Product-Market-Fit: Der entscheidende Meilenstein eines Start-ups 9783662665732, 9783662665749, 3662665735

Dieses essential gibt eine kompakte Einführung in das Konzept des Product-Market-Fit und dessen Bedeutung für Start-ups

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Table of contents :
Was Sie in diesem essential finden können
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Konzept Product-Market-Fit
2.1 Geschichte und Definition
2.2 Vor dem Product-Market-Fit
2.3 Nach dem Product-Market-Fit
2.4 Andere wichtige Zusammenhänge und „Fits“
3 Die Messung des Product-Market-Fit
3.1 Der intuitive Ansatz
3.2 Die 40 %-Regel
3.3 Das Trifecta
3.4 Der echte Product-Market-Fit
4 Der Weg zum Product-Market-Fit
4.1 Der Superhuman-Ansatz
4.2 Der Y-Combinator-Ansatz
4.3 Die Product-Market-Fit-Pyramide
4.4 Der TTPMF-Ansatz
5 Fazit
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Literatur
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Product-Market-Fit: Der entscheidende Meilenstein eines Start-ups
 9783662665732, 9783662665749, 3662665735

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Nils Stotz

Product-MarketFit Der entscheidende Meilenstein eines Start-ups

essentials

essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form. Die Essenz dessen, worauf es als „State-of-the-Art“ in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Praxis ankommt. essentials informieren schnell, unkompliziert und verständlich • als Einführung in ein aktuelles Thema aus Ihrem Fachgebiet • als Einstieg in ein für Sie noch unbekanntes Themenfeld • als Einblick, um zum Thema mitreden zu können Die Bücher in elektronischer und gedruckter Form bringen das Fachwissen von Springerautor*innen kompakt zur Darstellung. Sie sind besonders für die Nutzung als eBook auf Tablet-PCs, eBook-Readern und Smartphones geeignet. essentials sind Wissensbausteine aus den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aus Technik und Naturwissenschaften sowie aus Medizin, Psychologie und Gesundheitsberufen. Von renommierten Autor*innen aller Springer-Verlagsmarken.

Nils Stotz

Product-Market-Fit Der entscheidende Meilenstein eines Start-ups

Nils Stotz Eppelheim, Deutschland

ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic) essentials ISBN 978-3-662-66573-2 ISBN 978-3-662-66574-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-66574-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Mareike Teichmann Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Was Sie in diesem essential finden können

• Eine historische Beschreibung der Entstehung des Begriffs Product-Market-Fit und seine Bedeutung für Investoren und Gründer • Product-Market-Fit im Zusammenhang mit dem Unternehmens- und Finanzierungszyklus eines jungen Unternehmens • Abgrenzungen des Begriffs Product-Market-Fit zu ähnlichen Begriffen und die jeweilige Relevanz für den Unternehmenszyklus • Verschiedene Ansätze zur Definition, Beschreibung und Messung des ProductMarket-Fit • Praktische Hilfestellungen, die dabei helfen, Product-Market-Fit systematisch zu erreichen

V

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

2 Das Konzept Product-Market-Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Geschichte und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Vor dem Product-Market-Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Nach dem Product-Market-Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Andere wichtige Zusammenhänge und „Fits“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 3 7 12 17

3 Die Messung des Product-Market-Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Der intuitive Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die 40 %-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Das Trifecta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Der echte Product-Market-Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4 Der Weg zum Product-Market-Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Der Superhuman-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Y-Combinator-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Product-Market-Fit-Pyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Der TTPMF-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII

1

Einleitung

Sowohl in Deutschland als auch international wird die Idee der Gründung des eigenen Unternehmens mit einer innovativen Idee immer beliebter (Grollmann, 2022). Gleichzeitig werden die Kapitalgeber immer organisierter und mit ihnen auch die Anforderungen an die Gründer. Das Gründen wird nicht ausschließlich als kreative Betätigung ohne klare Anleitung gesehen, sondern es werden vielmehr gewisse Grundlagen gefordert, an die sich auch die Gründer halten müssen, um eine Finanzierung zu erhalten. Zudem haben sowohl die Kapitalgeber als auch die Wissenschaften sehr ähnliche Fragestellungen im Zusammenhang mit neuen Unternehmen: im Kern zum einen, an welchen Zeichen man erkennt, ob ein Unternehmen erfolgreich sein wird, und zum anderen, wie man diese Zeichen möglichst früh erkennen kann. Ein Konzept, das aus diesen Fragestellungen heraus geboren wurde, ist das des Product-Market-Fit. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das sowohl Gründern als auch Kapitalgebern hilft zu verstehen, ob vom Unternehmen langfristiger Erfolg zu erwarten ist. Das Konzept Product-Market-Fit ist sehr beliebt und wird von allen Vordenkern in der Start-up-Szene zitiert und gelehrt. In diesem Buch soll es darum gehen, dieses Konzept genauer zu untersuchen und zu erklären, wo es herkommt und wie man es sowohl als Gründer als auch als Kapitalgeber für sich nutzen kann.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 N. Stotz, Product-Market-Fit, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66574-9_1

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Das Konzept Product-Market-Fit

In diesem Kapitel wird erläutert, wann das Konzept des Product-Market-Fit zum ersten Mal definiert wurde und welche Idee ihm zugrunde liegt. Das Konzept wird auch in den Kontext der aufstrebenden Risikokapitalgeber und seiner Bedeutung für die Rechtfertigung von Investitionsentscheidungen gestellt. Nach der Erläuterung des Konzepts als wichtiger Schritt in einem frühen Stadium des Unternehmenslebenszyklus werden die Schritte vor dem Erreichen des Product-Market-Fit erklärt und wie sie mit dem Product-Market-Fit zusammenhängen. Daran anschließend werden die Schritte nach dem ProductMarket-Fit beschrieben sowie die Herausforderungen, die diese Lebenszyklen für ein junges Unternehmen und die Gründer mit sich bringen. Da es das Konzept des Product-Market-Fit schon seit vielen Jahren gibt, sind viele angrenzende Konzepte von Vordenkern in der Start-up-Community beschrieben worden. Auch diese Konzepte werden erläutert und in einen Zusammenhang mit der Product-Market-Fit-Theorie gebracht.

2.1

Geschichte und Definition

Das Konzept des Product-Market-Fit wurde von Don Valentine geprägt, der oft als „Großvater des Silicon Valley Venture Capital“ bezeichnet wird und der den berühmten VC Fonds Sequoia Capital gegründet hat (Rachleff, 2019). Später wurde es von dem Gründer von Benchmark Capital und Wealthfront-CEO Andy Rachleff aufgegriffen und weiterentwickelt. Der Ansatz wurde vor allem durch den Risikokapitalgeber Marc Andreessen, Gründer des VC Fonds Andreessen Horowitz, populär und in der Öffentlichkeit bekannt, als er 2007 einen Artikel mit dem Titel „The only thing that matters“ veröffentlichte (Andreessen, 2007).

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 N. Stotz, Product-Market-Fit, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66574-9_2

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Das Konzept Product-Market-Fit

Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung des Konzepts und der Geschichte des Product-Market-Fit ist, dass dieses Konzept von Risikokapitalgebern entwickelt und vorangetrieben wurde. Risikokapitalgeber investieren in einem sehr frühen Stadium in Unternehmen, weil sie davon ausgehen, dass diese später erfolgreich und profitabel werden und sie viel Geld zurückbekommen. Entsprechend ist ein Ziel, frühzeitig vorhersagen und erkennen zu können, welches Unternehmen erfolgreich sein wird und welches es nicht schafft. Die Notwendigkeit, dafür einen Rahmen oder ein Konzept zu finden, war auch der Ausgangspunkt von Andreessens Artikel. Er steigt damit ein, zu erklären, dass die drei wichtigsten Faktoren in der frühen Phase eines Unternehmens der Markt, das Produkt und das Team sind. Die erste Frage, die sich stellt, ist natürlich, was der wichtigste Faktor für den Erfolg des Unternehmens ist. Und obwohl Andreessen einräumt, dass der Faktor, den man als Gründer am besten kontrollieren kann, das Team ist, das man aufbaut, ist er der Meinung, dass der Markt der wichtigste Faktor ist: Man könne ein hervorragendes Produkt und ein großartiges Team haben, aber wenn man einen schwachen Markt hat, wird man nicht erfolgreich sein. Seine Kernthese lautet deshalb, dass Gründer vor allem auf den Produkt-Market-Fit achten sollen. Andreessen definiert Product-Market-Fit als „einen guten Markt mit einem Produkt, das diesen Markt befriedigen kann“. Was genau das in der Praxis bedeutet, beschreibt er dann weiter und skizziert bereits die erste Herausforderung, wenn es um das Konzept geht. Denn zunächst gibt es nach Andreessen immer ein gewisses Gefühl, wenn der ProductMarket-Fit nicht gegeben ist, und er beschreibt einige weiche Faktoren wie mittelmäßig ausfallende Pressestimmen, geringe Mundpropaganda für das Produkt, lange Verkaufszyklen und Kunden, die keinen Nutzen aus dem Produkt ziehen. Andererseits beschreibt er auch, dass es möglich ist zu spüren, wenn der Product-Market-Fit vorhanden ist. Dann ist das Gegenteil der Fall und das Unternehmen stellt so schnell wie möglich neue Mitarbeiter ein, Reporter rufen ständig bei dem Unternehmen an, um Interviews und Statements zu erhalten, und die Kunden kaufen das Produkt rasend schnell, ohne dass das Unternehmen viel Werbung macht. Andreessen stellt anschließend die Hypothese auf, dass der Grund für das Scheitern von Start-ups darin liegt, dass sie den Product-Market-Fit nicht erreichen, denn er hat erkannt, dass alle Start-ups, die wirklich erfolgreich sind, den Product-Market-Fit irgendwann erreicht haben. Darüber hinaus haben erfolgreiche Start-ups den Product-Market-Fit erreicht, aber gleichzeitig viele andere

2.1 Geschichte und Definition

5

Dinge völlig falsch gemacht oder andere Dinge versäumt, die in der frühen Phase eines Unternehmens möglicherweise ebenfalls wichtig sein könnten. 

Gründer können sich also nur auf das Erreichen des Product-MarketFit konzentrieren und alles andere mehr oder weniger ignorieren und das Unternehmen wird trotzdem erfolgreich sein. Aus diesem Grund kann eine Trennung in zwei wichtige frühe Lebenszyklusphasen eines Unternehmens in Betracht gezogen werden: das Unternehmen vor dem Product-Market-Fit und das Unternehmen nach dem Product-Market-Fit (Andreessen, 2007). Vor dem Erreichen des Product-Market-Fit sollte das einzige Ziel des Unternehmens darin bestehen, den Product-Market-Fit zu erreichen, d. h., es sollte alles nur Erdenkliche dafür tun, von der Auswechslung des gesamten Teams bis hin zur kompletten Überarbeitung des Produkts und einem Neuanfang.

Nach diesem Artikel wurde das Konzept des Product-Market-Fit immer populärer, ablesbar an den Google-Trends. Das Suchvolumen stieg kontinuierlich an, und die meisten Risikokapitalfirmen, Gründer und Vordenker des Produktmanagements teilten ihre Meinung zu diesem Konzept und seiner praktischen Anwendung. Die anhaltende Debatte macht dieses Konzept und die Idee dahinter so interessant und vieldeutig. Bevor wir tiefer in die verschiedenen Aspekte des Konzepts eintauchen, sind einige Anmerkungen und Erläuterungen zu dem Artikel von Andreessen und dessen „Blind Spots“ wichtig: Die Absicht und Idee hinter dem Artikel sollten hervorgehoben werden. Risikokapitalgeber sind bei ihren Investitionsentscheidungen sehr risikobehaftet, da sie in einem frühen Stadium eines Unternehmens, insbesondere in den ersten 2000er-Jahren, nicht viel zu analysieren haben. Natürlich schauen viele Risikokapitalgeber deshalb auf das Team, da die Gründer und möglicherweise auch andere Teammitglieder einige Erfolge und andere Karrieremeilensteine vorzuweisen haben. Der Lebenslauf bietet eine Vielzahl von Aspekten, die bei der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden können, vom Bildungshintergrund bis hin zu relevanten Branchenkenntnissen. Diese Art der Analyse ähnelt jedoch eher einem Einstellungsgespräch und öffnet daher auch die Tür für sehr subjektive Entscheidungen, ohne die ebenso wichtigen Faktoren Markt und Produkt zu berücksichtigen. Die Idee des Product-Market-Fit war es daher, in einem frühen Stadium des Lebenszyklus eines Unternehmens nachzuweisen, dass dieses Unternehmen erfolgreich sein wird. Dies sollte den Risikokapitalgebern einen Rahmen für ihre Investitionsentscheidungen bieten, aber auch den Gründern als Leitfaden

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2

Das Konzept Product-Market-Fit

dienen und ihnen vorgeben, worauf sie achten müssen, um eine Investition von Risikokapitalgebern zu erhalten. Darüber hinaus ist anzumerken, dass in dem Artikel nicht wirklich klar wird, wie der Product-Market-Fit tatsächlich identifiziert und gemessen werden kann. Andreessen erklärt, dass es bestimmte Dinge gibt, die passieren, wenn das Unternehmen sie entweder erreicht oder nicht erreicht, aber diese Dinge sind mehr oder weniger zufällig und nicht einmal in bestimmte Aspekte oder Bereiche des Unternehmens kategorisiert. Wahrscheinlich hat Andreessen beabsichtigt zu verdeutlichen, dass es etwas gibt, das man bemerkt, wenn es da ist, aber es nicht bemerkt, wenn es fehlt. Es fehlt also in diesem Rahmen ein Element, um hier mehr Klarheit zu schaffen. Im Idealfall haben sowohl die Gründer als auch die Risikokapitalgeber eine Kennzahl oder einen Verhältniswert, anhand dessen sie feststellen können, ob der Product-Market-Fit gegeben ist oder nicht. Interessanterweise ist nicht nur unklar, wie man den Product-Market-Fit tatsächlich messen kann, sondern auch, was man genau tun muss, um ihn zu erreichen. Diese blinden Flecken des Konzepts öffneten die Tür für viele andere Vordenker in der Start-up- und Risikokapitalwelt, um hier mehr Klarheit zu schaffen. Die Metriken, mit denen dies gemessen werden soll, werden in Kap. 3 dieses Buches beschrieben und erläutert. Sie können in drei verschiedene Ansätze unterteilt werden: Erstens gibt es die Meinung, dass das Konzept nicht wirklich durch Messgrößen oder klare Kriterien erfasst werden kann und nur etwas ist, das im Unternehmen und von Risikokapitalgebern gefühlt wird. Zweitens gibt es die weitverbreitete Meinung, dass Gründer aktiv mit ihren Nutzern in Kontakt treten müssen, um herauszufinden, ob sie den Product-Market-Fit erreicht haben, und dass sie auf der Grundlage der Ergebnisse ihrer Kontaktaufnahme eine Aussage darüber treffen können, ob sie ihn erreicht haben oder nicht. Drittens gibt es auch viele Vordenker, die der Ansicht sind, dass es tatsächlich bestimmte Kriterien innerhalb des Unternehmens gibt, an denen man erkennen kann, ob der ProductMarket-Fit bereits gegeben ist, allerdings sind die richtigen noch nicht gefunden. Sicherlich gibt es auch viele gemischte Ansätze, um Kriterien zu finden, aber insbesondere der dritte Ansatz bzw. die dritte Hypothese kann als Forschungshypothese angesehen werden, die von vielen unternehmerischen Wissenschaftlern auf der ganzen Welt erforscht werden kann. In den ersten Konzepten werden zudem die Phasen eines Unternehmens vor und nach dem Product-Market-Fit nicht berücksichtigt. Andreessen geht davon aus, dass vor dem Product-Market-Fit bereits ein Team zusammengestellt ist und die Idee für ein Produkt schon existiert oder sogar schon umgesetzt wird. Es gibt jedoch viele andere Dinge, die passieren können, bevor ein Team zusammengestellt wird und die Arbeit an einem Produkt beginnt. Daher muss der Weg von der

2.2 Vor dem Product-Market-Fit

7

Idee bis zum tatsächlichen Finden des Product-Market-Fit weiter erforscht werden, denn das Einzige, was Andreessen hier als Aktivität anbietet, ist die weitere Suche nach dem Product-Market-Fit. Ebenso vernachlässigt wird die Situation nach Erreichen des Product-MarketFit. Dies macht Sinn, wenn man die binäre Entscheidung von Andreessen bedenkt. Ein Risikokapitalgeber investiert entweder in das Unternehmen oder nicht. Wenn das Unternehmen also den Product-Market-Fit erreicht hat, würde das bedeuten, dass investiert wird. Hat ein Unternehmen diesen noch nicht erreicht, wird auch nicht investiert. Es wird jedoch nicht erklärt, was dies für den Gründer bedeutet. Der Gründer erhält dann zwar im ersten Fall Geld von den Risikokapitalgebern, aber ist er jetzt schon erfolgreich oder muss er noch weitere Schritte unternehmen, um sein Unternehmen erfolgreich zu machen? Ist es sogar möglich, dass er, obwohl er den Product-Market-Fit erreicht hat, nicht erfolgreich ist? Von der Finanzierung durch eine Risikokapitalgesellschaft in der Frühphase bis zum Börsengang gibt es sicherlich noch viele weitere Meilensteine, und auch der Product-Market-Fit könnte noch später im Lebenszyklus eine Rolle spielen. Das Konzept und der Artikel von Andreessen waren bahnbrechend und lösten viele interessante Gespräche und Diskussionen in der gesamten Risikokapitalund Start-up-Welt aus. Es ist jedoch anzumerken, dass es sich um ein Konzept handelt, das hauptsächlich nur für Unternehmen gilt, die mit Risikokapital finanziert werden. Es gibt viele andere wirklich erfolgreiche Unternehmen, die nie Geld aus externen Quellen erhalten haben und trotzdem erfolgreich und profitabel sind (Harvey, 2021). Dieser Gedanke und die entsprechende Einschränkung sollten bei der gesamten Beschreibung dieses Konzepts und auch in diesem Buch berücksichtigt werden.

2.2

Vor dem Product-Market-Fit

Das Konzept des Product-Market-Fit reicht nicht aus, um Gründern Leitlinien für die Arbeit an ihrer neuen Idee an die Hand zu geben. Es muss etwas zwischen der Idee und dem Product-Market-Fit-Szenario geben. Ein üblicher erster Schritt für Gründer besteht darin, ihre Idee zu präsentieren. Für diesen Pitch wird häufig ein Slide Deck verwendet. In der Praxis handelt es sich dabei oft um eine Präsentation, die mit allen Personen geteilt wird, die an der Idee interessiert sind und die sich möglicherweise beteiligen möchten. Ein berühmter Ansatz zur Erstellung eines solchen Pitch Decks für

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Das Konzept Product-Market-Fit

eine Produkt- oder Start-up-Idee ist das 10-Folien-Pitch Deck von Guy Kawasaki, einem bekannten Risikokapitalgeber (Kawasaki, 2015). Während diese Art der Erstellung eines Pitch Decks sowohl den Gründern hilft, ihre Idee so prägnant wie möglich zu präsentieren, als auch den Investoren, alle vorgestellten Konzepte zu verstehen, reduziert es die Idee auf den Kern: Es gibt in der Regel ein Problem und eine Lösung. Diese beiden Elemente müssen zusammenpassen, weshalb vor dem Product-Market-Fit oft auch der Problem–Solution-Fit als weitere wichtige Stufe einer Start-up-Idee angenommen wird (Maurya, 2012). Dieses Konzept wird in dem Buch „Running Lean“ von Ash Maurya ausführlich beschrieben. Bei der Betrachtung der drei Komponenten dieses Konzepts müssen wir uns zunächst mit dem Problem selbst befassen. Dies ist wahrscheinlich auch der wichtigste Aspekt dieses Konzepts, da Gründer in der Regel die meiste Zeit damit verbringen sollten, jeden Aspekt des Problems, das sie zu lösen versuchen, vollständig zu verstehen. Anstatt nur von einem Problem für eine bestimmte Gruppe von Nutzern auszugehen, besteht die Aufgabe der Gründer darin, alle für das Verständnis des Problems relevanten Fragen zu beantworten. Sie müssen verstehen, wer dieses Problem tatsächlich hat und warum die aktuelle Lösung oder Situation für diese Nutzer nicht zufriedenstellend ist. Der effektivste Weg, dieses Verständnis zu erlangen, ist die Kontaktaufnahme mit potenziellen Nutzern über qualitative Interviews (Maurya, 2012). Die Herausforderung bei diesen Interviews besteht darin, nicht vorschnell zu einer Lösung zu kommen, sondern ganz im Problemraum zu bleiben und alle angenommenen Hypothesen zu überprüfen. Die zweite Komponente des Problem-Lösungs-Fit-Konzepts ist die Lösung. Erste Voraussetzung ist, dass die Lösung tatsächlich das Problem löst. Dies mag offensichtlich erscheinen, aber wie wichtig es ist, dies zu betonen, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass der häufigste Fallstrick im Lösungsraum darin besteht, dass die Lösung bereits erstellt wird, bevor das Problem definiert und verifiziert wurde. Ein effektiver Weg, um eine Lösung oder sogar mehrere Lösungen für ein klar definiertes Problemfeld zu finden, ist die Verwendung des Jobs-to-be-DoneRahmens von Jim Kalbach, die Anwendung von Design-Thinking-Methoden oder die Arbeit mit Personalentwicklung (Kalbach, 2020). All diese Techniken tragen dazu bei, die Kreativität bei der Arbeit an einer Problemstellung zu steigern. Die letzte Komponente des Problem-Lösungs-Fit-Konzepts ist der Fit. Die Frage ist hier: Passt die Lösung wirklich zu dem Problem, das ich zu lösen versuche? Um diese Frage effizient zu lösen und einen Rahmen dafür zu schaffen, können wir die sogenannte Trifecta for Innovation verwenden, die aus Erwünschtheit, Machbarkeit und Durchführbarkeit besteht und auch in „Running Lean“ beschrieben wird (Maurya, 2012). Im Folgenden werden die einzelnen Elemente erörtert.

2.2 Vor dem Product-Market-Fit

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Bei der Erwünschtheit geht es darum, wie der Kunde das Produkt wahrnimmt und wie sehr er es wirklich braucht. Genauer formuliert kann festgestellt werden, welcher Aspekt des Problems etwas ist, das gelöst werden muss und ein Muss ist, und welcher Aspekt eher ein Nice-to-have ist. Es gibt mehrere Rahmenwerke und Modelle, die bei dieser Art der Kategorisierung helfen können, insbesondere das Kano-Modell (Kano et al., 1984) und das MoScOw-Modell (Korolov, 2021) sind hier zu nennen. Beispiel

Als Beispiel könnte eine erste Lösung für Airbnb dienen. Die Gründer mussten entscheiden, welche Kernprobleme sie lösen und überwinden mussten, um sicherzustellen, dass ihr Produkt wie beabsichtigt funktionierte. Durch Interviews mit ihren Nutzern konnten sie feststellen, dass ein absolutes Muss für das anfängliche Produkt die Möglichkeit ist, mit dem Gastgeber zu kommunizieren, folglich ist dies eine unverzichtbare Funktion. Sie stellten jedoch auch fest, dass potenzielle Kunden gerne Aktivitätsempfehlungen für ihren Aufenthalt bei den Gastgebern hätten. Diese Funktion war jedoch nicht entscheidend, sondern eher ein „Nice-to-have“-Feature, das später aufgenommen und entwickelt werden kann. Das nächste Element in diesem Rahmen ist die Machbarkeit. Ist es wirklich möglich, die Lösung auf die beschriebene Weise zu realisieren? Auch hier kann die Durchführung von Experteninterviews helfen, eine Entscheidung über diesen Aspekt zu treffen. Und hier ist es wichtig, einen Zeitplan im Kopf zu haben. Es kann sein, dass es möglich ist, das Produkt zu produzieren, bzw. dass nichts dagegenspricht, das Produkt zu produzieren, aber es kann lange dauern, bis es entwickelt ist. Das ist nicht wichtig und wird durch den dritten Aspekt der Trifecta abgedeckt. An dieser Stelle geht es nur um die Frage, ob es möglich ist, dieses Produkt irgendwann einmal zu bauen. Beispiel

Es wäre zum Beispiel leicht möglich, ein Medikament zu beschreiben, das die negativen Auswirkungen des Alterns verringert und das Leben jedes Kunden um mehr als 20 Jahre verlängert. Diese Art von Lösung ist jedoch wahrscheinlich nicht in einem realistischen Zeitrahmen zu produzieren und zu entwickeln.

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Das Konzept Product-Market-Fit

Der dritte Aspekt ist die Realisierbarkeit. Sie gibt an, wie tragfähig das Problem und die Lösung sind, die jemand angehen will. Dies ist eigentlich eine monetäre Frage und erfordert, die Lösung als Business Case zu betrachten, indem berechnet wird, wie viel die Herstellung des Produkts kosten würde und wie viel die Kunden bereit sind, für das Produkt zu zahlen. Beispiel

Ein Beispiel hierfür könnte ein kleiner und leicht zu bedienender Hubschrauber sein, den viele Kunden wahrscheinlich als ein Must-have betrachten würden, das sie sofort haben müssten, um effizienter in ihr Büro zu kommen. Wir können auch feststellen, dass es tatsächlich möglich ist, etwas Derartiges zu produzieren. Die Kosten für die Herstellung dieser Lösung und die Bereitschaft, dafür zu zahlen, stimmen jedoch nicht überein und können in naher Zukunft kein lebensfähiges Unternehmen schaffen. In dem Buch „Running Lean“ werden noch weitere Kriterien aufgeführt, die dazu führen können, dass ein Produkt oder eine Idee als problemlösungsgerecht eingestuft wird. Eine Kernaussage dieses Buches ist, dass es wirklich wichtig ist, in die Praxis zu gehen und Gespräche mit potenziellen Kunden zu führen, um herauszufinden, ob sowohl die Probleme als auch die Lösungen so passen und existieren, wie man es sich vorgestellt hat (Maurya, 2012). Wenn man mit etwa 30 Kunden spricht und versucht herauszufinden, ob Problem und Lösung zueinander passen, dann sollte es insgesamt zwölf Kunden oder 40 % geben, die sagen, dass sie unbedingt irgendeine Lösung für das von dem Unternehmen beschriebene Problem haben müssen. Anstatt sich über etwas zu ärgern, müssen diese Kunden wirklich zum Ausdruck bringen, dass sie unbedingt eine Lösung brauchen. Gleichzeitig sollten mindestens zwölf dieser Nutzer absolut davon überzeugt sein, dass sie die von dem Unternehmen vorgeschlagene Lösung für dieses Problem benötigen. Die Unterscheidung zwischen diesen Faktoren ist wichtig, denn viele Kunden benötigen zwar dringend eine Lösung für ihr Problem, betrachten die Lösung des Unternehmens aber möglicherweise nicht wirklich als ein Muss, sondern eher als ein Nice-to-have. Bei diesen Gesprächen sollten auch mindestens fünf Early Adopters gefunden werden, die von der Lösung des Unternehmens so überzeugt sind, dass sie bereit sind, dieses bei der Entwicklung der Lösung zu unterstützen. Sie müssen bereit sein, mit dem Unternehmen zusammenzuarbeiten und sich regelmäßig über Produktaktualisierungen auszutauschen. Außerdem sollten fünf von ihnen bereit sein zu erklären, dass sie für dieses Produkt bezahlen, sobald ein bestimmtes Feature live und voll funktionsfähig ist.

2.2 Vor dem Product-Market-Fit

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Natürlich gehen diese sehr konkreten Kriterien in die richtige Richtung, aber es ist wichtig zu erwähnen, dass dies nicht die ultimative Wahrheit für den Problem-Solution-Fit ist. Der allgemeine Ratschlag für Gründer in der Frühphase, die eine Idee haben und glauben, dass sie ein profitables Unternehmen um ihre Idee herum aufbauen können, lautet, erst mit dem Aufbau zu beginnen, wenn sie systematisch mit potenziellen Kunden gesprochen und ihre Idee validiert haben. Es ist schon schwierig genug, dies zu tun, und es gibt viele Vorurteile, die diese Gespräche beeinflussen können. Noch schlimmer ist es jedoch, mit dem Aufbau einer Lösung zu beginnen und in etwas zu investieren, das möglicherweise kein Problem löst oder – noch schlimmer – ein nicht existierendes Problem nicht löst. Eine weitere interessante Möglichkeit, die verschiedenen Schritte zu kategorisieren, mit denen Gründer über den Product-Market-Fit nachdenken können, wird von Jeroen Coelen in seinem Blog erläutert (Coelen, 2022). Er verwendet das Beispiel eines platten Reifens als Problem, das gelöst werden muss. Im ersten Schritt gibt es immer den begründeten Problem-Solution-Fit, bei dem ein Gründer oder jemand, der dieses spezielle Problem hat, über ein Problem nachdenkt und sich eine Lösung vorstellt. Allerdings wird nichts an dieser Lösung tatsächlich validiert. Der nächste Schritt ist, dass eine Lösung für ein Problem tatsächlich anderen Nutzern gezeigt wird, um zu sehen, ob sie das Konzept hinter der Idee wirklich verstehen. Als Nächstes kommt der nachgewiesene Problem-SolutionFit, d. h., es wird gezeigt, dass die Lösung das Problem tatsächlich löst. Im Fall des platten Reifens könnte es sich um einen Reifen aus Vollgummi handeln, der mit Glas oder anderen spitzen Gegenständen in Berührung kommt und von dem gezeigt wird, dass er hält und keine Luft verliert. Der letzte Schritt unterscheidet sich nur geringfügig, da der beobachtete Problem-Solution-Fit ebenfalls zeigt und demonstriert, dass die Lösung das Problem tatsächlich löst, allerdings wird dies nicht in einer künstlichen Umgebung demonstriert, sondern eher durch eine zufällige Beobachtung, die zu der Annahme führt, dass die Lösung funktioniert. 

Vor dem Versuch, den Product-Market-Fit zu erreichen, steht der Problem-Solution-Fit. Der wichtige Unterschied besteht darin, dass man für den Problem-Solution-Fit noch nicht einmal ein Produkt haben muss. Vielmehr wird eine Idee oder eine Art von Illustration benötigt, die dem Unternehmen hilft, die Geschichte rund um seine Idee zu erzählen. Folglich wird in dieser Phase auch kein Team benötigt und es besteht keine Notwendigkeit, mit dem Bau von Produkten zu beginnen. Es geht vielmehr darum zu prüfen, ob es sich lohnt, etwas zu bauen.

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2.3

2

Das Konzept Product-Market-Fit

Nach dem Product-Market-Fit

Nachdem wir über die Phase vor dem Product-Market-Fit gesprochen haben, müssen wir natürlich auch die Zeit nach dem Product-Market-Fit näher betrachten. Sind sowohl der Product-Market-Fit als auch der Problem-Solution-Fit erreicht, erwarten Venture Capital (VC)-Investoren in der Regel, dass die Gründer auf den Markt gehen und versuchen, ihr Produkt in größerem Umfang zu verkaufen, diese Phasen werden in Abb. 2.1 dargestellt. Im Lebenszyklus eines Unternehmens wird dies oft als Wachstumsphase bezeichnet und beginnt mit der Aufnahme einer weiteren Finanzierungsrunde (McGowan, 2017). Es wird erwartet, dass das Geld aus dieser Finanzierungsrunde verwendet wird, um alle Instrumente zu erhalten, die notwendig sind, um die bereits gezeigten Anstrengungen auf ein viel größeres Maß auszudehnen. Man könnte sogar sagen, dass es jetzt an der Zeit ist, das Produkt, das das Unternehmen gerade geschaffen und an dem es gearbeitet hat, in ein richtiges Unternehmen umzuwandeln und darüber nachzudenken, wie damit Gewinne erzielt werden können. Um dies zu tun und viel mehr Kunden zu gewinnen, werden neue Mitarbeiter benötigt oder vielmehr Abteilungen, die dabei helfen können, dieses Ziel zu erreichen. Vertriebs- und Marketingmitarbeiter sind in dieser Phase sehr wichtig. Noch wichtiger ist jedoch, wie das Marketing tatsächlich betrachtet und behandelt wird. Normalerweise wird Marketing als ein bestimmter Trichter angesehen. Es gibt verschiedene Trichterkonzepte, aber die wichtigste Idee ist, dass es oben ein breites Publikum gibt, das das Unternehmen ansprechen will, und unten einen zahlenden Kunden. Dabei spielt es keine Rolle, wie das jeweilige Geschäftsmodell funktioniert, denn dieses Trichterkonzept funktioniert auch für Trial- und Freemium-Modelle in gleicher Weise. Entscheidend ist, dass zuerst unten angesetzt wird und versucht wird, sich nach oben zu arbeiten. Das heißt, das Unternehmen muss die Zielgruppe wirklich verstehen und analysieren und sich dann von dort aus nach oben arbeiten.

Abb. 2.1 Ziele der verschiedenen Unternehmensphasen

2.3 Nach dem Product-Market-Fit

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Es ist manchmal sehr schwierig, das richtige Gleichgewicht zwischen den Ausgaben für Marketing und dem Verständnis der Zielgruppe zu finden. Bis zu einem gewissen Grad muss Geld ausgegeben werden, denn das Geld steht buchstäblich schnell zur Verfügung. Aus diesem Grund muss realistisch an die Sache herangegangen werden. Aber anstatt gleich zu Beginn viel Geld auszugeben, obwohl klar ist, dass es im Moment nicht funktioniert, kann die Summe, die für zusätzliches Marketing ausgegeben wird, auch langsam hochgefahren werden. Entscheidend für den Erfolg des Unternehmens ist es, die Kosten, die durch diese Aktivitäten anfallen, zu reduzieren. Im Endeffekt brauchen die Gründer immer noch einen Weg, um Kunden zu erreichen, die sie analysieren können. Für die Analyse ist es natürlich wieder wichtig, wirklich tief zu verstehen, was die Kunden bewegt. Praktisch ist, die Nutzer in bestimmte Gruppen einzuteilen, die für das Unternehmen von besonderem Interesse sind. Ein Beispiel dafür wäre das Retention-Lifecycle-Framework, bei dem das Unternehmen zu verstehen versucht, wie seine Nutzer zwischen verschiedenen Zuständen wechseln (Stotz, 2020). Für neue Benutzer, die gerade erst in das Produkt eingestiegen sind, wäre es interessant zu analysieren, wonach sie genau suchen und wie man dies beschleunigen kann. Bei Nutzern, die sich gerade erst abgewandt haben, lohnt es sich, eine Vorstellung davon zu bekommen, was bei ihnen nicht funktioniert hat oder welche Mängel sie im Produkt sehen. Ebenso wichtig ist es, die Nutzer zu verstehen, die inaktiv geworden sind, und sie zu fragen, was passiert ist, dass sie das Produkt des Unternehmens plötzlich nicht mehr brauchen. All diese verschiedenen Arten von Nutzern sind wichtig, um ein besseres Verständnis der eigenen Zielgruppe zu erhalten. Eine wichtige Möglichkeit, um die Art und Weise, wie Menschen ein Produkt kaufen, besser zu verstehen, ist die Unterscheidung zwischen vier verschiedenen Kategorien, die Aufschluss darüber geben, wie Marketing betrieben und auf Zielgruppen zugegangen werden kann (Traynor, 2019). Erstens gibt es Nutzer, die ein bestimmtes Problem lösen wollen, mit dem sie gerade konfrontiert sind. Wurde die Markanalyse richtig durchgeführt, gibt es viele Kunden, die tatsächlich das Problem haben, das von einem Produkt gelöst werden soll. Allerdings haben diese Nutzer häufig auch eine recht geringe Intention, das Produkt auch zu kaufen. Denn wenn diese Nutzer erst einmal gefunden wurden, indem das Problem beschrieben wurde, muss diesen Nutzern auch wirklich gezeigt werden, dass ihr Problem verstanden wurde und dass ihnen bei der Lösung dieses Problems geholfen werden kann. Im Fall von Slack könnte das Unternehmen sich an die Nutzer wenden, die das Problem der internen Teamkommunikation beschreiben. Aber natürlich ist das Produkt Slack auch dazu da, das Problem der Asynchronität und viele weitere

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Das Konzept Product-Market-Fit

Probleme bei der Zusammenarbeit in einem Team zu lösen. All diese Probleme, die Nutzer mit einem Tool lösen wollen, sind potenzielle Ansatzpunkte für das Marketing von Slack, um neue Kunden zu gewinnen. Vielleicht wird auch festgestellt, dass einige der Kunden nur eine bestimmte Produktkategorie suchen. Sie wissen also bereits, dass es eine bestimmte Produktkategorie gibt, und sie versuchen, das Beste für ihre Bedürfnisse zu finden. Das Schöne an dieser Kundenquelle ist, dass die Kategorie bereits definiert ist und das Unternehmen keine neue Kategorie für sein eigenes Produkt einrichten muss, aber es bedeutet auch, dass es in direktem Wettbewerb mit anderen, etablierten Marken steht, die vielleicht sogar schon länger im Geschäft sind. Dieser Bereich ist also hart umkämpft, und es muss viel Zeit darauf verwendet werden, den Kunden zu erklären, warum das Produkt des eigenen Unternehmens im Vergleich zu allen anderen Tools auf dem Markt das Beste für deren Anwendungsfall ist. Im Fall von Slack könnte es sein, dass die Nutzer auf der Suche nach dem besten internen Kommunikationstool sind und am Ende Tools wie Microsoft Teams, Slack und einige andere kleinere Anbieter finden. Noch stärker auf den Wettbewerb konzentriert sind Nutzer, die eigentlich nur nach einer besseren Lösung als der suchen, die sie bereits haben. Das bedeutet, dass sie die Kategorie kennen und sogar schon eine Lösung haben, die aber offensichtlich für sie unzureichend ist. Die einzige Aufgabe des eigenen Produkts bestünde dann darin, das konkurrierende Unternehmen auf dem Gebiet dieser Mängel zu schlagen. Das bedeutet aber auch oft, dass es bereits einen etablierten Anbieter auf dem Markt gibt, mit dem ebenfalls ein sehr harter Wettbewerb herrscht. Für das Slack-Beispiel könnte es bedeuten, dass die Nutzer nach einer besseren Version als Microsoft Teams oder etwas Ähnlichem suchen und dann wirklich verstehen wollen, warum das Produkt des Unternehmens Microsoft Teams überlegen ist. Wie diese verschiedenen Kategorien zeigen, spielen für viele neue Unternehmen die Konkurrenz und der bestehende Markt eine wichtige Rolle. Daher ist es sehr wichtig, die Faktoren, die Kunden dazu bringen, von einer Lösung zur anderen zu wechseln, genau zu analysieren und zu verstehen. Sicherlich wird das Produkt, das vom Unternehmen entwickelt wird, eine Anziehungskraft auf neue Kunden ausüben, weil es vielleicht etwas löst, was das alte Produkt nicht konnte, oder weil es eine alternative und bessere Lösung für dasselbe Problem bietet. Es gibt jedoch auch viele Faktoren, die Kunden davon abhalten, zum neuen Produkt des Unternehmens zu wechseln. Vor allem, wenn Kunden ein Produkt über einen längeren Zeitraum nutzen, gibt es auch in der Softwarebranche den klassischen Vendor-Lock-in-Effekt, der zusätzliche Kosten verursacht, wenn sie zu

2.3 Nach dem Product-Market-Fit

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einer anderen Lösung wechseln (Marr, 2021). Dies läuft sicherlich auch auf eine Gewohnheit hinaus, die die Kunden um das Produkt herum gebildet haben und die durch die Einführung eines neuen Produkts nur schwer loszuwerden ist. Eine weitere wichtige Überlegung ist der Status-quo-Bias, der die Kunden dazu bringt, lieber an der aktuellen Situation festzuhalten, als sich auf etwas Neues einzulassen (Kahneman et al., 1991). Auch dies ist ein Konzept, das vollständig verstanden werden muss, wenn das Unternehmen seine Bemühungen zur Gewinnung neuer Kunden verbessern und skalieren will. Wie bereits erwähnt, ist es schwierig, die Nutzerzahlen zu erhöhen, ohne Geld für die Schaffung von Kundeninteraktionen und die Gewinnung von Kunden über verschiedene Kanäle auszugeben. Jeder dieser Kanäle ist sehr unterschiedlich zu instrumentieren und zu verstehen, was eine Aufgabe ist, die sich vom Verständnis der Zielgruppe selbst unterscheidet. So ist es zum Beispiel ganz anders zu verstehen, wie Google Ads funktionieren als beispielsweise Influencer Marketing. Beide können für ein Unternehmen relevant sein, aber sie erfordern auch unterschiedliche Fähigkeiten, um sie zu verwalten, und haben unterschiedliche Zeitpläne. Es ist wichtig, auch diese praktischen Überlegungen zu verstehen und zu bedenken, wie entscheidend es ist, das Potenzial und die Eigenschaften eines bestimmten Kanals vollständig zu erkennen. Ein Konzept, das dabei hilft, mit verschiedenen Kanälen zu arbeiten und sie systematisch zu analysieren, ist das Konzept der 19 Kanäle der Traktion von Gabriel Weinberg (Weinberg & Mares, 2015). In dem Buch „Traction“ wird dieser Rahmen abgesteckt und im Wesentlichen die 19 grundlegenden Marketingkanäle beschrieben, die genutzt werden können, um ein Publikum für das Produkt zu finden. Die Kernaussage ist, dass nicht jeder Kanal für jedes Geschäftsmodell oder jedes Produkt geeignet ist und dass daher eine bestimmte Auswahl an Kanälen getroffen werden muss, die klärt, welcher Kanal derzeit wirklich funktioniert, welche Kanäle als wahrscheinlich gelten und welche Kanäle zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich sind. Das Verständnis dafür, dass jeder neue Kanal Zeit braucht, um ihn vollständig auszuprobieren und zu verstehen, ob er brauchbar ist, ist wichtig, um zu sehen, wie dieser Rahmen auch helfen kann, die Arbeit mit jedem dieser Kanäle zu priorisieren. Alle genannten Konzepte helfen dabei, die Schritte zu beschreiben und zu bearbeiten, die unmittelbar nach dem Erreichen des Product-Market-Fit erfolgen. Es gibt auch ein grundlegenderes Konzept, das auf dem Rahmen des Product-Market-Fit basiert. Das Konzept wurde von Reforge eingeführt und heißt Product-Market Fit Expansion (Balfour, 2020). Die Hauptannahme ist, dass es zwei Hauptvariablen gibt, die mit der Produktarbeit angesprochen werden können: Da ist zum einen der adressierbare Markt selbst, der durch die Schaffung

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Das Konzept Product-Market-Fit

neuer Funktionen und neuer Lösungen für die Probleme der Kunden erweitert werden kann. Und es gibt einen bestimmten Marktanteil in diesem adressierbaren Markt, der auch durch die Verbesserung der Funktionen und Lösungen, die ein Unternehmen bereits in sein Produkt eingebaut hat, angesprochen werden kann, um sie für seine Kunden noch besser zu machen. Beide Arten von Arbeit sind wichtig, gelangen aber irgendwann an einen Sättigungspunkt, der es nicht mehr erlaubt, das Produkt schrittweise zu verbessern. Um auch diese Sättigungsgrenze zu überwinden, ist es notwendig, den Product-Market-Fit selbst zu erweitern, um mehr Product-Market-Fit zu schaffen, mit dem das Unternehmen arbeiten kann. Sich in diese Richtung zu bewegen, bedeutet nicht, dass das Unternehmen alles über seinen bestehenden ProductMarket-Fit vergessen und etwas völlig Neues anstreben sollte. Wichtig ist, dass das, was im etablierten Unternehmen bereits vorhanden ist, genutzt wird, um zusätzlichen Product-Market-Fit zu schaffen. Der Weg zur Erweiterung des Product-Market-Fit kann so einfach sein wie die Erschließung eines neuen Markttyps, indem das Unternehmen sein Produkt für ein neues Nutzersegment auf den Markt bringt. Beispiel

Ein häufig genanntes Beispiel ist, dass Slack irgendwann auch Slack Enterprise auf den Markt gebracht hat, um sicherzustellen, dass seine Lösung auch für sehr große Unternehmen funktioniert. In ähnlicher Weise wäre es sogar möglich, auf dem gleichen Markt zu bleiben und die gleichen Nutzer anzusprechen, ihnen aber ein neues Produkt anzubieten, das ein Problem löst, das der bestehenden Lösung sehr ähnlich ist. Beispiel

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Expansion von Tier Mobility in Deutschland, wo man mit Rollern begann, später aber auch Fahrräder und andere Arten von Rollern anbot (Schaal, 2020). Auch die Diversifizierung könnte für einige Unternehmen attraktiv sein. Diese Kategorie ist vielleicht schwer zu verstehen, aber auch hier werden potenziell vorhandene Fähigkeiten genutzt, um ein neues Produkt zu schaffen, das möglicherweise nichts mit dem bestehenden Markt und dem bestehenden Produkt zu tun hat.

2.4 Andere wichtige Zusammenhänge und „Fits“

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Beispiel

Im Fall von Amazon und AWS zum Beispiel haben die für Amazon arbeitenden Ingenieure eine Lösung für ein Problem gefunden, mit dem sie während ihrer Zeit bei Amazon selbst konfrontiert waren, und haben dieses Produkt dann kommerzialisiert (Strube, 2010). Es scheint sich also um eine PMFErweiterung zu handeln, die eher zufällig zustande kam, aber so oder so auf gemeinsamen Fähigkeiten beruht.

2.4

Andere wichtige Zusammenhänge und „Fits“

Eine weitere Sache, die wirklich wichtig ist, wenn über Product-Market-Fit gesprochen wird, sind die anderen Fits, die auch erwähnt werden, wenn man über Meilensteine eines Start-ups auf dem Weg zu einem Unternehmen spricht. Produkt-Kanal-Fit wird zum Beispiel oft erwähnt, um zu betonen, dass es wichtig ist, welche Art von Akquisitionskanal für ein bestimmtes Produkt bevorzugt wird und funktioniert (Balfour, 2017). Ein ähnliches Konzept ist der Gründer-MarktFit, der verdeutlicht, dass der Gründer für den Markt geeignet ist, weil er oder sie bereits in diesem Markt gearbeitet hat oder über entsprechende Erfahrungen verfügt (Currier, 2020). Auch der Produkt-Gründer-Fit wird oft erwähnt und soll verdeutlichen, dass das Produkt zum Gründer passen muss (Suster, 2021). Um zu verstehen, warum es all diese Konzepte gibt, ist es wichtig, wieder herauszuzoomen und zu bedenken, dass wir weiterhin die Perspektive der Risikokapitalgeber einnehmen. Und auch hier geht es letztlich darum, Investitionsentscheidungen auf der Grundlage von Kriterien zu treffen, die als wichtig erachtet werden. Dies führt dazu, dass viele verschiedene Rahmen kreiert werden und mit ihnen gearbeitet wird, die als eine Art Checkliste betrachtet werden können und bei denen Gründer und ihre Start-ups bestimmte Kriterien erfüllen müssen, bevor sie einen Investitionsvorschlag erhalten. 

So gibt es natürlich viele Dinge, die bei der Bewertung eines Startups berücksichtigt und konzipiert werden können. Die ursprüngliche Idee war jedoch, mit dem Product-Market-Fit ein unvoreingenommenes Konzept zu erstellen, das für die Mehrheit aller Start-ups funktioniert und der wichtigste Meilenstein ist, der all diese Konzepte wirklich zusammenfasst und als eine Art Startsignal für die eigentliche Skalierung des Unternehmens dient.

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Die Messung des Product-Market-Fit

Die wichtigste Frage nach der Beschreibung des Konzepts des Product-Market-Fit und seiner Konsequenzen ist, wie man dieses Konzept tatsächlich messen kann. Dies ist eine sehr konkrete Frage, die von vielen Praktikern und Beratern in der Start-up-Community in der Frühphase behandelt wurde. Der intuitive Ansatz ist der erste Weg, um den Product-Market-Fit zu messen, und beschreibt, dass der Product-Market-Fit manchmal mehrdeutig ist, was auch die Maßnahmen ziemlich mehrdeutig macht. Als Nächstes wird eine der konkretesten Messgrößen für den Product-Market-Fit von Sean Ellis beschrieben und im Detail erläutert. Die Trifecta, die vom Reforge-Gründer Brian Balfour erfunden und etabliert wurde, ist ebenso wichtig und ein oft zitiertes Konzept für die Annäherung an den ProductMarket-Fit. Schließlich wird das von Michael Seibel häufig zitierte Konzept des wahren Product-Market-Fit angesprochen.

3.1

Der intuitive Ansatz

Die Messung des Product-Market-Fit ist ähnlich schwierig wie die Definition des Konzepts. Manchmal wird bei der Messung des Product-Market-Fit sehr intuitiv gedacht und nur an bestimmte Dinge, die in dem jeweiligen Unternehmen passieren und erkennen lassen, dass dieses über etwas verfügt, das wirklich einen Einfluss auf den Kunden hat. Im Jahr 2019 hat Elad Gil, ein Start-up-Berater und ehemaliger VP von Twitter, drei dieser Faktoren sehr schön zusammengefasst (Gil, 2019): Ein gutes Zeichen für Product-Market-Fit könnte zum Beispiel sein, dass das Produkt, das dem Kunden angeboten wird, tatsächlich nicht richtig funktioniert oder sogar defekt ist und die Menschen es trotzdem benutzen. Das bedeutet, dass es größere Fehler gibt, die das Nutzererlebnis erschweren oder dass die Server © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 N. Stotz, Product-Market-Fit, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66574-9_3

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3

Die Messung des Product-Market-Fit

buchstäblich ausgefallen sind und die Nutzer das Produkt eine Zeit lang nicht nutzen können, dann aber wieder zurückkehren, sobald das Problem behoben ist. Beispiel

Ein Beispiel dafür ist Twitter, das anfangs mit Kapazitätsproblemen zu kämpfen hatte. Es gab Zeiten, in denen das Produkt einfach nicht genutzt werden konnte, und dennoch kamen die Nutzer zurück, nachdem das Problem behoben war. Das bedeutet, dass die Benutzer wirklich einen Nutzen aus dem Produkt ziehen und sich nicht wirklich darum scheren, ob es einige defekte Elemente gibt. Ein weiteres, eher intuitives Zeichen für Product-Market-Fit ist, wenn etablierte Unternehmen an dem eigenen Produkt interessiert sind oder vielleicht sogar anfangen, dieses Produkt zu nutzen und dafür zu bezahlen, ohne dass das betroffene Unternehmen viel dafür tun muss. Eine Übernahme durch große Marken kann ein Zeichen dafür sein, dass ein Unternehmen ein großes Problem löst, das für wichtige Akteure auf dem Markt relevant ist. Beispiel

Ein Beispiel hierfür ist PagerDuty, eine Plattform für die Reaktion auf Zwischenfälle, die von Facebook schon sehr früh genutzt wurde. Ein gutes Zeichen für Product-Market-Fit könnte schließlich auch sein, dass das Unternehmen bereits in den ersten Tagen seines Produkts eine starke Kundenbindung aufgebaut hat. Dies könnte bedeuten, dass die Kunden ihre Wertschätzung und Liebe für dieses Produkt auf außergewöhnliche Weise zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel könnte der Kunde das Produkt online auf seinen privaten Konten erwähnen, sodass es jeder sehen kann, oder die Kunden schicken dem Unternehmen persönliche Briefe, in denen sie ihre Dankbarkeit ausdrücken. Natürlich sind alle hier genannten Kriterien sehr intuitiv und können vielleicht sogar erst im Nachhinein richtig eingeschätzt werden. Darüber hinaus ist es wichtig zu erwähnen, dass, wenn an das Produkt und das Unternehmen, an dem gearbeitet wird, gedacht wird, einige der Kriterien, die für den ProductMarket-Fit angenommen werden können, realistischer sein könnten als andere. Insbesondere bei Produkten, die sich mit Gesundheit, Beziehungen oder anderen sehr persönlichen und lebensverändernden Aspekten befassen, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass eine starke Kundenbindung aufgebaut werden kann, als bei Spieleplattformen oder anderen eher freizeitorientierten Bereichen.

3.2 Die 40 %-Regel

3.2

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Die 40 %-Regel

Ein weiterer beliebter Ansatz zur Messung des Product-Market-Fit wurde von Sean Ellis entwickelt. Ellis hat viele Start-ups in der Frühphase beraten und diese Methode entwickelt, um ihnen zu helfen, sich ihres Stadiums bewusst zu werden. Der Test wird oft auch als 40 %-Regel oder 40 %-Test bezeichnet (Tipping, 2019). Der Test funktioniert wie folgt: Die Nutzer eines Produkts, dessen ProductMarket-Fit sie beurteilen wollen, müssen die Multiple-Choice-Frage beantworten: „Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie [Produkt X] nicht mehr nutzen könnten?“ Wie in Abb. 3.1 dargestellt, können die Nutzer wählen zwischen „sehr enttäuscht“, „etwas enttäuscht“ oder „nicht enttäuscht“. Nun wird ein Verhältnis zwischen der Anzahl der Nutzer, die sich für „sehr enttäuscht“ entschieden haben, und der Gesamtzahl der Nutzer gebildet. Laut Ellis gilt der Test als bestanden, wenn ein Verhältnis von mehr als 40 % erreicht wird und das Unternehmen bzw. das Produkt daraus schließen kann, dass es den Product-Market-Fit erreicht hat. Wem sollte man nun eigentlich diese Frage stellen? Es gibt verschiedene Anforderungen oder Kriterien, die ein Unternehmen sich für die Nutzer vorstellen kann, die Aufschluss darüber geben können, welche Bedeutung das Produkt für sie hat. Generell hat Ellis drei wichtige Anforderungen genannt, die als Mindestkriterien für Nutzer gelten können, die mit dem Sean-Ellis-Test angesprochen werden sollen. Erstens haben sie den Kern des Produkts bereits erlebt. Zweitens haben sie das Produkt oder die Dienstleistung mindestens zweimal ausprobiert. Drittens: Sie haben das Produkt oder die Dienstleistung innerhalb der letzten zwei Wochen kennengelernt. Diese Präzisierungen stellen sicher, dass nur Nutzer, die

Abb. 3.1 Sean-Ellis-Frage

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3

Die Messung des Product-Market-Fit

aktiviert wurden, auch in der Umfrage selbst berücksichtigt werden. Aber auch mit diesen zusätzlichen Kriterien gibt es immer noch Fragen, die von verschiedenen Unternehmen individuell beantwortet werden müssen, z. B. was als Kern des Produkts angesehen wird. Beispiel

Ein anschauliches Beispiel des Sean-Ellis-Tests ist die Umfrage, die Hiten Shah verschickt hat, um zu überprüfen, ob Slack wirklich einen ProductMarket-Fit hat (Shah, 2015). Wie bereits beschrieben, erstellte Hiten Shah eine Umfrage, in der er 731 Nutzer fragte: „Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie Slack nicht mehr nutzen könnten?“. Insgesamt antworteten 370 Nutzer, dass sie sehr enttäuscht wären, was eine Quote von 51 % ergibt und somit den 40 %-Test besteht und zeigt, dass Slack tatsächlich einen Product-Market-Fit hat. Abschließend lässt sich sagen, dass die Methode, die von Sean Ellis geprägt und popularisiert wurde, sehr bekannt und auch einfach anzuwenden ist. Jedes Unternehmen kann diesen Test ohne großen Aufwand mit seiner eigenen Nutzerbasis durchführen und erhält schnell ein Ergebnis. Der einzige Aspekt, den die Unternehmen berücksichtigen müssen, ist die Branche, in der es tätig ist, und ob eine solche Umfrage als eine Form der Instabilität des Unternehmens aufgefasst werden könnte, die schädlich sein könnte. Es sollte jedoch noch einmal erwähnt werden, dass der Product-Market-Fit letztlich ein Venture-Capital-Konzept ist, das den Investoren hilft, Investitionsentscheidungen zu treffen, und dass die Kriterien dafür letztlich von den Investoren festgelegt werden. Auch wenn der Sean-Ellis-Test sehr verbreitet ist und insbesondere für Investoren in der Frühphase ein gängiges Konzept darstellt, ist nicht jeder Investor mit diesem Ansatz einverstanden oder betrachtet ihn gar als Indiz für die Product-Market-Fitness.

3.3

Das Trifecta

Das Trifecta ist ein gängiges Konzept, das von Brian Balfour, dem Gründer von Reforge und früheren VP Growth bei Hubspot, erfunden und bekannt gemacht wurde (Balfour, 2013). Interessanterweise beschreibt er den Product-Market-Fit nicht wirklich als einen Zeitpunkt im Leben eines Start-ups, sondern eher als eine Abfolge von Beweisen, die das Start-up erbringen muss. Diese Beweise werden immer anspruchsvoller, aber auch immer klarer und sicherer in dem, was sie

3.3 Das Trifecta

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zeigen sollen. Im Wesentlichen können die Faktoren oder Tests, die bestanden werden müssen, in drei verschiedene Kategorien zusammengefasst werden: qualitative Tests, Engagement und Bindung. Der Vorteil dabei ist, dass es möglich ist, frühzeitige Indikatoren zu erhalten, die den Gründern eine erste Vorstellung davon geben können, ob der eingeschlagene Kurs richtig ist oder ob sie etwas ändern müssen. Betrachtet man qualitative Erhebungen als erste Kategorie, so ist offensichtlich, dass dies ein eher vager Indikator sein könnte, da hier viele Dinge je nach Unternehmen verwendet werden können. In seinem Aufsatz schlägt Balfour sogar zwei verschiedene Methoden vor, um qualitative Daten von Kunden zu erhalten. Eine könnte der Sean-Ellis-Test sein, der im vorherigen Kapitel besprochen wurde. Ein anderer könnte ein einfacher NPS-Test sein, bei dem die Benutzer angeben müssen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie das Produkt ihren Freunden oder Kollegen empfehlen würden. Aber auch andere zusätzliche Umfragen oder Tests sind möglich, um eine führende Kennzahl für das Unternehmen zu ermitteln. Bei einer mobilen App ist es beispielsweise auch möglich, aus den Bewertungen der App im App-Store Rückschlüsse auf die Qualität des Produkts als Frühindikator zu ziehen. Von Vorteil ist, dass die meisten Unternehmen diesen Ansatz auch bei sehr wenigen Kunden anwenden können. Die zweite Kategorie ist die sinnvolle Beschäftigung mit dem Produkt oder der Dienstleistung. In der ersten Kategorie werden die Nutzer befragt, wie ihnen das Produkt gefällt und wie sie mit diesem interagieren, was zu allen möglichen Verzerrungen führen kann, die bei Umfragen üblich sind. Balfour schlägt daher vor, sich die tatsächlichen Daten der Produktnutzung anzusehen und herauszufinden, ob es ein sinnvolles Engagement gibt. Ein Engagement sollte als eine echte Interaktion mit dem Produkt und nicht nur als eine Ansicht betrachtet werden. Dieses Engagement muss sinnvoll sein und mit dem Zweck und der Mission des Produkts selbst übereinstimmen. Bei einer mobilen App wie Instagram könnte dieses Engagement beispielsweise daran gemessen werden, wie viele Nutzer pro Tag Bilder posten, und nicht daran, wie viele Nutzer die App tatsächlich pro Tag öffnen. Und bei einer Banking-App könnte es darum gehen, wie viele Transaktionen pro Tag mit dieser App durchgeführt werden, und nicht um die einmalige Einrichtung eines Kontos. Letztendlich sollte ein Unternehmen sich auf die Retention Curve in der Anfangsphase konzentrieren. Die Retention Curve zeigt visuell die Anzahl der aktiven oder engagierten Nutzer im Laufe der Zeit. Der wichtigste Aspekt bei dieser Visualisierung ist, dass die Kurve an einem bestimmten Punkt abflacht, was als starker Indikator für einen Product-Market-Fit angesehen werden kann. Das Aufzeigen und Begründen des Product-Market-Fit ist potenziell der stärkste

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Die Messung des Product-Market-Fit

Ansatz, hat aber auch einige Nachteile. Erstens müssen einige Kernaspekte des Unternehmens verstanden werden, um diese Retention Curve zu erstellen. Wie bei der sinnvollen Einbindung auch aktiver Nutzer zu sehen ist, ist es von entscheidender Bedeutung, eine Aktion oder ein Ereignis zu wählen, das wirklich mit dem Ziel des Produkts selbst übereinstimmt. Darüber hinaus ist es wichtig, den Zeitpunkt der Bindung zu verstehen, denn es kann sein, dass es nur sinnvoll ist, jedes Jahr, jeden Monat, jede Woche oder jeden Tag im Produkt aktiv zu sein. Daraus ergibt sich der größte Nachteil: Es braucht Zeit, diese aussagekräftige Retention Curve zu erstellen. Die Retention Curve kann als zeitlich verzögerter Indikator betrachtet werden, der die Wirkung einer Produktänderung erst lange nach der Ursache zeigt. Für Snapchat mag es zum Beispiel sinnvoll sein, sich anzuschauen, wie viele Menschen täglich Fotos und Videos mit der mobilen App teilen, und so braucht es nicht viel Zeit, um eine Bindungskurve zu erstellen. Aber für eine mobile Reise-App wie zum Beispiel das deutsche Einhorn GetYourGuide macht es nur Sinn, die Bindung der Nutzer auf jährlicher Basis zu betrachten. Natürlich ist es sehr schwierig, dies den Investoren eines Start-ups in der Frühphase zu zeigen. Abschließend meint Balfour jedoch, dass es auch einen Status für einige Unternehmen gibt, der bereits deutlich darauf hinweist, dass ein Product-MarketFit besteht und sie einige der gerade beschriebenen Schritte gar nicht in Betracht ziehen müssen (Balfour, 2013). Das Trifecta besteht aus nicht-trivialem Wachstum, Bindung und sinnvoller Nutzung. Bei einigen Unternehmen sind alle Metriken jedoch so deutlich positiv, dass sie sich keine Gedanken darüber machen sollten, eine Umfrage zu verschicken oder eine Bindungskurve zu analysieren. Diese Unternehmen haben ihren Product-Market-Fit längst erreicht. Balfour führt das Beispiel von Snapchat an, wo die Nutzer bereits 200.000 App-Downloads verzeichneten, die Hälfte dieser Nutzer täglich wiederkam, um die App zu nutzen, und im Durchschnitt zehn Bilder pro Tag verschickte. Das bedeutet, dass das Unternehmen bereits verstanden hat, wie es seine Nutzerbasis ausbauen kann. Die Menschen, die angefangen haben, das Produkt zu nutzen, kommen die meiste Zeit wieder und interagieren auch positiv mit dem Produkt. Ein Unternehmen wie dieses hat bereits einen Product-Market-Fit erreicht und muss die oben genannten Schritte nicht mehr durchlaufen.

3.4

Der echte Product-Market-Fit

Bei den bisher diskutierten Konzepten handelte es sich hauptsächlich um eine positive und produktorientierte Definition des Product-Market-Fit. Gerade in den

3.4 Der echte Product-Market-Fit

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letzten Jahren ist das Konzept des Product-Market-Fit nicht nur in der VentureCapital-, sondern auch in der Gründer-Community immer bekannter geworden. Dies führte zu einigen Missverständnissen des Konzepts und auch zu vielen Ansätzen, wie man den Weg zum Product-Market-Fit, der normalerweise Jahre dauert, beschleunigen kann. Diese Entwicklung führte dann zu einigen Anpassungen der Konzepte, die von einflussreichen Risikokapitalgebern wie Michael Seibel und Ann Miura-Ko vorangetrieben wurden. Anstatt eine produktorientierte Definition zu verwenden, betonen sie vielmehr, dass der Product-Market-Fit ein Konzept ist, das sich auf alle Aspekte eines Unternehmens erstreckt. Michael Seibel argumentiert, dass die Entwicklung eines Produkts, das die Kunden wirklich wollen und auch explosionsartig kaufen, nur der erste Teil ist, und dass man dies leicht erreichen kann, wenn man negative Margen skaliert (Seibel, 2018). In ähnlicher Weise warnt die Investorin Ann Miura-Ko, dass der Product-Market-Fit auch einen monetären Aspekt beinhaltet, der immer mit den einhergehenden Kosten des Produkts betrachtet werden muss (Miura-Ko, 2020). Die Kunden mit einem bestimmten Wertversprechen glücklich zu machen, ist eine schöne Sache, aber nur, wenn man hinter diesem Wertversprechen ein Preisschild anbringen kann, das den Aufwand, den das Unternehmen in das Produkt gesteckt hat, tatsächlich wert ist. Es ist wirklich ein Unternehmen, das sich dem ProductMarket-Fit nähert. Ann Miura-Ko unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Geschäftsmodells und insbesondere der Preisgestaltung in der Anfangsphase eines Unternehmens. Gründer scheinen sich anfangs oft keine Gedanken über die Preisgestaltung zu machen oder wollen diese erst später im Detail festlegen. Es ist aber ein wichtiger Aspekt, das Verhältnis zwischen Kosten und Preis so früh wie möglich zu verstehen und auch Aussagen über die Marge der Unternehmenstätigkeit zu treffen. Michael Seibel weist zudem darauf hin, dass Gründer den Product-Market-Fit ihres Unternehmens häufig nur anhand einer einzigen Kennzahl oder eines Key Performance Indicators (KPIs) darstellen wollen und damit die Idee des ProductMarket-Fit vereinfachen (Seibel, 2018). Dabei spielt jedoch der Kontext des Unternehmens im weiteren Sinne eine wichtige Rolle, und jeder Risikokapitalgeber wird sich auch genau dafür interessieren. Wenn es viel Umsatz gibt, ist das natürlich ein großartiges Signal, aber dann sind auch in einem frühen Investitionsstadium weitere Dinge zu beachten. Wie sieht der Vertrieb eines Unternehmens nach einer gewissen Zeit aus oder was könnte eine mögliche Monetarisierungsstrategie sein? Wenn sich Gründer nur auf bestimmte Aspekte des Unternehmens konzentrieren, sind sie in der Regel sogar in der Lage, in diesem Bereich ein beeindruckendes Wachstum zu erzielen, je nach Unternehmen, während andere Kennzahlen oder Aspekte des Unternehmens eher zu kurz kommen.

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Der Weg zum Product-Market-Fit

Nach der Beschreibung verschiedener Methoden zur Bewertung und Messung des Product-Market-Fit wird in diesem Kapitel genauer beschrieben, was konkret getan werden kann, um am Product-Market-Fit zu arbeiten. Da dies eine grundlegende Herausforderung für jeden Gründer ist, werden auch hier Ansätze von Praktikern beschrieben und besprochen. Der erste Ansatz wurde von Superhuman-Gründer Rahul Vohra propagiert und baut auf einigen der Elemente auf, die in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurden. Der YC-Ansatz, der in einer Start-up-School-Lektion beschrieben wurde, wird ebenfalls im Folgenden vorgestellt. Der Ansatz von Dan Olsen, den er in „The Lean Product Playbook“ beschrieben hat, wird anhand der Product-Market-Fit-Pyramide dargestellt, die Teil des von ihm vorgeschlagenen Arbeitsablaufs ist. Schließlich werden in diesem Kapitel auch der Ansatz „Time to Product-Market-Fit“ von Andrew Chen und die Konsequenzen dieses Ansatzes beschrieben und erläutert.

4.1

Der Superhuman-Ansatz

Einer der populärsten Ansätze, um den Product-Market-Fit zu finden, wurde vom Gründer von Superhuman, Rahul Vohra, beschrieben (Vohra, 2018). Er begann 2015 mit der Entwicklung von Superhuman – einem Tool zur Verbesserung der E-Mail-Erfahrung. Das Besondere an der Situation von Vohra war, dass er bereits zum zweiten Mal ein Unternehmen gründete und sehr erfahren war, wenn es um die Entwicklung von Produkten ging. Diese gewonnene Erfahrung und Reputation ermöglichte ihm eine Entwicklungszeit von mehr als zwei Jahren, bevor er das Produkt auf den Markt bringen konnte. Er beschreibt, dass es in dieser Phase, in der es noch keine wirklichen Nutzer gibt, für ein Start-up und einen Gründer schwierig ist, eine strategische Roadmap festzulegen oder sogar das Team darüber © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 N. Stotz, Product-Market-Fit, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66574-9_4

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4

Der Weg zum Product-Market-Fit

zu informieren, wo das Unternehmen derzeit steht und welche nächsten Schritte es vorweisen muss. Bei der Lektüre aller Artikel von Frühphaseninvestoren und Vordenkern kam Vohra irgendwann zu dem Schluss, dass es sehr schwer ist, auf dem Weg zum Product-Market-Fit wirklich konkrete Schritte festzulegen. Ihm fiel vor allem auf, dass es viele Metriken und Indikatoren gibt, die eher verzögert greifen und Gründern sowie Start-ups letztendlich helfen können, wenn sie erst einmal gestartet sind, aber es gab nicht viel, was ihnen wirklich hilft, ihre Situation schon vor dem Start zu beurteilen. In diesem Moment wurde Vohra auf den Ansatz von Sean Ellis aufmerksam, der im vorherigen Kapitel besprochen wurde (Vohra, 2018). Ellis und seine Art, Menschen zu befragen, um sich ein Bild vom aktuellen Zustand des Produkts auf dem Weg zum Product-Market-Fit zu machen, waren eine gute Hilfe für Vohra und die wichtigste KPI, auf die er und sein Team sich seitdem konzentrierten. Nachdem er die Nutzer identifiziert hatte, die das Kernprodukt wirklich erlebt hatten, und ihnen den Sean-Ellis-Test geschickt hatte, musste Vohra feststellen, dass er nicht wirklich an der 40 %-Hürde angelangt war, sondern dass nur 22 % sehr enttäuscht waren, wenn sie das Produkt nicht mehr nutzen konnten. Diese Einschätzung ist der erste Schritt, der als Anhaltspunkt für den ProductMarket-Fit verwendet werden kann. Der Schlüssel und die Erweiterung des Konzepts des Sean-Ellis-Tests besteht darin, dass Vohra, anstatt einfach weiterzuarbeiten, zusätzlich noch die von ihm befragten Nutzer segmentiert hat, nachdem er die Sean-Ellis-Methode anwendete. Begründet liegt dies darin, dass es immer bestimmte Nutzergruppen geben wird, die das Produkt zwar nutzen und vielleicht sogar sehr zufrieden damit sind, für die das Produkt aber nicht wirklich gedacht ist und die daher von der Umfrage ausgeschlossen werden sollten. Im Fall von Superhuman zum Beispiel war das Produkt eindeutig auf Gründer und Führungskräfte mit wenig Zeit ausgerichtet, nicht aber auf Customer Support oder Mitarbeiter im Datenbereich, denen es nur um die Optimierung ihrer Zeit im Allgemeinen ging. Wenn die reduzierte Stichprobe noch einmal betrachtet wird, nachdem die Nicht-Zielpersonen ausgeschlossen worden sind, war Vohra zumindest etwas näher an der 40 %-Hürde. Dennoch musste er entscheiden, was er als Nächstes tun will. Dazu nutzte er ein weiteres wichtiges Konzept, das er HXC nannte, den High-ExpectationCustomer. Diese High-Expectation-Customer sind Nutzer, auf die die besten Eigenschaften und Kernfunktionen der Produkte den größten Einfluss haben und die allen ihren Freunden von dem Produkt erzählen (Chen, 2019). Sie sind vom dem Produkt begeistert, sie denken und erwarten wirklich, dass das Produkt ihr

4.1 Der Superhuman-Ansatz

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gesamtes Verhalten und ihre Wahrnehmung des Lebens verändern kann. Die Antworten und Interviews, die ein Unternehmen mit diesen erwartungsvollen Kunden führt, können wirklich dabei helfen, eine Vision und einen Fahrplan für die nächsten Schritte in der Produktentwicklung zu erstellen. Der nächste Schritt ist sehr interessant, denn hier werden die Kunden mit hohen Erwartungen identifiziert, die von den sehr enttäuschten Nutzern getrennt werden, und der Schlüsselaspekt dessen ermittelt, was ihnen an dem Produkt wirklich gefällt. Dann werden die etwas enttäuschten Nutzer betrachtet und bewertet, welches Segment dieser etwas enttäuschten Nutzer mit dem Schlüsselaspekt übereinstimmt, den die Nutzer mit hohen Erwartungen an das Produkt wirklich mögen. Die restlichen Segmente, also die nicht enttäuschten Nutzer oder die etwas enttäuschten Nutzer mit einem anderen Schlüsselaspekt als die sehr enttäuschten Nutzer, werden ignoriert, sie lenken eher mit Features ab, die das Unternehmen nicht wirklich entwickeln will. Das Entscheidende ist nun, dass die Zielgruppe und die Persona, für die das Unternehmen für sein Produkt entwickelt, sehr klar sind. Einige von ihnen lieben das Produkt bereits, andere sehen noch einige Unzulänglichkeiten, aber alle sind an denselben Schlüsselaspekten des Produkts interessiert. Auf der Grundlage dieser Zielgruppe sollte die Roadmap entworfen werden: Die Hälfte der Roadmap ist den bereits zufriedenen und glücklichen Nutzern gewidmet, um ihnen mehr davon zu bieten, und die andere Hälfte ist den Kunden gewidmet, die im Wesentlichen noch unentschlossen sind und bei denen das Unternehmen zunächst einige Mängel beseitigen muss. Diese Art der Gestaltung seiner Roadmap hilft, sich nur auf die Zielgruppe zu konzentrieren, an der wirklich gemessen werden kann, ob das Unternehmen den Product-Market-Fit erreicht hat. Gleichzeitig ist es wichtig, den Sean-Ellis-Test kontinuierlich durchzuführen und die Produkt-Roadmap jedes Quartals auf dieselbe Weise neu zu entwickeln. Im Fall von Vohra hat er so gearbeitet und konnte den Prozentsatz des Sean-EllisTests schließlich auf über 50 % steigern, sodass er sein Produkt als einsatzbereit ansah (Vohra, 2018). 

Der von Vohra vorgestellte Ansatz ist äußerst praktikabel und kann vielen Gründern als Blaupause für die Arbeit an ihrem Start-up dienen. Wie bereits erwähnt, befand sich Vohra jedoch in einer besonderen Situation und war ein sehr erfahrener Gründer. Für einige Gründer könnte es schwierig sein, diesem Ansatz zu folgen, da sie vielleicht nicht die Zeit oder die Erfahrung haben, das Produkt auf diese Weise zu entwickeln.

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Der Weg zum Product-Market-Fit

Der Y-Combinator-Ansatz

Ein vielversprechender Ansatz wurde von David Rusenko, dem Gründer von Weebly, in der Y-Combinator Startup School beschrieben. Er beschrieb die Suche nach dem Product-Market-Fit als etwas, das hauptsächlich zwischen der Idee und der Arbeit daran, Traktion für das eigene Produkt zu bekommen, stattfindet (Rusenko, 2018). Aber auch nach dieser Anfangsphase, die oft mit einer Finanzierungsrunde endet, müssen Unternehmen ihren Product-Market-Fit (PMF) noch verfeinern und erweitern. Eine sehr kühne These von Rusenko ist, dass Marktforschung nicht wirklich hilft, an der Idee zu arbeiten und den Product-Market-Fit zu finden, da die besten Unternehmen nicht einen bestehenden Markt nutzen, sondern einen neuen schaffen (Rusenko, 2018). Für Rusenko ist es wichtiger, nach etwas zu suchen, das nicht so offensichtlich ist, da die Menschen bereits eine Art Workaround für genau dieses Problem haben und daher eher nicht mit der Idee des Unternehmens einverstanden sein werden. Rusenko kommt zu dem Schluss, dass die meisten Experten sagen, man solle zuerst nach einer großartigen Idee suchen, dann viel mit den Kunden sprechen, um diese Idee zu validieren, und dann irgendwann einen Gewinn mit dem Produkt erzielen. Wie in Abb. 4.1 dargestellt, gibt es jedoch einen Schritt, der zwischen dem Gespräch mit den Kunden und dem Erzielen von Gewinn liegen muss, und genau diesen Schritt möchte er näher beschreiben. Der allererste Schritt besteht für Rusenko darin, bereits mit potenziellen Kunden zu sprechen und auf der Grundlage ihres Feedbacks eine Markthypothese zu entwickeln. In dieser Phase ist es wichtig, sie nicht mit einer Lösung zu konfrontieren, sondern tief in ihr Problem einzutauchen und herauszufinden, was genau die Aufgabe ist, die das Unternehmen für sie lösen soll. Tatsächliche Lösungen, die die Nutzer vorschlagen, können sogar ignoriert werden.

Abb. 4.1 Die Schritte zur Profitabilität nach Rusenko

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Danach kann das Unternehmen beginnen, einen funktionalen Prototyp zu erstellen, den es für Benutzertests verwenden kann. Auch hier ist es wichtig, alle potenziellen Probleme mit der Skalierung und Monetarisierung dieser Lösung zu ignorieren und sich nur auf das Produkterlebnis zu konzentrieren. Natürlich muss das Unternehmen bereit sein, dies mit vielen verschiedenen Prototypen zu testen, um sich an das Feedback der Nutzer anzupassen. Daher sollte in dieser Phase nicht viel Geld ausgegeben oder gar ein größeres Team eingestellt werden. Wichtig ist, in der Lage zu sein, Prototypen sehr schnell zu iterieren. Sobald das Unternehmen durch ausreichende Iterationen davon überzeugt ist, dass es eine Lösung baut, sollte es sicherstellen, dass es auf der Grundlage der Lösung wirklich tiefgehende Interviews mit seinen Kunden führt. Vor allem UXTests, bei denen sichergestellt sein sollte, dass die Kunden die Web-App oder die mobile App tatsächlich benutzen und wirklich ehrliches Feedback darüber geben, was ihnen gefällt und was nicht. Ein sehr guter Ansatz ist, den Nutzern eine spezifische und genaue Aufgabe zu geben, die sie im Produkt des Unternehmens ausführen müssen. Die Herausforderung besteht darin, den Kunden zuzuhören und sie nicht auf die gewünschte Lösung zu verweisen, sondern sie einfach sprechen zu lassen und so passiv wie möglich zu sein. Diese Interviews und Tests werden dem Unternehmen sehr gute qualitative Ergebnisse liefern, ohne dass es sich zu diesem Zeitpunkt auf irgendwelche Metriken verlassen muss oder gar Geschichten erzählen sollte, da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht über ausreichend große Zahlen verfügt. Laut Rusenko ist dies der Prozess, den das Unternehmen durchlaufen muss, wenn es den Product-Market-Fit erreichen will. Und wenn es diesen noch nicht erreicht hat, muss es zum ersten Schritt zurückkehren und mit den neuen Erkenntnissen, die gesammelt wurden, erneut mit den Nutzern sprechen (Rusenko, 2018). Die Frage ist dann natürlich, wie man weiß, wann es den Product-Market-Fit erreicht hat. Rusenko gibt eine Reihe von Vorschlägen, worauf geachtet werden sollte. Der erste ist, wie oft die Nutzer innerhalb von einem, sieben oder 30 Tagen zu dem Produkt zurückkehren, also eine klassische Retention Rate. Zweitens der Net Promoter Score und drittens die Wiederkaufrate für empfehlende Kunden, die nur funktioniert, wenn das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zahlende Nutzer hat. Sie gibt an, wie viel Prozent der angemeldeten Nutzer ihr Produktabonnement verlängern. Laut Rusenko sollte den Anmelde- und Konversionsraten nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, da diese Raten eher etwas sind, das mit einem größeren Team ohnehin behoben und auf das sich dann konzentriert werden kann, außerdem sind sie sehr kleinteilig. Letztendlich glaubt Rusenko, dass ein Unternehmen merkt, wenn es den Product-Market-Fit erreicht

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hat, indem die Nutzer wirklich zeigen, dass sie sein Produkt auf viele verschiedene Arten wollen, und alles, was das Unternehmen tut, fühlt sich sehr intuitiv und einfach an, weil es so viel Kundenwertschätzung hat. Rusenkos Ansatz berührt viele gute Aspekte und bietet einen klaren und wiederholbaren Prozess, der für jedes Produkt angewendet werden kann. Allerdings fehlt in seinem Ansatz eine Anleitung, wie genau das Feedback aus den Nutzerinterviews extrahiert wird und in der nächsten Iteration damit gearbeitet werden kann. Darüber hinaus gibt es keine klare Definition oder Angabe, wann der Product-Market-Fit tatsächlich erreicht ist. Rusenko geht nur auf einige wenige Metriken ein, gibt aber keine klare Stellungnahme dazu ab, woran erkennbar ist, dass der Product-Market-Fit erreicht ist.

4.3

Die Product-Market-Fit-Pyramide

Ein weiterer interessanter und pragmatischer Ansatz zur Ermittlung des ProductMarket-Fit wurde von Dan Olsen entwickelt, der diesen in seinem Buch „The Lean Product Playbook“ ausführlich erläutert hat. Bevor er auf den Ansatz eingeht, erläutert Olsen in seinem Buch den wesentlichen Rahmen, nämlich die Product-Market-Fit-Pyramide. Diese Pyramide besteht aus insgesamt fünf Ebenen (Olsen, 2015). Die Schicht, die als Fundament der Pyramide betrachtet werden kann, ist der Markt. Dieser besteht aus den Zielkunden und deren nicht abgedeckten Bedürfnissen. Beim Markt geht es also darum zu verstehen, wessen Leben das Unternehmen verbessern möchte und was die tatsächlichen Probleme sind, die die Zielkunden haben. Es geht darum zu klären, ob diese Bedürfnisse überhaupt unterversorgt sind (Olsen, 2015). Abb. 4.2 illustriert die von Olsen vorgeschlagene Pyramide: Die obersten drei Schichten der Olsen-Pyramide werden als das Produkt betrachtet und beginnen mit dem Wertversprechen am unteren Ende, den Leistungsmerkmalen in der Mitte und der Benutzerfreundlichkeit an der Spitze. Das Wertversprechen ist besonders wichtig, weil es die unterversorgten Bedürfnisse klar mit der Hypothese über das Produkt des Unternehmens verknüpft. Das Feature-Set ist praktischer und enthält die Funktionen, die wirklich benötigt werden, um die zugrundeliegenden Bedürfnisse und den Markt im Allgemeinen auf die richtige Weise zu erfüllen. Bei der User Experience (UX) geht es dann nur noch darum, wie die Benutzer mit dem Produkt interagieren. In Anbetracht dieses Rahmens definiert Olsen den Product-Market-Fit so, dass die Hypothesen, die das Unternehmen in den oberen drei Schichten aufstellt, mit denen in den unteren Schichten übereinstimmen,

4.3 Die Product-Market-Fit-Pyramide

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Abb. 4.2 Die Product-Market-Fit-Pyramide

d. h., wie gut passt die Produktstrategie zu dem Markt, der angesprochen werden soll? Anhand dieses Rahmens wird auch deutlich, welche Schritte das Unternehmen laut Olsen unternehmen muss, um den Product-Market-Fit zu finden. Zunächst muss es wirklich verstehen, wer sein Zielkunde ist, und schon hier wird es knifflig, denn die Kunden, nach denen gesucht oder die angesprochen werden sollen, können alle dasselbe Problem, aber völlig unterschiedliche Bedürfnisse haben. Es ist daher wichtig, nicht nur auf breite Segmente wie „Millennials“ oder „Frauen“ abzuzielen, sondern spezifischer zu sein und auch zu untersuchen, was diese Art von Kundengruppe von einer ähnlichen Kundengruppe unterscheidet. Sobald der Zielkunde identifiziert ist, muss das zweite Element des Marktes identifiziert werden, nämlich die unterversorgten Bedürfnisse. Hier ist es wichtig, zwischen dem Problemraum und dem Lösungsraum zu unterscheiden. Der Problemraum beschreibt die potenziellen Probleme oder Schmerzpunkte, die in einem bestimmten übergreifenden Raum existieren, und der Lösungsraum gibt verschiedene Möglichkeiten an, wie jeder dieser Schmerzpunkte auf unterschiedliche Weise gelöst werden kann. Um den Markt, auf dem das Unternehmen mit

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seinem Produkt tätig ist, wirklich zu verstehen, müssen es sich der verschiedenen Untergruppen von Nutzern und ihrer jeweiligen Pain Points bewusst sein. Danach ist es an der Zeit, das zentrale Wertversprechen, das das Produkt bietet, mit der Zielgruppe und den unterversorgten Bedürfnissen, die gerade definiert worden sind, abzugleichen. Olsen weist darauf hin, dass es wichtig ist, alle Wertversprechen des Produkts und auch das Modell der Wettbewerber mithilfe des Kano-Modells zu betrachten und zwischen Grundbedürfnissen, Leistungsbedürfnissen und Begeisterungsfaktoren zu unterscheiden, um eine bewusste Entscheidung darüber zu treffen, welche Bedürfnisse das Unternehmen mit seinem Produkt ansprechen möchte (Kano et al., 1984). Wenn alle potenziellen Nutzenversprechen und auch die Nutzenversprechen der Alternativen verstanden sind, ist es an der Zeit, eine Entscheidung über die zu wählenden Funktionen zu treffen. Dies ist der vierte Schritt, und Olsen legt großen Wert darauf, dass an diesem Punkt nicht mit der Entwicklung eines Produkts begonnen, sondern eine MVP-Perspektive eingenommen wird. Dieses Minimum Viable Product (MVP) sollte ansprechend, benutzerfreundlich, zuverlässig und funktional sein, was bedeutet, dass einige Aspekte nicht völlig außer Acht gelassen werden sollten, sondern nur das absolute Minimum berücksichtigt werden sollte, um potenziellen Nutzern einen Mehrwert zu bieten. Der letzte Schritt, der die UX berührt, ist die Erstellung eines MVP-Prototyps. Auch hier ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich um eine iterative Arbeit handelt und die Teams nicht bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Bau eines Produkts beginnen sollten. Vielmehr geht es zunächst darum, ein digitales Erlebnis in Worte zu fassen und dann Schritt für Schritt zu gestalten. Das kann mit einer Handskizze beginnen, mit einigen Wireframes weitergehen und mit einem klickbaren Prototyp enden. All diese verschiedenen Schritte sollten dann mit Nutzern getestet werden, um eine Validierung zu erhalten (Olsen, 2015). Wenn das Unternehmen sich schließlich sicher ist, dass es wirklich ein Produkt entwickeln will, ist es an der Zeit, dieses Produkt seiner Zielgruppe, die es zu Beginn definiert hat, zu zeigen. Und das ist der Moment, in dem es erkennen sollte, ob es den Product-Market-Fit erreicht hat. Es sollte also in der Lage sein zu erkennen, wie gut das Produkt bei den Nutzern ankommt, die angesprochen werden sollen. Der Ansatz von Olsen funktioniert nicht nur im Bereich des Product-MarketFit, sondern sollte eine gute Anleitung für die Produktentwicklung und die iterative Entwicklung im Allgemeinen sein. Auch hier ist der Ansatz sinnvoll, aber es gibt keine wirkliche Berücksichtigung der Zeit, die diese Arbeitsweise Teams in der Frühphase ihrer Start-ups kosten wird. Interessanterweise beginnt Olsen mit einer ausführlicheren Definition des Produkts und des Marktes als die

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meisten anderen Beispiele, die bisher vorgestellt worden sind. Auch der gründungsbezogene und hierarchische Ansatz ist interessant, da er davon ausgeht, dass bei einer Veränderung des Kunden im Grunde alles zusammenbricht und man wieder bei null anfangen muss. Ebenso die allgemeine Überlegung, dass der Markt nicht wirklich verändert werden kann, ist in seiner Theorie sehr gut verankert. Das bedeutet, dass ein Unternehmen sich seinen Markt zwar aussuchen kann, aber es ist nicht so, dass es, wenn es ihn einmal ausgewählt hat, den Markt einfach so verändern kann, wie es ihn gerne hätte. Alles, was es in der Hand hat, ist das Produkt, und das muss zu diesem Markt passen.

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Der TTPMF-Ansatz

Ein weiterer interessanter Ansatz, wie man bei der Suche nach dem ProductMarket-Fit vorgehen kann, stammt von Andrew Chen. In seinem Blogbeitrag führt er das Konzept des Time to Product-Market-Fit (TTPMF) ein und erläutert die Konsequenzen für Start-up-Gründer. Der Grundgedanke ist, dass ein neu gegründetes Unternehmen sein Produkt innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens (in der Regel zwischen ein und zwei Jahren) zum Laufen bringen muss (Chen, 2013). Dann hat es entweder ein funktionierendes Produkt, mit dem es zusätzliche Finanzmittel beschaffen kann oder das sogar rentabel ist, oder es hat ein Produkt, das noch nicht funktioniert und bei dem die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass das Geld ausgeht oder andere grundlegende Konsequenzen für das junge Team folgen. Natürlich besteht ein Interesse daran, den Product-Market-Fit zu erreichen, aber es besteht auch die Notwendigkeit, den Product-Market-Fit so schnell wie möglich zu erreichen. Aus diesem Grund hat Andrew Chen definiert, dass die Zeit bis zum Product-Market-Fit ein wichtiger Faktor bei der Planung der Roadmap ist. In Anbetracht dieses Konzepts ist es für jeden Gründer selbstverständlich, dass er versucht, die Zeit bis zum Product-Market-Fit zu verkürzen. Natürlich können die Gründer dies tun, indem sie viel Arbeit investieren und versuchen, den Product-Market-Fit ihres Produkts zu beweisen, aber laut Chen gibt es auch einen Weg, dies in die Geschäftsstrategie des gesamten Start-ups einzubauen. Der Weg, den Chen beschreibt, besteht darin, etwas zu kopieren, das es bereits gibt und das bereits den Product-Market-Fit erreicht hat, um dem Start-up zu helfen, ein klares Ziel zu haben und somit auch das Ziel schneller zu erreichen. Dieser Ansatz ist nicht für jedes Produkt möglich und es gibt einen wichtigen Zusatz zu dieser Strategie. Wenn Chen dazu rät, etwas zu kopieren, was es bereits gibt, bedeutet das nicht, dass es eine 1:1-Kopie eines bestehenden Start-ups sein soll.

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Dies würde zu dem Problem führen, dass es keine Innovation gibt; und dass es schwer sein wird, Kunden des ursprünglichen Unternehmens zu gewinnen, und dass die Gründer immer wieder aufholen müssen, anstatt wirklich ihre eigene Strategie zu definieren (Chen, 2013). Wenn also nach „etwas“ gesucht wird, das bereits vorhanden ist und einen Product-Market-Fit erreicht hat, bedeutet das nicht, dass ein ganzes Unternehmen mit jedem einzelnen Aspekt übernommen wird, sondern es wird ein großer Aspekt eines Unternehmens ausgewählt, der bereits vorhanden ist, und dann ein grundlegender Teil des Produkts ausgewählt, aber die anderen 80 % des Produkts sollten im Wesentlichen gleichbleiben. Es stellt sich natürlich die Frage, wie ein grundlegender Aspekt eines Unternehmens herausgeschnitten und vollständig verändert werden kann. Und hier gibt es verschiedene Methoden: Es ist immer möglich, ein Produkt anzubieten, das einfach billiger, aber besser ist als das bereits bestehende Produkt. Oder es kann sich buchstäblich auf ein bestimmtes Segment des bereits bestehenden Geschäfts konzentriert werden, um diese Untergruppe von Kunden optimal zu bedienen. Beispiel

Ein gutes Beispiel für die Anwendung dieses Ansatzes sind die NeobankingStart-ups. Es gibt viele bereits etablierte Start-ups, die sich zu Einhörnern entwickelt haben, beliebte Beispiele sind Monzo, Revolut oder N26. Viele Großinvestoren glauben an ihr Konzept und wollen am Erfolg dieser Unternehmen teilhaben, d. h., sie sehen definitiv, dass es einen Product-Market-Fit für diese Start-ups gibt. Eine neuere Entwicklung, die zu beobachten ist, ist, dass es viele neue Neobanken gibt, die das gleiche Grundkonzept wie bereits vorhandene Neobanken verwenden, aber eine ganz bestimmte Nische oder ein bestimmtes Segment von Nutzern bedienen (Laurer, 2021). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Segment wie Freiberufler, Kreative oder Musiker oder sogar um eine Gemeinschaft wie „Asiaten“ oder „Einwanderer“ handelt. Die Idee ist, diesen Kunden die zusätzlichen 20 % zu bieten, die sie bei den großen Neobanken nicht bekommen können. Ein weiteres Beispiel, das Chen anführt, ist Twitter. Es gab bereits viele Möglichkeiten und Plattformen, um Gedanken und Ideen öffentlich auszudrücken, aber das Einzige, was Twitter geändert hat, war die Beschränkung auf 140 Zeichen für alle. Das Wichtigste an diesem Ansatz von Chen ist, dass es sich zwar so anhört, als wäre nicht viel Raum für strategische Differenzierung möglich, diesen gibt es jedoch dennoch. Es geht nur darum, die Ziele des Start-ups intelligenter zu

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machen und den Unternehmen mehr Zeit zu geben, ihre Marketing-Maschine wirklich hochzufahren. Chen räumt auch ein, dass es nicht schlecht ist, ein paarmal die Strategie und Ziele des Unternehmens zu verändern und zu „pivoten“, und dass dies manchmal auch notwendig ist. Aber wird die Präzision der Zielmetrik um 80 % erhöht, indem etwas gewählt wird, das bereits vorhanden ist, hilft das den Gründern sehr, sich schneller in Richtung des Ziels zu bewegen. Und in Anbetracht der kurzen Zeitspanne, die Gründern zur Verfügung steht, ist dies sehr wichtig, da die potenziellen Umschwünge, die ein Start-up durchlaufen muss, reduziert werden, sodass dem Unternehmen weniger Zeit bleibt, sein Marketing und seine Analysen zu optimieren, damit es nach Aufbringen der ersten großen Finanzierungsrunde weniger undichte Stellen hat, wenn es um ein tatsächlich skalierbares Wachstum geht. Der von Chen beschriebene Ansatz ist umstritten, weist aber einige interessante Aspekte auf. Er erkennt die Unbestimmtheit des Konzepts des ProductMarket-Fit an, aber dennoch die Bedeutung für Investoren und das Überleben des Unternehmens und schlägt einen pragmatischen Weg vor, um dieses hohe Risiko für Gründer zu mindern. Die Beschreibung dieser Idee erweckt den Eindruck, dass durch einen solchen Ansatz weniger Innovationen zu erwarten sind, jedoch haben die meisten Gründer bereits eine vage Vorstellung der Richtung einer Branche oder eines Geschäftsmodells und es ist möglich, dass dies ihnen helfen kann, ihre Ziele noch genauer zu formulieren. Andererseits kann die Konsequenz dieses Konzepts auch für bestimmte gehypte Start-up-Wellen verantwortlich gemacht werden, wie zum Beispiel die E-Scooter-Start-up-Welle im Jahr 2018 oder der Beginn der Quickcommerce-Ära im Jahr 2019.

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Fazit

Die Forschung und das Interesse an jungen Unternehmen von Praktikern und Wissenschaftlern steigen stetig. Es wird immer wichtiger, zentrale und häufig erwähnte Konzepte zu kennen und zu verstehen, um sich mit den wichtigsten Interessengruppen auf Augenhöhe austauschen zu können. Das Konzept des Product-Market-Fit macht dabei keine Ausnahme, sondern ist eines der populärsten Konzepte und dessen Kenntnis wird vielfältig vorausgesetzt. Das Anliegen dieses Essentials ist es, eine prägnante Zusammenfassung aller wichtigen Aspekte dieses Konzepts zu liefern. Diese können von allen Interessengruppen bei der Diskussion rund um das Konzept verwendet werden. Insbesondere der geschichtliche Hintergrund und die Beschreibung der Weiterentwicklung des Konzepts eignen sich hervorragend, um das Konzept kontextuell zu verankern. Die weiteren Kapitel geben einen Einblick in die praktikablen Ansichten von zahlreichen wichtigen Meinungsführern, die das Konzept bereits beleuchtet haben. Im Laufe der Kapitel werden auch immer wieder populäre Beispiele für die Anwendung des Konzepts angeführt. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieses Konzept weitergeführt und auch weiterentwickelt wird. Hierbei werden die praktische Anwendung des Konzepts sowie die wissenschaftliche Analyse und Auswertung von Daten fortgeführt. Insbesondere der Entrepreneurship-Forschung wird bei der weiteren Validierung dieses Konzepts und der Weiterentwicklung eine prominente Rolle zukommen.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 N. Stotz, Product-Market-Fit, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66574-9_5

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Was Sie aus diesem essential mitnehmen können

• Eine prägnante Beschreibung des Konzepts Product-Market-Fit und dessen Bedeutung für junge Unternehmen und Investoren • Wie man den Product-Market-Fit messen und greifbar machen kann und welche Vorteile dies für junge Unternehmen hat • Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die für das Erreichen des Product-MarketFit genutzt werden kann

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 N. Stotz, Product-Market-Fit, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66574-9

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