens 1903 von Mereschkowski erfahren hatte ,281 und zwar Tolstois Todesfurcht. « Sein Leben lang » , steht in den Erinnerungen , « hat er den Tod gehaßt und gefürchtet , sein Leben lang pochte in seiner Seele das ‹ arsamassische Grauen › – würde er sterben müssen ? » Was an Tolstois Ausstrahlung zuweilen doch den Eindruck einer Sympathie mit dem Tode hätte erwecken können , war , so Gorki , nichts anderes als ein Spiel. « Manchmal » , schreibt er , « sah es so aus , als spiele dieser alte Hexenmeister mit dem Tod , liebäugele mit ihm , versuche ihn irgendwie zu hintergehen , während er vorgab : ‹ Ich fürchte mich nicht vor dir , ich liebe dich , ich sehne mich nach dir ›. »282 80
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Diese Bestätigung der Antipathie gegen den Tod bei Tolstoi kam Thomas Mann sehr gelegen. Sie traf seine Sehnsucht nach einem positiven Lebensgefühl : nach einer sicheren « Grimmburg » innerhalb der unruhigen neuen Welt. Bei Mereschkowski ebenso wie bei Birukof hatte Thomas Mann über die «Volkstümlichkeit » Tolstois gelesen.283 Gorki bestätigte diese Idee nicht nur , sondern ergänzte sie auch : Er führte Tolstois « Zivilisationsfeindlichkeit » , insbesondere seinen Skeptizismus gegenüber moderner Wissenschaft , auf den russischen Nationalcharakter zurück.284 Seine sozial-religiösen Lehren seien , meinte Gorki , « der ungesunde Gärstoff des alten russischen Blutes , das durch mongolischen Fatalismus vergiftet und beinahe chemisch feindselig gegen den Westen [ … ] ist. »285 Das passte in Thomas Manns Muster des mongolen- bzw. kirgisenhaften « Asiatismus » und bestimmte die Konzeption von Goethe und Tolstoi wesentlich mit. Nach all dem Negativen , was der russische Westler Gorki hier über Russland geschrieben hatte , müsste er für Thomas Mann als radikaler Zivilisationsliterat und somit als nicht unbedingt vertrauenswürdige Quelle gelten. Aber er bestätigte teilweise Manns eigene Gedankengänge und wurde von ihm als einer der « Sachverständigen » für den werdenden Vortrag herangezogen. Ursprünglich , Ende März 1921, wollte er in Lübeck über Knut Hamsun referieren , dessen symbolhafter Optimismus ihn auch stärkte. Einen Monat später hat er sich für das andere Thema entschlossen.286 « Im Jahre 1921 » , resümiert Hans-Joachim Sandberg , « konnte Thomas Mann seine Situation eindringlicher durch die Behandlung des Themas Goethe und Tolstoi klären als durch die des Themas Hamsun , nicht zuletzt im Hinblick auf den Prozeß der Wandlung , dem er sich zu stellen hatte. »287 Am 22. Juni begann er mit der Niederschrift des Vortrages und zugleich mit der Wiederlektüre Gorkis.288 In dieser neuen Arbeit Manns bekamen beide Dichter – Tolstoi wie Goethe – bestimmte Rollen zugeteilt. Die Rolle , die Tolstoi zu spielen hatte , ging vorwiegend auf die durch Gorki gelieferten Ideen und Bilder zurück. Aus dem Vergleich beider fortlebenden Geister sollte sich Thomas Manns neue « unpolitische » Utopie ergeben – eine Verknüpfung der Republik mit des Dichters persönlicher « Grimmburg ». Wieder einmal aus dem Geiste der Musik geboren , wurde sie am 4. September 1921 in den letzten « Takten » seines Vortrages der Lübecker Zuhörerschaft präsentiert : Das Deutschland unserer Hoffnung wird sich vom Reiche der Sarmaten und Bolschewisten unterscheiden , wie Goethescher Geist von Tolstoischem. [ … ] Es wird nicht
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asiatisch sein und wild , sondern europäisch , das heißt begabt mit dem Sinn für Gliederung , Ordnung , Maß , und bürgerlich immer noch in der ältesten , würdigsten , der mittelalterlich-deutschen Bedeutung , d. h. kunstreich und gebildet durch Sachlichkeit. Deutschland als Kultur , als Meisterwerk , als Verwirklichung seiner Musik ; Deutschland , einer klugen und reichen Fuge gleich , deren Stimmen in kunstvoller Freiheit einander und dem erhabenen Ganzen dienen ; ein vielfacher Volksorganismus , gegliedert und einheitlich , voll Ehrfurcht und Gemeinsamkeit , Echtheit und Gegenwart , Treue und Kühnheit , bewahrend und schöpferisch , arbeitsam , würdevoll , glücklich , das Vorbild der Völker – ein Traum , der Wert ist , geträumt , der wert ist , geglaubt zu werden.289
Wie die berühmte Russland-Ode aus Gogols Die toten Seelen ,290 war dieses Bild vor allem ein romantisches Liebesbekenntnis des Dichters zu seinem Vaterlande. Vier Jahre später , schon als etablierter Vernunftsdemokrat , arbeitete er die in Lübeck vorgetragene Rede-Fassung auf.291 Die Essay-Version von Goethe und Tolstoi von 1925 ist ausführlicher , systematischer und bietet einen besseren Einblick in die mythischen Bilder ihres Autors , die im Wesentlichen unverändert geblieben sind. Deswegen wird sich mein Kommentar auf diese Version beziehen. Wie führte der Vergleich beider fortlebenden Geister zur neuen Utopie Thomas Manns ? Die Nebeneinanderstellung von Goethe und Tolstoi begründete er mit ihrer Naturgebundenheit. « Die Natur » , schreibt er , « war sein [ Tolstois ] Element , wie sie das Element , die geliebte gütige Mutter Goethes war [ … ]. » Wie äußerte sich das in ihrem Werk ? Ihr Talent sei plastische Schöpfung , meint Thomas Mann. In einem weiteren Abschnitt erklärt er : « Plastik ist objektive , naturverbundene und schöpferische Anschauung , Kritik dagegen die moralisch-analytische Haltung zum Leben und zur Natur. Mit anderen Worten : Kritik ist Geist , während die plastische Gesinnung Sache der Natur- und Gotteskinder ist. »292 In dieser Qualität werden Goethe und Tolstoi einem anderen Namenspaar entgegengesetzt : Schiller und Dostojewski. Für die « überwahre Schattenwelt » des Letzteren hat Thomas Mann ein « kunstphilosophisches Schlagwort » parat : Expressionismus. « Wirklich ist das , was wir Expressionismus nennen » , schreibt er weiter , nur eine späte und stark mit russischer Apokalyptik durchsetzte Form des sentimentalen Idealismus. Sein Gegensatz zur epischen Kunstgesinnung , der Gegensatz von An-
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schauung und wilder Vision , ist weder neu noch alt , er ist ewig. Er ist in Goethe und Tolstoi einerseits , in Schiller und Dostojewski auf der anderen Seite vollkommen ausgedrückt. Und ewig wird die Ruhe , Bescheidenheit , Wahrheit und Kraft der Natur gegen die groteske , fieberhafte und diktatorische Kühnheit des Geistes stehen.293
Dieser Gegensatz drückt auch die eigene aktuelle Situation Thomas Manns vollkommen aus. Er war gerade bemüht , sein inneres Leben auf Ruhe , Stabilität und Optimismus hin umzugestalten. Die beiden « Natur- und Gotteskinder » – nicht ihre Gegenspieler , « die Kinder des Geistes » – sollten ihm bei der Bekämpfung des Todesgedanken zur Seite stehen. In diesem Vortrag bzw. Essay begegneten sich erstmals die zwei wohl wichtigsten Mythen , die in Thomas Manns Brust wohnten : der ältere Mythos , Tolstoi , und der jüngere – Goethe. Tolstoi blieb nach wie vor eine Symbolfigur für die epische Urkraft , für « Lebenskraft und Frische » , für die Fähigkeit , sich große Aufgaben zu stellen und mit Problemen bis zur Erschöpfung zu ringen.294 Mann ließ den russischen Dichter auch die Rolle eines Imitators spielen. Hinter bestimmten Ideen oder Verhaltensweisen Tolstois sah er die seelische Problematik , die für ihn selbst quälend aktuell war. So betonte er , dass am Anfang des Tolstoi’schen Sozialismus « die intimste und persönlichste Not , die tiefste Sorge um das eigene Seelenheil steht ».295 In Gereiztheit und Grobheit , meinte er , äußere sich bei dem jungen Tolstoi « [ d ]ie unaufhörliche , qualvolle Mühe , das zu gestalten , was er seine Lebensauffassung nennt , zur Wahrheit und Klarheit , zum inneren Frieden zu gelangen. »296 Das ewig Intime und Persönliche , die Sorge um das eigene Seelenheil , die Mühe , zum inneren Frieden zu gelangen , – das waren Begriffe aus Thomas Manns privater Leidenswelt. Er schrieb damit auch von sich selbst und rechnete Tolstoi « organisch » seinen Leidensgenossen zu. Der Stern Goethes als Gegenfigur des modernen Gedankens mit dessen « Kraßheit , Krampfhaftigkeit und Schwärmerei »297 ging bei Thomas Mann ungefähr nach dem Ende des Weltkrieges auf. Im Essay wurde Goethe ebenfalls in mythische Strukturen eingebunden. Tolstoi hätte gar nichts zu tun brauchen , nur da zu sein – und der Krieg hätte es nicht gewagt , auszubrechen. Goethe – da berief sich Thomas Mann auf Wilhelm von Humboldts Worte – habe « gleichsam ohne alle Absicht , unbewußt , bloß durch sein Dasein » mächtigen Einfluss geübt.298 Seinem Freund Schiller habe er wiederum « durch sein bloßes Sein , also unbewußt und unwillkürlich » vieles gegeben.299 Aschenbach , dessen Welt auf Selbstzucht beruhte , war ursprünglich als Goethe in Marienbad 1919–1922
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gedacht worden. Im Essay betonte Thomas Mann « wirkliche Entsagung , Beschränkung , Zucht und Selbstbändigung » , die Goethes Kulturarbeit bedingte.300 Mehr noch , es hieß : « seine Gestalt , sein Standbild , wie es heute der Nation vor den Augen steht , ist Werk der Entsagung. Wir reden nicht allgemein » , fuhr Thomas Mann fort , « nicht von dem Opfersinn , der Sinn aller Kunst ist , nicht von dem Kampf mit dem Chaos , dem Verzicht auf Freiheit , der schöpferischen Bescheidung , die das innere Wesen des Werkes ausmacht. Goethes Entsagungspathos [ … ], sein Entsagungsethos ist persönlichere Art , ist Schicksal , ist der Instinkt-Befehl seiner besonderen nationalen Sendung … »301 Thomas Manns Goethe tritt hier in Aschenbachs Fußstapfen – mit der Ausnahme des süß-tragischen Ausrutschers ins Chaos. Dies wurde zum Auftakt für Manns eigene mythische Goethe-Imitation , die er sein weiteres Leben lang betrieben hat.302 In dem Gegensatz der Dichter-Paare Goethe / Tolstoi und Schiller / Dostojewski äußerte sich also Thomas Manns Neuorientierung zu Ruhe und Optimismus. Ausschlaggebend für seine neue Utopie war aber der Vergleich seiner beiden Eideshelfer , der « Naturkinder » , miteinander. Dieser Vergleich fiel zu Ungunsten Tolstois aus , den Thomas Mann konsequent ins Muster des « Asiatismus » zwängte. Das Bündnis , zu dem Thomas Mann Goethe und Tolstoi vereint hatte , erwies sich bei näherer Einsicht als nur taktisch. Außerhalb des Gegensatzes zu Schiller-Dostojewski trennten sich ihre Wege. Goethes Naturgebundenheit erlangte bei Thomas Mann schließlich hochhumanistische Flügel , während diejenige Tolstois auf animalische Wurzeln zurückgeführt wurde. So schreibt er , dass Tolstois « Selbstverchristlichung und Selbstkanonisierung eines bis zur Göttlichkeit naturgeliebten Menschen- und Künstlertums [ … ] ein recht ungeschickter Vergeistigungsversuch und [ … ] für die Betrachtung eher peinlich als beglückend , im Vergleich mit der hohen Bemühung Goethe’s » war.303 Die Natur war das Element beider Dichter , steht in einem weiteren Kapitel , und Tolstois « beständiges Zerren an dem Bande , das ihn unzerreißbar mit ihr verknüpfte , sein verzweifeltes Wegstreben von ihr zum Geist , zur Moral , von der Plastik zur Kritik hat viel Ehrwürdig-Erschütterndes , während doch auch etwas Peinliches , Quälendes und Beschämendes darin liegt , das in Goethe’s Wesen nicht vorkommt. »304 Der « animalische[ ] Übermut » , den man bei Tolstoi bis ins hohe Alter beobachten konnte , sei « ohne die Würde , Gemessenheit , repräsentative Gehaltenheit von Goethe’s Spätzeit. [ … ] wer sollte zweifeln » , folgt die rhetorische Frage Manns , « daß Goethe das Leben ernster , schwerer , 84
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vorbildhafter geführt hat als der slawische Junker ; daß seine Kulturarbeit im Grunde viel mehr wirkliche Entsagung , Beschränkung , Zucht und Selbstbändigung bedingte als Tolstois radikalistisch-hilfloses , im Halbwilden und Absurden steckengebliebenes Vergeistigungswerk ? Tolstois Adelsanmut war , wie auch Gorki sie schildert , die eines edlen Tieres. »305 In einem anderen Kapitel des Vortrages geht Thomas Mann auf eine Episode aus Gorkis Erinnerungen ein. Tolstoi wurde darin mit nahezu mystischer Ehrfurcht beschrieben. « Diese Tolstoi’sche Größe und Einsamkeit » , kommentiert Mann , « ist urheidnisch-wilder Art , vor aller Gesittung gelegen. Es fehlt ihr das humanistische Element , das menschliche. [ … ] Die humanistische Göttlichkeit Goethe’s wird hier deutlich zu etwas anderem als die urheidnisch-ungebildete Göttlichkeit Tolstois … »306 Die anschließende Bemerkung Manns , in der Tiefe bleibe die Gemeinschaft beider Geister doch bestehen , ändert an der Essenz des Vergleichs nichts : Die Kultur und die höhere Menschlichkeit gehörten zu Goethe. Das Substantiv Bärenkraft als Bestimmung des Tolstoi’schen Talentes gebraucht Thomas Mann auf drei aufeinander folgenden Seiten vier Mal.307 Es muss ihm als Charakteristik des nationalen Wesens von Tolstoi sehr treffend vorgekommen sein. « … [ E ]s ist klar genug » , schreibt er , « daß diese Bärenkraft eines Wesens ist mit seinem Stockrussentum , seiner ungeheuren völkischen Echtheit , seinem heidnischen Natur-Aristokratismus … » Von hier schlägt er den Bogen zu Tolstois « gewaltige[ r ] Östlichkeit » , welche die westeuropäische Fortschrittsidee auf eine spöttische Art und Weise ablehnte. Wohl in Anbetracht seines eigenen früheren Engagements gegen das « Westlertum » deutet Thomas Mann kurz auf eine Verwandtschaft dieser « Östlichkeit » mit einem deutschen Individualismus hin. Aber der Bereich , den er hier seinem russischen Kollegen zuweisen wollte , war klar genug umrissen : ein Nicht-Europa , eine Nicht-Zivilisation , eine Nicht-Humanität. « Tolstoi » , schreibt Thomas Mann , « protestiert gegen die in seinen Augen naïve Verwechslung europäischer , das heißt westeuropäischer Menschlichkeit mit der Gesamtmenschheit , und in diesem Protest bekundet sich die Richtung seines Blickes nach Osten , sein Asiatismus mit einem Wort , der anti-petrinisch , urrussisch-zivilisationsfeindlich , kurz : bärenmäßig ist. Was wir vernahmen , war die Stimme des russischen Gottes auf dem Ahornthron unter der goldenen Linde. »308 Einige Jahre zuvor war Thomas Mann selbst ein proklamierter Gegner des Fortschrittsglaubens und des westeuropäischen Universalanspruchs. Außerdem war Tolstois « Protest » , objektiv gesehen , durchaus plausibel begründet. 1919–1922
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Dennoch kommt es Thomas Mann hier nicht darauf an , sich der fortschrittsfeindlichen Einstellung Tolstois anzuschließen bzw. mit ihr zu polemisieren. Er qualifiziert sie gemäß seinem aktuellen Ziel , und darin bekundet sich die Richtung seines Blickes : nach einem Frieden mit der Gegenwart. Thomas Manns Umgang mit Quellen verdient hier abermals Aufmerksamkeit. Tolstois Talent sei von Bärenart und -kraft , zitiert er und beruft sich auf Iwan Aksakov als Quelle.309 Das Urteil Aksakovs wurde im Bericht einer anonymen Zeitgenossin angeführt , der seinerseits in der Tolstoi-Biographie Birukofs wiedergegeben wurde. Dort hat es Thomas Mann auch gelesen. Dass dieser Staffellauf die Genauigkeit der Aussage einigermaßen infrage stellt , hätte er – theoretisch – vermuten können. Was er allerdings nicht wissen konnte , war , dass die Übersetzung teilweise fehlerhaft war. Der entsprechende Abschnitt ist nicht nur wegen der Bestimmung des Tolstoi’schen Talentes , die Thomas Mann so gefiel , wichtig. Er enthält auch eine Charakteristik des russischen Dichters in nationaler Hinsicht , die Mann ebenfalls mit vereinnahmt hat. Aus dem Russischen genau übersetzt lautet dieser Abschnitt so : « Auf ihn [ Tolstoi ] hatte der Westen keinerlei Einfluß gehabt , er ist ein rein russischer Mensch , gebildet und nachdenklich. I. S. Aksakov sagte über ihn , er habe ein ‹ Bärentalent › wegen dessen Riesenkraft … »310 In der deutschen Übersetzung der Birukof ’schen Biographie , die Thomas Mann benutzte , stand : « Auf ihn hat Europa keinerlei Einfluß gehabt , er ist ein echter Russe , nur gebildet und nachdenklich. J. S. Aksakof sagte von ihm , sein Talent sei ‹ von Bärenart und Kraft › … »311 Abgesehen von einigen kleineren Unkorrektheiten , fällt hier auf , dass das vom Übersetzer willkürlich eingesetzte nur den Sinn der Aussage komplett entstellt. Thomas Manns kritisches Urteil geht freilich noch weiter : In der Nachfolge Turgenjews312 findet er Tolstoi schlechthin ungebildet , ohne dies mit seinem Russentum in Verbindung zu bringen. Ähnlich leger geht er auch mit anderen Quellen um. Für seine Einordnung Tolstois in ein bärenmäßiges « Asiatentum » hatte er einige Anregungen von Mereschkowski , Birukof und Spengler bekommen. Was den Letzteren betrifft , so hat sich seine Russentum-Theorie im zweiten Band seines Hauptwerkes , Der Untergang des Abendlandes , der 1922 erschienen ist , erst recht entfaltet. In wesentlichen Punkten korrespondiert sie mit Thomas Manns Theorie des « Asiatismus » , wobei Tolstoi , im Gegensatz zu Mann , von Spengler als Petrinist , d. h. Anhänger des gewaltsamen Anschlusses von Russland an die westeuropäische Zivilisation , gesehen wird.313 Diese Sicht war für Thomas Mann nicht 86
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ganz einleuchtend , denn er unterstrich den Satz Spenglers : « Tolstoi ist mit seinem ganzen Innern dem Westen verbunden » und setzte am Rand ein Fragezeichen. Im gleichen Abschnitt vom Untergang des Abendlandes unterstrich er einen weiteren Satz , dem er vermutlich schon eher folgen konnte als dem vorher zitierten : « Er [ Tolstoi ] haßt es [ Europa ] in sich , er haßt sich. Er wird damit der Vater des Bolschewismus. »314 Aber noch wichtiger für Goethe und Tolstoi waren die Erinnerungen Gorkis. Bemerkenswert ist , dass Thomas Mann seine Betrachtungen auf der Basis sehr subjektiver , eigentlich mythischer Bilder , die Gorki liefert , formuliert : Tolstoi gleiche einem russischen Gott « auf dem Ahornthron unter der goldenen Linde » ; er erscheine dem Beobachter « wie ein uralter lebendig gewordener Stein ». All das zeugt davon , wie wichtig Thomas Mann die Hauptbotschaft seines Essays war. Auf der Konstruktion Mythos Goethe gegen Mythos Tolstoi , der noch um die « Östlichkeit » ad hoc ergänzt wurde , sollte ein dritter Mythos aufgebaut werden : Tonio Krögers und Aschenbachs Deutsche Republik. Das Deutsche Kaiserreich hatte er während des Krieges zu einer persönlichen « Grimmburg » vergeistigt. Das war eine aus dem Geiste der Musik und Kultur geborene Utopie , die zu verteidigen er sich berufen fühlte. Aus dem selben Geist entstand nun mithilfe von Mythen die neue Utopie. « Dieser Geist » , schrieb er , « ist der Geist der Musik , der Kultur , des ‹ gesetzlichen Zusammenwirkens › , wodurch allein zuletzt ‹ das Unmögliche › , das heißt der Staat als Kunstwerk , möglich wird ; es ist ein aller Wildheit ferner und entgegengesetzter , man möchte sagen dürfen : es ist deutscher Geist. »315 Das klang zwar immer noch romantisch , aber nicht so abgehoben wie die Schlussakkorde des Lübecker Vortrages. Politisch zusammengefasst , sollte das ein deutscher Weg zwischen der liberalen Demokratie der Westmächte und dem « asiatischen » Kommunismus sein , wobei der Letztere aus Manns Sicht eine weitaus größere Gefahr darstellte. Goethe hatte Thomas Mann zum Verbindungsglied zwischen dem « Alten » und dem « Neuen » , d. h. dem Nationalen und dem Universalen , mythologisiert und zur Orientierungsfigur dieses Staates bestimmt. Die Rolle des russischen Dichters ist mit der vergleichbar , die Thomas Mann ihn in den Betrachtungen hat spielen lassen : Der Mythos Tolstoi hat sich 1917 mit Tolstois Funktion als aktuellem Opponenten überschnitten. Thomas Manns Kritik an den religiösen und sozial-politischen Ideen seines großen Meisters hat damals – ähnlich wie in Goethe und Tolstoi – der Abgrenzung des 1919–1922
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deutschen Kulturtyps gedient. Neu ist im Vergleich zu den Betrachtungen das Mythologisieren Tolstois als Repräsentation des « Asiatismus » , das Thomas Mann 1921 bzw. 1925 angesichts der neuen weltpolitischen Lage betrieben hat. Wie jede Utopie existierte dieser Staat als Kunstwerk hauptsächlich im Geist seines Schöpfers. Aber dem Schöpfer ermöglichte sie eine Integration in die Welt , die ihm innerlich doch fremd war. Szenen der Versöhnung und Verklärung im Angesicht des nahenden Todes gehören zu den ergreifendsten , die aus der Feder Tolstois stammen. In Anna Karenina begleiteten Konstantin Lewin und seine Frau Kity den Bruder Lewins , Nikolay , der Schwindsucht im letzten Stadium hatte , in den Tod. Das Verhältnis zwischen den Brüdern war schon seit längerer Zeit schwierig gewesen. Und nun kamen die beiden Jungvermählten , um für den Sterbenden zu sorgen. « Der Kranke hielt des Bruders Hand in der seinen » , steht am Ende eines Kapitels. « Lewin fühlte , daß er etwas mit dieser Hand zu tun wünschte und dieselbe mit sich zog ; erstarrend folgte er derselben. Nikolay führte seine Hand an die Lippen und küßte sie und Lewin erschauerte in Schluchzen und verließ , nicht fähig zu reden , das Gemach. »316 Bald starb Nikolay Lewin , und an seinem Todestag bestätigte sich , daß Kity schwanger war. Das klingt wie Goethes « Stirb und werde. » Anfang 1922 erkrankte der Bruder Heinrich. Thomas Mann berichtete davon in einem Brief an Ernst Bertram : « Grippe , Blinddarm- und Bauchfellentzündung , Operation bei Bronchial-Katarrh , der Lungen-Komplikation befürchten ließ. Auch vom Herzen her drohten Gefahren , und drei , vier Tage lang war die Lage sehr ernst. »317 Katia Mann besuchte die Frau Heinrichs. Thomas Mann schickte ihm « einen Blumengruß und einige Zeilen. »318 Später kam es zu einem Wiedersehen. Die Versöhnung mit dem kranken Bruder war für den Friedens- und Harmoniebedürftigen ein wichtiges Ereignis. Eigentliche Freundschaft mit Heinrich sei kaum denkbar , meinte er im selben Brief.319 Aber er erhoffte sich ein ausgeglichenes , korrektes menschliches Verhältnis mit ihm , einen Weg zwischen Liebe und Hass. Auch darin spiegelte sich seine Neuorientierung. Ein anderes wichtiges Ereignis war der Mord an Außenminister Rathenau durch radikalistische Republikgegner Ende Juni 1922. Politisch motivierten Terror , wie die Erschießung und Verstümmelung von Geiseln durch die « Roten » , hatte Thomas Mann schon in den letzten Tagen der Räte-Republik miter88
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lebt.320 Doch der Fall Rathenau hatte für ihn eine andere Dimension. Gefahren und Grausamkeiten waren Teil des revolutionären Alltags gewesen , während der gewaltsame Tod eines Politikers , den er persönlich kannte , sich in der Friedenszeit ereignete. Das war eine Herausforderung an die Republik , an deren « Beseelung » der Dichter gerade mühsam arbeitete , und somit eine Bedrohung für seine eigene Stabilität. Er entschloss sich zu handeln. « R athenaus Ende bedeutete auch für mich einen schweren Choc » , schrieb er an Ernst Bertram am 8. Juli 1922. « [ … ] Ich leide unter der Verzerrung des deutschen Antlitzes. Ich denke daran , einen Geburtstagsartikel über Hauptmann zu einer Art von Manifest zu gestalten , worin ich der Jugend , die auf mich hört , ins Gewissen rede. »321 Daraufhin entstand sein Aufsatz Von deutscher Republik , den er im Oktober 1922 in Berlin vortrug. Das war ein Aufruf zur Anerkennung der Republik als Tatsache und zur Erfüllung ihrer kosmopolitischen Form mit nationalem Kulturinhalt. Dass dieser Inhalt und diese Form einander nicht ausschlössen , ja sogar nacheinander verlangten , sollte mithilfe einer Zitatkompilation aus Novalis , Walt Whitman , Goethe und anderen Autoren belegt werden. Spenglers Geschichtspessimismus wurde kritisiert. Auf konkrete Fragen der Politik – ausgenommen Rathenaus Tod – und Kultur ging der Aufsatz nicht ein. So brachte Thomas Mann seine « Beseelung » der demokratischen Republik zur Vollendung. Und wie in der Kriegszeit , verteidigte er wieder seine persönliche Utopie. Diesmal tat er das nach einem verlorenen Krieg und vor einem Publikum , das für politische Romantik nicht mehr so empfänglich war , wie vor sechs oder sieben Jahren. Daher war es kein Wunder , dass die Opponenten für seine Abrechnung mit dem Kaiserreich und sein Republik-Engagement wenig Verständnis hatten. Einer von ihnen kommentierte die Berliner Rede folgenderweise : « Er läßt – absichtlich oder unabsichtlich – sich und uns keine Zeit zu distinguieren dort zwischen den Dingen , wie sie hätten sein können und wie sie waren , und hier zwischen den Dingen , wie sie sein sollten und wie sie sind. Er vertauscht und verwechselt Idee und Erscheinung der Dinge , Ideal und Wirklichkeit. Er treibt ein wenig die Fixfertigkeit des Prestidigidateurs , schilt das Gewesene ob seiner unzulänglichen Erscheinung und preist das Neue ob einiger Ideen , die man in seiner Wirklichkeit nicht bemerkt. »322 Thomas Mann empfand sich in dieser Situation wieder als Nationaldichter , der verpflichtet war , der Nation wichtige Wahrheiten zu verkünden. Aus seiner Perspektive war sein Republik-Bekenntnis durchaus konservativer , d. h. erhal1919–1922
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tender Art. Er glaubte , die neue Ordnung – so erklärte er das in seiner Privatkorrespondenz – vor der « expressionistisch-fascistisch » brandenden , « reaktionären Welle » ,323 also vor dem Chaos , zu verteidigen. Der individuelle geistige und seelische Hintergrund seines Auftritts , die symbolhaft abstrakte Präsentation der Republik in seiner Rede machten es der Nation schwer , seine Botschaft zu verstehen. « Man muß sich schon in dem Reizungszustand unseres armen Volkes befinden » , konstatierte er , « um dem Versuch , diesem jammervollen Staat ohne Bürger etwas wie Idee , Seele , Lebensgeist einzuflößen , – mit Schimpf und Wut zu begegnen. »324 Sich von seinem Volk nicht verstanden zu fühlen war für den Nationaldichter eine schwere Last. Die im Dezember 1922 erschienene Bildergalerie zur russischen Literatur gab ihm die Gelegenheit , einen Teil dieser Last auf seine « geliebte Sphäre » zu übertragen. « Da ziehen sie denn vorüber » , schrieb er über die Neuerscheinung , die Genien dieses gewaltig lebenswichtigen Schrifttums , die Träger des russischen Gedankens , Kämpfer und Helden der Seele allesamt , Märtyrer der großen Verantwortlichkeit vor dem Angesichte der Menschheitsidee. Ist es möglich , anders als mit Ehrfurcht und Erschütterung diese Bogen zu durchblättern ? Mit einer sehr persönlichen und intimen Erschütterung , will ich hinzufügen. Denn ist unser Verhältnis zu dieser leidvollen ( und dabei fast immer humoristischen ) Sphäre , zu all diesen Betern und Mahnern , Richtern , Büßern , Gottsuchern und Satirikern nicht sehr viel intimer und brüderlicher geworden seit kurzem , durch unser eigenes Erleben und Schicksal , durch das , was ich unsere ‹ Republikanisierung › genannt habe , und was mit Staatsform wenig zu tun hat , – dadurch , meine ich , daß auch wir nun vor Aufgaben gestellt , daß auch auf unsere Schultern Lasten gelegt sind , denen die Stärksten unter ihnen kaum gewachsen waren ? Schöpfen wir Mut und brüderlichen Trost aus dem Anblick ihrer Menschengesichter ! Stärken wir uns in der Betrachtung der mächtigen Miene des arbeitenden Tolstoi !325
Wie nicht selten zuvor , ersann er für russische Kollegen ein Leidens- und Belastungsmuster , das seinen eigenen Leiden und Lasten entsprach. Bei der Lösung seiner Aufgaben ließ er Tolstoi je nach Bedarf und Sachlage verschiedene Rollen spielen : mal einen Antagonisten , mal einen Oppositionsmann. Aber eine Hauptrolle als Spender von Lebenskraft blieb für seinen großen Meister unter allen Umständen und bei allen Wendungen reserviert.
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Tolstoi, Goethe und die Republik: Drei Mythen
Settembrini gegen Tolstoi. Der Zauberberg (1922–1924) Russen und Abendländer haben ein grundverschiedenes Zeitgefühl. [ … ] Der Russe hat endlos Zeit , weil er die lebendige Gewißheit in sich trägt , daß er ein endloses Wesen ist. Der Engländer will am Mitmenschen profitieren , der Franzose will ihm imponieren , der Deutsche will ihm kommandieren , der Russe allein will nichts. Er will den Nächsten nicht zum Mittel machen. Walter Schubart , Europa und die Seele des Ostens326
Gli italiani sono la versione comica dei russi e i russi sono la versione tragica degli italiani. Ein italienischer Spruch
Das Davoser Lungensanatorium Berghof führte mit großem Recht das Beiwort international in seinem Schilde. Seine Gäste kamen wenn nicht aus aller Herren Länder , dann wenigstens von allen Kontinenten. Afrika wurde von einer extravaganten ägyptischen Prinzessin repräsentiert. Als Asiens Abgesandte tauchten mal ein junger Chinese namens Doktor Ting-fu , mal ein Bucharier und ein Kurde auf. Am zahlreichsten war Europa vertreten. Im Sanatorium begegneten sich Exponenten aller seiner Teile : Ost und West , Nord und Süd. Das war die Bühne , auf der Thomas Mann sein grandioses Zauberberg-Spektakel mit allen Nebenfiguren aufführte. Das neue Werk – das Ergebnis einer fast zehnjährigen Arbeit – erschien 1924. Zwei Nationen wurde eine besondere Rolle zugedacht : Mit ihnen verband der Autor Ideenkomplexe , welche der gesamten Symbolwelt seines Romans zugrunde lagen. Die erste war seine eigene. Im Sanatorium ging es zwar international zu , aber seine Hauptsprache war Deutsch. Und der Hauptheld des Zauberbergs , « ein einfacher junger Mann » aus Hamburg , stand für des Dichters Vaterland. Die zweite war das Russentum. Sein Bild im Zauberberg spie91
gelt Fragen , die Thomas Mann in den Nachkriegsjahren beschäftigten , facettenreich wider. Neben dem symbolhaften Russentum-Bild macht sich im Zauberberg durch Allusionen und indirekte Zitate auch die russische Literatur bemerkbar. So lässt sich Anton Karlowitsch Ferge in die Porträtgalerie der in Russland lebenden Deutschen bzw. Deutschrussen einreihen , an deren Stiftung alle großen russischen Dichter des 19. Jahrhunderts beteiligt waren. – « Ein schreckhafter Zwischenfall » , der auf Hans Castorp einen schweren Eindruck machte , – die Fallsuchtattacke des Lehrers Popow327 – ruft Dostojewski in Erinnerung. Den Idioten , in welchem Epilepsie eines der Grundmotive bildet , hatte Thomas Mann 1920 wieder gelesen.328 Die Brüder Karamasow , in denen diese Krankheit auch Thema ist , waren ihm schon früher bekannt. Ebenso dem letzteren Roman nachempfunden ist der mit grotesker Sorgfältigkeit protokollierte Streit zwischen mehreren polnischen Kavalieren , der in ein « Schnellfeuer offizieller Ohrfeigen » mündete.329 Am 3. Mai 1920 hatte sich Thomas Mann über das politische Vorgehen Polens empört und es mit den « beiden Pane[ n ] bei Dostojewski » assoziiert.330 – Hans Castorps paradoxes Urteil , Atheismus sei « etwas kolossal Katholisches » ,331 wurzelt ebenfalls im Gedankengut Dostojewskis : im Tagebuch eines Schriftstellers , im Idioten und in der Legende vom großen Inquisitor in den Brüdern Karamasow.332 – Wenn Settembrini seinem Probanden mit rhetorischer Willkür eine Äußerung zuschreibt , die er nicht gemacht hat : « … wenn Sie ‹ Liebhaber › sagen ( eigentlich entsann Hans Castorp sich nicht , so gesagt zu haben ) … »333 – dann glaubt man die Stimme Porfirij Petrowitschs , des spitzfindigen Untersuchungsrichters aus Schuld und Sühne , zu vernehmen.334 Diesen Roman Dostojewskis hatte Thomas Mann im Winter 1920, kurz vor dem Idioten gelesen.335 Russische Studenten mit schlechten Manieren , der unsichtbaren Wäsche und Lust zu disputieren336 – es fragt sich bloß , wie sie in dieses Luxussanatorium geraten sein sollen , – entstammen der Literaturwelt Turgenjews. Seine Romane Neuland und Dunst waren 1919 und 1920 Thomas Manns Lektüre.337 – Settembrinis Einstellung zum Zweikampf : « Ich mißbillige theoretisch das Duell , ich denke gesetzlich. Mit der Praxis jedoch ist es eine andere Sache ; und es gibt Lagen , wo, – die Gegensätze , die , – kurzum , ich stehe diesem Herrn zur Verfügung »338 – diese Einstellung erinnert an Basarow aus Turgenjews Väter und Söhne. Seinem Gegenspieler Pawel Kirsanow gegenüber meinte er : « Meine
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Settembrini gegen Tolstoi. Der Zauberberg
Meinung [ … ] ist die … Das Duell ist vom theoretischen Standpunkt aus eine Abgeschmacktheit ; etwas anderes aber ist es in der Praxis. »339 Auch Tolstoi kommt gelegentlich als versteckter « Mitautor » des Zauberberg-Romanes zum Vorschein. Konkrete Angaben über die Freimaurerei , der Settembrini angehört , schöpfte Thomas Mann aus der Fachliteratur.340 Die künstlerische Inspirationsquelle muss für ihn die Episode aus Krieg und Frieden gewesen sein , in der Tolstoi mit ironischem Unterton Pierre Besuchows Aufnahme in die Loge beschreibt.341 – Zu den umfangreichen pseudowissenschaftlichen Auslegungen ließ sich Thomas Mann von Flauberts Bouvard und Pécuchet anregen.342 Aber man kann in ihnen auch eine parodistische Nachahmung der langen philosophierenden Passagen in Krieg und Frieden sehen , die gerade Flaubert scharf kritisiert hatte.343 – Durch Hofrat Behrens wird eine Äußerung Turgenjews über Tolstoi parodiert. Hans Castorp , meinte der Arzt , stelle ihm nach , als ob er « ein Frauenzimmer und wunder was für ein Lustobjekt wäre. »344 Turgenjew gebrauchte den selben Vergleich , um das Verhalten Tolstois , der ihn aus Streitsucht regelrecht verfolgte , zu charakterisieren.345 – Hans Castorps Alptraum im Kapitel Schnee 346 klingt – vor allem wegen seiner Auseinandersetzung mit der Todesthematik – an das « Grauen von Arsamas » an , von dem Tolstoi in einem Brief an seine Frau berichtet hat. Gorki erwähnt es auch.347 – Joachim Ziemßens Sterbeweg erinnert an das Dahingehen des Fürsten Andrej Bolkonski.348 Doch viel wichtiger für den Zauberberg ist Tolstois Rolle als Vertreter eines symbolhaften , von Thomas Mann erfundenen Russentums. Im Zauberberg « ist nichts nur das , was es ist ». Jedes Detail verweist noch auf andere Bedeutungen.349 Während der « Asiatismus » in Goethe und Tolstoi ein Bild ist , mit dessen Hilfe Thomas Mann seine idealisierte Republik abgrenzte , lässt er sich im Roman nicht so klar einschränken. Hier spielt sich Manns Auseinandersetzung mit dem « Asiatismus » auf einer viel weiteren Ebene ab. Seine Träger sind russische Patienten. Ende Mai 1919 – die Arbeit am Zauberberg war vor einem Monat wieder aufgenommen worden – schrieb Thomas Mann an eine Zeitungsredaktion anlässlich der Friedensbedingungen der Entente : « Es ist zu bemerken , daß der französische Greis , dessen Lebensabend durch diesen Abend verschönt wird , Schlitzaugen trägt. Vielleicht hat er irgendein Blutsrecht darauf , der abendländischen Kultur den Garaus zu machen und der slavischen Mongolei den Weg zu bereiten. »350 Diese sarkastische – und recht geschmacklose – Invektive war 1922–1924
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gegen Georges Clémenceau , den Premierminister der siegreichen Feindesnation , gerichtet. Der « unpolitische » Patriot Thomas Mann empfand sich dabei als Paladin des höheren Europäertums , das vom kulturrasierenden asiatischen Wesen bedroht war. Die angeblich schmalen Augen des Franzosen wurden ihm zum Symbol : Der Erzfeind aus dem Westen soll dem Urfeind aus dem Osten den Weg geebnet haben. Die äußeren Kennzeichen des « mongolischen » Slawentums , durch russische Patienten vertreten , werden im Zauberberg ganz anders betont. Das Leitmotiv des Augenschnittes und der Backenknochen , das beim ersten Erscheinen von Frau Chauchat ansetzt , bildet einen « Tonbogen » von Hans Castorps Schulzeit zu seiner Berghof-Gegenwart. Zuerst wird es nur leise angedeutet : Breite Backenknochen und schmale Augen der Russin erwecken bei Castorp « eine vage Erinnerung an irgend etwas oder irgendwen ». Dann , wenn Castorps Erinnerung zu sprechen beginnt , erklingt es sicherer : Er erkennt in Frau Chauchat seinen Schulkameraden Hippe , « offenbar das Produkt einer alten Rassenmischung » , wieder. Danach entfaltet sich das Leitmotiv zu einer wundersamen , gewaltigen Melodei – der eigenartige Gesichtstyp , der « finnisch mongolische Augensitz » werden Inbegriffe einer exotischen Welt , von welcher der verliebte Hauptheld sich so angezogen fühlt.351 Es ist eine mythische Wiederholung , als Hans Castorp schließlich in der Fasnacht Clawdia Chauchat – wie vor zehn Jahren Pribislav Hippe – um einen Bleistift bittet und diesen auch erhält. Aus ihren « blau-grau-grünen Epicanthus-Augen über den vorstehenden Backenknochen » blickt auf ihn nicht nur ein Mitschüler von damals. Es war auch nicht nur Williram Timpe , Thomas Manns eigener Schulkamerad und Objekt seiner heimlichen Liebe ,352 der in dieser Gestalt poetisch wieder aufleben sollte. Durch die mythische Wiederholung wurde hier eine Vergangenheit vergegenwärtigt. Als Thomas Mann ungefähr so alt war wie Hans Castorp , hasste er am sogenannten Läben den Mangel an Treue und Dauer , den er sogar im Wechsel der Jahreszeiten erkannte.353 Hans Castorp – wie insbesondere die Episode mit Pribislav Hippe zeigt – war ebenfalls ein Freund von Treue und Dauer oder , wenn man diese noch anders benennt , Beständigkeit. Seine « Treue » , berichtet der Autor , auf die er sich übrigens weiter nichts zugute tat , bestand , ohne Wertung gesprochen , in einer gewissen Schwerfälligkeit , Langsamkeit und Beharrlichkeit seines Gemütes , ei-
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ner erhaltenden Grundstimmung , die ihm Zustände und Lebensverhältnisse der Anhänglichkeit und des Fortbestandes desto würdiger erscheinen ließ , je länger sie bestanden. Auch war er geneigt , an die unendliche Dauer des Zustandes , der Verfassung zu glauben , worin er sich gerade befand , schätzte sie eben darum und war nicht auf Veränderung erpicht. So hatte er sich an sein stilles und fernes Verhältnis zu Pribislav Hippe im Herzen gewöhnt und hielt es im Grunde für eine bleibende Einrichtung seines Lebens.354
Thomas Manns Held war nur ein einfacher junger Mann aus Hamburg und kein Künstler. Den quälenden Gegensatz zwischen Leben und Kunst kannte er nicht. Aber vom Temperament und dadurch auch vom Lebensgefühl her ähnelte er seinem Schöpfer sehr wohl. Sein Lebensgefühl war offensichtlich melancholisch-konservativ. Unbewusst sehnte er sich nach der Vergangenheit. Das Vergangene ist abgeschlossen und dadurch für immer erhalten. Ihre Vergegenwärtigung durch eine mythische Wiederholungsformel schuf ihm – aber noch mehr dem Dichter , der hinter ihm stand , – die Illusion einer andauernden inneren Stabilität. Den « Tonbogen » zwischen Vergangenheit und Gegenwart bildete das Leitmotiv der « asiatischen » Gesichtszüge , die für den engagierten Kultureuropäer Thomas Mann das Symbol eines bedrohlichen Elementes waren. Wie korrespondierten diese zwei scheinbar so verschiedenen Sichtweisen des « Asiatismus » miteinander ? Diese Frage erscheint umso legitimer , als man erfährt , dass Frau Chauchat noch etwas besaß , das Vergangenheit mit Gegenwart verband. Für Hans Castorp mag dieses Etwas ohne Bedeutung gewesen sein , dafür aber für Thomas Mann selbst : eine russische , mit einem Troika-Bild geschmückte Lackdose , der sie ihre Mundstückzigaretten entnahm.355 Einer ähnlichen Dose hatten sich auch zwei starke und dem Dichter sehr nahe stehende Persönlichkeiten bedient , wobei die eine der Dichtung und die andere der Wahrheit entstammte : Thomas Buddenbrook und Thomas Manns Vater.356 Die Trägerin des « Asiatismus » fügte er also gewissenmaßen in eine für ihn sehr persönliche , mythische Ahnenreihe ein. Die Frage nach dem Zusammenpassen der zwei Sichtweisen des « Asiatismus » lässt sich wohl am besten bildhaft , mithilfe eines symbolhaften Vergleichs zweier Figuren , die Teil der Dichter-Identität Manns waren , beantworten : Die Aufgabe , vor der sich Aschenbach , Kriegsmann und Soldat einer 1922–1924
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nunmehr besiegten Armee , sah , war anders als die Tonio Krögers , der zwar gealtert und Familienvater , aber noch immer von Wehmut und Einsamkeit geplagt war. Beide Gestalten waren dennoch zwei Seiten eines und desselben Dichters. Der « Asiatismus » , vor dem sich Aschenbach fürchtete , verhielt sich zum exotischen Traum Tonio Krögers ( und Hans Castorps ) ähnlich , wie das neuere Tolstoi-Bild Thomas Manns zu dem älteren. Jenes war aktuell-politisiert , dieses intim-zeitlos. Der eine Tolstoi , den Thomas Mann ebenfalls mit «vortretenden Backenknochen » und « kleinen , grauen Augen » versehen hatte ,357 stand für die « slavische Mongolei ». Der andere , den er schon als Schüler gelesen hatte , strahlte unverändert Urkraft und Sicherheit aus. Gleichwohl gibt es im Zauberberg eine klare Andeutung auf Thomas Manns ungeliebte Sphäre : den wilden , vulgären « Asiatismus ». Er haust am « Schlechten Russentisch » und wird vor allem von Hans Castorps Nachbarn personifiziert. Die Zimmerwand ist dünn. Das unmanierliche Ehepaar treibt sein Unwesen so laut , dass der brave Hanseat sich beschämt und erschüttert fühlt. « Ja » , meint dazu sein Cousin Ziemßen , « es sind gewissenmaßen Barbaren , unzivilisiert mit einem Wort , ich hab es dir ja im voraus gesagt. Er kommt immer in einer Lederjoppe zum Essen [ … ]. Und sie ist auch nicht die Properste , trotz ihrem Federhut … »358 Später erfährt man , dass der Mann mit der Lederjoppe schmächtig gebaut war und « graue und hohle Wangen » hatte.359 Von seiner Augenform und der seiner Frau wird nichts berichtet. Am « Schlechten Russentisch » sitzen auch die Studenten mit fragwürdigen Manieren und der unsichtbaren Wäsche sowie einige andere unsympathische Personagen. Doch die entzückende , lässige Frau mit schmalen Augen , die Hans Castorp an sein Knabenalter erinnerten , hat mit ihnen allen wenig zu tun. Sie hat ihren Platz am « Guten Russentisch ». Das Wenige , was sie mit ihnen gemeinsam hat , ist im Zauberberg ein zweites Kennzeichen des Slawentums. Es wirkt nicht so « mongolen »- bzw. « kirgisenhaft » , wie Clawdias eigenartige Gesichtszüge , trägt aber auch eine spezifische « asiatische » Note in sich. Das ist die Sprache. « Das östliche Idiom » , das alle Berghof-Russen sprechen , hört sich für Hans Castorp « rasch , verwaschen , wildfremd und knochenlos » an.360 Rational gesehen , beruht dieser Eindruck darauf , dass Kürze bzw. Länge der Vokale im Russischen – im Gegensatz zu den westeuropäischen Sprachen – kein phonematisches Merkmal ist. Anders formuliert : Ganz gleich ob der Vokal kurz oder lang ausgesprochen wird , die Bedeutung des Wortes verändert sich dadurch nicht. In dieser Eigenschaft liegt auch der Akzent begründet , mit dem Clawdia Chauchat Deutsch spricht. Das 96
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Wort menschlich prononciert sie beispielsweise als mähnschlich , « mit einer gewissen trägen und schwärmerischen Dehnung ».361 Offenbar widerstrebt ein kurzes , gleichsam abgehacktes -e- ihrem lässigen Wesen. Und außerdem kommt es für ihr Sprachgefühl auf die Kürze oder Länge des Lautes sowieso nicht an. Die « asiatische » Note klingt in der « Knochenlosigkeit » des Russischen mit. Diese ist ein Synonym für eine « Ordnungslosigkeit » , die sich hier in der Phonetik zeigt : Es gibt weder ein klares kurz noch ein klares lang. Das verwaschene , knochenlose Idiom passt zu einem individuellen Kennzeichen Frau Chauchats , das vom Autor jedoch nicht weniger als etwas Universal-« Östliches » gemeint ist : ihrer Unordentlichkeit. Sie kommt zu spät zu den Mahlzeiten und wirft auch noch die Glastür hinter sich ins Schloss. Das reizt den von Haus aus auf Ordnung und Struktur eingestellten Hans Castorp beinahe zur Weißglut.362 Für den ordnungs- und strukturbedürftigen Thomas Mann ist diese Unordentlichkeit , um nicht zu sagen Schlamperei , ein Symbol des Chaos , der Auflösung , der Unform , kurzum , des bedrohlichen « Asiatismus ». Dieser hat im Zauberberg einen scharfen Gegner und Kritiker. Seine Angriffe sind – wie Thomas Manns Kritik am « Asiatismus » , den er bei Tolstoi festzustellen vermeinte , – ideologisch untermauert. Was er kritisiert , sind nicht schlechte Manieren oder böse Gewohnheiten einzelner Mitpatienten östlicher Herkunft. Es ist ein viel weiteres Feld. Er glaubt , europäische Kulturformen gegen fremde , schädliche Einwirkungen zu verteidigen. Dieser Verfechter des Europäertums ist ein Italiener namens Settembrini , ein Humanist und Fortschrittsmensch. Settembrini glaubt , dass zwei Prinzipien gegeneinander um die Welt kämpfen : das asiatische und das europäische. Das eine stehe für Macht , Tyrannei , Aberglaube , Beharren ; das andere – das okzidentale – für Recht , Freiheit , Wissen und gärende Bewegung. Europa sei « das Land der Rebellion , der Kritik und der umgestaltenden Tätigkeit , während der östliche Erdteil die Unbeweglichkeit , die untätige Ruhe » verkörpere.363 Er , Settembrini , führe auch die Tradition seiner Familie fort , indem er sich entschlossen für Europa , Fortschritt und Zivilisation einsetze.364 An einem anderen Ort äußert er sich noch kategorischer : « Der Osten verabscheut die Tätigkeit. Lao-Tse lehrte , daß nichtstun förderlicher sei als jedes Ding zwischen Himmel und Erde. Wenn alle Menschen aufgehört haben würden , zu tun , werde vollkommene Ruhe und Glückseligkeit auf Erden herrschen. »365 1922–1924
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Diese Äußerungen von Settembrini über den Osten unterscheiden sich nicht sonderlich von Thomas Manns eigenen Urteilen über das « Asiatentum » bzw. den « Asiatismus » Tolstois. Vielmehr erscheinen sie sogar noch verhalten im Vergleich zu den Attributen , die Thomas Mann dieser « Eigenart » Tolstois gibt : « orientalische[ ] Passivität , religiöse[ r ] Quietismus und eine unleugbare[ ] Neigung zu sarmatischer Wildheit. »366 Eine Allusion auf den russischen Dichter ist der Hinweis auf Lao-tse , den Thomas Mann dem Italiener in den Mund legt. Der Spruch des chinesischen Philosophen und der Umstand , dass Tolstoi sich mit seiner Lehre eingehend beschäftigt hatte , waren ihm durch Gorki bekannt.367 Für Thomas Mann war also Tolstoi der Träger des bedrohlichen « Asiatentums ». Für Settembrini sind es die russischen Mitpatienten. In seinen Augen sind sie « lauter Parther und Skythen. »368 Tatarische Gesichter glaubt er überall zu sehen , wohin man im Sanatorium auch blickt. Sein Resumee lautet : « Asien verschlingt uns. » Und im Sinne der Abwehr vor Schnee , Schnaps , Knute , Christentum und anderen « Asiatismen » schlägt er ironisch vor , einen Altar der Pallas Athene in der Vorhalle des Sanatoriums zu errichten.369 Wie das Zitieren von Lao-tse an Tolstoi erinnert , ist dieser Vorschlag sicherlich eine leichte Anspielung auf die Welt Goethes. Die beiden Großen sollen hier – wenn auch implizit – wiederum die zwei verschiedenen Lager verkörpern. Ein bestimmter Zug der « östlichen » Mentalität – wie Settembrini sie sich vorstellt – erscheint ihm besonders gefährlich : das « russische » Zeitgefühl. Aufgeregt belehrt er darüber Hans Castorp : Diese Freigiebigkeit , diese barbarische Großartigkeit im Zeitverbrauch ist asiatischer Stil , – das mag ein Grund sein , weshalb es den Kindern des Ostens an diesem Orte so behagt. Haben Sie nie bemerkt , daß , wenn ein Russe ‹ vier Stunden › sagt , es nicht mehr ist , als wenn unsereins ‹ eine › sagt ? Leicht zu denken , daß die Nonchalance dieser Menschen im Verhältnis zur Zeit mit der wilden Weiträumigkeit ihres Landes zusammenhängt. Wo viel Raum ist , da ist viel Zeit , – man sagt ja , daß sie das Volk sind , das Zeit hat und warten kann. Wir Europäer , wir können es nicht.370
Der Anlass dieses belehrenden Monologs ist Hans Castorps Äußerung über die voraussichtliche Dauer seines Aufenthaltes im Sanatorium : Einen Liegesack würde er brauchen ; « f ür vier oder sechs Monate lohnt es. » Die Leichtigkeit im Umgang mit Zeiteinheiten , das Herumwerfen mit den Monaten 98
Settembrini gegen Tolstoi. Der Zauberberg
bringt Settembrini nahezu aus der Fassung. Und was ist der Zweck der Belehrung ? Hans Castorp soll Europäer bleiben angesichts der asiatischen Gefahr und heilig halten , was ihm als Sohn der Zivilisation heilig sei : zum Beispiel die Zeit.371 Ein wenig später gibt der Italiener seinem deutschen Probanden einen praktischen Ratschlag : Hans Castorp solle das Sanatorium verlassen und nach Hause reisen ; das habe ihm Settembrini schon gleich am ersten Abend geraten.372 Und so wurde das « Asiatische » im Zauberberg wieder einmal mit einem der Grundprobleme Thomas Manns in Verbindung gebracht : mit dem Problem der inneren Stabilität. Das Zeitgefühl , in dem der gesamte Berghof lebte , entsprach dem « asiatischen » Zeitgefühl der Russen. Deswegen , so Settembrini , behage es diesen Kindern des Ostens so im Sanatorium. Dort gibt es , wie Joachim Ziemßen sagte , « Wintertage und Sommertage und Frühlings- und Herbsttage , aber so richtige Jahreszeiten , die gibt es eigentlich nicht bei uns hier oben. »373 Einige Jahre später wiederholte es nunmehr Hans Castorp gegenüber seinem Vetter : Die Ordnung der Jahreszeiten sei « hier oben » gestört. Das sei so, « erstens weil es hier eigentlich keine richtigen Jahreszeiten gibt [ … ], und außerdem , weil es überhaupt keine Zeit ist , was einem hier vergeht … »374 Ob am Anfang oder gegen Ende seines Aufenthalts im Sanatorium , die Frage der Zeit beschäftigte den einfachen jungen Mann aus Hamburg immer wieder. Thomas Mann beschreibt sein Empfinden : Was war ein Tag , gerechnet etwa von dem Augenblick an , wo man sich zum Mittagessen setzte , bis zu dem Wiedereintritt dieses Augenblicks in vierundzwanzig Stunden ? Nichts , – obgleich es doch vierundzwanzig Stunden waren. Was war denn aber auch eine Stunde , verbracht etwa in der Liegekur , auf einem Spaziergang oder beim Essen , – womit die Möglichkeiten , diese Einheit zu verbringen , so gut wie erschöpft waren ? Wiederum nichts.375
Ein anderes Mal gab Hans Castorp – durch das Berghof-Zeitgefühl inspiriert – vor Ziemßen eine Theorie zum Besten : Es gebe keine Richtungsdauer , und die Ewigkeit sei nicht ‹ geradeaus › , sondern ‹ Karussell › , alles kehre in ihr wieder.376 Im Sanatorium spürt man also kein Tempo, keine Beschleunigung , keinen aus ihnen resultierenden Stress – alle diese Attribute der nervösen Jahrhundertwende waren in der Atmosphäre der Zeitlosigkeit aufgehoben. Auch den Wechsel der Jahreszeiten , welcher den jungen Thomas Mann so bedrückt hat1922–1924
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te , spürte man dort nicht. Und dieses Zeigefühl , das einer Ewigkeit ähnelte und etwas Beruhigend-Stabilisierendes übermitteln musste , entsprach dem « asiatischen » Zeitgefühl der Russen. Wäre es dann nicht ein Synonym der Kontinuität , der Beständigkeit – nicht nur für Hans Castorp , sondern vor allem für Thomas Mann selbst ? Hatte er doch in Betrachtungen eines Unpolitischen große Sympathie für Ilja Oblomow bekundet – eine Figur Gontscharows , für die grüblerisches Zeitverschwenden die eigentliche Lebensform war.377 Dieser Gedanke liegt nahe , aber zur gleichen Zeit war für Thomas Mann das « Asiatische » ein bedrohliches Symbol von Chaos und Auflösung – also das Gegenteil jeglicher Beständigkeit. Hier einen Widerspruch zu sehen wäre sicherlich unangebracht. Thomas Manns Ansichten sind in der Form , wie sie in seiner Publizistik zum Ausdruck kommen , in seinem Erzählwerk nicht zu finden. Und Der Zauberberg ist ohnehin zu vielschichtig , als dass sich darin klare Trennungslinien zwischen Aktuell und Ureigen ziehen ließen. Schmale Augen waren in diesem Sinne ein noch relativ einfaches Beispiel , da sie auch in einer aktuellen politischen Schrift Manns auftauchten : Für den verliebten Hans Castorp waren sie ein melancholisches Symbol der Beständigkeit ; für den engagierten Kultureuropäer Thomas Mann – ein Symbol der bedrohlichen « slavischen Mongolei ». Die Symbolik des « a siatischen » Zeitgefühls ist komplexer , wenn auch damit vergleichbar. Dieses Zeitgefühl ist – im Gegensatz zu den Augen – kein Begriff aus Thomas Manns aktueller Publizistik. Es ist lediglich seine Romanfigur Settembrini , der es angreift. Als indirekten Hinweis auf den aktuellen Wandel der Ansichten Manns könnte man vielleicht eine Äußerung Settembrinis zum Thema Tod deuten : « … er löst und erlöst » , er sei die Erlösung , « aber nicht die Erlösung vom Übel , sondern die üble Erlösung. Er löst Sitte und Sittlichkeit , er erlöst von Zucht und Haltung , er macht frei zur Wollust. »378 Das Thema Tod ist im Zauberberg generell dem « asiatischen » Ideenkomplex zuzuordnen. Und so ließe sich diese Äußerung Settembrinis wohl auch auf das « asiatische » Zeitgefühl übertragen. Die Stabilität , die es angeblich verheißt , ist – so könnte man das deuten – eine Scheinstabilität. Als Autor von Tonio Kröger fühlt sich Thomas Mann von ihr angesprochen. Aber als der von Goethe und Tolstoi möchte er sich von ihr distanzieren und Beständigkeit auf westeuropäischen Wegen suchen. Settembrini ist ein beredtes Beispiel dafür , dass im Zauberberg nichts nur das ist , was es ist. Er ist ein Zivilisationsliterat , aber seine politisch-literarischen 100
Settembrini gegen Tolstoi. Der Zauberberg
Aktivitäten muten naiv an und erinnern eher an die Burschenschaftsbewegung und das Knochengerippe in Polizistenuniform eines Morten Schwarzkopf379 als an die Spezies , die Thomas Mann während des Krieges und noch einige Jahre danach so verhasst war. Aggressiver Radikalismus , den Thomas Mann seinem Feind zugeschrieben hat , fehlt dem harmlosen Italiener gänzlich. Er ist vielmehr mit dem Typus eines russischen liberalen Zukunftsidealisten verwandt , der viel und schön redet , aber nichts tut. Dieser Typus ist im Werk Tschechows besonders häufig vertreten. Seine Erzählungen hat Thomas Mann während der Arbeit am Zauberberg mehrmals gelesen.380 Ein weiteres Beispiel der Mehrdeutigkeit ist Settembrinis Opponent Naphta. Es wäre zu erwarten gewesen , dass dieser erzkonservative Fortschrittsgegner für die gleichen Werte plädieren würde , wie Thomas Mann in den Betrachtungen , vor allem für eine autoritäre Staats- und Gesellschaftsharmonie. Aber er bedient sich höchstens einiger häufiger Ausdrücke aus dem Arsenal des « Unpolitischen ».381 Ansonsten scheint es ihm hauptsächlich darum zu gehen , den Humanisten verbal in die Enge zu treiben. Und seine jesuitische Wortgewandtheit führt ihn schließlich zur Rechtfertigung des Terrors und Anerkennung des Kommunismus – einer radikalistischen Fortschrittsideologie.382 Im Endeffekt kommt es auch den beiden nicht auf Inhalte , sondern auf gegenseitiges Widerlegen , auf rhetorische Kombinationen an , « denn alles ging nicht nur gegeneinander , sondern auch durcheinander , und nicht nur wechselseitig widersprachen sich die Disputanten , sondern sie lagen in Widerspruch auch mit sich selbst. »383 Naphta hat ebenfalls einige – wenn auch weitläufige – Verwandte in der Welt der russischen Literatur. Sie sind bei Dostojewski , vorwiegend in seinem Roman Die Dämonen , den Thomas Mann kannte , zu Hause.384 Ihre « Nachfahren » , begeisterte Mörder im Namen einer besseren Welt , werden in der Sonne der Toten ( 1923 ) von Iwan Schmeljow auftauchen , die Thomas Mann 1925, etwa ein Jahr nach dem Erscheinen des Zauberbergs , gelesen hat. Objektiv ist Settembrini ein Gegner Tolstois , und zwar des Tolstoi , welchen Thomas Mann aktualisiert und zu einem Symbol des bärenmäßigen « Asiatismus » gemacht hat. Kein Wunder , dass ausgerechnet Naphta indirekt Tolstoi zitiert , indem er über die klassische Pädagogik spottet. Die Quelle Thomas Manns war dabei wieder die biographische Studie von Birukof. Ein Vergleich macht das Zitieren Tolstois durch den jesuitischen Kommunismus-Propheten deutlich : 1922–1924
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Naphta :
Tolstoi , von Birukof wiedergegeben :
« … man ahne nicht , wie weidlich das
« Die pädagogischen Erfahrungen
Volk sich über unsere Doktortitel und
vermögen uns noch weniger von der
unser ganzes Bildungsmandarinen-
Berechtigung der Zwangserziehung
tum lustig mache und über die staat-
zu überzeugen. Das Experiment ist an
liche Volksschule , dieses Instrument
und für sich etwas Armseliges und die
bourgeoiser Klassendiktatur , gehand-
Schule verblödet die Kinder , da sie ihre
habt in dem Wahn , daß Volksbildung
geistigen Fähigkeiten verzerrt [ … ].
verwässerte Gelehrtenbildung sei. Die-
Hören wir doch endlich auf , in dem
jenige Bildung und Erziehung , die das
Widerstande des Volkes gegen unsere
Volk im Kampf gegen das morsche Bür-
Erziehung ein feindliches Element
gerreich brauche , wisse es sich längst
zu erblicken ; sehen wir doch darin
wo anders zu holen als in den obrig-
eher den Ausdruck des Volkswillens ,
keitlichen Zwangsanstalten … »385
der allein uns leiten sollte. »386
In Goethe und Tolstoi resümierte Thomas Mann seine Sicht der pädagogischen Prinzipien Tolstois. « Sein Anarchismus » , schrieb er , sein offenkundiger Glaube an das anarchische Prinzip als einzig vernünftige Grundlage menschlichen Zusammenlebens , seine Lehrmeinung , daß absolute Freiheit alle Disziplin überflüssig mache , steht damit in nahem Zusammenhange – diese Meinung , die sich pädagogisch in dem Vorschlag äußert , die Kinder ‹ alle aus den Bänken herauszulassen › und sie von jeder drückenden Pflichtvorstellung zu entbinden.387
Wenn man noch bedenkt , dass in der Tolstoi’schen Dorfschule keiner , der zu spät kam , je ausgescholten werden durfte ;388 dass die Lehrer beim Unterricht Klassifikation und Definition – d. h. die ordnende und strukturierende wissenschaftliche Form – vermeiden sollten ,389 dann zieht man einen weitgehenden Schluss : Was Tolstoi in seiner Pädagogik proklamierte , verwirklichte Frau Chauchat auf ihre Weise jedes Mal , wenn sie zu spät kam und die Tür hinter sich ins Schloss warf. Gegen solchen « Asiatismus » tritt also Settembrini unter der hochgehaltenen Fahne des Abendlandes auf. Und auf diesem Frontabschnitt war Thomas Mann mit ihm durchaus solidarisch. Das war seine private Versöhnung mit dem 102
Settembrini gegen Tolstoi. Der Zauberberg
Typus des Zivilisationsliteraten. Sie spiegelt zwar den aktuellen Wandel in den Ansichten des Dichters , seine Ängste , sein Bedürfnis nach Frieden und Stabilität in der neuen Lebenssituation wider , ist aber – wie alles im Zauberberg – nicht eindeutig : Denn als Gegner Tolstois ist diese italienische Version des russischen Zukunftsidealisten einfach zu schwach. Der « hahnenmäßige » Süden390 wäre einem Gefecht mit dem « bärenmäßigen » Osten nicht gewachsen. Wie sehr Thomas Mann mit seinen Ansichten neuerdings sympathisieren mochte , schuf er mit Settembrini keine «verläßliche » , zukunftsweisende Figur. Und das eigentliche russische Element mit seinem Zeitgefühl , seiner knochenlosen Sprache , seiner lässigen Nonchalance schwebt gleichsam über der Schlacht , welche die beiden Vertreter der westlichen Gedankenwelt – Settembrini und Naphta – um den Geist Hans Castorps führen.391 Es will diesen einfachen jungen Mann weder bekehren , noch beeinflussen , noch zum pädagogischen Objekt machen. Solche Absichten würden mit seiner breiten Mähnschlichkeit nicht übereinstimmen. Es erweist sich als stärker und freier. Auch der « andere » Tolstoi , der zeitlose Spender von Urkraft und Sicherheit , meldet sich im Zauberberg. Überrascht erkennt man seine Züge in der Figur Peeperkorns wieder , des Kolonial-Holländers , welcher keinen Satz bis zum Ende sprechen kann und mitunter wie eine groteske Parodie wirkt. Vitalität und Stärke , die er ausstrahlt , stehen vor allem mit dem Tolstoi-Bild im Einklang , das Gorki gemalt hat. Leitmotivisch betont werden Peeperkorns Macht und Größe , den Einfluss seiner Persönlichkeit und seine Fähigkeit , Menschen um sich herum zu leiten : « wie ein Dirigent , der das Durcheinander der stimmenden Instrumente zum Schweigen bringt und sein Orchester [ … ] zum Beginn der Aufführung sammelt. »392 Selbst wenn er schwer betrunken war , « wirkte auch seine Betrunkeiheit nicht gering und beschämend , nicht als Entwürdigungszustand , sondern verband sich mit der Majestät seiner Natur zu einer großartigen und ehrfurchtgebietenden Erscheinung. »393 Über vergleichbare Eigenschaften Tolstois schrieb Gorki : « Ich weiß so gut wie andere , daß kein Mann den Namen des Genies besser verdient als er ; vielfältiger , größer in allem ist keiner. Groß – in einem eigentümlichen , weiten , in Worte nicht zu fassenden Sinn [ … ]. » An einem anderen Ort hieß es : « Seine über menschliches Maß hinauswachsende Individualität ist ein monströses Phänomen , beinahe häßlich [ … ]. »394 Peeperkorn wirkte selbst in einem schwerbetrunkenen Zustande nicht peinlich. Tolstoi , ein Schriftsteller und Aristokrat , bediente sich manchmal eines deftigen Bauernausdrucks – und 1922–1924
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das hörte sich nicht vulgär an. « Wenn sie von seinen rauhen Lippen kommen » , kommentiert Gorki , « klingen alle derartigen Worte einfach und natürlich und verlieren ihre soldatische Roheit und Gemeinheit. »395 Ein weiteres Leitmotiv ist das Königliche bzw. Majestätische an Peeperkorn : Haupt , Antlitz , Körper , Gesamtausstrahlung.396 Die Parallele dazu ist das Motiv der Tolstoi’schen « Göttlichkeit » , mit dem Gorki seine Erinnerungen beginnt und beendet.397 Zu Peeperkorns Augen vermerkt Thomas Mann – ebenfalls leitmotivisch – , dass sie klein und blass waren.398 Gorki bezeichnet die Augen Tolstois mehrmals als klein und scharf.399 Die Hände des Holländers « waren zwar ziemlich breit , aber mit langen , spitz zulaufenden Nägeln versehen , und er bediente sich ihrer beim Sprechen [ … ] zu auserlesenen , die Aufmerksamkeit spannenden Gebärden , den delikat nuancierenden , gepflegten , genauen und reinlichen Kulturgebärden eines Dirigenten [ … ]. »400 Gorki fand Tolstois Hände bewundernswert. Sie waren , schrieb er , « nicht eigentlich schön , sondern von dicken Adernknoten durchzogen , und doch voller Ausdruck und Schöpferkraft. Leonardo da Vinci muß solche Hände gehabt haben. Mit Händen wie diesen kann man alles machen. »401 Während eines Spaziergangs ergriff Peeperkorn das Wort , um gleichsam nebenbei der Dialektik Settembrinis und Naphtas den Garaus zu machen , und wendete sich anschließend an einen Adler , der im Himmel kreiste. Er rief den Vogel zum Niederstoß und Angriff auf seine Beute auf.402 In dieser Episode – es geht hier ja wiederum um Kraft , Vitalität und Temperament – ist die Präsenz Tolstois nicht zu übersehen. Gorki war Zeuge einer ähnlichen Szene , in der sich der Jägerinstinkt des alten Tolstoi « plastisch » zeigte.403 Im Freien wirkte Peeperkorn nicht so großartig wie im geschlossenen Raum : Sein Körper war schwer , die Schritte kurz , die Statur etwas zusammengesunken. Thomas Mann hob so die Mächtigkeit Peeperkorns durch ihre leichte Relativierung nur noch stärker hervor , denn selbst in dieser geschwächten Position überragte er die beiden Dialektiker auf eine auffällige Weise.404 Auch hierzu findet man eine Parallele bei Gorki. Tolstoi , berichtet er , « kam hervor , ziemlich klein wirkend , und sogleich wirkte jeder um ihn kleiner als er. »405 Als eine pure « Inkarnation » Tolstois wurde Peeperkorn sicherlich nicht gedacht. Im Zauberberg ist nichts nur das , was es ist. Aber der zeitlose , persönliche Tolstoi-Mythos Thomas Manns lebte in ihm weiter. Das « asiatische » russische Element , welchem Thomas Mann den aktualisierten , « barbarischen » Tolstoi 104
Settembrini gegen Tolstoi. Der Zauberberg
zuordnete , schwebte unbeteiligt über der Schlacht zwischen Settembrini und Naphta. Peeperkorn , hinter dem nicht zuletzt der zeitlos-starke und große Tolstoi stand , machte die beiden Pädagogen durch seine bloße Gegenwart klein. In Frau Chauchat verliebt , fühlte sich Hans Castorp vom russischen Element angezogen , was nur zu verständlich ist , aber er fand zu ihm keinen Zugang. Peeperkorn stärkte ihn sogleich durch die positive Kraft seiner Persönlichkeit , die in der Art eines Mysteriums « über Dummheit und Gescheitheit » hinauslag.406 Und das Zufallen der Glastür – dieses besonders penetrante Symbol der « asiatischen » Schlampigkeit – hob der Holländer mit einer einzigen Handbewegung auf : Er schloss sie einfach hinter Frau Chauchat lautlos.407
1922–1924
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Tolstoi, Schmeljow und die deutsche Schicksalfertigkeit (1924–1926) Als Ausländer und Ketzer erwartete ich einen sehr kalten und zurückhaltenden Empfang von diesen starren Vorkämpfern russischer Nationalität und des orthodoxen Glaubens. [ … ] Anstatt wilder Fanatiker fand ich ruhige , äußerst intelligente , hochgebildete Männer , welche sich der fremden Sprachen mit Leichtigkeit und Eleganz bedienten und von jener abendländischen Kultur tief durchdrungen waren , die , wie man allgemein annimmt , von ihnen verachtet wird. D. Mackenzie Wallace , Russland Heute fühlt sich Europa vom russischen Bolschewismus ernstlich bedroht. Wenn es ihm schärfer ins Antlitz sähe , müsste es seine eigenen westlichen Ideen wiedererkennen , die der Bolschewismus nur bis ins Groteske vergrössert und vergröbert. Walter Schubart , Europa und die Seele des Ostens408
1870, also noch in einer Epoche weit vor der Entstehung des Zauberbergs , reiste ein wissbegieriger junger Mann von Schottland , seinem Heimatland , nach Sankt Petersburg. Er fuhr auf Studienbesuch für einige Monate. Unverhofft stieß er aber auf so viele Dinge , die ihn zum Studium anregten , dass er nahezu sechs Jahre in Russland blieb. Er bereiste das ganze Reich und fand dort eine gebildete und aufgeschlossene Oberschicht , ein würdevolles und tüchtiges Volk , eine dynamische Wirtschafts- und Sozialentwicklung – und noch viele andere Dinge vor , die nicht mit dem gängigen , vorwiegend negativen Russland-Bild der Westeuropäer zusammenpassten. Er legte Wert darauf , Probleme und Missstände , die ihm ebenfalls häufig begegneten , nicht als Regel und Nationaleigenschaft zu deuten. Der Name des Schotten war Donald Mackenzie Wallace. Er schrieb ein Buch über Russland , das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. 106
Vergleichbare Erfahrungen konnte Thomas Mann nicht machen. Sein Russland-Bild wurde seit der frühen Jugend von der russischen Literatur bestimmt. Als es ihm nach dem Weltkrieg galt , den Bolschewismus einzuordnen und – nicht zuletzt dadurch – eine neue Deutschland-Utopie zu begründen , lieferte ihm die « geliebte Sphäre » Bausteine. Er aktualisierte ein älteres westeuropäisches Angstbild , und zwar das Phantom eines aus dem Osten herannahenden Chaos. Zur Symbolfigur des bedrohlichen « Asiatentums » , das , wie er meinte , nunmehr in der Gestalt des Bolschewismus vor der Tür Euroras stand , machte er Tolstoi. Seine Hauptquellen waren Mereschkowski , Birukof und Gorki. Dabei wurde sein Tolstoi-Mythos : Urkraft , Frische , Vitalität durch die selben Quellen belebt und vertieft. Die deutsche Republik stilisierte Thomas Mann zu einem « Kunstwerk ». Seine Art , politische Erscheinungen über Kunst und Literatur , insbesondere über eigene Werke zu definieren , zeigt sich auch in zwei Kurzschriften , in denen er sich mit dem Kommunismus bzw. Bolschewismus auseinandersetzte. So antwortete er Anfang 1924 auf eine Umfrage anlässlich des Todes von Lenin Folgendes : Lenin war ohne Zweifel eine sekuläre Erscheinung , ein Mensch-Regent neuen , demokratisch-gigantischen Stils , eine kraftgeladene Verbindung von Machtwille und Askese , ein großer Papst der Idee , voll vernichtenden Gotteseifers. Man wird seiner gedenken wie jenes Gregor , von dem das Heldengedicht sagt : ‹ Leben und Lehre standen nicht miteinander in Mißklang ›. Der selbst gesagt hat : ‹ Verflucht sei der Mensch , der sein Schwert zurückhält vom Blute ›.409
Ob Thomas Mann den kommunistischen Diktator verurteilen oder , im Gegenteil , rechtfertigen wollte , lässt sich diesem nahezu romantischen Porträt Lenins nicht entnehmen. Eindeutig ist nur , dass er ihn nahtlos an seinen jesuitischen Kommunismus-Propheten Naphta und dessen Gedankenwelt anschloss. Die zweite Kurzschrift war Thomas Manns Stellungnahme zu einer Sammlung von Briefen politischer Gefangener in der Sowjetunion. Er datierte sie auf Februar 1925. Sein Mitleid mit den Opfern des Regimes äußerte er darin unmissverständlich , das Regime selbst charakterisierte er dagegen zurückhaltend und zweideutig. Seine Bezeichnung des Kommunismus als « atheistischen Gottesstaat » lehnte sich wiederum an die Gedankenwelt Naphtas an.410 1924–1926
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Praktisch zur gleichen Zeit , im Februar 1925, nutzte er die Gelegenheit – die Rundfrage einer französischen Zeitschrift – und verfasste einige Betrachtungen « über den seelischen und geistigen Zustand des heutigen Deutschland ».411 Für seinen Umriss des aktuellen Geschehens war das Thema « Asiatismus » und folglich auch Tolstoi ein wichtiger Anhaltspunkt. In Anknüpfung an Goethe und Tolstoi bezeichnete er die kommunistische Umwälzung als « Ende [ … ] der westlich-liberalisierenden , der europäischen Epoche Rußlands ». Der Sturz des Zaren hätte « der russischen Volkheit nicht etwa den Weg nach Europa , sondern den Heimweg nach Asien » freigegeben. Der Prophet dieser Wende sei Tolstoi gewesen , « obgleich man das in Moskau nicht sieht. »412 Eigenartig ist , dass Thomas Mann hiermit den Sowjetführern , die sich ihr System als grundsätzlich international dachten und sich ganz bestimmt nicht an Tolstois Erbe orientierten , diesen Grundsatz abstreitet. In der marxistischen , d. h. aus dem Westen stammenden Ideologie , welche der Sowjetdiktatur zugrundelag , sieht er nur die Oberfläche der Dinge. Dieses Selbstzitat aus Goethe und Tolstoi diente ihm als Überleitung zum Hauptteil der Schrift , in dem er sich den geistigen Tendenzen in Westeuropa und Deutschland zuwandte. Er konstatierte , dass auch Europa am Ende seiner « europäischen » Epoche stehe , da es einen krassen antiliberalen Rückschlag , « eine Wendung zur Diktatur und zum Terror » erlebe. Die Spezifik dieser Wendung in Deutschland sei durch die Demütigung von 1918 bedingt und zeige sich in einer romantischen Barbarei , einer heidnischen Religion , der sowohl das internationale Judentum als auch das Christentum und der Humanismus zuwider seien. Als Fazit meinte Thomas Mann , dass es für Deutschland nicht der Augenblick sei , « sich antihumanistisch zu gebärden , Tolstois pädagogischen Bolschewismus zum Vorbild zu nehmen und Goethes Strenge gegen die Genußsucht des allgemein menschlichen Bildungsideals , seinen Willen zur Entsagung und Beschränkung als ethnische Wildheit zu deuten. » Kurzum : Deutschland sollte der neuen Epoche weder « asiatisch » noch nationalistisch begegnen. Seine Aufgabe sei es , den Begriff der Humanität mit dem nationalen Inhalt zu erfüllen und seinen Blick nach Westen als Heimat der humanistischen Zivilisation zu richten.413 In der zitierten Schrift führte Thomas Mann die Linie von Goethe und Tolstoi sowie Von deutscher Republik , mit einer geringen Kurskorrektur in westlicher Richtung , weiter. Aus seiner Sicht wurde der Staat nach wie vor von zwei Gefahren bedroht : vom « asiatischen » Bolschewismus und vom völkischen Hei108
Tolstoi, Schmeljow und diedeutsche Schicksalfertigkeit
dentum , wobei er auf das Letzere etwas ausführlicher einging als früher. Die stabilisierende Lösung , die er bot , blieb im Großen und Ganzen ebenfalls unverändert : Es handelte sich um eine Verknüpfung der Republik mit seiner eigenen , kulturell dominierten Gedankenwelt. Somit war Thomas Manns Integration in die neue politische Realität abgeschlossen : Die Republik , hinter die er sich gestellt hatte , erwies sich als lebensfähig ; sein Status als Dichter , dessen Wort bei der Nation ins Gewicht fiel , bestätigte sich ; das neue System ließ sich seinem Lebensgefühl anpassen. Die neue Konstruktion verhieß Stabilität und Optimismus. Der Zauberberg war erschienen und wurde rege diskutiert. Ein Kritiker sprach dem Autor ein Künstlergenie zu , das ins Tolstoi’sche reiche …414 Die Erzählung Unordung und frühes Leid ( 1925 ) gewährt einen Einblick in Thomas Manns inneren Zustand , der trotz alldem , wie in den Zeiten von Tonio Kröger , von Wehmut und Nostalgie gekennzeichnet war. Der siebenundvierzigjährige Professor Cornelius , die Hauptfigur der Erzählung , hat aufgrund seiner bürgerlichen Ausstrahlung , seiner Familiensituation und anderer Alltagsdetails eine auffallende Ähnlichkeit mit Thomas Mann. Sein Verhältnis zu der Zeit ist mit dem von Hans Castorp verwandt. Der junge Mann aus Hamburg schätzte Beständigkeit und war nicht auf Veränderung erpicht. Cornelius gestand sich , dass über dem Vergangenen « die Stimmung des Zeitlosen und Ewigen » liege. Das sei eine Stimmung , dachte er , « die den Nerven eines Geschichtsprofessors weit mehr zusagt als die Frechheiten der Gegenwart. Das Vergangene ist verewigt , das heißt : es ist tot , und der Tod ist die Quelle aller Frömmigkeit und alles erhaltenden Sinnes. »415 Die Frechheiten der Gegenwart : Damit waren nicht nur die Wirren der frühen Zwanzigerjahre gemeint , in denen sich die Handlung abspielte. Die Wortverbindung umschrieb die gesamte neue Epoche , zu der Cornelius keinen Anschluss fand. Die Entwicklung war für seine Nerven zu schnell und « gesetzlos ». Sie müssen ohnehin schon durch die Lebensbeschleunigung in der Jahrhundertwende angestrengt gewesen sein. Das kommende Neue erschreckte und verwirrte ihn. Und es stand fest , dass die bürgerliche Epoche , den er angehörte , zu Ende war. In der Geschichte – auf seinem eigentlichen Gebiet – sympathisierte er mit der «verlierenden » Seite , welche dem Neuen , « den Mächten des Fortschritts und der Umgestaltung » ausgeliefert war , mit ihnen kämpfte und ihnen zwangsläufig unterlag. Diese Sympathie empfand er als Gerechtigkeit , für die das andere Wort Melancholie lautete.416 1924–1926
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Ohne Mühe erkennt man hier Thomas Manns eigene Sehnsucht nach stabilisierender Beständigkeit wieder. Seine Anpassung an die neue Epoche – genauer gesagt , die Anpassung der Republik an seine eigenen Werte – war erfolgreich verlaufen , aber sie war immerhin eine aus Vernunft verwirklichte Notlösung. « Die Stimmung des Zeitlosen und Ewigen » lag wohl über ihr nicht. Wie eine melancholische Erinnerung an Tonio Kröger liest sich , dass Cornelius jedes Mal , wenn er am Partyabend seiner Kinder die Hausglocke gehen hört , « einen kleinen Stich der Erregung , Erwartung und Beklemmung » empfindet. Diesen Stich versetzte ihm der Gedanke , dass es « die jungen Leute sind , die eintreffen ».417 Das war der Ausdruck der Wehmut über das Fest , das zwar in seinem Hause stattfand , aber ein fremdes Fest war. Wie einst Tonio Kröger , fühlte auch er sich vom « Leben » angezogen , das sich in der Feier der jungen Leute präsentierte , aber er wusste , dass er nicht dazu gehörte. Tonio Kröger musste in seiner Zwiespältigkeit weiterleben und leiden. Eine Lösung seines Problems hatte die Erzählung nicht geboten. Jedenfalls hatte er eine Freundin gehabt , die ihn stärkte : die Russin Lisaweta. Cornelius’ « erhaltender Instinkt , sein Sinn für das ‹ Ewige ›» hat sich vor den Frechheiten der Zeit in der Liebe zu seiner kleinen Tochter gerettet. « Denn » , so dachte der Professor , «Vaterliebe und ein Kindchen an der Mutterbrust , das ist zeitlos und ewig und darum sehr heilig und schön. »418 Im Januar 1926 reiste Thomas Mann auf Einladung der Carnegie-Stiftung nach Paris. In Betrachtungen eines Unpolitischen hatte er Frankreich « arg skandaliesiert ». Auch nach dem Krieg hatte er manch ein böses Wort über dieses Land öffentlich verloren. Umso zufriedener war er über den warmen Empfang in der Hauptstadt der Welt. Dort fand er ein interessiertes Publikum vor , das die deutsche Kultur kannte und schätzte. Seine Rolle als Nationaldichter wurde in einer neuen Qualität hergestellt : Er kam als Deutschlands Repräsentant in die Hochburg des ehemaligen Erzfeindes. In Pariser Rechenschaft – einem ausführlichen Bericht über die Reise – wiederholen sich Bilder und Gedanken , die Thomas Manns aktuelle Ansichten bestimmten. So schrieb er von den « östlich-proletarischen Wogen » bzw. Kräften , die im Begriffe seien , die todgeweihte bürgerliche Welt zu verschlingen. Wie Professor Cornelius , sympathisierte er mit dieser «verlierenden » Seite ,419 aber enthielt sich der Kritik am Kommunismus. – Er bekundete seine Antipathie gegen den Faschismus und Nationalismus.420 – Ein Demokrat aus Vernunft , 110
Tolstoi, Schmeljow und diedeutsche Schicksalfertigkeit
hatte er die Demokratie nicht verinnerlicht. Sie war nach wie vor nicht sein Element : Bei einem Theaterbesuch registrierte er mit Genugtuung , « wie verständnissinnig das Publikum jede antidemokratische Pointe belachte – genau wie es bei uns gewesen wäre. » Diese Skepsis , fasste er zusammen , gehöre allen Völkern an , « der Überdruß an parlamentarischer Demokratie und Parteimißwirtschaft » sei international. Mit Melancholie und Schicksalfertigkeit ( diese sei eine deutsche Eigenschaft , wie er an einem anderen Ort bemerkte421 ) stellte er gleich fest , dass der « Weg ins Vordemokratische zurück » jedoch ungangbar sei. Seine anschließende Betrachtung traf auf den aufkommenden Nationalsozialismus zu : Aktuell bestehe die starke Tendenz zu einer Vermengung von « Nachdemokratisch-Revolutionärem » ( sprich : aus dem Osten Herannahendem , « asiatisch » Gefärbtem ) mit Reaktion und völkischem Heidentum. « Das Maßlose , Wüste , Asiatische » – Thomas Mann zitierte Nietzsche , indem er auf die Wurzeln dieser Bewegung einging – liege auch in ihrem Grunde.422 Die reaktionäre Tendenz kam ihm allem Anschein nach gefährlicher vor als die « östlich-proletarische » Revolution. Diese stand immerhin für « das Neue » vor dem Hintergrund der « todgeweihten » bürgerlichen Epoche und war – aus seiner Sicht – unabwendbar. Jene war willkürlich rückwärtsgewandt und schwor einem « revolutionären Obskurantismus ». Einige Zeit vor der Reise hatte Thomas Mann ein Erlebnis gehabt , das seine vage Stabilität und seinen Seelenfrieden störte. Es hatte mit der russischen Sphäre und indirekt auch mit Tolstoi zu tun. In Paris nutzte er die Gelegenheit , ihm nachzugehen und die Sache für sich zu klären. Es handelt sich um das Buch Die Sonne der Toten von Iwan Schmeljow. In der deutschen Übersetzung von Käthe Rosenberg , einer Kusine Katia Manns , war es 1925 erschienen. Thomas Mann zählte es zu den besten Büchern des Jahres. Er nannte es « sehr stark und neu. »423 In der Sonne der Toten wurde der Alltag unter der Sowjetmacht geschildert , den Schmeljow auf der Halbinsel Krim miterlebt hatte. Was ergriff Thomas Mann an diesem tragischen Buch , abgesehen von dessen Stärke und Neuheit , und woran kann man erkennen , dass es sein Gleichgewicht gestört hat ? Wie Thomas Mann verwendet Schmeljow die Leitmotiv-Technik. Drei Hauptleitmotive überkreuzen sich in seinem Buch : Vergangenheit , Tod und Appell an das Gewissen Westeuropas. Der Erzähler alias die Hauptfigur wird stets von Erinnerungen an die vorrevolutionäre Zeit eingeholt , die für ihn kostbar und schmerzhaft zugleich sind. Das ist keine Nostalgie nach einer men1924–1926
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schenwürdigen Existenzform im Angesicht von Hunger und Terror , sondern eine hoffnungslose Sehnsucht nach Leben , die einen inmitten des apokalyptischen Totentanzes packt. Die Gegenwart , wie Schmeljow sie darstellt , hat jede Zukunftsmöglichkeit vernichtet : Was nun ist und was kommen wird , ist nur der Tod allein. « Ich möchte fort aus dieser Wüstennot , die mich schwindeln macht » , denkt der Erzähler. « Ich möchte in die Vergangenheit versetzt sein , da die Menschen in Eintracht mit der Sonne lebten und Gärten in der Wüste schufen … »424 Tod ist das weitere Leitmotiv. Es wiederholt sich schon in den Titeln einzelner Kapitel : Das Ende des Pfaus , ‹ Tamarkas › Ende , Dreifaches Ende , ‹ Bobiks › Ende , Das Spiel mit dem Tode , Das Ende des Doktors , Das Ende allen Endes. Es sterben Menschen , Tiere und Natur. Tod und Ende sind dabei keine abstrakten Begriffe , sondern die absolute Realität des « ganzen in Verwesung zerfallenen Rußland. »425 Schmeljow appelliert leitmotivisch an das Gewissen Westeuropas : Es konsumiere die Schätze Russlands , welche die neue Macht raubt und ausführt ; und es beobachte Russlands Apokalypse mit den interessierten Augen eines Schriftgelehrten.426 Der Erzähler wendet sich an die « hochherrliche[ n ] Europäer » : « Schön ist’s , einem großartigen Brand vom Berg aus zuzusehen , einem Sturm auf dem Ozean vom Ufer aus. Ein erhabenes Schauspiel ! [ … ] Kommt einmal und seht selbst. Nicht ein Blatt Papier , besät mit Worten , werdet ihr erblicken : blutunterlaufene lebendige Seelen werdet ihr erblicken , weggeworfen wie Kehricht. »427 Diese Leitmotive der Sonne der Toten können Thomas Mann nicht teilnahmslos gelassen haben : denn objektiv standen sie im krassen Gegensatz zu den Bildern und Ideen , die seine neuen Ansichen bestimmten. Seit mehreren Jahren hatte er an einem positiven Zukunftsbild gearbeitet und gegen die « Herrschaft des Todes über seine Gedanken » gekämpft. Die Figuren Schmeljows kannten keine Zukunft mehr , und der Tod war für sie in seiner konkretesten Form allgegenwärtig. Der einzige Inbegriff des Lebens war für sie die Vergangenheit. Um die Bedrohung des Kulturabendlandes durch « asiatisches Chaos » hatte sich Thomas Mann schon vor dem Weltkrieg Sorgen gemacht. Nach dem Weltkrieg ließ sich der Bolschewismus beinahe reibungslos in dieses Schema einordnen. Aus der Sicht Schmeljows handelte Europa nicht nur unmoralisch , indem es dem Terror interessiert zusah , sondern machte sich daran mitschuldig. Es unterstützte und förderte ihn durch seine Geschäfte mit den Sowjets. 112
Tolstoi, Schmeljow und diedeutsche Schicksalfertigkeit
Die Sonne der Toten weist einige Parallelen mit dem Tolstoi-Essay von Gorki auf , die Thomas Mann aufgefallen sein müssen. Um Tolstois «Volkhaftigkeit » hervorzuheben , verglich ihn Gorki mit Figuren aus der nationalen Folklore. Den Vergleich mit einem russischen Gott , der « auf einem Ahorntron unter einer goldenen Linde sitzt » , fand Thomas Mann offensichtlich sehr überzeugend : In Goethe und Tolstoi zitiert er die entsprechende Stelle aus der Broschüre Gorkis drei Mal.428 Mit diesem Bild ließ sich seine Einordnung Tolstois ins Bärenmäßig-Asiatische « plastisch » untermauern. Eine Figur Schmeljows hat ähnliche Züge , aber einen ganz anderen Hintergrund :
Gorki
Schmeljow
« Er [ Tolstoi ] ist wie ein Gott – kein
« Er [ Doktor ] blickt vollkommen ruhig :
Zebaoth oder Olympier , sondern eine
er steht schon jenseits der Schwelle des
Art russischer Gott , der ‹ auf einem
Lebens. Der ganz weiße , rundgescho-
Ahornthron unter einer goldenen Linde
rene Bart verleiht seinem Greisenant-
sitzt › , nicht sehr majestätisch , doch viel-
litz Weichheit und seinen Augen gütige
leicht listiger als alle anderen Götter. »
Traulichkeit. Die strahlenförmigen Runzeln um seine Augen , und seine wäch-
« Er erinnert mich an jene Pilger , die ihr
serne Stirn mit den tiefen Falten machen
Leben lang , den Staub in der Hand , über
ihn einem altrussischen Heiligen Ere-
die Erde schreiten , Tausende Meilen
miten ähnlich : es gab einmal so einen
von einem Kloster zum anderen zurück
heiligen Sergjei , einen heiligen Serafim
legen , grauenvoll heimatlos und fremd
vom Sarowschen Kloster … Träfe man
allen Menschen und Dingen. Die Welt
ihn vor den Klostertoren – man würde
ist nicht für sie , noch ist es Gott. »429
ihm ein Zweikopekenstück reichen. »430
Gorki und Schmeljow hatten sich persönlich gekannt , waren sogar gut miteinander befreundet gewesen. Nach der Revolution von 1917 trennten sich ihre Wege. Es ist zu vermuten , dass Schmeljow die Erinnerungen an Tolstoi kannte. Es kommt hier allerdings nicht darauf an , aufzuklären , ob es seine Absicht war , in seiner tragischen Epopöe auf bestimmte Sätze Gorkis zu « antworten ». Es handelt sich darum , dass Schmeljow mit seinem Doktor ein Bild des Russentums schuf , das mit dem Tolstoi-Porträt bei Gorki stark kontrastierte. Der 1924–1926
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Heiligen-Vergleich in der Sonne der Toten ging auf die große Tradition zurück , der insbesondere Dostojewski gehuldigt hatte , und war an historische Persönlichkeiten gebunden. Der Vergleich Tolstois mit einem Götzen bzw. einem entwurzelten Pilger war willkürlich folklorisiert. Auf dem Letzteren baute Thomas Mann seine « Asiatismus »-Konstruktion. Der Kontrast kann ihm nicht entgangen sein. Gorki vergleicht Tolstoi bildhaft mit einem Stein. Manche Passagen aus Schmeljows Buch lauten wie eine indirekte Reaktion auf dieses Bild.
Gorki
Schmeljow
« Ich denke ihn [ Tolstoi ] in seinem
« Ich gehe und gehe im Garten auf und
Sarg – er liegt wie ein glatter Stein im
nieder , gehe meine Gedanken ab. Suche
Grunde eines Flusses , und in seinem
ich einen Stützpunkt ? … Kann ich noch
grauen Bart ist , das bin ich sicher , ganz
immer nicht umhin zu denken ? Ich ver-
heimlich dieses weltfremde , geheim-
mag es noch nicht , mich in Stein zu ver-
nisvolle kleine Lächeln verborgen. »
wandeln ! [ … ] … Ich … Wer ist das – Ich ? ! Ein Stein in der Sonne. Mit Augen , mit Ohren – ein Stein. Liege du , bis sie dich mit dem Fuß wegstoßen. Nirgends ein Weg , der von hier fortführt … Sieh die Berge : sie sind ganz in luftigen Glanz getaucht. Sieh das Meer … – festtäglich ist es , wie stets. Stillschweigen jenseits , so … unsichtig , neblig. Wo könnte man noch hinschauen ? »
« Die Steine waren groß , von Rissen
« Müde , leise Schritte. Du bist es … Wir
gespalten und mit scharf riechendem
sitzen beieinander , Schulter an Schul-
Seegras bedeckt : die Flut war hochgegan-
ter , schweigen. Denken … Es gibt jetzt
gen. Er auch erschien mir wie ein uralter ,
nichts zu denken. Steine denken so, lie-
lebendig gewordener Stein , der Anfang
gen Tausende von Jahren in regungslo-
und Ausgang aller Dinge weiß … »431
sem Sinnen. Gehen ins Nichts , – verwittern , wetzen sich ab , verschwinden. »432
114
Tolstoi, Schmeljow und diedeutsche Schicksalfertigkeit
Die Stelle aus Gorkis Erinnerungen , wo Tolstoi mit einem uralten , lebendig gewordenen Stein verglichen wurde , hat Thomas Mann ebenfalls zitiert.433 Für ihn war dieser Vergleich ein Zeugnis dafür , dass die « Tolstoische Größe und Einsamkeit » urheidnisch-wilder Art sei , «vor aller Gesittung gelegen. »434 Im Grunde war es das Symbol für ein Weiterleben des Menschen – hier Tolstois – in der Natur. Für Schmeljow waren Steine ein Symbol der Ausweglosigkeit und des Todes. Thomas Mann , der in dieser Zeit auf sein Essay über Goethe und Tolstoi immer wieder zurückkam , dürfte auch dieser Kontrast kaum entgangen sein. In Goethe und Tolstoi erzählte Thomas Mann die Episode aus Gorkis Erinnerungen nach , in der Tolstois Jäger-Instinkt « plastisch » zum Vorschein kommt. Mit dem gleichen Instinkt versah er auch Peeperkorn. Es ging um den Habicht , der über Tolstois Hühnern kreiste , « im Begriffe zuzustoßen ». Tolstoi rief einen Stallknecht , und der Raubvogel verschwand. Aber seine Sympathie war beim Habicht : Er hätte gerne zugesehen , wie dieser eins seiner Hühner erlegt und geraubt hätte.435 Diese Episode diente Thomas Mann als Illustration des « animalischen Übermut[ es ] » , den er Tolstoi zuschrieb.436 Ein Habicht-Motiv finden wir auch bei Schmeljow. Ein Mädchen namens Lala vermag die Raubvögel , die zum Herbst reißend grausam werden , mit ihrer gellenden Stimme für einige Zeit zu schrecken. Später gelingt es einem von ihnen , ein Huhn des Erzählers zu erlegen. « Ich hebe das blutige Klümpchen Federn auf » , erzählt er. « Es ist nicht ein beliebiges Stückchen Fleisch : unsere vielliebe sanfte kleine Gefährtin ist es , unsere kleine schweigsame Genossin in Gram und Leid. » Am Ende des Buches heißt es , dass Habichte keine Angst mehr vor Menschen haben : « Ich hab geschrien – tssss , Verfluchter ! Aber er hatte keine Angst … blutgierig sind sie geworden , die vermaledeiten. Bald werden alle dran glauben müssen … »437 Graf Tolstoi ruft den Stallknecht : nur aus Ordnungssinn. Eigentlich hätte er eins seiner Hühner zugunsten des aufregenden Jagderlebnisses gerne geopfert. Und der Räuber verschwindet. Auf der Krim der Revolutionszeit werden ein paar Hühner , die noch nicht vor Hunger gestorben sind , von ihrem Besitzer beinahe als menschliche Wesen empfunden. Der Habicht zerreißt sie – und die Menschen können ihn nicht schrecken. Den Kontrast der beiden Motive kann Thomas Mann nicht übersehen haben. In der Sonne der Toten fällt auch einmal der Name Tolstois. Der Postbote , ein ungebildeter , aber politisch interessierter Mann « mit den breiten Ba1924–1926
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ckenknochen und den träumerischen , lichtblauen Augen » , disputiert mit seiner Frau : « Die Waisen sollen von guten Menschen mit Liebe bei sich aufgenommen werden ! Was verstehst du denn davon ? Moral muß doch innerlich sein ! Oder nicht ? ! Was lehrt der Graf Leo Tolstoi ? … Den ganz Europa verehrt … als Ge-nie ! Im zwanzigsten Jahrhundert aber … nichts als wüster Instinkt ! ! »438 Der Disput fand noch vor der Revolution statt , und der Postbote sprach vom Gemetzel des Weltkrieges. Unter der revolutionären Macht wurde er verhaftet. Nach der Entlassung war ihm nicht mehr nach Disputieren zumute. Er verstummte. Der bittere Sarkasmus Schmeljows ist hier unverkennbar : Tolstoi war als Genie und Morallehrer verehrt worden , selbst ein einfältig-harmloser Mann aus dem Volke hatte sich auf seine Autorität berufen , aber der Grausamkeit tat seine Lehre keinen Abbruch. Eine Episode wird Thomas Mann entfernt an seine « Asiatismus »-Theorie erinnert haben. Ein alter Tatar bringt dem Erzähler in der Nacht – um nicht ausgeraubt zu werden – ein Geschenk : Lebensmittel und Tabak. Des Tatars «verarbeitetes Gesicht ist mürrisch und streng » , heißt es , « aber … in seinen Augen liegt Menschliches. Ich fasse ihn bei seinen nassen Schultern , drücke ihn. Ich habe keine Worte. Worte tun nicht not. Der Tatar – ein Wilder ? Groß ist Allah ! Die menschliche Seele lebt ! Sie lebt ! »439 Thomas Mann assoziierte das « Asiatische » fest mit Chaos und Wildheit. In der apokalyptischen Welt Schmeljows ist die einzige Figur , die nicht Auflösung , Chaos , Elend oder Tod , sondern Güte und Menschlichkeit verkörpert , – ein Asiat. Die Sonne der Toten stellte wichtige Bausteine der neuen Konstruktion Thomas Manns infrage. Und dieses Buch war allzu « stark und neu » , als dass er es hätte einfach ignorieren können. Es wurde europaweit gelesen und bewundert. Er beschloss , die Sache für sich zu klären , und begab sich zu Schmeljow , der seit 1923 im Pariser Exil lebte. Während des Aufenthaltes in Paris hatte Thomas Mann auch sonst die Gelegenheit , in die russische Sphäre einzutauchen. Er wurde zum Philosophen Leo Schestow eingeladen , dessen Name ihm spätestens aus Gorkis Erinnerungen an Tolstoi bekannt geworden war ,440 und lernte dort Iwan Bunin kennen. Der Gastgeber war herzensgut und mähnschlich. Am Tag der Abreise wurde Thomas Mann von Mereschkowski im Hotel aufgesucht. Beschämt musste er seinen Lesern gestehen : Er hätte vergessen , dass der berühmte russische Maître in Paris lebte.441 Schmeljow besuchte er dagegen aus eigener Initiative und sogar unangemeldet , was abermals beweist , wie ernst er diesen Autor nahm. 116
Tolstoi, Schmeljow und diedeutsche Schicksalfertigkeit
Er war eine ganz andere Erscheinung als die russischen Exilschriftsteller , die Thomas Mann bereits kannte. In Tonio Kröger hatte Lisaweta vom Typus Literat als Heiliger gesprochen. Auf Schmeljow würde die Wortverbindung Literat als Märtyrer zutreffen : Ein gebrochener Mann von fünfzig Jahren , der wie ein Greis aussah und Schreckliches durchgemacht hatte.442 Über den Besuch bei ihm erstattet Thomas Mann einen detaillierten Bericht. Er schreibt von Erschütterung und Scham , die ihn beim Anblick des « russischen Dichter[ s ] und Dulder[ s ] » vor der Kulisse von dessen Armeleutwohnung ergreifen. Er zollt der Sonne der Toten Tribut : das Buch bewundere er. Dann nimmt er ihn vor eventuellen Angriffen deutscher Kommunismus-Adepten in Schutz : « Erlebe , was diese Menschen [ gemeint sind Zeugen des Revolutionsterrors ] erlebt haben , und dann ‹ glaube › noch an die ‹ Idee › ! » Von allem zu schweigen , was sie physisch erlitten haben , « mit letzten Erbarmen und letzter Ehrfurcht durchdringt uns » , schreibt Thomas Mann weiter , « die Vorstellung des ideellen Elends , der teuflischen Demütigung und Vernichtung des revolutionären Idealismus , von dem jeder höhere Russe erfüllt war und der durch das Erlebnis menschlich-viehischer Wirklichkeit in den Kot gezogen wurde. »443 Und anschließend lässt Thomas Mann seine Leser den tieferen Grund seines Interesses für Schmeljow durchblicken : Er zitiert einen Abschnitt aus dessen Epopöe und schreibt zu ihm einen polemischen Kommentar. In diesem Abschnitt geht es um Millionen Menschenopfer , die das Sozialismus-Experiment erfordert. Seine Theoretiker waren , so eine Figur Schmeljows , keineswegs humaner als seine Ausführer – diejenigen , die « ausgehen , um zu töten ». Den Opfern der Revolution stellt Thomas Mann die des Weltkrieges gegenüber , der « eine bürgerliche Veranstaltung » gewesen sei. « Was fängt man mit den stolzen Ziffern und Summen an , die die Statistik des Krieges an die Hand gibt ? » , fragt er. Da sie zu groß sind , als daß man sie von der Summe der Revolutionsopfer abziehen könnte , wird man sie wohl hinzuaddieren müssen , denn irgend etwas haben diese Summen , das bourgeoise und das proletarische Blutkonto, offenbar miteinander zu tun , und die Bourgeoisie hatte angefangen.444
Hier hat man wieder ein Beispiel dafür , wie frei Thomas Mann mit seinen Quellen bzw. Opponenten verfährt. Denn er polemisiert gegen Dinge , die in Schmeljows Buch nicht vorhanden sind. 1924–1926
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Schon vor dem polemischen Kommentar schweift er von den Gedanken Schmeljows ab , indem er auf das « ideelle Elend » eingeht. Dahinter möchte er Demütigung und Vernichtung des revolutionären Idealismus sehen. Schmeljow jedoch trauert diesem Idealismus nicht nach. Sein Doktor spricht über ihn nur sarkastisch und bereut es , ihn geteilt zu haben. Die « Idealisten » – so kann man entsprechende Passagen aus der Sonne der Toten deuten – waren von der Idee berauscht , die grundsätzlich böse war. Vor deren Brutalität hatte Dostojewski gewarnt , aber er wurde nicht gehört. Nun sei sie « mit Gekrach » zusammengestürzt , und das heiße « nicht zusammenstürzen , sondern einfach überhaupt nicht existieren ! Es gibt nichts Absolutes ? Nein. »445 Die Idee war also von Anfang an eine Fiktion. Vom « Klassenkonflikt » zwischen Proletariat und Bourgeoisie ist bei Schmeljow keine Rede. Das Volk : der Postbote , Fischer , Dachdecker , Proletarier wird in seinem Buch als Opfer des Sowjetregimes dargestellt. Die neuen Machthaber werden an einer Stelle Eroberer genannt. Der Anführer ihres mobilen Mordkommandos hat « lange , bis auf die Schulter reichende Haare » , ein « feines Gesicht mit dem versonnenen Blick genußreicher Verträumtheit » und sei dem Ansehen nach ein Dichter.446 Vom Standpunkt der Bourgeoisie , den Schmeljow laut Thomas Mann vertreten soll , ist in seinem Buch keine Spur zu finden. Im Folgenden vertieft sich Thomas Mann in seine eigene Gedankenwelt. Auch wenn er sich dabei rhetorisch an Schmeljow wendet , bleibt der russische Schriftsteller gänzlich auf der Strecke. « Soll man sich von den Gesichtern der Entmenschheit » , fragt er , die sich in Ihre abgezehrte Miene eingezeichnet haben , Iwan Schmeljow , in die andere Alternative , ins strikt Bürgerliche , Reaktionäre drängen lassen ? [ … ] es genügt heute , irgendeine Note der Sowjets an die Regierungen des kapitalistischen Westens und des ‹ Völkerbundes › zu lesen , um zu fühlen , auf welcher Seite die Idee ist und auf welcher die Überalterung , das Flickwerk , das Nicht-ein-und-aus-Wissen. [ … ] Nie hat die Menschheit mit ihrem Blute gegeizt , wenn es Ideen galt [ … ]. Sie sind auf die allerviehischste Weise von der ‹ febris revolutionis › und vom ‹ Glauben › kuriert worden , armer Schmeljow , und wahrhaftig , ich glaube auch nicht viel. Aber der Besuch bei Ihnen hat mich wieder empfinden lassen , wie furchtbar schwer es heute ist , sich anständig zu halten und zu stellen. Diejenigen , die es nicht schwer finden , sind nur eitle Bescheidwisser , die nichts als das Glück suchen , sich an der tête zu fühlen. Seinem Instinkt , seiner Natur folgen ganz einfach ? Ja , aber nicht ‹ ganz einfach › , sondern mit Vorsicht
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Tolstoi, Schmeljow und diedeutsche Schicksalfertigkeit
und Gerechtigkeit – mit jener Selbstkritik , die unsere bedingte Lebens- und Geistesform sich öffnen läßt dem , was wir nicht mehr sind , was nach uns kommt , der Zukunft. [ … ] Auch ich bin ‹ Bürger › – die tête-Halter und Bescheidwisser geben es mir schimpfweise täglich zu verstehen. Aber das Wissen selbst , wie es um das Bürgerliche heute geschichtlich steht , bedeutet schon ein Heraustreten aus dieser Lebensform , ein Nebo-Blick auf Neues.447
Eine deutliche politische Position lässt sich von dieser Überlegung nicht ableiten. In ihr äußert sich primär Thomas Manns Angst um seinen mühevoll konstruierten Zukunftsoptimismus. Die Epoche des Bürgertums hatte seiner Ansicht nach ausgelebt.448 Eine strikt bürgerliche politische Einstellung – die Alternative der Proletarierdiktatur – wäre demnach reaktionär , rückwärtsgewandt. Sie müsste deswegen dem selben Bereich angehören wie das völkische Heidentum in Deutschland und der Faschismus in Italien. Der Grausamkeit des Sowjetsystems wurde er sich – nicht zuletzt dank Schmeljow – bewusst. Aber er dachte sich die Zukunft aufseiten der Sowjets. Der « kapitalistische[ ] Westen » erschien ihm dagegen wie eine Welt , in der seine dekadenten Fuguren lebten – überaltert , hilflos , im Verfall begriffen. Und so ordnete er das « Östlich-Proletarische » schicksalfertig – wenn auch nicht ohne Selbstüberwindung – in den Zukunftsbereich ein. Thomas Mann griff nicht den Antikommunismus Schmeljows an. Er protestierte versteckt gegen den Todesgedanken und die stille Verzweiflung , die Die Sonne der Toten atmete. Politische Begriffe passte er diesem Protest an. Mit Schmeljow polemisierend , kämpfte er gegen Geschichtspessimismus und Kompromisslosigkeit , von denen er sich in seiner neuen Situation bedroht fühlte. Implizit verteidigte er auch seinen Tolstoi-Mythos – den mächtigen Tolstoi , welcher den Weltkrieg hätte verhindern können. Die Reise nach Paris und die Pariser Rechenschaft waren eine Weiche auf dem Wege Thomas Manns zur Revision seiner auf die Sowjetdiktatur bezogenen « Asiatismus »-Theorie. Tolstoi als deren Symbolfigur beginnt in dieser Zeit allmählich in den Hintergrund zu treten. Seine zeitlose Bedeutung für Thomas Mann gewinnt dafür wieder mehr an Gewicht.
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Die glückliche Majestät der Patriarchen (1926–1933) Bald bin ich 54 Jahre alt. In einem solchen Alter fängt man kein neues Leben an und ändert seine Gewohnheiten nicht mehr. Die Zukunft bietet mir nichts Gutes , und die Vergangenheit verschlingt mich. Gustave Flaubert , Brief an Madame des Genettes , 3. Oktober 1875
Den Russen kennzeichnet – wie den vorchristlichen Juden – die Nähe von Religion und Geschichte ; bei ihm suchen sich Geist und Tat , Idee und Politik zu durchdringen. Walter Schubart , Europa und die Seele des Ostens449
« Der Mythos sitzt nicht bei einem im Zimmer. Das gibt es nicht » ,450 meinte Thomas Mann 1921, auf den angekündigten Besuch Mereschkowskis bei sich in München bezogen. Der Besuch blieb aus , und der Mythos Mereschkowski war fürs Erste gerettet. Fünf Jahre später versetzte ihm in Paris eine andere Alltäglichkeit doch den entweihenden Schlag : Das war der gemeinsame five-o’clocktea im Hotel. Seit diesem Treffen unterhielt Thomas Mann keinen Kontakt mehr zu dem russischen Kollegen. « Der genialste Kritiker und Weltpsycholog seit Nietzsche »451 muss sich wohl als Person entmythisiert haben. Seine Bücher benutzte Thomas Mann weiterhin intensiv als Quellen. Mit Iwan Schmeljow stand er noch bis 1932 sporadisch im Briefwechsel. Dieser Dichter hatte in seinen Augen keine mythische Aureole. Alles , was in seinem Buch stand , hatte er erlitten. Durch das Pathos der Sonne der Toten wurde Thomas Manns Zukunftsoptimismus gestört und herausgefordert. Menschlich war sein ganzes Mitgefühl auf der Seite Schmeljows , was den anhaltenden Kontakt erklärt. Wie sensibel Thomas Mann auf Störungen solcher Art reagierte , zeigt ein anderes Beispiel. 1919 hatte er mit Lobeshymnen für Spenglers soeben erschienenen Der Untergang des Abendlandes nicht gegeizt.452 1922 kritisierte er bei seinem ersten großen Auftritt als Republikaner den Geschichtspessimismus dieses damals berühmten Buches.453 Noch zwei Jahre später , schon als über120
zeugter Vernunftsoptimist , sah er sich verpflichtet , mit Spengler öffentlich abzurechnen. Die Abrechnung fiel erbarmungslos aus. Der Lehre des modischen Untergangspropheten warf er Defaitismus der Humanität , hyänenhaftes Prophetentum , « bleiernen Geschichsmaterialismus » vor , gegen den « derjenige eines Marx nur idealistische Himmelsbläue » sei.454 Die Geschichte – so kommentierte Thomas Mann die Theorie Spenglers – bestehe in dem Lebenslauf von « Kulturen ». Diese seien « streng in sich geschlossene Lebewesen , unverbrüchlich gebunden jede an die ihr eigenen Stilgesetze des Denkens , Schauens , Empfindens , Erlebens , und eine versteht nicht ein Wort von dem , was die andere sagt und meint. Nur Herr Spengler versteht sie samt und sonders [ … ]. »455 Spengler selbst leugne , Pessimist zu sein. Er sei ein Fatalist. « Aber sein Fatalismus » , fährt Thomas Mann fort , resümiert in dem Satze : ‹ Wir müssen das Notwendige wollen oder nichts › , ist weit entfernt , tragisch-heroischen Charakter zu tragen , den dionysischen , in welchem Nietzsche den Gegensatz von Pessimismus und Optimismus aufhob. Er trägt vielmehr den einer bösen Apodikzität und einer Zukunftsfeindlichkeit , die sich in wissenschaftliche Unerbittlichkeit vermummt.456
Das waren harte Worte und ein gereizter Ton , die wie eine Überreaktion anmuten : denn der Dichter war persönlich betroffen. Erstens hatte sich Spenglers Theorie der Kulturen für Thomas Mann 1919 wie eine Bestätigung seiner Betrachtungen eines Unpolitischen gelesen.457 1924 war sie für ihn schon eine beschwerliche Erinnerung an das Verdrängte und Überwundene. Er fühlte sich von ihr zurückgeworfen und provoziert , zumal Spengler unverändert ein Gegner der Demokratie geblieben war und den Ruf eines Meisterdenkers genoss. Zweitens war auch Thomas Mann das fatalistische Prinzip keineswegs fremd. Nur ging es ihm – neuerdings – darum , « das Notwendige » an die humanistischen Kulturwerte anzupassen und es auf diese Weise menschen- und zukunftsfreundlich zu stilisieren. Es ging ihm darum , den Todes- und Untergangsgedanken zu verbannen. Spenglers Lehre mit ihrer schwerfälligen Wissenschaftlichkeit drang in seinen sehr sensiblen Privatbereich ein und musste so entschieden wie nur möglich abgewehrt werden. Spengler , der ihn reizte , und Tolstoi , der ihn stärkte , überschneiden sich einmal in Thomas Manns Welt : Es handelt sich dabei um den Josephsroman. Helmut Koopmann vermutet , dass Thomas Manns Ablehnung Spenglers den 1926–1933
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Hauptimpuls zur Schaffung der biblischen Tetralogie gegeben hat. Es sollte zum erstenmal in seinem Werk « keine Niedergangs- und Untergangsgeschichte » sein , sondern « deren überraschendes Gegenteil : die Geschichte wurde zur Verheißung und euphorischen Offenbarung »458 – also ein Anti-Spengler-Projekt. Protest und persönliche Betroffenheit mögen den – vielleicht auch entscheidenden – Impuls zur Schaffung des biblischen Romans gegeben haben. Wichtige Anregungen zu ihm , die im Laufe der Jahre gereift waren , gab es schon früher. Die wohl früheste von ihnen , abgesehen von der Lektüre der Familienbibel , war Tolstois Studie Gegen die moderne Kunst , die Thomas Mann um die Jahrhundertwende gelesen hatte. Tolstoi schrieb : Man betrachte z. B. die Geschichte Josephs , des Sohnes Jakobs. Josephs Brüder , die auf die Gunst eifersüchtig , deren er sich bei seinem Vater erfreut , verkaufen ihn an Kaufleute. Das Weib Potiphars will Joseph verführen ; dieser verzeiht seinen Brüdern u.s.w. ; das sind Gefühle , die sowohl dem russischen Bauern , dem Chinesen wie dem Afrikaner , dem Greise wie dem Kinde , dem Gebildeten wie dem Ungebildeten zugänglich sind ; dazu ist es so nüchtern , ohne unnütze Eigentümlichkeiten geschrieben , daß man die Geschichte in jedes beliebige andere Milieu verpflanzen kann , ohne daß sie etwas von ihrer Klarheit und ihrem pathetischen Ton verliert ! [ … ] Der Verfasser der Geschichte Josephs hat es nicht für notwendig erachtet , uns genau , wie man es heute tun würde , das blutige Kleid Josephs , noch das Kostüm Jakobs , und das Haus , das er bewohnte , noch die Toilette der Frau des Potiphar zu beschreiben. Die in dieser Geschichte ausgedrückten Gefühle sind so stark , daß alle Einzelheiten dieser Art darin überflüssig erscheinen und dem Ausdruck dieser Gefühle schaden würden. Der Autor hat nur die unumgänglich notwendigen Züge beibehalten , wie z. B. als er uns sagt , daß Joseph beim Wiederfinden der Brüder in ein Nebenzimmer ging , um zu weinen. Und dank diesem Mangel unnützer Einzelheiten ist seine Erzählung allen Menschen zugänglich , erschüttert es die Menschen aller Nationen , aller Zeitalter , aller gesellschaftlichen Stellungen ; so ist sie durch Jahrhunderte auf uns gekommen , und so wird sie uns Tausende von Jahren überleben. Dagegen versuche man die besten Romane unserer Zeit ihres Beiwerks zu entkleiden , und man wird sehen , was davon übrig bleibt !459
Die Studie Tolstois hatte Thomas Mann kurz nach ihrem Erscheinen gelesen.460 1908 nannte er sie eines seiner Lieblingsbücher.461 1923 – der Dichter setzte sich gerade intensiv mit Spenglers Lehre auseinander – zeigte ihm der Künstler Hermann Ebers seine Illustrationen zur Geschichte Josephs mit der Bitte , 122
Die glückliche Majestät der Patriarchen
eine Einleitung zu ihnen zu schreiben. Das bewirkte schließlich den Übergang Thomas Manns – nach einer unbestimmt langen Inkubationszeit – zur konkreten Planung des Bibelromanes. Es gibt keine Hinweise auf seine Wiederlektüre der Studie von Tolstoi aus diesen Jahren. Aber das mindert die Bedeutung des zitierten Abschnittes für den werdenden Josephsroman nicht. Die meisten Projekte Thomas Manns waren lange gereift und wurzelten unter anderem in Leseerlebnissen seiner Kindheit und frühen Jugend. Außerdem sind seine Tagebücher jener Epoche , die eine wichtige Quelle gewesen wären , nicht erhalten. Tatsache ist , dass sich manches an der Konzeption der biblischen Tetralogie mit den Gedanken Tolstois in Verbindung bringen lässt. Thomas Mann erhob nämlich den Anspruch auf die Schaffung eines modernen Romans , der – gleichsam Tolstoi zum Trotz – mit « Beiwerk » reichlich ausgestattet und dabei den « Menschen aller Nationen » und Schichten zugänglich wäre. Keine noch so « überflüssige » Einzelheit entging seinem Blick : das Kleid Josephs – es wird zweimal gesagt , dass seine Fetzen von Blut starrten ; das Kostüm Jakobs und sein « härenes Haus » ; die Toilette der Frau des Potiphar mit all ihren Accessoires462 – und weitere « unnütze Eigentümlichkeiten » , für deren « Rekonstruktion » Thomas Mann zahlreiche Fachbücher konsultiert hatte. War das vielleicht eine ironische Polemik mit Tolstoi , ein Versuch – um mit Puschkin zu sprechen – , die Lorbeeren des alten Herrn zu zausen ?463 Oder war das eine implizite Gegenüberstellung von zwei Inspirationsquellen , und zwar Tolstoi und Goethe , wobei Thomas Mann sich so zu dem Letzteren bekannte ? 1930 zitierte er eine Stelle aus Dichtung und Wahrheit , die ihm seit Jahren im Gedächtnis geblieben war und sich auf die Geschichte Josephs bezog : « Höchst anmutig ist diese natürliche Erzählung , nur erscheint sie zu kurz , und man fühlt sich berufen , sie ins einzelne auszumalen. »464 Tolstoi schätzte an dieser Geschichte ihre Knappheit. Goethe dagegen hätte sie am liebsten ins Detail ausgearbeitet. Es ist eine Vermutung , dass dieser Gegensatz für Thomas Mann von Bedeutung war. Für sie spricht allerdings , dass beide Großen in den früheren Zwanzigerjahren die Hauptfiguren der Gedankenwelt Thomas Manns abgaben. Auch der zeitlos-stärkende Tolstoi lieferte Thomas Mann einige Anregungen im Anfangsstadium des Josephsromans. Zu Beginn der Zwanzigerjahre wandte er sich wieder dem Buch Mereschkowskis zu , das ihn schon 1903 so sehr beeindruckt hatte. In Goethe und Tolstoi bediente er sich eines bildhaften Vergleichs , den Mereschkowski gezogen hatte und der seinerseits einen Bogen zum Josephsroman schlägt : 1926–1933
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Mereschkowski , Tolstoi und Dosto
Thomas Mann , Goethe und Tolstoi
jewski als Menschen und als Künstler « Auch jetzt noch erkenne ich in dem
« Das sinnlich Patriarchalische , die innig
Antlitz des siebzigjährigen Tolstoi , in
lebenverbundene Animalität dieser Hei-
diesem strengen , sinnlichen , fast gro-
ligkeit , ist von einem unmittelbaren
ben bäuerlichen und dennoch zart ange-
Beobachter wie Gorki , einem geistigen
hauchten Gesicht , das er und andere ver-
Kritiker wie Mereshkowski aufs stärkste
geblich zeitgemäß demütig , bußfertig und
empfunden worden. Tolstoi heiratete mit
wesenlos gestalten wollen , eine ande-
34 Jahren die 18jährige Sofja Andrejew-
re , nicht wesenlose Heiligkeit , die glück-
na Behr , die fortan meistens gesegneten
liche Majestät der alten Patriarchen ,
Leibes war und dreizehnmal niederkam.
die ihre Herden zwischen den Brun-
Seine Ehe war lange , schöpferische Jahre
nen der Wüste weideten und sich ihrer
hindurch ein patriarchalisches Idyll von
Nachkommenschaft , die zahlreicher als
gesunder , fromm-animalischer Fülle des
der Sand am Meere war , erfreuten. »
Familienglücks , mit der ökonomischen Grundlage einer üppigen Landwirtschaft
« Der glücklichste Familienvater , ein
und Tierzucht und eher jüdisch-alttes-
modernes Ebenbild der alttestament-
tamentarischen als christlichen Geis-
lichen Patriarchen Abraham , Isaak
tes. Er kennt die große , einfache Liebe
und Jakob , der siebenunddreißig Jah-
zum Dasein , die ewig kindliche Lebens-
re in inniger Seelengemeinschaft mit
freude , die auch Goethe beseelte. [ … ]
seiner Frau gelebt hat , beneidet plötz-
Innig-sinnlichster Naturgenuß durch-
lich am Ende seines Lebens die Frei-
setzt noch die Jahre der Verdüsterung ,
heit eines Junggesellen als ob sein
wo er an Selbstmord denkt , die ‹ Beichte ›
eigenes Familienleben eine gehei-
plant , kurz , jenes Mißverständnis herauf-
me Sklaverei gewesen sei [ … ]. »465
beschwört , dem seine ‹ Heiligkeit › nun verfällt und das sie , die Majestät der Patriarchen , entwest , verdünnt , verchristlicht , ins Englisch-Indische stilisiert. »466
Mereschkowski schrieb also von der glücklichen Majestät der alten Patriarchen , die auf Würde und Zufriedenheit beruhte , und brachte Tolstoi mit ihr symbolhaft in Verbindung. Die «Verknüpfung » Tolstois mit Abraham , Isaak und Jakob war die treffendste Illustration für seine Naturgebundenheit und seine 124
Die glückliche Majestät der Patriarchen
Vitalität zugleich – kein Wunder , dass Thomas Mann sich ebenfalls des Patriarchen-Bildes bediente. Mit diesem Bild allein hat die mögliche Anregung für den Josephsroman noch nicht ihr Bewenden. Die Majestät des Begnadeten mit ihrer « fromm-animalischen Fülle des Familienglücks » erwies sich für Tolstoi als geistig unbefriedigend. Ihr folgten « die Jahre der Verdüsterung » , die schließlich nur eine Phase im Kampf waren , den Tolstoi stets gegen seine Naturgebundenheit führte. Sein Biograph Birukof hat es « die innere Arbeit gegen sich selbst » genannt.467 «Vermenschlichung » , kommentiert Thomas Mann , « das bedeutet ihm Entnatürlichung , und in der Loslösung von der Natur , von allem , was überhaupt natürlich und besonders ihm natürlich ist , [ … ] besteht fortan der Kampf seines Lebens. » Und dieser Kampf habe bei Tolstoi regelmäßig zur Krankheit geführt.468 Einige Jahre später schuf Thomas Mann die Gestalt Jaakobs. Seine glückliche Majestät – ein anderes Wort dafür ist Ausdrucksmacht 469– war harmonischer als die Tolstois. Das Fromm-Animalische allein hätte auch ihn nicht befriedigt , aber es war durch das Fromm-Geistliche ausgeglichen. Diese zwei Elemente der Majestät Jaakobs waren nicht miteinander im Kampf , sondern ergänzten sich. Er diente einem Gotte , « dessen Wesen nicht Ruhe und wohnenedes Behagen war , einem Gotte der Zukunftspläne , in dessen Willen undeutliche und große , weitreichende Dinge im Werden waren , der eigentlich selbst , zusammen mit seinen brütenden Willens- und Weltplänen , erst im Werden und darum ein Gott der Beunruhigung war [ … ]. »470 Auf der Höhe der Jahre war er « w ürdig von Geschichten , geistig besorgt und von ihm zugewachsenem Gute schwer » – ein Gegenbild seines Bruders Esau , der nur « ein Naturbursch von ehemals zu sein schien. »471 Ähnlich stellte Thomas Mann auch den Urvater Abraham dar : geistliche Unruhe , Gottesnot – nicht aber ein steter , zur Krankheit führender Kampf mit sich selbst – hatten die Bewegungen seines Lebens bestimmt.472 Möglicherweise war es unter anderem die eingehende Beschäftigung mit Tolstoi , die diese Charakterzüge der Patriarchenfiguren bei Thomas Mann anregte. Auch er kannte den Kampf mit sich selbst und einen quälenden Zwiespalt , nur war seinem Wesen wohl die weiche und schreckhafte Seele seines Jaakob viel näher , als die « Naturgebundenheit » Tolstois. Die Lösung seiner Probleme hätte Thomas Mann am liebsten in einer Synthese , nicht im Kampf gehabt.
1926–1933
125
Thomas Manns Hinwendung zum Thema Ägypten oder , im weiteren Sinne , Orient , die er in Pariser Rechenschaft öffentlich ankündigte ,473 war seit längerer Zeit vorbereitet. Als Einundzwanzigähriger hatte er sich von Neapel « eine Mischsensation von Rom und Orient » versprochen und wurde nicht enttäuscht : Die orientalische Note klang dort wirklich mit. Im Vergleich zu Rom war es pöbelhaft , aber von « einer naiven , lieben , graziösen und ergötzlichen Pöbelhaftigkeit ». Neapels « sinnliche , süße , südliche Schönheit » ergriff ihn.474 Asien assoziierte er spätestens seit dem Tod in Venedig mit Chaos und Auflösung. Dieses Bild wurde in den ersten Nachkriegsjahren durch die Nachrichten von der proletarischen Revolution in Russland aktualisiert. Zur gleichen Zeit aber hegte er ein anderes Bild des Ostens. « Entzückt vom Kindchen [ … ] » , schrieb er Ende November 1918 in sein Tagebuch nieder. « Die Süßigkeit in ihrem Gesichtchen ist orientalischen Ursprungs , er zeigt sich zuweilen in der Mundform , im Glanz des Auges , das im Gesichtchen vorherrscht und , obgleich blau , oft von innen braun erdunkelt. ( Gedicht ). »475 Dem Morgenland ist ein ganzer Abschnitt im Gesang vom Kindchen ( 1919 ) gewidmet – eine wahre Hommage an den auserlesen-generösen Orient der Märchen. Die « orientalischen » Züge der Tochter führen Thomas Mann in eine Traumwelt – « Märchenosten , Traum vom Morgenland » , in der sich Erinnerungen an eine glückliche Zeit seines Lebens mit exotischen Bildern mischen. Am Ende des Abschnitts hieß es : Tiefste Hemat ist ja der Osten , Heimat der Seele , Heimat des Menschen , Heimat ältester , mildester Weisheit.476
Kein Zufall , dass diese durch die Blume des Orients gemachte Liebeserklärung an Frau und Kind , an die Kulturtradition und an eine gegenwartsfremde Traumwelt in den ruhelosen Herbsttagen 1918 zu Papier gebracht wurde. Ermüdet durch die ständige Auseinandersetzung mit dem aktuellen Geschehen , floh der Dichter vorübergehend aus dem ganz realen Chaos und Verfall in die exotische Fremde. So ergab er sich der Illusion einer ästhetisierten Enthobenheit aus der Zeit , einer Kontinuität , welche der erträumte Orient vermittelte. In dessen Idealisierung äußerte sich seine Sehnsucht nach zeitloser Schönheit und Beständigkeit , Ruhe und Frieden sowie sein Bedürfnis nach « Treue und Dauer ». Bemerkenswert ist , dass im Gesang vom Kindchen kein Unterschied zwischen Orient und Osten gemacht wird , d. h. « Asiatismus » , « Östlichkeit » einerseits und die Seele , die mildeste Weisheit andererseits entstammten einem und 126
Die glückliche Majestät der Patriarchen
demselben Begriffskomplex. Auf diesem Boden wuchs Thomas Manns größtes orientalisches Projekt. Tolstoi war ein wenig an ihm mitbeteiligt. Spengler muss einen starken Impuls zu seiner Verwirklichung gegeben haben. Thomas Manns im März 1925 niedergeschriebener Reisebericht Unterwegs zeigt , dass der Orient für ihn seine märchenhafte Faszination und Ausstrahlung der Kontinuität nicht verloren hat. « Das Morgenland … » rekapituliere er. « Doch , doch , ich habe es aufgenommen. Ich trage zeitlose Bilder mit fort , die unverändert sind seit den Tagen der Isis und sperberköpfiger Götter. » Das Morgenland sei doch sein geworden.477 Im April 1925 – also fast zur gleichen Zeit – schrieb er die nostalgische Erzählung Unordnung und frühes Leid. Ihre Hauptfigur , der ihm sehr ähnliche Professor Cornelius , hat zur turbulenten Gegenwart keinen Anschluss und findet seinen privaten Freiraum in der Geschichte. Im selben Zeitabschnitt erörterte Thomas Mann mehreren Adressaten sein Verständnis des guten Willens. Im Brief an Josef Ponten vom 5. Februar 1925 nahm er den Zauberberg vor den Vorwürfen einer Lebensfeindlichkeit in Schutz. Das sei doch ein Buch des guten Willens , protestierte er , in ihm werde buchstäblich versucht , « den Tod zur komischen Figur zu machen ». Und er , der Autor , sei in seinem Herzen kein Settembrini , aber er wolle in seinen Gedanken frei , vernünftig und gütig sein. Das möchte er guten Willen nennen.478 Am 12. Juli 1925 schrieb er an Alfred Kubin : « Man kann nichts anderes tun , als immer wieder sein Geschick aufs neue bekräftigen mit dem Bestreben , möglichst wenig langweilig dabei zu sein und mit Sympathie für das Leben , das über unser Schicksal hinausreicht. Das ist es , was ich guten Willen nenne , und guten Willen möge man mir nachsagen , wenn man mir überhaupt etwas nachsagt. »479 Im Brief an Richard Graf Coudenhove-Kalergi vom 17. September 1926 wünschte er der zeitgenössischen Jugend , sie möge erkennen , « [ d ]aß wir [ … ] der Fühlung mit Zeit und Zukunft nicht ganz verlustig gegangen , nicht ohne Sympathie mit dem Leben , nicht ohne Liebe sind. Daß wir den Frieden unserer Seele nicht auf den Pfühlen der Vergangenheit und des Todes suchen , sondern darin , uns ‹ eines guten Willens › zu wissen. »480 All das beweist abermals , wie sehr Thomas Mann bemüht war , sich vom Todesgedanken loszulösen und auf eine positive Zukunft zu vertrauen , und wie schwer es ihm fiel , diesen Vernunftsoptimismus aufrechtzuerhalten. Die bürgerliche , also seine Epoche war , wie er mehrmals beteuerte , zu Ende. Von der Zukunft waren nur noch größere Veränderungen , ja Erschütterungen zu erwarten. Seine Arbeit an einem positiven Zukunftsbild war eine Flucht von seinen 1926–1933
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Ängsten und glich der Arbeit an einem Kunstwerk : Sie machte ihm schwere Sorgen und bereitete ihm viel Schmerz – beaucoup de douleurs. Die Vergangenheit dagegen war abgeschlossen , verlebt und überschaubar. Sie implizierte keine Ängste. In diesem Sinne folgte Thomas Mann bei seiner Hinwendung zum Morgenland der europäischen Tradition : Es hatte sich im Bewusstsein des Abendlandes spätestens seit der Romantik als geistiger Fluchtort und Symbol zeitloser Bilder etabliert. Wie bereits erwähnt , gewann Tolstoi als Thomas Manns persönlicher zeitloser Faktor etwa seit der Mitte der Zwanzigerjahre wieder mehr an Gewicht. In der Rede Lübeck als geistige Lebensform ( 1926 ) berichtete er , wie die Lektüre Tolstois während der Arbeit an Buddenbrooks seine « schwankende Kraft » gestützt hatte.481 Im Beitrag , mit dem er 1928 Tolstois 100-jähriges Jubiläum würdigte , traten seine mythischen Bilder wieder zutage. Das Wort Kraft und seine Ableitungen wurden auf einer Seite vier Mal gebraucht ; Gesundheit wiederholte sich auf zwei aufeinanderfolgenden Seiten ebenso vierfach.482 Der Weltkrieg wurde dem Leser in Erinnerung gerufen : Der Alte von Jasnaja Poljana hätte ihn durch seine Gegenwart allein verhindern können. Dabei schränkte Thomas Mann allerdings die mythologisierte Allmacht Tolstois ein wenig ein : Er machte deutlich , dass er den moralischen Einfluss des 19. Jahrhunderts meinte ; Tolstoi war einer seiner letzten großen Vertreter ; ohne ihn sei Europa herrenlos geworden und bleibe es auch weiterhin.483 Ähnlich hatte er sich ein Jahr zuvor vor dem Warschauer PEN-Club geäußert.484 Dadurch wurde der Tolstoi-Mythos insgesamt aber keineswegs « rationalisiert ». Im Gegenteil : An einem anderen Ort trennte Thomas Mann das Rationale vom Mythischen eindeutig. Es handelt sich dabei um die erzählerische Macht des Tolstoi’schen Werkes. Jede Berührung mit ihr führe « dem Talent , das zu empfangen weiß , [ … ] Ströme von Kraft und Erfrischung , von bildnerischer Urlust und Gesundheit zu. » Es sei nicht von Nachahmung des großen Meisters die Rede , betonte Thomas Mann – denn « wie soll Kraft nachzuahmen sein ? » Wie Tolstoi selbst , ein Antäus , « bei jeder Berührung mit der mütterlichen Erde als Künstler zum Herrlichsten erstarkte , so ist sein gewaltig selbstverständliches Schöpfertum uns Erde und Natur , eine andere Erscheinung dieser selbst … »485 Hier grenzte Thomas Mann also mit aller Deutlichkeit das Rationale ( Nachahmung Tolstois , d. h. Benutzung seiner Kunstgriffe , seiner Erzähltechnik usw. ) vom Mythischen ( Kraft , Frische , Größe , Stärkung , Vitalität ) ab. 128
Die glückliche Majestät der Patriarchen
In Goethe und Tolstoi war der russische Dichter zur Symbolfigur des erschreckenden « Asiatismus » aktualisiert worden. Im gleichen Essay hatte Thomas Mann bestimmte Ideen und Verhaltensweisen Tolstois seinen eigenen Problemen angepasst und ihn unauffällig zu seinem Leidensgenossen gemacht. In der Jubiläumsschrift stilisierte er Tolstoi auf eine diskrete Art zu seinem Verbündeten. Am Anfang dieses Aufsatzes deutete er die Richtschnur des eigenen Vernunftsoptimismus an , indem er das gegenwärtige Weltbild mit dem des 19. Jahrhunderts verglich. Was jenes vor diesem voraus habe oder voraus zu haben beginne , sei « dies bißchen Erhellung und Durchgeistigung , dieser noch zage Ausblick auf Möglichkeiten eines neuen heiteren und stolzeren Menschheitsgefühls. »486 Danach umriss Thomas Mann die Essenz der Gegenwirkung , von der das Neue seiner Ansicht nach bedroht wurde : « Mißachtung und Vergewaltigung der Idee und Menschenwürde » , welche die Gegenwart « mit historischer Selbstgefälligkeit » hinnehme. Das moralisch überlegene neunzehnte Jahrhundert , dessen Repräsentant Tolstoi war , hätte sich das nicht gefallen lassen.487 Man kann vermuten , dass Thomas Mann hiermit auf reaktionär-diktatorische Ideen à la mode , vor allem auf das völkische Heidentum in Deutschland hinweist. Diese Vermutung bestätigt sich am Schluss der Jubiläumsschrift , und Tolstoi wird noch fester in den für Thomas Mann aktuellen Kontext eingebunden. Hierfür tritt Mann als Eideshelfer dessen auf , was ihm früher recht fragwürdig erschienen ist : für das sozial-politische und religiöse Engagement seines großen Meisters. « Möge Tolstois Schöpfertum » , schreibt er , hundertmal dabei gescheitert sein und sich denkend ins wild Kindische , Kulturwidrige und Absurde verirrt haben , seine leidvolle Anstrengung bleibt darum doch ‹ ewig schön und groß ›. Sie war das Erzeugnis einer Gefühlseinsicht von tiefer Richtigkeit : Tolstoi begriff , daß eine Epoche angebrochen sei , der mit nur lebensteigernder Kunst nicht wahrhaft genug geschehe , sondern in welcher der leitende , entscheidende und erhellende , sozial sich bindende und dienende Geist dem objektiven Genie , das Sittliche und Intelligente dem unverantwortlich Schönen voranstehen müsse , und nie die Lizenz des Genies und ‹ Großen Mannes › beansprucht , verwirrend , rückfällig , atavistisch , böse zu wirken , sondern so gut er es irgend verstand , in vollkommener Bescheidenheit , dem Vernünftig-Göttlichen gedient.488
Hinter diesem Tolstoi , der angeblich den Anbruch einer neuen Epoche begriff , in welcher ein Engagement zum Gebot der Stunde wurde , erkennt man Tho1926–1933
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mas Mann selbst. Er schreibt dem russischen Dichter sein eigenes Bemühen zu , « dem Vernünftig-Göttlichen » zu dienen. Er selbst ist es , der sich von virwirrender , rückfälliger , atavistischer , böser Wirkung , d. h. schließlich von dem , was das völkische Heidentum koloriert , lossagen will. In Wirklichkeit geht es um sein schon seit Jahren andauerndes Ringen gegen den Todesgedanken und für ein stabiles Lebensgefühl. Tolstoi bekommt somit anlässlich seines hundertsten Jubiläums eine neue Rolle zugeteilt : Er soll Thomas Manns Zukunftsoptimismus unterstützen und mit ihm zusammen gegen den « Obskurantismus » kämpfen. Das Tolstoi’sche Engagement wertet Thomas Mann ohne Rücksicht auf seine bisherigen Hauptquellen : Mereschkowski , Birukof , Gorki und mit nur flüchtigem Rückblick auf die Hauptbotschaft von Goethe und Tolstoi um ; Tolstois « Barbarentum » wird in der Jubiläumsschrift nur kurz erwähnt.489 Zu den Tolstoi-Festlichkeiten in Moskau erhielt Thomas Mann keine Einladung. Das teilte er Stefan Zweig – nicht ohne Enttäuschung – am 1. September 1928 mit.490 Seinen Briefkorrespondenten , den Autor der Lenin-Novelle Der versiegelte Zug , fanden die Sowjets offenbar politisch unbedenklich und luden ihn kurzfristig als Vertreter Österreichs ein. Deutschland durfte Bernhard Kellermann repräsentieren. Großbritannien und Frankreich sowie andere Kulturnationen des Westens glänzten durch Abwesenheit. Mereschkowski beschreibt , wie Tolstoi inmitten seines patriarchenähnlichen Daseins von einer Krise heimgesucht wurde. « Der Schrecken vor der Finsternis war allzugroß » , zitiert er den Autor von Anna Karenina , « und ich wollte mich von ihm so bald als möglich durch Schlinge oder Kugel befreien. »491 Thomas Mann bekämpfte einen vergleichbaren Schreckenskomplex mit Ästhetisierung und Vergeistigung der politischen Realitäten. Hat er ihn irgendwann endgültig besiegt ? Gegen Ende der Zwanzigerjahre strahlte auch sein Leben eine würdige Majestät aus : Er war Vater von sechs Kindern , ein wohlhabender Mann , gefragter Referent und erfolgreicher Schriftsteller , dessen weltweite Anerkennung 1929 der Nobelpreis sicherte. Die Nostalgie nach dem Zeitlosen , die er Professor Cornelius eingegeben hatte , wurde bei ihm durch die Arbeit am altorientalischen Stoff gelindert. « Da sitzt er vor uns » , berichtete die Königsberger Allgemeine Zeitung , « das schmale vornehme Gesicht , gebräunt von HerrgottsSommertagen an der Ostsee , die Seele spannkräftig , die zarten und doch so starken Sinne erfüllt von Bildern und Melodien aus seinem kurzen Sommerurlaub in Rauschen. »492 Dieses Porträt übermittelt eine sanfte Ausdrucksmacht. 130
Die glückliche Majestät der Patriarchen
Aber den Patriarchen ähnelte er nicht. Er beklagte sich über nachlassende Arbeitskraft und lehnte den Titel Pater familias als beschwerend ab.493 Indem er sich politisch engagierte , diente er – dem Jaakob aus seinem Roman gleich – « einem Gotte der Zukunftspläne , der [ … ] erst im Werden und darum ein Gott der Beunruhigung war. » Auf die Politik projiziert , hatte dieser Dienst keine klaren Umrisse. Jaakob verabscheute Götzendienerei. Thomas Mann wusste ebenfalls , wer sein Feind war : der militante Nationalismus , das völkische Heidentum. Das Gegenbild des Bösen , das Ideal und Leitbild , das Thomas Mann für Jaakob bestimmt hatte , war konkret : Jaakob kannte den persönlichen Gott und lebte in Einheit mit Ihm. Thomas Manns positive Orientierung – sein « Gott der Zukunftspläne » – hatte dagegen eine verschwommene , abstrakt-theoretisierte Form. In einem Brief aus dem Dezember 1928 bezeichnete er sich als einen « Anfänger im Sozialismus » , betonte aber , er sei sich darüber klar , « daß jeder lebendige Mensch heute Sozialist und – im Wortsinn – Sozial-Demokrat sein muß [ … ]. »494 Gewiss war das nicht im Sinne der westeuropäischen Theoretiker und sowjetischen Praktiker der sozialistischen Lehre gemeint. Davon zeugt sein im selben Jahr verfasster Artikel Kultur und Sozialismus. In dieser Lehre glaubte er , die objektive Haupttendenz der Epoche festgestellt zu haben ,495 und war bemüht , sich ihr anzupassen. In Wirklichkeit stimmte er eine Theorie , in der er tatsächlich Anfänger war , auf seine eigenen Begriffe ab. Daraus ergaben sich utopische Bilder , wie etwa « ein Bund und Pakt der konservativen Kulturidee mit dem revolutionären Gesellschaftsgedanken , zwischen Griechenland und Moskau [ … ]. »496 Kurzum , Thomas Mann baute seine Republik als Kunstwerk weiter auf. Das Klischee des « russischen Radikalismus » , mit dem sich der Sowjetterror als nur eine « Entstellung » der Idee bequem erklären ließ , stand ihm damals nach wie vor zur Verfügung. Allerdings machte er um diese Zeit weniger davon Gebrauch und brachte es nicht mehr mit Tolstoi in Verbindung. In einem anderen Brief aus dem Dezember 1928 schrieb er , dass er der « schrecklichen Schönheit des russischen Opfers » nicht unzugänglich sei. Den Bolschewismus halte er « als korrektives Prinzip für weltwichtig und weltbestimmend. » « Auch die Französische Revolution ist nicht ‹ gelungen ›» , hieß es weiter , « und doch hat sie Welt und Menschen verändert. »497 Vom Korrigieren war schon in Kultur und Sozialismus die Rede : Dort fragte Thomas Mann rhetorisch , « ob Deutschland auf seinem überlieferten Kulturbegriff beharren oder eine korrigierende , ihn 1926–1933
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ins Neue hinüberwandelnde Hand daran legen soll. »498 Das « Nicht-Gelungene » am Sowjetsystem – was auch immer er darunter verstand – sah er also als notwendiges Übel. Das System selbst erschien ihm dabei als ein Wegweiser in die Zukunft , nicht in die Vergangenheit. Und darauf kam es an. In einem Brief vom August 1929 konstruierte er noch eine Verknüpfung von Tradition , Luthertum und Sozialismus499 – eine Synthese , die mehr über seine Kulturwurzeln als über greifbare politische Ansichten aussagt. 1891 begann in mehreren Gouvernements des Russischen Reiches eine Hungersnot. Tolstoi reagierte darauf mit dem Aufsatz Über den Hunger , in dem er auf dessen Ursachen einging , und bemühte sich um praktische Hilfsmaßnahmen für notleidende Bauern. Bei diesem konkreten Unglück hielt er es als russischer Schriftsteller für seine Pflicht und Schuldigkeit , sich konkret zu engagieren : sowohl mit seiner Feder als auch mit seinem Vermögen. Anfang 1930 wurde Deutschland von der weltweiten Wirtschaftskrise erschüttert. Im September desselben Jahres erzielten die Nationalsozialisten einen bedeutenden Sieg bei den Reichstagswahlen. In dieser Situation hielt Thomas Mann es für seine Pflicht und Schuldigkeit als deutscher Schriftsteller , seine Stimme zu erheben. Die Deutsche Ansprache , mit der er im Oktober 1930 in Berlin auftrat , fing mit einem Exkurs über die Zeitgeschichte an , der auf die aktuelle Lage des Deutschtums hinauslief. Der Dichter konstatierte eine mit der Wirtschaftskrise einhergehende europäische Krise der Moral und der Kulturwerte. Vor allem mit dieser Letzteren begründete er die Erfolge der radikalen Kräfte.500 Die politische Aufgabe des Bürgertums sah er in einer Annäherung an die Sozialdemokratie , deren Marxismus , wie er hervorhob , etwas ganz anderes wäre als seine « moskowitisch-kommunistische » Fassung.501 Die Deutsche Anprache war ein Plädoyer des « bürgerlichen » Künstlers für die Sozialdemokratie und in diesem Sinne eine konkrete Antwort auf eine konkrete Offensive des « Feindes ». Die in diesem Vortrag scharf klingende Kritik an der Sowjetunion502 brauchte Thomas Mann vordergründig , um eine klare Trennungslinie zwischen den gefürchteten Bolschewiken und den deutschen Sozialdemokraten zu ziehen. Diese Kritik war taktisch und stand mit dem Klischee des « russischen Radikalismus » im Einklang. Sie hinderte Thomas Mann nicht daran , zwei Jahre später im Neudruck von Goethe und Tolstoi die Passage zu streichen , welche die Revolution in Russland dem « asiatischen Chaos » zuordnete.
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Die glückliche Majestät der Patriarchen
Das alles war die Politik. Der Kurs auf Friede und Stabilität bedurfte immer wieder taktischer Korrekturen. In Rauschen an der Ostsee , im Sommer 1929, war der zeitlose Tolstoi unsichtbar anwesend. « Ich weiß nicht , warum mir die Gestalt des Ostens so lieb geworden ist in dieser kurzen Zeit » , erzählte Thomas Mann dem Königsberger Journalisten. « Ist es Ergänzung meines Wesens ? Der Ostpreuße ist so anders , so einmalig in seiner Art. Vielleicht , daß unbewußt in diesen Herzen und Hirnen ein fremder großer Mythos lebt … hier finde ich die Brücke zum slawischen Kulturkreis. Ich muß immer an Tolstoi denken , den ich so verehre , der mir näher steht als selbst Dostojewski. »503 Anfang 1931 erhielt Thomas Mann eine Studie mit persönlicher Widmung ihres Autors , des exilrussischen Romanciers und Publizisten Mark Aldanoff. Die Studie hieß Das Rätsel Tolstoi und war ursprünglich 1923 in Berlin erschienen. 1929 wurde ihre deutsche Übersetzung veröffentlicht. Thomas Mann erwähnte sie weder in den seit 1933 geführten Tagebüchern noch im Briefwechsel. Die Lesespuren in seinem Exemplar müssen daher aus dem Zeitraum zwischen 1931 und Anfang 1933 stammen. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe , vom Februar 1928 datiert , nannte Aldanoff « das kürzlich erschienene Werk von Thomas Mann » als Beispiel der Würdigung , die Tolstoi gerade in Deutschland erfahren hatte.504 Da die Jubiläumsschrift Thomas Manns erst im September 1928 gedruckt wurde , kann es sich dabei eigentlich nur um Goethe und Tolstoi handeln. Die Bestimmung kürzlich – auf den Zeitraum von mehreren Jahren bezogen – wird wohl ein Fehler des Übersetzers gewesen sein. Der Autor selbst meinte im Brief an Thomas Mann vom 10. Januar 1931, dass die Übersetzung viel zu wünschen übrig lasse. Dieser Brief befindet sich im Züricher Archiv und wurde bis jetzt nicht veröffentlicht. Als Rätsel thematisierte Aldanoff Tolstois « Dualismus » : seine tiefe innere Verwurzelung in dem , was er gerade ablehnte. Das Eigenartige war dabei , dass Aldanoff sie nicht als Konflikt , sondern als eine Art Synthese , als « organische[ ] Duplizität » darstellte. Der Künstler ließ zwar dem Moralisten häufig keine Chance , der Moralist behauptete sich zwar zuweilen auf Kosten des Künstlers , aber diese beiden Seiten Tolstois – so Aldanoff – ergänzten sich gegenseitig. Es ging also um keinen zur Krankheit führenden Kampf der Gegensätze. Einige entsprechende Abschnitte strich Thomas Mann an. Die Wortverbindung « organische[ ] Duplizität » hob er hervor.505
1926–1933
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Aldanoff war merklich bemüht , einen Strich unter den Mythos der Tolstoi’ schen Unbildung zu ziehen. « [ A ]ls der einzige unter seinen Zeitgenossen » , schrieb er , « rühmte er [ Tolstoi ] sich seiner ‹ Unwissenheit › , obgleich er weniger als irgendein anderer darauf ein Recht hatte : Tolstoi war zweifellos einer der vielseitigst gebildeten Menschen seiner Zeit. » Thomas Mann markierte den Abschnitt , in dem das steht.506 Den Abschnitt , in dem Aldanoff mit einem weiteren , auf Turgenjew zurückgehenden Mythos aufräumte , strich Thomas Mann ebenfalls an. Man wisse längst , meinte Aldanoff , dass Tolstoi , der angeblich niemals irgend jemanden geliebt hatte , « die verkörperte Liebe selbst war. » Es handele sich allerdings um reine Verstandesliebe.507 Zum Abschnitt , in dem Aldanoff Tolstois paradoxe Denkweise zusammenfasste , hinterließ Thomas Mann einen Randkommentar. « Kein anderer Denker » , schrieb Aldanoff , war so tief wie Tolstoi davon überzeugt , daß im gewaltigen Lebensbau den Gedanken bloß ein kleines Gemach eingeräumt ist , daß das Leben als Ganzes nicht in irgendwelche logische und moralische Dogmen zerlegt werden kann , daß es erfüllt ist von Erscheinungen , die für den menschlichen Verstand unerreichbar sind , vielleicht auch überhaupt keinen Sinn haben. Und bei alledem hat keiner unter den modernen Philosophen so viel Anstrengungen gemacht , um das Leben der Logik unterzuordnen , um das außerhalb des Logischen Liegende von sich und andern abzusperren , um das menschliche Dasein in den Rahmen der simpelsten Grundbestandteile hineinzupressen. Denn der Tolstoiismus ist die äußerste Stufe des Rationalismus , über welche hinaus man beim besten Willen nicht weiter kann.
Der letzte Satz wurde von Thomas Mann bis zur Präposition über unterstrichen. Sein Randkommentar lautete : « Also : hier zuerst von der Tendenz auf die Substanz zu schließen. Logik des frühen [ unles. ]: T. hat keine Substanz. »508 Im Allgemeinen schöpfte das Buch von Aldanoff aus dem gleichen Geist wie Thomas Manns einstige Bewunderung für die Tolstoi’sche «Verbindung von Sinnlichkeit und Moralismus. » Die Lösung des Rätsels Tolstoi fand es in einer Synthese von Gegensätzen , nicht aber in ihrem Kampf. Objektiv lehnte es die Anwendung der Begriffe wie asiatisch und barbarisch auf Tolstoi ab , was Thomas Mann im Jahre 1931 ebenfalls zusagte. Angesichts neuer Entwicklungen hatte er doch seinen Meister vom Siegel des « Asiatentums » befreit. 134
Die glückliche Majestät der Patriarchen
Abb. 1 Tolstoi ( rechts ) mit seinen älteren Brüdern : von links Sergej , Nikolai , Dimi tri ( 1854 ) Abb. 2 Thomas Mann mit dem Bruder Heinrich ( um 1900 ).
Abb. 3 Tolstoi mit 26 Jahren ( 1854 ) « Ich bin häßlich , linkisch , unsauber und im weltlichen Sinne ungebildet. Ich bin reizbar , ein Stichler anderen gegenüber , grob , intolerant und schüchtern wie ein Kind. » Abb. 4 Thomas Mann mit 25 Jahren ( um 1900 ) « … mein Tolstojismus läßt mich bei- nahe schon Reim und Rhythmus als ruchlos empfinden. » Abb. 5 Tolstoi bei der Arbeit ( 1884 ). Nach einem Porträt von Nikolai Gay. « Stärken wir uns in der Betrachtung der mächtigen Miene des arbeitenden Tolstoi ! »
Abb. 6 Tolstoi an seinem 80. Geburtstag ( 1908 )
Abb. 7 Thomas Mann mit 80 Jahren ( 1955 )
Abb. 8 Tolstoi und Tschechow ( 1901 )
Abb. 9 Tolstoi mit seiner Enkelin Tatjana ( 1909 ) Abb. 10 Thomas Mann mit den Enkelkindern Frido und Toni ( 1948 ).
Abb. 11 Sophia Tolstoi mit 71 Jahren ( 1915 )
Abb. 12 Katia Mann mit 71 Jahren ( 1955 )
Abb. 13 Leo und Sophia Tolstoi ( um 1908 )
Abb. 14 Thomas und Katia Mann (1955)
Der Staub des Vaterlandes (1933–1934) Ich schaue , denke , suche mich zu erinnern , mir klar zu werden … Ist es ein Alpdruck ? Bin ich in Gefangenschaft bei einem wilden Völkerstamm geraten ? … Sie können alles ! Ich kann es nicht ausdenken. Ich kann nichts , sie aber können alles ! ! Sie können mir alles wegnehmen , können mich in einen Keller einkerkern , können mich töten ! Haben es ja schon getan ! Iwan Schmeljow , Die Sonne der Toten509
Im Zauberberg steht , « daß gewisse Dinge nicht prophezeiht werden , damit sie eintreten , sondern damit sie nicht eintreten [ … ]. »510 Vielleicht war es auch deswegen , dass Thomas Mann sich einmal das Schicksal Iwan Bunins voraussagte : Verlust des Vaterlandes und ein entwurzeltes Dasein in der Fremde ?511 Gorki hatte dem alten Tolstoi den Gedanken zugeschrieben , « die Natur werde möglicherweise bei ihm eine Ausnahme machen und ihm physische Unsterblichkeit gewähren. »512 Vielleicht war also Thomas Manns Prognose die Frucht einer vergleichbaren irrationalen Hoffnung , dass der Kelch des Exils an ihm vorübergehen würde ? Die Fahrt ins Ungewisse trat er ganz anders an , als die Russen , die in ihrem Land nicht mehr leben konnten. Ob geflüchtet oder legal ausgereist , hatten sie es absichtlich verlassen. Sie hatten gewusst , dass Emigration zwangsläufig zu ihrer neuen Existenzform werden würde , auch wenn sie auf eine Rückkehr hofften. Als Thomas Mann Anfang Februar 1933 München verließ , kündigte nichts den Zusammenbruch seines Lebensbaus an. Er ging mit leichtem Gepäck auf eine Vortrags- und Urlaubsreise und machte sich keine großen Gedanken um die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar. In der Schweiz , kurz vor der geplanten Heimkehr , erreichten ihn Warnungen vor der Gefahr , in die er sich in Deutschland begeben würde , – und die Heimkehr wurde spontan um eine unbestimmte Zeit verschoben. Seine Situation schilderte er im Brief an Lavinia Mazzuchetti vom 13. März 1933 : Man sei « wohl oder übel noch geblieben » ; man rechne mit der Herstellung einer Rechtssicherheit in Bayern , welche die Rückkehr ermöglichen könnte ; andernfalls müsse man draußen bleiben. Sachlich-neutral streifte er die schweren Fol142
gen , die für ihn eine eventuelle lange Abgeschiedenheit von der Heimat haben würde. Und fügte gleich – beinahe optimistisch – hinzu : « [ … ] mein Künstlertum hat mich elastisch genug gehalten für einen Neubeginn auf gänzlich veränderter Grunglage ; und solange ich meine tapfere Frau an meiner Seite habe , fürchte ich überhaupt nichts. »513 Der Wunsch war der Vater des Gedankens. Er fürchtete sich , und zwar vor Abschied und Veränderung. Seine Ängste vertraute er dem Tagebuch an. « Heute morgen » , notierte er am 15. März , bin ich , wie übrigens meistens am Morgen , frei von dem krankhaften Grauen , das mich seit zehn Tagen stundenweise , bei überreizten und ermüdeten Nerven beherrscht. Es ist eine Art von angsthaft gesteigerter Wehmut , die mir in gelinderem Grade von vielen Abschiedserlebnissen her vertraut ist. Der Charakter dieser Erregung , die neulich nachts , als ich zu K.[ atia ] meine Zuflucht nahm , zu einer heftigen Krisis führte , beweist , daß es sich dabei um Schmerzen der Trennung von einem altgewohnten Zustand handelt , um die Erkenntnis , daß eine Lebensepoche abgeschlossen ist , und daß es gilt , mein Dasein auf eine neue Basis zu stellen : eine Notwendigkeit , die ich , entgegen der Versteifheit meiner 58 Jahre , geistig gut heiße und bejahe.514
In diesen ersten Exilwochen , als ihm noch nicht bewusst war , dass er nunmehr das Schicksal Bunins und Schmeljows zu teilen hatte , ging es ihm vorab um den Verlust der gewohnten Lebensform. Das Heim , die Umgebung , die gesamte vertraute Struktur – das waren Symbole von Treue und Dauer , die er immer so nötig hatte. Er erkannte diese bedrohliche Wehmut eines zu erleidenden Verlusts sofort und schaltete seinen bewährten Abwehrmechanismus ein : Es kam nun darauf an , die Veränderung als Notwendigkeit zu verinnerlichen und mit positiverem Inhalt zu versehen. Für ein ähnliches Verfahren , auf den Mythos bezogen , gebrauchte er später das nicht sehr wohl klingende Wort Umfunktionierung.515 Aber Wehmut und Angst ließen nicht nach. Das Tagebuch meldet Nervosität , Unsicherheit und Sorge ; Furcht vor der Trennung von den Seinen ; Verzweiflung an seiner Lebensfähigkeit ; eine nervöse Krisis ; einen Nervenzusammenbruch mit psychosomatischen Ausschweifungen.516 Ähnliches hatte er schon erlebt : Im Jahr 1918, als das Vaterland den Krieg verlor. 1916, erkrankt und von den Frontmeldungen deprimiert , hatte er , um sich zu stärken , zu Anna Karenina gegriffen. 1917 war Krieg und Frieden seine Lektüre gewesen. Im Frühjahr 1933–1934
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1933 , in den Tagen der quälenden Ungewissheit , war es wieder Tolstoi , der den Leidenden unterstützen sollte. Am 19. März begann er Krieg und Frieden wiederzulesen. Dieses Werk begleitete ihn über die ersten , besonders schweren Exilmonate. Meldungen über die Lektüre wechseln in seinem Tagebuch mit empörten Kommentaren zu den Nachrichten aus der Heimat und mit Reflexionen über die eigene Lage. Ende März registrierte er eine Verbesserung seines Seelenzustandes. Er glaubte , sich an die neue Situation langsam zu gewöhnen.517 Der Zeitfaktor hatte eine betäubende Wirkung. Aber diesmal war es ihm nicht möglich , nur « in aller Stille und Geduld abzuwarten , bis Alles [ … ] ganz anders wird. » Denn neben innerer Unruhe , die bei ihm durch Berichte aus Deutschland tagtäglich provoziert wurde , kamen noch konkrete Aufgaben auf ihn zu : vor allem die Regelung des Status und der finanziellen Verhältnisse. Es begann das mühselige Ringen um die Verlängerung seines Reisepasses , der im April ablief. Parallell erwog er Varianten einer rechtlichen Absicherung seines Münchener Hauses und Vermögens. Sein erster Kommentar zu Krieg und Frieden lautete : «Vorm Einschlafen Tolstoi , jeden Tag. Mächtig gefesselt immer. Nur größte Schläfrigkeit kann mich zwingen , die Lektüre zu unterbrechen , und sie tritt rasch ein , ohne eine Garantie für dauerhaften Schlaf zu bedeuten. »518 Der April brachte weitere Erschütterungen. In den Münchener Neuesten Nachrichten erschien ein Protest der Richard-Wagner-Stadt München , der sich gegen den kurz zuvor gehaltenen Wagner-Vortrag Thomas Manns richtete. Richard Wagner und seine Musik wurden von der nationalsozialistischen Propaganda mythologisiert und zu einem Leitbild gemacht. Vor diesem Hintergrund erwies sich der « Protest » als öffentliche Denunzierung Thomas Manns. Er wurde von zahlreichen deutschen Kulturschaffenden , unter anderen Richard Strauss , Hans Pfitzner und Olaf Gulbransson , unterschrieben. « Das hundsföttische Dokument » versetzte Thomas Mann in einen heftigen « Choc von Ekel und Grauen » und befestigte seinen Entschluss , nicht nach München zurückzukehren.519 Der Koffer mit Thomas Manns intimen Aufzeichnungen , den sein Sohn Golo am 10. April in München abgegeben hatte , kam lange nicht an. Das Tagebuch meldet steigende Aufregung. Am 24. April verspürt Thomas Mann « Unruhe wegen des langen Ausbleibens des Handkoffers mit Papieren. » Drei Tage später erscheint es ihm « unheimlich ». Am Dreißigsten sei er «von dem sofort einsetzenden Schreckensgedanken an den Handkoffer mit den Tagebüchern 144
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erfaßt. » Die Geheimnisse seines Lebens seien schwer und tief , sodass « Furchtbares ja Tödliches » geschehen könne , falls er in die falschen Hände geraten würde. Am 2. Mai kann Thomas Mann erleichtert aufatmen : Laut Auskunft seines Anwalts befinde sich die Sendung gewiss nicht mehr auf dem deutschen Boden. Aber schon nach zwei Tagen nimmt die Affäre eine neue Wendung , die Thomas Mann wieder sehr erregt : Vor der Freigabe war der Koffer von der deutschen politischen Polizei beschlagnahmt worden. Erst wenn er eingetroffen ist , ließe sich feststellen , ob der Inhalt intakt sei.520 Das « Rennen » ging also weiter. Die gezwungenermaßen neue Lebenssituation machte sich nach wie vor nicht nur im Kampf gegen die Gefahren bemerkbar. Nach mehreren Monaten Hoteldaseins beschlossen die Manns , sich doch nach einem gesicherten Heim umzusehen. Es war an der Zeit , mit der Schaffung eines neuen Symbols von Treue und Dauer zu beginnen. Die Besichtigung eines infrage kommenden Hauses bei Basel hatte das Gegenteil zur Folge : Es wurde von Thomas Mann als Symbol der erzwungenen Grundveränderung , nicht aber einer neuen Stabilität empfunden. « Ich fühlte mich schlecht » , notierte er am 3. Mai , « und der Eindruck der Besichtigung , die eine abscheuliche u. niederdrückende Vorstellung von deklassierter Existenz gab , verschlimmerte den Zustand meiner Nerven , die zu Hause bis zu Tränen versagten ». Am nächsten Tag besichtigte seine Frau ein anderes Haus nur in Begleitung von Freunden. Der Dichter zog sich zurück. Die Nachricht von der Beschlagnahme des Handkoffers vor dessen Sendung in die Schweiz gab ihm auch noch den Rest. Die Tagebuch-Eintragung von diesem schwer belasteten 4. Mai schloss er mit einem Bekenntnis zu Tolstoi ab : « Ein stiller Trost in der Wirrnis ist beständig ‹ Krieg und Frieden › , worin ich fortfahre. Gestern vorm Einschlafen beendete ich den 2. Band. »521 Schon vor Jahrzehnten war Thomas Mann von der Meisterhaftigkeit fasziniert gewesen , mit der Tolstoi die kolossalen epischen Aufgaben in Krieg und Frieden bewältigte. Sie hatte ihn bei der Arbeit an Buddenbrooks gestärkt. 1933 stand er auf einmal vor einer enorm schwierigen Lebensaufgabe. Nicht nur , dass seine Republik als Kunstwerk plötzlich zusammengebrochen war – es sah so aus , als ob das gesamte Deutschtum geistig versagt hätte. Dieses schien sich mit dem völkischen Ersatz der Nationalidee begnügt zu haben. Und Thomas Mann fühlte sich auch als Träger des « wahren » nationalen Kulturgedankens über Bord geworfen. Die Lebensaufgabe hieß eine – im weitesten Sinne – neue Stabilität finden und begründen. 1933–1934
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Seine republikanische Konstruktion wurde an einer empfindlichen Stelle getroffen : Die – wenigstens absehbare – Zukunft gehörte nunmehr den dunklen , « atavistischen » Mächten ; sie nannten sich revolutionär und waren in einer demokratischen Prozedur , gewaltlos ans Ruder gekommen. Begriffe , aus denen Thomas Mann sein Republik-Bild zusammengesetzt hatte , wurden auf den Kopf gestellt. Er versuchte , das Terrain noch zurückzugewinnnen , indem er die Geschehnisse zwischen den Koordinatenachsen Zukunftsweisend und Rückwärtsgewandt einordnete. « Diese Revolution » , schrieb er am 20. April nieder , rühmt sich ihrer Unblutigkeit , ist aber dabei die Haßerfüllteste und mordlustigste , die je da war. Ihr ganzes Wesen ist , was man sich auch einbilden möge , nicht ‹ Erhebung › , Freude , Hochherzigkeit , Liebe , die immer mit vielen dem Glauben und der Menschenzukunft dargebrachten Blutopfern sich vertragen könnten , sondern Haß , Ressentiment , Rache , Gemeinheit. Sie könnte viel blutiger sein , und die Welt würde sie dennoch bewundern , wenn sie dabei schöner , heller und edelmütiger wäre. Die Welt verachtet sie , darüber ist kein Zweifel , und das Land ist isoliert.522
Am 15. Mai wiederholte er das fast wörtlich in einem Brief an Albert Einstein.523 Am Ende der Zwanzigerjahre hatte Thomas Mann schon von der « schrecklichen Schönheit des russischen Opfers » , vom Bolschewismus als « korrektive[ m ] Prinzip » , von der Veränderung der Welt und Menschen durch die Französische Revolution geschrieben. 1933 griff er also auf diese Konstruktion zurück und vertiefte sie zu einer Rechtfertigung des Terrors , vorausgesetzt , dessen Ziele würden ihm , dem Dichter , als zukunftsweisend und erhebend einleuchten. Es ist nicht zu überlesen , wie viel Thomas Mann daran lag , das Gedankengut , das ihm zehn relativ stabile Jahre ermöglicht hatte , noch irgendwie zu retten. Die zitierte Äußerung sagt – wie so ziemlich häufig bei ihm – mehr über seinen aktuellen Seelenzustand als über seine Ansichten aus. Ratlos und aus Not schicksalfertig zeigt ihn eine weitere politische Äußerung. « Man beabsichtigt Veröffentlichung » , notierte er am 1. Mai , die ich nicht unbedingt freudig bejahe. Denn auch die passive Gegnerschaft zum Regime wird als aktive gedeutet u. empfunden , und es fragt sich , ob ich bei meiner singulären , mit anderen Schicksalen nicht zu verwechselnden Stellung das Recht habe , die Welt gegen eine deutsche Regierung aufzurufen , die bleiben muß und sich entwickeln kann , weil nichts da ist , was an ihre Stelle rücken könnte.524
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Am 12. Mai rekapitulierte er : Die Republik hätte – « im Tiefsten » – gewollt , « Staat und Kultur in Deutschland versöhnen , Elemente und Sphären , einander fremd bei uns seit je ». Und es sei gänzlich misslungen.525 Der harmoniebedürftige Künstler in politicis übertrug auf die Republik das eigene Bemühen und folglich das eigene Misslingen. Nach und nach erkannte er , dass sein versunkenes Kunstwerk nicht mehr zu retten war. Der Ratlose und Gequälte von 1918 hatte über Tolstois Künstlertum geschrieben , es sei « eine großartige und organische Verbindung von Sinnlichkeit und Moralismus. »526 1933 war er erneut von ihm beeindruckt. Am 7. Mai notierte er : Die Tolstoi-Lektüre ist mir darum so gemäß , weil das Sinnlich-Frohe und Positive sich darin so natürlich und menschlich mit moralischer Gewissenskritik verbindet. Gestern auf der Reise las ich , die höchsten u. besten menschlichen Eigenschaften , die den sogen. großen Männern , Feldherren etc. abgingen u. abgehen müßten , seien ‹ Liebe , poetisches Empfinden , Zärtlichkeit , philosophischer zur Forschung treibender Zweifel ›.527
Wie vor 15 Jahren gab die Synthese von sinnlich und moralisch dem Harmoniebedürftigen Rückhalt. Fürst Andrej Bolkonski , auf dessen Betrachtungen er sich hier berief ( Krieg und Frieden , Band III , Teil 1, Kap. XI ), meinte allerdings nicht die großen Männer überhaupt , sondern einzig die Feldherren. Es sei erforderlich , dachte er , dass einem guten Heerführer die besagten « höchsten und besten » Eigenschaften fehlten , denn er müsse ein beschränkter Kopf und von großer Wichtigkeit seiner Handlungen überzeugt sein. Nur dann könne er einen tüchtigen Heerführer abgeben.528 Thomas Mann entstellte den Gedanken des Tolstoi’schen Helden leicht , offensichtlich um ihn mit seinem eigenen Nachdenken über Deutschland in Einklang zu bringen. Die Reise , die Thomas Mann erwähnte , führte ihn und seine Angehörigen nach Südfrankreich. Es kam als eventueller fester Wohnsitz infrage. Diese Region war bei Exilschriftstellern beliebt : Heinrich Mann hatte zuerst in Nizza gelebt und zog dann nach Bandol bei Toulon. Lion Feuchtwanger und Arnold Zweig wurden in Sanary-sur-Mer ansässig. In Grasse , 150 Kilometer von Toulon entfernt , hatte Iwan Bunin sein Emigrantenzuhause. Am 20. Mai war das « Rennen » um Thomas Manns Handkoffer zu Ende. Er traf in Bandol auf Umwegen aus der Schweiz ein , sein Inhalt war heil , wenn auch durchwühlt. Am 1933–1934
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selben Tag schrieb Thomas Mann nieder : « Heute ward die große Zündholzschachtel leer , die ich am 10. Februar mit auf die Reise nahm ! – »529 Diesmal meinte er die Reise ins Ungewisse , mit der seine neue Existenzform begonnen hatte. Hinter dieser scheinbar banalen Notiz verbirgt sich ein auf das Symbolhafte eingestelltes Lebensgefühl. Hans Castorp hatte darüber nachgedacht , ob seine Zigarre « nicht eine Art von Verbindung zwischen ihm , dem Entrückten , und dem Flachlande , der alten Heimat » , bildete.530 Die Zündholzschachtel war ein letztes Symbol der Verbindung zwischen den neunzehn Jahren , die Thomas Mann in seinem Heim verlebt hatte , und der Gegenwart. Dass sie nun leer war , bedeutete – « im Tiefsten » – das Reißen eines letzten Fadens , den Abbruch einer Kontinuität. Das Ausrufezeichen und die gehobene Vergangenheitsform eines der Verben betonen die Wichtigkeit dieser Erkenntnis. In den nachfolgenden Tagen meldet das Tagebuch gewohnterweise « depressive Erregung » , Melancholie nach dem Abschied von den großen Kindern , Sehnsucht nach einem Haus und gleichmäßigem Alltag , eine nostalgische Freude über den Lübecker Dialekt des Bruders Heinrich …531 Auch weiterhin schwankt die Stimmung zwischen Nostalgie und bedrückter Müdigkeit. Der Dichter lebte in einem Schwebezustand und kämpfte weiter um die Rettung dessen , was noch zu retten war : seines Vermögens und Münchener Hauses. Am 1. Juni notierte er : Gestern vorm Einschlafen habe ich die Lektüre von ‹ Krieg und Frieden › beendet , die in all diesen Wochen mein Trost und meine Stütze war. Und zwar trösten mich die Schwächen , Unerlaubtheiten , Ermüdungen eines solchen trotz ihrer gewaltigen Werkes nicht weniger als seine Meisterhaftigkeit und Größe.532
Trost und Stütze waren – wie Urkraft , Stärke , Vitalität und Ähnliches – typische Begriffe des Mann’schen Tolstoi-Mythos. Die Größe Tolstois lähmte ihn nicht. Tolstois Schwächen enttäuschten ihn nicht. In dieser schweren Zeit setzte er sich gar nicht rational mit Leben und Werk seines Meisters auseinander. Auf der Suche nach einer neuen Stabilität ließ er diesen Mythos ganzheitlich , unterstützend und tröstend auf sich einwirken. Der Juni brachte eine positive Veränderung : den Umzug in ein gemietetes Haus in Sanary-sur-Mer. Zum ersten Mal seit vier Monaten hatte Thomas Mann die Illusion eines gesicherten Heims. Die « Rückkehr ins Private » tat ihm unend148
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lich wohl. Ein Abglanz der versunkenen Welt schien sich tröstend blicken zu lassen , und der nunmehr Entwurzelte glaubte sogar , dass er und die Seinen im neuen Zuhause glücklich sein würden. Um so stärker erschütterte ihn eine triviale Dissonanz , die gleich am nächsten Tag die Harmonie störte. « Morgens so nervös , verzweifelt und überreizt ( im Anschluß an das Versagen der Warmwasserversorgung ), daß ich K[ atia ] um Verzeihung zu bitten hatte » , notierte er am 14. Juni. Die positivere Stimmung stellte sich bald wieder her. Am 18. Juni konstatierte er eine starke Verbesserung und Beruhigung seiner seelischen Verfassung durch « die Rückkehr ins Private ». Diese nannte er « eine Art von Heimkehr ».533 Das war das wohl wichtigste Symbol von Treue und Dauer und die Voraussetzung einer neuen Stabilität. Die Arbeit am Josephsroman beschränkte sich in dieser Zeit auf Einteilung und Betitelung. Für das eigentliche Erzählen fehlten Thomas Mann « Heiterkeit und Energie ».534 Die äußeren Umstände ließen ihm inzwischen unverändert wenig Grund zum Optimismus. Die Totalisierung des Vaterlandes schritt weiter fort. Die Situation mit dem Münchener Haus und den Vermögenswerten blieb unsicher und zehrte an Geist und Nerven. Der Reisepass durfte nicht verlängert werden. Seiner Vernunft wollte klar sein , dass die Rückkehr nach Deutschland « ausgeschlossen , unmöglich , absurd , unsinnig und voll wüster Gefahren für Freiheit und Leben » sei.535 Andererseits trug man ihm das Gerücht zu , dass gegen ihn nichts unternommen würde , falls er zurückkäme. Auch wenn solche Gerüchte stark nach «‹ List › und Falle » klangen ,536 sähten sie Zweifel und Unsicherheit. Die Spannung zwischen Vernunft und Gefühl , zwischen dem Entscheidungsdruck und der Hoffnung , dass « Alles wieder , leicht und von selbst , ganz anders wird » , müssen quälend gewesen sein. Von der klaren , auf Verstand beruhenden Meinung eines Außenstehenden fühlte er sich gestärkt : Ein Pariser Buchhändler , in Sanary zu Besuch , bejahte leidenschaftlich sein Ausbleiben.537 Doch mit dem Gedanken an eine Rückkehr nach Deutschland wird er auch später noch spielen.538 Unter Entscheidungsdruck stand Thomas Mann noch auf einem anderen , vielleicht noch sensibleren Gebiet. Es handelt sich um seinen Ruf und Status bei der deutschen Emigration. Darauf ging er im Tagebuch am 20. Juli ausführlich ein : Seine Bücher waren in Deutschland soweit nicht verboten. Der S.-Fischer-Verlag wollte demnächst auch den ersten Band des Josephsromanes herausbringen , was den Dichter zu politischer Zurückhaltung verpflichtete. Die antinazistische Emigration – seine älteren Kinder waren ihre aktiven Vertreter – erwartete jedoch von ihm konkrete Zusammenarbeit und ein 1933–1934
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entschlossenes Engagement für ihre Sache. Sie war von seinem « Lavieren zwischen Entschiedenheit und Rücksicht » enttäuscht. Er stand zu seinem abwartenden Verhalten. Der Gefahr eines moralischen Konfliktes mit der Emigration und seinen Kindern wurde er sich auch bewusst.539 Der Schwebezustand dauerte an , aber der häuslich eingerichtete Privatbereich verbesserte ein wenig Thomas Manns Seelenverfassung. Am 26. Juli glaubte er , dass er ruhiger geworden sei , sich an « das Außensein , die Trennung von dem gewohnten Münchner Heim » gewöhnt habe und nicht ohne Vertrauen in die Zukunft blicke.540 Gleich nach der Beendigung der Lektüre von Krieg und Frieden nahm er sich Adalbert Stifters Witiko vor , von dessen « Unmöglichkeit » er sich Ermutigung versprach. Etwa zweieinhalb Monate später war er damit fertig und schrieb ins Tagebuch nieder , dass Witiko ihm « lange eine Zuflucht und in manchem Sinne ein Trost war. Ein reines , seltsames Werk von der stillen , ja pedantischen Kühnheit , die ich liebe , und die mich in eigenem ermutigt. »541 Es waren also nicht nur Tolstoi und seinesgleichen , die ihm Mut machten und Trost spendeten. Das vermochte gelegentlich auch ein – wie er Stifters Buch bezeichnete – « bewundernswert langweilige[ r ] » Roman.542 Dabei war seine ermutigende Wirkung von einem anderen Charakter als diejenige von Krieg und Frieden. Nach dem Eintauchen in das gewaltige Meisterwerk Tolstois suchte Thomas Mann Ablenkung im historisch weit entfernten und auf umständliche Weise erzählten Stoff. Das war ein « Traum-Abenteuer einer Langweiligkeit höchster Art » ,543 das seine aktuellen Sorgen verdrängte. Das war auch ein Trost – aber eben nur « in manchem Sinne ». Zwischendurch entlieh er sich ein Buch über Flucht und Tod Tolstois , geschildert von dessen Tochter Alexandra.544 Dieses Buch war nicht ganz das , was sein Titel ankündigte. Es war eine von der Form her recht lockere , mit einem durchgehenden Kommentar versehene Zusammenstellung von Tagebuchund Briefauszügen sowie Zitaten aus mehreren Tolstoi-Biographien. Unter den Letzteren war auch die von Birukof , welche Thomas Mann gut kannte. Es war vom Thema des nervenzermürbenden Konflikts zwischen Tolstoi und seiner Frau dominiert , der vorwiegend wegen der Erbschaft und Urheberrechte entflammt war. Die Unerträglichkeit des gemeinsamen Lebens in Jasnaja Poljana sollte Tolstois Flucht verursacht haben. Die eigentlichen Erinnerungen der Alexandra Tolstoi bildeten nur einen abschließenden und kleineren Teil des Buches. Sie berichtete vom Sterben ihres an Lungenkatarrh erkrankten Vaters : Sie registrierte das Fiebermessen , krankhafte Zuckungen von Hand und Gesicht , 150
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Krämpfe , Stöhnen , Abhusten von Auswurf.545 Ihr Bericht erinnert eigenartigenweise an die entsprechenden Kapitel des Zauberbergs und zugleich an das Sterben des Nikolai Lewin in Anna Karenina. Es ging darin nicht um stärkende Schwächen eines Titanen , sondern um Leiden und Auflösung des gebrochenen alten Mannes. Das war ein abstoßendes und entmythisierendes Bild. Thomas Mann hinterließ zu diesem Buch keinen Leserkommentar. Tolstois Tochter Alexandra schüttelte , wie Bunin und Schmeljow , 1929 den Staub des Vaterlandes von den Füßen. Über Japan in die USA emigriert , gründete sie dort später die Tolstoi-Stiftung zur Hilfe für notleidende Exilrussen. 1939, in New York , machte Thomas Mann ihre flüchtige Bekanntschaft.546 Thomas Manns notgedrungene politische Zurückhaltung drohte nicht nur einen Konflikt mit seinen älteren Kindern und der Emigration zu provozieren. Er litt unter dieser Schweigepflicht , weil sie ihm den Weg zu einer ideologischen Selbstverwirklichung versperrte. Ein provisorischer Grundstein der neuen Stabilität wurde gelegt : Man bewohnte vorübergehend ein eigenes Heim. Doch die geistige Grundlage fehlte. Das Kunstwerk der Republik war versunken , an seiner Stelle entstand gähnende Leere. Eine Aufrichtung wäre für Thomas Mann die Möglichkeit , seine Stimme gegen das von ihm verabscheute Hitler-Regime öffentlich zu erheben. Aber er durfte es nicht. Gedanken zur Politik schrieb er für die Schublade auf. Sein gelegentliches Auditorium war der engste Familien- und Freundeskreis. Am 10. August konstatierte er unter dem Eindruck der Nachrichten « [ d ]ie Rebarbarisierung Europas. Früher von außen kommend , heute eine eigene Veranstaltung der Völker. » Und fragte sich in seiner gewohnten schicksalfertigen Manier : «Vielleicht tut sie Europa not u. gerade als Europäer sollte man sie begrüßen ? – Die Formen in Deutsch land – die denkbar abstoßendsten. – »547 Was er 1926 mit Rückblick auf Nietzsche weitschweifig vorgetragen hatte , wiederholte er am 13. August 1933 im Tagebuch ohne akademisches Beiwerk : Deutschland fürchte das Chaos nicht , sondern liebe es.548 Das Bild der « östlich-asiatischen Wogen » und Tolstoi als Symbolfigur des bedrohlichen « Asiatismus » waren für ihn lange nicht mehr aktuell. Anfang Herbst kündigte sich eine Unterbrechung der beruhigenden Dauer im Privatbereich an. Den Manns stand ein neuer Umzug und deswegen schon wieder das Ende eines – wenn auch kurzen – Lebensabschnitts bevor. Am 23. September verließen sie Frankreich , am 28. bezogen sie ein gemietetes Haus bei Zürich. Meldungen von nervösem Leiden und Ausdrücke von zag1933–1934
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haftem , selbsttherapeutischem Optimismus folgten im Tagebuch aufeinander. Eine melancholische Freude bereitete dem Dichter das Wiedersehen einzelner Bruchstücke der Vergangenheit , die aus München auf Umwegen eingetroffen waren : Bücher , Schallplatten , Möbel. Wie eine zusammenfassende Selbstdiagnose mutet die Eintragung vom 4. November an : « Die Nerven sind in schlechtem Zustande. Quälende , tief niedergedrückte und hoffnungslose Zustände , schwer zu ertragen , eine Art seelischer Wurzelhautentzündung , kommen , nach Aufhellungen , immer wieder. »549 Aktuelle Geschehnisse regten ihn hin und wieder zu politischen Reflexionen an : Mal ging es um das religiöse Element , das der sozialistischen , aber gegen Marx gerichteten Denkart fehle ; mal um «Verwandtschaft , ja Identität » von Nationalsozialismus und Kommunismus.550 Diese Reflexionen waren spontan und häufig inkonsequent. Ein System von Ansichten , das ein neues positiveres Zukunftsbild begründen könnte , hatte Thomas Mann noch nicht aufgebaut. Am Ende des ersten Kalenderjahres , das Thomas Mann außerhalb des Vaterlandes verbracht hatte , war noch keines seiner Exiliertenprobleme aus der Welt geräumt. Sein rechtlicher Status blieb unklar ; die Situation des FischerVerlages erforderte von ihm nach wie vor Schweigen in Sachen Politik ; diese « scheinbare Zweideutigkeit » hatte ihn , wie er an Stefan Zweig schrieb , « unter Emigranten schon beinahe so verhaßt gemacht [ … ] wie bei denen ‹ drinnen ›» ;551 das Münchener Haus wurde Ende August mit Beschlag belegt ; das Haus bei Zürich war von ihm erst bis April des nächsten Jahres gemietet. Und – er hatte noch keine positive , zukunftsweisende und tragende Idee. In seinem essaystischen Werk entstand eine Lücke. Ein Lichtblick war der Erfolg der Geschichten Jaakobs , unter anderem in Deutschland , und die Wiederaufnahme der Arbeit am Josephsroman. Die Möglichkeit , das Züricher Haus mit Gegenständen aus dem Münchener Heim einzurichten , schuf vorübergehend eine Illusion von Kontinuität und Geborgenheit. Eine gewisse Ausgeglichenheit bei den Tagebucheintragungen vom Dezember erweckt den Eindruck , als ob der heilsame Zeitfaktor sein gutes Werk getan hätte : Als ob durch die Gewohnheit Angst und Schmerz allmählich abgestumpft wären. Das Fazit des Jahres , das Thomas Mann am 31. Dezember gezogen hat , entkräftet diesen Eindruck : « Der Zustand meiner Nerven , meines Gemütes , in dem ich das Jahr beschließe » , schrieb er , « ist wenig hoffnungsvoll. Es ist ein Zustand von Müdigkeit , geistiger Mattigkeit , Überdruß , der , könnte er von außen gesehen werden , wohl sein Bedenkliches hätte. »552 152
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Zwischen Thomas Mann , seinem Exil-Vorreiter Iwan Bunin , dem Jahr 1933 und Tolstoi gibt es eine symbolische Verbindung , und zwar den Nobelpreis. 1902 und 1906 war Tolstoi für ihn nominiert worden. Beide Male erklärte er noch vor der Entscheidung des Nobelkommitees , dass er die Auszeichnung auf jeden Fall ablehnen würde. In den Nachfolgejahren kamen weitere Russen – Mereschkowski und Gorki – infrage , jedoch ohne Erfolg. 1930 wandte sich Leo Schestow , der herzensgute und mähnschliche Exilphilosoph , an Thomas Mann mit der Bitte , Bunin als den nächsten Kandidaten für den Nobelpreis vorzuschlagen. Die Antwort aus München war reserviert und ausweichend. Am liebsten , hieß es , hätte er Sigmund Freud als Preisträger gesehen. Und von den Russen verdiene Schmeljow diese Würde genausogut wie Bunin.553 Sie wurde dem Letzteren schließlich 1933 auf Vorschlag mehrerer anderer Prominenter verliehen. Es war eine Ironie des Schicksals und der Geschichte , dass zum ersten russischen Nobelpreisträger für Literatur ein Exilschriftsteller wurde. Am 5. Dezember 1933 machte der Zug , mit dem Bunin aus Paris zum Festakt nach Stockholm reiste , eine Station in Thomas Manns geliebter Heimatstadt Lübeck. Bunins Sekretärin , die ihn und seine Frau begleitete , notierte lapidar in ihrem Tagebuch : « Ich bin auf den Bahnsteig ausgestiegen. Wenig Menschen. Kalt. Jungen in einer Art Uniform verkaufen Schokolade , Lebensmittel , Zeitungen. Die Lokomotive wurde gewechselt , jetzt werden wir in die Gegenrichtung fahren. Habe gesehen , wie Deutsche auf die Hitler-Art den Arm erheben , um sich zu begrüßen. »554 Den ersten Jahrestag seines Exils beging Thomas Mann mit einer Rekapitulation : von der « ahnungslosen Abreise von München » bis zu « diese[ m ] Heim » in Zürich. « Diese Jahresrundungen » , fügte er hinzu , « beschäftigen mich sehr. Auch der bevorstehende Aufenthalt in Arosa wird genau den Kreis schließen , und es wird recht sonderbar sein , an die Stätte zurückzukehren , wo vor 12 Monaten unser Exil begann , das Abreißen des bisherigen Lebensfadens sich vollzog. »555 Thomas Mann fing an , die Gegenwart nach einem mythischen Wiederholungsmuster zu strukturieren. Er legte damit einen sein Lebensgefühl stabilisierenden Baustein : denn diesmal sollte durch diese Struktur nicht die Vergangenheit vergegenwärtigt , sondern eine symbolische Trennungslinie zwischen ihr und der Gegenwart gezogen werden. Aber ein distanzierteres Verhältnis zur Vergangenheit hatte sich bei ihm noch nicht herausgebildet. Sie holte ihn immer wieder emotionell ein und betrübte die Gegenwart. Es war ein ständiges Hin und Her. 1933–1934
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Am 16. Februar 1934 ermutigte er warmherzig den Exil-Kollegen Rudolf Kayser , der unter « unbändige[ m ] Heimweh » litt : In München unter der neuen Macht zu leben – das wäre doch eine grauenhafte Vorstellung. « Aber damit sollten solche Möglichkeiten für später keineswegs ausgeschlossen sein und für Sie so wenig wie für mich. [ … ] Alles kommt aufs Warten und Durchhalten können an. »556 Wie gern hätte wohl er selbst sich in dieser Lebenssituation nur von der Zuversicht leiten lassen , dass « alles wieder , leicht und von selbst , ganz anders wird. » Wie gern hätte er die Nervenkrisen , Ängste , Panikanfälle überwunden und sich vom Druck der Umstände befreit. Am 24. Februar vermerkte er sachlich , dass er mit seinem Lebensstandard nach der « Wende » zufrieden sein könne : Wie vorher habe er Bad , Automobil , ein schönes Arbeitszimmer , gute Mahlzeiten. Er hoffe auf die Freigabe und Wiedererlangung seines Münchener Besitzes.557 Und er war im Begriff , drei Tage später nach Arosa zu verreisen , wo der Jahreskreis sich schließen sollte. Insgesamt klang das schon nach einer baldigen Überwindung der Seelenkrise. Aber in Arosa befielen ihn die Erinnerungen. Was er über sie schrieb , lief darauf hinaus , dass er am liebsten mithilfe der vertrauten Gegenstände sein München in Zürich aufbauen und die Illusion festhalten würde.558 Das Schließen des Jahreskreises bedeutete doch noch keinen Neubeginn. Am vorletzten Urlaubstag in Arosa hieß es : ‒ Daß ich aus dieser Existenz hinausgedrängt worden , ist ein schwerer Stil- und Schicksalsfehler meines Lebens , mit dem ich , wie es scheint , umsonst fertig zu werden suche , und die Unmöglichkeit seiner Berichtigung und Wiederherstellung , die sich immer wieder aufdrängt , das Ergebnis jeder Prüfung ist , frißt mir am Herzen.559
Trotzalledem war es « sehr viel besser [ … ] als voriges Jahr. » Und dafür war er dankbar.560 Im Laufe des Jahres 1934 wird sich sein Lebensgefühl weiterhin entspannen , die Abstände zwischen Angst- , Panik- und Wehmutanfällen werden größer werden. Im Februar 1935 wird es keine Rekapitulation mehr geben. Die Erinnerung an den Antritt des Exils wird sich auf eine knappe Bemerkung beschränken : « K.[ atia ] machte mich aufmerksam , daß unser gestriger 30. Hochzeitstag zugleich auch der 2. Jahrestag unserer Abreise aus Deutschland war. »561 Die anstelle des versunkenen Republik-Kunstwerkes entstandene Leere wird Thomas Mann zu füllen wissen.
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Der Staub des Vaterlandes
Andere Ufer (1934–1939) Erstaunliche Leute sind doch diese Amerikaner ! Nach dem Eindruck von Paris [ … ], sind die hiesige Direktheit , Aufrichtigkeit , Großzügigkeit und Freundlichkeit ohne Hintergedanken , ist die Bereitschaft , zu Diensten zu sein [ … ], einfach beeindruckend und obendrein rührend. [ … ] aber all das genieße ich wie jemand , der an einem Tisch sitzt , auf dem kulinarische Leckerbissen stehen , der aber keinen Appetit hat. Appetit aber bekäme ich nur , wenn ich bald wieder nach Russland zurückkönnte. Peter Tschaikowski , Tagebuch562
1918 und 1933 erfuhr Thomas Mann die zwei tiefsten Krisen seines Lebens. Beide Male hatte er die politische Struktur Deutschlands idealisiert und zu einem Kunstwerk vergeistigt. Und beide Male scheiterte diese Struktur. Im Vergleich zu 1918 fiel 1933 das Gefühl eines Exkommuniziertseins schwer ins Gewicht. Damals , nach der Niederlage im Weltkrieg , war der Nationaldichter mit seinem Volk zusammen und teilte dessen Leid. 1933 ließ sich dieses Volk vom Phantom einer Nationalerhebung mitreißen. Thomas Mann wollte noch konnte sich nicht daran beteiligen und wurde für das berauschte Deutschland ein Fremdkörper. Die Anpassung seiner Ansichten als Exildeutscher wird ihm dagegen leichter gefallen sein als die geistig-politische Umorientierung nach 1918. Die Struktur , an der er seine Gedanken festgemacht hatte – die Republik , war ebenfalls schon Vergangenheit , aber das Wesentliche am Gedankengut aus der Republik-Zeit hatte überlebt. Ideologisch konnte er um 1934 dort anknüpfen , wo er schon vor 1933 gewesen war : bei der Verteidigung des Geistes gegen die « atavistischen Mächte ». Durch die « Exkommunizierung » von Deutschland erweiterte sich seine Perspektive noch mehr auf das Europäische. In diesem Sinne lässt sich seine Tagebuchnotiz über den Josephsroman aus dem September 1933 symbolisch auf die Anpassung seiner Ansichten übertragen : « Ich empfand die Überlegenheit meines Talentes über alle in Deutschland zurückgebliebenen » , schrieb er , « und äußerte übrigens gestern Abend zu Heinrich , daß ich trotz vor155
gerückter Jahre mir zuweilen belebende und steigernde Wirkungen auf mein Künstlertum durch die gewaltsame Befreiung aus der deutschen Misere und die Verpflanzung ins Europäische erwarte. »563 Allmählich fügte er das Wesentliche an seinem zerstreuten – aber nicht zerstörten – stabilisierenden Gedankengut zusammen. Den Altphilologen Karl Kerényi erinnerte er gleichsam nebenbei an eine Episode in den Geschichten Jaakobs : Der schakalköpfige Anup – eine ägyptische Gottheit – habe mal fallen lassen , er werde seinen Kopf schon noch los. Das sei , meinte Thomas Mann , fast ein Privatspaß , « über den jedermann wegliest ». Aber es handele sich um « die Carrièrre eines Gottes. » Dieser Anup , « jetzt noch halb tierisch und satyrhaft » , sei ja der zukünftige Hermes-Psychopompos. Die Pointe des subtilen Privatspaßes : Anup kündige sinnbildlich seine Metamorphose in Hermes an – war selbst dem Professor Kerényi entgangen.564 Der tiefere Sinn dieser « Götterverwandtschaft » lag in der Idee einer Entwicklung vom Tierischen zum Menschlichen , die Thomas Mann am Josephsstoff vom Anfang an konsequent umgesetzt hatte. Darin hatte sich ursprünglich sein Bemühen gegen die « atavistischen Mächte » , für ein positives Zukunftsgefühl ausgeprägt. Im Februar 1934 bekannte er sich also abermals ausdrücklich zu ihr und sagte am Schluss des Briefes dem modernen Irrationalismus ab. Dieser , hieß es , werfe die Errungenschaften und Prinzipien über Bord , welche « Menschen zum Menschen machen. »565 Alles in allem war das eine humanistische Idee. Im Exil sollte sie einen noch volleren Klang bekommen und dem Entwurzelten Halt gewähren. Ihre akademische Färbung ermöglichte es Thomas Mann , sich wieder öffentlich zu engagieren , ohne das Hitler-Regime direkt anzugreifen. Das amerikanische Rundfunkauditorium erlebte ihn im Juni 1934 so, wie ihn das deutsche Publikum noch in Erinnerung hatte. Wie in den letzten Jahren der Republik , sprach er von Vernunftfeindlichkeit und Inhumanität seiner Zeit. Aufmerksame Beobachter werden bemerkt haben , dass seine Warnungen nunmehr allgemeiner klangen – als ob sie nicht mehr auf sein Vaterland zielten. Eine entmutigende Stimmung wollte der Optimismus-Bedürftige nicht übermitteln. « Ich bin überzeugt » , sagte er abschließend seinen Zuhörern , daß hinter der gegenwärtigen moralischen Verwilderung der Welt ein neuer Humanismus sich vorbereitet , in dem das religiöse Gefühl für die Idee des Menschen und seine Würde zu neuem Leben erwachen wird ; ich glaube , daß im Geheimen heute schon bei
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allen Völkern die besten Geister an der Arbeit sind , diesen neuen Humanismus auszubilden , auch hier und besonders sogar in Amerika.566
Er arbeitete « im Geheimen » daran. Die Idee eines neuen Humanismus beschäftigte ihn immer mehr. Im Juli 1934 notierte er ein Gespräch mit dem Dichter Karl Wolfskehl. Dieser hatte eine Zukunftshoffnung für das 20. Jahrhundert mit der modernen Physik verbunden. Es habe dem 19. Jahrhundert , so Wolfskehl in der Wiedergabe Thomas Manns , das kosmische Bild aufzuweisen , « bei dessen Neu-Konzipierung ein einzigartiges Souveränwerden des Menschen hervortrete. » « Ich verstand sofort » , fügt Thomas Mann hinzu , « daß man dies mit der neuen Anthropologie , allem neuen Wissen vom Menschen zusammensehen müsse , denn damit zusammen werde es die Grundlage und das Pathos des neuen Humanismus bilden , der hinter aller Verwilderung sich in den Besten vorbereite. W[ olfskehl ] stimmte dem lebhaft [ … ] zu. »567 Was habe das viel zu unterschätzte 19. Jahrhundert dem 20. aufzuweisen : Diese Fragestellung ruft Thomas Manns Jubiläumsschrift für Tolstoi aus dem Jahr 1928 ins Gedächtnis zurück. Die Gegenwart , hieß es dort , habe dem vergangenen Jahrhundert ein neues , heiteres und stolzes Menschheitsgefühl voraus. Das moralisch überlegene 19. Säkulum seinerseits hätte die moderne « Mißachtung und Vergewaltigung der Idee und der Menschenwürde » nicht so ohne weiteres akzeptiert.568 Beide Gedankengänge hören sich sehr ähnlich an : Die Zuordnung der geistigen Tendenzen zu Gut und Böse von 1928 stimmt mit derjenigen von 1934 überein. Neu ist dabei , dass Thomas Mann 1934 das Gute klar beim Namen nannte : der neue Humanismus. Welchen Platz wies er nun Tolstoi zu , den er damals zu seinem Verbündeten gegen die « Obskuranten » stilisiert hatte ? Im Zeitraum zwischen 1934 und 1936 taucht sein Name in Thomas Manns Tagebuch selten und nur in nebensächlichem Zusammenhang auf. Möglicherweise liegt das daran , dass Tolstoi sich als eine Inspirationsfigur für den werdenden neuen Humanismus nicht so gut eignete. Auf dem humanistischen Gebiet hatte Thomas Mann ihn bereits vor dreizehn Jahren gegen Goethe deutlich verlieren lassen. 1922 ging er nochmals ausführlich auf seine « antihumanistische » Haltung ein.569 Der zeitlose , kraftspendende Tolstoi wird aber schon bald wieder auf die Bühne treten. Ende Januar 1936 entschloss sich Thomas Mann zu seiner ersten öffentlichen Stellungnahme für die Emigration und gegen das Hitler-Regime. Die Enscheidung wurde eher erzwungen als aus freien Stücken getroffen. Er wurde prak1934–1939
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tisch ohne seinen Willen in eine Polemik über die Exilliteratur hineingezogen und musste – auch von seinen älteren Kindern unter Druck gesetzt – Farbe bekennen.570 Wie so ziemlich jede Handlung , die eine Veränderung des gewohnten Lebensgefühls hätte hervorrufen können , kostete ihn diese Aktion Ängste und Zweifel. Aber im Endeffekt bedeutete sie eine Befreiung von der bedrückenden « Schweigepflicht ». Sie versprach das Ende des Tauziehens mit deutschen Ämtern um Pass und Habe – und somit ein Ende seines Schwebezustandes. Er hatte den Rubikon überschritten und durfte von nun an auch das Böse klar beim Namen nennen. Ideologisch gesehen war Thomas Manns neuer Humanismus eine aktualisierte Version seiner Verteidigung des Geistes gegen die « atavistischen Mächte ». Politisch gesehen entwuchs er seiner Auflehnung gegen eine Laissez-faire-Haltung der demokratischen Welt gegenüber der Hitler-Diktatur. Iwan Schmeljow hatte sich über das – seiner Ansicht nach – bewusste Ignorieren des kommunistischen Terrors durch den Westen empört. Eine ähnliche Stimmung meldet Thomas Manns Exil-Tagebuch durchgehend. Die verbrecherischen Machthaber kämen immer davon , vermerkte er resigniert , sie würden nur geduldet und dadurch gerade gefördert , dies gehöre zur Weltentwicklung.571 Im Juni 1936 sagte er in einer Rede in Budapest : « Was heute nottäte , wäre ein militanter Humanismus , von der Einsicht erfüllt , daß das Prinzip der Freiheit , der Duldsamkeit und des Zweifelns sich nicht von einem Fanatismus , der ohne Scham und ohne Zweifel ist , ausbeuten und überrennen lassen darf , von der Einsicht , daß er das Recht nicht nur , sondern auch die Pflicht hat , sich zu wehren. »572 Die Demokratie dürfe nur Demokraten gelten , fügte er im Tagebuch hinzu , oder es sei aus mit ihr.573 Seine Rede Achtung , Europa ! , 1935 geschrieben , aber erst am Ende 1936 in deutscher Sprache veröffentlicht , vereinte diese zwei Aspekte : den ideologischen und den politischen. Er verteidigte darin Europas Kulturüberlieferung gegen die irrationalistische Barbarei à la mode und rief zu einem Humanismus auf , der sich von der Tolerierung des Bösen befreien sollte. Die Wunde , die ihm durch die plötzliche Zwangsentwurzelung zugefügt worden war , heilte allmählich. Die Lücke in seinem publizistischen Werk begann sich zu schließen. Er hatte das Wesentliche an seinem Gedankengut zusammengefügt , dem Zeitgeschehen angepasst und weiterentwickelt. An die Stelle des Republik-Kunstwerkes trat ein anderes , wenn auch verwandtes Bild : ein Humanismus , der « seine Männlichkeit entdeckt ».574 Thomas Mann konnte sei158
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ne Stimme als Gegner des Hitler-Regimes erheben , und sie wurde weltweit gehört. Seinen Verleger brachte er dadurch nicht mehr in Gefahr , da dieser sich im März 1936 mit einem Teil des Unternehmens in Österreich niedergelassen hatte. Thomas Mann besaß ein sicheres Heim und den gewohnten Lebensstandard. Er entwickelte ein distanzierteres Verhältnis zu seiner Münchener Vergangenheit. Der Verkauf seiner Bücher in Deutschland wurde noch Ende 1936 trotz seiner Stellungnahme gegen das Regime nicht gestoppt , die Verkaufszahlen fand er glänzend.575 Im November 1936 wurde er tschechoslowakischer Staatsbürger. Abgesehen von der Aufregung über das internationale Geschehen , in die er stets versetzt wurde , bedeutete das alles ein stabileres Lebensgefühl. Er hatte sich seit 1914 politisch engagiert. Auf seiner Fahne stand nicht immer die gleiche Parole geschrieben. Der tiefere Grund seines Engagements blieb dagegen konsequent derselbe : das Bedürfnis nach Ordnung und Harmonie , die Angst vor Chaos und Auflösung. Stets musste er gegen die Macht , die das Unwiederbringliche über ihn hatte , und für ein positives Zukunftsbild ringen. Im Mai 1937 schrieb er ins Tagebuch nieder : « Auslese von Manuskripten für Yale. Das Enervierende und Deprimierende der rückwärts gerichteten Tätigkeit , der Beschäftigung mit Abgelebtem , des Aufwühlens der Quieta. Nur vorwärts und neu kann man leben. »576 Thomas Mann äußerte sich immer gerne zu Jubiläen und nutzte sie häufig als Gelegenheit , seine Gedanken zum aktuellen Zeitgeschehen mitzuteilen. Große Namen und wichtige Ereignisse passte er , wenn es darauf ankam , seiner eigenen Problematik mit Leichtigkeit an. Sein Beitrag anlässlich des 100. Todestages von Alexander Puschkin aus Januar 1937 ist ein Beispiel dieser – zuweilen recht willkürlichen – Aktualisierung. Er leitete ihn mit einem Zitat von Tolstoi ein , der Puschkins Erzählungen bewundert hatte , und würdigte dessen « lebensgesegnete Vollkommenheit » sowie andere Qualitäten. Am Schluss des Beitrages bediente er sich aber Puschkins als Überleitung zu einer weltfremden politischen Konstruktion. Der russische Dichter – ein Europäer und Klassiker – gewinne , wie Thomas Mann meinte , ausgerechnet jetzt eine höhere Aktualität , weil die Sowjetunion an der gleichen Friedenssache arbeite , wie die Westmächte , und « im Geistigen neue Beziehungen der Duldung , der Aufmerksamkeit und Freundschaft sich herstellen zwischen dem Sozialismus der Sowjetwelt und dem Humanismus des noch bürgerlichen Europas. Er könnte zum Symbol werden für vieles kommende. »577 1934–1939
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Diese Konstruktion vollendete er im Brief an den sowjetischen Schriftsteller-Verband vom 5. April 1937. Darin ging er auf den Puschkin-Beitrag zurück , um nochmals zu betonen , dass er die Synthese der Zukunft in neuen « Beziehungen der Duldung und Freundschaft zwischen östlichem Sozialismus und westlichem Humanismus » sehe. Er distanzierte sich von der kommunistischen Diktatur , stellte aber sofort klar , dass ihm nicht jede Diktatur gleich Diktatur sei. Denn eine solche « im Namen des Menschen und der Zukunft , im Namen von Freiheit » sei durchaus denkbar. Diese höfliche Anspielung zielte nur zu offenkundig auf das Sowjetsystem. Der Gedankengang führte ihn zu seinem neuen Humanismus , dem er schon früher diktatorische Züge zugunsten der Freiheit zugesprochen hatte.578 Thomas Manns Brief war ein Meisterstück der Diplomatie. Mit ihm erwies er der Sowjetunion eine anerkennende Reverenz , ohne sich als Anhänger des Kommunismus festzulegen , und machte einmal wieder auf das Essenzielle seiner eigenen Orientierung aufmerksam. Puschkin engagierte er dabei für eine Vermittler-Rolle. Nach der Vollendung von Joseph in Ägypten hatte Thomas Mann den biblischen Stoff auf Eis gelegt und beschäftigte sich seit Ende 1936 intensiv mit Goethe. Es mag ein Zufall gewesen sein , dass er fast gleichzeitig eine mehrbändige Ausgabe von Tolstois und von Goethes Werken erwarb.579 Es war bestimmt kein Zufall , dass im Hintergrund des Goethe-Porträts , das er im Begriff war zu schaffen , auch Tolstois Gestalt erschien. Die beiden so ungleichen « Natur- und Gotteskinder » mussten sich immer wieder gegenseitig ergänzen , der eine persönliche Mythos Thomas Manns evozierte die Gegenwart des anderen. Tolstois Morgen eines Gutsbesitzers las er während seines jährlichen Winterurlaubs in Arosa im Januar 1937. Das war eine Erzählung über den Alltag auf einem Landgut , deren Hauptfigur , Fürst Nechljudow , seine ganze Energie dem Wohle seiner Leibeigenen widmet. Vielleicht diente sie Thomas Mann indirekt als Anregung bei der Arbeit am dritten Kapitel des Goethe-Romans , mit der er gerade angefangen hatte. Eine direkte Verbindung lässt sich hier kaum feststellen. Tolstois Bücher begleiteten Thomas Mann auf die Reise nach Amerika im April 1937. Er las sie an Bord des Ozeanschiffes « mit alter , neuer Bewunderung. »580 Weitere Erwähnungen des russischen Dichters im Tagebuch stehen schon in einem deutlichen Zusammenhang mit Manns Lotte in Weimar. Im Juli 1937, während der Arbeit an deren viertem Kapitel , notierte er eine lange Lektüre von 160
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Krieg und Frieden.581 In diesem Kapitel wird die Figur Adele Schopenhauers auf die Bühne gebracht – einer jungen Dame , Anfang zwanzig , « recht unschönen , aber intelligenten Ansehens. » Durch sie wird die Hofrätin über dieses und jenes Detail des Weimarer Gesellschaftslebens unterrichtet : einen Musenverein , Sonntags- und Donnerstagstees , welche Adeles Mutter veranstaltet , und einiges andere , was die feinen Damen alles so interessieren mag. Dann kommt die Konversation auf Goethe , und Adele berichtet von einem sonderbaren Charakterzug des großen Mannes : Wenn er sich in der Gesellschaft befinde , tyrannisiere er diese mit seinem egozentrischen Verhalten ; er mache davon Gebrauch , dass alles nur um ihn kreise.582 Ein unschönes , aber intelligentes junges Fräulein ; ein älterer Herr , der die Soziëtät tyrannisierte , « weniger weil er ein Tyrann gewesen wäre , als weil die anderen sich ihm unterwerfen und ihn garadezu nötigen , den Tyrannen zu machen » ,583 – hier scheint eine Assoziation zu Prinzessin Marja und ihrem Vater , Fürst Bolkonski , aus Krieg und Frieden vorzuliegen. Prinzessin Marja hatte ein « kränkliches , unschönes Gesicht »584 ( dies wird von Tolstoi leitmotivisch wiederholt ); der alte Fürst , ein kluger Kopf und kein böser Mensch , malträtierte sie ständig , wobei ihre sanfte Art ihn nur noch mehr reizte. Das tat er weniger weil er ein Tyrann gewesen wäre , als weil sich in der Tyrannei seine egoistische Liebe zu der Tochter äußerte. Assoziationen , ein Wiederfinden eigener Gedanken bei den Großen der Vergangenheit , oder umgekehrt : Anregung durch ihr Werk , das In-Fußstapfen-Treten , waren ein produktives Element der Schaffenskraft Thomas Manns. Das mag die Lektüre in Krieg und Frieden während der Arbeit am vierten Kapitel erklären. Am 6. August 1937, als das vierte Kapitel noch bei Weitem nicht abgeschlossen war , meldete er ein «Verlangen nach Tolstoi-Lektüre ( ‹ Kr[ ieg ] u. Fr[ ieden ] › ) ». Am übernächsten Tag beschloss er , die Erzählung Adeles als eigenständiges , also fünftes Kapitel zu gestalten. Am 11. August notierte er : « Gestern Nacht lange in ‹ Krieg und Frieden › , herrliches Werk. »585 In der Erzählung Adeles , an der er mit Unterbrechungen bis Mitte Oktober arbeitete , wurde die Zeit der Napoleon-Kriege wiederbelebt. Unter anderem kam die Erzählerin nochmals auf eine sonderbare Stellung Goethes zu sprechen : Inmitten des Befreiungskrieges hatte er seine persönliche Treue zu dem Eroberer des Vaterlandes behalten ; er bewunderte Napoleon , und sein Sohn August tat es auch.586 Möglicherweise schwebte hier Thomas Mann wiederum eine Assoziation mit Krieg und Frieden vor. Anna Pawlowna Scherer , die Petersburger Gran1934–1939
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de Dame , titulierte Napoleon nicht anders als Mörder und Bösewicht , was für die Verhältnisse des Jahres 1805 nur zu verständlich war. Und so lauteten noch die mildesten Bezeichnungen , die sie für den Kaiser der Franzosen übrig hatte. Thomas Manns Adele charakterisiert ihn am Anfang ihrer Erzählung in ähnlichen Ausdrücken. Pierre Besuchow , ein Querdenker unter den Gästen Anna Pawlownas , nahm unvermittelt Napoleon in Schutz und rechtfertigte sogar die Französiche Revolution – zum großen Entsetzen der Gastgeberin.587 – Eine gewisse Enttäuschung vernimmt man hinter dem Bericht Adeles , dass der preußische König sich nicht mit Napoleon gegen « d ie Barbaren » verbündet hatte , sondern im Gegenteil zu deren Aliiertem geworden war.588 Pierre Besuchow war mit dem Bündnis gegen Napoleon ebenfalls nicht zufrieden , nur eben aus seiner Perspektive als Russe und « Freigeist ». « Wir haben nun Krieg gegen Napoleon » , sagte er zu Fürsten Andrej. « Wenn dieser Krieg für die Freiheit wäre – das könnte ich verstehen und würde der erste sein , der in die Armee einträte. Aber Österreich und England gegen den größten Mann der Welt Beistand zu leisten , das ist nicht das rechte. »589 Diese Assoziazion ist weitläufig. Gleichwohl kann sich Thomas Mann , dank seines feinen Sinns für Parallelen und Anspielungen , von ihr angeregt und « unterstützt » gefühlt haben. Mit Amerika durfte Thomas Mann vor allem Erfolgserlebnisse assoziieren. In der Neuen Welt war sein Name schon seit langem ein Begriff. 1934, 1935 und 1937 wurde er dort gefeiert und umjubelt. Eine Niederlassung in den USA wurde ihm nahegelegt. Die vierte Reise dorthin – ein Vortragstournee durch fünfzehn Städte im Frühjahr und Sommer 1938 – sollte der Höhepunkt seiner bisherigen Berühmtheit und das Vorspiel seiner Einwanderung werden. Die Perspektive einer endgültigen Übersiedlung aus dem unsicheren Europa schien ihn jedoch nicht zu freuen. Es ging wieder um eine tiefgreifende Veränderung der Lebensumstände. Im Januar 1938, in Arosa eingetroffen , hatte er notiert : «‹ Ununterbrochenheit › , Unmittelbarkeit des Wiederanschlusses an das gewohnte Milieu , ganz als sei man nie weggewesen. Das Hotel wie immer. »590 Dieses « wie immer » umfasst einer Formel gleich sein gesamtes Stabilitätsgefühl. Die nun bevorstehende Tournee und die in Erwägung gezogene Übersiedlung waren keine Fahrt ins Ungewisse , im Gegenteil : Man hatte vor , in ein sicheres Land zu ziehen , in dem man bewundert wurde. Aber das bedeutete – zum wievielten Mal schon – Abschied und Neubeginn. Andere Ufer. Am Tag 162
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der Abreise in die USA schrieb er auf : « Depression und Durchdrungensein von der Sinn- und Zwecklosigkeit des Ganzen. »591 Für das amerikanische Publikum hatte er einen umfangreichen Vortrag mit dem Titel Vom kommmenden Sieg der Demokratie vorbereitet. Er war ein Plädoyer für den neuen Humanismus in Sachen Politik , d. h. für eine Demokratie , die verpflichtet sei , sich gegen ihre Zerstörer und gegen die Diktaturen zu wehren. Mit Hinblick auf sein « bourgeoises » Auditorium warnte er davor , im NS-Staat einen Schutzwall gegen die kommunistische Gefahr zu sehen und schon allein deshalb mit ihm zu sympathisieren. Beide Systeme , meinte er , seien nur « feindliche Brüder , von denen der jüngere von dem älteren , russischen , so gut wie alles gelernt hat [ … ]. » Mit Rückblick auf die Sowjetunion , die ihm wohlgesonnen blieb , bezeichnete er diese mit Nachdruck als Friedensmacht.592 Seine Verurteilung der Hitler-Diktatur in diesem Vortrag war scharf und treffsicher. Deren positives Gegenbild – ein gewisses Zukunftsideal , dem , wie er dachte , auch der Begriff des « wirklichen » Sozialismus angehöre , bekam demgegenüber die Züge eines « Kunstwerks ». Thomas Manns Selbstkommentar zu dieser Seite des Vortrages war mit Zweifel erfüllt : « Demokratischer Idealismus. Glaube ich daran ? Denke ich mich nicht nur hinein wie in eine Rolle ? Es ist jedenfalls gut , diese Welt zu erinnern. »593 Die am 21. Februar 1938 angefangene Tournee war durch und durch erfolgreich. Die Lage in Europa wurde indes immer angespannter. Im März marschierten die deutschen Truppen in Österreich ein. Am 16. April schrieb Thomas Mann auf , dass er selbst erstaunt sei , wie gering die Versuchung geworden ist , nach Europa zurückzukehren.594 Angebote , die man ihm in Amerika machte , waren « eindrucks- und ehrenvoll » , wie zum Beispiel eine Honorarprofessur in Princeton mit hohem Gehalt für vier Vorlesungen jährlich.595 Ende Mai aber , als die Übersiedlung schon beschlossene Sache war und es nur noch auf die Details der Haushaltsauflösung in Zürich-Küsnacht ankam , vetraute er dem Tagebuch an : « Nicht recht wohl ; erneute Zweifel an der Richtigkeit unseres Tuns. Wäre uns nicht , trotz dem drohenden Kriege , an den ich nicht glaube , wohler in Küsnacht ? »596 Nach einigem Schwanken und Zögern reisten die Manns Ende Juni zurück , um das Schweizer Heim persönlich aufzulösen. An Bord des Schiffes notierte der Dichter : « Ein neuer Monat auf ‹ Reisen ›. Wievieles durchgestanden und eingeleitet seit dem Aufbruch von Küsnacht , wohin nun doch wieder unterwegs ! Könnte ich nur an Sinn und Fruchtbarkeit von alldem glauben. Es ist viel geleistet und doch eigentlich nichts getan , es sei denn fürs ‹ Leben ›».597 1934–1939
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In der Melancholie des baldigen Abschieds von Europa stand ihm unter anderem Tolstoi zur Seite. Noch in New York , eine Woche vor der Abreise , fing er mit der Lektüre der Kosaken an , einer Erzählung , die für Mereschkowskis Deutung Tolstois eine dauerhaft wichtige Rolle gespielt hatte. Er las sie während der Überfahrt weiter und fand sie wundervoll. Am 3. Juli , noch immer an Bord des Schiffes , schrieb er : « Beendete gestern Tolstois ‹ Kosaken › , ein Meisterwerk. Die Zeit ist wie sie ist , weil heute dergleichen nicht geschrieben werden kann – und umgekehrt. In mir sieht man einen Gegenbeweis und findet also Trost darin , daß ich noch da bin. Mit Recht ? »598 Der Aufenthalt im Züricher Heim dauerte etwa anderthalb Monate. Am 30. August – die Packer hatten gerade die Wohnhalle aufgelöst – registierte Thomas Mann : « Unruhe , innere Bewegung wegen des Abschlusses dieser Epoche. » Am 14. September hieß es : « Letzter Tag in Küsnacht , letzte Eintragung. Sonnig warm. 8 Uhr das 5 Jahre benutzte Bett verlassen. »599 Diese nüchterne Mitteilung eines fait accompli war – wie die Notiz über die leergewordene Münchener Zündholzschachtel im Mai 1933 – ein Symbol dafür , dass ein « wie immer » doch zu Ende ging. Über ihre symbolhafte Bedeutung sind diese knappen Tagebuchzeilen mit dem « schönen , sauberen Doppelstrich » verwandt , den Hanno Buddenbrook unter seinem Namen im Familienbuch gezogen hat.600 Was Thomas Manns Feder bei ihrer Niederschrift führte , war nicht Hannos mechanische Verträumtheit. Das war vielmehr die unterdrückte Angst von dessen Vater , Thomas Buddenbrook , vor dem « ich glaubte , es käme nichts mehr. » Thomas Mann fühlte sich zufrieden durch die bewusste Abschiednahme vom Schweizer Heim , die ihm der letzte Aufenthalt ermöglicht hatte.601 Die Übersiedlung war seine freiwillige Entscheidung gewesen , und es fiel ihm diesmal leichter , den Neubeginn als Notwendigkeit zu verinnerlichen. Das Tagebuch meldete in der nachfolgenden Zeit vorerst keine Depressions- und Wehmutszustände. Beim Gedanken an das Neueste aus der Politik : die Auslieferung der Tschechoslowakei an das Dritte Reich , welche die Großdemokratien gerade betrieben , beschwor er selbsttherapeutisch « Beschränkung aufs Persönliche und Geistige » , Heiterkeit und das Bewußtsein seiner Bevorzugung. Denn ohnmächtiger Haß dürfe nicht seine Sache sein. Am nächsten Tag , auf See irgendwo zwischen der Alten und der Neuen Welt , notierte er : « Phlegma , Gemütsruhe , Unbeirrtheit und Beständigkeit. Wer weiß , wie es weiter geht ? Ich kann leben und bestehen , wie es auch gehe. »602 164
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Er konnte es : Er hatte sein Dasein abgesichert. Aber eine Beschränkung aufs Persönliche und Geistige , geschweige denn Gemütsruhe und Beständigkeit auf Dauer sollte es trotzdem nicht geben. Die Weltpolitik machte ihm zu schaffen. Das Sudetenland wurde vom Dritten Reich annektiert , und die demokratischen Schutzmächte hatten einmal wieder versagt. « Furcht vor dem neuen Leben » , notierte er am Tag des Einmarsches , « wird durch Depression erregt. » In der Regel war es umgekehrt der Fall : Depressive Zustände wurden durch Angst und Wehmut hervorgerufen. Zur Stärkung nahm er erneut Tolstois große Epopöe aus dem Regal.603 Wie im April 1933 , stand auch nun im Tagebuch : «Vorm Schlafen immer ‹ Krieg und Frieden ›. »604 Zum « neuen Leben » ließen sich die Manns in Princeton nieder , einer Universitätsstadt zwischen New York und Philadelphia. Sobald das Züricher Besitztum ankam , wurde im amerikanischen Heim ein Symbol der Kontinuität statuiert : Der Dichter stellte seinen Schreibtisch wieder her , alles genau an seinem Platz , « wie in Küsnacht und schon in München. »605 In dieser Zeit erhielt seine publizistische Tätigkeit eine besondere Dimension : Das Engagement gegen den Hitler-Staat wurde – trotz der Bemühung Manns , beim Privaten und Geistigen zu bleiben , – praktisch zu seinem Lebensinhalt. Parallel setzte er die Arbeit an Lotte in Weimar fort. Die Nachrichten aus Europa blieben belastend , die neue Umgebung und eine fremde Sprache waren gewöhnungsbedürftig , sodass Furcht und Wehmut ihn hin und wieder heimsuchten.606 Die Begegnung mit Tolstois Tochter Alexandra in New York regte Thomas Mann zur Wiederlektüre von der Auferstehung an. Tolstois politisiertes Spätwerk , mit dem er sich schon in den Betrachtungen kritisch auseinandergesetzt hatte , scheint ihm diesmal nicht viel gegeben zu haben : Das Tagebuch meldet nur den Beginn der Lektüre und – einige Wochen später – deren Abschluss , mehr nicht.607 Bald wurde ihm eine intensivere Begegnung mit dem Werk Tolstois zuteil. Im Mai 1939 wurde er aufgefordert , zur amerikanischen Einzelausgabe von Anna Karenina eine Einleitung zu schreiben. Die ersten Exzerpte machte er in Princeton , die Hauptarbeit fiel auf die Europa-Reise , die er Mitte Juni antrat. Diese Reise stand von Anfang an unter einem bösen Vorzeichen. Das Vorhaben , zuerst nach Zürich zu fahren , musste wegen eines Telegramms seiner Schwiegereltern aufgegeben werden. Sie warteten gerade auf die Ausreisegenehmigung in die Schweiz und befürchteten , diese nicht zu bekommen , wenn Thomas Mann und Frau dort auf sie warten würden. Jede Störung eines durchdachten und Vorfreude spendenden Planes emp1934–1939
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fand Thomas Mann für gewöhnlich als Dissonanz und reagierte auf sie gereizt. Diesmal handelte es sich nicht nur um eine erzwungene Änderung der Reiseroute , sondern auch um mögliche Willkür gegenüber ihm nahe stehenden Personen. Für ihn war das ein « [ s ]ehr störender , deprimierender Schlag. »608 Und es kam noch etwas anderes hinzu , was dem empfindsamen Dichter aufs Gemüt ging : die nervöse Erregung , die – ähnlich wie im Sommer 1914 – in der Luft Europas zu spüren war. Zur ersten Station der Europa-Reise wurde Noordwijk , ein niederländischer Badeort. Dort schrieb Thomas Mann , mit Krisenstimmung und beschränkter Arbeitsfähigkeit kämpfend , den Tolstoi-Aufsatz nieder. Diese Auftragsarbeit hatte ihre Eigenart : Es ging schließlich « nur » um eine Einleitung , d. h. per definitionem eine relativ kurze , populäre Übersicht des großen Romans , die für ein breiteres Publikum bestimmt war. Der Spielraum für eine politische Aktualisierung Tolstois war kleiner als bei den Essays. Zahlreiche Lesespuren in Thomas Manns Exemplar der Anna Karenina demonstrieren , wie gründlich er sich auf die Niederschrift vorbereitet hat.609 Der Aufsatz lässt sich dem Inhalt nach in zwei Teile gliedern. Im ersten ging Thomas Mann auf die Person Tolstois als Künstler ein. Dabei griff er auf bestimmte Gedanken eigener früherer Schriften zurück : Russische Anthologie , Goethe und Tolstoi , Lübeck als geistige Lebensform , Lebensabriß , der Jubiläumsschrift von 1928. Es wiederholten sich seine gewohnten « mythischen » TolstoiAssoziationen : « Ströme von Kraft und Erfrischung » , «vitale Bärenkraft » , « der paradox-asketischen Anwendung einer Urkraft entspringende titanische Ungeschicklichkeit » , « patriarchalische[ r ] Animalismus des Ehe- und ländlichen Familienlebens » , « bis zum Mystischen starke Vitalität » … Es klang erneut das Thema der Schaffensqualen an – der douleurs , um mit Flaubert zu sprechen , – unter denen Anna Karenina entstanden war. 610 Im zweiten Teil richtete Thomas Mann sein Augenmerk auf die Hauptfiguren des Romans , vor allem auf Konstantin Lewin , « des Dichters Ebenbild ». Lewin lebte im Zerwürfnis mit sich selbst. Der Konflikt zwischen dem Zeitgeist und der Sehnsucht nach absoluten Werten brachte sein Identitätsgefühl , sein seelisches Gleichgewicht ins Wanken. Der Zeitgeist war vom strengen Vertrauen auf die Naturwissenschaften durchdrungen. Sezierende Analyse , welcher er jede Erscheinung unterwarf , war – bis hin zum totalen Zergrübeln – auch Lewins Element. Darin war Lewin ein Sohn des 19. Jahrhunderts. Aber die Wahrheiten der materialistischen Wissenschaft waren ihm zu trostlos. Er 166
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kam mit ihnen nicht aus und zog auch den Zeitgeist selbst in Zweifel. Darin – so kann man Thomas Manns Kommentar deuten – war er « einen Schritt weiter. » Es folgten zwei Beispiele des Lewin’schen Querdenkertums : Den Himmel sah Lewin anders als die wissenschaftliche Erkenntnis es vorschrieb , und fühlte sich dabei im Recht. Diese Sichtweise nannte Mann « neuer Realismus ». Und der allgemeinen Begeisterung für den Krieg zur Befreiung der vom Osmanenreich unterjochten Südslawen wollte Lewin sich nicht anschließen. Sein skeptisches Verhältnis zum Patriotismus erinnerte Thomas Mann an Goethe.611 Wohin führte dieses « Ein-Schritt-weiter-Sein » als das 19. Jahrhundert ? Bevor Thomas Mann auf diese Frage Antwort gab , wies er darauf hin , wo sie nicht hinführen sollte. « Es ist ein Schritt weiter » , schrieb er , und ich kann nicht umhin , ihn einen sehr gefährlichen Schritt zu nennen , der , wenn er nicht von tiefster Wahrheitsliebe und menschlicher Sympathie geleitet ist , ganz leicht in Obskurantismus und Barbarei führen kann. Es zeugt heute keineswegs mehr vom einsamen Mut , die scientifische Zucht des neunezehnten Jahrhunderts über Bord zu werfen und sich statt dessen dem ‹ Mythos › , dem ‹ Glauben › , will sagen einer liederlichen und kulturmörderischen Pöbelei zu überlassen. [ … ] Der Schritt führt nur vorwärts und wird nur dann für die Menschheit getan , wenn sofort noch ein weiteter ihm folgt , der vom neuen Realismus des ‹ festen blauen Gewölbes › wieder zum weder alten noch neuen , sondern menschlich ewigen Idealismus der Wahrheit , Freiheit und Erkenntnis leitet.612
Die aktualisierende Botschaft dieser Warnung war nicht zu überhören. Sie wurde auf eine diskrete Art formuliert : Thomas Mann hielt es wahrscheinlich für unangebracht , seine Hauptfeinde – die Nationalsozialisten – in diesem Aufsatz beim Namen zu nennen. Er entwarf hier das Bild einer humanistischen Fortschrittsentwicklung : über die Befreiung vom Diktat steifer Wissenschaftlichkeit hin zu bestimmten ewigen Werten. Das war Thomas Manns Botschaft an die Zeitgenossen. Aber wohin soll das « Ein-Schritt-weiter-Sein » Konstantin Lewin , den « Statthalter des Autors » , geführt haben ? Ein Bauer brachte ihn auf die geistige Wahrheit , dass man « für seine Seele » , « wie es Gott haben will » leben müsse. Und plötzlich leuchtete dem Grübler ein , dass die Erkenntnis des Guten nicht im Bereich der Vernunft liege – das Gute sei nämlich ein Wunder.613 Daraufhin kreierte Thomas Mann eine Synthese der « über-vernünftige[ n ] Verpflichtung des Menschen auf das 1934–1939
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Gute » und der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts. Diese , meinte er , hätte auch für Gott gelebt , indem sie Gott leugnete , denn sie leugnete Ihn ebenfalls aus Wahrheitsliebe.614 Hier trennen sich die Wege Thomas Manns und Lewins , weil ihre ewigen Werte nicht dieselben sind. Des Bauers gelebtes Christentum setzte Thomas Mann humanistisch um. Wie schon in Betrachtungen eines Unpolitischen – im Kommentar zu den religiösen Erfahrungen Pierre Besuchows – war Gott für ihn nur ein Symbolbegriff für das abstrakte Gute. Lewin – so Thomas Mann – war von der Erkenntnis der übervernünftigen Wahrheit beglückt ; er hätte jedoch die « a ndere » Seite der Wissenschaft – ihre gute Motivation vergessen. Woraus zu schließen war , dass er sich in Gefahr der Barbarei begab. Für Lewin selbst bedeutete die plötzliche Verklärung den Durchbruch zum Glauben seiner Vorfahren und seines Volkes – zum Christentum als Lebensform , das sich von einem modischen Kult nicht verunsichern ließ. Davon berichten die zwei nachfolgenden Kapitel des letzen Teils von Anna Karenina – das zwölfte und das dreizehnte.615 Am Schluss seines Aufsatzes positionierte Thomas Mann ein Symbol « alles übervernünftig menschlichen Strebens nach dem Guten , nach der Wahrheit und nach Vollendung ». Ein Symbol , von dem Lewin , im Unterschied zu Tolstoi , nichts wusste. Das war die Kunst – die Sphäre , in der Tolstoi sehr Großes geleistet hatte.616 Sie war auch Thomas Manns Sphäre , sein Zufluchtsort und seine Hoffnung in der angebrochenen Lebensepoche. Die letzten Zeilen der Einleitung zu Anna Karenina klangen wie eine Ehrerweisung von Kollege zu Kollege.
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Andere Ufer
Frieden im Krieg (1939–1943) In den Tagen des Zweifels , des bedrückenden Nachdenkens über das Schicksal meiner Heimat bist du allein mein Rückhalt und meine Stütze , o große , kraftvolle , wahrhaftige und biegsame russische Sprache ! Iwan Turgenjew , Die russische Sprache617
Auf der Durchreise nach Dänemark begab sich Tonio Kröger in seiner Heimatstadt zum Haus der Eltern. Er ging hinein – im Zwischengeschoss war eine Volksbibliothek. Seine Erinnerung fing an zu sprechen : Hier hatte man morgens gefrühstückt , dort war das Schlafzimmer gewesen , an jener Wand hatte sein Tisch gestanden , als er Schüler war. « Eine stechende Wehmut durchzuckte ihn. »618 Nikolaj Irtenjew , der Statthalter Tolstois in der Trilogie Lebensstufen , kannte dieses Gefühl auch. Das Landhaus seiner Kindheit , wohin er als Student zurückgekehrt war , nahm ihn « freudig in seine Arme auf und weckte in [ ihm ] mit jeder Diele , mit jedem Fenster , mit jeder Treppenstufe , mit jedem Laut , zahllose Bilder , Empfindungen , Ereignisse einer unwiederbringlichen glücklichen Vergangenheit. »619 Von Noordwijk reisten die Manns in die Schweiz. Am 9. August 1939 machten sie einen Ausflug nach Küsnacht und besuchten das Haus in der Schiedhaldenstraße. Thomas Mann erlebte dort die Wiederkehr des bereits Abgeschlossenen , ein Zurückversetztwerden in die Abschiedsstimmung. Die Erinnerungen an die hier geschriebenen Bücher und den damaligen Alltag kamen hoch. « Tiefe Bewegung » , schrieb er ins Tagebuch nieder , « erschüttertes Lebensgedenken , Trauer und Schmerz … »620 Die Stabilität , die Thomas Mann sich in den letzten Jahren erarbeitet hatte , wurde während jener Europa-Reise ohnehin immer stärker auf die Probe gestellt. Er wollte sich die Sowjetunion gerne als Friedensmacht vorstellen , die , Hand in Hand mit den Demokratien , den Kriegsplänen Hitlers einen Riegel vorschieben würde. In diese Konstruktion hatte er viel Mühe und Hoffnung investiert. Als Zukunftsgedanke , als eine Synthese von Sozialismus und Humanismus hatte sie für ihn einen besonderen Reiz. Sie stürzte ein , als am 169
23. August 1939 der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt geschlossen wurde. Der große Krieg , an dessen Möglichkeit er beständig , zuletzt noch am Tag des Paktabschlusses , gezweifelt hatte ,621 brach eine Woche später aus. Sein Kommentar zu den Ereignissen , kurz vor der Abreise aus Europa niedergeschrieben , war resigniert und pessimistisch : Ein klarer Sieg der « Civilisation » über die nazistisch-bolschewistische Barbarei sei wenig denkbar , das Geschehene in Deutschland wahrscheinlich nicht rückgängig zu machen.622 Nach einer unkomfortablen Überfahrt waren die Manns am 19. September wieder in Princeton. Die Reise , in deren Verlauf der Krieg begann , war zu Ende. Als den schlimmsten und schwersten Tag auf dem Heimweg in den Frieden empfand Thomas Mann denjenigen , an dem das Eingreifen der Sowjetunion in Polen klar wurde. «Viel gelitten » , schrieb er auf , « aber , bei guten Mahlzeiten und unterstütztem Schlaf Phlegma und Vertrauen in das eigene Schicksal aufrecht erhalten – bei zunehmender Einsicht in die zeitliche und inhaltliche Unabsehbarkeit des begonnenen Prozesses , dessen Ende zu erleben ich nicht gewiß sein kann. »623 Das war ein anderer , an der neuen Situation angewandter Ausdruck für das stille und geduldsame Abwarten , bis alles – vielleicht irgendwann – « ganz anders wird ». Thomas Mann hatte allen Grund , in sein Schicksal , ja in seine « singuläre[ ], mit anderen Schicksalen nicht zu verwechselnde[ ] Stellung »624 zu vertrauen. Es war ihm 1933 gnädig , als er durch Zufall zur richtigen Zeit außer Landes gegangen war. 1939 konnte er das Kriegsgebiet ebenfalls unversehrt verlassen. Phlegma und Schicksalsvertrauen erhielt er an Bord des Schiffes aufrecht. In den USA , sobald die « äußere » Sicherheit wieder hergestellt war , kehrte die innere Unruhe zurück. Die neue Erschütterung verwirrte – wie schon 1918 und 1933 – seine Begriffe und machte ihn vorübergehend ratlos. Wie damals ließ er im Tagebuch seiner Wut freien Lauf : Was er erwarte und erhoffe , notierte er am 19. September , seien Deutschland als Kriegsschauplatz beim Kampf zwischen der Sowjetunion und dem Westen , kommunistische Revolution und Untergang Hitlers darin. « Der Untergang des Regimes unter schwerer Heimsuchung des schuldigen Landes » sei im Grunde alles , was er wünsche.625 Fast gleichzeitig las er Sinn und Schicksal des russischen Kommunismus von Nikolai Berdiajew und Europa und die Seele des Ostens von Walter Schubart.626 Wahrscheinlich suchte er darin nach der Erklärung für den sensationellen politischen Salto, infolge dessen Hitler und Stalin über Nacht Verbündete geworden waren. Zu beiden Studien hinterließ er keinen Leserkommentar. 170
Frieden im Krieg
Die Meldungen vom Kriegstheater förderten keinen Optimismus. Ende September unterlag Polen , Mitte November wurde Finnland von der Sowjetunion überfallen. Wie 1914 mobilisierte Thomas Mann seine Kräfte für einen persönlichen Krieg , dem ein sonderbares brüderliches Element innewohnte. Er war bis ins Innerste getroffen , wenn er bei einer ihm unerträglichen Person seine eigenen , aber auf verhunzte Weise ausgelebten Mythen immer wieder erkennen musste. Diese Person war Hitler. Es ging dabei nicht nur um « Aneignung » einzelner großer Figuren , wie etwa Wagners , durch den Diktator , sondern auch um seine Umsetzung bestimmter stabilisierender Ideen. Auf Begriffen wie Schicksal , Sendung , Mission – auf die auch Thomas Mann « im Tiefsten » vertraute – war Hitlers Image von Anfang seiner Karrierre an aufgebaut. Die Innenpolitik des Dritten Reichs war von einem militanten Kunstgedanken durchwirkt , der einen Kampf gegen Chaos und « Degeneration » mit einschloss. Ein Optimismus sollte das Bild des Kommenden bestimmen. In seiner Neujahrsbotschaft vom 31. Dezember 1939 verkündete Hitler eine Zukunftsvision : « die neue Welt , sozialistisch ». « Der Elende , der Elende » , schrieb dazu Thomas Mann , sichtlich angegriffen.627 Diese Wortverbindung erfasste im Allgemeinen auch sein Zukunftsbild. Das Engagement gegen den NS-Staat wurde zu Thomas Manns Lebensinhalt in den USA. Hitlers politische Person – nicht nur die Ideologie des Nationalsozialismus – hatte er schon vor 1933 scharf kritisiert.628 Damals bewegte sich seine Kritik in den Grenzen einer korrekten demokratischen Polemik. Sein Status , seine kulturelle Überlegenheit waren zu hoch , als dass er sich durch die Verhunzung seiner Werte hätte ernsthaft getroffen fühlen können. Nach 1933 , genauer , nach seinem öffentlichen Bekenntnis zum Exil im Jahre 1936, wendete sich das Blatt. Das Engagement wurde immer persönlicher. Allem Anschein nach bemühte sich Thomas Mann , den nationalsozialistischen Hitler-Mythos zu zerstören und einen « Anti-Mythos » Hitler zu schaffen. Zum Kriegsmanifest wurde Thomas Manns Pamphlet Bruder Hitler , das 1938, noch vor seiner Umsiedlung in die USA entstand. Des Dichters psychopathologisches Attest für den Diktator war mit sachkundiger Feder geschrieben. Er konstatierte bei seinem Gegenspieler « die Unersättlichkeit des Kompensations- und Selbstverherrlichungstriebes [ … ], die Ruhelosigkeit , das Niesich-Genüge-Tun , das Vergessen der Erfolge , ihr rasches Sich-Abnutzen für das Selbstbewußtsein … » Das klingt wie ein Verweis auf die Welt dekadenter , krankhaft-unausgeglichener Figuren seines eigenen Frühwerks : Friedemann , Tobias Mindernickel , Savonarola … Was er dem « Führer » an Peinlichkeiten 1939–1943
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vorhielt – dieser könne « rein technisch und physisch nichts [ … ], was Männer können , kein Pferd reiten , kein Automobil oder Flugzeug lenken , nicht einmal ein Kind zeugen »629 – , verrät viel über Thomas Mann selbst. Denn die meisten dieser « Männertugenden » waren auch ihm unbekannt. Trotz alledem brachte er Hitler « eine gewisse angewiderte Bewunderung » entgegen : In jeder praktischen Tätigkeit ein Versager , war dieser in demagogischer Einwirkung auf die Massen jedoch ein großes Talent. Hitlers auffällige Theatralik , die dekadenten Wurzeln seines Künstlergebarens begründeten Thomas Manns brillanten polemischen Schachzug : Er erkannte eine gewisse Kollegialität , ja «Verwandtschaft » zwischen dem Diktator und sich an. « Ein Bruder … » , schrieb er. Ein etwas unangenehmer und beschämender Bruder ; er geht einem auf die Nerven , es ist eine reichlich peinliche Verwandtschaft. Ich will trotzdem die Augen nicht davor schließen , denn nochmals : besser , aufrichtiger , heiterer und produktiver als der Haß ist das Sich-wieder-Erkennen , die Bereitschaft zur Selbstvereinigung mit dem Hassenswerten , möge sie auch die moralische Gefahr mit sich bringen , das Neinsagen zu verlernen.630
Danach kam Thomas Mann auf die Strebungen seiner künstlerischen Jugend zu sprechen. In seinem Geiste waren sie erhaben. Zwanzig Jahre später seien sie « zum Geschrei der Gasse » geworden.631 Durch die Feststellung der Verwandtschaft wurde Hitler ein Platz als Bastard in der Künstler-Familie zugewiesen. Und Thomas Mann definierte sich selbst über ein Feindbild , wie das in der Vergangenheit schon mehrmals der Fall war : Alfred Kerr und Theodor Lessing waren episodische Feindfiguren gewesen , der Zivilisationsliterat hatte dagegen einen ganzen Lebensabschnitt Thomas Manns mitbestimmt. Eine vergleichbare Rolle bekam in der kommenden Zeit der beschämende Bruder Hitler zu spielen. Am Schluss des Pamphlets nahm Thomas Mann Napoleon vor dem Vergleich mit Hitler in Schutz. Jener sei ein großer Krieger , « das alles beherrschende Riesengehirn , die ungeheuerste Arbeitskapazität , die Verkörperung der Revolution » , der tyrannische Freiheitsbringer gewesen.632 Dieses Loblied auf den Kaiser der Französischen Republik entstand möglicherweise nicht ohne Rückblick auf Tolstoi und als Gegenbild zu dessen Napoleon-Porträt. Krieg und Frieden , wo Tolstoi seine Verachtung für den « großen Krieger » so stark ma172
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nifestiert , hatte Thomas Mann spätestens ein Jahr davor wiedergelesen. Lotte in Weimar lag noch auf seinem Arbeitstisch. Sicherlich war es rhetorischer Eifer , der ihn dazu bewog , Napoleon so zu erheben , denn es galt dadurch Hitler zu erniedrigen. Aber der Napoleon-Mythos hatte hier auch eine eigenständige Bedeutung. Bonapartes Name wurde in liberalen Kreisen traditionell mit Revolution , Freiheit und Fortschritt assoziiert. Diese Begriffe bestimmten das positive Zukunftsbild mit , um welches Thomas Mann stets kämpfen musste. Und schließlich hatte auch Goethe , Manns Vorbild in jener Zeit , dem Revolutionskaiser seine Anerkennung gewährt. Anfang 1940 fühlte sich Thomas Mann erneut zu einem – im weiteren Sinne – orientalischen Stoff hingezogen. Er bearbeitete eine indische Legende über ein Liebesdreieck. Seine neue Erzählung sollte Die vertauschten Köpfe heißen. Ganz im Banne des Josephsvorhabens war das eine Flucht ins Zeitlos-Exotische und zugleich eine humanisierende Auseinandersetzung mit Mythologie. Parallel nahm er die Lektüre von Eheglück auf. Er brauchte nicht lange , um festzustellen , dass diese frühe Erzählung Tolstois « in ihrem realistischen und moralischen Ernst » für sein Projekt nicht ermutigend war.633 Eine weitere Erzählung des russischen Dichters war eine Enttäuschung. Es handelte sich um Wandelt , dieweil ihr das Licht habt. Sie stammte aus dem Spätwerk Tolstois und war in der Zeit seiner religiösen Experimente entstanden. Thomas Mann fand sie « erstaunlich langweilig. »634 Das Engagement gegen den Nationalsozialismus und speziell gegen die Person Hitlers sowie die Ablenkung durch das Zeitlos-Exotische müssen ihm Halt gegeben haben. Die Ausweitung des Krieges , die militärischen Erfolge Deutschlands , das von der Sowjetunion unterstützt wurde , verdrossen und frustrierten ihn. « Immer , zwischen den Qualen und Belastungen durch die gesellschaftl[ iche ] Unvermeidlichkeit » , schrieb er am 27. Februar 1940 nieder , vermischen sich die jetzt schwer pessimistischen u[ nd ] ungläubigen Gedanken an den Ausgang des politischen Prozesses mit der Frage nach dem Gelingen des Schlußteils persönlichen Lebens , dem Problem der Stimmung u[ nd ] Spannkraft für die Vollendung des Joseph nach der ziemlich überflüssigen Novellen-Digression.635
Die Münchener Vor-Vergangenheit hatte sich verflüchtigt. Es waren nun Erinnerungen aus der Züricher Zeit , die ihn in « Heimweh oder Vergangenheits1939–1943
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weh » versetzten.636 Princeton langweilte ihn , Kalifornien zog ihn « durch Klima und lustigere Umgebung » stark an. « Aber » , gestand er sich im Tagebuch , « die weite Übersiedlung , alles Neue überhaupt schreckt mich auch wieder. »637 Pläne schmieden – und sich vor ihrer Verwirklichung fürchten : Der sensible Künstler empfand das « Leben » nach wie vor als beängstigend und war im Träumen und Fantasieren auf sichererem Boden. Am 9. April 1940 erfuhr Thomas Mann von der deutschen Okkupation Dänemarks und der Besetzung Oslos. Am 19. April wurde er von einem jungen lawyer mit Zeugen aufgesucht , mit dem er Wichtiges zu arbeiten hatte : Er machte sein Testament.638 Im Frühjahr 1940 entstand On Myself , Thomas Manns Vortrag über sein eigenes Werk , den er vor Studenten der Universität Princeton zu halten hatte. Im Zusammenhang mit der Entstehung der Buddenbrooks würdigte er Tolstoi in den gewohnten Ausdrücken : Der werdende Roman sei damals als Aufgabe über seine « schwanke Kraft und künstlerische Unerfahrenheit » weit hinausgegangen ; er habe sie « mit zusammengebissenen Zähnen » bewältigen können , indem er « nach Stütze und Hilfe » bei den Riesen des 19. Jahrhunderts suchte : Er habe besonders Anna Karenina und Krieg und Frieden gelesen , « um Kräfte zu schöpfen » für eine Aufgabe , der er sich « nur in beständiger Anlehnung an die Großen gewachsen zeigen konnte. »639 Im Mai 1940 wurden die Niederlande erobert , und die Wehrmacht befand sich im schnellen Aufmarsch gegen Frankreich. Erschüttert und angsterfüllt machte sich Thomas Mann Gedanken um das Schicksal der westlichen Zivilisation. Sie schien ihm nun endgültig todgeweiht und kein Refugium mehr für den Geist. Die wahre Lage , meinte er , sei noch nicht verstanden worden. Niemand stelle sich vor , « was Hitler mit den alten Nationen des Westens täte , wenn – - ». Die naive Ignoranz der Amerikaner reizte ihn immer wieder. Die aktuelle Rede Roosevelts fand er in schwer erträglichem Maße zurückhaltend ; alles in ihr sei amerikanisch , « auf Verteidigung abgestellt. » « Welches wird die Entwicklung in Amerika sein ? » , fragte er sich drei Wochen später. Und fügte hinzu : « Ich glaube nicht an dieses Land , längst nicht mehr. Es ist unterminiert , gelähmt , fallreif wie die übrige sogenannte Civilisation. »640 Eine Woche später malte er schon eine baldige « fascistische Revolution » und einen Bürgerkrieg in Amerika an die Wand. An dessen Ausgang hätte er – angesichts der « teils starren , teils verrotteten Altersschwäche der Demokratie » – keinen Zweifel.641 Bunin hatte sein Tagebuch aus der Zeit der Revolution in Russland mit Verfluchte Tage betitelt.642 Thomas Mann hatte seine verfluchten Tage von 1918 bis 174
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1919, dann 1933 erlebt. 1940, in der ersten Kriegsphase , kehrten sie mit neuer Kraft zurück. Der Siegeszug Hitler-Deutschlands schien unaufhaltsam , seine Gegner – zu schwach , die allgemeine Weltlage – hoffnungslos. Thomas Manns unermüdliches Ringen um innere Stabilität glich einer Sisyphos-Arbeit. Am 22. Juni 1940 kapitulierte Frankreich. Am selben Tag notierte er im Tagebuch : «Vor Einschlafen jetzt wieder Tolstoi : ‹ Gefälschte Coupon ›. » Tolstois späte Erzählungen las er auch in den nächsten zwei Wochen durchgehend.643 Einen Kommentar dazu hinterließ er nicht. Agnes Meyer , seine amerikanische Mäzenin und Verehrerin , war auch eine Kennerin Tolstois. Rührend und zuweilen amüsant wirkt ihr Bemühen um die Begründung einer Kongenialität beider Autoren oder gar eines Vorranges des Lebenden vor dem Toten. Im Sommer 1940 verfasste sie einen Artikel , in dem Thomas Mann mit Tolstoi verglichen wurde. Des Dichers Reaktion könnte man streng-bewegt nennen. « … Sie müssten mich nicht kennen » , schrieb er , wenn Sie nicht im Voraus gewusst hätten , dass die Konfrontierung mit einer solchen Größe der Vergangenheit meiner Bescheidenheit , meinem Ranggefühl und Respekt , meinem Sinn für ungeheure Unterschiede des Formats etwas unheimlich , etwas beschämend sein würde. Mir kommt es zu , bei einer solchen Zusammenstellung nicht zu vergessen , dass ich Tolstoi ( den ich immer wieder lese ) nicht das Wasser reiche.644
Mit anderen Worten : « Dankwert ist Eure Liebe ; doch mein Wert , / Verdienstlos , scheut Eu’r allzuhoch Begehren. »645 Da es jedoch nicht seine Absicht war , die « Krone » abzulehnen , räumte er dann vorsichtig ein , dass der Vergleich eventuell « seine historisch-psychologische Berechtigung » hätte. Es gebe « Avantagen der Zeit » , « die nichts mit dem persönlich-schöpferischen Format zu tun haben. »646 Thomas Manns « Bescheidenheit » beeindruckte Agnes Meyer , von seinen Argumenten ließ sie sich dagegen nicht überzeugen. Sie bestand sogar auf seiner Überlegenheit gegenüber Tolstoi.647 Der Geehrte ging allerdings nicht mehr darauf ein. In der nachfolgenden Zeit tauchte Tolstois Name in ihrem Briefwechsel gelegentlich auf : Agnes Meyer stellte hin und wieder Fragen , und Thomas Mann bestätigte wiederholt , dass der russische Dichter ihm Kraft gespendet hatte. Im April 1941 teilte sie ihm neue Erkenntnisse ihrer Privatkomparatistik mit : Tolstoi hatte sein Leben lang Zahnschmerzen gehabt – « gerade wie der arme Hanno [ Buddenbrook ] » – und bekam sie meistens , « wenn die Todesfurcht an ihm herantrat. » Er ging nicht zum Arzt , « weil er solche Menschen 1939–1943
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unnatürlich fand. » Außerdem war er von Leiden an der Seite heimgesucht worden – wahrscheinlich sei das eine Indigestion , wie Agnes Meyer vorsichtig diagnostizierte. Vielleicht hänge auch Thomas Manns « momentane Weltanschauung » mit der ärztlichen Behandlung zusammen , die er gerade durchmachte ? 648 Von Indigestion wurde der Autor der Buddenbrooks gar nicht so selten geplagt. Aber noch häufiger von Zahnleiden , das in seinem Werk eine symbolhafte Bedeutung bekommen hatte.649 Im April 1941 hatte er zahlreiche Termine beim Dentisten Dr. Cooper in Hollywood wahrzunehmen. Die sorgsame Freundin fügte Tolstoi , der Thomas Mann immer stärkte , zu dessen Leidensgenossen hinzu. Sie muss ihren Briefkorrespondenten gut gekannt haben , denn damit traf sie eines seiner eigenen Denkmuster : Sich-Wiedererkennen in den Großen der Vergangenheit und In-ihre-Fußstapfen-Treten , selbst in kleinen Dingen. Nach der Beendigung der Vertauschten Köpfe Ende Juli 1940 war Thomas Mann mit der Fortsetzung des Josephsprojektes beschäftigt. Seine politischen Kunstwerke , die « Grimmburg » und die Republik , waren schon längst zerbrochen. Die Demokratien waren « altersschwach » ; der neue , militante Humanismus hatte keine Entsprechung in der Politik und blieb nur eine abstrakte Parole. Die Zukunft war dunkel. Thomas Mann ärgerte sich über die außenpolitische Zurückhaltung Roosevelts. Auf den New Deal – ein Reformprogramm , das der US-Präsident seit dem Ende der Zwanzigerjahre verwirklichte , – wurde er schon früher aufmerksam. Was er 1939 darüber in Mass und Wert gelesen hatte , muss es ihm sehr angetan haben. Der New Deal , stand in der Züricher Zeitschrift , solle die Alternative zum totalen Staat sein. Er wurde beschrieben als indoktrinär , aber kompetent , pragmatisch , aber den Menschen verpflichtet , und vor allem als «vorwärtsschreitend » – das alles klang so, als seien die Reformen von einem Gesinnungsgenossen Thomas Manns konzipiert worden.650 Joseph , der Sohn Jaakobs , wurde nunmehr vom Dichter dafür bestimmt , einen ähnlichen Deal in Ägypten durchzuführen , was er in Symbiose mit König Echnaton auch tat. Der junge Pharao war ein heiterer Gottsucher und somit gleichsam ein Gegenbild der Gottsucher Tolstois , die zu ihrem ( Halb- )Glauben erst durch Qualen und Krisen gelangt waren. Im schlimmen zweiten Kriegsjahr war es Thomas Mann ein Trost , Politik wieder zur Kunst zu verwandeln , auch wenn sie von einer imaginären Romanfigur ausgeführt werden sollte. Roosevelts Charisma trug dazu bei. Er entstammte einer patrizischen Familie , legte Manieren eines Gentleman und Intellektuellen an den Tag und – 176
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war körperlich behindert. Das hätte eigentlich schon gereicht , um von Thomas Mann als eine dekadente Figur eingeordnet zu werden. Sein früheres Werk bietet eine Porträt-Galerie geistig verfeinerter und körperlich schwacher , dem Untergang geweihter Figuren. Das hätte gereicht – aber Roosevelt war nicht dekadent. Im Gegenteil : Er war ein pragmatischer Politiker autoritären Schlages , der es verstand , seinen Gegnern immer wieder den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Gerade dieser « Widerspruch » muss Thomas Mann am Ende der Dreißigerjahre fasziniert haben : Roosevelt war fein , sympathisch , « bürgerlich » , aber er wusste nichts von Verfall und Untergang. « Sonnigkeit »651 gehörte zu seinen Eigenschaften. Thomas Mann neigte zur Mythologisierung der Persönlichkeiten , die ihm Halt gaben. Der Platz des 32. US-Präsidenten in des Dichters Pantheon war bescheidener als der Goethes , Wagners oder Tolstois. Die Ursprünge dieses politischen Mythos sind mit denen seiner großen Mythen vergleichbar. Der « Rollstuhl-Cäsar » , auf dem Thomas Mann « etwas wie Segen » zu spüren glaubte ,652 wurde für ihn zum Symbol der Politik als Kunstwerk , d. h. auch zu einem aktuellen Spender von Trost und Stärke. Ein weiteres , leichteres Antidepressivum war – wie schon 1933 – die Lektüre Adalbert Stifters. « Gelesen im ‹ Nachsommer › , dessen Langweiligkeit enorm und faszinierend » , schrieb Thomas Mann am 9. Oktober 1940 nieder.653 Einen « großartige[ n ] Wille[ n ] zur Langweiligkeit » hatte er einmal auch bei Tolstoi konstatiert , und zwar 1932, im Essay Leiden und Größe Richard Wagners.654 Langeweile dagegen gönnte er seinem großen Meister nicht : Das Urteil über Tolstois Wandelt , dieweil ihr das Licht habt – « erstaunlich langweilig »655 – klang desinteressiert und enttäuscht. Was Tolstoi sich schlecht leisten durfte , wirkte aber bei Stifter wohltuend : Über Witiko hatte es 1933 geheißen , es sei « bewundernswert langweilig ».656 « Große Reinheit » , notierte Thomas Mann am 10. Oktober 1940 über Nachsommer , « absolut konservativ , pedantisch , den Dingen ergeben , das Geistige naiv umschrieben , das Leidenschaftliche sehr fromm und sauber. Goethe ins Österreichische übertragen [ … ]. » Besonders ermutigend muss für ihn Stifters « optimistische Prophetie des kommenden Zeitalters » gewesen sein.657 Ein souverän ausgedrückter Optimismus anderer Personen tat ihm bekanntlich wohl.658 Im März 1941 stand der Familie Mann ein neuer Umzug bevor. Das Haus in Princeton wurde geräumt , der Wohnsitz sollte nach Kalifornien verlegt werden. Aus dem Tagebuch des Dichters spricht wieder eine Tonio-Kröger’sche 1939–1943
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Abschiedsmelancholie : « Zunehmende Auflösung. Auch aus dem Schlafzimmer mein Züricher Stuhl , ein einfaches Ding , an dem ich hänge , entfernt. [ … ] Retten von Gegenständen hinauf ins Schlafzimmer. Entfernung der Bilder. Oft beklommen und erregt. »659 Ein weiterer Lebensabschnitt wurde abgeschlossen , der Abschluss des aktuellen Tagebuchheftes sollte das symbolhaft ausdrücken. Ein neues Heft wurde am nächsten Tag angefangen. Es begann mit demselben Spruch , mit dem das vorige beendet wurde : « Gnade , Mut und Gelingen » , und war , wie Thomas Mann erwähnte , aus Zürich mitgebracht worden.660 Er suchte – wie gewohnt – die Leere zwischen Ende und Neubeginn durch Symbole zu überbrücken , eine Illusion der Kontinuität zu schaffen. Thomas Mann pflegte ein Jahr mit einem symbolhaften Spruch im Tagebuch – einer Art Neujahrswunsch an sich selbst – zu beschließen. Das war ein Ritual mit Zügen eines persönlichen Aberglaubens , das demonstriert , wie sehr sein Lebensgefühl in bestimmten mythischen Mustern verhaftet war. In den Tagebüchern aus den Jahren von 1940 bis 1943 kommen solche einer Beschwörungsformel gleichenden Sprüche recht häufig vor. So hieß es am 27. November 1940 : « Die nächsten Kapitel [ des Josephsromans ] müssen in Princeton rasch fortschreiten. Die Welt-Abenteuer , die kommen werden , dürfen ihre Ruhe u. Heiterkeit nicht stören. » – Am 18. Januar 1941 wurde aufgeschrieben : « [ … ] der März , mit der Auflösung des Haushalts , der Übersiedelung , ist nicht fern. Möchte sich Glückliches gestalten , einschließlich des Politischen und der Welt-Entwicklung. » – Am 15. März 1941 gemahnte er sich : « Samstag-Konzert. [ … ] Mit der Musik den Kontakt nicht verlieren ! » – Am 16. November 1941 notierte er : « Daß dieses Reiseleben , untätig , unförderlich , sich einem Ende nähert. Aber ich fühle mich so, daß ich auch dem regelmäßigen Dasein nicht mit viel Vertrauen entgegensehe. Möge sich das Interesse an der Arbeit wieder beleben und heitere Erfindung sich einstellen ! » – Am 9. Oktober 1943 beschwor er : « Möge die Reise gelingen und wir unter günstigen persönlichen und äußeren Umständen zurückkehren ! » – Und am 6. Dezember 1943 : « Möge dann in diesem Winter der Roman sich klären und recht gestalten ! »661 Die Kriegserklärung Deutschlands an die Sowjetunion am 22. Juni 1941 nahm Thomas Mann mit Erleichterung auf. Die Allianz zweier Diktatoren , die er noch im Mai als baldiges Vollbündnis gesehen hatte , fiel auseinander. « Tolle , in ihren Folgen inkalkulable , im Wesentlichen aber doch wohl erfreuliche Wendung » , hieß es darüber im Tagebuch. Er erwartete davon ein « Ende des kommunistischen Pazifismus » , d. h. der Lähmung europäischer Widerstands178
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kräfte durch die Sowjetpropaganda , und freute sich still über die Verstummung der amerikanischen Friedensforderungen.662 Durch diese neue Wendung stellte sich auch die aus seiner Sicht logische , der Ordnung der Dinge entsprechende Konstellation wieder her : Der kommunistische Staat , welcher so oder so die « zukunftsweisende Idee » verkörperte , wurde von der Inkarnation der « atavistischen Mächte » angegriffen. Einer Niederlage der Sowjets war sich der Dichter allerdings ziemlich sicher.663 Seine Solidarität mit Hitlers neuem Opfer bekundete er am 27. Juni durch ein Telegramm an die sowjetische Nachrichtenagentur Tass. Darin stand jedoch recht wenig über die UdSSR an sich , vielmehr war das Telegramm ein Gruß an das gerade entstehende Kriegsbündnis der Briten und der Sowjets. Über Hitler schrieb Thomas Mann : « Er ist ein Feind der Menschheit und niemand sonst. Jeder weiß das , und sein Versuch , den Retter der Civilisation vor dem Bolschewismus zu spielen , ist kläglich gescheitert. »664 Der letzte Satz ist sehr zweideutig und muss dem Endadressaten in Moskau schlecht in den Ohren geklungen haben. Berichte über den schnellen Vormarsch der Wehrmacht in der Sowjetunion registrierte Thomas Mann mit fatalistischer Sachlichkeit. Eine gedankliche Auseinandersetzung mit den beiden Diktaturen , die er im November im Tagebuch festhielt , weist ein für ihn typisches Begriffsdurcheinander auf. Die Bedeutung von jeweils Bolschewismus , revolutionär , Sozialismus , kommunistisch wurde nicht klar abgegrenzt , Begriffe gingen ineinander über. Die beiden Systeme kritisierte er scharf , wobei die Kritik der Sowjetdiktatur eher auf die Enttäuschung hinauslief , dass deren Realität nicht in sein Zukunftskonzept passte.665 Im Dezember 1941 traten die USA in den Weltkrieg ein. Dieses Ereignis hatte auf Thomas Manns Lebensweise wenig Einfluss. Sein Leben blieb ein anstrengendes Werk , in einen Luxusrahmen gefasst : Vortragsreisen , Empfänge , Reden , Hotelsuiten , Geschäftsdinners , Abendgesellschaften , zwischendurch die Arbeit am Josephsroman – ein scheinbarer Frieden mitten im Krieg. Die Nachrichten von den Fronten waren nach wie vor deprimierend. Am 4. März 1942 notierte Thomas Mann , nachdem er von einer Gegenoffensive der Roten Armee erfahren hatte : « Das neue britische Cabinet-Mitglied Cripps und Presse-Äußerungen prophezeihen die Vormacht-Stellung Rußlands in Europa. Wie recht sollte es mir sein ! » Einige Tage danach las er den Überfall , eine frühe Kriegserzählung Tolstois.666
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Seine Sympathie mit der Sowjetunion und deren System scheint in dieser Zeit proportional zum Widerstand zu wachsen , den die Rote Armee der Wehrmacht leistete. Seiner Gewohnheit treu , Jahrestage zu würdigen , meldete er sich im Juni 1942 wieder bei der Agentur Tass. Unter anderem beteuerte er , dass die Sowjetunion in der Vorkriegszeit fast einen kulturellen und industriellen Aufschwung ohnegleichen erlebt hätte. Und dass es « eines der größten Verbrechen Deutschlands » gewesen sei , « diese stolze und hoffnungsvolle Entwicklung » unterbrochen zu haben. Anschließend aktualisierte er seine Konstruktion aus den Dreißigerjahren , und zwar die einer zukunftsweisenden Allianz von Kommunismus und Demokratie. Wie er nun meinte , seien die gerade unterzeichneten Abkommen zwischen den Alliierten eine Zusicherung , dass die Sowjetunion nach dem Kriege die unterbrochene Arbeit – in Kooperation mit den Mächten des Westens – fortsetzen würde. Diese Botschaft wiederholte er am 5. Februar 1943 in seiner Gratulationsschrift zum 25. Jubiläum der Roten Armee. 667 Am gleichen Tag fing er an , Tolstois Hadschi Murat wiederzulesen.668 Auch im Tagebuch Thomas Manns steht manch ein hochtönendes Anerkennungswort über das Sowjetsystem. So schrieb er im Juli 1942 auf : « Die ‹ Weltrevolution › fürchte ich nicht. Ich wäre dem Kommunismus loyal u[ nd ] würde mich seiner Diktatur , wenn er die Alternative gegen den Nazismus wäre , bereitwillig , beinahe mit Freude unterwerfen. » In vergleichbarer Weise hatte er sich schon 1919 geäußert , als Deutschland und der Sowjetstaat scheinbar einen gemeinsamen Feind hatten : « [ … ] so weit er Entente-feindlich ist » , hatte es damals geheißen , « liebe ich den Kommunismus beinahe. »669 Solche Bekenntnisse beruhten mehr auf Emotionen als auf politischer Überzeugung. Mit der deutschen Niederlage bei Stalingrad Anfang 1943 zeichnete sich eine Wende im Krieg ab. Thomas Mann hatte kurz davor die Josephstetralogie abgeschlossen und spielte mit dem Gedanken , den Hochstaplerroman fortzuführen. Im Tagebuch rekapitulierte er sein Leben seit 1911, als er die Niederschrift des Felix Krull unterbrochen hatte. Die Wiederaufnahme des alten Projektes dünkte ihm dabei wie ein Bogen , ein Symbol « erstaunlich geduldiger Kontinuität , der Lebenseinheit. » Ihn reizte « der Trotz , [ … ] ein Beispiel innerlich heiterer Treue zu sich selbst , spöttisch überlegener Ausdauer zu geben … »670 Die Schaffung eines Bogens zwischen Lebensphasen , über erlebte Erschütterungen hinweg , war seine altbewährte Methode zur Auflösung von Angst und Depression. Die « Brüche » sollten immer wieder behoben werden , damit das « Bild » stabil-einheitlich erschien. 180
Frieden im Krieg
Lewin, Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus (1943–1945) Es ist klar und augenscheinlich , daß das Böse im Menschen tiefer steckt , als es die Spezialärzte annehmen , daß das Böse sich bei keiner Einrichtung der Gesellschaft vermeiden läßt , daß die Menschenseele immer dieselbe bleibt , [ … ] und daß schließlich die Gesetze des menschlichen Geistes noch so unbekannt , von der Wissenschaft so unerforscht , so unbestimmt und so geheimnisvoll sind , daß es heute weder Ärzte noch endgültige Richter geben kann , sondern nur Den gibt , Der da sagt : ‹ Mein ist die Rache , und Ich werde vergelten ›. Dostojewski ,Tagebuch eines Schriftstellers671
Thomas Mann war nicht abgeneigt , das Tolstoi-Spiel , das Agnes Meyer eingeleitet hatte , mitzuspielen. Am 30. September 1943 schrieb er ihr : Liebe Gräfin Tolstoi ! So nenne ich Sie öfters bei mir selbst , weil Sie mich sehr an die bewundernswerte Frau und ihren Kummer erinnern , dass Leo, der grosse Künstler , der so schöne Romane schreiben konnte , ausserdem so deprimierendes Zeug über Politik und Religion schreiben musste. Nun bis zur Religion habe ich es ja noch garnicht gebracht , und auch mit der Politik wird noch alles gut werden , glauben Sie mir !672
Die Angelegenheit war ernster , als der galant-scherzhafte Ton dieser Passage es vermuten lässt. Thomas Mann antwortete damit auf eine Kritik seitens der « Beste[ n ] Freundin ». Im August 1943 hatte er einen Vortrag für die Library of Congress in Washington vorbereitet und das Manuskript zwecks Übersetzung ins Englische an Agnes Meyer geschickt. Wie vor fünf Jahren , im Vortrag Vom kommenden Sieg der Demokratie , war sein Angriff auf den Nationalsozialismus stark und treffsicher , wobei dessen Gegenbild die Züge eines « Kunstwerkes » hatte und abstrakt-idealisiert anmutete.
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So erklärte er sein Verständnis der Demokratie – ganz in der Tradition seiner Republik-Rede von 1922 – mithilfe eines Bildes , das zwar geistvoll , aber lebens- und politikfremd war. Vom Krieg , den die Westmächte zusammen mit der UdSSR gegen Deutschland führten , versprach er sich den « Ausgleich von Sozialismus und Demokratie » – d. h. das Traumbild einer Zukunft , das ihm seit langem so teuer war. Im « Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus » sah er « die Grundtorheit unserer Epoche. » Offensichtlich ignorierte er dabei , dass der « Schrecken » nicht so dem Wort wie der kommunistischen Wirklichkeit galt , von der die bürgerliche Welt dank Augenzeugen nicht wenig hatte erfahren dürfen. Einen Kommunismus , den der Dichter im Anschluss an mittelalterliche chiliastische Theorien erfunden hatte , trennte er zwar von der offiziellen Ideologie der Sowjetunion ,673 es entging ihm jedoch , wie weit weg von der Wirklichkeit er mit seiner « zukunftsweisenden Idee » lag. Agnes Meyer war eine politisch versierte und nüchterne Person. Sie wies Thomas Mann auf die Unklarheit seiner Terminologie und Unverständlichkeit seines Demokratie-Begriffes für das amerikanische Auditorium hin. Das war eine spürbare Kritik aus den eigenen Reihen. Der Hauptfrevel Agnes Meyers bestand aber darin , dass sie seine « zukunftsweisende Idee » und somit seine Stabilitätskonstruktion infrage stellte. Mit einwandfreier Logik erklärte sie ihm : « Sie deuten darauf hin , daß wir keine Angst vor dem Kommunismus haben sollten , weil die Entwicklung in diese Richtung geht : eine sehr zweifelhafte Äußerung , für die Sie keinen Beweis geben. Auf der gleichen unrealistischen Grundlage hat Anne Lindbergh den Faschismus als Modell der Zukunft gesehen. »674 Diese Kritik also tat Thomas Mann mit dem scherzhaften Vergleich Agnes Meyers mit Gräfin Sophia Andrejewna Tolstoi ab. Am Schluss seines Briefes , in dem er auf ihre Argumente praktisch gar nicht einging , verabschiedete er sich von ihr : « Auf Wiedersehen , liebe Gräfin. »675 Er zog es vor , die Sache – wenn auch auf elegante Art – ins Unernste zu verlegen.676 Die Wiederaufnahme des Felix-Krull-Projektes hatte er verschoben. Seit Mai 1943 setzte er einen anderen Stoff um : die Faust-Legende. Während der Arbeit an Doktor Faustus , die ihn die nächsten dreieinhalb Jahre in Anspruch nahm , kam Tolstois Name in seinen Tagebüchern und Briefen erstaunlich selten vor. Nichtsdestotrotz lassen sich im neuen Roman einige Tolstoi-Reminiszenzen entdecken. Bei einer Roman-Episode zeigt sich Thomas Mann deutlich durch Tolstoi inspiriert , indem er in ihr einen unmissverständlichen Hinweis auf seinen rus182
Lewin, Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus
sischen Meister liefert. Es handelt sich um die Geschichte der Ines Institoris. Beim abendlichen Tête-à-tête fragt sie ihren Gast , Serenus Zeitblom , ob er sie schelte , verachte , verwerfe. Die Frage kommt unvermittelt , aber « [ e ]s wäre sinnlos gewesen , Nichtverstehen zu heucheln. » – « Mitnichten , Ines [ … ] » , erwidert Zeitblom. « Ich habe es mir immer gesagt sein lassen , jenes ‹ Die Rache ist mein , ich will vergelten ›. »677 Der Chronist des Doktor Faustus zitiert aus dem 5. Buch Mose ( Kapitel 32, 35 ), und zwar den Spruch , den Tolstoi Anna Karenina als Motto vorangestellt hat. Dieses Zitat ist zweifellos Thomas Manns Hinweis darauf , dass das Schicksal der Ines Institoris als eine Variation über das Thema Anna Karenina gedacht war. Ines lebt in liebloser Ehe mit einem biederen Mann , von dem sie zwei Kinder hat , und – in einer Beziehung mit dem Geiger Rudolf Schwerdtfeger. Sie ist es , die sich « mit vollem Bewußtsein und in aller Vollständigkeit des Gefühls und der Begierde » in den Musiker verliebt hat. In die Enge getrieben , kann er nur nicht umhin , ihrem Gefühl zu gehorchen. Als er sich von ihr trennen will , um eine andere Frau zu ehelichen , tötet sie ihn.678 Anna Karenina lebte in liebloser Ehe mit einem überkorrekten Mann , mit dem sie ein Kind hatte , bis ihr der Gardeoffizier Graf Wronskij begegnete. Er war es , der anfing , sie zu verfolgen , und dann ein ganzes Jahr lang um ihre Liebe kämpfte , bis der « einzige[ ] Wunsch seines Lebens » befriedigt war.679 Nach einiger Zeit verließ Anna den Ehemann und schloss sich dem Liebhaber an. Da ihr die Scheidung verweigert wurde , konnte sie ihn nicht heiraten. Nervlich zerstört und Wronskijs Untreue argwöhnend , beging sie schließlich Selbstmord. Wie Anna Karenina – und auch Thomas Manns Schwester Julia Löhr , deren Züge Ines Institoris trägt , – nimmt Ines regelmäßig Morphium. Die Geschichte der Ines Institoris ist im Sinne der Verführung zum Ehebruch eine seitenverkehrte Spiegelung der Geschichte Anna Kareninas. In der Unerträglichkeit ihrer Lebensweise , in seelischem Leiden , das beide Frauen in die Verzweiflung treibt , sind sich Anna und Ines ähnlich. Ihre Ähnlichkeit wird im Doktor Faustus durch einige Details hin und wieder so betont , als ob Thomas Mann nochmals auf das Thema der Variation hindeuten möchte ; dann lässt er seine Figur ihren eigenen , wenn auch mit dem « Muster » vergleichbaren Weg gehen. Es entsteht der Effekt eines versteckten Dialogs zwischen ihm und Tolstoi. So findet Anna Verständnis und Mitgefühl bei Konstantin Lewin , dem « Statthalter des Autors ». Ines schüttet ihr Herz Zeitblom aus , der zwar kein 1943–1945
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Statthalter , aber wenigstens der bevollmächtigte Vertreter Thomas Manns ist. Im Hause , wo Wronskij und Karenina wohnen , fällt Lewin ein Frauenbildnis in Lebensgröße auf , von einer Refraktorlampe beleuchtet : Das war ein Bild Annas. Im Haus der Institoris hängt ein lebensgroßes Famililenbild , «versehen mit elektrischer Eigenbeleuchtung ».680 Bei der Beschreibung des Gemäldes schweift Thomas Mann gleichsam vom Motiv der Ähnlichkeit ab und gibt der Szene einen eigenständigen Klang. Es geht um die Atmosphäre einer aufgesetzten bourgeoisen Scheinstabilität , in der Ines ihre Ehe führt.
Anna Karenina
Doktor Faustus
« Er [ Ljewin ] hatte sogar völlig verges-
« Institoris , gewöhnt an den wissen-
sen , wo er sich befand , und ohne zu
schaftlichen Umgang mit dem Meis-
hören , was nebenan gesprochen wur-
terhaften , unterschied entweder nicht
de , verwandte er keinen Blick von dem
zwischen diesem und einer gekonnten
wundervollen Gemälde. Das war kein
Mittelmäßigkeit , oder er glaubte seine
Bild , es war eine lebenatmende , ver-
Aufträge der guten Freundschaft schul-
führerische Frau mit schwarzem , locki-
dig zu sein und verlangte auch wohl
gem Haar , entblößten Schultern und
für seine Wände nichts anderes als das
Armen und einem sinnenden halben
Artig-Unanstößige und Vornehm-Beru-
Lächeln auf den von einem zarten Flaum
higende [ … ]. Darum ließen beide sich
bedeckten Lippen. Sieghaft und zärt-
von Nottebohm für gutes Geld sehr ähn-
lich schaute sie ihn an mit Augen , die
lich und nichtssagend malen : jeder für
ihn in Verwirrung setzten. Nur des-
sich sowohl , wie auch zusammen , und
halb war sie nicht lebendig , weil sie schö-
später , als Kinder kamen , durfte der
ner war , als eine lebende sein kann. »681
Spaßmacher ein lebensgroßes Familienbild der Institoris verfertigen , eine puppige Darstellung , auf deren ansehnlicher Fläche eine Menge hochgefirnißter Ölfarbe verschwendet war [ … ]. »682
Auch das intime Gespräch zwischen Ines und Zeitblom bekommt einen anderen Akzent als die Konversation Lewins mit Anna.
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Lewin, Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus
Anna Karenina
Doktor Faustus
« Während Ljewin dem interessanten
« Für mich war das Gespräch ein wirk-
Gespräch folgte , hörte er nicht auf , nicht
liches Opfer. Es dauerte zwei Stunden ,
nur ihre Schönheit , sondern auch ihren
und viel Selbstverleugnung , menschli-
Verstand , ihre Bildung und zugleich
che Sympathie , freundschaftlich guter
ihre Natürlichkeit und Herzlichkeit
Wille waren nötig , es durchzustehen.
zu bewundern. Er hörte den anderen
Ines schien sich dessen auch bewußt
zu , beteiligte sich selbst an der Unter-
zu sein , aber merkwürdig , ich muß es
haltung und dachte die ganze Zeit an
sagen : ihre Dankbarkeit für die Geduld ,
sie , an ihr inneres Leben , indem er sich
Zeit , Nervenkraft , die man ihr wid-
bemühte , ihre Empfindungen zu erra-
mete , war , mir unverkennbar , kom-
ten. Und er , der sie früher so streng ver-
pliziert durch eine gewisse boshafte
urteilt hatte , rechtfertigte sie jetzt ; und
Genugtuung darüber , etwas wie Scha-
in einer seltsamen Gedankenverknüp-
denfreude , die sich in einem gelegent-
fung bemitleidete er sie zugleich und
lichen enigmatischen Lächeln verriet ,
hegte die Befürchtung , daß Wronskij
und an die ich noch heute nicht den-
nicht das volle Verständnis für sie habe.
ken kann , ohne mich zu wundern , daß
[ … ] ‹ Was für eine wunderbare , liebe
ich solange aushielt. [ … ] Ich küßte der
und unglückliche Frau , › dachte er , als
Hausfrau die Hand und ging , recht ent-
er [ … ] in die frostkalte Luft trat. »683
nervt , halb verärgert , halb teilnahmsvoll erschüttert , durch die ausgestorbenen Straßen nach meinem Quartier. »684
Anna braucht nicht viel über ihre desperate Lebenssituation zu reden. Ihre gesamte Ausstrahlung spricht von ihrem Unglück. Lewin , der sie früher verurteilt hat , spürt es und hat Mitleid mit ihr. Die Begegnung mit Anna bedeutet für ihn eine seelische Bereicherung. Serenus Zeitblom fühlt sich von den intimen Bekenntnissen der Ines Institoris belastet. Für ihn ist das Gespräch mit ihr ein Opfer. Anfangs hat er sie seines Verständnisses versichert , am Ende des Besuches ist er « recht entnervt » und « halb verärgert ». Lewin bemüht sich , Annas Gefühle zu erraten. Ines’ Gefühle liegen auf der Hand. Anna wirkt sanft und herzlich , Ines boshaft und verbittert. All das macht wiederum den Eindruck einer seitenverkehrten Spiegelung.
1943–1945
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Die meisten weiteren Tolstoi-Reminiszenzen im Doktor Faustus beziehen sich ebenfalls auf Anna Karenina. Das kann unter anderem daher rühren , dass Thomas Manns letzte intensive Auseinandersetzung mit diesem Roman noch nicht lange zurücklag. Mit der Korrektur seines 1939 geschriebenen Anna Karenina-Aufsatzes beschäftigte er sich erneut im Mai und August 1944, da er ihn in die Sammlung Adel des Geistes aufzunehmen plante.685 Charakteristisch ist in dieser Hinsicht das elfte , « theologische » Kapitel des Doktor Faustus. Die Fachgrundlage dafür hatte der Exil-Theologe Paul Tillich geliefert.686 Angeregt wurde das Kapitel nicht zuletzt durch den Roman Tolstois. Bei Zeitbloms theologischen Betrachtungen knüpft Thomas Mann dort an , wo er 1939 bei Konstantin Lewin aufgehört hat. Bei der Tolstoi’schen Figur ist es ihm darum gegangen , « die übervernünftige Verpflichtung des Menschen auf das Gute » mit der modernen Naturwissenschaft zu versöhnen. Lewin , so Thomas Mann im Anna Karenina-Aufsatz , hätte sich – nach seinem Durchbruch zum Glauben – in die Gefahr der Barbarei begeben , da er die gute Motivation der Naturwissenschaft vergessen hätte. Diese hätte auch für Gott gelebt , indem sie Gott leugnete , denn sie leugnete Ihn nämlich aus Wahrheitsliebe. Wer sie über Bord wirft , könne leicht dem « Mythos » , dem Obskurantismus verfallen.687 Serenus Zeitblom ist bemüht , die Theologie als Wissenschaft im strengen Sinne dieses Wortes zu begründen , sie in eine harmonische Synthese mit der Vernunft zu bringen. Sein Verständnis der Religion ist humanistisch : Im Religiösen sieht er das menschliche Grundbestreben nach dem Unendlichen. Er würde es am liebsten der Theologie entreißen und den schönen Künsten sowie « der exakten Forschung » – Kosmologie , Astronomie , theoretischer Physik – überlassen. Die « liberale Theologie » , die das Religiöse auf das Ethische allein reduziert , lehnt er ab. Ihre theologische Position , meint er , sei schwach , « denn ihrem Moralismus und Humanismus mangle die Einsicht in den dämonischen Charakter der menschlichen Existenz ». Die konservative Tradition versteht davon , seiner Meinung nach , viel mehr. Gleich darauf lässt Thomas Mann seinen Faustus-Chronisten auf die Gefahr hinweisen , in die sich auch Lewin begeben haben soll : « [ … ] die Theologie , in Verbindung gebracht mit dem Geist der Lebensphilosophie , dem Irrationalismus , läuft ihrer Natur nach Gefahr , zur Dämonologie zu werden. »688 Mit der Feder Zeitbloms wurden die Erkenntnisse Lewins , wie Thomas Mann sie im Anna Karenina-Aufsatz beschrieben hatte , gleichsam zurechtgeschliffen , « akademisch » ergänzt und mit stabilisierendem Gegengewicht ver186
Lewin, Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus
sehen. Zeitblom wiederholt in diesem Abschnitt die warnende Botschaft Thomas Manns von 1939. Eine Tolstoi-Reminiszenz ist höchstwahrscheinlich in der Beschreibung der Landwanderungen enthalten , die Leverkühn und Zeitblom mit einer Gruppe von Kommilitonen unternehmen. « Solche interimistische Lebensform » , meint der Faustus-Chronist , das hospitierende Einkehren von Städtern und geistig Bestrebten im Ländlich-Primitiven , bei Mutter Erde , in der Gewißheit ja doch , sehr bald wieder daraus in die gewohnte und ‹ natürliche › Sphäre bürgerlicher Bequemlichkeit zurückkehren zu müssen oder zu – dürfen : solche freiwillige Zurückschraubung und Vereinfachung hat leicht , ja fast notwendig einen Anflug von Künstlichkeit , Gönnerhaftigkeit , Dilettantismus , Komik , der unserem Bewußtsein keineswegs ganz fremd war , und auf den denn wohl auch das gutmütig spöttische Schmunzeln sich bezog , womit mancher Bauer , den wir um Schlafstroh angingen , uns musterte.689
Das kann eine Reminiszenz an Lewins Annäherung an « Mutter Erde » und das gemeine Volk sein. Von ihr erzählt Tolstoi im vierten , fünften und sechsten Kapitel des dritten Teils von Anna Karenina. « Ich brauche körperliche Anstrengung , sonst leidet mein Charakter ganz entschieden » , denkt Lewin und beschließt , mit den Bauern zusammen zu mähen , « so peinlich ihm dies auch vor dem Bruder und vor den Leuten sein würde. » Der gelehrte Halbbruder , Sergej Iwanowitsch Kosnyschew , zeigt sich in der Tat skeptisch und meint , die Bauern würden wohl über den wunderlichen Herrn lachen. In der Ruhepause zieht Lewin es vor , in die gewohnte Bequemlichkeit seines Herrenhauses zurückzukehren : Die Leute frühstücken im Felde , er nimmt seinen Kaffee im Speisezimmer. Zu Mittag bleibt er jedoch mit ihnen und ist vom Geschmack ihrer einfachen Brotsuppe begeistert. Später erfährt man , dass die Bauern von Lewins Hobby nicht erbaut sind. Das sei keine Arbeit für den Herrn , heißt es.690 Eine weitere Reminiszenz an Anna Karenina findet sich im Schlusskapitel von Doktor Faustus. Adrian Leverkühn mutmaßt vor seinen Zuhörern über göttliche Nachsicht : Ob seine Sünde zu groß sei , als dass sie ihm verziehen werden könnte , und ob andererseits die Güte und das Erbarmen nicht doch unendlich seien … « Und so immer fort , also, daß ich einen verruchten Wettstreit trieb mit der Güte droben , was unausschöpflicher sei , sie oder mein Spekulie1943–1945
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ren , – da seht ihr , daß ich verdammt bin , und ist kein Erbarmen für mich , weil ich jedes im voraus zerstöre durch Spekulation. »691 Unausschöpfliches , zerstörerisches Spekulieren : Das war auch die charakteristische Denkweise , ja ein Wesenszug Konstantin Lewins – und Tolstois selbst. Schrieb doch Thomas Mann im Anna Karenina-Aufsatz , dass Tolstoi es fertiggebracht habe , « alle sinnlichen und instinkthaften Leidenschaften , Familie , Nation , Staat , Kirche , die Liebe , die Jagd , im Grunde das ganze Leibesleben , namentlich aber die Kunst , die für ihn ganz wesentlich Sinnlichkeit und Leibesleben bedeutet hatte , verstandesmäßig zu zergrübeln und in sich zu ertöten. »692 Dostojewski hatte sich in seiner Kritik von Anna Karenina , die Thomas Mann in Goethe und Tolstoi hoch würdigte ,693 recht pessimistisch über diese Denkweise geäußert. « Was nun seinen [ Lewins ] Glauben betrifft » , schrieb der Schöpfer der Karamasows , « so wird er ihn wieder zerstören , wird es selber tun , lange wird er nicht bei ihm verweilen : alsbald wird sich irgendwo ein Haken zeigen und seinen ganzen Glauben zerreißen. [ … ] Das ist wie eine gerade Linie , die sich in die Unendlichkeit fortsetzt. »694 Es ist kein Zufall , dass Dostojewskis Name in diesem Zusammenhang gefallen ist. Das Motiv eines « modernen » Teufelspaktes in den Brüdern Karamasow war eine essentielle Anregung für den Faustus-Roman. Thomas Manns Tagebücher zeugen von seiner intensiven angewandten Beschäftigung mit diesem Werk schon seit April 1944. 695 Im Ergebnis beklagte er sich später bei Agnes Meyer , dass der Dialog Leverkühns und des Leibhaftigen in Gefahr komme , zu sehr an Iwan Karamasow zu erinnern. Im selben Brief äußerte er sich übrigens auch zu Tolstoi : Dieser sei « nicht tief , sondern nur hilflos in seiner Kraft » gewesen. Er , Thomas Mann , habe « immer nur eine schöpfungsmächtige Naturkraft , aber keinen Geist in ihm gesehen. »696 Im Juni 1945 erhielt er den Vorschlag der Dial Press , ein Vorwort zu Dostojewskis kleinen Romanen zu schreiben , den er annahm. « Die Zusage hatte ihren Sinn » , rekapitulierte er fünf Jahre danach. « Die im Zeichen des ‹ Faustus › stehende Lebensepoche zeitigte ein entschiedenes Vorwiegen des Interesses an Dostojewski’s apokalyptisch-grotesker Leidenswelt vor der sonst tieferen Neigung zu Tolstois homerischer Urkraft. »697 In der Begriffswelt Thomas Manns scheint Dostojewski – vielleicht seit seiner Erstlektüre Merschkowskis im Jahre 1903 – in einer ähnlichen Weise zu Tolstoi zu gehören wie Schiller zu Goethe. Und der zitierte Abschnitt macht den Eindruck einer diskreten Selbstrechtfertigung : Seine Zuwendung zum Krankhaft-Grotesken sei quasi zum Nachteil der « Urkraft » , aber nur unter 188
Lewin, Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus
dem Druck der Umstände geschehen. In der gleichen Tonart beginnt die besagte Einleitung , die er Mitte Juli abgeschlossen hat. Einer Hommage an Dostojewskis nahezu furchterregende Größe folgt eine Erklärung , warum er diesen Dichter – im Gegensatz zu Goethe und Tolstoi – bisher keiner Studie gewürdigt hat : aus mystischer Scheu vor seinem durch Krankheit geprägten Genie. Die anderen zwei waren « Kinder der Natur » , gesund und gesegnet. Vor diesen beiden seien ihm «vertrauliche Huldigungen » leicht geworden : angesichts Goethes « autobiographischem Aristokratismus » und « der epischen Bärenkraft , der ungeheuren Naturfrische des ‹ großen Schriftstellers des Russenlandes › , Tolstois [ … ]. »698 Die gewohnten Bilder des Mann’schen Tolstoi-Mythos treten hier wieder zutage. Der mythologisierte Autor von Anna Karenina blieb für Thomas Mann eine maßgebende Größe. Die Zuwendung zur Welt Dostojewskis bedeutete notwendigerweise eine Distanzierung von dieser Größe , für die Mann sich « rechtfertigen » wollte. In Thomas Manns Dostojewski-Essay wurde der Schöpfer der Karamasows über Tolstoi definiert , und zwar als dessen Gegensatz. Tolstois Wirkung wurde als Gesundheit , die Wirkung des anderen als Krankheit zusammengefasst. Mit Rückblick auf Adrian Leverkühn und Nietzsche als dessen Anlehnungsfigur ging es Thomas Mann darum , die Krankheit Dostojewskis als Quelle schöpferischer Kraft darzustellen. Das Wort Kraft und seine Ableitungen gebraucht er in einem relativ kurzen Textabschnitt fünf Mal.699 Das erinnert unter anderem an seinen Tolstoi-Beitrag von 1928. Nur ist im Dostojewski-Essay nirgendwo von einer Frische , Vitalität und Stärkung die Rede. Nach einem vergleichbaren Muster wie im Anna Karenina-Aufsatz versuchte Thomas Mann in Dostojewski mit Maßen den harten Sarkasmus zu mildern , mit welchem eine Figur Dostojewskis gegen den Wissenschaftskult vom Leder zieht. Genauer gesagt , handelt es sich um die modische Idee einer rationalen , auf wissenschaftlicher Grundlage gebauten Gesellschaftsordnung. Der Ich-Erzähler in Aufzeichnungen aus dem Kellerloch nimmt sie ordentlich auseinander. Dahinter erkennt man ohne Mühe Dostojewskis Ablehnung des modernen Sozialismus , die sich in seinem reiferen Werk mit aller Kraft manifestiert hat. Thomas Mann , dessen « zukunftsweisende Idee » auf einen Sozialismusbzw. Kommunismus-Begriff gegründet war , musste hier eingreifen. Das Gerede des Ich-Erzählers , meinte er , sei bedenklich , es bestehe auf dem Zweifel « gegen den Glauben und in wildem Apostatentum gegen Zivilisation und Demokratie » und klinge nach einer reaktionären Bosheit. Trotzdem sei es die 1943–1945
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Wahrheit. « Die gequälten Paradoxe , die Dostojewski’s ‹ Held › seinen positivistischen Gegnern entgegenschleudert » , resümierte Thomas Mann , « sind dennoch , so anti-human sie klingen , im Namen der Menschheit und aus Liebe zu ihr gesprochen : zugunsten einer neuen , vertieften und unrhetorischen , durch alle Höllen des Leidens und der Erkenntnis durchgegangenen Humanität. »700 In seine Deutung der Figur Konstantin Lewins hatte Thomas Mann eine humanistische und zeitnahe Botschaft eingebaut. Es ist nicht zu übersehen , wie viel ihm daran lag , Dostojewski « umzufunktionieren » und zu einem Verbündeten zu machen : Er entschärft die antidemokratische Ladung der Aufzeichnungen aus dem Kellerloch , indem er ihre humane Motivation hervorhebt. Eine vermutliche Tolstoi-Reminiszenz im Doktor Faustus bezieht sich auf Tolstois Studie Gegen die moderne Kunst. Thomas Mann hatte sie erstmals um die Jahrhundertwende gelesen und hoch eingeschätzt. Ihre Bedeutung für das Josephsprojekt wurde hier bereits kommentiert. Tolstoi plädierte unter anderem für eine allgemein verständliche Kunst. Adrian Leverkühn glaubt , dass « die Lebensstimmung der Kunst » sich in Zukunft ändern wird , « und zwar ins HeiterBescheidenere [ … ]. » Es werde , wie er ankündigt , eine seelisch gesunde Kunst geben , « mit der Menschheit auf du und du … » Dem Chronisten Serenus Zeitblom widerstrebt dieser Gedanke. Ein Textvergleich begründet die Annahme , dass es sich wieder um einen versteckten Dialog mit Tolstoi handelt.
Gegen die moderne Kunst
Doktor Faustus
« Die Künstler der neuen Generation
« Kunst ist Geist , und der Geist braucht
stützen sich auf die Theorien Nietzsches
sich ganz und gar nicht auf die Gesell-
und auf das Beispiel Wagners , und erach-
schaft , die Gemeinschaft verpflich-
ten es für überflüssig , der Menge ver-
tet zu fühlen , – er darf es nicht , meiner
ständlich zu sein ; es genügt ihnen , bei
[ Zeitbloms ] Meinung nach , um sei-
einer Elite raffinierter Geister das poeti-
ner Freiheit , seines Adels willen. Eine
sche Empfinden zu wecken. [ … ] Doch
Kunst , die ‹ ins Volk geht › , die Bedürf-
was die Kunst von allen andern For-
nisse der Menge , des kleinen Man-
men der geistigen Thätigkeit unterschei-
nes , des Banausentums zu den ihren
det , ist ja gerade der Umstand , daß ihre
macht , gerät ins Elend , und es ihr zur
Sprache von allen verstanden wird
Pflicht zu machen , etwa von Staates
190
Lewin, Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus
und daß jeder ohne Unterschied davon
wegen ; nur eine Kunst zuzulas-
bewegt werden kann. [ … ] Die gro-
sen , die der kleine Mann ver-
ßen Kunstwerke sind nur dann
steht , ist schlimmstes Banausen-
groß , wenn sie einem jeden zu-gäng-
tum und der Mord des Geistes. »702
lich und verständlich sind. »701
Es ist nicht bekannt , ob Thomas Mann Gegen die moderne Kunst wiedergelesen hat. In seinen Tagebüchern wird diese Studie nicht erwähnt , ebenso wenig ist sie Bestandteil seiner Privatbibliothek. In der gedanklichen Replik Zeitbloms lässt sich eine Andeutung auf die Verstaatlichung der Kunst in totalitären Systemen erkennen. Gleichwohl widersprechen diese Umstände der Wahrscheinlichkeit eines versteckten Dialogs mit Tolstoi nicht. Anspielungen auf eigene Leseerlebnisse aus weit zurückliegender Vergangenheit und implizite , manchmal ironische Polemik mit Autoren , die für ihn wichtig waren , gehören organisch zu Thomas Manns Werk. Eine weitere vermutliche Tolstoi-Reminiszenz kann auf dessen disziplinlose Pädagogik gemünzt sein , die Thomas Mann in Goethe und Tolstoi , im Kapitel Unterricht ausführlich behandelt hat. Er hat in ihr ein Zeichen des Tolstoi’schen « Asiatismus » gesehen. Serenus Zeitblom setzt sich mit dem Themenkreis der diskursiven Herrenabende bei Sixtus Kridwiß auseinander. Ihn verdrießt die «vielseitige , ja umfassende Kritik an der bürgerlichen Tradition ». Die Disputanten – alles Männer der Bildung und des Unterrichts – tun nicht nur sämtliche demokratische Institutionen mit Verachtung ab , sondern sagen auch die humanistischen Werte tot : « Bildung , Aufklärung , Humanität ». Selbst die Idee der Freiheit bedeutet ihnen nichts. Sie gaben sich , wie Zeitblom bemerkt , die Miene distanzierter Beobachter , und als ‹ enorm wischtisch › faßten sie die allgemeine und schon deutlich hervortretende Bereitschaft ins Auge , sogenannte kulturelle Errungenschaften kurzerhand fallenzulassen , um einer als notwendig und zeitgegeben empfundenen Vereinfachung willen , die man , wenn man wollte , als intentionelle ReBarbarisierung bezeichnen konnte.703
Mit dem Kridwiß’schen Kreis meinte Thomas Mann jene Prediger des Irrationalen , deren Gedankengut den Nationalsozialismus mit vorbereitet hatte. Tolstoi stand ihrer Welt fern. Seine Unterrichtsmethode beispielsweise beruh1943–1945
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te auf dem Prinzip der Freiheit , unter welcher er , so Thomas Mann , eigentlich Anarchie verstanden hätte.704 Trotzdem ist hier eine Reminiszenz an seine Pädagogik durchaus möglich. Aus Thomas Manns Sicht war sie gegen die humanistischen Bildungsgrundlagen und mithin gegen die « kulturelle[ n ] Errungenschaften » gerichtet. Der Tolstoi’sche « Asiatismus » war für ihn bis ungefähr Ende der Zwanzigerjahre das Gegenbild des Goethe’schen Geistes und somit seiner Republik-Utopie. Er war ein Synonym von Chaos , Anarchie und Barbarei. Deswegen ist es nachvollziehbar , dass Thomas Mann sich auch an Tolstoi erinnert haben kann , indem er das Gedankengut der Republik-Feinde kritisierte. Während der Arbeit am XXXIV. Kapitel , in welchem über den Kridwiß’schen Kreis berichtet wird , notierte er auch ein Gespräch über Dostojewski und Tolstoi mit dem Bruder Heinrich.705 Auf mindestens zwei « kleinere » Details im Doktor Faustus dürfte Thomas Mann ebenfalls in Anlehnung an Tolstoi gekommen sein. Das sind die Augen von Marie Godeau und die Reaktion eines Kindes auf Falschheit seitens eines Erwachsenen. Mademoiselle Godeau , Rudolf Schwerdtfegers Brautwitwe , hatte « die schönsten schwarzen Augen von der Welt [ … ] – schwarz wie Jett , wie Teer , wie reife Brombeeren [ … ]. » In Tolstois Auferstehung , die Thomas Mann gut kannte , hieß es , dass die Augen der Ekaterina Maslowa « wie taufrische Johannisbeeren » glänzten. An einem anderen Ort wurde erwähnt , dass Maslowa « wie nasse Beeren glänzende[ ] schwarze[ ] Augen » hatte. Im russischen Original steht in den beiden Episoden « wie nasse Johannisbeeren ». Derselbe Vergleich kommt auch in Hadschi-Murad vor.706 – Zeitblom sprach einmal den kleinen Nepomuk in einer gönnerhaft-aufgesetzten Manier an und kam sich deswegen « unsäglich lächerlich » vor. Das Kind merkte sein Unbehagen sofort und schämte sich mit. Diese Reaktion brachte Zeitblom so außer Fassung , dass er « längere Zeit überhaupt nichts mehr sagte. » In Anna Karenina fragte Stiwa Oblonskij seine Tochter , ob ihre Mutter heiter sei : « Das Kind wußte , daß zwischen Vater und Mutter ein Streit stattgefunden hatte und daß die Mutter daher nicht heiter sein konnte , der Vater dies auch wissen mußte und sich demnach verstellte , als er so leichthin danach fragte. Und sie errötete für ihren Vater. Er verstand das sofort und wurde gleichfalls rot. »707 Die Lebenschronik Adrian Leverkühns beginnt in der Bismarck-Epoche , geht über die Jahrhundertwende , den Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik weiter und endet mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Die Tolstoi192
Lewin, Zeitblom und Leverkühn. Doktor Faustus
Reminiszenzen spiegeln Thomas Manns eigene geistige Erfahrungen aus jedem dieser Zeiträume wider. Der russische Dichter war in seiner Welt als stärkender Mythos durchgehend präsent. Parallel wurde er der zeitnahen Problematik angepasst und für eine Opponentenrolle engagiert.
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Traurige Müdigkeit (1945–1949) Meine Landsleute machen mir Lust , mich zu übergeben. [ … ] Vielleicht verdient dieses Volk , gezüchtigt zu werden , und ich befürchte , daß es das wird. Gustave Flaubert , Brief an George Sand , 17. August 1870708
Während Thomas Mann an Doktor Faustus arbeitete , überschlugen sich die historischen Ereignisse : Am 12. April 1945 starb Roosevelt , am 7. Mai 1945 kapitulierte das Dritte Reich. Am 16. April schrieb er nieder : « Las viel und mit Bewegung über Roosevelts Beisetzung und die Trauer. / Eine Epoche endet. Es wird nicht mehr das Amerika sein , in das wir kamen. Die offizielle Freundwilligkeit wird fehlen. »709 Sein Nachruf auf den Präsidenten glich einer Hymne : Der Verstorbene wurde mit Cäsar und dem Hermes der Griechen ( lies : Thomas Manns Joseph ) in eine Reihe gestellt , « de[ r ] große[ ] Politiker des Guten » , « ein Künstler und ein Held » genannt.710 Damit war ein Mythos vollendet. Das Ereignis , auf das Thomas Mann seit zwölf Jahren hingelebt hatte , trat ein – und brachte keine Erfüllung. « Ist dies der Tag , korrespondierend mit dem 15. März 1933 , als ich diese Serie von täglichen Aufzeichnungen begann , – also der Tag feierlichster Art ? » , fragte er sich am 7. Mai im Tagebuch. « Es ist nicht gerade Hochstimmung , was ich empfinde. [ … ] bis jetzt fehlt es an jeder Verleugnung des Nazitums , jedem Wort , daß die ‹ Machtergreifung › ein fürchterliches Unglück , ihre Zulassung , Begünstigung ein Verbrechen ersten Ranges war. [ … ] Die alberne Zerrissenheit der Emigration , der neidische Haß auf mich und meine Haltung kommen hinzu , die Freude niederzuhalten. »711 Im Zeichen der Entwicklungen , die Thomas Mann hier angekündigt hat , werden die weiteren Jahre seines Lebens stehen : Amerika wurde anders ; Deutsch land musste sich den Verbrechen des Nazitums stellen ; die äußere und innere Emigration verstärkten ihre Angriffe auf Thomas Manns Person und Haltung. Diese Entwicklungen werden an seinen Kräften zehren und seine Stabilität bedrohen. Weltpolitisch bezeichnete der Spätfrühling 1945 – wie der November 1918 – den Anbruch einer neuen Zeit. Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa 194
löste eine weitere Konfrontation aus , die ebenfalls früh genug abzusehen war : Schon am 15. Mai notierte Thomas Mann , dass Deutschland nächstens von Ost und West « becourt » werde. Die USA und die UdSSR stünden sich gegenüber.712 Es ging um eine Neuaufteilung der Welt. Ein « Ausgleich von Sozialismus und Demokratie » erwies sich als Illusion ; das Zukunftsbild , das während des Krieges seine Fantasie genährt hatte , erlosch. Literarische Figuren ähneln häufig ihren Schöpfern. Joseph war zwei Mal in der Grube : Die Brüder warfen ihn in den Brunnen , Potiphar verbannte ihn in die Inselfestung. Die Befreiung brachte ihm jeweils einen Aufstieg und schlug ein neues Kapitel in seinem Leben auf. Das Wiedersehen mit den Brüdern , auf die er sich seit Jahren vorbereitet hatte , wurde für ihn ebenfalls eine Wende. Aber seine Position war dabei die eines Erhöhten und Mächtigen. Thomas Mann erlebte zwei besonders schwere persönliche Krisen. Aus der von 1918 rettete er sich durch die Neuorientierung. Die Katastrophe von 1933 überstand er , weil er seine republikanischen Ansichten korrigiert und zeitnah angepasst hatte. Sein – insbesondere internationales – Ansehen stieg nach den beiden Krisenüberwindungen nur noch höher. Beide Male hatte er sich im Lager der Verlierer befunden. Sein seelischer Zustand war durch Anfälle von Wehmut und Nostalgie gekennzeichet gewesen. Bei der Geschichtswende von 1945 war die Lage anders. Sie brachte keinen Verlust der gewohnten Lebensform. Symbole von Treue und Dauer : Das erste seit der Münchener Zeit eigene Heim , die finanzielle Sicherheit , die landesweite Popularität , die Einbürgerung in die USA implizierten einen stabilen Lebensbau. Und das war die erste Geschichtswende , bei der er zu den Siegern gehörte. Die Umstände der Siegeserklärung hatten ihm allerdings anders vorgeschwebt. Sein Heim- und Vergangenheitsweh wandelte sich in einen anderen Gemütszustand. Später bemerkte er einmal , dass das letzte Werk von Richard Strauss , Die Metamorphosen , « einen müden und traurigen Eindruck » mache.713 Traurige Müdigkeit : Diese Stimmung , scheint auch in seinen eigenen Aufzeichnungen der ersten Nachkriegsjahre zu dominieren. Am 21. Mai 1945 vernichtete er – zum erstenmal seit 1896 – seine alten Tagebücher. Der für Erinnerungsstücke so empfindliche Melancholiker ließ die Zeugnisse einer Lebensepoche – « in Ausführung eines längst gehegten Vorsatzes » – im Ofen verschwinden.714 Die Entwicklungen , mit denen Thomas Mann seit dem Ende des Krieges immer stärker konfrontiert wurde , hatte nicht erst die Geschichtswende von 1945 in Gang gesetzt. Das Komitee für unamerikanische Umtriebe ( HUAC ) – 1945–1949
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der Ausschuss , dessen Tätigkeit das politische Klima in Amerika bald veränderte , – war schon 1938 entstanden. Diskussionen um die Zukunft Deutschlands nach der Niederlage des Hitler-Regimes hatten sich in den engagierten Exil-Kreisen um 1943 intensiv entfaltet. Zwei offene Briefe Thomas Manns aus dem Jahre 1945 – an Walter von Molo und an eine amerikanische Studentenbewegung – werfen ein Licht auf seine Position als deutscher Exil-Schriftsteller im kommenden neuen Amerika. Der im September geschriebene Brief an Walter von Molo war eine Antwort auf die zahlreichen Aufforderungen , nach Deutschland zurückzukehren. Einerseits machte Thomas Mann klar , dass die vergangenen zwölf Jahre für ihn nicht bloß eine Wartezeit gewesen waren – seinen Lebensstatus hatte er erarbeitet und erlitten , und es war nur zu legitim , dass er nicht gleich nach der « Stunde-Null » seine Koffer packte , um nach Deutschland zu gehen. Er gestand auch seine Furcht «vor den deutschen Trümmern [ … ] – den steinernen und den menschlichen. »715 Andererseits wollte er nicht den Eindruck vermitteln , dass er sich geistig und kulturell von seinem Vaterland gelöst hätte. Die Tür für ein Wiederbetreten des heimatlichen Bodens wurde nicht zugeschlagen. « Bin ich einmal dort » , schloss er den Brief ab , « so ahnt mir , daß Scheu und Verfremdung , diese Produkte bloßer zwölf Jahre , nicht standhalten werden gegen die Anziehungskraft , die längere Erinnerungen , tausendjährige , auf ihrer Seite hat. »716 Das war eine diplomatisch-freundliche Antwort an alle , die ihn unverzüglich in Deutschland sehen wollten. Im Brief an Agnes Meyer vom 25. August 1945 hatte er sich viel direkter dazu geäußert : « In der deutschen ‹ Presse › ist wieder ein Artikel erschienen , der es mir zur Pflicht macht , zurückzukehren und dem Volke ein Seelenarzt zu sein » , schrieb er. Der Verfasser ist ein gewisser Walter von Molo, der die ganze Zeit wacker mitgemacht hat und der Nazi-Dichterakademie angehörte. Das Groteske ist , daß man dort felsenfest von meinem ungeheuren Einfluss auf die Entschlüsse der Aliierten , zum mindesten der Amerikaner , in deutschen Angelegenheiten überzeugt ist. Wenn es den Deutschen schlecht geht – und wie sollte es ihnen anders gehen – , so werde ich die Schuld haben , weil ich nicht genug vorstellig geworden bin. Sancta simplicitas !717
Das Spannungsfeld zwischen seiner deutschen Kulturidentität und dem Ressentiment gegen das Volk , das « mitgemacht » hat ; die Komplexität der Frage , 196
Traurige Müdigkeit
ob der Nationalsozialismus den Willen der Mehrheit der Deutschen verkörpert oder im Gegenteil diesen unterdrückt hat ,718 – diese Momente werden Thomas Manns Verhältnis zu Deutschland in den gesamten Nachkriegsjahren bestimmen. Im Brief an die Studentenbewegung Students for Federal World Government vom 15. November 1945 aktualisierte er seine politischen Ansichten. Deren Leitwort lautete nunmehr Weltfrieden. Von den Aktivitäten der ähnlich gesinnten Studenten zeigte er sich angetan , ihr Idealismus rührte ihn. Er würdigte ihre Friedensbestrebungen und brachte dann seine Position vor. Die Vorbedingung für eine friedliche Welt wäre , wie er meinte , die Verständigung des Westens mit der Sowjetunion , « die Begegnung des bürgerlich-demokratischen und des sozialistischen Prinzips in der Anerkennung gemeinsamer menschheitlicher Ziele ». Die scharfen Kritiker des Sowjetsystems trieb er sogleich in die Enge : « Den russischen Kommunismus mit dem Nazi-Faschismus auf die gleiche moralische Stufe zu stellen , weil beide totalitär seien , ist besten Falles eine Oberflächlichkeit , im schlimmeren Falle ist es – Faschismus » , schrieb er. « Wer auf dieser Gleichstellung beharrt , mag sich als guter Demokrat vorkommen , – in Wahrheit und im Herzensgrund ist er damit bereits Faschist und wird mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein , mit vollem Haß aber allein den Kommunismus bekämpfen. »719 Diesem entwaffnenden Schlag gegen die Antikommunisten folgte ein Vergleich der beiden Systeme. Der Kommunismus , hieß es , sei zwar auch eine Tyrannei , könne es aber , « ob sie es weiß oder nicht , im Herzen nicht gewillt sein , Tyrannei zu bleiben » : denn er merze das Analphabetentum aus ; er wolle keine Sklaven , weil er sich denkende Menschen erziehe ; er sei « im Kern – und sehr im Gegensatz zum Faschismus – eine humanitäre und eine demokratische Bewegung. »720 Des Weiteren ging Thomas Mann kritisch auf die hart konservative Tendenz der US-Politik ein. Mit Roosevelt , meinte er , hätte die Welt-Entzweiung vermieden werden können.721 Sowohl in politischer als auch in persönlicher Hinsicht demonstriert dieser Brief ein für Thomas Mann typisches Denkmuster. Sein auf einer Konstruktion beruhendes Zukunftsbild – eine Synthese von kommunistischem Osten und demokratischem Westen – war in der Republik-Zeit entstanden. In den Dreißigerjahren wurde dieses Bild für ihn nahezu eine Glaubenssache und ein Stabilitätsfaktor. 1939 war es durch den Hitler-Stalin-Pakt ruiniert worden , 1941 sollte es im neuen Glanz erstrahlen. Der Krieg des Westens und 1945–1949
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der UdSSR gegen den gemeinsamen Feind hatte es greifbarer gemacht und große Hoffnungen erweckt. 1945 zerbrach es wieder – Thomas Mann fügte es erneut zusammen und transponierte es in eine weiter liegende Zukunft : als Ziel , das im Friedenskampf anzustreben war. Die naive KommunismusIdylle , die er für die Studenten geschaffen hatte , und die groteske Zuordnung konsequenter Antikommunisten – « im schlimmeren Falle » – dem « Faschismus » waren keine politischen Bekenntnisse. Mit ihnen verteidigte er die Konstruktion , die ihm einen Zukunftsglauben spendete und seine innere Stabilität aufrechterhielt. 1922 war seine Fantasie « d ie Republik als Kunstwerk » auf wenig Verständnis gestoßen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholte sich die Situation in einigen Zügen : Seinem Engagement für « d ie Begegnung » der zwei konfrontierenden politischen Prinzipien wurde wenig Verständnis entgegengebracht. Vor dem Hintergrund der realen Gegnerschaft um die Weltaufteilung reizte es sowohl das weitere deutsche Publikum als auch die konservativen Kreise der USA. Im Frühjahr 1946 erkrankte Thomas Mann lebensbedrohlich und musste an der Lunge operiert werden. Die Operation verlief erfolgreich. Nach einer längeren Pause meldete er im Tagebuch einen « fast sensationellen klinischen Erfolg ». Die Hauptfigur der Erzählung Der Tod des Iwan Iljitsch von Tolstoi bekam , mit schwerer Krankheit kämpfend , von jedem Arzt eine andere Diagnose. Bei Thomas Mann muss der klinische Erfolg in der Tat groß gewesen sein : Einige Monate nach dem Eingriff waren die Ärzte sich nur darüber uneinig , ob zu viele Zigaretten pro Tag nicht ein Lungenrezidiv hervorrufen könnten.722 Die Rückkehr zum gewohnten Lebensrhythmus brachte gewohnte Aufregungen mit sich. Polemische Attacken gegen Thomas Manns Person und Werk , die hauptsächlich vom deutschen Exil ausgingen , häuften sich. « Was ist es mit diesem krankhaften Haß [ … ]? » staunte er im Tagebuch. « Ist meine Existenz so provozierend ? »723 Parallel dazu verstärkte die HUAC – die Behörde , von der er sich zusehends bedroht fühlte , ihre Aktivitäten. Es ist Tatsache , dass der Kommunismus grundsätzlich eine Gefahr für die Demokratien darstellte. Nach dem Krieg , als für die Siegermächte der weltweite Einfluss auf dem Spiel stand , spitzte sich der politische Kampf zu. Deswegen war nichts Ungewöhnliches daran , dass in den USA eine massive Kampagne gegen den Staat Stalins und die kommunistischen Ideen gestartet wurde. Befremdlich war die Art , in welcher die « unamerikanischen Umtriebe » ver198
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folgt wurden : Denunzierungen , Verfolgung auf Verdacht , demütigende Verhöre der Verdächtigen , Berufsverbote und Ähnliches gehörten zur normalen Praxis der HUAC . Der Dichter glaubte schon hinter all dem ein Phantom des « Faschismus » zu erblicken. « Schauerlich berührt von dem schwindenden Rechtssinn in diesem Lande , der Herrschaft fascistischer Gewalt » , schrieb er ins Tagebuch nieder.724 Eine gewisse bittere Ironie bestand darin , dass diese Praxis im Grunde nicht anderes war als das , was Thomas Mann dem Westen schon vor dem Krieg gewünscht hatte. Die Demokratie , hatte er 1936 geschrieben , dürfe nur Demokraten gelten oder es sei aus mit ihr.725 Nun wurde sie durch den US-Staat gegen ihre Feinde verteidigt , und zwar mit undemokratischen Mitteln. Diese schockierten den Dichter. Auch das Bild des Feindes stimmte nicht : Vom Kommunismus und dessen Anhängern fühlte er sich nicht bedroht. Thomas Manns Reise nach Europa im Frühjahr 1947 – die erste seit acht Jahren – rief die alten Bilder wach : den Abschied vom Schweizer Heim , den Ausbruch des Krieges. Ein Rückkehr- und Wiederholungsmuster wurde mit Leben erfüllt. In Zürich besuchte er die vertrauten Orte : die Schiedhaldenstraße , Geschäfte , das Frascati , wo er wie damals einen Wermut nahm , – und stellte fest , dass sie von der Zeit fast unversehrt geblieben waren. Im holländischen Noordwijk , wo er den Anna Karenina-Aufsatz geschrieben hatte , wohnte er wieder im Huis ter Duin. Eine durch die Erinnerungen erweckte Nostalgie machte sich schon auf der Rückreise nach Amerika spürbar. « Hatte das Gefühl » , notierte er an Bord des Schiffes , «‹ noch einmal › zurückzukehren , so als wäre Europa doch wieder mein und meiner Arbeit Heim geworden. »726 Am ersten Tag in Pacific Palisades hieß es : « So sind die ungeheuren Räume , die mich in Zürich von hier trennten , wieder zurückgelegt. Seltsamkeit des Wiederdaseins , des Zurückliegens all der Erlebnisse. »727 Drei Wochen später resümierte er mit diagnostischer Kompetenz : « Der Zustand , unter dem ich leide , hängt zusammen 1. ) mit Abspannung und Wieder-Akklimatisation nach der Reise , 2. ) mit der Spannung unmittelbar vor Erscheinen des tief greifenden Romans , 3. ) mit dem Kummer über die Vorgänge hierzulande , 4. ) auch , weil noch ohne Nachrichten von Dial Press über die Auswahl. »728 Fast alles , woraus sich sein Lebensinhalt zusammensetzte : Europa-Nostalgie und europäische Kulturidentität , aktuelle literarische Arbeit , die Realität Amerikas , bekümmerte ihn und ließ ihn leiden.
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Doktor Faustus , dieser « tief greifende[ ] Roman[ ] » , wurde Ende Januar 1947 abgeschlossen. Tolstoi war darin in zahlreichen Reminiszenzen latent anwesend. Etwa ein Jahr später erfuhr Thomas Mann von seinem Lübecker Klassenkameraden Hermann Lange , dass dieser den Oblomow von Gontscharow neu übersetzen wolle. Aus Thomas Manns Antwort wurde nahezu ein Kurzessay über die russische Literatur , in dem er sich wieder direkt über Tolstoi äußerte. « Der Dreiundzwanzig- bis Fünfundzwanzigjährige » , schrieb er , « hätte die ‹ Buddenbrooks › nie zustande gebracht , wenn er sich nicht immer wieder durch die Tolstoi-Lektüre dazu gestärkt und ermutigt hätte. »729 Dieses mythologisierte Jugenderlebnis war offensichtlich die eindrucksvollste und prägendste Begegnung Thomas Manns mit seinem Meister. In verschiedenen Lebensphasen : 1917, 1926, 1930, 1940 und nun 1948, kam er wiederholt auf die kraftvolle Unterstützung zurück , die er von ihm bei der Arbeit an Buddenbrooks empfangen hatte. Am 14. März 1948 notierte Thomas Mann eine « [ n ]eue Berührung mit Gorkis Erinnerungen an Tolstoi. » Der Aufsatz , der eine der Hauptquellen für Goethe und Tolstoi gewesen war , lag ihm in neuer Übersetzung vor. « Der große Mann » , hieß es weiter. « Das Lustige , Spielerische , Verschlagene , Elbische und Tyrannische. Das Hypertrophieren nicht nur in Deutschland. »730 Dieser Abschnitt – bis auf den nebulösen letzten Satz – bestätigt den Eindruck , den Gorkis Erinnnerungen bei Thomas Mann schon siebenundzwanzig Jahre zuvor hinterlassen hatten. Vom Bild einer Größe , die sich nicht unnahbar ernst offenbarte , sondern – wie Joseph im Dienste des Pharao – sich mit einem heiteren , leicht ironischen Einschlag in Szene setzte , fühlte sich Thomas Mann angesprochen. Auch eine andere grundlegende Tolstoi-Quelle war in seinem Gedächtnis reaktiviert worden : die Studie von Mereschkowski. Darin hatte er im Juli 1945 im Zusammenhang mit seinem DostojewskiEssay wieder gelesen.731 Zu dieser Zeit machte Thomas Mann Notizen für einen neuen Roman. Am 21. Januar 1948 bat er den Berner Professor Samuel Singer um eine hochdeutsche Übersetzung der Gregorius-Dichtung von Hartmann von Aue. Die Antwort nebst einer Übersetzungsprobe kam am 9. Februar. Im dankenden Brief schrieb Thomas Mann unter anderem :
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Wie vorzüglich Ihre Prosa-Übersetzung ist , kann ich beurteilen , da ich das Original ( herausg. von Hermann Paul ) von der Universitätsbibliothek hier bekommen habe. Etwas lückenhaft ist mein Verständnis , aber nicht sehr , und Ihre Übersetzung zieht den leichten Schleier weg , der für mich über den Anfängen des Gedichtes lag. Die TolstoiBüßer-Stimmung , aus der es entstanden ( ‹ Zuviel weltliches , sündiges Zeug habe ich geschrieben ! › ) ist mir durch Sie erst recht klar geworden.732
Die Übersetzung Singers war die eigentliche Vorlage für den Erwählten.733 Dessen Hauptquelle empfand Thomas Mann somit als aus einer Tolstoi-Stimmung entstanden. Einige Tolstoi-Reminiszenzen lassen sich auch in diesem Roman vermuten. Als ihre Quelle kommt vor allem die Erzählung Vater Sergius infrage. Thomas Mann hatte sie zuletzt im Sommer 1940 gelesen. Bald danach war zwischen ihm und Bruno Frank sogar von einem gemeinsamen Filmdrehbuch nach Vater Sergius die Rede.734 Die Hauptfigur dieser 1898 vollendeten Erzählung ist ein schneidiger und ehrgeiziger Gardeoffizier Fürst Kassatskij. Als er erfuhr , dass seine Verlobte Mätresse des Zaren gewesen war , verließ er den Hof und trat in ein Kloster ein. Drei Jahre danach wurde er zum Mönchspriester geweiht und erhielt den Namen Sergius. Nach insgesamt sieben Jahren Klosterleben begab er sich in eine entlegene Einsiedelei , um seinen Hochmut niederzuzwingen. Noch dreizehn Jahre später , schon als landesweit gepriesener Wundertäter verfiel er der Wollust und sündigte mit einem geistig zurückgebliebenen Mädchen , das er heilen sollte. Erschüttert , verzweifelt und dem Selbstmord nahe , floh er vom Sündenort und wurde wandernder Pilger. Und erst dann kehrte Gott allmählich in ihn ein. Was bestimmte Episoden des Erwählten mit Vater Sergius verbindet , ist die Reflexion der Figuren über ihre Unvollkommenheit als Christen. So kontrolliert Gregorius , Abt des Klosters Agonia Dei , stets seine Gedanken auf sündhafte Abschweifungen und lenkt sie gegebenenfalls sofort in die richtige Bahn zurück. Clemens , der Erzähler , tut es auch. Er spricht insbesondere von « kristliche[ r ] Feinheit » , die sich in vorsichtiger Überlegung über die Gründe eigener Handlungen zeigt : ob sie aus Liebe und Demut oder nur aus Spaß geschehen.735 Auf eine vergleichbare Weise verfährt mit seinen Gedanken und Gefühlen Kassatskij.
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Vater Sergius
Der Erwählte
« Wenn manche Anforderungen des
« Ich [ der Abt ] kann die Geschichte kaum
mönchischen Lebens [ … ] ihm nicht
glauben , denn wie sollte ein Drache auf
gefielen und ihn mißmutig machen woll-
diese Insel kommen , und aus welchem
ten , so hob ihn sein Gehorsam darü-
Ei sollte er gekrochen sein ? Ich vermag
ber hinweg , indem er sich sagte : es ist
mir einfach einen Drachen , der Jungfrau-
nicht meine Sache , darüber zu urtei-
en zum Opfer nimmt , dahier nicht vor-
len : meine Sache ist es , zu gehorchen.
zustellen. Aber das ist vielleicht nur ein
[ … ]. Durch denselben blinden Gehor-
sündiger Mangel an Einfalt [ … ]. Ja mei-
sam dem Starez gegenüber wurde jegli-
ne Kenntnisse , die sind erstaunlich ! Aber ,
cher Zweifel schon im Keime erstickt.
mein Gott , statt mich mit ihnen zu blä-
[ … ] Ich weiß nicht , warum man eini-
hen vor mir selbst , sollte ich mich erin-
ge Male am Tage dieselben Gebete anhö-
nern , warum ich bei Wind und Wasser
ren muß , aber ich weiß , daß es nötig ist ,
an meinem Stabe hierher walle [ … ]. Es
so finde ich meine Freude daran. »736
ist wirklich stark : kaum schöpfe ich einige Hoffnung auf der Männer Überleben , da denke ich schon wieder an die Fische , deren Bedeutung doch durch die Gefahr längst zu nichts herabgesunken war ! »737
Vater Sergius und Grigorß sprechen in ähnlichen Ausdrücken über ihre Sündhaftigkeit :
Vater Sergius
Der Erwählte
« [ … ] ich bin kein Heiliger , ich bin
« Ich bin ein Mann , nicht nur sündig
nicht einmal ein gewöhnlicher anstän-
wie alle Welt , sondern dessen Fleisch
diger Mensch , ich bin ein Sünder , ein
und Bein gänzlich aus Sünde besteht
schmutziger , widerwärtiger , verirr-
und dazu noch wieder in solche Sün-
ter , stolzer Sünder , ein so erbärmlicher
de getaucht wurde , daß es das Ende des
Mensch , daß ich nicht glaube , es könn-
Denkens ist und der Welt Ende. »739
te einen erbärmlicheren geben. [ … ] »738
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Eine Büßer-Stimmung überkam Tolstoi und seine Figuren nicht selten , in verschiedenen Schaffensperioden und aus verschiedenen Anlässen. In Lebensstufen schämte sich der vierzehnjährige Nikolaj Irtenjew seiner bösen Taten : Er hatte auf seinen Erzieher eingeschlagen und dadurch die Großmutter verärgert. « Um Gottes Willen , was habe ich angerichtet ! » , dachte er. « Was für ein entsetzlicher Verbrecher bin ich. »740 In Krieg und Frieden erklärte sich Nikolai Rostow , nachdem er sehr viel Geld in einem Kartenspiel verloren hatte , « innerlich für einen niederträchtigen Schuft [ … ], dessen ganzes Leben nicht ausreichen würde , dies Verbrechen zu sühnen. »741 Eine weiterreichende Tolstoi-Reminiszenz im Erwählten ist allerdings die geistliche Entwicklung des Haupthelden. Alle Aufgaben und Pflichten , die sein Stand ihm aufbürdete , bewältigte Vater Sergius mühelos. Je tiefer er das geistliche Leben verinnerlichte , desto mechanischer wurde sein eigenes Tun ; je höher sein Ansehen bei den Menschen wurde , desto stärker plagten ihn Ehrgeiz und Glaubenszweifel. Erst nach Ablegen aller Würden und Verzicht auf alle Anerkennnung befreite er sich von dieser Last und fühlte sich Gott näher. Anders war der Weg des Erwählten. Übermäßigen Ehrgeiz , Glaubenszweifel und Selbstbewunderung – Eigenschaften , die in dieser oder jener Kombination mehrere Hauptfiguren Tolstois kennzeichnen , – kannte er nicht. Sein festes Gottvertrauen bewahrte ihn und seine Muttergeliebte vor Verzweiflung. Nach einer siebzehnjährigen Buße wurden ihm die höchsten kirchlichen Würden und die Anerkennung der Menschen zuteil. Sein Glaube blieb fest , und als Kirchenoberhaupt spendete er den Menschen Trost und Freude. Wie Joseph und der von Thomas Mann mythologisierte Roosevelt , war er elitär und zugänglich. Die Vorlage für den Erwählten wusste nichts von Tolstoi. Trotzdem spricht einiges dafür , dass die Entwicklung des Grigorß unter anderem eine indirekte Antwort Thomas Manns auf die Fragen war , von denen die Tolstoi’schen Grübler ewig gequält wurden. Mit Tolstois späteren religiösen Ansichten hatte sich Thomas Mann in Betrachtungen eines Unpolitischen ausführlich auseinandergesetzt. Dem Engagement Tolstois als « Bekenner und Apostel » begegnete er damals mit Abneigung. Er schrieb von dessen « christlich-demokratische[ r ] Hartstirnigkeit » sowie « geistige[ r ] Bäuerlichkeit und Enge ». Mereschkowski , sein wichtigster Berater in Sachen Tolstoi , hatte in dessen « Einfachwerdung » eine Koketterie des narzistischen Aristokraten gesehen.742 In Goethe und Tolstoi wurde das religiöse Element vielmehr als nebensächlich betrachtet , dann geriet es bis zum 1945–1949
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Anna Karenina-Aufsatz ganz aus Thomas Manns Blickfeld. 1944 wurde er vom Komponisten Igor Strawinsky auf das Eigenartige an Tolstois Bestreben , ein Christentum ohne die Kirche zu begründen , aufmerksam gemacht. Tolstoi , meinte Strawinsky , sei « wesentlich deutsch und protestantisch. » In seinen Memoiren , die eine der Quellen für Doktor Faustus waren , hatte der Musiker von Tolstois « religiöse[ m ] Dilettantismus » geschrieben.743 Gewissermaßen überschnitten sich : Thomas Manns Beschäftigung mit dem Religiösen in Doktor Faustus und im Vorfeld des Erwählten ; die nicht weit zurückliegende Lektüre von Vater Sergius ; die neue Berührung mit den Schriften von Mereschkowski und Gorki ; das aufschlussreiche Gespräch mit Strawinsky ; und nicht zuletzt die stete produktive Präsenz Tolstois in Thomas Manns geistiger Welt. Die Überschneidung dieser Momente lässt die Entwicklung des Grigorß als unter anderem eine Tolstoi-Reminiszenz bzw. eine Antwort an Tolstoi deuten. Vater Sergius erreichte innere Harmonie , nachdem er sich von der Kirchenstruktur losgelöst hatte und « einfach » geworden war. Grigorß verkörperte eine Synthese von Würde , Aristokratismus und frommer Menschlichkeit , nachdem er an die Spitze der in sich zerworfenen Kirchenstruktur getreten war. Das Aristokratische und das Geistliche ergänzten sich bei ihm auf eine harmonische Art. Dem Tolstoi’schen Ideal der « Einfachwerdung » stellte Thomas Mann sein Ideal der Auserwähltheit entgegen. Nach seinem geistlichen Verbrechen floh Vater Sergius zu einer Frau namens Paschenka , die er als Kind gekannt hatte. Sie war nun alt und ernährte eine sechsköpfige Familie durch Musikunterricht allein. « Das also hat mein Traum bedeutet ? » , dachte er nach dem Gespräch mit ihr. « Paschenka also ist das , was ich hätte sein sollen und nicht gewesen bin ? Ich lebte für die Menschen unter dem Vorwand , daß ich für Gott lebe ; sie lebt für Gott , im Glauben , daß sie für die Menschen lebt. »744 Diese Stelle strich Thomas Manns in seinem Exemplar von Vater Sergius an. In der zweiten Hälfte der Vierzigerjahre spannte sich die Weltlage weiter an. Innenpolitisch reagierte die US-Staatsmacht darauf mit einem noch härteren Durchgreifen gegen die « unamerikanischen Umtriebe ». Thomas Mann empfand es als bedrohlichen Angriff auf die Konstruktion , die ihm seinen Zukunftsglauben spendete. Das war einer seiner sensibelsten Bereiche : Selbst Äußerungen von Privatpersonen , die seiner Ansicht nach Wasser auf die Mühlen der « Falken » gossen , regten ihn unangenehm auf. So schrieb er Ende 1947 ins 204
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Tagebuch nieder : « [ … ] die N.[ eue ] Schw.[ eizer ] Rundschau mit ungeheuerlichem Artikel von Schwarzschild über Marx. » Der Exil-Journalist Leopold Schwarzschild war – im Gegensatz zu Thomas Mann – in der marxistischen Lehre und Biographie ihrer Urheber bewandert. In seinem Artikel leitete er die Praxis der Sowjetdiktatur direkt aus den Grundsätzen von Karl Marx ab. Ihre Entschlossenheit , die « Zivilisation » zu zertrümmern , führte er ebenfalls auf die Erbschaft von Marx zurück.745 Thomas Mann fand das ungeheuerlich , weil Schwarzschild objektiv einen schweren Anschlag auf seine « zukunftsweisende Idee » verübt hatte. In deren aktualisierter Fassung wurde die Gefahr eines neuen Weltkrieges eindeutig mit dem Amerika Trumans und McCarthys assoziiert. Als Zertrümmerer dessen , « was wir Zivilisation nennen » ( Schwarzschild ), galten unverändert die Nationalsozialisten. Der Marxismus und die Sowjetunion – die Letztere mit leichten Vorbehalten – waren dem Friedens- und Zukunftsbereich zugeordnet. Aus Deutschland erreichten Thomas Mann wenig erbauliche Nachrichten. Die bewusste Verleugnung des Nazitums , die er am Tage der Kapitulation vermisst hatte , fehlte nach wie vor. Beunruhigend war für ihn auch , dass seine Landsleute angeblich ihre ganze Geschichte samt Bismarck , Wagner und Nietzsche abschütteln wollten , um « nicht mehr Deutsche » zu sein. Dies verband sich , wie er schrieb , mit einem «verbissene[ n ] Nationalismus ». Über dieses Wüten gegen die großen Namen der Vergangenheit – als ob sie an der gegenwärtigen Lage der Nation schuld gewesen wären – ließ er sich innerhalb einer täglichen Tagebucheintragung zweimal aus.746 Seine Aufzeichnungen aus dem Jahr 1948, die sich auf Politisches bezogen , waren , wie gewohnt , ein Mosaik aus spontanen und emotionalen Urteilen. Im Januar nannte er einen Passus aus der Wahlrede Trumans « zu dumm ». Typisch für den Kalten Krieg , lief dessen Botschaft auf das si vis pacem para bellum hinaus : Bei der aktuellen Weltlage , betonte Truman , könnten die USA sich nur durch militärische Stärke als Friedensmacht bestätigen.747 Eine kampfbereite Demokratie war sonst durchaus nach dem Geschmack Thomas Manns , nur hielt er die USA schon lange nicht mehr für eine Friedensmacht. – Anfang Februar regte er sich über die Schwäche der Demokratie auf : « 15 000 wohlbewaffnete Araber bedrohen in Palestina die Juden , die unter den Augen der elenden U. N. der Vernichtung preisgegeben scheinen. Die Demokratie ! Sie hat allein noch in Gestalt des Sozialismus eine moralische Existenz. » Diesen Gedanken vertiefte er am selben Tag im Brief an Heinz-Winfried Sabais. « Die Demo1945–1949
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kratie will nicht wissen » , schrieb er , « daß sie nur in der Gestalt des Sozialismus überhaupt noch moralische Existenz hat. Eher , daß sie es zugibt , wirft sie sich dem Fascismus in die Arme , der das eigentliche Hinter die Schule Laufen , gedopete Pflichtvergessenheit ist , und zündet die Welt an. »748 – Ende Februar registrierte er seine « Gedanken über die Gleichgültigkeit der ‹ Kultur › und ihrer Freiheit , wenn es das Ende der einen schamlosen Profitwelt gibt , in deren Mund das Wort Freiheit eine schmutzige Lüge ist. Man wird dafür bereitet , jeden Zwang der Diktatur in Kauf zu nehmen für die Vernichtung dieser Gesellschaft. »749 – Zur selben Zeit entwickelte sich die politische Krise in der Tschechoslowakei , die die Kommunisten ausnutzten , um die Regierung zu übernehmen. Thomas Mann verfolgte die Ereignisse ohne Sympathie für die neuen Machthaber. Am 10. März , nachdem er vom Selbstmord des Außenministers Jan Masaryk erfahren hatte , resümierte er : « Es ist eine ‹ Machtergreifung ›. Charakter- und Kraftlosigkeit des Westens an allem schuld. Das Land im Stich gelassen wie 1938. »750 – Am 1. Mai notierte er ein Gespräch mit der Tochter Erika : « [ … ] ein gemäßigter Faschismus erträglicher für den Westen als der kommunistische Byzantinismus. Dieser schon in der Tschechoslowakei kaum möglich , geschweige in Frankreich. Trotzdem Schadenfreude , wenn heute überall kommunistische Unruhen aufflammten zur Lehre für uns hier. »751 – Im Juni blockierten die Sowjets die Versorgungswege nach Westberlin. Der sowjetische Kommandant verließ demonstrativ eine Sitzung des Aliiertenrates. Thomas Mann schrieb : « Neuer Konflikt u.[ nd ] walkout der Russen in Berlin. Die Widersprüchlichkeit unseres Beharrens dort. Dabei seine Notwendigkeit nicht nur aus Prestigegründen. Schicksal der anti-russischen Mitarbeiter , wenn wir abziehen. »752 Bezeichnend ist das auf die Amerikaner bezogene wir und unser. – Im Dezember kam die Nachricht vom Sieg der Kommunisten in China. Thomas Manns Kommentar lautete : « [ … ] – für die U. S. ein harter Schlag , denn der Kommunismus , widerwärtig in seinen Mitteln , heute wohl die einzige konstruktive Kraft. »753 Diese Auswahl spontaner Urteile zum Tagesgeschehen reflektiert Thomas Manns Unsicherheit in der neuen Krisenzeit , sein Schwanken zwischen dem Bedürfnis nach Zukunftsoptimismus , der Sehnsucht nach sicherer Ordnung und der Abneigung gegen die politische Schärfe Trumans und McCarthys. Eine Flucht aus dieser entzweiten , zerworfenen , unter dem Damoklesschwert einer Selbstvernichtung stehenden Welt war für ihn die Arbeit am Erwählten. Dessen Geschichte endete in einer Synthese von elitär und zugänglich , Macht und 206
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Menschlichkeit , und ihre historischen Hintergründe vereinten Europa , bis hin zum Slawentum. Aber – wie Thomas Mann später , mit trauriger Müdigkeit bemerkte – dieser Roman war « Spätkultur , die vor der Barbarei kommt , mit fast fremden Augen schon angesehen von der Zeit. »754 Am 30. November 1948, nach zweitägigen Beratungen mit der Tochter Erika , schloss er die Korrekturen von Die Entstehung des Doktor Faustus ab. Das war ein memoirenartiges Großessay , das ihn in einen langen Abschnitt der Vergangenheit zurückversetzt hatte. Am selben Tag nahm er sich Tolstois Erzählungen vor : den Morgen eines Gutsbesitzers , den er zuletzt im Januar 1937 gelesen hatte , dann Luzern. Dessen « lange[ s ] moralische[ s ] Anhängsel » fand er schwer erträglich ; die Übersetzung soll elend gewesen sein. Am 12. Dezember hieß es im Tagebuch : « Tolstois Erzählungskunst , die einfachste und nicht zu beschädigende. ( Kaukasus-Novellen ). » Ihnen folgte Albert – die Erzählung über einen elenden und genialen Musiker , der mit den dekadenten Figuren früherer Novellen Manns weitläufig verwandt war. « Das Violinspiel könnte von Andersen sein » , notierte dieser. Kurz vor dem Jahreswechsel las er Leinwandmesser und Schneesturm.755 Zu ihnen hinterließ er keinen Kommentar. Am Anfang des neuen Jahres 1949 bekam Tolstois Erzählung Chodynka plötzlich eine tragische Aktualität. Die Erzählung basierte auf einer wahren Begebenheit : 1896 waren im Massengedränge bei einem Volksfest auf dem Chodynka-Feld bei Moskau mehr als tausend Menschen ums Leben gekommen. « Parade- und Festzugartiges Volksvergnügen in Pasadena mit Todesfällen , die an Tolstoi’sche Beschreibungen jener Wiese erinnern. Ach , dumme , getriebene Massenmenschheit ! » , schrieb Thomas Mann am 2. Januar. Drei Tage später las er Herr und Knecht wieder. Seine Anmerkung lautete : « Der beste Erzähler ». Die neue intensive Tolstoi-Phase endete dann mit der Lektüre des einschlägigen Abschnitts von Denker und Dichter , einer Essay-Sammlung von Robert Saitschick.756 Es handelte sich dabei um einen populären biographischen und literaturkritischen Abriss , aus dem Thomas Mann kaum etwas erfahren konnte , was er nicht schon aus den Büchern von Mereschkowski und Birukof gewusst hätte. An einer Passage , bei der es nicht ganz klar ist , ob Saitschick einen Gedanken Tolstois als erlebte Rede wiedergibt oder ihn eigenständig weiterentwickelt , dürfte Thomas Mann Anstoß genommen haben. Es ging um den radikalen Pazifismus des späten Tolstoi. In der Passage wurde die Form des Friedenskampfes kritisch betrachtet , die Mann am meisten zusagte. « Ein kleiner Teil der 1945–1949
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Gebildeten » , schrieb Saitschick , « sucht zwar seinen Glauben an den intellektuellen Fortschritt durch Friedenskongresse und internationale Vereinigungen aufrecht zu erhalten , aber diese Bestrebungen gründen sich doch nur auf eine falsche Auffassung des menschlichen Lebens. »757 Das Jahr 1949 stand im Zeichen des Goethe-Jubiläums. Im Januar und Februar arbeitete Thomas Mann an einer Vorlesung über Goethe , zu der ihn die Universität Oxford beauftragt hatte. In seiner gewohnten Manier hatte er dem Jubilar eine Rolle als Verbündeten zugedacht : So glaubte er unter anderem mit Hilfe einer Zitatkompilation zu belegen , dass Goethes Blick « heute » möglicherweise eher auf die Sowjetunion als auf Amerika gerichtet wäre. Gewiss , meinte er , hätte der Meister den Despotismus missbilligt , aber man denke an Napoleon , vor dem sein Widerwille versagt habe … Dieses symbolhafte Bild wurde von der politischen Realität grausam weggewischt : Am 5. Mai erreichte Thomas Mann die Nachricht vom Verlauf der Gerichtsverhandlung gegen den Erzbischof von Budapest , die allzu sehr an die berüchtigten Moskauer Prozesse erinnerte. Daraufhin entfernte er die Passage über den in Richtung Sowjetunion blickenden Goethe aus seinem Vortrag.758 Thomas Manns Tischbemerkung , die er am 19. März im Tagebuch notierte , klingt « abtrünnig » : « Sagte beim Frühstück : ‹ Der Kommunismus ist kein Spaß. Eine harte , asketische Welt. Vielleicht sollten wir einverstanden sein mit den Schutzmaßregeln dagegen. ›»759 « Die Schutzmaßregeln » blieben nach wie vor streng und rücksichtslos. Am 2. April fühlte er sich von einer denunziatorischen Publikation im Life angewidert und niedergeschlagen.760 In der politischen Realität gab es wohl nichts , worauf er vertrauen und sich verlassen konnte. Von dieser Zeit an spielte er immer häufiger mit dem Gedanken , in die Schweiz überzusiedeln. Im Mai 1949 reiste er wieder nach Europa. Eine Ehrenpromotion in Oxford erwartete ihn , dann noch eine im schwedischen Lund , die von der Nachricht über den Selbstmord des Sohnes Klaus überschattet wurde. In der Schweiz konnte er sich vom anstrengenden Repräsentieren etwas erholen. Nach langem Schwanken und Zögern , eventuelle Feindseligkeiten in Kauf nehmend , fuhr er Ende Juli nach Deutschland – mit dem « Gefühl , alsob es in den Krieg ginge. »761 Der Anlass dieses ersten Nachkriegsbesuchs im Vaterland war der Goethe-Preis , den ihm die Stadt Frankfurt verliehen hatte. In Frankfurt und einige Tage danach in Weimar wandte er sich mit einer Ansprache an seine Landsleute. 208
Traurige Müdigkeit
Sie war ein ergreifender Ich-Monolog – bevor sie zu Goethe überging – , eine emotionale Rechenschaft über die Exiljahre und des Dichters Leiden um sein Land. Sein tödlicher Hass , sagte er , « jeder Schimpf , jedes heiße Wort des Zorns und des Abscheus » hätten nicht Deutschland , sondern seinen Verführern und ihren Untaten gegolten. Die Worte des Zornes seien ihm auch vom Wunsch eingegeben worden , den Deutschen , die ähnlich empfanden wie er , der Welt und « im Grunde mir selbst Mut zuzusprechen. » Sein Zuspruch hätte vielen das gebracht , worauf er sebst immer angewiesen war : « Trost , Kraft und Glauben ». Die Landsleute über den demütigenden Zustand einer Besatzung hinwegtröstend , nannte er den Nationalsozialismus eine – schlimmere – Fremdherrschaft.762 Der Übergang zum Thema Goethe war fließend : Thomas Mann schuf ein Bild von seinem deutschen Meister , indem er das Doppelseitige an dessen Natur – als Symbol für das Böse und Gute am Deutschtum – poetisch ausmalte. Mit dem Nationalsozialismus rechnete Thomas Mann scharf ab. Das Erhabene , das geistig Vorbildliche – all das , was in sein Goethe-Bild hineingedichtet war , gestaltete er – wie vor Jahren seine Traum-Republik – als ein Kunstwerk. Ob die Landsleute ihn verstanden haben ? Jedenfalls nicht diejenigen von ihnen , die von seiner Ansprache « klare » Antworten und sichere Zukunftsrezepte erwartet hatten. Einige alte Vorwürfe seiner Kritiker : ein zu langes Ausbleiben in sicherer Geborgenheit , eine Distanzierung von den Nachkriegsnöten seines Vaterlandes und Ähnliches , konnte er in der Ansprache entkräften. Ein neuer Streit um Thomas Mann entflammte wegen seines Besuchs in Weimar. Entgegen der Aufforderung der Gesellschaft zur Bekämpfung der Unmenschlichkeit hatte er das Lager Buchenwald nicht « mit » besucht. Die Sowjets hatten es für die Gegner des kommunistischen Regimes umgestaltet. Der Vorwurf an Thomas Mann lautete nun auf zweierlei Maß gegenüber der Unmenschlichkeit.763 Die Ideenkämpfe , in die er immer wieder hineingezogen wurde , waren belastend und nervenzehrend. Natürlich wäre es ihm unmöglich gewesen , selbst wenn er das gewollt hätte , in Weimar gegen das System öffentlich Stellung zu nehmen. In diesem Sinne antwortete er auch seinen Kritikern.764 Doch weitergehend verletzte der neue Angriff schon wieder einen seiner sensibelsten Bereiche : Er zielte auf seine Ansichten , genauer gesagt , auf die Konstruktion , die seine seelische und geistige Stabilität unterstützte. Bezeichnend war nicht seine diplomatische Korrektheit gegenüber den Gastgebern in Thüringen , sondern die Beständigkeit , mit der er sich weigerte einzusehen , dass die Sowjetunion 1945–1949
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Stalins nicht weniger verbrecherisch war als Hitler-Deutschland ; dass die Unterdrückung im Sowjetstaat nicht etwa ein Fehltritt oder vorübergehende Notwendigkeit war , sondern eine konsequente Umsetzung der dort herrschenden Ideologie. Auf diese Art und Weise beschützte Thomas Mann vor allem seine Zukunftskonstruktion : Wie bei Literaturquellen verdrängte oder ignorierte er das , was ihm nicht ins Konzept passte. Zeugen des Sowjetterrors – unter ihnen waren auch Opfer des NS-Regimes – hatten für seine Höflichkeit gegenüber dem Kommunismus kein Verständnis , sie sahen darin nur zweierlei Maß. Dadurch vergrößerte sich die Kluft zwischen dem Dichter und Nachkriegsdeutschland. Die Frage , ob der Nationalsozialismus eine Art Fremdherrschaft über Deutschland oder ein Produkt des deutschen Wesens selbst war , beschäftigte Thomas Mann über Jahrzehnte. Eine eindeutige Antwort darauf hat er nicht gefunden. Der Gedanke , zwischen dem Russentum und dem Sowjetsystem zu trennen , scheint ihm dagegen nie in den Sinn gekommen zu sein. So sind Verbindungen wie « [ die ] russische[ ] Okkupationsmacht » und « [ d ]er russische Stadtkommandant » in seinem Wortgebrauch genauso selbstverständlich wie « [ d ]ie große russische Romankunst des neunzehnten Jahrhunderts ».765 Der historisch und rechtlich korrekten Bezeichnung Sowjets bzw. sowjetisch bedient er sich äußerst selten und eher zufällig als bewusst. Einmal nur hatte er sich mit den Ursprüngen der Revolution von 1917 ausführlich auseinandergesetzt , und zwar in Goethe und Tolstoi. Die Revolution passte in seine « Asiatismus »-Theorie wie angegossen ; Tolstoi nannte er damals ihren Propheten. In den späteren Zwanzigern verblich sein Bild des « asiatisch »-revolutionären Chaos und Tolstois als dessen Symbolfigur. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es schon längst ad acta gelegt. Aber als Reminiszenz lebte es in Thomas Manns Begriffswelt weiter. Das Sowjetsystem identifizierte er automatisch mit dem Russentum , wobei das «Vorzeichen » sich seit jener Zeit von einem Minus zu einem verhaltenen Plus gewandelt hatte. Dem « leicht mongolisch geprägten Gesicht » des Sowjetfunktionärs in der Ostzone war , so der Dichter , seine Intelligenz wohl anzusehen. Auch sein Deutsch sei vorzüglich gewesen.766
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Fluchtgedanken: Jasnaja Poljana und Pacific Palisades (1949–1952) Infolge der Schlaflosigkeit und des fortgesetzten anstrengenden Kampfes mit der immer größer werdenden Schwäche kommen jetzt manchmal sonderbare Zustände über mich. Es kann geschehen , daß mir während der Vorlesung plötzlich Tränen aufsteigen , meine Augen zu zwinkern beginnen und daß ich unversehens den leidenschaftlichen hysterischen Wunsch verspüre , die Arme auszustrecken und laut zu jammern. Anton Tschechow , Eine langweilige Geschichte767
Im August 1949 kehrte Thomas Mann nach Kalifornien zurück. Der Gedanke an eine Übersiedlung in die Schweiz arbeitete in ihm , von der Europa-Nostalgie und den politischen Ängsten verstärkt , weiter. Sogleich fing das Phantom eines erneuten Abschiedes vom Heim und der gewohnten Umgebung an , ihn zu bedrücken. Wie bei jeder reifenden Veränderung überkam ihn innere Unruhe. Ende 1949 bis Anfang 1950 vermeldet das Tagebuch häufiger als in der Vorzeit Depressionen und Angstzustände. Häufiger und schärfer wurden auch zornig-aufgeregte Sprüche über die Verhältnisse in den USA : « Zuweilen der Wunsch , Europa möchte als Ganzes kommunistisch organisiert und in Züchten aufgebaut werden. Es wäre Amerika zu gönnen. » – « Truman bekommt ein gold plated Automobil. Goering. Beginn faschistischen Prunks. » – « Tief angewidert von dem Treiben in diesem Gangsterland. Aber wohin ? »768 Tolstoi begleitete ihn durch diesen gesamten unruhigen Lebensabschnitt. Im März 1950 arbeitete Thomas Mann am Jahresvortrag für die Library of Congress , dessen Endfassung Meine Zeit heißen sollte. Am 21. März , zehn Tage nach dem Tod des Bruders Heinrich , beendete er die Niederschrift. Wegen des Besuchs der Ostzone Deutschlands wurde er in Washington ausgeladen und referierte am 26. April an der Universität Chicago. In einem – im weitesten Sinne – autobiographischen Bericht Thomas Manns konnte Tolstoi ebensowenig wie Goethe fehlen. Der Vortrag war zeitlich und kulturell breit angelegt. Unter anderem ging der Autor auf die Revolution von 211
1917 in Russland ein und versuchte sie – wahrscheinlich nicht ohne Einfluss von Nikolai Berdiajew – als eine speziell « russische » Erscheinung « historiosophisch » zu untermauern.769 Die bürgerliche Epoche , in der seine eigenen Wurzeln lagen , schilderte Thomas Mann mit ihren wesenhaften Sitten und Gebräuchen , zu denen auch die Kleidungskultur gehörte. So musste unter anderem die Verhüllung des Körpers im früheren Kaiserreich erwähnt werden – das Ballkleid der Damen , so der Referent , habe eine Ausnahme gebildet. Dann berief er Tolstoi in den Zeitzeugenstand : Diese festliche Entblößung von Schultern und Busen , die Tolstoi als Moralist so heftig mißbilligte und die er als Künstler in ‹ Anna Karenina › mit so tiefer erotischer Begierde beschrieben hat , stand in erstaunlichem Gegensatz zu der alles versagenden Keuschheit des weiblichen Badekostüms [ … ].770
Diese Referenz zu Tolstoi ist wichtiger , als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Das Motiv aufreizender Frauenkleidung ertönt in mehreren seiner Werke. Attribute wie nackt , halbnackt , entblößt stehen symbolisch für Zynismus und Immoralität bestimmter Figuren oder Gesellschaftskreise. In den Theaterlogen , heißt es in Krieg und Frieden , säßen « halbnackte[ ] Frauen ». Unter ihnen glänzte vor allem Hélène Besuchow , die skrupellose Schönheit , die « beinahe ganz nackt war … ». Die Wortverbindung « [ d ]ie entblößte Hélène » wird im gleichen Kapitel gebraucht.771 Im Spätroman Auferstehung ekelte sich Fürst Nechljudow vor dem Porträt seiner Mutter , auf dem sie in einem Kleid mit « entblößte[ m ] Busen » dargestellt worden war. Abscheulich fand er auch seine Verlobte Missy im offenen Ballkleid.772 Bei der Beschreibung einer Abendgesellschaft in Hadschi-Murad wird auf die Bekleidung junger und nicht mehr junger Frauen verurteilend hingewiesen : Arme , Hals und Brust stellten sie nackt zur Schau.773 In der Kreutzersonate erklingt das Motiv der verführenden Kleidung nahezu pathosartig. Die Beschreibung Anna Kareninas auf dem Ball vermittelt dagegen Geschmack und vornehme Eleganz.774 Thomas Mann erblickte hinter ihr tiefe erotische Begierde. Alle hier genannten Werke Tolstois kannte er gut und las sie von Zeit zu Zeit wieder. Mit der Kreutzersonate war das beispielsweise am 20. Mai 1950 der Fall.775 Der zitierte Abschnitt aus Meine Zeit ruft die Äußerungen über Tolstoi in Erinnerung , die er in den schwersten Phasen seines Lebens – 1918 und 1933 – gemacht hat. 1918 bewunderte er in Tolstois Werk « eine großartige und organi212
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sche Verbindung von Sinnlichkeit und Moralismus ». 1933 sei ihm die Lektüre Tolstois so gemäß gewesen , weil « das Sinnlich-Frohe und Positive sich darin so natürlich und menschlich mit moralischer Gewissenskritik verbindet. »776 Es ging also um eine Synthese von Versuchung und Widerstand , von Nachgeben und Entsagen – den Gegensätzen , deren Konflikt Thomas Manns Lebensgefühl seit seiner Jugend mitbestimmte. Das Sinnlich-Frohe – so wird das Thomas Mann empfunden haben – ging bei Tolstoi mit dem Positiven einher und implizierte weder Chaos noch Auflösung. 1950, wieder in einer schwierigen Lebensituation , entsann er sich erneut dieser Tolstoi’schen Synthese. Thomas Manns Zeit war das Fin de siècle , die Jahrhundertwende mit ihren bizarren künstlerischen Eskapaden. Dekadent und einer der damals modischen Richtungen zugehörig wollte er nicht gewesen sein. Er habe an der ihm « eingeborenen bürgerlichen Überlieferung , dem Bildungsgut des neunzehnten Jahrhunderts » festgehalten , mit dem sich in ihm « ein ausgesprochener Sinn für Größe verband. » Diese Größe hatte ihre Symbolfiguren. Als erste von ihnen nannte er den Autor von Anna Karenina. « Tolstoi mochte ein Naturalist sein » steht in Meine Zeit , «vor allem war er groß , riesengroß , vom Format des neunzehnten Jahrhunderts , diesem Format , das ich bewunderte und als Ideal , als eine Art von Bindung und Verpflichtung , als einen Anspruch , schwanker Jugend das Leben nicht gerade erleichternd , in mir trug. »777 Der Tolstoi-Mythos spricht hier zwar nicht in seiner ganzen Klangfarbpalette , aber sein Wesentliches – « die Größe » , an der sich Thomas Mann angelehnt hat , – lässt sich deutlich vernehmen. Nach dem Vortrag in Chicago reiste er nach Europa. Drei Monate lang , bis Mitte August 1950, hielt er sich in der Schweiz auf. Die Landes-Atmosphäre rief erneut Erinnerungen hervor , förderte ein Zurückschauen und weiteres unruhiges Nachdenken über den Umzug aus den USA. Bei Hermann Hesse in Montagnola fühlte er sich in das Jahr 1933 zurückversetzt : « Bei Hesses starkes Gefühl der Wiederkehr der Situation unter wie veränderten Umständen ! » Nach dem Besuch in Castiglione schrieb er : Was ist geschehen und hat sich verändert im Zeitfluß seitdem. Wieviele gestorben und verdorben. Auf mir lag viel Segen und Leiden ; Weltruhm , Mühe , Pein. In Californien steht nun das Haus. Alles sehr wunderlich , das Leben. Man bestaunt meine Jugend und Leistungsfähigkeit. Wie tief oft die Müdigkeit ! – Tolstois ‹ Iwan Ilitsch ›.778
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Vielleicht war es ein Zufall , dass er ausgerechnet zu dieser Erzählung Tolstois griff. Vielleicht hatte es doch einen tieferen Grund , denn auch er wurde in jener Zeit immer häufiger von den Gedanken und Gemütszuständen heimgesucht , die sich der Titelfigur bemächtigten : wachsender Unzufriedenheit , wehmütigem Rekapitulieren , bohrenden Ängsten. Das Leben Iwan Iljitsch Golowins war – wie das von Thomas Mann – durch « den Anstand der äußeren Formen , die von der öffentlichen Meinung bestimmt werden » geprägt. Jede noch so kleine Störung der Hauseinrichtung bereitete ihm Verdruss.779 Hier endet schon die « Ähnlichkeit » der Tolstoi’schen Figur mit Thomas Mann und beginnt der Unterschied zwischen ihnen. Iwan Iljitsch war unheilbar krank , und die Erzählung ist eine Chronik seines langsamen Sterbens. Im letzten Stadium sann er immer wieder darüber nach , warum er so fuchtbar leiden musste. « Soviel er aber auch nachdachte » , schreibt Tolstoi , er fand keine Antwort. Als ihm aber der Gedanke kam – ein Gedanke , der ihm oft kam – all das komme daher , weil er nicht gelebt hatte , wie sich’s gehört , – gleich fiel ihm ein , wie korrekt sein ganzes Leben gewesen war , und er wies diesen sonderbaren Gedanken von sich.780
Die Lebensweise : War Thomas Mann jemals mit der seinen eindeutig zufrieden ? Im Februar 1950 bestellte die New York Sunday Times bei ihm einen Artikel zum Thema « Wie man es anfängt 75 Jahre alt zu werden. » – « Sollte antworten : » , schrieb er ins Tagebuch , « indem man nicht lebt wie ich. »781 Aber seine schwere Krankheit hatte er vor drei Jahren überstanden , seine « Jugend und Leistungsfähigkeit » wurden bestaunt , sein Leiden hatte er stets mit seinem Durchhaltevermögen überwältigt – während der mit Tolstoi’scher Kraft dargestellte Iwan Iljitsch sich in den Tod auflöste. War vielleicht dieser für Thomas Mann positive Kontrast der tiefere Grund , warum er an jenem Tag den Tod des Iwan Iljitsch wiederlesen wollte ? Tolstoi las er auch an den nachfolgenden Tagen : Nachlass-Arbeiten und die Erzählung Wofür.782 Das Gespenst des Jahres 1933 , von Thomas Manns aktuellen Ängsten heraufbeschworen , verfolgte ihn während des gesamten Aufenthaltes in der Schweiz. « Der Gedanke einer wiederholten Emigration spukt längst , und dies Tagebuch kehrt gewissenmaßen zu seinem Beginn , Arosa 1933 , zurück » , notierte er am 18. Juli 1950. Schließlich setzte er sein altbewährtes Mittel gegen den Druck der Umstände ein : Er nahm sich vor , Ruhe zu bewahren und die Dinge abzuwarten. 214
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Es half nur vorübergehend. Bald verunsicherte ihn eine Warnung seiner Tochter Elisabeth vor der Rückkehr schon wieder , seine Fantasiebilder drehten sich um das Geschehen der ersten Exilzeit783 – und so ging es ununterbrochen weiter , bis er sein kalifornisches Heim , in dem er vorerst Seelenruhe finden konnte , wiedersah. Zwischendurch , noch in der Schweiz , las er Tolstois späte , « revolutionäre Schriften ».784 Nach einer kurzen Pause kamen die Ängste wieder hoch , und die Frage nach dem Bleiben oder « Fliehen » stellte sich ihm mit ihrer drückenden Schicksalhaftigkeit erneut. Ende Oktober machte er sich mit dem neuerschienenen Buch Leo Tolstoi. Gestalt und Problem von Käte Hamburger bekannt. Es war eine teilweise von Mereschkowski , Gorki und Thomas Mann beeinflusste philologische Studie. Er notierte , dass er an einem Abend darin gelesen hatte.785 Das war seine letzte Begegnung mit Tolstoi im Jahre 1950. Das Muster einer jährlichen Wiederkehr hatte sich eingespielt : Auch den nächsten Sommer und Frühherbst verbrachte Thomas Mann in Europa. Im September 1951, noch in der Schweiz , wandte er sich dem Spätwerk Tolstois zu : den Erzählungen Vater Sergius , Hadschi-Murad und Der Teufel. Die Letztere beeindruckte ihn tief.786 Wie Die Kreutzersonate , der Roman Auferstehung und indirekt auch Vater Sergius behandelte sie das Thema Geschlechterverhältnisse und Sexualität , das Tolstoi in jener Schaffensperiode beschäftigt hatte. Die Befriedigung der Fleischeslust – so lassen sich diese Werke deuten – führe zur moralischen Persönlichkeitszerstörung und ende mit physischem Mord bzw. Selbstmord. Einen Ausweg gäbe es allerdings , und zwar Erkenntnis der Schuld , Buße , Selbstkasteiung , Entsagen der sündhaften Lebensform und Flucht vor ihr. Etwas Vergleichbares : eine Auflösung ins Chaos , produziert durch ein Sich-GehenLassen , erlebte Thomas Manns Aschenbach. In einem vergleichbaren leidenden Entsagen – wegen seiner unbefriedigten homoerotischen Neigung – lebte Thomas Mann schon seit der frühesten Jugend selbst. Besonders stark fesselten ihn Tolstois Briefe an dessen guten Freund und Gesinnungsbruder Wladimir Tschertkow aus den Jahren 1883–1886. Ein Gardeoffizier aristokratischer Herkunft , hatte Tschertkow aus innerer Überzeugung den Dienst quittiert und sich auf sein Landgut zurückgezogen , um für das Wohl der Bauern zu leben. Der erste , am 24. Oktober 1951 niedergeschriebene Kommentar Thomas Manns zu den Briefen lautete : « Zum Teil kindisch , womit nicht die Ehrfurcht verletzt werden soll. »787 Zahlreiche Anstreichun1949–1952
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gen in seinem Privatexemplar zeugen von sehr intensiver Lektüre : Seit Anna Karenina im Jahre 1939 hatte er sich mit keinem Buch von Tolstoi so gründlich befasst. Was kann ihn an diesen Briefen , die auf dem Höhepunkt der geistigen Krise ihres Verfassers entstanden waren , so angeregt und mitgenommen haben ? War es – wie 1918, als er Tolstois Tagebücher las , und 1933 , bei der Wiederlektüre von Krieg und Frieden – der Einblick in die Schwächen des Ehrfurcht einflößenden großen Mannes ? Thomas Mann markierte mehrere Textabschnitte , in denen Tolstoi sich in dieser oder jener Form als schwach bzw. leidend bezeichnete : Klagen über körperliche Leiden , künstlerische Unproduktivität , Versagen im Kampf mit sich selbst. So beklagte sich Tolstoi beispielsweise im Brief vom 3. / 4. Juli 1885 über Schwäche. Die Sätze : « Ich leide am Magen und an der Leber » sowie « Fühle Müdigkeit und muß noch zehn Briefe schreiben » unterstrich Thomas Mann vollständig. Ähnliche Mitteilungen Tolstois über eine Lebererkrankung , über « Schmerzen mit Fieber » vom 24. Juli 1885 strich er ebenfalls an. Unterstrichen wurden auch die Sätze : « Ich bin innerlich zu erschöpft und zerrissen » im Brief vom 18. Dezember und « Ich verdiene es [ Mitleid ] von allen Seiten » , vom 25. Dezember 1885 datiert.788 Einen längeren Abschnitt aus dem Brief vom 17. Dezember desselben Jahres machte Thomas Mann am Buchrande kenntlich. Der Abschnitt enthält unter anderem folgende Zeilen : Ich bin sehr schlecht , schwach und niedergeschlagen. Das war auch der Inhalt meines Briefes. Kurz gesagt , ich kann und kann mich zu dem mich umgebenden Treiben , in dem ich leben muß , nicht sanft , liebevoll und darum ruhevoll verhalten. Und ich leide und zwinge die andern zu leiden , helfe ihnen nicht , bereue , und leide eben darum noch mehr. Und nichts arbeite ich , außer physischer Arbeit , und leide noch dadurch , daß ich nicht tue , was ich soll.789
Thomas Manns nächster Kommentar zu den Briefen Tolstois an Tschertkow lautete : « Frühe Fluchtgedanken. Ohnmacht , seine Daseinsform zu durchbrechen. Spricht von seiner heidnischen Natur , die mit Christi Lehre verkoppelt ist. Ungeheuer einsichtsvoll. »790 Er bezieht sich auf die folgende Stelle in Tolstois Brief vom 17. April 1885 : Ein schlimmes Aufstoßen ist mir nach unserem Gespräch geblieben. Ich weiß , daß Sie aufrichtig die Wahrheit suchen ; und darum ist mir das , daß wir untereinander nicht ei-
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Fluchtgedanken: Jasnaja Poljana und Pacific Palisades
nig sind … sehr schmerzlich. Ich bin schuld , ich mit meiner heidnischen Persönlichkeit , die zusammengebunden ist mit der Lehre Christi , habe sie verdunkelt.
Der letzte Satz wurde von Thomas Mann unterstrichen und mit einem Ausrufezeichen am Buchrande versehen. Er hob auch einen weiteren Satz im selben Abschnitt hervor , und zwar denjenigen , in dem Tolstoi seinen Briefkorrespondenten bittet , « den Stolz , die Eitelkeit , die bei mir mit der Lehre Christi verbunden sind und sie verdunkeln » , zu verzeihen.791 Vor dreißig Jahren hatte Thomas Mann – in der Nachfolge Mereschkowskis und Gorkis – geschrieben , dass die « Tolstoi’sche Größe und Einsamkeit urheidnisch-wilder Art » sei , «vor aller Gesittung gelegen ».792 Damals hatte er dieses Attribut ins Treffen geführt , um den « zivilisatorischen » Unterschied zwischen Tolstoi und Goethe zu begründen. An den Briefen an Tschertkow beeindruckte ihn die Einsicht , mit der Tolstoi seine innere Zerrissenheit erfasst und symbolhaft erklärt hatte. Dabei ging es nicht um « eine [ … ] organische Verbindung » von zwei Seelen , die in einer Brust wohnten , sondern um ihren qualvollen Kampf. Der Eindruck Thomas Manns harmoniert gewissermaßen mit dem Eindruck , welchen die Erzählung Der Teufel kurz zuvor auf ihn gemacht hat. Am nachfolgenden Tag , den 26. Oktober 1951, schrieb Thomas Mann einen dritten , längeren Kommentar zu den Briefen an Tschertkow nieder. Es waren im weitesten Sinne « schwache » Stellen , die ihm bei Tolstoi aufgefallen waren : « Oft schrecklicher Traktätchenstil » ; die Übertragung seines Eigentums , das er aus geistlicher Überzeugung abschaffen wollte , auf die Ehefrau , womit sie « in schwersten Sündenstand » versetzt wurde ; Hoffnung auf die Befreiung aus dem Lasterleben , das zu ändern er ohnmächtig ist , durch « [ d ]ie Revolutionäre , die ‹ die Welt ändern wollen ›». Thomas Mann resümierte : «‹ Naiv › genügt nicht ; es ist oft wirklich kindisch. Aber ich verstehe seine Freude an dem sprachlichen Fund ‹ Sweet rationality ›. »793 Es ist nicht unamüsant , dass Agnes Meyer , diese « Gräfin Tolstoi » von Thomas Mann , ihm auch schon einmal geschrieben hatte : « In Bezug auf alle Lebensfragen sind Sie , lieber Freund – verzeihen Sie – ein Kind. »794 Thomas Manns mythische Ehrfurcht vor Tolstoi sollte durch das « Kindische » , durch all die Ungereimtheiten und Abwegigkeiten , die dessen stets theoretisierender Geist produzierte , nicht verletzt werden. Die Wirkung der Briefe auf Thomas Mann muss darin gelegen haben , dass sie erneut – wie unter anderem das Jugendtagebuch – Tolstois Kampf mit sich selbst und sein neues Selbstzuchtprogramm veranschaulichten. 1949–1952
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Der eigentliche Inhalt der Briefe war das religiöse Projekt Tolstois ; die neue Kampfphase und das Selbstzuchtprogramm waren ihm untergeordnet. Der letzte Satz aus dem längeren Kommentar Thomas Manns bezieht sich auf die folgende Stelle aus dem Brief vom 9. Mai 1885, die er in seinem Exemplar kräftig angestrichen hat : « Den allgemeinen Charakter Christi und derjenigen , die seine Schüler sein wollen , bezeichnet er [ Matthew Arnold ] auch sehr schön mit dem Ausdruck sweet reasonableness. »795 In seinen unmittelbar vor den Briefen an Tschertkow entstandenen Religionsschriften : Eine Untersuchung der dogmatischen Theologie ( 1880 ), Zusammenführung und Übersetzung der vier Evangelien ( 1883 ), Worin besteht mein Glaube ( 1883 ) lehnte Tolstoi die gesamte metaphysische , dogmatische und rituelle Seite des Christentums ab und reduzierte es auf moralisch-ethische Lebensregeln. Thomas Mann wusste über diese Grundrichtung der Tolstoi’schen « Reformation » sehr wohl Bescheid , denn von ihr berichten fast alle Bücher über Tolstoi , die er gelesen hatte : mehrere Schriften von Mereschkowski , das biographische Werk von Birukof , die Studien von Robert Saitschik und Käte Hamburger. Er selbst hatte schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine religiöse Entsprechung seiner humanistischen Ideen in der Unitarischen Kirche von Amerika entdeckt. In der Zeit des cold war erreichte seine Sympathie mit deren angewandtem Christentum ihren Höhepunkt.796 So sprach er im März 1951 vor der Gemeinde in Los Angeles , dass er den Unitarismus ins Herz geschlossen habe und dass er immer geneigt war , « in der Religion etwas Weiteres und Breiteres , etwas in einem allgemeineren Sinne Moralisches und Ethisches zu erblicken als das , was sich in der Regel innerhalb der Grenzen irgendeines einzelnen Dogmas kundzutun vermag. »797 Thomas Manns religiöse Vorlieben standen also mit der Grundrichtung der Tolstoi’schen « Reformation » im Einklang. Es handelte sich bei ihnen ebenfalls um ein rational ausgelegtes , von der Kirchenüberlieferung losgelöstes , modernisiertes Christentum. Auch der englische Lyriker Matthew Arnold , dessen Ausdruck sweet reasonableness Tolstoi bewunderte , hatte ähnliche Ansichten vertreten. Er war ein engagierter Anhänger der Modernisierung der Kirche von England. Es ist gleichsam symbolisch , dass Thomas Mann Tolstois Freude über den sprachlichen Fund Arnolds so gut verstehen konnte. Das Substantiv reasonableness ersetzte er – wohl versehentlich – durch das schmalere Synonym rationality. Gegen Ende 1951 verband sich Thomas Manns Fluchtgedanke mit einem Todesgedanken. Im Tagebuch notierte er mehrmals , dass er in die Schweiz umsiedeln wolle , nicht um dort zu leben , sondern um dort zu sterben.798 Mitte 218
Fluchtgedanken: Jasnaja Poljana und Pacific Palisades
Dezember , zwei Monate nach der Lektüre der Briefe Tolstois , zog er eine Jahresbilanz. Ihre Ähnlichkeit mit bestimmten , von Thomas Mann markierten Passagen aus den Briefen scheint unverkennbar zu sein :
Thomas Mann , Tagebuch
Tolstoi , Briefe an Tschertkow
15. 12. 1951 : « Mein Glaube an meine
07. 06. 1885 : « Ich gehe in die Irre , wün-
zukünftige Leistungsfähigkeit ist gering.
sche den Tod herbei , Pläne kommen mir
Ich bin wütend über Anforderungen ,
in den Sinn , zu flüchten oder sogar mir
Belästigungen , zittere vor Erschöpfung ,
meine Lage zunutze zu machen und das
wenn ich ausnahmsweise gezwungen
ganze Leben umzudrehen. Alles beweist ,
war , ein Telephongespräch zu führen.
daß ich schwach und schlecht bin [ … ]. »
Das Lagernde an Briefen und Manus kripten beschwert mich mit Ekel und
10. 06. 1885 : « Ich führe schon etwa zwei
Verzweiflung. Meist graut mir vor allem.
Wochen ein schlimmes Leben. Nicht ,
Ich habe fast keine anderen als pein-
daß ich irgend etwas besonders Böses
liche Erinnerungen , und die Zukunft
täte. Aber die Kräfte lassen nach , dar-
scheint nur Versagen zu bergen. Mein
um arbeite ich nicht , was nötig wäre. Es
Leben scheint mir eines Umsturzes , wie
gehen mir verschiedene Pläne , was zu
er geplant ist , nicht mehr wert zu sein. »
schreiben wäre , im Kopf herum , doch zur Ausführung kommt es nicht. » 3. / 4. 07. 1885 : « Fühle Müdigkeit und muß noch zehn Briefe schreiben. » 28. 12. 1885 : « Ich möchte sehr gern arbeiten , aber nun fehlt schon so lange die Kraft. – »
23. 12. 1951 : « Oft aufsteigende Angst ,
18. 04. 1886 : « Meine Gemütsstimmung ist
daß ich nicht mehr schreiben kann ,
gut , und auch körperlich bin ich gesund ,
während der Körper verhältnismä-
schreiben aber will ich mit dem Verstand ,
ßig jugendlich aushält. Gräßliche und
nicht mit dem Herzen , und darum habe
zugleich komische Vorstellung. »799
ich in dieser Zeit nichts gemacht. »800
1949–1952
219
Der siebenundfünfzigjährige Autor von Anna Karenina hatte einen Konflikt mit den Angehörigen , die seine religiös-moralischen Grundsätze nicht verstanden. Die bisherige Lebensform als reicher Gutsbesitzer erschien ihm sündhaft und verwerflich. Aus dieser Überzeugung resultierten seine verzweifelten Fluchtgedanken. War es ein Zufall , dass die Jahresbilanz des sechsundsiebzigjährigen Thomas Mann einen Tolstoi’schen Tenor hatte ? Vielleicht wurde seine ohnehin triste Stimmung von der Lektüre dieser Briefpassagen latent mit beeinflusst ? Bei all ihrem Schwermut trugen die Briefe an Tschertkow einen Keim von Optimismus in sich. Tolstoi glaubte an das Gute im Menschen und an eine Annäherung an seine Familie. Die Sätze , aus denen das hervorging , wurden von Thomas Mann ebenfalls unterstrichen. So schrieb Tolstoi im Brief vom 24. Oktober 1885 über einen Bekannten , der meinte , die Menschen würden nicht so bald sittlich gut leben. Er , Tolstoi , glaube dagegen , « es werde bald sein. » Im Brief vom 31. Oktober 1885 berichtete er von seiner Absicht , nach Moskau zu reisen : Es falle ihm schwer , hinzufahren , aber er wolle « bei den Meinigen » sein. «Vielleicht erwarten mich dort Freuden » , heißt es weiter , « eine Annäherung von jemand aus meiner Familie an mich. Mir scheint , das ist und wird sein. »801 Jedenfalls hatte Tolstoi auch diese Krise überwunden und die – wie immer – kolossale Aufgabe : die Gründung einer geistlichen Gemeinde und Unterordnung seines Lebens unter ihre Grundsätze bewältigt. Im April 1952 fasste Thomas Mann in einem Satz alles zusammen , was ihn des seelischen Gleichgewichts beraubte : « Krise meines Lebens , zuweilen wie Auflösung wirkend , mir immer fühlbar. »802 Die innenpolitische Situation in den USA entspannte sich nicht. Die Welt balancierte nach wie vor am Rande eines großen Krieges. Polemische Angriffe auf Thomas Mann und ihm Gleichgesinnte hörten nicht auf. Seine Ängste verstärkten sich , und der Fluchtgedanke drängte zur Verwirklichung. In diesen nervlich sehr anspannenden letzten Monaten in Amerika lebte sein stärkender Tolstoi-Mythos mit neuer Kraft auf. Die Memoiren von Klaus Mann brachten ihn auf eine typische Reflexion über Gesundheit und Krankheit , Stärke und Schwäche. « Eine kranke Literaten-Existenz » , schrieb er über den Sohn , der vor drei Jahren Selbstmord begangen hatte , « angezogen von allem Faulen , was schon recht wäre , wenn es dabei auch einen Sinn für das Gesunde , Lebengesegnete , Heilvolle gäbe. Wo ist ein Interesse an Goethe , Tolstoi , kurz an der Kraft und irgendwelcher Erquickung durch sie ? »803 Thomas Mann projizierte die Konstellation , die sein Seelenle220
Fluchtgedanken: Jasnaja Poljana und Pacific Palisades
ben bestimmte , auf Leben und Tod seines Sohnes. Er , der Vater , rettete sich von der tödlichen Umarmung seiner Schwäche durch stärkende Mythen. Klaus Mann habe das seiner Ansicht nach nicht vermocht. Die nächste intensive Lektüre Tolstois begann im Sommer 1952, kurz vor Thomas Manns Abreise nach Europa und seinem endgültigen Scheiden von Amerika. Am 13. Juni notierte er : « Gestern Abend und noch vorm Einschlafen : Chadchi Murad. Das ist es ! Wie blicke ich auf ! Wie schäme ich [ mich ] der albernen ‹ Literaturpreise › ! » Hadschi-Murad gehörte zu den Werken , auf die er mehrfach zurückkam : Er hatte es 1918 bis 1919, in bedrückter und verwirrter Stimmung der Nachkriegszeit ; 1943 , einige Tage nach der Kapitulation der Wehrmacht bei Stalingrad und 1951, kurz vor der Rückkehr aus Europa in die USA gelesen. Diese Erzählung hat eine wahre Episode aus dem Krieg um die Eroberung des Kaukasus durch Russland zum Stoff : Hadschi-Murad , ein Führer der Bergvölker , lief 1851 zu den Russen über , nachdem er sich mit Schamil , dem noch mächtigeren geistlichen und weltlichen Führer , gestritten hatte. Im Vorwort erzählte Tolstoi , wie er , der Autor , einmal sich angeschickt hatte , eine Distel zu pflücken. Die Pflanze war so kräftig , dass er ganze fünf Minuten lang , Faser um Faser abreißend , mit ihr kämpfen musste. Das war der springende Punkt der Erzählung : Die Distel erinnerte ihn an Hadschi-Murad , der bis zum letzten Augenblick um sein Leben gekämpft hatte.804 Thomas Mann hatte schon immer ein sehr persönliches Faible für Symbole der Standhaftigkeit. Der heilige Sebastian war das Vorbild für Aschenbach im Tod in Venedig. Den standhaften Zinnsoldaten aus dem Märchen von Andersen nannte er – ein halbes Jahr vor seinem Tode – das Symbol seines Lebens.805 Vom Bild der widerstandsfähigen Distel muss er sich ebenfalls angesprochen gefühlt haben. Thomas Manns Bewunderung – « Das ist es ! » – galt jedoch nicht der Symbolik der Standhaftigkeit. Ein Brief an Albrecht Goes vom 16. Juni 1952 gibt eine genauere Auskunft über den Grund seiner Faszination für Hadschi-Murad. Er ging kurz auf das Buch ein , das der Briefadressat ihm zugeschickt hatte , und charakterisierte diesen als einen « Dichter , ganz und gar vom Gedicht und zum Gedicht erzogen. » Albrecht Goes’ Buch Krankenvisite sei hauchzarte Prosa , hieß es. Dann kam Thomas Mann auf allgemeinere Literaturfragen zu sprechen : Hold muß es sein , zu leben in dieser Sphäre [ Lyrik ], und robust bis zur Derbheit kommt man sich vor dabei als objektivierender Realist und Erzähler. Daß ich’s nur ge-
1949–1952
221
stehe : als das Höchst-Lebendige erscheint mir auch das Drama nicht , sondern die Erzählung , wo sie auf einen ihrer Gipfel kommt. Gerade habe ich wieder einmal ‹ Hadschi Murat › gelesen , wo das Erzählerische nun geradezu hypertrophiert. Ja , du mein Gott , eine Spitzmaus bin ich ja vor solchem Löwen. Da können die Akademien mir noch mehrere Weltpreise verleihen für meine Taten – ich weiß doch , was groß ist und was bestenfalls mittelgroß. Wir wollen nur alle ganz klein beisammensitzen und aufblicken ! 806
Thomas Manns vergleichender Exkurs in die Hauptgattungen der Dichtung : Lyrik , Epik und Drama legt nahe , was ihn an Hadschi-Murad so fasziniert hat : die erzählerische Kraft. Es handelt sich um die sprachliche Darstellung der sich überschlagenden Ereignisse. Angefangen bei der Flucht Hadschi-Murads zu den Russen bis hin zu seinem Tod im Gefecht , wechseln sie sich beinahe im Tempo eines Abenteuerromans ab. Ihr Hintergrund war die Kollision zweier Welten : einer europäischen und einer orientalischen. Als « objektivierender Realist und Erzähler » schilderte sie Tolstoi aus beiden Perspektiven. Bemerkenswert ist Thomas Manns ausdrückliche Herabstufung der eigenen Bedeutung als Schriftsteller. Eine Spitzmaus vor solchem Löwen hatte er sich bisher noch nie genannt. Am 14. Juni las er Hadschi-Murad zu Ende. Sein Schlusskommentar lautete : « Wundervoll. » Am nächsten Tag setzte er die Tolstoi-Lektüre mit Vater Sergius fort. « Auch unvergleichlich » , hieß es darüber im Tagebuch. Daran schließt sich ein Satz an , der das Wesen seines Tolstoi-Mythos wie kein anderer herausstellt : « Es gehen von Tolstoi die größten Kraftströme auf mich aus , von jeher. »807 In den nachfolgenden Tagen war die Erzählung Göttliches und Menschliches sein Lesestoff. Der 24. Juni 1952 war Thomas Manns letzter Tag in Pacific Palisades. Am 27. las er in New York noch etwas in Tolstois Kosaken. Vor fast auf den Tag genau dreizehn Jahren , ebenfalls in New York und kurz vor einer schicksalsschwangeren Reise in die Alte Welt , hatte ihn dieses Buch gestärkt. Ein Muster wiederholte sich. Am 29. Juni 1952 reisten die Manns nach Europa ab : Der Fluchtgedanke kam zu seiner Verwirklichung.
222
Fluchtgedanken: Jasnaja Poljana und Pacific Palisades
«Um ihn war Kälte» (1952–1955) Ich bin überzeugt , wenn es mir bestimmt sein sollte , ein hohes Alter zu erleben und meine Erzählung meine Jahre erreicht , ich werde als Greis von siebzig Jahren noch ganz ebenso unglaublich kindisch träumen wie jetzt , Träume von einer entzückenden Marie , die mich zahnlosen Greis liebgewinnt [ … ]. Leo Tolstoi , Lebensstufen808
Tolstoi reiste mit. Gleich im ersten , ausführlichen Tagebuchbericht Thomas Manns in Europa fällt sein Name. Eine Lektüre Tolstois vermeldet das Tagebuch auch an den zwei nachfolgenden Tagen.809 Am 12. Juli 1952 schrieb Thomas Mann einen Kommentar nieder : Las den Band Tolstoi zu Ende , worin ‹ Die Kosacken › das bei Weitem bedeutendste Stück. Rührend das entzückte Wohlgefallen an hübschen jungen Leuten – bei diesem ganz-und-gar Manne. Beschreibung des jüngeren Koselzow ( Wolodja ) in ‹ Sewastopol › , den ‹ man immer hätte ansehen mögen ›. Es ist Freude an der Natur. Diese nennt er wirklich einmal , summarisch , die ‹ Offenbarung alles Schönen und Guten › und begreift nicht , daß Menschen sich vor ihrem Angesicht schlecht benehmen mögen. Früher Einfluß Rousseaus ?810
Es handelte sich um die zwei Erzählungen über die Belagerung des russischen Sewastopol durch die Briten und Franzosen im Jahre 1855. Thomas Mann erkannte in ihnen die Charakteristika Tolstois wieder , die ihm vor fast fünfzig Jahren durch die Lektüre Mereschkowskis übermittelt worden waren. Das sind seine Größe als Schilderer des Körperlichen , die Freude an der Natur und der Einfluss Rousseaus. Diese Charakteristika bestimmten auch das Bild des russischen Dichters , das Thomas Mann in Goethe und Tolstoi geschaffen hatte. Anfang September nahm er diesen ersten Wegweiser in der Welt Tolstois und Dostojewskis erneut aus dem Regal und fand ihn « nicht mehr so packend ». Am 12. Juli , trug er noch ein : « Lese wieder Tschechow. Leichte Ware , verglichen mit dem großen Tolstoi. »811 223
Am 1. August schlug er die Lebensstufen wieder auf und las sie dann über mehrere Tage. Seine Bemerkung : « Las viel Tolstoi. Die ‹ Jugendjahre › neu für mich » ist unklar , denn der dritte Teil der Lebensstufen war ihm wohlbekannt. Davon zeugt die Tagebucheintragung vom 24. Februar 1943. 812 Nach der früheren Trilogie Tolstois , die autobiographische Züge hatte , beschäftigte sich Thomas Mann mit dessen autobiographischen Notizen. 1903 bis 1906 entstanden , bezogen sie sich – wie der erste Teil der Lebensstufen – auf Tolstois Kindheit. Einiges darin amüsierte ihn zunächst , dann konstatierte er bei seinem Meister « Greisenschwäche und Einfalt , vergeßliche Wiederholungen , dabei große Genauigkeit der Personal- und Naturerinnerungen. »813 Thomas Mann war nun der Phantomgefahr entflohen , die in Amerika über ihm gelastet hatte. Das Fluchtland war die Schweiz. Auf dem Rückweg von einem Urlaub in Österreich besuchte er kurz München und sah sich die Fundamente seines alten Hauses an , das niedergelegt worden war. Als Reaktion auf das Wiedersehen überkamen ihn Nervosität und Wehmut. Am ersten Tag in Zürich beklagte er sich über die « Sehnsucht nach eigenem Refugium » und « Sorge um die Zukunft. » Noch einige Tage danach schrieb er : « Gestern Abend wieder viel über die vorläufig unlösbare Frage unserer Rückkehr oder NichtRückkehr , Erikas Lage , die zu protestierendem Außenbleiben auffordert , die Schwierigkeit des Hausverkaufs und unserer Installierung hier etc. – Sorge , Unsicherheit , Unruhe. »814 Und so begann die Suche nach dem neuen Stabilitätssymbol – dem Refugium – , begleitet von depressiven Zuständen , Ängsten und Zweifeln an der Richtigkeit der geplanten Veränderung. Hinzu kamen diverse körperliche Beschwerden. Über all das liefert das Tagebuch , wie gewöhnlich , einen detaillierten Bericht. Ende Oktober war die Suche von Erfolg gekrönt : Die Manns mieteten die oberen Stockwerke eines Hauses in Erlenbach bei Zürich. Am Heiligabend 1952 zogen sie in das neue Refugium ein. Nach der Beendigung des Erwählten im Oktober 1951 nahm Thomas Mann Anfang 1952 die Arbeit am Hochstapler-Roman wieder auf. Sie wurde jedoch bald wegen eines neuen Projektes , der Novelle Die Betrogene , unterbrochen. Die Arbeit daran begann im Mai 1952 und dauerte zehn Monate. In diesen Zeitraum fällt die intensive Lektüre von Hadschi-Murad , Vater Sergius , Kosaken und Lebensstufen. Thomas Manns neu erwachtes Interesse für die Lebensstufen und Tolstois späte Kindheitserinnerungen hängt höchstwahrscheinlich mit dem Motiv der Jugend in der Betrogenen zusammen. Indirekt wird das durch 224
«Um ihn war Kälte»
seine anschließende Lektüre des Jüngling von Dostojewski – der Titel spricht für sich – bestätigt. Auch die bereits zitierte , etwas unklare Tagebuchäußerung enthält vermutlich einen Hinweis auf den angewandten Charakter der Wiederlektüre von Lebensstufen : « Die ‹ Jugendjahre › neu für mich » , heißt es. « Etwas Einsicht in das Material der Novelle. »815 Da im Original zwischen den beiden Sätzen kein Gedankenstrich steht , ist es denkbar , dass Thomas Mann die « Einsicht » durch die Erzählung Tolstois bekommen hat. Anscheinend suchte er bei Tolstoi und Dostojewski nach Anregungen für die Figuren Eduard von Tümmler und Ken Keaton. Eine unübersehbare Tolstoi-Reminiszenz in der Betrogenen hängt mit Krieg und Frieden zusammen. Die Episode , auf die Thomas Mann zurückgeblickt hat , spielte im ersten und dritten Kapitel des dritten Teils , Band zwei , des Tolstoi’schen Romanes. Fürst Andrej Bolkonski war unterwegs zu einem Landgut. Es war Frühling , die Natur blühte auf. Nur eine alte Eiche stand kahl da. Sie erschien Bolkonski wie ein Symbol seines Daseins : Mit seinen dreißig Jahren fühlte er sich alt und verbraucht. Auf dem Rückwege sollte er sehen , dass auch sie mit frischem Laub bedeckt war. Die Betrogene , Frau Rosalie von Tümmler , war « eine große Naturfreundin » und hatte in einem Winkel des Hofgartens « einen Freund » – einen Eichbaum. Ein Textvergleich macht deutlich , dass es sich um eine Tolstoi-Reminiszenz handelt :
Krieg und Frieden
Die Betrogene
«‹ Die Birke , der Faulbaum , die Erle
« Es war ein alter , einzeln stehender
haben schon Blätter , aber von der Eiche
Eichbaum , knorrig , verkrüppelt , mit
ist noch nichts zu merken … ach , da
zum Teil bloßliegenden Wurzeln , einem
ist sie auch ! › / Am Rande des Weges
gedrungenen Stamm , der sich schon
stand eine Eiche , die wohl zehnmal
in geringer Höhe in knotige Äste teil-
älter sein mochte , als die Birken , aus
te , dicke und davon abzweigende dünne.
denen der Wald bestand. [ … ] Nur sie
Der Stamm war hohl da und dort , mit
und die starren , immergrünen , im Wal-
Zement plombiert , – die Parkverwal-
de verstreuten kleinen Fichten wollten
tung tat etwas für den hundertjährigen
sich dem Zauber des Frühlings nicht
Burschen ; aber mancher Ast war schon
unterwerfen und schienen weder den
abgestorben und brachte kein Laub
Lenz noch die Sonne zu sehen. [ … ]
mehr zustande , sondern griff kahl und
1952–1955
225
‹ Ja , sie hat recht , tausendmal recht , die-
verkrümmt in die Luft ; andere dage-
se Eiche ! › dachte Fürst Andrej. ‹ Mag
gen , einzelne nur , aber bis hoch hinauf ,
sich die Jugend solchen Täuschungen
begrünten im Frühling sich noch mit den
hingeben , wir aber kennen das Leben –
immer heiliggehaltenen , zackig gebuch-
unser Leben ist aus ! › [ … ] ‹ Hier in die-
teten Blättern , aus denen man Sieges-
sem Walde stand die Eiche , die meine
kränze flicht. Rosalie sah das gar zu gern ,
Gedanken hatte. Wo ist sie denn ? › dach-
verfolgte um die Zeit ihres Geburtstags
te Fürst Andrej , indem er auf die lin-
das Keimen , Sprießen und Sichentfalten
ke Seite des Weges sah und die Eiche
des Laubes an den Zweigen und Zwei-
nicht erkannte , die ganz verändert , wie
glein des Baumes , zu denen noch Leben
ein Zelt sich ausbreitete und sich mit
drang , teilnehmend von Tag zu Tag. »817
dem saftigen , dunkelgrünen Laube behaglich im Abendsonnenschein dehnte. »816
Es war kaum zu glauben , steht weiter in Krieg und Frieden , dass « d ie Greisin » diese jungen Triebe hervorgebracht hatte. Das Motiv der durchschlagenden Gefühle leitet im Grunde die gesamte Entwicklung der Novelle über die Betrogene. Mit « wackerer Alter » wendet sich Rosalie an den Eichbaum und bewundert seine Vitalität. Das Leben des Fürsten Andrej war doch noch nicht aus : Er verlobte sich mit der jungen Natascha Rostow. Auch er wurde dann vom Leben betrogen , als sie schon nach der Verlobung Hals über Kopf dem primitiven Schönling Kuragin verfiel. Verzeihung und Verklärung kamen , als Bolkonski , im Krieg verwundet , von Natascha gepflegt und in den Tod begleitet wurde. Rosalie von Tümmler starb sanft , versöhnt mit der Natur , von der sie betrogen worden war. Diese tiefgründige Tolstoi-Reminiszenz erweckt den Eindruck , als habe Krieg und Frieden bei der Erzählung Thomas Manns Pate gestanden. Als in Erlenbach die Möbel aus Kalifornien eintrafen , ordnete Thomas Mann seinen Schreibtisch nach dem alten Muster. Das Wiedersehen gewohnter Gegenstände versetzte ihn in eine freudige Erregung. Aber auf Dauer brachte das neue Refugium keine ersehnte Stabilität. Am 1. März 1953 beklagte sich Thomas Mann über « [ d ]auerndes Heimweh nach dem Hause drüben. » Am 12. März notierte er :
226
«Um ihn war Kälte»
Abends mit K.[ atia ] über die Frage , ob wir recht getan , Californien zu verlassen. Eine meiner Kommodenschubladen gefüllt mit Photographien , die ich in meinem gegenwärtigen Nervenzustand nicht ansehen kann , ohne daß sich mir das Herz zusammenkrampft. Wohl unvernünftig. Das Haus war so ganz das meine. Dies hier mag ich nicht.818
Ähnliche melancholische Tagebuchäußerungen wechseln sich weiterhin mit skeptischen und beängstigten Notaten über die Verhältnisse in den USA ab. Eine Illusion der Kontinuität , die ihm ein gewohntes Alltagsmuster spendete , hatte immer ihre Macht über sein Lebensgefühl. Die politischen Gefahren , die ihn angeblich bedroht und zur Flucht gezwungen hatten , sah er nunmehr wie im weiten. Im April kehrte er mit Unlust und hauptsächlich aus Selbstdisziplin zum Hochstapler-Roman zurück. Auch in diesem Werk ist die Präsenz der russischen Literatur spürbar. Eine wichtige Anregung kam von Gogols klassischer Betrüger-Epopöe Die Toten Seelen und dem Revisor , der Komödie über einen Hochstapler per Zufall. Deutlich sind Tschechow’sche Intonationen zu vernehmen. So erinnert die Episode der Auszeichnung Krulls mit dem Orden des Roten Löwen an die Erzählung Der Löwen- und Sonnenorden. Tschechows humoristische Geschichten hatte Thomas Mann in seiner Privatbibliothek. Die Toten Seelen las er zuletzt im September-Oktober 1952 wieder.819 Eitler Stolz , mit dem Krull von der königlichen Auszeichnung berichtet , war seinem Schöpfer keinesfalls fremd. Im Gegensatz zum falschen Marquis , den sie regelrecht überraschte , hatte sich der Dichter um einen Orden bemüht. Das Bemühen war pragmatisch motiviert : Er hatte sich durch den Orden der Ehrenlegion eine gewisse Immunität in Amerika erhofft. Die Eitelkeit war jedoch wohl kein geringeres Motiv. Das Tagebuch informiert über die angespannte Erwartung der Nachricht aus Paris , dann über die Freude , nach welcher den Dichter verlangt hat. Das bestätigende Schreiben des französichen Außenministeriums wird im Original zitiert , die Aufmachung des Briefumschlages findet ebenfalls Erwähnung. Die Rosette der Légion d’Honneur wollte getragen werden.820 Thomas Mann parodierte in gewisser Weise sich selbst , indem er Felix Krull seine eigenen , aber operettenhaft verkleideten Gefühle eingab. Dasselbe gilt der Idee Krulls , eine Audienz beim Papst zu erbitten.821 Eine andere Episode zeigt Thomas Manns Art , Gelesenes zu absorbieren. Auch darin ähnelt er seiner Hochstapler-Figur , die einmal meinte : « Wohl ent1952–1955
227
ging mir nichts , wohl nahm ich inständig prüfend jede Einzelheit in mich. »822 Im Zug nach Lissabon träumte Krull im Halbschlaf , dass er auf einem Tapir reite , der ihn vor den Augen der reizenden Zouzou abwerfe. Das Mädchen breche daraufhin in helles Gelächter aus. Dieses im Traum passierende Malheur kann von einer Episode aus dem dritten Kapitel des zweiten Teils von Stendhals Rot und Schwarz inspiriert worden sein : Julien Sorel erzählt in der Gesellschaft , wie er kürzlich mitten auf der Straße vom Pferde gefallen sei. Die junge Mathilde de la Mole versucht dabei vergeblich , ein schallendes Lachen zu unterdrücken. Den Roman Stendhals erwähnte Thomas Mann anerkennend am 4. Januar 1953 im Tagebuch.823 Die späten Teile der Krull-Memoiren entstanden nicht ohne « Unterstützung » durch die Lebensstufen , Tolstois Jugendwerk , dessen Hauptfiguren junge Menschen waren. So klingt Felix Krulls auf Zouzou bezogener Liebestraum wie eine parodistische Verwirklichung der Schwärmereien von Nikolai Irtenjew. Die beiden Jünglinge waren Träumer und hatten zudem noch eine gemeinsame Schwäche für entblößte Arme :
Lebensstufen
Felix Krull
« Und da erschien sie mit einem lan-
« Sie trug ein schlichtes weißes Lei-
gen schwarzen Zopf , mit voller Brust ,
nenkleid mit Ledergürtel und kur-
immer traurig und schön , mit entblöß-
zen Ärmeln , die ihre süßen Arme fast
ten Armen , mit wonnigen Umarmungen.
ganz frei ließen , – Arme , die an Zau-
Sie liebte mich. Ich gab für einen Augen-
ber für mich noch gewannen , wenn
blick ihrer Liebe mein ganzes Leben hin.
sie sie bog und mit beiden Händen
[ … ] Der herrliche Glanz des Teiches ,
an dem goldenen Schlänglein nestel-
der gleichmäßig wie ein Ton anwuchs ,
te , das ihr als Haarschmuck diente.
wurde lichter und lichter , die Schatten
[ … ] Wie sollten wohl die sechs , sieben
wurden schwärzer und schwärzer , die
Tage , die mir bis zu meiner Einschif-
Welt durchsichtiger , immer durchsichti-
fung blieben , hinreichen , um es unter
ger , und wenn ich hineinblickte und hin-
den sprödesten Umständen zum ers-
einhorchte in all dies , sagte mir etwas ,
ten Kuß auf diese Lippen , auf einen die-
daß sie mit den entblößten Armen und
ser köstlichen Arme ( mit dem urzeitli-
den feurigen Umarmungen noch lan-
chen Knochengerüst ) zu bringen ? »825
ge nicht alle Glückseligkeit sei [ … ]. »824
228
«Um ihn war Kälte»
Tolstoi und Thomas Mann hatten mindestens einen gemeinsamen Wesenszug : den Narzissmus. Tolstoi versah damit Nikolai Irtenjew , Thomas Mann den Hochstapler Felix Krull. Eine der narzisstischen Reflexionen Krulls wirkt wie eine Parodie auf die Selbstbespiegelung Irtenjews. Dieser fand seine Gesichtszüge fade und ausdruckslos :
Lebensstufen
Felix Krull
« Sogar das Vornehme fehlte ganz.
« Gewiß ist der Frack meiner Figur , die
Ja , mein Gesicht war vielmehr wie
ich Papa verdanke , von Vorteil. Gleich-
das eines gewöhnlichen Bauern , und
wohl wißt Ihr so gut wie ich , daß an mir ,
ebenso waren meine Füße und Hän-
mit meinen Borsdorfer Apfelbacken und
de groß , und das erschien mir damals
Schlitz-äugelchen , die ich nie ohne Ver-
als eine große Schande. »826
druß im Spiegel betrachten kann , nichts Mythologisches zu entdecken ist. »827
In einem Brief an die Eltern des echten Marquis Venosta zeichnete der falsche Marquis – Felix Krull – ein verbales Porträt ihres Sohnes. Er selbst war ein adonisartiger Schönling , Venosta dagegen – nicht sonderlich hübsch. Er hatte nämlich leicht « asiatische » Gesichtszüge – ganz wie Clawdia Chauchat , Pribislav Hippe und Leo Tolstoi , der vor mehr als drei Jahrzehnten schon mal für die « slavische Mongolei » gestanden hatte. Bei diesem parodistischen Streich war Thomas Mann wohl ganz in dem Element , das er das seine nannte : in der « heitere[ n ] Ambiguität. »828 In seinem Privatexemplar der Lebensstufen ist ein Abschnitt angestrichen. Er lautet : « Ich bin überzeugt , wenn es mir bestimmt sein sollte , ein hohes Alter zu erleben und meine Erzählung meine Jahre erreicht , ich werde als Greis von siebzig Jahren noch ganz ebenso unglaublich kindisch träumen wie jetzt , Träume von einer entzückenden Marie , die mich zahnlosen Greis liebgewinnt [ … ]. »829 Als « Greis » von achtundsiebzig Jahren schuf Thomas Mann mit der Figur des Lord Kilmarnock ein Selbstporträt. Er sollte versuchen , des Dichters Träume zu verwirklichen , indem er Felix Krull eine Stellung als sein Kammerdiener anbot. « [ D ]er Wunsch eines einsamen Herzens » ging nicht in Erfüllung : Mit höflicher Kälte des Weltmannes lehnte der Umworbene ab. Die 1952–1955
229
Episode hat sich nicht zu einer Liebesgeschichte aus « dem Bereich des Verbotenen und Tödlichen » entwickelt : Der einsame Lord reiste beizeiten und allein zu seinem schottischen Refugium ab.830 Das Wohnen im ungeliebten Haus bedrückte Thomas Mann zusehends. Eng und wenig komfortabel , hielt es keinen Vergleich mit dem kalifornischen Anwesen aus. Vor allem war es kein eigenes Refugium. Ende August 1953 wurde ein Rettungsprojekt reif : Es sollte gebaut werden. Begeistert ließ er im Tagebuch seiner Fantasie freien Lauf : « Ein geräumiges Wohnzimmer ! Ein Arbeitszimmer mit Platz für ein Sofa ! Ein eigenes Bad bei meinem Zimmer ! » Einen neuen Grund zur Depression gab allerdings gleich die mangelhafte Übereinstimmung der finanziellen Mittel mit den Ansprüchen.831 Das Thema Geld – auch sonst von Thomas Mann nicht vernachlässigt – rückte in den nächsten Monaten in den Mittelpunkt seiner Aufzeichnungen. Parallel wurde nach Ort und Grundstück gesucht. In diesem Dunstkreis vollendete er im Dezember 1953 das Dritte Buch des Felix-Krull-Romans. Im Januar 1954 wurde das passende Objekt in Kilchberg gefunden und gekauft. « Unser 5. Haus » , hieß es im Tagebuch , « dieses nicht selbst gebaut. Besitzergefühl doch angenehm. Möge Segen ruhen auf dem Lebensschritt ! »832 Thomas Mann fühlte sich zum erstenmal seit dem Kriegsende einigermaßen erleichtert : Die Ängste um seine Sicherheit konnte er allmählig abbauen ; das neue , eigene Domizil machte ihm Freude. Seine stabilisierende Konstruktion blieb bestehen : Er setzte sich unverändert für den Weltfrieden ein ; in der Öffentlichkeit kritisierte er vorsichtig den Westen und verteidigte diplomatisch den Osten , im Privaten regte er sich über die Hardliner auf und wünschte Senator McCarthy Tod und Verderben. Das politische Geschehen verfolgte er zwar nach wie vor interessiert , aber nicht mehr so intensiv wie früher. Andere Momente gewannen schleichend an Gewicht , und zwar der Gedanke an die Lebensbilanz und die Sorge um seine künstlerische Produktivität. Am 10. April 1954 schrieb er auf : « Leider beherrscht mich oft große Nervosität , Erregung , inneres Zittern. Zuviel dringt auf mich ein. » Am 4. Juni , zwei Tage vor seinem 79. Geburtstag , bilanzierte er : Meine Gedanken sind rückwärts gewandt und richten sich vorwärts auf makabre und zweifelhafte Feierlichkeiten. Freuen könnte ich mich nur auf neues u. verheißungsvolles Werk-Unternehmen. Aber wo ist es ? Ich leide sehr , weiß auch , daß ich falsch lebe :
230
«Um ihn war Kälte»
Der Kaffee nach dem Aufstehen , das Rauchen. Möge noch einmal Mut und Hoffnung über mich kommen !
An seinem Geburtstag , bei fortdauernder melancholischer Stimmung , fragte er sich : « Wie werde ich das anbrechende Jahr einigermaßen produktiv verbringen ? »833 Seine nächste Hinwendung zu Tolstoi hing mit einer Auftragsarbeit für den Turiner Verleger Giulio Einaudi zusammen. Im Frühjahr 1954 bat er Thomas Mann um das Vorwort für eine Sammlung von Briefen der Widerstandskämpfer , die dem NS-Regime zum Opfer gefallen waren. Das Material erinnerte ihn an Tolstois späte Erzählung Göttliches und Menschliches , die er auch gleich wiederlas. Im Tagebuch erwähnte er eine « Tolstoi-Lektüre , stärkend wie immer. »834 Eine oberflächliche Ähnlichkeit lag nahe : Die Hauptfigur der Erzählung , ein junger Mann namens Anatolij Swetlogub , wurde wegen politischen Terrorismus zur Todesstrafe verurteilt. Sein Abschiedsbrief an die Mutter war mit den Briefen der todgeweihten Widerstandskämpfer stimmungs- und geistesverwandt. « [ D ]urch die mächtige Sympathie und Seelenkunde des Dichters » , schrieb Thomas Mann im Vorwort , würden dem Leser die Gefühle des zum Tode Verurteilten « zur eigenen Erfahrung , und zum Erstaunen ist es , wieviel von seinen [ Tolstois ] Intuitionen sich in den Dokumenten der Wirklichkeit wiederfindet , die hier vorgelegt werden. » An einem anderen Ort bewunderte er nochmals die Dichtung , welche die Wahrheit so ergreifend hatte vorausahnen können.835 Die Ähnlichkeit der Vorlage mit der Erzählung Tolstois beschränkte sich auf den Abschiedsbrief Swetlogubs allein. Thomas Mann verwendete sie zur rhetorischen Unterstützung seines Aufsatzes , wobei auch seine Ehrerbietung für den großen Meister nicht zu kurz kam. Die für Tolstoi primär wichtigen religiösen und rechtlichen Inhalte sowie den Unterschied der historischen Hintergründe ließ er unbeachtet. In vergleichbarer , angewandter Weise setzte er Tolstois Dichterpersönlichkeit im Essay über Tschechow ein. Noch im März 1954, fast gleichzeitig mit der Anfrage Einaudis , schlug ihm ein Mitarbeiter der Sowjetgesandtschaft vor , etwas zum 50. Todestag von Tschechow zu schreiben. Thomas Mann beschäfigte sich damit im Sommer 1954, unter anderem las er Tschechows Erzählungen wieder. Eine langweilige Geschichte mit ihrer « tiefe[ n ] Melancholie » – die IchErzählung eines zweiundsechzigjährigen Professors , die Tschechow mit neun1952–1955
231
undzwanzig Jahren geschrieben hatte , – traf seine aktuelle Grundstimmung. Die Bauern fand er « um nichts schlechter als Tolstoi. »836 Das Essay war Ende Juli abgeschlossen. Thomas Mann begründete seine ursprüngliche Beziehung zum Werk Tschechows über einen Vergleich mit Tolstoi : Sein Interesse für den Lebensweg des russischen Novellisten habe erst mit den Jahren zugenommen , da er in seiner Jugend vor allem für das große , epische Werk fasziniert gewesen sei. Dessen Vollbringer , insbesondere Tolstoi , habe er vergöttert. Tschechow , « ein Mann der kleinen Form » , hatte unmerklich im Schatten des Riesen gestanden.837 Thomas Mann lernte ihn erst im « späteren Leben » schätzen. Die Konturen seines Tschechow-Bildes zeichnete er im Essay ebenfalls mit Rückblick auf den Autor von Anna Karenina , genauer gesagt , auf seinen Tolstoi-Mythos. Nach Thomas Mann war Tschechow , einerseits , ein Schriftsteller , der sein eigenes Talent unterbewertete und mit einem « Weisen und Propheten » vom Schlage Tolstois absolut nichts gemein hatte. Offiziell zollte er « dem Gewaltigen von Jasnaja Poljana » , dieser « erdrückenden Persönlichkeit » , die freundlich-nachsichtig auf ihn hinabblickte , « pflichtschuldige Ehrerbietung ». Andererseits , in Briefen an Dritte rebellierte Tschechow gegen Tolstois Prophetentum und seine geistlichen Experimente. Als Mann kleinbürgerlicher Herkunft und ausgebildeter Arzt kannte er die Kehrseite des Lebens. Hinter Tolstois « Einfachwerdung » ahnte er – wie Dostojewski und Mereschkowski – die Koketterie eines sich langweilenden , narzisstischen Aristokraten. « [ D ]ie Verachtung von Kultur und Fortschritt , welche die Größe sich erlaubte » , schreibt Thomas Mann , « erschien ihm recht eigentlich als reaktionäres Gefackel. »838 Zwei Eigenschaften konturierten also Thomas Manns Tschechow-Bild : Bescheidenheit , die sich unter anderem in persönlicher Ehrerbietung für Tolstoi äußerte , und innere Souverenität , die in einer begründeten Rebellion gegen dessen Sinnesart sichtbar wurde. Der Gewaltige , die erdrückende Persönlichkeit , die Größe – das waren Bezeichnungen aus dem Bereich des Mannschen Tolstoi-Mythos. Thomas Mann schien mit dem Versuch über Tschechow zufrieden zu sein. Obgleich das Essay nur rund fünfundzwanzig Druckseiten zählte , wollte er in ihm – wohl aus Sehnsucht nach einem Werk-Unternehmen – einen kleinen Roman sehen.839 Ein weiteres positives Erlebnis war die Reise nach Köln und Düsseldorf Ende August 1954, die er gut durchgestanden hatte. Trotz alledem konnte er die plagenden Sorgen um seine Leistungsfähigkeit nicht verbannen. 232
«Um ihn war Kälte»
Am 6. September notierte er : « Spannte viele weiße Blätter ein zum Schreiben , was eigentlich das Ergebnis des Vormittags war. Scham , Kummer , Müdigkeit. Bin ich wirklich am Ende ? »840 Einen weiteren Grund zur Besorgnis lieferte , wie sonst so häufig , die Politik : die Realien des Kalten Krieges. Der Einladung , im nächsten Jahr zu den Schiller-Festlichkeiten nach Stuttgart zu kommen , folgte die Einladung aus der DDR . « Bereit zur Absage an Weimar , wenn die verschärfte politische Lage es will » , notierte Thomas Mann am 3. Dezember 1954. « Nicht die geringste Lust , mir in der Sphäre , der ich angehöre , das Leben zu verderben und den Geburtstag. » Die Einladung nach Weimar nahm er schließlich doch an. Ihre politischen Hintergründe sorgten aber noch über Monate für Stress , Unruhe und Depression.841 Winter und Frühling des Jahres 1955 waren durch Lektüre russischer Autoren gekennzeichnet : Dostojewski , Turgenjew ,842 Tolstoi und Tschechow. Von den beiden Letzteren las Thomas Mann – untypischerweise – Theaterstücke. So beschäftigte er sich vom 13. bis zum 19. März mit Macht der Finsternis ( 1886 ), Tolstois trostlosem Drama aus dem Bauernleben. Sein Kommentar lautete : « Düsterster Naturalismus mit ‹ beiseite › und Monologen. »843 Der lebende Leichnam ( 1905 ) – ein moralisistisch-sozialkritisches Stück – blieb unkommentiert. Ein weiteres Spätwerk Tolstois , Und das Licht scheinet in der Finsternis , erregte dagegen seine ganze Aufmerksamkeit. Die Hauptfigur dieses unvollendeten Dramas , Nikolai Saryntzow , predigte in der Welt Güte und Gerechtigkeit , wie sie in der moralisch-ethischen Lehre Tolstois verstanden wurden , – und scheiterte an der Brutalität des Lebens. « Fesselnd durch das Persönliche » , notierte Thomas Mann am 29. März. Am 1. April hieß es : « Tolstois unvernünftiges Martyrium , soweit es ausgeführt , zu Ende gelesen. Wahrhaftig und tragisch. »844 Kampf und Leiden des Gewaltigen – diesmal ins Dramatische umgesetzt – beeindruckten ihn , wie immer. Ende April 1955 erreichten Thomas Mann , eine nach der anderen , drei Todesnachrichten : Zwei seiner Generationsgenossen , Albert Einstein und Alfred Polgar , sowie ein guter Freund aus der nächsten Generation , Martin Gumpert , waren gestorben. « Befinde mich sehr angegriffen und übel » , schrieb Mann am 25. April auf. « Wann ereilt es mich – noch vor dem Geburtstag ? oder bald nachher ? »845
1952–1955
233
Am 7. Mai trat er seine letzte Deutschland-Reise an. Im Telegrammstil berichtete er nachträglich vom triumphalen Empfang , der ihm in Stuttgart , Weimar und Lübeck zuteil geworden war.846 Aus Travemünde schrieb er am 20. Mai an den ostdeutschen Literaten Walter Rilla ausführlich über dessen Roman Saat der Zeit. Die recht kritische , wenn auch freundschaftlich-warme Beurteilung schloss ein hohes Lob – ein indirekter Vergleich mit Tolstoi – ab. « Hervorheben wollte ich noch » , meinte der Maître , « daß es Ihnen gelungen ist , den so häufig geschilderten Vorgang der Geburt – ich denke vor allem an Tolstois unübertreffliche Darstellung in Anna Karenina – neu und einmalig zu sehen [ … ]. »847 Es ereilte ihn nach dem Geburtstag. Etwa zweieinhalb Monate vor seinem Tode , Ende Mai 1955, verließ er Deutschland , geschmückt von neuen Ehren und Titeln. Er war müde und nervös. Konnte er sich nun in seinem Lande « gekannt und geliebt » fühlen ? Oder war um ihn immer nur andächtige Kälte ? Am Schluss der Tolstoi’schen Kosaken kehrt Olenin vom Kosakendorf zu seinem Regiment zurück. Der alte Onkel Jeroschka drückt ihn zum Abschied an die Brust und lässt Tränen fließen. Marjana , in die Olenin unglücklich verliebt ist , verneigt sich kurz. Der Wagen fährt ab , Jeroschka schreit : « Leb wohl ! Ich werde dein gedenken ! » Olenin blickt alsdann noch einmal zurück und sieht , wie Jeroschka und Marjana sich schon über ihre eigenen Angelegenheiten unterhalten , ohne dem Wagen nachzuschauen.848 Dürfte es Thomas Mann beim Verlassen seines Landes vielleicht wie Olenin gegangen sein ? Noch triumphaler waren die Feierlichkeiten in Zürich anlässlich seines 80. Jubiläums im Juni 1955. Die internationale Resonanz reichte beinahe an das Jubiläum des Propheten von Jasnaja Poljana im Jahre 1908. Nachdem alles überstanden worden war , räumte der Jubilar resigniert ein : Sein Leben löse sich auf eine solemne Art und Weise auf. Und er habe das Gefühl , dass er nicht mehr zu arbeiten wisse , nicht mehr dazu zurückfinde.849 In der provisorischen Münchener Wohnung fiel auf dem Sekretär des Dreiundzwanzigjährigen ein bekränztes Porträt von Tolstoi auf. Im letzten Domizil des Literaturfürsten in Kilchberg stand auf dem Arbeitstisch eine silberne Plakette – Geschenk Ernst Bertrams – , die den alten Tolstoi zeigte. So schließt sich der Kreis. Tolstoi war ein ewiger Gefährte dieses Künstlerlebens , das von einer Sehnsucht nach Treue und Dauer bestimmt wurde. Je nach aktuellem Bedarf wurden ihm verschiedene Rollen zugedacht : Thomas Mann engagierte ihn meist recht willkürlich – mal als « Protagonisten » , mal als « Anta234
«Um ihn war Kälte»
gonisten » – zur Begründung seiner Ansichten und geistigen Konstruktionen. Zuweilen – wie im Josephsroman – polemisierte er implizit und ironisch mit Tolstois todernst gemeinten theoretischen Auslegungen. Manchmal – wie in Doktor Faustus – forderte er ihn diskret zu einem versteckten Dialog heraus. Oder er trat in seine Fußstapfen , indem er seine Gedankengänge verfolgte , um sie dann in eine andere – seine eigene – Richtung zu lenken. Der Mythos Tolstoi , der um die Jahrhundertwende beinahe weltweit kultiviert wurde : Die Ausstrahlung dieser Künstler- und Denkerpersönlichkeit , blieb bei Thomas Mann konstant. Rainer Maria Rilke schrieb über Tolstoi : Wir sprachen von mancherlei Dingen : von der Landschaft , die uns umgab , von Rußland , vom Tod … Da er russisch redete und sich mit Lebhaftigkeit ausdrückte , verstand ich nicht immer alle seine Worte. Aber alles , was er sagte hatte einen Akzent elementarer Mächtigkeit , einen Ausdruck von Kraft und Majestät. Von der Seite betrachtete ich manchmal das breite Gesicht mit den vorspringenden Backenknochen , mit den gewaltigen Ohren unter den weißen , im Winde flatternden Flechten , mit den geweiteten Nasenflügeln , die den Frühling mit einer Art Sinnlichkeit einsogen. In seiner Bauernbluse schritt er aus , der lange Bart wehte , seine Bewegungen waren weitausgreifend wie bei einem Propheten , aber der Blick war scharf und furchtbar gegenwärtig. Dies ist das Bild , das mir von ihm geblieben ist , und das war mehr als seine Worte.850
Das ist das Bild , das auch Thomas Mann von Tolstoi geblieben ist , obwohl er nie in Jasnaja Poljana gewesen war.
1952–1955
235
Dank Mein herzlicher Dank gilt meinen Kolleginnen Maren Ermisch , Kerstin Klein , Astrid Roffmann und Nicole Werner , die mich in vielfacher Art bei der Arbeit an diesem Buch unterstützt haben. Annalisa Viviani , Ingaburgh Klatt und Manfred Dierks danke ich für wichtige fachliche und praktische Hinweise. Ohne die freundliche Hilfe von Gabriele Hollender , Katrin Bedenig und Rolf Bolt im Thomas-Mann-Archiv ( Zürich ) hätte ich einige Quellen nicht auswerten können , daher danke ich ihnen für dieses Engagement. Die Drucklegung des Buches wurde schließlich durch die finanzielle Unterstützung der Bluhme-undJebsen-Stiftung sowie der Reinhold-Jarchow-Stiftung ermöglicht , auch dafür meinen herzlichen Dank.
236
Anhang Anmerkungen 1
2
3
4
5
6
Vladimir Nabokov. Die Kunst des
7
Ebenda , S. 110
Lesens. Meisterwerke der russischen
8
Thomas Mann. Briefe. 1889–1918.
Literatur. Aus dem Amerikanischen
Frankfurt am Main : Fischer 1961
von Karl A. Klever. Frankfurt am
[ weiter als Briefe , mit der jeweiligen
Main : S. Fischer 1984, S. 207.
Zeitraumangabe ], S. 8 ( Brief vom
Thomas Mann. Russische Antholo-
01. 05. 1898 ).
gie. In : Thomas Mann. Große kom-
9
mentierte Frankfurter Ausgabe.
10 Ebenda , S. 110
GKFA , 21, S. 109
Frankfurt am Main : S. Fischer 2002
11 Thomas Mann. Briefe an Otto
[ weiter als GKFA , Band und Seite ],
Grautoff 1894–1901 und Ida Boy-
Bd. 15.1, S. 338.
Ed 1903–1928. Frankfurt am Main :
Thomas Mann. Goethe und Tols-
S. Fischer 1975 [ weiter als Briefe an
toi. In : GKFA , 15.1, S. 339. Thomas
Grautoff ], S. 28.
Manns Quelle war : Leo N. Tolstois
12 Ebenda , S. 91.
Biographie und Memoiren. Auto-
13 Heinrich Mann. Briefe an Ludwig
biographische Memoiren , Briefe und
Ewers 1889–1913. Berlin und Wei-
biographisches Material herausgege-
mar : Aufbau 1980, S. 106 f.
ben von Paul Birukof und durchgese-
14 Briefe an Grautoff , S. 54. « Den
hen von Leo Tolstoi. Wien und Leip-
Brackenburg spielen ist ein Finger-
zig : k. u. k. Hofbuchhandlung 1906,
zeig auf Goethes Drama Egmont ».
Bd. 1, S. 399.
Hermann Kurzke. Thomas Mann.
Thomas Mann. Tagebücher [ weiter
Das Leben als Kunstwerk. Eine Bio-
als Tb. mit Jahresangabe ] 1953–1955.
graphie. München : C. H. Beck 1999,
Frankfurt am Main : S. Fischer 1995,
S. 78.
S. 197 ( 19. 03. 54 ).
15 Briefe an Grautoff , S. 80.
Roger Nichols. Claude Debussy im
16 Ebenda , S. 102.
Spiegel seiner Zeit. Aus dem Engli-
17 Joachim Radkau. Neugier der Ner-
schen von Wiebke Falckenthal. Zü-
ven. Thomas Mann als Interpret des
rich / St. Gallen : M & T Verlag 1993 ,
« nervösen Zeitalters ». In : Thomas
S. 162. Die zitierte Äußerung stammt
Mann Jahrbuch , Bd. 9, Frankfurt am
von Debussys Freund René Peter.
Main 1996, S. 47.
GKFA , 21, S. 52
237
18 Helmut Koopmann. Thomas Mann – Heinrich Mann. Die unglei-
Mann. Das Leben als Kunstwerk ,
chen Brüder. München : C. H. Beck
S. 78 f.
2005, S. 69. Siehe auch Hans Wys-
21 Vgl. Briefe an Grautoff , S. 100 f.
ling. ‹ Mythus und Psychologie › bei
22 Thomas Mann. Lübeck als geistige
Thomas Mann. In : Thomas-Mann-
Lebensform. GW , XI , S. 381.
Studien , Bd. 3. Bern : Francke 1974,
23 Briefe an Grautoff , S. 105.
S. 169. Ein weiteres Zeugnis der Un-
24 Thomas Mann. Notizbücher 1–6.
sicherheit des jungen Dichters ist die
Herausgegeben von Hans Wysling
Episode , von der er im Brief an Paul
und Yvonne Schmidlin. Frankfurt
Ehrenberg vom 19. Januar 1901 be-
am Main : S. Fischer 1992, S. 84–85.
richtet : « Hoffentlich habt Ihr ( Du ,
[ Weiter als Nb ].
Dein Bruder und Fräulein Pricken )
25 Thomas Mann. [ Tolstoi zum 80. Ge-
es neulich nicht übel genommen , daß
burtstag ]. In : GKFA , 14.1, S. 220.
ich vorzeitig verschwand. Ich hatte ,
Meine Hervorhebung – A. B.
( über Tolstoi , Luther , Christentum
26 Thomas Mann. Betrachtungen ei-
und dergleichen , glaube ich , ) so viel abstoßend dummes Zeug von mir gegeben , daß ich schließlich von mir selbst davonlief und mir hastig die Bettdecke über die Ohren zog. Mein Schamgefühl ist peinlich stark entwickelt. » GKFA , 21, S. 150. 19 «Vous avez eu tous les accidents de ce
nes Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 586. 27 Thomas Mann. On myself. In : GW , XIII , S. 137 f.
28 Thomas Mann. [ An Hermann Lange ]. In : GW , XIII , S. 223. 29 Siehe Edith Hanke. Prophet des Unmodernen. Leo N. Tolstoi als Kultur-
qu’on appelle la neurasthénie. C’est du
kritiker in der deutschen Diskussi-
surmenage intellectuel. La moitié des
on der Jahrhundertwende. Tübingen :
hommes des lettres et de la Bourse
Niemeyer 1993 , S. 35, 37, 215.
est comme vous. En somme , les nerfs ,
30 Briefe 1889–1918, S. 10.
fatigués par le canotage , puis par vos
31 Briefe an Grautoff , S. 30. Vgl. Her-
travaux intellectuels , rien que des nerfs qui troublent tout chez vous ; mais la constitution physique est ex-
238
20 Vgl. Hermann Kurzke. Thomas
mann Kurzke. Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk , S. 82. 32 Stefan Pegatzky. Das poröse Ich.
cellente , et vous mènera très loin , avec
Leiblichkeit und Ästhetik von Arthur
des embêtements. ». Zit. nach : Henri
Schopenhauer bis Thomas Mann.
Troyat. Maupassant. Paris : Flamma-
Würzburg : Königshausen & Neu-
rion 1989, p. 274.
mann 2002, S. 325.
Anhang
33 Siehe Edith Hanke. Prophet des Unmodernen , S. 61–114. 34 Die Gesellschaft. Monatschrift für
38 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler. Deutsch von Carl von Güt-
Litteratur , Kunst und Sozialpolitik.
schow. Leipzig : Verlagsbuchhandlung
München , Jg. 1892, Viertes Quartal ,
Schulze & Co. 1903 , S. 238.
S. 1512. 35 Auf ein technisches Problem macht Hans Wysling aufmerksam : « Es war für Thomas Mann , der bisher nur kurze Erzählungen , psychologische
39 Briefe an Grautoff , S. 105. 40 Viktor Mann. Wir waren fünf. Frankfurt am Main : Fischer 2004, S. 133. 41 Arthur Holitscher. [ Aus ] Lebensge-
Studien , geschrieben hatte , ein Prob-
schichte eines Rebellen. Meine Erin-
lem ersten Ranges , wie sich denn ein
nerungen. Berlin 1924. In : Thomas
großer Stoff bewältigen lasse. Hilfe
Mann im Urteil seiner Zeit. Doku-
fand er bei Tolstoi , der sein Roman-
mente 1891–1955. Thomas-Mann-
monstrum Krieg und Frieden in Tei-
Studien , Bd. 22. Frankfurt am Main :
le und Kapitel gegliedert hatte [ … ]. »
Vittorio Klostermann 2000, S. 16.
Hans Wysling. Ausgewählte Aufsät-
Von einem Porträt Turgenjews bzw.
ze 1963–1995. Thomas-Mann-Stu-
Napoleons , das auf dem Arbeitstisch
dien , Bd. 13. Frankfurt am Main :
Manns ebenfalls gestanden haben soll
Vittorio Klostermann 1996, S. 214.
( Briefe an Grautoff , S. 106 ), berich-
Stefan Pegatzky weist – mit Hinblick
ten weder Viktor Mann noch Arthur
auf andere Untersuchungen – auf
Holitscher.
« die Technik der charakterisieren-
42 Nb. 7–14, S. 181.
den leitmotivischen Wiedeholung »
43 Thomas Mann-Heinrich Mann.
hin , wie sie schon in Buddenbrooks
Briefwechsel 1900–1949. Frankfurt
angewandt wurde. Thomas Mann
am Main : Fischer 1984 [ weiter als
soll sie bei Tolstoi gelernt haben. Stefan Pegatzky. Das poröse Ich , S. 422, Anm. 51. 36 Vgl. Richard Winston. Thomas Mann. Das Werden eines Künstlers. 1875 bis 1911. München und Hamburg : Albrecht Knaus 1981, S. 178 f. 37 Thomas Mann. « Anna Karenina ». In : GW , IX , S. 623.
HM-TM ], S. 10. 44 Graf Leo Tolstoi. Gegen die moderne Kunst. Deutsch von Wilh. Thal. Berlin : Hugo Steinitz Verlag 1898, S. 42 bis 52, 145 f., 147. 45 Stefan Pegatzky. Das poröse Ich , S. 319, Anm. 155. 46 Thomas Mann. Gladius Dei. In : GKFA , 2.1, S. 231, 237, 238.
Anmerkungen
239
47 Vgl. Deutsches Wörterbuch von
von Wilhelm Friedrich. O. J., Bd. 1,
Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.
S. 7 bis 11 ). Die Frage , wann und in
Leipzig : Verlag von S. Hirzel 1893 ,
welcher Übersetzung Thomas Mann
Achter Band , S. 1343.
dieses Buch gelesen hat und wie er
48 Thomas Mann. Betrachtungen ei-
zu dem in Tonio Kröger gebrauchten
nes Unpolitischen. In : GKFA , 13.1,
russischen Originalwort « Batuschka »
S. 585.
( korrekt Batjuschka ) gekommen ist
49 Siehe Briefe an Grautoff , S. 130 und Nb 1–6, S. 150 f. 50 Graf Leo Tolstoi. Gegen die moderne Kunst , S. 73.
( siehe Nb 1–6, S. 176 ) geht über das Thema dieses Buches hinaus. 59 Tonio Kröger. In : GKFA , 2.1, S. 275. 60 Alexei Rybakov. Deutsche Russophi-
51 HM-TM , S. 18 f.
lie zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
52 Ebenda , S. 20, 21.
Russland in den Werken von Rai-
53 Ebenda , S. 22 f., 26.
ner Maria Rilke und Thomas Mann.
54 Ebenda , S. 13 , 15, 26.
Russische Deutschlandbilder und
55 1920 beteuerte Thomas Mann , dass
deutsche Russlandbilder im 20. Und
er auch nach dem Ausscheiden aus
21. Jahrhundert ( internationale und
der Redaktion dem Simplizissimus
interdisziplinäre Konferenz : Eich-
anhänglich geblieben war. Demnach
stätt , 12.–14. Juli 2007 ). www1.ku-
müsste er mindestens aus dieser ei-
eichstaett.de/ZIMOS/forum/docs/
nen Quelle über den Leipziger Pro-
Rybakov.html#
zess Bescheid gewusst haben. ( Tho-
ungefähr in der Zeit , als er Mer-
« Simplizissimus ». In : GKFA , 15.1,
eschkowski las , auch Schopenhauer
299 ).
in ähnlichen Worten pries , wie seinen
56 Siehe Edith Hanke. Prophet des Unmodernen , S. 47. 57 Thomas Mann. Tonio Kröger. In : GKFA , 2.1, S. 265.
58 In der ersten deutschen Übersetzung
russischen Meister Tolstoi : gesund , « heilsam , stärkend , aufrichtend , wieder herstellend , wenn man ihn , wie ich , nach Nietzsche kennen lernt ! » ( Thomas Mann. Briefe an Richard
von Schuld und Sühne ( 1886 ) wird
Schaukal. Thomas-Mann-Studien ,
dieser spezifische Russizismus auch
Bd. 22. Frankfurt am Main : Vittorio
als «Väterchen » übersetzt. ( Raskolnikow. Roman von F. M. Dostojews-
240
61 Interessant ist , dass Thomas Mann
mas Mann. Glückwunsch an den
Klostermann 2003 , S. 79 ). 62 Urs Heftrich. Thomas Manns Weg
kij. Übersetzt von Wilhelm Henckel.
zur slavischen Dämonie. Überle-
2. verbesserte Auflage. Leipzig : Verlag
gungen zur Wirkung Dmitri Mer-
Anhang
eschkowskis. In : Thomas Mann Jahr-
80 TM–HM , S. 29, 31, 32, 33 , 34 f., 38.
buch , Bd. 8, Frankfurt am Main 1995,
81 « Les refus des louanges est un dé-
S. 77. Stefan Pegatzky. Das porö-
sir d’être loué deux fois. » Moralis-
se Ich , S. 413–415. Alexei Rybakov.
tes français du XVIIe siècle. Moscou :
Deutsche Russophilie zu Beginn des
Editions du progrès 1967, p. 119. Auf
20. Jahrhunderts , S. 7–8.
Thomas Mann würde auch eine wei-
63 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
tere Maxime La Rochefoucaulds tref-
Dostojewski als Menschen und als
fen : «Von sich selbst spricht man lie-
Künstler , S. 93 , 116 f., 130, 170.
ber schlecht als gar nicht. » (« On
64 Ebenda , S. 18, 19.
aime mieux dire du mal de soi-même
65 Ebenda , S. 19.
que de n’en point parler. » Ebenda , p.
66 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
118 ).
Dostojewski als Menschen und als
82 TM–HM , S. 37.
Künstler , S. 29 bis 30. Zum The-
83 Ebenda , S. 31 bis 35.
ma : Tolstois Erkenntnis des Todes
84 Helmut Koopmann. Thomas
als Vernichtung des animalischen
Mann – Heinrich Mann. Die unglei-
Lebens , vgl. S. 93.
chen Brüder , S. 142.
67 Ebenda , S. 4 bis 5.
85 TM–HM , S. 36 f.
68 Ebenda , S. 19.
86 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
69 Tonio Kröger. In : GKFA , 2.1, S. 278.
Dostojewski als Menschen und als
70 Ebenda , S. 265.
Künstler , S. 197.
71 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
87 GKFA , 21, S. 255.
Dostojewski als Menschen und als
88 Ebenda , S. 256, 257.
Künstler , S. 143.
89 Ebenda , S. 259.
72 Ebenda , S. 196. Siehe auch S. 156 u. 175.
90 Die Schreibweise der russischen Personennamen entspricht derjenigen in
73 Ebenda , S. 52.
der Übersetzung der Anna Kareni-
74 Vgl. Ebenda , S. 173.
na von Hans Moser. Der junge Tho-
75 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
mas Mann kannte diese Übersetzung
Dostojewski als Menschen und als
und benutzte sie insbesondere bei der
Künstler , S. 15.
Arbeit an Buddenbrooks ( siehe Nb
76 Stefan Pegatzky. Das poröse Ich , S. 414.
1–6, S. 85 ). 91 Leo Tolstoi. Anna Karenina. Nach
77 Ebenda , S. 416 bis 418.
der siebenten Auflage übersetzt von
73 78 Siehe Nb 7–14, S. 89.
Hans Moser. Leipzig : Philipp Re-
79 Nb 7–14, S. S. 82, 83.
clam jun. O. J., Bd. 1, S. 330.
Anmerkungen
241
92 Ebenda , S. 338. 93 Nb. 1–6, S. 84–85. Vgl. auch die Anm. 24. 94 Leo N. Tolstoi. Anna Karenina.
110 Siehe Leo Tolstoi. Anna Karenina. Nach der siebenten Auflage übersetzt von Hans Moser , Bd. 2, S. 15. 111 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
Übertragen von M. Fronstein. Jena :
Dostojewski als Menschen und als
Diederichs 1925, Bd. 1, S. 364 bis
Künstler , S. 3.
366. 95 Thomas Mann. Der Bajazzo. In : GKFA , 2.1, S. 129.
96 Thomas Mann. Kinderspiele. In : GKFA , 14.1, S. 81.
97 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
112 Leo Tolstoi. Anna Karenina. Nach der siebenten Auflage übersetzt von Hans Moser , Bd. 1, S. 560 f. 113 Ebenda , Bd. 2, S. 14. 114 GKFA , 21, S. 277. 115 Ebenda , S. 280.
Dostojewski als Menschen und als
116 Ebenda , S. 281.
Künstler , S. 65.
117 Siehe Ebenda , S. 288.
98 GKFA , 21, S. 268–269, 270. 99 GKFA , 21, S. 271, 272. 100 Theodor Fontane. Ein Leben in Brie-
118 Hermann Kurzke. Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk , S. 163. 119 GKFA , 21, S. 302 f.
fen. Frankfurt am Main : Insel Verlag
120 Ebenda , S. 308.
1981, S. 26.
121 Ebenda , S. 311 f.
101 Dazu siehe Helmut Koopmann. Der
122 GKFA , 21, S. 314 f., 316.
schwierige Deutsche. Studien zum
123 Ebenda , S. 297.
Werk Thomas Manns. Tübingen :
124 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
Max Niemeyer Verlag 1988, S. 3 bis 12.
Dostojewski als Menschen und als Künstler , S. 15 f.
102 Der Bajazzo. In : GKFA , 2.1, S. 146.
125 GKFA , 21, S. 299.
103 Thomas Mann. Königliche Hoheit.
126 Ebenda , S. 300.
In : GKFA , 4.1, S. 201, 203. 104 GKFA , 21, S. 270. 105 Der Bajazzo. In : GKFA , 2.1, S. 150, 151. 106 Ebenda , S. 155. 107 GKFA , 21, S. 272. 108 Katia Mann. Meine ungeschriebenen
GKFA , 2.1, S. 425.
128 An Kurt Martens , 15. 01. 1906. GKFA , 21, S. 339.
129 An Heinrich Mann , 05. 12. 1905. GKFA , 21, S. 336.
130 Der gekränkte Thomas Mann re-
Memoiren. Frankfurt am Main : S.
agierte darauf bekannterweise mit
Fischer 1974, S. 26.
dem Artikel Bilse und ich. Ausführ-
109 Ebenda , S. 25.
242
127 Thomas Mann. Schwere Stunde. In :
Anhang
lich über diese Angelegenheit siehe
bei : Heinrich Detering. Lübeck und
144 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
die letzten Dinge. // Thomas Mann.
Dostojewski als Menschen und als
Ein Klassiker der Moderne. Halle an
Künstler , S. 65.
der Saale : Janos Stekovics 2001, S. 27
145 Ebenda.
bis 43.
146 Ebenda.
131 Thomas Mann erreichte das Gerücht ,
147 GKFA , 21, S. 386.
dass die Erzählung als die Familie
148 Ebenda , S. 389.
seiner Frau kompromittierend und
149 Zit. nach : Heinrich und Thomas
obendrein noch « antisemitisch » ge-
Mann. Ihr Leben und Werk in Text
sehen wurde , sodass Thomas Mann
und Bild. Lübeck : Drägerdruck 1992,
ihren Druck stoppen musste. Siehe GKFA , 21, S. 333 , 340.
S. 202. 150 GKFA , 21, S. 436.
132 GKFA , 21, S. 340.
151 Ebenda , S. 324 bis 326.
133 GKFA , 21, S. 350 f.
152 Thomas Mann. Der Doktor Lessing.
134 Ebenda , S. 354. 135 Ebenda , S. 365 f. 136 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
In : GKFA , 14.1, S. 218 bis 224. Vgl. GKFA , 21, S. 465 f.
153 Ausführlich darüber siehe bei : Hel-
Dostojewski als Menschen und als
mut Koopmann. Thomas Mann –
Künstler , S. 39.
Heinrich Mann. Die ungleichen Brü-
137 An Kurt Martens , 28. 03. 1906. GKFA , 21, S. 358.
138 Nb. 7–14, S. 111, 215 139 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler , S. 52. Vgl. Anm. 73. 140 L. N. Tolstoi. Lebensstufen. Über-
der , S. 232 bis 248. 154 Thomas Mann. Bilse und ich. In : GKFA , 14.1, S. 100.
155 Thomas Mann. Lebensabriß. In : GW , XI , S. 124. 156 Manfred Dierks. Studien zu Mythos und Psychologie bei Thomas Mann.
setzt von Reinhold von Walter.
Thomas-Mann-Studien , Bd. 2. Bern
Wien-Hamburg-Budapest : Guten-
und München : Francke Verlag 1972,
berg-Verlag [ o. J. ], S. 183. 141 [ Tolstoi zum 80. Geburtstag ]. In : GKFA , 14.1, S. 200.
142 Friedrich Nietzsche. Unzeitgemässe Betrachtungen. Mit einem Nachwort von Alfred Baeumler. Stuttgart : Alfred Kröner Verlag 1955, S. 104.
S. 71. 157 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler , S. 11 f. 158 Thomas Mann. Der Tod in Venedig. In : GKFA , 2.1, S. 569. 159 Ebenda , S. 581.
143 Ebenda.
Anmerkungen
243
160 Graf Leo N. Tolstoi. Kosaken. Deutsch von Johannes von Guenther. München : Drei Masken Verlag [ o. J., 1922 ? ], S. 168. 161 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und
Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 212. 178 Kurt Sontheimer. Thomas Mann und die Deutschen. München : Langen Müller 2002, S. 30.
Dostojewski als Menschen und als
179 Briefe an Grautoff , S. 120.
Künstler , S. 35.
180 HM-TM , S. 22 f.
162 Vladimir Nabokov. Erinnerung , sprich. Deutsch von Dieter E. Zim-
181 Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 74.
mer. In : Vladimir Nabokov. Gesam-
182 Ebenda , S. 354, 379.
melte Werke. Reinbek : Rowohlt
183 Ebenda , S. 41.
1991, Bd. XXII , S. 280. Kommentar
184 Ebenda , S. 216 f., 326 f.
in Eckklammern stammt vom Über-
185 Ebenda , S. 395 f.
setzer.
186 Ebenda , S. 250, 341, 545.
163 Briefe 1889–1918, S. X.
187 GKFA , 22, S. 129 f.
164 Thomas Mann. Tolstoi. In : GW , X ,
188 Betrachtungen eines Unpolitischen.
S. 233.
In : GKFA , 13.1, S. 546 f.
165 HM–TM , S. 131 f.
189 Ebenda , S. 545.
166 Ebenda , S. 132 bis 134.
190 Ebenda , S. 547.
167 Ebenda , S. 134.
191 GKFA , 22, S. 208.
168 GKFA , 21, S. 337.
192 Betrachtungen eines Unpolitischen.
169 Nb II , S. 147 bis 155.
In : GKFA , 13.1, S. 547.
170 GKFA , 21, S. 342.
193 Tb. 1918–1921, S. 518 ( 15. 05. 1921 ).
171 Ebenda , S. 343.
194 Leo N. Tolstois Biographie und Me-
172 Der Tod in Venedig. In : GKFA , 2.1, S. 507.
moiren. Autobiographische Memoiren , Briefe und biographisches Mate-
173 Ebenda , S. 454, 455.
rial herausgegeben von Paul Birukof
174 GKFA , 21, S. 534 f.
und durchgesehen von Leo Tolstoi.
175 Thomas Mann. Gute Feldpost. In :
Wien und Leipzig : k. u. k. Hofbuch-
GKFA , 15.1, S. 47 bis 50.
176 Thomas Mann. Gedanken im Kriege. In : GKFA , 15.1, S. 29.
handlung 1909 [ weiter als Birukof ], Bd. 2, S. 339. 195 Leo N. Tolstoi. Krieg und Frieden.
177 Heinrich Mann. Zola. In : Heinrich
Dritter Teil. In : Leo N. Tolstoi. Ge-
Mann. Macht und Mensch. Essays.
sammelte Werke. Vom Verfasser ge-
Frankfurt am Main : Fischer 1989,
nehmigte Ausgabe von Raphael Lö-
S. 114. Siehe auch Thomas Mann.
wenfeld. Berlin : Richard Wilhelmi
244
Anhang
1892, Bd. VII , S. 10, 12. Zwei in
die Franzosen lustig macht , « beson-
den Betrachtungen angeführte Zi-
ders in ‹ Krieg und Frieden ›» ( GKFA ,
tate aus Krieg und Frieden ( GKFA ,
13.1, S. 478 ). Sarkastische Äußerun-
13.1, S. 547 f. ) lassen feststellen , dass
gen Tolstois über die Deutschen ( z. B.
Thomas Mann 1917 den Roman von
Band III , Teil I , Kap. × und Teil 3 ,
Tolstoi in dieser Übersetzung gelesen
Kap. XXV ) übersieht er.
hat. 196 Ebenda , S. 429, 432. 197 Gustave Flaubert. Briefe. Heraus-
204 Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 547 f. 205 Vgl. Leo N. Tolstoi. Krieg und Frie-
gegeben und übersetzt von Hel-
den. Vierter Teil. Berlin : Richard
mut Scheffel. Zürich : Diogenes 1977
Wilhelmi 1892, Bd. VIII , S. 243. Die
[ weiter als Flaubert. Briefe ], S. 710.
Bezeichnung : Band-Teil-Kapitelnr.
198 Leo N. Tolstoi. Krieg und Frieden. Vierter Teil. Berlin : Richard Wilhelmi 1892, Bd. VIII , S. 262. 199 Birukof , Bd. 2, S. 333. Über Tolstois
bezieht sich hier auf die akademische russische Ausgabe 205 von Krieg und Frieden aus 1962– 63. In der deutschen Ausgabe , in der
«Volkstümlichkeit » siehe auch Eben-
Thomas Mann Krieg und Frieden
da , S. 337, 339.
1917 gelesen hat , entspricht ihr die
200 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler , S. 68.
Bezeichnung Teil-Abteilung-Kapitelnr. 206 Betrachtungen eines Unpolitischen.
201 Ebenda , S. 42 bis 50, 68 bis 70.
In : GKFA , 13.1, S. 548. Vgl. Leo N.
202 Ebenda , S. 100.
Tolstoi. Krieg und Frieden. Vierter
203 Über Thomas Manns selektives Le-
Teil. Berlin : Richard Wilhelmi 1892,
sen siehe : Manfred Dierks. Studien zu Mythos und Psychologie bei Thomas Mann , S. 61 f. und Hermann
Bd. VIII , S. 326. 207 Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13. 1. , S. 548 f.
Kurzke. Dostojewski in den Betrach-
208 Ebenda , S. 344.
tungen eines Unpolitischen. In : Tho-
209 Ebenda , S. 579.
mas Mann und seine Quellen. Fest-
210 Siehe Ebenda , S. 581. Vgl. Hermann
schrift für Hans Wysling. Frankfurt
Kurzke. Dostojewski in den Betrach-
am Main : Vittorio Klostermann
tungen eines Unpolitischen , S. 146 f.
1991, S. 141 f. Ein gutes Beispiel dieses selektiven Lesens ist auch Thomas Manns aufrichtige Freude da-
211 Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 481 f. 212 Ebenda , S. 482–483.
rüber , wie Tolstoi sich überall über
Anmerkungen
245
213 Heinrich Mann. Zola , S. 110. Siehe auch S. 96 f. 214 Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 553 f. 215 HM–TM , S. 131. 216 GKFA , 13.1, S. 129. Hermann Hes-
232 Ebenda , S. 73 f. ( 12. 11. 1918 ). 233 Ebenda , S. 119 ( 29. 12. 1918 ). 234 Leo Tolstoi. Anna Karenina. Nach der siebenten Auflage übersetzt von Hans Moser , Bd. 2, S. 207 bis 212. 235 Tb. 1918–1921, S. 15, 18.
se. Gesammelte Briefe. Erster Band
236 Birukof , Bd. 1, S. 122 bis 168.
1895–1921. Frankfurt am Main :
237 Ebenda , Bd. 2, S. 313 f. Es handelt
Suhrkamp 1973 , S. 384. 217 Leo N. Tolstoi. Krieg und Frieden.
sich um den Tagebucheintrag Tolstois vom 17. 04. 1847.
Vierter Teil. Berlin : Richard Wilhel-
238 Briefe an Grautoff , S. 70.
mi 1892, Bd. VIII , S. 334, 350.
239 Tb. 1918–1921, S. 40.
218 Ebenda , Dritter Teil , Bd. VII , S. 509.
240 Dmitri Mereschkowski. Ein Tagelöh-
219 Tb. 1918–1921, S. 42 ( 21. 10. 18 ).
ner Christi. In : Dmitri Mereschkow-
220 Thomas Mann. Erinnerungen aus der
ski. Vom Krieg zur Revolution. Ein
deutschen Inflation. In : GW , XIII ,
unkriegerisches Tagebuch. Deutsch
S. 188.
von Albert Zucker. München : R. Pi-
221 Vgl. den Tagebucheintrag vom 18. 09. 1918, Tb. 1918–1921, S. 8.
per & Co. 1918, S. 34. 241 Tb. 1918–1921, S. 106.
222 Briefe an Grautoff , S. 120.
242 Ebenda , S. 119 ( 29. 12. 1918 ).
223 Ausführlicher darüber siehe S. 38, 39.
243 Tb. 1918–1921, S. 107.
224 GKFA , 22, S. 129.
244 Leo Tolstoi. Tagebuch der Jugend.
225 Ebenda , S. 111, 112.
Erster Band 1847–1852. Aus dem
226 Vgl. : « Nervös , müde , depri-
Manuskript übersetzt von D. und
miert durch Zeitungslektüre über
L. Berndl. München : Georg Müller
den Siegesrausch der Entente … »
1919, S. 46 ( 14. 06. 1850 ).
( 21. 09. 1918, Tb. 1918–1921, S. 12, ).
245 Ebenda , S. 68 ( 07. 03. 1851 ).
« Unlustig , gequält , halb krank.
246 Vgl. Leo Tolstoi. Tagebuch der Ju-
[ … ] Verzweifelt und gehetzt. »
gend. Erster Band 1847–1852,
( 04. 10. 1918, Ebenda , S. 23 ).
S. 90 bis 92 ( 11. 06. 1851 ), 134
227 Thomas Mann. Herr und Hund. In : GW , VIII , S. 545.
( 19. 03. 1852 ), 225 ( 14. 11. 1852 ). 247 Leo Tolstoi. Tagebuch der Ju-
228 GKFA , 22, S. 255.
gend. Erster Band 1847–1852, S. 54
229 Tb. 1918–1921, S. 27.
( 11. 12. 1850 ).
230 Ebenda , S. 31.
248 Ebenda , S. 48 ( Notizen , Juni 1850 ).
231 Ebenda , S. 48.
249 Ebenda , S. 110 f. ( 02. 06. 1851 ).
246
Anhang
250 Birukof , Bd. 1, S. 241 f.
268 Vgl. Manfred Dierks. Studien zu
251 Tb. 1918–1921, S. 46. ( 26. 10. 1918 ).
Mythos und Psychologie bei Thomas
252 Dmitri Mereschkowski. Der Dich-
Mann. Thomas-Mann-Studien , Bd.
ter des Ewig-Weiblichen. In : Dmitri
2. Bern und München : Francke Ver-
Mereschkowski. Vom Krieg zur Re-
lag 1972, S. 28 f., 58.
volution , S. 48 f. 253 Leo Tolstoi. Tagebuch der Jugend.
269 Siehe Tb. 1918–1921, S. 199 ( 16. 04. 1919 ).
Erster Band 1847–1852, S. 151, 168,
270 GKFA , 22, S. 283.
182.
271 Tb. 1918–1921, S. 222 f.
254 Tb. 1918–1921, S. 46 ( 26. 10. 1918 ). 255 Ebenda , S. 127 ( 06. 01. 1919 ). 256 GKFA , 21, S. 299 ( Brief vom 28. 08. 1904 ). 257 Leo Tolstoi. Tagebuch. Erster Band 1895–1899. München : Georg Müller. 1917, S. 75. 258 GKFA , 2.1, S. 526. Goethes poetische
( 02. 05. 1919 ). 272 Tb. 1918–1921, S. 447, 448 ( 14. 06. 1919 und 17. 06. 1919 ). 273 Stefan Zweig. Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski. Leipzig : Insel 1920. 274 GKFA , 22, S. 283 ( Brief vom 28. 07. 1920 ).
Werke. Vollständige Ausgabe. Zwei-
275 GKFA , 14.1, S. 200.
ter Band. Phaidon Verlag , S. 625.
276 Irina Mchitarjan. Das « russische
259 Tb. 1918–1921, S. 186 ( 05. 04. 1919 ) und 178 ( 24. 03. 1919 ). 260 Ebenda , S. 200 f. ( 17. 04. 1919 ). 261 GKFA , 22, S. 283 ( Brief an Josef Ponten vom 29. 03. 1919 ). 262 Hermann Kurzke. Thomas Mann
Schulwesen » im europäischen Exil. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinghardt 2006, S. 75. 277 Thomas Mann. Russische Anthologie. In : GKFA , 15.1, S. 333 bis 335, 338 f.
verstehen. In : Vom Nachruhm. Bei-
278 Birukof , Bd. 1, S. 276, 278 f.
träge zur Lübecker Thomas-Mann-
279 Tb. 1918–1921, S. 461.
Festwoche 2005. Thomas-Mann-Stu-
280 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tols-
dien , Bd. 37. Frankfurt am Main :
toi. München : Der Neue Merkur
Vittorio Klostermann 2007, S. 96.
1920, S. 5, 9, 10, 37, 38, 44, 54.
263 Tb. 1918–1921, S. 180 ( 29. 03. 1919 ). 264 Ebenda , S. 219. 265 Ebenda , S. 196 ( 13. 04. 1919 ). 266 Ebenda , S. 205 ( 20. 04. 1919 ). 267 Ebenda , S. 400.
281 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler , S. 22 bis 31. 282 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 31, 33. 283 Siehe Anm. 198 bis 201.
Anmerkungen
247
284 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 20, 29, 43. 285 Ebenda , S. 28. 286 Tb. 1918–1921, S. 495 ( 22. 03. 1921 ) und 509 ( 24. 04. 1921 ). 287 Hans-Joachim Sandberg. König Mi-
Menschenfreundlichkeit. ThomasMann-Studien , Bd. 9. Frankfurt am Main : Vittorio Klostermann 1991, S. 126 bis 140. 292 Thomas Mann. Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 845, 839, 841.
das und der Zauberer oder die Weis-
293 Ebenda , S. 847 f.
heit des Silenos. In : Internationales
294 Ebenda , S. 840, 846, 819.
Thomas-Mann-Kolloquium 1986 in
295 Ebenda , S. 842.
Lübeck. Thomas-Mann-Studien , Bd.
296 Ebenda , S. 872.
7. Bern : Francke Verlag 1986, S. 206.
297 GKFA , 22, S. 280 ( Brief an Alexan-
288 Tb. 1918–1921, S. 532. 289 Thomas Mann. Goethe und Tolstoi. Vortrag. In : GKFA , 15.1, S. 420.
der Eliasberg vom 25. 02. 1919 ). 298 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 829.
290 In der Übersetzung des alten Freun-
299 Ebenda , S. 854.
des von Thomas Mann , Korfiz
300 Ebenda , S. 869.
Holm , lautet der Schluss dieser Pas-
301 Ebenda , S. 881.
sage so : « Wohin der Fahrt , mein
302 Ausführlich darüber siehe Hans
Reußenland ? Antworte mir ! – Du
Wysling. Thomas Manns Goethe-
antwortest nicht. – Silbern klingelt
Nachfolge. In : Thomas-Mann-Studi-
das Glöcklein ; laut knattert die Luft
en , Bd. 13. Frankfurt am Main : Vit-
und wird vom Sturm in Fetzen geris-
303 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1,
bei ; bang ducken zur Seite und räu-
S. 827. Hier und weiter in diesem
men die Straße vor dir die andern
Absatz meine Hervorhebung. – A. B.
Völker der Welt. » Nikolai Gogol.
304 Ebenda , S. 845.
Die toten Seelen. Deutsch von Korfiz
305 Ebenda , S. 869.
Holm. Berlin : Aufbau 1954, S. 374.
306 Ebenda , S. 876.
In den Toten Seelen las Thomas
307 Ebenda , S. 885, 886, 887.
Mann im Frühjahr 1921, allerdings
308 Ebenda , S. 889.
im Zweiten Band. Die Russland-Ode
309 Ebenda , S. 885.
beschließt den Ersten Band des Po-
310 Павел Бирюков. Биография Л. Н.
ems von Gogol. ( Siehe Tb. 1918–
Толстого. Книга первая. Москва :
1921, S. 491, 494, 499, 504, 510 ).
Алгоритм 2000, c. 418.
291 Ausführlich darüber siehe Herbert Lehnert. Eva Wessell. Nihilismus der
248
torio Klostermann 1996, S. 17 bis 63.
sen ; die Dinge der Erde fliegen vor-
Anhang
311 Birukof , Bd. 2, S. 301. Meine Hervorhebung. – A. B.
312 Siehe Ebenda , S. 49 bis 50. 313 Oswald Spengler. Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. Zwei-
328 Tb. 1918–1921, S. 378 ( 13. 02. 1920 ), 384 ( 22. 02. 1920 ), 391 ( 04. 03. 1920 ), 398 ( 14. 03. 1920 ), 400 ( 16. 03. 1920 ). 329 Der Zauberberg. In : GKFA , 5. 1. ,
ter Band. Wien : Braumüller 1922,
S. 1039 bis 1045. Vgl. F. M. Dos-
S. 234 f.
tojewski. Die Brüder Karamasoff.
314 Ebenda , S. 234.
Übertragen vom E. K. Rahsin. In :
315 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1,
F. M. Dostojewski. Sämtliche Wer-
S. 923. 316 Leo Tolstoi. Anna Karenina. Nach
ke. Hrsg. von Moeller van den Bruck. München : Piper o. J. [ Weiter als
der siebenten Auflage übersetzt von
DSW ], Zehnter Band , S. 764 bis
Hans Moser , Bd. 2, S. 81 f.
792. Thomas Mann besaß diese Aus-
317 GKFA , 22, S. 424 ( 02. 02. 1922 ).
gabe der Werke Dostojewskis.
318 Ebenda , S. 424.
330 Tb. 1918–1921, S. 430.
319 Ebenda , S. 424.
331 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1,
320 Tb. 1918–1921, S. 218 bis 221. 321 GKFA , 22, S. 440. 322 Friedrich Hussong. Saulus Mann. In :
S. 778. 332 F. M. Dostojewski. Politische Schriften. In : DSW , Dreizehnter Band ,
Klaus Schröter. Thomas Mann im
S. 477. Siehe auch F. M. Dostojewskij.
Urteil seiner Zeit. Hamburg : Chris-
Tagebuch eines Schriftstellers. Her-
tian Werner Verlag 1969, S. 101.
ausgegeben und übertragen von Alex-
323 GKFA , 22, S. 455 ( Brief an Ida
ander Eliasberg. Vierter Band. Mün-
Boy-Ed vom 05. 12. 1922 ) und 456
chen : Musarionverlag 1923 , S. 251.
( Brief an Friedrich Lienhard vom
( November 1877, Drittes Kapitel ,
06. 12. 1922 ).
Teil 1 ). Diese Ausgabe ist in der Pri-
324 Ebenda , S. 458 ( Brief an Emil Liefmann vom 07. 12. 1922 ). 325 Thomas Mann. Russische Dichtergalerie. In : GKFA , 15.1, S. 579. 326 Walter Schubart. Europa und die Seele des Ostens. Luzern : Verlag Vita Nova 1938, S. 119, 317. 327 Thomas Mann. Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 453.
vatbibliothek Thomas Manns erhalten. Der Idiot. In : DSW , Vierter Band , S. 934 f.. Die Brüder Karamasoff. In : DSW , Neunter Band , S. 479. 333 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 173. 334 F. M. Dostojewski. Rodion Raskolnikoff ( Schuld und Sühne ). Übertragen von Michael Feofanoff. In : DSW , Zweiter Band , S. 500, 502.
Anmerkungen
249
335 Tb. 1918–1921, S. 368 bis 373 , 376. 336 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 347. 337 Tb. 1918–1921, S. 224 ( 03. 05. 1919 ), 433 ( 12. 05. 1920 ). 338 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 1058.
349 Michael Neumann. Objektivität , Ironie und Sympathie. In : Thomas Mann Jahrbuch , Bd. 8, Frankfurt am Main 1995, S. 22. 350 Tb. 1918–1921, S. 831. 351 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 119, 184, 313 , 315, 472.
339 Iwan Turgenjeff. Väter und Söhne.
352 Siehe Hermann Kurzke. Thomas
Leipzig : Insel [ o. J., 1911 ? ], S. 228.
Mann. Das Leben als Kunstwerk ,
Diese Ausgabe ist in der Privatbiblio-
S. 50 bis 55. Vgl. Tb. 1935–1936,
thek Thomas Manns erhalten. 340 Siehe Der Zauberberg. Kommentar. In : GKFA , 5.2, S. 323. 341 Leo N. Tolstoi. Krieg und Frieden.
S. 143 f. ( 15. 07. 1935 ). 353 HM-TM , S. 22 f. 354 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 186.
Zweiter Teil. Berlin : Richard Wilhel-
355 Ebenda , S. 852.
mi 1892, Bd. VI , S. 115 bis 131.
356 Thomas Mann. Buddenbrooks. In :
342 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1,
GKFA , 1.1, S. 127, 365. Heinrich und
S. 416 bis 434 und 816 bis 818. Zur
Thomas Mann. Katalog zur ständi-
Lektüre von Bouvard und Pécu-
gen Ausstellung im Buddenbrook-
chet siehe Tb. 1918–1921, S. 299
haus der Hansestadt Lübeck. Hrsg.
( 31. 08. 1919 ) und 460 ( 12. 08. 1920 ).
von Eckhard Heftrich , Peter-Paul
343 Flaubert. Briefe , S. 710.
Schneider , Hans Wisskirchen. Lü-
344 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1,
beck : DrägerDruck 1994, S. 36.
S. 797. 345 Siehe Birukof , Bd. 1, S. 280 und Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 874. 346 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 744 bis 750. 347 Siehe Birukof , Bd. 2, S. 903 und Ma-
357 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 810. 358 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 63 f., 67. 359 Ebenda , S. 107. 360 Ebenda , S. 472. 361 Ebenda , S. 843.
xim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi ,
362 Ebenda , S. 72, 118.
S. 31.
363 Ebenda , S. 240.
348 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1,
364 Ebenda , S. 239 f.
S. 809 bis 812. Krieg und Frieden.
365 Ebenda , S. 568 f.
Zweiter Teil. Bd. VIII , S. 94 bis 103.
366 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 919.
250
Anhang
367 Der Zauberberg. Kommentar. In :
388 Birukof , Bd. 1, S. 436.
GKFA , 5.2, S. 271. 1891 bezeichne-
389 Ebenda , Bd. 2, S. 138 bis 142.
te Tolstoi den Eindruck , den Lao-
390 Vgl. Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1,
tse auf ihn gemacht hatte , als « ge-
S. 885.
waltig ». ( Brief an M. M. Lederle
391 Vgl. Ebenda , S. 879
vom 25. 10. 1891. In : Л. Н. Толстой.
392 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1,
Полное собрание сочинений в 90 томах. M , 1928–1958. T. 66, c. 68 ). 368 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 339.
S. 831, 846. 393 Ebenda , S. 854 394 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 27, 30.
369 Ebenda , S. 366.
395 Ebenda , S. 13.
370 Ebenda , S. 369.
396 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1,
371 Ebenda. 372 Ebenda , S. 375 f. 373 Ebenda , S. 145. 374 Ebenda , S. 625. 375 Ebenda , S. 436. 376 Ebenda , S. 560. 377 Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 326 f. 378 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 620 f. 379 Buddenbrooks. In : GKFA , 1.1, S. 152 f., 146. 380 Tb. 1918–1921, S. 220, 223 , 364, 467 f. 381 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 764 f. 382 Ebenda , S. 606 bis 609. 383 Ebenda , S. 702. 384 Tb. 1918–1921, S. 366. 385 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 786 f. 386 Birukof , Bd. 1, S. 438, 440. 387 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 918.
S. 833 , 838, 840, 850, 855. 397 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 5, 56 und Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 827. 398 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 829, 853. 399 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 9, 13 , 33. 400 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 830. 401 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 5. 402 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 895 f. 403 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 47 f. 404 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 880. 405 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 38. 406 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 882, 893 407 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 837.
Anmerkungen
251
408 D. Mackenzie Wallace. Russland.
424 Iwan Schmeljow. Die Sonne der To-
Nach der siebenten Auflage des Ori-
ten. Deutsch von Käthe Rosenberg.
ginales übersetzt von Ernst Rött-
Berlin : S. Fischer 1925, S. 195. Siehe
ger. Leipzig : in Commission bei E. F.
auch S. 18 f., 30, 116.
Steinacker 1880, S. 484. Walter Schu-
425 Ebenda , S. 153.
bart. Europa und die Seele des Os-
426 Ebenda , S. 35, 53 , 70, 127 f., 135 f.
tens , S. 46.
427 Ebenda , S. 137, 136.
409 Thomas Mann. [ Über Lenin ]. In : GKFA , 15.1, S. 734.
410 Thomas Mann. [ Über die Sammlung « Letters From Russian Prisons » ]. In : GKFA , 15.1, S. 937.
411 Thomas Mann. Deutschland und die Demokratie. In : GKFA , 15.1, S. 938. 412 Ebenda. 413 Deutschland und die Demokratie. In : GKFA , 15.1, S. 939, 942–946.
414 Siehe Der Zauberberg. Kommentar. In : GKFA , 5.2, S. 105 und
428 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 815, 889, 894. 429 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 5, 8. 430 Iwan Schmeljow. Die Sonne der Toten , S. 71. 431 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 36, 37. 432 Iwan Schmeljow. Die Sonne der Toten , S. 111, 112 f., 118. 433 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 875.
GKFA , 23.1, S. 136 ( Brief an Conrad
434 Ebenda , S. 876.
Wandrey vom 06. 02. 1925 ).
435 Ebenda , S. 867. Vgl. Maxim Gor-
415 Thomas Mann. Unordnung und frühes Leid. In : GW , VIII , S. 626 f. 416 Unordnung und frühes Leid. In : GW , VIII , S. 633 , 650. 417 Ebenda , S. 634 f. 418 Ebenda , S. 627. 419 Thomas Mann. Pariser Rechenschaft. In : GKFA , 15.1, S. 1123 , 1152.
ki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 47 f. und Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 895 f. 436 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 869. 437 Iwan Schmeljow. Die Sonne der Toten , S. 44, 109 f., 280. 438 Ebenda , S. 154, 156.
420 Ebenda , S. 1178, 1134.
439 Ebenda , S. 272.
421 Ebenda , S. 1127.
440 Maxim Gorki. Erinnerungen an Tols-
422 Ebenda , S. 1158 f., 1161. 423 Thomas Mann. [ Die besten Bücher des Jahres ]. In : GKFA , 15.1, S. 1054.
252
toi , S. 31, 33. 441 Pariser Rechenschaft. In : GKFA , 15.1, S. 1171 bis 1174, 1207, 1210 f.
Siehe auch : Katalog. In : GKFA , 15.1,
442 Ebenda , S. 1202.
S. 1065.
443 Ebenda , S. 1202, 1203.
Anhang
444 Pariser Rechenschaft. In : GKFA , 15.1, S. 1204 f. 445 Iwan Schmeljow. Die Sonne der Toten , S. 90 f. 446 Ebenda , S. 152, 246, 260. 447 Pariser Rechenschaft. In : GKFA , 15.1, S. 1205 f. 448 Fast zeitgleich – im Vortrag Lübeck als geistige Lebensform – ging er auf dieses Thema ausführlich ein : GW , XI , S. 396 f. 449 Flaubert. Briefe , S. 644. Walter Schubart. Europa und die Seele des Ostens., S. 84. 450 Russische Anthologie. In : GKFA , 15.1, S. 339.
463 Alexander Puschkin. Eugen Onegin. Deutsche Fassung und Kommentar von Rolf-Dietrich Keil. Giessen : Wilhelm Schmitz Verlag 1980, S. 111. 464 Thomas Mann. Lebensabriß. In : GW , XI , S. 136. 465 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler , S. 21, 39. 466 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 884. 467 Birukof , Bd. 1, S. 313. 468 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 836. 469 Joseph und seine Brüder. In : GW , IV , S. 92.
451 Ebenda.
470 Ebenda , S. 52.
452 Tb. 1918–1921, S. 272, 274, 278, 279.
471 Joseph und seine Brüder. In : GW ,
453 Thomas Mann. Von deutscher Republik. In : GKFA , 15.1, S. 547. 454 Thomas Mann. Über die Lehre Spenglers. In : GKFA , 15.1, S. 738, 742.
IV , S. 146 f. 472 Ebenda , S. 14. 473 Pariser Rechenschaft. In : GKFA , 15.1, S. 1166, 1168 f. 474 Briefe an Grautoff , S. 79 f.
455 Ebenda , S. 738
475 Tb. 1918–1921, S. 95.
456 Ebenda , S. 737.
476 Thomas Mann. Gesang vom Kind-
457 Vgl. z. B. Betrachtungen eines Unpolitischen. In : GKFA , 13.1, S. 272. 458 Helmut Koopmann. Der schwierige Deutsche , S. 45. 459 Graf Leo Tolstoi. Gegen die moderne Kunst , S. 128 bis 130. 460 Siehe S. 10 bis 12. 461 Nb. 7–14, S. 181. 462 Thomas Mann. Joseph und seine Brüder. In : GW , IV , S. 624, 631; 68,
chen. In : GW , VIII , S. 1089. 477 Thomas Mann. Unterwegs. In : GKFA , 15.1, S. 958.
478 GKFA , 23.1, S. 133 , 135. 479 Ebenda , S. 173 f. 480 Briefe 1889–1918, S. 258. 481 Lübeck als geistige Lebensform. In : GW , XI , S. 381. 482 Tolstoi. In : GW , X , S. 234–235, 237. 483 Ebenda , S. 233.
471; V , 822, 1092, 1093.
Anmerkungen
253
484 Thomas Mann. Im Warschauer PEN-Club. In : GW , XI , S. 404.
485 Tolstoi. In : GW , X , S. 235.
R. Freiherrn von Campenhausen. Paderborn : Verlag Ferdinand Schöningh 1928, S. 5.
486 Ebenda , S. 233.
505 Ebenda , S. 30, 31, 47, 87 und 33.
487 Ebenda.
506 Ebenda , S. 33 , 15.
488 Ebenda , S. 238.
507 Ebenda , S. 101.
489 Ebenda , S. 234.
508 Ebenda , S. 89.
490 GKFA , 23.1, S. 359.
509 Iwan Schmeljow. Die Sonne der To-
491 Dmitry Mereschkowski. Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler , S. 22. 492 Frage und Antwort. Interviews mit Thomas Mann 1909–1955. Hamburg : Albrecht Knaus 1983 , S. 146. 493 GKFA , 23.1, S. 396 ( Brief an Josef Winckler vom 28. 04. 1929 ). 494 Ebenda , S. 371 ( Brief an Will Schaber vom 15. 12. 1928 ). 495 Thomas Mann. Kultur und Sozialismus. In : GW , XII , S. 646 f., 648 f. 496 Ebenda , S. 649. 497 GKFA , 23.1, S. 374 ( Brief an Erich Koch-Weser vom 18. 12. 1928 ). 498 Kultur und Sozialismus. In : GW , XII , S. 643.
499 GKFA , 23.1, S. 414 ( Brief an Ernst Robert Curtius vom 27. 08. 1929 ). 500 Thomas Mann. Deutsche Ansprache.
ten , S. 44. 510 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 529. 511 Pariser Rechenschaft. In : GKFA , 15.1, S. 1173 f. 512 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 898 f. und Maxim Gorki. Erinnerungen an Tolstoi , S. 31. 513 Briefe 1889–1918, S. 328 f. 514 Tb. 1933–1934, S. 3. 515 Siehe dazu Manfred Dierks. Studien zu Mythos und Psychologie bei Thomas Mann , S. 260. 516 Tb. 1933–1934, S. 6, 8 f. 517 Ebenda , S. 27, 28 ( 30. 03. 1933 ), 30 ( 01. 04. 1933 ). 518 Ebenda , S. 40 ( 07. 04. 1933 ). 519 Ebenda , S. 52 ( 19. 04. 1933 ). 520 Ebenda , S. 58, 62, 65, 66. 521 Ebenda , S. 71, 73.
In : GW , XII , S. 871–876, 877–879,
522 Ebenda , S. 54.
880.
523 Briefe 1889–1918, S. 332.
501 Ebenda , S. 882–884.
524 Tb. 1933–1934, S. 67.
502 Ebenda , S. 879, 882.
525 Ebenda , S. 83 f.
503 Frage und Antwort. Interviews mit
526 Tb. 1918–1921, S. 107.
Thomas Mann 1909–1955, S. 146. 504 Mark Aldanoff. Das Rätsel Tolstoi. Aus dem Russischen übertragen von
254
Anhang
527 Tb. 1933–1934, S. 76. 528 Leo Tolstoi. Krieg und Frieden. Übertragen von H. Röhl. Leip-
zig : Insel-Verlag , o. J. Dritter Band ,
ra. Mit den Briefen und Tagebüchern
S. 78. Das angeführte Tagebuch-Zi-
von Leo Tolstoj , dessen Gattin , sei-
tat lässt den Schluss zu , dass Tho-
nes Arztes und seiner Freunde. Hrsg.
mas Mann 1933 Krieg und Frieden
von Rene Fülöp-Miller und Friedrich
in dieser Übersetzung gelesen hat.
Eckstein. Berlin : Bruno Cassirer Ver-
Vgl. auch den Tagebucheintrag vom
lag 1925, S. 175 bis 210.
31. 03. 1933 : « Hesse hat mir seine In-
546 Tb. 1937–39, S. 344 ( 06. 01. 1939 ).
sel-Ausgabe von ‹ Krieg u. Frieden ›
547 Tb. 1933–1934, S. 147.
geliehen , statt meiner elend übersetz-
548 Pariser Rechenschaft. In : GKFA ,
ten Reklam-Ausgabe. » ( Tb. 1933– 1934, S. 23 ). Zur Bezeichnung : BandTeil-Kapitelnr. Siehe Anm. 205. 529 Tb. 1933–1934, S. 89. 530 Der Zauberberg. In : GKFA , 5.1, S. 586. 531 Tb. 1933–1934, S. 90 f. ( 23. 05. 1933 ), 91 ( 24. 05. 1933 ), 92, 93 ( 25. 05. 1933 ). 532 Ebenda , S. 99.
15.1, S. 1127. Tb. 1933–1934, S. 149. Siehe auch S. 171 ( 07. 09. 1933 ). 549 Tb. 1933–1934, S. 241. 550 Ebenda , S. 244 ( 08. 11. 1933 ), 255 ( 24. 11. 1933 ). 551 Briefe 1889–1918, S. 338 ( Brief vom 08. 11. 1933 ). 552 Tb. 1933–1934, S. 279. 553 Zit. nach : Наталия Баранова-
533 Ebenda , S. 111, 115.
Шестова. Жизнь Льва Шестова.
534 Ebenda , S. 126 ( 03. 07. 1933 ). Sie-
Париж : La presse libre 1983 , c. 63.
he auch S. 103 ( 04. 06. 1933 ) und 207
Den in Regesten und Register nicht
( 02. 10. 1933 ).
erwähnten Brief Thomas Manns an
535 Ebenda , S. 132 ( 20. 07. 1933 ).
Schestow führt die Verfasserin voll-
536 Ebenda , S. 134, 135 ( 22. 07. 1933 ).
ständig und im deutschen Original
537 Ebenda , S. 140 ( 30. 07. 1933 ).
an.
538 Ebenda , S. 251 ( 20. 11. 1933 ).
554 Галина Кузнецова. Грасский
539 Ebenda , S. 130 f.
дневник. Москва : Московский
540 Ebenda , S. 137.
рабочий 1995, c. 288.
541 Ebenda , S. 157 ( 23. 08. 1933 ). 542 Ebenda , S. 99 ( 01. 06. 1933 ), 119 ( 22. 06. 1933 ). 543 Thomas Mann. « Witiko ». In : GW , X , S. 916.
555 Tb. 1933–1934, S. 318, 320 ( 11. 02. 1934 ), 322 ( 12. 02. 1934 ). 556 Briefe 1889–1918, S. 351. 557 Tb. 1933–1934, S. 334. 558 Ebenda , S. 340 ( 28. 02. 1934 ).
544 Tb. 1933–1934, S. 148 ( 11. 08. 1933 ).
559 Ebenda , S. 356 ( 14. 03. 1934 ).
545 Tolstojs Flucht und Tod. Geschil-
560 Ebenda , S. 346 ( 03. 03. 1934 ).
dert von seiner Tochter Alexand-
561 Tb. 1935–1936, S. 34. ( 12. 02. 1935 ).
Anmerkungen
255
562 Peter Tschaikowski. Die Tagebücher. Übersetzung von Hans-Joachim Grimm. Berlin : Verlag Ernst Kuhn 1992, S. 334 ( 28. 04. 1891 ).
579 Tb. 1937–1939, S. 12 ( 17. 01. 1937 ) und 36 ( 05. 03. 1937 ). 580 Ebenda , S. 16 ( 24. 01. 1937 ) und S. 55 ( 28. 04. 1937 ).
563 Tb. 1933–1934, S. 184.
581 Ebenda , S. 80 ( 23. 07. 1937 ).
564 Thomas Mann – Karl Kerényi. Ge-
582 Thomas Mann. Lotte in Weimar. In
spräch in Briefen. Frankfurt am
GKFA , 9.1, S. 139.
Main : S. Fischer Verlag 1960, S. 41,
583 Ebenda.
42 ( 20. 02. 1934 ) und 44 ( Kerényis
584 Leo N. Tolstoi. Krieg und Frieden.
Antwort vom 01. 03. 1934 ).
Übertragen von Claire von Glümer
565 Ebenda , S. 42.
und R. Löwenfeld ; durchgesehen
566 [ Rundfunkansprache an das ameri-
von Ludwig Berndl. Jena : Diederichs
kanische Publikum. ] In : GW , XIII ,
1925 [ weiter als Krieg und Frieden
S. 627 f., 628.
1925 ], Bd. 1, S. 130. Diese Ausga-
567 Tb. 1933–1934, S. 468 ( 11. 07. 1934 ). 568 Tolstoi. In : GW , X , S. 233. Siehe auch S. 94 bis 96 dieser Arbeit. 569 Thomas Mann. Das Problem der deutsch-französischen Beziehungen. In : GKFA , 15.1, S. 462, 463. 570 Ausführlich darüber siehe Thomas Sprecher. Thomas Mann in Zürich. München : Wilhelm Fink Verlag 1992, S. 168 bis 182. 571 Z. B. Tb. 1935–1936, S. 39, 183 , 189, 262, 270, 355, 390, 407. 572 Thomas Mann. Der Humanismus und Europa. In : GW , XIII , S. 635. 573 Tb. 1935–1936, S. 351 ( 13. 08. 1936 ). 574 Der Humanismus und Europa. In : GW , XIII , S. 635.
be ist in Thomas Manns Privatbibliothek erhalten. 585 Tb. 1937–1939, S. 87, 89. 586 Lotte in Weimar. In GKFA , 9. 1. , S. 169 f., 204. 587 Krieg und Frieden 1925, Bd. 1, S. 12, 31. 588 Lotte in Weimar. In GKFA , 9. 1. , S. 168, 185 f. 589 Krieg und Frieden 1925, Bd. 1, S. 39. 590 Tb. 1937–1939, S. 157 ( 11. 01. 1938 ). 591 Ebenda , S. 178 ( 17. 02. 1938 ). 592 Thomas Mann. Vom kommenden Sieg der Demokratie. In : GW , XI , S. 925, 926, 929 f. 593 Tb. 1937–1939, S. 135 ( 27. 11. 1937 ). 594 Ebenda , S. 209.
575 Tb. 1935–1936, S. 401 ( 30. 11. 1936 ).
595 Ebenda , S. 228 ( 24. 05. 1938 ).
576 Tb. 1937–1938, S. 62 ( 18. 05. 1937 ).
596 Ebenda , S. 229 ( 27. 05. 1938 ).
577 Thomas Mann. Über Puschkin. In :
597 Ebenda , S. 248 ( 01. 07. 1938 ).
GW , XIII , S. 839 f. 578 Briefe 1937–1947, S. 19, 20, 21.
256
Anhang
598 Ebenda , S. 244 ( 23. 06. 1938 ), 247 ( 29. 06. 1938 ), 249 ( 03. 07. 1938 ).
599 Ebenda , S. 277, 285. 600 Buddenbrooks. In : GKFA , 1.1, S. 575 f.
618 Tonio Kröger. In : GKFA , 2.1, S. 290 f. 619 Leo N. Tolstoi. Lebensstufen. Über-
601 Tb. 1937–1939, S. 285 ( 15. 08. 1938 ).
tragen von E. Röttger ; neu durchge-
602 Ebenda , S. 291 ( 20. 09. 1938 ), 292
sehen vn Ludwig Berndl. Jena : Die-
( 21. 09. 1938 ). 603 Ebenda , S. 303 ( 02. 10. 1938 ), 302 ( 30. 09. 1938 ), 305 ( 05. 10. 1938 ).
derichs 1928 [ weiter als Lebensstufen 1928 ], S. 407. Dieses Buch ist in Thomas Manns Privatbibliothek erhalten.
604 Ebenda , S. 310 ( 18. 10. 1938 ).
620 Tb. 1937–1939, S. 448.
605 Ebenda , S. 306 ( 07. 10. 1938 ).
621 Ebenda , S. 456 ( 23. 08. 1939 ).
606 Tb. 1937–1939, S. 334 ( 20. 12. und
622 Ebenda , S. 469 ( 11. 09. 1939 ).
21. 12. 1938 ), 347 ( 12. 01. 1939 ).
623 Ebenda , S. 472 ( 19. 08. 1939 ).
607 Ebenda , S. 348 ( 14. 01. 1939 ), 359 ( 10. 02. 1939 ). 608 Ebenda , S. 416 ( 04. 06. 1939 ). 609 Leo N. Tolstoi. Anna Karenina.
624 Siehe Anm. 519. 625 Tb. 1937–1939, S. 474. 626 Ebenda , S. 474 ( 19. 08. 1939 ), 475 ( 21. 09. 1939 ), 476 ( 23. 09. 1939 ).
Übertragen von M. Fronstein. Jena :
627 Ebenda , S. 517.
Diederichs 1925, Bd. 1 und 2 [ weiter
628 Frage und Antwort. Interviews mit
als Anna Karenina 1925 ]. 610 Thomas Mann. « Anna Karenina ». In GW , IX , S. 623 f., 628, 629, 630, 632. 611 Ebenda , S. 636 f.
Thomas Mann 1909–1955, S. 173 , 187 f. 629 Thomas Mann. Bruder Hitler. In : GW , XII , S. 849, 846 f.
612 Ebenda , S. 637.
630 Ebenda , S. 849.
613 Ebenda , S. 638 f.
631 Ebenda , S. 850.
614 Ebenda , S. 639.
632 Ebenda , S. 851 f.
615 Siehe Anna Karenina 1925, Bd. 2,
633 Tb. 1940–1943 , S. 16 ( 27. 01. 1940
S. 525 bis 533. 616 « Anna Karenina ». In : GW , IX , S. 639. 617 Iwan Turgenjew. Die russische Spra-
und 28. 01. 1940 ). 634 Ebenda , S. 21 ( 07. 02. 1940 ). 635 Tb. 1940–1943 , S. 36 f. 636 Ebenda , S. 47 ( 20. 03. 1940 ).
che. Deutsch von Georg Schwarz. In :
637 Ebenda , S. 49 ( 24. 03. 1940 ).
Iwan Turgenjew. Gesammelte Werke
638 Ebenda , S. 56, 62.
in Einzelbänden. Gedichte in Prosa.
639 Thomas Mann. On Myself. In : GW ,
Komödien. Berlin und Weimar : Aufbau 1994, S. 66.
XIII , S. 137 f.
640 Tb. 1940–1943 , S. 80 ( 22. 05. 1940 ), 98 ( 16. 06. 1940 ).
Anmerkungen
257
641 Ebenda , S. 104 ( 23. 06. 1940 ).
gister. Frankfurt am Main : S. Fischer
642 Iwan Bunin. Verfluchte Tage. Ein Re-
1980, 41 / 77 ( Brief an Bruno Frank
volutionstagebuch. Aus dem Rus-
vom 04. 02. 1941 ).
sischen von Dorothea Trottenberg.
653 Tb. 1940–1943 , S. 162.
Dörlemann Verlag Zürich 2005.
654 Thomas Mann. Leiden und Grö-
643 Tb. 1940–1943 , S. 103 ( 22. 06. 1940 ), 108 ( 29. 06. 1940 ), 110 ( 01. und
ße Richard Wagners. In : GW , IX , S. 365.
02. 07. 1940 ), 118 ( 15. 07. 1940 ).
655 Siehe Anm. 634.
644 Thomas Mann. Agnes E. Mey-
656 Siehe Anm. 542.
er. Briefwechsel 1937–1955. Frank-
657 Tb. 1940–1943 , S. 163 und 177
furt am Main : S. Fischer 1992, S. 217
( 09. 11. 1940, meine Hervorhebung. –
( 27. 07. 1940 ).
A. B. ).
645 William Shakespeare. Richard III.
658 Vgl. Ebenda , S. 230 ( 08. 03. 1941 ).
In : William Shakespeare. Sämtliche
659 Ebenda , S. 233 ( 13. 03. 1941 ).
Werke in vier Bänden. Übersetzt von
660 Ebenda , S. 235 ( 16. und 17. 03. 1941 ).
August Wilhelm Schlegel , Dorothea
661 Ebenda , S. 185, 213 , 235, 347, 637,
Tieck und Wolf Graf Baudissin. Berlin und Weimar : Aufbau Verlag 1994, Bd. 3 , S. 861. 646 Thomas Mann. Agnes E. Meyer. Briefwechsel 1937–1955, S. 217.
655. 662 Ebenda , S. 266 ( 13. 05. 1941 ), 284 ( 21. 06. 1941 ). Zum « kommunistischen Pazifismus » vgl. S. 18 ( 30. 01. 1940 ).
647 Ebenda , S. 219 ( 30. 07. 1940 ).
663 Ebenda , S. 284 ( 21. 06. 1941 ).
648 Ebenda , S. 270 ( 25. 04. 1941 ).
664 Ebenda , S. 1054.
649 Siehe Manfred Dierks. Budden-
665 Ebenda , S. 351 f. ( 23. 11. 1941 ).
brooks als europäischer Nervenro-
666 Ebenda , S. 401, 402 ( 08. 03. 1942 ).
man. In : Thomas Mann Jahrbuch ,
667 Ebenda , S. 1072 und 1082.
Bd. 15, Frankfurt am Main 2002,
668 Ebenda , S. 533.
S. 135 f.
669 Ebenda , S. 448 ( 05. 07. 1942 ) und Tb.
650 Siehe Julia Schöll. Joseph im Exil.
670 Ebenda , S. 552, 554 ( 21. 03. 1943 ).
mann 2004, S. 316 f.
671 F. M. Dostojewskij. Tagebuch eines
651 Thomas Mann. Agnes E. Mey-
Schriftstellers. Herausgegeben und
er. Briefwechsel 1937–1955, S. 254
übertragen von Alexander Eliasberg.
( 24. 01. 1941 ).
Vierter Band , S. 61.
652 Ebenda und Thomas Mann. Die Briefe 1934–1943. Regesten und Re-
258
1918–1921, S. 186 ( 05. 04. 1919 ).
Würzburg : Königshausen & Neu-
Anhang
672 Thomas Mann. Agnes E. Meyer. Briefwechsel 1937–1955, S. 519.
673 Thomas Mann. Schicksal und Auf-
686 Siehe Paul Tillichs Brief an Thomas
gabe. In : GW , XII , S. 933 , 932, 934,
Mann vom 23. 05. 1943. In : Blätter
935.
der Thomas Mann Gesellschaft Zü-
674 Thomas Mann. Agnes E. Meyer. Briefwechsel 1937–1955, S. 517 f., 518 ( Brief vom 15. 09. 1943 ): « You indicate that we should not fear com-
rich. Nummer 5, 1965, S. 48 bis 52. 687 « Anna Karenina ». In : GW , IX , S. 637, 639. 688 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1,
munism because the trend is in that
S. 132 f., 134 f. ( vgl. Paul Tillichs Brief
direction , a highly doubtful statement
an Thomas Mann vom 23. 05. 1943 ,
for which you give no proof. Anne
S. 50 ), 135.
Lindbergh saw fascism as the wave of
689 Ebenda , S. 170.
the future on the same unrealistic ba-
690 Anna Karenina 1925, Bd. 2, S. 371,
sis. » 675 Ebenda , S. 520. 676 Vgl. Tb. 1940–1943 , S. 626 ( 17. 09. 1943 ). 677 Thomas Mann. Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 484.
678 Ebenda , S. 480 f. 679 Anna Karenina 1925, Bd. 1, S. 226.
372 bis 377, 385. 691 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 727 f. 692 « Anna Karenina ». In : GW , IX , S. 630. 693 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 853. 694 F. M. Dostojewski. Literarische
Die Schreibweise der russischen Per-
Schriften. In : DSW , Zwölfter Band ,
sonennamen , insbesondere Ljewin ,
S. 237. Vgl. F. M. Dostojewskij. Tage-
entspricht derjenigen in der Über-
buch eines Schriftstellers. Herausge-
setzung der Anna Karenina von M.
geben und übertragen von Alexander
Fronstein.
Eliasberg. Vierter Band , S. 69.
680 Ebenda , Bd. 2, S. 382. Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 478. 681 Anna Karenina 1925, Bd. 2, S. 383. 682 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 477 f. 683 Anna Karenina 1925, Bd. 2, S. 389 f., 390. 684 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 487, 488. 685 Tb. 1944–1946, S. 57 ( 18. 05. 1944 ) und 248 ( 31. 08. 1944 ).
695 Tb. 1944–1946, S. 42 ( 10. 04. 1944 ). 696 Thomas Mann. Agnes E. Meyer. Briefwechsel 1937–1955, S. 613 , 612 ( Brief vom 07. 01. 1945 ). 697 Thomas Mann. Die Entstehung des Doktor Faustus. In : GKFA , 19.1, S. 500 f. 698 Thomas Mann. Dostojewski – mit Maßen. In : GKFA , 19.1, S. 42 f. 699 Ebenda , S. 54, 55. 700 Ebenda , S. 61 f.
Anmerkungen
259
701 Graf Leo Tolstoi. Gegen die moderne Kunst , S. 43 f., 63 , 65. 702 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 469 f. 703 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 530 f., 537. 704 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1, S. 918. 705 Tb. 1944–1946, S. 304 ( 30. 01. 1946 ). 706 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1,
717 Thomas Mann. Agnes E. Meyer. Briefwechsel 1937–1955, S. 637. 718 Siehe Herbert Lehnert. Bert Brecht und Thomas Mann im Streit über Deutschland. In : Hermann Kurzke ( Hrsg. ). Stationen der ThomasMann-Forschung. Würzburg : Königshausen & Neumann 1985, S. 250. 719 Thomas Mann. [ Brief an die Studentenbewegung « Students for Fede-
S. 607. Leo N. Tolstoi. Auferstehung.
ral World Government » ]. In : GKFA ,
Übertragen von Wladimir Czumi-
19.1, S. 169 f., 170 f.
kow ; neu durchgesehen von Ludwig
720 Ebenda , S. 171.
Berndl. Jena : Diederichs 1925 [ wei-
721 Ebenda , S. 172 bis 176.
ter als Auferstehung 1925 ], S. 62, 72.
722 Tb. 1946–1948, S. 3 ( 28. 05. 1946 ), 20
Diese Ausgabe ist in Thomas Manns
( 14. 07. 1946 ).
Privatbibliothek erhalten. Leo N.
723 Tb. 1946–1948, S. 52 ( 12. 10. 1946 ).
Tolstoi. Hadschi-Murad. In : Leo N.
724 Ebenda , S. 165 ( 03. 10. 1947 ).
Tolstoi. Gesammelte Novellen. Fünf-
725 Tb. 1935–1936, S. 351 ( 13. 08. 1936 ).
ter Band. Jena : Diederichs 1924 [ wei-
726 Tb. 1946–1948, S. 151 ( 31. 08. 1947 ).
ter als Hadschi-Murad 1924 ], S. 7.
727 Ebenda , S. 157 ( 14. 09. 1947 ).
707 Doktor Faustus. In : GKFA , 10.1, S. 673. Anna Karenina 1925, Bd. 1, S. 23 f.
728 Ebenda , S. 168 ( 07. 10. 1947 ). 729 Thomas Mann. [ An Hermann Lange ]. In : GW , XIII , S. 223.
708 Flaubert. Briefe , S. 578.
730 Tb. 1946–1948, S. 236.
709 Tb. 1944–1946, S. 189.
731 Tb. 1944–1946, S. 225 ( 06. 07. 1945 ).
710 Thomas Mann. Franklin Roosevelt.
732 Briefe 1948–1955, S. 20 f. ( Brief vom
In : GW , XII , S. 942, 943. 711 Tb. 1944–1946, S. 200 f.
13. 02. 1948 ). 733 Siehe Klaus Makoschey. Quellenkri-
712 Ebenda , S. 205.
tische Untersuchungen zum Spät-
713 Tb. 1949–1950, S. 124 ( 08. 11. 1949 ).
werk Thomas Manns. Thomas-
714 Tb. 1944–1946, S. 208.
Mann-Studien , Band 17. Frankfurt
715 Thomas Mann. Brief nach Deutsch-
am Main : Vittorio Klostermann
land. In GKFA , 19.1, S. 73 , 75, 76. 716 Ebenda , S. 78, 82.
1998, S. 127 f. 734 Tb. 1940–1943 , S. 110 ( 02. 07. 1940 ) und 139 ( 26. 08. 1940 ).
260
Anhang
735 Thomas Mann. Der Erwählte. In : GW , VII , S. 149. 736 Leo N. Tolstoi. Vater Sergius. In :
749 Ebenda , S. 227 ( 23. 02. 1948 ). 750 Ebenda , S. 237. 751 Ebenda , S. 255 f.
Leo N. Tolstoi. Gesammelte Novel-
752 Ebenda , S. 274 ( 17. 06. 1948 ).
len. Fünfter Band. Jena : Diederichs
753 Ebenda , S. 340 ( 13. 12. 1948 ).
1924 [ weiter als Vater Sergius 1924 ],
754 Thomas Mann. Bemerkungen zu
S. 330 f., 331. Diese Ausgabe ist in der
dem Roman « Der Erwählte ». In :
Privatbibliothek Thomas Manns er-
GW , XI , S. 688, 690.
halten. 737 Der Erwählte. In : GW , VII , S. 70 f., 72, 73. 738 Vater Sergius 1924, S. 382. 739 Der Erwählte. In : GW , VII , S. 185. Vgl. Hartmann von Aue. Gregorius. Verse 2955 bis 2957 und 2481 bis 2498.
755 Tb. 1946–1948, S. 335, 338 ( 08. 12. 1948 ), 339 ( 12. 12. 1948 ), 340 ( 14. 12. 1948 ), 346 ( 29. 12. 1948 ). 756 Tb. 1949–1950, S. 3 , 5, 7 ( 08. 01. 1949 ). 757 Robert Saitschick. Denker und Dichter. Charakter-Darstellungen. Zürich : Rascher Verlag 1949, S. 323.
740 Lebensstufen 1928, S. 229.
758 Tb. 1949–1950, S. 17.
741 Krieg und Frieden 1925, Bd. 2, S. 72.
759 Ebenda , S. 36.
742 Siehe S. 42 bis 44.
760 Ebenda , S. 44.
743 Tb. 1944–1946, S. 58 ( 22. 05. 1944 )
761 Ebenda , S. 82 ( 23. 07. 1949 ).
und Die Entstehung des Doktor
762 Thomas Mann. Ansprache im Goe-
Faustus. In : GKFA , 19.1, S. 466. Igor
thejahr 1949. In : GKFA , 19.1,
Strawinsky. Leben und Werk – von
S. 673 f., 677 f.
ihm selbst. Aus dem Französischen
763 Siehe Tb. 1949–1950, S. 431.
übertragen von Richard Tüngel. Zü-
764 Thomas Mann. [ Erklärung zu dem
rich : Atlantis-Verlag und Mainz : B.
offenen Brief der « Kampfgruppe ge-
Schott’s Söhne 1957, S. 21. Vgl. Tb.
gen Unmenschlichkeit » ]. In : GKFA ,
1940–1943 , S. 495 ( 10. 11. 1942 ).
19.1, S. 692.
744 Vater Sergius 1924, S. 387. 745 Tb. 1946–1948, S. 194 ( 10. 12. 1947 ) und 667 f. 746 Ebenda , S. 206 ( 03. 01. 1948 ). 747 Ebenda , S. 208 ( 08. 01. 1948 ) und 687. 748 Ebenda , S. 221 ( 09. 02. 1948 ). Briefe 1948–1955, S. 19.
765 Thomas Mann. [ Reisebericht ]. In : GKFA , 19.1, S. 709. Frage und Ant-
wort. Interviews mit Thomas Mann 1909–1955, S. 298. 766 [ Reisebericht ]. In : GKFA , 19.1, S. 709. 767 Anton Tschechow. Eine langweilige Geschichte. In : Anton Tschechow.
Anmerkungen
261
Kleine Romane. Band 1. Deutsch von Johannes von Guenther. Berlin : Rüt-
te Werke. Novellen. Jena : Diederichs 1911, Bd. 5, S. 33 f., 45.
ten & Loening 1952, S. 207. Diese
780 Ebenda , S. 101.
Ausgabe ist in Thomas Manns Pri-
781 Tb. 1949–1950, S. 169 ( 18. 02. 1950 ).
vatbibliothek erhalten.
782 Ebenda , S. 195 ( 27. 05. 1950 ), 196
768 Tb. 1949–1950, S. 130 ( 22. 11. 1949 ), 153 ( 11. 01. 1950 ), 183 ( 06. 04. 1950 ). 769 Thomas Mann. Meine Zeit. In : GW ,
( 28. 05. 1950 ), 197 ( 31. 05. 1950 ). 783 Ebenda , S. 223 , 224 ( 18. 07. 1950 ), 226 ( 19. 07. 1950 ), 243 ( 12. 08. 1950 ).
XI , S. 319. Das Buch Berdiajews
784 Ebenda , S. 245 ( 14. 08. 1950 ).
Sinn und Schicksal des russischen
785 Ebenda , S. 282 ( 25. 10. 1950 ).
Kommunismus hatte Thomas Mann
786 Tb. 1951–1952, S. 103 ( 15. 09. 1951 ),
im August 1939 ( Tb. 1937–1939,
106 ( 22. 09. 1951 ).
S. 474 ) gelesen. Eine Ähnlichkeit der
787 Ebenda , S. 124.
in Meine Zeit formulierten Auffas-
788 Leo Tolstoj. Briefe an seinen Freund
sung mit den entsprechenden Passa-
Wladimir Tschertkow aus den Jahren
gen aus dem 3. Abschnitt des Kapi-
1883–1886. Nach russischem Ma-
tels VI : Russischer Kommunismus
nuskript übertragen und herausge-
und die Revolution ist nicht zu über-
geben von Ludwig und Dora Berndl.
sehen.
Winterthur : Züst 1950 [ weiter als
770 Thomas Mann. Meine Zeit. In : GW , XI , S. 309. 771 Krieg und Frieden 1925, Bd. 2, S. 396, 398.
Briefe an Tschertkow ], S. 91, 92, 94, 112. Siehe auch S. 111 ( Brief vom 17. 12. 1885 ). 789 Ebenda , S. 111.
772 Auferstehung 1925, S. 131, 132.
790 Tb. 1951–1952, S. 125 ( 25. 10. 1951 ).
773 Hadschi-Murad 1924, S. 76 f.
791 Briefe an Tschertkow , S. 66, 67.
774 Anna Karenina 1925, Bd. 1, S. 123 f.
792 Goethe und Tolstoi. In : GKFA , 15.1,
und 129.
S. 876.
775 Tb. 1949–1950, S. 192.
793 Tb. 1951–1952, S. 125.
776 Tb. 1918–1921, S. 107 und 1933–
794 Thomas Mann. Agnes E. Mey-
1934, S. 76.
er. Briefwechsel 1937–1955, S. 268
777 Meine Zeit. In : GW , XI , S. 311 f.
( Brief vom 21. 04. 1941 ): « About
778 Tb. 1949–1950, S. 193 ( 23. 05. 1950 ),
all questions of life , dear friend , you
194 ( 24. 05. 1950 ). 779 Leo N. Tolstoi. Der Tod des Iwan Iljitsch. In : Leo N. Tolstoi. Gesammel-
262
Anhang
are – forgive me – a child. » 795 Briefe an Tschertkow , S. 71 f.
796 Siehe Heinrich Detering. Thomas Manns amerikanische Religion. Frankfurt am Main : S. Fischer 2012. 797 Zitiert nach : Heinrich Detering.
813 Tb. 1951–1952, S. 25 ( 12. 08. 1952 ), 258 ( 15. 08. 1952 ). 814 Ebenda , S. 271 ( 12. 09. 1952 und 13. 09. 1952 ), 277 ( 22. 09. 1952 ).
Thomas Manns amerikanische Reli-
815 Ebenda , S. 253 ( 06. 08. 1952 ).
gion , S. 263. Die vollständige engli-
816 Krieg und Frieden 1925, Bd. 2, S. 184,
sche Fassung des Vortrages von Thomas Mann wurde im Anhang des Buches von H. Detering , auf Seiten 295 bis 297 publiziert. 798 Tb. 1951–1952, S. 145 ( 05. 12. 1951 ), 147 ( 12. 12. 1951 ), 149 ( 15. 12. 1951 ). 799 Ebenda , S. 149 ( 15. 12. 1951 ), 152 ( 23. 12. 1951 ). 800 Briefe an Tschertkow , S. 84, 87, 92, 114, 123. 801 Ebenda , S. 101 ( Brief vom 24. 10. 1885 ), 102 f. 802 Tb. 1951–1952, S. 205 ( 21. 04. 1952 ). 803 Ebenda , S. 220 ( 27. 05. 1952 ). 804 Hadschi-Murad 1924, S. 3 f. 805 Thomas Mann. Agnes E. Meyer. Briefwechsel 1937–1955, S. 796 f. ( Brief vom 09. 02. 1955 ).
185, 189. 817 Thomas Mann. Die Betrogene. In : GW , VIII , S. 888. 818 Tb. 1953–1955, S. 29, 34. 819 Thomas Mann. Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. In : GKFA , 12.1, S. 392, 406. Anton Tschechoff. Ein bekannter Herr. Humoristische Geschichten. Bd.1. Jena : Diederichs 1910. ( Der Band enthält unter anderem die Erzählung Der Löwen- und Sonnenorden , siehe S. 223 bis 230 ). Tb. 1951–1952, S. 271, 272, 277, 280, 284. 820 Tb. 1951–1952, S. 315 ( 21. 12. 1952 ), 317 ( 23. 12. 1952 ). Tb. 1953–1955, S. 24 ( 09. 02. 1953 ), 38 ( 22. 03. 1953 ). 821 Felix Krull. In : GKFA , 12.1,
806 Briefe 1948–1955, S. 263.
S. 368. Vgl. Tb. 1953–1955, S. 48
807 Tb. 1951–1952, S. 228. Zu Hadschi-
( 10. 04. 1953 ).
Murad vgl. auch : Frage und Antwort.
822 Felix Krull. In : GKFA , 12.1, S. 226.
Interviews mit Thomas Mann 1909–
823 Tb. 1953–1955, S. 4.
1955, S. 341.
824 Lebensstufen 1928, S. 434.
808 Lebensstufen 1928, S. 282.
825 Felix Krull. In : GKFA , 12.1, S. 358 f.
809 Tb. 1951–1952, S. 235 ( 01. 07. 1952 ),
826 Lebensstufen 1928, S. 275.
236 ( 02. und 03. 07. 1952 ).
827 Felix Krull. In : GKFA , 12.1, S. 381 f.
810 Ebenda , S. 239 f.
828 Tb. 1953–1955, S. 127 ( 13. 10. 1953 ).
811 Ebenda , S. 270 ( 09. 09. 1952 ), 240.
829 Lebensstufen 1928, S. 282.
812 Ebenda , S. 249 bis 253. Tb. 1940– 1943 , S. 542.
Anmerkungen
263
830 Tb. 1953–1955, S. 205 ( 04. 04. 1954 ), 43 ( 02. 04. 1953 ) Felix Krull. In : GKFA , 12.1, S. 250, 254–257.
831 Tb. 1953–1955, S. 103 ( 24. 08. 1953 ), 112 ( 12. 09. 1953 ). 832 Ebenda , S. 178 ( 02. 02. 1954 ). 833 Ebenda , S. 207, 234, 236. 834 Ebenda , S. 197 ( 19. 03. 1954 ). 835 Thomas Mann. Vorwort zu dem Bu-
Tolstoi , S. 16 ). 839 Tb. 1953–1955, S. 255 ( 31. 07. 1954 ). 840 Ebenda , S. 272. 841 Ebenda , S. 294, 874 ( Dok. 39 ), 754 ( Anm. 1 ), 340 ( 27. 04. 1955 ). 842 Ebenda , S. 311 ( 21. 01. 1955 ), 318 ( 20. 02. 1955 ), 843 Ebenda , S. 326.
che « Briefe Todgeweihter ». In : GW ,
844 Tb. 1953–1955, S. 331, 332.
X , S. 819, 820.
845 Ebenda , S. 338 ( 19. 04. 1955 ), 339
836 Tb. 1953–1955, S. 242 f.
( 22. 04. 1955 ), 340 ( 25. 04. 1955 ).
( 21. 06. 1954 ), 245 ( 07. 07. 1954 ), 246
846 Ebenda , S. 342 bis 345.
( 09. 07. 1954 ).
847 Briefe 1948–1955, S. 400.
837 Thomas Mann. Versuch über Tschechow. In : GW , IX , S. 843. 838 Ebenda , S. 844, 845. Mark Aldanoff , dessen Tolstoi-Studie am Anfang der
848 Graf Leo N. Tolstoi. Kosaken. Deutsch von Johannes von Guenther. München : Drei Masken Verlag [ o. J., 1922 ? ], S. 205.
Dreißigerjahre Thomas Manns Lek-
849 Tb. 1953–1955, S. 348 ( 15. 06. 1955 ).
türe war , meinte , dass Tschechow
850 Zitiert nach : Rainer Maria Rilke in
« sicher auch nicht den zehnten Teil
Jasnaja Poljana. Bearbeitet von Joa-
der Bücher gelesen hat , die Tolstoi
chim W. Storck. Marbacher Magazin.
kannte. » Trotzdem habe auch er das
Sonderheft 92 / 2000, S. 67.
Thema « Unwissenheit » Tolstois ge-
264
ritten. ( Mark Aldanoff. Das Rätsel
Anhang
Verzeichnis der erwähnten Werke Thomas Manns Achtung , Europa ! 158
Deutsche Ansprache 132 , 254
[ An Hermann Lange ] ( 14 ), 200 , 238 , 260
Deutschland und die Demokratie 108 , 252
« Anna Karenina » 16 , 165 bis 168 , 186 bis
[ Die besten Bücher des Jahres ] ( 111 ), 252
189 , 239 , 257 , 259
Die Betrogene 224 , 225 , 263
Ansprache im Goethejahr 208 bis 209 , 261 Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Die Entstehung des Doktor Faustus 207 , 259 , 261
10 , 43 , 46 , 51 , 180 , 224 , 227 bis 230 ,
Die vertauschten Köpfe 173 , 176
263 , 264
Doktor Faustus 182 bis 194 , 200 , 204 , 207 ,
Bemerkungen zu dem Roman « Der Erwählte » 206 , 261
235 , 259 , 260 , 261 Dostojewski – mit Maßen 189 , 190 , 259
Betrachtungen eines Unpolitischen 18 , 53 bis 63 , 66 , 100 , 101 , 110 , 121 , 165 , 168 , 203 , 240 , 244 , 245 , 251 , 253
Erinnerungen aus der deutschen Inflation 246 [ Erklärung zu dem offenen Brief der
Bilse und ich 243
« Kampfgruppe gegen Unmenschlich-
[ Brief an die Studentenbewegung « Students
keit » ] ( 209 ), 261
for Federal World Government » ] 197 ,
Fiorenza 20 , 41 , 171
198 , 260
Franklin Roosevelt 194 , 260
Brief nach Deutschland 196 , 260
Friedrich und die große Koalition
Bruder Hitler 171 , 172 , 257
53
Buddenbrooks 8 , 13 , 14 , 15 , 17 , 19 , 25 , 29 ,
Gedanken im Kriege 53 , 244
33 , 37 , 40 , 57 , 79 , 101 , 128 , 164 , 174 ,
Gefallen 15
176 , 200 , 239 , 241 , 251 , 257
Gesang vom Kindchen 126 , 253
Das Problem der deutsch-französischen Beziehungen ( 157 ), 256
Gladius Dei 18 , 19 , 20 , 239 Goethe und Tolstoi 78 , 80 bis 87 , 93 , 100 ,
Der Bajazzo 33 , 34 , 242
108 , 113 , 115 , 123 , 124 , 129 , 130 ,
Der Doktor Lessing ( 45 ), 243
132 , 166 , 188 , 191 , 200 , 203 , 210 ,
Der Erwählte 200 bis 204 , 206 , 224 , 261
223 , 248 , 249 , 251 , 253 , 254
Der Humanismus und Europa 158 , 256
Gute Feldpost 52 , 244
Der Kleiderschrank 11 , 17
Herr und Hund 67 , 68 , 246
Der Tod in Venedig 12 , 46 , 47 , 48 , 51 , 74 ,
Im Warschauer PEN-Club 128 , 254
76 , 95 , 126 , 215 , 221 , 244
Joseph und seine Brüder 121 , 122 , 123 , 125 ,
Der Zauberberg 51 , 77 , 91 bis 106 , 109 , 126 , 142 , 151 , 249 , 250 , 251 , 252 Der kleine Herr Friedemann 171
149 , 152 , 155 , 156 , 160 , 173 , 176 , 179 , 180 , 194 , 195 , 200 , 203 , 235 , 253 Königliche Hoheit 8 , 33 , 45 , 46 , 51 , 76 , 242
Verzeichnis der erwähnten Werke Thomas Manns
265
Kultur und Sozialismus 231 , 254
[ Tolstoi zum 80. Geburtstag ] 43 , 241
Lebensabriß ( 123 ), 166 , 243 , 253
Tolstoi 128 , 129 , 157 , 254
Leiden und Größe Richard Wagners 177 ,
Tonio Kröger 20 , 21 , 22 , 23 , 25 , 26 , 29 , 31 ,
258
33 , 37 , 41 , 43 , 44 , 55 , 65 , 66 , 68 , 70 ,
Lotte in Weimar 160 , 161 , 162 , 165 , 173 , 256
72 , 73 , 74 , 79 , 87 , 96 , 100 , 109 , 110 , 117 , 169 , 177 , 240 , 241 , 257
Luischen 15
Unordnung und frühes Leid 109 , 110 , 127 ,
Lübeck als geistige Lebensform ( 33 ), 128 , 166 , 238 , 253 Monolog 12
130 , 252 Unterwegs 127 , 253 [ Über die Sammlung « Letters From Russian
Meine Zeit 211 , 212 , 262
Prisons » ] 107 , 252
On myself 174 , 238 , 257
[ Über Lenin ] 107 , 252
Pariser Rechenschaft 110 , 119 , 126 , 252
Über Puschkin 159 , 160 , 256
bis 255
Versuch über Tschechow 231 , 232 , 264
[ Reisebericht ] ( 210 ), 261 Russische Anthologie 79 , 166 , 253
Vom kommmenden Sieg der Demokratie 163 , 181 , 256
Russische Dichtergalerie 90 , 249
Von deutscher Republik 89 , 108 , 182 , 253
Schicksal und Aufgabe 182 , 259
Vorwort zu dem Buche « Briefe Todgeweih-
Schwere Stunde 38 , 39 , 242 Tobias Mindernickel 171
ter » 231 , 264 Wälsungenblut 40
Verzeichnis der erwähnten Werke Leo Tolstois Albert 207
Der lebende Leichnam 233
Anna Karenina 14 , 15 , 22 , 29 , 30 , 38 , 57 ,
Der Morgen eines Gutsbesitzers 160 , 207
64 , 68 , 78 , 130 , 151 , 165 , 166 , 168 ,
Der Teufel 215 , 217
174 , 183 bis 189 , 192 , 199 , 204 , 212 ,
Der Tod des Iwan Iljitsch 68 , 198 , 213 , 214 ,
213 , 216 , 220 , 232 , 234 , 239 , 241 , 242 , 246 , 249 , 257 , 259 , 260 , 262 Auferstehung 15 , 63 , 165 , 192 , 212 , 215 , 260 , 262 Briefe an seinen Freund Wladimir Tschertkow 215 bis 220 , 262 , 263 Chodynka 68 , 207 Der gefälschte Coupon 175
266
Anhang
262 Der Überfall 179 Die Kreutzersonate 15 , 212 , 215 Die Macht der Finsternis 233 Eheglück 173 Eine Untersuchung der dogmatischen Theologie 218 Erste Erinnerungen 224
Kultur und Sozialismus 231 , 254
[ Tolstoi zum 80. Geburtstag ] 43 , 241
Lebensabriß ( 123 ), 166 , 243 , 253
Tolstoi 128 , 129 , 157 , 254
Leiden und Größe Richard Wagners 177 ,
Tonio Kröger 20 , 21 , 22 , 23 , 25 , 26 , 29 , 31 ,
258
33 , 37 , 41 , 43 , 44 , 55 , 65 , 66 , 68 , 70 ,
Lotte in Weimar 160 , 161 , 162 , 165 , 173 , 256
72 , 73 , 74 , 79 , 87 , 96 , 100 , 109 , 110 , 117 , 169 , 177 , 240 , 241 , 257
Luischen 15
Unordnung und frühes Leid 109 , 110 , 127 ,
Lübeck als geistige Lebensform ( 33 ), 128 , 166 , 238 , 253 Monolog 12
130 , 252 Unterwegs 127 , 253 [ Über die Sammlung « Letters From Russian
Meine Zeit 211 , 212 , 262
Prisons » ] 107 , 252
On myself 174 , 238 , 257
[ Über Lenin ] 107 , 252
Pariser Rechenschaft 110 , 119 , 126 , 252
Über Puschkin 159 , 160 , 256
bis 255
Versuch über Tschechow 231 , 232 , 264
[ Reisebericht ] ( 210 ), 261 Russische Anthologie 79 , 166 , 253
Vom kommmenden Sieg der Demokratie 163 , 181 , 256
Russische Dichtergalerie 90 , 249
Von deutscher Republik 89 , 108 , 182 , 253
Schicksal und Aufgabe 182 , 259
Vorwort zu dem Buche « Briefe Todgeweih-
Schwere Stunde 38 , 39 , 242 Tobias Mindernickel 171
ter » 231 , 264 Wälsungenblut 40
Verzeichnis der erwähnten Werke Leo Tolstois Albert 207
Der lebende Leichnam 233
Anna Karenina 14 , 15 , 22 , 29 , 30 , 38 , 57 ,
Der Morgen eines Gutsbesitzers 160 , 207
64 , 68 , 78 , 130 , 151 , 165 , 166 , 168 ,
Der Teufel 215 , 217
174 , 183 bis 189 , 192 , 199 , 204 , 212 ,
Der Tod des Iwan Iljitsch 68 , 198 , 213 , 214 ,
213 , 216 , 220 , 232 , 234 , 239 , 241 , 242 , 246 , 249 , 257 , 259 , 260 , 262 Auferstehung 15 , 63 , 165 , 192 , 212 , 215 , 260 , 262 Briefe an seinen Freund Wladimir Tschertkow 215 bis 220 , 262 , 263 Chodynka 68 , 207 Der gefälschte Coupon 175
266
Anhang
262 Der Überfall 179 Die Kreutzersonate 15 , 212 , 215 Die Macht der Finsternis 233 Eheglück 173 Eine Untersuchung der dogmatischen Theologie 218 Erste Erinnerungen 224
Gegen die moderne Kunst 17 , 18 , 122 , 123 ,
Luzern 207
190 , 191 , 239 , 240 , 253 , 260
Sewastopol 223
Göttliches und Menschliches 222 , 266
Schneesturm 207
Hadschi-Murad 75 , 192 , 212 , 215 , 221 ,
Tagebuch. Erster Band 1895–1899 69 , 74 ,
222 , 224 , 260 , 262 , 263
247
Herr und Knecht 207
Tagebuch der Jugend 69 bis 74 , 246 , 247
Ich kann nicht schweigen 54
Und das Licht scheinet in der Finsternis 233
Kosaken 46 , 164 , 222 , 234 , 244 , 264
Über den Hunger 132
Krieg und Frieden 14 , 15 , 22 , 28 , 38 , 49 ,
Vater Sergius 201 bis 204 , 215 , 222 , 224 ,
57 , 58 , 59 , 62 , 64 , 65 , 73 , 93 , 143 , 144 ,
261
145 , 147 , 148 , 150 , 161 , 165 , 172 , 174 ,
Wandelt , dieweil ihr das Licht habt 173 , 177
203 , 212 , 216 , 225 , 226 , 239 , 244 , 245 ,
Wofür 214
246 , 250 , 254 , 255 , 256 , 261 , 263
Worin besteht mein Glaube 54 , 218
Lebensstufen 42 , 73 , 169 , 203 , 223 , 224 ,
Zusammenführung und Übersetzung der
225 , 228 , 229 , 243 , 257 , 261 , 263
vier Evangelien 218
Leinwandmesser 207
Abbildungsnachweise Abb. 1 , 2 , 3 , 5 , 6 , 8 , 9 , 11 , 12 , 13 , 14 © akg-images Abb. 4 © Keystone Schweiz Abb. 7 , 10 © dpa picture alliance
Abbildungsnachweise
267
Gegen die moderne Kunst 17 , 18 , 122 , 123 ,
Luzern 207
190 , 191 , 239 , 240 , 253 , 260
Sewastopol 223
Göttliches und Menschliches 222 , 266
Schneesturm 207
Hadschi-Murad 75 , 192 , 212 , 215 , 221 ,
Tagebuch. Erster Band 1895–1899 69 , 74 ,
222 , 224 , 260 , 262 , 263
247
Herr und Knecht 207
Tagebuch der Jugend 69 bis 74 , 246 , 247
Ich kann nicht schweigen 54
Und das Licht scheinet in der Finsternis 233
Kosaken 46 , 164 , 222 , 234 , 244 , 264
Über den Hunger 132
Krieg und Frieden 14 , 15 , 22 , 28 , 38 , 49 ,
Vater Sergius 201 bis 204 , 215 , 222 , 224 ,
57 , 58 , 59 , 62 , 64 , 65 , 73 , 93 , 143 , 144 ,
261
145 , 147 , 148 , 150 , 161 , 165 , 172 , 174 ,
Wandelt , dieweil ihr das Licht habt 173 , 177
203 , 212 , 216 , 225 , 226 , 239 , 244 , 245 ,
Wofür 214
246 , 250 , 254 , 255 , 256 , 261 , 263
Worin besteht mein Glaube 54 , 218
Lebensstufen 42 , 73 , 169 , 203 , 223 , 224 ,
Zusammenführung und Übersetzung der
225 , 228 , 229 , 243 , 257 , 261 , 263
vier Evangelien 218
Leinwandmesser 207
Abbildungsnachweise Abb. 1 , 2 , 3 , 5 , 6 , 8 , 9 , 11 , 12 , 13 , 14 © akg-images Abb. 4 © Keystone Schweiz Abb. 7 , 10 © dpa picture alliance
Abbildungsnachweise
267
Literatur 1. Von Thomas Mann benutzte Literatur zu Tolstoi Aldanoff , Mark : Das Rätsel Tolstoi. Paderborn : Verlag Ferdinand Schöningh 1928. Leo N. Tolstois Biographie und Memoiren. Autobiographische Memoiren , Briefe und biographisches Material , herausgegeben von Paul Birukof und durchgesehen von Leo Tolstoi. Bd. 1 und 2. Wien und Leipzig : k. u. k. Hofbuchhandlung 1909. Eliasberg , Alexander : Bildergalerie zur russischen Literatur. München : Orchis 1922. Ders. : Russische Literaturgeschichte in Einzelporträts. München : Oskar Beck 1922. Gorki , Maxim : Erinnerungen an Tolstoi. München : Der Neue Merkur 1920. Hamburger , Käte : Leo Tolstoi – Gestalt und Problem. Bern : A. Francke 1950. Mereschkowski , Dmitry : Tolstoi und Dostojewski als Menschen und als Künstler. Leipzig : Verlagsbuchhandlung Schulze & Co. 1903. Ders. : Vom Krieg zur Revolution. Ein unkriegerisches Tagebuch. München : R. Piper & Co. 1918. Saitschick , Robert : Denker und Dichter. Charakter-Darstellungen. Zürich : Rascher Verlag 1949. Tolstojs Flucht und Tod. Geschildert von seiner Tochter Alexandra. Mit den Briefen und Tagebüchern von Leo Tolstoj , dessen Gattin , seines Arztes und seiner Freunde. Hrsg. von Rene Fülöp-Miller und Friedrich Eckstein. Berlin : Bruno Cassirer Verlag 1925. Zweig , Stefan : Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski. Leipzig : Insel 1920.
2. Sekundärliteratur Banuls , André : « Thomas Mann und die russische Literatur ». In : Thomas Mann 1975‒1975. Vorträge in München-Zürich-Lübeck. Frankfurt a. M. : S. Fischer 1977. Baskakov , Alexej : « Thomas Mann und Iwan Schmeljow. Interpretation einer Bekanntschaft ». In : Thomas Mann Jahrbuch , Bd. 13 , Frankfurt a. M. 2000. Detering , Heinrich : Thomas Manns amerikanische Religion. Frankfurt a. M. : S. Fischer 2012. Dierks , Manfred : « Buddenbrooks als europäischer Nervenroman ». In : Thomas Mann Jahrbuch , Bd. 15, Frankfurt a. M. 2002. Ders. : Studien zu Mythos und Psychologie bei Thomas Mann. Thomas-Mann-Studien , Bd. 2. Bern und München : Francke Verlag 1972. Gut , Philipp : Thomas Manns Idee einer deutschen Kultur. Frankfurt a. M. : S. Fischer 2008.
268
Anhang
Hanke , Edith : Prophet des Unmodernen. Leo N. Tolstoi als Kulturkritiker in der deutschen Diskussion der Jahrhundertwende. Tübingen : Niemeyer 1993. Heftrich , Urs : « Thomas Manns Weg zur slavischen Dämonie. Überlegungen zur Wirkung Dmitry Mereschkowskis ». In : Thomas Mann Jahrbuch , Bd. 8, Frankfurt a. M. 1995. Hofman , Alois : Thomas Mann und die Welt der russischen Literatur. Berlin : Akademie Verlag 1967. Koopmann , Helmut : Der schwierige Deutsche. Studien zum Werk Thomas Manns. Tübingen : Max Niemeyer Verlag 1988. Ders.: Thomas Mann – Heinrich Mann. Die ungleichen Brüder. München : C. H. Beck 2005. Kurzke , Hermann : Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk. Eine Biographie. München : C. H. Beck 1999. Ders. : « Dostojewski in den Betrachtungen eines Unpolitischen ». In : Thomas Mann und seine Quellen. Festschrift für Hans Wysling. Frankfurt a. M. : Vittorio Klostermann 1991. Ders. : « Thomas Mann verstehen ». In : Vom Nachruhm. Beiträge zur Lübecker ThomasMann-Festwoche 2005. Thomas-Mann-Studien , Bd. 37. Frankfurt a. M. : Vittorio Klostermann 2007. Lehnert , Herbert : « Bert Brecht und Thomas Mann im Streit über Deutschland ». In : Hermann Kurzke ( Hrsg. ): Stationen der Thomas-Mann-Forschung. Würzburg : Königshausen & Neumann 1985. Ders. und Eva Wessell : « Nihilismus der Menschenfreundlichkeit ». Thomas-Mann-Studien , Bd. 9. Frankfurt a. M. : Vittorio Klostermann 1991. Makoschey , Klaus : « Quellenkritische Untersuchungen zum Spätwerk Thomas Manns ». Thomas-Mann-Studien , Band 17. Frankfurt a. M. : Vittorio Klostermann 1998. Mchitarjan , Irina : Das « russische Schulwesen » im europäischen Exil. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinghardt 2006. Nabokov , Vladimir : Die Kunst des Lesens. Meisterwerke der russischen Literatur. Aus dem Amerikanischen von Karl A. Klever. Frankfurt a. M. : S. Fischer 1984. Neumann , Michael : « Objektivität , Ironie und Sympathie ». In : Thomas Mann Jahrbuch , Bd. 8, Frankfurt a. M. 1995. Pegatzky , Stefan : Das poröse Ich. Leiblichkeit und Ästhetik von Arthur Schopenhauer bis Thomas Mann. Würzburg : Königshausen & Neumann 2002. Radkau , Joachim : « Neugier der Nerven. Thomas Mann als Interpret des ‹ nervösen Zeitalters ›« . In : Thomas Mann Jahrbuch , Bd. 9, Frankfurt a. M. 1996. Rybakov , Alexei : « Deutsche Russophilie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Russland in den Werken von Rainer Maria Rilke und Thomas Mann. Russische Deutschlandbilder und deutsche Russlandbilder im 20. und 21. Jahrhundert » ( internationale und interdiszi-
Literatur
269
plinäre Konferenz : Eichstätt , 12.–14. Juli 2007 ). www1.ku-eichstaett.de/ZIMOS/forum/docs/Rybakov.html#. Sandberg , Hans-Joachim : « König Midas und der Zauberer oder die Weisheit des Silenos ». Internationales Thomas-Mann-Kolloquium 1986 in Lübeck. In : Thomas-MannStudien , Bd. 7. Bern : Francke Verlag 1986. Schöll , Julia : Joseph im Exil. Würzburg : Königshausen & Neumann 2004. Sontheimer , Kurt : Thomas Mann und die Deutschen. München : Langen Müller 2002. Sprecher , Thomas : Thomas Mann in Zürich. München : Wilhelm Fink Verlag 1992. Vaget , Hans Rudolf : Thomas Mann , der Amerikaner. Leben und Werk im amerikanischen Exil , 1938‒1952. Frankfurt a. M. : S. Fischer 2011. Winston , Richard : Thomas Mann. Das Werden eines Künstlers. 1875 bis 1911. München und Hamburg : Albrecht Knaus 1981. Wysling , Hans : «‹ Mythus und Psychologie › bei Thomas Mann ». In : Thomas-Mann-Studien , Bd. 3. Bern : Francke 1974. Ders. : « Thomas Manns Goethe-Nachfolge ». In : Thomas-Mann-Studien , Bd. 13. Frankfurt a. M. : Vittorio Klostermann 1996.
270
Anhang
Personenregister Aksakov , Iwan 86 Aldanoff , Mark 133 , 134 , 254 , 264
208 , 209 , 210 , 211 , 217 , 220 , 223 , 237 , 247 , 248 , 252
Andersen , Hans Christian 10 , 207
Gogol , Nikolai 8 , 56 , 82 , 227 , 248
Berdiajew , Nikolai 170 , 262 , 270
Gontscharow , Iwan 14 , 21 , 56 , 100 , 200
Bertram , Ernst 78 , 88 , 89 , 234
Gorki , Maxim 15 , 80 , 81 , 85 , 87 , 93 , 98 ,
Birukof , Paul 58 , 60 , 68 , 69 , 74 , 79 , 80 , 81 ,
103 , 104 , 107 , 113 bis 116 , 124 , 130 ,
86 , 101 , 102 , 107 , 125 , 130 , 150 , 207 ,
142 , 153 , 200 , 204 , 215 , 217 , 247 bis
218 , 237 , 244 , 245 , 246 , 247 , 248 ,
252 , 254
250 , 251 , 253 Boy-Ed , Ida 20 , 39 , 40 , 41 , 44 , 237 , 249 Bunin , Iwan 116 , 142 , 143 , 147 , 151 , 153 , 174 , 258
Grautoff , Otto 11 , 12 , 14 , 17 , 25 , 54 , 69 , 70 , 237 bis 240 , 244 , 246 , 253 Hamsun , Knut 81 Hartmann von Aue 200 , 261
Clémenceau , Georges 94
Hesse , Hermann 65 , 213 , 255
Debussy , Claude 10 , 237
Hitler , Adolf 142 , 151 , 153 , 156 bis 159 ,
Dehmel , Richard 10 , 50 Dostojewski , Fjodor 17 , 20 , 21 , 38 , 43 , 56 ,
163 , 165 , 169 bis 175 , 179 , 196 , 197 , 210 , 257
60 , 63 , 74 , 78 , 79 , 82 , 83 , 84 , 92 , 101 ,
Holm , Korfiz 10 , 15 , 248
114 , 133 , 181 , 188 , 189 , 190 , 200 , 223 ,
Ibsen , Henrik 43
225 , 232 , 233 , 239 , 241 , 242 , 244 ,
Kellermann , Bernhard 130
245 , 247 , 249 , 253 , 258 , 259
Kerényi , Karl 156 , 256
Einstein , Albert 146 , 233
Kerr , Alfred 45 , 172
Eliasberg , Alexander 79 , 248 , 249 , 258 ,
Lao-tse 97 , 98 , 251
259
La Rochefoucauld , François de 26 , 241
Feuchtwanger , Lion 147
Lenin , Wladimir 107 , 130
Fischer , Samuel 13 , 29 , 65 , 66 , 67
Lessing , Theodor 45 , 172 , 243
Flaubert , Gustave 38 , 59 , 75 , 93 , 120 , 166 ,
Löhr ( geb. Mann ), Julia 183
184 , 194 , 245 , 250 , 253 , 260
Mackenzie Wallace , Donald 106 , 252
Friedrich II. von Preußen 50 bis 53
Mann , Erika 207 , 224
Goethe , Johann Wolfgang 23 , 57 , 69 , 76 ,
Mann , Golo 144
77 , 78 , 80 , 81 bis 89 , 93 , 98 , 102 , 108 ,
Mann , Heinrich 18 , 19 , 25 bis 31 , 33 , 37 ,
113 , 115 , 123 , 124 , 129 , 130 , 132 ,
38 , 40 , 41 , 44 , 45 , 46 , 50 bis 53 , 56 ,
133 , 157 , 160 , 161 , 166 , 167 , 173 ,
63 , 88 , 147 , 148 , 155 , 192 , 211 , 237 ,
177 , 188 , 189 , 191 , 192 , 200 , 203 ,
238 , 239 , 241 bis 244 , 246 , 250 , 263
Personenregister
271
Mann , Katia 25 , 33 bis 38 , 40 , 42 , 44 , 46 , 48 , 54 , 75 , 88 , 111 , 143 , 145 , 149 , 154 , 227 , 242
Schmeljow , Iwan 101 , 106 , 111 bis 120 , 142 , 143 , 151 , 153 , 158 , 252 , 253 , 254 Schopenhauer , Arthur 10 , 16 , 22 , 238 , 240
Mann , Klaus 208 , 220 , 221
Schubart , Walter 91 , 106 , 120 , 170 , 249
Mann-Borgese , Elisabeth 215
Schwarzschild , Leopold 205
Martens , Kurt 11 , 242 , 243
Shakespeare , William ( 175 ), 258
Marx , Karl 121 , 152 , 205
Singer , Samuel 200 , 201
Maupassant , Guy de 12 , 238
Spengler , Oswald 86 , 87 , 89 , 120 , 121 ,
McCarthy , Joseph 205 , 206 , 230 Mereschkowski , Dmitry 15 , 17 , 21 bis 25 ,
122 , 127 , 249 , 253 Stalin , Joseph 170 , 197 , 198 , 210
27 , 28 , 30 , 31 , 34 , 38 , 39 , 42 , 44 , 46 ,
Stendhal 228
47 , 60 , 69 , 74 , 79 , 80 , 81 , 86 , 107 , 116 ,
Stifter , Adalbert 150 , 177
120 , 123 , 124 , 130 , 153 , 164 , 200 , 204 ,
Strauss , Richard 144 , 195
207 , 215 , 217 , 218 , 223 , 232 , 239 , 241
Strawinsky , Igor 204 , 261
bis 247 , 253 , 254
Tillich , Paul 185 , 259
Meyer , Agnes 175 , 176 , 181 , 182 , 188 , 196 , 217 , 258 , 259 , 260 , 262 , 263
Tolstoi , Alexandra 150 , 151 , 165 Tolstoi , Sophia 150 , 181 , 182
Nabokov , Vladimir 7 , 49 , 237 , 244
Truman , Harry 205 , 206 , 211
Napoleon I. 49 , 60 , 161 , 162 , 172 , 173 ,
Tschaikowski , Peter 79 , 155 , 256
208 , 239 Nietzsche , Friedrich 13 , 18 , 22 , 27 , 43 , 55 , 57 , 111 , 120 , 151 , 189 , 190 , 205 , 240 , 243
Tschechow , Anton 101 , 211 , 223 , 227 , 231 , 232 , 233 , 261 , 264 Turgenjew , Iwan 14 , 15 , 17 , 21 , 28 , 43 , 44 , 57 , 58 , 61 , 74 , 82 , 84 , 86 , 92 , 93 , 104 ,
Novalis 89
124 , 125 , 134 , 145 , 169 , 233 , 239 ,
Puschkin , Alexander 18 , 123 , 159 , 160 ,
250 , 257
253 , 256 Rathenau , Walter 88 , 89 Rilke , Rainer Maria 8 , 235 , 240 Roosevelt , Franklin 174 , 176 , 177 , 194 , 197 , 203 , 260
Verlaine , Paul 18 Wagner , Richard 7 , 18 , 55 , 58 , 61 , 144 , 171 , 177 , 190 , 205 , 258 Whitman , Walt 89 Zola , Emile 53 , 56 , 63 , 244 , 246
Rousseau , Jean-Jacques 39 , 43 , 63 , 223
Zweig , Arnold 147
Schestow , Leo 116 , 153 , 255
Zweig , Stefan 78 , 79 , 130 , 152 , 247
Schiller , Friedrich 20 , 38 , 39 , 82 , 83 , 84 , 188 , 233
272
Anhang