Privates Einheitsrecht [1 ed.] 9783161561313, 9783161561320, 3161561317

Die zumeist nationale Fragmentierung des Handelsrechts wird seit jeher als Hemmnis für den internationalen Handel versta

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
I. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse
II. Begriffe und Abgrenzung
1. Internationales Einheitsrecht und privates Einheitsrecht
2. Grenzüberschreitender Handel
III. Gang der Untersuchung
Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen
I. Das Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit
II. Internationales Zivilverfahrensrecht und internationales Privatrecht als Lösungsstrategien staatlichen Rechts
1. Probleme beider Lösungsstrategien
a) Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten grenzüberschreitender Transaktionen
b) Widrigkeiten des internationalen Privatrechts
c) Überwindung der Probleme durch Parteiautonomie
aa) Grenzen der Parteiautonomie
bb) Nationalisierung internationaler Sachverhalte
d) Zwischenergebnis
2. Auswirkungen auf die Transaktion
a) Entstehung erhöhter Transaktionskosten
aa) Transaktionskostentheorie
bb) Ex ante-Transaktionskosten
cc) Ex post-Transaktionskosten
b) Transaktionstypen
3. Zwischenergebnis
III. Rechtssicherheit durch internationales Einheitsrecht
1. Theoretische Konzeption
a) Vereinheitlichung des Sach- oder Kollisionsrechts
b) Transaktionskostenreduktion
c) Zwischenergebnis
2. Historische Entwicklung der staatlichen Rechtsvereinheitlichung
3. Probleme der staatlichen Rechtsvereinheitlichung
a) Probleme der Rechtsvereinheitlichung ex ante
b) Anwendung des Einheitsrechts in der Praxis ex post
c) Neuere Entwicklungen der Rechtsvereinheitlichung
d) Zwischenergebnis
IV. Alternative Lösungsstrategien
1. Wettbewerb der Rechtsordnungen
a) Das Konzept eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen
b) Einheit oder Wettbewerb
c) Einheitsrecht als Hemmnis für einen Wettbewerb der Rechtsordnungen
d) Zwischenergebnis
2. Privates Einheitsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen
V. Gesamtergebnis des Ersten Kapitels
Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke: Funktionsbedingungen und Rechtsdogmatik
I. Entwicklung und Hintergründe voranschreitender Privatisierung
II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts
1. Abhängigkeit der Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts vom staatlichen Rechtssystem
a) Relevanz privater Vertragsdurchsetzungsmechanismen
b) Funktion des staatlichen Rechtssystems
2. Privates Einheitsrecht aus der Perspektive staatlichen Rechts
a) Abstrakte Mechanismen des Umgangs mit privaten Regelwerken
aa) Fehlende Gleichordnung privaten Einheitsrechts
(1) Internationales Privatrecht als Rezeptionsmechanismus
(2) Privates Einheitsrecht als anwendbares Recht
(3) Zwischenergebnis
bb) Die Unterordnung privaten Einheitsrechts
(1) Inkorporierung
(2) Deferenz
(3) Delegation
cc) Zwischenergebnis
b) Dogmatische Rezeptionsmechanismen des Umgangs mit nichtstaatlichen Rechtsregimen
aa) Dogmatischer Rechtsrahmen im deutschen Rechtssystem
(1) Vertragsklausel und Allgemeine Geschäftsbedingungen
(a) Voraussetzungen
(b) Kontrollmaßstab
(2) Handelsbrauch
(a) Voraussetzungen
(b) Kontrollmaßstab
(3) Handelsgewohnheitsrecht
(a) Voraussetzungen
(b) Kontrollmaßstab
(4) Zwischenergebnis
bb) Dogmatischer Rechtsrahmen im englischen Rechtssystem
(1) Contractual terms und standard terms
(a) Voraussetzungen
(b) Kontrollmaßstab
(2) Customary law
(a) Voraussetzungen
(b) Kontrollmaßstab
(3) Trade usage
(a) Voraussetzungen
(b) Kontrollmaßstab
(4) Zwischenergebnis
3. Versuch einer Systematisierung
III. Konsequenzen
Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis
I. Untersuchungsfrage
II. Vorgehensweise und Methodik
III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke in der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte
1. Die Incoterms
a) Darstellung des Regelwerks
aa) Gegenstand und Zweck
bb) Inhalt
b) Dogmatische Charakterisierung der Incoterms
c) Empirische Analyse der Spruchpraxis
aa) Spruchpraxis deutscher Gerichte
(1) Darstellung der Ergebnisse
(2) Interpretation
(a) Rechtsbeständigkeit
(b) International einheitliche Auslegung
(3) Ergebnis
bb) Spruchpraxis englischer Gerichte
(1) Darstellung der Ergebnisse
(2) Interpretation
(a) Rechtsbeständigkeit
(b) International einheitliche Auslegung
(3) Ergebnis
cc) Exkurs: Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs
dd) Ergebnis: Spruchpraxis Incoterms
2. Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive
a) Darstellung des Regelwerks
aa) Gegenstand und Zweck
bb) Inhalt
b) Dogmatische Charakterisierung der ERA
c) Empirische Analyse der Spruchpraxis
aa) Spruchpraxis deutscher Gerichte
(1) Darstellung der Ergebnisse
(2) Interpretation
(a) Rechtsbeständigkeit
(b) International einheitliche Auslegung
(3) Zwischenergebnis
bb) Spruchpraxis englischer Gerichte
(1) Darstellung der Ergebnisse
(2) Interpretation
(a) Rechtsbeständigkeit
(aa) ERA und das Verhältnis zu express terms
(bb) Einwände gegen die Zahlungspflicht
(b) International einheitliche Auslegung
(3) Ergebnis
cc) Ergebnis: Spruchpraxis ERA
3. Die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts
a) Darstellung des Regelwerks
aa) Gegenstand und Zweck
bb) Inhalt
cc) Zwischenergebnis
b) Dogmatische Charakterisierung der PICC
c) Empirische Analyse der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte
aa) Darstellung der Ergebnisse
bb) Interpretation
(1) Rechtsbeständigkeit und international einheitliche Auslegung
(2) Folgerungen
cc) Ergebnis: Spruchpraxis PICC
4. Gewährleistung der Funktionsbedingungen durch staatliches Recht
IV. Strategien des praktischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht
Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer
I. Das Interesse der privaten Regelsetzer an der Funktionsfähigkeit des eigenen Regelwerks
II. Strategien privater Rechtsetzung
III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme
1. Erhöhung der Rechtsbeständigkeit
a) Einarbeitung der Spruchpraxis
b) Bewusste Nicht-Regelung
c) Zwischenergebnis
2. Unterstützung der international einheitlichen Auslegung
3. Zwischenergebnis
IV. Auswirkungen auf die Rechtssicherheit
Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik
I. Privates Einheitsrecht und Zivilrechtsdogmatik
1. Begriff
2. Aufgaben und Funktionen der Rechtsdogmatik
II. Kritische Bestandsaufnahme
III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch
1. Tatbestand und Rechtsfolgen
2. Weitere Kriterien
3. Definition
IV. Zusammenfassendes Ergebnis
Schluss
Übersicht über die untersuchten Urteile
Rechtsprechungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 414 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Insa Stephanie Jarass

Privates Einheitsrecht

Mohr Siebeck

Insa Stephanie Jarass, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaft in Bremen und Cambridge, UK (LL.M.); Stipendien der Studienstiftung des deutschen Volkes und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes; Forschungsaufenthalt am Institute of European and Com­ parative Law der University of Oxford, UK; 2016 Promotion; 2018 Zweite juristische Staatsprüfung in Frankfurt am Main; seit 2018 Habilitandin am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main.

ISBN  978-3-16-156131-3 / eISBN  978-3-16-156132-0 DOI 10.1628/978-3-16-156132-0 ISSN  0720-1141 / eISSN  2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­ halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu­ lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern und meinem Mann

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Wintersemester 2016/17 dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen als Dissertation vorgelegen. Die münd­ liche Prüfung fand am 25. Oktober 2016 statt. Für die Druckfassung der Arbeit konnte Literatur bis einschließlich Januar 2018 ausgewertet werden. Die Arbeit wurde mit der Otto-Hahn-Medaille 2017 der Max-Planck-Gesellschaft, dem Bremer Studienpreis 2018 des Vereins der Freunde der Universität Bremen und dem Promotionspreis des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Universität Bremen, gestiftet von der Kanzlei Büsing, Müffelmann & Theye, ausgezeichnet. Danken möchte ich zuvorderst meinem Doktorvater Prof. Dr. Gralf-Peter ­Calliess. Die Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl und am Sonderforschungsbereich 597 „Staatlichkeit im Wandel“ der Universität Bremen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft war eine große Bereicherung für mich. Ich bin sehr dankbar für die umfassende Unterstützung und Förderung meines Projektes. Herrn Prof. Stefan Vogenauer, MJur (Oxon) möchte ich für die Ermöglichung meines Forschungsaufenthaltes am Institute of European and Comparative Law der University of Oxford danken. Herrn Prof. Dr. Moritz ­Renner danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, den Herren Professoren Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard Univ.), Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan) und Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann für die Aufnahme des vorliegenden Werkes in die Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Den Herren Professoren Dr. Dres. h.c. Herbert Kronke und Dr. Andreas Maurer, LL.M. (Osgoode, Toronto) danke ich für wertvolle Anregungen und Diskussionen. Meinen Schwiegereltern möchte ich für ihre Unterstützung danken. Besonderer Dank gebührt dabei meiner Schwiegermutter, Frau Dipl. Volkswirtin Anna Jarass, für die akribische Lektüre meines Manuskripts. Danken möchte ich schließlich meinen Eltern und meinem Mann, Dr. Lorenz Jarass. Ihr Zuspruch und ihre bedingungslose Unterstützung haben wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ihnen ist diese Arbeit daher gewidmet. Frankfurt am Main, im Januar 2019

Insa Stephanie Jarass

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . 4 II. Begriffe und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Das Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Internationales Zivilverfahrensrecht und internationales Privatrecht als Lösungsstrategien staatlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Rechtssicherheit durch internationales Einheitsrecht . . . . . . . . . 41 IV. Alternative Lösungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 V. Gesamtergebnis des Ersten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke: Funktionsbedingungen und Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . . 79 I. Entwicklung und Hintergründe voranschreitender Privatisierung . . 80 II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts . . . . . . . . . . . 86 III. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

X

Inhaltsübersicht

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis . . . . 127 I. Untersuchungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Vorgehensweise und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke in der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 IV. Strategien des praktischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht . . 205

Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer 209 I. Das Interesse der privaten Regelsetzer an der Funktionsfähigkeit des eigenen Regelwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Strategien privater Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme . . . . . . . 214 IV. Auswirkungen auf die Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . 222

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik . . . . . . 227 I. Privates Einheitsrecht und Zivilrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . 228 II. Kritische Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 IV. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Übersicht über die untersuchten Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . 4 II. Begriffe und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1. Internationales Einheitsrecht und privates Einheitsrecht . . . . . 8 2. Grenzüberschreitender Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Das Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Internationales Zivilverfahrensrecht und internationales Privatrecht als Lösungsstrategien staatlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Probleme beider Lösungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten grenzüberschreitender ­Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Widrigkeiten des internationalen Privatrechts . . . . . . . . . 24 c) Überwindung der Probleme durch Parteiautonomie . . . . . . 26 aa) Grenzen der Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . 27 bb) Nationalisierung internationaler Sachverhalte . . . . . . . 30 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Auswirkungen auf die Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Entstehung erhöhter Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . 33 aa) Transaktionskostentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 bb) Ex ante-Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . 35

XII

Inhaltsverzeichnis

cc) Ex post-Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Transaktionstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Rechtssicherheit durch internationales Einheitsrecht . . . . . . . . . 41 1. Theoretische Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Vereinheitlichung des Sach- oder Kollisionsrechts . . . . . . . 42 b) Transaktionskostenreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Historische Entwicklung der staatlichen Rechtsvereinheitlichung 46 3. Probleme der staatlichen Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . 51 a) Probleme der Rechtsvereinheitlichung ex ante . . . . . . . . . 52 b) Anwendung des Einheitsrechts in der Praxis ex post . . . . . . 55 c) Neuere Entwicklungen der Rechtsvereinheitlichung . . . . . . 58 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 IV. Alternative Lösungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Wettbewerb der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Das Konzept eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen . . . . 62 b) Einheit oder Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Einheitsrecht als Hemmnis für einen Wettbewerb der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Privates Einheitsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen . . . 75 V. Gesamtergebnis des Ersten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke: Funktionsbedingungen und Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . . 79 I. Entwicklung und Hintergründe voranschreitender Privatisierung . . 80 II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts . . . . . . . . . . . 86 1. Abhängigkeit der Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts vom staatlichen Rechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Relevanz privater Vertragsdurchsetzungsmechanismen . . . . 88 b) Funktion des staatlichen Rechtssystems . . . . . . . . . . . . 91 2. Privates Einheitsrecht aus der Perspektive staatlichen Rechts . . 92 a) Abstrakte Mechanismen des Umgangs mit privaten Regelwerken 94 aa) Fehlende Gleichordnung privaten Einheitsrechts . . . . . 94 (1) Internationales Privatrecht als Rezeptionsmechanismus 95 (2) Privates Einheitsrecht als anwendbares Recht . . . . . 96 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Die Unterordnung privaten Einheitsrechts . . . . . . . . . 102

Inhaltsverzeichnis

XIII

(1) Inkorporierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (2) Deferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (3) Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Dogmatische Rezeptionsmechanismen des Umgangs mit nichtstaatlichen Rechtsregimen . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Dogmatischer Rechtsrahmen im deutschen Rechtssystem 107 (1) Vertragsklausel und Allgemeine Geschäftsbedingungen 107 (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (b) Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Handelsbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (b) Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (3) Handelsgewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 113 (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (b) Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Dogmatischer Rechtsrahmen im englischen Rechtssystem 116 (1) Contractual terms und standard terms . . . . . . . . . 116 (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (b) Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Customary law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (b) Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (3) Trade usage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (b) Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Versuch einer Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis . . . . 127 I. Untersuchungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Vorgehensweise und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke in der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Die Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Darstellung des Regelwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Dogmatische Charakterisierung der Incoterms . . . . . . . . . 137 c) Empirische Analyse der Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Spruchpraxis deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (a) Rechtsbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (b) International einheitliche Auslegung . . . . . . . . 145 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Spruchpraxis englischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (a) Rechtsbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (b) International einheitliche Auslegung . . . . . . . . 151 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Exkurs: Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs . . . 153 dd) Ergebnis: Spruchpraxis Incoterms . . . . . . . . . . . . . 156 2. Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Darstellung des Regelwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Dogmatische Charakterisierung der ERA . . . . . . . . . . . 165 c) Empirische Analyse der Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Spruchpraxis deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . 168 (1) Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (a) Rechtsbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (b) International einheitliche Auslegung . . . . . . . . 172 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Spruchpraxis englischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . 173 (1) Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 173 (2) Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (a) Rechtsbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (aa) ERA und das Verhältnis zu express terms . . . 176 (bb) Einwände gegen die Zahlungspflicht . . . . . 178 (b) International einheitliche Auslegung . . . . . . . . 182 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Ergebnis: Spruchpraxis ERA . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts 184 a) Darstellung des Regelwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Inhaltsverzeichnis

XV

aa) Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Dogmatische Charakterisierung der PICC . . . . . . . . . . . 192 c) Empirische Analyse der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Rechtsbeständigkeit und international einheitliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (2) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Ergebnis: Spruchpraxis PICC . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. Gewährleistung der Funktionsbedingungen durch staatliches Recht 204 IV. Strategien des praktischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht . . 205

Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer 209 I. Das Interesse der privaten Regelsetzer an der Funktionsfähigkeit des eigenen Regelwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Strategien privater Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme . . . . . . . 214 1. Erhöhung der Rechtsbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Einarbeitung der Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Bewusste Nicht-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Unterstützung der international einheitlichen Auslegung . . . . . 219 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 IV. Auswirkungen auf die Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . 222

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik . . . . . . 227 I. Privates Einheitsrecht und Zivilrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . 228 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Aufgaben und Funktionen der Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . 231 II. Kritische Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Tatbestand und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Weitere Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 IV. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

XVI

Inhaltsverzeichnis

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Übersicht über die untersuchten Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Zuerkennung von Autonomie / Maß an staatlicher Kontrolle 123 Tabelle 2 Incoterms – Auswertung der Spruchpraxis deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Tabelle 3 Incoterms – Auswertung der Spruchpraxis englischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Tabelle 4 ERA – Auswertung der Spruchpraxis deutscher Gerichte . . 168 Tabelle 5 ERA – Auswertung der Spruchpraxis englischer Gerichte . 174 Tabelle 6 PICC – Auswertung der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AC Law Reports Appeal Cases AcP Archiv für die civilistische Praxis ADSp Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AG Die Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäfts­ bedingungen All E.R. All England Law Reports ARSP Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Art. Artikel Aufl. Auflage AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bank LR Banking Law Report BB Betriebs-Berater BeckRs Beck-Rechtsprechung BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGE Bundesgericht Leitentscheide (Schweiz) BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Brüssel I-VO / EuGVVO Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22.Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen bzw. beziehungsweise C.L.C. Commercial Law Cases CESL Common European Sales Law CFR cost and freight / Kosten und Fracht CIF / c.i.f. cost, insurance and freight / Kosten, Versicherung und Fracht CIP carriage and insurance paid to / frachtfrei versichert CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Civ Civil divison CLC Chancery Law Chronicles CMR Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr CPT carriage paid to / frachtfrei

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Abkürzungsverzeichnis

CSOH Scotland Court of Session, Outer House (neutrale Zitierweise) DAP delivered at place / geliefert benannter Ort DAT delivered at terminal / geliefert Terminal DDP delivered duty paid / geliefert verzollt DOCDEX Documentary Credit Resolution Expertise DRiZ Deutsche Richterzeitung ebd. ebenda e. g. exempli gratia EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche endg. endgültig ERA Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-­ Akkreditive etc. et cetera EuGH Europäischer Gerichtshof EuGVVO Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWCA England and Wales Court of Appeal (neutrale Zitierweise) EWCA Civ. England and Wales Court of Appeal (Civil Division) EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWHC England and Wales High Court (neutrale Zitierweise) ex. ehemals EXW ex works / ab Werk f. folgend FactÜ UNIDROIT Übereinkommen über Internationales Factoring (Ottawa) 1988 FAS free alongside ship / frei Längsseite Schiff FCA free carrier / frei Frachtführer ff. folgende FIFA Fédération Internationale de Football Association Fn. Fußnote FOB free on board / frei an Bord GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH & Co. Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie HGB Handelsgesetzbuch Hrsg. Herausgeber HZ Historische Zeitschrift i. E. im Erscheinen ICC International Chamber of Commerce ICQL International and Comparative Law Quarterly IHR Internationales Handelsrecht Incoterms International Commercial Terms Int.Com.L.R. International Commercial Law Reports IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

Abkürzungsverzeichnis

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ISBP International Standard Banking Practice i. S. d. im Sinne des / der JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung lit. littera Lloyd’s Rep. Lloyd’s Law Report LR Eq Law Reports, Equity Cases Ltd. Limited MERCUSOR Mercado Común del Sur n. F. neue Fassung NIQB Northern Ireland, High Court, Queen’s Bench division NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Nr. / No. Nummer NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht OHADA L’Organisation pour l’Harmonisation en Afrique du Droit des Affaires OLG Oberlandesgericht ORDO Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft PICC UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts Publ. Publikation Q.B.D. Queens Bench Division RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer Rom I-Verordnung Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) Rs. Rechtssache S. Seite SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedverfahren Sec. Section UCP Uniform Custom and Practice for Documentary Credits UK United Kingdom / Vereinigtes Königreich UKHL United Kingdom House of Lords UKPC United Kingdom Privy Council UN United Nations UNCITRAL United Nations Commision on International Trade Law UNIDROIT Institut international pour l’unification du droit privé UNO United Nations Organisation USA Vereinigte Staaten von Amerika vgl. vergleiche VO Verordnung VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Vol. Volume vs. versus

XXII VVDStRl

Abkürzungsverzeichnis

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer W.L.R. Weekly Law Reports WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium WL Westlaw Transcripts WM Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift zum Wirtschafts- und Bankrecht WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht WZB Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ZaöRV Zeitschrift für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht ZERP Zentrum für Europäische Rechtspolitik ZfRSoz Zeitschrift für Rechtssoziologie ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZMR Zeitschrift für Miet- und Raumrecht ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZVertriebsR Zeitschrift für Vertriebsrecht

Einführung Das Verhältnis zwischen privat erzeugten Normen und staatlichem Recht ist seit langer Zeit Gegenstand teils emotional geführter Diskussionen.1 Kein anderes Rechtsgebiet steht dabei so im Fokus wie das internationale Wirtschaftsrecht. Dies verwundert bei einem Blick in die Rechtswirklichkeit wenig, denn nirgendwo sonst zeichnet die derzeitige Regelungsstruktur diesen Konflikt so augenscheinlich nach: Der grenzüberschreitende Handel ist durch eine Vielzahl unterschiedlicher Normarrangements geregelt, die häufig kein genuin staatliches Recht sind, sondern einen nichtstaatlichen Ursprung haben oder sich als hybride Mischformen darstellen.2 In bestimmten Branchen haben diese privaten Regelwerke teilweise eine solche Bedeutung erlangt, dass sie die Regelungen des staatlichen Rechts praktisch verdrängt haben.3 So wird heutzutage kaum eine Bank im internationalen Zahlungsverkehr ein Akkreditiv ausstellen, wenn der Vereinbarung nicht die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive der Internationalen Handelskammer (ICC) zugrunde gelegt werden.4 Auch der internationale Warenverkehr ist ohne die Klauseln der ebenfalls 1  Hierzu schon Grossmann-Doerth, Der Jurist und das autonome Recht des Welthandels, JW 1929, S.  3447, 3447 ff.; Teubner, Globale Bukowina – Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, 15 Rechtshistorisches Journal 1996, S.  255, 264, spricht insoweit von einem „Glaubenskrieg“. 2  Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  6, 50 ff., beschreibt eine Vielzahl der wichtigsten nicht legislativen Kodifikationen; Shaffer, How Business Shapes Law: A Socio-Legal Framework, 42 Connecticut Law Review 2009, S.  147, 151 ff.; Calliess/Buchmann, Global Commercial Law between Unity, Competition, and Pluralism: The Case of the CISG, 21 Uniform Law Review 2016, S.  1, 1 ff. 3  Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 74 ff.; Kötz, ­Alternativen zur legislatorischen Rechtsvereinheitlichung – Einführende Bemerkungen zum gleichnamigen Symposium Hamburg 1991, RabelsZ 56 (1992), S.  215, 216; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 633; Calliess/Renner, Rechtssicherheit ohne Staat? Eine empiriegestützte Theorie, in: Gosewinkel/Folke Schuppert (Hrsg.), Politische Kultur im Wandel von Staatlichkeit, 2007, S.  205, 213 ff. 4  Snyder, Private Lawmaking, 64 Ohio State Law Journal 2003, S.  371, 389 ff.; Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Trans­ national Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1177.

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Einführung

von der ICC herausgegebenen Incoterms aus Sicht der Praxis kaum vorstellbar.5 Das traditionelle Bild von der staatlichen Gesetzgebung als einzig legitimem Ort der Erzeugung von Normen entspricht damit – jedenfalls für den internationalen Handel – nicht der Realität.6 Die Popularität nichtstaatlicher Regeln lässt sich mit dem Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit erklären. Gerade im grenz­über­ schreitenden Raum wissen die Akteure anders als bei rein nationalen Trans­ aktionen nämlich nicht ohne Weiteres, welcher nationalen Rechtsordnung ihre Transaktion unterliegt.7 Da die Rechtsordnungen von Staat zu Staat inhaltlich divergieren, ist in der Folge für die Parteien unklar, welche Rechte und Pflichten der jeweilige Vertrag begründet und ob selbige im Zweifel mit dem staatlichen Zwangsmechanismus durchgesetzt werden können.8 Das staatliche Recht, das nach traditionellem Verständnis zur bedarfsgerechten Regelung dieser Problematik originär berufen ist, hält zunächst das interna­ tionale Privatrecht und das internationale Zivilverfahrensrecht als Lösungs­ mechanismen für die Bewältigung dieser rechtlichen Unsicherheiten bereit. Dass hierdurch eine Lösung vollumfänglich gelingt, wird jedoch bezweifelt.9 Hauptkritikpunkt ist dabei die Nationalstaatlichkeit beider Rechtsgebiete. Entgegen dem Wortsinn handelt es sich beim internationalen Zivilverfahrensrecht und beim internationalen Privatrecht nämlich gerade nicht um originär internationales, sondern um autonom nationales Recht. Dies hat zur Folge, dass in Abhängigkeit vom Gerichtsstand ein und derselbe Sachverhalt einer anderen nationalstaatlichen Rechtsordnung zugewiesen werden kann.10 Schließen beispielsweise eine deutsche und eine chinesische Partei einen Vertrag, besteht die Möglichkeit, dass 5  Cotzee, Incoterms: Development and Legal Nature – a Brief Overview, 115 Stellenbosch Law Review 2002, S.  115, 115 f. 6  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1211. 7  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  26 ff.; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 630–631. 8  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 88 ff. Siehe zum internationalen Entscheidungseinklang Freitag, Art.  3 EGBGB, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Ulrich (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar, 2016, Rn.  18 und Basedow, Lex Mercatoria und Internationales Schuldvertragsrecht – eine rechtsökonomische Skizze, in: Festschrift für Norbert Horn zum 70. Geburtstag, 2006, S.  229, 237. 9  Siehe hierzu unter vielen nur Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privat­ ­­recht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 89. 10  Rühl, Effizienzprobleme bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, in: Bork/Eger/ Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2008, S.  335, 341–344.

Einführung

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im Fall einer Klage vor einem deutschen Gericht nach deutschem internationalen Privatrecht deutsches Sachrecht Anwendung findet. Ebenso gut kann aber eine Klage vor einem chinesischen Gericht dazu führen, dass chinesische Richter im Einklang mit chinesischem internationalen Privatrecht chinesisches Sachrecht zur Anwendung bringen. Trotz der Existenz von internationalem Zivilverfahrensrecht und internationalem Privatrecht wissen die Betroffenen somit immer noch nicht zweifelsfrei, welches materielle Recht auf ihren Vertrag Anwendung findet. Damit gelingt also lediglich eine Verminderung der rechtlichen Unsicherheiten, aber wohl keine gänzliche Auflösung. Eine Vereinheitlichung des internationalen Zivilverfahrensrechts und des internationalen Privatrechts wäre theoretisch eine Lösung. Jenseits der Europäischen Union ist die Vereinheitlichung dieser Rechtsgebiete auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge jedoch nicht weit gediehen,11 wie etwa das Haager Gerichtsstandsübereinkommen von 200512 zeigt. Dieses Übereinkommen ist außer in der Europäischen Union lediglich in Mexiko, Singapur, Montenegro und Dänemark in Kraft getreten.13 Alternativ könnte sich staatliches Einheitsrecht als ein fruchtbarer Lösungsmechanismus erweisen.14 Einheitsrecht bekämpft das Problem, an dem grenzüberschreitende Transaktionen leiden, direkt an der Wurzel. Denn dort, wo es nur ein maßgebliches materielles Recht gibt, herrschen gerade nicht mehr die soeben beschriebenen rechtlichen Unsicherheiten, die durch die Rechtspluralität im grenzüberschreitenden Raum begründet sind.15 Aus diesem Grunde verwundert es auch nicht, dass die Idee der Rechtsvereinheitlichung kein neuartiges Phänomen ist, das sich erst im Zuge des Globalisierungsprozesses herausgebildet hat. Historisch betrachtet galt Rechtseinheit nämlich stets als etwas Erstrebenswertes, lediglich die Begründung für die Forderung nach Rechtseinheit ist im Laufe 11 

Siehe zu den problematischen Hintergründen in Bezug auf ein weltweites Zuständigkeitsund Vollstreckungsübereinkommen Calliess, Value-added Norms, Local Liti­gation, and Global Enforcement: Why the Brussels-Philosophy Failed in The Hague, 5 German Law Journal 2004, S.  1489. 12  Der Text des Übereinkommens ist verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.‌2017. 13  Siehe für den Status des Übereinkommens , zuletzt abgerufen am 31.08.2018. Gemäß Art.  26 Abs.  6 des Haager Gerichtsstandsübereinkommens hat die Brüssel-I-Verordnung Vorrang, sofern beide Vertragsparteien ihren Sitz in einem Vertragsstaat der Brüssel-I-Verordnung haben. Daher ist der Anwendungsbereich des Haager Gerichtsstandsübereinkommens bislang auf Gerichtsstandsvereinbarungen im Verhältnis eines EU-Mitgliedstaates zu einem anderen Vertragstaat sowie der übrigen Vertragsstaaten untereinander beschränkt. Siehe hierzu Antomo, Aufwind für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen – Inkrafttreten des Haager Übereinkommens, NJW 2015, S.  2919, 2920. 14  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  9–10. 15  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  45 f.

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Einführung

der Jahrhunderte einem Perspektivenwechsel unterlegen. Wurden im 18. Jahrhundert im Geiste der Aufklärung noch die Vernunftrechtswidrigkeit und die mangelnde Gerechtigkeit von Rechtsvielfalt betont,16 stehen heute insbesondere ökonomische Erwägungen im Vordergrund, die Rechtseinheit im grenzüberschreitenden Handel erstrebenswert erscheinen lassen.17 Die Erfolge der völkerrechtlichen Rechtsvereinheitlichung sind allerdings als eher gering einzustufen.18 Aufgrund immenser praktischer Schwierigkeiten ist trotz der nunmehr über 100 Jahre andauernden Bestrebungen weltumspannendes internationales Einheitsrecht nur fragmentarisch und punktuell vorhanden. Ein verlässlicher Rahmen für grenzüberschreitende Transaktionen besteht für die Akteure nicht.19

I. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse Vor dem Hintergrund dieser Regelungsstruktur verwundern die Beliebtheit und das Florieren dezentraler Regelsetzung kaum.20 Die Vielfalt privat geschaffener Regelwerke ist in Anwendungsbereich und Regelungsumfang immens,21 allerdings weisen sie eine wichtige Gemeinsamkeit auf. Innerhalb ihres jeweiligen Regelungskontextes können sie die Rechtseinheit schaffen, die staatliches Einheitsrecht nicht zu erzeugen vermag.22 Ohne Beachtung nationalstaatlicher 16  Voltaire bezeichnete den Zustand als „étrange barberie“, dass mit jedem Pferdewechsel an der Poststation gleichzeitig auch das Recht wechselt, zitiert nach Kötz, Rechtsvereinheit­ lichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 2. 17  Kötz, Alternativen zur legislatorischen Rechtsvereinheitlichung – Einführende Bemerkungen zum gleichnamigen Symposium Hamburg 1991, RabelsZ 56 (1992), S.  215, 216; Wool, Economic Analysis and Harmonised Modernisation of Private Law, 8 Uniform Law Review 2003, S.  389, 389 ff. 18  Calliess, The Making of Transnational Law, 14 Indiana Journal of Global Legal Studies 2007, S.  469, 474; siehe auch von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  52–66, die zunächst eine Übersicht über die internationalen Abkommen der Privatrechtsvereinheitlichung geben und sodann konstatieren, dass „keines […] zu einer weltweiten Privatrechtsvereinheitlichung auf dem jeweiligen Sachgebiet geführt hat“, ebenda, S.  60. 19  Berger, Einheitliche Rechtsstrukturen durch außergesetzliche Rechtsvereinheitlichung, JZ 1999, S.  369, 372 f. 20  Hadfield, Privatizing Commercial Law, Regulation Magazin 2001, S.  40, 45. 21  Siehe für eine Übersicht de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 61 ff.; Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 479 ff. 22  Zur Schaffung von Rechtseinheit durch „paralegales Recht“ siehe Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 226 ff.

I. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse

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Grenzen, an denen ein jedes staatliches Recht naturgemäß endet, finden private Regelwerke weltweit Anwendung und sind auf grenzüberschreitende Verträge zugeschnitten.23 Gerade durch diese Einheitlichkeit sind sie in der Lage, dem Handel auf Ebene der Rechtsregeln ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit, Kalkulierbarkeit und damit Rechtssicherheit zu bieten.24 Sind private Ordnungsmuster also darauf gerichtet, die Rechtseinheit, die konzeptionell staatliches Einheitsrecht erzeugen sollte, herzustellen, so handelt es sich um funktionale Äquivalente. Privat geschaffene Ordnungen mit dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel durch Rechtsvereinheitlichung sollen daher im Folgenden als „privates Einheitsrecht“ verstanden werden25 und bilden den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Das Vorhandensein solcher funktionaler Äquivalente zum staatlichen Einheitsrecht nimmt die Arbeit zum Anlass, die faktischen Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts zu analysieren. Die Funktionsweise privaten Einheitsrechts ist nämlich von bestimmten Voraussetzungen abhängig. So offenbart sich hier im Sinne von Teubner einer der seltenen Fälle, „in denen die Rechtspraxis direkt von der Rechtstheorie abhängt“.26 Regelwerke, die von privaten Institutio­ nen als quasi-Gesetzgeber erzeugt, von der Praxis als autoritativ beachtet und im theoretischen Diskurs sogar als Recht bezeichnet werden, stellen das staatliche Rechtssystem vor nahezu unüberbrückbare Hindernisse. Seit der Entstehung des Nationalstaates sind der Begriff und die Geltung des Rechts unmittelbar mit dem Staat verknüpft.27 Diese positivistische Selbstbeschreibung des Rechts wird im Rahmen des staatlichen Rechtsanerkennungsmonopols realisiert, indem auch nur staatliches Recht als solches anerkannt werden kann.28 Die „Armut der traditio23  Berger, The Creeping Codification of the Lex Mercatoria, 1999, S.  27 f.; Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  40 ff. 24  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 225 f. 25  Mertens und Kötz sprechen hier von nichtlegislatorischer Rechtsvereinheitlichung, vgl. Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219; Kötz, Alternativen zur legislatorischen Rechtsvereinheitlichung – Einführende Bemerkungen zum gleichnamigen Symposium Hamburg 1991, RabelsZ 56 (1992), S.  215, S.  217. 26  So formuliert Teubner, dass es sich bei der Lex Mercatoria um einen der seltenen Fälle handelt, „where legal practice directly depends on legal theory“, vgl. Teubner, Breaking Frames: Economic Globalisation and the Emergence of lex mercatoria, 45 American Journal of Comparative Law 1997, S.  149, 150. 27  Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  2; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 630 ff. 28  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1227 ff.; Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutiona-

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Einführung

nellen Rechtsquellenlehre“29 macht eine Anerkennung privater Normen auf Augenhöhe als „privates Recht“30 unmöglich.31 Dies impliziert nicht nur theoretische Kollisionen zwischen privat generierten Normen und dem staatlichen Rechtssystem,32 sondern hat zugleich gravierende praktische Folgen für die Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts. Aufgrund der fehlenden Anerkennung als Recht wird privates Einheitsrecht hierarchisch in die zur Verfügung stehenden dogmatischen Kategorien eingeordnet und unterliegt so nahezu unbegrenzt den Kontrollmechanismen des staatlichen Rechts. Die Erzeugung von Rechtseinheit durch privates Einheitsrecht scheint in der Folge mehr als zweifelhaft, wenn die Anwendung vor staatlichen Gerichten dazu führt, dass dessen Normen beispielsweise aufgrund einer AGB-Kontrolle für unwirksam erklärt werden.33 Ähnlich problematisch wäre es, wenn vor staatlichen Gerichten der originär internationale Charakter der privaten Normen verkannt wird und eine Auslegung anhand nationaler Standards stattfände.34 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, zunächst die dogmatischen Wechselwirkungen zwischen privatem Einheitsrecht und dem staatlichen Rechtssystem zu untersuchen, um dieses Gefahrenpotenzial näher aufzuschlüsseln. Die Analyse der faktischen Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts soll aber noch weiter gehen. Aus einer rechtssoziologisch inspirierten Beobachterperspektive stellt sich in der Folge die Frage, welche Auswirkungen dieser Konflikt zwischen lisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 477, 519, 523; Ossenbühl, §  28 Rechtsquellen, in: Kube/ Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Festschrift für Paul Kirchof zum 70. Geburtstag, S.  311, 318 ff.; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S.  214 f.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  76 ff. 29  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 516. 30  Siehe hierzu die Beiträge in: Bumke/Röthel (Hrsg.), Privates Recht, 2012. 31  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1227 ff. 32  Grundmann, Lex Mercatoria und Rechtsquellenlehre, in: Jickeli (Hrsg.), Europäisches Privatrecht, Unternehmensrecht, Informationspflichten im Zivilrecht, 1991, S.  43, 43 ff.; Calliess/­ Zumbansen, Rough Consensus and Running Code – A Theory of Transnational Private Law, 2010, S.  118 ff., definieren legislation als einen von vielen Governance-Mechanismen, die sowohl staatlicher, privater oder hybrider Natur sein können; Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1211; Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 516 ff. 33  Collins, Regulatory Competition in International Trade: Transnational Regulation ­Through Standard Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  121, 139. 34  Dies identifiziert de Ly als ein Problem, siehe hierzu de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 80 f.

I. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse

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staatlichen und privaten Rechtsregimen in der Praxis tatsächlich hat. In der Praxis müssen Mechanismen und Praktiken existieren, wie staatliches Recht pragmatisch mit privaten Regelwerken umgeht.35 Bestenfalls müssten privat erzeugte Regelwerke ohne Beachtung des Ursprungs in der Praxis ähnlich angewendet werden wie staatliches Recht. Reflexiv könnten die privaten Regelsetzer die Spruchpraxis und die Art und Weise der Anwendung privater Regelwerke berücksichtigen, um so die Geltungschancen des Regelwerks zu erhöhen. Dies könnte eine wechselseitige Rücksichtnahme und Beobachtung zwischen staat­ lichem Recht und privatem Einheitsrecht konstituieren, welche geeignet erscheinen, die traditionelle Dichotomie zu bewahren, aber gleichzeitig privatem Einheitsrecht zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen.36 Insgesamt unternimmt die Arbeit damit einen Versuch, zur Debatte um das Verhältnis zwischen staatlichem Recht und privat erzeugten Normen beizutragen, wobei aber eher eine funktional-rechtssoziologische als eine normativ-geltungstheoretische Perspektive eingenommen wird. Es geht darum, die bestehenden dogmatischen und staatstheoretischen Konzepte als Faktum hinzunehmen und innerhalb des geltenden Rechts nach den faktischen Wirksamkeitsbedingungen privaten Einheitsrechts zu fragen. Gleichwohl müssen sich an die Untersuchung Fragen nach den Auswirkungen einer solchen Praxis auf die Rechtsdogmatik anschließen. Denn selbst wenn sich in der Praxis informelle Mechanismen des pragmatischen Umgangs mit privaten Regelwerken herausbilden, dann wäre es originäre Aufgabe der Rechtsdogmatik, dies durch notwendige Anpassungen wieder einzufangen. Der Arbeit liegen somit folgende Thesen zugrunde:

35  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary ­Theory, 2011, S.  335, 336 ff., spricht insoweit von Inklusionsnormen; Mertens, Nichtlegisla­ torische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 224, bezeichnet diese Mechanismen als „Rezeption“; Teubner, Globale Zivilverfassungen: Alternativen zur staatszentrierten Verfassungstheorie, 63 ZaöRV 2003, S.  1, bezeichnet dies als „Selbsterzeugungsregeln des Rechts“; siehe hierzu auch Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 519 in der Fußnote 194, der insoweit von Inklusionsnormen und -mechanismen spricht und den Unterschied zwischen Inklusion und Rezeption darin sieht, dass in Mertens’ Konzept der Rezeption immer noch ein hierarchisches Verhältnis zwischen dem Staat als Rezipienten und den privat gesetzten Regeln besteht, wohingegen Inklusion auch „koordinierte und kooperative Regelbildung“ umfasst. 36  Siehe hierzu auch Wielsch, Global Law’s Toolbox: How Standards Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  71, 98.

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Einführung

1.  In der Theorie ist staatliches Einheitsrecht zwar in der Lage, durch grenzüberschreitende Rechtsvereinheitlichung die durch die Pluralität und Territorialität des Rechts begründeten Unsicherheiten für den grenzüberschreitenden Handel zu kompensieren. In der Praxis verhindern jedoch strukturelle Probleme, beispielsweise bei der Produktion und Anwendung von Einheitsrecht, den erstrebten Vereinheitlichungserfolg. 2.  Neben staatlichem Einheitsrecht existiert auch privates Einheitsrecht, welches eine Vereinheitlichungsfunktion funktional äquivalent erfüllen kann, wenn es vom staatlichen Recht so rezipiert wird, dass die Autonomie privaten Einheitsrechts und damit dessen Funktionalität weitestgehend bestehen bleibt. Die rechtsdogmatische Einhegung privater Regelwerke in das staatliche Rechtssystem beinhaltet aber ein Gefahrenpotenzial für die Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts. 3.  In der Praxis scheinen aber Mechanismen zu existieren, die es trotz dieses Gefahrenpoten­ zials ermöglichen, dass private Regelwerke ihre vereinheitlichende Funktion erfüllen können. 4.  Durch notwendige Anpassungen der Rechtsdogmatik kann die Rechtswissenschaft dazu beitragen, dass eine solche Spruchpraxis der Gerichte normativ verankert werden kann und ihr ein Rahmen zur Verfestigung und Weiterentwicklung gegeben wird. Für die Akteure erhöht sich hierdurch die Rechtssicherheit und private Regelwerke können einen verlässlichen Bestandteil der globalen Regelungsstruktur bilden.

II. Begriffe und Abgrenzung 1. Internationales Einheitsrecht und privates Einheitsrecht Grundsätzlich baut die vorliegende Arbeit auf einer Unterscheidung zwischen privatem Einheitsrecht und staatlichem Einheitsrecht auf. Allerdings verschwimmen gerade im internationalen Handel die Grenzen zwischen „staatlich“ und „privat“ wie in keinem anderen Rechtsgebiet: Staatliches Recht wird vor privaten Schiedsgerichten angewendet und fortgebildet. Private Normen werden Entscheidungsgrundlage vor staatlichen Gerichten. Eine Verschmelzung von staatlich und privat scheint die notwendige Folge zu sein und eine genaue Trennung erscheint als überaus schwierig.37 Gleichwohl liegt das Erkenntnisinteresse gerade in dieser Unterscheidung, was eine nähere Definition notwendig macht. Um eine analytische Trennschärfe zu gewährleisten, stellt die Arbeit im Folgenden für die Qualifizierung „staatlich“ und „privat“ auf den Ort der Rechtserzeugung ab. Im Ausgangspunkt liegt der Arbeit damit eine positivistische Beschreibung des Rechts zugrunde.38 Siehe generell zur diffizilen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft Rupp, §  31 Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2004, Rn.  29 ff.; siehe für eine Darstellung und Analyse dieser Verflechtungen auf dem Gebiet des Seehandelsrechts Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen See­ handelsrechts, 2012. 38  Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, S.  31 ff. 37 

II. Begriffe und Abgrenzung

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Werden die Normen durch Organe erzeugt, die unmittelbar (Nationalstaaten) oder mittelbar (internationale Organisationen) demokratisch legitimiert sind, so sind sie als staatlich zu qualifizieren. Fehlt ihnen hingegen dieses Moment der autoritativen Gesetztheit, werden sie der privaten Sphäre zugerechnet,39 selbst wenn im Nachhinein ein staatlicher Anerkennungsakt erfolgt. Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzung werden auch die Begriffe des internationalen Einheitsrechts im Gegensatz zum privaten Einheitsrecht definiert. Grundsätzlich soll dem Begriff des internationalen Einheitsrechts die traditionelle Definition von Kropholler zugrunde gelegt werden. Internationales Einheitsrecht bezeichnet damit „die Gesamtheit derjenigen privatrechtlichen Rechtssätze, die in wenigstens zwei Staaten gleichlautend gelten und ihrem Sinn und Zweck nach auch so gelten sollen“.40

Mit Gruber ist zu dieser Definition noch hinzuzufügen, dass die international einheitliche Geltung der Rechtssätze auf einer rechtlichen Bindung der beteiligten Staaten beruhen muss.41 Damit knüpft die traditionelle Doktrin den Begriff des Einheitsrechts an einen Vereinheitlichungswillen (animus unificandi)42 solcher Organe an, die die Kompetenz zur Rechtsvereinheitlichung haben. Dies sind seit dem 19. Jahrhundert Nationalstaaten als zentrale Regelsetzer oder supranationale oder internationale Organisationen.43 Internationales Einheitsrecht im klassischen Sinne ist damit grundsätzlich das Ergebnis völkerrechtlicher Bestrebungen, die das Ziel verfolgen, international einheitliche Regeln zu erzeugen.44 Privates Einheitsrecht hingegen wurde gerade nicht durch ein Organ mit hoheitlicher Kompetenz zur Rechtsvereinheitlichung erzeugt. Durch den Anknüpfungspunkt an den Ursprung der Regulierung ermöglicht die traditionelle Definition der vorliegenden Arbeit eine klare Grenzziehung zwischen staatlichen Mechanismen der Rechtsvereinheitlichung und privatem Einheitsrecht. Inhaltlich lassen sich nach dem Grad der bezweckten Vereinheitlichung zudem unterschiedliche Erscheinungsformen des Einheitsrechts ausmachen, die sowohl bei staatlichem als auch privatem Einheitsrecht auftreten können, aber 39 

Ebd., S.  34 ff. Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1. 41  Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  14, 20 ff. 42  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1; de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 59. 43  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  45. 44  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1; Gruber, Metho­ den des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  20 ff. 40 

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Einführung

nicht alle Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind. Strenges oder echtes Einheitsrecht bezeichnet zunächst einen solchen Regelungszustand, bei dem sowohl internationale als auch nationale Sachverhalte einheitlich geregelt werden.45 Im Gegensatz dazu knüpft die zweite Form des weiten oder unechten Einheitsrechts an die Tradition des römischen ius gentium oder des englischen law merchant an, indem es lediglich für internationale Sachverhalte eine einheitliche Lösung regelt und damit die Regelung nationaler Sachverhalte weiterhin dem nationalen Recht überlässt.46 Prominentes Beispiel für staatliches unechtes Einheitsrecht ist das UN-Kaufrecht, welches durch seinen Anwendungsbereich nach Art.  1 Abs.  1 UN-Kaufrecht nur auf internationale Sachverhalte Anwendung findet.47 Ein Beispiel für unechtes privates Einheitsrecht ist die neue Fassung der Incoterms 2010, die ausweislich der Kommentierung nicht mehr nur für internationale, sondern auch für nationale Transaktionen Anwendung finden können.48 In Abgrenzung zur Rechtsvereinheitlichung unterscheiden sich verwandte Mechanismen wie die Rechtsharmonisierung dadurch, dass hier nicht das Ziel verfolgt wird, Unterschiede in den Regelungen gänzlich abzuschaffen, sondern diese durch Sachrechtsangleichung nur zu reduzieren.49 Durch die Rechtsan­ gleichung treten Rechtsakte nicht an die Stelle nationaler Regelungen, sondern machen lediglich Vorgaben für deren Ausgestaltung.50 Anschaulich wird dies am Beispiel einer Richtlinie der Europäischen Union, die zwar gemäß Art.  288 Abs.  3 AEUV hinsichtlich des zu erreichenden Ziels für die adressierten Mitgliedstaaten verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt.51 Ebenso führen neuere Harmonisierungsmetho45  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  1–6; Twigg-­Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 104. 46  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  47. 47  Ein weiteres Beispiel für diesen Ansatz ist das Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999, welches nach Art.  1 des Übereinkommens eine internationale Beförderung voraussetzt. Siehe hierzu den Text des Übereinkommens auf , zuletzt abgerufen am 01.12.2017; Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 104. 48  Siehe hierzu die Einleitung der Incoterms 2010, abgedruckt bei von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  187 ff. 49  Ferrari, Einheitsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  376 ff. 50  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  47. 51  Ebd., S.  47.

II. Begriffe und Abgrenzung

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den, wie Modellgesetze oder legislative guides,52 nicht zu einer verbindlichen Rechtsvereinheitlichung, sondern dienen nur als Richtlinien und Vorlagen für nationale Gesetzgebung. Modellgesetze sind oftmals das Ergebnis von Expertengruppen,53 die von den Nationalstaaten nicht deshalb umgesetzt werden, weil sie verbindlich sind, sondern weil sie inhaltlich überzeugende Lösungen bereitstellen (persuasive authority).54 Im Ergebnis führen Modellgesetze aber ebenfalls nicht zu einheitlichen Lösungen, sondern nur zu einer Angleichung, die aber nicht einmal zwingend den obigen Mindeststandard gewährleisten muss. Da die vorliegende Arbeit darauf abzielt, zu analysieren, inwieweit staatliche Regelungsmechanismen in der Lage sind, Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel herzustellen, wird die bloße Rechtsangleichung oder Rechtsharmonisierung nicht weiter untersucht. Durch diesen staatlichen Regelungsmechanismus werden keine durchgängig einheitlichen Regeln bereitgestellt und die Akteure des grenzüberschreitenden Handels werden nicht in die Lage versetzt, ohne Rekurs auf die kollisionsrechtliche Problematik ex ante Klarheit über die jeweiligen Regelungen zu erlangen, da diese national divergieren können.55 Für die Erzeugung von Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel ist die Rechtsharmonisierung damit nicht ausreichend. Zu diesem Zweck ist es auch nicht erforderlich, echtes Einheitsrecht zu erzeugen. Die Schaffung von unechtem Einheitsrecht ist ausreichend, da so global einheitliche Regeln gerade für den grenzüberschreitenden Kontext bereitgestellt werden und innerhalb des Anwendungsbereichs über das anwendbare Recht Klarheit herrscht.

52 Siehe als Beispiele den UNCITRAL Legislative Guide on Secured Transactions aus 2010, , zuletzt abgerufen am 01.12.2017, sowie den UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law, erster Teil aus 2004, , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. Beide Guides sollen ihrem Zweck nach als Vorbild für nationale Gesetzgeber dienen, wenn sie neue Regulierungen in den je­ weiligen Rechtsgebieten vornehmen, bieten aber anders als Modellgesetze unterschiedliche Lösungen an, welche dann gegeneinander abgewogen werden können. Vgl. UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law Part I and II, S.  2 ff., sowie UNCITRAL, Legislative Guide on Secured Transactions, S.  1 ff. 53  Blaurock, The Law of Transnational Commerce, in: Ferrari (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  9, 15. 54  Siehe hierzu am Beispiel von nichtlegislativen Kodifikationen Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  81 ff. 55  So belassen Richtlinien auf europäischer Ebene den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum für die Umsetzung der Regeln, sodass sich die Regeln im Ergebnis lediglich angleichen. Die Praxis neigt hier jedoch dazu, die Regeln so konkret zu fassen, dass der Spielraum sehr gering ist. Damit nähert sich das Ergebnis wieder dem Konzept der Rechtsvereinheit­ lichung. Siehe hierzu Herdegen, Europarecht, 2017, §  8 Rn.  45 f.

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Einführung

Im Ergebnis legt die Arbeit damit dem Begriff des internationalen Einheitsrechts das traditionelle Verständnis internationalen Einheitsrechts als das Ergebnis völkerrechtlicher Rechtsvereinheitlichung zugrunde. Als privates Einheitsrecht werden privat geschaffene Ordnungen mit dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel durch Rechtsvereinheitlichung bezeichnet. Inhaltlich kann es sich sowohl bei staatlichem als auch bei privatem Einheitsrecht sowohl um echtes als auch um unechtes Einheitsrecht handeln.

2. Grenzüberschreitender Handel Gegenstand der Untersuchung sind solche privatrechtlichen Vorschriften, die grenzüberschreitende Handelstätigkeit regeln. Inhaltlich geht es damit um die Vielzahl an Vorschriften, die den Austausch und die Vermarktung von Waren und Diensten zwischen Wirtschaftspartnern betreffen, wobei im Zuge des Austausches Staatsgrenzen überschritten werden. Obwohl im traditionellen deutschen Verständnis unter „Handelsrecht“ ein Sonderrecht für bestimmte am Geschäftsverkehr teilnehmende Personen oder spezifische Geschäfte und Tätigkeiten verstanden wird, es sich also gerade durch die Art des Geschäfts oder die Eigenschaft der handelnden Person von anderen Rechts­ gebieten abgrenzt, sollen nicht nur solche Sondergesetze den Untersuchungs­ gegenstand bilden.56 Vielmehr geht es der Arbeit gerade darum, den rechtlichen Rahmen für grenzüberschreitende Transaktionen zu analysieren, welcher auch durch die allgemeinen privatrechtlichen Rechtssätze inklusive des interna­tionalen Privatrechts und des internationalen Zivilverfahrensrechts bestimmt wird. Nicht betrachtet werden hingegen spezifische Rechtsregeln für Transaktionen mit Verbrauchern.

III. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in fünf Kapitel. Im Ersten Kapitel wird der ersten These nachgegangen. Hierzu wird zunächst die rechtliche Problematik grenzüberschreitender Transaktion vertieft hergeleitet, um im Anschluss staatliches Einheitsrecht als tauglichen Lösungsmechanismus zu untersuchen. Aufgrund struktureller Probleme einerseits und darüber hinausgehender normativer Erwägungen andererseits ist es mehr als fraglich, ob Einheitsrecht den angestrebten 56  Hopt, Handelsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  805.

III. Gang der Untersuchung

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Vereinheitlichungserfolg zu erzeugen vermag und ob es dies darüber hinaus vielleicht auch nicht sollte. Anschließend werden im Zweiten Kapitel privat geschaffene Ordnungen mit dem Ziel der Schaffung von Rechtseinheit als alternativer Lösungsmechanismus untersucht. Es zeigen sich insbesondere aus der Perspektive eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen komparative Vorteile privater Regulierungen, die aber im Falle der Anwendung vor staatlichen Gerichten durch die dogmatische Einhegung privater Regelwerke in ihrer Zweckerreichung gefährdet sind. Vor diesem Hintergrund fragt sich, welche Auswirkungen die dogmatische Konzeptualisierung in der Praxis auf die Funktionsfähigkeit privater Regelwerke hat. Im Dritten Kapitel werden daher drei verschiedene private Regelwerke im Hinblick auf die Art und Weise der Anwendung im deutschen und englischen Rechtssystem empirisch untersucht. Diese Analyse soll dann im Ergebnis in einer Kategorisierung des praktischen Umgangs staatlichen Rechts mit privaten Regelwerken münden. Reflexiv wird dann im Vierten Kapitel der Frage nachgegangen, ob die privaten Regelsetzer ihrerseits versuchen, die Funktionalität privaten Einheitsrechts positiv zu beeinflussen, indem sie die Rationalitäten staatlichen Rechts bei der Setzung ihrer Regeln einkalkulieren. Eine solche Berücksichtigung durch die privaten Regelsetzer könnte in praktischer Hinsicht die Funktionsfähigkeit des Regelwerks weiter stärken. Gleichwohl können solche informellen Methoden nicht vollumfänglich überzeugen. Gerade aus Sicht der Akteure bedarf es einer transparenten und vorhersehbaren Anwendung der privaten Regelwerke, wenn sie eine verlässliche Alternative zu staatlichen Regulierungen bieten sollen. Damit richtet sich im Fünften Kapitel das Augenmerk auf die Rechtsdogmatik. Hier könnten Anpassungen notwendig sein, um Rechtspraxis und Rechtsdogmatik wieder in Einklang zu bringen. Um es mit den Worten Pounds zu sagen: „It is the work of lawyers to make the law in action conform to the law in books […] by making the law in the books such that the law in action can conform to it“57 – und nicht umgekehrt.58

Pound, Law in Books and Law in Action, 44 American Law Review 1910, S.  12, 36. Siehe für diesen Zusatz Calliess, Zur Rolle der Rechtsvergleichung im Kontext des Wettbewerbs der Rechtsordnungen, in: Zimmermann (Hrsg.), Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung, S.  167, 169. 57  58 

Erstes Kapitel

Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen I. Das Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit Funktionsfähiger Handel, vorliegend definiert als die Vermarktung von Waren und Dienstleistungen, ist von der Erfüllung diverser Grundvoraussetzungen abhängig.1 An das Rechtssystem wird dabei insbesondere die Forderung gestellt, dass es das Bedürfnis des Handels nach Rechtssicherheit befriedigen muss.2 Von der juristischen Terminologie übersetzt in die ökonomische bedeutet dies, dass das Recht sowohl Besitz- als auch Transaktionssicherheit zu gewährleisten hat.3 In diesem Sinne muss das Recht zum einen Besitz- und Handlungsrechte wie Eigentum und Vertragsfreiheit definieren und vor Eingriffen schützen.4 Zum anderen müssen aber auch Institutionen zur Verfügung stehen, die dafür sorgen, dass die Verträge der Akteure zur Übertragung ebendieser Verfügungsrechte (property rights)5 durchsetzbar sind.6 Die Notwendigkeit der Absicherung ergibt 1  Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/­ Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 143. 2  So schon Smith, Der Wohlstand der Nationen – eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, 1789. 3  Basedow, Lex Mercatoria und Internationales Schuldvertragsrecht – eine rechtsökonomische Skizze, in: Festschrift für Norbert Horn zum 70. Geburtstag, 2006, S.  229, 237; Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, ­RabelsZ 59 (1995), S.  56, 69. 4  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 69; Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 716. 5  North, Institutions, 5 Journal of Economic Perspectives 1991, S.  97, 97 ff. 6  Siehe zu den Anforderungen an das Recht aus Perspektive der ökonomischen Analyse des Rechts Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip: Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 2015, S.  63 ff.; Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa,

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

sich aus dem Umstand, dass Transaktionen in den wenigsten aller Fälle sofort abgewickelt werden. Oftmals muss eine Partei in Vorleistung treten und trägt somit das Risiko, dass die andere Partei schlimmstenfalls überhaupt nicht leistet.7 Wie kann man sich also heute sicher sein, dass sich die andere Partei morgen nicht vertragswidrig verhält und man schließlich mit leeren Händen dasteht? An dieser Stelle übernimmt nun traditionell das Rechtssystem die Funktion, die Erwartungen der Parteien zu stabilisieren und abzusichern, indem es dafür sorgt, dass die Ansprüche der enttäuschten Partei durchgesetzt werden.8 Eine von den Parteien „einheitlich anerkannte und perfekt erzwungene Privatrechtsordnung“9 ist damit Grundvoraussetzung für die effiziente Übertragung von Verfügungsrechten.10 Für rein binnenwirtschaftliche Transaktionen ist eine solche durch die jeweilige nationale Privatrechtsordnung, gepaart mit dem staatlichen Gewaltmonopol, zumeist unproblematisch gewährleistet:11 Durch das nationalstaatliche Privatrecht werden zunächst die inhaltlichen Regeln bereitgestellt, die den Rahmen für die Handelstätigkeit bilden. Für Streitigkeiten steht den Akteuren dann der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten offen und die ergangenen Urteile können letztlich durch den staatlichen Zwangsapparat vollstreckt werden.12 Sollte sich also eine Vertragspartei vertragswidrig verhalten, sorgt das Rechtssystem für die Durchsetzung der Ansprüche und erlaubt durch diesen Mechanismus auch den Handel zwischen anonymen Parteien. Wäre dies nicht der Fall, wäre der Handel mitunter erheblich erschwert.13 Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 143; Hadfield, The Many Legal Institutions that Support Contractual Commitments, in: Menard/Shirley (Hrsg.), Handbook of New Institutional Genomics, 2004, S.  175, 178 f.; siehe hierzu auch Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 69. 7  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  29 ff. 8  Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1997, S.  124 ff.; Calliess/Renner, Rechtssicherheit ohne Staat? Eine empiriegestützte Theorie, in: Gosewinkel/Folke Schuppert (Hrsg.), Politische Kultur im Wandel von Staatlichkeit, 2007, S.  205, 217; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, S.  427 ff. 9  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 69. 10  Ebd., S.  69. 11  Ebd., S.  69 ff. 12  Streit/Mangels, Privatautonomes Recht und grenzüberschreitende Transaktionen, ORDO 1996, S.  73, 75. 13  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  36 ff.

I. Das Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit

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Diese Situation ändert sich jedoch grundlegend, sobald die Staatsgrenzen überschritten werden. Aus rechtlicher Perspektive stellen sich in der Folge spezifische Probleme, die für die Akteure zu einem immensen Anstieg von Rechts­ unsicherheit führen.14 Die Theorie der Einheit von Recht und Staat, welche sich in der goldenen Ära des Nationalstaates und des Positivismus durchgesetzt hat, gelangt aufgrund ihrer nationalen Ausrichtung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht nur wörtlich an ihre Grenzen.15 Das Gewaltmonopol eines jeden Staates endet an seinen territorialen Grenzen, und damit auch die Fähigkeit, verbindlich Recht zu setzen, Recht zu sprechen und Recht durchzusetzen.16 Über den Staaten thront auch kein Weltstaat mit staatsübergreifendem Gewaltmonopol, der äquivalent auf übergeordneter globaler Ebene diese Staatsfunktionen erfüllen könnte.17 Im grenzüberschreitenden Raum existiert damit dem Grunde nach ein Zustand der Rechtspluralität:18 Die unterschiedlichen Privat- und Prozessrechtsordnungen der Nationalstaaten stehen auf internationaler Ebene aufgrund des völkerrechtlich verbürgten Grundsatzes der „souveränen Gleichheit“19 gleichberechtigt nebeneinander. Inhaltlich weichen die verschiedenen Rechtsordnungen teilweise erheblich voneinander ab.20 Dies hat zur Folge, dass für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels, der definitionsgemäß Berührungspunkte zu mindestens zwei unterschiedlichen Rechtsordnungen aufweist, im Falle einer Streitigkeit oftmals nicht klar ist, welches Staates Gerichte zuständig Calliess, The Making of Transnational Law, 14 Indiana Journal of Global Legal Studies 2007, S.  469, 472. 15  Siehe zum Ursprung des Territorialitätsprinzips, welches das Personalprinzip im Mittelalter ablöste: von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  475 ff. 16  Siehe hierzu Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/ Leibfried/Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 145; ­Randelz­hofer, §  17 Staatsgewalt und Souveränität, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2004, Rn.  28, 39 f.; Di Fabio, §  27 Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2004, Rn.  3. 17  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 64, 71. 18  Siehe zur Debatte des Rechtspluralismus Michaels, Global Legal Pluralism, 5 Annual Review of Law & Social Science 2009, S.  243; siehe auch Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  29 f.; Basedow, The Law of Open Societies – Private Ordering and Public Regulation of ­International Relations, 2013, S.  40 ff. sowie die umfassende Darstellung bei Gailhofer, Rechts­ pluralismus und Rechtsgeltung, 2016, S.  24 ff. 19  Randelzhofer, §  17 Staatsgewalt und Souveränität, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2004, Rn.  25. 20  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 70. 14 

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

sind, welches nationale Handelsrecht auf den Vertrag Anwendung findet und schließlich, ob ein Urteil auch in einem anderen Staat anerkannt und vollstreckt wird.21 Im Gegensatz zum Handel auf nationalen Binnenmärkten impliziert grenzüberschreitende Handelstätigkeit also einen immensen Anstieg von Rechtsunsicherheit für die Akteure,22 ein Zustand, der in einem grundsätzlichen Widerspruch zum oben skizzierten Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit steht.23 Diese sogenannte „konstitutionelle Unsicherheit“24 bedeutet aus ökonomischer Sicht für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels hohe Kosten.25 Denn um der Rechtsunsicherheit entgegenzuwirken, müssen die Parteien erhebliche Transaktionskosten in Form von Informationskosten26 aufwenden, um zu ermitteln, welche Rechtsordnung überhaupt und in welcher Art und Weise anzuwenden ist.27 Diese steigen naturgemäß mit wachsender Komplexität des Sachverhaltes, also mit der Anzahl der betroffenen unbekannten Rechtsordnungen, fremden Sprachen oder unterschiedlichen Rechtstraditionen. Schlimmstenfalls kann dies dazu führen, dass ein Vertrag überhaupt nicht geschlossen wird, wenn Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/ Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 144; Calliess, The Making of Transnational Law, 14 Indiana Journal of Global Legal Studies 2007, S.  469, 472; Fentiman, Theory and Practice in International Commercial Litigation, 2 International Journal of Procedural Law 2012, S.  235, 236; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  29 ff. 22  Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/­ Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 146 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  29 ff., 144. 23  Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/­ Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 144; Schmidt-Trenz, Außen­ handel und Territorialität des Rechts – Grundlegung einer Neuen Institutionenökonomik des Außenhandels, 1990, S.  232 f.; siehe hierzu auch Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 71. 24  Schmidt-Trenz, Außenhandel und Territorialität des Rechts – Grundlegung einer Neuen Institutionenökonomik des Außenhandels, 1990, S.  232 ff.; Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 71; Schmidtchen/Schmidt-Trenz, Neue Institutionenökonomik Internationaler Transaktionen, WiSt 2003, S.  215, 217 ff. 25  Basedow, Lex Mercatoria und Internationales Schuldvertragsrecht – eine rechtsökonomische Skizze, in: Festschrift für Norbert Horn zum 70. Geburtstag, 2006, S.  229, 237. 26  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2010, S.  59 ff. 27  Ebd., S.  59 ff.; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 631. 21 

II. IZVR und IPR als Lösungsstrategien staatlichen Rechts

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nämlich die Kosten den Nutzen der Transaktion selbst übersteigen.28 Aus diesem Grund wird die Rechtspluralität im Privatrecht auch als „dysfunktionale Handelsschranke“ bezeichnet.29

II. Internationales Zivilverfahrensrecht und internationales Privatrecht als Lösungsstrategien staatlichen Rechts Das staatliche Recht belässt es nicht bei der Rechtsunsicherheit, die durch die Pluralität des Rechts im internationalen Raum begründet ist. Die traditionelle juristische Antwort ist seit jeher das internationale Privatrecht, genauer gesagt das internationale Privatrecht (IPR) und das internationale Zivilverfahrensrecht (IZVR),30 deren gedankliche Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.31 Das internationale Zivilverfahrensrecht stellt zunächst die prozessualen Regeln für auslandsbezogene Sachverhalte bereit und regelt damit insbesondere die Fragen der internationalen Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile.32 Das internationale Privatrecht hingegen legt fest, 28  Hadfield, The Many Legal Institutions that Support Contractual Commitments, in: Menard/­ Shirley (Hrsg.), Handbook of New Institutional Genomics, 2004, S.  175, 193 f.; Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1149; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip: Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 2015, S.  64; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  37 ff. 29  Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  37, zitiert einen Vortrag von Ernst Kramer auf der UNIDROIT Konferenz in Basel 1997. Der Vortrag wurde später veröffentlicht als Kramer, Contractual Validity according to the UNIDROIT Principles, 1 European Journal of Law Reform 1998/1999, S.  269, wobei sich das Zitat dort nicht findet. 30  Zur Geschichte des Internationalen Privatrechts siehe von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  472 ff.; Rauscher, Internationales Privatrecht mit internationalem Verfahrensrecht, 2017, Rn.  18 ff. 31  Die Rezeption des Römischen Rechts, welche an den Universitäten Oberitaliens (Bologna und Pavia) ihren Ursprung nahm, erzeugte bald Konflikte zwischen lokalen örtlichen Gewohnheiten (statuta) und dem römischen Recht. Die Praxis stand bald vor der Problematik, welches Recht nun im konkreten Sachverhalt Anwendung finden sollte. Die Schule der Glossatoren um Azo und Accursius und daran anschließend die Schule der Kommentatoren nahm sich dieser Problematik erstmals in wissenschaftlicher Form an und formulierte im Laufe der Zeit allmählich den Gedanken der Anwendung fremden Rechts. Die Statutentheorie, welche den Ursprung des internationalen Privatrechts darstellt, wird heute hauptsächlich mit dem Werk von Bartolus verknüpft, der die Ideen seiner Vorgänger weiter vorantrieb. Siehe hierzu von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  478 ff. 32  Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2016, S.  1 ff.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  1; Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2015, S.  4 f.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

welches materielle Recht auf einen Vertrag Anwendung findet, wenn der zu beurteilende Fall Berührung zu mehreren nationalstaatlichen Rechtsordnungen aufweist.33 Damit obliegt also dem Kollisionsrecht die grundsätzliche Aufgabe, die Pluralität des Rechts zu koordinieren und so die hierdurch begründeten Rechtsunsicherheiten aufzulösen.34 In der Kombination sollen beide Instrumente dann den Regelungszustand herstellen, der für grenzüberschreitende Transaktionen wünschenswert wäre und der die spezifische grenzüberschreitende Problematik auflösen würde, nämlich internationalen Entscheidungseinklang.35 Dieses Regelungsziel wird heute als Hauptzweck des gesamten Rechtsgebiets proklamiert36 und wurde bereits 1849 von Savigny formuliert. So sollen „Rechtsverhältnisse[,] in […] Fällen einer Kollision der Gesetze, dieselbe Beurteilung zu erwarten haben, ohne Unterschied, ob in diesem oder jenem Staate das Urteil gesprochen werde“.37

Ein Vertrag soll also stets die gleichen Rechte und Pflichten begründen, unabhängig von der Frage, welches nationale Gericht für die Durchsetzung des Vertrags zuständig ist.38 Grundvoraussetzung hierfür ist, dass jedes der in Betracht kommenden nationalen Gerichte stets ein und dasselbe Sachrecht auf einen Vertrag anwendet.39 Sofern in diesem Sinne also jedes nationale Gericht im Ergebnis zur Anwendung desselben Rechts käme, wären die rechtlichen Unsicherheiten, die gerade aufgrund der Internationalität der Transaktion entstehen, bewältigt, denn überall auf der Welt würde ein grenzüberschreitender Sachverhalt gleich beurteilt werden. Für die Akteure würde es folglich aus rechtlicher Perspektive keinen Unterschied mehr machen, ob sie Handel auf dem Binnenmarkt treiben oder ob eine Transaktion Staatsgrenzen überschreitet.40 Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2006, S.  1 ff.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  1 ff.; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2016, S.  4 ff. 34  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  39. 35  Rauscher, Internationales Privatrecht mit internationalem Verfahrensrecht, 2017, Rn.  55 ff.; siehe hierzu auch schon Siehr, Ökonomische Analyse des Internationalen Privatrechts, in: Festschrift für Karl Firsching zum 70. Geburtstag, 1985, S.  267, 278 ff. 36  Rauscher, Internationales Privatrecht mit internationalem Verfahrensrecht, 2017, Rn.  55 ff.; siehe hierzu auch Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang im Europäischen Kollisionsrecht, 2016, S.  7 ff., 11 ff.; siehe zum Konzept der Entscheidungsharmonie Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  28 ff., 29 f. 37  Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Achter Band, 1849, §  348, S.  27. 38  Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Introduction Rn.  14; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang im Europäischen Kollisionsrecht, 2016, S.  7 ff. 39  Basedow, Lex Mercatoria und Internationales Schuldvertragsrecht – eine rechtsökonomische Skizze, in: Festschrift für Norbert Horn zum 70. Geburtstag, 2006, S.  229, 234 ff. 40  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautono33 

II. IZVR und IPR als Lösungsstrategien staatlichen Rechts

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1. Probleme beider Lösungsstrategien Dass es dem internationalen Zivilverfahrensrecht und dem internationalen Privatrecht aber gelingt, internationalen Entscheidungseinklang zu erzeugen, ist mehr als zweifelhaft. Nicht nur Ökonomen messen den beiden Regelungsmate­ rien eine stark begrenzte Tauglichkeit in dieser Hinsicht bei.41 Auch Juristen üben Grundsatzkritik.42 Ursächlich hierfür sind die Eigenheiten beider Rechts­ gebiete, die internationalen Entscheidungseinklang als Regelungsziel mehr als fernliegend erscheinen lassen und es darüber hinaus den Parteien nahezu unmöglich machen, Klarheit über das anwendbare Recht zu erlangen. Beiden Rechtsgebieten haftet zunächst das Grundproblem an, dass sie entgegen ihrer Bezeichnungen gerade kein internationales, sondern autonom nationalstaatliches Recht sind.43 Insbesondere, wenn keine Rechts- oder Gerichtsstandswahl getroffen wurde, bereitet dieser Umstand erhebliche Schwierigkeiten. a) Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten grenzüberschreitender Transaktionen In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist problematisch, dass sowohl die Frage der Zuständigkeit als auch die Frage der Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines ausländischen Urteils von Staat zu Staat unterschiedlich geregelt sind. Die zur Entscheidung berufenen Gerichte wenden also stets ihr nationalstaatliches Prozessrecht, die lex fori, an.44 Zwar ist innerhalb der Europäischen Union durch die Verordnung Nr.  44/2001 (Brüssel I-Verordnung) beziehungsweise durch deren Nachfolgerverordnung Nr.  1215/2012 (Brüssel Ibis oder Ia) die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit in me Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 76; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang im Europäischen Kollisionsrecht, 2016, S.  19 f. 41  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 89; Schmidtchen/Schmidt-Trenz, Neue Institutionenökonomik Internationaler Transaktionen, WiSt 2003, S.  215, 217 ff. 42  Siehe hierzu schon Langen, Vom Internationalen Privatrecht zum Transnationalen Handelsrecht, NJW 1969, S.  358, 358; Juenger, The Lex Mercatoria and Private International Law, 60 Louisiana Law Review 2000, S.  1133, 1136 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 2004, S.  112; Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  9–24; Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  20 ff. 43  Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2016, S.  4 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  5; Calliess, The Making of Transnational Law, 14 Indiana Journal of Global Legal Studies 2007, S.  469, 473 ff. 44  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  399; Geimer, Interna­ tionales Zivilprozessrecht, 2015, S.  7, 179 ff.

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Zivil- und Handelssachen vereinheitlicht. Verlässt man jedoch die europäischen Grenzen, fehlt es an einer solchen Vereinheitlichung. Bemühungen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, auf globaler Ebene Teilfragen auf ­diesem Gebiet durch völkerrechtliche Verträge zu harmonisieren, sind bislang wenig erfolgreich.45 Die von Staat zu Staat verschiedenen Zuständigkeitsregelungen jenseits der Europäischen Union haben zur Folge, dass je nachdem, wo eine Vertragspartei Klage erhebt, derselbe Sachverhalt einer unterschiedlichen materiellen Rechtsordnung unterliegen kann. Ursächlich hierfür ist, dass sich das anwendbare internationale Privatrecht in Abhängigkeit vom Gerichtsstand bestimmt, und damit letztlich auch das anwendbare Recht.46 In der Praxis hat dies zum bekannten Effekt des forum shopping geführt,47 bei dem der Kläger diesen Umstand missbräuchlich ausnutzt.48 Aufgrund der unterschiedlichen nebeneinanderstehenden Zuständigkeiten kann der Kläger die Entscheidung, vor einem bestimmten Gericht Klage zu erheben, gerade in Abhängigkeit vom jeweiligen Kollisionsrecht treffen und so indirekt das anwendbare Recht wählen. Solange sich nämlich das 45 Die

Haager Konferenz für Internationales Privatrecht hat nach dem Fehlschlag eines weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommens ein Übereinkommen für ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen entworfen. Dieses Übereinkommen regelt neben Fragen der Wirksamkeit und Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen unter anderem auch die Fragen der Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils, welches ein so zuständiges Gericht gefällt hat. Die Haager Konvention wurde am 30. Juni 2005 auf einer diplomatischen Konferenz beschlossen und trat am 1. Oktober 2015 in Kraft. Vertragsstaaten sind jedoch lediglich die Europäische Union, Mexiko, Singapur, Montenegro und Dänemark. Siehe für den Stand der Ratifikationen , zuletzt abgerufen am 31.08.2018; vgl. Magnus, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), European Commentaries on Private International Law – Brussels Ibis Regulation, 2016, Art.  25 Brussels Ibis Rn.  10; siehe für eine ausführliche Darstellung der Ursachen des Fehlschlags eines weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommens Calliess, Value-added Norms, Local Litigation, and Global Enforcement: Why the Brussels-Philosophy Failed in The Hague, 5 German Law Journal 2004, S.  1489; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  104. 46  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  37, 717 f.; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  41. 47  Ferrari, Forum Shopping Despite International Uniform Contract Conventions, 51 International and Comparative Law Quarterly 2002, S.  689, 689 ff.; Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 119 ff.; Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Introduction Rn.  12; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  444 ff.; Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  249 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht mit internationalem Insolvenz- und Schiedsverfahrensrecht, 2017, S.  97 ff. 48  Siehe für legitime Fälle des forum shopping Ferrari, Forum Shopping: A Plea for a ­Broad and Value-Neutral Definition, in: Festschrift für Ulrich Magnus zum 70. Geburtstag, 2014, S.  385, 386 ff.

II. IZVR und IPR als Lösungsstrategien staatlichen Rechts

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internationale Privatrecht von Staat zu Staat unterscheidet, kann aufgrund unterschiedlicher inhaltlicher Ausgestaltung unterschiedliches Sachrecht zur Anwendung berufen werden.49 So kann Forum A nach seinem internationalen Privatrecht zu dem Ergebnis kommen, dass das eigene Recht anzuwenden ist, Forum B könnte nach seinem internationalen Privatrecht das Recht von X anwenden und Forum C wendet nach seinem internationalen Privatrecht das Recht von Y an.50 Durch das Fehlen internationalen Entscheidungseinklangs wird also unmittelbar ein law shopping durch forum shopping ermöglicht.51 Hierdurch kann der Kläger den institutionellen Rahmen des Vertrags einseitig zu seinen Gunsten nach Abschluss des Vertrags verändern,52 was die Beklagten strukturell benachteiligt und die Chancengleichheit der Parteien mindert.53 Dieser Effekt veranschaulicht in aller Deutlichkeit, dass eine einheitliche Beurteilung eines Vertrags unabhängig vom Forum nicht gewährleistet ist. Erschwe­rend kommt aus Sicht der Parteien hinzu, dass es durch diese Regelungsstruktur kaum möglich ist, sich ex ante, also bei beziehungsweise vor Vertragsschluss, Klarheit über das anwendbare Recht zu verschaffen. Mangels einheitlicher Zuständigkeitsregelung steht der Gerichtsstand vor Erhebung der Klage gerade nicht fest.54 Aber selbst innerhalb des vereinheitlichten europäischen Regimes ist es ex ante nur schwer möglich, das zuständige Gericht zu ermitteln. Beispielsweise ist gemäß Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-Verordnung der Wohnsitz des Beklagten der Allgemeine Gerichtsstand.55 Wer aber später Kläger und wer Beklagter ist, hängt stets vom Zufall ab. Sofern keine ausschließliche Zuständigkeit gemäß Art.  24 (aufgrund besonderen Interesses eines Mitgliedstaates), Art.  26 (aufgrund EinGeimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  445. Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 121. 51  Siehe für die Veranschaulichung und das Zitat Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 120; siehe zudem Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  445; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang im Europäischen Kollisionsrecht, 2016, S.  21 f. 52 Siehe Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 119 ff.; Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Introduction Rn.  13. 53  Kropholler, Das Unbehagen am Forum Shopping, in: Festschrift für Karl Firsching zum 70. Geburtstag, 1985, S.  165, 165 ff. 54  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  41; siehe für eine Kritik des Europäischen Zuständigkeitssystems auch Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1997. 55  Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2015, S.  89 ff. 49  50 

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lassung) oder Art.  25 (aufgrund ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung) greift, existieren neben dem Allgemeinen Gerichtsstand noch besondere Zuständigkeiten gemäß Art.  7 ff. Brüssel Ia, die grundsätzlich nicht hierarchisch nebeneinanderstehen. Aus Parteisicht gestaltet sich hierdurch das Bild noch komplexer und ermöglicht nicht zuletzt erneut ein forum shopping.56 Die divergierenden nationalstaatlichen Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile haben schließlich zur Folge, dass man sich nicht sicher sein kann, ob ein im Inland ergangenes Urteil im Ausland auch Rechtskraft erzeugt oder ob die Gefahr eines neuen Rechtsstreits im Ausland besteht. Damit ist es fraglich, ob die Rechtsfolgen eines Urteils auch tatsächlich eintreten und ein einmal erlangter Titel auch im Ausland vollstreckt werden kann.57 b) Widrigkeiten des internationalen Privatrechts Das internationale Privatrecht könnte die Problematik des internationalen Zivilverfahrensrechts im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit insbesondere im europäischen Kontext noch auflösen. Die national divergierenden Zuständigkeitsregeln wären nämlich dann kein Problem, wenn zumindest die Frage des internationalen Privatrechts, welches materielle Recht auf einen Vertrag Anwendung findet, überall identisch beantwortet werden würde. Aber auch dies ist global nicht gewährleistet, da ebenso wie das internationale Zivilverfahrensrecht auch das internationale Privatrecht nationalstaatliches Recht ist. Es gibt somit nicht ein einziges global geltendes internationales Privatrecht, sondern jenseits der Europäischen Union, in der das internationale Privatrecht teilweise durch Rechtsverordnungen vereinheitlicht wurde,58 hat Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2016, S.  51 f. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  28, 37, 39 f. 58  Das Kollisionsrecht wurde in der Europäischen Union für Teilbereiche durch Verordnungen vereinheitlicht. Bislang sind die Verordnungen (EG) Nr.  593/2008 (Rom I-Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht), Verordnung (EG) Nr.  864/­ 2007 (Rom II-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) und die Verordnung (EG) Nr.  1259/2010 (Rom III-Verordnung über das auf Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht) in Kraft getreten. Die Bezeichnungen „Brüssel“ für Vereinheitlichungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Inter­ nationalen Zivilverfahrensrechts und die äquivalente Bezeichnung „Rom“ für Maßnahmen auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts gehen auf die Orte zurück, wo die ersten Instrumente unterzeichnet wurden, die damals noch völkerrechtlicher Natur waren. Am 27. September 1968 wurde das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von den sechs EWG-­ Staaten, also den sechs Gründungsmitgliedern der Europäischen Union, in Brüssel unterzeichnet. Am 19. Juni 1980 wurde das Römische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in Rom beschlossen. Siehe hierzu Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Introduction Rn.  1. 56  57 

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jeder Nationalstaat sein eigenes Kollisionsrecht.59 Naturgemäß divergieren auch hier von Kollisionsrecht zu Kollisionsrecht die Regelungsinhalte. Trotz der Existenz des internationalen Privatrechts bleibt es dementsprechend bei dem pro­ blematischen Ergebnis, dass auf denselben Sachverhalt in Abhängigkeit vom Gerichtsstand, nach welchem sich das anwendbare Kollisionsrecht bestimmt, aufgrund divergierender nationaler Kollisionsregeln eine andere materielle Rechts­ordnung für anwendbar erklärt werden kann.60 Damit scheint eine identische Beurteilung des internationalen Sachverhaltes im Sinne des internationalen Entscheidungseinklanges ebenso fernliegend wie eine Vorhersehbarkeit für die Parteien. In diesem Zusammenhang wird dem internationalen Privatrecht deshalb auch bescheinigt, dass es die vorangestellte Problematik der Rechtspluralität lediglich auf eine Metaebene hebe, aber nicht löse.61 Verstärkt wird diese Intransparenz durch andere dogmatische Probleme des internationalen Privatrechts. So existieren im internationalen Privatrecht zahlreiche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe für die Entscheidung über eine Zuweisung, die zu gänzlich unvorhersehbaren Ergebnissen führen können.62 Hierzu tragen auch komplexe dogmatische Rechtsfiguren wie die Aufspaltung von Rechtsverhältnissen, die Rückverweisung (renvoi), die gesonderte Anknüpfung von Teilfragen, die Anknüpfung von Vorfragen sowie das Eingreifen international zwingender Normen und der ordre public-Vorbehalt bei.63 Damit scheint die objektive Anknüpfung noch immer einem „Sprung ins Dunkle“ zu gleichen.64 Neben der Dogmatik verschärfen auch praktische Phänomene die Problematik. Prominentes Beispiel hierfür ist der „homeward trend“ oder das Heimwärtsstreben,65 was die Tendenz der zur Entscheidung berufenen Richter beschreibt, 59  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 77 ff. 60  Siehe hierzu Rühl, Effizienzprobleme bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, in: Bork/Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2008, S.  335, 341, die diese Problematik allerdings dem internationalen Privatrecht zuweist. 61  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 89. 62  Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 632. 63  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  42; Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  27 ff.; Juenger, The Lex Mercatoria and Private International Law, 60 Louisiana Law Review 2000, S.  1133, 1136 ff. 64  Raape, Internationales Privatrecht, 1961, S.  90; siehe auch Siehr, Ökonomische Analyse des Internationalen Privatrechts, in: Festschrift für Karl Firsching zum 70. Geburtstag, 1985, S.  267, 282 ff. 65  Der Begriff des „Heimwärtsstrebens“ geht zurück auf Nussbaum, Deutsches Internatio-

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ihr eigenes Recht für anwendbar zu erklären, weil sie sich dort sicherer fühlen. Die Begründung der Entscheidung, heimatliches Sachrecht anzuwenden, ist natürlich deutlich einfacher, wenn die Kollisionsregeln komplex und schwer verständlich sind.66 Nach Juenger bleibt der Rekurs auf die Kollisionsregeln oft ein bloßes „Lippenbekenntnis“.67 Sofern dies zutrifft, wird die Vorhersehbarkeit für die Parteien noch weiter verringert und die Rechtsunsicherheit gesteigert.68 c) Überwindung der Probleme durch Parteiautonomie Fraglich ist damit, ob die bestehenden Unsicherheiten des internationalen Zivilverfahrensrechts und des internationalen Privatrechts durch die Möglichkeit der Rechts- und Gerichtsstandswahl beseitigt werden können. So basieren das internationale Privatrecht und das internationale Zivilver­ fahrensrecht praktisch weltweit auf dem Prinzip der Parteiautonomie.69 Dies ­erlaubt es den Parteien des internationalen Handels zunächst grundsätzlich, innerhalb bestimmter Grenzen das auf ihren Vertrag anwendbare Recht frei zu wählen.70 Daneben sehen praktisch alle Jurisdiktionen die Möglichkeit der Prorogation vor, wodurch die Parteien innerhalb bestimmter Grenzen eine Verein­ barung über den Gerichtsstand treffen können. Je nach Ausgestaltung kann dies dann eine ausschließliche Zuständigkeit der prorogierten Gerichte für Streitigkeiten aufgrund des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses begründen.71 Durch Rechtswahl in Kombination mit Gerichtsstandswahl können die Parteien den Unsicherheiten der objektiven Anknüpfung entkommen und ihr Interesse befriedigen, im Vorhinein zu wissen, welche Gerichte einen eventuellen späteren nales Privatrecht – unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen und schweizerischen Rechts, 1974, S.  43. 66  Langen, Vom Internationalen Privatrecht zum Transnationalen Handelsrecht, NJW 1969, S.  358, 358. 67  Siehe die Formulierung „lip-service“ bei Juenger, The Lex Mercatoria and Private International Law, 60 Louisiana Law Review 2000, S.  1133, 1138. 68  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 85. 69  Siehe für die historische Entwicklung der Parteiautonomie Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, 1965; Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  3 Rome I Rn.  1 ff.; Magnus, in: Magnus/­Mankow­ski (Hrsg.), European Commentaries on Private International Law – Brussels Ibis Regulation, 2016, Art.  25 Brussels Ibis Rn.  1 ff. 70  Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  3 Rome I Rn.  1 ff.; Martiny, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürger­ lichen Gesetzbuch, 2015, Art.  3 Rom I-VO Rn.  1 ff., 9–13. 71  Magnus, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), European Commentaries on Private Internatio­ nal Law – Brussels Ibis Regulation, 2016, Art.  25 Brussels Ibis Rn.  2.

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Rechtsstreit entscheiden und welches Recht der Entscheidung zugrunde gelegt wird.72 Je umfassender dabei der Grundsatz der Privatautonomie anerkannt wird und je mehr Staaten sich ihm verschreiben, desto größer wird die Verbindlichkeit der Gestaltung und damit einhergehend die Rechtssicherheit für die jeweilige Transaktion.73 Bei umfassender globaler Anerkennung der Parteiautonomie wäre internationaler Entscheidungseinklang gewährleistet und die konstitutionelle Unsicherheit für die Parteien bei grenzüberschreitenden Transaktionen könnte sich dem Nullpunkt nähern.74 Aber trotz der deutlichen Steigerung der Rechtssicherheit durch die Existenz und Akzeptanz der Parteiautonomie können gleichwohl das internationale Zivilverfahrensrecht und das internationale Privatrecht als Lösungsmechanismen nicht vollumfänglich überzeugen. Ursächlich hierfür ist zum einen, dass die Frage, ob und innerhalb welcher Grenzen die Parteiautonomie gewährleistet wird, erneut den nationalen oder supranationalen Regelsetzern obliegt. Zum anderen kann auch die Parteiautonomie nicht über das Hauptproblem der Nationalisierung internationaler Sachverhalte durch das internationale Zivilverfahrensrecht und das internationale Privatrecht hinweghelfen. aa) Grenzen der Parteiautonomie Die Tauglichkeit der Parteiautonomie als Gestaltungsinstrument zur Überwindung der konstitutionellen Unsicherheit ist zunächst deshalb als eingeschränkt zu bewerten, weil die Parteiautonomie stets durch den nationalen oder supranationalen Regelsetzer gewährleistet werden muss. Zwar ist das Prinzip der Partei­ autonomie beispielsweise in der Europäischen Union umfassend anerkannt,75 72  Magnus, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), European Commentaries on Private Internatio­ nal Law – Brussels Ibis Regulation, 2016, Art.  25 Brussels Ibis Rn.  2, 144 ff.; Mankowski, ­Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 124 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  602 ff.; Tsikrikas, Über die Bindungswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen in grenzüberschreitenden Streitigkeiten, in: Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1373, 1375 ff.; O’Hara/Ribstein, The Law Market, 2009, S.  4 f., 68 ff. 73  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 125. 74  Ebd., S.  125; Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 89. 75  So hat der europäische Gesetzgeber die freie Rechtswahl als einen der „Ecksteine“ des europäischen Systems der Kollisionsnormen definiert, vgl. Erwägungsgrund 11 der Verord-

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verlässt man aber die Grenzen der Europäischen Union, ist es fraglich, ob und innerhalb welcher Grenzen die Parteien von einer Rechts- und Gerichtsstandswahl Gebrauch machen dürfen. Selbst innerhalb des europäischen Rechtsregimes zeigt sich, dass die Wirksamkeit von Rechts- und Gerichtsstandswahl nicht ohne Einschränkungen verbürgt ist.76 Dies kann an dem Beispiel halbseitiger ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen illustriert werden, deren Wirksamkeit jüngst in den Fokus der Debatte gerückt ist. Konzeptionell sehen solche Vereinbarungen für eine Partei einen ausschließlichen Gerichtsstand vor, nicht aber für Klagen der anderen Partei.77 Sie werden regelmäßig bei internationalen Darlehen in der Finanzbranche den Verträgen zugrunde gelegt und in dieser Hinsicht auch von der Loan Market Association zur Verwendung empfohlen. Kürzlich hat es nun einen ­Aufschrei in der in diesem Bereich tätigen Rechtsberatungsbranche gegeben,78 nachdem die Cour de cassation in zwei Urteilen79 eine solche Gerichtsstands­ vereinbarung zugunsten einer Vertragspartei gemäß Art.  25 der Brüssel I-Verordnung80 mit zweifelhafter Begründung für unwirksam erklärt hat.81 Dass dies gravierende Folgen für ganze Branchen haben kann, wenn derartige Vereinbarungen dort zum Tagesgeschäft gehören, ist offenbar.82 Obwohl natürlich nur der Europäische Gerichtshof über die Wirksamkeit solcher und anderer Formen von Gerichtsstandsvereinbarungen gemessen an Art.  23 nung (EG) Nr.  593/2008; siehe aber zu den Grenzen Martiny, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2015, Art.  3 Rom I-VO Rn.  9–13; Briggs, The Conflict of Laws, 2013, S.  217 ff. 76  Siehe hierzu Tsikrikas, Über die Bindungswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen in grenzüberschreitenden Streitigkeiten, in: Festschrift für Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1373, 1378 ff. 77  Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen – Unter besonderer Berücksichtigung seiner zu erwartenden Auswirkungen auf den deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2009, S.  45. 78  Garvey, The End of the Road for „one-way“ Jurisdiction and Arbitration Clauses?; King, Asymmetric Dispute Resolution Clauses: Proceed with Caution; Taylor, Mrs X: The End of Unilateral Jurisdiction Clauses? 79  Siehe für die Urteile Cour de Cassation – Première chambre civile, Arrêt n°  983 vom 26. September 2012 (11-26.022); Cour de Cassation – Première chamber civile, n°  de pourvoi 13-27.264 vom 25. März 2015. 80  Jetzt Art.  25 Brüssel Ia-Verordnung. 81  Freitag, Halbseitige ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen unter der Brüssel I-VO, in: Festschrift für Ulrich Magnus zum 70. Geburtstag, 2014, S.  419, 428; Draguiev, Unilateral Jurisdiction Clauses: The Case for Invalidity, Severability or Enforceability, 31 Journal of International Arbitration 2014, S.  19, 28 ff. 82  Fentiman, International Commercial Litigation, 2015, Rn.  2.123 ff.; Basedow, Zustän­ digkeitsderogation, Eingriffsnormen und ordre public, in: Festschrift für Ulrich Magnus zum 70. Geburtstag, 2014, S.  337, 352.

II. IZVR und IPR als Lösungsstrategien staatlichen Rechts

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Brüssel I-Verordnung beziehungsweise jetzt an Art.  25 Brüssel Ia-Verordnung letztverbindlich entscheiden kann und an die Rechtsansicht der Cour de cassa­ tion nicht gebunden ist, zeigen solche Entscheidungen nationaler Gerichte gleichwohl die inhärente Rechtsunsicherheit: Die Anforderungen des Art.  25 Brüssel Ia-Verordnung sind insbesondere aufgrund des Erfordernisses der Klarheit und der Fairness selbst so offengehalten, dass es für nationale Gerichte, wie im Falle der Cour de cassation, ohne Weiteres möglich ist, die fragliche Gerichtsstandsvereinbarung anhand der Tatbestandsmerkmale des Art.  25 Brüssel Ia-­ Verordnung für unwirksam zu erklären. Die eigentliche Krux ist aber die Maßgabe, dass gemäß Art.  25 Brüssel I-Verordnung das prorogierte Gericht zuständig ist, „es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaates materiell nichtig“. Damit verweist die Brüssel I-Verordnung für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsklausel auf das Recht des gewählten Forums.83 Dies ist ein Einfallstor für die Kontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen anhand der Maßstäbe nationalen Rechts.84 Damit werden die Unwägbarkeiten auch in dem Fall mehr als deutlich, in dem man die bestehende Rechtsunsicherheit gerade durch eine Gerichtsstandswahl verringern wollte, obwohl man eigentlich aufgrund des vereinheitlichten Rechtsregimes von einer einheitlichen Bewertung der Wirksamkeit ausgeht. Dies gilt umso mehr, sobald die Grenzen des Brüssel Ia-Regimes überschritten werden, denn hier wendet erneut jedes angerufene Gericht seine lex fori an, um über die Frage der Anerkennung einer Gerichtsstandsklausel zu entscheiden.85 Ähnliche Einschränkungen sind im Hinblick auf die Reichweite von Rechtswahlklauseln zu machen. Denn auch in den Staaten, in denen die Parteiautonomie umfänglich anerkannt ist, gilt eine Rechtswahl nicht uneingeschränkt. Es existieren stets Ausnahmeregeln, die es dem Forumstaat in engen Grenzen ermöglichen, 83  von Hein, Die Neufassung der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO), RIW 2013, S.  97, 105; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2016, S.  169 ff.; Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2015, S.  168 f. 84  In Erwägungsgrund 20 der Verordnung (EU) 1215/2012 heißt es hierzu: „Stellt sich die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats materiell nichtig ist, so sollte sie nach dem Recht einschließlich des Kollisionsrechts des Mitgliedstaats des Gerichts oder der Gerichte entschieden werden, die in der Vereinbarung bezeichnet sind.“; siehe auch Freitag, Halbseitige ausschließliche Gerichtsstands­ vereinbarungen unter der Brüssel I-VO, in: Festschrift für Ulrich Magnus zum 70. Geburtstag, 2014, S.  419, 428; von Hein, Die Neufassung der Europäischen Gerichtsstands- und Voll­ streckungsverordnung (EuGVVO), RIW 2013, S.  97, 97 ff.; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2016, S.  169 ff. 85  Siehe für eine extensive Übersicht zur Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen innerhalb unterschiedlicher Rechtsregime Fentiman, International Commercial Litigation, 2015, Rn.  2.27 ff.; siehe für die Grenzen einer Zuständigkeitsvereinbarung Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  636 ff.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

den Grundsatz der Parteiautonomie zu durchbrechen, um so elementare öffent­ liche Interessen durchzusetzen.86 Fundamental ist hier die Unterscheidung zwischen einfach zwingenden Normen und international zwingenden Normen. Während einfach zwingende Normen zwar innerhalb der nationalen Rechtsordnung keinen dispositiven Charakter haben, aber durch eine Rechtswahl wirksam abbedungen werden können, setzen sich international zwingende Normen auch gegen eine kollisionsrechtliche Rechtswahl durch. Solche Eingriffsnormen (Art.  9 Rom I-Verordnung) gelten somit stets innerhalb einer Rechtsordnung unabhängig vom gewählten Recht und ziehen der Parteiautonomie Grenzen.87 Eine zusätzliche Beschränkung findet die kollisionsrechtliche Parteiautonomie durch den ordre public-Vorbehalt (Art.  21 Rom I-Verordnung), wonach Vorschriften des ausländischen Rechts dann nicht anzuwenden sind, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der inländischen Rechtsordnung widersprechen.88 Die Definition des Bestands der Eingriffsnormen und des Inhalts des ordre public nimmt dabei der jeweilige normsetzende Staat vor.89 Je tiefgreifender aber die Anwendung der ausländischen Rechtsordnung zugunsten inländischer Werte in einer Rechtsordnung eingeschränkt wird, desto größer ist der Teil der Rechtsfragen, welche nicht durch die Parteien individuell bestimmt werden können. Für die Parteien bedeutet dies erneut eine gesteigerte Unsicherheit.90 bb) Nationalisierung internationaler Sachverhalte Unabhängig von der Komplexität der Anwendung des internationalen Zivilverfahrensrechts und des internationalen Privatrechts ist auch das vorgesehene Ziel problematisch. Im Ergebnis zielen beide Instrumente darauf ab, den grenzüberMartiny, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2015, Art.  3 Rom I-VO Rn.  9 ff.; Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  43 ff., 49 ff. 87  Renner, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  9 Rome I Rn.  1 ff.; Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  49 ff.; siehe auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 2004, S.  152 ff. 88  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 126; Renner, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  21 Rome I Rn.  1 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 2004, S.  516 ff.; siehe hierzu infra Erstes Kapitel II.1.c)aa). 89  Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  53–55. 90  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 126. 86 

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schreitenden Sachverhalt wieder einer nationalen Rechtsordnung zuzuweisen. Dieses wird auch als Problem der Nationalisierung internationaler Sachverhalte bezeichnet und rüttelt an den Grundfesten der Tauglichkeit des internationalen Zivilverfahrensrechts und des internationalen Privatrechts zur Regulierung grenzüberschreitender Sachverhalte.91 Sowohl aufgrund objektiver Anknüpfung als auch durch Rechtswahl wird im Ergebnis ein grenzüberschreitender Sachverhalt wieder einer nationalen Rechtsordnung unterworfen. Nationales Privatrecht ist aber zuvorderst für nationale Sachverhalte konzipiert und weniger für die speziellen Bedürfnisse grenzüberschreitender Transaktionen.92 So können beispielsweise formale Anforderungen im Widerspruch zum Wunsch nach einer schnellen Abwicklung im Handelsverkehr stehen, die Überwindung größerer räumlicher Distanzen kann eine andere Risikoverteilung erforderlich machen und besondere Probleme, die sich gerade aufgrund unterschiedlicher Zeitzonen und Sprachverschiedenheiten ergeben, sind dem nationalen Recht fremd. 93 So konstatiert Berger, dass sich „[d]ie internationale Natur des Rechtsverhältnisses […] gerade einer Regelung durch nationale Rechtsordnungen [entzieht]“.94

Weitere Probleme treten auf, wenn es zur Anwendung ausländischen Sachrechts im Forumstaat kommt, entweder, weil die Kollisionsnormen die Anwendbarkeit ausländischen Rechts vorsehen, oder, weil sich die Parteien im Rahmen der Parteiautonomie auf ebendieses Recht geeinigt haben. Der jeweilige Richter ist gehalten, die ausländische Rechtsordnung ebenso anzuwenden wie sein eigenes Bonell, Das autonome Recht des Welthandels – Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978), S.  485, 490; Siehr, Sachrecht im IPR, transnationales Recht und lex mercatoria, in: Holl/Klinke (Hrsg.), Internationales Privatrecht, Internationales Wirtschaftsrecht, 1985, S.  103, 103 ff.; von Hoffmann, Grundsätzliches zur Anwendung der „lex mercatoria“ durch internationale Schiedsgerichte, in: Festschrift für Gerhard Kegel zum 75. Geburtstag, 1987, S.  215, 215 ff.; Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  21 ff. 92  So schon Bonell, Das autonome Recht des Welthandels – Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978), S.  485, 490; Siehr, Sachrecht im IPR, transnationales Recht und lex mercatoria, in: Holl/Klinke (Hrsg.), Internationales Privatrecht, Internationales Wirtschaftsrecht, 1985, S.  103; siehe auch Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  9 ff.; Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  23, 26 ff.; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  37. 93  Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschafts­ rechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  13 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  42 ff.; Juenger, The Lex Mercatoria and Private International Law, 60 Louisiana Law Review 2000, S.  1133, 1137 ff. 94  Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  10. 91 

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

Sachrecht. Mit der fremden Rechtsordnung ist er aber naturgemäß weniger vertraut und muss sich deshalb durch eigene Recherche oder durch externe Gutachten mit der Rechtsordnung auseinandersetzen – mit fraglichem Ergebnis.95 Um dies zu vermeiden, korrespondieren in der Praxis regelmäßig Rechts- und Gerichtsstandswahl. Sofern aber beide Parteien eine ähnlich starke Verhandlungsposition haben, wird keine Partei die eigene heimatliche Rechtsordnung aufgrund des damit einhergehenden Vorteils durchsetzen können. In der Folge einigen sich die Parteien oftmals auf das Recht eines Drittstaates wie beispielsweise englisches oder schweizerisches Recht.96 Diese sogenannte neutrale Rechtsordnung ist nun beiden Parteien fremd, sodass die Unkenntnis über den Gehalt der Rechtsordnung und mögliche Sprachprobleme zusätzliche Barrieren darstellen.97 Insbesondere das schweizerische Recht ist aber, wie die Darstellung von Schwenzer zeigt, für internationale Transaktionen wenig geeignet. So gibt es beispielsweise aufgrund weniger Gerichtsentscheidungen der schweizerischen Gerichte eine Vielzahl ungeklärter Rechtsfragen, die den Ausgang eines Rechtsstreits für die Parteien wenig vorhersehbar machen.98 Aus dieser Perspektive scheint die kollisionsrechtliche Rechtswahl eher nicht Ausdruck einer positiven Entscheidung für ein nationales Recht zu sein, sondern lediglich die negative Funktion zu erfüllen, die Parteien vor den zeit- und kostenintensiven Fragen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung zu schützen.99 d) Zwischenergebnis Die Anwendung der nationalstaatlichen Lösungen für internationale Sachverhalte ist also mit deutlichen Problemen behaftet. Die staatlichen LösungsmechanisSchmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 85 f.; siehe für das englische Rechtssystem Fentiman, International Commercial Litigation, 2015, Rn.  20.01 ff. 96  Schwenzer, Who Needs a Uniform Contract Law, and Why?, 58 Villanova Law Review 2013, S.  723, 725 ff.; siehe zu der Studie Vogenauer/Hodges, Civil Justice Systems in Europe: Implications for Choice of Forum and Choice of Contract Law – A Business Survey; siehe hierzu auch Vogenauer, Regulatory Competition Through Choice of Contract Law and Choice of Forum in Europe: Theory and Evidence, 21 European Review of Private Law 2013, S.  13, 19 ff.; Eidenmüller, Recht als Produkt, JZ 2009, S.  641, 645. 97  Schwenzer, Who Needs a Uniform Contract Law, and Why?, 58 Villanova Law Review 2013, S.  723, 725 ff.; siehe aus anwaltlicher Perspektive hierzu Brödermann, §  6 Internationales Privatrecht, in: Piltz (Hrsg.), Münchener Anwalts-Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2017, Rn.  130 ff. 98  Schwenzer, Who Needs a Uniform Contract Law, and Why?, 58 Villanova Law Review 2013, S.  723, 726. 99  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  25 f. 95 

II. IZVR und IPR als Lösungsstrategien staatlichen Rechts

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men des internationalen Privatrechts und des Zivilverfahrensrechts können also lediglich eine Verminderung der Unsicherheiten bewirken, sie aber keinesfalls gänzlich auflösen.

2. Auswirkungen auf die Transaktion Trotz der Existenz des internationalen Zivilverfahrensrechts und des internationalen Privatrechts herrscht also im grenzüberschreitenden Raum ein Zustand der „konstitutionellen Unsicherheit“,100 welcher im Folgenden nunmehr schlicht als Rechtsunsicherheit bezeichnet wird. Welche Folgen hat diese Rechtsunsicherheit für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels? Ist sie gar eine Barriere für den grenzüberschreitenden Handel als solchen? Um diese Fragen anhand allgemeiner Maßstäbe zu bewerten, bietet es sich an, die Folgen der Rechtsunsicherheit anhand ökonomischer Kriterien nachzuvollziehen. Der Transaktionskostenansatz, der im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik angewendet wird, bietet sich als Parameter an, da hier davon ausgegangen wird, dass jedes Handeln auf dem Markt mit spezifischen Kosten verbunden ist. Die Höhe dieser Kosten kann dann erklären, weshalb und innerhalb welchen institutionellen Arrangements Tausch stattfindet.101 Ganz pragmatisch lässt sich die soeben dargestellte Rechtsunsicherheit als zusätzlicher Kostenfaktor für die Parteien verstehen,102 denn im Rahmen einer grenzüberschreitenden Transaktion müssen die Parteien erhebliche Mehrkosten aufwenden, die im Gegensatz zu einer Transaktion auf dem nationalen Binnenmarkt nicht oder jedenfalls nicht in dieser Ausprägung anfallen. Diese Kosten können sich erheblich auf das Ob und Wie einer Transaktion auswirken. a) Entstehung erhöhter Transaktionskosten aa) Transaktionskostentheorie Mehr als 200 Jahre lang hatte das wirtschaftstheoretische Modell von Smith103 den volkswirtschaftlichen Diskurs beherrscht, bis Coase mit seinem Aufsatz Schmidt-Trenz, Außenhandel und Territorialität des Rechts – Grundlegung einer Neuen Institutionenökonomik des Außenhandels, 1990, S.  232 f. 101  Hadfield, The Many Legal Institutions that Support Contractual Commitments, in: Menard/­Shirley (Hrsg.), Handbook of New Institutional Genomics, 2004, S.  175, 178 ff. 102  Fentiman, Theory and Practice in International Commercial Litigation, 2 International Journal of Procedural Law 2012, S.  235, 235 ff. 103  Smith, Der Wohlstand der Nationen – eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, 1789. 100 

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

„The Problem of Social Costs“ einen Paradigmenwechsel in der ökonomischen Theorie herbeiführte.104 Den Kern der klassischen Nationalökonomie und im Anschluss hieran der neoklassischen Wirtschaftstheorie bilden seit Smith die durch weitergehende Spezialisierung und Arbeitsteilung entstehenden Tauschvorteile auf dem Markt.105 Coase belegte, dass die Verteilungseffekte des Marktmechanismus, welche die neoklassische Theorie impliziert, nur in Abwesenheit jeglicher Transaktionskosten erreicht werden können.106 Die Benutzung des Marktes als Ort des Austausches von Verfügungsrechten im Rahmen einer Transaktion ist aber gerade nicht kostenlos.107 Es entstehen sogenannte Trans­aktionskosten. Für die Parteien fallen nicht nur die Kosten des eigentlichen Leistungsaustausches an, sondern darüber hinaus auch Informations-, Kommunikations- und Rechtsdurchsetzungskosten bei der Anbahnung und Durchführung einer Transaktion.108 Im Vorfeld einer Transaktion (ex ante) gehören dazu beispielsweise die Kosten, die bei der Vertragsverhandlung und -gestaltung ent­stehen. Aber auch während oder nach der Transaktion (ex post) fallen typischerweise Kosten an, wenn Ansprüche gerichtlich durchgesetzt werden müssen.109 In einer solchen Welt positiver Transaktionskosten hat dann das System von Verfügungsrechten einen erheblichen Einfluss auf das Verteilungsergebnis der Ressourcen.110 Wurde also zuvor noch der vollkommene Markt selbst als effi­ zienter selbstregulierender Mechanismus betrachtet, der deshalb auch nicht durch staatliche Regulierung gestört werden darf, treten nun in der Neuen Institutionenökonomik um Williamson111 und North112 die Organisationsformen des Handels, also der institutionelle Rahmen einer Transaktion selbst, in den Vordergrund.113 Institutionen in diesem Sinne sind formale oder auch informale Regeln Coase, The Problem of Social Costs, 3 Journal of Law and Economics 1960, S.  1. North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, 1992, S.  32. 106  Coase, The Problem of Social Costs, 3 Journal of Law and Economics 1960, S.  1, 15 ff.; North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, 1992, S.  34 ff. 107  Coase, The Problem of Social Costs, 3 Journal of Law and Economics 1960, S.  1, 15; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2010, S.  55 ff. 108  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, S.  73 ff. 109  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2010, S.  60 ff. 110  North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, 1992, S.  34 ff. 111  Williamson, Markets and Hierarchies, Analysis and Antitrust Implications: A Study in the Economics of Internal Organization, 1975; Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985; Williamson, The Modern Corporation: Origins, Evolution, Attributes, 19 Journal of Economic Literature 1981, S.  1537; Williamson, The New Institutional Economics: Taking Stock, Looking Ahead, 38 Journal of Economic Literature 2000, S.  595. 112  North, Institutions, 5 Journal of Economic Perspectives 1991, S.  97; North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, 1992. 113  Schmidtchen/Schmidt-Trenz, Neue Institutionenökonomik Internationaler Transaktionen, WiSt 2003, S.  215, 215 ff.; Calliess/Zumbansen, Law, Economics and Evolutionary Theory: 104  105 

II. IZVR und IPR als Lösungsstrategien staatlichen Rechts

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einschließlich ihrer Mechanismen zur Durchsetzung,114 die für die Parteien mehr oder weniger effiziente beziehungsweise transaktionskostenintensive Möglichkeiten bereithalten, Transaktionen abzuwickeln. Das staatliche Rechtssystem wird in seiner Funktionalität also nicht exklusiv betrachtet, sondern steht vielmehr als formale Institution neben anderen informellen.115 Dass also Transaktionskosten entstehen, ist kein spezifisches Problem des grenzüberschreitenden Handels. Das spezifische Problem des grenzüberschreitenden Handels ist vielmehr, dass sich diese Kosten aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten mitunter drastisch erhöhen. Schmidtchen und Schmidt-Trenz bringen dies prägnant auf den Punkt, wenn sie konstatieren, dass „die Diversität staatlicher Rechtsordnungen, gepaart mit der Territorialität des Rechts bewirkt, dass die rechtlichen Verhältnisse im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr von Normierungslücken, Normenkollisionen und Vollzugsdefiziten geprägt sind, und zwar in einem Ausmaß, wie wir es bei Binnentransaktionen nicht kennen.“116 „[D]ie konstitutionelle Unsicherheit [stellt] international agierende Wirtschaftssubjekte vor qualitativ besondere Koordinationsprobleme […], die sich in entsprechenden Transaktions­ kosten widerspiegeln.“117

Sowohl ex ante- als auch ex post-Transaktionskosten sind bei grenzüberschreitenden Transaktionen deutlich erhöht. bb) Ex ante-Transaktionskosten Ex ante müssen die Parteien bei grenzüberschreitenden Transaktionen anders als bei rein nationalen Sachverhalten zusätzlich ermitteln beziehungsweise durch einen Rechtsberater ermitteln lassen, welche Rechtsordnung überhaupt auf den grenzüberschreitenden Vertrag Anwendung findet und welche Rechtsfolgen das State of the Art and Interdisciplinary Perspectives, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  1, 7; Hadfield, The Many Legal Institutions that Support Contractual Commitments, in: Menard/Shirley (Hrsg.), Handbook of New Institutional Genomics, 2004, S.  175, 175 ff. 114  North definiert Institutionen als „humanly devised constraints that structure political, economic and social interaction. They consist of both informal constraints (sanctions, taboos, customs, traditions and codes of conduct), and formal rules (laws, property rights)“, vgl. North, Institutions, 5 Journal of Economic Perspectives 1991, S.  97, 97. 115  Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/ Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 143 ff.; North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, 1992, S.  4 ff., 43 ff.; Hadfield, The Many Legal Institutions that Support Contractual Commitments, in: Menard/Shirley (Hrsg.), Handbook of New Institutional Genomics, 2004, S.  175, 178 ff. 116  Schmidtchen/Schmidt-Trenz, Neue Institutionenökonomik Internationaler Transaktionen, WiSt 2003, S.  215, 217. 117  Ebd., S.  218.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

anwendbare Recht für die Transaktion vorsieht.118 Zusätzlich müssen die Parteien sich gegebenenfalls mit der Regelungsstruktur einer fremden Rechtsordnung vertraut machen.119 Konkret identifizieren Ott und Schäfer in grenzüberschreitenden Transaktionen Zusatzkosten für die Beschaffung von Informationen über die nach den ­Kollisionsregeln des zuständigen Gerichts anwendbare Rechtsordnung, was zunächst Informationen über die potenzielle Zuständigkeit voraussetzt. Sofern die Parteien kollisionsrechtlich ein anderes anwendbares Recht bestimmen wollen, fallen Zusatzkosten für die Klärung der Voraussetzungen einer solchen Rechtswahl an, insbesondere für die Evaluierung möglicher Grenzen der vertraglichen Gestaltungsspielräume, beispielsweise durch international zwingende Vorschriften.120 Zudem muss auch hier die inhaltliche Ausgestaltung der anwendbaren Vertragsrechtsordnung erfasst werden, was Kosten verursacht.121 In der Regel fallen diese Kosten als Rechtsberatungskosten für Anwälte, Gutachter oder sonstige Berater an.122 Der eigene Rechtsstab wird in der Regel weniger Expertise bezüglich der ausländischen Rechtsordnung haben. Sofern sich dieser aber dennoch der Aufgabe annimmt, wird die Beratungstätigkeit deutlich zeit- und damit kostenintensiver, da eine Vielzahl von neuen Informationen eingeholt werden muss und eingespielte Prozeduren nicht greifen können.123 Diese Zusatzkosten sind zwar nur schwer zu beziffern, können aber naturgemäß auch wieder sinken, sofern häufiger ähnliche grenzüberschreitende Transaktionen ab118  Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 631; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2010, S.  60; Fentiman, Theory and Practice in International Commercial Litigation, 2 International Journal of Procedural Law 2012, S.  235, 235 f.; Mankowski, Rechtswahl für Verträge internationalen Wirtschaftsrechts, RIW 2003, S.  2, 3, bezeichnet diese Kosten als Rechtsermittlungskosten. 119  Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 631; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2010, S.  60. 120  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 207. 121  Ebd., S.  207; siehe hierzu auch Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 104. 122  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 207; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  207. 123  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 121 f.

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gewickelt werden (Skalenvorteile).124 Sofern der eigene Rechtsstab nicht in der Lage ist, die in Rede stehende Transaktion zu begleiten, müssen externe Rechtsberater eingeschaltet werden.125 Diese Kosten für ausländische Rechtsanwälte oder sonstige Gutachter fallen dann zusätzlich zu den Kosten des eigenen Rechtsstabs an, sodass es in der Folge zu einer Verdoppelung der Beratungskosten kommt.126 Sprachverschiedenheiten können zudem zusätzliche Übersetzungskosten verursachen und es besteht stets die Gefahr, dass durch den Übersetzungsprozess Missverständnisse entstehen.127 Hierdurch ist das Prozessrisiko erhöht, was in aller Regel ebenfalls einkalkuliert werden muss.128 Diese Kosten werden sich zumindest auf der Seite einer Vertragspartei niederschlagen, sofern das heimatliche Recht der anderen Partei auf den Vertrag angewendet wird. Einigen sich die Parteien aber auf eine neutrale Rechtsordnung, entstehen diese Kosten sogar auf beiden Seiten, was die Wirtschaftlichkeit der Transaktion insgesamt erheblich mindert.129 cc) Ex post-Transaktionskosten Auch während des Leistungsaustausches können die Kosten drastisch steigen, wenn nämlich aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Hintergründe Rechtsregeln anders verstanden und ausgelegt werden. Darüber hinaus erhöht sich hierdurch die Wahrscheinlichkeit eines anschließenden Rechtsstreits, welcher enorme Kosten verursachen kann.130 Auch die letztliche Rechtsdurchsetzung zieht diverse Zusatzkosten nach sich.131 Sofern nicht bereits im Vorfeld der Transaktionen Informationen über das Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 207. 125  Ebd., S.  207; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  37 ff. 126  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 121 f. 127  Ebd., S.  122. 128  Ebd., S.  121 f. 129  Schwenzer, Who Needs a Uniform Contract Law, and Why?, 58 Villanova Law Review 2013, S.  723, 725; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Prin­ ciples in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  37 ff. 130  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 122. 131  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische 124 

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ausländische Forum eingeholt wurden, fallen diese Informationskosten spätestens jetzt an. Ferner müssen Prozesskosten und Prozessrisiko kalkuliert werden. Die Rechtsdurchsetzungskosten können auch Zusatzkosten für einen Prozess­ vertreter umfassen, also einen Rechtsanwalt, der im ausländischen Forum zu­ gelassen ist. Dieser wird in der Regel ebenfalls benötigt, wenn es letztlich um die Anerkennung und Vollstreckung eines Titels in einem ausländischen Forum geht.132 Insgesamt ist also die Gestaltung eines Vertrags, der einen internationalen Sachverhalt betrifft, deutlich kostenintensiver als bei Transaktionen ohne Auslandsbezug.133 b) Transaktionstypen Das besondere Kostenpotenzial grenzüberschreitender Transaktionen realisiert sich je nach Komplexität des Sachverhaltes in unterschiedlicher Höhe. Grundsätzlich führen diese Kosten aber zu einem relativ erhöhten Angebotspreis des ausländischen Produktes oder der ausländischen Dienstleistung.134 Im Verhältnis werden so betrachtet inländische Produkte wieder günstiger und damit attraktiver.135 Das besondere Kostenpotenzial wirkt sich also unmittelbar auf die Wirtschaftlichkeit einer grenzüberschreitenden Transaktion aus und kann schlimm­ stenfalls zur Folge haben, dass ein grenzüberschreitender Vertrag, der eigentlich für beide Parteien vorteilhaft wäre, überhaupt nicht geschlossen wird, wenn nämlich die Kosten den Nutzen der Transaktion selbst übersteigen. Für den internationalen Handel wird deshalb Rechtspluralität im Privatrecht als klares Handelshemmnis angesehen.136 Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 207–208; Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 121 ff. 132  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 208. 133  Zentes/Neidhart, Standardisierungsansätze zur Reduktion der Transaktionskosten im Außenhandel – Ein Überblick, in: Zentes/Morschett/Schramm-Klein (Hrsg.), Außenhandel, Marketingstrategien und Managementkonzepte, 2004, S.  837, 839. 134  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 208. 135  Ebd., S.  208. 136  Hadfield, The Many Legal Institutions that Support Contractual Commitments, in: Menard/­ Shirley (Hrsg.), Handbook of New Institutional Genomics, 2004, S.  175, 193 f.; Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren

II. IZVR und IPR als Lösungsstrategien staatlichen Rechts

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In welchem Ausmaß sich dieses Risiko realisiert, hängt maßgeblich vom Transaktionstyp ab, da sich die Investition dieser Zusatzkosten nicht bei jeder grenzüberschreitenden Handelstätigkeit auszahlt. Konzeptionell kann in dieser Hinsicht zwischen Großtransaktionen und Transaktionen mit kleinem und mittlerem Volumen differenziert werden.137 Bei Großtransaktionen besteht aufgrund des hohen Risikos für die Parteien ein großer Anreiz, den Vertrag möglichst vollständig zu regeln. Bei einem solchen Vertrag einigen sich die Parteien vor Vertragsschluss möglichst vollumfänglich über die Allokation aller mit der Durchführung des Vertrags verbundenen Risiken. Dies bedeutet, dass sie für jede Eventualität wie Schlechtleistung, Unmöglichkeit, Verzug, Folgeschäden expressis verbis eine konkrete Regelung fest­ legen und damit Risiken zuordnen. Insgesamt lösen sich die Parteien also sehr deutlich von den Vorgaben des dispositiven Vertragsrechts und handeln eigene Lösungen aus, was naturgemäß mit enormen Kosten verbunden ist.138 Das hohe Investitionsrisiko einer großvolumigen Transaktion rechtfertigt aber die Aufwendung dieser hohen Kosten für die Erstellung und Gestaltung eines derart komplexen Vertragswerks. In der Folge kommt es den Parteien zumeist darauf an, dass ihre vertraglichen Regelungen durch das auf den Vertrag anwendbare Recht möglichst vollumfänglich anerkannt werden. Dieses Bedürfnis wird in der Regel durch eine entsprechende Rechts- und Gerichtsstandswahl befriedigt, bei der das Risiko einer Kontrolle anhand nationaler Maßstäbe als möglichst gering eingestuft wird. Die Zusatzkosten, die nun aufgrund der Auseinandersetzung mit anwendbarem Recht und einer Rechts- beziehungsweise Gerichtsstandswahl einhergehen, sind aufgrund der ohnehin schon sehr komplexen Vertragsgestaltung eher zu vernachlässigen139 und bilden damit für die Parteien kein direktes Handelshemmnis. Für Transaktionen mit kleinem und mittlerem Volumen wird sich aber in der Regel diese Investition für die Erstellung eines vollständigen Vertrags nicht lohUNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1149; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip: Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 2015, S.  64; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  37 ff. 137  Diese Kategorisierung ist entnommen aus Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/ Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 209 ff. 138 Siehe zum Gedankenkonstrukt des vollständigen Vertrags Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, S.  431 ff., 455; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbst­ regulierung im Privatrecht, 2010, S.  147 f. 139  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 209.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

nen. Sie sind auf die Funktion des nationalen Rechts angewiesen.140 Durch die nationalen Rechtsordnungen werden Regelungen für wichtige Vertragstypen bereitgestellt, auf welche die Parteien „kostenlos“ zurückgreifen können. Die Parteien, beziehungsweise deren Rechtsberater, müssen gerade nicht unter Aufwendung von Transaktionskosten die jeweiligen Regelungen individuell für den jeweiligen Vertrag entwickeln und festlegen. Als bereitstehende Reserveordnungen erfüllt die Privatrechtsordnung im nationalen Kontext damit eine sogenannte Entlastungsfunktion und die Transaktionskosten werden gesenkt.141 Im internationalen Kontext ist es aber aufgrund der kollisionsrechtlichen Problematik schwierig, von dieser Funktion Gebrauch machen zu können. Die Parteien müssen zum einen wissen, welche Rechtsordnung anwendbar ist, und in der Folge detaillierte Kenntnisse des anwendbaren Rechts haben. Sofern es sich bei dem anwendbaren Recht nicht um das heimatliche Vertragsrecht handelt, müssen sie Transaktionskosten aufwenden, um nicht Gefahr zu laufen, rechtliche Risiken nicht einkalkulieren zu können.142 Zum anderen ist insgesamt fraglich, inwieweit eine nationale Rechtsordnung tatsächlich auf die Bedürfnisse der internationalen Transaktion zugeschnitten ist oder ob die Parteien nicht ohnehin erneut individualvertragliche Lösungen finden müssen. Transaktionen mit kleinem und mittlerem Volumen sind sicherlich nicht so gewinnbringend, dass sich die Aufwendung dieser Kosten lohnt. Regelmäßig werden sie den Gewinn der Transaktion selbst übersteigen.143 Je nachdem wie risikoavers die Parteien sind, werden sie das Geschäft also entweder ohne Rechtsberatung eingehen und die rechtlichen Risiken gänzlich ignorieren oder von der grenzüberschreitenden Transaktion Abstand nehmen.144 Damit leidet insbesondere dieser Transaktionstypus an der durch die Rechtspluralität begründeten Rechtsunsicherheit. 140  Ebd., S.  212; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, S.  433 ff., 455 ff.; Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 715. 141  Siehe zur Funktion des dispositiven Rechts ausführlich Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012; Möslein, Dispositives Recht, 2011; siehe auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, S.  455; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip: Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 2015, S.  64. 142  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 212. 143  Basedow, A Common Contract Law for the Common Market, in: Ferrari/Posch/Schnyder/­ Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  41, 50. 144  Ebd., S.  49.

III. Rechtssicherheit durch internationales Einheitsrecht

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3. Zwischenergebnis Die Mechanismen des internationalen Zivilverfahrensrechts und des internationalen Privatrechts können das Problem der konstitutionellen Unsicherheit lediglich vermindern, gänzlich aufgelöst wird die Problematik jedoch nicht.145 Dies bedeutet für die Parteien, dass sie hohe Transaktionskosten aufwenden müssen, um ihre Verträge abzusichern. Grundsätzlich ist diese kostenintensive Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen stets ein potenzieller Störfaktor für eine internationale Handelstätigkeit. Besonders problematisch sind die Rechtsunsicherheit und die damit einhergehenden erhöhten Transaktionskosten aber für Transaktionen mit kleinem oder mittlerem Volumen, da diese in besonderem Maße auf die Funktion der Rechtsordnung als Reserveordnung angewiesen sind. Insbesondere für diese Fälle erweist sich die Rechtsunsicherheit, hier ausgedrückt in Kosten, als klares internationales Handelshemmnis.146

III. Rechtssicherheit durch internationales Einheitsrecht Global einheitliche Regeln für die jeweiligen Transaktionen können die bestehenden rechtlichen Unsicherheiten reduzieren und Rechtssicherheit schaffen.147 Durch internationales Einheitsrecht existiert nur ein maßgebliches Sachrecht für eine grenzüberschreitende Transaktion. Die rechtlichen Unsicherheiten, die durch Rechtspluralität begründet sind, wären damit im Kern behoben, was darüber ­hinaus ein großes Potenzial zur Senkung von Transaktionskosten birgt.148 Mit der Erzeugung internationalen Einheitsrechts auf dem Gebiet des Privatrechts, des sogenannten Einheitsprivatrechts, bietet das staatliche Recht einen 145  Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, RabelsZ 59 (1995), S.  56, 89; Bonell, Das autonome Recht des Welthandels – Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978), S.  485, 497 ff. 146  Ott/Schäfer, Die Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts – Ökonomische Notwendigkeit oder akademisches Interesse?, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  203, 208; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  37 ff. 147  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  9–10; siehe hierzu auch Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  26 ff. 148  Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  45 f.; Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/ Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 103 f.; Goode/­Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  164.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

zweiten Lösungsmechanismus an, der auf diesem Grundgedanken fußt.149 Das Ergebnis dieser Strategie ist eine Masse völkerrechtlicher Verträge und anderer Instrumente mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung, die ebenso kaum zu überschauen ist wie die Anzahl der Institutionen, die sich auf globaler oder regionaler Ebene diesem Ziel gewidmet haben.150 Die Existenz und Vielzahl der Bestrebungen, Einheitsrecht auf dem Gebiet des Privatrechts zu schaffen, wird dabei als augenscheinlicher Beweis für das erhebliche Bedürfnis nach global einheitlichen Regeln für den grenzüberschreitenden Handel angesehen.151

1. Theoretische Konzeption Grundsätzlich ist die Erzeugung von Rechtssicherheit durch Einheitsrecht auf zwei Wegen denkbar: einerseits durch die Vereinheitlichung des Sachrechts und andererseits durch die Vereinheitlichung des internationalen Verfahrens- und Privatrechts.152 a) Vereinheitlichung des Sach- oder Kollisionsrechts Untersucht man beide Alternativen, die Vereinheitlichung des materiellen Rechts einerseits und die Vereinheitlichung des internationalen Zivilverfahrensrechts und des internationalen Privatrechts andererseits, im Hinblick auf die Zielsetzung, mehr Rechtssicherheit zu schaffen und internationalen Entscheidungseinklang zu gewährleisten, ist dem Grunde nach die potenzielle Wirkung der Sachrechtsvereinheitlichung deutlich stärker.153

Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  9 ff.; David, Methods of Unification, 16 American Journal of Comparative Law 1968, S.  13, 14. 150  Siehe für eine diesbezügliche Übersicht Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S.  9 ff. 151  Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschafts­ rechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  30; Schwenzer, Global Unification of Contract Law, 21 Uniform Law Review 2016, S.  60, 60 f.; Heidemann, Methodology of Uniform Contract Law – The Unidroit Principles in International Legal Doctrine and Practice, 2007, S.  38 f. 152  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  179 f.; siehe zur Abgrenzung des IPR und des Sachrechts von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  196 ff. 153  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  179 f.; Ferrari, Einheitsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  377; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang im Europäischen Kollisionsrecht, 2016, S.  25 f.; Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  51. 149 

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Einheitskollisionsrecht und Einheitssachrecht entfalten grundsätzlich ihre Wirkungen auf unterschiedlichen Ebenen.154 So hat die Vereinheitlichung des Sachrechts für grenzüberschreitende Transaktionen zur Folge, dass die Rechtsfolge für die internationalen Sachverhalte überall identisch ist. Die Vereinheit­ lichung des Kollisionsrechts bewirkt lediglich, dass die Sachverhalte überall derselben nationalstaatlichen Rechtsordnung zugewiesen werden, die dann aber in Abhängigkeit vom anwendbaren Sachrecht unterschiedliche Rechtsfolgen vorsehen können.155 Während also die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts internationalen Entscheidungseinklang nur auf kollisionsrechtlicher Ebene garantiert, gewährleistet Einheitssachrecht internationalen Entscheidungseinklang vollumfänglich.156 Im Vergleich beider Alternativen erzeugt Einheitssachrecht deutlich mehr Vorteile für die Akteure. Die Existenz einheitlichen Sachrechts umgeht zu einem großen Teil157 die aufgezeigten kollisionsrechtlichen und verfahrensrechtlichen „Untiefen“.158 So wäre zunächst die dem internationalen Privatrecht zugewiesene Frage, welches Recht anwendbar ist, dem Grunde nach durch das Einheitsrecht beantwortet. Auch die Frage der Zuständigkeit wäre nicht mehr so fundamental und Probleme des forum shopping strukturell behoben, da das inhaltliche Ergebnis aufgrund des maßgeblichen Einheitsrechts identisch wäre. Auch die Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile wäre aus staatlicher Sicht weniger problematisch, denn das ausländische Urteil müsste einer hypothetischen inländischen Entscheidung in etwa gleichen.159 Die Vereinheitlichung des materiellen Rechts schafft also ein höheres Maß an Rechtssicherheit als die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts.160 154  Ferrari, Einheitsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  377. 155  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  179 f. 156  Ferrari, Einheitsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  377. 157  Naturgemäß wird das Kollisionsrecht nicht vollumfänglich obsolet. Es bleibt beispielsweise notwendig, um den Anwendungsbereich des Einheitssachrechts zu bestimmen und zur Festlegung des anwendbaren Rechts, sofern Rechtsfragen außerhalb des Anwendungsbereichs in Rede stehen oder Lücken den Rekurs auf das anwendbare Recht notwendig machen. Siehe hierzu de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/ Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 72 f. 158  Berger, Einheitliche Rechtsstrukturen durch außergesetzliche Rechtsvereinheitlichung, JZ 1999, S.  369, 370; Ferrari, Einheitsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  378. 159  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  958. 160  Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  179 f.; siehe hier­ zu auch Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  49 ff., 377 ff.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

Letztere wird deshalb auch oft als zweitbeste Lösung bezeichnet, wenn die Vereinheitlichung des Sachrechts nicht umsetzbar ist.161 Insbesondere innerhalb der Europäischen Union wird die Kollisionsrechtsvereinheitlichung zur Basisvereinheitlichung, wenn Sachrechtsvereinheitlichung aufgrund zu großer Regelungsunterschiede nicht möglich ist, und sichert so zumindest eine relative Verbesserung.162 b) Transaktionskostenreduktion Mit der Schaffung vereinheitlichten Sachrechts gehen aus ökonomischer Sicht noch weitere Vorteile einher. Einheitliches Sachrecht kann gerade die Trans­ak­tionskosten,163 die durch die Rechtsverschiedenheit entstehen, deutlich redu­ zieren.164 Zentral ist hier zunächst, dass durch Einheitsrecht die Beantwortung der kosten­intensiven Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts und des inter161  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 131; Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Introduction Rn.  14. 162  Mankowski, Europäisches Internationales Privat- und Prozessrecht im Lichte der ökonomischen Analyse, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  118, 132. Siehe für einen Überblick der Bestrebungen der Privatrechtsvereinheitlichung in Europa Martens, Ein Europa, ein Privatrecht – Die Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Europäischen Privatrechts, EuZW 2010, S.  527, 527 ff. 163  Der Fokus der Arbeit liegt lediglich auf den Kosten, die für die Parteien entstehen. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten, die insbesondere aufgrund des ressourcenintensiven Prozesses der Rechtsvereinheitlichung entstehen, bleiben außer Betracht. 164  So schon Siehr, Ökonomische Analyse des Internationalen Privatrechts, in: Festschrift für Karl Firsching zum 70. Geburtstag, 1985, S.  267, 274 f.; Kötz, Alternativen zur legislatorischen Rechtsvereinheitlichung – Einführende Bemerkungen zum gleichnamigen Symposium Hamburg 1991, RabelsZ 56 (1992), S.  215, 216; Lando, Principles of European Contract Law: An Alternative or a Persecutor of European Legislation, RabelsZ 56 (1992), S.  261, 261 ff.; Wool, Economic Analysis and Harmonised Modernisation of Private Law, 8 Uniform Law Review 2003, S.  389, 389 ff.; Leebron, Claims for Harmonization: A Theoretical Framework, 27 Canadian Business Law Journal 1996, S.  63, 76 ff. Dieses Ziel der Rechtsvereinheitlichung betont auch Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 606 f.; Kerber, Rechtseinheitlichkeit und Rechtsvielfalt aus ökonomischer Sicht, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken, 2000, S.  67, 84 f., 86; Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 104; Goode/Kronke/McKendrick, Transnatio­ nal Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  164; Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  36 ff.; Ferrari, Einheitsrecht, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  378.

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nationalen Privatrechts entbehrlich ist. Es stehen Regelungen für internationale Sachverhalte bereit, die anderenfalls unter Aufwendung von erheblichen Kosten entweder ermittelt, gewählt oder gänzlich neu formuliert werden müssten.165 Gerade für die spezifische Problematik von Transaktionen mit kleinem und mittlerem Volumen bietet Einheitsrecht also eine fruchtbare Lösung. Zusätzlich können durch Einheitsrecht Standardisierungsvorteile erzielt werden.166 Je häufiger grenzüberschreitende Transaktionen unter Anwendung internationalen Einheitsrechts abgewickelt werden, desto größer sind die Skalen­ vorteile (economies of scale), die hierdurch realisierbar werden. Mit steigender Anzahl der Transaktionen sinken damit die Kosten für jede einzelne Vertrags­ gestaltung.167 Die Parteien müssen dem Grunde nach nur mit der eigenen nationalen Rechtsordnung vertraut sein und zusätzlich mit dem Regime des interna­ tionalen Einheitsrechts.168 Die Kostenersparnisse ermöglichen es den Unternehmen, grenzüberschreitende Transaktionen vorzunehmen, die sie vorher aufgrund zu hoher Kosten unterlassen hätten, sodass insgesamt das Volumen grenzüberschreitender Handelstätigkeit angehoben werden kann.169 Weitere Kostenersparnisse kann Einheitsrecht zudem aufgrund von Kommunikationsvorteilen bewirken. Da die Akteure gleichermaßen mit den Bestimmungen des Einheitsrechts vertraut sind, ist die Kommunikation effizienter und Missverständnisse, welche ein erhebliches Risiko für Streitigkeiten bergen, können vermieden werden.170 Hierzu trägt der Umstand, dass die Instrumente oftmals in diversen offiziellen Sprachen verfügbar sind, unmittelbar bei.171 Sofern es deshalb zu weniger Rechtsstreitigkeiten kommt, ist die Kostensenkung immens.

165  Kötz, Alternativen zur legislatorischen Rechtsvereinheitlichung – Einführende Bemerkungen zum gleichnamigen Symposium Hamburg 1991, RabelsZ 56 (1992), S.  215, 216; Goode, Reflections on the Harmonisation of Commercial Law, Uniform Law Review 1991, S.  54, 72. 166  Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 511; Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1027 ff. 167  Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 511. 168  Leebron, Claims for Harmonization: A Theoretical Framework, 27 Canadian Business Law Journal 1996, S.  63, 76 ff. 169  Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 228. 170  Schwenzer, Who Needs a Uniform Contract Law, and Why?, 58 Villanova Law Review 2013, S.  723, 725 ff. 171  Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 229 f.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

c) Zwischenergebnis Sowohl rechtlich als auch ökonomisch betrachtet erscheint internationales Einheitsrecht als eine fruchtbare Lösungsalternative zur Bewältigung der rechtlichen Unsicherheiten im grenzüberschreitenden Raum.

2. Historische Entwicklung der staatlichen Rechtsvereinheitlichung Vor dem Hintergrund der konzeptionellen Vorzüge verwundert es kaum, dass seitens der Nationalstaaten schon Ende des 19. Jahrhunderts erhebliche Bestrebungen auf dem Gebiet der privatrechtlichen Rechtsvereinheitlichung zu verzeichnen waren.172 Damit ist die Idee, durch Rechtsvereinheitlichung die bestehenden rechtlichen Unsicherheiten für grenzüberschreitende Transaktionen zu überwinden, fast so alt wie das Phänomen der Globalisierung selbst.173 Dieser Fokus auf internationale Rechtsvereinheitlichung im ausgehenden 19. Jahrhundert markiert eine Neuausrichtung der Privatrechtswissenschaft, welche im starken Kontrast zur vorangegangenen Phase der Nationalisierung des Privatrechts im 18. und 19. Jahrhundert steht.174 In dieser Epoche entwickelten sich der Nationalstaat und damit die Idee von der Nationalstaatlichkeit allen Rechts zum Ideal. Die daraufhin einsetzende Kodifikationsbewegung zwischen 1734 und 1900175 führte dazu, dass in weiten Teilen Kontinentaleuropas das zuvor universell geltende Handelsgewohnheitsrecht der Kaufmannschaft verstaatlicht wurde.176 Diese innerstaatliche Rechtseinheit erzeugte jedoch RechtsverEstrella Faria, Future Dimensions of Legal Harmonisation and Law Reform: Stormy Seas or Prosperous Voyage?, 14 Uniform Law Review 2009, S.  5, 15 ff. 173  Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S.  9 ff. 174  Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 705 f. 175  Der Beginn dieser Kodifikationsbewegung wird zum Teil bereits auf das Ende des 17. Jahrhunderts datiert. So hatte in Frankreich Kardinal Colbert bereits 1673 bzw. 1681 Teilbereiche des Privatrechts durch die Ordonnance sur le commerce de terre und die Ordonnance de la marine kodifiziert. Bereits 1734 wurde das Privatrecht in Schweden kodifiziert und 1756 in Bayern, 1794 in Preußen, 1804 in Frankreich, 1811 in Österreich und 1896/1900 im Deutschen Reich. Siehe hierzu Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 705 f.; Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  14; siehe hierzu umfassend Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 1967, S.  322 ff., 458 ff. 176  Berger, Einheitliche Rechtsstrukturen durch außergesetzliche Rechtsvereinheitlichung, JZ 1999, S.  369, 371; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 49 ff.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  38; Stein, Roman Law in European History, 1999, S.  104 ff.; Calliess, The Making of Transnational Law, 14 Indiana 172 

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schiedenheit nach außen, was gerade im Hinblick auf die zunehmende grenzüberschreitende Handelstätigkeit äußerst problematisch war.177 In politischer Hinsicht erhoffte man sich zudem im Nachklang der Kriegserfahrungen, durch einen gemeinsamen Rechtsrahmen das Vertrauen und Verständnis der Nationalstaaten untereinander stärken zu können, um so den gegenseitigen Handel zu fördern und durch Kooperation letztlich potenzielle neue Konflikte und Kriege zu vermeiden.178 In der Folge war bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert die Rechtsvereinheitlichung das vornehmste Ziel der Privatrechtswissenschaft.179 Die Gründung einer Vielzahl von internationalen Organisationen mit dem Zweck der Rechtsvereinheitlichung innerhalb dieses Zeitraums spiegelt diese Zielsetzung deutlich wider.180 So wurde 1893 die Haager Konferenz für Inter­ nationales Privatrecht als erste Diskussionsplattform für die Ausarbeitung von Staatsverträgen auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts gegründet.181 Im Jahre 1926 folgte dann das Internationale Institut für Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) als Spezialorganisation des Völkerbundes.182 Nachdem sich die Bestrebungen zunächst nur auf Europa konzentriert hatten, wurde über die Jahre der Fokus auf breitgefächerte und globale Vereinheitlichungsprojekte erweitert, was eine Periode des Universalismus einläutete.183 In dieser Zeit wurde internationale Rechtsvereinheitlichung mehr oder weniger zu Journal of Global Legal Studies 2007, S.  469, 469 ff.; siehe zur Vereinheitlichung des Handelsrechts Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 1967, S.  462 ff. 177  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  38; Goode, Reflections on the Harmonisation of Commercial Law, Uniform Law Review 1991, S.  54, 54 ff.; Watkin, An Historical Introduction to Modern Civil Law, 1999, S.  132 ff. 178  Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  164. 179  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  38; Goode, Reflections on the Harmonisation of Commercial Law, Uniform Law Review 1991, S.  54, 54 ff.; siehe hierzu auch Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 705 ff. 180  Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  164, 171 ff.; Goode, Reflections on the Harmonisation of Commercial Law, Uniform Law Review 1991, S.  54, 54 ff.; Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 2 ff. 181  Vgl. , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 182 Vgl. , zuletzt abgerufen am 01.12.‌ 2017. Die Abkürzung entspringt der französischen Bezeichnung des Instituts „Institut international pour l’unification du droit privé“. 183  Basedow, Worldwide Harmonisation of Private Law and Regional Economic Integration – General Report, 8 Uniform Law Review 2003, S.  31, 31 ff.; Estrella Faria, Uniform Law and

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einem Selbstzweck: Die Frage war nicht, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen internationale Rechtsvereinheitlichung angestrebt werden sollte, sondern lediglich, wie diese zu erreichen war.184 In dieser Hinsicht wurde die Auswahl des Instruments immer wichtiger.185 Das Hauptinstrument zur Erreichung dieses Zieles war damals der völkerrechtliche Vertrag, auch internationale Konvention genannt. Auch heute noch gilt die internationale Konvention als das klassische Instrument der Rechtsvereinheitlichung.186 Durch den Abschluss von bilateralen und multilateralen Staatsverträgen wird die Verpflichtung der jeweiligen Vertragsstaaten begründet, die staatsvertraglich vorgesehenen Rechtsregeln zu ratifizieren.187 Sofern es sich dann um einen sogenannten self-executing treaty handelt, also um eine Konvention, die aus völkerrechtlicher Sicht keiner weiteren Umsetzungsmaßnahmen bedarf, um innerstaatlich Rechte und Pflichten zu erzeugen, sondern nach dem Willen der Vertragsstaaten sofort mit Unterzeichnung bindende Wirkung entfaltet, gelten die Rechtsregeln der Konvention dann unmittelbar und einheitlich innerhalb der Vertragsstaaten als Gesetzesrecht.188 Hierin liegt auch heute noch der strukturelle Hauptvorteil der internationalen Konvention gegenüber anderen Instrumenten. Nach Ratifikation realisieren sie als gültiges nationalstaatliches Recht (hard law) theoretisch den Vorteil der sofortigen Einheitlichkeit und Durchsetzbarkeit und erhöhen so die Rechtssicherheit für die Akteure.189 Im wissenschaftlichen Diskurs stieß diese Neuausrichtung auf große Zustimmung, sicherlich auch weil innerhalb der akademischen Welt der Erfolg der moFunctional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 2 ff. 184  Leebron, Claims for Harmonization: A Theoretical Framework, 27 Canadian Business Law Journal 1996, S.  63, 63; Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 4. 185  Goode, Reflections on the Harmonisation of Commercial Law, Uniform Law Review 1991, S.  54, 57 ff.; Kronke, International Uniform Commercial Law Conventions: Advantages, Disadvantages, Criteria for Choice, 5 Uniform Law Review 2000, S.  13, 13 ff.; Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 8. 186  Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  166 ff.; Kronke, International Uniform Commercial Law Conventions: Advantages, Disadvantages, Criteria for Choice, 5 Uniform Law Review 2000, S.  13, 13 ff. 187  Diese Verpflichtung richtet sich entweder nach dem Staatsvertrag selbst oder generell nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, siehe zu alledem von Arnauld, Völkerrecht, 2016, S.  82–85. 188  Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S.  20 ff. 189  Gabriel, Unidroit Principles as a Source for Global Sales Law, 58 Villanova Law Journal 2013, S.  661, 676 f.

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numentalen nationalen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts noch deutlich zu spüren war.190 So hatte sich auch die Rechtswissenschaft zur Aufgabe gemacht, eigene Antworten für die aufkommenden Herausforderungen der Internationalisierung zu suchen.191 1894 wurde die „Internationale Vereinigung für Vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre“192 gegründet und 1909 die „Internationale Vereinigung für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie“193, welche sich als erste der Ausarbeitung allgemeiner und weltweit gültiger Rechts­ prinzipien widmete.194 Die renommierte „Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht“, die 1927 von Rabel ins Leben gerufen und später nach ihm benannt wurde, ist ebenfalls Ausfluss dieser Bewegung.195 Von anfäng­lichem Optimismus und Fortschrittsglauben getragen, wurde in dieser Periode sogar die euphorische Forderung nach einem Weltprivatrecht gestellt und lange aufrechterhalten.196 Repräsentativ hierfür steht Zitelmann, der bereits 1888 in einem Vortrag in Wien „die Möglichkeit eines Weltrechts“ formulierte. Das formale Gerüst der Rechtsordnung identifizierte er als universell und machte für die bestehenden materiellen Ungleichheiten keine intrinsische Notwendigkeit aus, was zur Folge haben werde, dass sich das Privatrecht der zivilisierten Nationen mit der Zeit angleiche.197 Nachdem die Bestrebungen auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung im Laufe des 20. Jahrhunderts kriegsbedingt zeitweise zum Erliegen gekommen waren, haben die Vereinheitlichungsbemühungen im Zuge der voranschreiten190  Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 2. 191  Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2005, S.  249. 192  Ebd., S.  249 ff.; Kötz/Zweigert, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 1996, S.  57. 193  1933 wurde die Internationale Vereinigung für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie in „Internationale Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie“ umbenannt. Siehe hierzu ­, zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 194  Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2005, S.  249. 195  Ebd., S.  249; siehe hierzu auch , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 196  Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Introduction Rn.  10 ff.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  38 ff.; Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 2; Zitelmann, Die Möglichkeit eines Weltrechts: Unveränderter Abdruck der 1888 erschienenen Abhandlung mit einem Nachwort, 1916, S.  1 ff.; Kropholler, Internationales Einheitsrecht, Allgemeine Lehren, 1975, S.  22; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2005, S.  248 ff.; Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S.  13. 197  Zitelmann, Die Möglichkeit eines Weltrechts: Unveränderter Abdruck der 1888 erschienenen Abhandlung mit einem Nachwort, 1916.

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den Europäisierung und Globalisierung eine neuerliche Intensität erreicht.198 Institutionell wird heute das Ziel der Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Privatrechts von einer Vielzahl von internationalen Organisationen verfolgt. Bis heute agieren auf globaler Ebene noch UNIDROIT mit Sitz in Rom199 und die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht mit Sitz in Den Haag.200 1966/67 wurde im Nachklang des Zweiten Weltkrieges und aufgrund der Tat­ sache, dass UNIDROIT in Folge der Dekolonialisierung als zu eurozentrisch und industriestaatennah angesehen wurde, UNCITRAL (United Nations Commis­ sion on International Trade Law) mit Sitz in Wien gegründet.201 Neben kleineren branchenspezifischen Institutionen existiert heute noch eine Vielzahl regional operierender Organisationen mit ähnlicher Ausrichtung wie beispielsweise für die Vereinheitlichung des Wirtschaftsrechts in Afrika OHADA (Organisation pour l’harmonisation en Afrique du droit des affaires) mit Sitz in Yaoundé, ­Kamerun,202 in Lateinamerika MERCOSUR (Mercado Común del Sur) mit Sitz in Montevideo, Uruguay,203 und insbesondere die Europäische Union204. Der Bestand an internationalen Staatsverträgen und anderen Instrumenten zur Rechtsvereinheitlichung ist heute nahezu grenzenlos und kaum ein Bereich des internationalen Handelsrechts ist von Vereinheitlichungsbestrebungen unberührt geblieben. Es zeigt sich hierdurch eindrucksvoll, dass auch heute noch aus Sicht der Staaten ein großes Bedürfnis nach Rechtsvereinheitlichung besteht, um so einen verläss­ lichen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Handelstätigkeit zu konstituieren.205 198  Dreher, Wettbewerb oder Vereinheitlichung der Rechtsordnungen in Europa?, JZ 1999, S.  105, 160; Estrella Faria, Future Dimensions of Legal Harmonisation and Law Reform: Stormy Seas or Prosperous Voyage?, 14 Uniform Law Review 2009, S.  5, 7; Basedow, Worldwide Harmonisation of Private Law and Regional Economic Integration – General Report, 8 Uniform Law Review 2003, S.  31, 35 f.; Kötz, Contract Law in Europe and the United States: Legal Unification in the Civil Law and Common Law, 27 Tulane Law Review 2012, S.  1, 12 f. 199 Siehe für weitere Informationen , zuletzt abgerufen am 01.12.2017; siehe auch infra Drittes Kapitel III.3.a). 200  Siehe für weitere Informationen , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 201  Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1149 f.; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2005, S.  250. 202  Siehe für weitere Informationen , zuletzt abgerufen am 01.12.‌ 2017. 203 Siehe für weitere Informationen , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 204  Siehe für weitere Informationen , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 205  Schwenzer, Global Unification of Contract Law, 21 Uniform Law Review 2016, S.  60, 60 ff., 70 f.

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3. Probleme der staatlichen Rechtsvereinheitlichung Betrachtet man die Erfolge, die auf dem Gebiet der völkerrechtlichen Privatrechtsvereinheitlichung erzielt wurden, stellt sich bald Ernüchterung ein.206 Trotz der nunmehr über einhundert Jahre andauernden Bemühungen ist es lediglich gelungen, Insellösungen zu schaffen und Teilbereiche des Handelsrechts durch völkerrechtliche Verträge zu vereinheitlichen.207 Obwohl das Wiener UN-Überein­ kommen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980 (UN-Kaufrecht) als großer Erfolg der völkerrechtlichen Rechtsvereinheitlichung gefeiert wird,208 ist gleichwohl für das existierende Einheitsrecht eine fragmentarische und punktuelle Regelungsstruktur charakteristisch.209 Von einem Welthandelsrecht kann schlechthin nicht die Rede sein.210 Es ist daher mehr als fraglich, ob Einheitsrecht auch faktisch in der Lage ist, die erforderliche Rechtseinheit und Rechtssicherheit durch die Bereitstellung von global einheitlichen, bedarfsgerech­ ten Rechtsregeln zu erzeugen. Ursächlich hierfür sind diverse Probleme und Schwierigkeiten, die sowohl ex ante den Prozess der Rechtsvereinheitlichung bis zum Inkrafttreten der Konvention betreffen als auch ex post den tatsächlichen Vereinheitlichungserfolg nur schwer erreichbar machen.

Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 2; Estrella Faria, Future Dimensions of Legal Harmonisation and Law Reform: Stormy Seas or Prosperous Voyage?, 14 Uniform Law Review 2009, S.  5, 8. 207  Eine Übersicht der völkerrechtlichen Abkommen im Bereich des Privatrechts findet sich bei von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  52 ff. 208  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  60 ff.; Kronke, The UN Sales Convention, the UNIDROIT Principles and the Way Beyond, 25 Journal of Law and Commerce 2005, S.  451, 452; Sekolec, Welcome Address, 25 Years UN Convention on Contracts for the International Sale of Goods; Bonell, The CISG, European Contract Law and the Development of a World Contract Law, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  1, 4; Bridge, The CISG and the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 19 Uniform Law Review 2014, S.  624, 624; Dennis, Modernizing and Harmonizing International Contract Law: The CISG and the UNIDROIT Principles Continue to Provide the Best Way Forward, 19 Uniform Law Review 2014, S.  114, 118. Der aktuelle Status der Ratifikationen kann nachvollzogen werden unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. Siehe für einen kritischen Standpunkt zum Erfolg des UN-Kaufrechts Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 605–606. 209  Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2006, S.  96 f.; Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 7, 12. 210  Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1156. 206 

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a) Probleme der Rechtsvereinheitlichung ex ante Im Zentrum der Problematik des Vereinheitlichungsprozesses steht zum einen das sehr formalisierte Entstehungsverfahren völkerrechtlicher Verträge im Rahmen von diplomatischen Konferenzen. Zum anderen bereiten strukturelle Schwächen völkerrechtlicher Verträge insbesondere aufgrund des Ratifikationserfordernisses Schwierigkeiten. Zunächst ist die Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Vertrags sehr zeitintensiv und oftmals von ungewissem Erfolg.211 Dies liegt zuvorderst daran, dass an dem Entstehungsverfahren eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Arbeitsweisen beteiligt ist, was die Erzielung eines Konsenses auf einer diplomatischen Konferenz sehr schwierig macht.212 In der Regel haben die Staatenvertreter zudem ein großes Interesse daran, ihre eigenen rechtlichen Lösungen zu fördern. Alleine aufgrund solcher machtpolitischen Erwägungen kann es deshalb mitunter Jahre dauern, bis ein Staatsvertrag ausgearbeitet und verabschiedet wird.213 Je umfangreicher ein Vereinheitlichungsprojekt dann ist, desto schwieriger wird es, überhaupt einen Erfolg zu erzielen. Aus diesem Grunde werden daher zumeist Insellösungen von geringerem Regelungs­ umfang geschaffen. Damit bleibt internationales Einheitsrecht wie ein „bunt­ gewirkter Flickenteppich“214 strukturell fragmentarisch.215

211  Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 1, 5 ff.; Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  202 ff. 212  So hat es über 25 Jahre gedauert, bis das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf (CISG) in Kraft getreten ist. Vgl. Hartkamp, Modernisation and Harmonisation of Contract Law: Objectives, Methods and Scope, 8 Uniform Law Review 2003, S.  81, 83; Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1151–1152; Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 10; Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 45. 213  Hartkamp, Modernisation and Harmonisation of Contract Law: Objectives, Methods and Scope, 8 Uniform Law Review 2003, S.  81, 83; Estrella Faria, Future Dimensions of Legal Harmonisation and Law Reform: Stormy Seas or Prosperous Voyage?, 14 Uniform Law Review 2009, S.  5, 9. 214  Herber, Gedanken zur internationalen Vereinheitlichung des Seerechts, in: Festschrift für Rolf Stödter zum 70. Geburtstag, 1979, S.  55, 56. 215  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 222; siehe zu diesem Problem in Bezug auf das UN-Kaufrecht Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 609 f.

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Die begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen hemmen zusätzlich die Arbeit innerhalb der intergovernmentalen Organisationen und der diploma­ tischen Konferenzen, in denen die Verträge ausgearbeitet werden.216 So ist die Ausrichtung einer diplomatischen Konferenz sehr kostenintensiv, da neben Reise- und Verpflegungskosten für die Gesamtheit der Staatenvertreter aufgrund von zumeist zwei oder mehr Verhandlungssprachen noch beachtliche Übersetzungskosten anfallen. Darüber hinaus ist die Zeit, die den Staatenvertretern für die Konferenz zur Verfügung steht, in der Regel durch diverse andere Verpflichtungen notwendigerweise begrenzt.217 All diese Faktoren mindern die Frequenz der Konferenzen, sodass Ergebnisse nur schwerlich und, wenn überhaupt, über lange Zeiträume hin erzielt werden können. Es fehlt zudem die Zeit für ausgiebige Diskussionen, was sich direkt auf die Qualität des Instruments auswirkt.218 Hinzu tritt, dass es den Staatenvertretern auf den diplomatischen Konferenzen oftmals schwerfällt, Aspekte des Privatrechts abstrakt und nur anhand von ökonomischen, technischen oder rechtlichen Kategorien zu diskutieren. Sie sehen das Privatrecht vielmehr als Teil ihrer nationalen Souveränität, was eine neutrale Auseinandersetzung mit den Lösungen hemmt.219 Sofern eine Einigung gelingt, ist diese deshalb zumeist das Ergebnis eines Kompromisses aus den unterschiedlichen Rechtstraditionen, spiegelt aber nicht zwangsläufig die Bedürfnisse der Akteure wider.220 Für den Erfolg des Instruments ist es aber besonders wichtig, dass es inhaltlich auf die Bedürfnisse der Adressaten zugeschnitten ist. Um dies zu gewährleisten, wäre eine Beteiligung der betreffenden privaten Organisationen wie Handelskammern oder Branchenvereinigungen am Entwurf und der Ausarbeitung der Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1151 f.; Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  209 f. 217  Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1151 f. 218  Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 47. 219  Kronke, International Uniform Commercial Law Conventions: Advantages, Disadvan­ tages, Criteria for Choice, 5 Uniform Law Review 2000, S.  13, 17; Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1152. 220  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschafts­ recht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 220; Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 113 f.; Hobhouse, International Conventions and Commercial Law: The Pursuit of Uniformity, 106 Law Quarterly Journal 1990, S.  530, 533. 216 

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

Konvention essentiell, um so die Expertise der Praxis zu integrieren.221 In der Vergangenheit erhielten Vertreter der Handelsorganisationen aber regelmäßig ­lediglich den Status als Beobachter auf internationalen Konferenzen und ihr ­Nutzen wurde primär darin gesehen, das Instrument in der jeweiligen Branche publik zu machen. Heute betonen zwar viele Kommentatoren die Wichtigkeit der Expertise der betreffenden Organisationen des Handels.222 Inwieweit aber die Belange der Praxis tatsächlich im Instrument Berücksichtigung finden, bleibt offen und kann, sofern dies nicht gewährleistet ist, die Brauchbarkeit des Instruments in Frage stellen.223 Es besteht jedenfalls die unmittelbare Gefahr, dass die legislatorische Rechtsvereinheitlichung Normen am Bedarf vorbeiproduziert.224 Die zweite Problematik in der Vorstufe betrifft das Ratifikationserfordernis der internationalen Konvention. So hängt die Verbindlichkeit eines völkerrechtlichen Vertrags in der Regel von der Ratifikation durch die Mitgliedstaaten ab. Die Ratifikation unterbleibt aber oft, was unter anderem mit dem Souveränitäts­ verzicht, der mit der Ratifikation einhergeht, erklärt werden kann.225 Dies zeigt recht anschaulich die Erfolgsbilanz von UNIDROIT. Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums von UNIDROIT konstatierte Kronke diesbezüglich im Jahre 2001, dass von insgesamt 70 Studien und Konventionsentwürfen lediglich 17 Konventionen überhaupt in Kraft getreten sind.226 So fristet beispielsweise die 1983 Geneva Convention on Agency in International Sale of Goods227 aufgrund mangelnder Ratifikationszahlen ein Dasein als sogenannte „dead letter“-Konvention.228 Dies bedeutet aber nicht, dass zumindest diese 17 tatsächlich in Kraft getretenen Konventionen von allen derzeit 63 UNIDROIT Mitgliedstaaten229 ratifiziert wur221  Goode, Rule, Practice, and Pragmatism in Transnational Commercial Law, 54 Internatio­ nal and Comparative Law Quarterly 2005, S.  539, 559 f. 222  Dies ist beispielsweise bei UNIDROIT der Fall, siehe hierzu Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1151. 223  Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 46. 224  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschafts­ recht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 220. 225  Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1150, 1152. 226  Ebd., S.  1150. 227  Siehe für den Ratifikationsstatus der Konvention , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 228  Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1150; Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 45. 229  Stand 01.12.2017, vgl. , zuletzt abgerufen am 01.12.2017.

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den. Die Bilanz wird noch weiter dadurch getrübt, dass für das Inkrafttreten einer Konvention nur die Ratifikation durch eine bestimmte Mindestanzahl von Staaten nötig ist. Liegt diese beispielsweise nur bei fünf Staaten, zeigt sich sofort, dass ein Rückschluss von der Anzahl der in Kraft getretenen Konventionen auf den Vereinheitlichungserfolg nicht möglich ist.230 Aber selbst eine hohe Anzahl von Ratifikationen sagt noch wenig über die faktische Vereinheitlichung aus, wenn nämlich gerade die großen Exportnationen die in Rede stehende Konvention nicht ratifizieren.231 b) Anwendung des Einheitsrechts in der Praxis ex post Nach der Ratifikation einer Konvention ist zudem nicht gewiss, dass das inter­ nationale Einheitsrecht die Funktion der Erzeugung von Rechtseinheit dauerhaft erfüllt. Dies liegt insbesondere an der natürlichen Fortentwicklung der Verträge durch die Rechtsprechung und an den sich ändernden tatsächlichen Gegeben­ heiten. Grundsätzlich kann das Einheitsrecht nämlich nur dann seine Funktion dauerhaft erfüllen, wenn es auch einheitlich ausgelegt wird.232 Dort, wo aber Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe der Auslegung durch den Richter bedürfen, ist die Gefahr von Auslegungsdivergenzen und in der Folge eine „De-Unifikation“ allgegenwärtig.233 Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn das Einheitsrecht von den Parteien abgewählt werden kann wie das UN-Kaufrecht. Zwar gilt das UN-Kaufrecht unmittelbar, sofern sein Anwendungsbereich eröffnet ist, jedoch steht es 230  Der Status der Konventionen von UNIDROIT ist einsehbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 231  Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 45. 232  Siehe hierzu Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005; Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004, S.  79 ff., siehe zum Problem der in der Spruchpraxis staatlicher Gerichte nicht immer erfolgenden autonomen Auslegung des UN-Kaufrechts Ferrari, „Heimwärts- und Auswärtsstreben“ in der Rechtsprechung zum UN-Kaufrecht, in: Blaurock/Maultzsch (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und Vereinheitlichung der Rechtsanwendung, 2017, S.  47, 56 ff. 233  Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1150; Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 7; siehe für die Problematik der einheitlichen Auslegung des UN-Kaufrechts Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), ­International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 607–609; Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Trans­actions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and ­Trade Law, 2011, S.  103, 115 f.

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den Parteien frei, die Rechtsregeln teilweise oder insgesamt abzuwählen, was zumindest bis in die jüngste Vergangenheit als gängige Praxis beschrieben wurde.234 In den ersten Jahren nach Inkrafttreten existiert naturgemäß noch keine Rechtsprechung zu offenen Rechtsfragen und Generalklauseln, die für mehr Rechtssicherheit bei den Parteien sorgen könnte, was eine mögliche Erklärung für die regelmäßige Abwahl des UN-Kaufrechts ist.235 Erst etwa 25 Jahre nach seinem Inkrafttreten wurde dann eine Änderung dieser Praxis verzeichnet. Durch den Anstieg von Rechtsprechung, Literatur und rechtlicher Expertise stieg auch die Rechtssicherheit für die Parteien und damit die Bereitschaft, internationale Verträge dem UN-Kaufrecht zu unterstellen.236 Hier offenbart sich ein strukturelles Problem nach dem Inkraftreten völkerrechtlicher Verträge. Generalklauseln und offene Rechtsbegriffe bedürfen der näheren Auslegung durch die Gerichte, um Rechtsunsicherheit zu vermindern. Dies kann, wie im Fall des UN-Kaufrechts aufgrund des optionalen Charakters, mitunter Jahrzehnte dauern. Mit wachsender Rechtsprechung zu Fragen des völkerrechtlichen Vertrags wird dann aber die Gefahr von Auslegungsdivergenzen durch die nationalen Gerichte immer deutlicher. Für das UN-Kaufrecht, welches hier repräsentativ für eine Vielzahl internationaler Konventionen oder anderer Instrumente steht, existiert keine übergeordnete Instanz, die über Auslegungs­ fragen entscheiden könnte.237 Piltz, UN-Kaufrecht/CISG – Was spricht dagegen?, ZVertriebsR 2017, S.  138, 139; ­ onell, The CISG, European Contract Law and the Development of a World Contract Law, 56 B American Journal of Comparative Law 2008, S.  1, 4 ff.; Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 609; siehe für diesbezügliche empirische Studien Koehler, Survey Regarding the Relevance of the United Nations Convention for the International Sale of Goods in Legal Practice and the Exclusion of Its Application; Cuniberti, Is the CISG Benefitting Anybody?, 39 Vanderbilt Journal of Transnational Law 2006, S.  1511; Schroeter, To Exclude, to Ignore, or to Use? Empirical Evidence on Courts’, Parties’ and Counsels’ Approach to the CISG, in: DiMatteo (Hrsg.), The Global Challenge of International Sales Law, 2014, S.  1. 235  Bonell, The CISG, European Contract Law and the Development of a World Contract Law, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  1, 4 ff.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas, in: Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas (Hrsg.), CISG Commentary, 2018, Introduction Rn.  39 f. 236  Bonell, The CISG, European Contract Law and the Development of a World Contract Law, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  1, 4–5; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas, in: Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas (Hrsg.), CISG Commentary, 2018, Introduction Rn.  41–44. 237  Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 607–609; siehe zur Frage der einheitlichen Auslegung ­internationalen Einheitsrechts grundsätzlich Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S.  31 ff.; Schwenzer, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Einleitung S.  6 ff. 234 

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Eng mit diesem Punkt verknüpft ist das Problem möglicher Lücken innerhalb der Konvention. Kein Instrument kann ein ganzes Rechtsgebiet vollumfänglich regeln, sodass für Lücken im Zweifel auf nationales Recht zurückgegriffen werden muss. Hier muss insbesondere zwischen externen und internen Lücken unterschieden werden.238 Externe Lücken sind solche, die explizit nicht mehr vom Anwendungsbereich der Konvention umfasst sind, wohingegen interne Lücken sich auf solche Aspekte beziehen, die zwar im Instrument behandelt werden, aber dort nicht erschöpfend geregelt werden.239 Grundsätzlich sind diese internen Lücken durch Rekurs auf die Grundsätze und Prinzipien des Instruments zu lösen, und nur als ultima ratio kann auf das nationale Recht zurückgegriffen werden.240 Die Versuchung, zu früh auf das eigene Recht zurückzugreifen, ist für nationale Gerichte natur­ gemäß groß, was eine große Gefahr für das Instrument birgt, dass Regelungen innerhalb der verschiedenen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt werden241 und die einmal erreichte Einheitlichkeit so zerstört wird. Aber auch externe ­Lücken bereiten erhebliche Probleme. Das UN-Kaufrecht lässt beispielsweise gemäß Art.  4 UN-Kaufrecht die Frage der Wirksamkeit des Vertrags aus. Auch eigentumsrechtliche Aspekte sind nicht vom Anwendungsbereich umfasst.242 Diese Fragen sind dann erneut vom kollisionsrechtlich zu bestimmenden anwendbaren nationalen Recht zu beantworten. Dieser Umstand wird als ein Haupt­grund angesehen, weshalb die Parteien eine nationale Rechtsordnung dem UN-Kauf238  Siehe zum Problem der Lückenfüllung in Bezug auf das UN-Kaufrecht das Werk von Schmid, Das Zusammenspiel von Einheitlichem UN-Kaufrecht und nationalem Recht: Lückenfüllung und Normenkonkurrenz, 1996; siehe hierzu auch Art.  7 Abs.  2 Alt.  1 und Alt.  2 UN-Kaufrecht und hierzu Ferrari, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Art.  7 Rn.  4 ff. 239  Schmid, Das Zusammenspiel von Einheitlichem UN-Kaufrecht und nationalem Recht: Lückenfüllung und Normenkonkurrenz, 1996, S.  29 ff., 53 ff.; Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 119 ff. 240  Ferrari, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Art.  7 Rn.  41, 57 f. 241  Twigg-Flesner, Some Thoughts on the Harmonisation of Commercial Law and the Impact on Cross-Border Transactions, in: Twigg-Flesner/Villalta Puig (Hrsg.), The Boundaries of Commercial and Trade Law, 2011, S.  103, 119 ff.; Juenger, The Lex Mercatoria and Private International Law, 60 Louisiana Law Review 2000, S.  1133, 1145; diese Gefahr für das UN-­ Kaufrecht sieht auch Schwenzer, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Einleitung, S.  6 f. 242  Ferrari, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Art.  4 Rn.  12 ff., 29 ff.; Achilles, in: Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskom­ mentar zum Handelsgesetzbuch, 2015, nach 382 HGB Art.  4 CISG Rn.  1 ff.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

recht vorziehen, wenngleich erstere für internationale Sachverhalte weniger geeignet ist. Sie entscheiden sich lieber für ein ganzheitliches nationales Rechts­ regime, als dass sie ihre vertragliche Beziehung durch Regelungsfragmente ­unterschiedlichen Ursprungs regeln lassen, selbst wenn diese Fragmente von besserer Qualität sein mögen.243 Ein besonderes Problem des Einheitsrechts resultiert aus dem Vertragsänderungsverfahren, welches beispielsweise zur Anpassung an geänderte ökonomische oder technische Umstände notwendig sein kann.244 Für jede Vertragsänderung ist eine erneute Beschlussfassung erforderlich und im Anschluss muss jeder einzelne Mitgliedstaat die geänderte Fassung abermals ratifizieren, damit diese wieder innerstaatliche Wirksamkeit entfaltet. Sollte hierbei von 20 Konventionsstaaten beispielsweise die Hälfte nicht ratifizieren, ist nicht nur eine einheitliche Anpassung missglückt. Schlimmer noch wird hierdurch ein Mehr an Rechts­ pluralität geschaffen, was in hohem Maße kontraproduktiv für das Ziel der Schaffung von Rechtseinheit ist. Aus diesem Grund unterbleiben notwendige Vertrags­ anpassungen oftmals245 und man spricht von einer Versteinerung des Rechts.246 c) Neuere Entwicklungen der Rechtsvereinheitlichung In Anbetracht der aufgezeigten Probleme haben auch die internationalen Organisationen reagiert. Seit Mitte der 1990er Jahre unterliegt die traditionelle Rechtsvereinheitlichung einem voranschreitenden Perspektivenwechsel.247 Wurde früher Rechtsvereinheitlichung mehr oder weniger mit der top-down-Methodik der internationalen Konvention gleichgesetzt, verkörpert die Disziplin heute ein offeneres und flexibleres Konzept. Der Begriff der Rechtsvereinheitlichung wurde durch das Konzept der Rechtsharmonisierung angereichert, um auf die Schwierigkeiten der traditionellen Rechtsvereinheitlichung zu reagieren.248 Diese Neu243  Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 609 f. 244  Kronke, International Uniform Commercial Law Conventions: Advantages, Disadvan­ tages, Criteria for Choice, 5 Uniform Law Review 2000, S.  13, 18. 245  So haben weder UNIDROIT noch UNCITRAL ihre Instrumente bislang revidiert. Siehe hierzu Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005, S.  29. 246  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 221; Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1150. 247  Estrella Faria, Future Dimensions of Legal Harmonisation and Law Reform: Stormy Seas or Prosperous Voyage?, 14 Uniform Law Review 2009, S.  5, 11 ff.; Kronke, From International Uniform Conventions to Model Laws – From Guides to Principles: The Choice of Approach, in: Perret/Bisson/Mariani (Hrsg.), The Evolution of Legal Systems, 2002, S.  285, 285 ff. 248  Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along

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ausrichtung beinhaltet sogar eine Veränderung im Hinblick auf das zugrunde liegende Ziel der Rechtsvereinheitlichung.249 Insbesondere durch den Einfluss des economic oder commercial approach250 im Sinne der ökonomischen Analyse des Rechts wird Rechtsvereinheitlichung heute nicht mehr als Selbstzweck betrachtet. Es wird eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Ob und Wie der Rechtsvereinheitlichung im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung gefordert, was insbesondere eine kritische Auswahl des richtigen Instruments erfordert.251 Gab es früher als Instrument zur Rechtsvereinheitlichung nur die internationale Konvention, steht den internationalen Organisationen heute eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung.252 Neben den Staatsvertrag sind sogenanntes staatszentriertes soft law253 und andere optionale Instrumente getreten, wie beispielsweise Modellgesetze, die nicht primär darauf gerichtet sind, von den Staaten ratifiziert zu werden, sondern vielmehr je nach den individuellen Bedürfnissen der Staaten als Vorlage für Reformen genutzt werden können.254 the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 5. 249  Ebd., S.  5. 250  Kronke, Der Commercial Approach in der Rechtsangleichung und das Internationale Privat- und Verfahrensrecht, in: Festschrift für Dieter Henrich zum 70. Geburtstag, 2000, S.  385, 385 ff. 251  Kronke, Transnational Commercial Law: General Doctrines, Thirty Years On, in: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, S.  39, 41 ff.; Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 8; Leebron, Claims for Harmonization: A Theoretical Framework, 27 Canadian Business Law Journal 1996, S.  63, 65. 252  Kronke, Transnational Commercial Law: General Doctrines, Thirty Years On, in: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, S.  39, 41 ff.; Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 43 ff. 253 Hierzu gehören beispielsweise guides, Empfehlungen, Modellverträge und Modell­ klauseln, siehe für eine Übersicht Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 5; sowie Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  168 ff. 254  Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 8; Kronke, Transnational Commercial Law: General Doctrines, Thirty Years On, in: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, S.  39, 41 ff.; Veneziano, The Soft Law Approach to Unification of International Commercial Contract Law: Future Perspectives in Light of UNIDROIT’s Experience, 58 Villanova Law Review 2013, S.  521, 524 f.; Gabriel, Unidroit Principles as a Source for Global Sales Law, 58 Villanova Law Journal 2013, S.  661, 667 ff.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

Die internationalen Organisationen scheinen erkannt zu haben, dass die internationale Konvention als Instrument heute nur noch in solchen Bereichen ein­ gesetzt werden sollte, die einen sehr hohen Grad an Einheitlichkeit erfordern. In allen anderen Bereichen sind andere weniger ambitionierte Instrumente vorzugswürdig, allerdings um den Preis, dass nur ein Mindestmaß an Harmonisierung erzielt werden kann.255 d) Zwischenergebnis Kurz gesagt, ist die völkerrechtliche Rechtsvereinheitlichung insgesamt sehr mühsam.256 Obwohl der Grundgedanke einheitlicher Regelungen als fruchtbare Lösungsstrategie überzeugt, scheint aus rein tatsächlicher Sicht die Umsetzung problematisch. So hat staatliches Einheitsrecht zwar den Vorteil, dass es als innerstaatliches Recht bindend ist und so die erstrebte Rechtseinheit erzielen kann.257 Das Ziel der Vereinheitlichungsbemühungen wird aber oft nicht erreicht und die Wirkungen sind komplex und zweischneidig. Gerade für den Bereich des sich schnell wandelnden Wirtschaftsverkehrs bezweifeln Stimmen in der Literatur so schon dem Grundsatz nach, dass es überhaupt möglich ist, effektives und bedarfsgerechtes Einheitsrecht für das sich schnell wandelnde law in action des grenzüberschreitenden Handels258 zu produzieren.259 Sofern ein Vereinheitlichungserfolg tatsächlich erzielt werden konnte, ist dieser durch die Gefahr unterschiedlicher Auslegungen vor staatlichen Gerichten in der Praxis stets unmittelbar bedroht. Rechtsvereinheitlichung ist damit weder ein Wert an sich, noch ist legislatorische Rechtsvereinheitlichung in jedem Fall ein praktikables Mittel.260 Diese Erkenntnis spiegeln auch gerade die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung wider. Die Abkehr von der Leitmaxime der 255  Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 43 ff.; Estrella Faria, Uniform Law and Functional Equivalence: Diverting Paths or Stops along the Same Road? Thoughts on a New International Regime for Transport Documents, 2 Elon Law Review 2011, S.  1, 8. 256  Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 2. 257  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.1.; Gabriel, Unidroit Principles as a Source for Global Sales Law, 58 Villanova Law Journal 2013, S.  661, 676. 258  Berger, Einheitliche Rechtsstrukturen durch außergesetzliche Rechtsvereinheitlichung, JZ 1999, S.  369, 373; Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, ­RabelsZ 50 (1986), S.  1, 9. 259  Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 9 ff.; in Bezug auf das staatliche Rechtssystem Hadfield, Privatizing Commercial Law, Regulation Magazin 2001, S.  40, 44. 260  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 223.

IV. Alternative Lösungsstrategien

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internationalen Konventionen hin zu sogenannten soft law-Instrumenten261 und einer damit einhergehenden starken Hybridisierung der Rechtsregeln ist gerade Ausdruck der immensen Schwierigkeiten der Rechtsvereinheitlichung in der Vergangenheit.262 Die strukturellen Vorteile, die dem Einheitsrecht als hard law inhärent sind, realisieren sich in der Praxis zumeist nicht.

IV. Alternative Lösungsstrategien Die Bestrebungen auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung leiden also an strukturellen Problemen, weshalb der Idealzustand der Rechtseinheit bis heute eher einer Utopie gleicht263 als einem realistischen Regelungsziel. Aber auch das Regelungsziel als solches wird in jüngerer Zeit im juristischen Diskurs massiv in Frage gestellt und der Wert von Rechtsvielfalt betont.264 Dies gilt insbesondere für die Debatte um einen Wettbewerb der Rechtsordnungen, die ausgehend vom US-amerikanischen Gesellschaftsrecht seit fast zwei Jahrzehnten in nahezu jedes Rechtsgebiet Einzug gehalten hat.

1. Wettbewerb der Rechtsordnungen Der Diskurs über die Vor- und Nachteile von zentraler Regelsetzung steht jüngst in einem engen Zusammenhang mit der Diskussion um einen Wettbewerb der Rechtsordnungen, der konzeptionell Dezentralität und Vielfalt voraussetzt.265 Gegen das Konzept der Rechtsvereinheitlichung wird nun vorgebracht, dass hierdurch gerade in einigen Bereichen des Wirtschaftsrechts der wünschenswerte Wettbewerb der Rechtsordnungen ausgeschaltet wird266 und damit gleicher261  Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 43 ff. 262  Basedow, Uniform Law Conventions and the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 1 Uniform Law Review 2000, S.  129, 129 ff. 263  So bereits Wieland, Rechtsquellen und Weltrecht, 1934, S.  473. 264  Kronke, Irrtümer und Einsichten zur Rechtsvereinheitlichung: Die Beispiele des Zivilverfahrens und des Wertpapierdepotrechts, in: Festschrift für Ralf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1647, 1649 f. 265  Kerber, Transnational Commercial Law, Multi-level Legal Systems, and Evolutionary Economics, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2008, S.  297, 303 ff.; siehe zu den Vor- und Nachteilen zentraler und dezentraler Regelsetzung Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 511 ff. 266  Siehe hierzu bereits Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 9 ff.; Behrens, Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsvereinheitlichung, RabelsZ 50 (1986), S.  19, 26 ff.; Kronke, Ziele – Methoden,

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

maßen die potenziellen positiven Effekte, die einem solchen Wettbewerb zugeschrieben werden.267 Anstatt weiter Bestrebungen auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung ­voranzutreiben, solle man vielmehr auf einen Wettbewerb der unterschiedlichen Rechtsordnungen untereinander setzen, mit der Folge, keine weitere Rechtsangleichung mehr vorzunehmen und bestehende Vereinheitlichungen möglicherweise sogar rückgängig zu machen.268 a) Das Konzept eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen Hinter dem Konzept eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen269 steht in Anlehnung an das ökonomische Paradigma eines Wettbewerbskreislaufs die Idee, dass sich im Rahmen des Wettbewerbs das effizienteste Recht durchsetzt. Auf einem „Rechtsmarkt“270 ist also das Recht selbst zum Produkt geworden.271 Wie auf Produktmärkten wählen nun Gesellschaften und Individuen dasjenige „Rechtsprodukt“ aus, welches für die eigenen Interessen am vorteilhaftesten ist.272 Dogmatisch ermöglicht wird dies durch den Mechanismus der Parteiautonomie im Kollisionsrecht, welcher den Parteien eine nahezu unbegrenzte Wahlmöglichkeit eröffnet.273 Die Nationalstaaten als Anbieter reagieren ihrerseits auf die Zu- oder Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149, 1152–1153. Kritisch Dreher, Wettbewerb oder Vereinheitlichung der Rechtsordnungen in Europa?, JZ 1999, S.  105, 108 ff.; Sykes, Regulatory Competition or Regulatory Harmonization? A Silly Question?, 3 Journal of International Economic Law 2000, S.  257, 259 ff.; Kerber, Rechtseinheitlichkeit und Rechtsvielfalt aus ökonomischer Sicht, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken, 2000, S.  67, 67 ff. 267  Kerber, Transnational Commercial Law, Multi-level Legal Systems, and Evolutionary Economics, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2008, S.  297, 303 ff.; Kerber, Rechtseinheitlichkeit und Rechtsvielfalt aus ökonomischer Sicht, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken, 2000, S.  67, 67 ff. 268  Kieninger, Rechtsentwicklung im Wettbewerb der Rechtsordnungen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  72, 72. 269  Kieninger, Wettbewerb der Rechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt, 2002; ­Dreher, Wettbewerb oder Vereinheitlichung der Rechtsordnungen in Europa?, JZ 1999, S.  105; Eidenmüller, Recht als Produkt, JZ 2009, S.  641, 641 ff.; siehe hierzu auch Vogenauer, Regulatory Competition Through Choice of Contract Law and Choice of Forum in Europe: Theory and Evidence, 21 European Review of Private Law 2013, S.  13, 14 ff. sowie die Beiträge in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013. 270  O’Hara/Ribstein, The Law Market, 2009. 271  Romano, Law as a Product, 1 Journal of Law, Economics and Organisation 1985, S.  225; Eidenmüller, Recht als Produkt, JZ 2009, S.  641. 272  Vgl. Vogenauer, Regulatory Competition Through Choice of Contract Law and Choice of Forum in Europe: Theory and Evidence, 21 European Review of Private Law 2013, S.  13, 14 f. 273  O’Hara/Ribstein, The Law Market, 2009, S.  65 ff.

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Abwahl ihrer „Rechtsprodukte“, indem sie ihr Angebot in Richtung der Nach­ fragerpräferenzen anpassen.274 Als Ergebnis dieses Wettbewerbsprozesses wird ein Absinken des regulatorischen Standards (race to the bottom) ebenso befürchtet, wie eine diesbezügliche Verbesserung (race to the top) vorhergesagt wird.275 Obwohl die Existenz einer wie auch immer gearteten Reaktion der Anbieter stark umstritten ist,276 zeichnet der sogenannte battle of the brochures277 augenscheinlich nach, dass sich die Nationalstaaten als in einer Wettbewerbssituation befindlich betrachten.278 Im Jahre 2007 startete die Law Society of England and Wales mit der Broschüre „England and Wales: Jurisdiction of Choice“279 eine Werbekampagne für das eigene Rechtssystem. In dieser Broschüre werden die Vorzüge des englischen Rechts und Gerichtssystems für potenzielle Nutzer herausgestellt,280 was Deutschland nicht unbeantwortet lassen konnte. Ähnlich pla274  Kieninger, Rechtsentwicklung im Wettbewerb der Rechtsordnungen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  72, 79; Kerber, European Systems of Private Laws: An Economic Perspective, in: Cafaggi/Muir Watt (Hrsg.), Making European Private Law: Governance Design, 2008, S.  64, 81. 275  Für eine ausführliche Analyse der Voraussetzungen eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen im europäischen Kontext siehe Kieninger, Wettbewerb der Rechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt, 2002, S.  9 ff. 276 Siehe hierzu die gegensätzlichen Ansätze von Vogenauer, Regulatory Competition ­Through Choice of Contract Law and Choice of Forum in Europe: Theory and Evidence, 21 European Review of Private Law 2013, S.  13, 13 ff., und Rühl, Regulatory Competition in Contract Law: Empirical Evidence and Normative Implications, 9 European Review of Contract Law 2013, S.  61, 61 ff.; siehe auch Mankowski, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), European Commentaries on Private International Law – Rome I Regulation, 2017, Art.  3 Rome I Rn.  42–47. 277  Eidenmüller, Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, in: Eiden­müller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  1, 1 ff.; Vogenauer, Regulatory Competition Through Choice of Contract Law and Choice of Forum in Europe: Theory and Evidence, 21 European Review of Private Law 2013, S.  13, 30 ff. 278  Triebel, Der Kampf ums anwendbare Recht, Anwaltsblatt 2008, S.  305, 305 ff.; Kamphausen, Bündnis für das deutsche Recht – eine Aufgabe für den Deutschen Richterbund!, DRiZ 2009, S.  2; Calliess/Hoffmann, Justizstandort Deutschland im globalen Wettbewerb, Anwaltsblatt 2009, S.  52; Calliess/Hoffmann, Effektive Justizdienstleistungen für den globalen Handel, ZRP 2009, S.  1; Kötz, Deutsches Recht und Common Law im Wettbewerb – Law made in Germany: Wirklich ein Vorteil für Unternehmen?, Anwaltsblatt 2010, S.  1; Wernicke, „Law – Made in Germany“: Von der Selbstvergewisserung zum rechtspolitischen Ziel der 18. Legislaturperiode, ZRP 2014, S.  34; Straw, Forword, in: Law Society of England and Wales (Hrsg.), England and Wales: The jurisdiction of choice; siehe hierzu auch Eidenmüller, The Trans­ national Law Market, Regulatory Competition, and Transnational Corporations, 18 Indiana Journal of Global Legal Studies 2011, S.  707, 707 f. 279  Die Broschüre ist verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.‌2017. 280  Kötz, Deutsches Recht und Common Law im Wettbewerb – Law made in Germany: Wirklich ein Vorteil für Unternehmen?, Anwaltsblatt 2010, S.  1, 1 ff.; Eidenmüller, Regulatory

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kativ konterte im Jahre 2009 das Bündnis für das deutsche Recht, welches sich aus dem Bundesjustizministerium und juristischen Berufsverbänden aus Deutschland zusammensetzt, mit der Werbebroschüre „Law – Made in Germany – global, effektiv, kostengünstig“.281 Darüber hinaus analysieren und bewerten Institutionen, wie das World Economic Forum und die Weltbank, die Qualität des Rechts in den unterschiedlichen Staaten. Die Ergebnisse werden in Rankings veröffentlicht, welche alleine durch ihre Namen wie „Global Competitiveness Report“282 und „Doing Business Report“283 das Bestehen eines globalen Wettbewerbs der Rechtsordnungen indizieren.284 Historisch geht das Konzept um einen Wettbewerb der Rechtsordnungen auf Tiebout zurück, der 1956 in seinem Aufsatz „A Pure Theory of Local Expenditure“285 einen Wettbewerb zwischen Kommunen um Steuerzahler als ein Modell für effiziente Allokation von öffentlichen Gütern formulierte. Damit legte er den Grundstein für das Konzept eines effizienten Steuerwettbewerbs.286 Im Privatrecht konzentrierte sich die Debatte zunächst auf das US-amerikanische Gesellschaftsrecht.287 Der Umstand, dass nach dem US-amerikanischen Gesellschaftsrecht auf eine Gesellschaft das Recht des Gründungsstaates angewendet wird, bewirkte einen Wettbewerb zwischen den Einzelstaaten der USA.288 Heute lassen Statistiken den Schluss zu, dass Delaware als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgegangen ist, da etwa 60 % aller Gesellschaften in Delaware inkorporiert sind.289 Competition in Contract Law and Dispute Resolution, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  1, 1. 281  Die Broschüre ist verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 282  Verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 283 Verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 284  Eidenmüller, The Transnational Law Market, Regulatory Competition, and Transnational Corporations, 18 Indiana Journal of Global Legal Studies 2011, S.  707, 714 ff. 285  Tiebout, A Pure Theory of Local Expenditures, 64 Journal of Political Economy 1956, S.  416. 286  Kerber/Vanberg, Institutional Competition among Jurisdictions: An Evolutionary Ap­ proach, 5 Constitutional Political Economy 1994, S.  193, 205 ff. 287  Romano, Law as a Product, 1 Journal of Law, Economics and Organisation 1985, S.  225; Cary, Federalism and Corporate Law: Reflections upon Delaware, 83 Yale Law Journal 1974, S.  663; O’Hara/Ribstein, The Law Market, 2009, S.  107 ff.; Eidenmüller, The Transnational Law Market, Regulatory Competition, and Transnational Corporations, 18 Indiana Journal of Global Legal Studies 2011, S.  707, 716 ff. 288  Siehe für weitere Details O’Hara/Ribstein, The Law Market, 2009, S.  107 ff. 289  Eidenmüller, The Transnational Law Market, Regulatory Competition, and Transnational Corporations, 18 Indiana Journal of Global Legal Studies 2011, S.  707, 712 ff.; siehe auch

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Obwohl die Existenz eines Wettbewerbs in diesem Kontext mit einiger Sicherheit bescheinigt werden kann,290 sind die Folgen seit jeher Gegenstand von Diskussionen. Zu Beginn stand der sogenannte Delaware effect sinnbildlich für die Idee eines regulatorischen race to the bottom: Gesellschaften wählen dasjenige Recht aus, welches die niedrigsten Standards enthält und die Einzelstaaten ­reagieren aufgrund diverser finanzieller Anreize mit einer Absenkung der Standards.291 Dieses Konzept wurde in den 1980er und 1990er Jahren angezweifelt und ganz gegensätzlich aufgrund der hohen Spezialisierung Delawares ein regulatorisches race to the top konstatiert.292 Heute scheint der Wettbewerb, nachdem sich Delaware auf dem Markt durchgesetzt hat, größtenteils zum Erliegen gekom­men zu sein. Delaware muss nun lediglich dafür Sorge tragen, dass es keinen neuerlichen Wettbewerb durch den Erlass neuer, unakzeptabler Regelungen auslöst.293 Im europäischen Kontext wurden die Tore für einen Wettbewerb auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts erst durch eine Reihe von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geöffnet,294 welcher der Sitztheorie als im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit stehend eine Absage erteilt hat.295 Bar-Gill/Barzuza/Bebchuk, The Market for Corporate Law, 162 Journal of Institutional and Theoretical Economics 2006, S.  134, 134 ff. 290  Siehe die Nachweise bei Rühl, Regulatory Competition in Contract Law: Empirical Evidence and Normative Implications, 9 European Review of Contract Law 2013, S.  61, 63 ff. und Vogenauer, Regulatory Competition Through Choice of Contract Law and Choice of Forum in Europe: Theory and Evidence, 21 European Review of Private Law 2013, S.  13, 16 ff. 291  Cary, Federalism and Corporate Law: Reflections upon Delaware, 83 Yale Law Journal 1974, S.  663; Bebchuk/Cohen/Ferrell, Does the Evidence Favor State Competition in Corporate Law?, 90 California Law Review 2002, S.  1775; O’Hara/Ribstein, The Law Market, 2009, S.  111 ff. 292  Romano, Law as a Product, 1 Journal of Law, Economics and Organisation 1985, S.  225, 225 ff. 293  Bebchuk/Hamdani, Federal Corporate Law Lessons from History, 106 Columbia Law Review 2006, S.  1793, 1793 ff.; Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 226 ff. 294  EuGH, Urteil vom 09.03.1999 – C-212/97 – Centros; EuGH, Urteil vom 05.11.2001 – C-208/00 – Überseering; EuGH, Urteil vom 30.09.2003 – C-167/01 – Inspire Act. 295  Siehe für das Konzept des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechtsordnungen im Europäischen Kontext Kirchner/Painter/Kaal, Regulatory Competition in EU Corporate Law after Inspire Art: Unbundling Delaware’s Product for Europe, 2 European Company and Financial Law Review 2005, S.  159; Leible/Hoffmann, Überseering und das (vermeintliche) Ende der Sitztheorie, RIW 2002, S.  925, 925 ff.; Leible/Hoffmann, „Überseering“ und das deutsche Gesellschaftskollisionsrecht, ZIP 2003, S.  925, 925 ff.; Paefgen, Gezeitenwechsel im Gesellschaftskollisionsrecht, WM 2003, S.  561, 561 ff.; Kieninger, The Law Applicable to Corporations in the EC, RabelsZ 73 (2009), S.  607; 607 ff.; Weller, in: Fleischer/Goette (Hrsg.), Münchener Kommentar zum GmbHG, 2015, Einleitung Rn.  350 ff.; Eidenmüller, Die GmbH im

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Ausgehend vom US-amerikanischen Gesellschaftsrecht werden heute diverse Rechtsgebiete durch die Linse eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen betrachtet. Neben unterschiedlichen Sachrechtsgebieten, wie dem Gesellschaftsrecht und Vertragsrecht,296 wird ebenfalls ein Wettbewerb der Justizdienstleistungen beobachtet.297 Auch konzeptionell ist das Bild komplexer geworden, indem nicht mehr nur horizontaler Wettbewerb, also ein solcher, bei dem Anbieter auf einer Ebene miteinander konkurrieren, Gegenstand des Diskurses ist. Insbesondere innerhalb der Europäischen Union wird zudem vertikaler Wettbewerb beobachtet, indem zentralisierte oder supranationale Regelungen mit nationalen, dezentralisierten Rechtsregeln im Wettbewerb stehen.298 Hier drehte sich die Debatte maßgeblich um den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein optionales Gemein­ sames Europäisches Kaufrecht.299 Aber auch internationales Einheitsrecht ist konzeptionell Teil eines solchen vertikalen Wettbewerbsprozesses. b) Einheit oder Wettbewerb Vor dem konzeptionellen Hintergrund eines vertikalen Wettbewerbs sind nunmehr die Vor- und Nachteile von internationalem Einheitsrecht zu analysieren. Einheitsrecht und Wettbewerb werden dabei zumeist als diametrale Gegen­ sätze verstanden: Während der Wettbewerb der Rechtsordnungen strukturell eine Vielzahl dezentraler Regeln voraussetzt, zielt Einheitsrecht auf ein zentrales Rechtsregime ab und eliminiert damit die Grundbedingungen für Wettbewerb, nämlich Vielfalt.300 Damit sind auch die positiven Funktionen, die dem WettbeWettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, S.  168; Zimmer, Zwischen Theorie und Empirie: Zur Konkurrenz der Gesetzgeber im Gesellschaftsrecht, in: Festschrift für Karsten Schmidt zum 70. Geburtstag, 2009, S.  1789; Fleischer, Internationale Trends und Reformen im Recht der geschlossenen Kapitalgesellschaft, NZG 2014, S.  1081, 1084 ff. 296  Siehe hierzu die Beiträge in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013. 297  Wagner, Dispute Resolution as a Product: Competition between Civil Justice Systems, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  347, 347 ff.; Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen – Eine juristisch-ökonomische Untersuchung zu effektiven Justizdienstleistungen im Außenhandel, 2011, S.  43 ff. 298  Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 227 ff.; Leible, Kollisionsrecht und vertikaler Regulierungswettbewerb, RabelsZ 76 (2012), S.  374, 387 ff. 299  Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endg. 300  Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 227 ff.

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werb zugeschrieben werden, nicht mehr zu realisieren. In einer Gegenüberstellung werden dem Konzept der Rechtseinheit und dem Wettbewerb spiegelbildlich drei Hauptvorteile zugeschrieben: Erstens können, wie bereits dargestellt, durch Einheitsrecht Standardisierungsvorteile erzielt werden, die zu einer Ersparnis von Transaktionskosten führen. Hierdurch wird zweitens mehr grenzüberschreitender Handel ermöglicht und letztlich werden drittens negative Externalitäten für andere Rechtsordnungen vermindert.301 Im Gegensatz hierzu wird dem Wettbewerb der Rechtsordnungen erstens in Anlehnung an den Hayek’schen Gedanken des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren302 ein dynamisches Innovationspotenzial zugeschrieben.303 Dieses evolutorische Wettbewerbskonzept geht zunächst nicht davon aus, dass die Anbieter im Wettbewerb vollständiges Wissen über die Nachfragerpräferenzen ­haben und wie sie diese Präferenzen in der Folge am besten befriedigen können. Dieses Wissen wird erst durch den Wettbewerbsprozess als solches generiert.304 In einem trial and error-Verfahren testen die Anbieter Produkte auf dem Markt und versuchen in der Folge, durch Innovation den Nachfragerpräferenzen immer mehr zu entsprechen und sich so gegen die Konkurrenten am Markt durchzu­ setzen. Diese reagieren dann ihrerseits wieder durch Innovation oder durch ­Imitation der Produkte ihrer Konkurrenten.305 Im Sinne einer Aufwärtsspirale würde dies zu einer stetigen Verbesserung der Rechtsqualität aus Nachfragersicht führen306 und damit auf lange Sicht zu einem Recht, das den Nachfrager­ präferenzen mehr entspricht.307 Zweitens wird durch das dem Wettbewerb innewohnende Innovationspoten­ zial dauerhaft garantiert, dass gesetzgeberische Neuerungen die sich verändern301 

Ebd., S.  228. von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, 1969, S.  249 ff. 303  Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1030 ff. 304  Kerber/Vanberg, Institutional Competition among Jurisdictions: An Evolutionary Ap­ proach, 5 Constitutional Political Economy 1994, S.  193, 197 ff.; Kerber, Transnational Commercial Law, Multi-level Legal Systems, and Evolutionary Economics, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2008, S.  297, 299 ff.; Kerber/Vanberg, ­Institutional Competition among Jurisdictions: An Evolutionary Approach, 5 Constitutional Political Economy 1994, S.  193, 197 ff. 305  Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1946, S.  137 ff. 306  Kieninger, Rechtsentwicklung im Wettbewerb der Rechtsordnungen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  72, 78 f. 307  Kerber, Transnational Commercial Law, Multi-level Legal Systems, and Evolutionary Economics, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2008, S.  297, 311. 302 

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

den Nachfragerpräferenzen stetig befriedigen308 und regulatorische Fehlentwicklungen durch das destruktive Potenzial des Wettbewerbs309 korrigiert werden.310 Drittens wird dem institutionellen Wettbewerb auch eine Vereinheitlichungsfunktion zugeschrieben. Grundsätzlich ist das Hinstreben auf ein Monopol dem Wettbewerbskonzept inhärent. Es ist also wahrscheinlich, dass sich im Ergebnis die effizienteste Lösung auf dem Rechtsmarkt durchsetzen wird. Dies könne dann auf lange Sicht zu einer Angleichung der anderen Rechtsordnung führen, die ihrerseits die durch den Wettbewerb gefundenen Lösungen imitieren.311 Obwohl gerade eine solche Reaktion der Gesetzgeber im Rahmen eines in­ stitutionellen Wettbewerbs in der Literatur massiv bezweifelt wird,312 offenbart die 308  Kieninger, Rechtsentwicklung im Wettbewerb der Rechtsordnungen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  72, 79. 309  Zur schöpferischen Zerstörung des Wettbewerbs siehe Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1946, S.  137 ff. 310  Kerber, Transnational Commercial Law, Multi-level Legal Systems, and Evolutionary Economics, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2008, S.  297, 301 ff.; Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 228; Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1030. 311  Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 228; Kieninger, Rechtsentwicklung im Wettbewerb der Rechtsordnungen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  72, 79. 312  Ein solcher Wettbewerb der Rechtsordnungen als Wettbewerbskreislauf, in der ökonomischen Literatur auch Systemwettbewerb oder institutioneller Wettbewerb genannt, ist voraussetzungsvoll. Auf Seiten der Nachfrager ist zunächst die bestehende Wahlmöglichkeit erforderlich sowie die Möglichkeit, die Rechtsordnungen im Hinblick auf ihre Qualität vergleichen zu können. Die Nationalstaaten als Anbieter müssen ihrerseits in der Lage sein, die Nachfragerpräferenzen wahrzunehmen, zu interpretieren, um sodann ihr Angebot an den Prioritäten der Nachfrager auszurichten. Dies erfordert auf Seiten der Staaten einen Anreiz politischer oder ökonomischer Art, damit sich die Kosten für den Prozess der Rechtsanpassung lohnen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird nun insbesondere im Vertragsrecht massiv angezweifelt. Vogenauer identifiziert hier als ein Hauptproblem die Möglichkeit der Anbieter, die Präferenzen der Nachfrager wahrzunehmen und sie sodann zu interpretieren. Zudem wird bezweifelt, dass die erforderlichen Anreize auf Anbieterseite bestehen, derartige kostenintensive Innovationen vorzunehmen. Im wirtschaftlichen Wettbewerb sind die Anreize für beispielsweise einen Unternehmer, der um die Kaufkraft von Kunden konkurriert, leicht zu identifizieren: Er will seine Gewinnchancen am Markt optimal ausnutzen. Anhand seiner Gewinnsituation kann er auch relativ schnell nachvollziehen, wie erfolgreich sein Produkt ist. Ist seine Gewinnsituation nicht so wie erwartet, kann er durch Nachforschungen versuchen festzustellen, weshalb sein Produkt nicht wie gewünscht nachgefragt wird, und sein Produkt an die Nachfrage anpassen. Soll eine Anpassung nun aber im Wettbewerb der Rechtsordnungen geschehen, so ist dies grundsätzlich eine Frage des Gesetzgebers und ein gesetzgeberischer Prozess gestaltet sich diffiziler als ein vergleichbarer Änderungsprozess in einem Unternehmen. Der Gesetzgeber müsste zunächst einmal die bestehende Nachfrage, also die Präferenzen hinsichtlich der unter-

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Perspektive des Wettbewerbs, dass auch in Abwesenheit jedweder gesetz­ geberischen Reaktion der Wettbewerb durch das Phänomen der Netzwerkeffekte313 eine Standardisierung im Sinne eines natürlichen Monopols hervorbringen kann.314 Auch das Phänomen der Netzwerkeffekte geht auf die ökonomische Theorie zurück und dient klassisch als Erklärungsmuster für die Vorherrschaft bestimmter Produkte im Gegensatz zur Konkurrenz,315 deren Verwendung sich in pfadabhängiger Art und Weise stetig ausbreitet.316 Grundsätzlich steht hinter dem Konzept der Netzwerkeffekte die Idee, dass der spezifische Nutzen eines Produktes für den Verwender mit der Anzahl andeschiedlichen Rechtsordnungen, erkennen und einen Anreiz haben, sein Recht zu verbessern. Problematisch ist hier aus staatlicher Perspektive zunächst, dass eine An- oder Abwahl des eigenen Rechts kaum feststellbar ist, denn dies wird an keiner Stelle veröffentlicht. Daneben scheint es schwer, direkte Anreize für den Staat zur Verbesserung seines Rechts zu identifizieren. Mit der Rechtswahl als solcher sind keine monetären Folgen wie Steuern oder Gebühren verbunden, sodass kein direkter Anreiz besteht. Auf der anderen Seite erscheint es als sehr kostenintensiv für die Nationalstaaten, die Qualität ihres eigenen Rechts zu verbessern. Neben den Informationen, die die Nationalstaaten in dieser Hinsicht erst einmal unter Aufwendung von Kosten akquirieren müssen, ist der legislative Prozess kostenintensiv. Natürlich können indirekte Anreize das Ergebnis dieser Gegenüberstellung noch ändern. Beispielsweise könnte die Rechtsberatungsbranche von der Beliebtheit der eigenen Rechtsordnung profitieren und damit die Volkswirtschaft als solche, was die Bestrebungen Deutschlands und Englands im „Battle of Brochures“ erklären kann. Allerdings sucht man in beiden Ländern auf dem Gebiet des Vertragsrechts vergeblich Rechtsreformen, die darauf abzielen, das eigene Recht für die Nutzer attraktiver zu gestalten trotz massiver Debatten und zahlreicher Änderungsvorschläge. Aufgrund der mangelnden Bedingungen auf Anbieterseite ist damit das Vorliegen eines institutionellen Wettbewerbs mehr als fraglich. Vgl. Vogenauer, Regulatory Competition Through Choice of Contract Law and Choice of Forum in Europe: Theory and Evidence, 21 European Review of Private Law 2013, S.  13, 17 ff.; Mankowski, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), European Commentaries on Private International Law – Rome I Regulation, 2017, Art.  3 Rome I Rn.  45; anders Rühl, Regulatory Competition in Contract Law: Empirical Evidence and Normative Implications, 9 European Review of Contract Law 2013, S.  61, 61 ff. Siehe für das Konzept des Systemwettbewerbs Streit/Wohlgemuth, Zur Theorie des Systemwettbewerbs, in: Streit/Wohlgemuth (Hrsg.), Systemwettbewerb als Herausforderung an Politik und Theorie, S.  13, 13 ff.; Peters, Wettbewerb von Rechtsordnungen, VVDStRl 2009, S.  9, 22 f. 313  Engert, Networks and Lemons in the Market for Contract Law, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  304, 305 ff. 314  Druzin, Buying Commercial Law: Choice of Law, Choice of Forum, and Network Externalities, 18 Tulane Journal of International and Comparative Law 2009, S.  1, 31 ff.; Engert, Regelungen als Netzgüter – Eine Theorie der Rechtsvereinheitlichung im Vertragsrecht, AcP 213 (2013), S.  321, 321 ff. 315  David, Clio and the Economics of QWERTY, 75 American Economic Review 1985, S.  332, 335; Katz/Shapiro, Network Externalities, Competition, and Compatibility, 75 American Economic Review 1985, S.  424, 424. 316  Druzin, Buying Commercial Law: Choice of Law, Choice of Forum, and Network Externalities, 18 Tulane Journal of International and Comparative Law 2009, S.  1, 15 ff.

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rer Nutzer desselben Produktes ansteigt. Die Attraktivität eines solchen „Netzwerks“ zieht nun neue Nutzer an, was letztlich einen sogenannten Schneeball­ effekt erzeugt. Das Netzwerk nimmt mit der Zeit immer größere Ausmaße an, womit der Nutzen exponentiell ansteigt.317 Prominente Beispiele für diesen Effekt sind Telekommunikationsmärkte. Sofern niemand ein Telefon mit entsprechender Leitung besitzt, ist der Nutzen für den einzelnen gleich null. Je mehr Personen nun ebenfalls über einen entsprechenden Anschluss verfügen, desto größer ist der Nutzen eines Telekommunikationsnetzes. Mit anderen Worten ausgedrückt ist damit der spezifische Nutzen des Verwenders eines Produktes in Märkten mit Netzwerkeffekten der Zugang zu den anderen Nutzern innerhalb des Netzwerks. Es liegt also ein Wert an sich in der Etablierung eines gemeinsamen Standards, welcher durch das Netzwerk verwirklicht wird.318 Solche Netzwerkeffekte werden nun auch auf dem Rechtsmarkt beobachtet.319 Marktteilnehmer kreieren durch die Verwendung desselben Rechts ein Netzwerk, bei dem gleichermaßen der Nutzen mit der Anzahl der Verwender steigt.320 Das Netzwerk generiert eine Vielzahl internationaler Vertragspartner, die Verträge auf Grundlage desselben Rechts abwickeln, sodass im Falle eines Vertragsschlusses nicht zunächst Kenntnis über ein neues Vertragsrecht erlangt werden muss.321 Damit können die Parteien Skalenvorteile realisieren, wodurch die Transaktionskosten für eine einzelne Transaktion sinken. Aufgrund der Vorteile einer solchen Netzwerkbildung ist es also rational für die Parteien, stets ein und dasselbe Recht zu wählen.322 In diesem Sinne konstatiert Engert, dass sofern „intrinsische Qualität zu vernachlässigen wäre, eine Koordination auf ein einziges Vertragsrecht als globalen Standard optimal wäre.“323 317 

Ebd., S.  16. Ebd., S.  16 f. 319  Ebd., S.  31 ff.; Engert, Networks and Lemons in the Market for Contract Law, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  304, 304 ff.; Engert, Regelungen als Netzgüter – Eine Theorie der Rechtsvereinheitlichung im Vertragsrecht, AcP 213 (2013), S.  321, 321 f.; Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 522 ff. 320  Druzin, Buying Commercial Law: Choice of Law, Choice of Forum, and Network Externalities, 18 Tulane Journal of International and Comparative Law 2009, S.  1, 10 ff. 321  Engert, Networks and Lemons in the Market for Contract Law, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  304, 305 ff. 322  Ogus, Legal Systems as Networks, in: Faure/Smits (Hrsg.), Does Law Matter?, 2011, S.  165, 165 ff.; Engert, Networks and Lemons in the Market for Contract Law, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  304, 305 ff. 323  Engert, Networks and Lemons in the Market for Contract Law, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  304, 305. 318 

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Netzwerkeffekte machen also eine Vereinheitlichungsfunktion auch in Abwesenheit jeder Reaktion der Regelsetzer wahrscheinlich.324 Der Rechtsmarkt selbst bringt also ein Gleichgewicht hervor, indem ein Rechtsprodukt durch die Marktkräfte eine dominante Stellung einnimmt.325 Hier offenbart sich der große strukturelle Vorteil des Wettbewerbskonzepts im Gegensatz zur staatlichen Rechtsvereinheitlichung. Die Tendenz zur Netzwerkbildung in einem bestimmten Kontext befriedigt ein konkretes Bedürfnis nach einheitlichen Regeln. Anders als staatliche Rechtsvereinheitlichung bringt Wettbewerb damit Einheitlichkeit konkret dort hervor, wo sie auch gebraucht wird.326 Da sich eine Lösung innerhalb des Wettbewerbsprozesses als Entdeckungs­ verfahren als Sieger etabliert, könnte zudem davon ausgegangen werden, dass sie von allen Angeboten den Präferenzen der Akteure am meisten entspricht und deshalb den anderen gegenüber überlegen ist.327 Dies gilt allerdings nicht vorbehaltlos. Gerade die Theorie der Netzwerkeffekte offenbart, dass nicht zwingend die intrinsische Qualität eines Regelwerks für den Erfolg ursächlich sein muss.328 Zusätzlich sagt der Erfolg einer bestimmten Rechtsordnung in Gänze nichts über die Qualität einzelner Vorschriften aus und unterliegt damit einem signifikanten Bündelproblem.329 Aufgrund der spezifischen Bedarfsorientierung erscheint eine solche Rechtsvereinheitlichung von unten (bottom-up) der top-down-Methodik der staatlichen Rechtsvereinheitlichung gegenüber dennoch als überlegen.330 Sofern Einheitsrecht nun Wettbewerb eliminiert, scheint dies problematisch. c) Einheitsrecht als Hemmnis für einen Wettbewerb der Rechtsordnungen In Anbetracht eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen steht die Rechtsvereinheitlichung vor einem gesteigerten Rechtfertigungszwang.331 324  Engert, Regelungen als Netzgüter – Eine Theorie der Rechtsvereinheitlichung im Vertragsrecht, AcP 213 (2013), S.  321. 325  Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1029. 326  Engert, Networks and Lemons in the Market for Contract Law, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  304, 306. 327  Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1030. 328  Kieninger, Wettbewerb der Rechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt, 2002, S.  64. 329  Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1030; Riesenhuber, A Competitive Approach to EU Contract Law, 7 European Review of Contract Law 2011, S.  115. 330  Kieninger, Rechtsentwicklung im Wettbewerb der Rechtsordnungen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts, 2002, S.  72, 79. 331  Siehe hierzu Wagner, The Economics of Harmonisation: The Case of Contract Law,

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

Einheitsrecht ist zunächst deshalb problematisch, weil Wettbewerb stets Vielfalt voraussetzt. Sofern es nur noch ein maßgebliches Recht gibt, wird den Akteuren die Möglichkeit genommen, das für sie effizienteste Recht auszuwählen. Durch Einheitsrecht könnte insbesondere der Innovationsdruck auf die Nationalstaaten beseitigt werden, ihr Recht zu erneuern und stetig zu verbessern, um es so im Wettbewerb gegenüber den Konkurrenten attraktiver zu machen. Hiergegen kann zunächst ganz gegensätzlich ins Feld geführt werden, dass durch Rechtsvereinheitlichung gerade ein Mehr an Rechtsvielfalt geschaffen werden kann.332 Durch unechtes Einheitsrecht, wie das UN-Kaufrecht, werden Rechtsregeln für internationale Transaktionen geschaffen, die vorher so nicht existierten. Den Parteien steht es frei, das UN-Kaufrecht auszuschließen oder gerade eine Rechtsordnung zu wählen, welche das UN-Kaufrecht inkorporiert hat. Auf dem Rechtsmarkt gibt es also eine zusätzliche Wahlmöglichkeit für die Parteien, die ihrerseits Wettbewerbsdruck auslösen kann.333 Instrumente der Rechtsvereinheitlichung können also auch und gerade einen Impetus für Rechtsentwicklungen im nationalen und internationalen Raum darstellen.334 Problematisch ist allerdings, dass Einheitsrecht in tatsächlicher Hinsicht nicht zwingend zu einem Mehr an Wahlmöglichkeiten führt. In einer solchen vertikalen Wettbewerbssituation können Netzwerkeffekte ebenfalls dazu führen, dass faktisch nur die zentral gesetzte Lösung zur Wahl steht und der Wettbewerb langfristig ausgeschaltet wird.335 Auch bei Einheitsrecht steigt mit der Anzahl der Verwender der Nutzen, den das Regelwerk durch Standardisierungsvorteile und Kostenersparnisse realisieren kann, exponentiell an. Im Hinblick auf das UN-Kaufrecht wurde vor dem Hintergrund einer solchen Netzwerkbildung beispielsweise eingewendet, dass die mangelnde Verwendung in der Praxis nicht mit dessen inhaltlicher Qualität, sondern mit der Anzahl der Verwender zusammenhängt. Das UN-Kaufrecht braucht schlichtweg noch Zeit, um die kritische Masse zu überschreiten.336

3 ERA Forum 2002, S.  77, 77 ff.; Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 227 ff. 332  O’Hara O’Connor, The Role of the CISG in Promoting Healthy Jurisdictional Competition for Contract Law, 21 Uniform Law Review 2016, S.  41, 49 ff. 333  Ebd., S.  49 ff. 334  Kötz, Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S.  1, 5; O’Hara O’Connor, The Role of the CISG in Promoting Healthy Jurisdictional Competition for Contract Law, 21 Uniform Law Review 2016, S.  41, 49 ff. 335  Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 231 ff. 336  Engert, Networks and Lemons in the Market for Contract Law, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  304, 304 ff.

IV. Alternative Lösungsstrategien

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Problematisch ist nun, dass durch die Existenz eines solchen Netzwerks die Wechselmöglichkeit drastisch beschränkt ist. Das Bestehen des alten Netzwerks behindert den Wechsel zu einem neuen Rechtsprodukt, da hier der Nutzen des Netzwerks zunächst fehlt. Selbst wenn dieses neue Rechtsprodukt grundsätzlich effizienter wäre, bleiben die Nutzer so lange beim alten Netzwerk, bis die Wechselkosten zur effizienteren Alternative diejenigen unterschreiten, die aufgrund des ineffizienten alten Netzwerks im Vergleich entstehen.337 Aufgrund dieser drastisch eingeschränkten Wechselmöglichkeit besteht die Gefahr eines lock-in-Effektes und der faktischen Ausschaltung von Wettbewerb:338 Die Nutzer sind in einer ineffizienten Lösung gefangen. Diese Gefahr ist nun in dem Falle, in dem sich ein völkerrechtlicher Vertrag als Standard etabliert, besonders problematisch. Zunächst genießen im Falle eines solchen vertikalen Wettbewerbs die Regeln, die auf übergeordneter Ebene konkurrieren, einen Wettbewerbsvorteil.339 So können sie als zentrale Regeln einen neutralen Standard bereitstellen, bei dem keine Partei den Heimvorteil realisiert, und werden in diverse Sprachen übersetzt.340 Aus diesem Grunde ist die Etablierung eines solchen Instruments als Standard wahrscheinlicher. Dass sich damit ein inhaltlich besonders geeignetes Instrument durchsetzt, muss aber bezweifelt werden. Die Notwendigkeit politischer Kompromisse und mangelnde Beteiligung der Praxis zielen nicht darauf ab, rechtstechnisch die beste Lösung für die Akteure in Form des Einheitsrechts zu kodifizieren.341 Der Markterfolg eines mangelhaften Instruments aufgrund dieses Wettbewerbsvorteils ist damit eine ernste Gefahr.342 Die Konsequenzen wären aufgrund der Natur des völkerrechtlichen Vertrags zudem noch weitreichender. Aufgrund des Risikos einer Versteinerung des Rechts wäre ein lock-in-Effekt besonders problematisch. Wie bereits skizziert, unterbleiben oftmals aufgrund des komplexen Vertragsänderungsverfahrens notwendige Vertragsanpassungen und ein Versteinerungseffekt tritt ein.343 Es be337  Druzin, Buying Commercial Law: Choice of Law, Choice of Forum, and Network Externalities, 18 Tulane Journal of International and Comparative Law 2009, S.  1, 33 ff. 338  Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 522 ff. 339  Grundmann, Costs and Benefits of an Optional European Sales Law (CESL), 50 Common Market Law Review 2013, S.  225, 228 ff. 340  Ebd., S.  230 ff. 341  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3.a); siehe für dieses Argument im Falle des CESL Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1031 f. 342  Eidenmüller, Was kann an einer Option falsch sein?, in: Festschrift Rolf Stürner zum 70. Geburtstag, 2013, S.  1025, 1038 f. 343  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3.a).

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

steht daher ein hohes Risiko, dass die Regelungen des Einheitsrechts mit der Zeit nicht mehr die tatsächlichen Gegebenheiten widerspiegeln. In Kombination mit den gleichermaßen sehr hohen Wechselkosten des Netzwerks ist die Gefahr, dass die Parteien in einer ineffizienten Lösung gefangen sind, augenscheinlich und auch Wettbewerb kann in Anbetracht des Netzwerks nur eingeschränkt Änderungen hervorbringen.344 d) Zwischenergebnis Obwohl Einheit und Wettbewerb dem Grunde nach als konzeptionelle Gegen­ sätze angesehen werden können und die Existenz des einen die Existenz des anderen hemmen oder gar zerstören kann, scheint eine Entscheidung im Vertragsrecht für Einheit nicht zwangsläufig derart negative Folgen für das Wettbewerbskonzept zu haben. Durch Einheitsrecht kann insbesondere ein für den Wettbewerb fruchtbares Mehr an Vielfalt geschaffen werden, welches sich auf dem Rechtsmarkt beweisen muss. Die Wählbarkeit anderer Ordnungen bleibt bestehen und damit das evolutorische Potenzial des Wettbewerbs erhalten. Die Theorie der Netzwerkeffekte hat zudem gezeigt, dass sich nicht notwen­ digerweise die beste Lösung am Markt durchsetzen muss. Ein race to the top ist also nicht notwendigerweise das Ergebnis des Wettbewerbs der Rechtsordnungen. Deshalb ist Wettbewerb zur Erreichung eines Vereinheitlichungseffektes nicht zwingend das geeignetere Mittel. Für das Konzept des Einheitsrechts hat die Perspektive des Wettbewerbs aber dennoch Gefahren ausgemacht, die als gewichtige Argumente gegen Einheitsrecht vorgebracht werden können. Erneut offenbart das Risiko der Netzwerk­ effekte, dass sich Lösungen durchsetzen können, welche nicht notwendigerweise effizient sind. Dieses Risiko besteht zwar auch im horizontalen Wettbewerb, ­allerdings wiegt es in Kombination mit den inhärenten Schwierigkeiten, internationale Verträge anzupassen und des deshalb stets drohenden Versteinerungs­ effektes, besonders schwer: Die Gefahr, dass die Parteien mit der Zeit in einer ineffizienten Lösung gefangen sind, ist im Falle des Einheitsrechts offensichtlich. Obwohl Wettbewerb dem Konzept des Einheitsrechts nicht intrinsisch über­ legen ist, erscheint ein Wettbewerb der Rechtsordnungen, der auf Diversität und Vielfalt aufbaut und möglicherweise eine Vereinheitlichungsfunktion von unten bewirken kann, vor dem Hintergrund der inhärenten Probleme der internationalen Rechtsvereinheitlichung vorzugswürdig. Insbesondere kann dieser Prozess dann als empirischer Beweis für das Bedürfnis nach einheitlichen Regeln und Standardisierung in bestimmten Bereichen ins Feld geführt werden und trägt 344  Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 522 ff.

IV. Alternative Lösungsstrategien

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nicht die Gefahr in sich, Einheitlichkeit dort zu erzeugen, wo sie nicht gebraucht wird, sofern die wettbewerbsmäßigen Grundbedingungen gewahrt bleiben.

2. Privates Einheitsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen Auf dem globalen Rechtsmarkt konkurrieren aber nicht nur zentrale und dezentrale Regelungen staatlichen Rechts miteinander. Das Bild des Rechtsmarktes ist nicht vollständig, ohne dass auch private Normsetzer als Anbieter hinzugefügt werden.345 Aus Nachfragerperspektive steht nämlich das staatliche Recht in seiner Funktionalität nicht alleine da, sondern vielmehr als eine Institution neben anderen und wird damit substituierbar.346 Staatliche Rechtsprodukte und privates Einheitsrecht treten somit ebenfalls in Konkurrenz. Der konzeptionelle Anknüpfungspunkt privaten Einheitsrechts erscheint nun als fruchtbare Alternative. Private Regelwerke werden zentralisiert je nach Anwendungsbereich innerhalb der jeweiligen Branche oder auch branchenübergreifend von privaten Institutionen wie der ICC oder UNIDROIT gesetzt und befriedigen damit das Bedürfnis der Akteure nach einheitlichen Rechtsregeln, die sich als Standard durch eine Netzwerkbildung innerhalb der Branche etablieren.347 Die Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit privater Regelsetzung ermöglicht in Anbetracht der sich stetig wandelnden Gegebenheiten des internationalen Handels eine regelmäßige und kurzfristige Anpassung der Regelwerke und genießt damit entscheidende Vorzüge gegenüber staatlichen Alternativen. Insbesondere können hier unproblematisch durch trial and error-Verfahren bei der Regel­ setzung neue innovative Lösungen hervorgebracht werden.348 Durch die stetige Anpassung sind auch Gefahren eines ineffizienten lock-in-Effektes im Sinne der Netzwerktheorie vermindert. Prima facie verbindet damit privates Einheitsrecht 345  Möslein, Regulatory Competition between Public and Private Rules, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  147, 147 ff.; Wernicke, Perspektiven des deutschen Rechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen – Zwischen europäischem Vertrauensverlust und privatautonomer Renaissance, NJW 2017, S.  3038, 3042 f. 346  Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/ Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 143 ff.; siehe für den spezifischen Fall der Standardverträge, Collins, Regulatory Competition in International Trade: Transnational Regulation Through Standard Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  121, 125 f., 135; Wielsch, Global Law’s Toolbox: How Standards Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  71, 71 ff. 347  Druzin, Buying Commercial Law: Choice of Law, Choice of Forum, and Network Externalities, 18 Tulane Journal of International and Comparative Law 2009, S.  1, 32 f. 348  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 512.

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Erstes Kapitel – Grenzüberschreitende Transaktionen und rechtlicher Rahmen

die Vorteile zentraler Regelsetzung mit den intrinsischen evolutorischen Poten­ zialen des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren. Damit geben die Struktur­ bedingungen des Wettbewerbs aber auch Kernelemente des privaten Einheitsrechts vor, wenn es sich das evolutorische Wettbewerbspotenzial erhalten will.

V. Gesamtergebnis des Ersten Kapitels Das erste Kapitel hat gezeigt, dass grenzüberschreitende Transaktionen an einer spezifischen Rechtsunsicherheit leiden, welche jedenfalls nicht vollumfänglich durch das internationale Privatrecht und internationale Zivilverfahrensrecht aufgelöst werden. Diese Unsicherheiten verursachen für die Parteien zusätzliche Kosten, welche insbesondere bei Transaktionen mit kleinerem und mittlerem Volumen problematisch sind. Insgesamt können diese Kosten dazu führen, dass die Parteien gänzlich von grenzüberschreitender Handelstätigkeit Abstand nehmen, weil im Vergleich nationale Lösungen wieder attraktiver w ­ erden. Im Sinne der ersten These bleibt festzuhalten, dass die Bereitstellung von global einheitlichen Regeln in Form des Einheitsrechts sich konzeptionell als ein vielversprechender Lösungsmechanismus darstellt. Allerdings erweist sich der Prozess der Rechtsvereinheitlichung vielfach als problematisch, weshalb Einheitsrecht nur schwerlich in der Lage ist, ein bedarfsgerechtes Rechtsregime für grenzüberschreitende Transaktionen zu konstituieren. Als besonders hinderlich hat sich die beschränkte Möglichkeit erwiesen, internationale Konventionen an geänderte Umstände anzupassen sowie die Gewährleistung einer international einheitlichen Auslegung.349 Die kurze Analyse der Rechtsvereinheitlichung aus der Perspektive eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen hat es zudem fraglich erscheinen lassen, ob im Vergleich der Alternativen Einheit und Vielfalt, Einheitsrecht als die vorzugswürdigere Lösung zu bewerten ist. Obwohl die Existenz eines institutionellen Wettbewerbs, indem der Wettbewerb eine Angleichung der Rechtsordnungen hervorbringt, dahingestellt werden kann, zeigt die Perspektive des Wettbewerbs, dass die Tendenz zur Netzwerkbildung die Etablierung eines einheitlichen Standards wahrscheinlich macht.350 Aufgrund des Wettbewerbsvorteils der zentral gesetzten Regeln ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein solches Instrument der Rechtsvereinheitlichung im vertikalen Wettbewerb als regulatorischer Standard

Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3.d). Engert, Regelungen als Netzgüter – Eine Theorie der Rechtsvereinheitlichung im Vertragsrecht, AcP 213 (2013), S.  321, 324 ff. 349  350 

V. Gesamtergebnis des Ersten Kapitels

77

etabliert, besonders groß.351 Hiermit gehen dann spezifische Gefahren einher, die bei dezentralen Lösungen nicht in der Schwere auftreten. Aufgrund des Ver­ steinerungseffektes ist die Gefahr eines lock-in-Effektes bei internationalen Konventionen besonders gravierend. Vor dem Hintergrund solcher Auswirkungen zeigt sich, dass Einheitsrecht in normativer Hinsicht auch nicht zwingend wünschenswert sein muss. Die Vielzahl der Bestrebungen auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung auf der einen Seite und mehr noch die Beobachtung von Netzwerkeffekten im Diskurs um einen Wettbewerb der Rechtsordnungen, bei dem Standardisierung den Parteien wichtiger erscheint als intrinsische Qualität, auf der anderen Seite, zeigen aber, wie groß das Bedürfnis nach einheitlichen Regelungen für grenzüberschreitende Transaktionen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint privates Einheitsrecht als Hybrid zwischen Einheit und Vielfalt als fruchtbarer Lösungsmechanismus für die aufgeworfene Problematik der rechtlichen Unsicherheiten des grenzüberschreitenden Handels und rückt damit in den Fokus der Untersuchung.

351  Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 524 ff.

Zweites Kapitel

Rechtseinheit durch private Regelwerke: Funktionsbedingungen und Rechtsdogmatik „Das in den vergangenen zwei Jahrhunderten unaufhaltsam anmutende Vordringen staatlicher Gesetzgebung im Privatrecht stößt vor der Wirklichkeit der Handelsrechtspraxis auf Grenzen.“1

Schmidts Formulierung ist heute aktueller denn je: Der Globalisierungsprozess führt zu einem stetigen Anstieg des grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehrs.2 Weltweit ist zwischen 2005 und 2013 der Anteil der Waren­ exporte am Bruttoinlandsprodukt um 8 % gestiegen.3 In Deutschland hat sich dieser Anteil zwischen 1991 und 2013 nahezu verdoppelt und lag im Jahre 2014 sogar bei 45,7 %.4 Trotz des Krisenjahres 2009 wurde hier ein Anstieg der Waren­ importe und -exporte von jeweils über 65 % verzeichnet.5 Eindrucksvoll zeigt sich hierdurch der stetig zunehmende Grad der Internationalisierung des Handels, mit dem gleichzeitig auch die Anzahl der Akteure, die potenziell von den rechtlichen Unsicherheiten betroffen sind, anwächst. Grenz­ überschreitende Handelstätigkeit gehört so schon lange nicht mehr nur zum ­Tagesgeschäft von Großkonzernen, sondern auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen.6 Vermag staatliches Recht diesen gesellschaftlichen Struk­ Schmidt, Handelsrecht, 1999, S.  34–35. Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S.  146. 3 Siehe hierzu den World Trade Report 2014 der World Trade Organisation, verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017, Appendix table 1. 4 Siehe hierzu Fakten zum Deutschen Außenhandel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 5  Siehe hierzu Deutscher Außenhandel Export und Import im Zeichen der Globalisierung, Ausgabe 2015 des Deutschen Statistischen Bundesamtes, S.  7, verfügbar unter , z‌ uletzt abgerufen am 01.12.2017. 6  Zentes/Neidhart, Standardisierungsansätze zur Reduktion der Transaktionskosten im Außen­handel – Ein Überblick, in: Zentes/Morschett/Schramm-Klein (Hrsg.), Außenhandel, Marketingstrategien und Managementkonzepte, 2004, S.  837, 839. 1  2 

80

Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

turwandel nicht hinreichend einzufangen,7 dann wird aus Sicht der Parteien die Suche nach Alternativen, die adäquate rechtliche Lösungen für grenzüberschreitende Handelstätigkeit anbieten, immer notwendiger.

I. Entwicklung und Hintergründe voranschreitender Privatisierung Nicht nur Nationalstaaten haben sich dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung verschrieben, um den rechtlichen Unzulänglichkeiten im internationalen Raum zu begegnen. Auch private Initiativen der Rechtsvereinheitlichung können auf eine reiche Historie zurückblicken. So hatten mit dem vermehrten Aufkommen des grenzüberschreitenden Handels die Akteure selbst naturgemäß das größte Interesse an einheitlichen Regeln für ihre Transaktionen.8 Der institutionelle Rahmen für grenzüberschreitende Handelstätigkeit wurde damals als wenig bedarfsgerecht empfunden.9 Darüber hinaus gestaltete sich die internationale Zusammenarbeit der Staaten zur Regelung des internationalen Handels in Anbetracht der Nachkriegsatmosphäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts als überaus schwierig.10 Aus diesem Grunde begann die Wirtschaftspraxis kurzerhand selbst einheitliche Regeln in Form von Klauseln, Vertragsblanketten und Geschäftsbedingungen11 für internationale Sachverhalte herauszubilden, anstatt auf staatliche Bemühungen der legislatorischen Rechtsvereinheitlichung zu warten.12

7  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel II.1. und III.3.; siehe auch Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 236. 8  Schilf, Allgemeine Vertragsgrundregeln als Vertragsstatut, 2005, S.  5; Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  25. 9  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel II.1.; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2005, S.  247 f.; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S.  146; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 632. 10  Vgl. hierzu die Internetpräsenz der ICC, verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 11  Rabel, Das Recht des Warenkaufs – Eine rechtsvergleichende Darstellung, Band  1, 1964, S.  36 ff.; Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  25 ff. 12  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 224 ff.

I. Entwicklung und Hintergründe voranschreitender Privatisierung

81

Im Jahre 1919 wurde zu diesem Zweck die Internationale Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris gegründet. Bis heute widmet sich die ICC als branchenübergreifende Wirtschaftsorganisation der interessengerechten Vereinfachung und damit Förderung des Wirtschaftsverkehrs und versteht sich als Gegen­gewicht zu staatlichen Organisationen der Rechtsvereinheitlichung.13 Die Vielzahl und Diversität privater Rechtsetzer und Rechtsetzungsprodukte ist heute kaum mehr überschaubar.14 Branchenspezifische sowie branchenübergreifende Standardverträge und Klauselwerke werden ebenso von privaten Institutionen formuliert wie ganze Kodifikationen im Kleid eines Gesetzes.15 Einheit­ liche Regeln wurden in der Praxis zum Teil derart kondensiert, dass ganze Regelwerke mit universellem Geltungsanspruch Teilbereiche des Handels regeln.16 Als Regelsetzer dieses „paralegalen Rechts“17 fungieren neben der ICC andere internationale Branchenvereinigungen, internationale Verbände und Organisationen, wie UNIDROIT, aber auch die Schiedspraxis.18 Im Rahmen dieser Organisationsstrukturen ermitteln, erstellen und vereinheitlichen sie Regelungen und Standards für die einheitliche Abwicklung von Standardgeschäften.19 Basis dieser Entwicklung ist grundsätzlich die Vertragsfreiheit, die nahezu weltweit ver-

13  Hopt, Internationale Handelskammer, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  896. 14  Siehe für eine umfassende Aufzählung von Erscheinungsformen privater Normsetzung nicht nur im grenzüberschreitenden Handel Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheit­ lichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 224 ff.; siehe für eine Phänomenologie Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 478 ff.; siehe für eine Übersicht de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commer­ cial Law, 1998, S.  59, 67 ff. 15  Braithwaite, Standard Form Contracts as Transnational Law: Evidence from the Derivates Markets, 75 Modern Law Review 2012, S.  779, 779 ff. 16  Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1165 ff. 17  Mertens, Leges praeter Legem. Helmut Coing zum 70. Geburtstag, AG 1982, S.  29, 37 ff.; Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 224 ff. 18  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  43 ff.; von Bar/ Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, §  2 Rn.  72. 19  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 226; Goode, Rule, Practice, and Pragma­t­ism in Transnational Commercial Law, 54 International and Comparative Law Quarter­ly 2005, S.  539, 540; Goode, Reflections on the Harmonisation of Commercial Law, Uniform Law Review 1991, S.  54, 58 ff.

82

Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

bürgt ist20 und es den Akteuren des grenzüberschreitenden Handels ermöglicht, private Regelwerke in ihre Verträge zu inkorporieren.21 Strukturell weisen diese Bemühungen aber eine wichtige Gemeinsamkeit auf. Die nichtstaatlichen Regulierungen sind darauf gerichtet, innerhalb ihres jeweiligen Regelungskontextes die Rechtseinheit zu schaffen, die staatliches Einheitsrecht aufgrund der vielschichtigen Probleme nicht zu erzeugen vermag.22 Sie werden global verwendet und sind auf grenzüberschreitende Verträge und deren Besonderheiten zugeschnitten.23 Gerade durch diese globale Einheitlichkeit können sie ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit, Kalkulierbarkeit und damit Rechtssicherheit erzeugen. Den Erfolg dieser Bemühungen bescheinigen empirische Studien, die zeigen, dass heute ein guter Teil des grenzüberschreitenden Handels unter Zugrundelegung solcher privater Rechtsregime abgewickelt wird24 und nicht primär auf Grundlage staatlicher Regulierungen. Das Florieren privater Regelsetzung und die Produktion ganzer Regelwerke haben die private Normsetzung in den Fokus der wissenschaftlichen Wahrnehmung gerückt. Seit jeher ist sie empirischer Beweis und Ausgangspunkt ganzer Theoriestränge innerhalb des juristischen Diskurses. In Anlehnung an berühmte historische Vorläufer wie das römische ius gentium, das mittelalterliche ius mercatorum und das englische law merchant werden private Regelwerke als Manifestation einer „neuen lex mercatoria“, eines selbstgeschaffenen Rechts der Kaufleute, angesehen.25 Dieser Theorie nach, die vornehmlich auf Arbeiten von 20  Siehe zur Parteiautonomie grundsätzlich Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, 1965. 21  Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S.  147 ff. 22  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3. 23  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  46 f. 24  Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1165 ff.; Snyder, Private Lawmaking, 64 Ohio State Law Journal 2003, S.  371, 389 ff.; Calliess/ Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 143 ff.; Shaffer, How Business Shapes Law: A Socio-Legal Framework, 42 Connecticut Law Review 2009, S.  147, 162 ff.; Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 709 ff.; Bonell, Das autonome Recht des Welthandels – Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978), S.  485, 485 ff.; Calliess/Freiling/Renner, Transnational Governance and Evolutionary Theory, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  353, 353. 25  Siehe hierzu Stein, Lex Mercatoria – Realität und Theorie, 1995, S.  1 ff., mit weiteren Nachweisen; Hatzimihail, The Many Lives – and Faces – of Lex Mercatoria: History as Genealogy in International Business Law, 71 Law and Contemporary Problems 2008, S.  169, 169 ff.

I. Entwicklung und Hintergründe voranschreitender Privatisierung

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Schmitthoff26 und Goldman27 zurückgeht, generiert sich die neue lex mercatoria aus Handelsbräuchen, Gepflogenheiten und Regeln, die durch den Handel selbst herausgebildet und verwendet werden, und existiert als eine dritte Kategorie von Recht neben nationalem und internationalem Recht im Sinne einer autonomen Rechtsordnung, die von der internationalen Kaufmannschaft sowohl geschaffen als auch fortgebildet wird.28 Ganz im Sinne dieser Tradition werden heute im Diskurs um sogenanntes „transnationales Recht“29 diverse Abstufungen der EntSchmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 47 ff. Goldman, Frontièrs du droit et lex mercatoria, 9 Archives de philosophie du droit 1964, S.  177, 177 ff. 28  Siehe hierzu schon Siehr, Sachrecht im IPR, transnationales Recht und lex mercatoria, in: Holl/Klinke (Hrsg.), Internationales Privatrecht, Internationales Wirtschaftsrecht, 1985, S.  103, 108 ff.; von Hoffmann, Grundsätzliches zur Anwendung der „lex mercatoria“ durch internationale Schiedsgerichte, in: Festschrift für Gerhard Kegel zum 75. Geburtstag, 1987, S.  215, 220 ff.; siehe auch Schmidt, Lex Mercatoria: Allheilmittel? Rätsel? Chimäre?, in: Murakami/ Marutschke/Riesenhuber (Hrsg.), Globalisierung und Recht, 2007, S.  153, 154 ff.; Basedow, Lex Mercatoria und Internationales Schuldvertragsrecht – eine rechtsökonomische Skizze, in: Festschrift für Norbert Horn zum 70. Geburtstag, 2006, S.  229, 229 ff.; Grundmann, Lex Mercatoria und Rechtsquellenlehre, in: Jickeli (Hrsg.), Europäisches Privatrecht, Unternehmensrecht, Informationspflichten im Zivilrecht, 1991, S.  43, 46 ff.; Calliess, Reflexive Transnational Law – the Privatisation of Civil Law and the Civilisation of Private Law, ZfRSoz 2002, S.  185, 185 f.; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 58 ff.; Calliess/ Maurer, Transnationales Recht – eine Einleitung, in: Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S.  1, 9 ff.; Zumbansen, Lex Mercatoria: Zum Geltungsanspruch transnationalen Rechts, RabelsZ 67 (2003), S.  637; Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  1 ff. und für eine umfassende Diskussion der Kritik an der Doktrin S.  64 ff.; aus systemtheoretischer Perspektive Teubner, Globale Bukowina – Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, 15 Rechtshistorisches Journal 1996, S.  255, 255 ff.; siehe für einen Überblick der Debatte aus Perspektive des internationalen Privatrechts Spickhoff, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 2017, VO (EG) 593/2008 Art.  3 Rn.  11. 29  Der Begriff des transnational law wird oftmals auf Jessup, Transnational Law, 1956, zurückgeführt, der diesen aber seinerseits Quellen entnommen hat, wie Belege in Fußnote 3 auf S.  2 deutlich machen. Siehe hierzu Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  13. Siehe für einen aktuellen Stand über die Debatte die Beiträge in Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014; siehe auch Langen, Vom Internationalen Privatrecht zum Transnationalen Handelsrecht, NJW 1969, S.  358, 358 ff.; Blaurock, The Law of Transnational Commerce, in: Ferrari (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  9, 19 ff.; Teubner, Globale Bukowina – Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, 15 Rechtshistorisches Journal 1996, S.  255, 256 ff.; Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code – A Theory of Transnational Private Law, 2010, S.  96 ff.; Jansen/Michaels, Private Law Beyond the State? Europeanization, Globalization, Privatiza­ tion, in: Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State – Rethinking Private Law, 2008, S.  69, 89 ff.; Dalhuisen, Legal Orders and Their Manifestation: The Operation of the International Commercial and Financial Legal Order and Its Lex Mercatoria, 24 Berkeley Journal of International Law 2006, S.  129, 129 ff.; Calliess, The Making of Transnational Law, 14 Indiana Journal of Global Legal Studies 2007, S.  469, 469 ff.; Wai, The Interlegality of Transnational Pri­ 26  27 

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

nationalisierung internationaler Wirtschaftsbeziehungen beobachtet. Diese reichen von Versuchen der vollständigen Verdrängung der Funktionalitäten des staatlichen Rechtssystems durch Konstituierung gänzlich privater Rechtsregime bis hin zu schwächeren Formen der schlichten Einbeziehung privater Standards in Verträge.30 Die Ursachen für die voranschreitende Privatisierung auf dem Gebiet des internationalen Handelsrechts sind vor dem Hintergrund der Analyse des Ersten Kapitels leicht zu identifizieren. Wie gezeigt, erweisen sich sowohl die kolli­ sionsrechtliche Lösungsstrategie als auch internationales Einheitsrecht als nicht in der Lage, die notwendige Rechtssicherheit für die Akteure zu erzeugen.31 Obwohl theoretisch internationales Einheitsrecht als Lösungsmechanismus überzeugt, ist in der Praxis die Herstellung von Rechtseinheit durch internationales Einheitsrecht nur schwer möglich.32 An dieser Stelle kann private Rechtsetzung komparative Vorteile realisieren. Private Regelwerke sind in der Lage, neutrale, auf den internationalen Handel zugeschnittene Sachnormen bereitzustellen,33 und verwirklichen damit den Vorteil der international nur schwer durchführbaren Sachrechtsvereinheitlichung.34 vate Law, 71 Law and Contemporary Problems 2008, S.  107, 107 ff.; Horn, Transnationales Handelsrecht: Zur Normqualität der Lex Mercatoria, in: Festschrift für Karsten Schmidt zum 70. Geburtstag, 2009, S.  705, 705 ff.; Ipsen, Private Normenordnungen als Transnationales Recht?, 2009, S.  24 ff.; Viellechner, Transnationalisierung des Rechts, 2013, S.  159 ff.; Goode/ Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  4 ff. 30  Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 226 ff.; siehe für eine Übersicht auch Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Re­ konstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 479–506; Bernstein, Opting out of the Legal System: Extralegal Contractual Relations in the Diamond Industry, 21 Journal of Legal Studies 1992, S.  115, 115 ff.; Snyder, Private Lawmaking, 64 Ohio State Law Journal 2003, S.  371, 403 ff.; Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147 1155 ff.; siehe für die Emergenz eines privaten Rechtsregimes auf dem Gebiet des Seehandelsrechts Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012. 31 Siehe supra Erstes Kapitel II.1. und III.3.; siehe hierzu auch Berger, The Creeping Codi­ fication of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  21 ff. und S.  36 ff. 32  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3. 33  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 347. 34  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  19 ff.; Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 512; Ossenbühl, §  28 Rechtsquellen, in: Kube/Mellinghoff/ Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Festschrift für Paul Kirchof zum 70. Geburtstag, 2013, S.  311, 324.

I. Entwicklung und Hintergründe voranschreitender Privatisierung

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Durch privates Einheitsrecht können die Akteure daher auf originär internatio­ nale Normen zurückgreifen und müssen sich nicht dem Problem der Nationalisierung ihrer internationalen Sachverhalte stellen.35 Die Perspektive des Wettbewerbs der Rechtsordnungen hat zudem gezeigt, dass aufgrund des Versteinerungseffekts die Gefahr, dass die Regelungen völkerrechtlicher Verträge die Bedürfnisse der Praxis mit der Zeit nicht mehr adäquat widerspiegeln, besonders offen zu Tage tritt.36 Private Regelsetzer können hingegen auf geänderte Umweltbedingungen hinreichend schnell durch Anpassung der Regelungen reagieren und sind gerade nicht einem komplexen und lang­ wierigen Änderungsverfahren unterworfen wie das staatliche Recht bei der Änderung völkerrechtlicher Verträge.37 Insbesondere verfügen private Regelsetzer über die notwendige Expertise aus der Praxis, um geeignete Lösungen für neue Problemlagen zu entwickeln. Sofern dieses Wissen nicht ausreichend ist, können experimentell im Rahmen eines trial and error-Verfahrens neue Regeln gefunden werden. Staatliches Recht hingegen verfügt einerseits nicht unmittelbar über die Expertise der privaten Regel­setzer.38 Andererseits ist aufgrund der Rigidität staatlichen Rechts eine derartige „experimentelle Gesetzgebung“,39 wie sie private Regulierer durchführen können, wenig erfolgversprechend.40 Konzeptionell realisiert damit privates Einheitsrecht aufgrund der inhärenten Flexibilität und Anpassungsfähigkeit das evolutorische Potenzial dezentraler Regelsetzung und zugleich die Vorteile zentraler Regelungsstrukturen, indem durch die Bereitstellung eines international einheitlichen Rechtsregimes die Kostenvorteile umgesetzt werden, die staatliches Einheitsrecht nur in der Theorie zu reduzieren vermag.41 Rechtsvereinheitlichung wird heute also nicht mehr nur Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  46 f. hierzu supra Erstes Kapitel IV.1.c); siehe hierzu am Beispiel des europäischen Kaufrechts Grundmann, Kosten und Nutzen eines optionalen Europäischen Kaufrechts, AcP 212 (2012), S.  502, 524. 37  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3.b). 38  Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 720; zur Nutzbarmachung privaten Sachverstandes siehe auch Möslein, Dispositive Regeln im transnationalen Privatrechtsverkehr: Same same, but different?, in: Calliess (Hrsg.), Trans­ natio­nales Recht, 2014, S.  155, 169 ff. 39  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  19 ff., 46 f.; siehe für ein evolutoisches Konzept der Rechtsentwicklung Kerber, Transnational Commercial Law, Multi-level Legal Systems, and Evolutionary Economics, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2008, S.  297, 298 ff. 40  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 512. 41  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.1.b). 35 

36  Siehe

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

durch legislatorische Bemühungen top-down bewirkt, sondern ebenso durch informelle Methoden privater Rechtsetzung.42

II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts Konzeptionell sind privat geschaffene Regeln geeignet, Rechtseinheit und damit Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel herzustellen, und dies gegebenenfalls sogar effektiver als die staatliche Alternative. Aus funktionaler Sicht handelt es sich damit um privat geschaffenes Einheitsrecht, privates Einheitsrecht. Damit rücken die Bedingungen, unter welchen das private Einheitsrecht seine Funktion tatsächlich und bestmöglich erfüllen kann, in den Fokus der Betrachtung. Im Folgenden soll nun der zweiten These nachgegangen werden, inwieweit privates Einheitsrecht funktional äquivalent zu staatlichem Einheitsrecht eine Vereinheitlichungsfunktion erfüllen kann. Ausgangspunkt ist hier die Prämisse, dass die Erfüllung dieser Vereinheit­ lichungsfunktion in einem hohen Maße davon abhängig ist, wie das staatliche Recht das private Einheitsrecht im konkreten Fall bewertet. So obliegt in der Regel Auslegung und Anwendung des privaten Einheitsrechts den staatlichen Gerichten.43 Die erforderliche Rechtseinheit kann durch das private Einheitsrecht nur dann geschaffen werden, wenn die Art und Weise der Anwendung durch die staatlichen Gerichte nicht dazu führt, dass wieder Rechtsverschiedenheit entsteht, je nachdem wie das staatliche Recht die Regeln bewertet.44 In Anlehnung an die Ergebnisse des Ersten Kapitels, die in theoretischer Hinsicht staatlich erzeugtes Einheitsrecht als fruchtbaren Lösungsmechanismus identifiziert haben,45 wird der folgenden Untersuchung die Annahme zugrunde gelegt, dass den privaten Regelwerken eine ähnliche Wirkung zukommen müsste wie dem internationalen Einheitsrecht als Paradigma. 42  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  43; Köndgen, Transnationale Regel- und Standardbildung auf Finanzmärkten – vor und nach der Krise, in: Calliess (Hrsg.), Transnationale Regel- und Standardbildung auf Finanzmärkten – vor und nach der Krise, 2013, S.  277, 280 f.; siehe für unterschiedliche Instrumente der Selbstregulierung in diesem Zusammenhang de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 59 ff. 43  Zur Relevanz privater Formen der Streitschlichtung für diese Aussage siehe infra Zweites Kapitel II.1.a). 44  Bonell, Das autonome Recht des Welthandels – Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978), S.  485, 487 ff., 505. 45  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.1.

II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts

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So hat staatliches Einheitsrecht den strukturellen Vorteil, dass es grundsätzlich im Zeitpunkt seiner Ratifikation als innerstaatliches Recht gilt. Damit ist es für den zur Entscheidung berufenen Richter bindend und wird dem Grunde nach keiner weiteren instanzgerichtlichen Kontrolle unterzogen. Die Normen sind sofort durchsetzbar und können die erstrebte Rechtseinheit erzielen.46 Andererseits hat die Analyse des Ersten Kapitels gezeigt, dass eine international einheitliche Auslegung essentiell für den Vereinheitlichungseffekt staatlichen Einheitsrechts ist, damit die einmal erzeugte Rechtseinheit durch unterschiedliche nationale Auslegungen der Gerichte nicht wieder in Rechtsverschiedenheit umschlägt.47 Werden diese Ergebnisse paradigmatisch übertragen, bedeutet dies für die ­Definition der Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts, dass zunächst die Normen nicht aufgrund einer Kontrolle anhand zwingenden staatlichen Rechts für unwirksam erklärt werden dürften, sie also möglichst Bestand haben müssten.48 Darüber hinaus müssten auch staatliche Gerichte eine international einheitliche Auslegung des privaten Einheitsrechts anstreben, damit auch hier nicht auf globaler Ebene Rechtsverschiedenheit entsteht. Rechtsbeständigkeit und eine international einheitliche Auslegung werden damit im Folgenden als faktische Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts definiert, die weitestgehend ungeklärt sind und im Folgenden analysiert werden sollen.49 Hierzu wird zunächst die Abhängigkeit der Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts vom staatlichen Rechtssystem näher aufgeschlüsselt, um in der Folge die Perspektive des staatlichen Rechts als analytischen Rahmen festzu­ legen. Im Anschluss hieran wird abstrakt der Umgang des staatlichen Rechts mit privaten Regelwerken theoretisiert. Sodann folgt eine Darstellung des konkreten dogmatischen Rechtsrahmens für die Anwendung privaten Einheitsrechts im staatlichen Rechtssystem.

46  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.1.; Gabriel, Unidroit Principles as a Source for Global Sales Law, 58 Villanova Law Journal 2013, S.  661, 676. 47  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3.b); zu diesem Problem schon Riese, Einheitliche Gerichtsbarkeit für vereinheitlichtes Recht?, RabelsZ 26 (1961), S.  604, 607 ff.; Rabel, Privatrecht auf internationaler Ebene, in: Jahrreiß/Jellinek/Laun/Smend (Hrsg.), Festgabe für Erich Kaufmann zu seinem 70. Geburtstag, 1950, S.  309, 309 ff.; Bayer, Auslegung und Ergänzung international vereinheitlichter Normen durch staatliche Gerichte, RabelsZ 20 (1955), S.  603, 624. 48  Diesen Punkt bezeichnet Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 338, als „legitimacy“ der Normen. 49  von Hoffmann, Zur Auslegung von Formularbedingungen des internationalen Handelsverkehrs, RIW 1970, S.  247, 247.

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

1. Abhängigkeit der Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts vom staatlichen Rechtssystem Grundsätzlich hängt die Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts in einem hohen Maße davon ab, wie das staatliche Recht auf private Regelwerke reagiert und aus welchem Blickwinkel heraus es sie rezipiert. Diese Abhängigkeit vom staatlichen Rechtssystem ist dadurch begründet, dass die Durchsetzung der privaten Normen im konkreten Fall letztlich durch den staatlichen Zwangsapparat erfolgt, was gemeinhin einen vollstreckbaren Titel voraussetzt, also klassischerweise ein Urteil.50 Damit obliegt die Auslegung und Anwendung des privaten Einheitsrechts grundsätzlich den staatlichen Gerichten.51 Sofern das staatliche Recht die Regeln nicht anerkennt, ist die Rechts­ beständigkeit nicht gewährleistet und sie können ihr Regelungsziel nicht erreichen. Gleiches gilt für die internationale Auslegung der Regelwerke. In diesem Sinne hat der Staat kein Regelsetzungsmonopol, aber ein Regelanerkennungsmonopol.52 Die Funktionsbedingungen Rechtsbeständigkeit und international einheitliche Auslegung werden also unmittelbar durch das staatliche Recht beeinflusst. a) Relevanz privater Vertragsdurchsetzungsmechanismen Ein Blick auf die Vielzahl privater Mechanismen der Vertragsdurchsetzung könnte diese Abhängigkeit allerdings in Frage stellen. Tatsächlich werden grenzüberschreitende Transaktionen heute oftmals außerhalb rechtlicher Institutionen mit Mechanismen des private ordering53 abgewickelt. Seit jeher haben aus öko50  Für die Motive des staatlichen Rechts, private Rechtsetzung in die staatliche Rechtsordnung einzubinden, siehe von Arnauld, Einbindung und Autonomie Privaten Rechts in die staatliche Rechtsordnung, in: Bumke/Röthel (Hrsg.), Privates Recht, 2012, S.  247, 250 ff. 51  Wichard, Die Anwendung der UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge durch Schiedsgerichte und staatliche Gerichte, RabelsZ 60 (1996), S.  269, 290 ff. 52  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 477, 519, 523; Ossenbühl, §  28 Rechtsquellen, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Festschrift für Paul Kirchof zum 70. Geburtstag, S.  311, 314 ff.; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S.  214 f.; siehe hierzu aus der Perspektive des Rechtspluralismus Michaels, Global Legal Pluralism, 5 Annual Review of Law & Social Science 2009, S.  243, 250 ff. 53 Unter dem Begriff des private ordering werden in der ökonomischen Literatur sich selbst durchsetzende Verträge, Reputationsnetzwerke und die Sicherung der Vertragserfüllung durch einen Dritten (private governance regimes) als ökonomische Governance-Mechanismen zusammengefasst. Der Begriff der ökonomischen Governance bezeichnet grundsätzlich Mechanismen zur Steuerung individuellen Verhaltens in ökonomischen Vertragsbeziehungen. Diese gewährleisten Transaktionssicherheit, indem sie eine Sanktion im Falle des Vertragsbruchs glaubhaft versichern, die kostenintensiver ist als die ursprüngliche Befolgung des Ver-

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nomischer Sicht private Mechanismen der Vertragsdurchsetzung (Govern­­ance),54 wie beispielsweise Hierarchie (privat einseitige Governance),55 relationale Vertragsbeziehungen und selbstdurchsetzende Verträge (privat zweiseitige Govern­ ance),56 Reputationsmechanismen oder andere soziale Sanktionen57, eine große Bedeutung und können in ihrer jeweiligen Anwendung den Rückgriff auf das staatliche Rechtssystem entbehrlich machen.58 Insbesondere die private Schiedsgerichtsbarkeit hat einen hohen Stellenwert für Akteure des grenzüberschreitenden Handels.59 Der Aufstieg der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit wird größtenteils mit komparativen Vorteilen gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit erklärt: Schiedsverfahren seien schneller, kostengünstiger und weniger formalisiert als Prozesse vor staatlichen Gerichten.60 Die Schiedsrichter sind in aller Regel Experten in der jeweiligen Branche, sodass durch ihre Expertise eine interessengerechte Entscheidung ge­ sichert ist.61 Insgesamt wird hierdurch dem Interesse der Parteien an einer schnellen kooperativen Streitbeilegung Rechnung getragen, damit im Anschluss die trags. Siehe hierzu Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S.  16–17, 27, der seine Defini­tion an Dixit, Lawlessness and Economics, 2004, S.  1–2, anlehnt. Siehe auch für eine kritische Bewertung des private ordering zur Überwindung des internationalen Transaktions­ dilemmas Rühl, Effizienzprobleme bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, in: Bork/ Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2008, S.  335, 360 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.  48 ff. 54  Siehe hierzu die ausführliche Darstellung bei Dietz, Institutionen und Globalisierung, 2010, S.  16 ff., mit weiteren Nachweisen; siehe für die Bezeichnung ein-, zwei-, oder dreiseitiger Governance Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S.  73 ff. 55  Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S.  78; Williamson, The Economics of Governance, 95 American Economic Review 2005, S.  1, 1 ff.; siehe auch Calliess/ Harder, Firmeninternes Handelsrecht: Vertragsdurchsetzung und Streitbeilegung in transnationalen Unternehmen, ZfRSoz 2012/2013, S.  207, 207 ff. 56  MacNeil, Relational Contracts: What We Do and What We Do Not Know, Wisconsin Law Review 1985, S.  483, 493 ff.; Macaulay, Non-Contractual Relations in Business: A Preliminary Story, 28 American Sociological Review 1963, S.  55, 56 ff.; Milgrom/North/Weingast, The Role of Institutions in the Revival of Trade – The Law Merchant, Private Judges and Champaign Fairs, 2 Economics and Politics 1990, S.  1, 6 ff. 57  Panther, Non-Legal Sanctions, in: Bouckaert/Geest (Hrsg.), Encyclopedia of Law and Economics, 2000, S.  999, 999 ff.; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2005, S.  316–318. 58  Teilweise wird insoweit von einem „private government“ gesprochen, vgl. Macaulay, Private Government, in: Lipson/Wheeler (Hrsg.), Law and the Social Sciences, 1986, S.  445, 445 ff. 59  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  43 ff.; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2005, S.  254. 60  Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  73 ff. 61  Behrens, Arbitration as an Instrument of Conflict Resolution in International Trade: Its

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Geschäftsbeziehungen fortgesetzt werden können.62 Betrachtet man schließlich die Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen im Vergleich zu staatlichen Urteilen, wird ein weiterer herausragender Vorteil evident. Durch das völkerrechtliche New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1959 sind internationale Schiedssprüche praktisch weltweit vollstreckbar.63 Zwar ist mittlerweile das Haager Übereinkommen für Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 in Kraft getreten, gleichwohl gilt es bislang nur in der Europäischen Union, Mexiko, Singapur, Montenegro und Dänemark. Von einer weltweiten Vollstreckbarkeit kann somit nicht gesprochen werden.64 Die Prominenz privater Governance-Mechanismen zeigt, dass sich die Akteure des grenzüberschreitenden Handels in einer Vielzahl der Fälle nicht mehr nur auf das staatliche Rechtssystem verlassen.65 Werden sowohl Regeln von Privaten gesetzt, durch private Streitschlichtungsinstitutionen angewendet und die Durchsetzung durch soziale Sanktionsmechanismen garantiert, wird sogar von der Herausbildung gänzlich privater Rechtsregime oder Rechtssysteme gesprochen.66 Welche Relevanz hat also vor diesem Hintergrund noch das staatliche Rechtssystem? Basis and Limits, in: Friedmann/Mestmäcker (Hrsg.), Conflict Resolution in International ­Trade, 2009, S.  13, 13 ff. 62  Berger, The Creeping Codification of the New Lex Mercatoria, 2010, S.  92 ff. 63  Siehe zum Stand der Ratifikationen des New Yorker Übereinkommens , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 64  Das Haager Übereinkommen für Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 kann als das Gegenstück des New Yorker Übereinkommens für staatliche Urteile bezeichnet werden. Siehe zum Stand der Ratifikationen des Haager Übereinkommens für Gerichtsstandsvereinbarungen , zuletzt abgerufen am 31.08.2018; Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  73; siehe für einen Überblick zum Übereinkommen Antomo, Aufwind für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen – Inkrafttreten des Haager Übereinkommens, NJW 2015, S.  2919, 2922. 65  Calliess/Freiling/Renner, Transnational Governance and Evolutionary Theory, in: Calliess/­ Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  353, 353. 66  Siehe am Beispiel der Baumwollindustrie und des Diamantenhandels Bernstein, Opting out of the Legal System: Extralegal Contractual Relations in the Diamond Industry, 21 Journal of Legal Studies 1992, S.  115, 115 ff.; Bernstein, Private Commercial Law in the Cotton Industry: Creating Cooperation Through Rules, Norms and Institutions, 99 Michigan Law Review 2001, S.  1724, 1724 ff.; siehe am Beispiel des Seehandelsrechts Maurer, Lex Maritima – Grund­züge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012; siehe auch Teubner/Fischer-Lescano, Regime-Collisions: The Vain Search for Legal Unity in the Fragmentation of Global Law, 25 Michigan Journal of International Law 2003/2004, S.  999, 1009 ff.; siehe hierzu auch ­Calliess/ Renner, Between Law and Social Norms: The Evolution of Global Governance, 22 Ratio Juris 2009, S.  260, 274 ff.

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b) Funktion des staatlichen Rechtssystems Trotz der Existenz und Wirksamkeit privater Ordnungsmechanismen kann nicht konstatiert werden, dass sich die Akteure spiegelbildlich nur auf private Governance-Mechanismen verlassen. Vielmehr werden in der Praxis sowohl private als auch staatliche Mechanismen nach individuellen Bedürfnissen kombiniert und re-kombiniert. Calliess und Zumbansen sprechen insoweit von maßgeschneiderten Governance-Cocktails („tailor-made governance cocktails“).67 Obwohl also das staatliche Rechtssystem und insbesondere dessen Gerichtsbarkeit nicht in jeder transnationalen Streitigkeit angerufen wird,68 ist es, trotz eines relativen Bedeutungsverlustes im Vergleich zum nationalen Raum, gleichwohl nicht bedeutungslos.69 Bis heute ist das staatliche Rechtssystem aufgrund seines Zwangsmonopols die effektivste Form der Streitschlichtung.70 Sobald die vertraglichen Pflichten mit Gewalt durchgesetzt werden sollen, bedarf es stets des staatlichen Zwangsapparates. Selbst wenn private Mechanismen der Vertragsdurchsetzung eingesetzt werden und den staatlichen Zwangsmechanismus im konkreten Fall wirksam ersetzen, geschieht dies meist in the shadow of law71: Das staatliche Rechtssystem wirft einen drohenden Schatten auf die Austauschbeziehung und trägt als letzter Zufluchtsort maßgeblich zum Erfolg privatautonomer Selbstregulierung bei.72 So werden der soeben beschriebene Aufstieg der Schiedsgerichtsbarkeit 67  Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code – A Theory of Transnational Private Law, 2010, S.  119; Wai, The Interlegality of Transnational Private Law, 71 Law and Contemporary Problems 2008, S.  107, 115. 68  Wai, The Interlegality of Transnational Private Law, 71 Law and Contemporary Problems 2008, S.  107, 119; Macaulay, Non-Contractual Relations in Business: A Preliminary Story, 28 American Sociological Review 1963, S.  55, 60 ff., sieht hingegen die Inanspruchnahme der staatlichen Gerichtsbarkeit eher als Ausnahme und nicht als die Regel an. 69 Von einem Bedeutungsverlust der staatlichen Gerichtsbarkeit sprechen Hoffmann/­ Maurer, Entstaatlichung der Justiz – Empirische Belege zum Bedeutungsverlust staatlicher Gerichte für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten, ZfRSoz 2010, S.  279, 279 ff.; siehe auch Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012; Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen – Eine juristisch-ökonomische Untersuchung zu effektiven Justizdienstleistungen im Außenhandel, 2011, S.  58 ff. 70  Wai, The Interlegality of Transnational Private Law, 71 Law and Contemporary Problems 2008, S.  107, 115, 119, 126; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 637. 71  Dixit, Economic Governance, in: Durlauf/Blume (Hrsg.), New Palgrave Dictionary of Economics, 2003, S.  6; Galanter, Justice in Many Rooms: Courts, Private Ordering and Indigenous Law, 19 Journal of Legal Pluralism 1981, S.  1, 1–13; Wai, The Interlegality of Trans­ national Private Law, 71 Law and Contemporary Problems 2008, S.  107, 119. 72  Rühl, Effizienzprobleme bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, in: Bork/Eger/ Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2008, S.  335, 362.

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und der große Anteil freiwillig befolgter Schiedssprüche73 auch der institutionellen Einbindung und der damit verbundenen Vollstreckungsmöglichkeit durch den staatlichen Zwangsapparat zugeschrieben.74 Aber auch für den Fall, dass eine alternative Form der Streitschlichtung von den Parteien gewählt wird und ein Schiedsspruch auf Grundlage des privaten Einheitsrechts erfolgt, ist letztlich für die Durchsetzbarkeit eines ausländischen Schiedsspruches erforderlich, dass eine gerichtliche Entscheidung zur Vollstreckbarkeit ergeht.75 Damit erfüllt das staatliche Rechtssystem auch im Bereich privatautonomer Selbstregulierung eine wichtige Hintergrund- und Auffangfunktion für den grenzüberschreitenden Handel und dies nicht nur dann, wenn private Governance-Mechanismen versagen.76 Aus diesem Grunde wird das staatliche Rechtssystem in das Zentrum der ­Analyse um die Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts gerückt: Das Recht des Staates, welches das Gericht in einem bestimmten Fall bindet, entscheidet darüber, ob und zu welchem Grad privat geschaffene Regeln anerkannt und angewendet werden.

2. Privates Einheitsrecht aus der Perspektive staatlichen Rechts Die Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts hängen also von der Gesamtheit der prozessualen und materiellen Rechtsregeln des zur Entscheidung beru­ fenen Gerichts ab.77 Konkret bestimmen also materielles Vertragsrecht, Zivil­ Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  74. 74  Rühl, Effizienzprobleme bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, in: Bork/Eger/ Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2008, S.  335, 362; siehe zum theoretischen Streit über die Unabhängigkeit der Schiedsgerichte von den nationalen Rechtsordnungen ausführlich Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  75–79, mit weiteren Nachweisen. 75  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, S.  1426 ff.; siehe für eine kritische Bewertung dieser staatszentrierten Perspektive Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1210 ff.; siehe für die Frage der Qualifizierung der lex mercatoria als anwendbares Recht vor Schiedsgerichten Ritlewski, Die Lex Mercatoria in der schiedsgerichtlichen Praxis, SchiedsVZ 2007, S.  130; Kollik, Die lex mercatoria als anwendbares Recht in Verfahren vor Schiedsgerichten mit Sitz in Österreich, SchiedsVZ 2009, S.  209. 76  In diesem Sinne sieht Wai, The Interlegality of Transnational Private Law, 71 Law and Contemporary Problems 2008, S.  107, 119, den Staat gleichermaßen als Gift (poison) und Heilmittel (remedy). 77  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 162; Schanze, Linking extra-legal 73 

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prozessrecht und insbesondere internationales Privatrecht über das Maß der Geltung des privaten Einheitsrechts und die Art und Weise der Auslegung innerhalb des staatlichen Rechtssystems78 und damit letztlich über die Funktionsfähigkeit des privaten Einheitsrechts. Die Gesamtheit dieser Regelungsmaterie wird im Folgenden als Rezeptionsmechanismen bezeichnet.79 Durch die Rezeptionsmechanismen werden die Normen des privaten Einheitsrechts in das staatliche Rechtssystem übersetzt und internalisiert. Dies ist erforderlich, weil private Regelwerke gerade nicht einer staatlichen legislativen Autorität entspringen und ihnen somit der formale Status als Recht in dem jeweiligen Nationalstaat fehlt.80 Ohne das Mitwirken des staatlichen Gesetzgebers haben private Regelwerke keine Chance, einen Richter aus sich selbst heraus zu binden, um in der Folge gerade als Recht angewendet zu werden.81 Privat erzeugte Regeln sind konzeptionell damit vor staatlichen Gerichten nur insoweit relevant, als eine Norm des staatlichen Rechts die Anwendung der privaten Norm erlaubt.82 codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/ Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 335; so auch schon Bonell, Das autonome Recht des Welthandels – Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978), S.  485, 487 ff. 78  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 162. 79  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-­the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 339–341, spricht insoweit von Inklusion (inclusion rule, inclusion mecha­n­ism); Mertens, Leges praeter Legem. Helmut Coing zum 70. Geburtstag, AG 1982, S.  29, 37, bezeichnet diese Mechanismen als Rezeption; Teubner, Globale Zivilverfassungen: Alternativen zur staatszentrierten Verfassungstheorie, 63 ZaöRV 2003, S.  1, 20, bezeichnet dies als „Selbsterzeugungsregeln des Rechts“; siehe hierzu auch Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 519, in der Fußnote 194, der insoweit von Inklusionsnormen und -mechanismen spricht und den Unterschied zwischen Inklusion und Rezeption darin sieht, dass in Mertens’ Konzept der Rezeption immer noch ein hierarchisches Verhältnis zwischen dem Staat als Rezipienten und den privat gesetzten Regeln besteht, wohingegen Inklusion auch „koordinierte und kooperative Regelbildung“ umfasst. 80  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 508 ff. 81  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, §  2 Rn.  72. 82  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 335; Goode, Rule, Practice, and Pragmatism in Transnational Commercial Law, 54 International and Comparative Law Quarterly 2005, S.  539, 545 ff.; Michaels, The Re-StateMent of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1227 ff.

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a) Abstrakte Mechanismen des Umgangs mit privaten Regelwerken Auf einer abstrakten Ebene sind grundsätzlich unterschiedliche Wege denkbar, wie staatliches Recht mit nichtstaatlichen Normen umgehen kann. Diese Mechanismen gewähren ihrerseits nichtstaatlichen Rechtsordnungen ein unterschied­ liches Maß an Autonomie, gemessen an dem Grad der Unterwerfung und Kontrolle anhand des staatlichen Rechts. Die Zuerkennung von Autonomie bestimmt damit in der Folge abstrakt, inwieweit der Bestand der Regelwerke durch das staatliche Recht anerkannt wird.83 Die größtmögliche Autonomie käme nichtstaatlichen Regelwerken zu, wenn staatliches Recht ihnen auf einer Ebene der Gleichordnung begegnete, wenn sie also ebenso wie andere nationalstaatliche Rechtsordnungen als Recht anerkannt werden würden. Das internationale Privatrecht als diesbezüglicher Rezeptionsmechanismus müsste in diesem Sinne auch die Rechtswahl nichtstaatlicher Rechtsordnungen gleichermaßen wie die Rechtswahl eines anderen nationalstaatlichen Rechts anerkennen. Neben der Anerkennung als Recht im Sinne einer Gleichordnung84 identifiziert Michaels noch die Möglichkeiten der Inkorporierung, der Deferenz und Delegation.85 Letztere Mechanismen führen jedoch zur Unterordnung nichtstaatlicher Regelwerke unter staatliches Recht, mit der Konsequenz deutlich sinkender Autonomie privaten Einheitsrechts. Die Mechanismen der Deferenz und Delegation stecken schließlich den dogmatischen Rahmen ab, der aus Sicht des staatlichen Rechts für die Integration nichtstaatlicher Normen zur Verfügung steht und damit konkret über die Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts entscheidet. aa) Fehlende Gleichordnung privaten Einheitsrechts Der Hauptmechanismus des staatlichen Rechts, fremde Rechtsordnungen anzuerkennen, ist das internationale Privatrecht. Die fremde Rechtsnorm wird in das staatliche Rechtssystem internalisiert, sofern eine Kollisionsnorm des internationalen Privatrechts die Anwendung autorisiert.86 Siehe hierzu auch Goode, Rule, Practice, and Pragmatism in Transnational Commercial Law, 54 International and Comparative Law Quarterly 2005, S.  539, 549 ff. 84  Eine Typologie im Hinblick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Anerkennung nichtstaatlicher Rechtssysteme präsentiert Forsyth, A Typology of Relationships Between ­State and Non-State Justice Systems, 56 Journal of Legal Pluralism and Unofficial Law 2007, S.  67, 67 ff. 85  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1228 ff. 86  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary ­Theory, 2011, S.  335, 340. 83 

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(1) Internationales Privatrecht als Rezeptionsmechanismus Konkreter Anknüpfungspunkt ist hier das nahezu weltweit akzeptierte Prinzip der Parteiautonomie im internationalen Privatrecht.87 Das Prinzip der Parteiautonomie erlaubt es den Parteien des internationalen Handels, grundsätzlich das auf ihren Vertrag anwendbare Recht frei zu wählen. Dabei geht die Parteiautonomie deutlich weiter und gewährt fremden Rechtsnormen erheblich mehr Autonomie als ihr sachrechtliches Pendant, die Privatautonomie:88 Während im Rahmen der materiellen Privatautonomie nicht von den zwingenden Vorschriften des Sachrechts abgewichen werden kann und lediglich von den dispositiven Vorschriften entbunden wird, befreit die kollisionsrechtliche Parteiautonomie grundsätzlich auch von den zwingenden Vorschriften des ohne die Rechtswahl anwendbaren Rechts.89 Kraft Ermächtigung durch das nationale Kollisionsrecht erlaubt die Parteiautonomie also eine Disposition über die Rechtsordnung in Gänze und ­hebelt so die Geltung inländischen Sachrechts aus.90 Das kollisionsrechtlich gewählte Recht wird dann von den staatlichen Gerichten vollumfänglich angewendet und unterliegt insbesondere auch keiner Inhaltskontrolle anhand der lex fori.91 Als Korrektiv verbleibt dem staatlichen Gericht die Berufung auf international zwingende Normen (Eingriffsnormen) und den ordre public-Vorbehalt.92 Der Begriff der Eingriffsnormen ist aber ebenso restriktiv auszulegen93, wie der Siehe für die historische Entwicklung der Parteiautonomie Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, 1965. 88  Leible, Parteiautonomie im IPR – Allgemeines Anknüpfungsprinzip oder Verlegenheitslösung?, in: Festschrift für Erik Jayme, 2004, S.  485, 485 f.; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, §  7 Rn.  69. 89  Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2006, S.  292 f. 90  Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  46; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2006, S.  295. 91  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, §  7 Rn.  85. 92  Siehe hierzu ausführlich Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  49 ff. 93 Unter Eingriffsnormen, die auch als international zwingende Vorschriften bezeichnet werden können, versteht man solche Normen, die unabhängig von dem auf den Vertrag anwendbaren Recht Anwendung finden, sich also auch gegen eine Rechtswahl durchsetzen. Dieser Grundsatz findet seine positive Normierung nunmehr in Art.  9 Rom I-Verordnung. Inhaltlich werden gemäß Art.  9 Rom I-Verordnung Eingriffsnormen als solche definiert, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden sind, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Durch diese Rechtsfigur wird den staatlichen Gerichten also die Möglichkeit gegeben, trotz der kolli87 

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ordre public-Vorbehalt anzuwenden ist.94 Bis auf diese verhältnismäßig geringen Hürden wird im Ergebnis die Autonomie der gewählten Rechtsordnung im Rahmen dieses Rezeptionsmechanismus vollumfänglich gewahrt. (2) Privates Einheitsrecht als anwendbares Recht Der Bestand der Normen des privaten Einheitsrechts könnte über das internationale Privatrecht auch vor staatlichen Gerichten weitgehend gewährleistet sein, sofern nichtstaatliche Regelwerke eine wählbare Rechtsordnung im Sinne des Kollisionsrechts darstellen.95 Interessanterweise offenbart das internationale Privatrecht hier einen der seltenen Fälle, in denen die Rechtspraxis direkt von der Rechtstheorie abhängt.96 So fußt die praktische Frage, welches Recht einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl zugänglich ist, letztlich auf der rechtstheoretischen Frage, was Recht konstituiert.97 sionsrechtlichen Anknüpfung regulatorische Interessen durchzusetzen, um so die Einheit der Rechtsordnung zu bewahren. Da es dem Paradigma des internationalen Privatrechts aber gerade nicht um die Herstellung individueller Gerechtigkeit geht, ist der Begriff der Eingriffsnormen sehr restriktiv auszulegen, sodass sich in den Eingriffsnormen gerade ein elementares Staatsinteresse manifestieren muss. Als Beispiele können hier Vorschriften des Wettbewerbsrechts und Strafrechts genannt werden. Siehe hierzu Martiny, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2015, Art.  9 Rom I-VO Rn.  8; Renner, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations Commentary, 2011, Art.  9 Rome I Rn.  9 ff.; Staudinger, in: Schulze (Hrsg.), BGB Handkommentar, 2017, Rom I Art.  9 Rn.  8; von Bar/ Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, S.  262 ff. 94  Im Gegensatz zu den Eingriffsnormen, die sich im Falle ihrer Einschlägigkeit durchsetzen, dient der ordre public-Vorbehalt als negativer Abwehrmechanismus dazu, die Anwendung einer Vorschrift des anwendbaren Rechts zu verhindern, sofern die Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) offensichtlich unvereinbar ist, also gegen grundlegende Gerechtigkeitsvorstellungen des Staates des angerufenen Gerichts, also der lex fori, verstößt. Inhalt der Kontrolle ist nicht die Rechtsvorschrift selbst, sondern nur das Ergebnis der Rechtsanwendung. Siehe hierzu Schulze, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 2011, Art.  21 VO (EG) 593/2008 Rn.  8; Spickhoff, in: Bamberger/Roth/ Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 2017, Art.  21 VO (EG) 593/2008 Rn.  1 ff. Verstöße gegen den ordre public sind zudem aufgrund der Tatsache äußerst selten, dass die Masse der schuldrechtlichen Vorschriften ohnehin dispositiver Natur ist, vgl. Martiny, in: Säcker/­Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2015, Art.  21 Rom I-VO Rn.  2. 95  Grundsätzlich würde sich hier in einem ersten Schritt die Frage stellen, ob und unter welchen Voraussetzungen nichtstaatliche Regelwerke Recht sein können, und erst dann in einem zweiten Schritt, ob aus diesem Grunde auch nichtstaatliche Rechtsordnungen einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl zugänglich sind. Aufgrund des praktischen Zuschnitts ist erstere Frage hier von untergeordneter Bedeutung. Siehe zu diesem Themenkomplex ausführlich Schilf, Allgemeine Vertragsgrundregeln als Vertragsstatut, 2005, S.  136 ff. 96  Teubner, Breaking Frames: Economic Globalisation and the Emergence of lex mercatoria, 45 American Journal of Comparative Law 1997, S.  149, 150. 97  Ebd., S.  150; Schilf, Allgemeine Vertragsgrundregeln als Vertragsstatut, 2005, S.  136 ff.;

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Aus Sicht des staatlichen Rechts ist die diesbezügliche Antwort allein im geltenden staatlichen Recht zu finden, welches die positivrechtliche Legitimation einer solchen Rechtswahl bildet. Da „nur der Staat […] bestimmt, welches Recht in seinen Gemarkungen gelten solle“,98 ist ohne Geltungschance im demokratischen Staat, was nicht durch das staatliche Recht autorisiert wurde.99 Obwohl ein andauernder wissenschaftlicher Diskurs um die Rechtsqualität nichtstaatlichen Rechts wie der lex mercatoria und ähnlicher Phänomene geführt wird,100 wird die Rechtswahl nichtstaatlicher Rechtsordnungen in den meisten Kollisionsrechtsordnungen nicht anerkannt.101 Die Rechtswahl ist stets auf die Wählbarkeit staatlichen Rechts begrenzt.102 So wurde erst im Rahmen des Entstehungsprozesses der Rom I-Verordnung ein Regelungsvorschlag,103 der auch die Wahl nichtstaatlicher Regelwerke als anwendbares Recht im Sinne des Art.  3 Rom I-Verordnung ermöglicht hätte, wieder verworfen.104 Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1227 ff. 98  Ehrlich, Internationales Privatrecht, Deutsche Rundschau 1906, S.  419, 425. 99  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, §  2 Rn.  85, §  7 Rn.  78; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2006, §  36 I; Leible, Parteiautonomie im IPR – Allgemeines Anknüpfungsprinzip oder Verlegenheitslösung?, in: Festschrift für Erik Jayme, 2004, S.  485, 487. 100  Goode, Rule, Practice, and Pragmatism in Transnational Commercial Law, 54 Internatio­ nal and Comparative Law Quarterly 2005, S.  539, 546 ff.; Zumbansen, Lex Mercatoria: Zum Geltungsanspruch transnationalen Rechts, RabelsZ 67 (2003), S.  637, 637 ff.; Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  29 ff.; siehe auch die Nachweise supra Fn.  29. 101  Spickhoff, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 2017, Art.  3 VO (EG) 593/2008 Rn.  7–12; Martiny, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2015, Art.  3 Rom I-VO Rn.  28–41; Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  3 Rome I Rn.  33; Ferrari, in: Ferrari/ Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 2011, Art.  3 VO (EG) 593/2008 Rn.  18–22; Mankowski, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), European Commentaries on Private International Law – Rome I Regulation, 2017, Art.  3 Rome I Rn.  294 ff. 102  Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  3 Rome I Rn.  33; Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  1-31; Briggs, The Conflict of Laws, 2013, S.  237 ff. 103  Der Kommissionsvorschlag KOM (2005) 650 endg. sah einen Art.  3 Abs.  2 vor, wonach die Parteien als anzuwendendes Recht auch auf internationaler oder Gemeinschaftsebene anerkannte Grundsätze und Regeln des materiellen Vertragsrechts sollten wählen können. Siehe hierzu Leible/Lehmann, Die Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, RIW 2008, S.  528, 528 ff. 104  Siehe hierzu ausführlich Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commen-

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Ursächlich für die Begrenzung der Rechtswahl auf staatliches Recht ist hier neben anderen praktischen Gründen wie beispielsweise Abgrenzungsschwierigkeiten105 hauptsächlich das territoriale Rechtsetzungsmonopol des National­ staates und dies in zweierlei Hinsicht. Konzeptionell hat zunächst der Staat das Rechtsetzungsmonopol in Bezug auf sein nationalstaatliches internationales Privatrecht. Damit ist innerhalb des staatlichen Rechtssystems nur anwendbares Recht, was als solches durch das staatliche internationale Privatrecht bestimmt wird. Hierfür ist gerade nicht entscheidend, ob Rechtstheorie oder Rechtssoziologie nichtstaatliche Rechtsnormen als Recht definieren,106 sondern es ist allein maßgeblich, was die jeweiligen nationalstaatlichen Kollisionsrechte ihrem Verständnis von Recht im Sinne des Kollisionsrechts zugrunde legen.107 Wie die Dogmatik offenbart, sind nichtstaatliche Regelwerke derzeit nicht unter den Rechtsbegriff des internationalen Privatrechts subsumierbar, dies ist allerdings nicht zwingend so. Wie die Entstehungsgeschichte der Rom I-Verordnung zeigt, ist es nicht ausgeschlossen, dass das staatliche Recht gerade eine andere Entscheidung im Hinblick auf die Anwendbarkeit nichtstaatlicher Regelwerke als Recht im Sinne des internationalen Privatrechts trifft. Eine neuerliche Diskussion in dieser Hinsicht könnten die Haager Prinzipien für die Rechtswahl in internationalen kom­ merziellen Verträgen (The Draft Hague Principles on Choice of Law in Inter­ national Commercial Contracts) der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht anstoßen.108 In Art.  3 der Haager Regeln ist explizit die Rechtswahl­ tary, 2015, Art.  3 Rome I Rn.  33 ff.; Martiny, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2015, Art.  3 Rom I-VO Rn.  28 ff.; Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 2011, Art.  3 Rom I Rn.  18 ff.; Sonnenberger, „… an Gesetz und Recht gebunden…“? IPR und Private Rechtsetzung vor dem Richter, in: Festschrift für Peter Schlosser zum 70. Geburtstag, 2005, S.  921, 921 ff. 105  Mankowski, Der Vorschlag für eine Rom I-Verordnung, IPRax 2006, S.  101, 102. 106  Teubner, Globale Bukowina – Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, 15 Rechtshistorisches Journal 1996, S.  255, 273 ff.; Teubner/Fischer-Lescano, Regime-Collisions: The Vain Search for Legal Unity in the Fragmentation of Global Law, 25 Michigan Journal of International Law 2003/2004, S.  999, 1021; Griffiths, What is Legal Pluralism?, 18 Journal of Legal Pluralism 1986, S.  1, 1 ff.; Merry, Legal Pluralism, 22 Law and Society Review 1988, S.  869, 875 ff.; Berman, Global Legal Pluralism, 80 Southern California Review 2007, S.  1155, 1161 ff.; Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1212. 107  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1238 ff. 108  Die Haager Prinzipien für die Rechtswahl in internationalen kommerziellen Verträgen sind verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017.

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möglichkeit von rules of law vorgesehen, sofern sie auf internationaler, supranationaler oder regionaler Ebene allgemein als neutrale und ausgeglichene Regeln anerkannt sind.109 Der Begriff rules of law ist ausweislich der Kommentierung zu Art.  3 der Haager Regeln unter 3.1. in Anlehnung an die Rechtswahlmöglichkeit von rules of law in Modellregeln zur Schiedsgerichtsbarkeit zu verstehen (Art.  28 Abs.  1 UNCITRAL Model Law on International and Commercial Arbitra­tion110 und Art.  21 Abs.  1 ICC Arbitration Rules111), sodass hierunter explizit Rechtsquellen nichtstaatlichen Ursprungs zu subsumieren sind.112 Zwar ist dieses Instrument, wie der Titel bereits indiziert, keine völkerrecht­ liche Konvention, sodass keine formale Bindung der Nationalstaaten besteht, die Regelungen in nationalstaatliches Recht umzusetzen. Dennoch soll dieses Instrument Prinzipien für die Nationalstaaten mit Modellcharakter bereitstellen, welche die Nationalstaaten aufgrund der inhaltlichen Qualität in ihre jeweiligen nationalen Kollisionsrechte übernehmen können. So hat Paraguay im Dezember 2014 als erster Staat die Haager Regeln in nationales Recht implementiert113 und folgt damit dem Zweck der Regeln, Motor für Rechtsreform zu sein.114 Eine neuerliche Diskussion über die Wählbarkeit nichtstaatlicher Regelwerke auch in anderen Ländern oder in der Europäischen Union ist vor diesem Hintergrund immerhin möglich.115 Letztlich wäre aber für eine diesbezügliche Reform116 unabhängig vom Inhalt der Haager Regeln sicherlich ausschlaggebend, ob nichtstaatliche Regelwerke überhaupt als Recht aus Sicht des Staates konzeptualisierbar sind. Damit wäre

109  In Art.  3 der Haager Prinzipien heißt es: „The law chosen by the parties may be rules of law that are generally accepted on an international, supranational or regional level as a neutral and balanced set of rules, unless the law of the forum provides otherwise.“ 110  Das UNCITRAL Modellgesetz ist abrufbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 111  Seit dem 01. März 2017 ist eine neue Fassung der ICC Arbitration and Mediation Rules in Kraft. Diese ist verfügbar , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 112  Siehe Art.  3 Abs.  1 der Haager Prinzipien. 113  Siehe hierzu , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 114  Siehe hierzu die Einleitung der Haager Prinzipien unter I.8 – I.10. 115  Wenig Erfolgsaussichten hat die Regelung aber aus Sicht von Michaels, Non-State Law in the Hague Principles on Choice of Law in International Contracts, in: Purnhagen/Rott (Hrsg.), Liber Amicorum for Hans Micklitz, 2014, S.  43, 43 ff. 116  Im Hinblick auf die Rom I-Verordnung bedürfte es hierzu zumindest einer diesbezüg­ lichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, siehe dazu Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  3 Rome I Rn.  33.

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strukturell die Frage „was ist Recht im Sinne des internationalen Privatrechts?“ von der Frage „was ist Recht?“ zu unterscheiden.117 Aber auch letztere muss ebenso wie die erste Frage aufgrund des Recht­ setzungsmonopols des Staates eher negativ für nichtstaatliche Regelwerke beantwortet werden. So ist historisch bereits seit dem Westfälischen Frieden und dem damit einhergehenden Aufstieg des Nationalstaates der Begriff des Rechts an den durch territoriale Grenzen definierten Nationalstaat geknüpft.118 Hierdurch sollten ebensolche regulatorischen Überschneidungen der vielzähligen politischen Einheiten verhindert werden, die zuvor den Dreißigjährigen Krieg heraufbeschworen hatten. Nur noch der Nationalstaat sollte als Souverän in seinen territorialen Grenzen Recht setzen dürfen und auch nur staatliches Recht sollte anzuerkennen sein.119 Die Gültigkeit von Recht innerhalb der territorialen Grenzen ist seither unmittelbar an den Staat gebunden.120 Auch in der Rechtsphilosophie wurde die ordnungsgemäße Gesetztheit des Rechts spätestens mit Kelsen ein Kernelement der Definition des Rechtsbegriffs und unter der Bezeichnung des Rechtspositivismus zu einer rechtsphilosophischen Hauptströmung.121 Im Gegensatz zu primär wirksamkeitsorientierten (soziologischen) oder gerechtigkeitsorientierten (naturrechtlichen) Rechtskonzepten122 wurde mit Kelsen die Gültigkeit und Verbindlichkeit einer Rechtsnorm konzeptionell an das Be­ stehen und die Rückführbarkeit auf eine einzige Grundnorm oder im Sinne von Hart auf eine „rule of recognition“123 im Stufenbau der Rechtsordnung geknüpft, die als Zwangsakte statuierende Ordnung letztlich ebenfalls einen Souverän, also den Staat, voraussetzt.124 Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1238 ff. 118  Siehe zur Entstehung des Nationalstaates Berman, Recht und Revolution: Die Bildung der westlichen Rechtstradition, 1995, S.  439 ff.; Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  2; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 630 ff. 119  Schultz, Transnational Legality – Stateless Law and International Arbitration, 2014, S.  50; Teubner, Breaking Frames: Economic Globalisation and the Emergence of lex mercatoria, 45 American Journal of Comparative Law 1997, S.  149, 157 f. 120  Siehe zur Geltung des Rechts auch Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, S.  27 ff. 121  Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934; siehe hierzu auch Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 502. 122  Siehe für eine detaillierte Darstellung Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, S.  27 ff. 123  Hart, The Concept of Law, 1994. 124  Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934; Schilf, Allgemeine Vertragsgrundregeln als Vertragsstatut, 2005, S.  216; Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  2. 117 

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Auf den Punkt gebracht wird diese Sichtweise in einer abweichenden Meinung von Justice Holmes: „[T]he law in the sense in which the court speaks of it today does not exist without definite authority behind it125 […] [and] the authority and only authority is the state.“126

Unter dieser positivistischen Selbstbeschreibung des Rechts sind privat geschaffene Normen nur schwerlich zu subsumieren: Privat erzeugt und gerade nicht vom Souverän verfassungsgemäß gesetzt, fehlt ihnen das Kernelement des positivistischen Rechtsbegriffs. Privat geschaffenes Recht schließt sich per definitionem aus und wird, verfassungsmäßig durch das Rechtsetzungsmonopol des Staates abgesichert, schlicht Nicht-Recht.127 Private können damit zwar grundsätzlich eigenverantwortlich ihre Beziehungen untereinander im Rahmen der ihnen vom Staat verliehenen Parteiautonomie regeln. Die Setzung allgemeinverbindlicher Normen ist aber auf nationaler Ebene den Staaten und auf internationaler Ebene den supranationalen Organisationen beziehungsweise der völkerrechtlichen Gemeinschaft vorbehalten.128 Im Ergebnis zeigt sich, dass sowohl derzeit nichtstaatliche Regelwerke kein Recht im Sinne des internationalen Privatrechts sind und eine diesbezügliche Änderung der Dogmatik ebenfalls unwahrscheinlich ist.129 Aus Sicht des Staates ist der Rechtsbegriff stets mit staatlich gesetztem Recht konnotiert. (3) Zwischenergebnis Für die weitere Analyse bleibt festzuhalten, dass das internationale Privatrecht zwar derjenige Rezeptionsmechanismus ist, der fremden Rechtsnormen die größte Autonomie innerhalb des staatlichen Rechtssystems belässt. Allerdings 125  Zitiert nach Juenger, The Lex Mercatoria and Private International Law, 60 Louisiana Law Review 2000, S.  1133, 1143, der sich auf Black and White Taxicab & Transfer Co v Brown and Yellow Taxicab and Transfer Co [1928] 276 US 518, S.  533–534, bezieht. 126 Ebd. 127  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 508 ff.; Michaels, Was ist nichtstaatliches Recht?, in: Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S.  39, 42 ff.; Michaels, The Re-StateMent of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1227 ff. 128  Spickhoff, Internationales Handelsrecht vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten, RabelsZ 56 (1992), S.  116, 126 ff.; Oetker, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, Einleitung Rn.  42. 129  Vogenauer, The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts at Twenty: Experiences to Date, the 2010 Edition, and Future Prospects, 19 Uniform Law Review 2014, S.  481, 515 f., hält ebenfalls eine Änderung des Europäischen Rechtsrahmens in der nahen Zukunft für unwahrscheinlich.

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verschließt das staatliche Recht diesen Mechanismus vor nichtstaatlichen Rechtsregimen. Damit bildet das internationale Privatrecht die oberste Grenze der für private Regelwerke zur Verfügung stehenden Rezeptionsmechanismen. bb) Die Unterordnung privaten Einheitsrechts Die fehlende Konzeptualisierung nichtstaatlicher Regelwerke als Recht bedeutet gleichwohl nicht, dass staatliches Recht private Rechtsregime ignoriert. ­Michaels identifiziert auf abstrakter Ebene die Rezeptionsmechanismen der Inkorporierung, Deferenz und Delegation des staatlichen Rechts, um privates Einheitsrecht in die Dogmatik des staatlichen Rechts zu übersetzen.130 Diese Mechanismen sind aber gleichermaßen durch das Element der Unterordnung gekennzeichnet:131 Staatliches Recht erkennt privates Einheitsrecht nicht auf einer Ebene der Gleichordnung an, sondern ordnet es hierarchisch unter.132 Es wird sich zeigen, dass dies nicht unproblematisch für die Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts ist, da diese Strategie staatlichen Rechts die Autonomie privaten ­Einheitsrechts maßgeblich gefährdet. (1) Inkorporierung Staatliches Recht hat zunächst die Möglichkeit, durch Inkorporierung auf nichtstaatliches Recht zu reagieren, indem nichtstaatliches Recht in staatliches Recht transformiert wird. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Reaktion des englischen Rechts auf die mittelalterliche lex mercatoria.133 Um den kollidierenden lokalen Gebräuchen und Rechtsregeln zu entkommen, hatte sich das englische law merchant als überlokales Gewohnheitsrecht aus den Gebräuchen des nationalen wie auch internationalen Handels selbst herausgebildet. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch die Zuständigkeit spezieller nichtstaatlicher Sondergerichte für handelsrechtliche Streitigkeiten (pie-powder courts).134 Das staatliche Rechtssystem 130  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1231 ff. 131  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 502. 132  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1231 ff. 133  Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 48. 134  Die Bezeichnung pie-powder courts leitete der Lord Chief Justice Coke davon ab, dass die Gerichte ihre Entscheidungen so schnell treffen mussten, wie „der Staub von den Füßen der Kaufleute fiel“, siehe hierzu den Nachweis bei Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 49; siehe ebenfalls Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  3 ff.

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spielte für derartige Streitigkeiten aus zweierlei Gründen nahezu keine Rolle. Zum einen hatte die englische Krone diesbezüglich keine Zuständigkeit135 und zum anderen war staatlicher Zwang auch nicht für die Durchsetzung der Urteile der Handelsgerichte erforderlich. Soziale Sanktionen wie beispielsweise der Ausschluss aus Handelsgilden oder Boykotte waren wirkmächtige Mechanismen zur Rechtsdurchsetzung jenseits staatlichen Zwangs.136 Bereits im 17. Jahrhundert war das englische law merchant nicht nur in der dortigen Kaufmannschaft maßgeblich, sondern galt als anerkannt innerhalb der ganzen zivilisierten Welt und wird deshalb bis heute als Musterbeispiel eines nichtstaatlichen Rechtsregimes angeführt.137 Das englische Recht reagierte schon bald auf dieses Phänomen durch die Inkorporierung der universellen Regeln der lex mercatoria in das nationale Common Law.138 So wurden zunächst institutionell Anfang des 17. Jahrhunderts die handelsrechtlichen Sondergerichte durch die englischen Common Law courts substituiert. Zudem wurden die inhaltlichen Regeln der lex mercatoria durch das Common Law selbst absorbiert, indem die Spruchpraxis der staatlichen Gerichte die Regeln des law merchant kontinuierlich integrierte und adaptierte.139 Bereits 1893 war das law merchant in Gänze durch das Common Law aufgenommen, was die Formulierung des Sale of Goods Act deutlich macht, indem es heißt, dass „the rules of the common law, including the law merchant, […] shall continue to apply for the sale of goods“.140 135  Siehe hierzu Holdsworth, A History of English Law, Vol. I, 1903, S.  268 ff., 303, und grundsätzlich das gesamte Kapitel „The Development of the Law Merchant and its Courts“, S.  300–337; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 629 ff. 136  Benson, The Spontaneous Evolution of Commercial Law, 55 Southern Economic Journal 1989, S.  644, 649. 137  Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 48; Goode/ McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  3 ff.; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 629; Blaurock, The Law of Transnational Commerce, in: Ferrari (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  9, 13. 138  Dalhuisen, Legal Orders and Their Manifestation: The Operation of the International Commercial and Financial Legal Order and Its Lex Mercatoria, 24 Berkeley Journal of International Law 2006, S.  129, 138 ff.; Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 630; Michaels, The Re-StateMent of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1232; siehe hierzu auch Blaurock, The Law of Transnational Commerce, in: Ferrari (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  9, 13. 139  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  6 ff. 140  Ebd., S.  7.

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Andere Beispiele für diesen Rezeptionsmechanismus sind vielzählig. Auch in Kontinentaleuropa wurde durch das Aufkommen des Nationalstaates das Handelsrecht verstaatlicht141 und viele Regeln der lex mercatoria durch die Inkorpo­ rierung in nationale Handelsgesetzbücher nationalisiert.142 Weltweit akzeptierte Usancen, wie der Grundsatz pacta sunt servanda, werden so zu Normen des positiven Gesetzesrechts143 oder nichtstaatliche Regelsetzer erzeugen Modell­ gesetze, die sodann vom staatlichen Recht implementiert werden.144 Der Nutzen dieses Mechanismus liegt auf der Hand: Das staatliche Recht gewinnt durch die Inkorporierung und die damit einhergehende Subordination des privaten Rechtsregimes die soziale Kontrolle über den jeweiligen Regelungsgegenstand zurück, erspart sich aber eine eigene Regulierung.145 Kennzeichnend für diesen Mechanismus ist damit auch, dass Private zwar als Regelsetzer anerkannt werden, den Regeln aber der Status als autonomes Recht verweigert wird. Vielmehr werden sie durch diesen Prozess Teil der staatlichen Rechtsordnung, wodurch der Staat sein Rechtsanerkennungsmonopol selbst bestätigt.146 (2) Deferenz Da es einerseits nicht möglich und andererseits auch nicht gewollt ist, jedes Ergebnis privater Normsetzung in das staatliche Recht zu inkorporieren, rezipiert staatliches Recht private Normativität durch Deferenz: Hier wird zwar die normative Autonomie privater Akteure anerkannt, das Produkt privater Norm­ setzung wird jedoch ebenfalls nicht als autonomes Recht behandelt, sondern für die rechtliche Analyse auf die Tatsachenebene degradiert. 141  Calliess/Dietz/Konradi/Nieswandt/Renner/Sosa, Transformation des Handelsrechts? Neue Formen von Rechtssicherheit in globalen Austauschprozessen, in: Hurrelmann/Leibfried/ Martens/Mayer (Hrsg.), Zerfasert der Nationalstaat?, 2008, S.  143, 143–144; Cutler, Public Meets Private: The International Unification and Harmonisation of Private International Trade Law, 13 Global Society 1999, S.  25, 28 ff.; Cutler, Private Power and Global Authority – Transnational Merchant Law in the Global Political Economy, 2003, S.  141–179. 142  Juenger, The Lex Mercatoria and Private International Law, 60 Louisiana Law Review 2000, S.  1133, 1135. 143  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1231 ff. 144  So wurde zum Beispiel das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, welches am 21. Juni 1985 verabschiedet wurde, von 76 Staaten ganz oder in Teilen übernommen (Stand 01.12.2017). Siehe zu dem Status der Implementationen , zuletzt abgerufen am 01.12.‌2017. 145  Stone Sweet, The New Lex Mercatoria and Transnational Governance, 13 Journal of European Public Policy 2006, S.  627, 630. 146  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1231–1233.

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Private Normen erhalten dann Einzug über Rechtsnormen, die auf Partei­ erwartungen, Handelsbräuche, Treu und Glauben oder dergleichen verweisen, allerdings nur insoweit es das staatliche Recht zulässt.147 Mittelbar kann so über Generalklauseln privaten Normen Rechtsverbindlichkeit verschafft werden, ohne dass sie aber selbst zu Rechtsnormen werden.148 (3) Delegation Im Gegensatz zu den Strategien der Inkorporierung und Deferenz erhalten private Normen durch den Mechanismus der Delegation einen eigenen, autonomen, rechtlichen Status. Innerhalb der drei Varianten belässt damit das staatliche Recht hier noch die größtmögliche Autonomie.149 Prominentes Beispiel hierfür ist das Gewohnheitsrecht, welches beispielsweise in Deutschland als originäre Rechtsquelle anerkannt ist.150 Allerdings besteht die Autonomie des Gewohnheitsrechts nur dem Anschein nach, denn sowohl der Tatbestand für das Vorliegen von Gewohnheitsrecht als auch dessen Rechtsfolge wird durch das staatliche Recht definiert. Der Rechtsstatus des Gewohnheitsrechts reicht also auch nur so weit, wie ihn das staatliche Recht gewährt.151 Eine ungeschriebene Delegationsnorm von herausragender Bedeutung ist die Privatautonomie:152 Privatautonome Selbstregulierung als „Recht der Vertrags­ parteien“153 wird vom staatlichen Recht anerkannt, wobei dies ebenfalls nur innerhalb der durch das staatliche Recht gesetzten Grenzen der Privatautonomie gilt.154 Darüber hinaus hat aber auch diese Selbstregulierung keine Geltungschance.155 Ebd., S.  1233–1234; Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 341; Goode, Usage and its Reception in Transnational Commercial Law, 46 International and Comparative Law Quarterly 1997, S.  1, 5 ff. 148  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  1; Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  2; Canaris, Handelsrecht, 2006, §  22 Rn.  11 ff. 149  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1231–1233. 150  Goode, Usage and its Reception in Transnational Commercial Law, 46 International and Comparative Law Quarterly 1997, S.  1, 7 ff. 151  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1231–1233. 152  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 520. 153  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1235. 154  Anders schon Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1961, S.  74. 155  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1235. 147 

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

cc) Zwischenergebnis Insgesamt werden private Normen also auf unterschiedlichen Wegen rezipiert. Dabei wird nur fremden Rechtsordnungen staatlichen Ursprungs vollständige Autonomie zuerkannt. Der Geltungskonflikt zwischen staatlichem Recht und privat geschaffenen Normen wird damit durch Hierarchie gelöst: Privat geschaffene Normen werden nicht als autonome Rechtsquelle anerkannt und dem staatlichen Recht unter­ geordnet.156 Durch diese Strategie ist das staatliche Recht in der Lage, Phäno­ menen privater Regelsetzung vordergründig Herr zu werden. Eingebettet in das staatliche Rechtssystem wird die Einheit der Rechtsordnung bewahrt und damit gleichzeitig die Legitimität des Rechtssystems als kohärentes Ganzes aufrecht erhalten.157 b) Dogmatische Rezeptionsmechanismen des Umgangs mit nichtstaatlichen Rechtsregimen Die abstrakten Mechanismen der Deferenz und Delegation geben den Rahmen vor, der in der Praxis für die Einbeziehung privater Normen vor staatlichen Gerichten zur Verfügung steht. Im Folgenden soll der dogmatische Rahmen des deutschen und englischen Rechts für die Einbeziehung privater Rechtsregime abgesteckt werden. Dieser bildet den Ausgangspunkt für die sich im Dritten Kapitel anschließende empirische Analyse. Sowohl im deutschen und englischen Recht liegt der praktische Schwerpunkt auf dem abstrakten Mechanismus der Deferenz: Der Status als Recht wird privaten Rechtsregimen verweigert, die Normen werden in die Sprache des Rechtssystems übersetzt und zu dogmatischen Kategorien degradiert. Diese Unterordnung privater Rechtsregime durch das staatliche Recht birgt aber eine potenzielle Gefahr für die Autonomie und die Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts. Diese Gefährdung variiert je nachdem, welcher dogmatischen Kategorie das private Einheitsrecht im Einzelfall zugewiesen wird.

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Ebd., S.  1235. Jansen/Michaels, Private Law Beyond the State? Europeanization, Globalization, Privatization, in: Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State – Rethinking Private Law, 2008, S.  69, 87; Teubner spricht in diesem Zusammenhang davon, dass diese „Rechtsphänomene, […] im Nationalstaat nur deshalb erfolgreich in die grauen Zonen nichtrechtlicher Faktizität abgeschoben werden konnten, weil sie in einen umfassenden Normenkranz staatlichen Rechts eingefaßt und diszipliniert waren.“, Teubner, Privatregimes: Neo-Spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft?, in: Simon/Weiss (Hrsg.), Liber Amicorum Spiros Simitis, 2000, S.  437, 440. 157 

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aa) Dogmatischer Rechtsrahmen im deutschen Rechtssystem Für die Einbeziehung nichtstaatlicher Regelwerke existieren im deutschen Rechtssystem und damit konkret für den zur Entscheidung berufenen Richter verschiedene dogmatische Konzepte. Diese sind aber insgesamt begrenzt. Staatliches Recht kann die Normen des privaten Einheitsrechts als schlichte Vertragsklauseln, als Allgemeine Geschäftsbedingungen, als Handelsbrauch oder als Gewohnheitsrecht rezipieren.158 (1) Vertragsklausel und Allgemeine Geschäftsbedingungen Das verfassungsmäßig garantierte Prinzip der Privatautonomie ist der Hauptmechanismus für die Inklusion privater Normen in das staatliche Rechtssystem.159 (a) Voraussetzungen Durch die Privatautonomie vollzieht das staatliche Recht anschaulich den Mechanismus der Delegation, indem die Parteien autorisiert werden, ihre Rechtsverhältnisse selbst und eigenverantwortlich zu gestalten.160 Durch die Freiheit der Vertragsgestaltung können die Parteien nicht nur selbst Regeln formulieren und Arrangements treffen, sondern auch auf private Rechtsregime Bezug nehmen.161 In der Folge werden diese externen Normen Bestandteil des durch das staatliche Recht autorisierten Vertrags.162 Das staatliche Recht qualifiziert die Bezugnahme auf private Rechtsregime in der Regel sodann als Allgemeine Geschäftsbedingungen163 im Sinne der §§  305 ff. BGB.

Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 40. 159  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 340. 160  Di Fabio, in: Herzog/Herdegen/Scholz/Klein (Hrsg.), Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar, 2017, Art.  2 Rn.  101 ff. 161  Bonell, Soft Law and Party Autonomy: The Case of the UNIDROIT Principles, 51 Loyola Law Review 2005, S.  229, 229 ff.; Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 340 ff. 162  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 340 ff. 163  Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß §  305 Abs.  1 BGB solche Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die eine Partei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt. 158 

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Ebenso wird privates Einheitsrecht behandelt, wenn die Parteien versuchen, es als anwendbares Recht im Sinne einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl zu wählen. Eine derartige Parteivereinbarung wird vor den staatlichen Gerichten als ­materiell-rechtliche Verweisung gewertet.164 Die Normen des privaten Einheitsrechts kommen damit nicht als Rechtsnormen zur Anwendung, sondern erhalten den Rang von Vertragsklauseln. Die unwirksame kollisionsrechtliche Rechtswahl des nichtstaatlichen Rechts durch die Parteien wird damit so behandelt, als hätten die Parteien die Normen abgeschrieben und in ihren Vertrag eingefügt.165 (b) Kontrollmaßstab Die Behandlung privaten Einheitsrechts als Vertragsklauseln oder Allgemeine Geschäftsbedingungen ist indes nicht unproblematisch. Als Ausübung der Privatautonomie unterliegen sie deren Grenzen, welche die Autonomie des privaten Einheitsrechts deutlich einschränken. Zunächst können im Rahmen der Privat­ autonomie die Parteien durch Vereinbarung lediglich von den dispositiven Vorschriften des ansonsten anwendbaren Rechts abweichen.166 Die zwingenden Vorschriften bleiben stets anwendbar. Hierzu gehören insbesondere die Nichtigkeit bei Sittenwidrigkeit im Sinne des §  138 BGB und bei Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß §  134 BGB sowie der Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne des §  242 BGB.167 Sobald eine „Norm“ des privaten Einheitsrechts gegen diese zwingenden Vorschriften nationalstaatlichen Rechts verstößt, können die staatlichen Gerichte die Regelungen unproblematisch für unwirksam erklären. Aber selbst wenn durch eine Regelung des privaten Einheitsrechts nur von dispositivem Recht abgewichen wird, ist der Bestand des Regelwerks nicht gewährleistet. In der Regel werden die Normen des privaten Einheitsrechts als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §  305 BGB qualifiziert werden.168 164  Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome Regulations – Commentary, 2015, Art.  3 Rome I Rn.  21 ff.; Martiny, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürger­ lichen Gesetzbuch, 2015, Art.  3 Rom I-VO Rn.  37 ff.; Leible/Lehmann, Die Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, RIW 2008, S.  528, 533; Ferrari, Art.  3, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 2011, Rn.  18 ff.; Rühl, Rechtswahlfreiheit im Europäischen Kollisionsrecht, in: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, S.  187, 187 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2006, §  40 I. 165  von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band  1, 2003, §  7 Rn.  70. 166  Di Fabio, in: Herzog/Herdegen/Scholz/Klein (Hrsg.), Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar, 2017, Art.  2 Rn.  106 ff. 167  Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 2017, S.  46. 168  Sofern es sich also bei den Normen des privaten Einheitsrechts um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, die eine Partei der anderen bei Abschluss des Vertrags stellt, ist

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In der Folge ist der Bestand der Normen deutlich stärker gefährdet als bei der bloßen Klassifizierung als Individualabrede. Die Qualifizierung als Allgemeine Geschäftsbedingungen entscheidet darüber, ob die Klausel nur an den allgemeinen Kontrollmaßstäben des zwingenden Rechts zu messen ist oder zusätzlich der AGB-Kontrolle der §§  305 ff. BGB unterliegt. Die AGB-Kontrolle hat zur Folge, dass die Klausel anhand eines deutlich strengeren Kontrollmaßstabes durch das staatliche Recht überprüft wird und auch dann für unwirksam erklärt werden kann, wenn die Klausel eine Partei im Sinne des §  307 BGB unangemessen benachteiligt.169 Hinter diesem zusätzlichen Kontrollmechanismus steht grundsätzlich der Zweck des AGB-Rechts, die missbräuchliche Ausübung der Privatautonomie durch eine Vertragspartei zu verhindern. Eine schwächere Vertragspartei soll vor dem Fall bewahrt werden, in dem sich der Vertragspartner vorformulierter Vertragsbedingungen bedient, um Risiken abzuwälzen und so seine stärkere Verhandlungsposition missbräuchlich ausnutzt. Der schwächeren Vertragspartei wird durch die Verwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf einer take it or leave it-Basis die Möglichkeit genommen, auf dessen Inhalt ein- und entgegenzuwirken oder überhaupt deren Inhalt wahrzunehmen.170 Problematisch ist jedoch, dass dieser Kontrollmechanismus auch angewendet wird, wenn sich die Vertragspartner auf Augenhöhe begegnen wie zwei Unternehmer im internationalen Handelsverkehr, die sich vorformulierter Regelwerke eines dritten Regelsetzers bedienen.171 Zwar bestünde dem Grunde nach die Möglichkeit, den Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle durch Aushandeln der Vertragsbedingungen zu umgehen. In diesem Fall würden die Klauseln dann nicht mehr als einseitig gestellt im Sinne des §  305 Abs.  1 Satz  1 BGB gelten.172 An ein solches Aushandeln knüpft die grundsätzlich der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle eröffnet und die Normen werden einer Inhaltskontrolle nach den §§  307–309 BGB unterzogen. Siehe zum Sinn und Zweck der AGB-Kontrolle ausführlich Basedow, in: Krüger (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2016, Vorbemerkung §  305 ff. Rn.  1 ff. 169  Zwar finden gemäß §  310 Abs.  1 BGB die §§  308 und 309 BGB keine Anwendung auf Handelsgeschäfte, wohl aber die Generalklausel des §  307 BGB, vgl. Canaris, Handelsrecht, 2006, §  22 Rn.  16; Berger, Für eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr, NJW 2010, S.  465, 467. 170  Basedow, in: Krüger (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2016, Vorbemerkung §  305 ff. Rn.  1 ff.; Stadler, in: Stürner (Hrsg.), Jauernig BGB Kommentar, 2015, §  305 Rn.  1 ff.; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 2017, S.  107 ff. 171  Berger, Für eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr, NJW 2010, S.  465, 465 ff. 172  Basedow, in: Krüger (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2016, §  305 Rn.  34 ff.

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

Rechtsprechung aber derart hohe Anforderungen,173 dass sie dem Zweck, den nichtstaatliche Regelwerke für die Parteien erfüllen sollen, nahezu wider­ sprechen. Fordert nämlich der Bundesgerichtshof, dass der Inhalt der Klauseln „ernsthaft zur Disposition gestellt werden“174 muss, indem andere Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden und auch ein Besprechen des Vertragsinhalts insgesamt nicht ausreicht,175 müssen durch die Parteien gerade die Kosten im Rahmen der Vertragsgestaltung aufgewendet werden, die sie eigentlich durch die Regelwerke sparen wollten. Selbst wenn also zwei Unternehmer konsensual ein Regelwerk ihrem Vertrag zugrunde legen und dabei gerade den Zweck der Transaktionskostenreduzierung der Regelwerke realisieren, indem sie die Klauseln gerade nicht „aushandeln“, besteht die Gefahr, dass die Klauseln einer Inhaltskontrolle unterzogen werden, was für die Parteien ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit bedeutet.176 Aufgrund dieser Problematik und trotz des Umstandes, dass inhaltlich die Anforderungen für eine Unwirksamkeit im Sinne des §  307 BGB bei kollektiv ausgehandelten und von allen Beteiligten des Verkehrskreises anerkannten Regelungen deutlich erhöht sind,177 steht die AGB-Kontrolle im unternehmerischen Rechtsverkehr fortwährend in der Kritik durch Wissenschaft und Praxis.178 173  BGH, Urteil vom 16.07.1998 – VII ZR 9/97, NJW 1998, S.  3488, 3489; BGH, Urteil vom 03.02.1993 – IV ZR 106/92, NJW-RR 1993, S.  504, 505; Berger, Aushandeln von Vertragsbedingungen im kaufmännischen Geschäftsverkehr – Stellen, Handeln, Behandeln, Verhandeln, Aushandeln…?, NJW 2001, S.  2152, 2152 ff.; Hobeck, Flucht aus der deutschen Gerichtsbarkeit bei wirtschaftlichen Streitigkeiten – warum?, DRiZ 2005, S.  177, 178; Berger, Für eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr, NJW 2010, S.  465, 465 ff. 174  BGH, Urteil vom 19.05.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, S.  2543, 2544; BGH, Urteil vom 16.07.1998 – VII ZR 9/97, NJW 1998, S.  3488, 3488; Basedow, in: Krüger (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2016, §  305 Rn.  34–35. 175  BGHZ 153, 311; Berger, Für eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr, NJW 2010, S.  465, 467. 176  Berger, Für eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr, NJW 2010, S.  465, 465; von Westphalen, Stellen vs. Aushandeln von AGB-Klauseln im unternehmerischen Geschäftsverkehr – der BGH weist die Lösung – Zugleich Besprechung BGH v. 17.02.2010 – VIII ZR 67/09, ZIP 2010, S.  1110, 1110 ff. 177  Stadler, in: Stürner (Hrsg.), Jauernig BGB Kommentar, 2015, §  307 Rn.  5. 178  Berger, Für eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr, NJW 2010, S.  465, 465 ff.; Berger, Abschied von der Privatautonomie im unternehmerischen Geschäftsverkehr?, ZIP 2006, S.  2149, 2149; Basedow, in: Krüger (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2016, §  310 Rn.  14 ff.; Maier-Reimer, AGB-Recht im unternehmerischen Rechtsverkehr – Der BGH überdreht die Schraube, NJW 2017, S.  1, 1 ff.; siehe hierzu auch Renner, Die „Natur des Vertrages“ nach §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB Soziologische Maßstabsbildung bei der AGB-Kontrolle, AcP 213 (2013), S.  677, der die Möglichkeit der Berücksichtigung von tatsächlichen Verhaltenserwartungen im Rahmen der AGB-Inhalts­ kontrolle begründet.

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(2) Handelsbrauch Das staatliche Recht kann das private Einheitsrecht weiterhin als Handelsbrauch im Sinne des §  346 HGB rezipieren. Rechtstheoretisch vollzieht das staatliche Recht durch die Qualifizierung privater Normen als Handelsbrauch ebenfalls den Mechanismus der Deferenz: Die Normen des privaten Einheitsrechts werden ­unter dem Mantel Handelsbrauch gerade nicht als Rechtsnormen anerkannt, sondern stellen in der Dogmatik des staatlichen Rechts lediglich das Faktenmaterial zur Auslegung von Rechtsgeschäften sowie zur Anwendung von Rechtsnormen bereit.179 (a) Voraussetzungen Die Rechtsprechung knüpft an das Vorliegen eines Handelsbrauchs im Wesentlichen drei Voraussetzungen und bildet damit gleichsam die legitimierenden Kriterien ab, die eine Inklusion der nichtstaatlichen Normen in das staatliche Rechtssystem ermöglichen.180 Es muss zunächst eine allgemeine, tatsächliche Übung innerhalb eines bestimmten Verkehrskreises aufgrund einheitlicher Auffassung vorherrschen, die zudem für eine gewisse Dauer praktiziert wird und letztlich aufgrund eines freiwilligen Verhaltens der beteiligten Personen befolgt wird.181 In Abgrenzung zur Handelsusance wird der Handelsbrauch deshalb befolgt, weil er von den Beteiligten als maßgeblich betrachtet, also gebilligt wird, und nicht lediglich deshalb, weil dies Zweckmäßigkeitsgründen oder der bloßen Übung entspricht.182 Aus Sicht des staatlichen Rechtssystems ist der Handelsbrauch als kaufmännische Verkehrssitte weder objektives Recht noch Rechtsnorm und bindet damit auch nicht die Gerichte unmittelbar über Art.  20 Abs.  3 GG.183 Sofern private 179  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  1; Schmidt, Handelsrecht, 2014, §  1 Rn.  49; Brüggemann, in: Canaris (Hrsg.), Staub Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 2009, Einleitung Rn.  34. 180  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary ­Theory, 2011, S.  335, 341. 181  BGH, Urteil vom 01.12.1965 – VIII ZR 271/63, NJW 1966, S.  502, 502 ff.; BGH, Urteil vom 02.05.1984 – VIII ZR 38/83, BB 1984, S.  1191, 1191; BGH, Urteil vom 25.11.1993 – VII ZR 17/93, NJW 1994, S.  659, 660; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  11 ff.; Canaris, Handelsrecht, 2006, §  24 Rn.  5 ff.; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, §  346 Rn.  1 ff.; Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  6. 182  Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S.  94. 183  Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  6;

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Normen als Handelsbrauch qualifiziert werden, erlangen sie somit keine Rechtsverbindlichkeit aus sich selbst heraus, sondern können lediglich diejenigen Rechtswirkungen äußern, die §  346 HGB als geltendes Recht für den Handelsbrauch anordnet.184 Über §  346 HGB kommt den privaten Normen dann aber eine doppelte Funktion zu, nämlich einerseits die Auslegungsfunktion im Hinblick auf kaufmännische Willenserklärungen185 sowie deren Verträge und andererseits eine normative Funktion, indem sie Verhaltenserwartungen der Kaufmannschaft begründen und an diese Rechtsfolgen geknüpft werden.186 Die normative Funktion des Handelsbrauchs kann in der Praxis konkret dazu führen, dass bestehende vertragliche Pflichten im Sinne des Handelsbrauchs ergänzt werden.187 Aufgrund dieser Normativität kommt dem Handelsbrauch ein hohes Maß an Autonomie, ähnlich dispositivem Gesetzesrecht, zu. So gilt der Handelsbrauch ohne Kenntnis der Beteiligten oder Unterwerfungswillen der Parteien in dem maßgeblichen Verkehrskreis.188 Damit hat ein bestehender Handelsbrauch abstrakte Geltung unabhängig von der individuellen Kenntnis der Beteiligten. In Verbindung mit dem jeweiligen Rechtsgeschäft verdrängt der Handelsbrauch als lex specialis zunächst grundsätzlich das dispositive Recht, sodass in der Folge bestimmte Sachverhalte oder Rechtsfolgen abweichend durch den Handelsbrauch geregelt werden.189 Ebenso wie dispositivem Gesetzesrecht gehen dem Handelsbrauch aber vertragliche Vereinbarungen vor.190 Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  1. 184  Canaris, Handelsrecht, 2006, §  24 Rn.  11; Schmidt, Handelsrecht, 2014, §  1 Rn.  48 f.; Rechtsverbindlichkeit können Handelsbräuche ebenfalls durch den Rezeptionsmechanismus der Parteiautonomie erlangen, wenn die Parteien den Handelsbrauch konsensual ihrem Vertrag zugrunde legen. 185  Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  21. 186  Schmidt, Handelsrecht, 2014, §  1 Rn.  48 f.; Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  1 ff. 187  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  36. 188  BGH, Urteil vom 01.12.1965 – VIII ZR 271/63, NJW 1966, S.  502, 502 f.; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, §  346 Rn.  8; Schmidt, Handelsrecht, 2014, §  1 Rn.  49; Canaris, Handelsrecht, 2006, §  22 Rn.  28. 189  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  38; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, §  346 Rn.  10; Canaris, Handelsrecht, 2006, §  22 Rn.  34. 190  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  37 ff.; Hobeck, Flucht aus der deutschen Gerichtsbarkeit bei wirtschaftlichen Streitigkeiten – warum?, DRiZ 2005, S.  177, 177 ff.

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(b) Kontrollmaßstab Das Maß der Autonomie wird allerdings wieder im Hinblick auf zwingende Normen eingeschränkt: Sofern zwingendes Recht, wie beispielsweise die guten Sitten im Sinne der §§  138, 826 BGB oder Treu und Glauben gemäß §  242 BGB entgegenstehen, kann der Handelsbrauch keine Geltung erlangen und sich nicht durchsetzen.191 Allerdings schränkt die AGB-Kontrolle die Autonomie des Handelsbrauchs nicht weiter ein. Handelsbräuche gelten über §  346 HGB kraft gesetzlicher Verweisung. Damit fallen sie gerade nicht unter die §§  305 ff. BGB und unterliegen nicht der Inhaltskontrolle gemäß §  307 BGB.192 (3) Handelsgewohnheitsrecht Durch die Qualifizierung als Handelsgewohnheitsrecht vollzieht das staatliche Recht im Hinblick auf privates Einheitsrecht letztlich den Mechanismus der Delegation. (a) Voraussetzungen Anders als die vorherigen Mechanismen ist das Handelsgewohnheitsrecht als Rechtsquelle anerkannt und ist als Rechtsnorm materielles Gesetz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (Art.  2 EGBGB193), welches den zur Entscheidung berufenen Richter unmittelbar bindet.194 Das Handelsgewohnheitsrecht beinhaltet als objektives Element eine lang andauernde und allgemein praktizierte Übung. In subjektiver Hinsicht wird diese longa consuetudo oder inveterata consueto195 durch die Überzeugung der Beteiligten im Verkehrskreis von der Rechtmäßigkeit der Übung (opinio iuris) getragen.196 Das Handelsgewohnheitsrecht ist damit durch einen RechtsgeltungswilBGHZ 99, 321, S.  326; Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  3; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  37; Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  27 ff.; Canaris, Handelsrecht, 2006, §  22 V Rn.  34; Schmidt, Handelsrecht, 2014, §  1 Rn.  57 ff. 192  Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, §  346 Rn.  10. 193  Gemäß Art.  2 EGBGB ist Gesetz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs und dieses Gesetzes ist jede Rechtsnorm. 194  Schmidt, Handelsrecht, 2014, §  1 Rn.  46, 49. 195  Brüggemann, in: Canaris (Hrsg.), Staub Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 2009, Einleitung Rn.  34; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 2016, S.  150. 196  Ossenbühl, §  100 Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2007, S.  163 f. 191 

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len der ihm unterworfenen Rechtskreise gekennzeichnet.197 Als formale Voraussetzung ist für die Charakterisierung einer Übung als Handelsgewohnheitsrecht erforderlich, dass sie als Rechtssatz formulierbar ist.198 Die Problematik des Gewohnheitsrechts liegt gerade in diesen Entstehungs­ voraussetzungen. Sowohl longa consuetudo als auch opinio iuris sind mit objektiven Maßstäben nur schwer festzustellen. Die Verhaltensmuster sind aufgrund sich verändernder Umweltbedingungen in Zeiten der Globalisierung stetig im Fluss, sodass die Feststellung der longa consuetudo problematisch wird. Die ­opinio iuris als Rechtsgeltungswillen des Verkehrskreises setzt einen Konsens in der Gemeinschaft über das Verhaltensmuster voraus. Ein solcher Konsens ist in der heutigen Zeit des Pluralismus nur bedingt zu ermitteln beziehungsweise existent. Damit entfallen vielerorts die tatsächlichen Vorbedingungen für die Ent­ stehung von Gewohnheitsrecht.199 Als Gesetz im materiellen Sinne obliegt es den Gerichten, das Bestehen von Handelsgewohnheitsrecht festzustellen,200 allerdings wird vor dem soeben dargelegten Hintergrund die Feststellung von Gewohnheitsrecht durch den Richter mehr und mehr unwahrscheinlich. (b) Kontrollmaßstab Im Unterschied zu Handelsbräuchen und Vertragsklauseln gehört das Handelsgewohnheitsrecht zu den Rechtsquellen und hat damit Rechtsgeltung. Als unmittelbarer Bestandteil des materiellen Handelsrechts bindet es den zur Entscheidung berufenen Richter direkt über Art.  20 Abs.  3 GG und nicht aufgrund einer Norm wie §  346 HGB.201 Es handelt sich somit bei jeder Norm, die als Handelsgewohn­ heitsrecht gilt, um ein Gesetz im materiellen Sinne gemäß Art.  2 EGBGB.202 Damit bewegt sich das Handelsgewohnheitsrecht auf einer Ebene der Gleichordnung mit dem staatlichen Recht und kann damit ebenso zwingende Wirkung 197  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  16; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2016, Vorbemerkung zu §  1 Rn.  32; BGHZ 18, 81, S.  92 f. 198  Ossenbühl, §  100 Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2007, S.  163 f. 199  Ebd., S.  163 f. 200  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2016, Vorbemerkung zu §  1 Rn.  32. 201  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2016, Vorbemerkung zu §  1 Rn.  32; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  16. 202  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2016, Vorbemerkung zu §  1 Rn.  32.

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haben. Es hat denselben Rang wie jede Bestimmung des positiven Gesetzesrechts,203 ist aber von den Beteiligten des Rechtskreises selbst geschaffen.204 Es ist augenscheinlich, dass im Rahmen der gewohnheitsrechtlichen Geltung den Normen privaten Ursprungs das höchste Maß an Autonomie zugebilligt wird. Sie unterliegen gerade nicht den zwingenden einfachgesetzlichen Vorschriften des nationalen Rechts, sondern vermögen sich durchzusetzen. Allerdings bedarf es zur Feststellung, ob eine bestimmte Übung sich als Gewohnheitsrecht verfestigt, der Gerichte.205 Damit erlangt das Gewohnheitsrecht seine faktische Bindung erst durch einen richterlichen Anerkennungsakt. Diese Bedingung schränkt die Autonomie des Handelsgewohnheitsrechts wieder ein: Zwar handelt es sich bei dem Anerkennungsakt nicht um einen Willensakt, sondern um einen Erkenntnisakt, sodass eine willkürliche An- beziehungsweise Nichtanerkennung als Gewohnheitsrecht ausscheiden muss.206 Allerdings bleibt das Gewohnheitsrecht ein Recht von Staates Gnaden, was eine vollständige ­Autonomie und eine unabhängige Existenz unmöglich macht.207 (4) Zwischenergebnis Die Autonomie privaten Einheitsrechts ist durch die Rezeptionsmechanismen des deutschen Rechtssystems deutlich eingeschränkt. Die größte Einschränkung erfährt privates Einheitsrecht bei einer Charakterisierung als Vertragsklauseln und Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Klauseln unterliegen bei einer ­Kollision mit zwingendem Recht und sind über die „Stellschraube“ der §§  305 ff. BGB potenzieller Gegenstand einer Inhaltskontrolle. Der Bestand des privaten Einheitsrechts scheint durch diese Mechanismen unmittelbar gefährdet. Etwas weitreichender ist die Autonomie bei einer Behandlung als Handelsbrauch. So unterliegt das private Einheitsrecht im Mantel des Handelsbrauchs zum einen keiner Inhaltskontrolle nach §  307 BGB. Zum anderen gilt der HanHopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, Vor §  1 Rn.  17; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  16. 204  Ossenbühl, §  100 Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2007, S.  163 f. 205  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2016, Vorbemerkung zu §  1 Rn.  32. 206  Siehe zum rechtstheoretischen Problem der rechtsgestaltenden Kraft der Jurisprudenz über das Gewohnheitsrecht Säcker, in: Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürger­ lichen Gesetzbuch, 2015, Einleitung Rn.  83 ff. 207  So hat auch Weber die Auffassung vertreten, dass es sich deshalb bei Gewohnheitsrecht um Juristenrecht handelt, Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1976, S.  508; siehe hierzu ­Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1228 f. 203 

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

delsbrauch normativ auch ohne Kenntnis der Parteien, sodass der Handelsbrauch in seiner Wirkung Gesetzesrecht ähnelt, was deutlich mehr autonome Geltung bedeutet. Allerdings wird diese wieder durch zwingende Normen eingeschränkt. Im Ergebnis gewährt der Status als Handelsgewohnheitsrecht privaten Ordnungen das größte Maß an Autonomie und gefährdet den Bestand der Norm aufgrund eines großzügigen Kontrollmaßstabes kaum. Allerding ist die Entstehung von Handelsgewohnheitsrecht an hohe Voraussetzungen geknüpft. Die Struktur der Vorbedingungen zum einen und die Abhängigkeit vom formalen Akt der Anerkennung zum anderen machen es fraglich, ob eine Vielzahl privat erzeugter Regelungen in den Genuss dieses Status kommt. bb) Dogmatischer Rechtsrahmen im englischen Rechtssystem Englisches Recht kann Normen nichtstaatlichen Ursprungs ebenfalls auf verschiedene Weisen rezipieren, die ihrerseits unterschiedlichen Beschränkungen unterliegen und damit die Funktionalität privat geschaffener Regelungen verschiedentlich unterstützen. Ähnlich wie im deutschen Recht kommen hier als Rezeptionsmechanismen die Charakterisierung als contractual terms beziehungsweise standard terms (Vertragsklauseln oder standardisierte Vertragsbedingungen), als customary law (Gewohnheitsrecht) oder trade usage (Handelsbrauch) in Betracht. (1) Contractual terms und standard terms In aller Regel qualifiziert das englische Recht nichtstaatliche Regelwerke als Vertragsklauseln oder standardisierte Vertragsbedingungen.208 (a) Voraussetzungen Vertragsklauseln sind für den englischen Richter die Haupterkenntnisquelle für seine Entscheidungsfindung. Den Status einer autonomen Rechtsquelle hat der Vertrag damit aber nicht, sondern wird aus Sicht der englischen Dogmatik erst durch die Rechtsordnung selbst in Existenz gesetzt und damit durchsetzbar.209 Um Wirkungen zu entfalten, ist es erforderlich, dass die Parteien in ihrem Vertrag auf das jeweilige Regelwerk Bezug nehmen.210

Briggs, The Conflict of Laws, 2013, S.  238. Goode, Rule, Practice, and Pragmatism in Transnational Commercial Law, 54 Internatio­ nal and Comparative Law Quarterly 2005, S.  539, 547 ff. 210  Ebd., S.  547 ff. 208  209 

II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts

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Grundsätzlich wird im englischen Vertragsrecht zwischen express terms und implied terms, also ausdrücklichen und konkludenten Vertragsbedingungen, unterschieden.211 Im Hinblick auf ausdrückliche Vertragsbedingungen legt das englische Recht ein weites Verständnis zugrunde. Unter ausdrücklichen Vertragsbedingungen werden nicht nur einzeln ausgehandelte Vertragsbestimmungen verstanden, sondern auch Regelungen von nichtstaatlichen Regelwerken, Standardverträgen oder anderen Standardklauseln (boilerplate clauses), sofern die Parteien in ihrem Vertrag hierauf verweisen (incorporation by reference).212 Grundsätzlich gehen ausdrücklich im Vertrag getroffene Regelungen solchen inkorporierten Geschäftsbedingungen vor, sofern sich die Regelungen inhaltlich widersprechen.213 Konkludente Vertragsbedingungen hingegen sind solche Vertragsbestandteile, die nicht ausdrücklich durch die Parteien geregelt wurden, aber durch den Richter in Ermangelung anderer Regeln (als default rules) in den Vertrag hineingelesen werden. Gegenüber ausdrücklichen Vertragsbedingungen sind konkludente Vertragsbedingungen grundsätzlich nachgiebig.214 Weiterhin wird im Hinblick auf den Grund für die Einbeziehung zwischen terms implied in fact (Tatsachenebene) und terms implied in law (Rechtsebene) differenziert.215 Durch die Einbeziehung von Regelungen auf Tatsachenebene offenbart sich erneut der Mechanismus der Deferenz. Basis der Einbeziehung ist hier der vermutete Parteiwille.216 Der Richter nimmt hier auf Grundlage des Parteiwillens an, dass die Parteien bestimmte Regelungen explizit in den Vertrag einbezogen hätten, wenn sie hieran gedacht hätten.217 Der Tatsachenebene können zum Beispiel solche Vertragsbedingungen inhärent sein, die dann durch den Richter in den Vertrag hineingelesen werden, wenn der restliche Vertrag darauf hindeutet, dass sie stillschweigend zugrunde gelegt wurden.218 Der Richter bezieht zudem Vertragsbedingungen ein, die notwendig

211  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  11 f.; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-001, 6-044. 212  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  11 f., 92; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-003. 213  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-22; Pagnan SpA v Tradax Ocean Transportation [1987] 2 Lloyd’s Rep 342. 214  Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-040. 215  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  92 ff.; McKendrick, Contract Law – Text, Cases, and Materials, 2018, S.  347. 216  McKendrick, Contract Law – Text, Cases, and Materials, 2018, S.  339. 217  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  92 ff.; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-033 ff. 218  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  92.

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

sind, um dem Vertrag zur wirtschaftlichen Wirksamkeit zu verhelfen.219 Auch Vertragsbedingungen von vorherigen Transaktionen können in den Vertrag hineingelesen werden, sofern die Parteien diese regelmäßig zugrunde gelegt haben und es deshalb vermutet werden kann, dass die in Rede stehende Transaktion ebenfalls auf Grundlage dieser Regelung abgewickelt werden soll.220 Letztlich werden über diesen Mechanismus auch Handelsbräuche und gewohnheitsrechtliche Regelungen in den Vertrag einbezogen.221 Als dem Recht inhärente Bestimmungen (terms implied in law) werden Regelungen in den Vertrag hineingelesen, sofern sie Bestandteil des Common Laws sind oder weil Gesetze bestimmte Regelungen vorgeben.222 (b) Kontrollmaßstab Unabhängig vom Grund der Einbeziehung als ausdrückliche oder konkludente Vertragsbedingung ist eine vertragliche Regelung für den englischen Richter nur solange bindend und wird durchgesetzt, wie die vertraglichen Abreden nicht zwingendem Recht (Common Law oder statute law) oder der öffentlichen Ordnung (public policy) widersprechen.223 Zwingendes nationalstaatliches Recht geht somit grundsätzlich jeder vertraglichen Abrede vor, was somit auch im englischen Recht ein hohes Gefahrenpotenzial für den Bestand der privaten Regelungen birgt. Diese Gefahr wird aber zunächst dadurch erheblich vermindert, dass im eng­ lischen Recht der Vertragsfreiheit höchste Priorität zuerkannt wird: „A basic principle of the common law of contract […] is that parties to a contract are free to determine for themselves what primary obligations they will accept.“224

Im handelsrechtlichen Kontext wird der Vertragsfreiheit dabei eine noch größere Bedeutung zugemessen.225 Für internationale Handelsverträge existieren seitens des nationalen zwingenden Rechts faktisch keine Vorschriften, welche die VerEbd., S.  92–93; McKendrick, Contract Law – Text, Cases, and Materials, 2018, S.  350 ff. Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  93 f. 221  Ebd., S.  94; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-032. 222  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  94–95; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-043, 6-048 ff.; Cartwright, Contract Law – An Introduction to English Law of Contract for the Civil Lawyer, 2016, S.  213 ff. 223  Chuah, The Law of International Trade, 2013, Rn.  1-003; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  101 ff.; Cartwright, Contract Law – An Introduction to English Law of Contract for the Civil Lawyer, 2016, S.  224 ff. 224  Eurico SpA v Philipp Brothers [1987] 2 Loyd’s Rep 215, S.  218. 225  „Legal policy favors the furtherance of international trade. Commercial men must be given the utmost liberty of contracting“ Homburg Houtimport BV and Others v Agrosin Pri­vate Ltd. and Another [2003] UKHL 12, Rn.  57. 219  220 

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tragsfreiheit der Parteien wieder einschränken.226 Dieses Verständnis kann durch die Worte von Goode über die englische Doktrin verdeutlicht werden: „[B]usiness life is rough and tough; if you can’t take care of yourself or don’t know what you’re doing, you shouldn’t get into it in the first place. In other words, in a contest between contract and equity in a commercial dispute, contract wins almost every time.“227

Die Einschränkungen, welche die Vertragsfreiheit erfährt, sind primär neueren Ursprungs. Jüngere Rechtsentwicklungen sowohl im Common Law als auch durch den englischen Gesetzgeber haben bewirkt, dass nun auch im englischen Recht standardisierte Vertragsbedingungen einer verstärkten richterlichen Kontrolle unterliegen. Die Grenzen innerhalb derer die Parteien die Freiheit haben, ihr eigenes Recht zu erzeugen, schrumpfen also kontinuierlich.228 So enthält der Sale of Goods Act 1979 eine Reihe von implied terms für internationale Warenkäufe, wobei die Möglichkeit des Verkäufers, diese vertraglich auszuschließen, erheblich eingeschränkt ist.229 Daneben enthält der Unfair Contract Terms Act 1977 zwingende Vorschriften um dem Missbrauch von standardisierten Vertragsbedingungen durch eine Partei zu­ lasten der schwächeren Vertragspartei vorzubeugen. Dieser findet auch im unternehmerischen Rechtsverkehr Anwendung. Inhaltlich werden durch den Unfair Contract Terms Act vertragliche Haftungsbeschränkungen von Unternehmen für Fahrlässigkeit bei Tod oder Körperverletzungen für unwirksam erklärt und die Wirksamkeit solcher Beschränkungen bei anderen Verlusten davon abhängig g­ emacht, dass sie einer Vernünftigkeitsprüfung (reasonableness test)230 stand­halten.231 Allerdings liegen die hier betrachteten Sachverhalte weitgehend außerhalb des Anwendungsbereichts des Unfair Contracts Term Act 1977: Gemäß Sec. 26 findet der Unfair Contracts Act 1977 auf den internationalen Warenkauf (interna­ Chuah, The Law of International Trade, 2013, Rn.  1-023. Goode, The Codification of Commercial Law, 14 Monash University Law Review 1988, S.  147, 149. 228  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  15 f. Neue Einschränkungen ergeben sich seit Oktober 2015 unter anderem durch den Consumer Rights Act 2015 insbesondere für Verbraucherverträge, siehe hierzu Cartwright, Contract Law – An Introduction to English Law of Contract for the Civil Lawyer, 2016, S.  226. 229  McKendrick, Sale of Goods, in: Burrows (Hrsg.), Principles of English Commercial Law, 2015, S.  53, 54, 67 ff. 230  Sec. 11 des Unfair Contract Terms Act 1977 definiert resonableness wie folgt: „[T]he term shall have been a fair and reasonable one to be included having regard to the circumstances which were, or ought reasonably to have been, known to or in the contemplation of the parties when the contract was made.“, verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 231  Cartwright, Contract Law – An Introduction to English Law of Contract for the Civil Lawyer, 2016, S.  227 ff. 226  227 

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

tional supply contracts) keine Anwendung.232 Zudem ist für die Frage der Vernünftigkeit der Vertragsbedingungen zu beachten, ob die Klauseln von einer externen Organisation formuliert wurden, die aufgrund ihrer Zusammensetzung als neutral angesehen werden kann, oder versucht, die Rechte der Parteien in ihren Regelwerken auszubalancieren.233 (2) Customary law In Betracht käme weiterhin eine Qualifizierung als Gewohnheitsrecht (customary law). (a) Voraussetzungen Unter Gewohnheitsrecht versteht das englische Recht „a particular rule which has existed either actually or presumptively from time immemorial and obtained the force of law in a particular locality although contrary to, or not consistent with, the general common law of the realm“.234

Grundsätzlich ist das Gewohnheitsrecht dadurch gekennzeichnet, dass es seit alters her ohne Unterbrechung existiert sowie vernünftig und hinreichend bestimmt ist. Das Gewohnheitsrecht kann zudem nur lokal begrenzt auftreten.235 232 

Vgl. International Sales of Goods Act 1977, Sec. 26 (1): The limits imposed by this Act on the extent to which a person may exclude or restrict liability by reference to a contract term do not apply to liability arising under such a contract as is described in subsection (3) below. (3) Subject to subsection (4), that description of contract is one whose characteristics are the following— (a) either it is a contract of sale of goods or it is one under or in pursuance of which the possession or ownership of goods passes; and (b) it is made by parties whose places of business (or, if they have none, habitual residences) are in the territories of different States (the Channel Islands and the Isle of Man being treated for this purpose as different States from the United Kingdom). (4) A contract falls within subsection (3) above only if either— (a) the goods in question are, at the time of the conclusion of the contract, in the course of carriage, or will be carried, from the territory of one State to the territory of another; or (b) the acts constituting the offer and acceptance have been done in the territories of different States; or (c) the contract provides for the goods to be delivered to the territory of a State other than that within whose territory those acts were done. Verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. Siehe hierzu auch Lawson, Exclusion Clauses and Unfair Contract Terms, 2011, S.  152 ff. 233  Chuah, The Law of International Trade, 2013, Rn.  1-005, 1-007; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  107. 234  Marylebone (Hrsg.), Halsbury’s Laws of England, 1975, S.  2; siehe hierzu auch Hugo, The Legal Nature of the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits: Lex Mercatoria, Custom, or Contracts?, 6 South African Mercantile Law Journal 1994, S.  143, 156. 235  Marylebone (Hrsg.), Halsbury’s Laws of England, 1975, S.  5; siehe hierzu auch Hugo,

II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts

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Problematisch ist hier insbesondere das Zeiterfordernis. Um als Gewohnheitsrecht zu gelten, ist es erforderlich zu zeigen, dass die Regel schon vor 1189 existiert hat. Dies wird durch die Vermutung abgemildert, dass dies der Fall ist, wenn der Ursprung nicht mehr bekannt ist.236 (b) Kontrollmaßstab Grundsätzlich wirkt Gewohnheitsrecht als das „Common Law“ in dem jeweiligen Gebiet. Es kann damit abweichende Regelungen vom allgemeinen Common Law treffen und diesem in bestimmten Fällen vorgehen. Gewohnheitsrecht kann sich aber nicht gegen Gesetzesrecht durchsetzen. Ähnlich wie im deutschen Rechtssystem ist zwar grundsätzlich die Autonomie von Gewohnheitsrecht hoch. Problematisch sind aber die Entstehungsvoraussetzungen für die Konzeptualisierung privater Regelwerke als Gewohnheitsrecht im englischen Rechtssystem. Die lokale Begrenztheit des Gewohnheitsrechts und das Erfordernis, dass die Regel schon seit alters her existiert haben muss, stehen im Widerspruch zum universellen Regelungsanspruch und den stetigen Revisionen der privaten Regelwerke.237 (3) Trade usage Nichtstaatliche Regelwerke können zudem als Handelsbrauch (trade usage) qualifiziert werden. (a) Voraussetzungen Als Handelsbrauch wird eine dauerhafte Praxis einer bestimmten Branche oder eines Berufsstandes bezeichnet.238 In diesem Sinne wird ein Handelsbrauch folgendermaßen definiert: „[A] rule of conduct amounts to a usage if so generally known in the particular department of business life in which the case occurs that, unless expressly or impliedly excluded, it must be considered as forming part of the contract.“239

Sofern ein Handelsbrauch existiert und das Gericht selbigen anerkennt, kann die Norm als der Tatsachenebene inhärent (term implied in fact) in den Vertrag einThe Legal Nature of the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits: Lex Mercatoria, Custom, or Contracts?, 6 South African Mercantile Law Journal 1994, S.  143, 156 ff. 236  Hugo, The Legal Nature of the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits: Lex Mercatoria, Custom, or Contracts?, 6 South African Mercantile Law Journal 1994, S.  143, 157. 237  Ebd., S.  156 ff. 238  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  13 f. 239  Lord Hailsham of St Marylebone (Hrsg.) Halsbury’s Laws of England Vol. 12, 4.  Aufl. 1975, Band  2, S.  323.

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

bezogen oder zur Vertragsauslegung herangezogen werden.240 Damit entfaltet der Handelsbrauch Wirkung, auch wenn die konkrete Kenntnis der Vertrags­ parteien fehlt.241 Ähnlich wie bei der Qualifizierung als Handelsbrauch im deutschen Recht erfahren nichtstaatliche Regelwerke hierdurch eine gesteigerte Autonomie.242 Voraussetzung für eine diesbezügliche Qualifizierung durch den Richter ist, dass es sich bei den Regelungen um eine klar etablierte Praxis handelt, die im relevanten Markt so allgemein bekannt ist, dass diejenigen, die in diesem Markt Geschäfte betreiben, die Praxis als Bestandteil ihrer Verträge ansehen. Die Parteien müssen die Praxis also gerade als rechtlich bindende Verpflichtung betrachten243 und sie muss zudem vernünftig sein.244 Nichtstaatliche Regelwerke werden oftmals als sogenannter kodifizierter Handelsbrauch (codified usage) bezeichnet. Diese Bezeichnung ändert jedoch im Hinblick auf Voraussetzungen und Rechtsfolgen nichts.245 (b) Kontrollmaßstab Auch der Handelsbrauch gilt nicht uneingeschränkt. Zunächst setzt er sich nicht gegen ausdrückliche Regelungen des Vertrags durch,246 auch dann nicht, wenn er gegen die Natur des Vertrags als solchen spricht.247 Darüber hinaus geht zwingendes nationales Recht dem Handelsbrauch vor.248 240  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  94; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-050. 241  Goode, Usage and its Reception in Transnational Commercial Law, International and Comparative Law Quarterly 1997, S.  1, 8. 242  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.b)aa)(2)(a). 243  Schmitthoff, The Unification or Harmonisation of Law by Means of Standard Contracts and General Conditions, 17 International and Comparative Law Quarterly 1968, S.  551, 554– 555; Goode, Usage and its Reception in Transnational Commercial Law, 46 International and Comparative Law Quarterly 1997, S.  1, 9; McKendrick, Contract Law – Text, Cases, and Materials, 2018, S.  344 ff. 244  „To amount to such a recognized usage, it must be certain in the sense that the practice is clearly established; it must be notorious, in the sense that it is well known, in the market in which it is alleged to exist, that those who conduct business in that market contract with the usage as an implied term; and it must be reasonable.“, Cunliff-Owen v Teather and Greenwood [1967] 1 W.L.R. 1421, S.  1438–1439. 245  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  14 f. 246  Palgrave, Brown & Son Ltd. v SS Turid (Owners) [1922] 1 AC 397; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-048. 247  London Export Corpn Ltd. v Jubilee Coffee Roasting Co [1958] 1 W.L.R. 661, S.  675; Sealy/Hooley, Commercial Law, Text, Cases, and Materials, 2009, S.  25; Peel, Treitel on the Law of Contract, 2015, Rn.  6-048. 248  Daun v City of London Brewery Co [1869] LR 8 Eq 155, S.  161; Sealy/Hooley, Commer-

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II. Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts

(4) Zwischenergebnis Englisches Recht rezipiert privat geschaffene Regelungen in der Regel ebenfalls wie deutsches Recht als Vertragsklauseln. Dabei misst es solchen standard terms nahezu unbeschränkt Autonomie zu, da eine inhaltliche Überprüfung dieser Normen nur sehr begrenzt stattfindet. Sofern also privates Einheitsrecht wirksam in den Vertrag einbezogen wurde, ist die faktische Wirksamkeit der Normen hoch.

3. Versuch einer Systematisierung Der dogmatische Rahmen, der für die Einbeziehung privater Ordnungen zur Verfügung steht, lässt sich damit im Ergebnis folgendermaßen systematisieren und darstellen (Tabelle 1). Tabelle 1: Zuerkennung von Autonomie / Maß an staatlicher Kontrolle Mehr Kontrolle/

Weniger Kontrolle/

Weniger Autonomie

Mehr Autonomie

AGB/Vertragsklauseln

Handelsbrauch

Gewohnheitsrecht

Recht i. S. d. IPR

Contractual/standard terms

Trade usage

Customary law

Conflict of laws

Verfassung

Verfassung

Verfassung

ordre public

Zwingendes Recht

Zwingendes Recht

Gleichordnung

Gleichordnung

Inhaltskontrolle249 Unterordnung

Unterordnung

Quelle: Eigene Darstellung

249

Das Maß der Zuerkennung von Autonomie privater Ordnungen lässt sich anhand des Kontrollmaßstabs des staatlichen Rechts beschreiben. Je großzügiger dieser ist, desto mehr Autonomie belässt das staatliche Recht der privaten Ordnung. Mit zunehmender Autonomie nähert sich die Behandlung privater Regelwerke der­ jenigen von ausländischen staatlichen Rechtsordnungen an und gewährleistet in der Folge zunehmend den Bestand privater Normen. cial Law, Text, Cases, and Materials, 2009, S.  25; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  13–14. 249  Im deutschen Rechtssystem.

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Zweites Kapitel – Rechtseinheit durch private Regelwerke

Die größtmögliche Autonomie privaten Einheitsrechts wäre bei einer kolli­ sionsrechtlichen Anerkennung als Recht gewährleistet. Allerdings ist eine solche Anerkennung im bestehenden dogmatischen Kontext nicht möglich. Staatliches Recht begegnet privaten Ordnungen nicht auf einer Ebene der Gleichordnung, sondern degradiert und ordnet deren Normen hierarchisch unter. Auf der Ebene der Unterordnung kommt privaten Regelwerken noch die ­meiste Autonomie bei einer Qualifizierung als Handelsgewohnheitsrecht zu und gewährleistet am ehesten deren Bestand. Deutlich weniger Autonomie belässt staatliches Recht privaten Normen bei einer Qualifizierung als Handelsbrauch, der sich nicht gegen zwingendes Recht durchzusetzen vermag. Am wenigsten Autonomie kommt privaten Regelwerken bei einer Qualifizierung als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu. Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen den zwingenden einfachgesetzlichen Vorschriften sowie allen Normen, die hierarchisch darüberliegen. Daneben können Allgemeine Geschäftsbedingungen auch im Rahmen einer Inhaltskontrolle für unwirksam erklärt werden, auch wenn durch die Klausel nur von dispositivem Gesetzesrecht abgewichen wird. Die Unterordnung privaten Einheitsrechts wirkt sich nicht nur auf die Rechtsbeständigkeit der Normen aus, sondern hat darüber hinaus auch Auswirkungen auf das Erfordernis der international einheitlichen Auslegung. Sofern das staat­ liche Recht die Normen des privaten Einheitsrechts als Vertragsklauseln oder als Allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt, sind sie als Bestandteil des Vertrags grundsätzlich anhand des auf den Vertrag anwendbaren materiellen Rechts auszulegen.250 Nach dem Gebot des inneren Entscheidungseinklangs ist ein Vertrag anhand einer einzigen Rechtsordnung zu beurteilen, also auch nur anhand einer Rechtsordnung auszulegen.251 Dies hat die problematische Folge, dass je nach Vertragsstatut der Vertrag anhand unterschiedlicher nationaler Vorschriften auszulegen ist. Je nachdem ob nun beispielsweise deutsches, englisches oder schweizerisches Sachrecht Anwendung findet, kann damit die Auslegung und Interpretation einer bestimmten Klausel variieren.252 Die erforderliche international einheitliche Auslegung ist hierdurch strukturell nicht zu erreichen.

Spellenberg, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürger­ lichen Gesetzbuch, 2015, Art.  12 Rom I-VO Rn.  37 ff.; Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Man­ kowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 2011, Art.  12 Rn.  5 ff., 10; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1174. 251  Spellenberg, in: Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürger­ lichen Gesetzbuch, 2015, Art.  10 Rom I-VO Rn.  37. 252  von Hoffmann, Zur Auslegung von Formularbedingungen des internationalen Handelsverkehrs, RIW 1970, S.  247, 248. 250 

III. Konsequenzen

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III. Konsequenzen Alle Rezeptionsmechanismen des staatlichen Rechts stellen eine potenzielle Gefahr für private Ordnungen dar. Die verschiedenen Kontrollmechanismen schränken die Autonomie des privaten Einheitsrechts ein und gefährden damit die Rechtsbeständigkeit als Funktionsbedingung privaten Einheitsrechts. Die Art und Weise wie staatliches Recht private Ordnungen hierarchisch unterordnet, erzeugt also unmittelbar Konflikte zwischen beiden Rechtsregimen, was direkte Auswirkungen für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels haben könnte: Sofern das staatliche Rechtssystem in der Praxis dazu neigt, einen strengen Kontrollmaßstab wie bei der Qualifizierung als Allgemeine Geschäftsbedingungen für private Regelwerke anzulegen und häufig Normen für unwirksam erklärt, wird unmittelbar die Stabilität der Regelwerke gefährdet und damit das Bedürfnis des grenzüberschreitenden Handels nach Rechtssicherheit durch einheitliche, neutrale und ausbalancierte private Regelwerke missachtet.253 Um seine Funktion zu erfüllen, ist also im Ergebnis das privat geschaffene Einheitsrecht davon abhängig, dass das staatliche Recht möglichst wenig von seiner Autorität Gebrauch macht. Das private Einheitsrecht ist also gerade entgegen dieser Darstellung darauf angewiesen, dass es in der Praxis als Einheitsrecht betrachtet wird und aus diesem Blickwinkel heraus durch den staatlichen Richter angewendet und ausgelegt wird.254 Je mehr Autonomie das staatliche Recht dem privaten Einheitsrecht faktisch belässt, also je umfassender es privates Einheitsrecht und dessen Charakter anerkennt, desto effektiver ist es auch in der Lage, die Funktion der Erzeugung von Rechtseinheit zu erfüllen. Dieser Frage nach der faktischen Behandlung privaten Einheitsrechts durch staatliche Gerichte wird im Dritten Kapitel nachgegangen.

Schilf, Allgemeine Vertragsgrundregeln als Vertragsstatut, 2005, S.  130 ff., 134. von Hoffmann, Zur Auslegung von Formularbedingungen des internationalen Handelsverkehrs, RIW 1970, S.  247, 247. 253  254 

Drittes Kapitel

Private Regelwerke und Spruchpraxis Die Untersuchung des theoretischen und dogmatischen Rechtsrahmens für die Integration privater Normen in das staatliche Rechtssystem im zweiten Kapitel hat eine konkrete Gefahr für die Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts ausgemacht. Durch die Unterordnung privater Regelwerke und die damit ein­ hergehende Kontrollmöglichkeit anhand der Standards des staatlichen Rechts erscheint die Rechtsbeständigkeit privater Normen konkret gefährdet und die Funk­tionsfähigkeit privaten Einheitsrechts damit fraglich. Ebenfalls rückt das Regelungsziel privater Regelwerke bei fehlender internationaler Auslegung durch die nationalen Gerichte in weite Ferne. Damit offenbart sich ein eklatanter Widerspruch zwischen der Häufigkeit der Verwendung der privaten Regelwerke in der Praxis einerseits und den dogma­ tischen Gefahren für die Stabilität der Regelwerke andererseits: Trotz des problematischen dogmatischen Rahmens für private Regelwerke und der Konflikt­ situation zwischen staatlichem Recht und privaten Regelwerken und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit werden sie gleichwohl in der Praxis täglich zuhauf verwendet.1 Gerade wenn also private Regelwerke aufgrund ihres Potenzials zur Schaffung von Rechtseinheit und damit Rechtssicherheit eine derart fundamentale Rolle für die Praxis spielen,2 liegt die Vermutung nahe, dass entgegen der dogmatischen Ausgangslage die tatsächliche Anwendung in der Praxis durch die Gerichte gerade nicht dazu führt, dass der Regelungszweck der Regelwerke gefährdet wird. Andernfalls wäre die weltweite Beliebtheit, innerhalb des grenzüberschreitenden Handels auf private Regelwerke zurückzugreifen, nicht zu erklären. Nicht zuletzt zeigt auch die Vielzahl der Rezeptionsmechanismen, dass das staatliche Recht ein intrinsisches Interesse daran zu haben scheint, nichtstaatlichen Normen in diversen Situationen zur Anwendung zu verhelfen. Gleichzeitig machen die inhärenten Kontrollmaßstäbe allerdings deutlich, dass

1  Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschafts­ rechts – Zu den methodischen und praktischen Grundlagen der lex mercatoria, 1996, S.  24 ff. 2  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 502.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

das staatliche Recht privaten Normen skeptisch gegenübersteht und diese nicht unbegrenzt anerkennen will.3 Beide Befunde, Verwendung in der Praxis einerseits und das Interesse staat­ lichen Rechts andererseits, deuten darauf hin, dass in der Praxis Wege existieren müssen, wie staatliches Recht und private Regelwerke pragmatisch interagieren, sich wechselseitig beobachten und so gewährleisten, dass privates Einheitsrecht seine Funktion in der Praxis erfüllen kann.

I. Untersuchungsfrage Das Dritte Kapitel geht der Frage nach, ob sich die Gefahren, welche die Untersuchung des dogmatischen Rechtsrahmens für private Regelwerke ausgemacht hat, auch konkret realisieren. Es fragt sich, ob die Anwendung und Auslegung privater Regelwerke durch die staatlichen Gerichte auch tatsächlich dazu führen, dass private Regelwerke ihr Regelungsziel nicht erreichen können, weil die Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts, also Rechtsbeständigkeit und eine internationale Auslegung durch die Spruchpraxis staatlicher Gerichte nicht gewährleistet werden. Damit möchte die Arbeit der dritten These nachgehen und versuchen, zu ergründen, ob Strategien des pragmatischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht existieren, die es trotz des dogmatischen Gefahrenpotenzials ermöglichen, privates Einheitsrecht so zu beachten, dass es seine Funktion erfüllen kann.

II. Vorgehensweise und Methodik Die vorliegende Arbeit will sich dieser Fragestellung durch eine empirische Analyse verschiedener Referenzregelwerke in der Spruchpraxis deutscher und eng­ lischer4 Gerichte nähern. Als Untersuchungsgegenstand liegen der Arbeit drei unterschiedliche Ausprägungen des privaten Einheitsrechts zugrunde. Den ersten Untersuchungsgegenstand bilden die International Commercial Terms (Incoterms) der ICC, die den geringsten Regelungsumfang aufweisen. Im Anschluss werden die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA) im Hinblick auf 3  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off­-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 342; Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen De­ regulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 519. 4  Hierunter wird im Folgenden die Gerichtsbarkeit von England und Wales verstanden.

II. Vorgehensweise und Methodik

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die Art und Weise der Anwendung betrachtet. Schließlich widmet sich die Studie den von UNIDROIT herausgegebenen Principles of International Commercial Contracts (PICC), die den weitesten Regelungsanspruch enthalten. Rechtsvergleichend wird die Spruchpraxis vor deutschen und englischen Gerichten untersucht. Beide Rechtssysteme stehen dabei repräsentativ für die beiden wichtigsten Rechtstraditionen in der westlichen Welt, was trotz der Beschränkung auf zwei Rechtssysteme darüber hinausgehende Generalisierungen ermöglichen kann. Zudem generieren sowohl Großbritannien als auch Deutschland als bedeutende Handelsnationen ein großes Außenhandelsvolumen, weshalb eine Vielzahl grenzüberschreitender Transaktionen einen natürlichen Bezug zu deutschem oder englischem Recht aufweist.5 Für die Analyse der Spruchpraxis deutscher Gerichte wurden die juristischen Datenbanken juris6 und beck-online7 ausgewertet. In die Analyse einbezogen wurden alle dort veröffentlichten Entscheidungen aus dem Zeitraum 1990 bis Januar 2015. Reduziert wurde die Anzahl der Entscheidungen um solche der ­Finanzgerichte, da diese nicht das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit betreffen. Aufgrund der faktischen Bindungswirkung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs im Hinblick auf die Auslegung europäischen Sekundärrechts für die nationalen Gerichte werden die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ebenfalls mit in die Analyse einbezogen.8 Der Analyse der Spruchpraxis englischer Gerichte liegt eine Auswertung der Datenbanken Westlaw UK9 und Lexis Nexis10 zugrunde. Aufgrund der deutlich höheren Anzahl von Entscheidungen im Hinblick auf die Referenzregelwerke wurden lediglich alle veröffentlichten Entscheidungen aus dem Zeitraum 2000 bis Januar 2015 in die Studie einbezogen. Für die UNIDROIT Principles wurde zudem auf die Datenbank unilex.info zurückgegriffen, die von UNIDROIT unterhalten wird und eine Sammlung von Rechtsprechung in Bezug auf die UNIDROIT Principles bereithält.11 5  Für das Jahr 2014 nimmt Deutschland weltweit beim Im- und Export von Waren jeweils den dritten Platz und von Dienstleistungen den vierten bzw. dritten Platz ein. Das Vereinigte Königreich exportiert weniger Waren (Platz 10, Import Platz 5), dafür exportiert es mehr Dienstleistungen (Platz 2, Import Platz 5), vgl. , zuletzt abgerufen am 01.12.2017 , zuletzt abgerufen am 01.12.­2017. 6  , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 7  , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 8  Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, 2016, §  9 Rn.  102 ff.; Oppermann/Classen/­ Nettesheim, Europarecht, 2016, §  13 Rn.  83. 9  , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 10  , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 11 Die Datenbank ist verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.‌2017.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Untersucht wurden in der Studie folgende Fragestellungen: Wurde das Regelwerk als explizit vertraglich vereinbart ausgewiesen? Wenn nicht, wurden vertragliche Bestimmungen auch ohne explizite Bezugnahme durch die Parteien anhand des Regelwerks ausgelegt? Wurde eine Bestimmung des Regelwerks für unwirksam erklärt? Fand ein Rekurs auf die Materialien der Regelsetzer bei der Anwendung und Auslegung statt? Schließlich wurde noch gefragt, ob die Gerichte in irgendeiner Form Stellung zur Rechtsqualität des Regelwerks nahmen. Durch die Frage nach der Wirksamkeit der Bestimmungen sollte es zunächst möglich sein, Rückschlüsse darüber zu erzielen, ob die dogmatische Charakterisierung privater Regelwerke auch in der Praxis ein Problem für die Rechtsbeständigkeit privater Regelwerke darstellt. Rückschlüsse über die Art und Weise der Auslegung privater Regelwerke durch die Gerichte sollten aus der Frage gezogen werden, ob durch die Gerichte ein weiterer Rekurs auf die Auslegungsmaterialien der privaten Regelsetzer (Kommentare, Hinweise, Schiedsurteile) als autoritativ stattfand. Darüber hinaus fragt die Untersuchung aber auch danach, ob ohne direkte Bezugnahme auf das Regelwerk durch die Parteien Bestimmungen des Vertrags anhand des Regelwerks ausgelegt wurden. Hierdurch könnten Rückschlüsse darüber möglich sein, ob den privaten Regelwerken in der Praxis mehr Autorität zukommt, als es ihrem eigentlichen rechtlichen Status entspricht. Aus diesem Grund war hier die Begründung der Gerichte für die Einbeziehung des privaten Regelwerks und etwaige Ausführungen zur Rechtsqualität von besonderem Interesse. Im Rahmen der empirischen Analyse wurde aus einer rechtssoziologisch inspirierten Beobachterperspektive12 nicht nach der Richtigkeit einer Entscheidung gefragt, sondern danach, wie in bestimmten Rechtssystemen tatsächlich entschieden wurde. Dabei wurde versucht, das Beobachtete anhand rechtlicher Kategorien nachzuvollziehen, weshalb die eingenommene Perspektive der Arbeit rechtsdogmatisch bleibt.13 Die Untersuchung gliedert sich dabei wie folgt: Zunächst wird jeweils in Kürze das zu untersuchende Regelwerk im Hinblick auf Gegenstand, Zweck und Inhalt sowie die dogmatische Charakterisierung dargestellt. Im Anschluss hieran erfolgt die Auswertung und Interpretation der empirischen Analyse im deutschen und englischen Rechtssystem.

Siehe hierzu Lamnek/Krell, Qualitative Sozialforschung, 2016, S.  515 ff. zu diesem Ansatz Renner, Zwingendes transnationales Recht – Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011, S.  91. 12 

13  Siehe

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke in der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte 1. Die Incoterms Bei den Incoterms (International Commercial Terms oder zu Deutsch Internationale Handelsklauseln) handelt es sich um ein von der Internationalen Handelskammer (ICC) erstelltes Regelwerk.14 Die ICC wurde 1919 aufgrund einer Initiative der Internationalen Handels­ konferenz in Atlantic City gegründet.15 Als nichtstaatliche branchenumfassende Wirtschaftsorganisation versteht sich die ICC als Interessenvertreterin des Handels und der Wirtschaft16 und widmet sich seit ihrer Gründung dem Ziel der interessengerechten Vereinfachung des Wirtschaftsverkehrs, beispielsweise durch die Harmonisierung und Vereinheitlichung der Handelspraxis und internationaler Handelsbräuche.17 Der ICC gehören heute neben etwa 1500 Wirtschaftsorganisationen über 5000 bedeutende internationale Wirtschaftsunternehmen aus nahezu der ganzen Welt an.18 Der Hauptsitz der ICC ist in Paris. Die ICC ist in mehr als 130 Ländern vertreten, wodurch eine nahezu weltweite Vertretung sichergestellt ist. In über 60 Ländern unterhält die ICC zudem National Committees.19 Entspre14  Die Incoterms wurden durch die ICC als geschütztes Markenzeichen registriert, sodass die richtige Bezeichnung Incoterms® 2010 lautet. Im Folgenden werden die Incoterms® als Incoterms abgekürzt. Siehe zur Eintragung der Incoterms als geschütztes Markenzeichen Ramberg, Incoterms® 2010, 29 Penn State International Law Review 2011, S.  415, 423. 15  Hopt, Internationale Handelskammer, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  846. 16  Die ICC bezeichnet sich selbst als „Weltorganisation der Wirtschaft“, vgl. die Broschüre der ICC, The world business organisation, Advocacy, Global Influence, Tools for business, how to join, verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 17  von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommen­ tierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  14–15. Weitere Hauptaufgaben sind die Vertretung der Wirtschaft auf internationaler Ebene wie beispielsweise in der UNO und deren Sonderorganisationen, die Unterstützung des Welthandels und der Investitionstätigkeit auf Grundlage freien und ausgewogenen Wettbewerbs, die Ausrichtung von Konferenzen und praktische Unterstützung durch Einrichtung von Büros, vgl. die Auflistung bei Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  16. 18  Siehe hierzu die Internetpräsenz der ICC unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  16; von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  14. 19  Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

chend ihrer herausragenden Stellung für die Wirtschaft ist die ICC bei fast allen internationalen Organisationen akkreditiert, wie beispielsweise bei der UNO und deren Sonderorganisationen.20 Trotz einer gewissen Gemeinwohlorientierung für die Handelsgemeinschaft und der Wahrnehmung originär politischer Aufgaben ist die ICC eine private Institution, da keine staatlichen Rechtsetzungskompetenzen auf die ICC über­ tragen wurden.21 Auch ihrem Selbstverständnis nach ist die ICC gerade der privaten Sphäre zugeordnet, indem sie sich als ein Gegengewicht zu staatlichen Organisationen, welche sich mit den Belangen der Rechtsvereinheitlichung befassen, versteht.22 a) Darstellung des Regelwerks aa) Gegenstand und Zweck Bei den Incoterms der ICC handelt es sich um ein Regelwerk, welches den Inhalt von international besonders gebräuchlichen Handelsklauseln (trade terms) über die Lieferung von Waren festlegen soll, um so eine weltweit einheitliche Aus­ legung der Handelsklauseln zu ermöglichen.23 Handelsklauseln sind genormte Vertragsformeln und Regeln, um bestimmte Ver­tragsverhältnisse in einer standardisierten Form zu regulieren und abzu­ wickeln.24 Ursprünglich geht die Verwendung dieser Klauseln auf den ÜberseeEinleitung Rn.  9; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  16. 20  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  16; siehe hierzu auch , zuletzt abgerufen am 01.12.‌2017. 21  Hopt, Internationale Handelskammer, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  844 f.; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  16; Bredow, in: Piltz/Bredow (Hrsg.), Incoterms Kommentar, 2016, §  1 Einführung A-300. 22  Siehe hierzu die Internetpräsenz der ICC , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 23  Das gesamte Regelwerk der Incoterms 2010 befindet sich im Anhang bei von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  181 ff.; Bredow, in: Piltz/Bredow (Hrsg.), Incoterms Kommentar, 2016, §  1 Einführung A-106, A-240 ff.; Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/ Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  844; Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  124 ff. 24  Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  72; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  2 f.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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handel zurück.25 So hatte sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die Praxis zu einigen bis heute üblichen Klauseln, wie CIF (cost, insurance, freight) und FOB (free on board), verdichtet.26 Diese Kürzel der Handelsklauseln stehen für eine bestimmte Risiko- und Lastenverteilung bei internationalen Warenkäufen zwischen Käufer und Verkäufer.27 Die Parteien realisieren durch die Verwendung von Handelsklauseln ihr Bedürfnis nach Rationalisierung, da durch deren Verwendung eine ganze Palette von Rechtsfragen geregelt wird, die nicht mehr näher ausformuliert und ausgehandelt werden müssen.28 Die Incoterms der ICC entstanden aus dem Wunsch heraus, die Handelsklauseln zu vereinheitlichen und so einen international einheitlichen Standard im Hinblick auf Verständnis und Auslegung der Handelsklauseln herauszubilden.29 So zeigten Studien der ICC zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass national und regional teilweise erhebliche Unterschiede im Hinblick auf das Verständnis der von der Handelspraxis geschaffenen Handelsklauseln bestanden.30 Vor diesem Hintergrund wurden im Jahre 1935 erstmals die Incoterms herausgegeben, welche in ihren Regelungen die damalige internationale Praxis zusammenfassten, um so ein globales Verständnis der Handelsklauseln zu festigen und die regionalen und nationalen Divergenzen zu überwinden.31 Seitdem werden die Incoterms im Gleichlauf mit den sich stetig wandelnden Bedingungen des internatio25  Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Euro­ päischen Privatrechts, 2011, S.  844; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  11. 26  Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Euro­ päischen Privatrechts, 2011, S.  844. 27  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  108 ff.; Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  844; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  10 ff.; Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  72 f. 28  Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Euro­ päischen Privatrechts, 2011, S.  844. 29  Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  125; Bredow, in: Piltz/Bredow (Hrsg.), Incoterms Kommentar, 2016, §  1 Einführung A-241. 30  Ramberg, CISG and INCOTERMS 2000 in Connection with International Commercial Transactions, in: Festschrift for Albert Kritzer on Occassion of his Eightieth Birthday, 2008, S.  394, 394; Wolff, The Law of International Cross-Border Business Transactions, 2013, S.  118. 31  Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  125; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  111. Vorausgegangen war der ersten Fassung der Incoterms eine Zusammenstellung der zur damaligen Zeit gebräuchlichen trade terms im Jahre 1923, siehe hierzu von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  12 f.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

nalen Handelsverkehrs kontinuierlich weiterentwickelt32 und gelten seit dem 1. Januar 2010 als Incoterms 2010 bereits in der achten Fassung.33 Auch heute kann als primärer Regelungszweck die Bereitstellung vereinheitlichter institutionalisierter Handelsklauseln identifiziert werden, um dem Bedürfnis des Handels nach Rechtsvereinheitlichung zu entsprechen.34 Die Erreichung dieses Zwecks wird dabei einerseits durch die fortwährende Anpassung und ­Aktualisierung der Incoterms an die Bedürfnisse des Handels durch die ICC gewährleistet. Andererseits sind die Incoterms gerade aufgrund ihrer Institutionalisierung einer authentisch staatenunabhängigen und damit international einheit­ lichen Auslegung zugänglich.35 Essentiell sind hierzu die Auslegungsregeln und Definitionen, die den Incoterms zu diesem Zweck beigefügt sind und das Regelwerk insoweit ergänzen.36 32  Dem wichtigsten Transportmittel der damaligen Zeit geschuldet, lag der Fokus der ersten Fassung hauptsächlich auf dem Seetransport und den dort praktizierten Handelsklauseln. Die folgenden Revisionen (1953, 1967, 1976, 1980, 1990, 2000 und 2010) hatten stets eine Anpassung des Regelwerks an neue Handelspraktiken, beispielsweise durch neue Entwicklungen in der Transport- oder Kommunikationstechnik, im Blick. Die Neufassung aus dem Jahre 1953 beispielsweise enthielt erstmals eine Handelsklausel für den Transport an Land und die Revision aus dem Jahre 1976 beinhaltete dann eine spezielle Klausel für die Luftfracht. Grundlegende Neuerungen im Sinne einer Einführung neuer Klauseln erfuhren die Incoterms naturgemäß auch, nachdem der Container die Handelspraxis revolutionierte, siehe hierzu Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  108, 111; Ramberg, CISG and INCOTERMS 2000 in Connection with International Commercial Transactions, in: Festschrift for Albert Kritzer on Occassion of his Eightieth Birthday, 2008, S.  394, 395. 33  Seit der ersten Fassung aus dem Jahre 1936 gab es Neufassungen der Incoterms 1953, 1967, 1976, 1980, 1990, 2000 und 2010, vgl. Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/­ Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  125; von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  13 ff.; siehe auch die Internetpräsenz der ICC unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. Siehe zur neuen Fassung der Incoterms Zwilling-Pinna, Update wichtiger Handelsklauseln: Neufassung der Incoterms ab 2011, BB 2010, S.  2980, 2980 ff.; Piltz, Incoterms 2010, IHR 2011, S.  1, 1 ff.; von Bernstorff, Incoterms 2010, RIW 2010, S.  672, 672 ff. 34  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  108; Schmidt, Handelsrecht, 2014, §  30 Rn.  10 ff. 35  von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommen­ tierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  13 f.; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  108. 36  Vgl. die Auslegungshinweise in den Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC), abgedruckt bei von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  21 f.; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  18.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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bb) Inhalt Konzipiert sind die Incoterms als ein branchenunabhängiges Klauselwerk zur Auslegung von Handelsklauseln, die in Kaufverträgen beziehungsweise Warenlieferungsverträgen typischerweise verwendet werden.37 Die Incoterms 2010 enthalten elf Klauseln (EXW, FCA, CPT, CIP, DAT, DAP, DDP, FAS, FOB, CFR, CIF),38 wobei jeder einzelne Incoterm für eine bestimmte Verteilung der Rechte und Pflichten zwischen Käufer und Verkäufer steht. Festgelegt wird in jeder Klausel der Ort der Lieferung und damit der Ort des Gefahrenübergangs vom Verkäufer auf den Käufer sowie der Ort des Übergangs der durch die Ware bedingten Kosten, insbesondere des Transports, der Versicherung und der Zölle, vom Verkäufer auf den Käufer.39 In Abhängigkeit vom jeweils ersten Buchstaben bemisst sich dann weiter die Zugehörigkeit zu einer der vier Klauselgruppen, den E-, F-, C- oder D-Klauseln.40 Die Buchtstaben symbolisieren den Kerngehalt der unterschiedlichen 37  So beziehen sich die Incoterms also einerseits nur auf Kaufverträge (also keine Beförderungsverträge) und andererseits nur auf den Kauf von Waren (also auf bewegliche Güter), siehe von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  4 ff.; siehe auch Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  10 ff.; Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  72 f. 38  EXW (ex works), FCA (free carrier), CPT (carriage paid to), CIP (cost and insurance paid), DAT (delivered at terminal), DAP (delivered at place), DDP (delivered duty paid), FAS (free alongside ship), FOB (free on board), CFR (cost and freight), CIF (cost, insurance and freight), die Klauseln sind abgedruckt bei von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  31 ff. 39  von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommen­ tierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  32 f.; Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  864 f. 40  E-Gruppe: EXW (ex works, Ab Werk): Der Verkäufer hat die Ware zum vereinbarten Zeit­punkt am vereinbarten Lieferort zur Verfügung zu stellen, jedoch ohne sie verladen zu müssen. Der Gefahrenübergang erfolgt am Lieferort und der Käufer trägt die Transportkosten. F-Gruppe: FCA (free carrier, Frei Frachtführer), FAS (free alongside ship, Frei Längsseite Schiff), FOB (free on board, Frei an Bord): Der Verkäufer trägt ebenfalls nicht die Kosten und die Gefahr des Transportes, er muss die Ware jedoch an den jeweiligen Lieferort befördern und sie zum Transport frei machen, dort geht dann die Gefahr über. Die FCA-Klausel gilt für alle Transportarten, wohingegen FAS und FOB naturgemäß nur für den Seetransport Anwendung finden. C-Gruppe: CPT (carriage paid to, Frachtfrei), CIP (carriage and insurance paid to, Frachtfrei versichert), CFR (cost and freight, Kosten und Fracht), CIF (cost, insurance and freight, Kosten, Versicherung und Fracht): Die Verpflichtung des Verkäufers bei der Verwendung einer Klausel aus der C-Gruppe geht über das bloße Freimachen für den Export hinaus. Der Verkäufer hat den Haupttransport zum Bestimmungsort auf eigene Kosten zu übernehmen. Die Gefahr geht allerdings, wie bei den Klauseln der F-Gruppe, bereits mit Übergabe der Ware

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien.41 Holzschnittartig kann über den Regelungsgehalt der Klauseln in Abhängigkeit von ihrer Gruppierung gesagt werden, dass durch sie ein Verlauf der von den Vertragsparteien zu tragenden Belastungen nachgezeichnet wird: Beginnend mit der E-Klausel und fortlaufend über die F-, C- bis zur D-Klausel nimmt die Kostenbelastung für den Verkäufer immer weiter zu. Ebenso wird in diesem Verlauf der Gefahrübergang immer weiter zugunsten des Käufers und zulasten des Verkäufers verschoben.42 Den elf Klauseln ist zunächst eine Einführung vorangestellt, in denen sich auch Erläuterungen zu den Begrifflichkeiten finden, die innerhalb der Incoterms verwendet werden. Vor jeder einzelnen Klausel selbst findet sich zunächst ein Anwendungshinweis. Daran anschließend ist die jeweilige Klausel in eine spiegelbildliche Gegenüberstellung des Pflichtenkataloges des Verkäufers (Rubrik A) und des Käufers (Rubrik B) eingeteilt, die ihrerseits in zehn Punkten (Incoterms-Regeln) in derselben Reihenfolge die Pflichten normieren.43 Damit wird durch die Verwendung eines Incoterms zwar nur ausschnitthaft ein Teilaspekt des umfangreichen Pflichtenprogramms eines Kaufvertrags geregelt, jedoch ist der Incoterm ein Symbol für ein komplexes Netz von Rechten und Pflichten, die andernfalls explizit niedergelegt werden müssten.44 Demgegenüber an den Frachtführer über. Die tatsächliche Übergabe der Ware erfolgt jedoch erst am Bestimmungsort. Damit fallen zum einen Lieferort und Gefahrenübergang sowie zum anderen Abnahmeort und Kostenübergang auseinander. Je nachdem welche F-Klausel gewählt wird, hat der Verkäufer die Ware zudem zu versichern und im Gegensatz zu den CPT- und CIP-Klauseln gelten die CFR- und CIF-Klauseln nur für den See- und Binnenschiffstransport. D-Gruppe: DAT (delivered at terminal, Geliefert Terminal), DAP (delivered at place, Geliefert benannter Ort), DDP (delivered duty paid, Geliefert verzollt): Hier hat der Verkäufer sowohl alle Kosten als auch alle Gefahren bis zum Eintreffen der Ware am Bestimmungsort zu tragen. Lediglich die Importfreimachung bleibt Sache des Käufers, sodass die D-Klauseln weitestgehend als Umkehrung der F-Klauseln bezeichnet werden können. Da der Verkäufer bei der DDP-Klausel auch die Importfreimachung zu übernehmen hat, bildet diese Klausel das Gegenstück zur EXW-Klausel, siehe zu alledem von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  32 ff., 103 ff. 41  Oetker, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, Einleitung Rn.  90. 42  Obwohl der interne Aufbau der E-, F-, C- und D-Klauseln grundsätzlich identisch ist, unterscheiden sie sich dadurch, dass nicht immer der Zeitpunkt des Gefahrenübergangs mit dem Zeitpunkt des Kostenübergangs zusammenfällt. In der Praxis haben sich deshalb die Begrifflichkeiten Einpunkt- und Zweipunktklauseln etabliert, je nachdem ob dieser Zeitpunkt identisch ist (E-, F- und D-Klauseln) oder auseinanderfällt (C-Klauseln). Vgl. von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  26 f. 43  von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommen­ tierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  26. 44  Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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werden beispielsweise Fragen des Vertragsabschlusses, Zahlungsmodalitäten, Leistungsstörungen und Eigentumsverhältnisse ausgeblendet.45 Geregelt wird lediglich das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer und es werden auch keine rechtlichen Verpflichtungen für nicht unmittelbar an diesem Vertrag Beteiligte, wie beispielsweise Spediteure, Versicherer und Banken, begründet.46 b) Dogmatische Charakterisierung der Incoterms Da es sich bei den Incoterms um von der ICC – einer nichtstaatlichen Organisation – geschaffene Auslegungsregeln handelt, haben sie grundsätzlich aus Sicht des staatlichen Rechts keine selbstständige rechtliche Geltung.47 In der Einleitung der Incoterms 2010 wird die Anwendbarkeit der Incoterms folgendermaßen unter der Überschrift „How to use the Incoterms 2010 rules“ erläutert: „1. Incorporate the Incoterms 2010 rules into your contract of sale. If you want the Incoterms 2010 rules to apply to your contract, you should make this clear in the contract, through such words as […].“48

Sowohl im deutschen als auch im englischen Recht gelten die Incoterms damit unproblematisch, wenn die Parteien auf das Regelwerk ausdrücklich Bezug nehmen. Einleitung Rn.  10; Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  846. 45  Piltz, Internationale Kaufverträge, in: Häberle (Hrsg.), Handbuch für Kaufrecht, Rechtsdurchsetzung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2002, S.  38; von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  17 f. 46  Piltz, Internationale Kaufverträge, in: Häberle (Hrsg.), Handbuch für Kaufrecht, Rechtsdurchsetzung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2002, S.  38; Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  846. 47  Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Euro­ päischen Privatrechts, 2011, S.  844; siehe für das deutsche Recht Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  14; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  114; Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  73; Oetker, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, Einleitung Rn.  92; von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  20 f.; Bredow, in: Piltz/Bredow (Hrsg.), Incoterms Kommentar, 2016, §  1 Einführung A-300; siehe für die englische Dogmatik Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  5-05. 48  Siehe hierzu die Einleitung der Incoterms 2010, abgedruckt bei von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  187.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Problematisch sind daher insbesondere die Fälle, wenn eine Handelsklausel der Incoterms, beispielsweise EXW, verwendet wird, und die Parteien entweder überhaupt nicht auf das Regelwerk Incoterms verweisen oder auf die Incoterms verweisen, aber nicht die anzuwendende Fassung festlegen. In diesen Fällen ist fraglich, ob dennoch die Auslegungsregeln der Incoterms Anwendung finden. Nach überwiegender Ansicht49 gelten sie im deutschen Recht auch nicht im Ganzen als Handelsbrauch, da zunächst die Parteien stets einen bestimmten Incoterm aus den elf alternativen Klauseln heraussuchen müssen. Zudem steht der Geltung als Handelsbrauch die häufige Änderung der Klauseln entgegen, sodass die diesbezüglichen dogmatischen Voraussetzungen in der Regel fehlen.50 Allen­ falls gelten ausnahmsweise bestimmte Regeln innerhalb des Pflichtenprogramms der Klauseln als Handelsbrauch, sofern die Parteien zunächst eine Handels­ klausel ihrem Vertrag zugrunde legen.51 Mangels Rechtsquellenqualität müssen die Incoterms damit zu ihrer Geltung ausdrücklich oder konkludent von den Vertragsparteien in den Kaufvertrag einbezogen werden.52 Um den spezifischen Inhalt der Incoterms zur Anwendung zu bringen, ist neben der jeweiligen Handelsklausel auch ein konkreter Verweis auf das Regelwerk der ICC erforderlich. Ob eine wirksame Einbeziehung vorliegt, richtet sich, sofern keine wirksame Rechtswahl vorliegt, gemäß Art.  4 Abs.  1 Rom I-Verordnung nach dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.53 Sofern dieses dann deutsches Sachrecht ist, vollzieht sich die Einbeziehung auf strikt rechtsgeschäftlicher Basis nach den hierzu Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  14 ff., mit weiteren Nachweisen. 50  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.b.aa)(2)(a). 51  OLG München, Urteil vom 19.12.1957 – 6 U 1548/57, NJW 1958, S.  426; BGH, Urteil vom 18.06.1975 – VIII ZR 34/74, RIW 1975, S.  578; Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/ Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  844 f.; Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  127; Basedow, Die Incoterms und der Container oder wie man kodifizierte Usancen reformiert, RabelsZ 43 (1979), S.  116, 125; Berger, Die Einbeziehung von AGB in internationale Kaufverträge, in: Festschrift für Norbert Horn zum 70. Geburtstag, 2006, S.  3, 18; Piltz, AGB in UN-Kaufverträgen, IHR 2004, S.  133, 138. 52  Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  113; Bredow, in: Piltz/Bredow (Hrsg.), Incoterms Kommentar, 2016, §  1 Einführung A-300 ff.; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  14; Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  126; Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Morck (Hrsg.), Handels­ gesetzbuch Kommentar, 2015, §  346 Rn.  20. 53  Siehe hierzu auch BGH, Beschluss vom 04.03.2004 – IX ZR 185/02, WM 2004, S.  1177, 1177, wonach sich die Einbeziehung von AGB in Ermangelung einer Rechtswahl nach dem Heimatrecht der Partei richtet, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt. Dieses Urteil 49  Siehe

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

139

§§  145 ff. BGB.54 Auf die Incoterms finden zudem die Bestimmungen des AGBRechts Anwendung.55 Auch im englischen Recht finden die Incoterms nur Anwendung, wenn sie vertraglich einbezogen werden.56 Aufgrund der regelmäßigen Änderungen fehlen auch hier dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Charakterisierung als Gewohnheitsrecht oder für eine Einbeziehung als konkludente Vertragsbedingung aufgrund eines bestehenden Handelsbrauchs.57 Die englischen Gerichte wenden vielmehr das traditionelle englische Verständnis der trade terms an, was sich teilweise von dem der Incoterms unterscheidet.58 c) Empirische Analyse der Spruchpraxis Für die Analyse der Spruchpraxis in Bezug auf die Incoterms deutscher und englischer Gerichte wurden folgende Fragestellungen ausgewertet: Wurden die Incoterms als explizit vertraglich vereinbart ausgewiesen? Wenn nicht, wurden vertragliche Bestimmungen auch ohne explizite Bezugnahme durch die Parteien anhand der Incoterms ausgelegt? Wurde eine Bestimmung der Incoterms für unwirksam erklärt? Fand ein Rekurs auf die Materialien der ICC statt? Zudem wurde gefragt, ob die Gerichte in irgendeiner Form Stellung zur Rechtsqualität der Incoterms nahmen.59

lehnte sich noch an den jetzt nicht mehr existierenden Art.  28 EGBGB an. Sofern das UN-Kaufrecht Anwendung findet, ist Art.  8 Abs.  1und Abs.  2 UN-Kaufrecht maßgeblich. Siehe hierzu von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  22 ff. 54  von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommen­ tierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  23; Bredow, in: Piltz/Bredow (Hrsg.), Incoterms Kommentar, 2016, §  1 Einführung A-302. 55  Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  846; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  14 f.; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  112. 56  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  5-05; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  911–912; McKendrick, Sale of Goods, in: Burrows (Hrsg.), Principles of English Commercial Law, 2015, S.  53, 55. 57  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.b)bb)(3)(a). Siehe hierzu auch Lorenzon, Chapter  3: International Trade and Shipping Documtents, in: Baatz (Hrsg.), Maritime Law, 2014, S.  95 ff. 58  Bridge, Benjamin’s Sale of Goods, 2010, Rn.  18-002; Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of International Trade, 2007, Rn.  2-001. 59  Sofern die Regelungen der Incoterms in der Entscheidung nicht weiter von Relevanz waren, wurde diese Entscheidung nicht weiter in der Analyse beachtet.

140

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

aa) Spruchpraxis deutscher Gerichte Der Analyse der Spruchpraxis deutscher Gerichte in Bezug auf die Incoterms lagen 40 Urteile ab dem Jahr 1990 bis Januar 2015 zugrunde.60 (1) Darstellung der Ergebnisse Tabelle 2 gibt die Ergebnisse der Auswertung der Fragestellungen wieder. Tabelle 2: Incoterms – Auswertung der Spruchpraxis deutscher Gerichte Fragestellung

Auswertung

Anzahl der Urteile

40

Rechtsqualität Handelsklauseln Incoterm-Klausel Regelwerk der Incoterms Internationale und registrierte Lieferklauseln Keine Ausführungen

3 6 1 1 19

Explizite vertragliche Vereinbarung

5

Auslegung der Handelsklauseln anhand des Regelwerks ohne explizite vertragliche Bezugnahme Erfolgt Nicht erfolgt

20 5

Unwirksamkeit einer Bestimmung

0

Rekurs auf die Materialien der ICC Regelwerk Kommentar

10 13

Keine Relevanz des Regelwerks

10

Quelle: Eigene Darstellung

Zunächst ist festzuhalten, dass die Gerichte in der Vielzahl der Fälle zur recht­ lichen Einordnung der Incoterms keine Stellung genommen haben. Sofern eine rechtliche Einordnung vorgenommen wurde, ist diese nicht einheitlich. In drei Fällen wurden die Incoterms als Handelsklausel bezeichnet,61 in sechs Fällen 60 Als Suchbegriffe wurden in den Datenbanken Incoterm, Incoterms und International Commercial Terms verwendet. Aus der Betrachtung ausgeklammert wurden Entscheidungen der Finanzgerichte. 61  OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2006 – 8 U 218/05, juris Rn.  115; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2011 – 5 U 199/10, juris Rn.  34; ebenso EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

141

schlicht als Incoterm-Klauseln62 und in einem Fall als „internationale Handels­ klausel bzw. Lieferklausel“.63 Der Bundesgerichtshof sprach einmal vom Regelwerk der Incoterms.64 Interessant ist zunächst, dass durch die Gerichte in nur fünf Urteilen klar­ gestellt wurde, dass die Parteien explizit die Incoterms in ihren Vertrag einbezogen haben, um den verwendeten Handelsklauseln die konkrete Bedeutung der Incoterms zukommen zu lassen.65 In 20 Urteilen hingegen wurde im Urteil nicht ausgewiesen, dass die Incoterms dem Vertrag zugrunde gelegt wurden, gleichwohl wurden die Handelsklauseln durch die Gerichte anhand der Incoterms ausgelegt.66 In zehn Urteilen bedienten sich die Gerichte direkt des Regelwerks der ICC,67 wobei in nur drei Urteilen die Incoterms explizit durch die Parteien zu– Electrosteel, „allgemein anerkannten und im internationalen Handelsverkehr üblichen Bestimmungen und Klauseln“, juris Rn.  26. 62  LG Freiburg, Zwischenurteil vom 13.05.2005 – 2 O 401/04, juris Rn.  32; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2008 – I-16 U 39/08, juris Rn.  16; LG Köln, Urteil vom 29.03.2011 – 87 O 158/09, juris Rn.  1; OLG Hamm, Urteil vom 09.09.2011 – 19 U 88/11, I-19 U 88/11, juris Rn.  7; OLG Köln, Urteil vom 29.02.2012 – 16 U 57/11, juris Rn.  13; OLG Hamm, Urteil vom 26.03.2012 – 1-2 U 222/ 11, 2 U 222/11, juris Rn.  34. 63  OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2001 – 13 U 102/01, juris Rn.  50. 64  BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  21. 65  OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.04.1996 – 5 U 219/94, juris Rn.  1; BGH, Urteil vom 22.04.2009 – VIII ZR 156/07, juris Rn.  3; EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris Rn.  11, dort wurde die Klausel „Resa: Franco nostra sede“ zugrunde gelegt; OLG Hamm, Urteil vom 09.09.2011 – 19 U 88/11, I-19 U 88/11, juris Rn.  7; OLG Hamm, Urteil vom 26.03.2012 – 1-2 U 222/ 11, 2 U 222/11, juris Rn.  5. 66  OLG Köln, Urteil vom 15.09.1992 – 22 U 78/92, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 14.02.1996 – 5 U 186/95, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 28.02.1997 – 1 U 167/95, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 15.08.1997 – 2 U 116/97, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 09.04.1998 – 6 U 277/97, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29.10.1998 – 28 U 42/98, juris; LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2001 – 419 O 130/99, juris; OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2001 – 13 U 102/01, juris; OLG Celle, Urteil vom 07.02.2002 – 11 U 163/01, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2003 – 3 U 50/03, juris; LG Freiburg, Zwischenurteil vom 13.05.2005 – 2 O 401/04, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2006 – 8 U 218/05, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 10.06.2009 – 3 U 12/09, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – 6 U 173/08, juris; LG Köln, Urteil vom 29.03.2011 – 87 O 158/09, juris; OLG Köln, Urteil vom 29.02.2012 – 16 U 57/11, juris; OLG Hamm, Urteil vom 30.03.2012 – 19 U 186/11, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2012 – 4b O 54/11, juris; BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris; OLG Köln, Urteil vom 24.04.2013 – 16 U 106/12, juris. 67  OLG Hamburg, Urteil vom 14.02.1996 – 5 U 186/95, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.04.1996 – 5 U 219/94, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29.10.1998 – 28 U 42/98, juris; LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2001 – 419 O 130/99, juris; OLG Celle, Urteil vom 07.02.2002 – 11 U 163/01, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – 6 U 173/08, juris; EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris; OLG Köln, Urteil vom 29.02.2012 – 16 U 57/11, juris; OLG Hamm, Urteil vom 26.03.2012 – 1-2 U 222/11, 2 U 222/11, juris; BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

grunde gelegt wurden.68 In 13 Urteilen fand der Rekurs auf die Incoterms mittelbar über die Kommentarliteratur statt,69 wobei sich auch hier nur in zwei Urteilen die Anwendung durch eine entsprechende Parteivereinbarung erschließt.70 In einem Urteil wurde explizit auf die Anwendungshinweise der Incoterms rekurriert.71 Die Bestimmungen der Incoterms wurden in keinem Fall für unwirksam erklärt. In zehn Fällen wiesen die Incoterms keine weitere Relevanz auf. (2) Interpretation (a) Rechtsbeständigkeit Die Untersuchung zeigt, dass die Wirksamkeit der Klauseln mit dem spezifischen Inhalt der Incoterms sehr hoch ist. Die Bestimmungen der Incoterms werden insbesondere nicht für unwirksam erklärt. Interessant ist insbesondere, welche Wirksamkeit die Gerichte den Incoterms über den expressis verbis aus­gedrückten Parteiwillen hinaus zukommen lassen. So wurde in 20 Fällen der von den Parteien verwendeten Handelsklausel der Inhalt der Incoterms beigemessen, ohne dass explizit ausgewiesen wurde, dass die Parteien die Incoterms einbezogen haben.72 Insbesondere rekurrieren die Gerichte bei dieser Praxis nicht auf einen möglichen Handelsbrauch oder eine sonstige Rechtsqualität, die diese Praxis rechtfertigen würde. Ohnehin wurde nur in elf Fällen eine irgendwie geartete rechtliche Einordnung der Klauseln vorgenommen. So wurden Incoterms wahlweise als „Incoterms-Klauseln“73, „internationale und registrierte Lieferklauseln“74 sowie „Handelsklauseln“75 bezeichnet oder eine nähere Einordnung bleibt gänzlich offen. 68 

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.04.1996 – 5 U 219/94, juris; EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris; OLG Hamm, Urteil vom 26.03.2012 – 1-2 U 222/ 11, 2 U 222/11, juris. 69  OLG Köln, Urteil vom 15.09.1992 – 22 U 78/92, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.04.1996 – 5 U 219/94, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 28.02.1997 – 1 U 167/95, ­juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 15.08.1997 – 2 U 116/97, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 09.04.1998 – 6 U 277/97, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29.10.1998 – 28 U 42/98, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2003 – 3 U 50/03, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2006 – 8 U 218/05, juris; BGH, Urteil vom 22.04.2009 – VIII ZR 156/07, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 10.06.2009 – 3 U 12/09, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – 6 U 173/08, juris; OLG Köln, Urteil vom 29.02.2012 – 16 U 57/11, juris; OLG Hamm, Urteil vom 30.03.2012 – 19 U 186/11, juris. 70  OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.04.1996 – 5 U 219/94, juris; BGH, Urteil vom 22.04.2009 – VIII ZR 156/07, juris. 71  BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris. 72  Siehe hierzu die Entscheidungen in supra Fn.  66. 73  So zum Beispiel OLG Köln, Urteil vom 29.02.2012 – 16 U 57/11, juris Rn.  16; siehe generell die Entscheidungen in supra Fn.  62. 74  OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2001 – 13 U 102/01, juris Rn.  50. 75  So zum Beispiel OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2006 – 8 U 218/05, juris Rn.  115; siehe generell die Entscheidungen in supra Fn.  61.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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Diese Praxis wird insbesondere in der jüngeren Spruchpraxis des Bundes­ gerichtshofs deutlich: „Ist bei einem internationalen Warenkauf als Lieferklausel der Incoterm DDP […] vereinbart worden, ist für die Bedeutung der Klausel in der Regel auf die Anwendungshinweise der Internationalen Handelskammer (ICC) zurückzugreifen.“76 „Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Parteien mit der Verwendung des Incoterm DDP Cologne nicht nur eine auf die Gefahr- und Kostentragung beschränkte Regelung getroffen hätten, wie dies bei so genannten Frei-Klauseln bisweilen angenommen wird, sondern in Übereinstimmung mit den Anwendungshinweisen der Incoterms eine Vereinbarung über den Ort der Lieferpflicht und damit eine Bringschuld der Beklagten vereinbart hätten. Der Auffassung […] steht […] insbesondere nicht entgegen, dass die […] herangezogenen Anwendungshinweise lediglich abdingbare Auslegungsregeln zu den unter den einzelnen Klauseln zusammengefassten Rechten und Pflichten der Vertragsparteien bei Außenhandelsgeschäften enthalten, die sich an der von der ICC […] weltweit feststellbaren Praxis orientieren […] und dass die Parteien bei Verwendung der DDP-Klausel nicht ausdrücklich auf die Incoterms und die zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse maßgebliche Fassung des Jahres 2000 hingewiesen haben.“77

Ebenfalls wurde durch den Bundesgerichtshof festgestellt, dass „ein bestimmter Incoterm, selbst wenn er ohne Hinweis auf das zugrunde liegende Regelwerk verwandt worden ist, im Zweifel anhand des verbreiteten und auf weltweite Vereinheitlichung abzielenden Verständnisses auszulegen ist, wie es im Regelwerk der ICC seinen Niederschlag gefunden hat“.78

Selbst wenn also die Parteien nicht explizit auf das Regelwerk der ICC verwiesen haben, wird der jeweiligen Klausel gleichwohl der Erklärungswert der Incoterms beigemessen. Augenscheinlich ist damit in der Spruchpraxis die Frage, weshalb die Incoterms angewendet werden, von wenig Interesse oder wird gerade­zu vermieden. Dieses Vorgehen ist insoweit konsistent mit einer Entscheidung des Bundes­ gerichtshofs aus dem Jahre 1975, in der ebenfalls einer FOB-Klausel der Erklärungswert der Incoterms beigemessen wurde, ohne dass die Parteien ausdrücklich oder konkludent auf das Regelwerk verwiesen hatten. In einem Nebensatz stellte der Bundesgerichtshof schlicht fest, dass die FOB-Klausel mit dem Inhalt der Incoterms „auch dann gilt, wenn das nicht ausdrücklich vereinbart ist.“79 Eine nähere Einordnung dieser „automatischen Geltung der Incoterms“80 nimmt der Bundesgerichtshof aber nicht vor. Die Incoterms scheinen damit aus Sicht des Bundesgerichtshofs normähnlichen Charakter zu haben, allerdings wäre hierzu eine nähere Begründung erfor76 

BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Leitsatz. BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  20. 78  BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  24. Das Urteil betraf die Auslegung von Art.  8 Abs.  3 UN-Kaufrecht. 79  BGH, Urteil vom 18.06.1975 – VIII ZR 34/74, WM 1975, S.  917. 80  Weick/Basse, Recht des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs, 2013, S.  108. 77 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

derlich,81 insbesondere weil innerhalb der geltenden Rechtsquellenlehre eine Qualifizierung als Gewohnheitsrecht und Handelsbrauch nur schwerlich möglich ist.82 Für eine Anwendung der Incoterms im Rahmen der ergänzenden Vertrags­ aus­legung gemäß der §§  133, 157 BGB fehlt ebenfalls jegliche Begründung.83 Auf eine solche Anwendung im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung deutet zwar die bereits an­geführte Formulierung des Bundesgerichtshofs hin, dass ein Incoterm „im Zweifel anhand des verbreiteten und auf weltweite Vereinheitlichung abzielenden Verständnisses auszulegen ist“.84

Eine explizite diesbezügliche Erklärung fehlt jedoch auch hier.85 81 

Ebd., S.  109. Ebd., S.  110. 83  Diesen Weg schlägt Eisemann vor, siehe hierzu Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht: Wesen und Geltungsgrund, 1977, S.  56; ähnlich Eisemann/Ramberg, Die Incoterms heute und morgen: zur Klauselpraxis des internationalen Warenhandels, 1980, S.  34; siehe hierzu auch Weick/Basse, Recht des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs, 2013, S.  110. Die Frage, ob Incoterms auch dann zugrunde gelegt werden können, wenn sie nicht ausdrücklich oder konkludent vereinbart worden sind, ist auch im Schrifttum stark umstritten. Eine restriktive erste Auffassung geht davon aus, dass in diesem Falle das nationale Verständnis der trade terms angewendet werden muss, da die Incoterms weder Handelsbrauch noch Gewohnheitsrecht darstellen, vgl. Koller, in: Koller/Kindler/Roth/Morck (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2015, Vor §  373 Rn.  11, der die Incoterms als Auslegungsmittel eigener Art bezeichnet; siehe auch Oetker, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, Einleitung Rn.  93. Eine andere zweite Auffassung geht hingegen davon aus, dass die Incoterms auch dann angewendet werden können, wenn sie nicht ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurden, vgl. Basedow, Die Incoterms und der Container oder wie man kodifizierte Usancen reformiert, RabelsZ 43 (1979), S.  116, 125 ff. Eine vermittelnde dritte Ansicht wie die von Eisemann, will die Incoterms im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung als Ausdruck des faktisch Üblichen zur Anwendung bringen oder jedenfalls dann einen Rückgriff auf die Incoterms ermöglichen, wenn sie „einen Handelsbrauch bilden“. 84  BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  24. Die Auffassung des Bundes­ gerichtshofs könnte als Ausdruck der weiten Auffassung angesehen werden, welche die Incoterms auch ohne vertragliche Vereinbarung zur Anwendung bringen will. Dies ist allerdings insoweit problematisch, dass jedwede rechtsquellentheoretische Begründung für diese Praxis fehlt. Dies ist ebenso der Fall, wenn man die Entscheidungen als Ausdruck der Auffassung ansieht, welche die Incoterms im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung heranzieht. Sofern man es aber bei der restriktiven Auffassung beließe, dass die Incoterms nur dann angewendet werden können, wenn sie ausdrücklich oder konkludent in den Vertrag einbezogen wurden, wäre die problematische Konsequenz im Falle des Nichtvorliegens einer solchen Einbeziehung, dass auf das nationale Verständnis abzustellen wäre und es erneut zu Rechtsverschiedenheit bei Auslegung der trade terms kommen würde. Damit würde der Regelungszustand zurückberufen, der durch die Incoterms gerade überwunden werden sollte. Siehe zu alledem auch Weick/Basse, Recht des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs, 2013, S.  108 ff. 85  Weick/Basse, Recht des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs, 2013, S.  110. 82 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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Der Bundesgerichtshof misst dem Incoterm DDP zudem eine zuständigkeitsbegründende Wirkung im Sinne von §  29 ZPO zu. So sei in der Regel für die Bedeutung der Klausel DDP auf die Anwendungshinweise der ICC zurückzugreifen, woraus sich in der Folge ergibt, dass der Verkäufer die geschuldete Lieferleistung am Bestimmungsort als Bringschuld zu erfüllen hat. Auch hier zeigt sich wieder die enorme Autorität der Incoterms, da diese Rechtsfolge der Klausel auch dann zukommt, wenn die Vertragsparteien sich der Wirkung nicht bewusst waren.86 In der Praxis haben die Incoterms damit eine hohe Wirksamkeit auch über den expliziten Parteiwillen hinaus. Dies führt dazu, dass faktisch die Regeln der Inco­terms über den Rezeptionsmechanismus Handelsbrauch zur Anwendung ­gebracht werden, ohne dass dies ausdrücklich in der Entscheidung ausgewiesen wird. (b) International einheitliche Auslegung Sofern nach den Regeln des internationalen Privatrechts deutsches Sachrecht anwendbar ist, wären grundsätzlich dessen Auslegungsgrundsätze auf die Incoterms anzuwenden. Fraglich ist, ob gleichwohl eine originär internationale Auslegung vollzogen werden kann oder ob es sich vielmehr um eine schlicht nationale Auslegung handelt. Für die Auslegung der Klauseln rekurrieren die Gerichte regelmäßig entweder direkt oder mittelbar über die Kommentarliteratur auf das Incoterms-Regelwerk, um den Klauseln gerade einen internationalen Erklärungswert beizumessen.87 Die Gerichte streben also keine nationale, sondern eine weltweit einheitliche Auslegung der Handelsklauseln an, wie „es im Regelwerk der ICC seinen Niederschlag gefunden hat“.88 Hierfür wird sowohl direkt der Inhalt der einzelnen Klauseln zitiert wie beispielsweise für eine Pflicht des Verkäufers „A 2 Incoterms“89 als auch die vorangestellten Auslegungshinweise der ICC zu den einzelnen Klauseln.90 Sofern explizit auf die Incoterms in der Parteivereinbarung Bezug genommen wurde, ist dieses Ergebnis unproblematisch über den maßgeblichen Parteiwillen im Rahmen der Auslegung zu erreichen: Bei der Auslegung nach den §§  133, 157 BGB ist der Vertragsinhalt einerseits nach dem wirklichen oder hypothetischen 86 

BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  27. So zum Beispiel OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – 6 U 173/08, juris Rn.  33. 88  BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  24. 89  Oftmals wird hierzu auch auf die relevante Kommentarliteratur verwiesen, in der das Regelwerk abgedruckt ist, so zum Beispiel in OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – 6 U 173/08, juris Rn.  33. 90  BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  20. 87 

146

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Parteiwillen zu ermitteln und andererseits ist auf die Verkehrssitte Rücksicht zu nehmen. Durch die explizite Verwendung einer Incoterm-Klausel unter Bezugnahme auf das jeweilige Incoterm-Regelwerk und der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, auch eine von den Incoterms abweichende Regelung zu treffen, bringt der Parteiwille zum Ausdruck, dass gerade nicht die traditionellen, national unterschiedlichen Auslegungsgewohnheiten, sondern die international einheitlichen Auslegungsempfehlungen der ICC befolgt werden sollen.91 Über den objektiven Parteiwillen werden also im Rahmen der Parteiautonomie zunächst die Incoterms Vertragsbestandteil mit der Folge, dass sich dann auch die Auslegung nach der Logik der Incoterms vollzieht. Maßgeblich, obwohl nicht expliziter Vertragsbestandteil, sind insbesondere die von der ICC originär international ausgerichteten Auslegungshinweise zu den Incoterms.92 Aber auch für den Fall, dass die Incoterms nicht explizit einbezogen wurden, richten die Gerichte die Auslegung anhand des Regelwerks der Incoterms aus, ohne dies näher zu begründen.93 Damit gelingt in der Folge eine authentische Auslegung der Incoterms, die gerade einer internationalen Rationalität folgt. (3) Ergebnis Für die Spruchpraxis deutscher Gerichte lässt sich festhalten, dass den Incoterms in mehrfacher Hinsicht eine Bedeutung zukommt, die über den eigentlichen Status der Klauseln hinausgeht.94 91  Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  132; von Hoffmann, Zur Auslegung von Formularbedingungen des internationalen Handelsverkehrs, RIW 1970, S.  247, 252; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  18; Oetker, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, Einleitung Rn.  93 f. 92  So zum Beispiel in BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Rn.  22, 24; Siehe auch Oetker, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, Einleitung Rn.  94; Pamp, in: Oetker (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2017, §  346 Rn.  73; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  114; Joost, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, §  346 Rn.  104; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (6) Incoterms Einleitung Rn.  18; von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  21 f. 93  Siehe hierzu die Entscheidungen in supra Fn.  69. 94  Sogar die von der ICC herausgegebene Kommentierung zu den Incoterms 2010 qualifiziert die Incoterms als Allgemeine Geschäftsbedingungen und statuiert, dass eine Einbeziehung als Handelsbrauch für die Incoterms „jedenfalls aus[scheidet], da zumindest ein branchentypisches Verhalten für ein stets stillschweigendes Vereinbaren von Incoterms nicht angenommen werden kann“, von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  23; siehe auch ebenda, S.  20 ff., zum Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingungen.

147

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

Die Spruchpraxis deutscher Gerichte kann so gedeutet werden, dass der Erklärungswert des Incoterms-Regelwerks der ICC faktisch kraft Handelsbrauch in den Vertrag einbezogen wird, ohne dass die Gerichte dies begründen oder weiter erklären. Die Praxis zeigt auch, dass über die nationalen Auslegungsregeln eine international einheitliche Auslegung ermöglicht wird. bb) Spruchpraxis englischer Gerichte Der Analyse der Spruchpraxis englischer Gerichte in Bezug auf die Incoterms lagen 27 Urteile ab dem Jahr 2000 bis Januar 2015 zugrunde, wobei grundsätzlich nur letztinstanzliche Urteile berücksichtigt wurden.95 (1) Darstellung der Ergebnisse Tabelle 3 gibt die Ergebnisse der Auswertung der Fragestellungen wieder. Tabelle 3: Incoterms – Auswertung der Spruchpraxis englischer Gerichte Fragestellung

Auswertung

Anzahl der Urteile

27

Rechtsqualität ICC Terms / Set of ICC Terms Keine Ausführungen

2 11

Explizite vertragliche Vereinbarung

8

Auslegung der Handelsklauseln anhand des Regelwerks ohne explizite vertragliche Bezugnahme Erfolgt Abgelehnt

2 (Parteivortrag) 3

Unwirksamkeit einer Bestimmung

0

Rekurs auf die Materialien der ICC Regelwerk Guide ICC website

5 2 (Parteivortrag: 1) 1 (Parteivortrag)

Keine Relevanz des Regelwerks

14

Quelle: Eigene Darstellung 95  Als

Suchbegriffe wurden in den Datenbanken Westlaw UK und Lexis Nexis Incoterm, Incoterms, International Commercial Terms verwendet. Zur Verdeutlichung wurde zusätzlich ein vorinstanzliches Urteil einbezogen.

148

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

In 14 Urteilen hatten die Incoterms zunächst keine weitere Relevanz. In acht der verbliebenen Urteile haben die Parteien das Regelwerk der Incoterms explizit in ihren Vertrag einbezogen und die Gerichte haben die Incoterms angewendet.96 In keinem Fall wurde von den Bestimmungen der Incoterms abgewichen. Ein Urteil korrigierte sogar ein erstinstanzliches Urteil, in dem von den Bestimmungen der Incoterms abgewichen wurde.97 Anders als in den Fallstudien zur deutschen Spruchpraxis gab es kein Urteil, in dem die Gerichte die Handelsklauseln anhand des Regelungsinhaltes der Incoterms auslegten, obwohl die Parteien nicht auf das Regelwerk Bezug genommen hatten. In zwei Urteilen wurde trotz Vorliegens einer Handelsklausel nicht auf die Incoterms rekurriert,98 in einem Urteil wurde die Anwendung der Incoterms zur Auslegung der Handelsklausel sogar explizit ausgeschlossen.99 In zwei Urteilen, in denen die Incoterms nicht als vertraglich vereinbart ausgewiesen wurden, fand ein Rekurs auf die Incoterms nur aufgrund entsprechenden Parteivortrags statt.100 Sofern die Incoterms zugrunde gelegt wurden, wurden sie in der Regel nicht für unwirksam erklärt. Allerdings wurde in zwei Urteilen trotz Verweises auf die Incoterms ein flexibles Verständnis der jeweiligen terms bescheinigt.101 In fünf Urteilen wurde zur Entscheidungsfindung auf das Regelwerk der Incoterms re96  Fal Oil Co Ltd. Anor v Petronas Trading Corp Snd Bhd [2004] EWCA Civ 822, Rn.  26; SHV Gas Supply & Trading SAS v Naftomar Shipping & Trading Co Ltd. Inc [2005] EWHC 2528 (Comm), Rn.  1; Scottish & Newcastle International Ltd. v Othon Ghalanos Ltd. [2006] EWCA Civ 1750, Rn.  7; ERG Raffinerie Mediterranee SPA v Chevron USA Inc [2006] Int.Com. LR. 06/09, Rn.  19; Geofizika DD v MMB International Limited v Greenshields Cowie & Co Limited [2009] EWHC 1675 (Comm), Rn.  31; Geofizika DD v MMB International Limited, Greenshields Cowie & Co Ltd. [2010] EWCA Civ 459, Rn.  16; Great Elephant Corp v Trafigura Beheer BV & Ors. [2013] EWCA Civ 905, Rn.  15; Bluewater Energy Services BV v Mercon Steel Structures BV, Mercon Holding BV, Mercon Groep BV [2014] EWHC 2132 (TCC), Rn.  337. 97  Geofizika DD v MMB International Limited v Greenshields Cowie & Co Limited [2009] EWHC 1675 (Comm), Rn.  31; Geofizika DD v MMB International Limited, Greenshields Cowie & Co Ltd. [2010] EWCA Civ 459, Rn.  46, 79 ff. 98 In Zenziper Grains and Feed Stuffs v Bulk Trading Corp Ltd. [2000] EWCA Civ 307, Rn.  15, lag eine FOT-Klausel zugrunde und der Richter lehnte eine Analogie zu den Incoterms ab; Bominflot Bunkergesellschaft fur Mineraloele mbH & Co KG v Petroplus Marketing AG (The Mercini Lady) [2010] EWCA Civ 1145. 99  Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40, Rn.  19. 100  Iran Continental Shelf Oil Company, Iran Offshore Oil Company, National Iranian Oil Company v IRI International Corporation [2001] WL 1734411, Rn.  43; Glaxo Group Limited v Dowelhurst Limited, Richard Taylor [2003] EWHC 2015 (Ch), Rn.  68. 101  Scottish & Newcastle International Ltd. v Othon Ghalanos Ltd. [2006] EWCA Civ 1750, Rn.  24 ff.; ERG Raffinerie Mediterranee SPA v Chevron USA Inc [2006] Int.Com.LR. 06/09, Rn.  20.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

149

kurriert.102 Ebenfalls in drei Urteilen wurde auf andere Materialien der ICC verwiesen.103 (2) Interpretation (a) Rechtsbeständigkeit Anhand der Ergebnisse zeigt sich eindeutig die klare Behandlung der Incoterms als Vertragsklauseln. Nur sofern sich die Vertragsparteien im Vertrag auf die Incoterms beziehen, indem sie zum Beispiel die Lieferung DDP London (Incoterms 2010) vereinbaren, ergibt sich für die englischen Gerichte das zwischen den Parteien bestehende Pflichtenprogramm aus den Incoterms. Ohne einen expliziten Verweis auf die Incoterms werden sie auch nicht als Gewohnheitsrecht oder Handelsbrauch durch die Gerichte zugrunde gelegt. Dies zeigt sich insbesondere an den drei Urteilen, in denen die Incoterms nicht durch die Parteien inkorporiert wurden und eine darüber hinausgehende Anwendung der Incoterms zwar diskutiert, aber letztlich in allen Fällen abgelehnt wurde.104 In zwei Urteilen wurden die Incoterms nur aufgrund entsprechenden Parteivortrags angewendet.105 In Stora Enso Oyj v Port of Dundee106 wurde beispielsweise die Auslegung der Regelung „CIP Dundee Basis“ anhand der Incoterms verneint, obwohl in einer späteren Rechnung explizit auf die Incoterms 2000 verwiesen wurde. Es folgte dem Parteivortrag, dass 102  Zenziper Grains and Feed Stuffs v Bulk Trading Corp Ltd. [2000] EWCA Civ 307, Rn.  15, obwohl die Incoterms im Ergebnis nicht angewendet wurden; Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40, Rn.  19, auch hier wurden die Incoterms im Ergebnis nicht angewendet; Geofizika DD v MMB International Limited v Greenshields Cowie & Co Limited [2009] EWHC 1675 (Comm), Rn.  12; Geofizika DD v MMB International Limited, Greenshields Cowie & Co Ltd. [2010] EWCA Civ 459, Rn.  16; Bluewater Energy Services BV v Mercon Steel Structures BV, Mercon Holding BV, Mercon Groep BV [2014] EWHC 2132 (TCC), Rn.  340. Oftmals wurde hier der entsprechende Wortlaut der Klausel wörtlich in die Entscheidung hineingeschrieben. 103  Iran Continental Shelf Oil Company, Iran Offshore Oil Company, National Iranian Oil Company v IRI International Corporation [2001] WL 1734411, Rn.  43, sowie Geofizika DD v MMB International Limited v Greenshields Cowie & Co Limited [2009] EWHC 1675 (Comm), Rn.  14 (Guide to Incoterms); Glaxo Group Limited v Dowelhurst Limited, Richard Taylor [2003] EWHC 2015 (Ch), Rn.  68 (Homepage der ICC). 104  Zenziper Grains and Feed Stuffs v Bulk Trading Corp Ltd. [2000] EWCA Civ 307, Rn.  15; Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40, Rn.  19; Bominflot Bunkergesellschaft fur Mineraloele mbH & Co KG v Petroplus Marketing AG (The Mercini Lady) [2010] EWCA Civ 1145, hier wurden die Incoterms trotz einer fob-Klausel noch nicht einmal diskutiert. 105  Iran Continental Shelf Oil Company, Iran Offshore Oil Company, National Iranian Oil Company v IRI International Corporation [2001] WL 1734411, Rn.  43; Glaxo Group Limited v Dowelhurst Limited, Richard Taylor [2003] EWHC 2015 (Ch), Rn.  70. 106  Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40, Rn.  19.

150

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

„there was simply no evidence that, at the time at which the terms of the contract were concluded, there was any common intention to incorporate Incoterms into the contract. These terms were only binding on parties if there was an express agreement by them to be bound by ICC terms and conditions. There was no incorporation of the ICC terms and conditions into the parties’ contract.“107

Im Ergebnis wurden daher auf den Vertrag nationale Vorschriften angewendet und für die Definition einer CIP-Klausel auf ältere Rechtsprechung zurückgegriffen.108 Dieses Verständnis zeigt auch das erstinstanzliche Urteil Great Elephant ­Corporation v Trafigura Beheer BV v Vitol S.A., in dem die Parteien die FOB-­ Definition der Incoterms zugrunde gelegt hatten, das Gericht aber einen weiteren Einbezug des Regelwerks ablehnte: „I do not accept that there was any greater incorporation of Incoterms into the contract.“109

Es zeigt sich damit, dass eine ausdrückliche vertragliche Einbeziehung erforderlich ist, um die Incoterms als Grundlage der Entscheidungsfindung vor englischen Gerichten zur Anwendung zu bringen.110 In dieser Hinsicht wurde in Stora Enso Oyj v Port of Dundee auf die Einleitung der Incoterms verwiesen, welche ihrerseits anrät, stets einen ausdrücklichen Verweis auf die aktuelle Version der Incoterms einzufügen, da es ansonsten diesbezüglich erneut zu Streitigkeiten kommen kann.111 Sofern die Incoterms aber in den Vertrag einbezogen wurden, ist die Wirksamkeit der Klauseln grundsätzlich hoch. So wurde in Geofizika DD v MMB International Limited in zweiter Instanz ein Urteil auf Grundlage der Incoterms revidiert. Erst­­in­stanzlich hatte das Gericht noch eine konkludente Vertragsbedingung (implied term) in den Vertrag hineingelesen, welcher die Regelung der Incoterms außer Kraft ­gesetzt hätte.112 In zweiter Instanz wurde dann entschieden, dass hierzu eine konkludente Vertragsbedingung nicht ausreichend ist, sondern eine ausdrückliche ­anderslautende Vereinbarung von den Parteien hätte getroffen werden müssen.113 Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40, Rn.  13, 19; siehe hierzu auch Lorenzon, Chapter 3: International Trade and Shipping Documtents, in: Baatz (Hrsg.), Maritime Law, 2014, S.  95 ff. 108  Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40, Rn.  19. 109  Great Elephant Corporation v Trafigura Beheer BV v Vitol S.A., Vitol Asia PTE Limited, China Offshore Oil (Singapore) International PTE Limited, M/T Crudesky [2012] EWHC 1745 (Comm), Rn.  126. 110  So auch die Literatur Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  5-05; Goode/ McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  912. 111  Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40, Rn.  7. 112  Geofizika DD v MMB International Limited v Greenshields Cowie & Co Limited [2009] EWHC 1675 (Comm), Rn.  31. 113  Geofizika DD v MMB International Limited, Greenshields Cowie & Co Ltd. [2010] EWCA Civ 459, Rn.  46, 81. 107 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

151

Die Handhabe der Incoterms durch die englischen Gerichte vollzieht sich damit insgesamt streng innerhalb der dogmatischen Grenzen von Vertragsbedingungen ohne darüber hinausgehende autoritative Beachtung der Incoterms. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die Gerichte trotz vertraglicher Vereinbarung der Incoterms in zwei Urteilen statuieren, dass auch gefestigte Handelsklauseln in ihrer Bedeutung stetig variieren,114 sodass innerhalb und zwischen der Kategorisierung FOB, CIF und CFR ein hohes Maß an Flexibilität herrscht und somit „no really satisfactory definition of such a contract“ existiert.115 Aus diesem Grund sind die Gerichte auch bei Verwendung der Incoterms stets darauf bedacht, das konkrete vertragliche Arrangement auf abweichende Vereinbarungen zu überprüfen, die dann eine andere Auslegung der Handelsklauseln zur Folge haben können.116 Ursächlich für diese Praxis könnte sein, dass innerhalb der englischen Spruchpraxis neben den Incoterms ebenfalls ein etabliertes und gefestigtes traditionelles Verständnis der trade terms existiert.117 So entstanden die Handelsklauseln, deren Auslegung die Incoterms zu vereinheitlichen versuchen, gerade in einem Kontext, der durch die Dominanz des British Empire im grenzüberschreitenden Handel geprägt war. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die Abkürzungen hier eine gefestigte Bedeutung und waren im Gebrauch.118 Aufgrund dieses gefestigten Verständnisses der trade terms im nationalen Recht gibt es keinen Grund, den Handelsklauseln das Verständnis der Incoterms zugrunde zu legen, wenn die Parteien sie nicht explizit in den Vertrag eingegliedert haben.119 (b) International einheitliche Auslegung Sofern die Incoterms zugrunde gelegt wurden, stützen sich die Gerichte für die Definitionen grundsätzlich auf das Regelwerk. Allerdings wird durch die Entscheidungen ERG Raffinerie Mediterranee SpA v Chevron USA 120 und Scottish & Newcastle International Ltd. v Othon GhalaERG Raffinerie Mediterranee SPA v Chevron USA Inc [2006] Int.Com.LR. 06/09, Rn.  40 ff.; Scottish & Newcastle International Limited v Othon Ghalanos Limited [2008] UKHL 11, Rn.  34. 115  Scottish & Newcastle International Limited v Othon Ghalanos Limited [2008] UKHL 11, Rn.  34; siehe hierzu auch Lorenzon, C.I.F. and F.O.B. Contracts, 2012, S.  253 f. 116  ERG Raffinerie Mediterranee SPA v Chevron USA Inc [2006] Int.Com.LR. 06/09, Rn.  40 ff. 117  Bridge, Benjamin’s Sale of Goods, 2010, Rn.  18-002. 118  Magnus, Incoterms, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  844. 119  Siehe für eine Übersicht anderer Definitionen der trade terms, die dem englischen Richter zur Verfügung stehen, Lorenzon, C.I.F. and F.O.B. Contracts, 2012, S.  258 f. 120  ERG Raffinerie Mediterranee SPA v Chevron USA Inc [2006] Int.Com.LR. 06/09, Rn.  40 ff. 114 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

nos Ltd 121 deutlich, dass die Gerichte auch bei Anwendbarkeit der Incoterms stets den Einzelfall im Blick haben und nicht zwingend den Incoterms folgen, da es auch in diesen Fällen aufgrund des sich stetig wandelnden Handelsverkehrs nicht das eine Verständnis einer Klausel gibt. Ein solches scheinen auch die Incoterms aufgrund ihrer stetigen Revisionen nicht zu gewährleisten. Auch die Auslegung orientiert sich streng an den dogmatischen Grenzen. Auf die Materialien der ICC wird nur dann rekurriert, wenn sie durch den Vertrag oder den Parteivortrag oder durch Expertenbeweis als Faktenmaterial eingebracht werden.122 So wurde beispielsweise für die Definition einer FCA-Klausel in Glaxo Group Limited v Dowelhurst Limited durch den Vortrag der Kläger auf die Incoterms hingewiesen. Für eine verbindliche Definition rekurriert das Gericht jedoch auf frühere Rechtsprechung.123 Die Abhängigkeit vom Parteivortrag zeigt sich auch in Scottish & Newcastle International Ltd. v Othon Ghalanos Ltd. Das Gericht hielt die Definition der CFR-Klausel in den Incoterms für ein interessantes Argument, allerdings wurde es nicht vom Antragsgegner vorgebracht. Da das Gericht aber im Hinblick auf das Faktenmaterial an den Parteivortrag gebunden ist und keine eigenen Beweise einbringen darf, stellt es diesbezüglich fest: „[The Respondent] on this appeal did not rely on Incoterms, and so I make this observation merely in passing and not as leading to my decision on the construction of this contract.“124

(3) Ergebnis Sowohl im Hinblick auf die Rechtsbeständigkeit als auch im Hinblick auf die internationale Auslegung ergibt sich insoweit eine direkte Übereinstimmung mit der dogmatischen Grundstruktur: Auch in der Spruchpraxis werden die Incoterms als Vertragsklauseln behandelt, wobei die Wirksamkeit der Bestimmungen hoch ist. Ursächlich für diese Handhabe könnte der mangelnde Bedarf an vereinheitlichten Handelsklauseln aufgrund des gefestigten Verständnisses der nationalen trade terms sein.

Scottish & Newcastle International Limited v Othon Ghalanos Limited [2008] UKHL 11, Rn.  34. 122  Siehe zum Beispiel Iran Continental Shelf Oil Company, Iran Offshore Oil Company, National Iranian Oil Company v IRI International Corporation [2001] WL 1734411, Rn.  43. 123  Glaxo Group Limited v Dowelhurst Limited, Richard Taylor [2003] EWHC 2015 (Ch), Rn.  67 f. 124  Scottish & Newcastle International Ltd. v Othon Ghalanos Ltd. [2006] EWCA Civ 1750, Rn.  32. 121 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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cc) Exkurs: Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs Die praktische Wirksamkeit der Incoterms wird auch von der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs unterstützt, wie anhand der Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit gezeigt werden kann, weshalb diese in einem Exkurs beleuchtet werden soll. Hier ist insbesondere die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs von Art.  5 Nr.  1b Brüssel I-Verordnung a. F. (jetzt Art.  7 Nr.  1b Brüssel Ia-Verordnung) in der Entscheidung Electrosteel interessant.125 Der Entscheidung lag ein Vorab­ entscheidungsersuchen eines italienischen Gerichts zugrunde, welches einen Rechtsstreit zwischen Electrosteel Europe SA (Electrosteel) als Käuferin mit Sitz in Frankreich und Edil Centro SpA als Verkäuferin mit Sitz in Italien wegen Erfüllung eines Kaufvertrages über bewegliche Sachen zu entscheiden hatte. Edil Centro klagte vor einem italienischen Gericht auf Zahlung des Kaufpreises für die gelieferten Waren. Electrosteel rügte die internationale Unzuständigkeit des italienischen Gerichts nach der Brüssel I-Verordnung, da sie aufgrund ihres Sitzes in Frankreich zu verklagen sei. Edil Centro wandte hiergegen ein, dass der Vertrag an ihrem Sitz in Italien geschlossen worden sei und die Klausel „Resa: Franco nostra sede“ (Übergabe: frei Sitz [der Verkäuferin]) bezüglich des Lieferorts der Ware enthalte. Dementsprechend seien die italienischen Gerichte für die Entscheidung über den Rechtsstreit zuständig. Edil Centro verwies zudem auf die Incoterms 2000, weil die Klausel „Resa: Franco nostra sede“ der Incoterms-­ Klausel EXW entspreche, die in den Punkten A4 und B4 den Lieferort der Waren bestimme.126 Fraglich war nun, ob die italienischen Gerichte nach Art.  5 Brüssel I-Verordnung a. F. international zuständig waren. Art.  5 Brüssel I-Verordnung a. F. regelt für vertragliche Ansprüche den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes des Vertrags.127 Sofern der Anwendungsbereich der Brüssel I-Verordnung eröffnet ist, kann eine Person gemäß Art.  5 Nr.  1a Brüssel I-Verordnung a. F. am Ort des Gerichts, an dem die vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden.128 Dieser Erfüllungsort ist gemäß Art.  5 Nr.  1b Brüssel I-Verordnung a. F., sofern nichts anderes vereinbart ist, der Ort, an den die Kaufsache nach dem Vertrag geliefert worden ist oder hätte geliefert werden sollen. Damit erfolgt für den Kaufvertrag die Bestimmung des Erfüllungsortes 125 

EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris. EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris Rn.  8 ff. 127  Jault-Seske und Weller, in: Simons/Hausmann (Hrsg.), Kommentar zur Brüssel I-Verordnung, 2012, Art.  5 Nr.  1 Rn.  1 f.; Mankowski, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels I Regulation, 2012, Art.  5 Brussels I Rn.  1 ff. 128  Jetzt Art.  7 Nr.  1a Brüssel Ia Verordnung; Mankowski, in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels I Regulation, 2012, Art.  5 Brussels I Rn.  1 ff. 126 

154

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

autonom anhand der Brüssel I-Verordnung ohne Rückgriff auf das auf den Vertrag anwendbare Recht.129 In der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs war nun fraglich, wie die Terminologie „nach dem Vertrag“ in Art.  5 Nr.  1b Brüssel I-Verordnung a. F. auszulegen ist.130 Fraglich war insbesondere, inwiefern Vertragsbestimmungen und -klauseln wie die Incoterms zur Bestimmung des Lieferortes geeignet sind und hierfür berücksichtigt werden können, auch wenn aus ihnen nicht explizit der Lieferort hervorgeht, der das zuständige Gericht im Falle von Streitigkeiten bestimmt.131 In Bezug auf die Incoterms stellte der Europäische Gerichtshof zunächst grund­sätzlich fest, dass „Handelsbräuche, insbesondere wenn sie von anerkannten Berufsvereinigungen zusammengestellt, präzisiert und veröffentlicht und von den meisten Wirtschaftsteilnehmern in der Praxis beachtet werden, […] eine wichtige Rolle bei der nichtstaatlichen Regelung des internationalen Handels [spielen]. Sie erleichtern den Wirtschaftsteilnehmern die Ausgestaltung des Vertrags, 129  Jault-Seske und Weller, in: Simons/Hausmann (Hrsg.), Kommentar zur Brüssel I-Verordnung, 2012, Art.  5 Nr.  1 Rn.  47, 56; Stadler, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO Kommentar, 2017, Art.  7 EuGVVO n. F. Rn.  10 ff. Hierdurch soll die Identifizierung des Erfüllungsortes vereinfacht werden. Das angerufene Gericht muss im Rahmen von Art.  5 Nr.  1 lit b Brüssel I-Verordnung a. F. nicht mehr feststellen, welche Verpflichtung dem in Rede stehenden Vertrag zugrunde liegt. Darüber hinaus ist es durch die autonome Bestimmung des Erfüllungsortes im Rahmen von Art.  5 Nr.  1 lit b Brüssel I-Verordnung a. F. gerade nicht erforderlich, das auf den Vertrag anwendbare Recht zu ermitteln. Im Gegensatz hierzu ist im Rahmen von Art.  5 Nr.  1 lit a Brüssel I-Verordnung a. F. der Erfüllungsort durch Rückgriff auf das auf den Vertrag anwendbare Recht zu bestimmen, was diverse Nachteile mit sich bringt. So müssen schon im Rahmen der Feststellung der Zuständigkeit das anwendbare Recht sowie dessen Gehalt ermittelt werden. Trotz vereinheitlichter Kollisionsregeln im europäischen Raum ist hier fraglich, dass die Gerichte stets ein und dasselbe Recht als maßgeblich identifizieren. Vgl. Jault-Seske und Weller, in: Simons/Hausmann (Hrsg.), Kommentar zur Brüssel I-Verordnung, 2012, Art.  5 Nr.  1 Rn.  46–49, 56. Dass sich der Erfüllungsort im Rahmen von Art.  5 Nr.  1 lit a nach der lex causae richtet, wurde in der Tessili-Entscheidung festgelegt, vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1976 – 12/76 – Tessili/Dunlop. 130  Zunächst war fraglich, ob die Formulierung „nach dem Vertrag“ nicht wieder einen Rückgriff auf die lex causae erforderlich macht, was erneut die Nachteile der Tessili-Entscheidung hervorgebracht hätte. In der Car Trim-Entscheidung des EuGH wurde dies abgelehnt: Der EuGH entschied, dass „die Autonomie der in Art.  5 Nr.  1 lit b der Verordung vorgesehenen Anknüpfungskriterien einen Rückgriff auf das Internationale Privatrecht des Mitgliedstaates des zuständigen Gerichts sowie auf das materielle Recht, das danach anwendbar wäre, ausschließt“. Damit sei es Aufgabe des angerufenen Gerichts, zu ermitteln, „ob der Lieferort aus den Vertragsbestimmungen hervorgeht“. Sofern dies ohne Rückgriff auf die lex causae nicht möglich sei, definiert der EuGH als maßgeblich im Sinne von Art.  5 Nr.  1 lit b Brüssel I-Verordnung a. F. den Ort, „an dem die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen“, EuGH, Urteil vom 25.02.2010 – C-381/08 – Car Trim/KeySafety Systems, juris Rn.  53, 54, 60; siehe hierzu auch Rauscher, Internationaler Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Abschied von Tessili und de Bloos, NJW 2010, S.  2251, 2251 ff. 131  EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris Rn.  18.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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weil sie durch die Verwendung kurzer und einfacher Klauseln einen Großteil ihrer Geschäftsbeziehungen regeln können. Die von der Internationalen Handelskammer erarbeiteten Incoterms, die den Inhalt bestimmter, im internationalen Handelsverkehr üblicher Bestimmungen und Klauseln definiert und diese zusammengestellt haben, genießen eine besonders hohe Anerkennung und sind in der Praxis besonders weit verbreitet.“132

Aus diesem Grunde entschied der Europäische Gerichtshof, dass für die Frage, ob der Lieferort im Sinne des Art.  5 Nr.  1b Brüssel I-Verordnung a. F. „nach dem Vertrag“ bestimmt ist, „das angerufene nationale Gericht alle einschlägigen Bestimmungen und Klauseln dieses Vertrags, einschließlich der allgemein anerkannten und im internationalen Handelsverkehr üblichen Bestimmungen und Klauseln wie der von der Internationalen Handelskammer formulierten Incoterms in der im Jahr 2000 veröffentlichten Fassung berücksichtigen [muss], die eine eindeutige Bestimmung dieses Ortes ermöglichen. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grund­ lage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am end­ gültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen.“133

Der Europäische Gerichtshof erkennt in diesem Urteil damit zunächst einerseits die enorme Bedeutung der Incoterms für die nichtstaatliche Regelung des internationalen Handels an. Anstatt dieses Regime zu unterlaufen, erhalten die Incoterms durch diese Entscheidung eine hohe Wirksamkeit über die explizite Parteivereinbarung hinaus, da hier gerade der Fall entschieden werden musste, „inwiefern Vertragsbestimmungen und -klauseln berücksichtigt werden können, die nicht unmittelbar und ausdrücklich einen Lieferort bezeichnen, der das für die Streitigkeiten zwischen den Parteien zuständige Gericht bestimmt“.134

Im Ergebnis kommt damit der Vereinbarung von Incoterm-Klauseln, die eine Bestimmung des Lieferortes zulassen wie EXW und FOB eine gerichtsstandsbegründende Wirkung zu, obwohl sie keine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art.  25 Brüssel Ia-Verordnung (Art.  23 Brüssel I-Verordnung a. F.) darstellen.135 Damit müssen die nationalen Gerichte bei der Bestimmung des Lieferortes die einschlägigen Bestimmungen der Incoterms berücksichtigen. Hierfür ist den Gerichten insbesondere ein Rückgriff auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht untersagt. Sofern sich der Lieferort auf Grundlage der Incoterms ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen lässt, definiert der Europäische Gerichtshof, wie er zu bestimmen ist. 132 

Ebd., Rn.  21. Ebd., Rn.  22. 134  Ebd., Rn.  18. 135  Jault-Seske und Weller, in: Simons/Hausmann (Hrsg.), Kommentar zur Brüssel I-Verordnung, 2012, Art.  5 Nr.  1 Rn.  62; Gottwald, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2017, Art.  7 VO (EU) 1215/2012 Rn.  19. 133 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Der Europäische Gerichtshof favorisiert damit eine gänzlich anationale Aus­ legung der Verordnung und legt gerade keinen Rekurs auf das anwendbare materielle Recht fest.136 Es lässt sich damit festhalten, dass den Incoterms im Hinblick auf Art.  5 Brüssel I-Verordnung a. F. indirekt eine gerichtsstandsbegründende Wirkung zukommt, was über ihren eigentlichen Regelungsgehalt hinausgeht. dd) Ergebnis: Spruchpraxis Incoterms Die Analyse der Spruchpraxis deutscher Gerichte hat gezeigt, dass der Erklärungswert des Incoterm-Regelwerks der ICC faktisch kraft Handelsbrauch in den Vertrag einbezogen wird, ohne dass die Gerichte dies begründen oder weiter erklären. Im Hinblick auf Art.  7 Brüssel Ia-Verordnung kommt den Incoterms indirekt eine gerichtsstandsbegründende Wirkung zu. Zudem zeigt sich, dass eine internationale Auslegung durch direkten Rekurs auf die Regelungen des Regelwerks angestrebt wird. Im Zusammenspiel mit der Tatsache, dass von den Bestimmungen der Incoterms nicht abgewichen wird, werden den Incoterms vor deutschen Gerichten ein hohes Maß an Autonomie und eine darüber hinausgehende autoritative Wirkung zugemessen. Im Gegensatz hierzu verbleibt die Anwendung der Incoterms in der Spruchpraxis englischer Gerichte deutlich innerhalb der dogmatischen Grenzen. Sofern die Incoterms aber durch die Parteien zugrunde gelegt wurden, werden die Bestimmungen anerkannt, und dem Regelwerk kommt eine hohe Autonomie zu. Eine darüber hinausgehende autoritative Wirkung wird den Incoterms aber nicht beigemessen.

2. Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive Bei den Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive (ERA, Uniform Customs and Practice for Documentary Practices, UCP) handelt es sich um ein Regelwerk, welches die Erstellung und Abwicklung von Dokumentenakkreditiven regelt und ebenfalls von der ICC herausgegeben und zur Anwendung empfohlen wird.137

136 Die lex causae ist aber wieder maßgeblich für die Frage der wirksamen Einbeziehung der Klauseln und für die Wirksamkeit als solche, die beispielsweise im Rahmen einer Inhaltskontrolle problematisch sein kann. Vgl. Jault-Seske und Weller, in: Simons/Hausmann (Hrsg.), Kommentar zur Brüssel I-Verordnung, 2012, Art.  5 Nr.  1 Rn.  60. 137  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwow

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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An der Erstellung der ERA sind innerhalb der ICC unterschiedliche Gruppen beteiligt, die ihrerseits unterschiedliche Interessen berücksichtigen. Hauptverantwortlich für die Überarbeitung und das Entwerfen der ERA ist die ICC Bankenkommission (ICC Kommission für Banktechnik und -praxis). Die Bankenkommission versteht sich selbst als „global forum and rule-making body for the international trade finance community“138 und ist als Teil der ICC ebenso wie die ICC selbst weder eine staatliche Einrichtung noch internationale Organisation, sondern rein privater Natur.139 Die Mitglieder der Bankenkommission werden von den Nationalkomitees gewählt, was aufgrund von verfolgten Interessen oder Expertise zumeist zu einer Dominanz der Banker führt. Rechtsanwälte, Berater und Transportspezialisten sind aber auch vertreten.140 Aus den Mitgliedern der Bankenkommission wird dann eine Drafting Commission zusammengestellt, die den Text der ERA entwirft. Hierzu werden Stellungnahmen und Kommentare von den nationalen Komitees eingeholt und berücksichtigt.141 Über den Entwurf wird sodann innerhalb der Bankenkommission abgestimmt. Jedem Land ist dabei eine bestimmte Anzahl von Stimmen zugewiesen, sodass die verschiedenen Nationalstaaten einen unterschiedlich starken Einfluss auf die Wahlergebnisse haben.142 Im Anschluss wird das Regelwerk dann vom ICC Executive Board angenommen und sodann veröffentlicht.143 Ein weitergehender legislativer An­

ski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  1 ff.; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  2; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA Einleitung Rn.  1 ff.; Grundmann, in: Canaris/Habersack/ Schäfer (Hrsg.), Staub Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 2015, Dritter Teil Rn.  556 ff.; Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of Interna­ tional Trade, 2007, Rn.  11-002; Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 587 ff. 138  Siehe für weitere Informationen über die Bankenkommission auch die Hompage der ICC unter , zuletzt abgerufen am 01.12.­2017. 139  Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  12. 140  Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1170 ff.; Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 30 Yale Journal of International Law 2005, S.  125, 136; siehe hierzu auch Vorwort und Einleitung der ICC Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive ERA 600, veröffentlicht als ICC-Publikation Nr.  600 ED. 141  Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, S.  3 ff. 142  Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 30 Yale Journal of International Law 2005, S.  125, 136 f. 143  Ebd., S.  136–137; siehe hierzu auch die Internetpräsenz der ICC , zuletzt abgerufen am 01.12.2017.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

erkennungsprozess seitens der Nationalstaaten findet aber nicht statt,144 weshalb auch die ERA als privates Regelwerk zu qualifizieren sind.145 a) Darstellung des Regelwerks aa) Gegenstand und Zweck Inhaltlich stellen die ERA Regelungen für Dokumentenakkreditive bereit. Dokumentenakkreditive beziehungsweise commercial letters of credit146 sind eine der 144 

Die ERA 600 haben die Zustimmung der Kommission für Internationales Handelsrecht von UNCITRAL erhalten und sind so zur Anwendung bei allen Akkreditiven empfohlen worden, siehe hierzu , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. Darüber hinaus werden die ERA regelmäßig von den Bankenverbänden der Nationalstaaten angenommen, wobei es sich bei dieser Annahme nicht um einen formalen legislativen Akt handelt. Siehe hierzu Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/11 f.; siehe auch Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  12; Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1179 ff. 145  Wälzholz, Zur Anwendbarkeit des AGBG auf die Einheitlichen Richtlinien der ICC – Insbesondere bei Akkreditiven und Demand Guarantees, WM 1994, S.  1457, 1457 f.; siehe hierzu auch Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1170 ff. 146  Abgegrenzt werden muss der Begriff commercial letter of credit von dem des standby letter of credit. Während sich der commercial letter of credit inhaltlich mit dem Dokumentenakkreditiv deckt, ist der standby letter of credit eher als Garantie zu kategorisieren. Wie beim commercial letter of credit wird auch beim standby letter of credit eine unabhängige Zahlungsverpflichtung gegen Dokumentenvorlage begründet. Die inhaltlichen Anforderungen an das Dokument, die der letter of credit als Bedingung für die Zahlung definiert, sind aber ganz gegensätzlich zum commercial letter of credit die Nicht- oder nicht ordnungsgemäße Erfüllung des Grundgeschäftes. Während also der commercial letter of credit ein Zahlungsinstrument für den positiven Fall der Leistung ist, ist der standby letter of credit ein Sicherungsinstrument für den Fall der Nichtleistung. Hintergrund für die Herausbildung des standby letter of credit im US-amerikanischen Raum war der National Bank Act, der seit 1933 den meisten US-Banken die Übernahme von Bürgschaften und Garantien verbat. Diese Verbotsklausel war im Zuge der US-amerikanischen Bankenaufsichtsrechtsreform durch den Glass Steagall Act 1933 in den National Bank Act eingeführt worden. Um den wirtschaftlichen Zweck der Garantie dennoch zu erreichen, etablierte sich die Praxis, eine Garantie in Form eines Akkreditivs einzukleiden. Die Eröffnung von Akkreditiven blieb den Banken weiterhin gestattet. Gemäß Art.  1 ERA 600 gelten die Regelungen der ERA auch für standby letters of credit, soweit diese auf den standby letter of credit anwendbar sind. Vgl. Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 11; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  5.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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wichtigsten Zahlungsmethoden im internationalen Handelsverkehr. Die früher oftmals verwendete Bezeichnung der Dokumentenakkreditive als „life blood of international commerce“147 spiegelt annähernd die herausragende Bedeutung wider, die dem Akkreditiv noch Mitte des 20. Jahrhunderts zukam.148 Aufgrund der jüngeren Entwicklungen im internationalen Handel trifft diese Aussage heute wohl nicht mehr in einer solchen Absolutheit zu. Die zunehmende Vernetzung der Vertragspartner und die immense Weiterentwicklung von online-Kommunikationsmitteln, vor allem durch Banküberweisungstechniken, die bei gleich­ bleibender Komplexität der Abwicklung eines Akkreditivs nahezu in Echtzeit transferieren, haben die Attraktivität des Akkreditivs im Vergleich zu anderen Zahlungs- und Sicherungsinstrumenten verringert.149 Schätzungen zufolge soll sich der Anteil der Außenhandelsgeschäfte, die über ein Akkreditiv abgewickelt werden, von etwa 80 % kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf etwa 15 % in den 1980er Jahren reduziert haben.150 Trotz dieser rückläufigen Entwicklung ist aber nicht zuletzt aufgrund des exponentiellen Anstiegs des Außenhandels insgesamt die Bedeutung des Akkreditivs immer noch sehr groß.151 Die ERA sind erstmalig im Jahre 1933 erschienen und seitdem fortlaufend revidiert worden. Seit dem 1. Juli 2007 sind die ERA 600 in der nunmehr siebten Fassung in Kraft152 und haben die bis dahin gültigen ERA 500 abgelöst.153 Intraco Ltd. v Notis Shipping Corporation of Liberia, The Bhoja Trader [1981] 2 Lloyd’s Rep 256, S.  257. 148  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  2; Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of International Trade, 2007, Rn.  11-001 ff. 149  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 4; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  2. 150  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 4; Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  2 f. 151  Wolff, The Law of International Cross-Border Business Transactions, 2013, S.  163; Murray/­Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of Inter­ national Trade, 2007, Rn.  11-001; Grundmann, in: Canaris/Habersack/Schäfer (Hrsg.), Staub Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 2015, Dritter Teil Rn.  556. 152  Weitere Revisionen wurden 1951, 1962, 1974, 1983 und 1993 veröffentlicht, siehe hierzu Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA Einleitung Rn.  1. 153  Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 587; siehe für eine Synopse der Änderungen Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, ERA Einleitung Rn.  1; siehe für eine ausführliche Darstellung der geschichtlichen Entwicklungen 147 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Die ERA stellen Regelungen für die Abwicklung und Erstellung von Dokumentenakkreditiven bereit. Grundsätzlich handelt es sich bei einem Dokumentenakkreditiv um ein vom Grundgeschäft unabhängiges Zahlungsversprechen, das eine Bank (issuing bank)154 auf Veranlassung eines Auftraggebers (applicant, in der Regel der Importeur beziehungsweise Käufer) gegenüber einem Begünstigten (beneficiary, in der Regel der Exporteur beziehungsweise der Verkäufer) abgibt.155 Die Bank verpflichtet sich im Rahmen des Dokumentenakkreditivs gegen fristgerechte Vorlage bestimmter Dokumente,156 eine finanzielle Leistung gegenüber dem Begünstigten zu erbringen.157 Zumeist erfolgt dies unter Einschaltung einer Zweitbank, der Hausbank des Verkäufers (advising oder confirm­ ing bank), an welche die Zahlung geleistet wird.158 Hauptfunktion und Nutzen des Dokumentenakkreditivs ist damit die Absicherung der Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen von Käufer und Verkäufer aus der zugrunde liegenden grenzüberschreitenden Transaktion, womit sich auch die wirtschaftliche Bedeutung des Akkreditivs erklären lässt. Grenzüberschreitende Transaktionen bergen ein hohes Opportunitätsrisiko für diejenige Partei, die sich zur Vorleistung verpflichtet. Aufgrund dieses Risikos würden viele Transaktionen ohne zusätzliche Absicherung wohl gänzlich unterbleiben.159 Diese Absicherung bietet nun die rechtliche Struktur des Akkreditivs, indem eine Bank als Intermediär eingeschaltet und das Ausfallrisiko vom Käufer auf die Bank verlagert wird.160 Dies gelingt durch das rechtliche Grundprinzip des Akund der Hintergründe der Revisionen Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  5–9. 154  Es kann aber auch jeder andere Dritte eingeschaltet werden, siehe hierzu Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  28 ff. 155  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 1; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (7) Bankgeschäfte Rn. K/1. 156  Siehe für eine Darstellung der typischerweise vorzulegenden Dokumente Dalhuisen, Dalhuisen on Transnational Comparative, Commercial, Financial and Trade Law Vol. 3 – Finan­cial Products, Financial Services and Financial Regulation, 2010, S.  378–379. 157  Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 583; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (7) Bankgeschäfte Rn. K/1; siehe hierzu auch Art.  2 ERA 600; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1015 f. 158  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  31. 159  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel I. 160  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 2; Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 586.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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kreditivs, wonach das sich aus dem Akkreditiv ergebende Zahlungsversprechen abstrakt von der zugrunde liegenden Transaktion zu bewerten ist.161 So besteht die Verpflichtung der Eröffnungsbank, aus dem Akkreditiv an den Verkäufer zu zahlen, gänzlich unabhängig von der zugrunde liegenden Transaktion und ist nur davon abhängig, ob die in der Akkreditivvereinbarung festgelegten erforder­ lichen Dokumente seitens des Verkäufers der Bank vorgelegt wurden.162 Belegen diese, dass er seinen Leistungspflichten, wie in der Akkreditivvereinbarung spezifiziert, ordnungsgemäß nachgekommen ist, muss die Bank an den Verkäufer zahlen, unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Transaktion tatsächlich ordnungsgemäß abgelaufen ist.163 Damit fungiert das Akkreditiv aus Sicht des Käufers und Verkäufers als Mittel der Risikominimierung: Das Vorleistungsrisiko des Verkäufers, seine Ware zu versenden, ohne zuvor den geschuldeten Kaufpreis erhalten zu haben, wird damit in das Insolvenz- beziehungsweise Nichtleistungsrisiko der Bank transformiert, was im Vergleich als deutlich geringer zu bewerten ist.164 Ebenso wird für den Käufer das Risiko der Transaktion durch das Akkreditiv deutlich minimiert. So kann er in der Akkreditivvereinbarung festlegen, welche Voraussetzungen insbesondere die Transport- und Warendokumente erfüllen müssen, damit die Bank aus dem Akkreditiv an den Verkäufer zahlt. Obwohl sich die Zahlung vollzieht, bevor der Käufer die Ware tatsächlich in den Händen hält, sind die Risiken deutlich geringer als im Falle der schlichten Vorleistung.165 Die Bank fungiert also insgesamt als „reliable and solvent paymaster“.166 Neben dieser Sicherungs- und Risikominimierungsfunktion ist die Bedeutung des Akkreditivs als Finanzinstrument hervorzuheben. Ganz grundsätzlich handelt es sich bei einem Akkreditiv um ein Zahlungsinstrument zur bargeldlosen Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 30 Yale Journal of International Law 2005, S.  125, 133. 162  Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (7) Bank­ geschäfte Rn. K/11, K/14. 163  Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 30 Yale Journal of International Law 2005, S.  125, 133; Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of International Trade, 2007, Rn.  11-006 ff.; Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 594; Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 25 ff. 164  Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1166 ff. 165  Ebd., S.  1166 ff. 166  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 2. 161 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Abwicklung der zugrunde liegenden Transaktion. Damit erfüllt das Akkreditiv eine nicht unerhebliche Kreditfunktion, indem die Liquidität des Importeurs bis zur Inanspruchnahme des Dokumentenakkreditivs und der damit zumeist erst einhergehenden Belastung des Kontos durch die Bank geschont wird.167 Historisch betrachtet ist das Akkreditiv eine rechtliche Entwicklung der Praxis, die im wirtschaftlich relevanten Umfang erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Außenhandelsgeschäften angewendet wurde.168 Aus diesem Grund haben die handelsrechtlichen Kodifikationen, die zu dieser Zeit bereits in Kraft waren, eine explizite Regelung dieses neu aufgekommenen Sicherungsinstruments nicht abgebildet.169 Für die Regelung einer derart komplexen rechtlichen Konstruktion sind aber weder gesetzliche Teilregelungen noch allgemeine zivil- und handelsrechtliche Vorschriften ausreichend.170 Die Praxis hatte somit selbst Regeln und Usancen zur Behandlung des Akkreditivs herausgebildet, die aber aufgrund von nationalen und regionalen Varianzen keinen weltweit einheitlichen Standard bildeten.171 Die Funktion eines Sicherungs- und Finanzierungsinstruments für den globalen grenzüberschreitenden Handel kann das Akkreditiv aber nur erfüllen, wenn die Abwicklung nach einheitlichen Regeln erfolgt. Erforderlich sind hierzu präzise Bestimmungen, die international gleichförmig verstanden werden.172 Sowohl Verkäufer als auch Käufer müssen sich sicher sein, dass die Bank nur dann zahlt, wenn die Dokumente dem in der Akkreditivvereinbarung festgelegten Standard entsprechen. Unterschiedliche Verständnisse, beispielsweise von Begrifflichkeiten, Fristen oder dergleichen, sind für die Praxis schädlich und können eine einfache und sichere Abwicklung nicht gewährleisten.173 167  Ebd., Rn. H 3; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/­ Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  8. 168  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  6; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  6. 169  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 5; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  5. 170  Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  5 ff.; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  10. 171  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 5. 172  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  10; siehe hierzu auch das Vorwort zu den ERA 600, in: ICC, Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP 600 Drafting Group, ICC Publication No. 680E, 2007, S.  7; siehe hierzu auch Snyder, Private Lawmaking, 64 Ohio State Law Journal 2003, S.  371, 390 ff. 173  Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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Vor diesem Hintergrund ist auch der Regelungszweck der ERA zu beurteilen. Die ERA zielen darauf ab, „Vertragsbedingungen zur Vereinheitlichung der Praxis zu schaffen, sodass Anwender sich nicht mit einer Fülle von oft widersprüchlichen nationalen Regeln auseinander setzen [müssen]“.174

Damit streben die ERA zum einen an, einen weltweit einheitlichen Regelungsstandard zu etablieren, und zum anderen, diesen stets an neue Entwicklungen in der Handelspraxis anzupassen.175 bb) Inhalt Die ERA 600 der ICC bestehen aus 39 Artikeln, die einen vollständigen recht­ lichen Rahmen für eine Akkreditivtransaktion bilden.176 Die Regelungsstruktur der ERA stellt sich wie folgt dar: Zunächst erfolgen in Art.  2 bis 4 der ERA Definitionen der wichtigsten Termini sowie die Festlegung von Auslegungsregeln und der rechtlichen Struktur des Akkreditivs. So definiert Art.  2 ERA 600 zunächst der weltweiten Verwendung Rechnung tragend den Begriff des Akkreditivs als Oberbegriff für dokumentäre Leistungsversprechen jeder Art, sodass die ERA sowohl auf Dokumentenakkreditive als auch auf standby letters of credit Anwendung finden können.177 Art.  7 und 8 ERA 600 legen die Pflichten der Banken fest178 und Art.  10 ff. ERA 600 halten Regelungen über die Änderung von Akkreditivvereinbarungen bereit.179 Art.  14 ff. ERA 600

and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1170 ff. 174  Siehe das Vorwort der ERA 600, in: ICC, Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP 600 Drafting Group, ICC Publication No. 680E, 2007. 175  Siehe hierzu das Vorwort zu den ERA 500, wonach der Regelungszweck der ERA die Kodifizierung der „international banking practices, as well as to facilitate and standardize developing practices“ ist, zitiert nach Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 30 Yale Journal of International Law 2005, S.  125, 137. 176  Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  9a; siehe für eine Übersicht über die Neuregelung der ERA 600 Rodrigo, UCP 500 to 600: A Forward Movement, 18 Murdoch University Electronic Journal of Law 2011, S.  1, 3 ff.; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA Einleitung Rn.  3. 177  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 9 ff.; siehe hierzu auch supra Fn.  146. 178  Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA 7, (11) ERA 8 jeweils Rn.  1 ff. 179  Ebd., (11) ERA 10, (11) ERA 11, jeweils Rn.  1 ff.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

regeln zunächst den Standard sowie Art und Umfang der Dokumentenprüfung180 und Art.  18 ff. ERA 600 kodifizieren dann inhaltliche Anforderungen an bestimmte Dokumententypen.181 In Art.  34 ff. ERA 600 werden schließlich Haftungsausschlüsse geregelt182 und Art.  38, 39 ERA 600 bestimmen die Übertragbar­ keit von Akkreditiven sowie die Abtretung von Ansprüchen aus Akkreditiven.183 Dem Risiko der unterschiedlichen Auslegung der ERA durch nationale Gerichte versucht die Bankenkommission der ICC durch ergänzende Veröffent­ lichungen zu begegnen.184 Neben dem Regelwerk der ERA als solches gibt die ICC beziehungsweise die Bankenkommission Stellungnahmen zu Streitfragen in Form sogenannter Opinions heraus.185 Daneben ist ein Kommentar zu den ERA 600 erschienen, in dem die Drafting Group die Neuerungen der ERA 600 erklärt.186 Ein weiteres wichtiges Instrument ist zudem die „International Standard Banking Practice (ISBP)“, ein Leitfaden zur Anwendung der ERA 600 in der Praxis, welcher ergänzend zu den ERA-Regelungen herangezogen werden kann.187 Die Bankenkommission der ICC bietet darüber hinaus für Streitigkeiten in Bezug auf die ERA ein kostengünstiges Schiedsverfahren an und hat hierfür die „ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (DOCDEX)“ entwickelt, welche das Verfahren regeln.188 Das DOCDEX-Verfahren ist für die Parteien grundsätzlich nicht bindend. Im Gegensatz zu den Opinions, die abstrakt im Hinblick auf eine bestimmte Streitfrage Stellung nehmen, wird im Rahmen des DOCDEX-Verfahrens konkret auf Grundlage der in Rede stehenden Dokumente eine Entscheidung gefällt.189 Ziel des im Jahre 2002 ins Leben gerufenen DOCDEX-Verfahrens ist es, ein Forum zur Streitschlichtung zur Verfügung zu stellen, in dem Experten als Schiedsrichter fungieren, die mit den intrin180 

Ebd., (11) ERA 14 bis (11) ERA 17, jeweils Rn.  1 ff. Ebd., (11) ERA 18 ff., jeweils Rn.  1 ff. 182  Ebd., (11) ERA 34 bis (11) ERA 37, jeweils Rn.  1 ff. 183  Ebd., (11) ERA 38, (11) ERA 39, jeweils Rn.  1 ff. 184  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  21. 185  Siehe hierzu beispielsweise die jüngste Veröffentlichung der Opinions: ICC Banking Commission, Opinions 2012–2016, ICC Publication No. 785E, 2016 Edition. 186  ICC, Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP 600 Drafting Group, ICC Publication No. 680E, 2007, S.  5–6. 187  International Standard Banking Practice for the Examination of Documents under Documentary Credits, 2007 Revision for UCP 600, ICC Publication No. 681. 188  Siehe hierzu , zuletzt abgerufen am 01.12.2017; siehe auch die Entscheidungssammlung Collected DOCDEX Decisions 2013–2016, ICC Publication No. 786E; siehe auch Vorpeil, ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise – DOCDEX, RIW 2003, S.  370, 370 ff. 189  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  21. 181 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

165

sischen Feinheiten der Akkreditivpraxis vertraut sind. Mit dem Verständnis dieser Feinheiten haben aus Sicht der Praxis viele Richter, Schiedsrichter und Rechtsanwälte Schwierigkeiten.190 Die Entscheidungen im Rahmen des DOCDEX-Verfahrens werden anonym von drei erfahrenen Experten auf dem Gebiet der Dokumentenakkreditive getroffen, die vom ICC International Centre for Expertise benannt werden. Sie werden aus einer Liste ausgewählt, die zuvor durch die Bankenkommission aufgestellt wurde191 und zumeist auch Experten aus der Bankenkommission enthält.192 b) Dogmatische Charakterisierung der ERA Die ERA selbst definieren in Art.  1 ERA 600, dass die ERA dann Anwendung finden, wenn „the text of the credit expressly indicates that it is subject to the rules“.193 Erneut sind also in rechtsdogmatischer Hinsicht insbesondere die Fälle problematisch, in denen die ERA nicht ausdrücklich vertraglich einbezogen wurden. Innerhalb der Literatur ist die Rechtsnatur der ERA sowohl im deutschen als auch im englischen Rechtssystem stark umstritten.194 Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass sie kein objektives Gesetzesrecht darstellen.195 Die ERA werden von der ICC erstellt, der keine formale Recht­ setzungskompetenz zukommt, und sind auch nicht durch einen formalen legislativen Akt in Deutschland als Gesetzesrecht anerkannt worden.196 190  Levit, A Bottom-Up Approach to International Lawmaking: The Tale of Three Trade Finance Instruments, 30 Yale Journal of International Law 2005, S.  125, 139–140. 191  Siehe die Internationale Handelskammer, unter , zuletzt aufgerufen am 01.12.2017. 192  Chuah, The Law of International Trade, 2013, Rn.  11-098. 193  Siehe hierzu ICC, Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP 600 Drafting Group, ICC Publication No. 680E, 2007, S.  7 ff. 194  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 37 ff.; siehe zum Meinungsstand von Westphalen, AGB-rechtliche Erwägungen zu den neuen Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive, Revision 1993, RIW 1993, S.  453, 453 ff.; Hugo, The Legal Nature of the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits: Lex Mercatoria, Custom, or Contracts?, 6 South African Mercantile Law Journal 1994, S.  143, 150 ff., 156 ff. 195  Canaris, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive (ERG), in: Canaris (Hrsg.), Bankvertragsrecht, 1981, Rn.  925; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  11; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  17; Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. H 589; von Westphalen, AGB-rechtliche Erwägungen zu den neuen Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive, Revision 1993, RIW 1993, S.  453, 453. 196  Die ERA 600 haben die Zustimmung der Kommission für Internationales Handelsrecht

166

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Aufgrund der kontinuierlichen Revisionen sind die ERA in ihrer Gesamtheit nicht als Gewohnheitsrecht einzustufen, da sie nicht die erforderliche ständige Übung aufweisen.197 Auch die Qualifizierung als Handelsbrauch muss deshalb ausscheiden.198 Viele der Regeln, welche in den ERA kondensiert sind wie beispielsweise der Grundsatz der Unabhängigkeit des Akkreditivs vom Grundgeschäft sind aber ohne Zweifel Ausdruck einer langjährigen tatsächlichen Übung, welche von den Beteiligten als normativ bindend anerkannt wird, sodass für solche einzelne Regeln die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Handelsbrauchs erfüllt sein können.199 Dies gilt jedoch nicht für die ERA insgesamt, die in ihrer Gesamtheit als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind,200 was von UNCITRAL erhalten und sind so zur Anwendung bei allen Akkreditiven empfohlen worden. Darüber hinaus werden die ERA regelmäßig von den Bankenverbänden der Nationalstaaten angenommen, wobei es sich bei dieser Annahme nicht um einen formalen legislativen Akt handelt. Siehe hierzu Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/11 f.; siehe auch Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  16; Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1179 ff. 197  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  18; siehe für eine Übersicht über den diesbezüg­ lichen Meinungsstand auch Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  14, mit weiteren Nachweisen. 198  Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA Einleitung Rn.  5; offengelassen BGH, Beschluss vom 04.10.1984 – III ZR 102/83, WM 1984, S.  1443, 1443; ohne Stellungnahme BGHZ 108, 348, S.  351; als Rechtsordnung sui generis qualifizieren die ERA Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  19 (Normgefüge eigener Art); Eisemann, Die neuen Einheitlichen Richtlinien und Ge­bräuche für Dokumenten-Akkreditive der Internationalen Handelskammer (Neufassung 1962), AWD 1963, S.  139, 142 (Ordnung sui generis); Grundmann, Lex Mercatoria und Rechtsquellenlehre, in: Jickeli (Hrsg.), Europäisches Privatrecht, Unternehmensrecht, Informationspflichten im Zivilrecht, 1991, S.  43, 68. 199  Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  19; Hopt, Internationale Handelskammer, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  898; siehe hierzu auch mit weiteren Nachweisen Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/13 ff. 200  BGH, Urteil vom 19.11.1959 – VII ZR209/58, WM 1960, S.  38, 40; Canaris, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive (ERG), in: Canaris (Hrsg.), Bankvertragsrecht, 1981, Rn.  927; Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA Einleitung Rn.  6; Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 589–590; von Westphalen, AGB-rechtliche Erwägungen zu den neuen Einheitlichen Richt­ linien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive, Revision 1993, RIW 1993, S.  453, 453; ab­lehnend Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  17 f.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

167

grundsätzlich die Möglichkeit der AGB-Kontrolle zur Folge hat.201 Hierin sehen Zahn, Ehrlich und Haas „eine untragbare Unsicherheit […], die zudem schädlich für die Funktion des Akkreditivs [ist]“.202

Auch im englischen Rechtssystem haben die ERA keine Geltungskraft als Recht.203 Die traditionelle Ansicht qualifiziert die ERA schlicht als standardisierte Vertragsbedingungen ohne rechtliche Gültigkeit, sodass die Anwendung durch die Gerichte stets davon abhängt, ob die Parteien die ERA in ihren Vertrag inkorporieren (incorporation by reference).204 Einige Autoren sehen die ERA als Beweis für eine langjährige, etablierte, normative Praxis und wollen sie so als konkludente Vertragsbedingungen im Rahmen der Geltung als Handelsbrauch in den Vertrag einbeziehen oder erachten die ERA sogar als stets konkludent von den Parteien zugrunde gelegt.205 Dies wird allerdings vielerorts abgelehnt und die ERA nur als maßgeblich angesehen, sofern sie ausdrücklich einbezogen wurden.206 Keine der Ansichten kann sich aber auf gefestigte Rechtsprechung diesbezüglich stützen.207 c) Empirische Analyse der Spruchpraxis Für die Analyse der Spruchpraxis in Bezug auf die ERA deutscher und englischer Gerichte wurden folgende Fragestellungen ausgewertet: Wurden die ERA als explizit vertraglich vereinbart ausgewiesen? Wenn nicht, wurden vertragliche Bestimmungen auch ohne explizite Bezugnahme durch die 201  Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 590; Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel H 40, H 42; ablehnend Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungs­ sicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/16. 202  Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/16. 203  Bridge, Benjamin’s Sale of Goods, 2010, Rn.  23-008; M Golodetz & Co v Czarnikow-­ Rionda (Q.B.D.) [1980] 1 W.L.R. 495, S.  509. 204  Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of International Trade, 2007, Rn.  11-004; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1032 f. 205  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1032 f. 206  Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of International Trade, 2007, Rn.  11-004. 207  So verweist Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1032 f., auf die Entscheidung Harlow & Jones Ltd. v American Express Bank Ltd. and Creditanstalt-Bank­ verein (third party) [1992] 2 Lloyd’s Rep 343, die sich allerdings nicht mit den ERA, sondern mit den Uniform Rules for Collections befasste.

168

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Parteien anhand der ERA ausgelegt? Wurde eine Bestimmung der ERA für unwirksam erklärt? Fand ein Rekurs auf die Materialien der ICC statt? Zudem wurde noch gefragt, ob die Gerichte in irgendeiner Form Stellung zur Rechtsqualität der ERA nahmen.208 aa) Spruchpraxis deutscher Gerichte Der Analyse der Spruchpraxis deutscher Gerichte in Bezug auf die ERA lagen 14 Urteile ab dem Jahr 1990 bis Januar 2015 zugrunde.209 (1) Darstellung der Ergebnisse Tabelle 4 gibt die Ergebnisse der Auswertung der Fragestellungen wieder. Tabelle 4: ERA – Auswertung der Spruchpraxis deutscher Gerichte Fragestellung

Auswertung

Anzahl der Urteile

14

Rechtsqualität Handelsbrauch AGB, wenn nicht Handelsbrauch Streitig Allgemeine Geschäftsbedingungen Keine Ausführungen

1 1 1 1 10

Explizite vertragliche Vereinbarung

6

Auslegung der Vertragsbestimmung anhand des Regelwerks ohne explizite vertragliche Bezugnahme

8

Unwirksamkeit einer Bestimmung

2

Rekurs auf die Materialien der ICC Regelwerk Mittelbar nur über Kommentar

12 2

Keine Relevanz des Regelwerks

0

Quelle: Eigene Darstellung

208  Sofern die Regelungen der ERA in der Entscheidung nicht weiter von Relevanz waren, wurde diese Entscheidung nicht weiter in der Analyse beachtet. 209  Als Suchbegriffe wurden in den Datenbanken Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive, ERA, Dokumenten-Akkreditiv, DokARL, Akkreditiv, Uniform Custom and Practices for Documentary Credits und UCP verwendet.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

169

In lediglich sechs Urteilen wurde explizit ausgewiesen, dass die Parteien die ERA in ihren Vertrag einbezogen haben.210 Auch die Rechtsqualität blieb in einer Vielzahl der Fälle offen. Lediglich in einem Fall wurden die ERA als Handelsbrauch bezeichnet,211 in einem Fall als Allgemeine Geschäftsbedingungen,212 einmal die Rechtsnatur als „streitig“213 bezeichnet und in einem Fall ausgeführt, dass es sich bei den ERA um „Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, soweit die Regelungen nicht [von] vornherein bereits als Handelsbrauch anzusehen sind“.214

In zehn Fällen wurde die Rechtsnatur gänzlich offengelassen. In zwölf Fällen rekurrierten die Gerichte für ihre Entscheidungsfindung auf das ERA-Regelwerk der ICC, wobei teilweise zusätzlich auf die Kommentarliteratur verwiesen wurde.215 In zwei Urteilen fand der Rekurs auf die ERA ausschließlich mittelbar über die Kommentarliteratur statt.216 Von den Regelungen der ERA wurde in der Regel nicht abgewichen. Lediglich in zwei Urteilen wurden Einwendungen gegen die Zahlungspflicht aufgrund von Rechtsmissbrauch vorgesehen, was durch die ERA selbst nicht geregelt wird.217 210  LG Limburg, Urteil vom 25.03.1992 – 5 O 101/90, WM 1992, S.  1399, 1401; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.12.1994 – 4 U 29/94, WM 1996, S.  58, 58; BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris Rn.  2; OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris Rn.  4; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  65; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.05.2010 – 17 U 261/09, juris Rn.  3. 211  LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, S.  153, 153. 212  LG Limburg, Urteil vom 25.03.1992 – 5 O 101/90, WM 1992, S.  1399, 1401. 213  OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  65. 214  OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris Rn.  3. 215  So zum Beispiel in folgenden Stellen der Entscheidungen: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.1991 – 5 U 207/90, NJW-RR 1992, S.  684, juris Rn.  9,21; LG Limburg, Urteil vom 25.03.1992 – 5 O 101/90, WM 1992, S.  1399, 1401; OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.07.1992 – 18a U 39/92, WM 1992, S.  2095, 2098; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.01.1994 – 3/11 O 228/92, WM 1994, S.  944, S.  946; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.12.1994 – 4 U 29/94, WM 1996, S.  58, S.  59; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, S.  153, 153 (auch durch Verweis auf die Kommentarliteratur); BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris Rn.  22 (auch durch Verweis auf die Kommentarliteratur); OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris Rn.  5, 7, 8 (auch durch Verweis auf die Kommentarliteratur); LG Frankenthal, Urteil vom 14.11.2002 – 2 HK.O 165/01, juris Rn.  23; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  68 (auch durch Verweis auf die Kommentarliteratur); OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.05.2010 – 17 U 261/09, juris Rn.  29, 48, 65, 95, 99–106; LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 – 91 O 8/11, BeckRS 2011, 04910, S.  4. 216  OLG Köln, Urteil vom 29.07.2003 – 9 U 165/02, BeckRS 2003, S. 454–455; BGH, Urteil vom 15.03.2004 – II ZR 247/01, BeckRS 2004, 04949, S.  3. 217  BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris; LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 – 91 O 8/11, BeckRS 2011, 04910.

170

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

(2) Interpretation (a) Rechtsbeständigkeit Sofern den Gerichten Rechtsfragen zum Akkreditiv vorliegen, findet ein standardmäßiger Rekurs auf das ERA-Regelwerk der ICC statt, wobei es den Gerichten nahezu egal zu sein scheint, ob die ERA explizit vereinbart wurden (sechs Urteile)218 oder nicht (acht Urteile)219. Nur einmal wurde diese Praxis durch den Rekurs auf einen bestehenden Handelsbrauch dogmatisch gelöst,220 ansonsten ließen die Gerichte explizit offen, wie die Anwendung der ERA im konkreten Fall zustande kam. Die Analyse zeigt, dass darüber hinaus die Wirksamkeit der Normen der ERA sehr hoch ist. Dem Grunde nach werden die Regelungen der ERA nicht für unwirksam erklärt und streng anhand des Wortlauts des ICC-Regelwerks ausgelegt. Lediglich in zwei Urteilen wurden Einwendungen gegen die Zahlungspflicht aufgrund von Rechtsmissbrauch gemäß §  242 BGB vorgesehen, was durch die ERA selbst nicht geregelt wird.221 Die Bedeutung, die den ERA durch die Gerichte dabei zugemessen wird, könnte nicht größer sein, wenn betont wird, dass es „[i]n Deutschland […] keine gesetzliche Regelung des Akkreditivs [gibt]. Rechtsgrundlage sind die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris zur Anwendung empfohlenen 218 

LG Limburg, Urteil vom 25.03.1992 – 5 O 101/90, WM 1992, S.  1399, 1401; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.12.1994 – 4 U 29/94, WM 1996, S.  58, 58; BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris Rn.  2; OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris Rn.  4; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  65; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.05.2010 – 17 U 261/09, juris Rn.  3. 219  OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.1991 – 5 U 207/90, NJW-RR 1992, S.  684; OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.07.1992 – 18a U 39/92, WM 1992, S.  2095, 2098, die Anwendung der ERA konnte hier im Ergebnis dahinstehen; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.01.1994 – 3/11 O 228/92, WM 1994, S.  944; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, S.  153; LG Frankenthal, Urteil vom 14.11.2002 – 2 HK.O 165/01, juris; OLG Köln, Urteil vom 29.07.2003 – 9 U 165/02, BeckRS 2003, S. 454–455; BGH, Urteil vom 15.03.2004 – II ZR 247/01, BeckRS 2004, 04949; LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 – 91 O 8/11, BeckRS 2011, 04910. 220  LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, S.  153, 153, Leitsatz. In der Entscheidung OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris Rn.  3, legt sich das Gericht diesbezüglich explizit nicht fest. 221  LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 – 91 O 8/11, BeckRS 2011, 04910, Leitsatz, statuiert die Ausnahme von der Zahlungspflicht, dass „im Falle einer offensichtlichen rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Akkreditivs die Bestätigungsbank berechtigt und auch verpflichtet [ist,] die Zahlung zu verweigern“. BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris, Leitsatz, statuiert ebenfalls, dass dem Zahlungsanspruch aus den Akkreditiv „die Akkreditivbank Einwendungen aus dem Verhältnis zum Erstbegünstigten überhaupt nicht und aus dem Kausal­ geschäft zwischen dem Erst- und dem Zweitbegünstigten nur entgegenhalten [kann], wenn sich das Zahlungsbegehren des Zweitbegünstigten als unzulässige Rechtsausübung darstellt“.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

171

Regelungen der ‚Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA 500)‘.“222

Die ERA werden als Rechtsgrundlage des Akkreditivs bezeichnet, obwohl es sich bei den Bestimmungen gerade nicht um staatlich gesetztes Recht handelt. Ganz in diesem Sinne legen die Gerichte einen sehr großzügigen Kontrollmaßstab für die Regelungen der ERA an, der deutlich von demjenigen abweicht, der bei normalen Allgemeinen Geschäftsbedingungen angelegt wird und eher dem obigen Verständnis einer Rechtsgrundlage entspricht. So findet in der Praxis der untersuchten Urteile gerade keine AGB-Kontrolle der Vorschriften statt, sondern es wird lediglich eine Kontrollmöglichkeit anhand der zwingenden Vorschriften der §§  242 und 134 BGB konstatiert, wobei auch hier ein äußerst großzügiger Maßstab angelegt wird. Im Hinblick auf den Grundsatz der Abstraktheit der Akkreditivverpflichtung wird so vom Bundesgerichtshof festgestellt, dass dieser „nur in besonderen Ausnahmefällen, und zwar wenn sich das Zahlungsbegehren des Akkreditivbegünstigten als unzulässige Rechtsausübung (§  242 BGB) darstellt [durchbrochen wird]. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Reibungslosigkeit des Akkreditivverkehrs und die Funktionsfähigkeit des Akkreditivs als wichtiges Instrument im internationalen Handel darf nicht gefährdet und der Grundsatz ,erst zahlen, dann prozessieren‘ nicht aufgeweicht werden.“223

So lässt der BGH in diesem Urteil, in dem es um den Verkauf von Piraterieware ging, einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot des Grundgeschäftes gemäß §  134 BGB zur Begründung einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme nur dann ausreichen, sofern es sich um einen strafbewährten Gesetzesverstoß handelt.224 Einen ähnlichen Stellenwert erhält der Grundsatz der Dokumentenstrenge, wenn diesbezüglich konstatiert wird, dass „an die vom Verkäufer vorzulegenden Dokumente strengste Anforderungen zu stellen [sind]. Die Bank ist zur Zahlung nur gegen Vorlage von Dokumenten verpflichtet, die den Akkreditivbedingungen auf das Genaueste entsprechen (Grundsatz der Dokumentenstrenge). Jeder Versuch einer Aufweichung dieses Grundsatzes entwertet das Instrument des Akkreditivs; es ist im Gegenteil ein geradezu pedantischer Prüfungsmaßstab anzulegen.“225

Ähnlich deutlich wird betont, dass „Einigkeit [besteht], dass einstweiliger Rechtsschutz nur dann zu gewähren ist, wenn sich die Inanspruchnahme des Akkreditivs offensichtlich als unzulässige Rechtsausübung darstellen würde“.226 222 

OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  65. BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris Rn.  11. 224  BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris Leitsatz. 225  OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris Rn.  3. 226  LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 – 91 O 8/11, BeckRS 2011, 04910, S.  3. 223 

172

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Im Ergebnis scheint diese Praxis gerade Ausfluss der Erkenntnis der Gerichte im Hinblick auf die eigene Rolle zu sein, welche die Gerichte für die Funktions­ fähigkeit der ERA haben. So legen sie gerade deshalb einen großzügigen Kon­ trollmaßstab für die Regelungen der ERA an, um „[d]ie Reibungslosigkeit des Akkreditivverkehrs und die Funktionsfähigkeit des Akkreditivs als wichtiges Instrument im internationalen Handel […] nicht [zu]gefährde[n]“.227

Damit wird ausdrücklich die Gefahr anerkannt, welche eine Kontrolle der ERA anhand nationalen Rechts für die Funktionsfähigkeit des Instruments beinhaltet und versucht, diese durch die Spruchpraxis zu verringern. Insgesamt werden also zwingende Vorschriften des nationalen Rechts im Hinblick auf die ERA deutlich eingeschränkt angewendet, um so einen großzügigen Kontrollmaßstab anzulegen, der die Rechtsbeständigkeit gewährleistet und so das Zahlungsinstrument nicht gefährdet. (b) International einheitliche Auslegung Obwohl sich die Gerichte auf das Akkreditiv als Instrument und nicht konkret auf die ERA beziehen, sind hier die Übergänge fließend und lassen konkrete Rückschlüsse über den Status der ERA selbst zu. Dies liegt insbesondere daran, dass für Inhalt und Auslegung des Instruments nahezu in allen Fällen auf das Regelwerk der ERA in der jeweils gültigen Fassung ausgiebig rekurriert und direkt auf das Akkreditiv angewendet wird.228 Die ERA werden dabei nahezu wie Gesetzesnormen zitiert.229 Die Ähnlichkeit zur Auslegung von Gesetzestexten zeigt sich ebenfalls sehr anschaulich in einem Urteil, in dem festgestellt wurde, dass 227 

BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris Rn.  11. Zwar wird teilweise noch auf den Charakter des Akkreditivs als abstraktes Zahlungsversprechen im Sinne des §  780 BGB verwiesen. Für die weitere Ausgestaltung und Voraussetzungen, beispielsweise im Hinblick auf die Anforderungen der Dokumente, findet ein standard­ mäßiger Rekurs auf die ERA statt, so beispielsweise OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.1991 – 5 U 207/90, NJW-RR 1992, S.  684, juris Rn.  17, 21. 229  Siehe zum Beispiel OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  75, „Maßstab für die Feststellung, ob vorgelegte Dokumente akkreditiv konform sind, ist der Standard internationaler Bankpraxis (Art.  13a ERA)“; oder LG Frankenthal, Urteil vom 14.11.2002 – 2 HK.O 165/01, juris Rn.  23, in Bezug auf die Definition des Akkredtivs „[n]ach Artikel 2 ERA (einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive) sind Akkreditive jede wie auch immer benannte oder bezeichnete Vereinbarung, wonach eine im Auftrag und nach den Weisungen eines Kunden oder im eigenen Interesse handelnde Bank gegen vorgeschriebene Dokumente eine Zahlung an einen Dritten oder dessen Order zu leisten oder vom Begünstigten gezogene Wechsel zu akzeptieren und zu bezahlen hat. Gemäß Artikel 3a ERA sind solche Akkreditive ihrer Natur nach von den Kauf- oder anderen Verträgen, auf denen sie möglicherweise beruhen, getrennte Geschäfte.“ 228 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

173

„eine analoge Anwendung des Art.  16e ERA nicht möglich [ist]. Es liegt keine Regelungslücke vor. Die exakte Bezeichnung der Banken zeig[t], daß […] abschließende Regelungen getroffen wurden, die nicht auf andere Banken übertragbar sind.“230

Die Frage der Anwendbarkeit der ERA blieb in diesem Fall gerade offen. Ebenso wird die genannte Zitierweise in den Fällen angewendet, in denen die Frage der Anwendbarkeit der ERA auf den Vertrag nicht weiter geklärt wurde.231 Ein darüber hinausgehender Verweis auf die weiteren Auslegungsmaterialien der ICC wie Opinions oder DOCDEX-Entscheidungen fand aber nicht statt. (3) Zwischenergebnis Aufgrund des großzügigen Kontrollmaßstabes kann die Rechtsbeständigkeit der Regeln der ERA als hoch eingeschätzt werden. Im Rahmen der Auslegung wird sich intensiv auf das Regelwerk bezogen. Damit werden die ERA faktisch als gesetzliche Grundlage behandelt und anerkannt. Strategisch machen sich die Richter also die ERA trotz ihres nichtstaatlichen Charakters zunutze, als ob es sich um internationales Einheitsrecht handelte. bb) Spruchpraxis englischer Gerichte Der Analyse der Spruchpraxis englischer Gerichte in Bezug auf die ERA lagen 37 Urteile ab dem Jahr 2000 bis Januar 2015 zugrunde.232 (1) Darstellung der Ergebnisse Tabelle 5 gibt die Ergebnisse der Auswertung der Fragestellungen wieder. In 22 Fällen wurde konkret im Urteil ausgewiesen, dass die Parteien die ERA in den Vertrag einbezogen haben.233 In zwei Urteilen wurde auf die ERA Bezug genommen, ohne dass das Regelwerk als explizit vertraglich vereinbart aus­ 230 

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.01.1994 – 3/11 O 228/92, WM 1994, S.  944, 946. Siehe hierzu supra Fn.  219. 232  Als Suchbegriffe wurden in den Datenbanken Westlaw UK und Lexis Nexis Uniform Custom and Practice for Documentary Credits, Documentary Credity, UCP und Letter of Credit verwendet. Bei der Analyse der Spruchpraxis englischer Gerichte wurden auch erstinstanzliche Entscheidungen einbezogen, um die Besonderheiten der Spruchpraxis aufzuzeigen. 233  Banco Santander S A v Banque Paribas [2000] EWCA Civ 57, Einleitung; Credit Agricole Indosuez London Branch v Credit Suisse First Boston, Zurich [2001] WL 542246, Rn.  3; Montrod Ltd. v Grundkötter Fleischvertriebs GmbH [2001] EWCA Civ 1954, Rn.  4; Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm), Rn.  1; Marconi Communications International Ltd. v PT Pan Indonesia Bank Ltd. TBK [2004] EWHC 129 (Comm), Rn.  7; Mahonia Limited v JP Morgan Chase Bank, West LB AG [2004] EWHC 1938 (Comm), Rn.  96; PT Pan Indonesia Bank Limited TBK v Marconi Communications International Limited [2005] EWCA Civ 422, Rn.  10; Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2005] EWHC 231 

174

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Tabelle 5: ERA – Auswertung der Spruchpraxis englischer Gerichte Fragestellung

Auswertung

Anzahl der Urteile

37

Rechtsqualität

0

Explizite vertragliche Vereinbarung

22

Auslegung der Vertragsbestimmung anhand des Regelwerks ohne explizite vertragliche Bezugnahme

2

Unwirksamkeit einer Bestimmung

2

Rekurs auf die Materialien der ICC Regelwerk Andere Auslegungsmaterialien (z. B. Opinions; DOCDEX; ICC ISBP; ICC Policy Statement)

18 8

Keine Relevanz des Regelwerks

13

Quelle: Eigene Darstellung

gewiesen wurde, wobei die ERA in einem Urteil lediglich zur Auslegung der Hague-Visby Rules herangezogen wurden.234 Sofern die Bestimmungen der ERA Gegenstand der Rechtsstreitigkeit waren (in 13 Fällen hatten sie keine weitere Relevanz), wurden in nur zwei Fällen Regelungen der ERA nicht beachtet bzw. die Nichtanwendung diskutiert. Ein Urteil revidierte sogar ein erstinstanz­ liches Urteil, welches Regelungen der ERA nicht beachtet hatte.235 In nahezu 2350 (Comm), Rn.  24; Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2006] EWHC 1450 (Comm), Rn.  14; Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2006] EWHC 1921 (Comm), Rn.  7; Habib Bank Ltd. v Central Bank of Sudan [2006] EWHC 1767 (Comm), Rn.  12; Phillip Thomas Oliver and anor v Dubai Bank Kenya Ltd. [2007] EWHC 2165 (Comm), Rn.  2; Fortis Bank SA/NV & Anor v Indian Overseas Bank [2009] EWHC 2303 (Comm), Rn.  11; Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm), S.  1; Fortis Bank S.A./N.V., Stemcor UK Limited v Indian Overseas Bank [2011] EWHC 538 (Comm), S.  2; Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58, S.  1; Swotbooks.Com Limited v Royal Bank of Scotland plc [2011] EWHC 2025 (QB), Rn.  2; Société Générale SA v Saad Trading & Ors. [2011] EWHC 2424 (Comm), Rn.  3; Petrologic Capital SA v Banque Cantonale de Genève & another [2012] EWHC 453 (Comm), Rn.  17; Ibrahim v Barclays Bank Plc & Anr [2012] EWCA Civ 640, Rn.  20; Standard Chartered Bank v Dorchester LNG (2) Ltd. [2013] EWHC 808 (Comm), Rn.  4; Bulgrains & Co Limited v Shinhan Bank [2013] EWHC 2498 (QB), S.  1. 234  Safa Ltd. v Banque Du Caire [2000] EWCA Civ 221; J I Macwilliam Co Inc v Mediterranean Shipping Co SA [2005] UKHL 11. 235  Phillip Thomas Oliver and anor v Dubai Bank Kenya Ltd. [2007] EWHC 2165 (Comm), Rn.  14, Art.  3a und 13c ERA 500 wurde für nicht anwendbar erklärt. In Mahonia Limited v JP Morgan Chase Bank, West LB AG [2004] EWHC 1938 (Comm), Rn.  423 ff., wurde eine soge-

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

175

allen Urteilen wurde direkt auf das Regelwerk Bezug genommen (18 Urteile),236 in acht Urteilen wurde darüber hinaus extensiv und teilweise kummulativ auf andere Auslegungsmaterialien der ICC zu den ERA rekurriert237 wie Opinions der ICC Bankenkommission, die International Standard Banking Practice der ICC sowie DOCDEX-Entscheidungen. Die Rechtsqualität der ERA wurde in keinem Urteil diskutiert oder problematisiert. (2) Interpretation Anders als in der Analyse der deutschen Spruchpraxis stellen die englischen Gerichte zunächst in fast allen Urteilen ausdrücklich fest, weshalb die ERA im konkreten Fall zur Anwendung gelangen, nämlich aufgrund der vertraglichen Ein­ beziehung durch die Parteien. nannte illegality-Ausnahme diskutiert, aber für den vorliegenden Fall abgelehnt. In Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm), Rn.  59, war das Gericht noch bereit eine konkludente Vertragsbedingung in die ERA hineinzulesen, was allerdings in der nächsten Instanz strikt abgelehnt wurde, Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58, Rn.  55. 236  Safa Ltd. v Banque Du Caire [2000] EWCA Civ 221, S.  4; Banco Santander S A v Banque Paribas [2000] EWCA Civ 57; Credit Agricole Indosuez London Branch v Credit Suisse First Boston, Zurich [2001] WL 542246, Rn.  3; Montrod Ltd. v Grundkötter Fleischvertriebs GmbH [2001] EWCA Civ 1954, Rn.  27; Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm), Rn.  1; Marconi Communications International Ltd. v PT Pan Indonesia Bank Ltd. TBK [2004] EWHC 129 (Comm), Rn.  12; J I Macwilliam Co Inc v Mediterranean Shipping Co SA [2005] UKHL 11, S.  8; PT Pan Indonesia Bank Limited TBK v Marconi Communications International Limited [2005] EWCA Civ 422, Rn.  21; Habib Bank Ltd. v Central Bank of Sudan [2006] EWHC 1767 (Comm), Rn.  50; Phillip Thomas Oliver and anor v Dubai Bank Kenya Ltd. [2007] EWHC 2165 (Comm), Rn.  13; Fortis Bank SA/NV & Anor v Indian Overseas Bank [2009] EWHC 2303 (Comm), Rn.  64 ff.; Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm), Rn.  1; Fortis Bank S.A./N.V., Stemcor UK Limited v Indian Overseas Bank [2011] EWHC 538 (Comm), Rn.  35 f.; Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58, Rn.  34; Swotbooks.Com Limited v Royal Bank of Scotland plc [2011] EWHC 2025 (QB), Rn.  19; Société Générale SA v Saad Trading & Ors. [2011] EWHC 2424 (Comm), Rn.  15; Standard Chartered Bank v Dorchester LNG (2) Ltd. [2013] EWHC 808 (Comm), Rn.  62; Bulgrains & Co Limited v Shinhan Bank [2013] EWHC 2498 (QB), Rn.  13. 237  Credit Agricole Indosuez London Branch v Credit Suisse First Boston, Zurich [2001] WL 542246, Rn.  22; Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm), Rn.  13 ff.; Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm), Rn.  23 ff.; Fortis Bank S.A./N.V., Stemcor UK Limited v Indian Overseas Bank [2011] EWHC 538 (Comm), Rn.  33; Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58, Rn.  34; Swotbooks.Com Limited v Royal Bank of Scotland plc [2011] EWHC 2025 (QB), Rn.  19; Bulgrains & Co Limited v Shinhan Bank [2013] EWHC 2498 (QB), Rn.  34, 37, 45, 50; Standard Chartered Bank v Dorchester LNG (2) Ltd. [2013] EWHC 808 (Comm), Rn.  62, aber ablehnend in Bezug auf eine DOCDEX-Entscheidung.

176

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Damit spiegelt die Praxis die Dogmatik des englischen Rechts wider, wonach den ERA keine Geltungskraft als Gewohnheitsrecht oder Handelsbrauch zukommt, sondern nur dann eine Anwendung auf den in Rede stehenden Vertrag möglich ist, wenn sie individualvertraglich in den Vertrag inkorporiert wurden.238 Aus diesem Grunde ist auch eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit der Rechtsqualität obsolet und findet durch die Gerichte praktisch nicht statt.239 Die Spruchpraxis scheint also zunächst darauf gerichtet zu sein, den dogmatischen Linien klar zu folgen und die ERA dabei in aller Deutlichkeit als standardisierte Vertragsbedingungen zu qualifizieren, indem der Geltungsgrund für die ERA stets ausdrücklich am Vertrag festgemacht wird. (a) Rechtsbeständigkeit Dennoch erhalten die ERA durch die Spruchpraxis der englischen Gerichte eine Wirksamkeit, die über diesen formalen Status hinausgeht.240 Die außergewöhnlich hohe Rechtsbeständigkeit der Normen soll beispielhaft an dem Verhältnis der ERA zu express terms des Vertrags deutlich gemacht werden und den Einreden, die das englische Recht gegen die Zahlungspflicht bei der Bank aufgrund gefälschter Dokumente zulässt. Zur Verdeutlichung ist hier teilweise erforderlich, auf ältere Rechtsprechung zu rekurrieren. (aa) ERA und das Verhältnis zu express terms Die Rechtsbeständigkeit kann am Beispiel des Verhältnisses der ERA zu widersprechenden individualvertraglichen Regelungen (sogenannte express terms) veranschaulicht werden. In Forestal Minosa Ltd. v Oriental Credit Ltd. musste das angerufene Gericht über das Verhältnis der ERA-Regeln zu den restlichen Vertragsbedingungen des Akkreditivs entscheiden. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine Bank (confirming bank) ein Akkreditiv der eröffnenden Bank (issuing bank) bestätigt, dessen ausdrückliche Regelungen eine Zahlungspflicht der eröffnenden Bank nur für den Fall vorsahen, dass der Käufer die DoSiehe hierzu supra Drittes Kapitel III.2.b). Hugo, The Legal Nature of the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits: Lex Mercatoria, Custom, or Contracts?, 6 South African Mercantile Law Journal 1994, S.  143, 156; siehe zur Rechtsnatur Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1032 f.; Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-21; ausdrücklich wurde die Qualifizierung als supranational legislation abgelehnt in Royal Bank of Scotland v Cassi di Risparmiodelle Province Lombard [1992] 1 Bank LR 251. 240  Siehe hierzu auch die Anmerkung von Bridge „it is a curious feature of the instrument that, dispite its status as a set of contractual terms, it is often referred to, and sometimes treats itself as a legislative instrument“, Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-21 Fn.  74. 238  239 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

177

kumente des Verkäufers akzeptiert. Sofern der Käufer die Dokumente nicht honoriert, sollte diese Verpflichtung dann die eröffnende Bank treffen, wenn die Dokumente ihr bei Fälligkeit präsentiert werden. Gleichzeitig wurden die ERA durch eine Klausel einbezogen,241 die bestimmte, dass die ERA-Regeln auf den Vertrag Anwendung finden, es sei denn, dass in dem Vertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist. Im Gegensatz zu der ausdrücklichen Abrede sahen die Regeln der ERA in der damaligen Fassung vor, dass die eröffnende Bank und damit gleichermaßen die bestätigende Bank verpflichtet sind, die Dokumente zu honorieren, wenn sie bei Fälligkeit präsentiert werden, unabhängig davon, ob sie von dem Käufer akzeptiert wurden oder nicht. Es kollidieren also in dem Fall Individualabreden (express terms) mit den standard terms der ERA. Das allgemeine englische Vertragsrecht würde grundsätzlich vorsehen, dass die ausdrücklichen vertraglichen Abreden den standardisierten Vertragsbedingungen vorgehen, sofern beide im Widerspruch zueinander stehen.242 Die Kollision wird also zugunsten der Individualabreden aufgelöst. Das Gericht hat sich in diesem Fall aber geweigert, diesem Grundsatz zu folgen. Zunächst weigerte es sich, die ausdrücklichen Vereinbarungen isoliert von den ERA zu bewerten, da diese in den Vertrag einbezogen wurden und damit dem Vertrag als Grundlage dienten. Der Bedeutung der ausdrücklichen Bestimmung seitens der eröffnenden Bank müssen die ERA-Regeln entgegengehalten werden mit der Konsequenz, dass die eröffnende Bank entgegen der ausdrücklichen vertraglichen Bestimmung zur Zahlung verpflichtet ist, unabhängig von der Akzeptanz des Käufers. Entgegen der Regelungen des Allgemeinen Vertragsrechts, setzen sich in diesem Fall also die ERA-Regeln als standardisierte Vertragsbedingungen über die individualvertragliche Abrede hinweg.243 In dem ähnlich gelagerten Fall Credit Agricole Indosuez London Branch v Credit Suisse First Boston war streitgegenständlich, ob die individualvertragliche Regelung „to be accepted as presented“ die Zeitanforderung des Art.  28 ERA hinfällig macht. Hierzu führte das Gericht aus, dass die Klausel „cannot sensibly be regarded as making the fulfillment of the time condition otoise. It would make no commercial sense for that to be so. It would render Art.  28 [ERA] of no effect. To dis­ apply that Article, much stronger words would be required.“244

241  Hierbei handelte es sich sogar nur um eine Randnotiz (marginal note), die auf die ERA Bezug nahm, siehe Forestal Mimosa Ltd. v Oriental Credit Ltd. [1986] 2 All ER 400, S.  400. 242  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  2-08; siehe hierzu auch supra Zweites Kapitel II.2.b)bb)(1)(a). 243  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-22. 244  Credit Agricole Indosuez London Branch v Credit Suisse First Boston, Zurich [2001] WL 542246, Rn.  23.

178

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

In beiden Fällen zeigen sich die hohen Anforderungen, die seitens der Gerichte an vertragliche Abreden gestellt werden, die die Bestimmungen der ERA außer Kraft setzen würden. In der Zusammenschau mit der Analyse, die gezeigt hat, dass die ERA-Regeln in der Spruchpraxis in der Regel nicht für unwirksam erklärt werden, zeigt sich hier eine Wirkung der ERA, die faktisch über die normale Wirkung von standard terms hinausgeht. Vielmehr vermittelt die Rechtsprechung den ERA eine gesetzesähnliche Wirkung. Dies wird beispielsweise in Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank unterschwellig deutlich, wo betont wird: „In my view, a court must recognise the international nature of the UCP and approach its construction in that spirit. It was drafted in English in a manner that it could easily be translated into about 20 different languages and applied by bankers and traders throughout the world. It is intended to be a self-contained code for those areas of practice which it covers and to reflect good practice and achieve consistency across the world.“245

(bb) Einwände gegen die Zahlungspflicht Die hohe Wirksamkeit der Regelungen wird zudem deutlich, wenn man die der Bank zur Verfügung stehenden Einwendungen gegen die Zahlungspflicht betrachtet. Die ERA 600 verpflichten die Bank gemäß Art.  7a und 8a, bei Sicht der Dokumente zu zahlen (honorieren),246 sofern gemäß Art.  14a „die Dokumente ihrer äußeren Aufmachung nach eine konforme Dokumentenvorlage zu bilden scheinen“247.248 Einreden der Bank gegen diese Zahlungspflicht sehen die ERA darüber hinaus nicht vor.249 Mit anderen Worten ist dies Ausdruck des fundamentalen Prinzips der Autonomie des Akkreditivs von dem zugrunde liegenden Vertrag:250 Eine mangelhafte Leistung im Rahmen des zugrunde liegenden Kaufvertrags ändert nichts an der Zahlungspflicht der Bank und kann auch grundsätzlich nicht als Einrede dem Zahlungsverlangen entgegengehalten werden.251 NationaFortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58, Rn.  29. Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  34–35. 247  Siehe hierzu Art.  14a ERA 600, abgedruckt bei Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018. 248  Siehe hierzu Hakenberg, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Zahlungsverkehr – Zahlungsdiensterecht Rn. II 607. 249  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-78, 6-85; Murray/Holloway/ Timson-­Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of International Trade, 2007, Rn.  11-044. 250  Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1035 ff. 251  Ebd., S.  1035; Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, ­Cases, and Materials, 2015, S.  331. 245  246 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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les Recht könnte aber naturgemäß Einschränkungen der Zahlungspflicht vor­ sehen wie zum Beispiel bei Fälschung der Dokumente, Verstoß gegen gesetz­ liche Verbote oder aufgrund anderer Erwägungen.252 Von dieser Möglichkeit macht das englische Recht aber wenig Gebrauch, sondern erkennt einschränkungslos die Zahlungspflicht der Bank an, um das Instrument nahezu wie Bargeld behandeln zu können.253 Eine der wenigen Einschränkungen, die das englische Recht in dieser Hinsicht zulässt, sind Fälle, in denen fraud (Täuschung) im Hinblick auf die Dokumente vorliegt.254 Eine solche Täuschung wird grundsätzlich definiert als ausdrückliche oder implizite Tatsachendarstellung, die nach Kenntnis des Verkäufers unwahr ist.255 Allerdings ist das Vorliegen einer Täuschung an sehr hohe Voraussetzungen geknüpft.256 In der Praxis ist es für den Käufer fast nicht möglich, sich auf eine Täuschung zu berufen und dadurch eine Verfügung zu erwirken, die die Zahlung der Bank untersagt.257 Dies liegt insbesondere an der hohen Beweisschwelle, die in dieser Hinsicht verlangt wird. Die Gerichte fordern diesbezüglich „strong corroborative evidence of the allegation, usually in the form of contemporary documents, particularly those emanating from the buyer so that the buyer has to show that it is seriously arguable that the only realistic inference to draw is that of fraud“.258

Auch für eine Bank, die Zahlung wegen einer Täuschung verweigern will, sind die Anforderungen an die diesbezüglichen Beweise hoch. Soll beispielsweise eine einstweilige Verfügung erwirkt werden, bedarf es seitens der Bank „particular cogent evidence to establish the fraud exception“.259 Die Bank muss also p­ ositiv Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-78. Ebd., Rn.  6-78. 254  United City Merchants (Investments) Ltd. v Royal Bank of Canada [1983] 1 AC 168; siehe für eine Auflistung diesbezüglicher Rechtsprechung Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-85 f.; siehe hierzu grundsätzlich auch Dalhuisen, Dalhuisen on Transnational Comparative, Commercial, Financial and Trade Law Vol. 3 – Financial Products, Financial Services and Financial Regulation, 2010, S.  383–385. 255 In United City Merchants (Investments) Ltd. v Royal Bank of Canada [1983] 1 AC 168, S.  183, wurde diesbezüglich definiert: „expressly or by implication, material respresentation of fact that to [the sellers] knowledge are untrue“. 256  Siehe hierzu insgesamt Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of International Trade, 2007, Rn.  11-044. 257  Siehe zu den Voraussetzungen einer solchen Verfügung Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-87. 258  United Trading Corp SA v Allied Arab Bank Ltd [1985] 2 Lloyd’s Rep 554, S.  561; Zitat entnommen bei Low, Confusion and Difficulties Surrounding the Fraud Rule in Letters of Credit: An English Perspective, 17 Journal of International Maritime Law 2011, S.  462, 472. 259  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-87 f.; Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1059. 252  253 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

beweisen können, dass eine Täuschung vorliegt und zusätzlich, dass der Begünstigte Kenntnis von der Täuschung hatte.260 Kann die Kenntnis des Begünstigten von der Täuschung nicht bewiesen werden, muss die Bank Zahlung leisten.261 Daneben werden kaum zusätzliche Unwirksamkeitsgründe anerkannt, die gegen die Zahlungspflicht vorgebracht werden.262 In Montrod Ltd. v Grundkötter Fleischvertriebs GmbH 263 war in diesem Sinne fraglich, ob auch im Falle des Nichtvorliegens einer Täuschung eine generelle Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsausnahme existiert und der Ausnahmetatbestand in dieser Hinsicht ausgedehnt werden könnte. Dies wurde rigoros abgelehnt: „In my view there are sound policy reasons for not extending the law by creation of a general nullity exception. Most documentary credits issued in the United Kingdom incorporate the UCP by reference. Various revisions of the UCP have been widely adopted in the USA and by United Kingdom and Commonwealth banks. They are intended to embody international banking practice and to create certainty in an area of law where the need for precision and certainty are paramount. The creation of a general nullity exception, the formulation of which does not seem to me susceptible of precision, involves making undesirable inroads into the principle of autonomy and negotiability universally recognized in relation to letter of credit transactions […] it would place banks in a further dilemma as to the necessity to investigate facts […] from which UCP 500 is plainly concerned to exempt them.“264

In United City Merchants (Investments) Ltd. v Royal Bank of Scotland 265 wurden ebenfalls substantielle Falschangaben in den Dokumenten als Einrede gegen die Zahlungspflicht abgelehnt. Eine solche Einrede zuzulassen, „would undermine the whole system of financing international trade by means of documentary credits“.266

Um dies zu bekräftigen, führte das Gericht aus, dass in den ERA weder die eröffnende noch die bestätigende Bank irgendwelche Verantwortung für die Richtig260  United City Merchants (Investments) Ltd. v Royal Bank of Canada [1983] 1 AC 168; Low, Confusion and Difficulties Surrounding the Fraud Rule in Letters of Credit: An English Perspective, 17 Journal of International Maritime Law 2011, S.  462, 463 f. 261  United City Merchants (Investments) Ltd. v Royal Bank of Canada [1983] 1 AC 168; Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of Interna­tional Trade, 2007, Rn.  11-044; Low, Confusion and Difficulties Surrounding the Fraud Rule in Letters of Credit: An English Perspective, 17 Journal of International Maritime Law 2011, S.  462, 463 f. 262  Weitere Ausnahmen, die noch gegen das Autonomieprinzip der ERA vorgebracht werden können, sind der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (illegality), die Aufrechung zwischen dem Begünstigten und der eröffnenden Bank und der Widerruf der letter of credit-Transaktion aufgrund fehlender Vertretungsmacht, siehe hierzu Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-78–6-89. 263  Montrod Ltd. v Grundkötter Fleischvertriebs GmbH [2001] EWCA Civ 1954. 264  Ebd., Rn.  58. 265  United City Merchants (Investments) Ltd. v Royal Bank of Canada [1983] 1 AC 168, S.  184. 266  Ebd., S.  184.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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keit oder Herkunft der Dokumente trägt, sofern die Dokumente sorgfältig untersucht wurden. Ein anderes Ergebnis wäre „strange from the commercial point of view“267.268 Diese Entscheidungen machen deutlich, dass die englischen Richter ausdrücklich die Konsequenzen antizipieren, die eine Zulassung von Einreden, die nicht ausdrücklich in den ERA vorgesehen sind, beinhaltet. In beiden Entscheidungen bedenken die Richter konkret die Folgen für die Akteure des Handels und streben eine bedarfsorientierte Lösung an, indem sie insbesondere keine Rechtsunsicherheit für den Handel erzeugen wollen. Die Rechtsfragen werden auf Grundlage der ERA gelöst und die Richter versuchen, durch ihre Spruchpraxis das System der ERA nicht zu unterlaufen.269 Zudem zeigen die Beispiele sehr anschaulich, wie die Richter die Funktionsbedingungen, insbesondere die Rechtsbeständigkeit der einzelnen Regeln der ERA beziehungsweise des gesamten Regelwerks, konkret bei ihrer Entscheidungsfindung einkalkulieren. Durch ihren restriktiven Ansatz, nahezu keine Unwirksamkeitsgründe zuzulassen,270 unterstützen sie die Wirksamkeit des Instruments und versuchen so, den Interessen der Akteure gerecht zu werden. 271 267 

Ebd., S.  184–185. Siehe hierzu auch Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-79. 269  Siehe hierzu auch Twigg Flesner, Standard Terms in International Commercial Law – the Example of Documentary Credits, in: Schulze (Hrsg.), New Features in Contract Law, 2007, S.  325, 9 ff. 270  Das Prinzip der Autonomie des Akkreditivs von der zugrunde liegenden Transaktion wird durch einen weiteren Einwand durchbrochen. Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot der zugrunde liegenden Transaktion kann einen zulässigen Einwand gegen die Zahlungspflicht der Bank darstellen. In Mahonia Limited v JP Morgan Chase Bank, West LB AG [2004] EWHC 1938 (Comm) war das Akkreditiv aufgrund eines solchen Verstoßes nicht durchsetzbar. Allerdings wurde auch hier eine wichtige Unterscheidung getroffen, sodass nicht jeder Verstoß zu einem zulässigen Einwand gegen die Zahlungspflicht führt: Es ist zwischen solchem Verhalten, welches direkt durch Gesetze verboten ist, und Verhalten, welches nur eine Nebenwirkung solcher Verbote ist, zu unterscheiden. So sind solche Akkreditivvereinbarungen durchsetzbar, die lediglich eine Erleichterung für einen Leistungsaustausch darstellen und nicht direkt gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (flagrant cases of illegality). Problematisch an der Entscheidung ist aber, dass die Reichweite und Zulässigkeit des illegality-Einwands davon abhängt, inwieweit die zugrunde liegende Transaktion auf die Akkreditivvereinbarung abfärbt. Siehe hierzu Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-84. Hinter dem Urteil stehen ­public policy Erwägungen, dass eine unehrliche Person nicht davon profitieren soll. Chuah bezeichnet diese Entscheidung daher als „moral decision“ und gibt zu bedenken, dass „moral decisions often may not always sit well with the paradigms of commercial certainty“, Chuah, Documentary credits and illegality in the underlying transaction, Mahonia Limited v J P Morgan Chase Bank English Commercial Court [2003] EWHC 1927 (Comm), 9 Journal of International Maritime Law 2003, S.  518, 519. 271  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-82. 268 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

(b) International einheitliche Auslegung Fraglich ist nun, ob die englischen Gerichte auch eine international einheitliche Auslegung der ERA vornehmen oder ob sie vielmehr auf nationale Konzepte zurückgreifen. In der Analyse der Spruchpraxis hat sich gezeigt, dass die Gerichte nahezu ausnahmslos auf die Bestimmungen der ERA in der Entscheidungsfindung rekurrieren. Anders als in der Analyse der Spruchpraxis deutscher Gerichte beziehen die englischen Gerichte in acht Fällen auch konkret andere Auslegungsmaterialien der ICC mit ein.272 Wie die englischen Gerichte die Auslegung der ERA vornehmen, kann am Rechtsstreit Fortis Bank v Stemcor [2011] beobachtet werden.273 Konkret ging es im zugrunde liegenden Sachverhalt um die Frage, ob Art.  16c iii c) ERA 600 im Falle der Ablehnung der Honorierung neben einer diesbezüglichen Mitteilungspflicht zusätzlich auch die Pflicht statuiert, die Dokumente unverzüglich zurückzusenden, mit der Folge, dass bei Verletzung dieser Pflicht die Geltendmachung der Unstimmigkeiten gemäß Art.  16 f. ERA 600 präkludiert ist. In den ERA selbst ist diese Frage nicht ausdrücklich geregelt. Damit ist diese Situation mit dem Problem externer Lücken in völkerrechtlichen Verträgen vergleichbar.274 Für die Beantwortung der Frage griff das Gericht zunächst auf die Glencore v Bank of China Entscheidung zurück.275 In dieser Entscheidung wurde der generelle methodische Ansatz für die Auslegung der ERA durch die Gerichte festgelegt: „Practice is generally governed by […] the UCP, a code of rules settled by experienced market professionals and kept under review to ensure that the law reflects the best practice and reason­ able expectations of experienced market practitioners. When courts, here and abroad, are asked to rule on questions such as the present they seek to give effect to the international consequences underlying the UCP.“276

In der vorliegenden Entscheidung ging das Gericht dann noch weiter und statuierte: „Courts must therefore interpret it [the UCP] in accordance with its underlying aims and purposes reflecting international practice and the expectations of international bankers and inter272  Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm), Rn.  13 ff.; Fortis Bank S.A./N.V., Stemcor UK Limited v Indian Overseas Bank [2011] EWHC 538 (Comm), Rn.  33 ff.; Swotbooks.Com Limited v Royal Bank of Scotland plc [2011] EWHC 2025 (QB), Rn.  19; Bulgrains & Co Limited v Shinhan Bank [2013] EWHC 2498 (QB), Rn.  34, 37, 45, 50; Standard Chartered Bank v Dorchester LNG (2) Ltd. [2013] EWHC 808 (Comm), Rn.  62, aber ablehnend in Bezug auf eine DOCDEX-Entscheidung. 273  Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58. 274  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3.b). 275  Glencore v Bank of China [1996] CLC 95. 276  Ebd., S.  112.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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national traders so that it underpins the operation of letters of credit in international trade. A literalistic and national approach must be avoided.“277

So wurde auch in der Entscheidung Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank,278 in der französisches Recht Anwendung fand, betont, dass „not only is there no evidence of any difference between French law and English law, it also hardly needs saying that this field affords a paradigm example of the need for avoidance of any difference in approach to UCP 500 as between different jurisdictions“.279

Es zeigt sich damit eindrucksvoll, dass die englischen Gerichte einen internationalen Ansatz bei der Interpretation der ERA zugrunde legen. Dieser Ansatz geht dabei soweit, dass dogmatische Konzepte zum Zwecke einer solchen internationalen Auslegung eingeschränkt werden. So war das Gericht in erster Instanz noch bereit eine konkludente Vertragsbedingung in die ERA hineinzulesen, welche ein promptes Zurücksenden der Dokumente vorgesehen hätte.280 In zweiter Instanz wurde dann diese Konstruktion stark kritisiert und letztlich abgelehnt: „[I]n my view there would be real difficulties in using a rule of national law as to the implication of terms […] to write an obligation into the UCP.“281

Zusätzlich griff das Gericht für die Auslegung auch auf eine DOCDEX-Entscheidung zurück,282 in der eine Pflicht zur Rückgabe der Dokumente angenommen wurde, und folgte dieser Ansicht. Ebenso wurden in erster Instanz die diesbezüglichen Opinions der ICC berücksichtigt.283 Im Hinblick auf die Opinions der ICC statuierte das Gericht in erster Instanz sogar: „These opinions are of persuasive weight.“284 (3) Ergebnis Zwar sind hier nur illustrativ einige Entscheidungen vorgestellt worden, dennoch lassen sie insbesondere aufgrund ihrer Aktualität induktiv auf eine Methodik schließen, wie Gerichte die ERA interpretieren. Zum einen lässt sich feststellen, dass die Rechtsbeständigkeit der ERA vor englischen Gerichten sehr hoch ist. Dies liegt vor allem daran, dass die Richter Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58. Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm). 279  Ebd., Rn.  44. 280  Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm), Rn.  59. 281  Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58, Rn.  55. 282  Ebd., Rn.  34. 283  Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm), Rn.  85 ff. 284  Ebd., Rn.  46. 277 

278 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

konkret die Funktionsbedingungen der ERA bei ihrer Entscheidungsfindung einkalkulieren und so die Wirksamkeit des Instruments unterstützen. Darüber hinaus erhalten die ERA eine hohe autoritative Wirkung, die deutlich über diejenige normaler Vertragsklauseln hinausgeht. Zum anderen lässt sich festhalten, dass die Gerichte um eine autonom inter­ nationale Auslegung bemüht sind, um durch eine Auslegung anhand nationalrechtlicher Prinzipien das Regelungsziel der ERA nicht zu gefährden. Für diese autonom internationale Auslegung ziehen sie zudem die Auslegungsmaterialien der ICC heran und unterstützen so die Funktionsfähigkeit des Regelwerks. cc) Ergebnis: Spruchpraxis ERA Die Analyse der Spruchpraxis zeigt, dass den ERA trotz ihres Charakters als nichtstaatliches Regelwerk faktisch eine Wirkung zukommt, die internationalem Einheitsrecht als dispositivem Gesetzesrecht entspricht. Deutsche Gerichte wenden die ERA wie Gesetzesnormen an, auch wenn die Parteien sie nicht zugrunde gelegt haben. Die Rechtsbeständigkeit der ERA ist dabei grundsätzlich sehr hoch, denn von den Regeln der ERA wird praktisch nicht abgewichen. Auch vor englischen Gerichten ist die Rechtsbeständigkeit sehr hoch, da die Richter darauf bedacht sind, Funktionsbedingungen der ERA bei ihrer Entscheidungsfindung einzukalkulieren, um so die Wirksamkeit des Instruments zu unterstützen. So sind die Gerichte auch um eine autonom internationale Auslegung bemüht, um das Regelungsziel der ERA durch die Anwendung nationalrecht­ licher Prinzipien nicht zu gefährden. Dies gelingt insbesondere durch die Beachtung der Auslegungsmaterialien der ICC.

3. Die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts Bei den UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (PICC) handelt es sich um ein Regelwerk, das von UNIDROIT herausgegeben wird und Rechtsregeln für den internationalen Handel bereithält.285 UNIDROIT ist eine internationale Organisation, die in ihrer Ursprungsform 1926 in Rom durch einen Beschluss des Völkerbundes gegründet wurde und von derzeit 63 Mitgliedstaaten getragen wird.286 Hauptziel der Arbeit von UNIDROIT 285  Die UNIDROIT Principles 2010 sind verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 286  UNIDROIT wurde ursprünglich als Spezialorganisation des Völkerbundes gegründet und nahm die Arbeit am 30. Mai 1926 auf. Dies war das Resultat eines entsprechenden An­ trages, der auf Bestrebungen aus der Wissenschaft zurückging. Der italienische Senator und Professor Scialoja und Professor Rabel waren gleichermaßen der Überzeugung, dass die Neu-

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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ist die Förderung der Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Zivilrechts. Zu diesem Zweck sind gemäß Art.  1 des Statutes von UNIDROIT zum einen Wege zur Harmonisierung und Koordinierung des Privatrechts zwischen den Staaten oder Staatengruppen zu untersuchen und zum anderen die Adaption von einheit­ lichen privatrechtlichen Rechtsregeln durch die unterschiedlichen Staaten vorzubereiten.287 Zu den Maßnahmen, die UNIDROIT hierzu unternimmt, gehören beispielsweise die Vorbereitung von Gesetzes- und Konven­tionsentwürfen, die ihrerseits den Zweck verfolgen, einheitliches Recht in den Staaten zu erzeugen. Daneben hat sich UNIDROIT seinem Statut nach auch wissenschaftlicher Arbeit verschrieben. Hierzu werden unter der Schirmherrschaft von UNIDROIT rechtsvergleichende Studien durchgeführt oder Konferenzen organisiert.288 Die Organstruktur von UNIDROIT ist dreigliedrig. Das Exekutivorgan ist das Sekretariat, welches die alltäglichen Geschäfte von UNIDROIT ausführt.289 Das finale Entscheidungsorgan von UNIDROIT ist die Generalversammlung. Die Generalversammlung setzt sich aus den Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammen und trifft grundlegende Entscheidungen, beispielsweise über das Budget und das Arbeitsprogramm.290 Darüber hinaus hat die Generalversammlung aber ausrichtung der Privatrechtswissenschaft durch die Kodifikationswelle im 19. Jahrhundert in Abkehr vom europäischen ius commune hinderlich für den zunehmend aufkommenden in­ter­ nationalen Handelsverkehr sei. UNIDROIT sollte deshalb die Aufgabe der umfassenden Koordinierung auf dem Gebiet der internationalen Privatrechtsvereinheitlichung zukommen. Nach Auflösung des Völkerbundes im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurde UNIDROIT durch einen multilateralen Vertrag im Jahr 1940, der auch im selben Jahr in 23 Vertragsstaaten in Kraft trat, als unabhängige intergovernmentale Organisation neu gegründet. Vgl. hierzu Kronke, Unidroit, in: Basedow/Hopt/Zimmermann/Stier (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of European Private Law, 2012, S.  1723; Schilf, Allgemeine Vertragsgrundregeln als Vertragsstatut, 2005, S.  9. Der Stand der Mitgliedstaaten von UNIDROIT kann abgerufen werden unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 287  Das Statut als Verfassung von UNIDROIT ist abrufbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 288  Vgl. Art.  1 des Statutes von UNIDROIT von 1993, verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 289  Der Generalsekretär wird für eine fünfjährige Amtszeit vom Direktionsrat auf Vorschlag des Präsidenten gewählt. Er fungiert zudem als Sekretär der Generalversammlung, des Direktionsrates und der diplomatischen Konferenzen, die von UNIDROIT einberufen werden. Zudem gehören dem Sekretariat noch ein bis zwei stellvertretende Generalsekretäre, ein Rechtsstab sowie Bibliotheks- und Sekretariatspersonal an. Siehe hierzu Kronke, UNIDROIT, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1543–1543; siehe hierzu auch , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 290  Zum Präsidenten der Generalversammlung wird im jährlichen Turnus nach einem speziellen Rotationssystem ein Botschafter eines Mitgliedstaates berufen. Die wichtigsten Kompetenzen der Generalversammlung sind die Verabschiedung des Haushalts, des Arbeitsprogram-

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

wenig mit der alltäglichen Praxis zu tun. In dieser Hinsicht ist das wichtigste Organ der Direktionsrat. Dieser besteht neben dem Präsidenten und einem Repräsentanten des Internationalen Gerichtshofs aus Akademikern, Richtern sowie anderen Praktikern und entscheidet über die Annahme von Entwürfen und anderen Instrumenten, die von UNIDROIT konzipiert wurden.291 a) Darstellung des Regelwerks aa) Gegenstand und Zweck Die PICC können gleichermaßen als Ergebnis des Erfolges und der Grenzen der internationalen Rechtsvereinheitlichung betrachtet werden.292 So trieb die große Anzahl der Ratifikationen des UN-Kaufrechts bereits zu Beginn der 1980er Jahre Forderungen nach noch umfassenderen Vereinheitlichungsprojekten voran. Andererseits zeigte der lange Entstehungsprozess des UN-Kaufrechts aber mehr als deutlich die Grenzen der klassischen internationalen Rechtsvereinheitlichung auf.293 Damit verabschiedete sich UNIDROIT von der Idee eines bindenden völmes für die nächsten drei Jahre und die Anpassung und Billigung des strategischen Plans für das nächste Jahr sowie die Wahl des Direktionsrates, welche alle fünf Jahre erfolgt. Zusätzlich legt die Generalversammlung Verwaltungsvorschriften für Haushaltsangelegenheiten sowie für Personalfragen fest. Vgl. Kronke, UNIDROIT, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1542; siehe hierzu auch , zuletzt abgerufen am 01.12.‌2017. 291  Dem Direktionsrat gehören 25 Mitglieder sowie ein von der italienischen Regierung gewählter Präsident für die Dauer von fünf Jahren an. Dort werden die strategischen Ziele formuliert, Vorschläge für das Arbeitsprogramm ausgearbeitet, Arbeitsvorhaben ausgerichtet und die wesentlichen Entscheidungen bezüglich der Personalpolitik des Sekretariats getroffen. Siehe hierzu Kronke, UNIDROIT, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1542; siehe hierzu auch , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 292  Siehe zur historischen Entwicklung der PICC Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  14 ff. 293  Die Geschichte des UN-Kaufrechts reicht bis auf das Jahr 1928 zurück, in dem Rabel als damaliges Mitglied des Direktionsrats von UNIDROIT einen Vorschlag zur Vereinheitlichung des Rechts der grenzüberschreitenden Warenkäufe unterbreitete. Die Vorarbeiten Rabels, die er in seinem mehrbändigen Werk „Das Recht des Warenkaufs – eine rechtsvergleichende Darstellung“ (Tübingen/Berlin 1936 und 1958) veröffentlichte, waren schließlich Grundlage der Haager Kaufgesetze von 1964, die von der Haager Konfernz beschlossen wurden. Aufgrund mangelnder Ratifikationen von wichtigen Wirtschaftsnationen wie Frankreich und den USA war der Erfolg der Haager Kaufgesetze allerdings als sehr gering einzustufen. Aus diesem Grund nahm sich UNCITRAL im Jahre 1968 der Aufgabe an, was letztlich 1980 in der Verabschiedung des UN-Kaufrechts resultierte. Damit brauchte UNCITRAL letztlich 12 Jahre trotz der bestehenden Vorarbeiten, siehe hierzu von Sachsen Gesapphe, Internationales Privatrecht und UN-Kaufrecht, 2007, S.  88 f.; siehe zur Geschichte des UN-Kaufrechts auch , zuletzt abgerufen am 01.12.2017.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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kerrechtlichen Vertrags und ging mit den UNIDROIT Principles einen neuen Weg der Rechtsvereinheitlichung durch ein sogenanntes soft law-Instrument.294 Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits im Jahre 1968 durch den damaligen Generalsekretär Matteuci initiiert, die nach der Durchführung zweier diesbezüglicher Studien im Jahre 1971 in der Verabschiedung eines Arbeitsprogramms mündeten, welches einen Versuch der Vereinheitlichung des Allgemeinen Vertragsrechts vorsah.295 Wesentliche Fortschritte konnte das Projekt allerdings erst vorweisen, nachdem ab dem Jahre 1980 eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet wurde. Im Jahre 1985 wurde sodann der offizielle Arbeitstitel „Progressive Codification of International Trade Law“ zu „Preparation of Principles for International Commercial Contracts“ umbenannt.296 Diese mit der Erstellung und Überarbeitung der PICC betraute Arbeitsgruppe besteht traditionell aus Rechtsexperten auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung und des Vertragsrechts aus den wichtigsten Rechtssystemen der Welt. Hauptsächlich gehören ihr Wissenschaftler an, aber auch Richter und andere Praktiker sind vertreten.297 Kennzeichnend für die Arbeitsweise der Arbeitsgruppe ist, dass sie sich fast gänzlich unabhängig von den Organen von UNIDROIT vollzieht. Insbesondere sind keine Repräsentanten der Mitgliedstaaten zu den Beratungen zugelassen.298 Diese autonome Arbeitsweise ist nur deshalb möglich, weil die PICC als soft law-Instrument konzeptionell einen anderen Ansatz verfolgen, als die klassische völkerrechtliche Rechtsvereinheitlichung: Die PICC sind gerade nicht darauf ausgerichtet, ein völkerrechtliches Instrument darzustellen, welches als solches bindende Kraft in den Mitgliedstaaten entfalten soll, sondern sie sind vielmehr als nichtlegislative Kodifikation konzipiert. Die Experten der Arbeitsgruppe fungieren daher auch nicht klassisch als Repräsentanten ihrer respektiven Mitgliedstaaten, deren jeweilige Interessen sie vertreten, sondern verspüren vielmehr eine 294  Bonell, Towards a Legislative Codification of the UNIDROIT Principles?, 12 Uniform Law Review 2007, S.  233, 234; heute wird teilweise wieder eine internationale Konvention auf dem Gebiet des Allgemeinen Vertragsrechts gefordert, so zum Beispiel Schwenzer, Global Unification of Contract Law, 21 Uniform Law Review 2016, S.  60, 60 ff. 295  Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  16 ff. 296  Ebd., Rn.  18. 297  Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 54; Kronke, UNIDROIT, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Hand­ wörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1545; Kleinheisterkamp, UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1547. 298  Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  68 ff.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

bloße Verpflichtung ihren eigenen Fähigkeiten und ihrer Expertise gegenüber.299 Aus diesem Grund kann die Arbeitsgruppe unabhängig von politischen Erwägungen operieren, die normalerweise bei der Produktion von Einheitsrecht eine Rolle spielen.300 So ist es auch nicht erforderlich, primär auf die Konsensfähigkeit des Instruments innerhalb der späteren Vertragsstaaten zu achten, um eine spätere Ratifikation wahrscheinlicher zu machen.301 Prägnant bringt Farnsworth, der sowohl als amerikanischer Delegierter für UNCITRAL an der Ausarbeitung des UN-Kaufrechts als auch als Mitglied der Arbeitsgruppe an den PICC mit­ gewirkt hatte, die Unterschiede auf den Punkt: „While the atmosphere in UNCITRAL was political (because delegates represented governments, which were grouped in regional blocs), that in UNIDROIT was apolitical (because participants appeared in their private capacity).“302

Obwohl die PICC unter der Schirmherrschaft von UNIDROIT als intergovernmentale Organisation, die sich aus ihren Mitgliedstaaten konstituiert, erstellt wurden, können sie einerseits aufgrund der Arbeitsweise und Autonomie der Arbeitsgruppe als deutlich staatsfern bezeichnet werden, was für UNIDROIT selbst sicherlich nicht gilt. Andererseits und im Gegensatz zu gänzlich privaten Regelsetzern wie der ICC sind bei der Erstellung der PICC Wirtschaftsakteure grundsätzlich nicht beteiligt. Damit sind die PICC auch nicht das Ergebnis von Verhandlungen zwischen unterschiedlichen Interessengruppen aus der Wirtschaft, die versuchen, die Regeln ihren Bedürfnissen nach optimal auszugestalten.303 Die Bemühungen der Arbeitsgruppe mündeten im Jahre 1994 in der Veröffentlichung der ersten Version der PICC.304 Durch den Direktionsrat wurden die PICC nachfolgend autorisiert, allerdings nicht formal als ein Instrument von U ­ NIDROIT angenommen.305 Im Jahre 2004 und 2010 folgten dann die zweite und dritte Ver299  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 160. 300  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel III.3.a). 301  Gabriel, Unidroit Principles as a Source for Global Sales Law, 58 Villanova Law Journal 2013, S.  661, 665 f. 302  Farnsworth, The American Provenance of the UNIDROIT Principles, 72 Tulane Law Review 1998, S.  1985, 1989. 303  Basedow, Uniform Law Conventions and the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 1 Uniform Law Review 2000, S.  129, 132, 137. 304 Siehe hierzu Kleinheisterkamp, UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1547 ff.; Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  22. 305  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of Natio-

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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sion der PICC, die inhaltlich eher eine Erweiterung und Ergänzung der PICC im Hinblick auf bestimmte Regelungsaspekte darstellen als eine Überarbeitung.306 Anders als die Bezeichnung Grundregeln nahelegt, können die meisten Regeln der PICC eher mit Gesetzesregeln verglichen werden als mit bloßen Prinzipen. Die black-letter rules der PICC geben für Rechtsfragen in ihrem Anwendungsbereich eine bestimmte Lösung vor und legen nicht nur Abwägungsmaßstäbe fest.307 Als methodischer Ausgangspunkt dienen der Arbeitsgruppe bei der Erstellung und Revision der PICC rechtsvergleichende Studien verschiedener nationaler Rechtsordnungen einschließlich der wissenschaftlichen Literatur, legislativer Materialien und Rechtsprechung. Darüber hinaus ähnelt die Methodik, welche die Arbeitsgruppe zugrunde legt, sehr derjenigen des American Law Instituts bei der Erstellung der Restatements of the Law.308 Die US-amerikanischen Restatements verfolgen hauptsächlich den Zweck, den Status quo des US-amerikanischen Common Laws wiederzugegeben (state the law), anstatt es zu formen (shape the law).309 Hieran angelehnt spiegeln auch die PICC größtenteils ein „International Restatement of General Principles of Contract Law“ wider.310 Dies gilt jedoch nur insofern, als die Ersteller in der Lage waren, aus den unterschiedlichen Rechtssystemen universelle internationale Prinzipien herauszukristallisieren. Wo dies mangels Übereinstimmungen in den Rechtstraditionen nicht möglich war, haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe einen better law approach verfolgt: Es wurde nicht nal Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 159; Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 54 f. 306  Seit der zweiten Version treffen die PICC auch Regelungen zur Verjährung und über Verträge zugunsten Dritter. In der dritten Version sind neue Regelungen auf dem Gebiet der Restitution, Schuldner- und Gläubigermehrheiten, Verstöße gegen Verbote und Bedingungen enthalten. Siehe hierzu Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  26 ff.; Vogenauer, The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts at Twenty: Experiences to Date, the 2010 Edition, and Future Prospects, 19 Uniform Law Review 2014, S.  481, 492 ff. 307  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 159 f. 308  Siehe zum Hintergrund der Restatements Crystal, Codification and the Rise of the Re­ statement Movement, 54 Washington Law Review 1979, S.  239, 239 ff.; siehe auch Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  32 ff.; Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  50 ff., 68 ff.; Michaels, Umdenken für die Unidroit-Prinzipien. Vom Rechtswahlstatut zum Allgemeinen Teil des transnationalen Vertragsrechts, RabelsZ 73 (2009), S.  866, 874 ff. 309  Basedow, Uniform Law Conventions and the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 1 Uniform Law Review 2000, S.  129, 130. 310  Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  12.

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

diejenige Lösung für die PICC gewählt, die in den meisten Rechtsordnungen vertreten wurde, sondern vielmehr diejenige, die für internationale Transaktionen als am besten geeignet befunden wurde.311 Dieser Teil der Regeln geht damit über den Restatement-Charakter hinaus und kann als innovativ bezeichnet werden.312 Welchen Ursprungs eine Regelung der PICC nun aber ist, wird weder durch die Regeln selbst noch durch die Kommentierung offengelegt.313 Der Anwendungsbereich der PICC wird in der Präambel definiert und weist eine ganze Reihe von unterschiedlichen Zielsetzungen der PICC aus. Besondere Aufmerksamkeit hat im juristischen Diskurs der in der Präambel erstgenannte Zweck erhalten, der die PICC als Rechtswahlstatut ausweist.314 Nach Satz  2 der Präambel sollen die PICC dann anzuwenden sein, wenn die Parteien vereinbaren, dass ihr Vertrag den PICC unterliegen soll.315 Darüber hinaus sieht die Präambel eine mögliche Anwendung der PICC vor („may be applied“), wenn die Parteien eine Rechtswahl zugunsten allgemeiner Rechtsgrundsätze, der lex mercatoria oder dergleichen treffen oder aber, wenn die Parteien überhaupt keine Rechtswahl vorgenommen haben.316 Schließlich sollen die PICC noch als Aus­legungshilfe und Ergänzung für internationale Konventionen sowie nationale Gesetzgebung dienen und darüGoode, International Restatements of Contract and English Contract Law, 2 Uniform Law Review 1997, S.  231, 234; Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 56. 312  Carolis, Some Features of Harmonisation in the Third Millenium, 15 Uniform Law Review 2010, S.  37, 56. 313  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 160. 314  Michaels, Umdenken für die Unidroit-Prinzipien. Vom Rechtswahlstatut zum Allgemeinen Teil des transnationalen Vertragsrechts, RabelsZ 73 (2009), S.  866, 867; siehe hierzu insbesondere Canaris, Die Stellung der ,,Unidroit Principles“ und der ,,Principles of European Contract Law“ im System der Rechtsquellen, in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S.  5, 17 ff. 315  Der Text der Präambel lautet: „These Principles set forth general rules for international commercial contracts.They shall be applied when the parties have agreed that their contract be governed by them.* (*) Parties wishing to provide that their agreement be governed by the Principles might use the following words, adding any desired exceptions or modifications: ‚This contract shall be governed by the UNIDROIT Principles (2010) except as to Articles […]‘. Parties wishing to provide in addition for the application of the law of a particular jurisdiction might use the following words: ‚This contract shall be governed by the UNIDROIT Principles (2010) [except as to Articles…], supplemented when necessary by the law of [jurisdiction X]‘.“ 316  Der Text der Prämbel lautet: „They may be applied when the parties have agreed that their contract be governed by general principles of law, the lex mercatoria or the like. They may be applied when the parties have not chosen any law to govern their contract.“ Der Text ist verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.‌2017. 311 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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ber hinaus ein legislatives Modell für Nationalstaaten darstellen.317 Eine formale Bindungswirkung besteht diesbezüglich aber grundsätzlich nicht, da sich die PICC den Anwendungsbereich lediglich selbst zuerkannt haben.318 bb) Inhalt Bei den PICC handelt es sich grundsätzlich um eine „Kodifikation eines Allgemeinen Teils des Rechts internationaler Handelsverträge“ und sie halten in der aktuellen Version Regelungen für fast alle Aspekte des Allgemeinen Vertragsrechts bereit.319 Die Reglungen verteilen sich auf 210 Artikel, die in elf Kapitel untergliedert sind.320 Vorangestellt ist eine Präambel, welche die Anwendbarkeit der PICC propagiert. Den eigentlichen Regeln ist zusätzlich als Bestandteil des Regelwerks eine offizielle Kommentierung mit Erläuterungen und Beispielen angefügt.321 Damit kommen die PICC in ihrem Erscheinungsbild klassischen Kommentaren zu Gesetzestexten sehr nahe.322 Holzschnittartig betrachtet sehen die Kapitel der PICC folgende Bestimmungen vor: Das erste Kapitel enthält vor die Klammer gezogene „Allgemeine Bestimmungen“ einschließlich programmatischer Grundsätze wie Treu und Glauben. Das zweite Kapitel regelt den Vertragsschluss inklusive Vorschriften zur Stellvertretung. Kapitel drei regelt sodann die Gültigkeit von Verträgen und Kapitel vier deren Auslegung. Vertragliche Pflichten und Rechte Dritter werden im fünften Kapitel geregelt. Sodann enthält das sechste Kapitel Regelungen über die Leistungspflichten und Kapitel sieben sieht Regelungen für den Fall der Nicht­ erfüllung vor. Kapitel acht regelt die Aufrechnung, Kapitel neun Abtretung und 317  Der Text der Präambel lautet: „They may be used to interpret or supplement international uniform law instruments. They may be used to interpret or supplement domestic law. They may serve as a model for national and international legislators.“ Der Text ist verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 318  Ferrari, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Art.  7 Rn.  59. 319  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157¸ 159 f.; Bonell, Symposium Paper: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts: Achievements in Practice and Prospects for the Future, 17 Australian International Law Journal 2012, S.  177, 177. 320  Siehe hierzu die Einleitung des Regelwerks verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 01.12.2017. 321  Bonell, Symposium Paper: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts: Achievements in Practice and Prospects for the Future, 17 Australian International Law Journal 2012, S.  177, 178. 322  Jansen, The Making of Legal Authority, 2010, S.  105 ff., 126 ff.

192

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Schuldübernahme und Kapitel zehn die Verjährung. Die PICC schließen mit Kapitel elf über Gläubiger- und Schuldnermehrheiten.323 Diesem weiten Regelungsanspruch entsprechend ist auch dem Anwendungsbereich der PICC, der sich grundsätzlich auf internationale Handelsverträge beschränkt, ein weites Verständnis zugrunde zu legen. So soll die Begrenzung auf Handelsverträge die PICC gerade nicht nur auf bestimmte Vertragstypen beschränken, sondern Regelungen des Allgemeinen Vertragsrechts für alle Vertragstypen bereitstellen.324 International sind im Sinne der PICC alle Verträge, die einen grenzüberschreitenden Bezug haben. Zudem ist es für die Eröffnung des Anwendungsbereichs erforderlich, dass keine Vertragspartei eine Verbrauchereigenschaft aufweist.325 cc) Zwischenergebnis Die PICC unterscheiden sich in zweierlei Hinsicht deutlich von den Incoterms und den ERA. Zum einen haben die PICC einen deutlich weiteren Anwendungsbereich. Sie regeln nicht nur spezifische Aspekte wie die Incoterms oder einen bestimmten Transaktionstyp wie die ERA, sondern stellen einen Allgemeinen Teil eines Vertragsrechts für alle Vertragstypen bereit. Zum anderen werden sie unter dem Schirm einer intergovernmentalen Organisation produziert und letztlich von selbiger angenommen.326 Obwohl eine direkte Einflussnahme der Staaten nicht stattfindet, sind die PICC mehr der staatlichen Sphäre zugeordnet als die Instrumente der ICC. b) Dogmatische Charakterisierung der PICC Obwohl die PICC UNIDROIT entstammen, sind sie nicht als völkerrechtlicher Vertrag ratifiziert, sondern stellen ein sogenanntes nichtlegislatives soft law-Instrument zur Rechtsvereinheitlichung dar.327 Damit entfalten die PICC keinerlei 323  Siehe hierzu den Text der PICC 2010 sowie Kleinheisterkamp, UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1549 f. 324  Siehe hierzu die Kommentierung der Präambel der UNIDROIT Principles 2010, S.  2. 325  Siehe hierzu die Kommentierung der Präambel, in: UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts 2010, S.  1–2; Bonell, Symposium Paper: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts: Achievements in Practice and Prospects for the Future, 17 Australian International Law Journal 2012, S.  177, 177. 326  Bonell, Symposium Paper: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts: Achievements in Practice and Prospects for the Future, 17 Australian International Law Journal 2012, S.  177, 178; Bonell, Towards a Legislative Codification of the UNIDROIT Principles?, 12 Uniform Law Review 2007, S.  233, 233. 327  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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Bindungswirkung in den Mitgliedstaaten von UNIDROIT und es besteht auch keine Pflicht für die Nationalstaaten, die PICC in irgendeiner Form in nationales Recht zu inkorporieren.328 Solange sich ein Staat nicht aus eigenen Erwägungen dazu entscheidet, die PICC in innerstaatliches Recht umzusetzen, sind die PICC auch kein Recht im Sinne der traditionellen Rechtsquellenlehre und nationale Gerichte sind nicht an die PICC gebunden.329 Die Natur der PICC als nichtlegislative Kodifikation spiegelt sich zunächst auch in der Präambel wider, welche für eine Anwendbarkeit der PICC grundsätzlich eine diesbezügliche Parteivereinbarung vorschreiben.330 Problematisch ist allerdings, dass die PICC sich darüber hinaus als das auf den Vertrag anwend­bare Recht definieren: „[T]hey shall be applied when the parties have agreed that their contract be governed by them.“331

Diese Frage richtet sich aber entgegen der Selbstbeschreibung der PICC nicht nach der Präambel, sondern nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates, also sowohl im deutschen als auch im englischen Rechtssystem nach der Rom I-Verordnung.332 Auch die PICC sind einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl nach Art.  3 Rom I-Verordnung nicht zugänglich,333 sodass eine diesbezügliche Rechtswahl ebenso wie bei den Incoterms und der ERA lediglich als materiell-recht­ liche Verweisung (incorporation by reference) zu behandeln ist,334 die PICC also als Vertragsbedingungen im Sinne Allgemeiner Geschäftsbedingungen bezieContracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 160. 328  Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  21. 329  Vogenauer, Interpretation of the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts by National Courts, in: Snijders/Vogenauer (Hrsg.), Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2009, S.  157, 160; siehe hierzu auch Vischer, The Relevance of the UNIDROIT Principles for Judges and Arbitrators in Disputes Arising out of International Contracts, 1 European Journal of Law Reform 1999, S.  203, 210 ff.; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2016, Vorbemerkungen zu §  1 Rn.  37, sieht die Rechtsquelleneigenschaft der PICC als noch ungeklärt an. 330  Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Mate­ rials, 2015, S.  466; Bonell, Towards a Legislative Codification of the UNIDROIT Principles?, 12 Uniform Law Review 2007, S.  233, 237. 331  Siehe hierzu die Präambel der PICC 2010 sowie Goode/Kronke/McKendrick, Transnatio­ nal Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  466. 332  Michaels, Umdenken für die Unidroit-Prinzipien. Vom Rechtswahlstatut zum Allgemeinen Teil des transnationalen Vertragsrechts, RabelsZ 73 (2009), S.  866, 869; siehe hierzu auch Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law – Text, Cases, and Materials, 2015, S.  470 ff. 333  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.a)aa)(2). 334  Siehe hierzu Canaris, Die Stellung der ,,Unidroit Principles“ und der ,,Principles of

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

hungsweise standardisierter Vertragsbedingungen in der englischen Doktrin zur Anwendung gelangen. Ebenso muss eine Anwendung der PICC mangels ausdrücklicher Rechtswahl ausscheiden. In Abwesenheit einer Rechtswahl bestimmt sich das auf den Vertrag anwendbare Recht nach den objektiven Anknüpfungskriterien der Rom I-Verordnung.335 Art.  4 Rom I-Verordnung unterstellt den Vertrag dabei explizit dem Recht eines Staates, sodass sich jede Anknüpfung an nichtstaatliches Recht eindeutig ausschließt.336 Auch die vorgesehene Anwendbarkeit als Auslegungshilfe und Ergänzung für internationales Einheitsrecht und nationales Recht ist vor dem Hintergrund der Rechtsnatur nicht möglich. So sind beispielsweise externe Lücken des CISG mittels des über das internationale Privatrecht des Forumstaates zu bestimmenden anwendbaren Rechts zu schließen. Ohne vertraglichen Verweis auf die PICC können die PICC weder über die objektive Anknüpfung noch über das anwendbare Recht Anwendung finden, da sie ja gerade keinen Bestandteil der nationalen Rechtsordnungen darstellen.337 Es entfaltet sich damit erneut das klassische Bild der Konzeptualisierung nichtstaatlicher Regelwerke: Qualifiziert als Vertragsbedingungen im Sinne Allgemeiner Geschäftsbedingungen beziehungsweise als standard terms unterliegen die PICC grundsätzlich den zwingenden Vorschriften nationalen Rechts338 und insbesondere im deutschen Recht der AGB-Kontrolle.339 Konflikte zwischen European Contract Law“ im System der Rechtsquellen, in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S.  5, 18–19. 335  Ferrari, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Art.  7 Rn.  61. 336  Wichard, Die Anwendung der UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge durch Schiedsgerichte und staatliche Gerichte, RabelsZ 60 (1996), S.  269, 294. 337  Ferrari, in: Schwenzer (Hrsg.), Schlechtriem/Schwenzer Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2013, Art.  7 Rn.  61; siehe für die Problematik von Lücken in rein nationalem Recht Canaris, Die Stellung der ,,Unidroit Principles“ und der ,,Principles of European Con­ tract Law“ im System der Rechtsquellen, in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S.  5, 29 ff., der einen Rückgriff auf die PICC als eine von vielen Rechtsgewinnungsquellen für möglich hält. 338  Canaris, Die Stellung der ,,Unidroit Principles“ und der ,,Principles of European Con­ tract Law“ im System der Rechtsquellen, in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S.  5, 18 ff.; Kleinheisterkamp, UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2011, S.  1548; Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  10-36, 10-38. 339  Siehe hierzu Canaris, Die Stellung der ,,Unidroit Principles“ und der ,,Principles of European Contract Law“ im System der Rechtsquellen, in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S.  5, 21 ff., der einige Beispiele identifiziert, in denen die PICC vom BGB drastisch abweichende Regelungen treffen, sodass diese

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

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den zwingenden Bestimmungen nationalen Rechts und den PICC sind nun aufgrund der Konzeption der PICC als ein Hybrid unterschiedlicher Rechtstraditionen einerseits und des umfassenden Regelungsanspruchs andererseits deutlich wahrscheinlicher als im Falle der anderen Regelwerke.340 c) Empirische Analyse der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte Für die Analyse der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte in Bezug auf die Behandlung der PICC wurden folgende Fragestellungen ausgewertet: Wurden die PICC als explizit vertraglich vereinbart ausgewiesen? Wenn nicht, wurden vertragliche Bestimmungen auch ohne explizite Bezugnahme durch die Parteien anhand der PICC ausgelegt? Wurde eine Bestimmung der PICC für unwirksam erklärt? Fand ein Rekurs auf die Materialien der Regelsetzer statt? Zudem wurde noch gefragt, ob die Gerichte in irgendeiner Form Stellung zur Rechtsqualität der PICC nahmen.341 Aufgrund der geringen Anzahl der Urteile werden im Folgenden die Analysen des deutschen und des englischen Rechtssystems zusammengefasst. Der Analyse der Spruchpraxis in Bezug auf die PICC lagen neun Urteile seit dem Jahre 2000 bis Januar 2015 zugrunde,342 wobei acht von englischen Gerichim Rahmen einer Inhaltskontrolle vor deutschen Gerichten aller Wahrscheinlichkeit nach für unwirksam erklärt werden würden. So sehen die PICC im Rahmen von Vertragsverletzungen grundsätzlich eine verschuldensunabhängige Haftung vor, während das BGB insoweit das Verschuldensprinzip zugrunde legt. Einen Widerspruch zu grundlegenden Wertungen des BGB identifiziert Canaris darüber hinaus auch in Bezug auf Art und Umfang des Schadensersatz­ anspruches, da im Falle des Vertragsbruches nach gemäß Art.  7.4.2.2. PICC grundsätzlich auch der Ersatz des immateriellen Schadens geschuldet ist. 340  Konflikte zwischen den PICC und englischem Vertragsrecht sind beispielsweise die Zulassung vorvertraglicher Verhandlungen zur Vertragsinterpretation (Art.  4.3 PICC), die spezifische Voraussetzung der consideration der englischen Doktrin ist den PICC fremd (Art.  3.1.2 PICC), die Konzepte hardship (veränderte Umstände) gemäß Art.  6.2.1 f. PICC und force majeure (höhere Gewalt) gemäß Art.  7.1.7 PICC haben kein Äquivalent im englischen Recht und gemäß Art.  7.2.2 PICC ist die Nacherfüllung der primäre Sekundäranspruch im Falle des Vertragsbruches, während im englischen Recht in der Regel nur Schadensersatz (damages) verlangt werden kann. Siehe hierzu Lake, An Empirical Study of the UNIDROIT Principles – International and British Responses, 16 Uniform Law Review 2011, S.  669, 683, mit weiteren Beispielen und Nachweisen; siehe auch Vogenauer, The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts at Twenty: Experiences to Date, the 2010 Edition, and Future Prospects, 19 Uniform Law Review 2014, S.  481, 485 f.; siehe zur Problematik der vorvertraglichen Verhandlungen infra Drittes Kapitel III.3.c)bb). 341  Sofern die Regelungen der PICC in der Entscheidung nicht weiter von Relevanz waren, wurde diese Entscheidung nicht weiter in der Analyse beachtet. 342 Hierzu wurde zunächst die Datenbank unilex.info ausgewertet. Sowohl in den deutschen als auch den englischen Datenbanken wurden die Suchbegriffe, UNIDROIT Principles of International Commercial Contratcs, UNIDROIT und PICC verwendet. In den deutschen

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

ten stammen und lediglich ein Urteil aus der deutschen Gerichtsbarkeit resultiert.343 Obwohl die neun Urteile größtenteils nicht die Thematik der vorliegenden Arbeit betreffen, da sie weder grenzüberschreitende Sachverhalte, noch ­handelsrechtliche Streitigkeiten zum Inhalt hatten,344 sollen sie gleichwohl im Hinblick auf die Art und Weise der Anwendung hin untersucht werden. aa) Darstellung der Ergebnisse Tabelle 6 gibt die Ergebnisse der Auswertung der Fragestellungen wieder. Tabelle 6: PICC – Auswertung der Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte345 Fragestellung

Auswertung

Anzahl der Urteile

9

Rechtsqualität International Instrument Non-national set of legal Principles

4345 1

Explizite vertragliche Vereinbarung

1

Auslegung des Vertrags anhand des Regelwerks ohne explizite vertragliche Bezugnahme Auslegung litauischen Rechts Beispiel für andere wählbare Rechtsordnungen unter dem UK Arbitration Act 1978 Auslegung nationalen Rechts abgelehnt Bezugnahme auf Schiedsspruch, der sich auf PICC stützt

1 1 5 1

Unwirksamkeit einer Bestimmung

0

Rekurs auf das Regelwerk von UNIDROIT

7

Quelle: Eigene Darstellung

Datenbanken wurde darüber hinaus nach UNIDROIT Prinzipien und UNIDROIT Grundregeln der internationalen Handelsverträge gesucht. 343  LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2011 – 2-13 O 302/10, 2-13 O 302/10, BeckRS 2012, 06785. 344  Nur bei Musawi v R E International (UK) Ltd. & Others [2007] EWHC 2981, Econet Satellite Services Ltd. v Vee Networks Ltd. [2006] EWHC 1664 (Comm) und Svenska Petroleum Exploration AB v Government of Republic of Lithuania (No 2) [2005] EWHC 2437 (Comm) war dies der Fall. 345  In zwei Fällen aber nur Rekurs auf Urteil Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

197

In nur einem Urteil haben die Parteien die PICC explizit ihrem Vertrag zugrunde gelegt.346 In allen anderen Fällen wurden die PICC dazu verwendet, Bestimmungen nationalen Rechts auszulegen. In fünf Fällen, in denen es um die exclusionary rule des englischen Vertragsrechts ging, wonach vorvertragliche Verhandlungen für die Auslegung von Verträgen nicht herangezogen werden können,347 wurde der Regelungsansatz der PICC348 allerdings abgelehnt.349 In einem Urteil wurden die PICC als ein weiteres Beispiel einer Rechtsordnung angeführt, die gemäß Sec. 46(1)(B) des UK Arbitration Act von 1996 als „non-state rules applicable to the substance of the dispute“ in Betracht kommen.350 Im letzten Fall wurden die PICC schließlich ebenfalls indirekt zur Auslegung nationalen Rechts herangezogen, indem das Gericht auf den zugrunde liegenden Schiedsspruch abstellte, welcher die PICC herangezogen hatte.351 In sieben Urteilen wurden jeweils spezifische Regeln aus den PICC zitiert.352 Im Hinblick auf die Rechtsnatur der PICC wurden sie einmal als „non-national Econet Satellite Services Ltd. v Vee Networks Ltd. [2006] EWHC 1664 (Comm). Grundsätzlich besagt die exclusionary rule, dass vorvertragliche Verhandlungen nicht für die Interpretation eines Vertrags herangezogen werden dürfen. In Investor Compensation S­ cheme Ltd. v West Bromwhich Building Society [1997] UKHL 28 wird diese Regel von Lord Hoffmann folgendermaßen festgehalten: „The law excludes from the admissible background the previous negotiations of the parties and their declarations of subjective intent.“ Diese Regel wird vorwiegend mit „reasons of practical policy“ gerechtfertigt, welche sowohl theoretische als auch praktische Erwägungen enthält. So wird einerseits der Ausschluss vorvertraglicher Verhandlungen zur Interpretation eines Vertrags in Schriftform als logische Konsequenz des objektiven Ansatzes der Vertragsinterpretation gesehen, welcher als Besonderheit des englischen Rechts den Zweck verfolgt, die Bedürfnisse des Handels nach Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit zu fördern. Aus pragmatischer Sicht wird angeführt, dass es schlicht nicht förderlich sei, solche Beweise zuzulassen. So läge es in der Natur der Sache, dass sich in schwierigen Verhandlungen die Positionen der Parteien gerade im Rahmen der Verhandlungen ändern und sich noch unterscheiden. Nur im letzten Dokument könne schließlich ein Konsens festgestellt werden, und nur dieses Dokument könne den Willen der Parteien abbilden, so Lord Wilbeforce in: Prenn v Simmonds [1971] 3 All ER 237; siehe zu alledem Bonell, The UNIDROIT Principles and CISG – Sources of Inspiration for English Courts?, 19 Pace International Law Review 2007, S.  9, S.  17 ff. 348  Gemäß Art.  4.3(a) PICC sind vorvertragliche Verhandlungen Bestandteil der zur Vertragsauslegung heranzuziehenden Umstände. 349  Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69, Rn.  57 (offengelassen); Square Mile Partnership Ltd. v Fitzmaurice McCall Ltd. [2006] EWCA Civ 1690, Rn.  61 ff.; Great Hill Equity Partners II LP v Novator One LP & Ors [2007] EWHC 1210 (Comm), Rn.  57 ff.; Chartbrook Limited v. Persimmon Homes Limited [2008] EWCA Civ 183, Rn.  109 ff.; Chartbrook Limited (Respondents) v Persimmon Homes Limited and others (Appellants) and another (Respondent) [2009] UKHL 38, Rn.  39 ff. 350  Musawi v R E International (UK) Ltd. & Others [2007] EWHC 2981, Rn.  22. 351  LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2011 – 2-13 O 302/10, 2-13 O 302/10, BeckRS 2012, 06785. 352  Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69, Rn.  57; 346  347 

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Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

set of legal principles“ bezeichnet353 und in vier Entscheidungen als „international instrument“, wobei in zwei Entscheidungen lediglich auf ein anderes Urteil rekurriert wurde, in dem die PICC so bezeichnet worden waren.354 bb) Interpretation (1) Rechtsbeständigkeit und international einheitliche Auslegung Im Gegensatz zu Incoterms und ERA lassen die Ergebnisse der Analyse kaum Rückschlüsse für die Fragen der Rechtsbeständigkeit und der international einheitlichen Auslegung der PICC zu. So wurde überhaupt in nur einem Urteil durch die Parteien explizit auf die PICC Bezug genommen, ein weiterer Rekurs auf die PICC fand durch das Gericht aber in der Folge nicht statt. Auch Fragen der Auslegung der PICC haben sich in den Urteilen nicht gestellt. Obwohl damit für die konkrete Fragestellung keine direkten Ergebnisse erzielt werden können, lässt die Untersuchung darüber hinausgehende vorsichtige Schlüsse zu. (2) Folgerungen Obwohl die PICC innerhalb des juristischen Diskurses zum Teil als großer Erfolg gefeiert werden,355 scheint die praktische Bedeutung der PICC zur Regulierung grenzüberschreitender Sachverhalte aus Sicht der Parteien eher gering zu sein.356 Square Mile Partnership Ltd. v Fitzmaurice McCall Ltd. [2006] EWCA Civ 1690, Rn.  61; Great Hill Equity Partners II LP v Novator One LP & Ors [2007] EWHC 1210 (Comm), Rn.  57; Chartbrook Limited v. Persimmon Homes Limited [2008] EWCA Civ 183, Rn.  109 ff.; Chartbrook Limited (Respondents) v Persimmon Homes Limited and others (Appellants) and another (Respondent) [2009] UKHL 38, Rn.  39; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2011 – 2-13 O 302/10, 2-13 O 302/10, BeckRS 2012, 06785. 353  Musawi v R E International (UK) Ltd. & Others [2007] EWHC 2981, Rn.  22. 354  Chartbrook Limited v. Persimmon Homes Limited [2008] EWCA Civ 183, Rn.  109; Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69, Rn.  57. In Square Mile Partnership Ltd. v Fitzmaurice McCall Ltd. [2006] EWCA Civ 1690, Rn.  61, und Great Hill Equity Partners II LP v Novator One LP & Ors [2007] EWHC 1210 (Comm), Rn.  55 ff., wurde Bezug auf die Entscheidung Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69 genommen. 355 Insbesondere Bonell betont stets den Erfolg der PICC, vgl. Bonell, Towards a Legislative Codification of the UNIDROIT Principles?, 12 Uniform Law Review 2007, S.  233, 234 f.; ­Bonell, Symposium Paper: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts: Achievements in Practice and Prospects for the Future, 17 Australian International Law Journal 2012, S.  177, 178; Lake, An Empirical Study of the UNIDROIT Principles – International and British Responses, 16 Uniform Law Review 2011, S.  669, 691, 703, bezeichnet die PICC als „tremendous success“; andere sind weniger euphorisch, so zum Beispiel Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  44 ff. 356  So auch Michaels, Umdenken für die Unidroit-Prinzipien. Vom Rechtswahlstatut zum Allgemeinen Teil des transnationalen Vertragsrechts, RabelsZ 73 (2009), S.  866, 870 f.

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

199

So sind selbst bei einer weltweiten Auswertung der Datenbank unilex.info357 lediglich vier Entscheidungen von staatlichen Gerichten aufgeführt, in denen die PICC „ausdrücklich von den Parteien angewählt“ worden sind.358 Zwei dieser Entscheidungen behandeln dabei aber überhaupt nicht die Wahl der PICC, sondern andere nichtstaatliche Regelwerke.359 In einer dieser Entscheidungen wird die Wahl der PICC abgelehnt.360 Gleichfalls berichtet unilex.info von nur 18 Schiedssprüchen weltweit, die auf Grundlage der PICC in Folge einer „ausdrücklichen Rechtswahl“ durch die Parteien erfolgt sind.361 Da nicht in jeder vertraglichen Beziehung, in der möglicherweise die PICC zugrunde gelegt wurden, Streitigkeiten auftreten, vermag diese Entscheidungssammlung naturgemäß nur die Spitze eines Eisberges darzustellen. Dies gilt umso mehr für die Relevanz der PICC im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit, da Schiedssprüche zumeist nicht veröffentlicht werden.362 Dennoch lässt die insgesamt sehr geringe Anzahl von Fällen den Rückschluss zu, dass derzeit die Bedeutung der PICC als Referenzpunkt bei einer ausdrücklichen Rechtswahl als eher gering einzustufen ist.363 Stand: 22.08.2015; siehe hierzu auch Agrò, The Impact of the UNIDROIT Principles in International Dispute Resolution in Figures, 16 Uniform Law Review 2011, S.  719, 722. 358  Siehe hierzu die Rubrik: „2. Applicability of Principles, 2.1. As rules of law governing the contract, 2.1.1. Principles expressly chosen by the parties, 2.1.1.1. In disputes before State court“, in der vier Urteile aufgeführt werden, , zuletzt abgerufen am 11.12.2015. 359  Beide Entscheidungen behandelten die FIFA-Regeln: Handelsgericht St. Gallen 12.11.­ 2004 – HG.2003.10; Bundesgericht 20.12.2005, 4c. 1/2005, BGE 2005 III 285. 360  Tribunale di Padova, Sez. di Este 11.01.2005, Ostroznik Savo v. La Faraona soc. coop. a.r.l.; siehe hierzu Michaels, Umdenken für die Unidroit-Prinzipien. Vom Rechtswahlstatut zum Allgemeinen Teil des transnationalen Vertragsrechts, RabelsZ 73 (2009), S.  866, 871. 361  Siehe hierzu die Rubrik: „2. Applicability of Principles, 2.1. As rules of law governing the contract, 2.1.1. Principles expressly chosen by the parties, 2.1.1.2. In disputes before arbitral tribunal“, in der 20 Schiedssprüche aufgeführt werden. In deutlich mehr, wenn auch immer noch verhältnismäßig wenigen Entscheidungen werden die PICC herangezogen, wenn die Parteien sich auf die „lex mercatoria“ (7 Urteile) oder „general principles of law“ (23 Urteile) geeinigt haben. Die Übersicht ist verfügbar unter , zuletzt abgerufen am 11.12.2015. 362  Siehe hierzu Vogenauer, in: Vogenauer (Hrsg.), Commentary on the UNIDROIT Principles, 2015, Introduction Rn.  48. 363  Die Studie von Gama, Prospects for the UNIDROIT Principles in Brazil, 16 Uniform Law Review 2011, S.  613, 613 ff., im nicht europäischen Kontext zeichnet ein etwas positiveres Bild: Etwa 30 % der 42 befragten Praktiker, Schiedsrichter und in-house counsel in Brasilien haben die PICC wenigestens einmal als anwendbares Recht gewählt. In einer früheren Studie jenseits des europäischen Kontextes (Antworten von 639 Praktikern aus 51 Ländern) kam heraus, dass 13 % die PICC in Schiedsverfahren verwendet haben, 11 % bei der Vertragserstellung und 13 % bei Vertragsverhandlungen, siehe hierzu Berger/Dubberstein/Lehmann/ Petzold, The CENTRAL Enquiry on the Use of Transnational Law in International Contract 357 

200

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Die Beteiligten des grenzüberschreitenden Handels scheinen also anders als bei den ERA und den Incoterms nicht ausdrücklich auf die PICC zu verweisen, was indiziert, dass die PICC für die Schaffung von Rechtssicherheit eine weniger bedeutende Rolle spielen. Michaels identifiziert als Hauptursache für die geringe Bedeutung der PICC als Vertragsstatut die Unvollständigkeit der PICC. Zunächst halten die PICC konzeptionell keine spezifischen Lösungen für den Handel bereit, sondern stellen vielmehr einen Allgemeinen Teil des Vertragsrechts dar. Ein Besonderer Teil für dezidierte Fragen grenzüberschreitender Transaktionen fehlt jedoch. Dieses Argument kann mit den Ergebnissen der empirischen Studie von Lake unterstützt werden, die um den Erfolg der PICC zu analysieren, Fragebögen an Praktiker in Großbritannien und der ganzen Welt versendet und ausgewertet hat.364 Auch hier wurde als ein Grund für die mangelnde Rechtswahl der PICC die Unvollständigkeit angeführt.365 Darüber hinaus enthalten die PICC Öffnungsklauseln, die einen Rückgriff auf das staatliche Recht anordnen. So wird in Art.  1.4 PICC in Bezug auf zwingende Normen klargestellt: „Keine dieser Grundregeln beschränkt die Anwendung zwingender Regeln, seien sie nationalen, internationalen oder supranationalen Ursprungs, die gemäß den maßgebenden Regeln des Internationalen Privatrechts anwendbar sind.“

Es bleiben damit „genau die staatlichen Regeln anwendbar, die die Rechtspraxis durch Rechtswahl gern überwinden will.“366 Gerade diese Regelungen könnten noch weitere negative Auswirkungen auf die Wahl der PICC haben. Durch Art.  1.4. PICC wird der eigene Geltungsanspruch der PICC gegenüber staatlichem Recht expressis verbis eingeschränkt, obwohl dies in Anbetracht der Rechtsnatur der PICC ohnehin nur deklaratorischen Charakter hat und eine diesbezügliche Regelung damit dem Grunde nach obsolet ist.367 Allerdings wird durch diese ausdrückliche Regelung den Parteien Law and Arbitration – Background, Procedure and Selected Results, in: Berger (Hrsg.), The Practice of Transnational Law, 2001, S.  91, 91 ff. 364 Es wurden 500 Fragebögen an Praktiker in England und 500 an Praktiker weltweit verschickt. Die Rücksendequote betrug 20 % der Fragebögen aus England und 14 % der internationalen Fragebögen. Siehe hierzu Lake, An Empirical Study of the UNIDROIT Principles – International and British Responses, 16 Uniform Law Review 2011, S.  669, 670 f. 365  Lake, An Empirical Study of the UNIDROIT Principles – International and British ­Responses, 16 Uniform Law Review 2011, S.  669, 677. 366  Michaels, Umdenken für die Unidroit-Prinzipien. Vom Rechtswahlstatut zum Allgemeinen Teil des transnationalen Vertragsrechts, RabelsZ 73 (2009), S.  866, 873; siehe hierzu auch Gama, Prospects for the UNIDROIT Principles in Brazil, 16 Uniform Law Review 2011, S.  613, 617 f., der den nicht-bindenden Charakter aber letztlich nicht für ausschlaggebend hält. 367  Dies zeigt auch die offizielle Kommentierung zu Art.  1.4 PICC 2010 in der es heißt:

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

201

konkret vor Augen geführt, dass im Zweifel erneut das auf den Vertrag anwendbare nationalstaatliche Recht maßgeblich ist. Ein solcher Regelungszustand ist für die Parteien wenig attraktiv.368 Gerade diese ausdrückliche Klarstellung könnte damit ein weiterer Faktor für die geringe Bedeutung der PICC als Vertragsstatut im Rahmen einer Rechtswahl sein. Wie die Analyse zeigt, werden die PICC hauptsächlich für die Interpretation nationalen Rechts herangezogen.369 Konkret ging es in den Fällen um die exclusionary rule des Common Law, welche die Heranziehung von vorvertraglichen Verhandlungen für die Auslegung von Verträgen nicht erlaubt. In vielen anderen Rechtstraditionen und auch in den PICC sind sie allerdings für die Vertrags­ auslegung heranzuziehen.370 In ProForce Recruit Ltd. v. The Rugby Group Ltd. wird die exclusionary rule des Common Law zunächst als „anomalous“371 kritisiert, wobei sich unter anderem auf die PICC gestützt wurde: „It may be appropriate to consider a number of international instruments applying to contracts“372 […] [T]he UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts [which] give primacy to the common intention of the parties and on questions of interpretation require regard to be had to all the circumstances, including the pre-contractual negotiations of the parties (Article 4.3).“373

„Given the particular nature of the Principles as a non-legislative instrument, neither the Principles nor individual contracts concluded in accordance with the Principles, can be expected to prevail over mandatory rules of domestic law, whether of national, international or supranational origin, that are applicable in accordance with the relevant rules of private international law. Mandatory rules of national origin are those enacted by States autonomously (e. g. particular form requirements for specific types of contracts; invalidity of penalty clauses; licensing requirements; environmental regulations; etc.), while mandatory rules of international or supranational origin are those derived from international conventions or general public international law (e. g. Hague-­Visby Rules, UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects, United Nations Convention against Corruption, United Nations Universal Declaration of Human Rights, etc.) or adopted by supranational organisations (e. g. European Union competition law, etc.)“. 368  Dieser fragmentarische Regelungscharakter wird von Smits als primärer Faktor für den Ausschluss des UN-Kaufrechts durch die Parteien gewertet, vgl. Smits, Problems of Uniform Sales Law, in: DiMatteo (Hrsg.), International Sales Law – A Global Challenge, 2014, S.  605, 609–610. 369  Wichard, Die Anwendung der UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge durch Schiedsgerichte und staatliche Gerichte, RabelsZ 60 (1996), S.  269, 294 ff. 370  Michaels, Umdenken für die Unidroit-Prinzipien. Vom Rechtswahlstatut zum Allgemeinen Teil des transnationalen Vertragsrechts, RabelsZ 73 (2009), S.  866, 876. 371  Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69, Rn.  57. 372  Ebd., Rn.  57. 373  Ebd., Rn.  57.

202

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Die Heranziehung der PICC ist umso bemerkenswerter, da der zugrunde liegende Sachverhalt keinerlei internationale Bezüge aufwies, sondern rein na­tio­naler Natur war. 374 In Chartbrook v Persimmon wurde abermals im Hinblick auf die Heranziehung vorvertraglicher Verhandlungen ein flexiblerer Ansatz gefordert und dies ebenfalls unter anderem auf die PICC gestützt.375 Dieser Fall lag schließlich dem House of Lords vor376 und es wurde eine Änderung der ständigen Rechtsprechung unter Berufung auf die PICC in Erwägung gezogen.377 Obwohl es letztlich bei der exclusionary rule blieb, erzielte Lord Hoffmann durch eine andere dogmatische Konstruktion das identische Ergebnis der „Einbeziehung“ der vorvertraglichen Verhandlungen.378 In der Praxis werden die PICC also durch die englischen Gerichte, wie Bonell konstatiert, als Inspirationsquelle herangezogen379 und nationales Recht durch die PICC informiert. Dies könnte mit der Zeit und mit wachsender Akzeptanz der PICC zu einer natürlichen Angleichung der nationalen Rechtsordnungen im Sinne eines internationalen Konsenses führen.380 Darüber hinaus wird die Anwendbarkeit der PICC als Vertragsstatut vor Schiedsgerichten bestätigt.381 Dass eine solche Wahl der PICC als Vertragsstatut vor Schiedsgerichten anerkannt wird, könnte sich positiv auf die Verwendung der PICC auswirken: Sofern es einer Vollstreckbarkeitserklärung durch die staatlichen Gerichte bedarf, können sich die Parteien sicher sein, dass die Tatsache,

Bonell, The UNIDROIT Principles and CISG – Sources of Inspiration for English Courts?, 19 Pace International Law Review 2007, S.  9, 11. 375  Chartbrook Limited v. Persimmon Homes Limited [2008] EWCA Civ 183, Rn.  109 ff. 376  Chartbrook Limited (Respondents) v Persimmon Homes Limited and others (Appellants) and another (Respondent) [2009] UKHL 38, Rn.  39 ff. 377  „Supporters of the admissibility of pre-contractual negotiations draw attention to the fact that Continental legal systems seem to have little difficulty in taking them into account. Both the Unidroit Principles of International Commercial Contracts (1994 and 2004 revision) and the Principles of European Contract Law (1999) provide that in ascertaining the ,common intention of the parties’, regard shall be had to prior negotiations: articles 4.3 and 5.102 respectively.“, Chartbrook Limited (Respondents) v Persimmon Homes Limited and others (Appellants) and another (Respondent) [2009] UKHL 38, Rn.  39. 378  Chartbrook Limited (Respondents) v Persimmon Homes Limited and others (Appellants) and another (Respondent) [2009] UKHL 38, Rn.  41 ff. 379  Bonell, The UNIDROIT Principles and CISG – Sources of Inspiration for English Courts?, 19 Pace International Law Review 2007, S.  9, S.  26 f. 380  Dennis, Modernizing and Harmonizing International Contract Law: The CISG and the UNIDROIT Principles Continue to Provide the Best Way Forward, 19 Uniform Law Review 2014, S.  114, 151, spricht insoweit von „naturally evolving harmonization“. 381  Musawi v R E International (UK) Ltd. & Others [2007] EWHC 2981, Rn.  22. 374 

III. Empirische Analyse der Referenzregelwerke

203

dass die PICC das Vertragsstatut bilden, für sich genommen kein Vollstreckbarkeitshindernis darstellt.382 Auch auf Seiten der Parteien werden solche subtilen Vereinheitlichungseffekte festgestellt. So sei für den Austausch mit Juristen aus anderen Rechtstraditionen schon heute die Kenntnis der PICC vergleichbar mit der Fähigkeit, eine zusätz­ liche Sprache zu sprechen.383 Die PICC können also mit fortschreitender Bekanntheit dazu beitragen, ein gemeinsames internationales Verständnis im Hinblick auf das Allgemeine Vertragsrecht zu prägen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Initiativen von UNIDROIT zu verstehen, die sich momentan auf die Verbreitung der PICC in Lehre und Praxis konzentrieren.384 cc) Ergebnis: Spruchpraxis PICC Die Analyse der PICC hat eine deutlich geringere direkte Relevanz der PICC für die Praxis ausgemacht. Anders als im Falle der Incoterms und ERA wurden die PICC lediglich in einem Fall ausdrücklich durch die Parteien einbezogen, dies ist im Falle der anderen Regelwerke als gängige Praxis zu bezeichnen. Aufgrund der fehlenden Regelung zum Besonderen Schuldrecht werden die PICC nicht isoliert angewählt, da es dann gerade an branchen- oder kontextspezifischen Regelungen fehlt. Obwohl die PICC noch die Funktion eines Hintergrundrechts ähnlich einer nationalen Rechtsordnung erfüllen und so für die Parteien einheitliche, interna­ tionale und neutrale Rechtsregeln im Bereich des Allgemeinen Vertragsrechts bereitstellen könnten, zeigt die Analyse, dass auch hiervon kein Gebrauch gemacht wurde. Ursächlich hierfür könnte die konkrete Gefahr für die Rechtsbeständigkeit der PICC aufgrund der mangelnden rechtlichen Geltung sein, was die Wahl der PICC wenig attraktiv macht. So ist aufgrund des breiten Regelungsanspruchs der PICC eine Vielzahl von Friktionen mit der auf den Vertrag anwendbaren Rechtsordnung zu erwarten. Dies wird den Parteien durch die explizite Regelung des Vorrangs zwingender Normen und anderer Öffnungsklauseln auch unmittelbar vor Augen geführt. Trotz der Wahl der PICC müssten die Parteien sich erneut mit kollisionsrecht­ lichen Fragen befassen beziehungsweise noch eine zusätzliche Rechtswahl trefGeimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2015, Rn.  3904 ff. Brödermann, The Impact of the UNIDROIT Principles on International Contract and Arbitration Practice – the Experience of a German Lawyer, 16 Uniform Law Review 2011, S.  589, 612. 384  Vogenauer, The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts at Twenty: Experiences to Date, the 2010 Edition, and Future Prospects, 19 Uniform Law Review 2014, S.  481, 515 ff. 382  383 

204

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

fen, um im Zweifel den Maßstab zwingenden Rechts festzulegen.385 Die Wahl der PICC reduziert damit nicht die Rechtsunsicherheit, sondern stellt einen weiteren Unsicherheitsfaktor dar. Vor diesem Hintergrund wird die Wahl einer staatlichen Rechtsordnung, bei der man sich die Auseinandersetzung mit einer zweiten Rechtsordnung erspart, deutlich attraktiver. Damit scheint es gerade so, als dass sich die zu erwartende fehlende Rechtsbeständigkeit der PICC negativ auf die Rezeption der PICC in der Praxis auswirkt. Der Nutzen der PICC scheint vielmehr in ihrer objektiven Autorität für die Fortentwicklung nationalen und internationalen Rechts und der Prägung eines einheitlichen internationalen Verständnisses zu liegen. Anders als im Anwendungsfall der PICC als Vertragsstatut wirkt sich hier die mangelnde rechtliche Geltung der PICC anscheinend nicht negativ aus, denn die PICC werden gleichwohl als Interpretationsquelle herangezogen.

4. Gewährleistung der Funktionsbedingungen durch staatliches Recht Die empirische Analyse ist der Frage nachgegangen, ob die Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts, Rechtsbeständigkeit und eine international einheitliche Auslegung in Bezug auf die Referenzregelwerke durch die Spruchpraxis vor deutschen und englischen Gerichten, gewährleistet werden. In Bezug auf die Incoterms hat sich gezeigt, dass die Rechtsbeständigkeit der Regelungen in der Anwendung vor deutschen und englischen Gerichten zunächst sehr hoch ist. Deutsche Gerichte wenden die Incoterms faktisch kraft Handelsbrauch an, ohne dies näher zu begründen. Vor englischen Gerichten ergibt sich eine schlichte Übereinstimmung mit der dogmatischen Grundstruktur als standard terms und keine darüber hinausgehende Anwendung. Auch in Bezug auf die ERA konnte eine hohe Rechtsbeständigkeit und eine darüber hinausgehende autoritative Wirksamkeit identifiziert werden. So hat die Analyse der deutschen Spruchpraxis gezeigt, dass zwingende Vorschriften nationalen Rechts im Hinblick auf die ERA deutlich eingeschränkt angewendet werden, um so einen großzügigen Kontrollmaßstab anzulegen und den Bestand der ERA zu gewährleisten. Explizit wurde die Funktionsfähigkeit des Instruments in der Spruchpraxis beachtet. Bei der Auslegung orientieren sich die Richter stark am Regelwerk. Vor englischen Gerichten hat sich ein ähnliches Bild abge­ zeichnet. In der Entscheidungsfindung haben die Richter konkret die Funktionsbedingungen der ERA einkalkuliert, um so die Wirksamkeit des Regelwerks zu supra Erstes Kapitel II.1.; siehe auch Vischer, The Relevance of the UNIDROIT Principles for Judges and Arbitrators in Disputes Arising out of International Contracts, 1 European Journal of Law Reform 1999, S.  203, 204–205. 385 Vgl.

IV. Strategien des praktischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht

205

unterstützen. Besonders stark sind hier die Bemühungen um eine originär internationale Auslegung der ERA zu Tage getreten. Hier wurden die Auslegungs­ materialien der ERA und der DOCDEX-Entscheidungen als autoritativ herangezogen, um eine Auslegung anhand nationalen Rechts zu vermeiden und so das Regelungsziel der ERA nicht zu gefährden. Für die Frage der Anwendung der PICC in der Praxis hat die Analyse aufgrund mangelnder Fallzahlen nahezu keinen Aufschluss geben können. Allerdings kann die fehlende praktische Verwendung die These stützen, dass die Rechts­ beständigkeit der privaten Regelwerke essentiell für die Beteiligten des Handels ist: Aufgrund des größeren Regelungsumfangs der PICC entstehen mehr Konfliktlagen mit dem staatlichen Recht. Wird den Parteien nun direkt vor Augen geführt, dass der Zweck, den sie mit der Verwendung eines solchen Regelwerks anstreben, aufgrund zwingender Normen und Öffnungsklauseln möglicherweise nicht realisiert werden kann, ist es naheliegend, dass sich dies negativ auf die Verwendung des Regelwerks in der Praxis auswirkt und die geringen Zahlen der Anwendung der PICC erklärt.

IV. Strategien des praktischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht Die Analyse der Spruchpraxis hat Strategien, verstanden als „Muster in einem Strom von Entscheidungen“,386 des pragmatischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht zu Tage gebracht, die es trotz der problematischen dogmatischen Konzeption ermöglichen, die Funktionalität privaten Einheitsrechts zu unterstützen. Diese Strategien ermöglichen es, dass staatliches Recht einerseits nicht von theo­ retischen Grundfesten abweichen muss, um im Ergebnis die Einheit der Rechtsordnung zu bewahren,387 und andererseits das Bedürfnis der Praxis nach Rechtssicherheit befriedigt wird. Diese Erkenntnisse beziehen sich allerdings nur auf die Analyse der ERA und Incoterms, da die Analyse der PICC in dieser Hinsicht keine Auskunft geben konnte. Als erste Strategie lässt sich die pragmatische Anwendung des Regelwerks ohne Rekurs auf den Rechtscharakter oder den Grund für die Einbeziehung nennen. Hierdurch erreicht insbesondere die deutsche Spruchpraxis eine Anwendung der Regelwerke, die über deren rechtsdogmatischen Charakter hinausgeht. 386  Mintzberg, Patterns in Strategy Formation, 9 International Studies of Management and Organization 1979, S.  67, 69. 387  Siehe hierzu aus Sicht der Normsetzer Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 342.

206

Drittes Kapitel – Private Regelwerke und Spruchpraxis

Prägnantes Beispiel für diese Strategie ist das Vorgehen deutscher Gerichte in Bezug auf die ERA, die im Falle des Vorliegens eines Akkreditivs nahezu immer zugrunde gelegt werden, unabhängig davon, ob sie vereinbart wurden oder nicht.388 Ein weiteres Beispiel ist die identische Praxis deutscher Gerichte bei Vorliegen einer Handelsklausel, der ebenfalls in aller Regel der Inhalt der Incoterms beigemessen wird auch ohne eine diesbezügliche Parteivereinbarung.389 Als zweite Strategie lässt sich die Anpassung nationaler Dogmatik nennen. Hierdurch wird privaten Regelwerken eine größere Autonomie zuerkannt, indem sich die nationale Dogmatik zurücknimmt. Als Beispiele ist hier die eingeschränkte Kontrolle zu nennen, die die deutschen und englischen Gerichte in Bezug auf die ERA anwenden.390 Ein weiteres Beispiel dieser Strategie ist die Bemühung um eine international einheitliche Auslegung der ERA in der englischen Spruchpraxis, wonach eine Auslegung nach nationalrechtlichen Prinzipien gerade zu vermeiden ist.391 Als dritte Strategie kann die generelle Beachtung der Funktionsbedingungen privater Regelwerke identifiziert werden. Die Ergebnisse der empirischen Ana­ lyse haben gezeigt, dass Gerichte bei ihrer Entscheidungsfindung grundsätzlich versuchen, die Rechtsbeständigkeit zu gewährleisten und eine international einheitliche Auslegung zu verfolgen. Die Gerichte sind also darauf bedacht, die Funktionsfähigkeit der Regelwerke nicht zu gefährden und kalkulieren teilweise ausdrücklich die Funktionsbedingungen bei der Entscheidungsfindung mit ein.392 Durch die Anwendung dieser Strategien erhalten die privaten Regelwerke eine autoritative Wirkung, die deutlich über ihren rechtsdogmatischen Status als standardisierte Vertragsnormen hinausgeht. Hierdurch gelingt es auch, die Funktions­ bedingungen privaten Einheitsrechts, also Rechtsbeständigkeit und eine inter­ national einheitliche Auslegung, zu gewährleisten. Hinter der Anwendung dieser Strategien des besonderen Umgangs mit privaten Regelwerken scheinen verschiedene Motivationen des staatlichen Rechts zu stehen, was im Folgenden als Abnahmemotivation bezeichnet wird. Die Abnahmemotivation staatlichen Rechts scheint dann besonders hoch zu sein, wenn eigene Regelungen fehlen, wie bei den ERA. In diesem Fall macht sich das staatliche Recht die Expertise privater Regelwerke zu Nutze und erspart Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.2.c)aa)(1); zu diesem Aspekt auch Levit, Bottom-­ up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1188. 389  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.1.c)aa)(1). 390  Siehe für die deutsche Spruchpraxis supra Drittes Kapitel III.2.c)aa)(2)(a) und für die englische Spruchpraxis supra Drittes Kapitel III.2.c)bb)(2)(a). 391  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.2.c)bb)(2)(b). 392  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.2.c)bb)(2)(a)(bb). 388 

IV. Strategien des praktischen Umgangs mit privatem Einheitsrecht

207

sich eigene kostenintensive Regelungen.393 Dies scheint insbesondere dann interessant, wenn es sich um eine Regelungsmaterie handelt, die hochkomplex ist und eine inhärente Mobilität aufweist.394 Eine Regelung durch das staatliche Recht, welche den Anspruch haben müsste, stets auf dem neuesten Stand zu sein, ist jedenfalls mit extrem hohen Informationskosten verbunden, wenn sie nicht sogar unmöglich ist.395 Ein solches Zunutzemachen privater Regulierungen tritt deutlich in Bezug auf die ERA in der deutschen Spruchpraxis hervor. Gerade vor dem Hintergrund des Fehlens eigener nationaler Regelungen werden die ERA als „Rechtsgrundlage“ bezeichnet und so angewendet.396 Anders verhält es sich daher, wenn das staatliche Recht nicht auf die privaten Regulierungen angewiesen ist: Die Strategien, welche privaten Regelwerken zu einer größtmöglichen Wirksamkeit verhelfen, werden dann gerade nicht angewendet, wenn eigene ausdifferenzierte Regelungen existieren. So ist die Anwendung der Incoterms vor englischen Gerichten streng innerhalb der dogmatischen Grenzen geblieben. In der Analyse der Spruchpraxis wurde hier bereits als mögliche Ursache ausgemacht, dass ein gefestigtes Verständnis der trade terms im englischen Common Law besteht.397 Die Richter sind also gerade nicht auf die Expertise des privaten Regelwerks angewiesen, was in einer verminderten Abnahmemotivation resultiert. Insgesamt hat sich damit gezeigt, dass sich die im Zweiten Kapitel identifizierten Gefahren für das private Einheitsrecht in der Praxis nicht zwingend reali­ sieren. Vielmehr weisen sowohl die Incoterms als auch die ERA eine hohe Rechtsbeständigkeit auf. Auch eine international einheitliche Auslegung wird forciert.398 393  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 344; siehe hierzu auch Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 720; siehe für die Problematik in Bezug auf die ERA Zahn/ Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/2 f.; Teubner spricht gar von einem Abhängigmachen staatlichen Rechts von privaten Standards, vgl. Teubner, Privatregimes: Neo-Spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft?, in: Simon/Weiss (Hrsg.), Liber Amicorum Spiros Simitis, 2000, S.  437, 445. 394  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 344. 395  Ebd., S.  344. 396  OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  65. 397  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.1.c)bb)(2)(a). 398  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.4.

Viertes Kapitel

Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer Im Vierten Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, ob die privaten Normsetzer ihrerseits versuchen, die Funktionalität privaten Einheitsrechts positiv zu beeinflussen, indem sie reflexiv die Rationalität staatlichen Rechts bei der Setzung ihrer Regeln einkalkulieren. Es wäre denkbar, dass die Regeln des privaten Einheitsrechts gerade so konstruiert werden, dass sie nicht gegen diejenigen Normen des staatlichen Rechts verstoßen, an denen sie aufgrund des Kontrollmaßstabes des jeweiligen Rezep­ tionsmechanismus gemessen werden.1 Die privaten Regelsetzer müssten also die Gefahren der konkreten Kontrollmaßstäbe berücksichtigen und darauf bedacht sein, nicht gegen die Maßstäbe der relevanten nationalen Rechtsordnungen zu verstoßen, was als Konfliktvermeidungsstrategie bezeichnet werden kann.2 Durch Verwertung und Einkalkulierung der Abnahmemotivation des staatlichen Rechts wäre es so indirekt möglich, eine höhere Wirksamkeit und Funktionalität des privaten Einheitsrechts zu erzielen. Aus dem Umstand, dass sie in der Folge nicht für unwirksam erklärt werden, könnten private Regelwerke darüber hinaus weitergehende normative Legitimität ableiten, die mit gleichermaßen wachsenden Erfahrungen des privaten Einheitsrechts ansteigen könnte.3 Als Ergebnis eines Prozesses der kontinuierlichen wechselseitigen Beobachtung könnte das private Einheitsrecht auch in der Praxis einen verlässlichen Rahmen für grenzüberschreitende Transaktionen bilden.

Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.b). Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-­the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary ­Theory, 2011, S.  335, 348. 3  Ebd., S.  348; Collins, Regulatory Competition in International Trade: Transnational Re­ gulation Through Standard Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  121, 129. 1  2 

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Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

I. Das Interesse der privaten Regelsetzer an der Funktionsfähigkeit des eigenen Regelwerks Fraglich ist zunächst, ob überhaupt ein Interesse der privaten Regelsetzer identifiziert werden kann, die eigenen Regeln so zu produzieren, dass die Funktions­ bedingungen im Wechselspiel mit staatlichem Recht gewährleistet werden. Ein solches Interesse identifiziert Schanze in Bezug auf Rechtsanwälte oder andere Rechtsberater, die Verträge für internationale Transaktionen erstellen und dabei die Wahl haben, auf staatliches Recht oder nichtstaatliche Normen zurückzugreifen.4 Diese Personen werden von Schanze als Regimeproduzenten charak­ terisiert, deren primäres Interesse die Erstellung eines funktionsfähigen Regimeproduktes für die Verwender ist. Zu diesem Zweck liegt das Hauptaugenmerk auf der Erstellung eines wirksamen Regelwerks, was bedeutet, dass es immun gegen Unwirksamkeitsgründe des staatlichen Rechts sein muss.5 So verstanden wird die Legitimität des Regelwerks im Verhältnis zum staatlichen Rechtssystem zu einer Grundvoraussetzung des Erfolgs privater Regelwerke, auf welche die Regelsetzer bedacht sind. Denn eine solche Legitimität bedeutet für die Verwender im Ergebnis, dass die Regeln im Zweifelsfall auch durch den staatlichen Zwangsapparat durchsetzbar sind. Diese Perspektive der Regelsetzer bezeichnet Schanze als „drafting-perspective“.6 Vor dem Hintergrund eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen7 erscheint es naheliegend, dass auch die privaten Regelsetzer wie die ICC ähnliche Interessen verfolgen und sich von solchen Motiven leiten lassen.8 Zwar wäre es auch denkbar, dass die privaten Regelsetzer eine solche funk­ tionsorientierte Perspektive nicht einnehmen und ihr Regelwerk isoliert ohne gedankliche Rückkopplung an das staatliche Rechtssystem produzieren, um so möglicherweise Regeln durchsetzen zu können, deren Anerkennungsfähigkeit vom staatlichen Recht a priori abgelehnt werden muss.9 Für die Durchsetzung 4  Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 338 ff. 5  Ebd. S.  338 ff. 6  Ebd., S.  335 ff., 338 ff. 7  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel IV.1.; siehe hierzu Collins, Regulatory Competition in International Trade: Transnational Regulation Through Standard Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  121, 130. 8  Siehe für die ICC Bankenkommission Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1187 ff. 9  So ist private Selbstregulierung stets dem Vorwurf ausgesetzt, dass in den Regulierun-

I. Das Interesse der privaten Regelsetzer an der Funktionsfähigkeit des eigenen Regelwerks 211

der Regeln müssten die privaten Regelsetzer sich dann auf rein private Governance-Mechanismen verlassen.10 Je größer aber der Adressatenkreis der Regelwerke ist, desto unwahrschein­ licher ist es, dass die Regeln in einer solchen Art rechtlichen Vakuums produziert werden. Geht es um Regeln, die konkret für eine bestimmte und örtlich begrenzte Branche produziert werden, in der Streitigkeiten typischerweise ohnehin durch rein private Mechanismen ohne Rückgriff auf das staatliche Rechtssystem geschlichtet werden, ist eine solche Konstruktion denkbar.11 Sobald die Regel­setzer aber strukturell davon ausgehen müssen, dass Streitigkeiten auf Grundlage der Regeln auch vor staatlichen Gerichten entschieden werden,12 ist es essen­tiell, dass die Wechselwirkungen mit dem staatlichen Recht unmittelbar einkalkuliert werden. Andernfalls würden die Regelsetzer Gefahr laufen, Regeln zu erzeugen, die nicht durchsetzbar sind, was sofort zu einer Ab- beziehungsweise Nichtwahl der betreffenden Regeln oder des Regelwerks insgesamt durch die Parteien führen würde.13 gen nur Individualinteressen bzw. Interessen einer bestimmten Gruppierung verfolgt werden, während im Gegensatz hierzu, staatliche Gesetzgebung darauf gerichtet ist, allgemeine Interessen zu schützen und durchzusetzen, siehe hierzu Collins, Regulatory Competition in Inter­na­tional Trade: Transnational Regulation Through Standard Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  121, 130 f.; Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code – A Theory of Transnational Private Law, 2010, S.  123 ff. 10  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.1.a). 11  Solche rein privaten Rechtssysteme (private legal systems), die in funktionaläquivalenter­ weise zum souveränen Nationalstaat in der Lage sind, die drei Staatsgewalten Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung innerhalb ihres Regimes zu erfüllen, werden in der Regel innerhalb von klar abgegrenzten Branchen oder anderen sozialen Gemeinschaften beobachtet, so zum Beispiel von Bernstein in der Baumwoll- und Diamantenindustrie, vgl. Bernstein, Opting out of the Legal System: Extralegal Contractual Relations in the Diamond Industry, 21 Journal of Legal Studies 1992, S.  115; Bernstein, Private Commercial Law in the Cotton Industry: Creating Cooperation Through Rules, Norms and Institutions, 99 Michigan Law ­Review 2001, S.  1724; Bernstein, Beyond Relational Contracts: Social Capital and Network Governance in Procurement Contracts, 7 Journal of Legal Analysis 2016, S.  561, 561 ff. Siehe hierzu auch Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code – A Theory of Trans­ national Private Law, 2010, S.  113 ff. 12  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.1. 13  Metzger, Standard Form Contracts as Private Legal Regimes, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, S.  112, 114; im Hinblick auf Standardverträge sprechen Kobayashi und Ribstein davon, dass die „[u]tility of using one of these standard forms is diminished by the uncertainty that the provisions contained in these standard forms will be enforced“, Kobayashi/Ribstein, Private Lawdrafting, Intellectual Property, and Public Laws, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  43, 45.

212

Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

Solche Abstoßungseffekte in der Praxis haben für private Regelsetzer nun aber unmittelbare monetäre Nachteile. Regelwerke wie die Incoterms und die ERA sowie die zugehörigen Publikationen und Auslegungsmaterialen der ICC sind nur kostenpflichtig zugänglich.14 Sofern sich die Regeln in der Praxis also nicht bewähren und die Nutzer sich entsprechend umorientieren, bedeutet dies einen direkten finanziellen Verlust für die ICC. Diese marktmäßige Orientierung der ICC tritt darüber hinaus in der Eintragung der Incoterms als Handelsmarke offen zu Tage.15 Gerade im Wettbewerb mit staatlichem Recht wird für private Regelwerke die Funktionsfähigkeit damit zum Determinanten von Erfolg und Misserfolg, da im Gegensatz zu privaten Regelwerken die Durchsetzbarkeit der Normen staat­ lichen Rechts dem Grunde nach gewährleitet ist.16 Als inhärente Grenze dieser Anreizstruktur der privaten Regelsetzer identifizieren Kobayashi und Ribstein in Bezug auf Standardverträge allerdings die vollständige Anerkennung als Recht.17 Vor dem Hintergrund der monetären Anreizstruktur privater Regelsetzer und dem Interesse am geistigen Eigentum ihrer Rechtsprodukte wäre eine vollständige Anerkennung als Recht nicht zielführend. So können sie nicht das geistige Eigentum an ihren Rechtsprodukten geltend machen, wenn die Regeln gleichzeitig als allgemeingültige Gesetze in das staatliche Rechtssystem inkorporiert werden.18 In Bezug auf Regelwerke wie die Incoterms und die ERA ist dies aber fraglich. Eine solche Inkorporierung der Regelwerke durch das staatliche Recht ist ohnehin nur durch einen Verweis auf das Regelwerk möglich. Andernfalls müsste der 14  Siehe hierzu den Onlineshop der ICC, , zuletzt abgerufen am 01.12.­ ­2017. Darüber hinaus hat die ICC für die Incoterms ein Markenrecht eintragen lassen. Siehe hierzu Ramberg, Incoterms® 2010, 29 Penn State International Law Review 2011, S.  415, 423 ff. 15  Ramberg, Incoterms® 2010, 29 Penn State International Law Review 2011, S.  415, ­423–424; siehe zur Anreizstruktur privater Regelsetzer durch geistiges Eigentum Kobayashi/ Ribstein, Private Lawdrafting, Intellectual Property, and Public Laws, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  43, 43–44. 16  Siehe hierzu Metzger, Standard Form Contracts as Private Legal Regimes, in: Eiden­ müller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, S.  112, 114; Wielsch, Global Law’s Toolbox: How Standards Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  71, 72 ff. 17  Kobayashi/Ribstein, Private Lawdrafting, Intellectual Property, and Public Laws, in: ­Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  43, 43 ff. 18  Kobayashi/Ribstein, Private Lawdrafting, Intellectual Property, and Public Laws, in: ­Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  43, 44.

II. Strategien privater Rechtsetzung

213

nationale Gesetzgeber auch die Aufgabe der kontinuierlichen Fortentwicklung der Regelwerke übernehmen, jedenfalls aber das nationale Vertragsrecht stetig bei Änderungen der Regelwerke anpassen. Es ist daher eher wahrscheinlich, dass eine solche Art der Inkorporierung den Interessen der privaten Regelsetzer vielmehr zuspielt: Eine gesetzliche Inkorporierung sorgt für eine noch größere Verbreitung des Regelwerks. Selbst wenn für das Regelwerk in der Folge keine Gebühr mehr erhoben werden kann, wird durch die gesteigerte Verbreitung der Absatz der dazugehörigen Materialen deutlich gesteigert. Vor diesem Hintergrund ist es also sehr wahrscheinlich, dass die Regelsetzer eine unlimitierte funktions- und legitimitätsorientierte Perspektive einnehmen, um den Erfolg des Regelwerks im Wettbewerb voranzutreiben. Im Gegensatz zu den in der vorliegenden Arbeit identifizierten Funktions­ bedingungen privaten Einheitsrechts, welche aus der Perspektive des staatlichen Rechts heraus formuliert wurden und die im Wesentlichen ex post durch die Art und Weise der Behandlung durch das staatliche Recht in der Praxis definiert werden,19 ist die funktions- und damit legitimitätsorientierte Perspektive der privaten Regelsetzer primär eine Betrachtung ex ante. Damit schließen sich beide Positionen nicht aus, sondern bilden vielmehr Gegenstücke, die es ermöglichen, ein vollständigeres Bild des Verhältnisses von staatlichem Recht und privater Normativität zu zeichnen.20

II. Strategien privater Rechtsetzung Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob und in welcher Art und Weise die Regelsetzer tatsächlich ihre Regeln unter Beachtung der Rationalitäten staatlichen Rechts konstruieren, um so die Funktionalität des eigenen Rechtsproduktes zu erhöhen. Naturgemäß ist die Beantwortung dieser Frage sehr einzelfall­ abhängig und Aussagen sind hier kaum zu generalisieren, sondern müssen notwendigerweise exemplarisch bleiben. Grundsätzlich ist es denkbar, dass die privaten Regelsetzer ihrerseits unterschiedliche Strategien verfolgen, um die Vereinbarkeit ihrer Regelwerke mit den staatlichen Rechtsordnungen zu erhöhen und somit die Abnahmemotivation durch das staatliche Recht zu steigern.21 Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II. Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 335–336. 21  Siehe hierzu auch Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 523. 19 

20 Vgl.

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Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

Zum einen könnten die privaten Regelsetzer bewusst die Vereinbarkeit mit nationalen Rechtsvorschriften prüfen sowie die Entwicklungen der Spruchpraxis beachten und in die Regelwerke integrieren.22 Problematisch ist hierbei natürlich, dass eine gleichzeitige Anpassung an alle Rechtsordnungen wohl kaum möglich ist, sondern eine spezifische Auswahl zu erfolgen hätte. Naheliegend wäre es, gerade die Rechtsordnungen einzubeziehen, in denen eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten auf Grundlage des Regelwerks entschieden werden oder die Rechtsordnungen solcher Staaten, in denen der Handel wirtschaftlich eine große Bedeutung hat, der das spezifische Regelwerk zur Abwicklung erfordert. Zum anderen wäre aber auch das bewusste Nicht-Regeln bestimmter Rechtsfragen denkbar. Dies erscheint insbesondere dann attraktiv, wenn die konkreten Regelungen Fragen berühren, in denen sich ein fundamentales staatliches Interesse verwirklicht. Hierzu zählen insbesondere solche Aspekte, bei denen sich das staatliche Recht durch zwingende Vorschriften ohnehin die Letztkontrolle vorbehält.23 Die Gefahr, dass anderslautende Regelungen privaten Einheitsrechts dann nicht anerkannt werden, ist hier besonders hoch. Ein explizites Offenlassen dieser Rechtsfragen könnte sich daher als attraktiver erweisen als eine Abstoßung durch das staatliche Recht. Der Preis dieser Strategie ist allerdings offenbar: Werden essentielle Fragen offengelassen, entscheidet darüber das auf den Vertrag anwendbare Recht, welches von Vertrag zu Vertrag variieren kann. Gerade das Nicht-Regeln sensibler Rechtsfragen kann dann das Ziel der Rechtseinheit drastisch gefährden. Der Existenz beider Strategien soll im Folgenden exemplarisch am Beispiel der ERA nachgegangen werden.

III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme Im Hinblick auf die ERA lassen sich Beispiele für die Verfolgung beider Strategien durch die privaten Regelsetzer identifizieren, um sowohl die Rechtsbeständigkeit der Regeln zu erhöhen (1.) als auch eine internationale Auslegung des Regelwerks voranzutreiben (2.).

22  Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Re­ vision 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 127. 23  Siehe zu den Regelungsmaterien, die typischerweise dem staatlichen Recht zugerechnet werden, Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 714 ff., 719.

III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme

215

1. Erhöhung der Rechtsbeständigkeit Ganz pragmatisch zeigt sich die Anwendung beider Strategien durch die privaten Regelsetzer zum Zweck der Steigerung der Rechtsbeständigkeit am Beispiel der Revision der ERA 500, welche die ERA 600 hervorbrachte. Grundsätzlich werden für Revisionen der ERA Expertengruppen von der ICC Bankenkommission ins Leben gerufen. Auch für die Revision der ERA 500 wurden eine Arbeitsgruppe24 und eine Beratungsgruppe25 durch die ICC Bankenkommission eingesetzt. Ziel dieser beiden Expertengruppen war es, in Zusammenarbeit Vorschläge für die Neufassungen der ERA zu erstellen.26 Zusätzlich konsolidieren die ICC Nationalkomitees Anmerkungen aus den jeweiligen Staaten und lassen diese den Expertengruppen zukommen.27 Diese Expertengruppen sind primär nicht mit Juristen, sondern mit Praktikern aus dem Dokumentengeschäft besetzt, die ihre Expertise auf den relevanten Gebieten des internationalen Akkreditiv- und Handelswesens insbesondere im Hinblick auf neue Entwicklungen in die neuen Regeln einfließen lassen.28 Dementsprechend liegt auch der Fokus der Expertengruppen auf der Einarbeitung der aktuellen Praxis. Allerdings haben die wenigen Juristen, die den Expertengruppen angehören, die Hauptaufgabe zu überprüfen, ob die Vorstellungen der praxisorientierten Experten auch rechtsbeständig zu erreichen sind.29 Dies gilt umso mehr, als dass die Expertengruppen bei der Erstellung der Revisionen explizit die Spruchpraxis der nationalen Gerichte zu problematischen Rechtsfragen einbeziehen.30 24  Diese sogenannte Drafting Group wurde aus zehn Mitgliedern aus acht Ländern der Bankenkommission durch den Policy Manager gebildet. Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Revision 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 137. 25  Diese sogenannte Consulting Group besteht aus mehr als 40 Mitgliedern aus insgesamt 26 Ländern, die entweder der Bankenkommission angehören oder sich in anderer Form als Experten qualifizieren. Die Consulting Group wurde erstmalig im Rahmen des Änderungs­ prozesses der ERA 500 zu dem Zweck ins Leben gerufen, die Vorschläge der Arbeitsgruppe zu überprüfen und Vorschläge zur Verbesserung zu unterbreiten. Holzwarth, Einheitliche Richt­ linien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Revision 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 137. 26  Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Re­ vision 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 137; Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/9. 27  Siehe hierzu die Einleitung der ERA 600, abgedruckt in: ICC, Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP 600 Drafting Group, ICC Publication No. 680E, 2007. 28  Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Revi­ sion 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 148 ff. 29  Ebd., S.  136 f., 149. 30  Ebd., S.  137.

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Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

Damit deutet schon die Grundstruktur und Aufgabenverteilung der Expertengruppen darauf hin, dass die ERA nicht in einem rechtsfreien Raum erstellt werden, sondern zumindest auch in the shadow of law, also vor dem Hintergrund der nationalstaatlichen Rechtsordnungen. Darüber hinaus können im Rahmen dieses Revisionsprozesses durch die ICC Bankenkommission konkrete Beispiele für die Strategie der Einbeziehung der Spruchpraxis einerseits und der Strategie der ausdrücklichen Nicht-Regelung sensibler Rechtsfragen andererseits identifiziert werden, um die Rechtsbeständigkeit der ERA weiter zu steigern. a) Einarbeitung der Spruchpraxis Konkret zeigt sich die Einbeziehung der Spruchpraxis am Beispiel der Neuregelungen, welche in Bezug auf Originale und Kopien von Dokumenten im Rahmen der Revision der ERA 500 getroffen wurden (Art.  17 ERA 600). Die ursprüngliche Regelung der ERA 400 sah in dieser Hinsicht vor, dass Banken lediglich originale Dokumente akzeptieren durften, es sei denn, im Akkreditiv war etwas anderes vereinbart.31 Moderne Methoden der Erstellung von Fotokopien und andere Computertechniken machten es aber immer schwieriger, Originale von hochwertigen Fotokopien zu unterscheiden. Durch die technischen Entwicklungen wurde damit eine erweiternde Klarstellung der ERA notwendig.32 In der Folge galt gemäß Art.  20b ERA 500 als Original ein solches „Dokument, das (ohne etwas Widersprüchliches dazu zu beinhalten) Originalunterschrift, Zeichen, Stempel oder Aufkleber zu tragen [habe], oder vom Aussteller eigenhändig handschriftlich oder mit der Maschine geschrieben, perforiert oder gestempelt, oder auf dem Originalbriefbogen des Ausstellers erstellt oder aber als Original bezeichnet zu sein scheint“.33

Somit konnten nun auch andere Dokumente als Originale behandelt werden, vorausgesetzt, sie wurden als solche markiert.34 Diese Regelung verursachte eine Reihe von kontroversen Entscheidungen, insbesondere im Common Law, die ihrerseits zu Schwierigkeiten in der internationalen Bankenpraxis führten.35 31  Siehe hierzu Art.  20 ERA 500, abgedruckt bei Hopt/Merkt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2006. 32  Die ursprüngliche Regelung befand sich in Art.  22c ERA 400; siehe hierzu auch Zahn/ Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  2/272. 33  Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Revi­ sion 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 144. 34  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-57. 35  Diese Rechtsprechungsreihe begann mit der Entscheidung Glencore International AG v Bank of China und Kredietbank Antwerp v Midland Bank plc, wo Dokumente als nicht konform klassifiziert wurden, weil eine solche Markierung fehlte. In Credit Industriel v China Merchants

III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme

217

Als problematisch stellte sich vor allem dar, ob nach der Neuregelung Dokumente akzeptiert werden konnten, die zwar unzweifelhaft Originale waren, denen aber eine explizite Markierung als Original fehlte.36 Im Ergebnis wurde die Problematik des Art.  20b ERA 500 im Rahmen der englischen Rechtsprechung durch die Regel beigelegt, dass die Bank stets gegen solche Dokumente Zahlung leisten muss, die auch vor der Änderung des Art.  20b ERA 500 als Original anerkannt worden wären, unabhängig davon, ob sie als Originale markiert worden waren oder nicht.37 Im Rahmen der Neuregelung der ERA 600 wurde nun explizit versucht, diese Rechtsprechung aufzugreifen und insbesondere zu konkretisieren.38 Die Voraussetzung, dass die Dokumente Originale sein müssen, ist nun ausdrücklich in Art.  17a ERA 600 niedergelegt. In Art.  17b ERA 600 wurde zudem explizit versucht, die Probleme, die in der Rechtsprechung schon zu Tage traten, zu verringern. Zusammengefasst ist die Bank gemäß Art.  17b ERA 600 auch verpflichtet, gegen Dokumente Zahlung zu leisten, die Originale zu sein scheinen, und entspricht somit der Entscheidung der englischen Gerichte. Aufgrund der Stellung Londons als Europäisches Finanzentrum, in dem naturgemäß sehr viele Banken ihren Sitz haben, ist es auch kaum verwunderlich, dass sich Beispiele gerade in Bezug auf die englische Spruchpraxis gezeigt haben. b) Bewusste Nicht-Regelung Die zweite Strategie, welche die privaten Regelsetzer verfolgen können, um die Wirksamkeit ihrer Regeln zu erhöhen, ist die bewusste Nicht-Regelung bestimmter Rechtsfragen, die zu Konfliktlagen mit zwingendem nationalstaatlichen Recht führen. Sofern diese Aspekte ausgespart werden, sind Geltungskonflikte, die vom staatlichen Recht mutmaßlich hierarchisch aufgelöst werden, schon dem Grunde nach vermieden. Diese Strategie wird von manchen Regelwerken eher implizit verfolgt. Die Incoterms regeln so beispielsweise vor allem den vertraglichen Teilbereich der Bank wurden im Ergebnis solche Dokumente ohne eine Markierung als konform angesehen, sofern sie vor der Neuregelung auch als Originale gegolten hätten. Vgl. Glencore International AG v Bank of China [1996] 1 Lloyd’s Rep 135; Kredietbank Antwerp v Midland Bank plc. [1999] C.L.C. 1108; Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm); sowie Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-57–6-59. 36  Kredietbank Antwerp v Midland Bank plc. [1999] C.L.C. 1108, Rn.  38. 37  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-58. 38  Murray/Holloway/Timson-Hunt, Schmitthoff Export Trade: The Law and Practice of ­International Trade, 2007, Rn.  11-016; Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Revision 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 137.

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Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

Gefahrtragung.39 Dieser Bereich materiellen Rechts ist in den meisten Rechtsordnungen ohnehin nur dispositiver Natur, weshalb Konfliktlagen von vorn­ herein gering sind.40 Grundsätzlich kann daher gesagt werden, dass ein zurückgenommener Regelungsinhalt die Wirksamkeit privater Regelwerke erhöht. Im Falle der ERA tritt diese Strategie aber bewusst zu Tage. In den ERA ist die wichtige Frage der Grenzen der Zahlungspflicht der Bank offengelassen.41 Ursächlich für die Nicht-Regelung dieser Problematik war sicherlich einerseits die Absicht, das Instrument als Zahlungsmittel zu stärken, was natürlich dann am besten gewährleistet ist, wenn keine Grenzen für die Zahlungspflicht der Bank existieren. Allerdings ist auch unbestreitbar, dass es Schranken geben muss, wie beispielsweise in Fällen des Rechtsmissbrauchs, was aber durch die ERA nicht geregelt wird. Eine diesbezügliche Regelung kann, wie Schütze hierzu ausführt, „[a]ngesichts der heftigen Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum […] nicht übersehen worden sein“.42

Schütze geht deshalb davon aus, dass diese Problematik „als ,kritische‘ Frage ungeregelt gelassen worden ist“.43 So bringen auch die Opinions der Bankenkommission und die DOCDEX-Entscheidungen vielfach zum Ausdruck, dass die außerhalb der ERA liegenden Probleme wie die Rechtsfolgen von Betrug und Rechtsmissbrauch vom auf den Vertrag anwendbaren Recht zu beantworten sind, zwingendes Recht den ERA also stets vorgeht.44 Ein weiteres Beispiel dieser Strategie ist der zurückgenommene Anwendungs­ bereich der ERA. Art.  1 Satz  2 der ERA 600 stellt nun ausdrücklich fest, dass die ERA nur insoweit gelten, als sie ausdrücklich im Akkreditiv zugrunde gelegt und im Akkreditiv nicht ausdrücklich geändert oder ausgeschlossen wurden.45 Die ERA 500 regeln in Art.  1 Satz  2 noch stets eine Bindungswirkung „sofern im Akkreditiv 39  von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  187. 40  So ist im deutschen Recht das Prinzip der Gefahrtragung dispositiver Natur, siehe hierzu auch von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommen­ tierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  5; Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  115. 41  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-78; Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  2/395. 42  Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  427. 43  Ebd., Rn.  427. 44  Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Re­ vision 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 149; Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H6. 45  Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Re­ vision 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136,

III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme

219

nicht ausdrücklich etwas anderes vorgeschrieben ist“.46 Obwohl vor dem Hintergrund des Rechtscharakters der ERA eine eigene Definition des Geltungsbereiches durch das Regelwerk selbst ohnehin nicht bindend ist, kann eine zurückgenommene Geltung wie in den ERA 600 potenzielle Geltungskonflikte vermeiden. c) Zwischenergebnis Beide Strategien tragen im Ergebnis dazu bei, dass der Rechtsbestand der ERA weiter gefestigt wird und die Bestimmungen der ERA nicht durch die Kontrollmechanismen staatlichen Rechts für unwirksam erklärt werden. Während durch die erste Strategie, die Einarbeitung der Spruchpraxis, ex post Konfliktlagen behoben werden und den Rationalitäten des staatlichen Rechts gefolgt wird, ermöglicht die zweite Strategie, die bewusste Nicht-Regelung, ex ante eine Vermeidung möglicher Konflikte.

2. Unterstützung der international einheitlichen Auslegung Die ICC Bankenkommission berücksichtigt die Entwicklungen der Spruchpraxis ebenfalls reflexiv, um eine international einheitliche Auslegung weiter zu fördern und Auslegungsdivergenzen entgegenzutreten. Die ICC Bankenkommission unterhält zunächst eine extensive Gutachten­ praxis, um die Gefahr der uneinheitlichen Auslegung zu verringern.47 In dieser Gutachtenpraxis wird stets versucht, zu den neuesten Rechtsfragen Stellung zu nehmen.48 Die Bankenkommission führt in diesem Sinne aus: „[T]he Banking Commission devotes considerable part of its efforts to the important task of considering queries raised regard the interpretation of the various provisions of the UCP, and giving its opinion for the guidance of the interested parties.“49

Durch die Veröffentlichung der Opinions ist die ICC auch kurzfristig in der Lage, auf Probleme der Praxis im Rahmen der Auslegung zu reagieren und diese zu verringern, ohne direkt eine Revision der ERA anstreben zu müssen.50 149; Jäger/Haas, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, Rn.  15. 46  Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Revi­ sion 2007) der Internationalen Handelskammer, Paris, Publikation Nr.  600, IHR 2007, S.  136, 149. 47  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.2.a)bb). 48  Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  22 ff. 49  ICC Banking Commission, Opinions 1980–1981, ICC Publication No. 399, zitiert nach Levit, Bottom-up Lawmaking Through a Pluralist Lens: The ICC Banking Commission and the Transnational Regulation of Letters of Credit, 57 Emory Law Journal 2008, S.  1147, 1172, Fn.  71. 50  Siehe hierzu Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/19.

220

Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

Aber auch die ERA 600 selbst spiegeln den Versuch wider, eine weitergehende einheitliche Auslegung durch die nationalen Gerichte zu ermöglichen. So sind in den ERA 600 insbesondere Sprache und Ausdrucksweise im Interesse einheit­ licher Anwendung in der Praxis und der Vermeidung von Interpretationsschwierigkeiten überarbeitet worden.51 Zu diesem Zweck ist den ERA beispielsweise in Art.  2 ERA 600 eine Vielzahl von Definitionen vorangestellt. Solche Defini­tio­ nen waren zwar bereits in den vorherigen Versionen vorhanden, allerdings über das ganze Regelwerk verstreut, sodass die Systematisierung zur Vereinfachung der Anwendung beiträgt.52 Darüber hinaus reagiert die Bankenkommission im Rahmen der Revisionen auch direkt auf divergierende nationale Auslegungen. So ist die Neuregelung der ERA 600 in Art.  12b ausweislich der Kommentierung der ICC gerade als Antwort auf die unterschiedlichen rechtlichen Auffassungen im Hinblick auf die ­Frage der Bevorschussung eines Akkreditivs mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment letter of credit) zu verstehen.53 Ebenso wurde im Rahmen der Änderung der ERA 600 die umstrittene Frage geklärt, wie viel Zeit der Bank im Rahmen der Dokumentenprüfung zur Verfügung steht. Die ERA 500 regelten diesbezüglich, dass die Entscheidung der Bank „within reasonable time, not to exceed seven banking days“ zu erfolgen hatte. Was hierunter genau zu verstehen war, war in der Rechtsprechung allerdings wenig gefestigt.54 Die ERA 600 vereinfachten die Regelung nun drastisch, indem Art.  14b ERA 600 festlegt, dass der Bank ein „maximum of five banking days“ zur Verfügung steht, um so weiteren Auslegungsdivergenzen vorzubeugen.55

Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA ­ inleitung Rn.  3; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, E 2008, Rn.  9a; Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/10. Siehe auch die Einleitung des Kommentars zu den UCP 600, sowie die Erwägungsgründe zu Art.  2 UCP 600 und Art.  3 UCP 600, ICC, Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP 600 Drafting Group, ICC Publication No. 680E, 2007, S.  5 ff. sowie 10 ff. und 20 ff. 52  Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, Rn.  1/09. 53  Art.  12b ERA 600 „responds to legal questions raised as to whether UCP 500 or international standard banking practice supports discounting of such obligations“, ICC, Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP 600 Drafting Group, ICC Publication No. 680E, 2007, S.  43. 54  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-65. 55  Ebd., Rn.  6-66. 51 

III. Beispiele reflexiver Einbeziehung und Rücksichtnahme

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3. Zwischenergebnis Es zeigt sich sehr anschaulich, wie im Falle der ERA beide Strategien konkret angewendet werden. Zum einen arbeitet die Bankenkommission die Stellungnahmen der Nationalkomitees ein und kalkuliert explizit die Entwicklungen der Rechtsprechung, jedenfalls in Bezug auf die englische Spruchpraxis, bei den Revisionen ein. Zum anderen werden sensible Rechtsfragen außerhalb des Regelungsumfangs belassen. Hier offenbaren sich in der Gesamtschau mit den Ergebnissen der empirischen Analyse direkte Wechselwirkungen zwischen diesen Strategien der privaten Normsetzer einerseits und der Spruchpraxis des staatlichen Rechts andererseits, die sich im Ergebnis positiv auf die Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts auswirken. Dies gilt zunächst für die reflexiven Wirkungen der ersten Strategie, der Ein­ arbeitung der Spruchpraxis staatlicher Gerichte. So hat die empirische Analyse des Dritten Kapitels gezeigt, wie die staatlichen Gerichte für ihre Entscheidungsfindung auf Erwägungen der privaten Regelsetzer wie beispielsweise die ICC Opinions oder die DOCDEX-Entscheidungen rekurrieren und diesen folgen.56 Gleichermaßen zeigen die kurzen Beispiele des Vierten Kapitels, wie die Bankenkommission der ICC sich bei dem Entwurf neuer Regelungen der ERA an der Rechtsprechung, jedenfalls der der englischen Gerichte, orientiert und diese Ergebnisse in den Revisionen aufgenommen werden.57 Ausdrücklich verfolgt die ICC mit der Beachtung der Rechtsprechung bei der Neuregelung des Instruments das Ziel, den ERA zu noch mehr Geltung zu verhelfen.58 Eine solche wechselseitige Beachtung und Rücksichtnahme kann nun konkret die Rechtsbeständigkeit der ERA steigern: Sofern sich die ERA an den Präzedenzfällen des englischen Rechts orientieren, nähert sich die Gefahr, dass Regelungen einer Kontrolle vor dortigen Gerichten nicht standhalten, einem Nullpunkt, wenn auch englisches Recht auf den Vertrag Anwendung findet. Dadurch verfestigen staatliches Recht und nichtstaatliche Regelsetzer wechselseitig die Regeln: Neue Bestimmungen der ERA werden durch die Rechtsprechung ausgelegt und interpretiert, sodass durch die Präzedenzwirkung Regeln kondensiert werden. Diese werden dann weiter dadurch verfestigt, dass das Regelwerk in dieser Hinsicht angepasst wird und dann erneut durch die Rechtsprechung bestätigt wird. Aus diesem Umstand kann eine neue Regel im Regelwerk dann Legitimität vom staatlichen Recht ableiten. Aus der bloßen Selbstregulierung ohne darüber Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.2.c)bb)(2). Siehe hierzu supra Viertes Kapitel III.1.a). 58  Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 2010, S.  6. 56  57 

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Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

hinausgehende Rechtsgeltung wird damit plötzlich mehr. Dieser Prozess der Konstitutionalisierung scheint in Bezug auf die ERA und das englische Common Law schon weit gediehen, was mit den Worten von Bridge verdeutlicht werden kann: „The UCP rules are so expressive of modern banking practice that no appreciable difference is likely to exist between the application of English law without the rules and the application of English Law with the rules. The distinction in case law between an interpretation of the UCP rules and a statement on English law on the subject can be very difficult indeed to discern.“59

Durch die pragmatische Anwendung des Regelwerks durch die staatlichen Gerich­ te ohne nähere rechtsquellentheoretische Begründung, wird die Autorität privater Regelwerke noch zusätzlich gesteigert und die Grenzen zwischen privater Normativität und staatlichem Recht verschwimmen mehr und mehr in der Praxis.60 Auch die zweite Strategie der privaten Regelsetzer, die bewusste Nicht-Regelung von sensiblen Rechtsfragen, wirkt sich im Ergebnis positiv auf die Funk­ tionsfähigkeit des Instruments aus. Obwohl die Konsequenz solcher Regelungslücken stets Einfallstore für nationale Regelungen sind, die wieder Rechtsverschiedenheit und damit Rechtsunsicherheit im Rechtsregime bewirken können, hat diese Strategie einen positiven Effekt: Durch Offenlassen solcher sensiblen Rechtsfragen und durch einen zurückgenommenen Anwendungsbereich wird innerhalb des Regelwerks die Gefahr verringert, dass Regelungen für unwirksam erklärt werden. Es werden damit die Regelungsbereiche klar abgegrenzt und die normative Sphäre des jeweils anderen Regimes wird respektiert. Reflexiv wird die Eigenlogik des privaten Regelwerks auch im Rahmen der Anwendung vor staatlichen Gerichten berücksichtigt. Damit macht sich nicht nur das staatliche Recht private Rechtsetzung zunutze.61 Auch die privaten Regelsetzer profitieren von einer solchen autoritativen Anwendung und Durchsetzung der privaten Regeln.

IV. Auswirkungen auf die Rechtssicherheit In der Gesamtschau des Dritten und Vierten Kapitels zeigt sich, dass sowohl das staatliche Recht als auch die privaten Regelsetzer versuchen, die Funktionsfähigkeit privaten Einheitsrechts durch wechselseitige Beobachtung zu gewährleisten und weiter voranzutreiben, obwohl dies naturgemäß der Einschränkung der nur Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-21. Siehe hierzu auch das Konzept von Berman, Global Legal Pluralism – A Jurisprudence of Law Beyond Borders, 2012, S.  141 ff. 61  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. 59  60 

IV. Auswirkungen auf die Rechtssicherheit

223

begrenzt möglichen Generalisierbarkeit der vorliegenden Ausführungen unterliegt. Ursächlich für diesen Prozess ist das aufgrund unterschiedlicher Motiva­ tionen bestehende Interesse sowohl der privaten Regelsetzer als auch des staat­ lichen Rechts, privaten Regelungen zu einer größtmöglichen Wirksamkeit zu verhelfen.62 Für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels könnte diese Praxis im Ergebnis bedeuten, dass der strukturelle Nachteil privaten Einheitsrechts, nämlich die mangelnde Rechtsgeltung,63 mit der Zeit in tatsächlicher Hinsicht überwunden wird. Durch die wechselseitige Berücksichtigung kann sich faktisch ein stabiles Regelwerk konstituieren, welches rechtsbeständig ist und international einheitlich ausgelegt wird. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit würde damit mehr und mehr befriedigt. Dies gelingt, wie die Untersuchungen des Dritten Kapitels zeigen, nicht durch eine formale Anerkennung als Rechtsquelle durch das staatliche Recht, sondern durch die Anwendung unterschiedlicher Strategien des praktischen Umgangs mit privaten Regelwerken in Abhängigkeit von der Abnahmemotivation des staat­ lichen Rechts in Bezug auf das jeweilige Regelwerk.64 Diese Vorgehensweise hat einen ersichtlichen Vorteil: Antworten auf die Herausforderungen, die private Regelwerke an die traditionelle Rechtsquellenlehre stellen,65 müssen zunächst nicht gesucht und staatszentrierte Rechtskonzepte auch nicht aufgegeben werden. So konstatiert Michaels: „[T]he state cannot recognize non-state law as law and at the same time maintain the same concept of itself.“66

Anders als bei der Anerkennung fremder nationalstaatlicher Rechtsordnungen im Rahmen des internationalen Privatrechts hat der Staat in Bezug auf nichtstaatliches Recht hieran auch kein Interesse: Durch die wechselseitige Anerkennung nationalstaatlicher Rechtsordnungen bestätigen die Nationalstaaten sich wechselseitig als legitime Rechtsetzer und stärken ihre eigene Position.67 Damit wird es jedem Nationalstaat ermöglicht, innerhalb der eigenen territorialen Grenzen Aufgaben der Rechtsetzung, Rechtsprechung und Durchsetzung wahrzunehmen.68 Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. und supra Viertes Kapitel I. Siehe hierzu supra Zweites Kapitel III. 64  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. 65  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 478 ff. 66  Siehe hierzu Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209, 1250. 67  Ebd., S.  1248. 68  Ebd., S.  1248. 62  63 

224

Viertes Kapitel – Wechselseitige Beobachtungen der Regelsetzer

Die Konsequenz der Anerkennung nichtstaatlicher Rechtsordnungen wäre aber eine andere. Die Abgrenzung zwischen Staaten und nichtstaatlichen Regelsetzern wird vielmehr durch die Trennung von Staat und Privat, also durch eine funktionale Differenzierung beschrieben:69 „Während Staat und Gesellschaft sich wechselseitig konstituieren, so konstituieren sie sich entsprechend als Staat und Gesellschaft, nicht als Rechtsetzer.“70

Diese Differenzierung müsste der Staat aufgeben, wenn nichtstaatliches Recht als ebenbürtig anerkannt werden sollte. Letztlich müsste der Staat damit seine eigene hierarchische Position aufgeben,71 was erklärt, weshalb eine Anerkennung nichtstaatlicher Rechtsordnungen als Recht so fernliegend ist.72 Das hieraus im Ergebnis resultierende Dilemma der Konzeptualisierung privater Regelwerke kann zwar, wie gezeigt, im Einzelfall in der Praxis pragmatisch in einer solchen Art und Weise aufgelöst werden, dass vordergründig das Konzept der Einheit der Rechtsordnung auch in Anbetracht der Transnationalisierung und der Fragmentierung globalen Rechts bewahrt werden kann.73 Für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels könnte diese Praxis im Ergebnis bedeuten, dass der strukturelle Nachteil privaten Einheitsrechts, nämlich die mangelnde Rechtsgeltung,74 mit der Zeit in tatsächlicher Hinsicht überwunden wird. Durch die wechselseitige Berücksichtigung kann sich faktisch ein stabiles Regelwerk konstituieren, welches rechtsbeständig ist und international einheitlich ausgelegt wird. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit würde damit mehr und mehr befriedigt. Gleichwohl ist dieses Vorgehen nicht unproblematisch. So bleibt trotz dieser faktischen Auflösung die Gefahr der dogmatischen Konzeptualisierung für die Funktionsfähigkeit privater Regelwerke dem Grunde nach bestehen. Die Möglichkeit, dass im Einzelfall die Regelungen des privaten Einheitsrechts den Kontrollmechanismen unterliegen oder eine nationale Auslegung vorgenommen wird, bleibt damit stets allgegenwärtig. Für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels ist dieser Zustand damit nicht vollends zufriedenstellend, da die Handhabe in jedem Einzelfall eine ande69 

Ebd., S.  1248. Siehe hierzu ebd., S.  1248: „While state and society mutually constitute each other, they constitute each other as state and society respectively, not as lawmakers.“ 71  Ebd., S.  1249. 72  Ebd., S.  1249. 73  Teubner/Fischer-Lescano, Regime-Collisions: The Vain Search for Legal Unity in the Fragmentation of Global Law, 25 Michigan Journal of International Law 2003/2004, S.  999, 999 ff. 74  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel III. 70 

IV. Auswirkungen auf die Rechtssicherheit

225

re sein kann. So zeigen die Diskussionen um Nichtigkeitseinwendungen75 und Einwendungen aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot76 gegen die Zahlungspflicht im Falle der ERA im englischen Recht die Fragilität dieses Lösungsweges.77 Obwohl die Gerichte größte Vorsicht in Bezug auf den Eingriff nationalen Rechts walten lassen, besteht stets die Möglichkeit, dass dennoch Bestimmungen für unwirksam erklärt oder Regelungen getroffen werden, die der Funktionsfähigkeit des Regelwerks entgegenstehen.78 Ein offenes rechtsquellentheoretisches Bekenntnis wäre aus dieser Perspektive den indirekten Mechanismen der wechselseitigen Anerkennung, welche diese Arbeit aufgetan hat, vorzuziehen.

75  Siehe hierzu Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2016, S.  1062 ff.; Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-81 f. 76  Bridge, The International Sale of Goods, 2013, Rn.  6-83 f. 77  Ebd., Rn.  6-84. 78  Mahonia Limited v JP Morgan Chase Bank, West LB AG [2004] EWHC 1938 (Comm).

Fünftes Kapitel

Lehren für die Zivilrechtsdogmatik Haben das Dritte und Vierte Kapitel gezeigt, dass in der Praxis die Gefahr der dogmatischen Konzeptualisierung zwar pragmatisch aufgelöst wird und die Funktionsbedingungen privaten Einheitsrechts dem Grunde nach gewährleistet werden, so steht das Fünfte Kapitel gleichwohl in abgeschwächter Form erneut am Anfang der Untersuchung, wenn es um die Frage der Gewährleistung von Rechtssicherheit geht. Rechtssicherheit für die Akteure bleibt immer noch fraglich, wenn im Einzelfall stets die Möglichkeit besteht, dass die Regelungen des privaten Einheitsrechts den Kontrollmechanismen unterliegen oder eine nationale Auslegung vorgenommen wird. Selbst wenn dies in einer Vielzahl der Fälle nicht passieren wird, stellt die Praxis wohl eher einen Kompromiss dar als einen zufriedenstellenden Regelungszustand. Es stellt sich damit die Frage, welche Lehren die Rechtsdogmatik in Bezug auf internationale Sachverhalte im Nachgang aus der Analyse ziehen sollte. Sofern sich andere Strategien als maßgeblich für die Entscheidungsfindung in der Praxis erweisen1 als die traditionelle Rechtsdogmatik, könnten Anpassungen erforderlich, wenn nicht gar notwendig sein. Ausgehend von einer Begriffs- und Funktionsbestimmung der Zivilrechtsdogmatik wird deutlich, dass diese in Bezug auf private Regelwerke einer kritischen Bestandsaufnahme kaum standhält. Die Rechtsdogmatik bildet das gelebte Recht der Rechtspraxis nicht vollumfänglich ab. Dieses Phänomen ist indes nicht neu. Schon im Jahre 1910 beobachtete Pound wie die Rechtsprechung pragmatisch mit der Dogmatik verfährt, um im Ergebnis eine adäquate Entscheidung zu gewährleisten. Pound veranschaulicht dies mit einer Parabel aus Tom Sawyer und Huckleberry Finn:2 Tom und Huck versuchen Jim zu retten, der unter einer Hütte begraben ist und diskutieren, welches Werkzeug hierfür zu verwenden sei. Trotz einer Vielzahl Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. Das Beispiel ist mit den englischen Originalzitaten entnommen bei Pound, Law in Books and Law in Action, 44 American Law Review 1910, S.  12, 12 f. Die deutschen Zitate finden sich alle bei Twain, Tom Sawyer & Huckleberry Finn, neu übersetzt von Andreas Nohl, (1884) 2012, S.  550–554. 1  2 

228

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

zur Verfügung stehender Werkzeuge wie Spaten und Schaufeln sagt Tom, es müsse mit Küchenmessern gegraben werden. Als Huck noch einmal ungläubig nachfragt, antwortet Tom: „Es ist egal, wie blödsinnig es ist, es ist eben richtig so – und es ist so vorgeschrieben. Und anders geht’s nicht, zumindest hab ich nie davon gehört. Und ich hab die ganzen Bücher gelesen, in denen alles Wichtige über diese Dinge steht. Sie graben immer mit Küchenmessern.“ Nachdem sie bis Mitternacht nahezu keine Fortschritte gemacht hatten, sagte Tom zu Huck: „Gib mir mal’n Küchenmesser.“ Huck gab ihm seins, aber Tom warf es zu Boden und verlangte erneut: „Gib mir’n Küchenmesser.“ Huck verstand schließlich und gab Tom eine Spitzhacke. Tom nahm sie ohne ein Wort zu sagen und arbeitete weiter. Aus Hucks Sicht hatte Tom stets „seine festen Prinzipien“. In dieser Vorgehensweise sieht Pound eine der ältesten Entdeckungen des Rechts: „[T]he law has always managed to get a pickaxe in it’s hands, though it steadyfastly demanded a case-knife, and to wield it in the virtous belief that it was using the approved instrument.“3

Anstatt also notwendige Anpassungen vorzunehmen, findet die Entscheidungsfindung unter dem Mantel hergebrachter Dogmen statt, obwohl diese die tatsächliche Praxis nicht länger widerspiegeln. Aufgabe der Rechtswissenschaft ist es aber, die Rechtsdogmatik (law in books) so zu gestalten, dass die Rechtspraxis (law in action) ihr entspricht.4 Entgegengesetzte Versuche, die Rechtspraxis in die Rechtsdogmatik einzupassen, nur zu dem Zwecke sie zu bewahren, gehen fehl.5 Mit Pound geht es damit in einem letzten Schritt darum, die Zivilrechtsdogmatik um den Begriff des privaten Einheitsrechts anzureichern, um so Rechtspraxis und Rechtsdogmatik in Einklang zu bringen.

I. Privates Einheitsrecht und Zivilrechtsdogmatik Stellt sich also die Frage nach den praktischen Auswirkungen der Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit auf die Zivilrechtsdogmatik, ist es zunächst unerlässlich, ein begriffliches Fundament der Dogmatik selbst zu erarbeiten, welches als Ausgangspunkt dienen kann. Ausgehend hiervon werden die Aufgaben und Funktionen der Rechtsdogmatik betrachtet. Pound, Law in Books and Law in Action, 44 American Law Review 1910, S.  12, 12 f. Ebd., S.  13 ff., 35 f. 5  Ebd., S.  19; siehe für eine Analyse dieses Zitats auch Calliess, Zur Rolle der Rechtsvergleichung im Kontext des Wettbewerbs der Rechtsordnungen, in: Zimmermann (Hrsg.), Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung, S.  167, 169 f. 3  4 

I. Privates Einheitsrecht und Zivilrechtsdogmatik

229

1. Begriff Eine Auseinandersetzung mit der Rechtsdogmatik generell und ihren Aufgaben im Speziellen leidet zunächst daran, dass sich trotz der Zentralität der Rechtsdogmatik für die Rechtswissenschaft als solche noch kein anerkannter Begriff im juristischen Diskurs herausgebildet hat.6 Darüber hinaus ist der Begriff Dog­ matik zum Teil negativ konnotiert, sodass mit der Begrifflichkeit Dogmatik die Vorstellung von Stillstand und Untauglichkeit des Rechts zur Berücksichtigung gesellschaftlicher Wirklichkeit mitschwingt.7 Grundsätzlich kann der Rechtsdogmatik ein weites und ein enges Begriffs­ verständnis zugrunde gelegt werden. Im weiten Sinne lässt sich die Rechts­ dogmatik zunächst als die Aufarbeitung des gesamten Rechtsstoffes verstehen, womit Rechtsdogmatik zu einem „Synonym für die Rechtswissenschaft als Ganzes“8 wird.9 In einem engen Sinne kann die Rechtsdogmatik oder juristische Dogmatik als die tatsächlich betriebene Rechtswissenschaft im eigentlichen Sinne10 oder mit Volkmann konkreter definiert werden als „ein System von Sätzen, mit denen das geltende Recht begrifflich-systematisch durchdrungen und auf abstraktere Institute zurückgeführt wird, um so seine Anwendung zu steuern“11. Der bis heute fehlende begriffliche Konsens ist sicherlich auch ein Ergebnis des im Laufe der Zeit gewandelten Verständnisses über den normativen Gehalt der Rechtsdogmatik. So definierte Esser Rechtsdogmatik noch als eine „sich zum eigenen System abschließende Elementarlehre von Rechtsbegriffen und -institutionen“12, deren Leistung in einer „Transformation der Wertungs- in Er6  Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 262; Alexy, ­ heorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der T juristischen Begründung, 1996, S.  307; siehe auch Jansen, Rechtsdogmatik im Zivilrecht, in: Anderheiden/Auer/Gutmann/Kirste/Quante/Saliger/Schmidt am Busch/Schulz (Hrsg.), Enzy­ klopädie zur Rechtsphilosophie, 2011, Rn.  2; Diederichsen, Auf dem Weg zur Rechtsdogmatik, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, S.  65, 65. 7  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 2016, S.  195; siehe hierzu auch Simitis, Die Bedeutung von System und Dogmatik – dargestellt an rechtsgeschäftlichen Problemen des Massenverkehrs, AcP 172 (1972), S.  131, 131, 135 f. 8  Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 262. 9  Ebd., S.  262. 10  Meyer-Cording, Kann der Jurist heute noch Dogmatiker sein? Zum Selbstverständnis der Rechtswissenschaft, 1973, S.  9 ff.; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  307. 11  Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 262, der so ältere und neuere Konzepte der Rechtsdogmatik kombiniert. 12  Esser, Möglichkeiten und Grenzen des dogmatischen Denkens im modernen Zivilrecht, AcP 172 (1972), S.  97, 98.

230

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

kenntnis- oder Wahrheitsfragen“13 besteht, die „Anspruch auf voll abgedichtete Autorität“14 besitzt und die „Bewältigung […] neuer Sozialkonflikte ohne […] neuen Konsens […] nur aus dem Vorrat an Normen und dogmatischer Kunst“15 im Sinne einer „wertungsneutralen Begriffsarbeit“16 ermöglicht,17 obwohl auch er schon die Grenzen eines solchen Verständnisses im Blick hat.18 Das Bild einer solchen „wertungsneutralen“ Rechtsdogmatik ist aber aus heutiger Sicht wenig zutreffend, sondern stark an den Maßstäben der juristischen Lehre des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts orientiert.19 In Abkehr vom Vernunft- oder Naturrecht ging es der Pandektenwissenschaft20 als Kind von Savignys historischer Rechtsschule21 um die Vervollkommnung der logischen Systematisierung des Rechts durch wissenschaftliche Abstrahierung genereller Rechtsprinzipien für die Lösung aller Rechtsprobleme.22 Als nahezu mathematisches System im Sinne einer „Mathematik des Rechts“23 sollte durch die Anwendung logischer Methoden im Rahmen der Begriffsjurisprudenz eine juristische Entscheidung möglich sein, ohne darüber hinausgehende Wertung zu treffen oder rechtsschöpferisch tätig zu werden.24 Eine solche Beschreibung der Rechtsdogmatik als ein in sich geschlossenes Begriffssystem, das in der Lage ist, alle Rechtserscheinungen in subsumierfähige Begriffe zu fassen und in bloßer logischer Gedankenoperation auch Antworten

13 

Ebd., S.  98. Ebd., S.  101. 15  Ebd., S.  101. 16  Ebd., S 103. 17  Siehe hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  45–46. 18  Esser, Möglichkeiten und Grenzen des dogmatischen Denkens im modernen Zivilrecht, AcP 172 (1972), S.  97, 101. 19  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  46. 20  Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 1967, S.  430 ff. Die Pandektenwissenschaft um Puchta, Windscheid und andere Vertreter erfuhr mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch als „Kodifikation des Pandektenrechts“ seinen Höhepunkt. 21  Savigny, Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 1814; siehe auch Kantorowicz, Volksgeist und historische Rechtsschule, 108 HZ 1912, S.  295. 22  Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 1967, S.  433 ff. 23  So abwertend von Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Teil 2, 1906, S.  445. 24 Den Begriff der Begriffsjurisprudenz im Gegensatz zur Interessenjurisprudenz prägte von Jhering, vgl. von Jhering, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 1884, S.  337; siehe hierzu auch Wiethölter, Begriffs- oder Interessenjurisprudenz – falsche Fronten im IPR und Wirtschaftsverfassungsrecht, in: Festschrift für Gerhard Kegel, 1977, S.  213, 230 ff. 14 

I. Privates Einheitsrecht und Zivilrechtsdogmatik

231

auf neue Rechtsfragen zu finden,25 ist allerdings wenig befriedigend.26 Schon Jhering hat eine so ausgerichtete Dogmatik im Kern mit dem Vorwurf kritisiert, dass nur durch logische Analyse und Rückschlüsse kein darüber hinausgehender Gewinn normativen Gehalts möglich sei.27 Fortentwicklungen der Rechtsdogmatik in Anbetracht neu auftauchender Rechtsfragen zeigen aber, dass die Rechtsdogmatik notwendig offen und kein logisch abgeschlossenes Begriffssystem ist, sondern vielmehr Wertungen vollzieht.28 So unterliegt das begriffliche System einer stetigen Weiterentwicklung aufgrund bestimmter Verkehrs- oder auch Gerechtigkeitsanforderungen.29 Heute herrscht deshalb wohl breiter Konsens, dass die Rechtsdogmatik die Rechtsanwendung nicht nur formal leitet, sondern auch inhaltlich und normativ gestaltet.30

2. Aufgaben und Funktionen der Rechtsdogmatik Nach Alexy können der Rechtsdogmatik im engeren Sinne drei Aufgaben zugeschrieben werden: „(1) […] Beschreibung des geltenden Rechts, (2) seiner begrifflich-systematischen Durch­ dringung sowie (3) […] Erarbeitung von Vorschlägen zur Lösung problematischer Rechts­ fälle“31.32

Dabei ist die erste Aufgabe „deskriptiv-empirisch“, die zweite „logisch-analytisch“ und die dritte „normativ-praktisch“.33 Die deskriptiv-empirische Dimen­ sion umfasst Beschreibung und Prognose sowohl der richterlichen Spruchpraxis als auch Bestimmung des tatsächlichen gesetzgeberischen Willens.34 Die AnalyLarenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  46. Ebd., S.  46; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  310 ff. 27  Siehe hierzu Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  311. 28  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  47 ff. 29  Ebd., S.  50. 30  Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  312 ff.; Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 262. 31  Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  307–308. 32  Siehe hierzu auch Calliess, Kommentar und Dogmatik im Recht. Funktionswandel im Angesicht von Europäisierung und Globalisierung, in: Jansen/Kästle (Hrsg.), Kommentare in Recht und Religion, 2014, S.  381, 383 f. 33  Siehe zu den Begrifflichkeiten Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die ­Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  308. 34  Ebd., S.  308–309. 25  26 

232

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

se des Verhältnisses der Normen und Prinzipien untereinander sowie der Rechtsbegriffe sind Inhalt der logisch-analytischen Tätigkeit.35 Letztlich ist Ziel und Inhalt der normativ-praktischen Dimension der Rechtsdogmatik die Interpreta­ tion einer Norm, Vorschlag und Begründung einer neuen Norm oder eines neuen Instituts sowie Kritik der Spruchpraxis mit Unterbreitung eines neuen Gegen­ vorschlages.36 In Abgrenzung hierzu übernimmt die Rechtstheorie die Funktion der Bildung von „Abstraktionen von Abstraktionen“,37 indem Ergebnisse der Dogmatik hinterfragt werden.38 Aufgrund dieses höheren Abstraktionsgrades genießt die Rechtstheorie größere Dispositionsfreiheit, was aber gleichsam mit dem Preis der geringeren Verbindlichkeit bezahlt wird.39 Die Rechtstheorie ist damit die „Meta-Theorie der Rechtsdogmatik“.40 Die drei Aufgaben der Rechtsdogmatik sind vor dem Hintergrund der besonderen wechselseitigen Beziehung von Rechtsdogmatik und Rechtspraxis zu sehen. So ist die Beschreibung und Systematisierung des Rechts durch die Rechtsdogmatik zunächst die „Verarbeitung des ihr in den Gesetzen und Gerichtsentscheidungen gegebenen Materials“.41 Dies ist ebenso wie die normativ-praktische Erarbeitung von Lösungsvorschlägen konkret an die Rechtspraxis und Gesetz­ gebung adressiert.42 Rechtsdogmatik will dem zur Entscheidung berufenen Richter eine Hilfestellung bieten, damit er Entscheidungen treffen kann, die im Einklang mit der Rechtsordnung stehen.43 So ist der Richter seinerseits gehalten, seine Entscheidungen mit solchen Argumenten zu begründen, die seiner Bindung an Recht und Gesetz entsprechen.44 Es ist also, wie Larenz und Canaris konstatieren, zentrale praktische Aufgabe der Rechtsdogmatik, innerhalb des geltenden Rechts und den Grundpfeilern seiner Werteordnung „detaillierte Kriterien für die Lösung von Rechtsfragen und die Entscheidung von Rechtsfällen zu gewinnen“.45 35 

Ebd., S.  309. Ebd., S.  309. 37  Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S.  13. 38  Ebd., S.  13. 39  Ebd., S.  13. 40  Jahr, Zum Verhältnis von Rechtstheorie und Rechtsdogmatik, in: Jahr/Maihofer (Hrsg.), Rechtstheorie: Beiträge zur Grundlagendiskussion, 1971, S.  303, 311. 41  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  55. 42  Ebd., S.  55. 43  Ebd., S.  55. 44  Ebd., S.  55; Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozess der Rechtsanwendung – Zugleich ein Beitrag zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen von Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung, 1996, S.  5 ff. 45  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  55. 36 

I. Privates Einheitsrecht und Zivilrechtsdogmatik

233

Im Rahmen der wechselseitigen Beziehung gibt die Rechtsdogmatik der Rechtspraxis also zunächst Entscheidungskriterien an die Hand. Die Rechtspraxis greift diese in aller Regel auf, modifiziert aber auch da, wo die Kriterien nicht weiterhelfen. Damit wird neues Material für die Rechtsdogmatik produziert, welches erneut einer Beschreibung, Systematisierung und letztlich als neu präsentierter Lösungsvorschlag durch die Rechtsprechung aufgreifbar ist. Damit bedingen Rechtsdogmatik und Rechtspraxis sich grundsätzlich wechselseitig.46 Von dieser Struktur ausgehend identifiziert Alexy sechs Funktionen der Rechtsdogmatik, von denen vorliegend insbesondere fünf von Interesse sind. Ganz allgemein erfüllt die Dogmatik zunächst eine technische Ordnungs- und Systematisierungsfunktion,47 die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Rechtsnormen unter „allgemeine Grundbegriffe, Satzformen, Rechtsinstitute“ fassbar sind, wodurch eine systematische Darstellung und Durchdringung des Rechtsstoffes gelingt.48 Hinzu tritt eine Stabilisierungs- und Entlastungsfunktion, indem zunächst bestimmte Lösungswege festgehalten werden, die dann als überprüfte und anerkannte Sätze reproduziert werden können, ohne dass die spezifische Wertungsfrage stets erneut diskutiert werden muss.49 Diese Rationalisierung und Strukturierung ermöglichen im Ergebnis die Reduktion juristischer Komplexität und damit letztlich die Stabilisierung des Rechts.50 Eine gefestigte Dogmatik führt daher zu einer Steigerung der Vorhersehbarkeit von Gerichtsentscheidungen und damit letztlich zur Rechtssicherheit.51 Durch die Kontrollfunktion der Dogmatik kann zunächst im engeren Sinne die „logische Vereinbarkeit der dogmatischen Sätze untereinander“ und im weiteren Sinne die „allgemeine praktische Vereinbarkeit der mit Hilfe der verschiedenen 46 

Ebd., S.  56. Alexy bezeichnet diese Funktion lediglich als technische Funktion der Dogmatik, vgl. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als ­Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  330–331; Rüthers, Fischer und Birk bezeichnen dies als Ordnungs- und Systematisierungsfunktion, vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 2016, S.  200. 48  Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  330–331. 49  Ebd., S.  326 ff.; siehe hierzu auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 2016, S.  200 f. 50  Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  326; Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 261 ff.; siehe hierzu Jansen, Rechtsdogmatik im Zivilrecht, in: Anderheiden/Auer/Gutmann/Kirste/Quante/Saliger/Schmidt am Busch/Schulz (Hrsg.), Enzyklopädie zur Rechtsphilosophie, 2011, Rn.  3. 51  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 2016, S.  200; siehe hierzu auch Simitis, Die Bedeutung von System und Dogmatik – dargestellt an rechtsgeschäftlichen Problemen des Massenverkehrs, AcP 172 (1972), S.  131, 132. 47 

234

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

dogmatischen Sätze begründbaren Urteile überprüft werden“.52 Hierdurch wird eine systemische Entscheidung von Fällen möglich, die sich nicht am Einzelfall, sondern an einer Vielzahl schon entschiedener oder künftiger Fälle orientiert.53 Darüber hinaus kommt der Dogmatik eine eng mit der Stabilisierungsfunktion verknüpfte Fortschrittsfunktion zu.54 Durch die Institutionalisierung des juristischen Diskurses ist es möglich, neue dogmatische Sätze in einem höheren Maße zu überprüfen, als es ohne eine solche Abstraktion möglich wäre. Damit wird in der Folge die Dogmatik selbst erweiterbar. Ein solcher „Fortschritt in der Dogmatik“ gestaltet sich in der juristischen Disziplin allerdings dadurch diffiziler, als hierfür in der Regel der Gesetzgeber auf den Plan zu rufen ist.55 Mit Änderung der Rechtswirklichkeit und Rechtspraxis bleibt also auch die Rechtsdogmatik wandelbar. Dies zeigt sich sehr deutlich an dogmatischen Konzepten wie dem Eigentumsbegriff des Grundgesetzes, der heute anders als noch vor ein paar Jahrzehnten nicht mehr formal definiert wird, sondern begrifflich durch den Sinn und Zweck des Eigentums im Rahmen der Rechtsordnung, nämlich als Garant für einen persönlichen Freiheitsraum, bestimmt wird.56 Auch der Begriff des Rechtsgeschäfts wird heute nicht mehr „inhaltsleer“, sondern um die Funktion der privatautonomen Selbstgestaltung definiert.57 Solche Änderungen der Dogmatik können durch interne, also in der Dogmatik selbst liegende, oder externe Ursachen bedungen sein.58 Eine interne Ursache liegt vor, wenn die Funktion, die der Dogmatik zugewiesen ist, nicht mehr durch sie selbst erfüllt werden kann. Dies kann der Fall sein, wenn beispielsweise Unterscheidungen und Abgrenzungen auf Grundlage der Dogmatik nicht mehr präzise getroffen worden können, also die Stabilisierungs- und Entlastungsfunktion nicht mehr gewährleistet werden. Externe Ursachen bezeichnen dabei äußere Eingriffe durch den Gesetzgeber oder geänderte gesellschaftliche Verhältnisse,59 wobei externe Ursachen naturgemäß interne Ursachen hervorrufen können.60 Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  332. 53  Letztlich identifiziert Alexy noch eine heuristische Funktion der Dogmatik, siehe hierzu ebd., S.  332. 54  Ebd., S.  328; siehe hierzu auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer ­Methodenlehre, 2016, S.  202. 55  Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  328. 56  Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 262; Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  48–49. 57  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  48. 58  Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 262 f. 59  Ebd., S.  262–263. 60  Ebd., S.  262–263. 52 

II. Kritische Bestandsaufnahme

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II. Kritische Bestandsaufnahme Wie ist es um die Erfüllung der Funktionen der Rechtsdogmatik in Anbetracht von Phänomenen der Privatisierung des Rechts bestellt? Sofern „[d]ie Gesellschaft […] in dem Maße als sie ein Rechtssystem ausdifferenziert, neben den Rechtssätzen selbst auch Begriffe und Dispositionsregeln zu ihrer Behandlung aus[bildet]“61,

müsste die in Anbetracht der Globalisierung weiter voranschreitende Ausdifferenzierung des Rechtssystems von einer Fortentwicklung der Rechtsdogmatik begleitet sein, die versucht, die „graduelle Entkopplung der Rechtsproduktion“62 vom Nationalstaat wieder einzufangen. Die Rechtsdogmatik sieht sich geänderten gesellschaftlichen Anforderungen durch private Rechtsetzung gegenüber, die als externe Ursache eine Neujustierung der Dogmatik fordern könnten. Insbesondere das dritte Tätigkeitsfeld der Rechtsdogmatik, die praktisch-normative Dimension, ist auf den Plan gerufen, um Lösungsvorschläge für die Bewältigung einer neuen Rechtsphänomenologie anzubieten. Indes prophezeit Luhmann vor dem Hintergrund einer Überforderung des Rechts durch neue Tempoanforderungen und Umstellungen in der Gesellschaft nicht die Herausbildung neuer Begriffe und eine Anpassung der Dogmatik, sondern vielmehr den „Abbau dogmatischer Stringenz“ durch zunehmende Verwässerung der Kategorienkonturen und Beliebigkeit der Begriffsverwendung63 als eine mögliche Reaktion auf die Überforderung.64 Einen solchen Abbau dogmatischer Stringenz hat die empirische Analyse mehr als deutlich gezeigt. Obwohl die Ergebnisse notwendigerweise Einzelfallbetrachtungen sind und damit nicht generalisierbar, hat sich gezeigt, dass die Entscheidungsfindung nach anderen Kriterien vollzogen wird, als durch die Begriffe und Dispositionsregeln, welche die Rechtsdogmatik anbietet.65 So hat sich als zentrale Rechtspraxis im Rahmen der Anwendung privater Regelwerke die pragmatische Anwendung der Regelwerke ohne Rekurs oder den Grund für die Einbeziehung des Regelwerks erwiesen.66 Es wurde deutlich, dass die dogmatischen Kategorien in der Praxis kaum verwendet werden und im Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S.  13. Möllers, Globalisierte Jurisprudenz – Einflüsse relativierter Nationalstaatlichkeit auf das Konzept des Rechts und die Funktion seiner Theorie, in: Anderheiden/Huster/Kirste (Hrsg.), Globalisierung als Problem von Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts, 2001, S.  41, 46. 63  Simitis, Die Bedeutung von System und Dogmatik – dargestellt an rechtsgeschäftlichen Problemen des Massenverkehrs, AcP 172 (1972), S.  131, 136. 64  Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S.  14. 65 Siehe supra Drittes Kapitel IV. 66 Siehe supra Drittes Kapitel IV. 61  62 

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Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

Falle ihrer Verwendung nicht zu einem Erkenntnisgewinn beitragen. Die Beliebigkeit der Begriffsverwendung67 geht so weit, dass im Falle der Incoterms wahlweise Begrifflichkeiten wie Lieferklausel oder Handelsklausel in unterschiedlichen Variationen verwendet werden.68 Die ERA werden als Handelsbrauch69 oder auch als Allgemeine Geschäftsbedingungen70 charakterisiert und die Rechtsnatur schlicht als streitig71 bezeichnet. Dabei sind die Versuche der Einordnung insgesamt eher eine Ausnahme. In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle bleibt eine dogmatische Charakterisierung einfach offen und der Grund für die Anwendung der Regelwerke, sei es aufgrund vertraglicher Abrede oder ergänzender Vertragsauslegung oder aufgrund dogmatischer Einordnung als Handelsbrauch beziehungsweise Gewohnheitsrecht, ist nicht ersichtlich. Für die Heranziehung der Regelwerke zur Entscheidungsfindung fehlt oftmals jegliche Begründung.72 Das Ob und Wie der dogmatischen Konzeptualisierung scheint für den zur Entscheidung berufenen Richter jedenfalls keinen relevanten Unterschied zu machen. Dies wird umso deutlicher, als sich gezeigt hat, dass im Rahmen der Entscheidungsfindung dogmatische Konzepte angepasst wurden, um ein adäquates Ergebnis zu erzielen.73 In Anbetracht der Existenz solcher informeller Strate­gien scheint die Rechtspraxis den Versuch einer dogmatischen Einordnung nahezu aufgegeben zu haben. Die existierenden dogmatischen Kategorien, die für private Regelwerke zur Verfügung stehen, scheinen jedenfalls die tatsächliche Praxis weder adäquat widerzuspiegeln und zu durchdringen noch in irgendeiner Form die Anwendung zu steuern. Die Stabilisierungs- und Entlastungsfunktion für die Rechtsanwendung können im Rahmen der Rechtsdogmatik mithin nicht bewerkstelligt werden.74 Damit kommt es nicht zu einer Reduktion juristischer Komplexität, sondern vielmehr zu einer Komplexitätssteigerung.75

67  Am Beispiel des Massenverkehrs: Simitis, Die Bedeutung von System und Dogmatik – dargestellt an rechtsgeschäftlichen Problemen des Massenverkehrs, AcP 172 (1972), S.  131, 172. 68  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.1.c)aa)(1). 69  LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, S.  153, 153. 70  So beispielsweise OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris Rn.  3. 71  OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris Rn.  65. 72  Weick/Basse, Recht des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs, 2013, S.  110. 73 Siehe supra Drittes Kapitel IV. 74  Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  326 ff. 75  Siehe zu dieser Folge der Rechtsdogmatik Jansen, Rechtsdogmatik im Zivilrecht, in:

II. Kritische Bestandsaufnahme

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So können sich die Akteure aufgrund der fehlenden Kategorisierung innerhalb der traditionellen Dogmatik im Ergebnis nie sicher sein, nach welchen Strategien sich die Anwendung privater Regelwerke letztlich vollzieht.76 Zwar konnten Strategien des Umgangs mit privaten Regelwerken im Rahmen der vorliegenden Arbeit identifiziert werden, gleichwohl trifft der Vorwurf der mangelnden Stringenz im Hinblick auf die Rechtsdogmatik zu. So wird eine systematische Durchdringung des Rechtsstoffes bei der Verwendung solcher informellen Strategien, die nicht auf einen spezifischen Begriff oder eine Kategorie zurückgeführt werden, kaum möglich. Die Ordnungs- und Systematisierungsfunktion der Dogmatik ist mithin kaum gewährleistet. Dabei sind es gerade die mangelnde Trennschärfe innerhalb der Kategorien und die „Porosität der verwendeten Begriffe“ selbst, die die Türen für solche Strategien der Rechtsanwendung weit öffnen.77 Es bleibt damit festzuhalten, dass die Rechtsdogmatik die ihr zugewiesenen Funktionen in Bezug auf die Konzeptualisierung privater Regelwerke zumindest teilweise nicht erfüllt. Externe Ursachen, nämlich die voranschreitende Inter­ nationalisierung und Privatisierung, haben also interne Problemlagen herauf­ beschworen.78 Grundsätzlich wäre also die Fortbildung der Rechtsdogmatik im Wechselspiel mit der Rechtspraxis notwendig. Diese hat sich allerdings in Bezug auf private Regelwerke noch nicht vollzogen: Den Richtern wurde noch kein neuer Lösungsvorschlag an die Hand gegeben. Vielmehr offeriert die Rechts­ dogmatik immer noch dieselben hergebrachten Kategorien zur Einbeziehung privater Regelwerke.79 Vor diesem Hintergrund ist die Abwendung von der Dogmatik hin zu informellen Strategien der Entscheidungsfindung auch nicht der Spruchpraxis vorzuwerfen. Wer kann es einem Richter verübeln, wenn er sich in der Praxis weigert, eine eindeutige Entscheidung hinsichtlich der dogmatischen Einordnung zu treffen, wenn keine der vorhandenen Kategorien überzeugt? So hat Teubner bereits herausgearbeitet, dass für Privatregime die Kategorie des Gewohnheitsrechts wenig passend ist. So gäbe es zwar zwischen GewohnAnderheiden/Auer/Gutmann/Kirste/Quante/Saliger/Schmidt am Busch/Schulz (Hrsg.), Enzy­ klopädie zur Rechtsphilosophie, 2011, Rn.  3. 76  Siehe hierzu supra Viertes Kapitel IV. 77  Simitis, Die Bedeutung von System und Dogmatik – dargestellt an rechtsgeschäftlichen Problemen des Massenverkehrs, AcP 172 (1972), S.  131, 138. 78  Siehe zu Begriffen der internen und externen Ursachen Volkmann, Veränderungen in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S.  261, 262 f. 79 So konstatiert Schmidt im Hinblick auf kodifiziertes Klauselrecht wie die Incoterms, dass dieses das „Handelsrecht vor neue Rechtsquellenprobleme [stellt]“, Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2016, Vorbemerkung zu §  1 Rn.  34; so auch schon in Bezug auf die ERA Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 55 ff.

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Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

heitsrecht und Privatregimen die Gemeinsamkeit, dass die Normen beider ­Komplexe Ausfluss der Gesellschaft seien, damit also nicht Ergebnis positiver Rechtsetzung durch den souveränen Nationalstaat. Allerdings beschreibt das Gewohnheitsrecht konzeptionell andere gesellschaftliche Rechtserzeugnisse als Privatregime der vorliegend untersuchten Art.80 Gewohnheitsrecht entsteht traditionell81 aus „langfristigen Abläufen diffuser Kommunikation“ als Ergebnis „stillwirkender Kräfte informeller Verhaltens­ koordination“. Im Gegensatz hierzu sind private Regelwerke gerade nicht das Produkt eines solchen langwierigen Prozesses. Vielmehr sind sie das Ergebnis „positiver Setzung“ innerhalb ihres funktionalen Systems.82 Gleich einem nationalen Gesetzgeber setzen private Regelsetzer wie die ICC quasi-hoheitlich ihre Regelwerke ganz ähnlich nationalstaatlichen Rechts. So wird in den Regelwerken der Incoterms und der ERA sogar ein Datum des Beginns der Geltung festgelegt, welches den Charakter quasi-hoheitlicher Rechtsetzung nicht deut­licher machen könnte: Ähnlich wie der Geltungsbeginn von nationalstaatlichen Gesetzen im Gesetz selbst verankert wird, spricht die ICC auf ihrer Internetpräsenz davon, dass „[d]ie aktuelle Fassung der ERA 600 […] zum 1. Juli 2007 in Kraft [tritt]“83. Ebenso wird für die Incoterms ein Beginn der Gültigkeit im Regelwerk festgelegt: „Entry into force on 1st January 2011“.84 Zwar sind einige der Regeln kodifizierte Praxis und kommen daher aufgrund der langjährigen Übung dem Status des Gewohnheitsrechts nahe.85 Die Definition neuer Incoterms wie DAT und DAP in Anbetracht neuer gesellschaftlicher Herausforderung86 und die Klärung diffiziler Rechtsfragen innerhalb der Revi­ sionen der ERA, bei denen sich noch kein Konsens in der Praxis etabliert hat,87 zeigen aber sehr deutlich, dass die ICC aktiv neue Regeln setzt. Dies gilt insbe80  Teubner, Privatregimes: Neo-Spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Welt­ gesellschaft?, in: Simon/Weiss (Hrsg.), Liber Amicorum Spiros Simitis, 2000, S.  437, 440 ff. 81  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.b)aa)(3)(a). 82  Teubner, Privatregimes: Neo-Spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft?, in: Simon/Weiss (Hrsg.), Liber Amicorum Spiros Simitis, 2000, S.  437, 441. 83  Siehe hierzu , zuletzt abgerufen am 1.12.2017. 84  Siehe hierzu die erste Seite der Incoterms 2010, abgedruckt bei von Bernstorff, Incoterms 2010 der Internationalen Handelskammer (ICC) – Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk, 2017, S.  181. 85  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.1.b) und III.2.b). 86 Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.1.a); siehe auch Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  111. 87  Siehe hierzu supra Viertes Kapitel III.1.a); siehe hierzu auch Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 38.

II. Kritische Bestandsaufnahme

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sondere, da die Regelwerke ständigen Revisionen unterliegen und damit ein mögliches Entstehen von Gewohnheitsrecht stets unterbrochen wird. Das Vorliegen von longa consuetudo als auch opinio iuris ist damit mehr als nur zweifelhaft. Um es mit den Worten Basedows auszudrücken, ist „the traditional dichotomy of custom and state law […] no longer sufficient to cope with the multitude of rules which govern economic life“88.

Gewohnheitsrecht ist zur Konzeptualisierung von Privatregimen damit schlichtweg die „falsche […] Kategorie“89. Ähnlich verhält es sich mit der Kategorie des Handelsbrauchs. Zwar kann sich der Handelsbrauch im Gegensatz zum Gewohnheitsrecht in deutlich kürzerer Zeit herausbilden.90 Allerdings muss die allgemeine, tatsächliche Übung zumindest für eine gewisse Dauer aufgrund einheitlicher Auffassung praktiziert werden.91 Auch dies ist in Bezug auf private Regelwerke der vorliegenden Art fraglich. So stehen auch hier der Qualifizierung als Handelsbrauch die stetigen Revisionen entgegen, die das Kriterium der Dauerhaftigkeit in Frage stellen. Darüber hinaus kann nur schwerlich von einer allgemeinen Übung aufgrund einheitlicher Auffassung gesprochen werden, wenn einige Regeln autoritativ von der ICC gesetzt werden.92 Ebenso widerspricht der Handhabe als Allgemeine Geschäftsbedingungen oder als schlichte Vertragsklausel das Charakteristikum der Regelwerke, dass sie zum einen nicht das Ergebnis individualvertraglicher Verhandlung sind und zum anderen, dass sie nicht durch eine Partei einseitig gestellt werden, um bestimmte Interessen durchzusetzen, sondern vielmehr auf einem „internationalen Kon88  Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 708. 89  Teubner, Privatregimes: Neo-Spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft?, in: Simon/Weiss (Hrsg.), Liber Amicorum Spiros Simitis, 2000, S.  437, 440; einen Rekurs auf Gewohnheitsrecht für die Konzeptualisierung von Standardverträgen lehnen auch ab: Wielsch, Global Law’s Toolbox: How Standards Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  71, 77 ff.; Metzger, Standard Form Contracts as Private Legal Regimes, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, S.  112, 112; siehe hierzu auch ­Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 708. 90  Siehe zur Abgrenzung Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2013, §  346 Rn.  16. 91  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.b)aa)(2)(a). 92 Siehe in Bezug auf die ERA Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, S.  36 ff.; siehe in Bezug auf die Incoterms Eisemann, Die Incoterms im internationalen Warenkaufrecht – Wesen und Geltungsgrund, 1967, S.  51 ff.

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Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

sensus“93 aller am Außenhandel Beteiligten beruhen.94 Darüber hinaus unterscheiden sich die untersuchten Regelwerke von Vetragsmustern wie etwa den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp)95 oder der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)96 vor allem durch das Ziel der internationalen Rechtsvereinheitlichung, welches die privaten Regelwerke in die Nähe zu internationalem Einheitsrecht wie dem UN-Kaufrecht rückt. Damit stehen die Richter vor einem „Dilemma […] deutscher Rechtssystematik [wonach] auch ein weltweit praktiziertes Reglement des Außenhandels immer nur entweder als Gesetz bzw. Gewohnheitsrecht oder als AGB klassifiziert werden kann. Es gibt jedoch keine zusätzliche Rechtskategorie für ein Regelwerk, das auf einem internationalen Konsensus aller Beteiligten beruht und sich der Einordnung in die vorstehenden Alternativen entzieht.“ 97

Hat die Rechtsdogmatik sich nicht selber, sondern dem Leben zu dienen,98 dann ist die Frage, ob der „Entdogmatisierung des Rechts“99 in Anbetracht der Herausforderungen privater Selbstregulierung nicht anders entgegengetreten werden kann. Es gilt also, den Blick auf die Möglichkeiten der Rechtsdogmatik zu richten, seine Außengrenzen innerhalb des geltenden Rechts neu zu bestimmen und zu erweitern.100

93  So in Bezug auf die ERA Jäger/Haas, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes Rn.  20. 94  Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 37. 95  Siehe für eine Übersicht zu den ADSp die Kommentierung von Bahnsen, in: Joost/Strohn (Hrsg.), Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 2015, Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen. 96 Siehe für eine Übersicht zu den VOB die Kommentierung von Busche, in: Henssler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2012, §  631 Rn.  126 ff. 97  So in Bezug auf die ERA Jäger/Haas, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 2017, §  120 Grundlagen des Akkreditivgeschäftes Rn.  20. 98  Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S.  15. 99  Zum Begriff Luhmann, Rechtssoziologie, 1983, S.  213, Fn.  11; Möllers, Globalisierte Jurisprudenz – Einflüsse relativierter Nationalstaatlichkeit auf das Konzept des Rechts und die Funktion seiner Theorie, in: Anderheiden/Huster/Kirste (Hrsg.), Globalisierung als Problem von Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts, 2001, S.  41, 41 ff. 100  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 518.

II. Kritische Bestandsaufnahme

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Wie Köndgen konstatiert, verbleibt andernfalls nur der Weg nach vorne in den Rechtspluralismus,101 der in seiner starken Form102 das staatliche Rechtsetzungs­ monopol aberkennt und eine Öffnung des Rechtsbegriffs postuliert.103 So scheinen soziologisch und anthropologisch inspirierte pluralistische Konzepte die Rechtswirklichkeit besser zu zeichnen. Schon Ehrlich wies auf den Unterschied zwischen gesetztem Recht und von der Gesellschaft erzeugtem und praktiziertem „lebenden Recht“ hin, das er in Bukowina, einem Landstrich im damaligen Österreich-Ungarn, beobachtete.104 Für den internationalen Handel ist die „globale Bukowina“105 im Sinne eines transnationalen Rechtspluralismus eine realitätsnahe Beschreibung.106 Die größere empirische Genauigkeit, die eine solche Konzeptualisierung von Recht beinhaltet, kommt allerdings zu einem hohen Preis, welcher die Vorzugswürdigkeit eines solchen Weges mehr als 101  Grundsätzlich wird mit Rechtspluralismus ein Zustand in einem sozialen Kontext beschrieben, in dem zwei oder mehrere Rechtsordnungen koexistieren, die sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs sein können, vgl. Merry, Legal Pluralism, 22 Law and Society Review 1988, S.  869, 870. Historisch geht das Konzept des Rechtspluralismus auf die sozialwissenschaftliche und rechtsanthropologische Forschung der frühen 1920er Jahre zurück. Forschungsgegenstand waren Studien in kolonialisierten Ländern, in denen die Kolonialmächte neue soziale und normative Ordnungen etablierten, gleichzeitig aber festgestellt wurde, dass die alten Ordnungen der Eingeborenen fortbestanden, sich das Rechtssystem der Kolonialmächte also lediglich auf das ursprüngliche System gelegt hatte. Ein klassischer Fokus des Rechtspluralismus ist ebenfalls das Nebeneinander religiösen und staatlichen Rechts. Ausgehend hiervon wird Rechtspluralismus heute in einer Vielzahl sozialer und rechtlicher Kontexte beobachtet, wie nicht zuletzt aufgrund der Globalisierung im Hinblick auf das Recht des internationalen Handels, siehe zu alledem Berman, Global Legal Pluralism, 80 Southern California Review 2007, S.  1155, 1170 ff., mit weiteren Nachweisen; Michaels, Global Legal Pluralism, 5 Annual Review of Law & Social Science 2009, S.  243, 243 ff. 102  Die Unterscheidung zwischen starkem und schwachem Rechtspluralismus geht zurück auf Griffiths, der den schwachen Rechtspluralismus dadurch definiert, dass zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Rechtssystemen immer noch ein Hierarchieverhältnis besteht. Siehe hierzu Griffiths, What is Legal Pluralism?, 18 Journal of Legal Pluralism 1986, S.  1, 1 ff. 103  Michaels, Was ist nichtstaatliches Recht?, in: Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S.  39, 49 ff. 104  Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts, 1913. 105  Teubner, Globale Bukowina – Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, 15 Rechtshistorisches Journal 1996, S.  255. 106 Tatsächlich hat in Anbetracht der Globalisierung das Konzept des Rechtspluralismus viel Beachtung auch in anderen Diskursen erfahren. Die Pluralität der Rechtsordnungen, die Koexistenz von staatlichen und anderen Rechtsregimen (internationales, supranationales, fremdes nationalstaatliches und nichtstaatliches Recht) in Abwesenheit einer übergeordneten hierarchischen Position, was nun im Globalisierungskontext beobachtet wurde, ergab viele Überschneidungspunkte zum Rechtspluralismus. Die wechselseitige Befruchtung der Diskurse mündete im Ergebnis in einer eigenen Theorie des globalen Rechtspluralismus (global legal pluralism), vgl. hierzu Michaels, Global Legal Pluralism, 5 Annual Review of Law & Social Science 2009, S.  243, 243 ff.

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Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

nur in Frage stellt. Wenn das staatliche Rechtsanerkennungsmonopol im Rechtspluralismus aufgehoben wird,107 der Staat nur als eine Normordnung neben anderem Recht konzeptualisiert, dann kann Recht nicht mehr dadurch definiert werden, dass ein staatlicher Anerkennungsakt erfolgt, sondern es werden neue Kriterien erforderlich.108 Diese reichen von einer funktionalen Beschreibung des Rechtsbegriffs109 bis hin zu Vorschlägen, den Begriff des Rechts völlig aufzugeben.110 Hier offenbart sich stets dieselbe Problematik, denn „[a]n welchem Punkt hören wir auf, von Recht zu reden und beschreiben nur noch einfach das ,soziale Leben‘“111?112

Eine externe Beschreibung des Rechts aus rechtssoziologischer Perspektive vermag die Unterscheidung zwischen Rechtsnormen und gesellschaftlichen Normen nicht zu treffen.113 Es ist aber gerade diese Unterscheidung, die für Juristen von herausragender Bedeutung ist, solange das staatliche Recht rechtlichen und sozialen Normen eine andere Wirkung zukommen lässt.114 Ein solcher „Paradigmenwechsel“ sollte daher eher zweitranging in Erwägung gezogen werden.115 Rein praktisch betrachtet erscheint vor dem Hintergrund der 107  Zur Kritik des legal centralism siehe Griffiths, What is Legal Pluralism?, 18 Journal of Legal Pluralism 1986, S.  1, 4 ff. 108  Michaels, Was ist nichtstaatliches Recht?, in: Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S.  39, 50; siehe zu alledem auch Jansen/Michaels, Private Law Beyond the State? Europeanization, Globalization, Privatization, in: Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State – Rethinking Private Law, 2008, S.  69, 99 ff. 109  Siehe hierzu Michaels, Was ist nichtstaatliches Recht?, in: Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S.  39, 50. 110  Twining, Normative and Legal Pluralism: A Global Perspective, 20 Duke Journal of International and Comparative Law 2010, S.  473, 516. 111  Teubner, Die zwei Gesichter des Janus: Rechtspluralismus in der Spätmoderne, in: Schmidt/Weyers (Hrsg.), Liber Amicorum Josef Esser zum 85. Geburtstag, 1995, S.  191, 198, der für das Zitat verweist auf Merry, Legal Pluralism, 22 Law and Society Review 1988, S.  869, 878. 112  Siehe hierzu auch Collins, Regulatory Competition in International Trade: Transnational Regulation Through Standard Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competi­ tion in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  121, 130 ff. 113  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 517. 114  Michaels, Global Legal Pluralism, 5 Annual Review of Law & Social Science 2009, S.  243, 243 ff.; von Benda-Beckmann, Who’s Afraid of Legal Pluralism?, 47 Journal of Legal Pluralism 2002 S.  37, 40. 115  Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 518; Michaels, Was ist nichtstaatliches Recht?, in: Calliess (Hrsg.), Transnationales Recht, 2014, S.  39, 50.

III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch

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Darstellung des Rechtsrahmens für die Einbeziehung privater Regelwerke im Zweiten Kapitel die hierzu primär erforderliche Neujustierung der Rom I-Verordnung zudem als eher unwahrscheinlich.116 Zwar bestünde daneben die Möglichkeit, auf Ebene der Nationalstaaten Lösungen einzupassen. So hat Maurer für den Seehandel bereits die Notwendigkeit der Öffnung des staatlichen Rechts für private Normordnungen herausgearbeitet, um gesellschaftliche Selbstregulierung für staatliches Recht nutzbar zu machen: „Es bedarf dazu einer Rechtsvorschrift, die die selbstgesetzten Normen des internationalen (See-)Handels zu berücksichtigen erlaubt, ohne sie lediglich als Vertragsklauseln zu verstehen. [Dies] erfordert eine spezifische Öffnungsklausel des staatlichen Rechts, die in Form einer Generalklausel wie zum Beispiel §  346 HGB Wirksamkeit entfaltet.“117

Während eine solche Lösung in theoretischer Hinsicht besticht, wäre auch hier ein gesetzgeberisches Tätigwerden notwendig. Aufgrund des weltweiten Kontextes wäre zudem ein globales Reformbestreben erforderlich, welches aus praktischer Sicht erneut eher unwahrscheinlich ist und auch im Ergebnis als nationale Lösung nur teilweise befriedigen könnte.

III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch Die empirische Analyse hat gezeigt, dass sich in der Spruchpraxis Strategien des pragmatischen Umgangs mit privaten Regelwerken herausgebildet haben, die wenig mit den traditionellen dogmatischen Kategorien gemein haben. So kann das staatliche Recht zwar private Normativität in Form des Gewohnheitsrechts und des Handelsbrauchs verarbeiten, für private Regelwerke gelingt dies jedoch nicht.118 Damit ist es aber die Aufgabe der Rechtswissenschaft, die Rechtsdogmatik an die Beobachtungen der Realität anzupassen, oder – um es noch einmal mit Pound auf den Punkt zu bringen – : „It is the work of lawyers to make the law in action conform to the law in books, not by futile thunderings against popular lawlessness, nor eloquent exhortations to obedience of written law, but by making the law in books such that the law in action can confirm to it, and providing a speedy, cheap and efficient legal mode of applying it.“119

Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.a)aa). Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  100. 118  Ebd., S.  99. 119  Pound, Law in Books and Law in Action, 44 American Law Review 1910, S.  12, 36. 116  117 

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Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

Vor diesem Hintergrund schlägt die vorliegende Arbeit die Einführung einer ­neuen dogmatischen Kategorie unter dem Begriff „privates Einheitsrecht“ vor, um den beschriebenen Unzulänglichkeiten entgegenzutreten. Diese Forderung nach einer Anreicherung des dogmatischen Kanons ist damit als normativ-praktische Handlungsempfehlung unmittelbares Ergebnis der empirisch-deskriptiven Analyse der Spruchpraxis und der anschließenden analytischen Systematisierung, die im Dritten Kapitel dieser Arbeit vollzogen wurde.120 Denn wenn die Spruchpraxis private Regelwerke bereits in einer bestimmten Art und Weise anwendet, dann ist es die originäre Aufgabe der Rechtsdogmatik,121 aus der beobachteten Praxis eine passende Kategorie zu entwickeln, welche geeignet ist, die Rechtspraxis durch normative Vorgaben (Tatbestand und Rechtsfolge) zu leiten. Es spricht vieles dafür, dass eine solche Kategorie in der Praxis Anwendung fände. Die Entscheidungsfindung würde dadurch erheblich erleichtert, wenn nach erfolgter Subsumtion unter den Tatbestand des privaten Einheitsrechts die Rechtsfolgen bestimmt sind und nicht stets nach einer adäquaten Lösung im Einzelfall gesucht werden müsste. Dies gilt umso mehr, wenn der Rechtsprechung eine Kategorie an die Hand gegeben wird, welche jedenfalls in Bezug auf die Referenzregelwerke die gängige Spruchpraxis vor staatlichen Gerichten wiedergibt und sich also innerhalb des geltenden Rechts bewegt. Entscheidender Vorteil ist dabei, dass die Nutzbarkeit einer solchen dogmatischen Kategorie strukturell nicht national begrenzt ist, sondern der Rechtswissenschaft weltweit zur Einflechtung in den jeweiligen Diskurs zur Verfügung steht. Damit eröffnet sich ein vielversprechender Weg der nicht legislatorischen Rechtsvereinheitlichung, der dem Bedürfnis nach einer originär internationalen Lösung Rechnung trägt. Es gilt damit, die Ergebnisse der Arbeit insgesamt für die Konturierung einer dogmatischen Kategorie fruchtbar zu machen,122 um am Ende einen Definitionsversuch zu wagen.

1. Tatbestand und Rechtsfolgen Als Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung dient konzeptionell die funktionale Äquivalenz privaten Einheitsrechts zu staatlichem Einheitsrecht, da beide darauf Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. Siehe hierzu supra Fünftes Kapitel I.2. 122  Siehe zu den Voraussetzungen für den Fortschritt der Dogmatik Alexy, Theorie der ju­ ristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  328; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 2016, S.  186 f. 120  121 

III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch

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gerichtet sind, grenzüberschreitend Rechtseinheit herzustellen.123 Unter die dogmatische Kategorie „privates Einheitsrecht“ sollen daher im Ausgangspunkt international anerkannte Regelwerke mit dem Ziel der Schaffung von Rechts­ sicherheit für den grenzüberschreitenden Handel durch Rechtsvereinheitlichung fallen. In Bezug auf die Geltung privaten Einheitsrechts sind aus der Spruchpraxis unterschiedliche Ergebnisse abzuleiten. Die empirische Analyse hat gezeigt, dass in der Spruchpraxis deutscher Gerichte das Regelwerk auch dann zur Entscheidungsfindung herangezogen wurde, wenn die Parteien nicht explizit darauf verwiesen haben,124 während die Anwendbarkeit in der englischen Spruchpraxis stets eine ausdrückliche Wahl des Regelwerks erforderte.125 Werden diese Ergebnisse aber wieder in den theoretischen Rahmen des Wettbewerbs der Rechtsordnungen eingebettet, erweist sich die englische Spruchpraxis als vorzugswürdig. Die Geltung privaten Einheitsrechts sollte stets von einer ausdrücklichen Wahl des Regelwerks abhängen. Nur so ist gewährleistet, dass sich ein Regelwerk aufgrund eines tatsächlichen Bedürfnisses nach Standardisierung auf dem Rechtsmarkt durchsetzt und das private Einheitsrecht nicht vor einer gesteigerten Gefahr eines ineffizienten lock-in-Effektes im Sinne der Netzwerktheorie steht.126 Damit erhält sich das private Einheitsrecht das evolutorische Potenzial des Wettbewerbs bei gleichzeitiger Realisierung der Vorteile zentraler Regelsetzung. In Bezug auf die Geltung privaten Einheitsrechts ist also eine opt-in-Lösung dem opt-out-Modell vorzuziehen. Die Rechtsfolgen, welche die Kategorie nach sich zieht, müssen primär den strukturellen Nachteil privaten Einheitsrechts, die mangelnde Rechtsgeltung, überwinden, um privatem Einheitsrecht eine ähnliche Wirkung zukommen zu lassen wie dem internationalen Einheitsrechts als Paradigma. Die Rechtsfolgen müssen daher in Anlehnung an die Funktionsbedingungen privater Regelwerke127 definiert und bestimmt werden.128

Siehe hierzu supra Zweites Kapitel. Siehe für die Incoterms supra Drittes Kapitel III.1.c)aa)(1) und für die ERA supra Drittes Kapitel III.2.c)aa)(1). 125 Siehe für die Incoterms supra Drittes Kapitel III.1.c)bb)(1) und für die ERA supra Drittes Kapitel III.2.c)bb)(1). 126  Siehe hierzu supra Erstes Kapitel IV.2; siehe hierzu auch Calliess, Zur Rolle der Rechtsvergleichung im Kontext des Wettbewerbs der Rechtsordnungen, in: Zimmermann (Hrsg.), Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung, S.  167, 178 ff. 127  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II. 128  Siehe zu diesem Erfordernis für den Fortschritt der Dogmatik Alexy, Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1996, S.  328 f. 123 

124 

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Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

Bei Vorliegen des Tatbestandes muss „privates Einheitsrecht“ als Rechtsfolge so angewendet werden, dass die Rechtsbeständigkeit der Regelungen weitest­ gehend gewährleistet wird. Wie bereits in der Analyse der Spruchpraxis herausgearbeitet wurde, ist hierzu erforderlich, dass durch die Gerichte ein großzügiger Kontrollmaßstab angewendet wird.129 Im Kern beinhaltet diese Rechtsfolge eine restriktive Auslegung von zwingendem nationalstaatlichen Recht im Hinblick auf den Einheitszweck. Im deutschen Recht würde sich beispielsweise eine Inhaltskontrolle nach §  307 BGB verbieten oder Einwände nach §  242 BGB wären mit Vorsicht zu konstatieren.130 Vor diesem Hintergrund würde es sich empfehlen, das private Einheitsrecht rechts­ folgentechnisch ähnlich zu behandeln wie eine fremde nationalstaatliche Rechtsordnung im Rahmen der kollisionsrechtlichen Rechtswahl. Damit würde das private Einheitsrecht nur anhand des ordre public gemessen, was aber gleich­ zeitig eine Letztkontrolle durch das staatliche Recht ermöglicht.131 Daneben ist notwendige Rechtsfolge, dass eine international einheitliche Auslegung des jeweiligen Regelwerks zu erfolgen hat.132 Es erscheint sinnvoll, sich hier an der Spruchpraxis der englischen Gerichte in Bezug auf die ERA zu orientieren.133 Insbesondere ist bei der Auslegung stets die Funktionsfähigkeit des als „privates Einheitsrecht“ zu qualifizierenden Regelwerks im Blick zu halten.134 Darüber hinaus würde es sich anbieten, auch Auslegungsmaterialien der privaten Regelsetzer bei der Auslegung einzubeziehen, analog zu der Heranziehung der offiziellen Aufzeichnungen der Verhandlungsgeschichte zu internationalen Konventionen (travaux préparatoires), die bei internationalem Einheitsrecht zur Bestimmung der Ziele und des Zwecks eines völkerrechtlichen Vertrags genutzt werden können.135 Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. Siehe zu diesem Erfordernis Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  100 f., 103 ff. 131 Dieses Element der staatlichen Letztkontrolle kennzeichnet alle bereits vorhandenen Rezeptionsmechanismen des staatlichen Rechts, siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.b). 132  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II. Dies wird in Bezug auf die ERA auch bereits in der Literatur vorgeschlagen, vgl. Hopt, in: Hopt/Baumbach (Hrsg.), Handelsgesetzbuch Kommentar, 2018, (11) ERA Einleitung Rn.  8; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 2008, Rn.  22; anderer Ansicht Canaris, Bankvertragsrecht Teil 1, 1988, Rn.  930: „Einen Grundsatz einer international einheitlichen Auslegung gibt es nicht. Das folgt schon daraus, daß nicht einmal für Gesetze ein Grundsatz (national) einheitlicher Auslegung besteht.“ Siehe hierzu insgesamt Nielsen, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2014, H. Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handel Rn. H 42. 133  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.2.c)bb)(2)(b). 134  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. 135  Herdegen, Völkerrecht, 2017, S.  137 ff. 129 

130 

III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch

247

Im Ergebnis zielt der Vorschlag aber nicht darauf ab, durch die Hintertür eine Rechtswahlmöglichkeit nichtstaatlichen Rechts zu etablieren, wie sie der europäische Gesetzgeber für die Rom I-Verordnung zuletzt abgelehnt hat. 136 „Privates Einheitsrecht“ stellt lediglich ein dogmatisches Konzept dar, dessen Tatbestand und Rechtsfolgen an staatliches Einheitsrecht einerseits und den Diskurs um die Rechtswahlmöglichkeit nichtstaatlichen Rechts andererseits angelehnt sind, um im Hinblick auf die Rechtsfolgen eine Annäherung zu erreichen. So sind in Ermangelung jeder Rechtskraft dieser Kategorie naturgemäß auch die einfach zwingenden Normen des nationalstaatlichen Rechts per se anwendbar.137 Es geht dem vorliegenden Vorschlag damit lediglich darum, ein Bewusstsein für eine richterliche Zurückhaltung zu schaffen. Gerade im Unterschied zu den Rechtsfolgen einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl bleibt es also bei der Anwendbarkeit der einfach zwingenden Normen, diese sind aber nach dem hier unterbreiteten Vorschlag möglichst restriktiv auszulegen und zurückhaltend anzuwenden.

2. Weitere Kriterien In Anbetracht der Mannigfaltigkeit der Phänomenologie privater Selbstregulierung kann eine solche erste Konturierung des Tatbestandes privaten Einheitsrechts aber stets nur den Ausgangspunkt für die Entwicklung weiterer Kriterien bilden, die die Anwendung des Regelwerks gerade als „privates Einheitsrecht“ im konkreten Fall rechtfertigen. Denn obgleich es sich der ersten Definition nach um ein international anerkanntes Regelwerk mit einer spezifischen Funktion handeln muss, bleibt zunächst offen, welche Anforderungen konkret an das Regelwerk zu stellen sind. Klar ist aber auch, dass nicht jedes unter dieser offenen Definition subsumierbare Regelwerk den Rechtsfolgen privaten Einheitsrechts unterstellt werden kann.138 So werden in Bezug auf private Rechtsetzung stets Bedenken hinsichtlich der Legitimität oder der demokratischen Legitimation geäußert.139 Anders als im Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.a)aa)(2). Siehe zum Begriff der einfach zwingenden Normen supra Erstes Kapitel II.1. 138  Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  158. 139  Siehe zu diesem Punkt Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code – A Theory of Transnational Private Law, 2010, S.  107; Calliess, Weitgehende Übereinstimmung und laufendes Programm – Zur Legitimiation von Privatrecht im Zeitalter der Globalisierung, in: Riesenhuber/Takayama (Hrsg.), Rechtsangleichung – Methoden und Inhalte: deutsch-japanische Perspektiven, 2006, S.  115, 115 ff.; siehe in Bezug auf die lex mercatoria Zumbansen, Lex Mercatoria: Zum Geltungsanspruch transnationalen Rechts, RabelsZ 67 (2003), S.  637, 648 ff.; siehe in Bezug auf Standardverträge Braithwaite, Standard Form Contracts as Transnational Law: Evidence from the Derivates Markets, 75 Modern Law Review 2012, S.  779, 780. 136  137 

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Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

demokratischen Nationalstaat, in dem der Rechtsetzungsprozess demokratisch und durch die Verfassung im Hinblick auf den Schutz von Grundrechten abgesichert ist, ist dies bei rein privater Rechtsetzung nicht unmittelbar gegeben. Die Wahrung öffentlicher Interessen, der Schutz der Rechte Dritter und der Grundrechte sind gefährdet.140 Insbesondere aufgrund der angestrebten richterlichen Zurückhaltung in Bezug auf die Anwendung einfach zwingender Normen des nationalstaatlichen Rechts ist daher Vorsicht geboten. Es müssen also weitere Voraussetzungen entwickelt werden, die als legiti­ mierende Kriterien eine Inklusion der privat erzeugten Regelwerke über den Mechanismus des privaten Einheitsrechts in das staatliche Rechtssystem recht­ fertigen.141 Im Folgenden sollen einige solcher in Betracht kommender Kriterien skizziert werden. Ausgangspunkt der Herausarbeitung möglicher Kriterien müssen dabei die vorliegend untersuchten Regelwerke bilden, da der unterbreitete Vorschlag für die Einführung der dogmatischen Kategorie „privates Einheitsrecht“ die Ergebnisse der empirischen Analyse der Spruchpraxis kondensiert. Dabei geht es allerdings nicht darum, diese Kriterien abschließend konsensfähig herauszuarbeiten, sondern es ist vielmehr das Ziel, einen Wegweiser an die Hand zu geben. So hat die empirische Analyse gezeigt, dass die Rechtsprechung in der Lage ist, durch informelle Strategien den Regelwerken zu einer größtmöglichen Geltung zu verhelfen. Primäres Ziel der Einbindung einer solchen dogmatischen Kategorie ist daher, der Rechtsprechung einen Rahmen und Ort zu geben, in dem die bestehende Praxis dogmatisch aufgearbeitet, konkretisiert und erweitert werden kann. Es könnte in dieser Hinsicht zwischen formellen, die Art und Weise des Zustandekommens betreffenden Kriterien und materiellen Kriterien, die sich auf den Inhalt der Normen beziehen, unterschieden werden. An dieser Stelle können auch gewisse Parallelen zum Begriff der rules of law in Art.  3 der Haager Prinzipien für die Rechtswahl in internationalen kommerziellen Verträgen gezogen werden, der rules of law als solche Regelwerke definiert, die auf internationaler, supranationaler oder regionaler Ebene als neutral und ausgeglichen allgemein anerkannt sind.142 In formeller Hinsicht ist zunächst der Ort der Rechtserzeugung von Relevanz. So handelt es sich bei der ICC um eine neutrale Organisation, die zudem in wich140  Collins, Regulatory Competition in International Trade: Transnational Regulation ­ hrough Standard Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Con­ T tract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  121, 131. 141  Siehe hierzu Schanze, Linking extra-legal codes to law: the role of international standards and other off-the-rack regimes, in: Calliess/Zumbansen (Hrsg.), Law, Economics and Evolutionary Theory, 2011, S.  335, 341. 142  Siehe hierzu supra Zweites Kapitel II.2.a)aa)(2).

III. „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie: ein Definitionsversuch

249

tigen internationalen Organisationen anerkannt ist.143 Dies steht für ein Mindestmaß an verantwortungsvoller Führung (good governance) der betreffenden Organisation.144 Zudem könnte sich die Beteiligung der betroffenen Interessengruppen bei der Rechtserzeugung als maßgeblich erweisen.145 So werden innerhalb des Entstehungsprozesses der ERA alle beteiligten Interessengruppen gehört und es wird auf sie Rücksicht genommen. Hierdurch können negative Externalitäten vermieden werden. Eine solche Beteiligung „breiter Verkehrskreise“ definiert Maurer als zentrales Kriterium. Es geht hierbei um nicht weniger als die generelle Wahrnehmung von öffentlichen Interessen im Rahmen prozeduraler Gerechtigkeit.146 Sofern private Regelwerke einen Anspruch auf die Anerkennung durch das staatliche Recht erheben wollen, ist es essentiell, dass sie nicht nur die Interessen ihrer Mitglieder, sondern auch öffentliche Interessen wahrnehmen.147 Maurer verweist hier auf die Möglichkeit, Lernerfahrungen des staatlichen Rechts nutzbar zu machen. So wären Schwächerenschutz, Umweltschutz und Grundrechtsschutz ebenfalls durch Private sicherzustellen. Um private Regelsetzer nicht zu überfordern, bilden die Anforderungen, die an staatliche Akteure gestellt werden, aber auch die Grenze des Maßstabs für private Regelsetzer.148 In materieller Hinsicht werden beide Regelwerke als neutral und ausgewogen charakterisiert. Die inhaltliche Ausgewogenheit und Kohärenz des Regelwerks könnte ebenfalls ein relevantes Kriterium bilden.149 Dieses Kriterium scheint dann erfüllt zu sein, wenn die prozeduralen Anforderungen gewährleistet sind. In Bezug auf generelle Rechtsprinzipien siehe Metzger, Extra legem intra ius: Allgemeine Rechtsprinzipien im Europäischen Privatrecht, 2009, S.  96 ff. 144  Metzger, Standard Form Contracts as Private Legal Regimes, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, S.  112, 114. 145  Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  100; in Bezug auf Standardverträge Wielsch, Global Law’s Toolbox: How Standards Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  71, 99. 146  Calliess, Prozedurales Recht, 1999, S.  175 ff. 147  Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  102 ff., 224; Fischer-Lescano, Europäische Rechtspolitik als transnationale Verfassungs­ politik – soziale Demokratie in der transnationalen Konstellation, in: Franzius/Mayer/Neyer (Hrsg.), Strukturfragen der Europäischen Union, 2010, S.  307, 324. 148  Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  103 ff. Für den Begriff der Lernerfahrungen verweist Maurer auf Zumbansen, Ordnungsmuster im modernen Wohlfahrtsstaat: Lernerfahrungen zwischen Staat, Gesellschaft und Vertrag, 2000; Zumbansen, Transnational Law and Societal Memory, in: Veitch (Hrsg.), Law and Politics of Reconciliation, 2007, S.  129. 149  Metzger, Standard Form Contracts as Private Legal Regimes, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, S.  112, 113. 143 

250

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

Inhaltlich ist darüber hinaus die Übereinstimmung des Regelwerks mit dem ordre public essentiell,150 also dem innersten Kern des zwingenden Rechts. Insbesondere wenn private Regelwerke wie die ERA versuchen, die Rationalitäten des staatlichen Rechts bei den Revisionen zu berücksichtigen, spricht vieles dafür, dass nicht versucht wird, Interessen zu verfolgen, die gegen den ordre public verstoßen.151 Schließlich muss die angestrebte Funktion des Regelwerks ein maßgebliches Kriterium darstellen. „Privates Einheitsrecht“ bezeichnet der obigen Definition nach solche privaten Regelwerke, die darauf abzielen, Rechtseinheit in dem jeweiligen Sektor zu erzeugen, um so das normative Gut Rechtssicherheit für die Akteure herzustellen.152 Damit übernehmen die Regelsetzer nahezu eine staat­ liche Aufgabe.153 Als Voraussetzungen für das Vorliegen von privatem Einheitsrecht kommen somit in formeller Hinsicht in Betracht: (1) eine neutrale, anerkannte Organisa­ tion als Regelsetzer und (2) die Beteiligung aller relevanten Verkehrskreise am Entstehungsprozess. In materieller Hinsicht kommen in Betracht: (3) die inhaltliche Ausgewogenheit und Kohärenz des Regelwerks, (4) kein Vorliegen eines Verstoßes gegen den ordre public des staatlichen Rechts sowie (5) die Realisierung einer öffentlichen Aufgabe als Regelungszweck des Regelwerks. Dies sind nur mögliche Kriterien, deren Weiterentwicklung der Rechtswissenschaft im Dialog mit der Rechtsprechung obliegt. Letztlich können vor dem Hintergrund der Einbindung der Spruchpraxis Befürchtungen im Hinblick auf die Legitimität zumindest teilweise ausgeräumt werden. Durch die Anwendung des privaten Regelwerks im konkreten Streitfall unter der Rubrik „privates Einheitsrecht“ durch den staatlichen Richter wird ­sichergestellt, dass das Regelwerk formelle und materielle Mindestanforderungen erfüllt.154 Es wird eine Sensibilisierung für gerade diese Kriterien geschaffen. Das private Einheitsrecht hat also, um es mit den Worten Mertens zu formulieren, Siehe in Bezug auf Standardverträge hierzu Wielsch, Global Law’s Toolbox: How Standards Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  71, 102 f. 151  Siehe hierzu supra Viertes Kapitel III. 152 Siehe zum Grundsatz der Rechtssicherheit, Grzeszick, in: Herzog/Herdegen/Scholz/ Klein (Hrsg.), Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar, 2017, Art.  20 GG Rn.  50 ff.; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2014, Art.  20 GG Rn.  122. 153  Siehe hierzu ausführlich Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  102 f. 154  Siehe hierzu Mertens, Nichtlegislatorische Rechtsvereinheitlichung durch transnationales Wirtschaftsrecht und Rechtsbegriff, RabelsZ 56 (1992), S.  219, 239 ff. 150 

IV. Zusammenfassendes Ergebnis

251

„einen Legitimationsbedarf in dem Sinne, daß es der Richter als eine für seinen Spruch maßgebliche gerechte Ordnung rechtfertigen muss“.155

3. Definition Zusammenfassend kann nunmehr „privates Einheitsrecht“ in Bezug auf Tatbestand und Rechtsfolge wie folgt definiert werden: „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie bezeichnet international anerkannte Regelwerke mit dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel, die von neutralen Organisationen erstellt werden, welche die Interessen aller potenziell Betroffenen bei der Regelsetzung einbeziehen und deshalb inhaltlich ausgewogene Regeln bereitstellen, die nicht gegen den ordre public verstoßen. „Privates Einheitsrecht“ soll unter Kaufleuten dann gelten, wenn die Parteien das Regelwerk in ihren Vertrag einbeziehen. Als Rechtsfolge privaten Einheitsrechts ist zwingendes nationalstaatliches Recht restriktiv im Hinblick auf den Einheitszweck auszulegen, um die Rechtsbeständigkeit der Regeln zu wahren. „Privates Einheitsrecht“ ist autonom und international einheitlich auszulegen.

IV. Zusammenfassendes Ergebnis Obwohl Strategien der Spruchpraxis156 und wechselseitige Beobachtungen durch die privaten Regelsetzer identifiziert werden konnten, die im Ergebnis dazu führen können, dass die Funktionsbedingungen privater Regelwerke dem Grunde nach gewährleistet werden, kann dieser Zustand wohl eher als ein praktischer Kompromiss verstanden werden und sicher nicht als vollbefriedigende Lösung. Für die Akteure des grenzüberschreitenden Handels bietet diese Praxis wenig Vorhersehbarkeit, denn die Handhabe privater Regelwerke kann in jedem Einzelfall eine andere sein.157 Es muss aber das Ziel der Rechtsdogmatik sein, genau diese Rechtsprechung zu durchdringen, zu systematisieren und einem Begriff zuzuweisen.158 Damit ging es in einem letzten Schritt darum, die Folgen der Beobachtungen für die Zivilrechtsdogmatik zu beleuchten. So hat sich im Rahmen einer Bestandsaufnahme offenbart, dass die Rechtsdogmatik die ihr zugewiesenen Funktionen in Bezug auf die Konzeptualisierung privater Regelwerke jedenfalls zum Teil nicht 155 

Ebd., S.  240. Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. 157  Siehe hierzu supra Viertes Kapitel IV. 158  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, S.  55 ff. 156 

252

Fünftes Kapitel – Lehren für die Zivilrechtsdogmatik

erfüllt. Privatisierung als eine Folge der zunehmenden Internationalisierung der Gesellschaft hat die Rechtsdogmatik vor Herausforderungen gestellt, denen sie nicht mit einer notwendigen Anpassung begegnet, sondern mit dem von L ­ uhmann als möglich prophezeiten Abbau dogmatischer Stringenz.159 So hat sich einerseits gezeigt, dass in der Spruchpraxis die hergebrachten dogmatischen Kategorien nahezu keine Rolle spielen, was andererseits auch nicht verwunderlich ist, da keine Rechtskategorie für die Eigenheiten privater Regelwerke der vorliegenden Art überzeugen kann.160 Eine Öffnung der Binnengrenzen des Rechts durch die Einführung einer neuen dogmatischen Kategorie ist daher ein vielversprechender Lösungsvorschlag.161 Hierdurch kann der Rechtsprechung ein Ort und Rahmen gegeben werden, in dem die bestehende Praxis aufgearbeitet, konkretisiert und erweitert werden kann, zugleich aber auch die nötige Transparenz für die Akteure geschaffen wird.162 Der Definitionsvorschlag der vorliegenden Arbeit versteht sich deshalb auch lediglich als ein Wegweiser, diese Kategorie zu skizzieren. Für die Begriffsbestimmung wurden zunächst die Ergebnisse der Arbeit fruchtbar gemacht. Unter der dogmatischen Kategorie „privates Einheitsrecht“ sind international anerkannte Regelwerke mit dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel durch Rechtsvereinheitlichung zu verstehen. In Anlehnung an die Ergebnisse der empirischen Analyse ist rechtsfolgentechnisch an die Kategorie des privaten Einheitsrechts eine hohe Kontrollschwelle anzulegen (ordre public) und eine autonom, international einheitliche Auslegung zu verfolgen. „Privates Einheitsrecht“ soll unter Kaufleuten dann gelten, wenn die Parteien das Regelwerk in ihren Vertrag einbeziehen. Diese Begriffsbestimmung konnte in Anbetracht möglicher Bedenken hinsichtlich Legitimität und demokratischer Legitimation in Bezug auf private Regelwerke aber nur den Ausgangspunkt bilden. Weitere Kriterien sind erforderlich, um die Anwendung als „privates Einheitsrecht“ zu rechtfertigen.163 In formeller Hinsicht könnten diesbezüglich eine neutrale, anerkannte Organisation Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S.  14. Teubner, Privatregimes: Neo-Spontanes Recht und duale Sozialverfassungen in der Weltgesellschaft?, in: Simon/Weiss (Hrsg.), Liber Amicorum Spiros Simitis, 2000, S.  437, 440 ff.; Basedow, The State’s Private Law and the Economy – Commercial Law as an Amalgam of Public and Private Rule-Making, 56 American Journal of Comparative Law 2008, S.  703, 708. 161  Siehe hierzu Köndgen, Privatisierung des Rechts – Private Governance zwischen Deregulierung und Rekonstitutionalisierung, AcP 206 (2006), S.  477, 518 ff.; Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  100. 162  Siehe hierzu supra Fünftes Kapitel III.1. 163  Siehe hierzu Calliess/Zumbansen, Rough Consensus and Running Code – A Theory of Transnational Private Law, 2010, S.  33 f. 159  160 

IV. Zusammenfassendes Ergebnis

253

als Regelsetzer164 und die Beteiligung aller relevanten Verkehrskreise am Entstehungsprozess165 relevant sein. Als materielle Kriterien wären die inhaltliche Ausgewogenheit und Kohärenz166 des Regelwerks, kein Vorliegen eines Verstoßes gegen den ordre public des staatlichen Rechts167 sowie die Realisierung einer öffentlichen Aufgabe als Regelungszweck168 des Regelwerks denkbar. Letzlich ist eine solche dogmatische Kategorie gerade der Ort, an dem weitere Kriterien entwickelt und verbindlich festgelegt werden können, welche die Anwendung des Regelwerks als „privates Einheitsrecht“ im konkreten Fall recht­ fertigen. Es bliebe aber der Rechtswissenschaft überlassen, die Kategorie des privaten Einheitsrechts weiterzuentwickeln.

164  Metzger, Standard Form Contracts as Private Legal Regimes, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, S.  112, 113–114. 165  Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  100. 166  Metzger, Standard Form Contracts as Private Legal Regimes, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, S.  112, 113–114. 167  Wielsch, Global Law’s Toolbox: How Standards Form Contracts, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013, S.  71, 102 f. 168  Maurer, Lex Maritima – Grundzüge eines transnationalen Seehandelsrechts, 2012, S.  102 ff.

Schluss Ausgangspunkt der Untersuchung war der Befund, dass grenzüberschreitende Transaktionen an einer spezifischen Rechtsunsicherheit leiden, die jedenfalls nicht vollumfänglich durch die Mechanismen des staatlichen Rechts aufgelöst wird.1 Die zusätzlichen Transaktionskosten, die hierdurch für die Parteien hervor­ gerufen werden, können sich schlimmstenfalls als Handelshemmnis erweisen.2 Als vielversprechender Lösungsmechanismus hat sich konzeptionell die Bereitstellung von global einheitlichen Regeln in Form des staatlichen Einheitsrechts herausgestellt.3 Bei näherer Betrachtung wurde aber deutlich, dass sich der Prozess der Rechtsvereinheitlichung vielfach als problematisch erweist, weshalb Einheitsrecht nur schwerlich in der Lage ist, ein bedarfsgerechtes Rechts­regime für grenzüberschreitende Transaktionen zu konstituieren.4 Als besonders hinderlich haben sich die beschränkte Möglichkeit erwiesen, internationale Konventionen an geänderte Umstände anzupassen, sowie die Gewährleistung einer international einheitlichen Auslegung. Die Perspektive des Wettbewerbs der Rechtsordnungen hat es zudem fraglich erscheinen lassen, ob Einheitsrecht – im Vergleich der Alternativen Einheit und Vielfalt – tatsächlich als die vorzugswürdige Lösung zu bewerten ist.5 Hiervon ausgehend hat die Arbeit im Zweiten Kapitel private Regelwerke als alternative Lösungsstrategie zur Herstellung von Rechtseinheit ins Visier genommen, die als Hybrid zwischen Einheit und Vielfalt einen fruchtbaren Lö1 Siehe hierzu Schmidtchen/Schmidt-Trenz, Neue Institutionenökonomik Internationaler Transaktionen, WiSt 2003, S.  215, 217 ff.; für eine andere Bewertung Rühl, Statut und Effi­ zienz, 2011. 2  Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, JZ 2001, S.  1149; Estrella Faria, Future Dimensions of Legal Harmonisation and Law Reform: Stormy Seas or Prosperous Voyage?, 14 Uniform Law Review 2009, S.  5. 3  Leebron, Claims for Harmonization: A Theoretical Framework, 27 Canadian Business Law Journal 1996, S.  63. 4  Calliess, The Making of Transnational Law, 14 Indiana Journal of Global Legal Studies 2007, S.  469, 474. 5  Siehe hierzu die Beiträge in Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition in Contract Law and Dispute Resolution, 2013.

256

Schluss

sungsmechanismus für die Bewältigung der rechtlichen Unsicherheiten im grenzüberschreitenden Handel darstellen können. So spielen private Bemühungen der Rechtsvereinheitlichung in der Wirtschaftspraxis eine große Rolle.6 Dabei ist die Erfüllung der Vereinheitlichungsfunktion privater Regelwerke strukturell davon abhängig, wie staatliches Recht auf private Regelwerke reagiert, da die autoritative Anwendung und Auslegung privater Regelwerke durch staatliche Gerichte erfolgt. So kann die gewünschte Rechtseinheit beispielsweise dann nicht erzeugt werden, wenn Normen der privaten Regelwerke für unwirksam erklärt werden. Als Funktionsbedingungen privater Regelwerke wurden in der Folge die Rechtsbeständigkeit der Regeln sowie eine international einheit­ liche Auslegung im Rahmen der Anwendung vor staatlichen Gerichten identifiziert. Die Gewährleistung der Funktionsbedingungen durch das staatliche Recht stand sodann auf dem Prüfstand. Schon im Ausgangspunkt hat sich das Verhältnis zwischen staatlichem Recht und privater Selbstregulierung als schwierig erwiesen. Der Eintritt privater Normativität in die Sphäre staatlichen Rechts wird geltungstheoretisch durch eine hierarchische Unterordnung aufgelöst.7 Da sie nicht einem Nationalstaat entspringen, ist privaten Regelwerken die Anerkennung als Recht versagt und sie werden in die zur Verfügung stehenden dogmatischen Kategorien Vertragsklausel, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Handelsbrauch und Handelsgewohnheitsrecht konzeptualisiert. Dies ist indes nicht unproblematisch für die Funk­ tionsfähigkeit privater Regelwerke, da sie hierdurch den inhärenten Kontroll­ mechanismen wie einer AGB-Kontrolle unterworfen werden und einer Auslegung anhand nationaler Prinzipien unterliegen. Die dogmatische Konzeptualisierung von privater Normativität beinhaltet in jeder Ausformung eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit privater Regelwerke. Die Beobachtungen des Dritten und Vierten Kapitels zeichnen aber ein anderes Bild. Jedenfalls für zwei der drei in dieser Arbeit untersuchten Regelwerke, Incoterms und ERA, hat sich gezeigt, dass in der Praxis die Regelungen völlig anders angewendet werden, als es die dogmatischen Kategorien nahelegen. So hat die Untersuchung ergeben, dass sich die dogmatischen Gefahren in Bezug auf die Referenzregelwerke nicht realisieren, sondern ganz im Gegenteil die

6  Schmitthoff, The Unification or Harmonisation of Law by Means of Standard Contracts and General Conditions, 17 International and Comparative Law Quarterly 1968, S.  551, 555 ff., 570; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S.  47, 58 ff.; Bonell, Das autonome Recht des Welthandels – Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978), S.  485, 485 ff. 7  Michaels, The Re-State-Ment of Non-State Law: The State, Choice of Law and the Challenge from Global Legal Pluralism, 51 Wayne Law Review 2005, S.  1209.

Schluss

257

Funktionsbedingungen, Rechtsbeständigkeit und eine internationale Auslegung durch das staatliche Recht gewahrt werden.8 Konkret konnten drei Strategien des Umgangs mit privaten Regelwerken identifiziert werden, die es ermöglichen, dass einerseits die Funktionsfähigkeit der privaten Regelwerke nicht gefährdet wird und andererseits das staatliche Recht nicht von seinen rechtstheoretischen und rechtsdogmatischen Grundfesten abweichen muss.9 Die formalen dogmatischen Rezeptionsmechanismen scheinen also wenig Auswirkung auf die Funktionsbedingungen privater Regelwerke in der Praxis zu haben.10 Vielmehr hat sich in Kombination mit den kurzen Beobachtungen des Vierten Kapitels gezeigt, dass der unmittelbare Verlust von Autonomie, den das private Einheitsrecht bei Eintritt in die Sphäre staatlichen Rechts erfährt, gleichermaßen einen Gewinn von Legitimität zur Folge haben kann, was zu einem Mehr an Rechtssicherheit führen kann. Gleichwohl kann dieser Zustand eher als ein Kompromiss verstanden werden und sicher nicht als vollbefriedigende Lösung. So bietet die Spruchpraxis wenig Vorhersehbarkeit für die Akteure, denn die Handhabe privater Regelwerke kann in jedem Einzelfall eine andere sein. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Vorschlag zu verstehen, die Zivilrechtsdogmatik um den Begriff des privaten Einheitsrechts anzureichern, um so Rechtspraxis und Rechtsdogmatik in Einklang zu bringen. So hat sich im Rahmen einer Bestandsaufnahme gezeigt, dass die Rechtsdogmatik die ihr zugewiesenen Funktionen in Bezug auf die Konzeptualisierung privater Regelwerke nicht gewährleistet. Privatisierung als eine Folge der zunehmenden Internationalisierung der Gesellschaft hat die Rechtsdogmatik vor Herausforderungen gestellt, der sie aber nicht mit einer notwendigen Anpassung begegnet, sondern mit dem von Luhmann als möglich prophezeiten Abbau dogmatischer Stringenz.11 So hat sich einerseits gezeigt, dass in der Spruchpraxis die hergebrachten dogmatischen Kategorien nahezu keine Rolle spielen, was andererseits auch nicht verwunderlich ist, da keine Kategorie für die Eigenheiten privater Regelwerke der vorliegenden Art überzeugen kann. Daher sollte sich das staatliche Recht durch die Einführung einer neuen dogmatischen Kategorie des „privaten Einheitsrechts“ privaten Regelwerken öffnen. Hierdurch können zum einen die Funktionsbedingungen privater Regelwerke normativ verankert gewährleistet werden und zum anderen Kriterien entwickelt werden, welche die Einbeziehung privater Regelwerke legitimieren. Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III. Siehe hierzu supra Drittes Kapitel IV. 10  Siehe hierzu supra Drittes Kapitel III.4. 11  Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S.  14. 8  9 

258

Schluss

Wesentlicher Gedanke dieses Vorschlags ist es, dass die Spruchpraxis bereits einen pragmatischen, funktionsorientierten Ansatz zur Behandlung der Referenzregelwerke herausgebildet hat. Durch die Bildung einer dogmatischen Kategorie kann nun der Rechtsprechung ein Ort und Rahmen gegeben werden, in dem die bestehende Praxis aufgearbeitet, konkretisiert und erweitert werden kann. Es würde jedenfalls eine Kategorie existieren, die dann mit Leben gefüllt werden kann. Gleichermaßen wäre es wünschenswert, wenn sich in der Rechtswissenschaft ein neuer Diskurs um „privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie herausbilden könnte. So obliegt es der Rechtswissenschaft, diese Kategorie insbesondere im Hinblick auf die Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale weiterzuentwickeln. Auch wenn der Sache nach lediglich bereits bestehende Konzepte der Diskussion zugeführt werden, so trägt dies elementar dazu bei, den Begriff in der Rechtswissenschaft zu etablieren. Aus Akteurssicht würde zudem eine transparente Behandlung privater Regelwerke unter der Kategorie „privates Einheitsrecht“ in einem ganz erheblichen Maße zur Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit beitragen. Als Ergebnis der Untersuchung ergibt sich folgende Definition des Tatbestandes und der Rechtsfolge „privaten Einheitsrechts“: „Privates Einheitsrecht“ als dogmatische Kategorie bezeichnet international anerkannte Regelwerke mit dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Handel, die von neutralen Organisationen erstellt werden, welche die Interessen aller potenziell Betroffenen bei der Regelsetzung einbeziehen und deshalb inhaltlich ausgewogene Regeln bereitstellen, die nicht gegen den ordre public verstoßen. „Privates Einheitsrecht“ soll unter Kaufleuten dann gelten, wenn die Parteien das Regelwerk in ihren Vertrag einbeziehen. Als Rechtsfolge privaten Einheitsrechts ist zwingendes nationalstaatliches Recht restriktiv im Hinblick auf den Einheitszweck auszulegen, um die Rechtsbeständigkeit der Regeln zu wahren. „Privates Einheitsrecht“ ist autonom und international einheitlich auszulegen.12

„Privates Einheitsrecht“ sollte als Teil einer globalen Regelungsstruktur verstanden werden, welche sich aus verschiedenen Regimen zusammensetzt. So kann „privates Einheitsrecht“ an die strukturellen Probleme staatlichen Einheitsrechts anknüpfen. Gerade für den Bereich des sich schnell wandelnden Wirtschaftsverkehrs kann durch „privates Einheitsrecht“ ein bedarfsgerechtes Regime erzeugt werden, welches sich stets an tatsächliche Veränderungen anpasst. Ein Versteinerungseffekt, wie er bei staatlichem Einheitsrecht stets zu befürchten ist, wird sich deshalb bei „privatem Einheitsrecht“ nicht einstellen. So zeigen die stetigen Revisionen und Änderungen die inhärente Flexibilität privaten Einheitsrechts, welche sich gerade aufgrund der fehlenden Rechtsgeltung realisieren lässt. Umständ­ liche Änderungsprotokolle oder gar eine neue Ratifizierung sind im Gegensatz zu staatlichem Einheitsrecht nicht notwendig. 12 Siehe

supra Fünftes Kapitel III.3.

Schluss

259

Aber auch „privates Einheitsrecht“ hat Nachteile. Dies gilt insbesondere dann, wenn es nicht zu einer dogmatischen Verfestigung käme. Das Fehlen einer natio­ nalen Implementierung gestaltet es für den staatlichen Richter vergleichbar schwieriger, sich Wissen über Inhalt und Art und Weise der Anwendung anzu­ eignen. Zur Grundausbildung eines jeden Juristen gehört das „Expertenrecht“ mancher privater Regelwerke jedenfalls nicht.13 So sollte das Verhältnis von „privatem Einheitsrecht“ und staatlichem Einheitsrecht auch nicht als ein Konkurrenzverhältnis beschrieben werden. Vielmehr stehen beide kooperativ nebeneinander und können sich wechselseitig ergänzen. Nicht nur lässt sich „privates Einheitsrecht“ durch staatliches Einheitsrecht ­komplettieren, auch staatliches Einheitsrecht ist offen für Elemente der Selbst­ regulierung, wie sich beispielsweise an Art.  9 des UN-Kaufrechts zeigt.14 Die Empfehlungen bestimmter privater Regelwerke durch die Vereinten Nationen und UNIDROIT verdeutlichen weiter ein kooperatives Verhältnis. Durch eine Kombination unterschiedlicher Regime, seien sie privaten, internationalen oder supra­nationalen Ursprungs, kann es im Ergebnis möglich sein, ein vollumfäng­ liches Regime für eine grenzüberschreitende Transaktion zu konstituieren. So wäre zum Beispiel bei einem internationalen Warenkauf zwischen einem Deutschen und einem Kanadier zunächst das UN-Kaufrecht anwendbar.15 Fragen des Allgemeinen Vertragsrechts könnten auf die UNIDROIT-Principles gestützt werden. Die speziellen Fragen der Gefahrtragung könnten durch die Incoterms festgelegt und der Zahlungsverkehr könnte über die ERA abgewickelt werden. Viele Aspekte einer grenzüberschreitenden Transaktion können durch ein solches Nebeneinander staatlicher und privater Regime gelöst werden.

13  de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/ Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 79 ff. 14  de Ly, Uniform Contract Law and International Self-Regulation, in: Basedow/Ferrari/ Posch/Schnyder/Schulze (Hrsg.), The Unification of International Commercial Law, 1998, S.  59, 67. 15  Sofern das UN-Kaufrecht durch die Parteien nicht ausgeschlossen wurde.

Übersicht über die untersuchten Urteile Die Arbeit untersucht die Spruchpraxis deutscher und englischer Gerichte zu den Incoterms, den Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive (ERA) und den UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (PICC). Die untersuchten Urteile sind im Folgenden in zeitlicher Reihenfolge der Entscheidungen mit Fundstellen aufgeführt.

Incoterms-Spruchpraxis deutscher Gerichte BGH, Urteil vom 25.04.1991 – III ZR 74/90, juris OLG Köln, Urteil vom 15.09.1992 – 22 U 78/92, juris OLG Bremen, Urteil vom 17.11.1994 – 2 U 51/94, juris OLG Hamburg, Urteil vom 14.02.1996 – 5 U 186/95, juris OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.04.1996 – 5 U 219/94, juris BGH, Urteil vom 11.12.1996 – VIII ZR 154/95, juris OLG Hamburg, Urteil vom 28.02.1997 – 1 U 167/95, juris OLG Stuttgart, Urteil vom 15.08.1997 – 2 U 116/97, juris BGH, Urteil vom 19.02.1998 – I ZR 233/95, juris OLG Hamburg, Urteil vom 09.04.1998 – 6 U 277/97, juris OLG Hamm, Urteil vom 29.10.1998 – 28 U 42/98, juris LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2001 – 419 O 130/99, juris OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2001 – 13 U 102/01, juris OLG Celle, Urteil vom 07.02.2002 – 11 U 163/01, juris OLG Koblenz, Urteil vom 16.10.2003 – 7 U 87/00, juris OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2003 – 3 U 50/03, juris LG Freiburg, Zwischenurteil vom 13.05.2005 – 2 O 401/04, juris LG Neubrandenburg, Urteil vom 03.08.2005 – 10 O 74/04, juris BGH, Beschluss vom 20.10.2005 – IX ZR 246/03, juris OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2006 – 8 U 218/05, juris LG Krefeld, Urteil vom 20.09.2006 – 11 O 151/05, juris LG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2007 – 4a O 82/06, juris OLG Oldenburg, Urteil vom 13.06.2007 – 4 U 65/00, juris OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2008 – I-16 U 39/08, juris BGH, Urteil vom 22.04.2009 – VIII ZR 156/07, juris OLG Stuttgart, Urteil vom 10.06.2009 – 3 U 12/09, juris OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – 6 U 173/08, juris LG Köln, Urteil vom 29.03.2011 – 87 O 158/09, juris OLG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2011 – 5 U 199/10, juris LG Dortmund, Urteil vom 26.05.2011 – 18 O 160/09, juris EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris OLG Hamm, Urteil vom 09.09.2011 – 19 U 88/11, I-19 U 88/11, juris

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Übersicht über die untersuchten Urteile

OLG Köln, Urteil vom 19.10.2011 – 1-16 U 161/10, juris OLG Köln, Urteil vom 29.02.2012 – 1-16 U 57/11, 16 U 57/11, juris OLG Hamm, Urteil vom 26.03.2012 – 1-2 U 222/ 11, 2 U 222/11, juris OLG Hamm, Urteil vom 30.03.2012 – 1-19 U 186, 11. 19 U 186/11, juris LG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2012 – 4b O 54/11, juris BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris OLG Hamburg, Urteil vom 07.03.2013 – 6 U 45/12, juris OLG Köln, Urteil vom 24.04.2013 – 1-16 U 106/12. 16 U 106/12, juris

Incoterms-Spruchpraxis englischer Gerichte Zenziper Grains and Feed Stuffs v Bulk Trading Corporation Limited [2000] EWCA Civ 307 Iran Continental Shelf Oil Company, Iran Offshore Oil Company, National Iranian Oil Company v IRI International Corporation [2001] WL 173441 Glaxo Group Limited v Dowelhurst Limited, Richard Taylor [2003] WL 21729286 Fal Oil Co Ltd. Anor v Petronas Trading Corp Snd Bhd [2004] EWCA Civ 822 International Finance Corporation v DSNL Offshore Limited & Ors [2005] EWHC 1844 (Comm) SHV Gas Supply & Trading SAS v Naftomar Shipping & Trading Co Ltd. Inc [2005] EWHC 2528 (Comm) James E McCabe Limited v Scottish Courage Limited [2006] EWHC 538 (Comm) Scottish & Newcastle International Ltd. v Othon Ghalanos Ltd. [2006] EWCA Civ 1750 Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40 ERG Raffinerie Mediterranee SPA v Chevron USA Inc [2007] Int.Com.L.R Gallahar International Limited v Tlais Enterprises Limited [2008] EWHC 804 (Comm) Scottish & Newcastle International Limited (Respondents) v Othon Ghalanos Limited (a company incorporated in Cyprus) (Appellants) [2008] UKHL 11 Geofizika DD v MMB International Limited v Greenshields Cowie & Co Limited [2009] EWHC 1675 (Comm) Bominflot Bunkergesellschaft fur Mineraloele mbH & Co KG v Petroplus Marketing AG (The Mercini Lady) [2010] EWCA Civ 1145 AP Moller-Maersk AS (t/a Maersk Line) v Sonaec Villas Cen Sad Fadoul [2010] EWHC 355 (Comm) Choil Trading SA v Sahara Energy Resources Ltd. [2010] EWHC 374 (Comm) Geofizika DD v MMB International Limited, Greenshields Cowie & Co Ltd. [2010] EWCA Civ 459 Kolmar Group AG v Traxpo Enterprises Pvt Limited [2010] EWHC 113 (Comm) Fortis Bank S.A./N.V., Stemcor UK Limited v Indian Overseas Bank [2011] EWHC 538 (Comm) Wilmar Oleo Pte Ltd. v Vinmar Chemicals and Polymers BV [2011] EWHC 20677 (Comm) FG Wilson (Engineering) Limited v John Holt & Company (Liverpool) Limited [2012] EWHC 2477 (Comm) Great Elephant Corp v Trafigura Beheer BV & Ors. [2013] EWCA Civ 905 Caterpillar (NI) Limited (Formerly Known as) FG Wilson (Engineering) Limited v John Holt & Company (Liverpool) Limited [2013] EWCA Civ 1232 Resolution Chemicals Limitedv H. Lundbeck A/S [2013] EWHC 739 (Pat) Bluewater Energy Services BV v Mercon Steel Structures BV, Mercon Holding BV, Mercon Groep BV [2014] EWHC 2132 (TCC)

Übersicht über die untersuchten Urteile

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Cottonex Anstalt v Patriot Spinning MIlls Ltd. [2014] EWHC 236 (Comm) Newland Shipping and Forwarding Limited v Toba Trading FZC [2014] EWHC 661 (Comm)

ERA-Spruchpraxis deutscher Gerichte OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.1991 – 5 U 207/90, NJW-RR 1992, 684–685 LG Limburg, Urteil vom 25.03.1992 – 5 O 101/90, WM 1992, 1399–1404 OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.07.1992 – 18a U 39/92, WM 1992, 2095–2098 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.01.1994 – 3/11 O 228/92, WM 1994, 944–947 OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.12.1994 – 4 U 29/94, WM 1996, 58–61 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, 153–154 BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris OLG München, Urteil vom 03.07.1996 – 7 U 2162/96, juris LG Frankenthal, Urteil vom 14.11.2002 – 2 HK.O 165/01, juris OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2003 – 16 U 129/02, juris OLG Köln, Urteil vom 29.07.2003 – 9 U 165/02, BeckRS 2003, 454–455 BGH, Urteil vom 15.03.2004 – II ZR 247/01, BeckRS 2004, 04949 OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.05.2010 – 17 U 261/09, juris LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 – 91 O 8/11, BeckRS 2011, 04910

ERA-Spruchpraxis englischer Gerichte Safa Ltd. v Banque Du Caire [2000] WL 989492 Banco Santander S A v Banque Paribas [2000] EWCA Civ 57 Credit Agricole Indosuez London Branch v Credit Suisse First Boston, Zurich [2001] WL 542246 Standard Chartered Bank v Pakistan National Shipping Corp & Ors. [2001] C.L.C. 825 Montrod Ltd. v Grundkötter Fleischvertriebs GmbH [2001] EWCA Civ 1954 Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm) Homburg Houtimport BV and Others v Agrosin Private Ltd. and Another [2003] UKHL 12 Marconi Communications International Ltd. v PT Pan Indonesia Bank Ltd. TBK [2004] EWHC 129 (Comm) The Bank of Tokyo-Mitsubishi Ltd. and Another v Baskan Gida Sanayi Ve Pazarlama as and Others [2004] EWHC 945 (CH) Mahonia Limited v JP Morgan Chase Bank, West LB AG [2004] EWHC 1938 (Comm) Jackson and another v Royal Bank of Scotland plc [2005] UKHL 3 J I Macwilliam Co Inc v Mediterranean Shipping Co SA [2005] UKHL 11 PT Pan Indonesia Bank Limited TBK v Marconi Communications International Limited [2005] EWCA Civ 422 Sea Success Maritime Inc v African Maritime Carriers Limited [2005] EWHC 1542 (Comm) Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2005] EWHC 2350 (Comm) Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2006] EWHC 1450 (Comm) Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2006] EWHC 1921 (Comm) Habib Bank Ltd. v Central Bank of Sudan [2006] EWHC 1767 (Comm) Phillip Thomas Oliver and anor v Dubai Bank Kenya Ltd. [2007] EWHC 2165 (Comm) Fortis Bank SA/NV & Anor v Indian Overseas Bank [2009] EWHC 2303 (Comm) Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm) Fortis Bank S.A./N.V., Stemcor UK Limited v Indian Overseas Bank [2011] EWHC 538 (Comm)

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Übersicht über die untersuchten Urteile

Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58 Kolmar Group AG v Traxpo Enterprises Pvt Limited [2010] EWHC 113 (Comm) Governor & Company of the Bank of Ireland v State Bank of India [2011] NIQB 22 Ibrahim v Barclays Bank plc & Anor. [2011] EWHC 1897 (Ch) Swotbooks.Com Limited v Royal Bank of Scotland plc [2011] EWHC 2025 (QB) Societe Generale SA v Saad Trading & Ors. [2011] EWHC 2424 (Comm) Petrologic Capital SA v Banque Cantonale de Genève & another [2012] EWHC 453 (Comm) Ibrahim v Barclays Bank Plc & Anr [2012] EWCA Civ 640 Société Générale S.A v Saad Trading, Contracting and Financial Services Company & ANR [2012] EWCA Civ 695 Chambal Fertilisers and Chemicals Limited v Trafigura Maritime Ventures Limited and Others [2013] EWCA Civ 746 Standard Chartered Bank v Dorchester LNG (2) Ltd. [2013] EWHC 808 (Comm) Bulgrains & Co Limited v Shinhan Bank [2013] EWHC 2498 (QB) Taurus Petroleum Ltd. v State Oil Marketing Co of the Ministry of Oil, Iraq [2013] EWHC 3494 (Comm) Den Danske Bank A/S and others v Surinam Shipping Ltd. [2014] UKPC 10 Standard Chartered Bank v Dorchester Lng (2) Limited “Mt Erin Schulte“ [2014] EWCA Civ 1382 (Rev.1)

PICC-Spruchpraxis Svenska Petroleum Exploration AB v Government of Republic of Lithuania (No 2) [2005] EWHC 2437 (Comm) Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69 Econet Satellite Services Ltd. v Vee Networks Ltd. [2006] EWHC 1664 (Comm) Square Mile Partnership Ltd. v. Fitzmaurice McCall Ltd. [2006] EWCA Civ 1690 Great Hill Equity Partners II LP v Novator One LP & Ors [2007] EWHC 1210 (Comm) Musawi v R E International (UK) Ltd. & Others [2007] EWHC 2981 Chartbrook Limited v. Persimmon Homes Limited [2008] EWCA Civ 183 Chartbrook Limited (Respondents) v Persimmon Homes Limited and others (Appellants) and another (Respondent) [2009] UKHL 38 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2011 – 2-13 O 302/10, 2-13 O 302/10, juris

Rechtsprechungsverzeichnis Anglo-amerikanische Rechtsprechung (alphabetisch) Banco Santander S A v Banque Paribas [2000] EWCA Civ 57 Black and White Taxicab & Transfer Co v Brown and Yellow Taxicab and Transfer Co [1928] 276 US 518 Bluewater Energy Services BV v Mercon Steel Structures BV, Mercon Holding BV, Mercon Groep BV [2014] EWHC 2132 (TCC) Bominflot Bunkergesellschaft fur Mineraloele mbH & Co KG v Petroplus Marketing AG (The Mercini Lady) [2010] EWCA Civ 1145 Bulgrains & Co Limited v Shinhan Bank [2013] EWHC 2498 (QB) Chartbrook Limited (Respondents) v Persimmon Homes Limited and others (Appellants) and another (Respondent) [2009] UKHL 38 Chartbrook Limited v. Persimmon Homes Limited [2008] EWCA Civ 183 Credit Agricole Indosuez London Branch v Credit Suisse First Boston, Zurich [2001] WL 542246 Credit Industriel et Commercial v China Merchants Bank [2002] EWHC 973 (Comm) Cunliff-Owen v Teather and Greenwood [1967] 1 W.L.R. 1421 Daun v City of London Brewery Co [1869] LR 8 Eq 155 Econet Satellite Services Ltd. v Vee Networks Ltd. [2006] EWHC 1664 (Comm) ERG Raffinerie Mediterranee SPA v Chevron USA Inc [2006] Int.Com.LR. 06/09 Eurico SpA v Philipp Brothers [1987] 2 Loyd’s Rep 215 Fal Oil Co Ltd. Anor v Petronas Trading Corp Snd Bhd [2004] EWCA Civ 822 Forestal Mimosa Ltd. v Oriental Credit Ltd. [1986] 2 All ER 400 Fortis Bank S.A./N.V., Stemcor UK Limited v Indian Overseas Bank [2011] EWHC 538 (Comm) Fortis Bank SA/NV & Anor v Indian Overseas Bank [2009] EWHC 2303 (Comm) Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2010] EWHC 84 (Comm) Fortis Bank SA/NV and another v Indian Overseas Bank [2011] EWCA Civ 58 Geofizika DD v MMB International Limited v Greenshields Cowie & Co Limited [2009] EWHC 1675 (Comm) Geofizika DD v MMB International Limited, Greenshields Cowie & Co Ltd. [2010] EWCA Civ 459 Glaxo Group Limited v Dowelhurst Limited, Richard Taylor [2003] EWHC 2015 (Ch) Glencore v Bank of China [1996] CLC 95 Great Elephant Corp v Trafigura Beheer BV & Ors. [2013] EWCA Civ 905 Great Elephant Corporation v Trafigura Beheer BV v Vitol S.A., Vitol Asia PTE Limited, China Offshore Oil (Singapore) International PTE Limited, M/T Crudesky [2012] EWHC 1745 (Comm)

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Rechtsprechungsverzeichnis

Great Hill Equity Partners II LP v Novator One LP & Ors [2007] EWHC 1210 (Comm) Habib Bank Ltd. v Central Bank of Sudan [2006] EWHC 1767 (Comm) Harlow & Jones Ltd. v American Express Bank Ltd. and Creditanstalt-Bankverein (third party) [1992] 2 Lloyd’s Rep 343 Homburg Houtimport BV and Others v Agrosin Private Ltd. and Another [2003] UKHL 12 Ibrahim v Barclays Bank Plc & Anr [2012] EWCA Civ 640 Intraco Ltd. v Notis Shipping Corporation of Liberia, The Bhoja Trader [1981] 2 Lloyd’s Rep 256 Investor Compensation Scheme Ltd. v West Bromwhich Building Society [1997] UKHL 28 Iran Continental Shelf Oil Company, Iran Offshore Oil Company, National Iranian Oil Company v IRI International Corporation [2001] WL 1734411 J I Macwilliam Co Inc v Mediterranean Shipping Co SA [2005] UKHL 11 Kredietbank Antwerp v Midland Bank plc. [1999] C.L.C. 1108 London Export Corpn Ltd. v Jubilee Coffee Roasting Co [1958] 1 W.L.R. 661 M Golodetz & Co v Czarnikow-Rionda (Q.B.D.) [1980] 1 W.L.R. 495 Mahonia Limited v JP Morgan Chase Bank, West LB AG [2004] EWHC 1938 (Comm) Marconi Communications International Ltd. v PT Pan Indonesia Bank Ltd. TBK [2004] EWHC 129 (Comm) Montrod Ltd. v Grundkötter Fleischvertriebs GmbH [2001] EWCA Civ 1954 Musawi v R E International (UK) Ltd. & Others [2007] EWHC 2981 Pagnan SpA v Tradax Ocean Transportation [1987] 2 Lloyd’s Rep 342 Palgrave, Brown & Son Ltd. v SS Turid (Owners) [1922] 1 AC 397 Petrologic Capital SA v Banque Cantonale de Genève & another [2012] EWHC 453 (Comm) Phillip Thomas Oliver and anor v Dubai Bank Kenya Ltd. [2007] EWHC 2165 (Comm) Prenn v Simmonds [1971] 3 All ER 237 Proforce Recruit Limited v. The Rugby Group Limited [2006] EWCA Civ 69 PT Pan Indonesia Bank Limited TBK v Marconi Communications International Limited [2005] EWCA Civ 422 Royal Bank of Scotland v Cassi di Risparmiodelle Province Lombard [1992] 1 Bank LR 251 Safa Ltd. v Banque Du Caire [2000] EWCA Civ 221 Scottish & Newcastle International Limited v Othon Ghalanos Limited [2008] UKHL 11 Scottish & Newcastle International Ltd. v Othon Ghalanos Ltd. [2006] EWCA Civ 1750 SHV Gas Supply & Trading SAS v Naftomar Shipping & Trading Co Ltd. Inc [2005] EWHC 2528 (Comm) Société Générale SA v Saad Trading & Ors. [2011] EWHC 2424 (Comm) Square Mile Partnership Ltd. v Fitzmaurice McCall Ltd. [2006] EWCA Civ 1690 Standard Chartered Bank v Dorchester LNG (2) Ltd. [2013] EWHC 808 (Comm) Stora Enso Oyj v Port of Dundee [2006] CSOH 40 Svenska Petroleum Exploration AB v Government of Republic of Lithuania (No 2) [2005] EWHC 2437 (Comm) Swotbooks.Com Limited v Royal Bank of Scotland plc [2011] EWHC 2025 (QB) Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2005] EWHC 2350 (Comm) Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2006] EWHC 1450 (Comm) Trafigura Beheer BV v Kookmin Bank Co. [2006] EWHC 1921 (Comm) United City Merchants (Investments) Ltd. v Royal Bank of Canada [1983] 1 AC 168 Zenziper Grains and Feed Stuffs v Bulk Trading Corp Ltd. [2000] EWCA Civ 307

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Europäischer Gerichtshof (chronologisch) EuGH, Urteil vom 06.10.1976 – 12/76 – Tessili/Dunlop, juris EuGH, Urteil vom 09.03.1999 – C-212/97 – Centros, juris EuGH, Urteil vom 05.11.2001 – C-208/00 – Überseering, juris EuGH, Urteil vom 30.09.2003 – C-167/01 – Inspire Act, juris EuGH, Urteil vom 25.02.2010 – C-381/08 – Car Trim/KeySafety Systems, juris EuGH, Urteil vom 09.06.2011 – C-87/10 – Electrosteel, juris

Kontinentaleuropäische Rechtsprechung (nach Gerichten chronologisch) Bundesgericht 20.12.2005, 4c. 1/2005, BGE 132 III 285 BGH, Urteil vom 08.07.1955 – I ZR 24/55, BGHZ 18, 81–97 BGH, Urteil vom 19.11.1959 – VII ZR 209/58, WM 1960, 38 BGH, Urteil vom 01.12.1965 – VIII ZR 271/63, NJW 1966, 502 BGH, Urteil vom 18.06.1975 – VIII ZR 34/74, RIW 1975, 578, WM 1975, 917 BGH, Urteil vom 02.05.1984 – VIII ZR 38/83, BB 1984, 1191 BGH, Beschluss vom 04.10.1984 – III ZR 102/83, WM 1984, 1443–1444 BGH, Urteil vom 15.01.1987 – I ZR 198/84, BGHZ 99, 321–326 BGH, Urteil vom 26.09.1989 – XI ZR 159/88, BGHZ 108, 348–353 BGH, Urteil vom 03.02.1993 – IV ZR 106/92, NJW-RR 1993, 504 BGH, Urteil vom 25.11.1993 – VII ZR 17/93, NJW 1994, 659 BGH, Urteil vom 16.04.1996 – XI ZR 138/95, juris BGH, Urteil vom 16.07.1998 – VII ZR 9/97, NJW 1998, 3488 BGH, Urteil vom 23.01.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311–327 BGH, Beschluss vom 04.03.2004 – IX ZR 185/02, WM 2004, 1177–1178 BGH, Urteil vom 15.03.2004 – II ZR 247/01, BeckRS 2004, 04949 BGH, Urteil vom 19.05.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543 BGH, Urteil vom 22.04.2009 – VIII ZR 156/07, juris BGH, Urteil vom 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, juris Cour de Cassation – Première chambre civile, Arrêt n°  983 vom 26. September 2012 (11-26.022), verfügbar unter Cour de Cassation – Première chamber civile, n° de pourvoi 13-27.264 vom 25. März 2015, verfügbar unter Handelsgericht St. Gallen 12.11.2004 – HG.2003.10, verfügbar unter LG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2012 – 4b O 54/11, juris LG Frankenthal, Urteil vom 14.11.2002 – 2 HK.O 165/01, juris LG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.01.1994 – 3/11 O 228/92, WM 1994, 944–947 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, 153–154 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2011 – 2-13 O 302/10, 2-13 O 302/10, BeckRS 2012, 06785 LG Freiburg, Zwischenurteil vom 13.05.2005 – 2 O 401/04, juris LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2001 – 419 O 130/99, juris LG Köln, Urteil vom 18.02.2011 – 91 O 8/11, BeckRS 2011, 04910 LG Köln, Urteil vom 29.03.2011 – 87 O 158/09, juris LG Limburg, Urteil vom 25.03.1992 – 5 O 101/90, WM 1992, 1399–1404 OLG Bremen, Urteil vom 17.11.1994 – 2 U 51/94, juris

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Rechtsprechungsverzeichnis

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Stichwortverzeichnis Die Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen. Die Seitenzahl ist kursiv gedruckt, wenn sich das Stichwort in einer Fußnote befindet. AGB-Kontrolle  6, 109 f., 113,167, 171, 194, 256 Allgemeine Geschäftsbedingungen  107 ff., 115, 124 f., 146, 166, 168 f., 236, 239, 256 boilerplate clauses  117 Brüssel I-Verordnung  3, 21, 28 f., 153 f., 155 f. Brüssel Ia-Verordnung  23 f., 28 f., 153, 155 f. CISG, siehe UN-Kaufrecht codified usage  122 commercial letter of credit, siehe Dokumentenakkreditiv contractual terms  116, 123, 176 customary law  116, 120, 123 default rules  117 Delaware effect  65 Dokumentenakkreditiv  156 ff. einfach zwingende Normen  30, 95, 108 f., 113, 115 ff., 171 f., 194 f., 200, 203 ff., 214, 217 f., 246 ff., 258 Eingriffsnorm  25, 30, 36, 95 f. Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, siehe ERA ERA  1, 128, 156 ff., 192 f., 198, 200, 203 ff., 212, 214 ff., 225, 236 ff., 249 f., 256, 259 Erfüllungsort  153 f. EuGVVO, siehe Brüssel I-Verordnung exclusionary rule  197, 201 f. express terms  117, 176 f., 222

forum shopping  22 ff., 43 fraud  179 f. Gerichtsstandsvereinbarungen – Begriff 3, 22, 29 – halbseitige ausschließliche 28 f. Gewohnheitsrecht  102, 105, 107, 113 ff., 118, 123 f., 139, 144, 149, 166, 176, 236 ff., 243, 256 Governance-Mechanismen  6, 88, 90 ff., 200 f. grenzüberschreitender Handel  12, 76 Haager Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen 3 Haager Prinzipien für die Rechtswahl in internationalen Handelsverträgen  98 f., 248 Handelsbrauch  105, 107, 111 ff., 123 f., 131, 138 f., 142, 144 ff., 154, 156, 166 f., 176, 204, 236, 239, 243, 256 Handelsgewohnheitsrecht  46, 113 ff., 124, 256 Handelsklausel  131 ff., 138, 140 ff., 145, 147 f., 151 f., 206, 236 ICC, siehe Internationale Handelskammer illegality-Einwand  175, 180 f. implied terms  117, 119, 122, 150 incorporation by reference  117, 167, 193 Incoterms  2, 10, 128, 131 ff., 192 f., 198, 200, 203 ff., 212, 217 f., 236 ff., 245, 256, 259 International Commercial Terms, siehe Incoterms

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International Institute for the Unification of Private Law, siehe UNIDROIT international zwingende Normen, siehe Eingriffsnormen Internationale Handelskammer  1 f., 75, 81 f., 131 ff., 137, 143, 156 f., 164 f., 170, 188, 212, 215 f., 221, 238 f., 248 internationaler Entscheidungseinklang  2, 20 ff., 42 f., 124 internationales Einheitsrecht  4, 8 f., 41 ff., 66, 84, 194 internationales Privatrecht  2 f., 12, 42 ff., 76, 93, 95 ff., 119 ff. internationales Zivilverfahrensrecht  2 f. 12, 19 ff., 42 ff., 76 law merchant  10, 82, 102 f. legal pluralism, siehe Rechtspluralismus letter of credit, siehe Dokumentenakkreditiv lex mercatoria  5, 82 ff., 92, 97, 102 ff., 190, 199, 247 transnationales Recht  83 f., 241 lock-in-Effekt  73, 75, 77, 245 mandatory law  201 materiellrechtliche Verweisung  108, 193 Netzwerkeffekte  69 ff. New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung aus­ländischer Schiedssprüche von 1959  90 nullity-Einwand  118, 180, 225 ordre public  95 f., 123, 246, 250 ff., 258 Parteiautonomie – Begriff 26 ff., 95 – Grenzen  27 ff., 95 ff. PICC  129, 184 ff. Privatautonomie  27, 95, 105, 107 ff. privates Einheitsrecht, Definition  243 ff., 251, 258 Privatisierung  80 ff., 235 ff.

race to the bottom  63, 65 race to the top  63, 65, 74 Rechtsbegriff  98 ff., 241 f. Rechtsdogmatik – Begriff 228 ff. – Funktion 231 ff. Rechtsharmonisierung  10 f. Rechtspluralismus 88, 241 f. Rechtssicherheit  2, 5, 8, 11 ff., 15 ff., 41 ff., 86 ff., 127, 222 ff., 227 Rechtsvereinheitlichung – Kollisionsrechtsvereinheitlichung 42 ff. – Sachrechtsvereinheitlichung  10, 42 ff., 84 Rechtswahl  26, 29 ff., 36, 69, 94 ff., 108, 138, 190, 193 f., 199 ff., 203, 246 ff. Rom I-Verordnung  24, 30, 97 f., 138, 193 f., 243, 247 Schiedsgerichtsbarkeit  8, 89, 91 f., 99, 104, 199, 202 standard terms  116 f., 123, 177 f., 194, 204 trade terms  132 f., 139, 144, 151 f., 207 trade usage  116, 121 ff. Transaktionskostentheorie  33 ff. UCP, siehe ERA UNIDROIT  47, 50, 54, 55, 58, 75, 129, 184 ff., 259 UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, siehe PICC Uniform Customs and Practice for Documentary Credits, siehe ERA UN-Kaufrecht  51 f., 55 ff., 72, 139, 186, 188, 194, 201, 240, 259 Versteinerung  58, 73 f., 77, 85, 258 Vertragsklausel  107 ff., 115 f., 123 f., 149, 152, 184, 239, 243, 256 Wettbewerb der Rechtsordnungen  13, 61 ff., 85, 210, 212 f., 245, 255 Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, siehe UN-Kaufrecht