Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht: Verfassungsrechtliche Grenzen kooperativer Standardsetzung im europäischen Mehrebenensystem an den Beispielen des Deutschen Corporate Governance Kodexes und der International Financial Reporting Standards [1 ed.] 9783428525386, 9783428125388

Die Zukunft des Nationalstaates und damit auch der Demokratie, die zumindest in Deutschland bisher auf der Grundlage ein

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German Pages 360 Year 2007

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Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht: Verfassungsrechtliche Grenzen kooperativer Standardsetzung im europäischen Mehrebenensystem an den Beispielen des Deutschen Corporate Governance Kodexes und der International Financial Reporting Standards [1 ed.]
 9783428525386, 9783428125388

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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 44

Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht Verfassungsrechtliche Grenzen kooperativer Standardsetzung im europäischen Mehrebenensystem an den Beispielen des Deutschen Corporate Governance Kodexes und der International Financial Reporting Standards

Von

Patrick Hohl

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

PATRICK HOHL

Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 44

Private Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht Verfassungsrechtliche Grenzen kooperativer Standardsetzung im europäischen Mehrebenensystem an den Beispielen des Deutschen Corporate Governance Kodexes und der International Financial Reporting Standards

Von

Patrick Hohl

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-12538-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2006 / 2007 als Dissertation angenommen. Die Arbeit geht zurück auf eine Anregung meines Doktorvaters, Herrn Prof. Dr. Markus Heintzen, dem ich ganz besonders für seine großartige Betreuung meiner Arbeit danken möchte. Er stand immer zur Verfügung und hat vor allem auch während der Dauer des Dissertationsvorhabens stets mit Zwischenzielen, Zeitvorgaben und schneller Korrektur die Erstellung der Arbeit gefördert. Seine Anregungen und kritischen Kommentare waren mir eine große Hilfe. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Schwab für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine eingehende Auseinandersetzung mit der Arbeit. Von Herzen möchte ich mich bei meinen Eltern und meinem Bruder bedanken, die mich immer liebevoll und anteilnehmend unterstützen. Berlin, im April 2007

Patrick Hohl

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Kapitel Corporate Governance § 2 Entwicklung der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

A. Begriff der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

B. Internationale Corporate Governance-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. Nationale Corporate Governance-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

D. Europäische Corporate Governance-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

§ 3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex – Entstehung und Zielsetzung . . .

35

A. Eine hoheitlich-gesellschaftliche Koproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

B. Hoheitliche Zielvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

§ 4 Die verfassungsrechtliche Grundproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

A. Rechtsquellen und Regelungsebenen der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . .

40

B. Was ist so neu am Kodex? – Typologie „kooperativer Rechtsetzung“ . . . . . . . . . .

42

C. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

D. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

§ 5 Private oder staatliche Standards? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

A. Notwendigkeit einer Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht

52

B. Die Abgrenzungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

C. Abgrenzung bei Beteiligung Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

10

Inhaltsübersicht

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

A. Art. 12 GG – Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

B. Art. 14 GG – Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

C. Art. 2 Abs. 1 GG – Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

D. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG – Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

§ 7 Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

A. Input-orientierte Legitimationsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

B. Output-Legitimation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 § 8 Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 A. Organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Demokratische Legitimation durch Organisation und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 121 § 9 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

2. Kapitel Bilanzierungsstandards

126

§ 10 Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 A. Die (unterschiedlichen) Funktionen und Zwecke der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Internationale Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 C. Europäische Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 D. Nationale Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 E. Verortung der Bilanzierungsvorschriften für deutsche Unternehmen . . . . . . . . . . 137 § 11 Die „internationalen Rechnungslegungsstandards“ (IAS / IFRS) . . . . . . . . . . . . . . 139 A. Der „private“ Standardsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Inhaltsübersicht

11

B. Die „privaten“ Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 C. Hoheitliche Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 12 Die „verfassungsrechtliche“ Grundproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A. Rechtsquellen und Regelungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 B. Typologie „kooperativer Rechtsetzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 C. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 D. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 § 13 Grundrechtsrelevanz der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 § 14 Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A. Legitimationsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Bestimmung des Soll-Niveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 C. Ermittlung des Ist-Niveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 D. „Ist-Soll-Vergleich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 § 15 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

3. Kapitel Schlussfolgerungen

219

§ 16 Gang der nachfolgenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 § 17 Das Legitimationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 A. Normatives Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Rolle der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 C. Ex-ante- / Ex-post-Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 D. Input-Output-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

12

Inhaltsübersicht

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 A. Das Soll-Niveau Privater Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 B. Typologie Privater Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 C. Plurale Legitimation Privater Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Kapitel Corporate Governance § 2 Entwicklung der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

A. Begriff der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

B. Internationale Corporate Governance-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. Nationale Corporate Governance-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

D. Europäische Corporate Governance-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

§ 3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex – Entstehung und Zielsetzung . . .

35

A. Eine hoheitlich-gesellschaftliche Koproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

I. Der „private“ Standardsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

II. Die „privaten“ Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

III. Hoheitliche Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

B. Hoheitliche Zielvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

§ 4 Die verfassungsrechtliche Grundproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

A. Rechtsquellen und Regelungsebenen der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . .

40

B. Was ist so neu am Kodex? – Typologie „kooperativer Rechtsetzung“ . . . . . . . . . .

42

I. Trägerschaft der Kodex-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

II. Rechtliche Grundlage der Kodex-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

III. Personalauswahl der Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

IV. Befugnisse der Kodex-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

14

Inhaltsverzeichnis V. Einordnung des Kodexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

C. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

D. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

§ 5 Private oder staatliche Standards? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

A. Notwendigkeit einer Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht

52

B. Die Abgrenzungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

C. Abgrenzung bei Beteiligung Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

A. Art. 12 GG – Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

I. Staatliche Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

II. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

III. Richtigkeit und Sachlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

B. Art. 14 GG – Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

C. Art. 2 Abs. 1 GG – Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

D. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG – Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

§ 7 Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

A. Input-orientierte Legitimationsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Legitimationsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

1. Grundsatz: Alle Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

a) Das „Gewalt“-Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

b) Das „Ausübungs“-Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

2. Ausnahme: Bagatellvorbehalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

II. Ermittlung des Ist-Niveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

1. Die traditionellen Legitimationsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

a) Personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

Inhaltsverzeichnis

15

b) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

aa) Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

bb) Weisungsunterworfenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

c) Ist-Niveau nach traditionellem Legitimationsmodell . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Die „pluralistischen“ Legitimationsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

3. Die Legitimationsmodi Dederers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

III. Bestimmung des Soll-Niveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

1. Statisches Soll-Niveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

2. Dynamisches Soll-Niveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

3. Stellungnahme: Die Wesentlichkeitstheorie als „Konstante“ des SollNiveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

4. Gesetzliche Regelungsdichte für die Kodex-Erstellung . . . . . . . . . . . . . . . .

88

IV. „Ist-Soll-Vergleich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

1. Horizontale Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

2. Vertikale Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

V. Rechtfertigung des Legitimationsmangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

B. Output-Legitimation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

I. Eliten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 III. Das Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 § 8 Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 A. Organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Institutionelle Gesetzesvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Grundrechtswesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. „Staatsferne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. Partizipation „Privater“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

16

Inhaltsverzeichnis B. Demokratische Legitimation durch Organisation und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 121 I. „Staatsferne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Partizipation „Privater“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

§ 9 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

2. Kapitel Bilanzierungsstandards

126

§ 10 Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 A. Die (unterschiedlichen) Funktionen und Zwecke der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Aktuelle Rechnungslegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Das kontinental geprägte Rechnungslegungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Das angelsächsische Rechnungslegungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 B. Internationale Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 C. Europäische Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 D. Nationale Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 E. Verortung der Bilanzierungsvorschriften für deutsche Unternehmen . . . . . . . . . . 137 § 11 Die „internationalen Rechnungslegungsstandards“ (IAS / IFRS) . . . . . . . . . . . . . . 139 A. Der „private“ Standardsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 B. Die „privaten“ Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 C. Hoheitliche Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. EU-Verordnung 1606 / 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Durchführungsverordnungen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 12 Die „verfassungsrechtliche“ Grundproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A. Rechtsquellen und Regelungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 B. Typologie „kooperativer Rechtsetzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Trägerschaft des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

17

II. Rechtliche Grundlage des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Personalauswahl der IASB-Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Befugnisse des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 V. Einordnung der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 D. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 § 13 Grundrechtsrelevanz der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 § 14 Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A. Legitimationsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Grundlage der Legitimationsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Legitimationsbedürftigkeit der hoheitlichen Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. Legitimationsbedürftigkeit der Mitwirkung des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Hoheitsgewalt bei privater Tätigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. (Mit-)Ausübung von Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 B. Bestimmung des Soll-Niveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I. Anforderungen des unantastbaren Kerns des Demokratieprinzips . . . . . . . . . 168 1. Die Legitimationssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Zur Gleichsetzung von Volk und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Zur Einheitlichkeit des Volkes und des Volkswillens . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Zur Einzigkeit des deutschen Volks als Legitimationssubjekt . . . . . . . 175 d) Zwischenergebnis: Legitimationssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Die Legitimationsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Anforderungen des primärrechtlichen Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Rechtsprechung des EuG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

18

Inhaltsverzeichnis C. Ermittlung des Ist-Niveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Legitimationssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Legitimationsverfahren bei der Erstellung der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Demokratische Legitimation der IAS-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Willenszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Verantwortungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Effektivität des Zurechnungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Demokratische Legitimation der Durchführungsverordnungen . . . . . . . . 196 a) Willenszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Verantwortungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Effektivität des Zurechnungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Zwischenergebnis: Ist-Niveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 D. „Ist-Soll-Vergleich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Spezifische Legitimationsprobleme der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Spezifische Legitimationsprobleme der Privaten Standardsetzung . . . . . . . . 206 1. Maximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

§ 15 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

3. Kapitel Schlussfolgerungen

219

§ 16 Gang der nachfolgenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 § 17 Das Legitimationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 A. Normatives Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Rolle der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Demokratische Legitimation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Demokratische Legitimation in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Legitimationsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Inhaltsverzeichnis

19

C. Ex-ante- / Ex-post-Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Relevanter Zeitpunkt des Inputs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Relevanter Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 D. Input-Output-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 § 18 Demokratische Private Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 A. Das Soll-Niveau Privater Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 B. Typologie Privater Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Art der Mitwirkung an hoheitlicher Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Rechtliche Grundlage für die Einrichtung kooperativer Standardsetzung 243 1. Nach dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Regierungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Öffentlich-rechtliche Regierungskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Privatrechtsförmige Regierungskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Verwaltungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Öffentlich-rechtliche Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) Privatrechtsförmige Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Nach dem europäischen Verfassungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Zwischenergebnis: Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 III. Grenzen der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Nach dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Nach dem europäischen Verfassungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3. Zwischenergebnis: Grenzen der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV. Art der Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Selbständige Rechtsetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Steuernde Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Zwischenergebnis: Art der Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 V. Trägerschaft des Standardsetzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C. Plurale Legitimation Privater Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Steuerungsvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Regelung der Inputchancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

20

Inhaltsverzeichnis a) Die traditionellen Legitimationsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 aa) Personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 bb) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Unmittelbare Inhaltssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 c) Mittelbare Willenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Institutionalisierte Outputoptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 a) Effektuierung des Willenszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 b) Effektuierung der Willensverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 II. Steuerung des Standardsetzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 1. Kooperation mit hoheitlichem Standardsetzer – DCGK . . . . . . . . . . . . . . . 307 2. Freiwillige Kooperation mit privatem Standardsetzer – DRS . . . . . . . . . . 312 3. Hoheitlich angeordnete Kooperation mit privatem Standardsetzer – IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

§ 1 Einleitung Die vorliegende Untersuchung widmet sich einem aktuellen Thema, der Privaten Standardsetzung im Gesellschafts- und Bilanzrecht, anhand zweier aktueller und aus wirtschaftsrechtlicher Sicht bereits mehrfach untersuchter Beispiele aus dem deutschen und aus dem europäischen Gesellschaftsrecht: dem Deutschen Corporate Governance Kodex der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und den International Financial Reporting Standards des International Accounting Standard Boards. Anstatt im Folgenden aber, wie dies an anderen Stellen bereits getan wurde, die Rechtswirkung und die konkreten Rechtsfolgen dieser beiden Regelwerke zu beleuchten, sollen sie vornehmlich auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden. Das Thema der Privaten Standardsetzung berührt nämlich ganz grundlegende Verfassungsfragen,1 allen voran diejenige der Auslegung des Demokratieprinzips. 2 Mit Michael könnte man das Zentrum der Problematik daher auch als „Private Standardsetter und demokratisch legitimierte Rechtsetzung“ formulieren.3 Seinen besonderen Reiz erhält das Thema vor dem Hintergrund tiefgreifender rechtlicher Veränderungen, die vor allem den modernen Nationalstaat und damit, dies gilt es sogleich noch näher zu erläutern, die Zukunft der Demokratie betreffen.4 Als tatsächliche Auslöser der rechtlichen Entwicklungen lassen sich die Globalisierung und der rasante wissenschaftliche Fortschritt benennen. Durch das Zusammenwachsen der Märkte entsteht die Notwendigkeit für größere politische Räume. Zugleich nimmt die „Komplexität gesellschaftlicher Teilsysteme“5 zu. Dem ersten Erfordernis entspricht die voranschreitende internationale Integration Deutschlands, vor allem in den supranationalen Staatenverbund der Europäischen Union. Die wachsende Komplexität der zu regelnden Sachgebiete und womöglich auch die Entstehung größerer politischer Einheiten und die damit einhergehende Entfernung der Entscheidungsträger von den Entscheidungsbetroffenen führt zu einer immer stärkeren Zusammenarbeit des Staates mit gesellschaftlichen Akteuren. Beide 1 Hellermann, NZG 2000, 1097 (1102 f.); Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 ff. 2 Berberich, DRSC-Framework, S. 109 ff.; Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1937 f.); Hommelhoff / Schwab, in: FS Kruse, S. 693 (699 f.); Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433 ff.; ders., Der Konzern 2004, 173 f.; Wolf, ZRP 2002, 59 f. 3 Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431 (432). 4 Graf Kielmansegg, in: FAZ v. 08. 12. 2004, S. 7. 5 So Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8.

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§ 1 Einleitung

Entwicklungen, die Verlagerung von Gestaltungsverantwortung auf die internationale und auf die gesellschaftliche Ebene, beinhalten für die Demokratie nach der in Deutschland überkommenen Sichtweise eine kaum mehr zu meisternde Herausforderung.6 Grund dafür ist das Bild eines souveränen Nationalstaates, mit dem zugleich die Demokratie des Grundgesetzes untrennbar verknüpft wurde, das lange Zeit in der Rechtsliteratur, aber auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorherrschend war.7 Die Bedrohung der nationalstaatlichen Souveränität von Außen (durch das Mitspracherecht anderer Staaten) und von Innen (durch die zunehmende verantwortliche Einbindung Privater)8 wurde dadurch zwangsweise auch als Gefahr für die Demokratie wahrgenommen. Während aber die Souveränität Deutschlands – vom Schmittschen Ausnahmefall9 her gedacht – mit Hilfe eines ungeteilten Letztentscheidungsrechts 10 als fortbestehend konstruiert werden konnte, ließ sich damit eine Rückführung aller ausgeübten Hoheitsgewalt auf den als Einheit gedachten Souverän, das Deutsche Volk, nicht leisten. Denn Demokratie vollzieht sich notwendiger Weise in einem tagtäglichen Wechselspiel zwischen den Bürgern und den Hoheitsorganen11 und bezeichnet die alltägliche Herrschaft des Volkes und nicht nur die Herrschaft des Volkes über den Ausnahmezustand. Besonders deutlich wurde diese Problematik am Beispiel der fortgeschrittenen europäischen Integration.12 Nach herkömmlicher Betrachtungsweise musste der Europäischen Union die „Demokratiefähigkeit“ abgesprochen, ihr zumindest ein kaum behebbares „Demokratiedefizit“ attestiert werden. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses ist die herrschende Auslegung des Demokratieprinzips in immer stärkerem Maße hinterfragt und kritisiert worden.13 Parallel dazu wurden, losgelöst 6 Insbesondere zum Demokratieproblem Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (432); Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8. 7 Graf Kielmansegg, in: FAZ v. 08. 12. 2004, S. 7, formuliert zu diesem Bild: „Die Politik wandert aus dem Staat aus, und die Demokratie, die an den Staat gebunden ist, kann ihr nicht folgen.“; Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8: Bis heute wird die politische Selbstbestimmung „in symbiotischer Verbindung mit dem modernen Nationalstaat gedacht – jedenfalls auf dem europäischen Festland“. Ausführlich dazu unten 2. Kapitel § 14 B. I. 1. a). 8 Vgl. Winter, EuR 40 (2005), 255 (258). 9 Schmitt, Politische Theologie, S. 13: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“ Siehe zum Schmittschen Souveränitätsverständnis und dessen bis heute anhaltender Wirkkraft Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 108 ff. 10 Dieses Letztentscheidungsrecht umfasst die Möglichkeit des jederzeitigen Austritts aus internationalen Staatengemeinschaften und das Recht, die auf gesellschaftliche Kräfte übertragene Hoheitsgewalt auf die Organe des Staates zurückzuübertragen. 11 BVerfGE 85, 264 (284 f.). 12 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 3. 13 Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas; Schliesky, Souveränität und Legitimität.

§ 1 Einleitung

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von einer konkreten (aktuell bestehenden) Rechtsordnung, zukunftsorientierte Demokratiemodelle entworfen, die nicht mehr auf die Existenz eines geschlossenen Nationalstaates angewiesen waren.14 Wie schon im Zusammenhang mit der europäischen Integration, hat auch im innerstaatlichen Bereich die Zunahme von Zahl und Gewicht der auf die Gesellschaft übertragenen Aufgaben die Qualität der Debatte über die Zulässigkeit hoheitlich-privater Kooperation verändert.15 Die alten Rechtfertigungsmuster, entwickelt zu „Ausnahmeerscheinungen“ wie der Arbeitnehmermitbestimmung im öffentlichen Dienst, der Beleihung, der funktionalen Selbstverwaltung oder der Rechtskonkretisierung durch Private Sachverständigengremien, verlieren an Überzeugungskraft, je mehr die Ausnahme zur Regel wird. Dass die Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte mittlerweile aber zu einer gängigen Governance-Strategie des moderenen Staates geworden ist, zeigen vor allem jüngere Erscheinungsformen wie die Public-Private-Partnership,16 die immer öfter präferierten normersetzenden Absprachen17 und gerade auch die kooperative Rechtsetzung, die sich neuerdings nicht mehr auf die Gesetzeskonkretisierung in den „Nischenbereichen“ des Umwelt- und Technik-18 oder des Sozialrechts19 beschränkt, sondern unter der titelgebenden Bezeichnung der „Privaten Standardsetzung“ Einzug in alle Rechtsgebiete gehalten hat. Dass mit der „Privatisierung der Rechtsetzung“20 ein legitimationstheoretisch besonders sensibler Bereich und ein zentrales hoheitliches Steuerungsinstrument betroffen ist, verdeutlicht das Ausmaß des stattfindenden Wandels auch im Innern des Staates. Die beschriebenen tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen sind, darin ist man sich wohl einig, nicht mehr aufzuhalten.21 Als Konsequenz der skizzierten Veränderungen prophezeit Zürn, die postmoderne Staatlichkeit des 21. JahrhunHierzu zählen insbesondere Modelle einer partizipativen und deliberativen Demokratie. Siehe vor allem die beiden Habilitationsschriften von Dederer, Korporative Staatsgewalt; Schliesky, Souveränität und Legitimität; und den Beitrag mit dem Titel „Private Standardsetzung und demokratisch legitimierte Rechtsetzung“ von Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431 ff. 16 Zur Förderung dieser Art des kooperativen Zusammenwirkens zwischen Hoheitsträgern und privaten Wirtschaftssubjekten hat sich der Bundestag am 30. Juni 2005 auf das „Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften“ (ÖPP-Beschleunigungsggesetz) geeinigt, siehe BGBl. I / 2005, S. 2676. Zu Legitimationsfragen im Zusammenhang mit einer Public-Private-Partnership siehe Mehde, VerwArch 91 (2000), 540 ff. 17 Siehe zu diesen Mehde, AöR 127 (2002), 655 ff. 18 Siehe dazu beispielsweise Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung. 19 Siehe dazu beispielsweise Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung. 20 So Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431 (432). 21 Siehe Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (32); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (265); Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 746 f.; von Sydow, in: Magiera / Sommermann, Governance im Mehrebenensystem der EU, S. 171 (172); Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8. 14 15

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§ 1 Einleitung

derts [werde . . . ] eine andere sein als die des 20. Jahrhunderts: postnational“. Die sich daran anschließende, vielleicht zentrale Frage erblickt er darin, wie „Politik demokratisch organisiert werden [soll], wenn die Entscheidungen aus der demokratisch kontrollierten nationalstaatlichen Sphäre in den internationalen und den gesellschaftlichen Raum ausgelagert werden“.22 Auch der Bundesverfassungsrichter Di Fabio sieht das postmoderne Zeitalter angebrochen, das zunächst mit einer Übergangs- und Entwicklungsphase, die eine Veränderung vergangenheitsbezogener Vorstellungen und Grundannahmen mit sich bringt, beginnt.23 Die diese Umbruchsphase begleitenden Herausforderungen für die bestehenden Rechtsordnungen müssen mit Blick auf den beschriebenen Kontext analysiert und bewertet werden. Nur so können die bedeutsamen Fragen nach der ausreichenden demokratischen Legitimation „postnationaler Herrschaftsgewalt“ und, daran anknüpfend, nach der Zukunftstauglichkeit der aktuellen Rechtsordnungen angemessen beantwortet werden. Gerade diese grundsätzlichere Dimension des Themas der Privaten Standardsetzung wird aktuell im Gesellschafts- und Bilanzrecht besonders deutlich:24 Als Folge des globalen Wettbewerbs stehen nicht nur die immer öfter multinationalen Unternehmen, sondern auch die sie betreffenden nationalen Rechtsvorschriften verstärkt in Konkurrenz zueinander.25 „Durch die Herausbildung globaler Märkte können sich Unternehmen – so heißt es oft – politischer Kontrolle entziehen und nationalstaatliche Interventionen ins Leere laufen lassen.“26 Der Wirtschaftlichkeit abträgliche nationale Eigenheiten oder Sonderwege bei der Gestaltung des Wirtschaftsrechts können heute leichter als früher durch eine Standortverlagerung abgestraft werden. Im Gegenzug spielt der Standort auch für die Bewertung von Unternehmen, die im Zeitalter von internationalen Übernahmen, grenzüberschreitenden Fusionen und Investitionen und einer gestiegenden Notwendigkeit zur privaten Altersvorsorge an Bedeutung gewinnt,27 eine immer gewichtigere Rolle. Neben der externen Rechnungslegung wird auch das jeweilige 22 Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8. In der Sache ebenso Graf Kielmansegg, in: FAZ v. 08. 12. 2004, S. 7. 23 Interview mit Di Fabio im German Law Journal (www.germanlawjournal.com) vom 1. 6. 2001, 2 German Law Journal No. 9 – Special Edition – „The Present and Future Meaning of the State and the role of the Federal Constitutional Court“, Rn. 2, http: / / www. germanlawjournal.com / article.php?id=20 (Stand: 14. 05. 2007). Siehe zu einer inhaltlichen Neubestimmung der Zentralbegriffe „Staat“, „Souveränität“ und „Legitimität“ Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 443 ff. 24 Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 (79 f.). Siehe auch Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 173 ff., mit Beispielen aus dem Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht. 25 So zu den Vorschriften über die Rechnungslegung Berberich, DRSC-Framework, S. 24. 26 Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8. 27 Siehe dazu Baums, in: ZHR Beiheft 71, S. 13 (14); Berberich, DRSC-Framework, S. 23 f.

§ 1 Einleitung

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Corporate Governance-System, also die am Ort des Unternehmenssitzes geltenden, die Unternehmensführung betreffenden Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten, oftmals zur Grundlage von Anlageentscheidungen gemacht.28 Während Art und Weise der Unternehmensleitung bisher auch in der Europäischen Union noch stark durch die nationalen Gesellschaftsrechtsvorschriften geprägt ist und das deutsche Corporate Governance-System den internationalen Investoren aus diesem Grund in einem Deutschen Corporate Governance Kodex präsentiert wird, hat die Internationalisierung der Kapitalmärkte die EU veranlasst, die Vorschriften über die Konzernrechnungslegung ab dem Jahr 2005 europaweit zu vereinheitlichen. Beide Maßnahmen, die Schaffung eines bisher vor allem im angelsächsischen Rechtsraum bekannten29 Corporate Governance Kodexes und die Europäisierung der Bilanzierung, kommen dem wachsenden Bedürfnis nach internationaler Vergleichbarkeit nach. Und in beiden Fällen sind die sich globalisierenden Marktbeziehungen nicht nur Auslöser,30 sondern auch von Einfluss auf die Art und Weise der Rechtsgewinnung, die in Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren, sogenannten Privaten Standardsetzern, erfolgt. Ihre Vorbilder hat die Standardisierung durch private Regelgeber vor allem in den Vereinigten Staaten, in Kanada und im Vereinigten Königreich.31 In das deutsche Gesellschaftsrecht hielt sie erstmals im Jahre 1998 durch die Einrichtung eines Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e. V. (DRSC), dem die nähere Inhaltsbestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs der (die Konzernrechnungslegung betreffenden) Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung32 übertragen wurde, Einzug. Weil dessen gesetzeskonkretisierende Standards allerdings, ähnlich wie normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, nur eine eingeschränkte Bindungswirkung haben, wurde das DRSC als Parallelerscheinung zu den privaten Normierungsgremien im Umwelt- und Technikrecht zumeist als verfassungsrechtlich zulässig eingestuft.33 Über die dem DRSC übertragenen Befugnisse zur Gesetzeskonkretisierung gehen die der Deutschen Corporate Governance Kommission und dem International Accounting Standards Board eingeräumten Gestaltungsbefugnisse hinaus. Beide Standardisierungswerke dienen nicht mehr der Konkretisierung eines interpretationsbedürftigen Rechtsbegriffs für eine Vielzahl von Fällen, sondern beinhalten die Regeln für ein ganzes Sachgebiet. Ganz deutlich wird dies bei den International Financial Reporting Standards, die, in sich abgeschlossen, alle bilanziellen Fragen im Zusammenhang mit der Konzernrechnungslegung europäischer Unternehmen Baums, in: ZHR Beiheft 71, S. 13 (14 f.). Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433. 30 Vgl. Graf Kielmansegg, in: FAZ v. 08. 12. 2004, S. 7; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 315. 31 Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433. 32 Vgl. § 342 Abs. 2 HGB. 33 Hellermann, NZG 2000, 1098 (1102). 28 29

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§ 1 Einleitung

verbindlich beantworten sollen.34 Aber auch der Deutsche Corporate Governance Kodex stellt nicht nur das deutsche Aktienrecht zusammengefasst dar, sondern enthält Verhaltensempfehlungen für diejenigen Bereiche, die von den gesetzlichen Vorschriften nicht erfasst werden.35 Es geht also auch hierbei nicht um eine Auslegung, Interpretation oder Konkretisierung von Gesetzesrecht. Diese neue Qualität des hoheitlich-gesellschaftlichen Zusammenwirkens bei der Normproduktion spiegelt den „größeren verfassungstheoretischen Zusammenhang“36 wider, in dem die gewählten Beispiele stehen. Dass damit tatsächlich die Veränderung bisher gültiger Vorstellungen und Grundandnahmen einhergeht,37 zeigt bereits die Gegensätzlichkeit der für denselben Sachverhalt verwendeten Begrifflichkeiten: Im Zusammenhang mit den im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Empfehlungen einer Regierungskommission wird von einer „Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft“ 38 gesprochen; die Privaten Standards des International Accounting Standards Boards werden als Rechtsnormen bezeichnet, die demokratischer Legitimation bedürften.39 Die gesamte Rechtssprache ist also noch auf klare Trennung zwischen Staat und Gesellschaft ausgerichtet, wie auch die scheinbare Diskrepanz des Themas der Privaten Standardsetzung und der demokratisch legitimierter Rechtsetzung zeigt, während in der Wirklichkeit die Vernetzung beider Sphären weit vorangeschritten ist. Aus diesem Grund soll mit dem Begriff der Privaten Standardsetzung noch nicht die Zuordnung zu einer dieser beiden Sphären präjudiziert werden. Vielmehr wird der Terminus zur Bezeichnung der modernen Erscheinungsformen der Regelsetzung durch mit Privatpersonen besetzte Standardsetzer verwandt. Welche Rechtsfolgen sich aus der Kooperation zwischen Standardsetzer und Hoheitsträger ergeben, wird zu den wesentlichen, im Verlauf der Untersuchung zu beantwortenden Fragen gehören. Mit Michael, doch in einer etwas anderen als von ihm gewählten Reihenfolge, lassen sich jene wie folgt formulieren:40 Setzen Private Standardsetzer Recht? Bedürfen ihre Standards demokratischer Legitimation? Und, gegebenenfalls, wie sollen Private Standards demokratisch legitimiert sein? 34 Vgl. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. 07 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. L 243 v. 11. 9. 2002, S. 1. 35 Siehe Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 12. 06. 2006. 36 Hellermann, NZG 2000, 197 (1102 f.). 37 So Di Fabio, German Law Journal (www.germanlawjournal.com) vom 1. 6. 2001, 2 German Law Journal No. 9 – Special Edition – „The Present and Future Meaning of the State and the role of the Federal Constitutional Court“, Rn. 2, http: // www.germanlawjournal. com / article.php?id=20 (Stand: 14. 05. 2007). 38 So die Bundesministerin der Justiz Hertha Däubler-Gmelin bei der Vorstellung des Kodexes. 39 Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431 (437). 40 Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431 (434).

§ 1 Einleitung

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Diesen Fragen wird in den folgenden drei Kapiteln auf der Grundlage der aktuell bestehenden Rechtsordnungen nachgegangen. Das erste Kapitel wendet sich dabei dem Deutschen Corporate Governance Kodex zu, während sich das zweite Kapitel mit den International Financial Reporting Standards auseinandersetzt. Abschließend sollen die anhand der konkreten Beispiele aus dem Gesellschafts- und Bilanzrecht gewonnenen Erkenntnisse im dritten Kapitel zur Gewinnung allgemeinerer Voraussetzungen für verfassungsmäßige Private Standardsetzung genutzt werden.

1. Kapitel

Corporate Governance § 2 Entwicklung der Corporate Governance „The directors of such [public] companies, however, being the manager rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own [ . . . ] Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a company.“1 Adam Smith, 1776

A. Begriff der Corporate Governance Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff „Corporate Governance“ Unternehmensleitung und -kontrolle.2 Seinen Ursprung hat er in der angloamerikanischen Rechts- und Kapitalmarktsprache. 3 In der heutigen nationalen und internationalen Diskussion kommt dem Begriff jedoch eine weitergehende Bedeutung als die bloße Bezeichnung der Herrschafts- und Verwaltungsstruktur in einer Kapitalgesellschaft zu: Corporate Governance umfasst Entscheidungsmaßstäbe und Verhaltenspflichten für Unternehmensorgane, Unternehmensstrukturen und die Beziehung der Unternehmen zu ihren Aktionären (shareholder) und zu den übrigen stakeholdern (neben den Aktionären z. B. Arbeitnehmer, Kreditgeber, Kunden oder Lieferanten).4 Das Management soll durch eine gute Corporate Governance dazu angehalten werden, nicht eigene Ziele zu verfolgen, sondern im Interesse der langfristi1 Da die Direktoren solcher [Kapital-]Gesellschaften jedoch mit anderer Leute Geld statt mit ihrem eigenen wirtschaften, kann man wohl nicht erwarten, dass sie darauf mit der gleichen sorglichen Wachsamkeit achten, wie die Partner einer Personengesellschaft häufig auf das ihre [ . . . ] Daher müssen in der Geschäftsführung einer solchen Gesellschaft immer mehr oder weniger Nachlässigkeit und Verschwendung herrschen. 2 „Corporation“ kommt von „corpus“ = juristische Person; „governance“ von „gubernare“ = steuern. 3 Schneider, DB 2000, 2413. 4 Grundmann / Mülbert, ZGR 2001, 215.

§ 2 Entwicklung der Corporate Governance

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gen Steigerung des Unternehmenswertes zu handeln.5 In diesem Sinne wird der Begriff auch vom Auftraggeber der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, dem Bundesministerium der Justiz (BMJ), verstanden6: „Corporate Governance umfasst alle Grundsätze für die Leitung und die Überwachung eines Unternehmens. Corporate Governance (=gute Unternehmensführung) soll ein effizientes System von ,checks and balances‘ in einer Aktiengesellschaft garantieren. Die Grundsätze von Corporate Governance betreffen das Verhältnis von Aufsichtsrat, Vorstand und Hauptversammlung sowie das Verhältnis der Aktiengesellschaft nach außen. Nach außen meint hier gegenüber anderen Personen oder Einrichtungen, die in einem wirtschaftlichen Verhältnis zur Gesellschaft stehen. Hier soll ein Ausgleich zwischen den Interessen des Unternehmens, de[r] Anleger am Kapitalmarkt sowie der Aktionäre und weiterer Betroffene[r] erreicht werden.“

B. Internationale Corporate Governance-Entwicklung Corporate Governance steht spätestens seit den aufsehenerregenden Skandalen bei Unternehmen wie Enron, Worldcom oder Parmalat und den dramatischen Kurseinbrüchen im Rahmen der New Economy auf beiden Seiten des Atlantiks hoch oben auf der politischen Agenda. Auch in den Rechts-, den Wirtschafts- und allgemeiner den Sozialwissenschaften gehört es in den letzten Jahren zu einem der aktuellsten Themen.7 Anlass der verstärkten Diskussion sind nicht allein Unternehmensskandale, Manipulation von Jahresabschlüssen und unzureichende Kontrolle der Unternehmensführung durch die zuständigen Gesellschaftsorgane und externen Prüfer. Auch die Globalisierung und Internationalisierung der Finanzmärkte zeichnen mitverantwortlich für den rasanten Anstieg des nationalen und internationalen Interesses an der (Fort-)Entwicklung von Wohlverhaltensregeln für gute Unternehmensführung. Die wachsende Zahl international tätiger Anleger8 und eine steigende Bedeutung einer „guten Corporate Governance“ im Rahmen von Anlageentscheidungen9 haben auch in Ländern mit einem weitgehend kodifizierten GesellSchneider, DB 2000, 2413; von Rosen, Der Konzern 2004, 325 (326). BMJ, Corporate Governance – Was ist das?, http://www.bmj.bund.de/enid/95e135d 28317153f4d8a1dd4083c5fb,0/Handels-_u_Wirtschaftsrecht/Corporate_Governance_48.html (Stand: 14. 05. 2007). 7 Grundmann / Mülbert, ZGR 2001, 215. 8 Schneider, BB 2000, 2413 (2414). Es wird geschätzt, dass täglich weltweit Devisen- und Wertpapiertransaktionen i.H.v. mehr als 1,5 Billionen US-$ vollzogen werden, Tietje, ZVglRWiss 101 (2002), 404 (408). 9 Eine gute Corporate Governance wird angeblich mit bis zu 20 % besserer Bewertung an der Börse honoriert, vgl. Strenger, Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 83; zur Bedeutung für die Höhe des Unternehmenskaufpreises vgl. die Studie von McKinsey, Weltbank und „Institutional Investor“, http://www.mckinsey.com/features/investor_opinion/ index.html (danach sehen drei Viertel der befragten Investoren Corporate Governance als mindestens genauso wichtig an wie finanzielle Kennzahlen). 5 6

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1. Kap.: Corporate Governance

schaftsrecht zur Einführung sog. „Corporate Governance Kodizes“ oder „Codes of Best Practice“ geführt.10 Ihren Ursprung haben Corporate Governance Kodizes im angelsächsischen Rechtsraum. Die Grundlagen für die Corporate Governance Diskussion wurden in den Vereinigten Staaten Anfang der dreißiger Jahre von Berle und Means gelegt.11 In der sich vollziehenden Trennung von Eigentum und Unternehmensleitung erkannten sie einen auch heute noch im Zentrum der Corporate Governance-Diskussion stehenden Konfliktherd: die Divergenz zwischen den Unternehmensinteressen und den eigennützigen Interessen der Leitungsorgane des Unternehmens.12 Um diesen Interessenkonflikt zugunsten einer Unternehmensführung im Interesse der Eigentümer (shareholder value)13 zu lösen,14 vertraute man im angloamerikanischen Rechtskreis vorwiegend auf die Wirkung des sog. kapitalmarktorientierten Ansatzes – einer Steuerung der Geschäftsleitung durch die Marktkräfte (sog. externe Corporate Governance).15 Im Zuge dessen entstanden zur Ausfüllung der großen Spielräume in den angelsächsischen Rechtssystemen Verhaltenskodizes verschiedenster Regelgeber: unter ihnen Börsen,16 institutionelle Anleger17, private Verbände18 und auch die Unternehmen19 selbst.20 10 Die Entwicklung von Corporate Governance Kodizes in den europäischen Mitgliedstaaten der EU ist in einem Bericht für die Europäische Kommission ausführlich dokumentiert, Weil, Gotshal & Manges, Comparative Study. Einen guten Überblick über die weltweite Verbreitung von Corporate Governance Kodizes vermittelt die Liste des European Corporate Governance Institute, http: / / www.ecgi.org / codes / all_codes.php (Stand: 14. 05. 2007). 11 Berle / Means, Corporation. 12 Teichmann, ZGR 2001, 645 (646); v. Werder, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 3 (4). 13 Als erster Rappaport, Creating shareholder value. 14 In der aktuellen kontinental-europäischen und zunehmend auch der angelsächsischen Corporate Governance-Diskussion spielt neben dem shareholder value auch der stakeholder value Gedanke (wieder) eine Rolle (Teichmann, ZGR 2001, 645 [648 ff.]; v. Werder, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 3 [4] m. w. N. zu angelsächsischer Literatur in Fn. 7.). Dieser betrifft das Verhältnis zwischen dem Unternehmen, den Anteilseignern, den Fremdkapitalgebern, den Arbeitnehmern, dem Management, den Lieferanten, der Allgemeinheit und den Kunden (v. Werder, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 3 [9]; siehe dazu auch die Auslegung des Corporate Governance Begriffes durch das BMJ [vgl. oben 1. Kapitel § 2 A.] und das Verständnis der OECD, Präambel OECD-Principles of Corporate Governance, Revised Version 2004, http: // www.oecd.org / dataoecd / 32 / 18 / 31557 724.pdf [Stand 14. 05. 2007]). 15 Ausführlich zu den Unterschieden des amerikanischen und des kontinental-europäischen Corporate Governance Ansatzes Merkt, AG 2003, 126 ff.; Teichmann, ZGR 2001, 645 (646 f.); v. Werder, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 3 (13). 16 Vgl. beispielsweise Toronto Stock Exchange, Committee on Corporate Governance, Guidelines for improved Corporate Governance in Canada, 1992; New York Stock Exchange, Listed Company Manual, § 303.00 ff., http: // www.nyse.com / RegulationFrameset.html? nyseref=http%3A // www.nyse.com / audience / listingonthenyse.html&displayPage= / listed / 1022221393251.html (Stand: 14. 05. 2007).

§ 2 Entwicklung der Corporate Governance

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Die Entwicklung eines einheitlichen Verhaltenskodexes mit nationaler Geltung hat ihren Ursprung jedoch in Großbritannien.21 Dort entstand 1992 der sog. Cadbury-Report, benannt nach dem Chairman des Committee on the Financial Aspect of Corporate Governance.22 Diesen und ihn ergänzende Berichte23 vereinigte die Londoner Börse zum sogenannten Combined Code, den sie ihren Listing Rules als Appendix beifügte.24 Andere europäische Staaten folgten diesem Vorbild mit vielfältigen inhaltlichen Abweichungen und Anpassungen im Einzelnen, so Belgien, Frankreich, Italien, die Niederlande und Spanien.25 Auf internationaler Ebene gab die OECD 1999 ihre „Principles of Corporate Governance“26 heraus, die einen Mindeststandard für die rechtliche, institutionelle und ordnungspolitische Unternehmensverfassung darstellen.27 Sie zielten nicht auf die westlichen Industrienationen, sondern auf die sich entwickelnden Märkte in 17 Z. B. die „domestic“ und „international“ Corporate Governance Grundsätze des Pensionsfonds California Public Employees’ Retirement Systems (CalPERS), http: // www. calpers-governance.org / principles / default.asp (Stand: 14. 05. 2007) oder die Grundsätze der Teachers Insurance and Annuity Association – College Retirement Equities Fund (TIAA-CREF), http: // www.tiaa-cref.org / pubs / pdf / governance_policy.pdf (Stand: 14. 05. 2007). 18 Z. B. American Law Institute (ALI), Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, 1994; Council of Institutional Investors, Corporate Governance Initiatives, http: / / www.cii.org / policies / Current%20CII%20Corporate%20Governance%20Policies %2003-20-07.pdf (Stand: 14. 05. 2007). 19 Vgl. z. B. die Corporate Governance Guidelines von General Motors, http: / / www. gm.com / company / investor_information / corp_gov / guidelines.html (Stand: 14. 05. 2007). 20 Vgl. auch die Nachweise bei Schneider, BB 2002, 2413 (2414) in Fn. 7 – 10. 21 Bericht der Baums-Kommission, BT-Drucks. 14 / 7515, S. 28 Rn. 5; Berrar, Corporate Governance-Entwicklung, S. 104, 137; Hopt, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 29 (32 f.). 22 Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance, The Code of Best Practice, London 1992. 23 Dies sind der Report of the Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance, Compliance with the Code of Best Practice, London 1995, der sog. Greenbury-Report (Directors’ Remuneration, Report of a Study Group chaired by Sir Richard Greenbury, London 1995) und der sog. Hampel-Report (Committee on Corporate Governance, Final Report, London 1998). 24 Börsennotierte Gesellschaften mussten jährlich eine Erklärung über die Einhaltung des Combined Code abgeben. Dabei handelte es sich nicht um eine Zulassungsvoraussetzung, sondern um eine Folgepflicht, deren Verletzung den Ausschluss von der Börsennotierung zur Folge haben konnte, vgl. Berrar, Corporate Governance Entwicklung, S. 140 f.; Borges, ZGR 2003, 508 (524); Hopt, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 29 (33); (missverständlich) Schneider, DB 2000, 2413 (2415 f.). In gleicher Weise verfährt die neu geschaffene Regulierungsbehörde Financial Services Authority (FSA), vgl. Borges, ZGR 2003, 508 (524 f.) m. w. N. 25 Vgl. Bericht der Baums-Kommission, BT-Drucks. 14 / 7515, S. 28 Rn. 5. 26 OECD, Principles of Corporate Governance 1999; auch abgedruckt in AG 1999, 339 ff. 27 Hommelhoff, ZGR 2001, 238 ff.; Seibert, AG 1999, 337.

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1. Kap.: Corporate Governance

Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Die rechtspolitischen Forderungen dieser ursprünglichen Fassung waren in Deutschland, insbesondere durch das Aktiengesetz, bereits erfüllt. Nach der Auffassung Schneiders28 hat sich das infolge der am 13. / 14. Mai 2004 beschlossenen revidierten Fassung der Principles29 geändert. Auch in Deutschland bestehe nun nicht unerheblicher Anpassungsbedarf. Daneben gibt es Regelwerke privater internationaler Organisationsformen, zum Beispiel des ICGN30 (International Corporate Governance Network), der EASD (European Association of Securities Dealers) und der Euroshareholders31.

C. Nationale Corporate Governance-Entwicklung Nach der Verabschiedung der OECD-„Grundsätze der Unternehmensführung und -kontrolle“ begann die Debatte schnell auch in Deutschland.32 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man in Deutschland aufgrund der hohen gesetzlichen Regelungsdichte keinen Bedarf für derartige Verhaltenskodizes gesehen.33 Im Gegensatz zu den angloamerikanischen Ländern ging man in Kontinentaleuropa bislang den Weg, die Unternehmensleitung und -kontrolle durch gesetzliche Regelungen über die interne Unternehmensverfassung zu steuern (sog. interne Corporate Governance; solche Regeln betreffend Aktiengesellschaften finden sich in Deutschland primär im Aktiengesetz sowie im Handelsgesetzbuch, in den Mitbestimmungsgesetzen34 und im Wertpapierübernahmegesetz).35 Es wurde befürchtet, dass ein Kodex mit gleicher Zielbestimmung eine Überregulierung und eine unnötige Bürokratisierung nach sich zöge.36 Dennoch unterliegen auch deutsche Unternehmen einer faktischen externen Kontrolle, denn auch Unternehmen mit interner Corporate Governance sind dem Spiel der Marktkräfte von Angebot und Nachfrage ausgesetzt. So führte denn auch Schneider, AG 2004, 429 (431). OECD, Principles of Corporate Governance 2004; http: // www.oecd.org / dataoecd / 32 / 18 / 31557724.pdf (Stand: 14. 05. 2007). 30 Http: // www.icgn.org / index.php (Stand: 14. 05. 2007). 31 Euroshareholders Corporate Governance Guidelines 2000, http: // www.wfic.org / esh / Euroshare.pdf (Stand: 14. 05. 2007). 32 Zu diesem Zusammenhang siehe Schneider, AG 2004, 429 (430). 33 BMJ, Rede der Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries bei der 2. Corporate Governance Kodex-Konferenz am 25. Juni 2003 in Berlin, http: // www.bmj.bund.de / enid / ea22321231bf621a42b1a4604e42697b,0 / ao.html (Stand: 14. 05. 2007). 34 Montan-Mitbestimmungsgesetz, Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz, Betriebsverfassungsgesetz 1952, Mitbestimmungsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz 1972. 35 Vgl. Teichmann, ZGR 2001, 645 (646); v. Werder, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 3 (12 f.). 36 Vgl. Seibert, BB 2002, 581. 28 29

§ 2 Entwicklung der Corporate Governance

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die Kritik internationaler Investoren37 am deutschen Corporate Governance-System zu einigen privaten Ansätzen. Darunter befinden sich die Corporate Governance-Grundsätze (,Code of Best Practice‘) der Frankfurter Grundsatzkommission Corporate Governance aus dem Januar 200038, der „German Code of Corporate Governance“ des Berliner Initiativkreises39 aus dem Juni 2000 sowie, auf Ersterem aufbauend, eine „Scorecard for German Corporate Governance“ der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse40; daneben entwickelte die Deutsche Bank AG einen eigenständigen Kodex. Auch die Bundesregierung blieb nicht tatenlos und setzte im Mai 2000 die Regierungskommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ unter Vorsitz von Prof. Dr. Theodor Baums ein. Die Kommission hatte den Auftrag, sich mit möglichen Defiziten des deutschen Systems der Unternehmensführung und -kontrolle zu befassen. Darüber hinaus sollte sie im Hinblick auf den sich durch Globalisierung und Internationalisierung der Kapitalmärkte vollziehenden Wandel der Unternehmens- und Marktstrukturen Vorschläge für die Modernisierung des deutschen Regelwerkes unterbreiten. Im Juli 2001 übergab sie dem Bundeskanzler ihren über 300 Seiten starken Bericht mit 150 Empfehlungen.41 Eine der Kernaussagen der sog. BaumsKommission (neben verschiedenen Vorschlägen für Gesetzesänderungen, insbesondere des Aktiengesetzes) war die Empfehlung für einen deutschen Corporate Governance Kodex,42 der durch eine noch einzusetzende Regierungskommission geschaffen werden sollte. Gleichzeitig sollte den Unternehmen eine Verpflichtung zur verbindlichen Information über die Beachtung der Kodex-Regeln auferlegt werden.43 Diese Vorschläge mündeten in die Verabschiedung des „Deutschen Corporate Governance Kodexes“ durch die gleichnamige Regierungskommission.44

37 Nach den Ausführungen von Dr. Gerhard Cromme anlässlich der Pressekonferenz nach Übergabe des Kodexes an die Bundesministerin der Justiz am 26. Februar 2002 in Berlin sind dies die mangelhafte Ausrichtung auf Aktionärsinteressen, die duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat, die mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung, die mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte und die eingeschränkte Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, http: // www.corporate-governance-code.de / ger / news / rede-crom me-20020226.html (Stand: 14. 05. 2007). 38 Abgedruckt in: Schneider / Strenger, AG 2000, 106 ff. u. DB 2000, 238; http: // www. dai.de. 39 Abgedruckt in: Peltzer / v. Werder, AG 2001, 1 (6 ff.); DB 2000, 1573; http: // www. gccg.de / deu_German-Code-of-Corporate-Governance.pdf. 40 Http: // www.dvfa.de / verband / pdf / scorecard.pdf. 41 Bericht der Baums-Kommission, BT-Drucks. 14 / 7515. 42 So die Gesetzesbegründung zu § 161 AktG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 21. 43 Bericht der Baums-Kommission, BT-Drucks. 14 / 7515, S. 27 ff. 44 Vgl. dazu 1. Kapitel § 3.

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1. Kap.: Corporate Governance

D. Europäische Corporate Governance-Entwicklung Am 21. Mai 2003 legte die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Corporate Governance vor, der weitestgehend auf den Empfehlungen der High Level Group of Company Law Experts45 unter Vorsitz von Jaap Winter beruht. Darin kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung eines europäischen Corporate Governance Kodexes nicht sinnvoll ist,46 vor allem, weil wesentliche Teile der Corporate Governance in den nicht harmonisierten Aktienrechten der Mitgliedstaaten enthalten sind, auf die ein solcher europäischer Kodex dann Rücksicht und Bezug nehmen müsste. Es sollten vielmehr die Bemühungen der Mitgliedstaaten um Verbesserung der Corporate Governance im Rahmen eines europäischen Corporate GovernanceForums koordiniert werden.47 Durch legislative Einzelmaßnahmen soll aber eine Harmonisierung bezüglich bestimmter Mindestanforderungen herbeigeführt werden.48 Jüngst hat die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Jahresabschlussrichtlinie49 gemacht, nach dem eine Corporate Governance Erklärung als ein getrennter Teil in den Lagebericht von börsennotierten Unternehmen mit einbezogen werden soll.50

45 Report of the High Level Group of Company Law Experts on a modern regulatory framework for company law in Europe vom 4. 11. 2002, http: // ec.europa.eu / internal_ market / company / docs / modern / report_en.pdf (Stand: 14. 05. 2007). 46 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 05. 2003 – Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, S. 14. 47 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 05. 2003 – Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, S. 20. 48 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 05. 2003 – Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, S. 15 ff.; tabellarische Übersicht über die kurz- und mittelfristigen Corporate Governance-Maßnahmen bei Hopt, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 29 (43); kritisch zum Aktionsplan Habersack, NZG 2004, 1. 49 Vierte Richtlinie 78 / 669 / EWG des Rates vom 25. 7. 1978 aufgrund von Art. 54 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. L 222 v. 14. 8. 1978, S. 11. 50 KOM (2004) 725, S. 11.

§ 3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex

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§ 3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex – Entstehung und Zielsetzung „Unter den Augen unserer Gesetzgeber haben sich die Aktiengesellschaften in Raub- und Betrugsanstalten verwandelt, deren geheime Geschichte mehr Niederträchtigkeit, Ehrlosigkeit, Schurkerei in sich birgt als manches Zuchthaus, nur dass die Diebe, Räuber und Betrüger hier statt in Eisen in Gold sitzen.“51 Rudolf von Jhering, 1893

A. Eine hoheitlich-gesellschaftliche Koproduktion I. Der „private“ Standardsetzer Am 6. September 2001 setzte die Bundesministerin der Justiz den Empfehlungen der Baums-Kommission52 entsprechend die „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ (Kodex-Kommission) ein.53 Ihre dreizehn ehrenamtlich tätigen Mitglieder54 wurden vom Bundesministerium der Justiz in Abstimmung mit dem Kanzleramt nach den Aspekten der Ausgewogenheit, Repräsentanz und größtmöglichen Akzeptanz ausgewählt.55 Unter ihnen finden sich Vertreter der Wirtschaft, der institutionellen Anleger, der Kleinanleger, der Wirtschaftsprüfer, der Arbeitnehmer und der Börse sowie zwei Wissenschaftler, nicht jedoch Regierungsvertreter oder Politiker. Dieser Kodex-Kommission erteilte die Bundesministerin der Justiz den Auftrag, in vollkommener Unabhängigkeit56 Rudolf von Jhering, Der Zweck im Recht, 3. Auflage Leipzig 1893, Band I, S. 218. Bericht der Baums-Kommission, BT-Drucks. 14 / 7515, S. 32 Rn. 17. 53 Baums, in: ZHR Beiheft 71, S. 22. 54 Dr. Gerhard Cromme, Aufsichtsratsvorsitzender ThyssenKrupp AG (Vorsitzender der Kodex-Kommission); Dr. Paul Archleitner, Finanzvorstand der Allianz AG; Dr. Rolf-E. Breuer, Sprecher des Vorstands Deutsche Bank AG; Dr. Hans-Friedrich Gelhausen, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied PwC Deutsche Revision AG; Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.; Max Dietrich Kley, Mitglied des Aufsichtsrats BASF Aktiengesellschaft; Professor em. Dr. Dres. h.c. Marcus Lutter, Sprecher des Zentrums für europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Bonn; Volker Potthoff, Mitglied des Vorstands der Deutsche Börse AG (nunmehr: Dr. Dr. h.c. Manfred Gentz); Heinz Putzhammer, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes Deutscher Gewerkschaftsbund (nunmehr: Dietmar Hexel); Peer Michael Schatz, Finanzvorstand QIAGEN; Christian Strenger, Mitglied des Aufsichtsrats DWS Investment GmbH; Prof. Dr. Axel von Werder, Institut für Betriebswirtschaftslehre, Lehrstuhl Organisation und Unternehmensführung, Technische Universität Berlin; Dr. Wendelin Wiedeking, Vorstandsvorsitzender Porsche AG. 55 Seibert, BB 2002, 581 (582). 56 Vgl. zur Unabhängigkeit BMJ, Rede der Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries bei der 2. Corporate Governance Kodex-Konferenz am 25. Juni 2003 in Berlin, http: // www. 51 52

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1. Kap.: Corporate Governance

einen Deutschen Corporate Governance Kodex (Kodex) auszuarbeiten, der Verhaltensregeln für die Führung und Kontrolle börsennotierter Unternehmen in Deutschland aufstellen und die in Deutschland geltenden Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung für nationale wie internationale Investoren transparent machen sollte.57 Das „Mandat“ der Kodex-Kommission endete jedoch nicht mit der Erstellung und Bekanntmachung des Kodexes. Als „Standing-Commission“ verfolgt sie die Entwicklung der Corporate Governance in Gesetzgebung und Praxis und prüft mindestens einmal jährlich, ob der Kodex der Anpassung bedarf.58 II. Die „privaten“ Standards Am 26. Februar 2002 verabschiedete die Kodex-Kommission den „Deutschen Corporate Governance Kodex“ und veröffentlichte ihn im Internet auf ihrer Website. Der Vorsitzende der Kommission überreichte den Kodex der Bundesministerin der Justiz.59 Bei der Erarbeitung der darin enthaltenen Verhaltensregeln für Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften war die Kodex-Kommission vom Bundesjustizministerium betreut und beraten worden. Einen ersten Entwurf hatte sie der Öffentlichkeit bereits am 18. Dezember 2001 auf ihrer Website vorgestellt. Alle Interessierten hatten anschließend Gelegenheit, innerhalb eines Monats gegenüber der Kodex-Kommission Stellungnahmen abzugeben.60 Die Stellungnahmen sind ausgewertet und eingearbeitet worden.61 Der Kodex wurde seit seiner Verabschiedung in den Sitzungen vom 7. November 2002, vom 21. Mai 2003, vom 2. Juni 2005 und vom 12. Juni 2006 durch Beschluss der Kodex-Kommission geändert und anschließend veröffentlicht.62 bmj.bund.de / enid / 91a7cc95ce961aa2688e6ae996fcc51 f.,0 / ao.html (Stand: 14. 05. 2007). Die Weiterentwicklung ist Teil des 10-Punkte-Programms „Unternehmensintegrität und Anlegerschutz“ der Regierung; dazu Seibert, BB 2003, 693 (695). 57 BMJ, Pressemitteilung vom 6. 9. 2001 (Kodex-Kommission „Corporate Governance“ nimmt heute Arbeit auf), http: // www.bmj.bund.de / enid / 4da0a03bd8e1ac9389ce2dc607f3 7c10,0 / 9 f.html (Stand: 14. 05. 2007). 58 Vgl. Ziff. 1 des Kodexes und die Ausführungen von Dr. Gerhard Cromme anlässlich der Pressekonferenz nach Übergabe des Kodexes an die Bundesministerin der Justiz am 26. Februar 2002 in Berlin, http: // www.corporate-governance-code.de / ger / news / rede-cromme20020226.html (Stand: 14. 05. 2007); Seibert, BB 2003, 693 (695). 59 www.corporate-governance-code.de; auch abgedruckt in NZG 2002, 273 ff.; ZIP 2002, 452 ff. 60 BMJ, Deutscher Corporate Governance Kodex, http: // www.bmj.bund.de / enid / a218 ec1cf9c450dcd549af8fcf066f97,0 / a4.html (Stand: 14. 05. 2007). 61 Seibert, BB 2002, 581 (582). 62 Eine Übersicht über die Änderungen des Kodexes findet sich unter http: // www.corpora te-governance-code.de / ger / kodex / aenderungen.html (Stand: 14. 05. 2007).

§ 3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex

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Der Kodex stellt laut seiner Präambel „wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften (Unternehmensführung) dar und enthält international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung.“ Er richtet sich primär an börsennotierte Aktiengesellschaften; nicht börsennotierten Aktiengesellschaften wird die Beachtung des Kodexes empfohlen.63 In Bezug auf börsennotierte Gesellschaften unterscheidet der Kodex zwischen der Darstellung des geltenden Aktienrechts und über das Aktiengesetz hinausgehenden Verhaltensempfehlungen und -anregungen.64 Die Empfehlungen des Kodexes sind im Text durch die Verwendung des Wortes „soll“ gekennzeichnet. Die Unternehmen können von Empfehlungen abweichen, sind dann aber zur jährlichen Offenlegung der Abweichungen verpflichtet. Von den Anregungen, für die der Kodex Begriffe wie „sollte“ oder „kann“ verwendet, kann ohne Offenlegung abgewichen werden. Sie sind nach Auffassung der Kodex-Kommission bisher nicht allgemein als Best Practice akzeptiert, könnten aber im Falle einer dahingehenden Fortentwicklung in Empfehlungen umgewandelt werden.65

III. Hoheitliche Rezeption Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. Juli 200266 ist in § 161 AktG die im Kodex enthaltene Pflicht zur Offenlegung der Abweichungen von den Empfehlungen gesetzlich normiert worden. Vorstand und Aufsichtsrat müssen jährlich erklären, ob den im Kodex enthaltenen Empfehlungen entsprochen wurde und wird und welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden (sog. Entsprechenserklärung oder Comply-or-explain-Regelung67). Die Erklärung ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen.68 Soweit die Erklärung zukunftsbezogen ist, stellt sie nur eine unverbindliche Absichtserklärung dar, die jederzeit korrigiert oder zurückgenommen werden kann. Die dauerhaft zugängliche 63 Siehe Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 12. 06. 2006. 64 Semler erkennt noch eine vierte Kategorie, die der Kodex selber nicht aufführt: die Wiedergabe einer eigenen Rechtsauffassung durch die Kodex-Kommission im Rahmen der „unpräzisen“ Gesetzeswiedergabe, Semler, in: MüKo AktG, § 161 Rn. 3. So auch Seidel, ZIP 2004, 285 (292 f.). 65 Begr. RegE, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 21. 66 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19. 07. 2002, BGBl. I / 2002, S. 2681; in Kraft getreten am 26. 07. 2002. 67 So bezeichnet vom BMJ, Pressemitteilung „Corporate Governance Kodex im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht“, http: // www.bmj.bund.de / enid / 798d49fa025432f5 49ae7dffdf1c0ae0,0 / ac.html (Stand: 14. 05. 2007). 68 Zugänglich-Machen bedeutet wie an anderen Stellen im Aktiengesetz, dass eine Veröffentlichung auf der Website der Gesellschaft ausreicht.

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1. Kap.: Corporate Governance

Entsprechenserklärung ist in einem solchen Fall auch unterjährig abzuändern.69 Maßgeblich ist die zur Zeit der Abgabe der Erklärung im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers vom Bundesministerium der Justiz bekannt gemachte Fassung des Kodexes.70 Vor der Veröffentlichung prüft das Ministerium den Kodex in rechtlicher Hinsicht.71 Zum Prüfungsumfang führt der zuständige Ministerialrat im Bundesjustizministerium, Seibert, aus: „Nur ein Kodex, der in einem fairen Verfahren unter breiter Beteiligung der betroffenen Kreise zustande gekommen ist, dessen Empfehlungen inhaltlich ausgewogen sind und nicht gegen geltendes Gesetzesrecht, insbesondere Verfassungsrecht, verstoßen, kann und wird vom BMJ bekannt gemacht.“72 Die Pflicht nach § 161 AktG wird durch weitere gesetzliche Maßnahmen flankiert. So ist im Bilanzanhang (§ 285 Nr. 16 HGB) anzugeben, ob die Erklärung abgegeben und veröffentlicht ist, ebenso im Konzernanhang für alle Konzerngesellschaften (§ 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB). Ob dies geschehen ist, unterliegt der Prüfung durch den Abschlussprüfer nach §§ 316, 317 HGB.73 Außerdem gehört die Erklärung zu den Unterlagen, die beim Handelsregister jährlich einzureichen sind (§ 325 Abs. 1 Satz 1 HGB), so dass sich auch die Bekanntmachung gemäß § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB hierauf bezieht.

B. Hoheitliche Zielvorstellungen Der Kodex soll durch mehr Transparenz das Vertrauen der Anleger in den Wert deutscher Unternehmen nachhaltig stärken und so das Ansehen auf internationalen Aktienmärkten verbessern.74 Er soll die geltende Unternehmensverfassung für deutsche Aktiengesellschaften und die diesbezüglichen, im Wesentlichen im zwingenden Gesetzesrecht verankerten Verhaltensmaßstäbe für Unternehmensleitung und -überwachung in einer gerade für ausländische Investoren geeigneten Form

Begr. RegE, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 21. Dies gilt gleichermaßen für den vergangenheits- wie den zukunftsbezogenen Teil der Erklärung. Die zuletzt im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichte Fassung datiert vom 12. 06. 2006. 71 Seibert, BB 2002, 581 (582). 72 Seibert, BB 2002, 581 (582). 73 Der Abschlussprüfer prüft nur das Vorliegen der Erklärung, nicht deren inhaltliche Richtigkeit, so der Bericht der Baums-Kommission, BT-Drucks. 14 / 7515, S. 30 Rn. 12. A.A. Hommelhoff / Schwab, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 51 (55) m. w. N. zum Streitstand in den Fn. 25 – 29. 74 BMJ, Corporate Governance Kodex im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, http: // www.bmj.bund.de / enid / 91a7cc95ce961aa2688e6ae996fcc51f,0 / ac.html (Stand: 14. 05. 2007). 69 70

§ 3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex

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zusammenfassend und übersichtlich darstellen und die Besonderheiten und Vorzüge der dualistischen Unternehmensverfassung verdeutlichen.75 Der Kodex ist deshalb auch in einer englischen, französischen, italienischen und spanischen Übersetzung auf der Website der Kodex-Kommission abrufbar. Wo das ausdifferenzierte und zwingende deutsche Aktienrecht noch Spielräume lässt, sollen den deutschen Unternehmen Handlungsempfehlungen zur Einhaltung internationaler Gepflogenheiten guter Unternehmensführung gegeben werden. Zweck der gewählten Regelungsform – einer „Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft“76 – ist die Entlastung des deutschen Gesetzgebers und die Vermeidung einer zwingenden und damit möglicherweise in vielen Fällen zu rigiden gesetzlichen Lösung.77 Der deutschen Unternehmenspraxis soll die Gelegenheit gegeben werden, in einem Akt der Selbstorganisation flexible Regelungen zu schaffen, von denen die Unternehmen abweichen können, wenn sie es für sinnvoll oder geboten halten. Dies soll den Gesellschaften unter anderem auch ermöglichen, einen auf die unternehmensindividuellen Verhältnisse zugeschnittenen eigenen „Code of Best Practice“ zu entwickeln und dem Kapitalmarkt gegenüber offen zu legen. Zudem können die Kodex-Regeln verglichen mit der Schwerfälligkeit parlamentarischer Gesetzesänderungen in einem relativ einfachen Verfahren angepasst werden.78 Dies ermöglicht eine kontinuierliche Fortschreibung der Standards, so dass das deutsche Corporate Governance-System deutlich besser mit der Dynamik globaler Governance-Entwicklung Schritt halten kann. Ein gesetzersetzender Charakter soll den Standards der Kodex-Kommission aber nicht zukommen. Der Kodex wird vom Bundesjustizministerium nicht als zwingend angesehen, sondern als – die sogenannte Comply-or-explain-Regelung des Transparenz- und Publizitätsgesetzes ergänzendes – „soft law“ bezeichnet. 79 Allein der gesetzlich angeordneten Pflicht in § 161 AktG zur jährlichen Abgabe einer Entsprechenserklärung ist zwingend Folge zu leisten. Entgegen der missverständlichen englischen Bezeichnung bedarf es jedoch keiner Begründung für die Nichtanwendung einer Empfehlung des Kodexes.80 Der Gesetzgeber geht davon aus, 75 Begr. RegE, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 21; das in Deutschland gesetzlich verankerte „two-tier-system“ steht im Gegensatz zum angelsächsischem „one-tier-system“, der Unternehmensleitung durch ein einziges Leitungsorgan. 76 So die Bundesministerin der Justiz Hertha Däubler-Gmelin bei der Vorstellung des Kodexes. 77 BMJ, Rede der Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries bei der 2. Corporate Governance Kodex-Konferenz am 25. Juni 2003 in Berlin, http: // www.bmj.bund.de / enid / 91a7cc95ce961aa2688e6ae996fcc51 f.,0 / ao.html (Stand: 14. 05. 2007). 78 Gelhausen / Hönsch, AG 2003, 367; v. Werder, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 3 (17). 79 BMJ, Corporate Governance Kodex im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, http: // www.bmj.bund.de / enid / 798d49fa025432f549ae7dffdf1c0ae0,0 / ac.html (Stand: 14. 05. 2007). 80 Seibert, BB 2002, 581 (583).

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1. Kap.: Corporate Governance

dass die Betroffenen einer erklärten Abweichung aus eigenem Interesse eine Begründung folgen lassen und er sie somit nicht dazu zwingen muss.81 Eine breite Akzeptanz und freiwillige Befolgung der Empfehlungen und Anregungen des Kodexes sollen neben der akzeptanzfördernden Besetzung der Kommission82 vor allem durch Anlegerreaktionen und Marktmechanismen bewirkt werden.83 Der Gesetzgeber behält sich nach Seibert aber ausdrücklich vor, ein Gesetz zu erlassen, soweit er den Kodex für nicht ausreichend hält oder seine Akzeptanz durch die Unternehmen nicht ausreicht.84

§ 4 Die verfassungsrechtliche Grundproblematik „Organisierte gesellschaftliche Kräfte sollen staatlich definierte öffentliche Zwecke verwirklichen, auf eigene Kosten und in der selbstbezogenen Funktionslogik ihres jeweiligen Handlungssystems.“85 Udo Di Fabio, 1997

A. Rechtsquellen und Regelungsebenen der Corporate Governance Bei der Gestaltung des deutschen Corporate Governance-Systems stehen dem Staat verschiedene Möglichkeiten offen. Insbesondere steht er vor der Wahl der rechtlichen Regelungsform.86 Nach der herkömmlichen Rechtsquellenlehre 87 stehen den deutschen Normgebern zur abstrakt-generellen Regelung von Lebenssachverhalten unterschiedliche Regelungsebenen – namentlich Verfassung, Parlamentsgesetz, Rechtsverordnung, Satzung und Verwaltungsvorschrift – zur Verfügung.88 Begr. RegE, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 21. Zu dieser Zielsetzung durch Einbindung sachverständiger Interessenvertreter, Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 19; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 79. 83 Hommelhoff / Schwab, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 51 (58 f.). 84 Seibert, BB 2002, 581 (582) mit weiterem Nachweis; ders., BB 2003, 693 (695). 85 Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235. 86 Dazu Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 89 ff., welche bemängeln, dass es in Deutschland keine Theorie zu den verfügbaren rechtlichen Regelungsformen und einer Auswahl unter ihnen gibt (Theorie des Regulatory Choice). 87 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 61; ders., in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 ff. 88 Die ebenfalls anerkannte Rechtsquelle des Gewohnheitsrechts stellt kein aktives staatliches Steuerungsinstrument dar. Zu den einzelnen Rechtsquellen vgl. Heintzen, ZIP 2004, 1933 f. Siehe auch die Nachweise oben in Fn. 87. 81 82

§ 4 Die verfassungsrechtliche Grundproblematik

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Begrenzt wird ihr rechtlicher Handlungsspielraum unter anderem durch die Grundrechte der Regelungsadressaten und Dritter, das Prinzip der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip oder, allgemeiner, die Vorgaben der deutschen Verfassung89 und durch das Europarecht. Der exekutive Normgeber ist zudem an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Der Bundesgesetzgeber hat weite Bereiche der deutschen Corporate Governance in Form von Parlamentsgesetzen verbindlich geregelt.90 Regeln zu Unternehmensleitung und -kontrolle börsennotierter Aktiengesellschaften finden sich vor allem im Aktiengesetz und in weiteren gesetzlichen Vorschriften, z. B. des Handelsrechts91, des Mitbestimmungsrechts92 und des Übernahmerechts93. Die verbleibenden Spielräume zu füllen, war bisher gesellschaftlicher Selbstregulierung94 im Rahmen der staatlich gewährleisteten Privatautonomie überlassen, insbesondere durch privatrechtliche Satzungen,95 Geschäftsordnungen und allgemeine Übung.96 Der aktuelle Vorstoß der Legislative und Exekutive des Bundes in vorgenannte Räume durch Einführung untergesetzlicher Corporate Governance Standards birgt gleich zwei Neuerungen für das deutsche Corporate Governance-System in sich. Zum einen erfolgt die staatliche Steuerung der deutschen Corporate Governance nicht mehr allein über die interne Corporate Governance.97 Vielmehr soll mit der Einführung einer Pflicht zur Abgabe einer Entsprechenserklärung die Regulierungswirkung der Marktkräfte ausgenutzt werden.98 Zum anderen wird die klare 89 Auch bei Verfassungsänderungen durch die verfasste Staatsgewalt – den „pouvoir constitué“ – sind die Vorgaben der Verfassung zu beachten, vgl. Art. 79 GG. 90 Vgl. oben 1. Kapitel § 2 C. 91 Insbesondere §§ 238 – 342a HGB. 92 Vgl. oben in Fn. 34. 93 Wertpapierübernahmegesetz. 94 Gesellschaftliche Selbstregulierung ist die individuelle oder kollektive Verfolgung von Privatinteressen in Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten zum legitimen Eigennutz mit Mitteln des Privatrechts, also im privaten Sektor. Vgl. zur Bedeutung des Begriffs SchmidtPreuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (162); Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 108, die hierfür allerdings den Begriff „private Selbstregulierung“ verwenden. 95 Soweit dies die aktienrechtliche Satzungsstrengevorschrift (§ 23 Abs. 5 AktG) zulässt. Zu Umfang und Grenzen des nach dem Gesetz verbleibenden statutarischen Gestaltungsspielraums findet sich ein grober Überblick bei Hommelhoff / Schwab, in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 51 (53). 96 So auch die Baums-Kommission in ihrem Abschlussbericht, Bericht der Baums-Kommission, BT-Drucks. 14 / 7515, S. 27 Rn. 5. 97 Die gesetzliche Ausgestaltung der internen Unternehmensverfassung, vgl. oben 1. Kapitel § 2 C. 98 So auch Habersack, NZG 2004, 1 (3). Auch dieser Ansatz unterscheidet sich jedoch noch erheblich vom amerikanischen kapitalmarktrechtlichen Ansatz. Die Bereiche des Bank-, Börsen- und Kapitalmarktrechts waren schon von der Baums-Kommission ausgeklammert worden, vgl. Merkt, AG 2003, 126.

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1. Kap.: Corporate Governance

Grenze zwischen staatlicher Steuerung und privater Selbstregulierung durchbrochen und damit zumindest im Gesellschaftsrecht Neuland betreten.99

B. Was ist so neu am Kodex? – Typologie „kooperativer Rechtsetzung“100 Der Kodex ist mehrfach als Novum des deutschen Rechts bezeichnet worden.101 Ursächlich für diese Bezeichnung ist, dass sich der Kodex – nicht zuletzt wegen seiner „privaten“ Urheberschaft – nicht in das herkömmliche Rechtsquellensystem einzufügen scheint.102 Doch ist die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Instanzen und „privaten“ Expertengremien in vielen Lebensbereichen bereits ein alltäglicher Vorgang.103 Auch die Vollziehung (Regierung und Verwaltung) ist bei zunehmender Komplexität von Verwaltungsentscheidungen vermehrt auf privaten Sachverstand angewiesen, so dass immer mehr staatliche Entscheidungen von Gremien vorbereitet oder sogar getroffen werden, die an einer Schnittstelle von Staat und Gesellschaft stehen.104 In stetig steigender Zahl existieren zumindest auch mit Privaten besetzte Kollegialgremien, die in den verschiedensten Formen an exekutiver Rechtsetzung mitwirken. Dabei handelt es sich um Beiräte, Ausschüsse, Kommissionen, Standardsetter und ähnliche Kollegialgremien mit horizontaler Willensbildung.105 Ihre Mitwirkungsbefugnisse reiDazu sogleich unter B. Der Begriff ist an die Kategorisierung bei Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 86 ff. angelehnt und umfasst die Kategorien kooperative Rechtskonkretisierung und kooperative Rechtserzeugung. Schuppert / Bumke sprechen an anderer Stelle (S. 94) auch von koproduktiver Rechtsetzung. 101 Seidel, ZIP 2004, 285 (289); Semler, in: MüKo AktG, § 161 Rn. 28; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (152). Ähnlich auch das BMJ: „Damit treffen zwei Innovationen aufeinander: der elektronische Bundesanzeiger als modernes Verkündungsinstrument und der Deutsche Corporate Governance Kodex als vorbildliches Beispiel für eine effektive Selbstverpflichtung der Wirtschaft.“ BMJ-Mitteilung, Corporate Governance Kodex im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, http: / / www.bmj.bund.de / enid / 798d49fa025432f549ae7dffdf1c0 ae0,0 /ac.html (Stand: 14. 05. 2007). 102 Heintzen, ZIP 2004, 1933 f.; Seidel, ZIP 2004, 285 (289); Semler, in: MüKo AktG, § 161 Rn. 29 ff.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (158 ff.). 103 Hingewiesen sei an dieser Stelle ganz allgemein auf die Bereiche der Politikberatung, auch im Rahmen der Gesetzgebung (prominente Beispiele sind die „Hartz-Kommission“ und die „Rürup-Kommission“), der Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht und der Standardsetzung im Bilanzrecht (siehe dazu unten 2. Kapitel). Nachweise finden sich auch bei Mehde, AöR 127 (2002), 655 (662 f.). 104 Siehe dazu Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36; Groß, Das Kollegialprinzip; Jestaedt, Kondominialverwaltung; Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (267 f.); Sodan, Kollegiale Funktionsträger; Schwab, Politikberatung; Sommermann, Gremienwesen, S. 1 ff.; Unkelbach, Plural zusammengesetzte Gremien, S. 55 ff. 105 Zusammenstellungen unter je verschiedenen Aspekten finden sich bei Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 9, 24 f.; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und 99

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chen von reiner Beratungsfunktion bis hin zu eigenen Entscheidungskompetenzen; die Kollegialgremien beruhen auf Privatinitiative oder sind vom Staat ins Leben gerufen und stehen innerhalb oder außerhalb der Staatsorganisation. Anknüpfend an jüngere Forschungsarbeiten106 lassen sich diese und weitere Einteilungskriterien mit bestimmendem Einfluss auf die verfassungsrechtliche Beurteilung des jeweiligen Gremiums aufstellen.107 Die für die Kodex-Kommission im Hinblick auf ihre Verfassungskonformität relevanten Merkmale sollen im Folgenden vorgestellt, und eine Einordnung der Kommission und des von ihr erstellten Kodexes soll vorgenommen werden.

I. Trägerschaft der Kodex-Kommission Auch wenn das Zusammenwirken staatlicher und gesellschaftlicher Kräfte immer verschlungener wird, bleibt die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft nach dem geltenden Recht bestehen.108 Die verfassungsrechtliche Sonderbindung der öffentlichen Gewalt macht eine Abgrenzung der Sphäre des Staates unabdingbar.109 Staatlich sind all jene Gremien, die auf einem Beschluss einer Instanz des Staatsapparates beruhen, ergehe dieser in Form eines Gesetzes, einer Verordnung, einer Satzung, einer Verwaltungsvorschrift oder bloß eines staatlichen Organisationsaktes.110 Privat sind dagegen solche Gremien, deren Existenz auf eine freie privatautonome Entscheidung zurückzuführen ist.111 Technikrecht, S. 37 – 85; Schwab, Politikberatung, S. 314 ff.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 1 ff.; Unkelbach, Plural zusammengesetzte Gremien, S. 55 ff. 106 Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht; Groß, Das Kollegialprinzip; Unkelbach, Vorbereitung und Übernahme staatlicher Entscheidungen durch plural zusammengesetzte Gremien. 107 Vgl. auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 427. 108 Zur Osmose zwischen Staat und Gesellschaft Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 53 ff.; Interview mit Di Fabio im German Law Journal (www.germanlawjournal.com) vom 1. 6. 2001, 2 German Law Journal No. 9 – Special Edition – „The Present and Future Meaning of the State and the role of the Federal Constitutional Court“, Rn. 16 ff., http: // www.germanlawjournal.com / article.php?id=20 (Stand: 14. 05. 2007); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 149. 109 Di Fabio, JZ 1999, 585 (586); Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 36 m. w. N. in Fn. 11; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 26 ff.; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (235); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 558 ff. 110 Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 24; Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 34, die die Zuordnung des Rechtsträgers zum Staat im Zusammenhang mit dem Terminus „Staatsgewalt im formellen Sinne“ vornimmt; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 65; Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 24; ders., Das Kollegialprinzip, S. 28. Ein Beispiel für ein allein auf ministeriellem Organisationsakt beruhendes Kollegialgremium bietet der Kerntechnische Ausschuss (KTA) – Bek. des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 1. 9. 1986, BAnz. Nr. 183, geänd. durch die Bek. vom 23. 12. 1986, BAnz. 1987 Nr. 18 u. Bek. vom 20. 7. 1990, BAnz. Nr. 144 –, der allgemein dem öffent-

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Bei Anwendung dieser Abgrenzungskriterien erweist sich die Kodex-Kommission als staatliches Gremium. Sie verdankt ihre Existenz einem ministeriellen Organisationsakt, und ihre Mitglieder sind von staatlichen Stellen ausgewählt.112 Diesem Befund steht nicht entgegen, dass sämtliche Kommissionsmitglieder ehrenamtlich tätig werden, dass sie nicht beliehene113 Personen des Privatrechts sind, die in keinem Beamten-, Angestellten- oder besonderen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Staat stehen, und dass selbst die Geschäftsstelle der Regierungskommission bei einem privaten Unternehmen angesiedelt ist.114 Entscheidend ist allein die staatliche Veranlassung,115 bestehend aus ministeriellem Bestellungsakt und staatlichem Auftrag zur Kodex-Erstellung.116 Soweit die Kommissionsmitglieder in Ausübung dieser staatlich übertragenen Aufgabe tätig werden, sind sie dem öffentlichen Interesse verpflichtet117 und stehen den Angehörigen des öffentlichen Dienstes weitgehend gleich.118 lichen Recht zugeordnet wird; ausführlich hierzu Vieweg, Atomrecht und technische Normung; ebenso Kloepfer, Umweltrecht, S. 149 Rn. 83; Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 141 m. w. N. 111 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 34; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 28; so wohl auch Unkelbach, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 63. 112 Vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. I. 113 § 161 AktG beinhaltet keine Übertragung von Hoheitsgewalt. 114 Vgl. BVerfGE 83, 130 (149 f.) bezüglich der Beisitzer in der Bundesprüfstelle, die allerdings auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (GjS); Brohm spricht von einer öffentlichen Funktion des Beraters, Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 48. Nach Groß sind die Mitglieder aller dem staatlichen Bereich zuzuordnenden Gremien, auch bei ehrenamtlicher Tätigkeit, Inhaber eines staatlichen Amtes, Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 24; ders., Das Kollegialprinzip, S. 53 f.; ebenso Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 260 ff., nach dem sogar Mitglieder privater Gremien ein öffentliches Amt bekleiden, wenn sie mit der Wahrnehmung von Staatsaufgaben betraut werden und dabei die Ausübung von Staatsaufgaben (mit-)steuern. Zur Kodex-Kommission im Ergebnis wie hier Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 308. 115 Zur staatlichen Veranlassung als entscheidendem Erfordernis siehe Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 17 f., 261 f., am Beispiel des „Bündnisses für Arbeit“. 116 Nicht-amtliche Funktionswalter werden grundsätzlich nicht durch ein Dienst-, sondern durch ein Auftragsverhältnis zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Funktionen verpflichtet, dazu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 399; vgl. auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 77, zur Einordnung der Tätigkeit einzelner Privater in Ehrenämtern und sog. Kollegialorganen als „Partizipation von innen“; dazu auch Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 27; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 53; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179 (185 f.); Walter, VVDStRL 31 (1973), 147 (151 ff.). Beispiele für mit Privaten besetzte staatliche Kollegialgremien bilden die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (§§ 17 ff. JuSchG) oder die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit, kurz: ZKBS (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GenTG), zu beiden Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 80 f. u. 91 f. und Groß, Das Kollegialprinzip, S. 82 f., 269. 117 Zur Gemeinwohlverpflichtung von Amtsinhabern siehe Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 109 m. w. N.

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Aus der Einordnung der Kodex-Kommission als staatliches Kollegialgremium folgt zugleich, dass die Kodex-Kommission in Wahrnehmung von Staatsaufgaben tätig wird.119

II. Rechtliche Grundlage der Kodex-Kommission Rechtliche Grundlage für die Bildung, Errichtung und Einrichtung120 der Kodex-Kommission war zunächst allein die Organisationsmaßnahme der Bundesministerin der Justiz vom 6. September 2001. Eine formell-gesetzliche Grundlage gab es dagegen nicht. Erst am 26. Juli 2002 erfolgte mit In-Kraft-Treten des Transparenz- und Publizitätsgesetzes eine pauschale parlamentsgesetzliche Anerkennung der Kodex-Kommission und des von ihr erstellten Regelwerkes. § 161 AktG enthält mangels Tatbestand und Rechtsfolge allenfalls eine generelle Kompetenzund Aufgabenzuweisung, bildet aber keine Rechtsgrundlage für die Bildung, Errichtung und Einrichtung der Kodex-Kommission. Dies allein spricht jedoch nicht gegen ihre rechtliche Zulässigkeit.121 So ist die Einrichtung von Exekutivgremien ohne formell-gesetzliche Grundlage in der Rechtswirklichkeit durchaus nicht ungewöhnlich.122

III. Personalauswahl der Kommissionsmitglieder Die Personalauswahl erfolgte durch das Bundesjustizministerium in Abstimmung mit dem Kanzleramt, ohne dass die staatlichen Stellen dabei an externe Vorgaben gebunden waren. Auch nach Errichtung der Kommission übt die Bundesministerin der Justiz den maßgeblichen personellen Einfluss aus. Sie kann die Mitglieder jederzeit austauschen, abberufen oder die gesamte Kommission auflösen.123 Dies hat den Grund, dass die Kodex-Kommission ihre Existenz einem 118 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 53 f.; Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1935); Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 394, der darauf hinweist, dass sich nicht-staatliche von staatlichen Funktionsträgern in der Legitimation ihres Bestellungsaktes nicht voneinander unterscheiden. 119 Zu diesem Entsprechungszusammenhang Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 35; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 14 m. w. N. in Fn. 21. Zum Begriff der Staatsaufgabe siehe auch Isensee, in: ders. / Kirchhof, HStR III, § 57 Rn. 137. 120 Zur Bedeutung dieser Begriffe vgl. unten 1. Kapitel § 8. 121 Vgl. zur Organisationsgewalt als Bestandteil der Regierungskompetenz Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 325 ff.; siehe zur Zulässigkeit der Einrichtung nicht rechtsfähiger öffentlicher Organisationseinheiten ohne gesetzliche Grundlage Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 81 Rn. 71 und § 81 Rn. 75 i.V. m. § 80 Rn. 192 zu Beiräten und pluralistischen Entscheidungsgremien als nicht voll rechtsfähige Organisationseinheiten des Bundes. 122 Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 160 f. und Kleb, in: Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 35. 123 Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 48; Ehlers, JZ 1987, 218 (223) m. w. N. in Fn. 78; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 395; zum Verbot der Lebenszeitbestellung

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1. Kap.: Corporate Governance

informellen Organisationsakt der Ministerin verdankt, welche als Schöpferin der Kommission auch ihre zukünftige Zusammensetzung und ihren Fortbestand bestimmen kann; die Ministerin hat in ihrem Ressort grundsätzlich umfassende Personal- und Organisationsgewalt.124 Die Auswahl der Kommissionsmitglieder erfolgte mit dem Ziel der Ausgewogenheit, Repräsentanz und der größtmöglichen Akzeptanz.125 Im Zusammenhang mit der Personalauswahl wird insbesondere zwischen pluralistischen und professionellen Gremien unterschieden.126 Pluralistischen Gremien liegt bei der Wahl ihrer Mitglieder das Bestreben zu Grunde, „das in einem bestimmten Sachbereich herrschende Interessenbild und -geflecht realitätsnah und repräsentativ abzubilden, den gesellschaftlichen Pluralismus im [K]leinen nachzubilden.“127 Auswahlkriterium bei den professionellen Gremien ist dagegen nicht die Vertretung anderer, sondern allein der Sachverstand, also die persönliche Qualifikation der Mitglieder. Diese Einteilung ist aber bereits mit dem Bewusstsein geschaffen worden, dass sich die meisten Gremien einer eindeutigen Zuordnung zu einem dieser beiden Typen entziehen, sie vielmehr im „Spektrum zwischen den beiden Polen angesiedelt [sind].“128 Dies dürfte auch für die Kodex-Kommission gelten. Die vom Bundesjustizministerium angeführten Auswahlkriterien sprechen ebenso für eine ausgewogene Abbildung der betroffenen Interessen wie für eine Einbindung von Sachverstand durch Mitwirkung fachlich qualifizierter, mit der Sachmaterie besonders vertrauter Personen. Insbesondere die in die Kommission berufenen Wissenschaftler sind keine Interessenvertreter Betroffener. Durch die Einbindung von Vertretern organisierter privater Interessen beinhaltet die Personalauswahl korporative und durch das alle Einzelinteressen vereinende Fernziel der besseren Kapitalausstattung deutscher Großunternehmen auch kooperative Elemente.129 ohne statusrechtliche Einbindung vgl. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 85 ff. 124 Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. IV, Art. 65 Rn. 60; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 320 m. w. N. in Fn. 81. 125 Seibert, BB 2002, 581 (582). 126 Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 26 f.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 43 („Sachverstand“ und „Interessenvertretung“); Sommermann, Gremienwesen, S. 9 f. 127 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 400. 128 Sommermann, Gremienwesen, S. 9 f.; siehe auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 43, für den gruppenpluralistische Entscheidungsgremien bereits definitionsgemäß eine Kombination von externem Sachverstand und Interessenrepräsentanz darstellen; ähnlich auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 79; zu dieser Frage auch Groß, Das Kollegialprinzip, S. 267 ff. 129 Siehe zum Begriff privat organisierter Interessen Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 26 – 44 und zu den Einteilungskriterien „korporativ“ und „kooperativ“ Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 26 f.; ders., Das Kollegialprinzip, S. 152 f. u. 158 ff.

§ 4 Die verfassungsrechtliche Grundproblematik

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IV. Befugnisse der Kodex-Kommission Die Befugnisse des jeweiligen Gremiums bestimmen, ob das Kollegialorgan als Entscheidungs- oder als Beratungsgremium eingeordnet wird.130 Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit des Gremiums demokratischer Legitimation bedarf. Somit kommt der Unterscheidung aus verfassungsrechtlichlegitimatorischen Aspekten erhebliche Bedeutung zu.131 Aufgrund dieses demokratietheoretischen Zusammenhanges soll eine abschließende Einordnung der Kodex-Kommission erst nachfolgend im Rahmen eingehender Auseinandersetzung mit dem Staatsgewaltbegriff vorgenommen werden.132 An dieser Stelle sollen die Befugnisse der Kommission aber an der von Jestaedt133 vorgenommenen Einteilung der Entscheidungselemente in die Initiative, die „negative“ Entscheidung und die „positive“ Entscheidung gemessen werden. Dabei bezeichnet die Initiative das „Ob“ des Tätigwerdens, während „negative“ und „positive“ Entscheidung das „Wie“ der Entscheidung betreffen. Die „negative“ Entscheidung beinhaltet das Recht des Entscheiders, eine seinem Willen zuwiderlaufende Entscheidung zu verhindern, während die „positive“ Entscheidung gewährleistet, dass sich der Wille des Entscheiders uneingeschränkt in der Entscheidung durchsetzt. Betrachtet man die Aufteilung der Befugnisse auf die Kommission und das Bundesjustizministerium, so beruht der Kodex auf einer Initiative der Bundesministerin der Justiz, spätere Änderungen kommen dagegen auf Initiative der Kodex-Kommission zu Stande. Die Veröffentlichung des Kodexes im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers, die für die Außenwirksamkeit des Kodexes – da nicht nur durch § 161 AktG, sondern auch von der Ministerin bei Gründung der Kommission vorgeschrieben – maßgeblich ist,134 wird vom Bundesjustizministerium an eine Ex130 Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 25 f.; Jestaedt, 43 ff.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 394 ff., siehe auch S. 21, 123; Unkelbach, Plural zusammengesetzte Gremien, S. 57. 131 Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 214 ff.; Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 25; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 48 m. w. N. in Fn. 69; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 81 f.; Unkelbach, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 67; ausführlich dazu nachfolgend unter § 3 B I. 3. 132 Vgl. unten 1. Kapitel § 7 A. I. 1. 133 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 411. 134 Die Veröffentlichung des Kodexentwurfs auf der Internetseite der Kodex-Kommission dient der vom BMJ geforderten Beteiligung der betroffenen Kreise im Rahmen der Kodexerstellung. Es ist davon auszugehen, dass die Kodex-Kommission den Kodex im Übrigen nur in der im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Fassung auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Dafür spricht auch die folgende Erklärung: „Auf dieser Internetseite ist der Kodex in seiner aktuellen Fassung veröffentlicht. Berücksichtigt sind die in der Plenarsitzung am 12. Juni 2006 beschlossenen Änderungen, nachdem die Bekanntmachung der geänderten Fassung im elektronischen Bundesanzeiger nunmehr erfolgt ist.“, http: / / www.corporate-governance-code.de (Stand: 14. 05. 2007).

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1. Kap.: Corporate Governance

Ante-Kontrolle geknüpft. Sie erstreckt sich auf das Verfahren, die inhaltliche Ausgewogenheit der Kodexempfehlungen und auf die Rechtmäßigkeit des Kodexes.135 Die Kodex-Kommission hat dagegen ein exklusives Vorschlagsrecht. Ihr Vorschlag kann vom Bundesministerium der Justiz nur im Ganzen angenommen oder abgelehnt, nicht jedoch eigenständig abgeändert werden. Dies folgt aus dem Prüfungsrecht, das sich das Bundesjustizministerium allein vorbehalten hat,136 und aus der Formulierung des § 161 AktG, der ausdrücklich auf den Kodex der KodexKommission Bezug nimmt. Im Konfliktfall kann das Bundesjustizministerium zwar die Bekanntmachung des Kodexes ablehnen, muss dann aber die alte Regelung bestehen lassen oder den Kodex an die Kodex-Kommission zur Änderung zurückverweisen und zumindest eine zeitliche Verzögerung hinnehmen. Aufgrund des selbst erklärten Verzichts auf ein umfassendes inhaltliches Weisungsrecht kann die Bundesjustizministerin den Willen der Kodex-Kommission nicht durch den eigenen ersetzen. Dem Ministerium fehlt daher sowohl das Initiativ- als auch das „positive“ Entscheidungsrecht.137 Diese Rechte stehen der Kodex-Kommission zu, eingeschränkt durch das „negative“ Entscheidungsrecht des Bundesjustizministeriums. Das Verfahren zu regeln hat die Ministerin der Kommission weitgehend selbst überlassen.138 Abgesehen von den Erfordernissen der Bekanntmachung, der Fairness des Verfahrens und der breiten Beteiligung betroffener Kreise ist die KodexKommission bei der Erstellung des Kodexes frei von organisatorischen Vorgaben.139 Auch inhaltlich ist sie nur an ihren Auftrag, nicht aber an Weisungen der Bundesministerin gebunden. V. Einordnung des Kodexes Der Kodex beinhaltet unverbindliche Verhaltensempfehlungen für deutsche Aktiengesellschaften, die von einer dem Bundesjustizministerium angegliederten Kommission ausgearbeitet werden. Der Begriff „angegliedert“ bringt zum Ausdruck, dass die Kommission weder Teil der Regierung i. S. d. Art. 65 GG ist, noch sonst in die exekutiven Organisationsformen, insbesondere die hierarchisch aufgebaute Ministerialverwaltung, fest eingebunden ist. Dennoch ist sie als eine der Regierung nachgeordnete, nicht rechtlich verselbständigte staatliche Stelle dem Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung zuzurechnen.140 In dieser Funktion Vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. III. und Seibert, BB 2002, 581 (582). Ebenda. 137 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 411. 138 Es steht im Belieben der Errichtungsbehörde, dem Expertengremium eine Geschäftsordnung zu geben oder diese Befugnis auf jenes zu übertragen, dazu Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 48. 139 Vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. III. 140 Als eine der Regierung, im Speziellen der Bundesjustizministerin nachgeordnete Stelle ist sie zwingend der Verwaltung zuzuordnen, auch wenn ihre alleinige Aufgabe in der Mit135 136

§ 4 Die verfassungsrechtliche Grundproblematik

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hat sie den Kodex entsprechend dem Regierungsauftrag erstellt und der Ministerin zur Veröffentlichung übergeben. Der Kodex dient der Information und Orientierung der Bürger, die sich – bei einer gewachsenen Notwendigkeit für transparente und gute Corporate Governance deutscher Unternehmen – einer steigenden Anzahl privater Corporate Governance Kodizes und Empfehlungen ohne erkennbares Rangverhältnis gegenübersahen.141 Die Verhaltensempfehlungen stehen daher weder im Zusammenhang mit einer Gesetzesinitiative, noch mit dem Gesetzesvollzug durch die Administrative. Anders als normkonkretisierende Tätigkeiten kollegialer Expertengremien im Umwelt- und Technikrecht142 betrifft die Aufgabenstellung der Kodex-Kommission einen „gesetzesfreien Raum“143, der den Bürgern vom Gesetzgeber zur eigenverantwortlichen Ausfüllung überlassen ist.144 Die Schaffung eines Deutschen Corporate Governance Kodexes auf Initiative145 der Ministerin erfolgt in Erfüllung der der Bundesregierung146 zugewiesenen Aufgabe der Staatswirkung an staatsleitender Tätigkeit der Regierung besteht, vgl. Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 68 Rn. 30. Sie ist dem Geschäftsbereich der Bundesministerin der Justiz zuzurechnen, vgl. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 31 f., 42, 123. Zur Einordnung als unmittelbare Staatsverwaltung vgl. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 227; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 62, 86, für nichtrechtsfähige Kollegialgremien; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 19 ff., für verselbständigte Verwaltungseinheiten (zu denen er auch pluralistische Entscheidungsgremien zählt). 141 Ebenso Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1937). 142 Vgl. dazu BVerwG, DVBl. 110 (1995), 516 – 517; NVwZ-RR 1996, 498 – 500; und, diese Entscheidungen vorbereitend, das sog. „Whyl-Urteil“ des BVerwGE 72, 300 – 332; aus der Fülle der Literatur seien stellvertretend genannt Brennecke, Normsetzung durch private Verbände; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht; Endres / Marburger, Umweltschutz durch gesellschaftliche Selbststeuerung; Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht; Schulte, Hdb. des Technikrechts. 143 Gemeint ist ein gesetzlich nicht geregelter Bereich, in dem die Exekutive – falls sie tätig wird – ohne gesetzliche Ziel- und Inhaltsbestimmungen und nicht in Ausführung von Gesetzen handelt. Synonym werden auch die Begriffe „gesetzesfreie Verwaltung“, „freie Verwaltung“ und „nicht-gesetzesakzessorische Verwaltung“ für nicht dem Gesetzesvorbehalt unterstehende Verwaltung verwendet; vgl. hierzu Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 226 („gesetzesfreie Verwaltung“); Degenhart, Staatsorganisationsrecht, S. 74 Rn. 168 („gesetzesfreier Raum„ / „nicht-gesetzesakzessorische Verwaltung“); Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 68 Rn. 26 („freie Verwaltung“). 144 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 A. 145 Zur Initiativgewalt als Teilfunktion der Staatsleitung (dazu sogleich in Fn. 146 – 150) siehe Schröder, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 50 Rn. 26, nach dem „[i]hr Kernstück [ . . . ] die Möglichkeit, ja Obliegenheit [bildet], Vorgänge und Entwicklungen in Staat und Gesellschaft aufzugreifen und je nach Notwendigkeit und Dringlichkeit, aber auch politischer Opportunität zur ,Staatsaufgabe‘ zu machen.“ 146 Zur gemeinsamen Wahrnehmung der Staatsleitung durch Parlament und „andere[ . . . ] dazu berufene[ . . . ] Verfassungsorgane[ . . . ]“ BVerfGE 105, 279 (301); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 473 f., 489; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 20, V., Rn. 104; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 84; Schröder, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 50 Rn. 10; ders., in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 67 Rn. 11. Zur Wahrnehmung der Regierungsaufgabe durch den Ressortminister Schröder, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 50

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leitung,147 die amtliche Informationstätigkeiten und Öffentlichkeitsarbeit – auch in Form der richtungsweisenden Einwirkung auf der Regierung nachgeordnete Stellen148 – umfasst.149 Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in zwei jüngeren Entscheidungen ausgeführt, dass „in einer auf ein hohes Maß an Selbstverantwortung der Bürger bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme ausgerichteten politischen Ordnung [ . . . ] von der Regierungsaufgabe auch die Verbreitung von Informationen erfasst [ist], welche die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Problembewältigung befähigen. [ . . . ] Von Staatsleitung in diesem Sinne wird nicht nur die Aufgabe erfasst, durch rechtzeitige öffentliche Information die Bewältigung von Konflikten von Staat und Gesellschaft zu erleichtern, sondern auch, auf diese Weise neuen, oft kurzfristig auftretenden Herausforderungen entgegenzutreten und auf Krisen und auf Besorgnisse der Bürger schnell und sachgerecht zu reagieren sowie diesen zu Orientierungen zu verhelfen.“150

VI. Zusammenfassung Die Kodex-Kommission ist ein dem Bundesjustizministerium angegliedertes plural zusammengesetztes ständiges Kollegialgremium, welches durch einen ministeriellen Organisationsakt ohne formell-gesetzliche Grundlage errichtet wurde. Ihre Mitglieder werden ohne Mitwirkung nicht-staatlicher Instanzen von der Bundesministerin der Justiz ernannt. Weder die einzelnen Mitglieder der Kommission, noch die Kommission als Ganzes, sind bei der Erfüllung des ihnen zugewiesenen Auftrages weisungsunterworfen. Die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen für börsennotierte Aktiengesellschaften steht im Zusammenhang mit gesetzlichen Normierungen, betrifft aber danach verbleibende Spielräume, also einen „gesetzesfreien Raum“. Es geht folglich weder um Gesetzesvollzug noch um Gesetzesinitiative, sondern um staatslenkende Aufgabenstellungen, um unverbindliche Informationstätigkeit aufgrund einer Initiative der Bundesministerin der Justiz, an deren Erfüllung die Kodex-Kommission auftragsgemäß mitwirkt.

Rn. 15, und zur Doppelstellung des Ressortministers als Spitze der Ministerialverwaltung und Regierungsmitglied vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 318 f. m. w. N. 147 Zur Staatsleitung als Regierungsaufgabe schon BVerfGE 11, 77 (85); 26, 338 (395 f.). 148 Zu den wechselseitigen Einflüssen zwischen Regierung und Verwaltung bezogen auf die Aufgabe der Staatsleitung siehe Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 68 Rn. 30; Schröder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 67 Rn. 30. 149 BVerfGE 105, 252 (268 ff.); 105, 279 (301 ff.). 150 BVerfGE 105, 252 (269); 105, 279 (302).

§ 4 Die verfassungsrechtliche Grundproblematik

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C. Fragestellung Die Mitwirkung von Privaten an der Erfüllung von Staatsaufgaben ist Gegenstand einer kaum überschaubaren Vielzahl verfassungsrechtlicher Untersuchungen. Insbesondere die Beteiligung von pluralistisch und / oder professionell besetzten Kollegialgremien provoziert die Frage nach ihrer demokratischen Legitimation.151 Dabei wurde die Beteiligung von Beratungsgremien bisher als demokratietheoretisch eher unproblematisch angesehen, während die Mitwirkung von Entscheidungsgremien in vollem Umfang am Demokratieprinzip zu messen ist. Doch auch faktische Einflüsse gewinnen immer mehr an Beachtung und werden als teilweise ebenso wirkungsintensiv wie rechtliche Mitwirkungsbefugnisse angesehen.152 Bei faktischen Wirkungen staatlichen Handelns im Verhältnis zum Bürger ist deren rechtliche Relevanz bereits anerkannt.153 Vor dem Hintergrund eines sich möglicherweise im Umbruch befindenden Verständnisses von Demokratie soll das Demokratieprinzip primärer Maßstab für die Beurteilung der Kodex-Erstellung durch die Kodex-Kommission sein. Vor dem Hintergrund jüngerer Rechtsprechung zu Regierungsempfehlungen und -warnungen soll auch der Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen nachgegangen werden. Daneben spielen im Rahmen der Untersuchung der demokratischen Legitimation die anderen berührten Staatsziel- und Staatsstrukturbestimmungen des Grundgesetzes eine Rolle. Aufgrund der Errichtung der Kodex-Kommission durch die Exekutive ist ferner von Interesse, wem die Organisationsgewalt nach dem Grundgesetz zusteht und wie sich Verwaltungsorganisation und demokratische Legitimation verfassungsrechtlich zueinander verhalten. Diese Fragen sollen nachfolgend (§ 5 – § 9) untersucht und beantwortet werden.

D. Untersuchungsgegenstand Untersuchungsgegenstand ist der Deutsche Corporate Governance Kodex. Den verschiedenen Akteuren der staatlich-privaten Koproduktion Rechnung tragend, soll dabei zwischen dem Kodex (nach der Bekanntmachung im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers) und der gesetzlichen Verpflichtung aus § 161 AktG zur jährlichen Abgabe der Entsprechenserklärung unterschieden werden. Während Letztere eine verfassungsrechtlich unbedenkliche BerufsausübungsregeSchliesky, Souveränität und Legitimität, S. 256 f., 279, 281. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 23, 80; Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 25 f.; Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 121 f.; Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (418); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 262, 427, 600, insbes. in Fn. 62; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 319 f. 153 Dazu Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 26. 151 152

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1. Kap.: Corporate Governance

lung i.S.v. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt,154 wirft nur der Kodex selbst die zuvor angesprochenen Fragestellungen auf. Der Kodex bildet daher den primären Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Dennoch soll nicht aus den Augen verloren werden, dass nach den Intentionen der Schöpfer erst das Zusammenwirken der einzelnen Regelungsebenen die gewünschte Steuerungswirkung erzielt. Demgegenüber soll dem Kodex für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften jenseits der gesetzlichen Verstärkung eine eigenständige Wirkung zukommen.

§ 5 Private oder staatliche Standards? A. Notwendigkeit einer Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Diese verfassungsrechtliche Sonderbindung der öffentlichen Gewalt mit ihrem Machtmonopol macht die klare Grenzziehung zwischen Aufgaben in der Sphäre des Staates und freiem gesellschaftlichen Handeln unabdingbar.155 Denn die Verfassung unterwirft damit alle „staatliche Gewalt“ (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) besonderen rechtlichen Bindungen, die für das Verhältnis der Bürger untereinander nicht gelten.156 Somit ist auch bei einer Mitwirkung Privater an staatlicher Aufgabenerfüllung – also bei einer staatlich-privaten Verschränkung – eine klare Einordnung der Maßnahme erforderlich.

B. Die Abgrenzungstheorien Zur Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht werden heute überwiegend drei Theorien157 – die Interessentheorie, die Subordinationstheorie und die modifizierte Subjektstheorie – herangezogen. Da auch der Staat privatrechtlich handeln kann, ist es nicht möglich, mit der früher teilweise vertretenen Subjektstheorie allein nach den beteiligten Subjekten zu unterscheiden.158 Die herrschenden Abgrenzungstheorien sehen sich folglich der Schwierigkeit gegenüber, dass Siehe Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1936). Di Fabio, JZ 1999, 585 (586); Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 36 m. w. N. in Fn. 11. 156 Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 2; zu den wesentlichen Konsequenzen der Unterscheidung im Verwaltungsrecht Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 13. 157 Vgl. statt vieler nur Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 5 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 14 ff. Häufig wird die Subordinationstheorie auch als Subjektionstheorie und die modifizierte Subjektstheorie auch als Sonderrechtstheorie bezeichnet. 158 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 14. 154 155

§ 5 Private oder staatliche Standards?

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der Träger von Staatsgewalt sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich tätig werden kann. Voraussetzung für ein Handeln auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ist aber, dass das Handlungssubjekt Träger von Staatsgewalt ist.159

C. Abgrenzung bei Beteiligung Privater Private sind grundsätzlich nicht Träger von Staatsgewalt. Eine Ausnahme besteht, wenn Privaten Hoheitsgewalt im Wege der Beleihung übertragen wird. Dies erfordert aber ein Gesetz, welches die Übertragung der Hoheitsgewalt und den Umfang der übertragenden Hoheitsgewalt eindeutig regelt.160 Beliehene treten nach außen selbständig als Hoheitsträger auf und können hoheitlich handeln, soweit ihr Kompetenzbereich reicht.161 Nicht beliehene private Rechtssubjekte wie Verwaltungshelfer, Erfüllungsgehilfen und Beauftragte handeln im Außenverhältnis stets privatrechtlich. 162 Daraus folgt, dass die Kodizes der Grundsatzkommission Corporate Governance163, des Berliner Initiativkreises164 und des Deutschen Instituts für Finanzanalyse165 privatrechtlicher Natur sind. Die Urheber dieser Regelwerke sind Privatrechtssubjekte, die in keiner rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zu einem Hoheitsträger stehen und denen auch nicht durch Gesetz Hoheitsgewalt übertragen wurde. Die Kodex-Kommission hat mit diesen Kommissionen gemeinsam, dass ihre Mitglieder ausschließlich natürliche, nicht beliehene Personen des Privatrechts sind, die in ihrer Eigenschaft als Kommissionsmitglieder in keinem Dienstverhältnis zum Staat stehen.166 Auch sind sie nicht weisungsgebunden oder in die typischen staatlichen Organisationsformen fest eingegliedert. Dennoch ist die Kommission aufgrund ihrer staatlichen Trägerschaft167 dem öffentlichen Recht zuzu159 BVerwG, NJW 1981, 2482 – 2484; Burgi, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 861. 160 BVerwGE 97, 117 – 124; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 617; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2, S. 528. 161 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 4; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 58. 162 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 40, Rn. 56. 163 Http: / / www.dvfa.de / verband / pdf / scorecard.pdf. 164 Abgedruckt in: Peltzer / v. Werder, AG 2001, 1 (6 ff.); DB 2000, 1573; http: // www. gccg.de / deu_German-Code-of-Corporate-Governance.pdf. 165 Abgedruckt in: Schneider / Strenger, AG 2000, 106 ff. u. DB 2000, 238; http: // www. dai.de. 166 Nicht-amtliche Organwalter werden grundsätzlich nicht durch ein Dienst-, sondern durch ein Auftragsverhältnis zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Funktionen verpflichtet, dazu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 399. 167 Siehe oben 1. Kapitel § 4 B. I.

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1. Kap.: Corporate Governance

ordnen. Den Privaten ist nicht allein Hoheitsgewalt zur Übernahme einer bestimmten staatlichen Aufgabe übertragen worden, sie sind vielmehr in die Organisation des Staates derart eingebunden worden, dass sie von innen168 an der Wahrnehmung exekutiver Aufgaben partizipieren. Trotz der verbleibenden Wahlmöglichkeit der Exekutive169 ist damit auch der Kodex als öffentlich-rechtliches Regelwerk zu qualifizieren. Durch die Veröffentlichung im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers werden die Kodex-Regeln – ähnlich wie technische Regelwerke im Technikrecht – „amtlich eingeführt“.170 Sie stellen als Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung öffentlich-rechtliche Verhaltensempfehlungen dar.

D. Zwischenergebnis Die Kodex-Kommission ist ein dem Bundesjustizministerium „angegliedertes“ Kollegialgremium und daher dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Der Kodex – in der im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Fassung – ist ein öffentlich-rechtliches Regelwerk. Der Kodex ist somit unmittelbar an den Grundrechten zu messen und muss den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips genügen.

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen Die Kodex-Empfehlungen stellen allenfalls faktisch-mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen dar, da sie – abgesehen von der in § 161 AktG geregelten Erklärungspflicht – keine imperativen Vorgaben für die Regelungsadressaten enthalten und auch nicht final auf eine uneingeschränkte Befolgung gerichtet sind.171 Unter welchen Bedingungen die nachteiligen Folgen derartiger staatlicher Maßnahmen als Grundsrechtseingriffe qualifiziert werden können, wird – auch nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Warnung vor glykolhaltigen Weinen172 und zur Auseinandersetzung mit der Osho- bzw. Bhagwan-Sekte173 Siehe oben in Fn. 116. Statt vieler Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 46 Rn. 33 m. w. N. 170 Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung, S. 97; zur öffentlich-rechtlichen Natur der KTA-Regeln vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 149 Rn. 83; Vieweg, Atomrecht und technische Normung, S. 143 ff. 171 Zu faktisch-mittelbaren Eingriffen siehe BVerfGE 105, 279 (303 ff.); Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rn. 125 ff. m.w.N; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (541 ff.); R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln, S. 20 ff. 172 BVerfGE 105, 252. 173 BVerfGE 105, 279. 168 169

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen

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– überaus kontrovers beurteilt.174 Einig ist man sich lediglich darüber, dass faktisch-mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen einem klassischen Grundrechtseingriff175 nur beim Vorliegen qualifizierter Voraussetzungen gleichstehen.176 Bei staatlicher Informationstätigkeit liegen solche Voraussetzungen nach den genannten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls dann nicht vor, wenn der informierenden Stelle diese Aufgabe durch die Verfassung oder ein formelles Gesetz zugewiesen ist, sie im Rahmen der Zuständigkeitsordnung handelt und die verbreiteten Informationen den Geboten der Richtigkeit und Sachlichkeit entsprechen.177 Sind die verbreiteten Informationen dagegen unrichtig oder unsachlich, so liegt eine rechtfertigungsbedürftige Grundrechtsbeeinträchtigung vor. Im Rahmen der Rechtfertigung faktisch-mittelbarer Beeinträchtigungen hat das Gericht aber eine (grund-)gesetzliche Aufgabenzuweisung für ausreichend gehalten. Eine weitergehende gesetzliche Regelung erfordert auch der Gesetzesvorbehalt nicht, weil sich bei faktisch-mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen gerade die Entscheidung der grundrechtswesentlichen Fragen einer Normierung178 entzieht.179 Die grund174 Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rn. 127 f.; R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln, S. 105 ff.; von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 24 ff. je m. w. N.; vgl. auch die (kritischen) Stellungnahmen zu den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 105, 252; 105, 279) von Bethge, Jura 2003, 327; Huber, JZ 2003, 290; Lindner, DÖV 56 (2003), 185; Murswiek, NVwZ 22 (2003), 1; R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln, S. 86 ff.; Winkler, JA 2003, 113. 175 BVerfGE 105, 279 (300): Im Allgemeinen wird unter einem Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne „ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Gebot oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheit führt.“ 176 Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rn. 125; Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1936); Pieroth / Schlink, Grundrechte, S. 58 Rn. 238 ff.; R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln, S. 65 ff.; von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 25. 177 BVerfGE 105, 252 (265: Art. 12 Abs. 1 GG „schützt aber nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt [ . . . ] Die Bundesregierung hat jedoch die rechtlichen Vorgaben für Informationshandeln zu wahren.“, 268: „Verfassungsrechtlich von Bedeutung sind das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe und die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung [ . . . ] sowie die Beachtung der Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit von Informationen [ . . . ].“, 273); 105, 279 (294: „Art. 4 Abs. 1 GG schützt [ . . . ] gegen diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen [ . . . ]“, 303: „Die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können.“, 306: „Auch beim Informationshandeln ist die Kompetenzordnung zu beachten“); ebenso R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln, S. 91. 178 Zur Einschränkung des Gesetzesvorbehalts auf den „normativen“ Bereich zuletzt BVerfGE 88, 103 (116); BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 1998, 669 (670); keine ausdrückliche Einschränkung auf den „normativen“ Bereich in BVerfGE 98, 218 (251); 105, 279 (305); eingehend zu diesem Begriff Degenhart, DVBl. 111 (1996), 773 (781), wonach der Gesetzgeber nur zur Vorgabe der grundlegenden normativen Ordnung befugt ist, die Realisierung dieser Ordnung aber der Exekutive vorbehalten bleiben muss; vgl. auch Heintzen, ZIP

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1. Kap.: Corporate Governance

rechtsrelevante Wirkung staatlichen Handelns hängt vom Verhalten Dritter ab, das auf freier Willensentschließung beruht. Dieses ist „regelmäßig nicht abschätzbar [ . . . ] und hinsichtlich seiner Folgen nur schwer kalkulier[bar]“180. Zudem ist eine Grundrechtsbeeinträchtigung nur dann gerechtfertigt, wenn neben der (grund-)gesetzlichen Beauftragung auch eine Kompetenz der handelnden Stelle besteht und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde.181 Dagegen bleibt es bei den für klassische Grundrechtseingriffe geltenden Bedingungen, wenn sich das staatliche Informationshandeln als funktionales Äquivalent eines solchen Eingriffs darstellt.182 An diesen Vorgaben sollen die Kodex-Empfehlungen, trotz berechtigter dogmatischen Kritik183 an dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, gemessen werden.

A. Art. 12 GG – Berufsfreiheit Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. „Beruf“ ist jede auf Dauer angelegte auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient. Die Berufsfreiheit ist auch auf juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) und damit auch auf Aktiengesellschaften anwendbar. Der bei Aktiengesellschaften fehlende personale Bezug, der den eigentlichen Kern der Gewährleistung dieses Grundrechts ausmacht, führt aber zu einer weitergehenden Regelungsbefugnis des Gesetzgebers.184 Die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodexes könnten die Berufsausübung deutscher Aktiengesellschaften beeinträchtigen, indem sie Vor2004, 1935 (1936), der den „normativen“ Bereich auf legislative und exekutive Normsetzung begrenzt und deswegen den Anwendungsbereich der Wesentlichkeitstheorie nicht auf staatliche Empfehlungen erstreckt. 179 Zu dem Erfordernis, dass der Bereich der Grundrechtsausübung einer Normierung zugänglich sein muss, unten 1. Kapitel § 7 A. III. 3. und insbesondere BVerfGE 49, 89 (126); 105, 279 (304). 180 BVerfGE 105, 279 (305). 181 BVerfGE 105, 279 (309): Die Äußerungen „destruktiv“ und „pseudoreligiös“ „sind nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerechtfertigt.“. 182 BVerfGE 105, 252 (273); 105, 279 (303). 183 Statt vieler R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln, S. 97 ff. m. w. N.; siehe auch oben in Fn. 174. Dem Bundesverfassungsgericht wird insbesondere vorgeworfen, Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung zu vermengen, um der Geltung des Gesetzesvorbehalts zu entkommen. So beispielsweise R. Schmidt, Staatliches Informationshandeln, S. 90; vgl. auch Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (538) in Fn. 29, wo er die Figur eines vom Gesetzesvorbehalt losgelösten Grundrechtseingriffs anspricht. 184 Zum Gesamten BVerfGE 50, 290 (362 ff.); 97, 228 (252 f.); 105, 252 (265); Berberich, DRSC-Framework, S. 146 ff.; vgl. zum sozialen Bezug des Anteilseigentums und der Berufsund Eigentumsfreiheit der Aktiengesellschaft BVerfGE 50, 290 (348 f., 352, 363 ff.).

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen

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gaben für die interne Unternehmensverfassung machen und sich damit unmittelbar auf die Modalitäten der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit beziehen.185 Wegen ihrer Unverbindlichkeit wenden sie sich nicht imperativ an die Aktiengesellschaften und schränken ihre Freiheit nicht unmittelbar ein. Der Kodex zielt auch nicht darauf ab, durch Anreize für Dritte einen faktischen Zwang zur ausnahmslosen Befolgung seiner Empfehlungen zu erzeugen. Den Aktiengesellschaften soll gerade durch die unverbindliche Regelungsform die Möglichkeit zur Entwicklung eines individuellen, den eigenen Unternehmensverhältnissen angepassten „Code of Best Practice“ gegeben werden.186 Doch könnten eingeplante und gewollte Verhaltensweisen Dritter die Berufsfreiheit der Aktiengesellschaft beeinträchtigen. Der Kodex wendet sich nämlich auch an (potentielle) Stakeholder187 von Aktiengesellschaften und zeichnet für sie ein Bild von einer guten Unternehmensführung und -kontrolle. Unter anderem anhand der Standards sollen diese das Unternehmen bewerten. Der Vergleich mit der tatsächlichen Corporate Governance der Aktiengesellschaften wird durch die in § 161 AktG normierte Pflicht zur Abgabe einer jährlichen Entsprechenserklärung ermöglicht. Darin bleibt es den Unternehmen aber unbenommen, Abweichungen vom Kodex zu erläutern und so eine negative Bewertung von Seiten der (potentiellen) Stakeholder zu vermeiden. Dies ist denn auch das primäre Interesse, das hinter dem Kodex steht. Vor allem soll der Kodex durch mehr Transparenz das Vertrauen der Anleger in den Wert deutscher Unternehmen nachhaltig stärken und so das Ansehen auf internationalen Aktienmärkten verbessern,188 nicht aber eine marktwirtschaftliche Schlechterstellung deutscher Aktiengesellschaften bewirken. Dennoch ist es nicht auszuschließen und auch zwingender Bestandteil der mit dem Kodex verbundenen Intention, dass Abweichungen von den Kodex-Standards ursächlich für negative Anlage- oder Investitionsentscheidungen werden können. Die staatliche Informationstätigkeit kann sich damit nachteilig auf diejenigen Aktiengesellschaften auswirken, die den Corporate Governance Empfehlungen (teilweise) nicht nachkommen und keine die (potentiellen) Stakeholder zufrieden stellende Erklärung für diese Abweichungen angeben. Insoweit kann mit dem Kodex eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit verbunden sein. Trotzdem kann diese nachteilige Auswirkung auf einzelne Wettbewerbspositionen mit dem Bundesverfassungsgericht nicht als Grundrechtsbeeinträchtigung 185 Zum Erfordernis einer subjektiv oder objektiv berufsregelnden Tendenz vgl. BVerfGE 97, 228 (253 f.); Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1936). 186 Vgl. oben 1. Kapitel § 3 B.; das Bundesverfassungsgericht spricht von einem „funktionalen Äquivalent“, vgl. BVerfGE 105, 279 (303). 187 Dieser Begriff soll im Folgenden auch die Aktionäre, also die Shareholder, mit umfassen. 188 BMJ, Corporate Governance Kodex im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, http: // www.bmj.bund.de / enid / 91a7cc95ce961aa2688e6ae996fcc51f.,0 / ac.html (Stand: 14. 05. 2007).

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1. Kap.: Corporate Governance

bewertet werden, wenn die dazu beauftragte (I.) und zuständige Stelle (II.) nur inhaltlich richtige und sachlich gehaltene (III.) Informationen verbreitet hat.189 I. Staatliche Aufgabenzuweisung „Können Aufgaben der Regierung oder der Verwaltung mittels öffentlicher Information wahrgenommen werden, liegt in der Aufgabenzuweisung grundsätzlich auch eine Ermächtigung zum Informationshandeln.“190 Der Regierung ist in Art. 65 GG die Staatsleitung zugewiesen. Integraler Bestandteil der Staatsleitung ist die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, die auch der Orientierung der Bürger durch Aufklärung, Beratung und Verhaltensempfehlungen zur Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft dient.191 Angesichts eines durch Bilanz- und Corporate Governance-Skandale erschütterten Anlegervertrauens war es Aufgabe der Regierung, solchen Skandalen entgegenzuwirken, aber auch das Vertrauen der Anleger wieder herzustellen und die Bedingungen für eine konkurrenzfähige Kapitalausstattung deutscher Aktienunternehmen zu schaffen. Aufgrund einer steigenden Anzahl privater Corporate Governance Kodizes und Empfehlungen ohne erkennbares Rangverhältnis diente die Veröffentlichung mit staatlicher Autorität ausgestatteter Corporate Governance-Standards auch der Orientierung der Bürger, damit diese eigenverantwortlich an der Problembewältigung mitwirken können.192 Die Regierung kann sich demnach auf Art. 65 GG stützen, wenn sie die Voraussetzungen für die Aufstellung eines staatlichen Corporate Governance Kodexes schafft. In die Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Regierung auch andere staatliche Stellen einbinden.193 Dies hat sie mit der Beauftragung der Kodex-Kommission zur Ausarbeitung der Verhaltensempfehlungen getan. Aber auch deren Mitwirkung an der staatlichen Informationstätigkeit beruht auf einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung. Denn § 161 AktG nimmt ausdrücklich auf den Kodex der Kodex-Kommission Bezug und macht die Ausarbeitung der KodexEmpfehlungen zu ihrem exklusiven Auftrag.194 Die Veröffentlichung des Kodexes Vgl. oben 1. Kapitel § 6. BVerfGE 105, 252 (268). 191 Vgl. BVerfGE 105, 252 (268 ff.); 105, 279 (306); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 65 Rn. 6a. 192 Ebenso Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1937). 193 Vgl. BVerfGE 105, 252 (268): Die Aufgabe der Staatsleitung umfasst auch die „richtungsweisende Einwirkung auf den Gesetzesvollzug“; Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 68 Rn. 28 ff., 44, nach dem die Steuerung der Exekutive zur Staatsleitung durch die Regierung gehört, es aber gleichzeitig (im oberen) Bereich zu Wechselwirkungen zwischen der vollziehenden Verwaltung und der staatsleitenden Regierung kommt, so dass durchaus auch die Verwaltung an der Entwicklung der Staatsleitung mitwirken kann. 194 Problematisch ist allerdings, dass § 161 AktG erst am 26. 7. 2002, also sechs Monate nach Veröffentlichung der ersten Kodex-Version am 26. 2. 2002, in Kraft getreten ist. Damit fehlte ursprünglich eine (grund-)gesetzliche Aufgabenzuweisung für die Arbeit der Kodex189 190

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen

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im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers durch das Bundesministerium der Justiz wird ebenfalls in § 161 AktG angeordnet.

II. Zuständigkeit „Die Bundesregierung ist überall dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung zukommt, die mit Hilfe von Informationen erfüllt werden kann.“195 Bei Informationstätigkeiten bedarf die Bundeskompetenz besonderer Begründung, denn grundsätzlich sind nach Art. 30 GG die Länder zuständig.196 Doch genügt ein Auslandsbezug oder eine länderübergreifende Bedeutung zur Annahme einer gesamtstaatlichen Verantwortung.197 Wegen des internationalen Adressatenkreises des Kodexes und seiner Orientierungsfunktion kann allein ein bundesweit geltender Kodex die ihm angedachte Funktion erfüllen. Dies entspricht auch der Anordnung in § 161 AktG, so dass die Bundesregierung und die sie unterstützende Kodex-Kommission im Rahmen ihrer Kompetenz gehandelt haben.

III. Richtigkeit und Sachlichkeit Die Kodex-Empfehlungen müssen den Geboten der Richtigkeit und Sachlichkeit entsprechen. Die Richtigkeit der Empfehlungen setzt voraus, dass sie das geltende Aktienrecht zutreffend wiedergeben und keine Handlungen anraten, die gegen geltendes deutsches Recht verstoßen.198 Zudem darf der Kodexinhalt nicht im Widerspruch zu den international und national anerkannten Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung stehen, weil der Kodex für sich in Anspruch nimmt, an diesen Gepflogenheiten ausgerichtet zu sein.199 Diesen Vorgaben läuft der Kodex nicht erkennbar zuwider. Bezogen auf eine mögliche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit durch (negative) Investitionsentscheidungen von (potentiellen) Stakeholdern haben die veröffentlichten Empfehlungen für eine gute und verantwortliche Unternehmensführung keinen solchen Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren, dass sie eine Verzerrung der Marktverhältnisse zur Folge hätten. Eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit liegt folglich nicht vor.200 Kommission, wenn man diese nicht ebenfalls in Art. 65 GG erblickt und damit die Aufgabenzuweisung aus der Regierungsaufgabe zusammen mit der teilweisen Übertragung dieser Aufgabe auf die Kodex-Kommission ableitet. 195 BVerfGE 105, 252 (270); 105, 279 (306). 196 Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich bei staatsleitender Informationstätigkeit nicht um Verwaltung, so dass die Art. 83 ff. GG nicht zur Anwendung kommen. 197 BVerfGE 105, 252 (271); 105, 279 (306). 198 Vgl. BVerfGE 40, 237 (256). 199 Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex.

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1. Kap.: Corporate Governance

B. Art. 14 GG – Eigentumsfreiheit Art. 14 Abs. 1 GG schützt den konkreten Bestand aller privaten vermögenswerten Rechte und Güter – auch das Anteilseigentum und das Eigentum der Unternehmensträger201 – wie er sich aus der Zusammenschau aller inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetze ergibt. Die Eigentumsfreiheit schützt aber weder das Vermögen an sich, noch in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten. Auch enthält Art. 14 Abs. 1 GG keine allgemeine Wertgarantie für vermögenswerte Rechtspositionen.202 Soweit durch negative Investitionsentscheidungen kapitalzuführende Maßnahmen Dritter unterbleiben, handelt es sich allein um zukünftige Chancen. Führt dagegen die Unternehmensbewertung anhand der Kodex-Empfehlungen zu einer Abwertung des Anteilseigentums, so beschränkt dies zwar nicht das Recht des Anteilsinhabers, seinen Anteil zu verkaufen. Eine Abwertung könnte aber in die Substanz des Anteilseigentums eingreifen. Dann müssten die Kodex-Empfehlungen einen erheblichen Einfluss auf den Vermögenswert der Anteilsrechte oder die Renditeaussichten des Anteilseigners haben. Dies erscheint zweifelhaft, denn die Corporate Governance einer Aktiengesellschaft ist wohl nicht der zur Unternehmensbewertung maßgebliche Faktor.203 Schließlich wäre aber auch eine erhebliche negative Auswirkung auf die Anteilsbewertung nicht als Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit anzusehen, solange der Kodex nur zutreffende und sachlich gehaltene Informationen enthält.204 Die gleichen Erwägungen gelten für den von Art. 14 Abs. 1 GG ebenfalls geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und den Unternehmensruf.205 Letztlich ist wohl bereits der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nicht betroffen, jedenfalls schützt Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor richtigen und sachlichen Empfehlungen durch die (grund-)gesetzlich beauftragte und zuständige staatliche Stelle.

200 BVerfGE 105, 252 (268). Das Bundesverfassungsgericht nimmt wohl eine eingriffsbezogene Schutzbereichsdefinition vor, wenn es einleitend ausführt, dass Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor zutreffenden und sachlich gehaltenen Informationen schützt, wenn die rechtlichen Vorgaben für Informationshandeln gewahrt werden. Andererseits begründet es die Subsidiarität von Art. 2 Abs. 1 GG mit der thematischen Einschlägigkeit von Art. 12 Abs. 1 GG (S. 279). 201 Dazu BVerfGE 50, 290 (341 ff.). 202 Dazu BVerfGE 105, 252 (277); Berberich, DRSC-Framework, S. 142 f. 203 Vgl. aber oben in Fn. 9. Doch spricht auch das eher dafür, dass es bei einer guten Corporate Governance zu einer höheren Bewertung kommt, nicht aber ein Unternehmen, dessen Corporate Governance bisher unbekannt war, durch die Kodex-Veröffentlichung niedriger bewertet wird. 204 Vgl. oben 1. Kapitel § 6 A. Siehe auch BVerfGE 105, 252 (268). 205 Genauer dazu BVerfGE 105, 252 (278).

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen

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C. Art. 2 Abs. 1 GG – Allgemeine Handlungsfreiheit Art. 2 Abs. 1 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus, weil der Schutz von Marktteilnehmern im Wettbewerb vor staatlichen Empfehlungen von der sachlich spezielleren Grundrechtsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst wird.206

D. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG – Recht auf informationelle Selbstbestimmung Das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.207 Zu den geschützten Daten gehören auch die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Einzelnen.208 Dieses Schutzgut könnte durch den Kodex beeinträchtigt werden, der gem. der Ziffern 4.2.4 und 5.4.7 die Ausweisung der individualisierten Vergütung von Vorstandsund Aufsichtsratsmitgliedern im Anhang des Konzernabschlusses empfiehlt. Anders als bei der Berufs- und der Eigentumsfreiheit, dort drohte eine Beeinträchtigung durch die (potentiellen) Stakeholder, indem jene die Nichtbefolgung der Kodex-Standards sanktionieren, kommt ein mittelbar-faktischer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch Befolgung der Empfehlungen in Betracht. Denn die Empfehlungsadressaten sind nicht die einzelnen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, sondern die sich aus ihnen zusammensetzenden Organe. Diese sind zusammen für die Veröffentlichung des Anhangs des Konzernabschlusses verantwortlich. Gemäß § 290 Abs. 1 HGB wird der Konzernabschluss vom Vorstand aufgestellt und vom Aufsichtsrat (§ 171 AktG) geprüft.209 Damit steht es aber nicht mehr im Belieben des einzelnen Organmitgliedes, ob seine persönlichen Daten preisgegeben werden, sondern er gerät in die Gefahr, durch eine Mehrheitsentscheidung dieser Organe überstimmt zu werden. Das einzelne Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglied ist folglich der beeinträchtigte Dritte, der infolge der Anwendung der Kodex-Standards in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen wird. Die Empfehlungen müssen auch bezogen auf dieses Schutzgut den Geboten der Richtigkeit und Sachlichkeit entsprechen. Vornehmlich die Sachlichkeit steht hierbei in Frage, da sie beinhaltet, dass die Emp206 BVerfGE 105, 252 (279); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 17 f. zur Grundrechtskonkurrenz. 207 BVerfGE 65, 1 (41 f.); 84, 192 (194); BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 2002, 2164 (2165). 208 BVerfGE 77, 121 (125); BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 2002, 2164 (2165). 209 Der Aufsichtsrat hat den Konzernabschluss nach § 171 Abs. 2 Satz 5 i.V. m. Satz 4 AktG formal zu billigen, ohne dass Sanktionen für die Nichtbefolgung dieser Vorschrift ausgesprochen werden.

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1. Kap.: Corporate Governance

fehlung in Anbetracht ihrer Wirkung auf den betroffenen Grundrechtsträger auf das zur Informationsgewährung Erforderliche zu beschränken ist.210 Gegen dieses dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entlehnte Element könnte eine Empfehlung verstoßen, die dem Vorstands- und Aufsichtsratsorgan eine individualisierte Offenlegung der Vergütungen ihrer Mitglieder nahe legt. Zweck der Handlungsempfehlungen für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung ist ein Mehr an Transparenz für (potentielle) Stakeholder. Damit soll „das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften [gefördert werden].“211 Dass diesem Ziel mit einer individualisierten Veröffentlichung von „Managergehältern“ besser gedient ist, als mit der Veröffentlichung der jeweiligen Gesamtbezüge, kann zumindest bezweifelt werden. In der hitzig geführten öffentlichen Debatte sind Sachargumente, die einen Vorteil (potentieller) Stakeholder gerade durch die Individualisierung der veröffentlichten Gehälter begründen könnten, kaum aufzufinden.212 Vielmehr konzentriert sich die Diskussion auf ethische Fragestellungen, wie beispielsweise die Frage nach der Berechtigung oder Gerechtigkeit von Managervergütungen, dem Wert ihrer Arbeit und die Angemessenheit einer Entlohnung, die zumeist ein Vielfaches derjenigen eines Facharbeiters beträgt. Berücksichtigt man, dass Vorstand und Aufsichtsrat Kollegialorgane sind, so kann das Verhältnis zwischen Vergütung und Unternehmenserfolg auch an den veröffentlichten Gesamtbezügen abgelesen werden. Mit deren Veröffentlichung wird auch transparent, wie sich die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat im Verhältnis zur Vergütung der Beschäftigten entwickelt. Schließlich ist auch ein Zusammenhang zwischen individueller Veröffentlichung und der öffentlich geforderten Mäßigung bei der Vergütung von „Spitzenmanagern“ nicht nachgewiesen. Im Gegenteil sprechen die Effekte, die eine individuelle Offenlegung in den Vereinigten Staaten und in der Schweiz erzielt haben, gegen einen solchen Zusammenhang. Dort hat die individuelle Veröffentlichung zu einer „Art Wettkampf um das höchste Gehalt im Land geführt.“213 BVerfGE 105, 252 (273). Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 21. 5. 2003. 212 So äußert sich beispielsweise Baums dahingehend, dass ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Manager nicht vorliege, weil es „[d]em Vorstandsmitglied, das sich dieser Rechenschaftspflicht [ . . . ] nicht unterziehen möchte, [ . . . ] frei [stehe], sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden“ (Theodor Baums, „Gesetz soll Managerbezüge aufdecken; Bundesregierung prüft Entwurf von Berater Baums / Strengere Regeln als im Kodex“, in: FAZ v. 18. 09. 2004, S. 11). Cromme bringt vor: „Gehaltsfragen wurden in Deutschland bislang als Persönlichkeitsrecht angesehen [ . . . ] Doch wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass dieser Zug abgefahren ist.“ (Gespräch mit Gehard Cromme, „Die Veröffentlichung der Managergehälter wird gängige Praxis“, in: FAZ v. 12. 05. 2003, S. 15). 213 Interview mit Rakesh Khurana, „Corporate Governance, Vorstände sollten ihre Gehälter nicht offenlegen“, in: FAZ v. 23. 08. 2004, S. 14. 210 211

§ 6 Grundrechtsrelevanz der Kodex-Empfehlungen

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Trotz dieser Bedenken ist es jedoch nicht gänzlich auszuschließen, dass gerade die individuelle Offenlegung der an Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gezahlten Vergütungen die hoheitlichen Zielvorstellungen besser verwirklicht als die, bezogen auf das betroffene Schutzgut mildere, Veröffentlichung der Gesamtbezüge. Unter Berücksichtigung des Einschätzungs-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der zuständigen politischen Instanz214 kann die Erforderlichkeit nicht im Vorhinein verneint werden, weil aufgrund der Ungewissheit der zukünftigen Auswirkungen jedenfalls nicht von eine offensichtlichen Unrichtigkeit der regierungsamtlichen Prognose ausgegangen werden kann. Jedoch gebietet der Stellenwert des (potentiell) beeinträchtigten Schutzgutes eine laufende Überprüfung, ob sich diese Prognose auch tatsächlich verwirklicht oder ob bei Befolgung der Empfehlungen die gewünschte Wirkung ausbleibt oder sich sogar gegenteilige Effekte einstellen.215 Letzterenfalls wäre eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Aufhebung bzw. Änderungen der Empfehlungen begründet.

E. Zwischenergebnis Nach der Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts beeinträchtigen die KodexEmpfehlungen die Gewährleistungsbereiche der Berufsfreiheit und der Eigentumsfreiheit nicht, denn sie sind von der beauftragten und zuständigen staatlichen Stelle beschlossen und veröffentlicht worden und genügen den Geboten der Richtigkeit und Sachlichkeit. Auch die Empfehlungen zur individuellen Offenlegung der Vergütungen von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern beeinträchtigen das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Personen nicht in unzulässiger Weise, auch wenn Bedenken bestehen, ob die Veröffentlichung der Gesamtbezüge von Vorstand und Aufsichtsrat den angestrebten Zweck nicht ebenso gut verwirklichen würde. Insbesondere aufgrund des der Regierung zuzubilligenden Prognosespielraums reichen diese Bedenken jedoch nicht aus, um einen Verfassungsverstoß zu begründen.

214 BVerfGE 49, 89 (131): „In [einer,] notwendigerweise mit Ungewissheit belasteten Situation liegt es zuvorderst in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers und der Regierung, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen die von ihnen für zweckmäßig erachteten Entscheidungen zu treffen.“ Siehe dazu auch BVerfGE 25, 1 (12 f.); 49, 89 (130, 132); 54, 11 (37); 55, 274 (317); 56, 54 (78 ff.); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 485; von Danwitz, Der Staat 35 (1996), 329 (348). 215 BVerfGE 49, 89 (130). Siehe zu Nachbesserungspflichten auch Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (22, 34 f., 69) m. w. N. in Fn. 85, 86.

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1. Kap.: Corporate Governance

§ 7 Demokratische Legitimation Die Mitwirkung Privater an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist demokratietheoretisch problematisch.216 Auch wenn man die Kodex-Kommission als ein dem BMJ angegliedertes Kollegialgremium einordnet und den Kodex als öffentlich-rechtliches Regelwerk einstuft, wirft die Kodex-Erstellung durch die weisungsungebundenen „Privatpersonen“ die Frage nach ihrer demokratischen Legitimation auf. Deren Untersuchung wird durch eine bipolare Grundsatzkontroverse und einen womöglich bevorstehenden Lagerwechsel des Bundesverfassungsgerichts217 erschwert. Die zwei Grundkonzeptionen sind die als „herrschend“218, „traditionell“ 219 oder auch „monistisch“220 bezeichnete Legitimationsdogmatik221 (im Folgenden soll sie als traditionelle Auffassung bezeichnet werden) und die „pluralistische“222 Interpretation des Demokratieprinzips. In seiner jüngst erschienenen Habitilationsschrift versucht Dederer der vielfach geäußerten Kritik223 am traditionellen Demokratieverständnis mit seinem rekonstruierten Legitimationsmodell zu begegnen, ohne dessen Grundannahmen aufzugeben. Im Anschluss an die Untersuchung der Kodex-Erstellung am Maßstab dieser drei vornehmlich input-orientierten Legitimationsmodelle (A) soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern der Output der Kodex-Kommission für die demokratische Legitimation eine Rolle spielt (B).224 Während nämlich die vorgenannten Legitimationstheo216 Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (422); Mehde, VerwArch 91 (2000), 540 (549 f.); Trute, DVBl. 111 (1996), 950 (954 ff.). 217 BVerfG, Beschluss vom 5. 12. 2002, Az: 2 BvL 5, 6 / 98, BVerfGE 107, 59 – Lippeverband und Emschergenossenschaft; dazu Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (904 ff.); Jestaedt, JuS 2004, 649 (653); Musil, DÖV 57 (2004), 116 (119 f.). 218 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 141; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 232 („vorherrschend“). 219 So BVerfGE 107, 59 (92), in Abgrenzung zur Ausprägung des Demokratieprinzips im Bereich der funktionellen Selbstverwaltung. 220 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 164 m. w. N.; Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901; dazu kritisch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 141 in Fn. 5. 221 Entwickelt von BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az: 2 BvF 2 / 89, 2 BvF 6 / 89, BVerfGE 83, 37 – Kommunales Ausländerwahlrecht Schleswig-Holstein; BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az: 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60 – Ausländerwahlrecht zu hamburgischen Bezirksversammlungen; BVerfG, Beschluss vom 24. 5. 1995, Az: 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37 – Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein. In der Literatur: Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24; Emde, Funktionale Selbstverwaltung; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 20, II., Rn. 33 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung. Übersichtlich ist die Reduktion auf vier Grundthesen bei Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 18. 222 Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 164 m. w. N.; Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901. 223 Siehe dazu nachfolgend mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 238. 224 Das ursprünglich systemtheoretische Begriffspaar Input / Output ist zuerst von Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 66 ff., als Legitimationskategorie verwendet worden (vgl. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 522) und ist

§ 7 Demokratische Legitimation

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rien darauf abzielen, alle staatlichen „Entscheidungen möglichst unverfälscht aus der gleichen Partizipation aller“225 und dem damit verbundenen Input hervorgehen zu lassen, erzeugt nach einer zunehmenden Anzahl von Autoren auch eine hohe Qualität des Outputs, also der Leistungen staatlicher Entscheidungen, demokratische Legitimation.226 Als Maßstab der Qualität und damit auch der Legitimation werden u. a. die „Rationalität und effektive Gemeinwohldienlichkeit“227, die gleichmäßige Interessenberücksichtigung 228 oder die Ausrichtung der Entscheidungen an den Herrschaftszwecken benannt.229 Als plurales Expertengremium erscheint die Kodex-Kommission zumindest unter den ersten beiden Gesichtspunkten geeignet, qualitativ hochwertige Entscheidungen zu produzieren, weswegen eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit der Output-Legitimation notwendig ist.

A. Input-orientierte Legitimationsmodelle Nach traditionellem Demokratieverständnis kann demokratische Legitimation nur vom Volk230 als Einheit231 vermittelt werden. Um einen effektiven und gleinunmehr auch in den Rechtswissenschaften zur Abgrenzung verschiedener Legitimationskonzepte geläufig, vgl. Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 82 ff.; Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (261); Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 521 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 659, 673; Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (607); Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 76. 225 Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 25. 226 Vgl. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 499 ff., insbes. 580 ff., 647 ff.; Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 66 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 601 ff., 623 ff., 659 ff. Siehe auch die Nachweise bei LübbeWolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (261) in Fn. 40; Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (607) in Fn. 120, 122, 123; Wolfers / Kaufmann, DVBl. 117 (2002), 507 (511) in Fn. 41. 227 Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 85. 228 Vgl. die Nachweise bei Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (607). Ähnlich wohl auch Hommelhoff / Schwab, in: FS Kruse, S. 693 (701: „Die allseitige Interessenrepräsentanz ist der verfassungsrechtlich notwendige Ausgleich dafür, dass private Entscheidungsträger ihr Mandat (anders als die staatlichen Gesetzgebungsorgane) nicht aus den Neutralität verbürgenden demokratischen Legitimationsstrukturen ableiten.“, 707: „Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren verbürgt eine Optimum an Vernünftigkeit und Gemeinwohlverträglichkeit des Gesetzesinhalts. [ . . . ] Die Privatisierung der Rechtsetzung erlaubt keinerlei Aufweichung dieser Gewährleistungen.“). 229 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 601, 659 ff. 230 Gemeint ist das jeweilige Bundes- oder Landesstaatsvolk, gebildet von den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen, vgl. BVerfGE 83, 60 (74); 107, 59 (87). Art. 28 Abs. 1 GG erstreckt die auf den Bund bezogene demokratische Ausgestaltung auch auf die Länder respektive die Kommunen, dazu BVerfGE 83, 37 (53); 83, 60 (71, 74 f.); Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 31; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 200 f. 231 BVerfGE 83, 37 (51): „Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG hat [ . . . ] nicht zum Inhalt, dass sich die Entscheidungen der Staatsgewalt von den jeweils Betroffenen her zu legitimieren haben;

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1. Kap.: Corporate Governance

chen Einfluss aller Bürger in ihrer Gesamtheit auf die Ausübung der Staatsgewalt zu gewährleisten, ist eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk über das Parlament zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Amtswaltern notwendig.232 Hergestellt wird der Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft vor allem durch die Wahl des Parlaments als „Grundakt demokratischer Legitimation“233, durch die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung.234 Darüber hinaus muss die Bestellung der Amtsträger durch eine ununterbrochene Kette individueller Bestellungsakte auf das Staatsvolk rückführbar sein.235 Durch Partizipation von außerhalb wird diese „eine große demokratische Legitimationskette“236 unterbrochen und der Grundsatz der demokratischen Gleichheit verletzt.237 An diesem Punkt setzten die Kritiker238 der traditionellen Legitimationskettenlehre an: Zentral für das Demokratieverständnis sei der sich selbst bestimmende Mensch und nicht die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv.239 Bei Beteiligung der vielmehr muss die Staatsgewalt das Volk als eine zur Einheit verbundene Gruppe von Menschen zu ihrem Subjekt haben.“ 232 Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 11 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 265 ff.; Schwab, Politikberatung, S. 403 ff. 233 BVerfGE 44, 125 (142). 234 BVerfGE 83, 60 (71 f.); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 14 ff.; Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 18. 235 BVerfGE 93, 37 (67 f.); 107, 59 (87 f.); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 16; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 267 f.; ders., JuS 2004, 649 (650). 236 Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 248 (279 f.). 237 Britz, VerArch 91 (2000), 418 (422); Mehde, VerwArch 91 (2000), 540 (549). Zur demokratischen Gleichheit siehe auch BVerfGE 93, 37 (69); Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (902); zur Bindung an die Willensentschließung einer außerhalb parlamentarischer Verantwortung stehenden Stelle siehe BVerfGE 93, 37 (67). 238 Berberich, DRSC-Framework, S. 112; Blanke, KJ 1998, 452; ders., Der Personalrat 1999, 50 ff.; Bryde, in: FS Thieme, S. 9 ff.; ders., StWStP 5 (1994), 305 (317 ff.); ders., in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 ff. mit umfangreichen weiteren Nachweisen; Bull, in: FS Bermbach, 1998, S. 241 ff.; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 163 ff.; ders., Gremienwesen und demokratische Legititmation, S. 22 f.; Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 355 (362 ff., 376); Hohmann-Dennhardt, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 102 ff.; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38 (46); Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (28 ff., 36); Mehde, VerwArch 91 (2000), 540; ders., Demokratieprinzip, S. 398 ff.; ders., in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 111 ff.; Rinken, KritV 79 (1996), 282; ders., in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 125 ff.; Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 94; Schwab, Politikberatung, S. 425 f. Weitere Nachweise bei Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (903) in Fn. 32 – 48; Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 248 (281) in Fn. 98. 239 Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (904, 908) m. w. N.; Blanke, KJ 1998, 452 (457); Häberle, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 20 Rn. 8, 61 ff.; Hain, Die Grundsätze des

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sachnahen Betroffenen an den sie berührenden Entscheidungen verwirkliche sich die Idee des sich selbst bestimmenden Menschen, dieser selbst werde damit zum demokratischen Legitimationsspender.240 Es bedürfe also nicht stets einer ununterbrochenen Kette vom Volk als Einheit über das Parlament als zentrale „Legitimationsvermittlungsstelle“ bis hin zum einzelnen Amtswalter. Denn Legitimationssubjekt und damit Ausgangspunkt der Legitimationskette könnten auch die mitwirkenden Betroffenen sein. In Konsequenz wird von den Vertretern des „pluralistischen“ Ansatzes das Dogma der ununterbrochenen Kette individueller Bestellungsakte ebenso abgelehnt241 wie die parallel konstruierte Weisungs- und Aufsichtshierarchie im Bereich der Vollziehung.242 Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutet sich ein Auffassungswandel in Form einer Abkehr von der ausnahmslosen Anwendung der Legitimationskettenlehre und einer Öffnung für ein „pluralistisches“ Demokratieverständnis an.243 Ausdrücklich betrifft dieser Wandel vorerst nur die funktionale Selbstverwaltung, über deren Verfassungsmäßigkeit das Gericht jüngst zu entscheiden hatte.244 Im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung auf Bundes- und auf Landesebene sowie der Selbstverwaltung in den Kommunen hält das Bundesverfassungsgericht noch an den oben beschriebenen Grundsätzen zur Entfaltung des demokratischen Prinzips, wie sie vom Gericht in drei Leitentscheidungen Anfang bis Mitte der 90-er Jahre245 entwickelten wurden, fest.246 Doch auch diesbezüglich ist die weitere Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ungewiss.247 Grundgesetzes, S. 325 ff.; Rinken, KritV 79 (1996), 282 (295); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 272. 240 BVerfGE 107, 59 (92); dazu Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (907 f.). 241 Vorgebracht wird, dass sich der Gedanke der Rückbindung an das Volk durch eine ununterbrochene Kette von Bestellungsakten zur „bloßen Fiktion“ verflüchtigt, wenn die Kette zum Volk durch viele Zwischenglieder länger wird und ihre entferntesten Glieder aufgrund der Statussicherheit am beständigsten sind, vgl. OVG Münster, NWVBl. 10 (1996), 254 (259); Blanke, Der Personalrat 1999, 50 ff.; ders., KJ 1998, 452 (463 f.); Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (422 f.). 242 Dazu Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 141; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 164. 243 BVerfG, Beschluss vom 5. 12. 2002, Az: 2 BvL 5, 6 / 98, BVerfGE 107, 59 – Lippeverband und Emschergenossenschaft; dazu Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (904 ff.); Jestaedt, JuS 2004, 649 (653); Musil, DÖV 57 (2004), 116 (119 f.). 244 BVerfGE 107, 59 (88 ff.). Das vorlegende BVerwG hielt das Lippeverbandsgesetz und das Emschergenossenschaftsgesetz aufgrund der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze zum Demokratieprinzip für verfassungswidrig. 245 BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az: 2 BvF 2 / 89, 2 BvF 6 / 89, BVerfGE 83, 37 – Kommunales Ausländerwahlrecht Schleswig-Holstein; BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az: 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60 – Ausländerwahlrecht zu hamburgischen Bezirksversammlungen; BVerfG, Beschluss vom 24. 5. 1995, Az: 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37 – Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein. Aus früherer Judikatur beleuchten einzelne Aspekte: BVerfGE 9, 268 (281 ff.); 33, 125 (159); 47, 253 (271 ff.); 52, 95 (130); 77, 1 (40 f.). 246 BVerfGE 107, 59 (87 f.).

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Bevor die Kodex-Erstellung im Lichte dieser grundlegend verschiedenen Interpretationen des Demokratieprinzips untersucht wird, soll der „kleinste gemeinsame Nenner“ dieser Theorien zur Ableitung der notwendigen Untersuchungsschritte genutzt werden. „Einheitsstiftender Faktor“ ist der in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG niedergelegte Grundsatz der Volkssouveränität,248 nach dem alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht.249 Das Volk übt die Staatsgewalt entweder selbst (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) oder durch „besondere Organe“ (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) aus. Legitimationssubjekt ist also stets das Volk und Legitimationsobjekt die Ausübung von Staatsgewalt. Zwischen Subjekt und Objekt demokratischer Legitimation bedarf es eines Zurechnungszusammenhangs, der sicherstellt, dass sich alle Staatsgewalt vom Volk herleitet. Der Herstellung dieses Zurechnungszusammenhangs dienen verschiedene sog. Legitimationsmodi (synonym auch Steuerungsinstrumente)250, die in ihrem Zusammenspiel einen effektiven Einfluss des Volkes sicherstellen sollen. Wie der „Kanon“ der Legitimationsmodi im Einzelnen aussieht, welche Rolle die normative oder empirische Wirksamkeit der Steuerungsinstrumente spielt und wie sie den Zurechnungszusammenhang konkret herzustellen vermögen, ist sowohl zwischen als auch in den jeweiligen „Lagern“ umstritten. Konsens besteht darüber, dass verschiedene Legitimationsmodi zusammen oder einzeln ein bestimmtes Legitimationsniveau (im Folgenden: Soll-Niveau) erreichen müssen, welches eine Rückführung der ausgeübten Staatsgewalt auf den Willen des Volkes ermöglicht. Wird das Soll-Niveau nicht erreicht und mangelt es daher an effektivem steuerndem Einfluss des Volkes, so erfordert diese Beeinträchtigung des Demokratieprinzips eine Rechtfertigung von Verfassungsrang.251 247 Hanebeck hält die Aussage des Gerichts, aufgrund seines Prinzipiencharakters sei Art. 20 Abs. 2 GG entwicklungsoffen und könne bei veränderten Verhältnissen anzupassen sein (BVerfGE 107, 59 [91]), für eine Öffnungsklausel. Diese ermögliche eine Änderung der Rechtsprechung auch im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung und der kommunalen Selbstverwaltung, ohne die bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgeben zu müssen, Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (908 f.). Das hält auch Jestaedt für möglich, Jestaedt, JuS 2004, 649 (653). Unter Hinweis auf die Besetzung der Richterbänke mit Kritikern des traditionellen Demokratieverständnisses ebenso Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 142. 248 Siehe nur Groß, Das Kollegialprinzip, S. 165 m. w. N. 249 Schliesky spricht zutreffend von der Volkssouveränität als „Sitz der Legitimationskonstruktion“, Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 392. 250 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 148 f.: „Legitimation staatlicher Herrschaft ist [ . . . ] Steuerung staatlicher Herrschaft durch den Träger von Staatsgewalt.“; Trute, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 272: „Verwaltungslegitimation [ . . . ] als Chiffre für eine Steuerung der Verwaltung durch das Parlament“. Von „Steuerung“ spricht auch ausdrücklich das Bundesverwaltungsgericht, BVerwGE 106, 64 (74); BVerwG, NVwZ (1999), 870 (873). 251 Wie hier Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 57 f., 65; Mehde, Demokratieprinzip, S. 372; ebenso das überwiegende Schrifttum: Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 135 f. in Fn. 54; ders., in: Dreier, GG Bd. II, Art. 20 (Demokratie) Rn. 116; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 347 ff., 367; Loschelder, in: Isensee / Kirchhof,

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Zu untersuchen ist im Folgenden, ob die Kodex-Erstellung demokratischer Legitimation bedarf (I.), welches tatsächliche Legitimationsniveau (im Folgenden: IstNiveau) sich aus dem Zusammenwirken der verschiedenen noch näher zu bestimmenden Legitimationsmodi ergibt (II.), wie hoch das Soll-Niveau für die KodexErstellung ist (III.) und ob das Ist-Niveau dahinter zurückbleibt (IV.). Wird ein Legitimationsdefizit festgestellt, ist nach einer verfassungsrangigen Rechtfertigung zu suchen (V.). I. Legitimationsbedürftigkeit Der Anwendungsbereich des Demokratieprinzips ist eröffnet, wenn ein staatliches Handeln legitimationsbedürftig ist. Anknüpfungspunkt ist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG die Ausübung von Staatsgewalt (1). Dessen Formulierung „Alle Staatsgewalt“ spricht zunächst gegen die Zulässigkeit von Ausnahmen (2). 1. Grundsatz: Alle Staatsgewalt Zwei Gründe könnten dagegen sprechen, dass die Kodex-Kommission selbst Staatsgewalt ausübt. Nämlich die rechtliche Unverbindlichkeit der Kodex-Empfehlungen und die Letztverantwortung des Bundesjustizministeriums in Form des „negativen“ Entscheidungsrechts.252 Den rechtlich unverbindlichen Maßnahmen könnte das nötige „Gewalt“-Moment fehlen (a), denn die Gleichheit und Freiheit der Bürger wird durch sie nicht unmittelbar eingeschränkt.253 Den Beschlüssen der Kodex-Kommission könnte zudem das „Ausübungs“-Moment fehlen (b), denn das Bundesministerium der Justiz trägt möglicherweise die „Letztverantwortung“ für die Veröffentlichung des Kodexes:254 Der Kommission fehlt die Befugnis, selbständig außenwirksam tätig zu werden.255 Denkbar ist daher, dass allein das MinisteHStR III, § 68 Rn. 22; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 65 f., 139; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 20, 168. A.A. wohl Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 24, nach dem es ausreicht, dass die Aufgabe nach ihrer spezifischen Eigenart Weisungsfreiheit notwendig macht, zumindest aber eine gesetzliche Übertragung und Umschreibung der Aufgabe voraussetzt, andere Einordnung Böckenfördes aber bei Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 27 in Fn. 23. 252 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. IV. 253 Zur Grundrechtsbeeinträchtigung durch faktisch-mittelbare Eingriffe vgl. oben 1. Kapitel § 6. 254 Zwar üben staatliche Funktionswalter oder -organe auch beim Bestehen umfangreicher Ingerenzrechte einer aufsichtsführenden übergeordneten Stelle – wie Weisungs-, Aufsichts-, Selbsteintritts-, Letztentscheidungs- oder Abänderungsrechte im Konfliktfall – selbst staatliche Herrschaft aus (BVerfGE 83, 60, 73), doch beschränkt sich das „negative“ Entscheidungsrecht des Bundesjustizministeriums nicht auf den Konfliktfall, sondern stellt ein zwingendes Mitwirkungserfordernis dar. 255 Vgl. auch oben 1. Kapitel § 4 B. IV. bei Fn. 134.

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rium Staatsgewalt ausübt und die Kommission die Ausübung der Staatsgewalt lediglich vorbereitet.256 a) Das „Gewalt“-Moment Was unter der Ausübung von Staatsgewalt257 im Einzelnen zu verstehen ist, wird vom Grundgesetz nicht definiert.258 Das Bundesverfassungsgericht sieht jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter als Ausübung von Staatsgewalt an.259 Entscheidungscharakter meint entgegen einem engen Wortverständnis nicht nur einseitige, verbindliche Rechtsetzungsakte, 260 sondern auch unverbindliche Empfehlungen, Warnungen und öffentliche Verlautbarungen staatlicher Organe.261 Speziell auf Verfassungsorgane bezogen, hat das BVerfG ausgeführt, dass sie „Staatsgewalt aus[üben], nicht nur wenn sie rechtsverbindliche Akte setzen, sondern auch, wenn sie von Befugnissen Gebrauch machen, die nicht unmittelbar verbindliche Wirkungen hervorrufen“.262 Die Abgabe von Regierungsempfehlungen bedarf daher als Ausübung von Staatsgewalt demokratischer Legitimation. Das muss gleichermaßen für Empfehlungen der Verwaltung gelten.263 256 Vgl. dazu auch BVerfGE 83, 60 (73), wonach der den Ingerenzrechten unterworfene Amtswalter selbst nur dann Staatsgewalt ausübt, solange die Ingerenzrechte nicht ausgeübt werden. 257 In der Literatur wird teilweise zwischen Staatsgewalt im formellen und im materiellen Sinne unterschieden, vgl. Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 34; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 255 ff. Anknüpfend an die Differenzierung von BrosiusGersdorf, die als formelle Komponente die Zurechnung des Handlungssubjekts zum Staat und als materielle Komponente das Überschreiten einer gewissen „Gewalt“-Schwelle für erforderlich hält, wird in diesem Abschnitt allein die Staatsgewalt im materiellen Sinne untersucht. Dass nach vorstehendem Verständnis der Begrifflichkeit „Staatsgewalt im formellen Sinne“ vorliegt, wurde bereits oben im 1. Kapitel § 4 B. I. nachgewiesen. Kritisch zu diesen Einteilungsversuchen Mehde, Demokratieprinzip, S. 178; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 255 f. 258 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 10; Isensee, in: ders. / Kirchhof, HStR II3, § 15 Rn. 24. 259 BVerfGE 83, 60 (73); 93, 37 (68); 107, 59 (87); ebenso das Bundesverwaltungsgericht, vgl. BVerwGE 106, 64 (75 f.). Dies entspricht der überwiegenden Auffassung in der Literatur. Statt vieler Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 257 m. w. N. in Fn. 254. 260 So aber Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 20, II., Rn. 54. 261 Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 12; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 19; Ehlers, JZ 1987, 218 (219); Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 258; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 352; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342). A.A. Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 296 ff., die aber in Bezug auf die faktische Wirkung staatlicher Maßnahmen eine durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu „Jugendsekten“ überholte Auffassung vertritt, vgl. BVerfGE 105, 279 (303 ff.). Vgl. unten 1. Kapitel § 7 A. III. 3. 262 BVerfGE 8, 104 (114). 263 Dazu BVerfGE 105, 252 (268); ebenso ausdrücklich Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 21 f.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 145, 352.

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b) Das „Ausübungs“-Moment Beim Zusammenwirken verschiedener staatlicher Stellen im Rahmen einer Entscheidung kann das „Ausübungs“-Moment problematisch sein. Denkbar ist, dass entweder nur eine der beiden Stellen aufgrund ihrer „Letztverantwortung“ die Entscheidung trifft oder die Beiträge beider Stellen in der Entscheidung fortwirken, also die Verantwortung zwischen ihnen aufgeteilt ist.264 Zur Abgrenzung wird wohl noch überwiegend auf die Mitentscheidungsbefugnis abgestellt und diese von nicht legitimationsbedürftiger Vorfeldtätigkeit, wie rein konsultativer oder bloß vorbereitender Mitwirkung, abgegrenzt.265 Auch Konsultation ist legitimationsbedürftig, wenn sich die „unverbindliche, bloß beratende Teilhabe an der Verwaltung zur Mitentscheidung verdichtet“.266 Bei öffentlich-rechtlichen Kollegialgremien267 hängt die Einordnung von der Struktur des jeweiligen Entscheidungszusammenhangs ab;268 bereits der vom Verfassungsgericht gewählte Begriff der „Verdichtung“ suggeriert eine fließende Grenze zwischen Beratung und Mitentscheidung.269 Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Beratungs-, Vorschlags- und Zustimmungsrechte und deren rechtliche Relevanz für die mitwirkende Stelle.270 Personelle Vorschlagsrechte271 hat 264 Zur Verantwortungsteilung im Zusammenhang mit dem Souveränitätsbegriff siehe Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 535 ff. mit weiteren Nachweisen zur Verantwortungsdiskussion in der Verwaltungswissenschaft. Kritisch zu letzterer, die in erster Linie die Leistungsverwaltung im Blick hat, Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (226). 265 BVerfGE 47, 253 (273); 83, 60 (74); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 20; Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (428 f.); Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 261, 391; Mehde, Demokratieprinzip, S. 171 ff.; ders., VerwArch 91 (2000), 540 (549 f.); Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 82; ders., VerwArch 81 (1990), 349 (355 f.); Trute, DVBl. 111 (1996), 950 (955 f.); kritisch im Hinblick auf die Vorbereitung amtlicher Entscheidungen: Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 31 f., 38, der zwar auch auf das Kriterium der Mitentscheidung abstellt, aber institutionalisierte Beratung generell als inhaltliche Mitentscheidung einordnet. A.A. Ehlers, JZ 1987, 218 (219); Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 25 f.; Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (303); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 262, 427, 600; Sommermann, Gremienwesen, S. 12, die auch einen bloß faktischen Einfluss für legitimationsbedürftig halten. 266 BVerfGE 83, 60 (74); so auch Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 20; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342). 267 Privaten Gremien wird teilweise generell die Fähigkeit zur Mitentscheidung abgesprochen. Denn Rechtsverbindlichkeit könne den Maßnahmen privater Gremien erst infolge staatlicher Rezeption zukommen, allein der administrative Rezeptionsakt bedürfe daher demokratischer Legitimation. So Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 258; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342); kritisch dazu Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 25 f.; Mehde, Demokratieprinzip, S. 171. A.A. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 126 u. offenbar auch Unkelbach, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 66 f. 268 Ebenso Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342). 269 Mehde, Demokratieprinzip, S. 176; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 263.

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das Bundesverfassungsgericht als Mitentscheidungsbefugnisse gewertet, wenn „ein anderer Verwaltungsträger bei der Ausübung seiner Entscheidungsbefugnisse von ihnen rechtlich abhängig ist“272. Keine Mitentscheidungsbefugnisse vermitteln inhaltliche Anhörungs- und Vorschlagsrechte, wenn die Befugnisse der „verantwortlichen“ Stelle dadurch nicht eingeschränkt werden.273 Maßgeblich ist also, ob das Organ, welches die Entscheidung schließlich „außenwirksam“274 macht, durch die vorgeschriebene Zusammenarbeit275 mit dem Kollegialgremium in seiner Entscheidungsfreiheit rechtlich eingeschränkt wird; bloß faktischer Einfluss – den Expertengremien unzweifelhaft ausüben276 – ist nicht legitimationsbedürftig. 277 Nach den bisherigen Ausführungen278 liegt es nahe, die Kodex-Kommission als Kollegialgremium mit Mitentscheidungsbefugnis einzuordnen. Dem unzweifelhaft demokratisch legitimierten Bundesjustizministerium verbleibt allein das „negative“ Entscheidungsrecht. Durch das Zustimmungserfordernis kann es die Bekanntmachung eines ihm ungenehmen Kodexes zwar verhindern. Veröffentlichen kann 270 Vgl. zum gleichgelagerten Problem der Mitwirkung Dritter an der Verordnungsgebung, VerfG Bbg, DVBl. 115 (2000), 1440 (1442): „Neben offenen und verdeckten Mitwirkungsrechten werden etwa Vorschlags- und Initiativrechte als verfassungswidrig angesehen, wenn der Verordnungsgeber ohne den Vorschlag nicht tätig werden darf oder dem Vorschlag entsprechen muss.“ 271 Diese beinhalten das Recht, Personen für bestimmte Tätigkeiten (insbesondere in Kollegialorganen) zu benennen, vgl. Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179 (185); zu diesen siehe auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 384 f. 272 BVerfGE 26, 186 (196 f.); 83, 60 (73). Das Kriterium der rechtlichen Abhängigkeit wird in der späteren Entscheidung des BVerfG zum Lippeverband und zur Emschergenossenschaft nicht mehr ausdrücklich aufgestellt, obwohl auf die vorstehende Entscheidung Bezug genommen wird, BVerfGE 107, 59 (87). Ob es dadurch – z. B. infolge der Erstreckung des Staatsgewaltbegriffs auch auf behördeninterne Entscheidungen in BVerfGE 93, 37 (68) – aufgegeben werden sollte, wird nicht deutlich. 273 BVerfGE 47, 253 (273); ebenso Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 44 ff. m. w. N. auch für die Gegenansicht; a.A. Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 25 f. 274 Gemeint ist nicht eine Außenwirksamkeit gegenüber dem Bürger, sondern der verbindliche Abschluss des Entscheidungsprozesses inklusive der Bekanntgabe der Entscheidung gegenüber zumindest dem oder den Betroffenen, seien diese auch bloß andere staatliche Stellen. 275 Das OVG NW, NWVBl. 1996, 254 (255), hält bereits die rechtlich vorgeschriebene Mitwirkung für ausreichend, um von einer legitimationsbedürftigen Ausübung von Staatsgewalt auszugehen. 276 Dazu Groß, Das Kollegialprinzip, S. 243 f. m. w. N. 277 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 44 ff.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 82. A.A. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 23, 80; Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 25 f.; siehe auch bereits oben in Fn. 265. 278 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. IV. zu der Einteilung der Entscheidung in die Elemente der Initiative, der „negativen“ und der „positiven“ Entscheidung und die Aufteilung dieser Befugnisse zwischen Kodex-Kommission und Bundesministerium der Justiz.

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das Ministerium aber nur einen Kodex, der von der Kodex-Kommission beschlossen wurde. Es ist folglich auf einen Vorschlag der Kodex-Kommission angewiesen. Eine volle Willensübereinstimmung ohne Zeitverlust kann es dagegen nicht herbeiführen. Es ist aus diesem Grund nicht mit dem „positiven“ Entscheidungsrecht ausgestattet.279 Durch das exklusive negativ-verbindliche Vorschlagsrecht besitzt die Kodex-Kommission Mitentscheidungsbefugnis und übt insoweit selbst Staatsgewalt aus.280 2. Ausnahme: Bagatellvorbehalt? Nimmt man Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG beim Wort, so ist alle Staatsgewalt legitimationsbedürftig und für Ausnahmen kein Raum.281 Dennoch wird unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht282 vertreten, dass das Demokratieprinzip unter bestimmten Voraussetzungen nicht zur Anwendung kommt.283 Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht nur in einer Entscheidung284 angedeutet, dass eine Exemtion von der Geltung des Demokratieprinzips denkbar ist: Eine Aufgabe könne so unwichtig sein, dass sie nicht mehr unter den Begriff „Ausübung von Staatsgewalt“ falle.285 Dogmatisch ist das nicht zu beanstanden, denn das Gericht konkretisiert – wenn auch mit fraglichem Ansatz – das unbestimmte Merkmal der „Staatsgewalt“, ohne dabei die Vorgaben des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG zu missachten. Denn nicht legitimationsbedürftige Ausübung von Staatsgewalt gibt es auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht. Daran ändert Zur Maßgeblichkeit des „freien Entscheidungsrechts“ vgl. auch BVerfGE 9, 268 (283). Ebenso zu einer ähnlichen Konstellation bei der Aufstellung eines Braunkohleplans, der erst nach Genehmigung durch die Landesplanungsbehörde verbindlich werden kann, durch einen „gemischt“ zusammengesetzten Braunkohleausschuss NWVerfGH, NVwZ-RR 1998, 473 (475). 281 Ebenso Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 37 f.; Dreier, in: ders., GG Bd. II, Art. 20 D Rn. 81; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 251 ff.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 83; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 263 m. w. N. 282 Insbesondere BVerfGE 47, 253 (274); 83, 60 (74); 93, 39 (70), und teilweise auch BVerfGE 9, 268 (281 ff.); 83, 130 (150). 283 Dazu (ablehnend) Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 36 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 228 ff.; ders., Der Staat 32 (1993), 29 (34 ff.) je m. w. N. 284 BVerfGE 47, 253 (274). 285 Die nachstehenden Ausführungen „zum Kernbestand an Entscheidungsbefugnissen“ erinnern eher an die oben vorgenommene Unterscheidung zwischen Vorfeldtätigkeit und Mitentscheidungsbefugnis, BVerfGE 47, 253 (274 f.). Das Bundesverfassungsgericht selbst interpretiert diese Entscheidung wohl später um, wenn es von „geringeren Anforderungen an die Legitimation“ bei der Zuständigkeit für einen „eng umgrenzten wenig bedeutsamen Bereich“ und umfassenden Evokations- oder Letztentscheidungsrechten eines übergeordneten Organs spricht, BVerfGE 83, 60 (74); ebenso Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (35), der von einer „überstrapazierten Auslegung“ spricht. 279 280

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auch nichts, dass das Gericht „ministerialfreie Räume“ mit mangelnder politischer Tragweite begründet hat286 und Abstriche bei „einzelne[n] Legitimationselemente[n]“ für staatliche Aufgaben mit besonders geringem Entscheidungsgehalt für möglich hielt.287 Denn in beiden Fällen wird auf das Erfordernis demokratischer Legitimation nicht vollständig verzichtet, sondern lediglich ein geringeres Maß an Legitimation für ausreichend gehalten.288 II. Ermittlung des Ist-Niveaus Die Ermittlung des Ist-Niveaus soll in Abhängigkeit der verschiedenen Modelle der traditionellen (1.), der „pluralistischen“ (2.) und der von Dederer289 rekonstruierten (traditionellen) Legitimationsdogmatik (3.) vorgenommen werden. 1. Die traditionellen Legitimationsmodi Die Rückführung der Staatsgewalt auf den Willen des Volkes erfolgt nach traditionellem Demokratieverständnis in den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Formen der institutionellen, funktionellen, sachlich-inhaltlichen und der personellen Legitimation.290 Von diesen sind die letzten beiden Legitimationsformen – denn allein aus ihrem Zusammenwirken ergibt sich das Ist-Niveau291 – mit dem Bundesverfassungsgericht292 hervorzuheben: „Die Ausübung von Staatsgewalt ist dann demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung der Amtsträger – personelle Legitimation vermittelnd – auf das Staatsvolk zurückführen lässt und das Handeln der Amtsträger selbst eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt, d. h. die Amtsträger im Auftrag und nach Weisung der Regierung handeln und die Regierung in die Lage versetzen, die Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zu übernehmen.“ Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein bestimmtes Legitimationsniveau, das sich aus einem effektiven Zusammenwirken dieser Legitimationsformen ergibt.293 BVerfGE 9, 268 (281); 83, 130 (150). BVerfGE 83, 60 (74); 93, 39 (70). 288 So auch Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (35); vgl. auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 265. 289 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 140 – 178. 290 Statt vieler BVerfGE 83, 60 (72); 107, 59 (87); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 14 ff. 291 Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 23; Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 41, 51; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 141, 147; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 69; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (364). 292 BVerfGE 107, 59 (87 f.). Die weiteren Formen der institutionellen und der funktionellen Legitimation werden bei der Partizipation Privater „von innen“ (dazu Fn. 116) nicht ernsthaft in Frage gestellt, vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 129. 286 287

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a) Personelle Legitimation Die personelle Legitimation erfordert eine ununterbrochene Kette von Bestellungsakten, ausgehend vom Volk, über das von ihm gewählte Parlament, bis hin zum einzelnen Funktionswalter. Der Funktionswalter muss sein Amt nicht unmittelbar durch Volkswahl erhalten. Ausreichend ist, dass er es im Wege individueller Berufung von einer ihrerseits uneingeschränkt personell legitimierten Person erhalten hat.294 Daran gemessen besitzen die Mitglieder der Kodex-Kommission ausnahmslos „volle“295 personelle Legitimation. Sie haben ihr Amt von der Bundesministerin der Justiz erhalten, die ihr Amt vom Bundeskanzler296 erlangt hat (Art. 64 Abs. 1 GG), welcher seinerseits unmittelbar durch das Parlament gewählt wurde (Art. 63 Abs. 1 GG).297 Die Auswahl der Kommissionsmitglieder lässt sich also mittelbar auf das Volk zurückführen. Neben der individuellen beinhaltet die personelle Legitimation eine organisatorische Komponente (teilweise wird daher auch von organisatorisch-personeller Legitimation gesprochen)298, die eine Berufung für ein bestimmtes Amt erfordert.299 Entscheidend ist aber nicht die Zuweisung eines persönlichen Status, wie z. B. bei der Beamtenernennung,300 sondern die Berufung für eine spezielle Funktion, in ein bestimmtes Amt im organisations- und funktionsrechtlichen Sinne.301 In der Legitimationswirkung ihres Bestellungsaktes, dem Kern personell-demokrati293 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66 f.); 107, 59 (87); dazu auch Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 23; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 141. 294 BVerfGE 77, 1 (40); s. auch BVerfGE 38, 258 (271); 47, 253 (275); 52, 95 (130); 83, 60 (72 f.); 93, 37 (67); 107, 59 (88). 295 Nach der herrschenden Auffassung ist bei einer ununterbrochenen Kette von Bestellungsakten „uneingeschränkte“ oder „volle“ Legitimation gegeben, vgl. BVerfGE 93, 37 (67 f.); 107, 59 (88); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 23; BrosiusGersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 54. 296 Entscheidend ist das materielle Recht zur Auswahl der Person, nicht das formelle Ernennungsrecht des Bundespräsidenten. 297 Für die personelle Legitimation ist es unerheblich, ob die Bundesministerin der Justiz u.U. an Vorgaben des „Bundeskanzleramtes“ gebunden war, denn der Bundeskanzler (der die Richtlinien der Politik bestimmt, innerhalb derer jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leitet, Art. 65 Satz 1 u. 2 GG) ist selbst uneingeschränkt demokratisch legitimiert, dazu auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 382 f. 298 Vgl. nur Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 16. 299 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 42; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 269; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 84; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 92 Rn. 87. 300 Zur zunehmenden „Entbeamtung“ des Staatsgewalt ausübenden Personals siehe Di Fabio, JZ 1999, 585 (591); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 351. 301 Vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 260 f.; Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1935); Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 269; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 84 m. w. N. in Fn. 31.

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scher Legitimation, unterscheiden sich nicht-staatliche Funktionswalter nicht von staatlichen Organwaltern.302 Lediglich in „personell-legitimatorischen Randbereichen“303 weisen nicht-staatliche ein Defizit gegenüber staatlichen Funktionsträgern auf, denn sie unterliegen als ehrenamtlich Tätige304 nicht den gleichen Amts- und Dienstpflichten und sind zur Einbringung von Partikularinteressen ermächtigt.305 b) Sachlich-inhaltliche Legitimation Eine umfassende demokratische Legitimation erfordert, die Ausübung von Staatsgewalt auch ihrem Inhalt nach vom Willen des Volkes herzuleiten.306 Diese inhaltliche Steuerung erfolgt zum einen durch die Gesetzesbindung und zum anderen mit Hilfe der sanktionierten demokratischen Verantwortlichkeit: Das Parlament ist dem Volk gegenüber und die Regierung und die Minister sind dem Parlament gegenüber für eigene wie für Handlungen nachgeordneter Behörden und Organe verantwortlich. Sanktionsmechanismen sind das periodisch ausgeübte Wahlrecht des Volkes gegenüber dem Parlament und die Kontroll- und Abberufungsrechte des Parlaments307 gegenüber der Regierung.308 Eine sanktionierbare Verantwortlichkeit für fremde Handlungen setzt aber eine dementsprechende Möglichkeit der Einflussnahme voraus.309 Die mittelbare Verantwortung der Exekutivspitzen für die Vorgänge in ihrem Geschäftsbereich macht die Eingliederung nachgeordneter Stellen in die durch Weisungs- und Aufsichtsrechte ausgestaltete Verwaltungshierarchie grundsätzlich310 unverzichtbar.311 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 394. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 396. 304 Dazu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 399. 305 Ausführlich dazu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 118 f., 395 f. u. 404; vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. I. zur Auswahl der Kommissionsmitglieder auch unter dem Aspekt der Repräsentanz der von den Handlungsempfehlungen betroffenen Interessengruppen. 306 Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 21; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 270; Mehde, Demokratieprinzip, S. 184. 307 Dazu eingehend Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 134 f., 214 f.; Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 78 f.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 334 ff. Kontrollrechte sind insbesondere die parlamentarische Untersuchung (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Zitierung der Regierungsmitglieder vor das Plenum oder die Ausschüsse des Bundestages (Art. 43 Abs. 1 GG). Die Abberufungsmöglichkeiten sind in den Art. 67 Abs. 1 Satz 1, 68 Abs. 1, 69 Abs. 2 GG normiert. 308 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 21; Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (423 f.); Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 18 f.; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. IV, Art. 65 Rn. 91 f., für die parlamentarische Verantwortung der Regierung; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 272 f.; Mehde, Demokratieprinzip, S. 184, 186. 309 Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. IV, Art. 65 Rn. 94 bzw. 96. 310 Zu möglichen Ausnahmen siehe BVerfGE 9, 268 (282); 83, 130 (150); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 22; Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (423) in Fn. 24 und die nachstehenden Ausführungen. 302 303

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Bezogen auf die Kodex-Erstellung sind beide Formen der sachlich-inhaltlichen Legitimationsvermittlung schwach ausgeprägt. Die Kodex-Kommission ist bei Ausarbeitung der Corporate Governance-Standards weder an gesetzliche Ziel- und Inhaltsvorgaben gebunden, noch untersteht sie einer umfassenden ministeriellen Weisungsgewalt. aa) Gesetzesbindung Die Kodex-Kommission wird nicht im Zusammenhang mit dem Gesetzesvollzug tätig, sondern wirkt an der Erfüllung gubernativer Aufgabenstellungen mit. Der Kodex dient nicht der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe, und er soll auch keine Lücken des gesetzlichen Aktienrechts schließen. Der Kodex betrifft einen vom Gesetzgeber (zunächst) bewusst privater Gestaltung überlassenen „gesetzesfreien Raum“312. Auch formelle Anforderungen sind nicht parlamentsgesetzlich geregelt. Allenfalls nachträglich erfolgte eine gesetzliche Anerkennung der von der Bundesjustizministerin gebildeten, errichteten und eingerichteten 313 Kodex-Kommission durch § 161 AktG. Die Gesetzesbindung314 der Kodex-Kommission erschöpft sich daher in einem dem Gesetzesvorrang immanenten Abweichungsverbot von allgemeinen315 Gesetzen und dem Grundgesetz316. Die enorme Steuerungs- und Legitimationskraft, die dem parlamentarischen Gesetz in Bezug auf die Ministerialverwaltung grundsätzlich317 zukommt,318 ist im „gesetzesfreien Raum“ nicht vorhanden.

311 BVerfGE 9, 268 (281 f.); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 21 f.; Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (423); Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 315 f. 312 Zu diesem Begriff vgl. 1. Kapitel § 4 B. V. bei Fn. 143. 313 Zu diesen organisationsrechtlichen Begriffen vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 49 f.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 478 ff. 314 Zu der dogmatischen Ausformung der Gesetzesbindung der Exekutive vgl. Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (357). 315 Allgemeine Gesetze sind in diesem Zusammenhang solche, die nicht die Regelung des Tätigkeitsbereichs der Kodex-Kommission zum Gegenstand haben. 316 Zur Verfassungsbindung auch der Exekutive Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 20, VI., Rn. 1, 24; dazu auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 186 ff., der in der Verfassungsbindung aller drei Staatsgewalten (vgl. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) die Vermittlung primärer inhaltlicher Legitimation durch den Verfassungsgeber selbst erblickt. 317 Die Steuerungs- und Legitimationskraft eines Gesetzes sinkt aber mit Abnahme der gesetzlichen Regelungsdichte, dazu Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 97. 318 Zum Gesetz als zentralem parlamentarischen Steuerungsinstrument vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 161 f., 215 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 335 f., 345.

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bb) Weisungsunterworfenheit Die Kommission ist nicht vollständig in den hierarchisch-monokratischen Verwaltungsapparat eingebunden, untersteht insbesondere nicht der Weisungsgewalt319 der Bundesministerin der Justiz (sog. weisungs-, regierungs- oder ministerialfreier Raum)320. Ein mögliches Korrelat der eingeschränkten Weisungsbefugnis der Exekutivspitze könnte allein das „negative“ Entscheidungsrecht321 des weisungsgebundenen Bundesjustizministeriums darstellen. Vermittelt durch dieses Ingerenzrecht könnte der erforderliche Einfluss der Bundesministerin der Justiz sichergestellt werden. Gleich einem Genehmigungs- oder Zustimmungserfordnis bewirkt es eine exante Kontrolle des Kodexinhaltes durch das Ministerium – nicht allein auf seine Rechtmäßigkeit bezogen, sondern auch auf seine inhaltliche Ausgewogenheit (inhaltliche Steuerung) und auf das Verfahren der Kodexerstellung (prozedurale Steuerung).322 Der legitimationsstiftende Wert der Rechtsaufsicht ist aber, mangels steuernder gesetzlicher Vorgaben, ebenfalls gering.323 Auch die darüber hinausgehende inhaltliche und prozedurale Steuerungskraft des „negativen“ Entscheidungsrechts bleibt hinter der eines umfassenden jederzeitigen Weisungsrechts zurück. Denn das „negative“ Entscheidungsrecht vermag keine volle Willensübereinstimmung ohne Zeitverlust herbeizuführen.324 Die Bundesministerin ist (im Wege der Einwirkung auf den zuständigen Amtswalter im Ministerium) auf ein bloßes „Ja“ oder „Nein“ beschränkt, sie kann die Entscheidung der Kodex-Kommission weder ihrem Willen nach formen, noch durch eine eigene Entscheidung ersetzen (lassen) und ist daher in ihrer Entscheidung nicht mehr frei.325 Die durch die Wei319 Zur unterschiedlichen verfassungsdogmatischen Ableitung der Weisungsgewalt aus Art. 65 Satz 2, Art. 86 oder Art. 20 Abs. 2 GG siehe Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 92 ff. m. w. N. 320 Gekennzeichnet ist der ministerialfreie Raum durch die Einzelweisungsfreiheit, nicht darunter fallen jedoch die kommunale und die funktionale Selbstverwaltung; insgesamt dazu BVerfGE 9, 268 (282); 83, 130 (150); Dahlgrün, in: FS 25 Jahre Speyer, S. 317; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 134 ff. m. w. N. in Fn. 52 – 54; Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 357 ff.; Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. IV, Art. 65 Rn. 91 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 102 – 115; Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes; Loening, DVBl. 69 (1954), 173; Mehde, Demokratieprinzip, S. 369 ff.; Müller, JuS 1985, 497; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 41 m. w. N. in Fn. 115; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 9 – 179. 321 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. IV. 322 Seibert, BB 2002, 581 (582). 323 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 50; Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 84. 324 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 343, 405 f., 409. 325 Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 121; in einem analogen Kontext auch BVerfGE 28, 66 (84).

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sungsfreiheit entstehende Steuerungslücke kann aber nur durch ein Weisungssurrogat, das der Exekutivspitze sowohl das Initiativ- als auch das „positive“ Entscheidungsrecht zuweist, vollständig ausgefüllt werden.326 Andernfalls entsteht im Rahmen des Verantwortlichkeitsprinzip auf der Interaktionsebene Ressortspitze / Verwaltung ein partieller Steuerungsausfall, der auf die Ebene Parlament / Ressortspitze durchschlägt. c) Ist-Niveau nach traditionellem Legitimationsmodell Die Kodex-Kommission besitzt „volle“ personelle Legitimation. Der Einfluss des Volkes auf den Kodex-Inhalt ist dagegen nicht uneingeschränkt gewährleistet. Beide Komponenten sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung sind schwach ausgeprägt. Weil der Kodex einen „gesetzesfreien Raum“ betrifft, bestehen keine gesetzlichen Inhalts- und Zielbestimmungen. Der gesetzliche Rahmen wird vom deutschen Aktienrecht gesteckt, dem der Kodex-Inhalt nicht zuwiderlaufen darf. Weil es sich bei der Kodex-Kommission um sog. „ministerialfreie“ Verwaltung handelt, hat die Bundesministerin der Justiz den Kodex-Inhalt gegenüber dem Parlament nicht uneingeschränkt zu verantworten. Durch Ausübung ihrer Ingerenzrechte gegenüber dem BMJ kann die Ministerin die Bekanntmachung des Kodexes im Konfliktfall verhindern, ihn aber nicht ihrem Willen entsprechend gestalten. 2. Die „pluralistischen“ Legitimationsmodi Im Zentrum der „pluralistischen“ Auslegung des Demokratieprinzips stand zunächst die Kritik an den Annahmen der traditionellen Auffassung.327 Auf Ablehnung stieß insbesondere die verbindliche Auslegung des Grundgesetzes im Sinne nur einer Demokratietheorie, die nur ein Verständnis des Satzes „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ zulässt.328 Damit werde, so die Kritiker, aus einem offenen Verfassungsprinzip eine Regel gemacht,329 ja sogar die Verwaltungsorganisation bis ins Detail vorgegeben. Denn 326 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 102; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 412, 414 f. A.A. Leisner, ZBR 1971, 65 (68): Modell der vorläufigen oder initiativen Mitbestimmung. Eine Steuerungslücke hat der NWVerfGH, NVwZ-RR 1998, 473 (476), zumindest dann verneint, wenn das weisungsfreie Kollegialgremium der Fachaufsicht des Ministers unterliegt. 327 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 164; Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (905); Wieland, DVBl. 117 (2002), 532. 328 Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (61). 329 Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (324); ders., in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (61): „Eigentlich ist (bzw.: war) sich die Staatsrechtslehre ziemlich einig, dass das Grundgesetz sich nicht zu einer bestimmten Demokratietheorie bekennt.“; Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 81 IV 1 Rn. 164 ff.; Mehde, Demokratieprinzip, S. 487 ff. Vgl. dazu auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner

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am Ende der Kette von Schlussfolgerungen stehe, dass allein ein hierarchisch-monokratischer Verwaltungsaufbau den Anforderungen des Demokratieprinzips gerecht werden könne.330 Dieses theoretische Modell überzeuge aber auch aus dogmatischen und tatsächlichen Gründen nicht. Weder vermag es die räumliche Gliederung des Volkes in Bundesvolk, Landesvölker und Kommunalvölker oder die Offenheit des Grundgesetzes für internationale Zusammenarbeit zu erklären.331 Noch könne ein nationales Parlament und eine von ihm kontrollierte Regierung in einer komplexen und vielgestaltigen modernen Welt den gesamten Steuerungsbedarf einer Gesellschaft befriedigen.332 Trotzdem werden die Legitimationsmodi der herrschenden Auffassung nicht grundsätzlich abgelehnt, denn das gesamte Volk bleibt auch nach der „pluralistischen“ Theorie eines von mehreren Legitimationssubjekten und die Parlamentswahl „zentraler und unverzichtbarer Bestandteil der institutionellen Ausformung des Demokratieprinzips“ 333. Die Legitimation kann aber durch weitere Legitimationsmechanismen ergänzt werden, deren Ausgangspunkt nicht eine nach räumlichen, sondern eine nach sachlichen Gesichtspunkten bestimmte Teilgruppe des Volkes ist. Hier interessiert vor allem, ob die Beteiligung von Betroffenen – worauf die ministerielle Umschreibung von einer „Selbstregulierung der Wirtschaft“ schließen lässt – den oben festgestellten Mangel an sachlich-inhaltlicher Steuerung zu kompensieren vermag. Ob also bei einem offeneren Verständnis des Demokratieprinzips ein höheres Ist-Niveau zu konstatieren wäre. Das hängt davon ab, wie die Betroffenenbeteiligung im Einzelnen ausgestaltet sein muss, damit ihr legitimatorische Wirkung zukommt. Entscheidend ist nach Groß, dass die Personalauswahl nicht wie im bürokratischen Modell durch eine andere staatliche Stelle nach objektivierten fachlichen Kriterien erfolgt, sondern durch gesellschaftliche Gruppen, entweder im Wege einer gesetzlich organisierten Wahl (partizipatives Modell) oder durch Delegation der Auswahlentscheidung an privatautonom gebildete Verbände (korporatives Modell).334 Denn eine personelle Legitimation durch die aktuellen Entscheidung zur funktionalen Selbstverwaltung: „Art. 20 Abs. 2 GG enthält eine Staatszielbestimmung und ein Verfassungsprinzip. Aufgrund seines Prinzipiencharakters ist Art. 20 Abs. 2 GG entwicklungsoffen.“, BVerfGE 107, 59 (91). 330 Dazu Groß, Das Kollegialprinzip, S. 186. 331 Bryde, StWStP 5 (1994) 305, 320 f.; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 168, 186 f.; Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (904); Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (584 ff.). 332 Groß, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 93 (97); ders., Das Kollegialprinzip, S. 189, wonach eine Lenkung jeder Einzelentscheidung durch die Regierung zu einer „Verstopfung ihrer Informationsverarbeitungskapazität“ führen würde. 333 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 194. Vgl. auch Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (70); kritisch dazu Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 205 f. Insofern unterscheidet sich die hier als pluralistisch bezeichnete Auslegung des Demokratieprinzips von den von Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 29 ff., geschilderten Pluralismustheorien, die in erster Linie dezentralisierte Entscheidungskompetenzen verlangen. 334 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 197.

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Partizipation Betroffener setzt voraus, dass die Betroffenen einen effektiven Einfluss auf die Besetzung des Gremiums haben. Mit einer staatlichen Auswahl der Gremienmitglieder nach repräsentativen Gesichtspunkten ist diesem Erfordernis nicht gedient. Denn weder inhaltliche Repräsentation noch die Partizipation Einzelner vermitteln personelle Legitimation.335 Soll nämlich die Legitimation von der Gruppe der Betroffenen abgeleitet werden, so bezieht sich auch der Grundsatz der demokratischen Gleichheit auf diese Gruppe und fordert, dass alle Betroffenen die gleichen Einflusschancen haben.336 Auch die individuelle Interpretation des Demokratieprinzips beinhaltet die Forderung nach der (größtmöglichen) Übereinstimmung von Herrschenden und der (konkreten) Herrschaftsgewalt Unterworfenen. Unter diesen Voraussetzungen kann die Beteiligung der Vertreter der Wirtschaft, der Kleinanleger, der institutionellen Anleger, der Arbeitnehmer und der Börse der Kodex-Erstellung keine zusätzliche demokratische Legitimation vermitteln. Die Mitglieder der Kodex-Kommission stammen zwar – mit Ausnahme der beiden Wissenschaftler – aus dem Teilvolk der Betroffenen, haben aber ihr „Mandat“ zur Mitwirkung an staatlichen Aufgaben nicht von den Betroffenen selbst, sondern allein von der Ministerin erhalten. Eine individuelle staatliche Personalauswahl läuft dem pluralistischen Gedanken zuwider. Nach der Logik des pluralistischen Modells folgt die demokratische Legitimation „nicht aus der persönlichen Qualifikation des einzelnen Mitglieds, sondern aus der bewussten Delegation der Personalauswahl auf gesellschaftliche Kräfte.“337 Nur wenn also die Auswahl der Mitglieder der Kodex-Kommission durch die Betroffenen selbst erfolgt wäre,338 wären sie Quelle zusätzlicher demokratischer Legitimation gewesen. Auch bei „pluralistischer“ Interpretation des Demokratieprinzips leitet die Kodex-Kommission ihre demokratische Legitimation also allein vom gesamten Volk, 335 Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (491); Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 130. 336 So auch das BVerfGE 107, 59 (98 ff.), welches in der Beteiligung der nicht betroffenen Arbeitnehmer eine Einschränkung des Grundsatzes der demokratischen Gleichheit bezogen auf die Gruppe der Betroffenen erblickt: Die „Einschränkung des [im demokratischen Prinzip wurzelnden Grundgedankens] der Betroffenenbeteiligung“ durch „[e]ine Beteiligung Nichtbetroffener“ könne „gerechtfertigt“ sein, wenn „die Privilegierung von Sonderinteressen“ zu einem „verfassungsrechtlich zulässigen Zweck[ . . . ]“ erfolge. 337 So Groß, Das Kollegialprinzip, S. 267, zum korporativen Modell. Dieser Gedanke gilt aber gleichermaßen für das partizipative Modell, in dem eine Gruppe von Betroffenen ihre Vertreter durch Wahl bestimmt, dazu Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 31. 338 Vom Kodex Betroffene sind alle (deutschen) Stakeholder, deren Beteiligung an der Personalauswahl aus praktischen Gründen nur vermittelt über Interessenverbände hätte erfolgen können. Zutreffend weist nämlich Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (440), allerdings zum erst später behandelten Beispiel der IAS / IFRS, darauf hin, dass Jedermann potentieller Stakeholder (börsennotierter) deutscher Unternehmen und somit der Kreis der betroffenen Individuen nicht überschaubar ist.

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vermittelt über Parlament und Regierung, ab und erfährt auf diesem Wege nur eine schwache sachlich-inhaltliche Steuerung. Ihre personelle Legitimation dürfte demgegenüber auch von den Kritikern der traditionellen Legitimationsdogmatik als „vollwertig“ eingestuft werden,339 nur dass sie eben nicht von den Betroffenen herrührt, die Selbstbestimmung des Einzelnen folglich nicht in gesteigertem Maße realisiert wird. 3. Die Legitimationsmodi Dederers Dederer lehnt den „pluralistischen“ Ansatz ab und hält die „Betroffenenlegitimation“ für eine Scheinlegitimation.340 Als Legitimationssubjekt kommt für ihn jedoch neben dem „Deutschen Volk“ in seinen räumlichen Gliederungen auch das „Deutsche Volk“ in seiner Eigenschaft als vorverfassungsmäßiger Träger von Staatsgewalt und Verfassungsgeber (sog. pouvoir constituant) in Betracht.341 Er unterscheidet die primäre, vom Verfassungsgeber und die sekundäre, vom verfassungsgemäßen Träger der Staatsgewalt (sog. pouvoir contitué) vermittelte Legitimation, die in ihrem Zusammenwirken das Legitimationsniveau herstellen.342 Legitimationsmodi sowohl auf primärer wie auf sekundärer Ebene sind die funktionelle, organisatorische, personelle, prozedurale und inhaltliche Legitimation. Sie können abstrakt oder konkret vermittelt werden. Gesteuert wird die Ausübung von Staatsgewalt, indem vorab bestimmt wird, welche Staatsfunktion (funktionell, hier: die vollziehende Gewalt) von welchem Funktionsorgan (organisatorisch, hier: die Kodex-Kommission) durch welchen Funktionswalter (personell, hier: die Kommissionsmitglieder) in welchem Verfahren (prozedural, hier: das Verfahren der Kodex-Erstellung) und mit welchem Inhalt (inhaltlich, hier: der Kodexinhalt) ausgeübt wird.343 Nach diesem Modell beschränkt sich die primäre Legitimation der Kodex-Kommission auf die funktionelle und inhaltliche Legitimation. Die vollziehende Gewalt, der die Kodex-Kommission angehört, ist im Grundgesetz konstituiert und damit vom Verfassungsgeber funktionell legitimiert.344 Die primäre inhaltliche 339 Die Kritik an der Legitimationskettendogmatik (vgl. oben in Fn. 241) ist hier wegen der Regierungsnähe der Kommission und der jederzeitigen Abberufbarkeit ihrer Mitglieder nicht einschlägig. 340 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 200 ff. 341 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 171 ff. Unterschiede zur „traditionellen Auffassung“ ergeben sich damit vor allem in der Begründung. Denn ob aus einer Verfassungsnorm primäre Legitimation oder die Rechtfertigung eines Defizits sekundärer Legitimation abgeleitet wird, wirkt sich auf das Ergebnis grundsätzlich nicht aus. 342 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 147 f. u. 157: „Primäre und sekundäre Legitimation bilden gleichsam zwei ,Legitimationssäulen‘, von welchen keine entbehrlich ist [ . . . ]“. 343 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 147, 149 ff. 344 Die nach Dederer bezogen auf die Verwaltung abstrakt erfolgt, Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 180.

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Legitimation erfolgt durch die Rahmenvorgaben des Grundgesetzes, insbesondere die Grundrechte und die Staatszielbestimmungen. 345 Sekundäre organisatorische, personelle und, begrenzt, auch prozedurale346 Legitimation erhält die Kodex-Kommission von der Bundesministerin der Justiz. Inhaltlich steuert die Ministerin die Kodex-Erstellung nur rudimentär durch das Erfordernis der inhaltlichen Ausgewogenheit und über das „negative“ Entscheidungsrecht des weisungsgebundenen Ministeriums.347 Berücksichtigt man, dass Dederer nur die prospektive Steuerung, nicht aber die retrospektive Steuerung der Ausübung von Staatsgewalt anerkennt348 und in Konsequenz den auf bereits ausgeübte Staatsgewalt bezogenen Kontrollfunktionen des Parlaments gegenüber der Regierung keine legitimatorische Wirkung beimisst, so beschränkt sich die parlamentsvermittelte sekundäre Legitimation349 auf die personelle Komponente. Die Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission spielt infolgedessen bei der Bestimmung des Legitimationsniveaus im Modell Dederers keine Rolle.350

III. Bestimmung des Soll-Niveaus Zur Bewertung des Ist-Niveaus der Kodex-Erstellung bedarf das Anforderungsprofil des Demokratieprinzips einer Konkretisierung. Nach allen Legitimationsmodellen ist das Soll-Niveau erreicht, wenn die staatliche Gewaltausübung durch das Zusammenwirken der jeweiligen Legitimationsmodi351 auf den Willen des Volkes rückführbar ist.352 Umstritten ist aber, welche Bedeutung dabei den einzelnen Modi zukommt, ob und wie sie sich gegenseitig substituieren und ergänzen können. Zur detaillierten Nachzeichnung der hierzu existierenden vielzähligen und facettenreichen Ansichten ist hier nicht der Raum. Vereinfachend soll zwischen einer statischen und einer dynamischen Bestimmung des Soll-Niveaus unterschieden werden.353 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 186 ff. Zur Regelung des Verfahrens durch die Bundesministerin der Justiz siehe oben 1. Kapitel § 4 B. IV. u. § 3 A. III. 347 Dazu oben 1. Kapitel § 3 A. III. 348 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 148 f. 349 Auf die es wohl entscheidend ankommt, vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 207 ff. 350 Dazu am Beispiel der Außenpolitik Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 222 f. 351 Zu Einzelheiten siehe oben 1. Kapitel § 7 A. II. 352 Dazu Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 53; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 148, der dafür aber nicht allein auf einen legitimationstheoretischen Zurechnungszusammenhang, sondern vielmehr auf eine effektive prospektive Steuerung abstellt. Vgl. auch oben 1. Kapitel § 7 A. 353 Zur Notwendigkeit einer Blockbildung im Zusammenhang mit der Legitimationsdogmatik siehe auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 141. Die Rechtsprechung entzieht sich einer eindeutigen Zuordnung, siehe dazu Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und 345 346

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1. Statisches Soll-Niveau Bei einer statischen Bestimmung des Soll-Niveaus wird aus dem Demokratieprinzip ein bestimmtes, feststehendes Maß an demokratischer Legitimation abgeleitet, das den Maßstab für alle staatliche Gewaltausübung bildet. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist dabei, ob und mit welcher Intensität das staatliche Handeln auf die Freiheits- und Gleichheitssphäre der Gewaltunterworfenen wirkt, ob die staatliche Entscheidung Binnen- oder Außenwirkung hat354 oder welcher politische Stellenwert ihr zukommt. Plakativ ausgedrückt, bedarf die Entscheidung über den Beitritt zur Europäischen Union der gleichen demokratischen Legitimation wie der Erlass eines Subventionsbescheids über die Gewährung eines Kleinstbetrages.355 So stringent wird dieser Ansatz nur von einigen Vertretern der traditionellen Auffassung verfolgt.356 Das Soll-Niveau leitet sich ihrer Ansicht nach allein aus Art. 20 Abs. 2 GG ab. Jede Unterschreitung dieses statischen „Einheitsniveaus“ erfordert eine verfassungsrangige Rechtfertigung.357 Zur Herstellung des „Einheitsniveaus“ können sich beide Legitimationsformen, die personelle und die sachlich-inhaltliche, gegenseitig ergänzen. Lücken des einen Legitimationsstrangs können durch entsprechende Verstärkung des anderen kompensiert werden.358 Ob sich die Legitimationsformen jedoch vollständig ersetzen können, ist umstritten.359 Überwiegend wird dieser Ansatz aber wegen der im Grundgesetz im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip normierten Funktionenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2) relativiert. Die verfassungsrechtlich vorgegebene Organisationsstruktur der staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 21 (zu den Voraussetzungen für die Akzeptanz minderer demokratischer Legitimation); Jestaedt, JuS 2004, 649 (651 ff.) (zur funktionalen Selbstverwaltung); ders., Der Staat 32 (1993), 29 (34 ff.) (zum Bagatellvorbehalt); Mehde, Demokratieprinzip, S. 175 f. (zum Bagatellvorbehalt); Musil, DÖV 57 (2004), 116 (120) (zur funktionalen Selbstverwaltung). 354 Anders BVerfGE 93, 37 (68 f.): „Die[ . . . ] Besonderheiten“ von Entscheidungen im internen Bereich von Regierung und Verwaltung „darf der Gesetzgeber bei der Verwirklichung des demokratischen Prinzips berücksichtigen, wenn er die Entscheidungsfindung für solche innerdienstlichen Maßnahmen regelt. Das demokratische Prinzip lässt es – in noch näher zu bestimmenden [ . . . ] Grenzen – zu, dass der Staat (einschließlich der Kommunen) seinen Beschäftigten eine – in gewissem Umfang auch mitentscheidende – Beteiligung zur Wahrung ihrer Belange und zur Mitgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen einräumt.“ 355 Zur Legitimationsbedürftigkeit auch der Leistungsverwaltung Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 36; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 256. 356 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 55 f.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 65 f.; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 31 ff. 357 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 64 f. 358 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 66 f. 359 Gegen die Zulässigkeit einer Totalsubstitution: Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 23; Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 329 f.; Mehde, Demokratieprinzip, S. 198 m. w. N. in Fn. 94; a.A. Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 67.

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jeweiligen Gewalten konkretisiert das Demokratieprinzip und wird so zum Maßstab für das Soll-Niveau demokratischer Legitimation.360 Das Soll-Niveau kann also „bei den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt im allgemeinen und der vollziehenden Gewalt im besonderen unterschiedlich ausgestaltet sein; innerhalb der Exekutive ist dabei auch die Funktionenteilung zwischen der für die politischen Gestaltung zuständigen, parlamentarisch verantwortlichen Regierung und der zum Gesetzesvollzug verpflichteten Verwaltung zu berücksichtigen.“ 361 Damit wird das Soll-Niveau erst in Abhängigkeit von der ausgeübten Staatsfunktion „statisch“ festgeschrieben. Bezogen auf die Verwaltung wird die hierarchisch strukturierte Ministerialverwaltung zum „maßstabssetzenden (Regel-)Modell demokratischer Legitimation“ 362. Jede administrative Organisationsform, die hinter dem von der Ministerialverwaltung vorgegebenen Soll-Niveau zurückbleibt, weist zugleich ein rechtfertigungsbedürftiges Legitimationsdefizit auf.363 Da die Ministerialverwaltung umfassend personell und materiell legitimiert ist,364 werden letztlich auch die gegenseitigen Kompensationsmöglichkeiten eingeschränkt und dienen nur mehr dazu, die Besonderheiten der verschiedenen Gewalten zu „erklären“.365

360 Das Bundesverfassungsgericht spricht von einer „gewaltenteilende[n] Demokratie“, BVerfGE 68, 1 (87). Siehe auch Badura, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 25 Rn. 28; Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 56 m. w. N. in Fn. 14; Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 337; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 287, 289; ders. Der Staat 35 (1996), 633 (636), wonach die gewaltengegliederte Ordnung der Verfassung „die Folie [ist], auf der das Gebot demokratischer Legitimation seine Wirksamkeit entfaltet“; Mehde, Demokratieprinzip, S. 199 ff.; weitere Nachweise, speziell auf die Administrative bezogen, sogleich in Fn. 362 und bei Hanebeck, DÖV 57 (2004), 901 (903) in Fn. 29. 361 BVerfGE 93, 37 (67). 362 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 366; ebenso Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 24; Bull, in: FS Bermbach, S. 241 (242, 247); Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 123 ff.; ders., in: Dreier, GG Bd. II, Art. 20 (Demokratie) Rn. 114; Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 337 ff.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 24 ff.; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 168; weitere Nachweise finden sich bei Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 247 in Fn. 247; unklar BVerfGE 93, 37 (67), wo das Gericht im Hinblick auf die sachlich-inhaltliche Legitimation verlangt, dass „die Amtsträger im Auftrag und nach Weisung der Regierung – ohne Bindung an die Willensentschließung einer außerhalb parlamentarischer Verantwortung stehenden Stelle – handeln können und die Regierung damit in die Lage versetzen, die Sachverantwortung gegenüber dem Volk und Parlament zu übernehmen“. 363 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 366 f.; Mehde, Demokratieprinzip, S. 199 ff.; Möllers, NVwZ 1997, 858 (860). 364 Vgl. dazu Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 337, 339 ff. 365 Vgl. unten 1. Kapitel § 7 A. IV. Sie beispielsweise Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 418 ff., der eine „Kompensation durch Legitimations-,Anleihe‘ bei der Judikative“ ablehnt. A.A. OVG Münster, NVWBl. 1996, 254 (256 ff.), nach dem eine intensive sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation die fehlende personelle Legitimation kompensieren kann.

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1. Kap.: Corporate Governance

2. Dynamisches Soll-Niveau Dederer verfolgt einen anderen, einen dynamischen Ansatz. Insbesondere wendet er sich – wie auch die Vertreter der pluralistischen Auffassung – gegen die These, dass sich aus dem Demokratieprinzip ein verfassungsnormativ unterfangenes Organisationsmodell in Form der Ministerialverwaltung ableiten lässt.366 Dadurch werde der Gestaltungsspielraum des Bundes im Bereich der Verwaltungsorganisation unzulässig verkürzt.367 Nach Dederer hängt das „gesollte“ Legitimationsniveau nicht allein von der ausgeübten Staatsfunktion, sondern insbesondere von deren Wesentlichkeit ab.368 Die Wesentlichkeit beurteilt sich – angelehnt an die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts369 – im Lichte der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen, wozu Dederer vor allem die Prinzipien der demokratischen Gleichheit, der demokratischen Repräsentation und der Gewaltenteilung sowie der Grundrechte zählt.370 Damit wird das Soll-Niveau vom Grundgesetz nicht abstrakt festgeschrieben, sondern in Relation zur Art und Intensität staatlicher Gewaltausübung gebracht. Für denselben Amtswalter können also, abhängig von seiner jeweiligen Tätigkeit, unterschiedliche legitimatorische Anforderungen gelten.

366 Unklar ist der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage. Vgl. BVerfGE 9, 268 (281 ff.); 83, 130 (150), einerseits und BVerfGE 83, 60 (71 f.); 93, 37 (67), andererseits. 367 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 247. 368 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 162. Vgl. auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 601 f., der ein „graduell unterschiedliches Legitimationsniveau[ . . . ] und zwar in Abhängigkeit von dem Grad der Auswirkungsrelevanz der Herrschaftsbetätigung“ vorschlägt. Ähnlich auch Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (367); Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 20 f. Ein vergleichbarer Ansatz findet sich auch in der „Theorie der abgestuften Stringenz“ von Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse und verfassungsrechtliches Demokratiegebot, S. 31 – 56; ablehnend Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 38; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 230. 369 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 33, 125 (158 f. u. 163); 33, 303 (346); 34, 52 (60); 34, 165 (192 f.); 40, 237 (249 f.); 41, 251 (259 f.); 45, 400 (417 f.); 47, 46 (78 ff.); 48, 210 (221); 49, 89 (126); 58, 257 (268 ff.); 61, 260 (275); 83, 130 (142); 95, 267 (307 f.); 98, 218 (251 f.); ausführlich dazu Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 41 ff. 370 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 649; vgl. die ähnliche Formulierung des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Entwicklung seiner Wesentlichkeitsrechtsprechung, BVerfGE 49, 89 (127): „In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in ersten Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen.“

§ 7 Demokratische Legitimation

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3. Stellungnahme: Die Wesentlichkeitstheorie als „Konstante“ des Soll-Niveaus Dederer verknüpft in seiner rekonstruierten Legitimationsdogmatik das SollNiveau mit der Wesentlichkeitstheorie371 des Bundesverfassungsgerichts. Da seiner Ansicht nach das parlamentarische Gesetz das zentrale Steuerungsinstrument und damit das zentrale Instrument zur Vermittlung sekundärer Legitimation ist,372 kommt er weitgehend zu gleichen Ergebnissen wie die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,373 die auch von den Anhängern des traditionellen Demokratieverständnisses nicht abgelehnt wird.374 Nach der Wesentlichkeitstheorie ist „der Gesetzgeber verpflichtet [ . . . ], – losgelöst vom Merkmal des ,Eingriffs‘ – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.“375 Die Wesentlichkeitstheorie gibt als Ausfluss der demokratischen Komponente des demokratisch-rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts376 das Erfordernis eines Gesetzes und dessen Regelungsdichte in Abhängigkeit von der Wesentlichkeit der ausgeübten Staatsgewalt zwingend vor. Damit aber wird eine „Variable“ der „Legitimationsberechnung“ verbindlich festgelegt.377 Ein Verstoß gegen den (zum Parlamentsvorbehalt ausgebauten) Gesetzesvorbehalt ist weder der Kompensation noch der Rechtfertigung zugänglich.378 Die Wesentlichkeitstheorie beinhaltet bereits einen Ausgleich gegenläufiger Verfassungsprinzipien, nämlich des Demokratieprinzips und des im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Grundsatzes der Gewaltenteilung. 379 Lediglich im „nicht wesentlichen“ Bereich unterscheiden sich daher die traditionelle Ansicht und die Auffassung Dederers. Denn nach Dederer genügen im „nicht Vgl. oben in Fn. 369. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 215. 373 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 217, 219. 374 Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 68 ff.; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 20 VI. Rn. 85; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 309, 355 f., 357. 375 BVerfGE 49, 89 (126). 376 Zur demokratischen Komponente des Gesetzesvorbehalts vgl. BVerfGE 105, 279 (303 ff., insbes. 305), und nicht ausdrücklich benannt, aber gut erkennbar in BVerfGE 98, 218 (251 f.); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 217; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, S. 33 Rn. 66; Möllers, NVwZ 1997, 858 (859); ausführlich Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 35 ff. u. 59 f. 377 Siehe auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 265, 297, nach dem die sachlichinhaltliche Legitimation durch Gesetz auch mit den Kategorien des Vorranges und des Vorbehaltes des Gesetzes erfasst werden kann. 378 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 219. 379 Aus der vom Grundgesetz angeordneten Gewaltenteilung wird gerade auch die institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation der Verwaltung abgeleitet, vgl. BVerfGE 49, 89 (125 ff.); 68, 1 (88); Jestaedt, Der Staat 35 (1996), 633 (636). Siehe auch oben in Fn. 360. 371 372

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1. Kap.: Corporate Governance

wesentlichen“ Bereich grundsätzlich die personelle Legitimation und die sachlichinhaltliche Legitimation, vermittelt durch die parlamentarischen Kreations- und Budgetbefugnisse, den Anforderungen des Demokratieprinzips.380 Nach traditionellem Demokratieverständnis sind auch Legitimationsdefizite im „nicht wesentlichen“ Bereich rechtfertigungsbedürftig, da die Wesentlichkeit der staatlichen Entscheidung keinen Faktor bei der Bestimmung des Soll-Niveaus darstellt. Auch im „nicht wesentlichen“ Bereich muss daher eine sachlich-inhaltliche Steuerung durch Gesetz oder durch Weisung erfolgen. Zur Bestimmung der „Konstanten“ des Soll-Niveaus bedarf es in jedem Fall der Ermittlung der nach der Wesentlichkeitstheorie erforderlichen gesetzlichen Regelungsdichte (4.). 4. Gesetzliche Regelungsdichte für die Kodex-Erstellung Dass der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Prinzip auch für Informationstätigkeit der Regierung und ihr nachgeordneter Behörden und damit auch für nichtkonditionales, unverbindliches Handeln mit allenfalls faktisch-mittelbarer Auswirkung auf den Bereich der Grundrechtsausübung gilt, hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt ausdrücklich festgestellt.381 Allerdings hat es die Anforderungen an das „Vorbehaltsgesetz“ deutlich reduziert und hält bereits eine formell-gesetzliche oder verfassungsunmittelbare382 Aufgabenzuweisung bei faktisch-mittelbaren Grundrechtseingriffen für ausreichend. Dies ist bezogen auf die oben dargestellte Formel der Rechtsprechung konsequent. Ausschlaggebend für die verminderten Anforderungen an die gesetzliche Regelungsdichte383 war „vor allem“384, dass sich bei faktisch-mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen gerade die Entscheidung der grundrechtswesentlichen Fragen einer Normierung385 entzieht.386 Denn 380 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 219; dies deutet auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 307, an. 381 BVerfGE 105, 279 (303); zur (parallelen) Ausdehnung von Grundrechtsschutz und Gesetzesvorbehalt vgl. BVerfGE 49, 89 (126) m. w. N.; 105, 279 (303); Berberich, DRSC-Framework, S. 139 ff. 382 Nach traditionellem Demokratieverständnis kann eine verfassungsunmittelbare Aufgabenzuweisung allein institutionelle bzw. funktionelle Legitimation vermitteln, die grundsätzlich nicht zum Ist-Niveau beitragen, s. o. 1. Kapitel § 7 A. II. 1.; anders Dederer, Korporative Staatsgewalt, passim, insbes. S. 171 ff., der darin eine Vermittlung primärer demokratischer Legitimation durch den Verfassungsgeber erblickt. 383 Dazu insbesondere BVerfGE 83, 130 (152). 384 Vgl. BVerfGE 105, 279 (305): „Ungewiss sind auch und vor allem die Wirkungen und weiteren Folgen der staatlichen Informationstätigkeit für den Bürger.“ (Hervorhebungen nicht im Original), vgl. dazu auch die allgemeineren Ausführungen ebenda, S. 304. 385 Vgl. oben in Fn. 178. 386 Zu dem Erfordernis, dass der Bereich der Grundrechtsausübung einer Normierung zugänglich sein muss oben, 1. Kapitel § 7 A. III. 3. und insbesondere BVerfGE 49, 89 (126); 105, 279 (304). Kritisch zu dieser Behauptung Rupp, in: FS Häberle, S. 731 (740 f.).

§ 7 Demokratische Legitimation

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die grundrechtsrelevante Wirkung staatlichen Handelns hängt vom Verhalten Dritter ab, das auf freier Willensentschließung beruht. Dieses ist „regelmäßig nicht abschätzbar [ . . . ] und hinsichtlich seiner Folgen nur schwer kalkulier[bar]“ 387. Das im Demokratieprinzip wurzelnde Anliegen des Gesetzesvorbehalts, „für die Verwirklichung der Grundrechte wesentliche[ . . . ] Fragen aus Gründen der demokratischen Legitimation wenigstens in den Grundzügen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorzubehalten“388, würde eine gesetzliche Ermächtigung zwangsläufig verfehlen.389 Gleiches gilt für die Kodex-Empfehlungen.390 Eine denkbare Grundrechtsbeeinträchtigung läge grundsätzlich391 nicht in dem staatlicherseits empfohlenen Verhalten, von dem die Normadressaten ohne Weiteres abweichen können, sondern allenfalls in einem auf freier Entscheidung beruhendem Verhalten Dritter, die z. B. die Kodex-Standards ihrem Anlageverhalten zu Grunde legen.392 Gegen die Geltung des Gesetzesvorbehalts spricht außerdem die Dynamik des zu regelnden Sachbereichs.393 Die Schaffung einer Deutschen Corporate Governance zielt auf inländische und ausländische Investoren ab, die sich oftmals an internationalen oder transnationalen Standards orientieren. Dieser enge Bezug zur globalen Corporate Governance-Entwicklung macht eine kontinuierliche Fortschreibung auch der deutschen Corporate Governance-Standards erforderlich.394 Um aber auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren, ist die Exekutive institutionell und auf Dauer besser ausgerüstet als der Gesetzgeber.395 Vergleichbar hat das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Normkonkretisierung durch die Exekutive im Atomrecht argumentiert.396

BVerfGE 105, 279 (305). BVerfGE 105, 279 (305). 389 Vgl. dazu auch von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 38 ff.; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (537 f.). 390 Im Ergebnis ebenso Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1936). 391 Zur Ausnahme bezüglich der Empfehlung zur individualisierten Veröffentlichung der Vergütungen von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern vgl. oben 1. Kapitel § 6 D. 392 Dies wäre ohne die Verpflichtung zur Abgabe eine Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG unwahrscheinlich, da sich die Anleger in diesem Fall nur schwer ein Bild von der Corporate Governance des Unternehmens und der Einhaltung der Kodex-Empfehlungen durch das Unternehmen machen könnten. Zur Grundrechtsbeeinträchtigung durch den Kodex siehe ausführlicher oben 1. Kapitel § 6. 393 Dazu Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 65. 394 Dazu oben unter 1. Kapitel § 3 B. 395 Vgl. zur „funktionsgerechten Organisation“ BVerfGE 68, 1 (86); 98, 218 (251 f.); siehe auch BVerfGE 49, 89 (139 f.), bezüglich der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung im Atomrecht; Horn, AöR 127 (2002), 427 (447 f.); Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 65; von Danwitz, Der Staat 35 (1996), 328 ff. 396 BVerfGE 49, 89 (139 f.); vgl. dazu auch Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 91 f. 387 388

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1. Kap.: Corporate Governance

Nach allem genügt eine verfassungsunmittelbare oder einfachgesetzliche Aufgabenzuweisung den Anforderungen des Demokratieprinzips. Im Übrigen muss das Soll-Niveau durch die anderen Legitimationsmodi hergestellt werden.

IV. „Ist-Soll-Vergleich“ Nach allen Modellen genügt die Bestellung der Kommissionsmitglieder den demokratischen Anforderungen an die personelle Legitimation. In sachlich-inhaltlicher Hinsicht ist dem im Demokratieprinzip verwurzelten Vorrang normativer gesetzlicher Steuerung, denn nur so kann das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für alle wesentlichen Entscheidungen verstanden werden, Genüge getan, soweit dies aus tatsächlichen Gründen möglich war. Denn die vom gewaltenteilenden Demokratieprinzip397 allein geforderte gesetzliche Aufgabenzuweisung ist in Art. 62 ff. GG (bezüglich der Aufgabe der Staatsleitung durch die Regierung)398 und in § 161 AktG399 (bezüglich der [Mit-]Entscheidung der KodexKommission) enthalten. Dennoch fällt die sachlich-inhaltliche Legitimation insgesamt schwach aus. Nach dem stringent statischen Soll-Niveau400 müssen nach dem Gesetz verbleibende Handlungs-, Wertungs- und Ermessensspielräume des einzelnen Amtswalters dem ministeriellen Weisungszugriff unterliegen.401 Denn nur so könne sichergestellt werden, dass die Einzelentscheidung des Amtswalters, mit der er die verbleibenden Regelungsspielräume inhaltlich ausfüllt, auf den Willen des Volkes rückführbar ist.402 Daran gemessen ist die sachlich-inhaltliche Komponente defizitär.403 Der Kodex-Kommission stehen bei der Kodex-Erstellung erhebliche Wertungs- und Ermessensspielräume zu, da die Aufgabenstellung einen „gesetzesfreien Raum“ betrifft. Dennoch handelt die Kommission nach dem Auftrag der Bundesjustizministerin eigenverantwortlich und ist von Weisungen freigestellt. Nach dem relativ statischen Soll-Niveau404 ergibt sich das gleiche Bild. Die Kodex-Kommission ist eine der Regierung nachgeordnete Stelle,405 ihr Ist-Niveau Vgl. BVerfGE 68, 1 (87). BVerfGE 105, 279 (304 ff.). 399 Vgl. aber oben in Fn. 194. 400 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 1. 401 Zum korrelativen Zusammenhang zwischen Gesetz und Weisungsgewalt siehe BrosiusGersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 99 m. w. N. in Fn. 42. 402 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 98 ff., insbes. S. 100. 403 Vgl. auch BVerfGE 49, 89 (125); 68, 1 (89), wo das Gericht im Zusammenhang mit der Zulässigkeit gesetzlich nicht geregelter Exekutivtätigkeiten die verbleibenden Kontrollund Budgetrechte des Parlaments betont. 404 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 1. 397 398

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ist damit am statischen Soll-Niveau der Ministerialverwaltung zu messen.406 Es erfolgt jedoch weder eine signifikante inhaltliche Steuerung durch die – die Verwaltung prägende – strikte Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG), noch ist die Kodex-Kommission an die ministerielle (Einzel-)Weisung, den „identitätsbestimmenden Steuerungs- und Legitimationsfaktor[ . . . ] der ministerial organisierten Verwaltung“407, gebunden.408 Die inhaltlich-sachliche Legitimation der Kodex-Erstellung durch die Kodex-Kommission bleibt folglich hinter dem Regelniveau der Ministerialverwaltung zurück.409 Nach der von Dederer rekonstruierten Legitimationsdogmatik entfällt eine parlamentsvermittelte inhaltliche Steuerung vollständig. Denn die retrospektiv wirkenden Kontrollrechte des Parlaments können nach Dederer keine legitimatorische Wirkung entfalten.410 Sie geben dem Parlament nicht das Recht, (im Voraus) über den Inhalt der Staatsgewalt zu entscheiden,411 sondern verweisen es auf nachträgliche Sanktionsmöglichkeiten. Die in § 161 AktG enthaltene Aufgabenzuweisung lässt sich allenfalls als parlamentsvermittelte organisatorische Steuerung einstufen. Auch das parlamentarische Budgetrecht kann keine legitimationsstiftende Wirkung entfalten, da für die Kodex-Erstellung keine staatlichen Mittel benötigt werden. Obwohl den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie genügt wurde, ist die sekundäre Legitimation auch nach der Legitimationsdogmatik Dederers defizitär. 1. Horizontale Kompensation Insbesondere bei einer statischen Soll-Niveau-Bestimmung ist fraglich, ob das festgestellte sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit durch eine entsprechende Verstärkung der personellen Legitimation ausgeglichen werden kann.412 Stellt man 405 Als der Regierung nachgeordnete Stelle ist die Kodex-Kommission der Verwaltung, im Speziellen dem Ressort der Bundesjustizministerin zuzuordnen, auch wenn sie allein die Regierung in ihrer staatsleitenden Funktion unterstützt, vgl. Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 68 Rn. 30 und Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 31 f., 42, 123. 406 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 1. 407 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 417. 408 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 294 (zum legitimatorischen Regelniveau der Administrativen), S. 345, 417 (zur [Einzel-]Weisung als Hauptsteuerungsinstrument); Mehde, Demokratieprinzip, S. 201 ff. (zur „Ministerialverwaltung als Regeltypus“). 409 Siehe auch Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 337, 339 ff., der die Ministerialverwaltung als „personell und materiell umfassend legitimierte Erscheinungsform der Staatsgewalt“ bezeichnet. 410 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 148 f., 222 f. 411 Dazu auch BVerfGE 49, 89 (124 ff.), das die „Entscheidungskompetenz“ von den parlamentarischen Kontroll- und Haushaltskompetenzen klar unterscheidet. 412 So z. B. Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 67, bezüglich des Parlaments, welches einer sachlich-inhaltlichen Legitimation vollständig entbehrt.

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1. Kap.: Corporate Governance

allein auf die ununterbrochene Kette von Bestellungsakten ab,413 so liegt diese entweder vor oder nicht.414 Wenig sinnvoll erschiene es, die personelle Legitimation linear mit der Zunahme zwischengeschalteter Bestellungsakte abnehmen zu lassen. Lediglich die unmittelbar vom Volk gewählten Parlamentsmitglieder besitzen daher eine erhöhte personelle Legitimation.415 Allein die jederzeitige Revozierbarkeit der Personalentscheidung lässt dagegen die personelle Legitimation des Kollegialgremiums nicht in einem Maße erhöht erscheinen, dass damit das sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit kompensiert werden könnte. Dadurch geht sie nämlich nicht entscheidend über das in der Ministerialverwaltung typische personelle Soll-Niveau hinaus, da die Bestellung das Kernelement der personellen Legitimation ist.416 Gerade im oberen Bereich der Verwaltungshierarchie ist – wie ein Blick auf den (weisungsgebundenen) „politischen Beamten“ zeigt – die jederzeitige Abberufbarkeit von Funktionswaltern nicht untypisch.417 Nach traditionellem Demokratieverständnis weist die Kodex-Erstellung durch die Kodex-Kommission also insgesamt ein defizitäres Ist-Niveau auf, welches nur im Wege verfassungsrangiger Rechtfertigung kompensiert werden kann.418

413 Nach der herrschenden Auffassung ist bei einer ununterbrochenen Kette von Bestellungsakten „uneingeschränkte“ oder „volle“ Legitimation gegeben, die schon nach der Begrifflichkeit einer Steigerung nicht zugänglich scheint, vgl. BVerfGE 93, 37 (67 f.); 107, 59 (88); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 23, der bei sachlicher Unabhängigkeit von Amtswaltern jedenfalls „volle“ personelle Legitimation fordert, die bei einer ununterbrochenen Legitimationskette (Rn. 16) vorliegt; Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 54, für die es allein auf die ununterbrochene Legitimationskette ankommt; ähnlich Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 233, der keinen Spielraum bei der personellen Legitimationskomponente im Sinne der herrschenden Legitimationsdogmatik erkennt; für Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 381, stellt die Bestellung den Kern personell-demokratischer Legitimation dar. A.A. wohl Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 87, der Weisungsfreiheit (jedenfalls nur) bei Zeitbestellung oder jederzeitiger Abberufbarkeit der zuständigen Amtswalter für zulässig hält. 414 Unberücksichtigt soll dabei das Problem der nur teilweise mit personell legitimierten Funktionswaltern besetzten Kollegialgremien bleiben – dazu insbesondere BVerfGE 93, 37 (67 f.) – da alle Kommissionsmitglieder von der Bundesjustizministerin bestellt wurden. 415 So auch Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 67; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 291 f. 416 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 381. 417 §§ 31, 32 BRRG, §§ 36 – 40 BBG; dazu Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 68 Rn. 30. 418 Wie hier Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 20 f.; ders., Das Kollegialprinzip, S. 362 bezogen auf (in der Regel weisungsfreie) Kollegialgremien in der Verwaltung; Sommermann, Gremienwesen, S. 13, der die demokratische Legitimation weisungsfreier Gremien jedenfalls als gelockert ansieht; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 168 bezogen auf ministerialfreie Räume. Vgl. auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 141 f. bezogen auf (in der Regel weisungsfreie) korporative Staatsgewalt u. S. 232 f. bei Wegfall sowohl der Weisungsabhängigkeit und der Gesetzesbindung zur gleichen Zeit.

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2. Vertikale Kompensation Nach Dederer besteht die Möglichkeit, die defizitäre sekundäre Legitimation durch primäre Legitimation auszugleichen.419 Primäre funktionelle Legitimation erhält die Verwaltung durch die Funktionenteilung des Grundgesetzes. Sie ist danach zuvörderst zum Gesetzesvollzug legitimiert. Dieser umfasst aber auch rechtsschöpferische Tätigkeiten durch Entwicklung eigener rechtlicher Maßstäbe, wenn die Gesetze lückenhaft, unbestimmt, mehrdeutig oder sogar widersprüchlich sind.420 Sogar „gesetzesfreie“ Verwaltung wird von der grundgesetzlichen Funktionenteilung zugelassen, solange der im Demokratieprinzip wurzelnde Vorrang normativer gesetzlicher Steuerung nicht verletzt wird.421 So hat auch das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass „[d]ie verfassungsgebende Gewalt [ . . . ] in Art 20 Abs. 2 und 3 GG auch die Exekutive als verfassungsunmittelbare Institution und Funktion geschaffen [hat] [ . . . ] Das aber schließt es aus, aus dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie einen Vorrang des Parlaments und seiner Entscheidungen gegenüber den anderen Gewalten als einen alle konkreten Kompetenzzuordnungen überspielenden Auslegungsgrundsatz herzuleiten.“422 Die in Art. 20 Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten zielt auch darauf ab, „dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“.423 Primäre inhaltliche Legitimation geht bei „gesetzesfreier“ Verwaltung von den Grundrechten in ihrer Dimension als objektive Grundsatzentscheidungen und den Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes aus. Zusammen können diese primäre funktionelle und inhaltliche Legitimation kompensatorisch wirken, wenn nicht eine unmittelbare parlamentsvermittelte Steuerung im Sinne der Wesentlichkeitstheorie erforderlich ist.424 Die Kodex-Erstellung betrifft einen nach der Wesentlichkeitstheorie nicht zwingend gesetzlich zu regelnden Bereich.425 Die lückenhafte sekundäre Steuerung kann daher durch die primäre Steuerung ausgeglichen werden. Das insgesamt geringe Steuerungsniveau ist deswegen demokratieverträglich, weil die Kodex-ErGegen eine solche Möglichkeit Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 277. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 224 ff. m. w. N. 421 Dazu oben 1. Kapitel § 7 A. III. 3., 4. u. IV. 1. 422 BVerfGE 49, 89 (125 f.). 423 BVerfGE 68, 1 (86); 98, 218 (251 f.); dazu auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 225 und, unter dem Stichwort „funktionsgerechte Organstruktur“, Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 32; Horn, AöR 127 (2002), 427 (447 f.); Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 49; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 84 f.; von Danwitz, Der Staat 35 (1996), 329. 424 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 226. 425 Dazu oben 1. Kapitel § 7 A. III. 4. 419 420

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stellung einen „nicht wesentlichen“ Bereich betrifft und infolgedessen bereits das Soll-Niveau nicht sonderlich hoch anzusiedeln ist.426 Nach dem Modell Dederers ist ein rechtfertigungsbedürftiges Legitimationsdefizit in Bezug auf die Kodex-Erstellung durch die Kodex-Kommission nicht festzustellen.427 V. Rechtfertigung des Legitimationsmangels Nach traditionellem Demokratieverständnis bedarf es einer verfassungsrangigen Rechtfertigung428 für die (negative) Abweichung429 des Ist-Niveaus vom Soll-Niveau. Als ausschlaggebend für das Defizit an sachlich-inhaltlicher Legitimation wurde die Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission herausgearbeitet,430 während das Fehlen parlamentsgesetzlicher Ziel- und Inhaltsbestimmungen dem gewaltenteilenden Demokratieprinzip nicht zuwiderläuft.431 Rechtfertigungsbedürftig ist also gerade die Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission.432 Die Freistellung von der konkreten Einzelfachweisung der übergeordneten Administrativeinheit ist zugleich das wesentliche Definitionsmerkmal 433 der sog. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 162 und oben 1. Kapitel § 7 A. III. 2. Eine andere Frage ist jedoch, ob die Entscheidung der Ministerin über die Bildung, Errichtung und Einrichtung der Kodex-Kommission hinreichend demokratisch legitimiert ist, denn die Partizipation Privater stellt nach Dederer eine demokratiewesentliche Entscheidung dar und muss daher auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 251 f. Diese Frage soll hier getrennt im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Organisation untersucht werden. Siehe dazu unten 1. Kapitel § 8 und speziell zum Dedererschen Modell 1. Kapitel § 8 B. Das an dieser Stelle gewonnene Ergebnis steht somit noch unter einem Vorbehalt. 428 Dazu oben 1. Kapitel § 7 A. bei Fn. 251. 429 Dazu oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 1. 430 Dazu oben 1. Kapitel § 7 A. II. 1. b) bb) u. IV. 431 Dazu oben 1. Kapitel § 7 A. III. 3., 4. u. IV. 2. 432 Zwar lässt sich aus der Wesentlichkeitstheorie nicht der Umkehrschluss ziehen, dass in „nicht wesentlichen“ Bereichen eine gesetzliche Regelung nicht erfolgen darf. Auch in nicht wesentlichen Bereichen steht dem Parlament ein Zugriffsrecht zu, soweit es sich nicht um einen exekutivischen Kernbereich handelt (dazu BVerfGE 67, 100 [139]; 68, 1 [87], bezogen auf die interne Willensbildung und die außenpolitischen Kompetenzen der Regierung; BayVGH, DVBl. 101 [1986], 233 [234], bezüglich der internen Willensbildung der gesamten Exekutive; vgl. auch Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 54). Doch rechtfertigt sich die Untätigkeit des Gesetzgebers aus dem gegenläufigen Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung und dem darin enthaltenen Grundsatz funktionsgerechter Organisation. Die danach verbleibenden Handlungs- und Ermessensspielräume der Verwaltung werden grundsätzlich durch das umfassende Weisungsrecht der Exekutivspitze gesteuert. Fehlt dieses, so bedarf es gerade hierfür einer verfassungsimmanente Rechtfertigung. 433 Umstritten ist dagegen, ob der Begriff „ministerialfreie Räume“ allein weisungsfreie Stellen der unmittelbaren oder auch solche der mittelbaren Staatsverwaltung, insbesondere die kommunale und funktionale Selbstverwaltung, bezeichnet. Zu dieser hier nicht interessierenden Kontroverse Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 104; Mehde, Demokratieprinzip, S. 370 jeweils m. w. N. 426 427

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„ministerialfreien Räume“,434 die bereits seit geraumer Zeit einen Gegenstand verfassungsrechtlicher Kontroverse bilden.435 Eine verfassungsrangige Rechtfertigung436 für „ministerialfreie Räume“ findet sich im Grundgesetz explizit nur in Art. 114 Abs. 2 GG für den Bundesrechnungshof, in Art. 87 f. Abs. 2 GG für Dienstleistungen im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation437 und in Art. 88 GG a.F. für die Deutsche Bundesbank.438 Im Übrigen hat es eine Vielzahl von Rechtfertigungsversuchen439 gegeben, um „ministerialfreie“ Räume auch in anderen Sachgebieten zuzulassen.440 Nicht durchsetzen konnten sich diejenigen Theorien, die „ministerialfreie“ Räume generell für zulässig erklärt haben.441 Prominentestes Beispiel ist die von Klein begründete Verzichtstheorie,442 nach der das Parlament durch Gesetz auf seine Steuerungsmacht verzichten könne. Damit würde dem Parlament eine Dispositionsbefugnis über seine eigene Steuerungsmacht zugesprochen. Das widerspricht aber der demokratiesichernden Komponente des Verantwortlichkeitsprinzips. Aus 434 Zur Vielfalt der „ministerialfreien Räume“ in der Rechtswirklichkeit vgl. die Auflistung bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 114; Müller, JuS 1985, 497 (500 ff.); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 86 Rn. 16. 435 Dazu BVerfGE 9, 268 (282); 83, 130 (150); Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 103 – 126; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 134 ff. m. w. N. in Fn. 52 – 54; Dahlgrün, in: FS 25 Jahre Speyer, S. 317; Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 357 ff.; Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297; Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. IV, Art. 65 Rn. 91 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 102 – 115; Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes; Loening, DVBl. 69 (1954), 173; Mehde, Demokratieprinzip, S. 369 ff.; Müller, JuS 1985, 497; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 41 m. w. N. in Fn. 115; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 9 – 179. 436 Zu den zahlreichen, mit unterschiedlichen Ansätzen konstruierten Rechtfertigungsversuchen der ministerialfreien Verwaltung vgl. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 308, 135 f. Fn. 54; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 17 ff. mit weiteren Nachweisen, 168 ff. zum eigenen Rechtfertigungsansatz. 437 Dazu Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 61 f. 438 Vgl. dazu Jestaedt, Der Staat 35 (1996), 633 (637). 439 Insgesamt kritisch zu diesen Ansätzen Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 142; Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 81 IV 1 Rn. 195 f. 440 Dazu ausführlich Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 55 ff., die in Bezug auf die unterschiedlichen dogmatischen „Hintergründe“ zu Recht ausführt, dass es im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob man in einer Verfassungsnorm eine Rechtfertigung für eine Differenz zwischen Ist-Niveau und Soll-Niveau erblickt oder ob man sie zur Begründung eines auf das Ist-Niveau herabgesenkten Soll-Niveaus heranzieht (S. 60); Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 19 ff. 441 Das ist die unvermeidliche Konsequenz, wenn man das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit und damit die unbeschränkte Weisungsbefugnis der Exekutivspitze für ein unverzichtbares Element der Legitimationsvermittlung hält, vgl. auch Kluth, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 81 VII 4 Rn. 274. 442 Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes.

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ihr folgt, dass die parlamentarischen Kontrollrechte nicht nur die Interessen des Parlaments, sondern auch die Interessen des Volkes als Träger aller Staatsgewalt schützen.443 Noch weniger kann sich die Exekutive selbst – sei es durch Organisationsakt der Bundesregierung oder irgendeines anderen Bestandteils der Exekutive – aus dem Prinzip der (sanktionierten) Verantwortlichkeit frei zeichnen.444 Aber auch Rechtfertigungsansätze, die „ministerialfreie“ Verwaltung beispielsweise aufgrund ihrer besonderen Sach- und Entscheidungsstrukturen (Sachkunde der Entscheidungsberufenen, Sachgesetzlichkeit, Effektivität, Neutralität oder „Natur der Sache“) oder ihrer Strukturähnlichkeit zur Rechtsprechung445 punktuell für zulässig erklärt haben, sind vielfach kritisiert worden.446 Zutreffend ist dagegen vorgebracht worden, dass Kriterien wie Effektivität oder Entscheidungsrichtigkeit zwar gemeinwohlfördernd sein können, bei einer input-orientierten Betrachtungsweise447 aber nicht zum Legitimationsniveau beitragen und auch in dieser Allgemeinheit keine eigenständigen Werte von Verfassungsrang verkörpern.448 Der Hinweis auf die Neutralität sachverständiger Entscheidungen passt zumindest auf plural zusammengesetzte Gremien nicht und scheint auch im Übrigen überholt.449 Denn selbst Entscheidungen auf naturgesetzlicher Basis enthalten stets auch wertende Elemente.450 Auch ein Vergleich mit der Judikative vermag die Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission nicht zu rechtfertigen, denn die Kodex-Kommission übt keine Kontrollfunktion aus.451

443 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 117; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 26. 444 Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. IV, Art. 65 Rn. 99; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 83 in Bezug auf „allgemeine Aufgaben“, also Aufgaben mit Bedeutung für die Allgemeinheit und das Staatsganze. Ausführliche Zurückweisung des Verzichtsgedankens bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 347 ff.; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 25 ff. 445 So Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 24; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 94 ff.; Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 365. 446 Siehe dazu insbesondere Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 166 ff. 447 Zur Relevanz eines gemeinwohlfördernden Outputs für die demokratische Legitimation vgl. ausführlich unten 1. Kapitel § 7 B. 448 Dazu Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 180 ff.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 166 f.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 587 ff. 449 Ebenso Möllers, Gewaltengliederung, S. 122 m. w. N. in Fn. 154. 450 Dazu Brohm, in: Isensee / Kirchhof, HStR II, § 36 Rn. 13 f.; Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 120; Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 29; Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (418); Schwab, BB 1999, 731; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 24 f. 451 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 94 ff.; ablehnend Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 121 ff.; Jesteadt, Kondominialverwaltung, S. 418 ff.

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Ein weiterer Ansatz beruft sich auf die Verfahrens- und Organisationskomponente von Grundrechten.452 Die Religions-, Rundfunk-, Wissenschafts-, Kunstund Vereinigungsfreiheit sollen teilweise eine gruppenpluralistische Organisation administrativer Entscheidungseinheiten zulassen oder sogar „einfordern“.453 Die Weisungsfreiheit des Gremiums spielt dabei für die Verwirklichung des Grundrechtsschutzes durch Organisation eine entscheidende Rolle.454 Doch werden die genannten Grundrechte von den Entscheidungen der Kodex-Kommission nicht berührt. Auch andere Grundrechte werden nicht in typisierter Weise durch den Kodex beeinträchtigt. 455 Selbst bei Ausdehnung dieses Ansatzes auf weitere Grundrechte456 wäre also ein institutionalisierter Grundrechtsschutz nicht erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat zu „ministerialfreien Räumen“ bisher nur in einer Entscheidung Stellung genommen und ihre Zulässigkeit von der politischen Tragweite der Aufgabe abhängig gemacht.457 Dies geschah jedoch lange vor der Entwicklung der traditionellen Legitimationsdogmatik.458 So hat das Gericht auch in seiner späteren Entscheidung zum Mitbestimmungsrecht in Schleswig-Holstein ausgeführt, dass eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation voraussetzt, „dass die Amtsträger im Auftrag und nach Weisung der Regierung – ohne Bindung an die Willensentschließung einer außerhalb parlamentarischer Verantwortung stehenden Stelle – handeln können und die Regierung damit in die Lage versetzen, die Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zu übernehmen.“459 Dabei hat es sein früheres Urteil in Bezug genommen, ohne die Zulässigkeit einer weisungsfreien Stelle bei fehlender politischer Tragweite der Aufgabe zu erwähnen.460 452 Ausführlich dazu Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (80 ff.); Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 117 ff. A.A. Jestaedt, Der Staat 35 (1996), 633 (637); Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 29 f., 108 ff. m. w. N. 453 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 224 f.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 587; Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 132 ff. 454 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 225 ff. 455 Vgl. oben 1. Kapitel § 6 E. 456 So BVerfGE 111, 191 (216 ff., insbes. 221), zur Beeinträchtigung der Berufsfreiheit durch die Satzung einer funktionalen Selbstverwaltungskörperschaft. 457 BVerfGE 9, 268 (281 ff.). Ohne dass es entscheidungserheblich war, hat das Bundesverfassungsgericht die Weisungsfreiheit der Bundesprüfstelle unter Bezugnahme auf dieses Urteil mangels politischer Tragweite ihrer Entscheidungen für mit dem Demokratieprinzip vereinbar erklärt, BVerfGE 83, 130 (150). 458 Dazu BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az: 2 BvF 2 / 89, 2 BvF 6 / 89, BVerfGE 83, 37 – Kommunales Ausländerwahlrecht Schleswig-Holstein; BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az: 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60 – Ausländerwahlrecht zu hamburgischen Bezirksversammlungen; BVerfG, Beschluss vom 24. 5. 1995, Az: 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37 – Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein. 459 BVerfGE 93, 37 (67) (Hervorhebung nicht im Original). 460 Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (36), hält den „Vorbehalt mangelnder politischer Tragweite“ für einen Vorläufer des „Bagatellvorbehalts“ (dazu oben 1. Kapitel § 7 A. I. 2.). Das wird aber durch BVerfGE 83, 60 (74), einerseits und BVerfGE 83, 130 (150), andererseits widerlegt.

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Zu Recht ist das Kriterium der politischen Tragweite vom Schrifttum als zu unbestimmt und als sachwidrig abgelehnt worden.461 Zudem wird die Annahme, dass die Kodex-Kommission nur Aufgaben geringer politischer Tragweite wahrnimmt, durch die Aufnahme der Weiterentwicklung des Kodexes in das 10-Punkte-Programm „Unternehmensintegrität und Anlegerschutz“ der Regierung462 widerlegt. Das verdeutlicht, dass die Tätigkeit der Kodex-Kommission einen engen Bezug zur Staatsleitung durch die Bundesregierung hat.463 Schließlich lässt sich die Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission nicht mit dem „besonders geringe[n] Entscheidungsgehalt“ 464 von „Soft-Law“, also von unverbindlichen Empfehlungen, rechtfertigen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Abstriche bei „einzelne[n] Legitimationselemente[n]“ für staatliche Aufgaben mit „besonders geringem Entscheidungsgehalt“ für möglich gehalten.465 Doch bezieht sich der Begriff „Entscheidungsgehalt auf den Willensbildungsprozess und nicht auf die (Außen-)Wirkung der staatlichen Entscheidung.466 So ist nach dem Gericht besonders geringer Entscheidungsgehalt nur bei eng begrenzter Kompetenz und bei einem inhaltlich derart begrenzten Entscheidungsspielraum anzunehmen, dass sich die Entscheidung „etwa auf die messbar richtige Plan- oder Gesetzesdurchführung beschränk[t].“467 Dies scheidet aufgrund des weiten Ermessensspielraums der Kodex-Kommission aus. Somit bleibt festzuhalten, dass eine verfassungsrangige Rechtfertigung der Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission nicht eingreift. Die Kodex-Erstellung ist folglich nach dem traditionellen Legitimationsmodell demokratie- und damit verfassungswidrig.

B. Output-Legitimation? Zu untersuchen bleibt allerdings, ob der Output der Kodex-Kommission, also die Kodex-Empfehlungen und deren Leistungen, das demokratische Ist-Niveau des Kodexes erhöhen können. 461 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 356; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 20 f. m. w. N. 462 Dazu Seibert, BB 2003, 693 (695). 463 Vgl. auch oben 1. Kapitel § 4 B. V. 464 BVerfGE 83, 60 (74); 93, 37 (70). 465 Ebenda. 466 Dies ist wegen der input-orientierten Betrachtung der Entscheidungsverfahren nur konsequent. 467 BVerfGE 83, 60 (74); vgl. auch Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 68 Rn. 59, der im Zusammenhang mit „weisungsfreien Räumen“ ausführt, dass „die Anwendung zwingenden Rechts weniger einschneidend [ist,] als die Ausschöpfung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen.“ Siehe auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 261, der in den Ausführungen eine „Fixierung des Gerichts auf die Kompetenzen des Amtsträgers“ erkennt.

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Im Gegensatz zu rein input-orientierten Legitimationsmodellen 468 beziehen output-orientierte Demokratiekonzepte nämlich (auch) das Ergebnis der Herrschaftsbetätigung in die Legitimationsbetrachtung mit ein. Gestützt wird dieser Ansatz zumeist auf die berühmte Gettysburger Ansprache Abraham Lincolns, in der dieser Demokratie als „government of the people, by the people and for the people“469 definierte.470 Aus dem letzten Teil dieses „Dreiklangs“471 wird die Output-Dimension der Demokratie gewonnen: „Demokratie [sei] gerade auch Herrschaft für das Volk“472. Wenn also eine Herrschaft zum Wohle des Volkes legitimierend wirken soll, so bedarf es zur Beurteilung der Output-Legitimation einer Konkretisierung des „Gemeinwohls“473, das ja als Maßstab für die Qualität des Outputs dienen soll. Aus der Notwendigkeit einer Maßstabsbestimmung resultieren Variationen der OutputKonzeption. Statt aber, wie eingangs angedeutet,474 nach den unterschiedlichen Auffassungen über den „richtigen“ Maßstab und den daraus abgeleiteten Anforderungen an die Entscheidungsverfahren zu differenzieren, soll im Folgenden eine Einteilung nach den Subjekten vorgenommen werden, die in den jeweiligen Modellen über die Qualität des Outputs entscheiden. Denn auch wenn sich die OutputLegitimation im Ergebnis anhand der jeweiligen Bewertungskriterien bemisst, ermöglicht die hier vorgenommene Systematisierung einen unverstellteren Blick auf die Vereinbarkeit mit der vom Grundgesetz geforderten demokratischen Legitimation. Vorweg sei jedoch noch erwähnt, dass einige Output-Konzeptionen nicht nur die demokratische Legitimation im Blick haben, sondern auf die Rechtfertigung der gesamten (europäischen) Herrschaftsordnung475 oder, allgemeiner, von Herrschaftsordnungen bezogen sind, der Output hier aber allein auf seine legitimationsspendende Wirkung i.S.v. Art. 20 Abs. 1, 2 GG untersucht wird.476 468 Zu welchen Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 659, das traditionelle (monistische) Modell zählt. 469 Abraham Lincoln, Gettysburg Address, 19. 11. 1863, abgedr. in Basler, Abraham Lincoln: His Speeches And Writings, S. 734. 470 So Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 82, 85 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 599 in Fn. 54, nach dem diese Definition weitgehend akzeptiert sei. 471 So Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 82. 472 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 599. 473 Der Begriff soll hier allein als Platzhalter für den mit Inhalt zu füllenden Maßstab verwendet werden, nach dem sich die Qualität des Outputs und damit dessen legitimationsspendende Wirkung bemisst. 474 Vgl. oben 1. Kapitel § 7. 475 So beispielsweise das Konzept der Legitimation durch Bewährung von Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 580 ff., oder die Untersuchung von Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 74 ff., 279 ff. Das Modell der „Pluralen Legitimation“ von Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 588 ff., insbes. 601 ff., 659 ff., bezieht sich auf die demokratische Legitimation der Europäischen Union (ausführlich dazu unten 2. Kapitel § 14). Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 590 f., betont aber gerade auch die Bedeutung des Legitimationsbegriffes als Rechtfertigung von Herrschaftsgewalt.

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I. Eliten Mit Eliten sind an dieser Stelle Philosophen, Theologen und Wissenschaftler, aber auch die Verfassungsschreiber (des deutschen Grundgesetzes)477 gemeint. Sie definieren das Gemeinwohl, die Herrschaftszwecke oder leiten das Naturrecht her.478 Im output-orientierten Modell wird dieses oder jenes zum Maßstab für die Qualität der hoheitlichen Entscheidungen. Die explizite oder implizite Verbindung mit dem Demokratieprinzip ergibt sich dann, wenn der Versuch unternommen wird, die Entscheidungsverfahren der deutschen Herrschaftsordnung von ihrem Output her zu rationalisieren. 479 Mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren sind solche Modelle, die ein dabei entstehendes Spannungsverhältnis zu einer vom Input her gedachten Strukturierung der Entscheidungsverfahren stets zu Gunsten des „richtigen“ Outputs auflösen.480 Denn gute, an den Bedürfnissen der Herrschaftsunterworfenen orientierte Herrschaftsergebnisse können auch durch andere Herrschaftsformen als derjenigen der Demokratie erzielt werden.481 Art. 20 Abs. 2 GG 476 Nicht jeder Einwand gegen eine Output-Legitimation bedeutet daher automatisch eine Kritik an den geschilderten Output-Konzepten. 477 Zum Zustandekommen des Grundgesetzes Mußgnug, in: Isensee / Kirchhof, HStR I3, § 8, insbes. Rn. 97: „[D]ie Besetzung [des Parlamentarischen Rats. . . ] hat nur einer eng umrissenen Führungselite der politischen Parteien die Mitwirkung an der Verfassungsgebung erlaubt. Dass der Parlamentarische Rat das deutsche Volk in seiner gesamten Breite repräsentiert habe, wäre daher eine ersichtlich unhaltbare Fiktion.“ 478 Zum Gesamten Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 567 ff. Zum Gemeinwohlbegriff Brugger, in: FS Quaritsch, S. 45 ff.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 108 ff.; Isensee, in: ders. / Kirchhof, HStR III, § 57. Zu der Entwicklung der Staatszwecke Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 52 ff.; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 57 ff. Vgl. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 5, 85 (197 ff.) (zur Staatsidee); 42, 312 (332): „Das Grundgesetz hat nicht eine virtuell allumfassende Staatsgewalt verfasst, sondern den Zweck des Staates materialiter auf die Wahrung des Gemeinwohls beschränkt, in dessen Mitte Freiheit und soziale Gerechtigkeit steht.“; 44, 125 (141 f.) (zur „verfassungsrechtlichen Grundverpflichtung, dass alle Staatsgewalt [ . . . ] stets am Wohl aller Bürger ausgerichtet zu sein hat“). 479 Vgl. Scharpf, Demokratietheorien zwischen Utopie und Anpassung, S. 21. 480 So wohl Schmidt-Aßmann, in: ders. / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 9 (39). Das gleiche Ziel hat der Utilitarismus, nach dem es „allein auf die nützlichen Auswirkungen von Vorschriften oder Maßnahmen an[kommt], nicht auf Autor, Absicht oder Verfahren.“, siehe Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 610. Ähnlich dürften auch die deliberativen Legitimationskonzepte, wie sie derzeit zurückgehend auf Habermas entwickelt werden, zu beurteilen sein, gleichfalls kritisch dazu Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (422.); Roller, KritV 2003, 249 (263 ff.). Wie hier Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (607). 481 Vgl. nur Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 169: „Das Gemeinwohl [ . . . ] kann [ . . . ] in der Monarchie eines aufgeklärten Absolutismus ebenso gut hervorgebracht werden wie in der Demokratie.“; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 604 f.: „Eine alleinige Output-Legitimation könnte auf jede input-Beteiligung verzichten, solange ein diktatorisches Regime zufriedenstellende Ergebnisse für die Herrschaftsunterworfenen produziert.“; Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (607), nach dem eine Legitimation von Entscheidungen, die vorwiegend auf den „Output“ gestützt wird, zur Ersetzung der „Herrschaft durch das Volk“

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verlangt jedoch ausdrücklich einen Inputzusammenhang, der (derzeit) im Wesentlichen mit allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen beginnt und sich vor allem im bestimmenden Einfluss der vom Volk gewählten Vertreter auf die grundlegenden normativen Bereiche482 und die Regierung fortsetzt. Diese vom Grundgesetz geforderte demokratische Input-Legitimation darf nicht durch Entparlamentarisierung wesentlicher Bereiche unterlaufen werden, nur weil (politische) Netzwerke, dezentralisierte Entscheidungsstrukturen oder gleichmäßige Interessenberücksichtigung, gemessen am jeweiligen Maßstab, „richtigere“ Entscheidungen erwarten lassen oder tatsächlich hervorbringen.483 Andererseits ist aber auch die von Art. 20 Abs. 2 GG installierte Herrschaft des Volkes eine „beschränkte und wertorientierte Herrschaft“.484 Mit der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG haben die Verfassungsschreiber die „wertgebundene Ordnung“ des Grundgesetzes, „die den Schutz von Freiheit und Menschenwürde als den obersten Zweck allen Rechts erkennt“485, auch vor Änderungen durch das Volk geschützt.486 Tatsächlich definiert das Grundgesetz damit grundlegende Prinzipien, an denen sich jeder Output messen lassen muss.487 Aus diesem Befund eine eigenständige Output-Legitimation i.S.v. Art. 20 Abs. 1 GG488 herzuleiten, die einen (teilweisen) Verzicht auf die Input-Legitimation des durch eine „Herrschaft für das Volk“ führe (Hervorhebungen im Original). Damit trete aber an die Stelle der Demokratie eine Herrschaft der Experten. 482 Vgl. zu dieser der Wesentlichkeitstheorie entnommenen Passage oben 1. Kapitel § 7 A. III. 3. und BVerfGE 44, 125 (141): „Das Grundgesetz als demokratische Ordnung sieht vor, dass grundlegende staatliche Entscheidungen nach Maßgabe der Mehrheitsregel getroffen werden (Art. 42 Abs. 2[ . . . ]GG).“ 483 BVerfGE 5, 85 (204 f.): „Für den politisch-sozialen Bereich bedeutet das, dass es nicht genügt, wenn eine Obrigkeit sich bemüht, noch so gut für das Wohl von ,Untertanen‘ zu sorgen; der Einzelne soll vielmehr in möglichst weitem Umfange verantwortlich auch an den Entscheidungen für die Gesamtheit mitwirken.“ Scharpf, Regieren in Europa, S. 20 – 28; ders., Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 29 ff., zu den politikwissenschaftlichen Pluralismustheorien; siehe auch die Nachweise bei Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (607) in Fn. 122. Zur Unterscheidung zwischen Ex-ante- und Ex-post-Strategien vgl. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 517 ff. 484 Evers, in: BK, GG Bd. 8, Art. 79 Abs. 3 Rn. 181. Deutlich auch BVerfGE 2, 1 (12): „D[er freiheitlich demokratischen] Grundordnung liegt letztlich nach der im Grundgesetz getroffenen verfassungspolitischen Entscheidung die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt und Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit sind. Daher ist die Grundordnung eine wertgebundene Ordnung.“; BVerfGE 44, 125 (141): „Das Grundgesetz als demokratische Ordnung sieht vor, dass grundlegende staatliche Entscheidungen nach Maßgabe der Mehrheitsregel getroffen werden [ . . . ]. Indes zieht es zugleich der Mehrheitsherrschaft rechtsstaatliche und bundesstaatliche Grenzen [ . . . ] und sichert diese Grenzen über eine weitreichende Verfassungsgerichtsbarkeit“. 485 BVerfGE 37, 56 (65). 486 Di Fabio, JZ 1999, 585 (591). Zu den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Einrichtungen siehe Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8 ff. 487 Ebenso Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 594 m. w. N. in Fn. 35.

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Art. 20 Abs. 2 GG rechtfertigt, erscheint insofern problematisch, als dass gerade auch die Input-Legitimation selbst Teil der absolut geschützten grundgesetzlichen Herrschaftsordnung ist. Diese Wechselbeziehung zwischen der Herrschaft durch das Volk und deren Zwecken wird in der folgenden Passage aus der Feder des Bundesverfassungsgerichts deutlich: „[ . . .D]ort, wo das Grundgesetz [ . . . ] der Mehrheitsherrschaft Raum gibt, entlässt es sie nicht aus der verfassungsrechtlichen Grundverpflichtung, dass alle Staatsgewalt um des Schutzes der Würde und Freiheit aller und der sozialen Gerechtigkeit gegenüber allen anvertraut ist, mithin stets am Wohl aller Bürger ausgerichtet zu sein hat. Und nur wenn die Mehrheit aus einem freien, offenen, regelmäßig zu erneuernden Meinungs- und Willensbildungsprozess, an dem grundsätzlich alle wahlmündigen Bürger zu gleichen Rechten teilhaben können, hervorgegangen ist, wenn sie bei ihren Entscheidungen das – je und je zu bestimmende – Gemeinwohl im Auge hat, insbesondere auch die Rechte der Minderheit beachtet und ihre Interessen mitberücksichtigt, ihr zumal nicht die rechtliche Chance nimmt oder verkürzt, zur Mehrheit von morgen zu werden, kann die Entscheidung der Mehrheit bei Ausübung von Staatsgewalt als Wille der Gesamtheit gelten und nach der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger Verpflichtungskraft für alle entfalten. Der Staat des Grundgesetzes ist der Entscheidungs- und Verantwortungszusammenhang [ . . . ] vermittels dessen sich das Volk nach der Idee der Selbstbestimmung aller in Freiheit und unter der Anforderung der Gerechtigkeit seine Ordnung, insbesondere seine positive Rechtsordnung als verbindliche Sollensordnung setzt.“489 Wie also das Gemeinwohl hervorgebracht werden soll, ist in Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 1, 20 Abs. 1 – 3 GG bereits angelegt, nämlich durch eine beschränkte, begrenzte und wertorientierte Herrschaft durch das Volk.490 Bringt die Herrschaft durch das Volk Entscheidungen hervor, die diese Grenzen überschreiten, so gelten sie nicht als „Wille der Gesamtheit“ und entfalten keine „Verpflichtungskraft für alle“. Dies kann aber gerade nicht zum Anlass genommen werden, das Volk insgesamt vom Einfluss abzuschneiden, selbst wenn dadurch (andere) Werte, die Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug nimmt, tatsächlich besser verwirklicht werden könnten. Sähe man die inhaltliche Ausrichtung der Herrschaft als Wesenselement der Demokratie an,491 so forderte das Demokratieprinzip wahrlich eine Input- und eine 488 Die Output-Komponente kann wohl nur aus Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet werden, denn Art. 20 Abs. 2 GG hat eindeutig den Inputzusammenhang zum Gegenstand. 489 BVerfGE 44, 125 (141 f.). 490 Sehr deutlich BVerfGE 5, 85 (199): „Dass diese Ordnung funktionieren, dass sie das Gemeinwohl schließlich in einer für alle zumutbaren Weise verwirklichen könne, wird durch ein System rechtlich gesetzter oder vorausgesetzter Spielregeln sichergestellt, die sich auf Grund der geschilderten Prinzipien in einer langen historischen Entwicklung ergeben haben.“ 491 Nach der hier vertretenden Auffassung ist die inhaltliche Ausrichtung aller Herrschaftsgewalt verfassungsdogmatisch nicht Teil des unabänderlichen Demokratieprinzips.

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Output-Legitimation von Staatsgewalt, die dann aber kumulativ vorliegen müssen.492 Mehr noch als dass diese beiden Legitimationsformen gemeinsam vorliegen müssen, sind sie miteinander verflochten, bedingen sich gegenseitig, sind teils gleichgerichtet und teils widersprüchlich: Die unabänderlichen Werte des Grundgesetzes werden nur verwirklicht, wenn das Volk an ihrer Verwirklichung maßgeblich beteiligt wird, denn auch das ist einer dieser Werte.493 Andererseits garantiert allein der Einfluss des Volkes auf alle Entscheidungsinhalte nicht die Wertverwirklichung (im Übrigen). Eine Verletzung der unveräußerlichen Wertentscheidungen durch das Volk gilt es gar zu verhindern. Anerkennt man also nicht nur eine Output-Legitimität als Rechtfertigungselement für die gesamte Herrschaftsordnung,494 sondern eine demokratische OutputLegitimation,495 so stellt sich insbesondere die Frage, ob vorhandene Output-Legitimation teilweise fehlende Input-Legitimation ersetzen kann, vor allem also, ob eine stärkere Ausrichtung der Entscheidungsverfahren am Ergebnis der Herrschaftsbetätigung zu Lasten des Inputzusammenhangs gehen darf. Oder, in Anbetracht der Abschnittsüberschrift, anders gefragt: Wer entscheidet im Konfliktfall,496 ob Input- oder Output-Legitimation vorgeht. Den Rahmen für diese Entscheidung haben die Verfassungsschreiber selbst vorgegeben, dessen Einhaltung durch eine Verfassungsgerichtsbarkeit abgesichert wird.497 Die Verfassungsschreiber haben aber auch bestimmt, wer die in der von Art. 79 Abs. 3, 1, 20 Abs. 1 – 3 GG skizzierten Herrschaftsordnung angelegten Spannungsverhältnisse in concreto auflösen soll: das Volk.498 Diese kommt vielmehr in den anderen unabänderlichen und auch abänderlichen Verfassungsprinzipien und Herrschaftszielen zum Ausdruck, vgl. unten 3. Kapitel § 17. Im Ergebnis unterscheiden sich aber das in diesem Abschnitt dargestellte Output-Konzept und das vom Verfasser vertretene Legitimationsmodell nicht, denn die inhaltliche Ausrichtung formt das Demokratieprinzip das eine Mal von innen und das andere Mal von außen. 492 So auch Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 503, 648; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 603 ff. 493 Die Ansicht, dass Demokratie für das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht ein Wert an sich ist und nicht nur ein Wert durch das, was sie für andere Werte bedeutet, teilt Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (609). 494 So Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 143 ff., 163 ff. 495 Die Unterscheidung bewirkt vor allem, dass die grundgesetzliche Werteordnung zum Inhalt des Demokratieprinzips gehört und damit verbundene Spannungsverhältnisse das Demokratieprinzip von innen heraus formen und nicht von außen her beschränken. 496 Ein solcher Konfliktfall tritt beispielsweise dann auf, wenn der Volkswille auf die Verletzung der Verfassungswerte gerichtet ist oder input-orientierte Optimierung der Entscheidungsverfahren zu Lasten der Problemlösungskapazitäten oder -fähigkeiten der Herrschaftsordnung geht, so dass die positive Rechtsordnung den Schutz der Verfassungswerte nicht (mehr) leistet. 497 BVerfGE 44, 125 (141). 498 Mit dem Begriff „Volk“ wird hier nur der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG zitiert, nicht aber Position im Streit zwischen der kollektivistischen und der individualistischen Interpretation dieses Begriffs bezogen, vgl. dazu oben 1. Kapitel § 7 und unten 2. Kapitel § 14 B. I. 1. b).

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Die inhaltlichen Maßstäbe, an denen der Output zu messen ist (Menschenwürde sowie der Menschenwürdegehalt der anderen Grundrechte, Sozialstaatsprinzip), aber auch die Verfahren zur Gewinnung eines gemeinwohldienlichen Outputs (Prinzip der Volkssouveränität, Rechtsstaatsprinzip,499 Bundesstaatsprinzip), sind in hohem Maße konkretisierungsbedürftig.500 Die genaueren Inhalte dieser unveräußerlichen Verfassungsprinzipien werden sowohl auf Verfassungsebene501 als auch auf Unterverfassungsebene in „ständiger Auseinandersetzung“502 aller entsprechend der Idee der Selbstbestimmung, also vom Volk ermittelt,503 nicht von (weiteren) Eliten. Im Ergebnis lassen sich daher aus Art. 79 Abs. 3 GG kaum konkrete Aussagen über den Maßstab für die Output-Legitimation oder die Verfahren ableiten, die einen „richtigen“ Output erwarten lassen. Ebenso wenig lässt sich der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes das genaue Verhältnis zwischen Input- und OutputLegitimation entnehmen. Weil alle die angesprochenen Verfassungsprinzipien jedoch einen absoluten Kern haben, setzen sie sowohl der Gestaltung der Entscheidungsverfahren als auch den darin hervorgebrachten Entscheidungsinhalten Grenzen, deren Überschreitung zur Unwirksamkeit der getroffenen Entscheidungen führt.504 II. Experten Die Experten als Teilgruppe der Eliten verdienen nur deshalb einen eigenen Abschnitt, weil sie für Entscheidungen auf der Unterverfassungsebene in das Herrschaftsmodell miteinbezogen werden, ihre Maßnahmen eine „technokratische Rechtfertigung [ . . . ] in Effizienz und Funktionalität“ finden sollen505 und die Ko499 Zu dem von Art. 79 Abs. 3 i.V. m. 20 GG geschützten Inhalt des Rechtsstaatsprinzips gehören nach BVerfGE 30, 1 (24 f.), aber nur „der Grundsatz der Gewaltenteilung und [ . . . ] der Grundsatz der Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht“. 500 BVerfGE 62, 1 (39): „Verfassungsnormen [weisen] wegen der Eigenart der von ihnen geregelten Sachverhalte oftmals einen sehr hohen Grad an Allgemeinheit auf[ . . . ], der der Konkretisierung bedarf, noch ehe die Norm auf Einzelfälle anwendungsfähig wird“. 501 Die Inhalte der Verfassung können von Bundestag und Bundesrat, allerdings nur unter den erschwerenden Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 2 GG, geändert werden. Vermittelt wird der auf den Verfassungsinhalt bezogene Volkswille folglich durch die Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen. 502 Vgl. BVerfGE 5, 85 (198) zum Sozialstaatsprinzip. 503 So auch Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (61); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 110, bezogen auf den Inhalt des Gemeinwohls; Di Fabio, JZ 1999, 585 (591), der etwas verklausuliert von einer konsentierten Gemeinwohlinterpretation durch die Bürger in „einer allgemeinen schwer juridifizierbaren Art“ spricht. Vgl. auch BVerfGE 44, 125 (142): „das – je und je zu bestimmende – Gemeinwohl“. 504 Wie hier auch Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 73 f. 505 Vgl. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 503.

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dex-Kommission als politisch unabhängiges, professionelles Kollegialgremium, daran gemessen, durchaus geeignet erscheint,506 „richtige“ Entscheidung hervorzubringen. Nach den vorstehenden Überlegungen kann aber eine Output-Konzeption, die eine Ermittlung der konkreten Gemeinwohlinhalte vornehmlich den Experten statt dem Volk überlässt, schon nicht mit den unabänderlichen Vorgaben des Art. 79 Abs. 3, 1, 20 Abs. 1, 2 GG im Einklang stehen. Aus diesem Grund scheiden radikal-funktionalistische Modelle, wie sie insbesondere zur Rechtfertigung der europäischen Hoheitsgewalt vertreten werden,507 als Anleitung zur Generierung von Output-Legitimation aus. Dennoch kann die Idee der „[Output-]Legitimation durch Sachverstand“508 nicht von vornherein ausgeschieden werden. Denn das Volk darf sich bei der Ausgestaltung der Entscheidungsverfahren auch von Output-Erwägungen leiten lassen.509 Die Grenze für eine output-orientierte Rationalisierung bildet aber das unantastbare Prinzip der Volkssouveränität.510 Dieser absolute Kern des grundgesetzlichen Demokratieprinzips erfordert, dass eine Input-Legitimation nicht vollständig entfallen darf.511 Je stärker sich also die Regelung konkreter Sachverhalte als inhaltliche Ausgestaltung der wertorientierten Verfassungsprinzipien darstellt, desto größer ist die Gemeinwohlrelevanz der Entscheidungen und desto stärker wiegt zugleich der Grundsatz der Volkssouveränität.512 Andersherum gedacht kann das Volk die Entscheidungsverfahren umso stärker am Output ausrichten, desto weniger in diesen Verfahren der Output-Maßstab selbst zur Disposition steht. 506 Die Mitglieder der Kodex-Kommission wurden unter anderem nach ihrer Expertise ausgewählt, vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. III.; zur vollkommenen Unabhängigkeit der KodexKommission vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. I. bei Fn. 56. 507 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 1044 ff.; Kaiser, VVDStRL 23 (1966), 1 (23) „In der Europäischen Gemeinschaft wirken in hohem Maße Experten mit; [ . . . ]. Die [ . . . weisungsfreie . . . ] Mitwirkung von Experten ist in hohem Maße legitim im ursprünglichen Sinn, denn sie ist ausgezeichnet durch öffentliches Vertrauen, durch die Gunst der öffentlichen Meinung.“; ähnlich auch Majone, Regulating Europe, S. 296 ff.; ders., Redistributive und sozialregulative Politik, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 225 (229 ff.). Vgl. auch die Nachweise bei Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 637 ff. 508 So Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 288. Vgl. auch Kaiser, VVDStRL 23 (1966), 1 (24, 27 f.). 509 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. 510 Zu dessen Anforderungen siehe ausführlich unten 2. Kapitel § 14 B. I. u. D. 511 Ebenso Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 610, 648; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 604. 512 Dazu, dass die Konkretisierung des Gemeinwohls schon nach dem Grundmodell des Grundgesetzes dem Volk vorbehalten ist, siehe oben 1. Kapitel § 7 B. I. Zum Demokratieprinzip als Optimierungsgebot, womit die „je-desto“-Formel einhergeht, siehe unten 2. Kapitel § 14 B. I. 1. d) u. insbes. D. I.

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Insofern geht der Ansatz Majones,513 die vom politischen Einfluss befreite Expertenherrschaft auf nicht-redistributive Entscheidungsbereiche zu beschränken, in die richtige Richtung. Haben nämlich die Entscheidungen der Experten keine Umverteilungseffekte, berühren also die klassischen sozialpolitischen Fragen nicht, so wohnt ihnen zumindest aus diesem Grund keine Gemeinwohlrelevanz inne. Das neofunktionalistische Modell Majones greift aber zu kurz, weil es tatsächlich vorhandene Umverteilungseffekte der (europäischen) Wirtschaftspolitik ignoriert514 und vor allem mit der Beschränkung auf das Sozialprinzip die anderen (zum großen Teil auch in der Europäischen Union geltenden)515 wertorientierten Prinzipien des Grundgesetzes außer Acht lässt.516 Eine Output-Legitimation durch Einbindung politisch unabhängigen professionellen Sachverstandes hat also zwei Voraussetzungen: 1. Diese Gestaltung der Entscheidungsverfahren muss auf den Willen des Volkes rückführbar sein, 2. Der Output-Maßstab wird, in den Grenzen von Art. 79 Abs. 3, 1, 20 Abs. 1 – 3 GG, vornehmlich vom Volk und nicht von den Experten bestimmt. Daraus folgt zugleich für das Verhältnis zwischen Input- und Output-Legitimation, dass 1. der Einfluss des Volkes umso größer sein muss, desto mehr die Entscheidungen der Sachverständigen Gemeinwohlinhalte konkretisieren und 2. sich die politische Unabhängigkeit des Expertengremiums nicht auf diese gemeinwohlrelevanten Entscheidungsteile beziehen darf. Der gemeinwohlkonkretisierende Input bildet also zugleich den Maßstab für die Output-Legitimation. Demnach entspricht in diesem Fall ein „richtiger“ Output dem Input und stärkt zugleich die Input-Legitimation. Hierin kommt die bereits oben angesprochene Wechselbezüglichkeit zwischen der Herrschaft durch das Volk und den Herrschaftszwecken, also der wertorientierten Herrschaft für das Volk, deutlich zum Ausdruck.517 Die weiteren Schlüsse, insbesondere für die Output-Legitimation des Kodexes, sollen angesichts der Abschnittsüberschrift erst im folgenden Abschnitt erörtert werden. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass eine funktionalistische Rationalisierung der Entscheidungsverfahren die Inhaltsbestimmung der Verfassungsprinzipien nicht im Wesentlichen den Experten überlassen darf, sondern für eine Ausrichtung der Expertenbeschlüsse an dem vom Volk konkretisierten Gemeinwohl Sorge leisten muss.

513 Majone, Regulating Europe, S. 296 ff.; ders., Redistributive und sozialregulative Politik, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 225 (229 ff.). Ein Überblick über die Ansicht Majones findet sich bei Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 285 ff. 514 So Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 288. 515 Vgl. unten 2. Kapitel § 14 D. II. 1. 516 Unvereinbar mit dem Prinzip der Volkssouveränität ist auch der Verzicht auf jegliche politische Verantwortlichkeit und demokratische Kontrolle der Entscheidungsträger, zu dieser Forderung Majones siehe Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 287 f. 517 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. So auch Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (422 f.).

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III. Das Volk Das Volk, so wollten es die Verfassungsschreiber, ist sowohl auf Verfassungsebene als auch auf Unterverfassungsebene an der Ermittlung der genauen Gemeinwohlinhalte und der Gestaltung der dem Gemeinwohl dienenden Verfahren maßgeblich beteiligt. Auf Verfassungsebene ist die Idee der freien Selbstbestimmung durch die Grundrechte konkretisiert, und weitere Werte als Maßstab aller staatlichen Entscheidungen sind hinzugefügt worden (z. B. Art. 20a GG).518 „Nicht minder bedeutsam ist die Grundentscheidung des Grundgesetzes über die Grenzen, die den Grundrechten durch Rücksicht auf Gemeinwohl und zum Schutz überragender Rechtsgüter gezogen sind“.519 „Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines isolierten, souveränen Individuums; das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. [ . . . ] Das heißt aber: der Einzelne muss sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, dass dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt.“520 Die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes umfasst darüber hinaus die Entscheidungsverfahren zur Hervorbringung von Gemeinwohl im obigen Sinne: Diese lässt sich mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts „als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: [ . . . ] die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“521 In der Installation einer repräsentativen, parlamentarischen, gewaltenteiligen und bundesstaatlichen Demokratie hat also der Grundsatz der Volkssouveränität seinen Ausdruck, aber auch seinen Ausgleich mit anderen absolut geschützten Verfassungsprinzipien erfahren.522 Dabei hat sich insbesondere die Siehe Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 602, 640. BVerfGE 30, 1 (20). 520 BVerfGE 4, 7 (15 f.) (Hervorhebungen nicht im Original). Das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, dass nicht die größtmögliche Freiheit des Einzelnen oberster Verfassungswert ist, sondern die größtmögliche Selbstbestimmung aller im Rahmen eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens. 521 BVerfGE 2, 1 (12 f.). 522 Vgl. beispielsweise auch die vom Bundesverfassungsgericht erkannten Output-Erwägungen, die der Gewaltenteilung u. a. zu Grunde liegen sollen, siehe oben 1. Kapitel § 7 A. 518 519

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Berücksichtigung der Problemlösungskapazität und -fähigkeit der Herrschaftsordnung mindernd auf die Input-Legitimation ausgewirkt, indem die Ausübung der Herrschaftsgewalt auf besondere Staatsorgane delegiert wurde.523 Dahinter steht jedoch eine zulässige Output-Optimierung, denn die Verwirklichung der grundlegenden Verfassungswerte verlangt „ein funktionsfähiges System kollektiver Entscheidungen [insbesondere] über die Grenzen [individueller] Rechte und Freiheiten“.524 Geradezu mustergültig demonstriert das Bundesverfassungsgericht den Ausgleich auf diese Weise kollidierender Verfassungsprinzipien in seiner KalkarEntscheidung, wo es Abstriche bei der Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung zugelassen hat, weil der Gesetzgeber andernfalls eine unpraktikable Regelung hätte treffen oder von einer Regelung hätte gänzlich Abstand nehmen müssen. Beides wäre, so das Bundesverfassungsgericht, letztlich zu Lasten des Grundrechtsschutzes gegangen.525 Auch auf der Unterverfassungsebene setzen sich die Spannungen zwischen den unabänderlichen Verfassungswerten und der Input- und Output-Dienlichkeit der Entscheidungsverfahren fort, nur dass deren Auflösung durch die restlichen Verfassungsbestimmungen in einem gewissen Maße vorstrukturiert ist. Entscheidend für die Frage der Output-Legitimation auf der Unverfassungsebene und damit auch für die Output-Legitimation des Kodexes ist daher die Verfassungsinterpretation. Legt man den Volkswillen, wie er sich in den Vorschriften des Grundgesetzes über die Exekutive ausdrückt, mit der traditionellen Auffassung dahingehend aus, dass der Verwaltungsaufbau streng hierarchisch zu sein hat und ein umfassendes ministerielles Weisungsrecht zwingend gewährleistet sein muss, so bleibt kaum Raum für eine weitergehende Output-Optimierung auf der Unterverfassungsebene. Mit den detaillierten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Verwaltungsorganisation ist dann das Input-Output-Verhältnis durch das Volk schon auf Verfassungsebene abschließend bestimmt. Eine Output-Optimierung, die zu einer andersartigen, diese Vorgaben missachtenden Organisation einer der Regierung nachgeordneten Stelle führt, insbesondere auf das ministerielle Weisungsrecht verzichtet, verstieße gegen die Verfassung, weil es das darin vorgegebene Input-Legitimationsniveau unterschritte. IV. 2. mit Nachweis in Fn. 423. Siehe Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 86, zur Ablehnung des imperativen Mandats aufgrund von „Output“-Erwägungen. 523 Vgl. auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 594. 524 Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (253). Siehe bereits oben bei Fn. 520. Gute Beispiele für die Berücksichtigung der Funktionsfähigkeit bei der Ausgestaltung der Legitimationsverfahren bieten BVerfGE 62, 1 (32, 44) (Abwägung zwischen der Aktualisierungsfunktion und der Funktionsfähigkeit des Bundestages zur Ermittlung der Dauer der Wahlperiode); 80, 188 (219) (Abwägung zwischen den Rechten der Abgeordneten und der Funktionsfähigkeit des Bundestages zur Ermittlung der Beschränkungsmöglichkeiten durch die Geschäftsordnung des Bundestages). Siehe auch Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (45) in Fn. 166; Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 126; Trute, in: Schmidt-Aßmann / HoffmannRiem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 249 (271). 525 BVerfGE 49, 89 (137).

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Jedoch bestehen Zweifel an dieser die Input-Legitimation betonenden Verfassungsauslegung, weil deren interpretatorischer Ansatzpunkt das in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG wiedergegebene Prinzip der Volkssouveränität ist, wie es auch schon von Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommen wird und zu den unabänderlichen Verfassungsgrundsätzen gehört. Dieses in hohem Maße konkretisierungsbedürftige und der Konkretisierung zugängliche Prinzip ist vom Volk bereits auf Verfassungsebene vor allen durch die Bestimmungen über die Wahlen zum Bundestag, den Landtagen und den Gemeindevertretungen, die Parteien, den Grundrechtsschutz für die Offenheit des politischen Prozesses (Art. 5, 8, 9 GG), die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Bildung, Kompetenzen und Entscheidungsverfahren der Staatsorgane und die Rechtsbindung aller Gewalten konkretisiert worden. Das Prinzip der Volkssouveränität als Ansatz für darüber hinausgehende Inhaltsbestimmungen des grundgesetzlich vorstrukturierten Inputzusammenhangs zu machen, scheint der oben geschilderten demokratischen Idee zu widersprechen, dass die weitergehende Ausgestaltung der Entscheidungs- und damit auch der Legitimationsverfahren auch auf der Unterverfassungsebene dem Volk vorbehalten ist.526 Demgegenüber lassen die pluralistische Interpretation des Demokratieprinzips und das rekonstruierte Legitimationsmodell Dederers einen Spielraum für die Verwaltungsorganisation, denn beide Lesearten des Grundgesetzes lehnen die strikte Legitimationskettenlehre der traditionellen Auffassung ab.527 Die Regelung der administrativen Entscheidungsverfahren ist damit Output-Erwägungen zumindest wieder zugänglich. Aber ebenso wenig wie sich der Verfassung in diesem Fall mehr als ein Mindestmaß an Input-Legitimation entnehmen lässt, folgt aus ihr mehr als ein Mindestmaß an Output-Legitimation: die Regelungskerne der unveräußerlichen Verfassungsprinzipien, der Grundrechte und der Staatszielbestimmungen. Nur denjenigen Verfahren, die, unter Berücksichtigung des Prognosespielraums des Gesetzgebers und der Regierung, untauglich erscheinen oder sich, entgegen der Prognose, als untauglich erwiesen haben, diese Verfassungswerte zu verwirklichen, mangelt es an Output-Legitimation. Eine (potentielle) OutputKontrolle der einzelnen Entscheidungsergebnisse ist mit der in Art. 19 Abs. 4 GG normierten umfassenden Rechtswegsgarantie gewährleistet.528 Solange bei der un526 So auch Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (60 ff., insbes. 61: „[E]in solcher Umgang mit offenen Verfassungsprinzipien [ersetzt] die Demokratie des Grundgesetzes durch verfassungsrichterliche Verfassungstheologie“ u. 62: „Die wichtigste [Vorgabe der Dogmatik der Verfassungsprinzipien und Staatszielbestimmungen] ist die Offenheit von Prinzipen für unterschiedliche Formen der Verwirklichung im politischen Prozess, vor allem durch den Gesetzgeber.“) 527 Siehe oben 1. Kapitel § 7 A. II. 2 u. III. 2. Siehe auch Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (61). 528 Vgl. beispielsweise die Output-Kontrolle in BVerfGE 50, 290 (335, 377 f.), wo das Bundesverfassungsgericht deutlich auf die Auswirkungen des Mitbestimmungsgesetzes abstellt und eine Abhilfepflicht des Gesetzgebers annimmt, wenn dessen zunächst zulässig ermittelte Prognose tatsächlich nicht zutrifft. In der Sache ebenso BVerfGE 25, 1 (12 f.); 49, 89 (130, 132); 54, 11 (37); 55, 274 (317); 56, 54 (78 ff.).

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terverfassungsrechtlichen Regelung der Entscheidungsverfahren diese beiden absoluten Mindestgrenzen eingehalten werden, ist es Sache des Volkes, im Rahmen der vom Grundgesetz zur Verfügung gestellten Beteiligungsmöglichkeiten die Höhe von Input- und Output-Legitimation zu bestimmen und im Konfliktfall eine Balance der beiden Legitimationsformen herzustellen. An diesem Maßstab gemessen scheinen529 der Kodex und die Verfahren zu seiner Erzeugung die erforderliche Output-Legitimation aufzuweisen: Der Kodex verstößt in seinen Auswirkungen nicht gegen Verfassungswerte, und auch das Verfahren zur Erzeugung des Kodexes erscheint nicht generell untauglich, Entscheidungen im Einklang mit den Werten des Grundgesetzes hervorzubringen. Zum einen Bedarf der betroffene Sachbereich zur Verwirklichung der Verfassungswerte schon nicht zwingend einer Regelung. Zum anderen wird der (vom zwingenden Aktienrecht) eröffnete individuelle Freiheitsbereich aufgrund der flexiblen Regelungsform nicht erheblich eingeschränkt. Dennoch möglichen potentiellen Grundrechtsbeeinträchtigungen durch den Kodex wurde durch eine pluralistische Besetzung der Kodex-Kommission unter anderem mit selbst betroffenen Personen und einer der Veröffentlichung vorgeschalteten Rechtskontrolle durch das Bundesjustizministerium vorgebeugt. Im Übrigen haben sich die Bundesregierung bei der Installation der KodexKommission sowie der Bundestag und Bundesrat bei der Einführung der Verpflichtung zur Abgabe einer Entsprechenserklärung in § 161 AktG von weiteren OutputErwägungen leiten lassen: Die Entlastung des Gesetzgebers soll als Reaktion auf die Zunahme an regelungsbedürftigen Sachverhalten der Schaffung neuer Problemlösungskapazitäten dienen. Die Einbeziehung Privater aus der Gruppe der Betroffenen soll eine größere Akzeptanz und damit eine Verstärkung der bezweckten Wirkungen des Kodexes mit sich bringen. Die horizontale Entscheidungsfindung zwischen Repräsentanten unterschiedlicher Interessen soll einer – verschieden gewichteten – Berücksichtigung der betroffenen Interessen dienen. Die Einbindung besonders qualifizierten und sachnahen Personals soll, gemessen an den nationalen und internationalen Erwartungen an Aktiengesellschaften, eine hohe Qualität der Empfehlungen gewährleisten. Die Änderungen leicht zugängliche Entscheidungsform erfolgt vor dem Hintergrund der dynamischen globalen Entwicklungen, die eine laufende Anpassung der Kodex-Empfehlungen erfordern. Das gewählte weltweit und jederzeit zugängliche Veröffentlichungsmedium soll den nationalen wie internationalen Adressaten der Kodex-Empfehlungen problemlosen Zugang verschaffen.

529 Es handelt sich hier um eine Ex-ante-Prognose, die ex-ante nur einer Evidenz- oder Vertretbarkeitskontrolle zugänglich ist, die aber durch tatsächlich festgestellte Auswirkungen auch infolge veränderter tatsächlicher Verhältnisse ex-post widerlegt werden kann, siehe dazu oben in Fn. 528. Ebenso Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 485; von Danwitz, Der Staat 35 (1996), 329 (348).

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C. Zwischenergebnis Die Kodex-Erstellung durch die Kodex-Kommission ist Ausübung von Staatsgewalt und damit legitimationsbedürftig. 530 Das Ist-Niveau demokratischer Legitimation bleibt aber nach dem traditionellen (Input-)Legitimationsmodell hinter dem erforderlichen Soll-Niveau zurück, weil die Kodex-Kommission in einem „gesetzesfreien Raum“ tätig wird und nicht der Weisungsgewalt der zuständigen Bundesministerin der Justiz untersteht.531 Dieses Legitimationsdefizit bedeutet eine Einschränkung des Demokratieprinzips, die nur durch eine Norm von Verfassungsrang gerechtfertigt werden kann.532 Zutreffend ist im Schrifttum darauf hingewiesen worden, dass die traditionelle Legitimationsdogmatik „ministerialfreie Räume“ nicht zufriedenstellend erklären kann und sie daher für verfassungswidrig halten müsste.533 So werden auch hier die Rechtfertigungsversuche, die den Sachverhalt der Kodex-Erstellung überhaupt erfassen, im Ergebnis abgelehnt.534 Bei konsequenter Anwendung der traditionellen Legitimationsdogmatik mangelt es der Ausübung von Staatsgewalt durch die Kodex-Kommission an der erforderlichen demokratischen Legitimation, sie ist damit verfassungswidrig.535 Auch unter den Prämissen des pluralistischen Legitimationsmodells kann das festgestellte Legitimationsdefizit nicht ausgeglichen werden. Zwar kann sich nach diesem Modell demokratische (Input-)Legitimation auch direkt von den Betroffenen der staatlichen Entscheidungen ableiten. Dies setzt aber voraus, dass sich der pluralistische Gedanke in der Betroffenenbeteiligung verwirklicht. Dem steht bezüglich der Kodex-Kommission das materielle Ernennungsrecht der Bundesministerin entgegen.536 Den Anforderungen an die demokratische Legitimation genügt die Kodex-Erstellung nur nach der rekonstruierten (Input-)Legitimationsdogmatik Dederers, nach der die Höhe des Soll-Niveaus von der Wesentlichkeit der zu treffenden Entscheidung abhängt.537 Weil der Kodex nicht einen wesentlichen Bereich betrifft, kann ein vermindertes Legitimationsniveau hingenommen werden. Der Mangel an parlamentsgesetzlicher Steuerung wird teilweise durch die inhaltlichen Direktiven der Verfassung ausgeglichen, die primäre, vom Verfassungsgeber vermittelte Legitimation beinhaltet.538 Dieses Ergebnis steht aber unter Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. I. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 532 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. V. 533 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 142; im Ergebnis ebenso Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (319); Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 360 f.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 594 f.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 279. 534 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. V. 535 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 1., III. 1., IV. 1. und V. 536 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 2. 537 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 3. u. III. 2. 538 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 2. 530 531

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Vorbehalt.539 Im rekonstruierten Legitimationsmodell ist Legitimation durch Organisation und Verfahren anerkannt. Organisations- und Verfahrensentscheidungen können sich unmittelbar auf die Höhe des Ist-Niveaus auswirken.540 Im Gegenzug können sie aber wegen ihrer steuernden Wirkung auch die Höhe des Soll-Niveaus „modifizieren“, wenn sie wesentlich für die Ausübung von Staatsgewalt sind.541 Sieht man in den vor allem durch den Gesetzgeber, aber auch durch die Regierung zu konkretisierenden Verfassungswerten einen Output-Maßstab, an dem sich alle Staatsgewalt erfolgreich messen lassen muss, um als demokratische Herrschaftsbetätigung gelten zu können, so muss neben die Input-Legitimation eine Output-Legitimation treten.542 Nur wenn sowohl Input- als auch Output-Legitimation vorliegen, sind staatliche Entscheidungen demokratisch legitimiert. Wenn man mit der traditionellen Auffassung die Gestaltung der Entscheidungsverfahren durch das Prinzip der Volkssouveränität bereits auf Verfassungsebene als umfassend determiniert ansieht, kann sich eine Output-Kontrolle lediglich auf das Entscheidungsergebnis, also den Kodex, beziehen.543 Interpretiert man die vom Grundgesetz vorgeschriebene Input-Legitimation, wie das pluralistische und das rekonstruierte Legitimationsmodell, weniger strikt, so können der Gesetzgeber und die Regierung Output-Erwägungen schon bei der Gestaltung der Entscheidungsverfahren auf der Unterverfassungsebene miteinbeziehen. Input- und Output-Gesichtspunkte können dann gegeneinander abgewogen werden, solange die jeweiligen verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen nicht unterschritten werden. Bei output-orientierter Betrachtungsweise genügen die Verfahren zur Hervorbringung des Kodexes den grundgesetzlichen Anforderungen, denn die Einschaltung der Kodex-Kommission lässt keine Verletzung von Verfassungswerten befürchten und scheint darüber hinaus geeignet, die gesetzgeberischen und die Regierungszwecke zu verwirklichen.544

§ 8 Staatsorganisation Im Zusammenhang mit der Staatsorganisation werden auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Verwaltungsorganisation erörtert.545 Unter „Organisation“ ist dabei die Bildung, Errichtung und Einrichtung von Organisationseinheiten 539 540 541 542 543 544 545

Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 2. bei Fn. 427. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 3. Vgl. unten 1. Kapitel § 8 B. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. u. III. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. Ausführlich Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 51 ff.

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zu verstehen.546 Die „Bildung“ bezeichnet die Anordnung der „Errichtung“, die ihrerseits die Zuweisung der staatlichen Funktion, Aufgabe und Kompetenz sowie die Regelung der internen Verfassung der Organisationseinheit umfasst. Die „Einrichtung“ beinhaltet schließlich den finalen Organisationsakt durch Zuweisung von personellen, sächlichen und räumlichen Mitteln und Regelung der internen Geschäftsverteilung und des internen Geschäftsgangs.547 Klammert man die Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Bund und Ländern aus,548 so konzentriert sich die staatsorganisationsrechtliche Diskussion darauf, welche Vorgaben die Verfassung für die Organisationsstruktur der (Bundes-)Verwaltung enthält und welche Aussagen sie über die Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Legislative und Exekutive trifft.549 Weil sich im Grundgesetz nur wenige spezifisch organisationsrechtliche Bestimmungen finden,550 muss zur Beantwortung dieser Fragen ergänzend auf andere organisationsrelevante Verfassungsnormen zurückgegriffen werden. Dies sind vornehmlich die Grundrechtsbestimmungen und die Staatsstrukturbestimmungen des Art. 20 und 28 Abs. 1 GG.551 Bereits bei der Untersuchung der demokratischen Legitimation der (Mit-)Entscheidungen der Kodex-Kommission wurde in Bezug auf den Aufbau des Staatsapparates ein Spannungsverhältnis zwischen Demokratieprinzip, Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechtsbestimmungen festgestellt.552 Nach dem traditionellen Demokratieverständnis folgen aus diesem Spannungsverhältnis strikte Vorgaben für die Organisation nachgeordneter Verwaltungseinheiten. Bis auf grundgesetzlich gerechtfertigte Ausnahmen kann nur eine hierarchisch-monokratisch strukturierte Verwaltung dem Anforderungsprofil des gewaltenteilenden Demokratieprinzips gerecht werden. Aus dem pluralistischen Ansatz folgt dagegen eine größere Offenheit für abweichende Organisationsformen in der Verwaltung.553 Auf eine strikte Anwendung des Hierarchieprinzips kann nämlich verzichtet werden, wenn sich Legitimation in der Verwaltung nicht nur entlang der „Befehlskette“554 im System Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 49 f.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 478. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 47 ff.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 478. 548 Dazu Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 60 ff. 549 Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 52. 550 Solche befinden vorwiegend im VIII. Abschnitt der Verfassung, aber auch außerhalb dieses Abschnitts in Art. 28 Abs. 1 S. 2 u. 3, 28 Abs. 2, 65, 108, 114 Abs. 2, 115c Abs. 3, 120, 120a, 130 und 135 GG, vgl. Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 52. 551 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 163 ff.; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 51. 552 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 1. zur Ministerialverwaltung als aus dem Demokratieprinzip abgeleiteter Regeltypus einer ausreichend demokratisch legitimierten Verwaltung. Siehe oben 1. Kapitel § 7 A. III. 3. u. IV. 2. zum Prinzip der Gewaltenteilung und seinem Verhältnis zum Demokratieprinzip. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 3. u. 4. zu den Grundrechten als Determinanten für das Erfordernis einer legitimationsstiftenden gesetzlichen Grundlage. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. V. zur Rechtfertigung eines demokratischen Legitimationsdefizits durch spezifisch organisationsrechtliche Verfassungsbestimmungen. 553 Vgl. nur Groß, Das Kollegialprinzip, S. 233 ff. 546 547

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sanktionierter Verantwortlichkeiten entwickelt.555 Gleiches muss für ein Legitimationsmodell gelten, welches dem Verantwortlichkeitsprinzip überhaupt keine legitimatorische Wirkung beimisst.556 Entscheidendes Bindeglied zwischen Legitimationsmodell und Verwaltungsaufbau ist also das Verantwortlichkeitsprinzip und der aus ihm abgeleitete Pyramidenaufbau der Verwaltung. Mit abnehmender Bedeutung der Weisungsgewalt des Ministers als Pyramidenspitze wächst die politische Gestaltungsfreiheit des Inhabers der Organisationsgewalt für die Verwaltung. Die demokratische Legitimation ist demzufolge nicht nur eng mit der grundgesetzlichen Verwaltungsorganisation verknüpft, sondern kann als Kehrseite derselben Medaille bezeichnet werden.557 Soweit das Legitimationsmodell dem Inhaber der Organisationsgewalt die konkrete Ausgestaltung der Verwaltung nicht zwingend vorgibt, steht ihm ein weites Gestaltungsermessen zu, dessen Ausübung sich aber am Gebot der „funktionsgerechten Organisationsstruktur“ auszurichten hat.558 Bisher nicht beantwortet ist die Frage, wer die Organisationsgewalt für die Bildung, Errichtung und Einrichtung der Kodex-Kommission inne hat. Auch die Verteilung der Organisationsgewalt lässt sich mit der demokratischen Legitimation verknüpfen. Zwar spielen Bildung, Errichtung und Einrichtung der Kommission für die Legitimation ihrer (Mit-)Entscheidungen nach traditionellem Demokratieverständnis keine Rolle,559 haben also keine steuernde respektive legitimatorische Wirkung bezogen auf die Kodex-Erstellung.560 Andererseits ist auch die Entscheidung über die Bildung, Errichtung und Einrichtung der Funktionseinheit selbst Ausübung von Staatsgewalt.561 Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass es nicht darauf ankommt, „ob [amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter] unmittelbar nach außen wirkt oder nur behördenintern die Voraus554 Zum historischen Zusammenhang zwischen Hierarchie in der Verwaltung und Militär siehe Groß, Das Kollegialprinzip, S. 113. 555 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 2. 556 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 3. Im Modell Dederers spielt dagegen die Legitimationsdogmatik für die Verteilung der Organisationsgewalt eine um so größere Rolle. Denn durch die Anerkennung parlamentsvermittelter organisatorischer, prozeduraler und abstrakter personeller Legitimation gewinnt die Wahrnehmung der Organisationsgewalt durch die Legislative unmittelbaren Einfluss auf das Legitimationsniveau. 557 Zur demokratischen Legitimation der (Mit-)Entscheidungen der Kodex-Kommission siehe oben 1. Kapitel § 7 C. 558 Dazu oben 1. Kapitel § 7 A. III. 4. bei Fn. 395. Vgl. auch BVerfGE 68, 1 (86); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 484 ff. m. w. N.; Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (57); Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 77; von Danwitz, Der Staat 35 (1996), 329 (331 ff.). 559 Zu den traditionellen Legitimationsmodi vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 1. 560 Das Ist-Niveau folgt allein aus der personellen und sachlich-inhaltlichen Legitimation, vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 1. 561 Denn auch interne amtliche Maßnahmen haben Entscheidungscharakter, vgl. BVerfGE 9, 268 (282), zur Einstellung, Beförderung und Versetzung eines Beamten, ohne freilich auf das erst später entwickelte Abgrenzungskriterien der „amtlichen Maßnahme mit Entscheidungscharakter“ einzugehen; siehe explizit BVerfGE 93, 37 (68).

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setzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schafft. [ . . . Auch] Entscheidungen im internen Bereich von Regierung und Verwaltung stellen sich im Verhältnis zu den Bürgern als Ausübung von Staatsgewalt dar.“562 Folglich ist die Entscheidung der Bundesministerin der Justiz über die Bildung, Errichtung und Einrichtung der Kodex-Kommission selbst legitimationsbedürftig. Aus diesem Grund könnten neben den ohnehin verfassungsrechtlich vorgesehenen sog. institutionellen Gesetzesvorbehalten (dazu unten A. I.) aus dem Demokratieprinzip – parallel zum Gesetzesvorbehalt bei der außenwirksamen Entscheidung von Sachfragen, sozusagen als organisationsrechtliche Wesentlichkeitstheorie563 – weitere organisatorische Gesetzesvorbehalte564 abzuleiten sein. Vertreten wird dies im Falle der Wesentlichkeit der Organisationsentscheidungen für die Verwirklichung der Grundrechte unter den Stichworten des Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren (A. II.).565 Darüber hinaus können die Organisationsentscheidungen wesentlich566 für die Verwirklichung des Demokratieprinzips selbst sein, nämlich zum einen wegen der von der Ministerin angeordneten „Weisungsfreiheit“ und der damit begründeten „Staatsferne“ der Kommissionstätigkeit (A. III.)567 und zum anderen wegen der Einbindung von Privatpersonen in die Erledigung von Staatsaufgaben (A. IV.).568 Im Modell Dederers könnte das oben unter Vorbehalt gewonnene Ergebnis569 unter dem parallel zum Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren konstruierten Ansatz der demokratischen Legitimation durch Organisation und Verfahren zu korrigieren sein (B.).

BVerfGE 93, 37 (68). Siehe Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 87. 564 Kritisch zu der Verwendung des Begriffs „organisatorischer Gesetzesvorbehalt“ im Singular „angesichts der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Fundierung und verfassungstextlichen Verortung der Kompetenzzuweisungen an den Gesetzgeber“ Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 87. 565 Hierzu Groß, Das Kollegialprinzip, S. 209 ff.; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 64 ff. Vgl. bereits oben 1. Kapitel § 7 A. V. 566 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 3. Dazu auch BVerfGE 83, 130 (152); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 483 f.; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 241 m. w. N. in Fn. 36; unter nicht konkretisierten Vorbehalten auch Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 72, 87 f. m. w. N. 567 Dazu Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, Bd. III, § 69 Rn. 88. 568 Dazu Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 28. 569 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 2. 562 563

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A. Organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalte I. Institutionelle Gesetzesvorbehalte Der Begriff „institutionelle Gesetzesvorbehalte“ soll hier mit Krebs570 nur die von der Verfassung ausdrücklich angeordneten organisatorischen Gesetzesvorbehalte bezeichnen.571 Für die Organisation der Verwaltung des Bundes finden sich institutionelle Gesetzesvorbehalte in den Art. 87 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 87b Abs. 2 Satz 1, 87d Abs. 1 Satz 2, 87e Abs. 3 Satz 4 und 108 Abs. 1 Satz 2 GG.572 Sie betreffen nicht die Einrichtung der Kodex-Kommission, die – wenn überhaupt – dem Anwendungsbereich des Art. 86 Satz 2 GG unterfällt. Zwar kommt Art. 86 GG auch bei „gesetzesfreier Verwaltung“ zumindest entsprechend zur Anwendung, wenn – wie bei der Tätigkeit der Kodex-Kommission573 – die Zuständigkeit des Bundes nach dem dann anwendbaren Art. 30 GG begründet ist.574 Doch handelt es sich bei der Kodex-Kommission rechtlich um einen Teil des Bundesjustizministeriums, 575 welches „außerhalb des organisationsrechtlichen Regelungsbereichs“ von Art. 86 Satz 2 GG liegt.576 Außerdem haben sowohl Bundesverwaltungs- als auch Bundesverfassungsgericht behördliche Empfehlungen und Warnungen nicht zu der von Art. 86 ff. GG erfassten Verwaltungstätigkeit gerechnet.577 Einschlägig ist hier vielmehr Art. 65 Satz 2 GG, der dem jeweiligen Bundesminister die Ressortleitungsbefugnis zuweist. Ergänzend gehört dazu auch die Befugnis, Ministerien zu errichten und zu organisieren, was auch die Errichtung und organisatorische Ausgestaltung verselbständigter Verwaltungseinheiten578 auf Ministerialebene erfasst.579 Diese Befugnis ist jedoch den Bundesministern nicht ausschließlich zugewiesen, sondern „kann zum einen dem Zugriff des Gesetzgebers, zum anderen einem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen, solange der Kernbereich Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 58. Anders Groß, Das Kollegialprinzip, S. 239 ff. 572 Ein allgemeiner organisatorischer Gesetzesvorbehalt ist dagegen nicht anerkannt. Dazu Groß, Das Kollegialprinzip, S. 239 m. w. N.; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 59. 573 Vgl. oben 1. Kapitel § 6 A. II. 574 Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 86 Rn. 17, 20 ff. 575 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. V. 576 Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 86 Rn. 24. 577 BVerfGE 105, 252 (271); 105, 279 (307); BVerwGE 82, 76 (81 f.); 87, 37 (51). 578 Dazu Möllers, Gewaltenteilung, S. 121: „Der Begriff der verselbständigten Verwaltungseinheit ist nicht trennscharf zu bestimmten. Mit Verselbständigung sind Ausnahmen von den Ingerenzbefugnissen zu bezeichnen, über die die politisch verantwortliche exekutive Spitze gegenüber anderen Teilen der Exekutive in der Regel verfügt. Die formale Weisungsstruktur in einer exekutiven Organisation stellt sich aber nicht als ein ,Entweder-Oder‘ zwischen Abhängigkeit und Verselbständigung dar, sondern ist skalierbar.“ 579 Siehe Hermes, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 64 Rn. 9. 570 571

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der Organisationsgewalt der Regierung nicht berührt ist.“580 Weil die Kernbefugnis der Regierung nicht die Einrichtung unselbständiger Kollegialgremien zur Unterstützung bei der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit umfasst, kommt es im Folgenden darauf an, ob sich aus den übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes etwas anderes als die bisher festgestellte konkurrierende Kompetenzzuweisung ergibt.581 II. Grundrechtswesentlichkeit Etwas anderes könnte sich aus der mittlerweile weitgehend anerkannten Figur des Grundrechtsschutzes durch Organisation ableiten.582 Diese kann sich auf die Verortung der Organisationsgewalt im Spannungsfeld583 zwischen Legislative und Exekutive auswirken. Denn sie basiert darauf, dass die Organisationsentscheidungen „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“584 sind. Damit unterfallen aber – sozusagen vorwirkend – auch die Organisationsentscheidungen dem Gesetzesvorbehalt und sind vom Parlament zu treffen.585 Prämisse dieses aus den Grundrechtsbestimmungen abgeleiteten organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalts ist, dass sich die organisatorische Gestaltung auf den Inhalt der von der Organisationseinheit zu treffenden Entscheidungen auswirkt und die Entscheidungen Grundrechtsbeeinträchtigungen erwarten lassen.586 Gerade bezogen auf staat-

580 Vgl. NWVerfGH, NJW 1999, 1243 (1245). Siehe dazu auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 481 ff., nach dem nur die Personalhoheit und die Geschäftsverteilung zum geschützten Kernbereich der Regierung gehören; Hermes, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 62 Rn. 34 ff., Art. 64 Rn. 23; ders., in: Dreier, GG Bd. III, Art. 86 Rn. 24, der aber ein umfassendes Zugriffsrecht des Gesetzgebers annimmt. Kritisch zur Kernbereichslehre Horn, AöR 127 (2002), 427 (439 ff.). 581 Der NWVerfGH wendet unmittelbar die Wesentlichkeitstheorie auch auf die Organisationsentscheidungen auf Regierungsebene an, vgl. NWVerfGH, NJW 1999, 1243 (1245 ff.). 582 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 435 ff.; Denninger, in: Isensee / Kirchhof, HStRV, § 113 Rn. 5 ff.; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 209 m. w. N. in Fn. 261; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 67 ff.; Stern, Staatsrecht Bd. III / 1, § 69 V. 6 a) g) (S. 987 f.). 583 Dazu Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 286; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 480 f.; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 72, 86. 584 BVerfGE 47, 46 (79); 57, 295 (321). Siehe auch jüngst BVerfGE 111, 191 (216 ff., 221). 585 BVerfGE 12, 205 (263); 31, 314 (338 f.) (Sondervotum Geiger / Rinck / Wand); 47, 46 (79); 57, 295 (321); Groß, Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 212; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 72. Vgl. auch BVerfGE 83, 130 (152 ff.), wobei das Bundesverfassungsgericht das Verfahren zur Auswahl der Gremienmitglieder der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens zugeordnet hat, obwohl es sich bei der Auswahl der Entscheidungsberufenen tatsächlich um eine Frage der (personellen) Organisation handelt. So auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 478; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 211 f. 586 Groß bezeichnet die Annahme einer inhaltlichen Steuerungswirkung von Organisationsregelungen als „theoretisches Kernstück der verfassungsrechtlichen Ableitung des Grundrechtsschutzes durch Organisation“, Groß, Das Kollegialprinzip, S. 222.

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liche Informationstätigkeit gepaart mit der Einbindung eines pluralistischen (Mit-)Entscheidungsgremiums kann der Grundrechtsschutz durch Organisation Bedeutung erlangen. Erscheint nämlich eine abstrakt-generelle parlamentsgesetzliche Steuerung bei faktisch-mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen nur schwer möglich, so gewinnt die Bildung, Errichtung und Einrichtung des (Mit-)Entscheidungsgremiums eine um so größere Bedeutung.587 Soll der Ausgleich widerstreitender, teilweise grundrechtsgeschützter Interessen vor allem durch die horizontale Form der Willensbildung in einem weisungsfrei gestellten, mit sachverständigen Interessenvertretern besetzten Gremium erfolgen, so spielen diese Organisationsentscheidungen sowie die Besetzung eine entscheidende Rolle für die Verwirklichung des Grundrechtsschutzes.588 Zwar wird auch bei der Kodex-Kommission „[d]ie aufgrund der Unübersichtlichkeit der Probleme zurückgenommene externe Kontrolle [ . . . ] durch eine gegenseitige interne Kontrolle im kollegialen Diskurs ersetzt.“589 Doch betreffen die Entscheidungen der Kodex-Kommission nicht typischerweise grundrechtlich geschützte Freiheitsbereiche. 590 Eine dennoch erfolgende punktuelle Grundrechtsbeeinträchtigung ist keine organisationsspezifische Erscheinung, ihr kann daher nicht mit den Mitteln der Verwaltungsorganisation sinnvoll begegnet werden.

III. „Staatsferne“ Wie im Zusammenhang mit der demokratischen Legitimation der Kodex-Erstellung festgestellt wurde, bedürfen organisatorische Abweichungen von der Ministerialverwaltung nach traditionellem Demokratieverständnis einer verfassungsrangigen Rechtfertigung.591 Die wenigsten Rechtfertigungsversuche basieren aber auf einer ausdrücklichen grundgesetzlichen Anordnung der „Ministerialfreiheit“. 592 Wird „ministerialfreie Verwaltung“ generell oder im Einzelfall für zulässig erach587 Wie hier Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 67; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 325. 588 Zur Bedeutung der Zusammensetzung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften für den Grundrechtsschutz vgl. BVerfGE 83, 130 (150) („Die Beteiligung von Gruppenvertretern soll dabei gerade im Interesse der Kunstfreiheit sicherstellen, dass alle für die Indizierungsentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte gesammelt, die hierbei tragenden Werte ermittelt und zum Ausgleich gebracht werden.“), 151 ff.; Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 29, 31 f., nach dem auch bei Inklusion von externem Sachverstand wegen des „Phänomens der Vorverständnisse“ auf eine Pluralität der Auffassungen zu achten ist. 589 Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 30. 590 Vgl. oben 1. Kapitel § 6 E., wo eine Grundrechtsbeeinträchtigung der Berufs- und Eigentumsfreiheit abgelehnt wurde. 591 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 1. 592 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. V.

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tet, muss das demokratische Legitimationsdefizit seinen Grund vielmehr in einem gegenläufigen Wert von Verfassungsrang finden. Die Auflösung dieser Kollisionslage ist für die Verwirklichung des Demokratieprinzips wesentlich. Somit bedarf die Bildung, Errichtung und Einrichtung einer weisungsfreien Organisationseinheit auf Bundesebene zwingend der gesetzlichen Anordnung.593 Selbst wenn man die Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission – entgegen der hier vertretenen Auffassung594 – grundsätzlich für gerechtfertigt hielte, so beinhaltet zumindest die Bildung, Errichtung und Einrichtung der Kommission ohne formell-gesetzliche Grundlage einen Verfassungsverstoß.595

IV. Partizipation „Privater“ Schließlich könnte auch die Partizipation „Privater“ bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben wesentlich sein und einen organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt auslösen. Auch wenn die „Privaten“ durch ihre Ernennung zu staatlichen Funktionsträgern und zur Ausübung von Hoheitsgewalt ermächtigt werden, so könnte ihre Betroffenheit und ihre Ermächtigung zur Einbringung (objektivierter) privater Interessen596 den Grundsatz der demokratischen Gleichheit in seinen besonderen Ausprägungen, die er durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG erfährt, berühren. Alle Bürger müssen einen gleichen Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt haben. Bei der Ausübung von Staatsgewalt in Wahlen wird das durch den Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 1 GG) sichergestellt. Werden einzelnen Betroffenen oder ihren Interessenvertretern durch deren Einbindung in die Ausübung von Staatsgewalt Sondereinflüsse eingeräumt, so werden die Einflusschancen der Wähler dadurch geschmälert, dass die Betroffenen eher eigene Interessen wahrnehmen, als dass sie den Wählerwillen vollziehen. 593 Emde, Funktionale Selbstverwaltung, S. 330; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. IV, Art. 65 Rn. 99, 104; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 416; Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 207 f.; Möllers, NVwZ 1997, 858 (859 f.); Müller, JuS 1985, 497 (504 f., 508); Ossenbühl, in: Ruffert, Recht und Organisation, S. 11 (19). 594 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. V. 595 So auch VerfG Bbg, DVBl. 115 (2000), 1440 (1444 f.) bezüglich eines Braunkohleausschusses, dessen Bildung und Zusammensetzung aufgrund einer Verordnungsermächtigung der Landesregierung vorbehalten war. Das Gericht machte die Anforderungen an die Regelungsdichte von den eingeräumten Entscheidungsbefugnissen abhängig: „Je größer die Entscheidungsspielräume sind, über die der Bk-Ausschuss verfügt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Zusammensetzung des Gremiums zu stellen sind.“ 596 Ausführlich dazu Groß, in: Sommermann, Gremienwesen und staatliche Gemeinwohlverantwortung, S. 31 f.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 50 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 118 f., 395 f. u. 404; vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. I. zur Auswahl der Kommissionsmitglieder auch unter dem Aspekt der Repräsentanz der von den Handlungsempfehlungen betroffenen Interessengruppen.

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Deswegen gewährt Art. 33 Abs. 2 GG ergänzend zur Wahlgleichheit das Recht auf gleichen Zugang zu den „öffentlichen Ämtern“ und damit den gleichen Einfluss des Einzelnen auf die Ausübung von Staatsgewalt durch die „besonderen Organe“ der Legislative, Exekutive und Judikative. Dieser Grundsatz droht ebenfalls ausgehöhlt zu werden, wenn neben der „Eignung“, „Befähigung“ und „fachlichen Leistung“ zumindest auch das Kriterium der Betroffenheit oder Interessenrepräsentanz597 eine Rolle spielt.598 Selbst wenn die Professionalität der Mitglieder bei der Auswahl im Vordergrund steht, ist eine ausschließlich sachorientierte, strikt neutrale Willensbildung in Anbetracht der politischen Materie nicht möglich.599 In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Mitbestimmungsgesetz in Schleswig-Holstein noch ausgeführt, dass „alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen und deshalb Bürgern, die von einer bestimmten Ausübung von Staatsgewalt individuell betroffen sind, keine besonderen Mitentscheidungsbefugnisse eingeräumt werden dürfen.“600 Hierauf nimmt auch das jüngere Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur funktionalen Selbstverwaltung Bezug.601 Dennoch leitet es aus dem Grundsatz der demokratischen Gleichheit – weniger strikt – nur ein Gebot der angemessenen Interessenberücksichtigung und ein Verbot der Privilegierung von Sonderinteressen ab.602 Durch eine interessengerechte Zusammensetzung kann also der Sondereinfluss einzelner Gruppeninteressen gleichsam „neutralisiert“ werden.603 Diese Sicherung des Gemeinwohls gegenüber Gruppeninteressen obliegt aber dem „demokratisch besonders legitimierten Gesetzgeber[ . . . ]“.604 Dieser ist gehalten, mit der organisatorischen Ausgestaltung die gleichen Einflusschancen der Bürger605 zu gewährleis-

597 Hierzu Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 302, der in dem letzten Kriterium kein von Art. 33 Abs. 2 GG nicht zugelassenes weiteres Kriterium, sondern ein spezifisches Merkmal des zu bekleidenden „öffentlichen Amtes“ erblickt. 598 Insgesamt hierzu Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 278 ff.; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 251 f. u. 257 ff. 599 Vgl. dazu bereits oben in Fn. 450. 600 BVerfGE 93, 37 (69). 601 BVerfGE 107, 59 (88). 602 BVerfGE 37, 1 (26 ff.); 107, 59 (93); Groß, Das Kollegialprinzip, S. 251 f. 603 Ähnlich BVerfGE 107, 59 (93); dazu auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 326; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 251 f. m. w. N. in Fn. 89. 604 BVerfGE 107, 59 (99), zur funktionalen Selbstverwaltung, bei der aber, darauf gilt es hinzuweisen, ohnehin der institutionelle Gesetzesvorbehalt des Art. 87 Abs. 3 GG zum Tragen kommt. Eindeutig (ohne Einschränkungen) Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 482. 605 Weil nach dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung auch die Betroffenenbeteiligung demokratische Legitimation vermittelt, ging es im konkreten Fall um die Sicherung der gleichen Einflusschancen der Betroffenen und deren Gefährdung durch die Arbeitnehmermitbestimmung, BVerfGE 107, 59 (98 ff.).

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ten.606 Dabei billigt ihm das Bundesverfassungsgericht jedoch eine Gestaltungsfreiheit zu, die er erst dann überschreitet, wenn er Vertretern von Partikularinteressen Sondereinflüsse ohne verfassungsrechtlich zulässigen Zweck einräumt.607 V. Zusammenfassung Nach traditionellem Demokratieverständnis folgt aus der Legitimationsdogmatik, dass im Grundsatz nur die monokratisch-hierarchisch strukturierte Ministerialverwaltung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verwaltungsorganisation entspricht. Fehlt – wie für die Bildung, Einrichtung und Errichtung der weisungsfreien Kodex-Kommission – eine verfassungsrangige Rechtfertigung, so beinhaltet die vom Regelfall abweichende Organisationsentscheidung einen Verfassungsverstoß. Selbst bei einer offeneren Legitimationsordnung steht die Organisationsgewalt für die Einrichtung der Kodex-Kommission nach der herrschenden Meinung dem Gesetzgeber zu: Auch die Organisationsentscheidung selbst ist Ausübung von Staatsgewalt. Bei grundsätzlich konkurrierender Organisationskompetenz von Parlament und Regierung sind die grundrechtswesentlichen und die für die Verwirklichung des Demokratieprinzips wesentlichen Organisationsentscheidungen vom Gesetzgeber zu treffen.608 Die Bildung, Errichtung und Einrichtung eines weisungsfreien, mit sachverständigen Interessenvertretern besetzten Kollegialorgans mit (Mit-)Entscheidungsbefugnis berührt den Grundsatz der demokratischen Legitimation und der demokratischen Gleichheit. Die zur Wahrung dieser Prinzipien wesentlichen Entscheidungen stehen damit unter einem sogenannten organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt.609

B. Demokratische Legitimation durch Organisation und Verfahren Vermittelt das Parlamentsgesetz, welches Organisation und Verfahren regelt, sekundäre demokratische Legitimation, so wirkt sich die Wahrnehmung der Organisationsgewalt durch das Parlament unmittelbar auf die Höhe des Ist-Niveaus der Kodex-Erstellung durch die Kodex-Kommission aus. Die Unterscheidung zwischen der internen Entscheidung über Organisation und Verfahren und der außen606 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 325 f.; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 257; ders., Gremienwesen und demokratische Legitimation, S. 28; Möllers, NVwZ 1997, 858 (859 f.). 607 BVerfGE 107, 59 (99). 608 NWVerfGH, NJW 1999, 1243 (1245 ff.), der die Geltung des Gesetzesvorbehalts bei der als wesentlich qualifizierten Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium annahm. Siehe auch Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 87 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 114; Schmidt-Aßmann, in: ders. / HoffmannRiem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 9 (61 f.). 609 So auch Groß, Das Kollegialprinzip, S. 257.

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1. Kap.: Corporate Governance

wirksamen Entscheidung der Organisationseinheit wird in diesem Fall egalisiert. Die Frage, ob das (Mit-)Entscheidungsgremium hinreichend demokratisch legitimiert ist und ob ein organisations- bzw. verfahrensrechtlicher Gesetzesvorbehalt eingreift, kann also nur einheitlich beantwortet werden.610 I. „Staatsferne“ Anders als nach dem traditionellen Demokratieverständnis kann die „Weisungsfreiheit“ der Kodex-Kommission im Modell Dederers unter dem Aspekt der demokratischen Legitimation keine Wesentlichkeit der Organisationsentscheidung begründen.611 Das abstrakte Einzelweisungsrecht besitzt nämlich nach Dederer keine legitimationsstiftende Wirkung.612 II. Partizipation „Privater“ Dagegen bedarf die Integration privat organisierter Interessen613 in die Ausübung von Staatsgewalt nach Dederer in der Regel einer parlamentsgesetzlichen Grundlage.614 Auch wenn die (Mit-)Entscheidungen der privat organisierten Interessen oder ihrer Vertreter bezogen auf die Wesentlichkeit der betroffenen Sachmaterie ausreichend demokratisch legitimiert sind,615 steigert allein die Mitwirkung der Interessenvertreter an der Ausübung von Staatsgewalt das Soll-Niveau. Droht nämlich die gleiche Einflussnahme aller Volkszugehörigen auf die Ausübung von Staatsgewalt durch einzelnen Gruppeninteressen gewährten Sondereinfluss „entleert“ zu werden, so kann dem nur entgegengewirkt werden, indem dieser Sondereinfluss durch Interessenpluralität im Rahmen horizontaler Willensbildung „neutralisiert“ wird.616 Die Entscheidung, wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, ist im Hinblick auf die Steuerung der Ausübung staatlicher Gewalt wesentlich und muss daher durch das – normativ – effektivste Legitimationsinstrument, das parlamentarische Gesetz, getroffen werden.617 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 649. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 163, wonach die „Staatsferne“ selbst nur dann wesentlich ist, soweit die „staatsferne“ Ausübung von Staatsfunktionen tragende Prinzipien der Verfassung berührt. Es wird jedoch nicht deutlich, welche dafür in Betracht kommen. 612 Dazu am Beispiel der Außenpolitik Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 222 f. 613 Zu diesem Begriff siehe Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 26 ff. Auch wenn die Mitglieder der Kodex-Kommission nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu privat organisierten Interessen ausgewählt wurden, so gelten die hier nachgezeichneten Erwägungen Dederers wohl entsprechend für die Integration Betroffener oder ihrer Interessenvertreter in die Ausübung von Staatsgewalt. 614 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 482, 649. 615 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 2. 616 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 325 f. 617 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 326, 482, 649 f. 610 611

§ 9 Ergebnis

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III. Zusammenfassung Im Legitimations- und Organisationsmodell Dederers hebt die Organisationsentscheidung für die Integration privat organisierter Interessen in die Ausübung von Staatsgewalt das Soll-Niveau demokratischer Legitimation an. Zur Herstellung des derart erhöhten Soll-Niveaus ist ein Parlamentsgesetz erforderlich, welches mit hinreichender Regelungsdichte organisatorische, prozedurale und personelle sekundäre Legitimation vermittelt.618

§ 9 Ergebnis Die Kodex-Kommission ist ein staatliches Kollegialgremium.619 Der Kodex ist ein staatliches Regelwerk.620 Er besteht in erster Linie aus unverbindlichen staatlichen Handlungsempfehlungen. Die Bildung, Errichtung und Einrichtung der Kommission erfolgte durch die Bundesministerin der Justiz, wobei die Aufgabenübertragung eine parlamentsgesetzliche Anerkennung in § 161 AktG gefunden hat.621 Die Mitglieder der Kodex-Kommission sind von der Bundesministerin unter pluralistischen und professionellen Auswahlkriterien bestimmt worden.622 Der Kodex beeinträchtigt als richtige und sachlich gehaltene Wiedergabe von Gesetzesbestimmungen und Ansammlung von Verhaltensempfehlungen weder die Berufs- und Eigentumsfreiheit der Aktiengesellschaft und der Aktionäre, noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder börsennotierter und nicht börsennotierter Aktiengesellschaften. 623 Die Kodex-Erstellung durch die Kodex-Kommission ist aber nicht hinreichend demokratisch legitimiert.624 Nach traditionellem und pluralistischem Demokratieverständnis begründet die weisungsungebundene gesetzesfreie Ausübung von Staatsgewalt durch die Kodex-Kommission ein nicht gerechtfertigtes Legitimationsdefizit. Denn damit entfällt eine inhaltliche Steuerung der Tätigkeit der Kommission fast vollständig. Ein Grund von Verfassungsrang lässt sich hierfür nicht finden. Auch die Beteiligung Betroffener oder ihrer Interessenvertreter kann die Steuerungslücke nicht füllen. Selbst wenn man der Betroffenenbeteiligung mit dem pluralistischen Ansatz legitimationsstiftende Wirkung beimisst, so nur unter 618 619 620 621 622 623 624

Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 649. Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. I. Vgl. oben 1. Kapitel § 5. Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. II. Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. III. Vgl. oben 1. Kapitel § 6 A. u. B. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 C.

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1. Kap.: Corporate Governance

der Prämisse, dass die Betroffenen maßgeblichen Einfluss auf die Auswahl ihrer Repräsentanten innerhalb des Entscheidungsgremiums haben.625 Nicht auf die Steuerung aller Staatsgewalt durch das Volk, sondern auf die Gemeinwohldienlichkeit der Staatsgewalt für das Volk stellen Befürworter einer Output-Legitimation ab.626 Nach ihnen wäre die festgestellte Steuerungslücke aufgrund vorhandener Output-Legitimation kompensiert, falls die Einschaltung des weisungsfreien pluralen Expertengremiums für das Volk besonders vorteilhafte Entscheidungen erwarten ließe.627 Es ist jedoch gezeigt worden, dass die – durchaus wertorientierte – Herrschaft durch das Volk auf der Unterverfassungsebene nicht aufgrund von Output-Erwägungen beliebig entwertet werden darf.628 Sowohl hinsichtlich des Inputzusammenhangs wie auch bezüglich des zulässigen Outputs legt das Grundgesetz ein absolutes Mindestmaß fest, dessen Unterschreitung keiner (wechselseitigen) Kompensation zugänglich ist.629 Selbst wenn man also die inhaltliche Ausrichtung der Herrschaft durch das Volk als Teil des Demokratieprinzips ansieht und in der Folge von demokratischer Output-Legitimation spricht, können gemeinwohldienliche Leistungen der Kodex-Kommission und ihrer Empfehlungen den verminderten Einfluss des Volkes nicht rechtfertigen.630 Darüber hinaus hätte die Einschaltung der Kodex-Kommission – selbst im Falle ihrer Rechtmäßigkeit – nach der herrschenden Meinung einer gesetzlichen Anordnung bedurft. Wegen der „Weisungsfreiheit“ der Kommission und ihrer Besetzung auch unter pluralistischen und professionellen Aspekten kommen organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalte zum Tragen.631 Die Übertragung von Verantwortung auf die weisungsfreie Kodex-Kommission gefährdet die Verwirklichung des Demokratieprinzips und muss, selbst wenn sich für die Unterschreitung des demokratischen Soll-Niveaus eine verfassungsrangige Rechtfertigung findet, durch den Gesetzgeber angeordnet werden. Jener muss die grundgesetzliche Kollisionslage selbst auflösen und darf diese wesentliche Entscheidung nicht der Regierung überlassen.632 Schließlich ist auch bei Anwendung des rekonstruierten Legitimationsmodells Dederers ein Verfassungsverstoß festgestellt worden. In dessen Modell müssen (nur) alle wesentlichen Entscheidungen durch das normativ effektivste Steuerungsmittel, das Parlamentsgesetz, getroffen werden.633 Zwar sind die auf die KodexVgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 2. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. 627 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. u. II. 628 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. 629 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. 630 Ebenda. 631 Vgl. oben 1. Kapitel § 8 A. V. u. B. III. 632 Vgl. oben 1. Kapitel § 8 A. III. u. IV. 633 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 3., IV. 2. u. § 8 B. II.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 207 ff. 625 626

§ 9 Ergebnis

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Kommission übertragenen Entscheidungsbefugnisse (unter Berücksichtigung der Grenzen der Wesentlichkeitstheorie)634 selbst nicht als wesentlich eingestuft worden,635 doch ist nach Dederer die Integration privat organisierter Interessen stets wesentlich,636 denn sie gefährdet den gleichen Einfluss des einzelnen Volkszugehörigen auf die Ausübung von Staatsgewalt. Weil Dederer die Konstruktion eines Zurechnungszusammenhangs über die Regierung ablehnt,637 muss diese Organisationsentscheidung durch den Gesetzgeber getroffen werden. Im Unterschied zum traditionellen Legitimationsmodell kann folglich der Verfassungsverstoß nach der rekonstruierten Legitimationsdogmatik durch ein Parlamentsgesetz behoben werden, welches die Sondereinflüsse Einzelner durch entsprechende Organisations- und Verfahrensregelungen „neutralisiert“.638 Nach dem pluralistischen Demokratieverständnis müsste sich die Betroffenenbeteiligung von den Betroffenen selbst herleiten. Zur Wahrung der Anforderungen des Demokratieprinzips müsste ein Wahlmechanismus zur Auswahl der Mitglieder der KodexKommission eingerichtet oder die Auswahlentscheidung auf die privat organisierten Betroffenen übertragen werden. Im traditionellen Modell kann die Verfassungswidrigkeit nur durch ein Gesetz behoben werden, welches die wesentlichen Organisationsentscheidungen selbst trifft, und die Kodex-Kommission müsste zudem der Weisungsgewalt der Bundesministerin der Justiz unterstellt werden.

634 635 636 637 638

Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 4. u. IV. 2. Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 2. Vgl. oben 1. Kapitel § 8 B. Vgl. den Nachweis oben in Fn. 635. Vgl. oben § 8 B. II.

2. Kapitel

Bilanzierungsstandards § 10 Entwicklung des Bilanzrechts „Nicht alles, was zählt, ist zählbar, und nicht alles, was zählbar ist, zählt.“1

A. Die (unterschiedlichen) Funktionen und Zwecke der Bilanz I. Aktuelle Rechnungslegungspflichten Nach § 242 Abs. 1 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, für den Schluss des Geschäftsjahres eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) aufzustellen, die zusammen den Jahresabschluss bilden (§ 242 Abs. 3 HGB).2 Kapitalgesellschaften, die Mutterunternehmen eines Konzerns3 sind, müssen gemäß § 290 HGB zusätzlich einen Konzernabschluss aufstellen.4 Dieser „bietet weitergehende Informationen über den Unternehmensverbund, die in den Einzelabschlüssen der verbundenen Unternehmen nicht ersichtlich sind.“5 Aufgrund der IAS-Verordnung der EU6 sind alle kapitalmarktorientierten Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union verpflichtet, ihren konsolidierten Konzernabschluss ab 2005 nach „internationalen Rechnungslegungsstandards“ (IAS / IFRS)7 zu erstellen und Der oben zitierte Satz zierte das Büro von Albert Einstein in Princeton. Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264a Abs. 1 HGB haben den Jahresabschluss nach § 264 Abs. 1 HGB zusätzlich um einen Anhang zu erweitern. 3 Zu den Voraussetzungen eines Konzerns vgl. Baetge / Kirsch / Thiele, Konzernbilanzen, S. 1 ff. 4 Der Konzernabschluss besteht gem. § 297 Abs. 1 HGB aus der Konzernbilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechung, dem Konzernanhang, der Kapitalflussrechnung und dem Eigenkapitalspiegel. Er kann um eine Segmentberichterstattung erweitert werden. Eine Pflicht zur Segmentberichterstattung besteht nach IAS 14 für kapitalmarktorientierte IAS / IFRS-Bilanzierer. 5 Berberich, DRSC-Framework, S. 104. 6 Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 07. 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. L 243 v. 11. 09. 2002, S. 1. 1 2

§ 10 Entwicklung des Bilanzrechts

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zu veröffentlichen.8 Gleiches gilt gem. § 315a Abs. 2 HGB für solche Unternehmen, die bis zum betreffenden Bilanzstichtag die Zulassung eines Wertpapiers zum Handel am organisierten Markt beantragt haben. Für nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen9 sieht § 315a Abs. 3 HGB ein Wahlrecht vor, einen befreienden IAS / IFRS-Konzernabschluss aufzustellen. Alle Kapital- und ihnen gleichgestellte Personengesellschaften haben zudem nach § 325 Abs. 2a HGB die Möglichkeit, anstelle des HGB-Einzelabschlusses einen nach IAS / IFRS aufgestellten (informatorischen) Einzelabschluss zu veröffentlichen. Für gesellschaftsrechtliche und steuerliche Zwecke ist in diesem Fall nach wie vor ein HGB-Abschluss zwingend vorgeschrieben (§ 325 Abs. 2b HGB).10

II. Das kontinental geprägte Rechnungslegungssystem Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse müssen nach den in kontinentaler Tradition11 im Dritten Buch des HGB kodifizierten Bilanzierungsregeln aufgestellt werden, die als (öffentlich-rechtliche) 12 Rechtsnormen zu qualifizieren sind.13 Sie verpflichten den Kaufmann, seine Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ihren Vorgaben entsprechend darzustellen und, im Falle eines publizitätspflichtigen Unternehmens, diese Darstellung zu veröffentlichen.14

7 Unter denen im Folgenden alle verabschiedeten Standards sowie die dazugehörigen Interpretationen (SIC und IFRIC) verstanden werden. Zu den „internationalen Rechnungslegungsstandards“ i. S. v. Art. 1 der IAS-Verordnung vgl. unten 2. Kapitel § 10 B. u. § 11. 8 Art. 4 i.V. m. Art. 2 IAS-Verordnung. Durch den deutschen Gesetzgeber wurde eine nach Art. 9 IAS-Verordnung vorgesehene Übergangsfrist bis zum Geschäftsjahr 2007 für solche Unternehmen gewährt, die entweder bereits im Jahr 2002 andere international anerkannte Standards angewandt haben und deren Wertpapiere in einem Nichtmitgliedsstaat zum öffentlichen Handel zugelassen sind oder von denen nur Schuldtitel emittiert werden, vgl. Wendlandt / Knorr, KoR 2005, 53 (54) Abb. 2. Nach § 315a Abs. 1 HGB muss gleichwohl die Vorschrift des § 315 HGB zum Lagebericht weiterhin befolgt werden. 9 Und diejenigen Unternehmen, die i. S. d. Art. 9 IAS-Verordnung während der Übergangsfrist bis 2007 von der Pflicht zur Anwendung der IAS / IFRS befreit sind. 10 Die vorstehend zitierten Vorschriften des HGB beruhen auf den Änderungen des Handelsgesetzbuches durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG), BGBl. I / 2004, S. 3166. Im Rahmen dieses Gesetzes wurden u. a. die von Art. 5 IAS-Verordnung eingeräumten Mitgliedstaatenwahlrechte wie beschrieben ausgeübt. 11 Eine kontinental geprägte Rechnungslegung weisen neben Deutschland Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan, Luxemburg, Marokko, Norwegen, Österreich, Portugal, Senegal, Spanien, Schweden und die Schweiz auf, Berberich, DRSC-Framework, S. 24 in Fn. 13; Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (660). 12 Vgl. zum Streitstand Berberich, DRSC-Framework, S. 95 m. w. N. in Fn. 157; Claussen, in: FS Ulmer, S. 801 (809 ff.) m. w. N. 13 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173; ders., ZIP 2001, 1433 (1437). 14 Die Publizitätspflicht gilt für Kapitalgesellschaften und einige ihnen gleichgestellte Personengesellschaften, §§ 325 ff. i.V.m. § 264a HGB.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

Im deutschen Handelsrecht unterscheidet man den Einzel- (§§ 242 ff. HGB) und den Konzernabschluss15 (§§ 290 – 315 HGB). Im Gegensatz zur Rechnungslegung im angelsächsischen System16 dient der deutsche Einzelabschluss nicht hauptsächlich der Information der Rechnungslegungsadressaten,17 sondern ebenso der Dokumentation und der Kapitalerhaltung. 18 Durch vorsichtige Ermittlung eines ausschüttbaren Ergebnisses werden neben den Jahresabschlusserstellern und den Gesellschaftern auch die Gläubiger und Arbeitnehmer in den Kreis der geschützten Adressaten miteinbezogen.19 Der Einzelabschluss bezweckt einen schonenden Ausgleich der konfligierenden Interessen aller Stakeholder.20 Dies entspricht den Zielen der Jahresabschlussrichtlinie21, die nach ihrer Präambel den Schutz der Anteilseigner und Dritter gleichermaßen verbindlich in die Verantwortung der Mitgliedstaaten gestellt hat.22 Der deutsche Einzelabschluss hat zudem maßgebliche Bedeutung für die Steuerbemessung, wodurch ein weiterer Zweck an ihn „herangetragen“ wird.23 Der handelsrechtliche Konzernabschluss dient dagegen vorrangig der Information der Kapitalmärkte, unterscheidet sich damit in seiner Funktion nicht von den Konzernabschlüssen nach internationalen Bilanzierungsstandards.24 Er ist weder 15 Im Konzernabschluss ist die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der einbezogenen Unternehmen so darzustellen, als ob diese Unternehmen insgesamt ein einziges Unternehmen wären, vgl. § 297 Abs. 3 Satz 1 HGB. Dazu auch Berberich, DRSC-Framework, S. 76. 16 Vgl. unten 2. Kapitel § 10 A. III. 17 Zu denen im kontinental-europäisch geprägten System der Kaufmann selbst, die Anteilseigner, die Arbeitnehmer, die Gläubiger und die gesamte Öffentlichkeit zu rechnen sind, vgl. Berberich, DRSC-Framework, S. 99. 18 Zur Funktion des deutschen Einzelabschlusses Berberich, DRSC-Framework, S. 85 f.; Thiele / Stellbrink / Ziesemer, in: Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzrecht 1, Einführung Rn. 21 – 40. 19 Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (662 f.). 20 Berberich, DRSC-Framework, S. 25, 99, und, prägnant zu den einzelnen Interessen, 104 f.; Thiele / Stellbrink / Ziesemer, in: Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzrecht 1, Einführung Rn. 21 – 40. 21 Vierte Richtlinie 78 / 669 / EWG des Rates vom 25. 7. 1978 aufgrund von Art. 54 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. L 222 v. 14. 08. 1978, S. 11. 22 EuGH, Slg. 1997, I-6843 (6864), Rs. C-97 / 96 – Daihatsu. Zu diesem Urteil Berberich, DRSC-Framework, S. 80; Hommelhoff, RabelsZ 62 (1998), 381 (398); ders., ZGR 2000, 748 (750); Schulze-Osterloh, ZIP 1997, 2157; van Hulle, WPg 1998, 138 (149). 23 Vgl. nur Berberich, DRSC-Framework, S. 102 ff. m. w. N. 24 DRS 1 Tz. 23; Berberich, DRSC-Framework, S. 77; Niehus, in: FS Moxter, S. 623 (635); Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173 (176); für IAS-Rechnungslegung Nr. 12 des Rahmenkonzepts (Framework) für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen des International Accounting Standards Boards (F.12), Kommission, Kommentar zur IAS-Verordnung, Anhang 5, S. 15 ff.; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung nach Internationalen Standards, Abschnitt I, Rn. 39; für US-GAAP vgl. Berberich, DRSC-Framework, S. 26 m. w. N.

§ 10 Entwicklung des Bilanzrechts

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Grundlage für die Bestimmung des verteilbaren Jahresgewinnes noch für die steuerliche Gewinnermittlung.25 Dennoch werden durch Verweisung auf das materielle Einzelabschlussrecht zentrale, dem Gläubigerschutz und der Kapitalerhaltung dienende Bilanzierungsgrundsätze in das deutsche Konzerabschlussrecht inkorporiert.26 Dies entspricht der Konzernbilanzrichtlinie 27, die ihrerseits auf die Jahresabschlussrichtlinie verweist.28 So ist der konsolidierte Abschluss europäischer Unternehmen zwar eine reine Informationsbilanz, er wird aber auf der Grundlage von Kapitalschutzregeln erstellt.29 Charakteristisch für das kontinental-europäische Rechnungslegungssystem ist somit die Verrechtlichung der Bilanzierungsregeln und die durch den Gläubigerschutz bedingte vorsichtige Bilanzierung.30 Im Zweifel geht das Vorsichtsprinzip dem Ziel, die Vermögens- und Finanzlage und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darzustellen, vor.31 III. Das angelsächsische Rechnungslegungssystem In der Verbreitung überwiegt die angelsächsische Art der Rechnungslegung.32 Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Grundsätze und Methoden der Rechnungslegung gesetzlich nicht im Detail geregelt sind.33 Die von bloßen gesetzlichen Zielvorgaben belassenen Lücken werden von privaten Standardisierungsorganisationen ausgefüllt,34 deren Bilanzierungsregeln sich durch eine hohe RegeNiehus, in: FS Moxter, S. 623 (635) m. w. N. Siehe z. B. die Verweise in den §§ 298 Abs. 1, 300 Abs. 1 Satz 2 und 308 Abs. 1 Satz 1 HGB. Ausführlich zum Zusammenhang zwischen Konzernabschlussrecht und Einzelabschlussrecht Berberich, DRSC-Framework, S. 77 ff. m. w. N. 27 Siebente Richtlinie 83 / 349 / EWG des Rates vom 13. 6. 1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss, ABl. L 193 v. 18. 07. 1983, S. 1. 28 Siehe Art. 17 Abs. 1 und 29 Abs. 1 der Konzernbilanzrichtlinie und Berberich, DRSCFramework, S. 77 f., 80 f. 29 So Berberich, DRSC-Framework, S. 80 f., 106; Schön, ZGR 2000, 706 (710, insbes. 719). Dennoch bestehen mangels Prioritätensetzung auf europäischer Ebene und aufgrund der von der Konzernbilanzrichtlinie eingeräumten Wahlrechte weiterhin Unterschiede in der Zwecksetzung der Bilanzierung. So steht bei den EU-Ländern mit angelsächsischer Rechnungslegungstradition (Großbritannien, Irland, Dänemark und den Niederlanden) der Informationszweck weiterhin im Vordergrund, vgl. Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (664); Niehus, in: FS Moxter, S. 623 (629, 632 in Fn. 26); Schön, ZGR 2000, 706 (717). 30 Berberich, DRSC-Framework, S. 25; Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (661); Niehus, in: FS Moxter, S. 623 (631). 31 Beisse, in: FS Moxter, S. 3 (15); Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (663); Niehus, in: FS Moxter, S. 623 (629). 32 Berberich, DRSC-Framework, S. 24; Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (660). 33 Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (663). 34 Berberich, DRSC-Framework, S. 25 f.; Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (663). 25 26

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

lungsdichte auszeichnen. Darin unterscheiden sie sich deutlich von den nach kontinental-europäischer Tradition abstrakt formulierten Rechtssätzen (Code Law) des deutschen Bilanzrechts. Entsprechend der Tradition des Case Law ist die Standardisierung bestrebt, alle regelungsbedürftigen Einzelfälle zu erfassen.35 Die weltweit bekanntesten Standards sind die International Accounting Standards (IAS) des International Accounting Standards Committees (IASC), seit dem Frühjahr 2001 die International Financial Reporting Standards (IFRS) des International Accounting Standards Boards (IASB), und die US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP)36 des Federal Accounting Standard Boards (FASB). Als private Regeln entfalten diese Standards aus sich heraus keine unmittelbare Rechtsgeltung. Rechtliche Verbindlichkeit erlangen sie erst infolge hoheitlicher Umsetzung oder als Zulassungsvoraussetzung einer Börsennotierung.37 Auch in der Zwecksetzung besteht, verglichen mit der kontinental-europäischen Bilanzierung, ein grundlegender Mentalitätsunterschied. Die anglo-amerikanischen Bilanzvorstellungen orientieren sich vielmehr an den Informationsinteressen der Anleger, der aktuellen und potentiellen (Eigen-)Kapitalgeber also, als am Gläubigerschutzgedanken.38 So haben die Bilanzierungsregeln auch nicht die Funktion, den Gläubiger vor substanzzehrenden Ausschüttungen zu bewahren. Dieser muss sich auf der Grundlage der zur Verfügung gestellten Informationen durch private Absprachen selbst schützen.39 Der Ansatz der anglo-amerikanischen Bilanzmethoden ist deshalb der „true and fair view“ und damit die „decision usefulness“ der Unternehmensdaten für den Kapitalanleger.40 Im Jahresabschluss soll der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelte Gewinn sowie der wahre Zeitwert des Unternehmens dargestellt werden.41 Vor allem den Anteilseignern soll der 35 So Berberich, DRSC-Framework, S. 25; Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173 (175), der darin aus kontinental-europäischer Sicht einen erheblichen Rückschritt auf der Ebene der Normgebung erblickt. Vgl. aber auch Zeitler, DB 2004, 1529 (1530), nach dem sich die IAS als prinzip- und systemorientierte Methode verstehen. 36 Dazu Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433 (1437 f.); Epstein / Nach / Black / Delaney, GAAP 2005, Interpretation and Application of Generally Accepted Accounting Principles, 2005. 37 Berberich, DRSC-Framework, S. 26 f. m. w. N.; als „soft law“ werden IAS und USGAAP von Claussen, in: FS Ulmer, S. 801 (811), wie von Goebel, DB 1994, 2457, bezeichnet. 38 Beisse, in: FS Moxter, S. 3 (6); Berberich, DRSC-Framework, S. 25 f.; Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (663 f.); Küting, DStR 2000, 38 (40); F.12 des Frameworks; Kommission, Kommentar zur IAS-Verordnung, Anhang 5, S. 15 (21). 39 Beispielsweise durch private Absprachen zu Ausschüttungsgrenzen, der Wahrung eines bezifferten Mindestkapitals und einer festgelegten Relation von Fremd- und Eigenkapital (sog. „debt-covenants“), so Schön, ZGR 2000, 706 (726). Vgl. auch Berberich, DRSC-Framework, S. 26 m. w. N.; von Rosen, Der Konzern 2004, 325 (327). 40 Vgl. Schön, ZGR 2000, 706 (719). 41 Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (663); Niehus, in: FS Moxter, S. 623 (629 f.); F.46 des Frameworks statuiert das „true-and-fair-view“-Prinzip, Kommission, Kommentar zur IAS-Verordnung, Anhang 5, S. 15 (27).

§ 10 Entwicklung des Bilanzrechts

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jederzeitige Blick auf die Ertragssituation des Unternehmens und den Marktwert ihres Eigenkapitals gestattet werden und der gerechte Ertrag für das zur Verfügung gestellte Risikokapital periodengerecht42 zukommen (shareholder value).43 Geprägt wird das angelsächsische Rechnungslegungssystem also durch die Regulierung im Wege Privater Standardsetzung und den Gedanken des Anlegerschutzes durch aktuelle und umfassende Information.44

B. Internationale Entwicklung des Bilanzrechts Durch die Entstehung weltumspannender Großkonzerne („global players“) und die Internationalisierung der Finanzmärkte45 gerieten die koexistierenden Rechnungslegungssysteme in ein zunehmendes Spannungsverhältnis.46 Europäische Unternehmen waren, wollten sie langfristig am Markt konkurrenzfähig bleiben, vermehrt auf ausländisches Kapital angewiesen.47 Hieraus erwuchs die Notwendigkeit, auch die externe Rechnungslegung an den Informationsbedürfnissen internationaler Anleger oder den Anforderungen ausländischer Börsen auszurichten.48 So schreibt denn auch die Security and Exchange Commission (SEC), die staatliche amerikanische Börsenaufsicht, die Anwendung der US-GAAP für ein Listing am größten Kapitalmarkt der Welt verbindlich vor.49 Verlangte das nationale Recht, wie in Deutschland, einen an Stakeholder- und hierunter vornehmlich an Gläubigerinteressen ausgerichteten Abschluss, so sahen sich die Unternehmen zwei unterschiedlichen Systemvorstellungen gegenüber. Ein in beiden Systemen anerkannter sog. dualer Abschluss50 hatte zur Voraussetzung, 42 Vgl. Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (657), zur lediglich unterschiedlichen Periodisierung der Einnahmen aufgrund der verschiedenen Bilanzierungsmethoden. 43 Berberich, DRSC-Framework, S. 26; Zeitler, DB 2004, 1529 (1530). 44 Vgl. von Rosen, Der Konzern 2004, 325 (327 f.); vgl. zu den gegenseitigen Kritikpunkten die gute Darstellung bei Zeitler, DB 2004, 1529 (1530). 45 Vgl. bereits oben 1. Kapitel § 2 B. insbesondere in Fn. 8. 46 Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 (73), sprechen von „einem sich immer mehr abzeichnenden Wettbewerb von Regulierungssystemen“. 47 Zu dem Zusammenhang zwischen Globalisierung und steigendem Kapitalbedarf siehe Berberich, DRSC-Framework, S. 23 f., für deutsche Konzerne. 48 Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779; Krumnow, in: FS Moxter, S. 683; Müller / Gernon / Meek, Accounting: An International Perspective, S. 1: „Accounting is the language of business“. 49 Wobei der unmittelbaren Anwendung der US-GAAP die Anwendung anderer Bilanzierungsregeln in Verbindung mit einer Überleitungsrechnung gleichsteht, sofern dadurch zumindest wichtige bilanzielle Größen den nach US-GAAP ermittelten Werten entsprechen, vgl. Berberich, DRSC-Framework, S. 27 f.; Schulze-Osterloh, ZIP 2003, 93; ders., ZIP 2001, 1433 (1437). 50 Zu einem dualen Konzernabschluss nach HGB und IFRS und dessen geringer praktischer Relevanz seit dem 1. Januar 2001 siehe Driesch, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 7 f.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

dass die jeweils systemimmanenten Wahlrechte eine Schnittmenge erzeugten, die das Unternehmen für sich ausnutzen konnte. Andernfalls musste für das Listing an einer ausländischen Börse oder auch nur zu Informationszwecken ein zusätzlicher Jahresabschluss aufgestellt werden.51 Die mit einer zweifachen Bilanzierung einhergehenden Mehrkosten nahm zuerst die Daimler-Benz AG auf sich, die im Jahre 1993 anderen deutschen Unternehmen den Gang an die New York Stock Exchange (NYSE) vormachte.52 Welche praktischen Auswirkungen die verschiedenen Philosophien auf das Bilanzergebnis haben können, zeigte der zweifache Konzernabschluss des Daimler-Benz-Konzerns für das Jahr 1995: Bei Anwendung des deutschen HGB ergab sich ein Gewinn von 600 Mio. DM, während die Überleitungsrechnung nach den US-GAAP zu einem Verlustausweis von 1,8 Mrd. DM führte.53

C. Europäische Entwicklung des Bilanzrechts Mit dem Ziel eines einheitlichen Binnenmarktes, frei von Hindernissen für den Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, wird in der Europäischen Gemeinschaft seit Mitte der sechziger Jahre auch an der Harmonisierung der Rechnungslegung gearbeitet.54 Gestützt auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EG55, der Grundnorm für die Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, sind seither verschiedene Richtlinien ergangen,56 um den Kapitalgebern in 51 Dies konnte in Form einer Überleitungsrechnung oder in Form eines komplett eigenständigen zweiten Abschlusses geschehen, siehe Berberich, DRSC-Framework, S. 28. 52 Berberich, DRSC-Framework, S. 24; Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779; SchulzeOsterloh, ZIP 2003, 93. 53 Siehe Berberich, DRSC-Framework, S. 27 m. w. N. 54 Havermann, in: FS Moxter, S. 655 (666); Schön, ZGR 2000, 706 ff. 55 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vom 25. 03. 1957, in der Fassung des Vertrages von Amsterdam vom 02. 10. 1997, zuletzt geändert durch Vertrag von Nizza vom 26. 02. 2001, ABl. C 80 v. 10. 03. 2001, S. 1. 56 Zentrale Quellen des europäischen Rechnungslegungsrechts sind die Jahresabschlussrichtlinie (vgl. oben in Fn. 21) und die Konzernbilanzrichtlinie (vgl. oben in Fn. 27), geändert durch die GmbH & Co.-Richtlinie (Richtlinie des Rates vom 08. 11. 1990 zur Änderung der Richtlinien 78 / 660 / EWG und 83 / 349 / EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABl. L 317 v. 16. 11. 1990, S. 60), die Mittelstandsrichtlinie (Richtlinie des Rates vom 08. 11. 1990 zur Änderung der Richtlinie 78 / 660 / EWG über den Jahresabschluss und der Richtlinie 83 / 349 / EWG über den Abschluss hinsichtlich der Ausnahmen für kleine und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüssen in ECU, ABl. Nr. L 317 v. 16. 11. 1990, S. 57), die Fair-Value-Richtlinie (Richtlinie 2001 / 65 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 09. 2001 zur Änderung der Richtlinien 78 / 660 / EWG, 83 / 349 / EWG und 86 / 635 / EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, ABl. L 283 v. 27. 10. 2001, S. 28), die Schwellenwertrichtlinie (Richtlinie 2003 / 38 /EG des Rates

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ganz Europa vergleichbare Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der in der Gemeinschaft tätigen Gesellschaften57 zu gewähren und damit die Integration der europäischen Finanz- und Kapitalmärkte zu fördern.58 Nach Art. 44 Abs. 2 lit. g EG sind auch die den Gesellschaften von den Mitgliedstaaten auferlegten „Schutzbestimmungen“ zugunsten der Gesellschafter sowie Dritter zu koordinieren. Aufgabe der Harmonisierung ist neben der Marktintegration auch die Sicherstellung eines angemessenen Schutzniveaus für Dritte.59 Bezogen auf die widerstreitenden Rechnungslegungsphilosophien in den Mitgliedstaaten erteilte das Europarecht einem einseitig auf Anlegerschutz durch Information gerichteten Bilanzierungssystem vorerst eine Absage.60 Das europäische Bilanzrecht stellte die Bilanzierungszwecke Information, Gläubigerschutz (durch Kapitalerhaltung) und Vergleichbarkeit gleichrangig nebeneinander, ohne damit den Zielkonflikt dieser Ansprüche an die Rechnungslegung aufzulösen.61 Im Vordergrund des Harmonisierungsprozesses stand zunächst die politische Einigung, das Fortbestehen der konzeptionellen Unterschiede wurde dabei in Kauf genommen.62 Die gestiegene Notwendigkeit, den international wohl bedeutendsten Kapitalmarkt der Vereinigten Staaten in Anspruch zu nehmen, setzte die europäischen Rechnungslegungssysteme unter Konkurrenzdruck und führte zu vergeblichen Bevom 13. 05. 2003 zur Änderung der Richtlinie 78 / 660 / EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge, ABl. L 120 v. 15. 05. 2003, S. 22) und die Modernisierungsrichtlinie (Richtlinie 2003 / 51 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. 06. 2003 zur Änderung der Richtlinien 78 / 660 / EWG, 83 / 349 / EWG, 86 / 635 / EWG und 91 / 674 / EWG des Rates über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. L 178 v. 17. 07. 2003, S. 16). Für bestimmte Wirtschaftszweige gelten die Bankbilanzrichtlinie (Richtlinie 86 / 635 / EWG des Rates vom 08. 12. 1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten, ABl. L 372 v. 31. 12. 1986, S. 1) und die Versicherungsrichtlinie (Richtlinie 91 / 674 / EWG des Rates vom 19. 12. 1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. L 374 v. 31. 12. 1991, S. 7). 57 Von diesem Harmonisierungsprozess nicht erfasst sind Einzelkaufleute und Personengesellschaften mit mindestens einer persönlich haftenden natürlichen Person als Gesellschafter, vgl. Berberich, DRSC-Framework, S. 73 f. 58 Dieses Ziel wurde jüngst wieder betont, vgl. KOM (2000) 359, S. 3; siehe auch Schön, ZGR 2000, 706 (708). 59 EuGH, Slg. 1997, I-6843 (6864), Rs. C-97 / 96 – Daihatsu; Schön, ZGR 2000, 706 (708); vgl. bereits oben in Fn. 22. 60 Zum Versuch, das in den Richtlinien angelegte Vorsichtsprinzip durch „dynamische Interpretation“ aufzugeben, Schön, ZGR 2000, 706 (720 f.). 61 Krumnow, in: FS Moxter, S. 680 (687); Schön, ZGR 2000, 706 (713 ff., insbes. 715), wo er ausführt, dass der Versuch, diesen drei Rechnungslegungsansprüchen zu genügen, letztlich gescheitert sei. 62 Berberich, DRSC-Framework, S. 105 f.; Krumnow, in: FS Moxter, S. 680 (687 f.).

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

mühungen der Europäischen Kommission, eine wechselseitige Anerkennung europäischer und amerikanischer Abschlüsse zu erreichen.63 Am Gläubigerschutz orientierte Rechnungslegung wurde von der SEC aber unter Entscheidungs- und Informationsgesichtspunkten als untauglich zurückgewiesen.64 Die ablehnende Haltung der SEC und der drohende Einflussverlust des europäischen Bilanzrechts, der sich infolge der Entstehung nationaler Öffnungsklauseln für die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards65 abzuzeichnen begann, bewegten die Europäische Kommission zu einer neuen Strategie, die im Juli 2002 in die Verabschiedung der IAS-Verordnung66 mündete. Diese Verordnung verpflichtet börsennotierte67 Konzerne in Europa als unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltendes Recht,68 ihre konsolidierten Abschlüsse für die Geschäftsjahre ab 2005 nach den IAS / IFRS aufzustellen.69 Mit dieser Rechtsvereinheitlichung im Bereich der externen Rechnungslegung europäischer Konzerne hat sich der supranationale Gesetzgeber von der kontinental-europäischen Bilanzierungsphilosophie insoweit abrupt verabschiedet. Um der Gefahr zu begegnen, sich den Bedürfnissen der Kapitalmärkte der Welt durch Anwendung der US-GAAP unterordnen zu müssen, hatte die Kommission auf die einzige international erfolgsversprechende70 Alternative gesetzt: die IAS / IFRS.71 Mit der Anwendung der IAS / 63 KOM (1995) 508, S. 6; dazu Berberich, DRSC-Framework, S. 29; Krumnow, in: FS Moxter, S. 680 (681), nach dem die SEC die Anerkennung gläubigerschützender Bilanzierung aus grundsätzlichen Erwägungen stets ablehnte. 64 KOM (1995) 508, S. 2; Krumnow, in: FS Moxter, S. 680 (681) m. w. N. in Fn. 3. 65 Dazu Schubel, ZGR 2000, 743 f. In Deutschland war infolge des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes vom 20. 04. 1998 § 292a ins HGB eingeführt worden, der börsennotierten Aktiengesellschaften die Möglichkeit eröffnete, den Konzernabschluss nach HGB durch einen Konzernabschluss, der nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen (US-GAAP oder IAS) aufgestellt worden ist, zu ersetzen. Vgl. auch unten 2. Kapitel § 10 D. 66 Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. L 243 v. 11. 9. 2002, S. 1. 67 Genauer: Gesellschaften, die dem Recht der Mitgliedstaaten unterliegen, wenn am jeweiligen Bilanzstichtag ihre Wertpapiere in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt im Sinne des Art. 1 Abs. 13 der Richtlinie 93 / 22 / EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. L 141 v. 11. 06. 1993, S. 27, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2000 / 64 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 290 v. 07. 11. 2000, S. 27, zugelassen sind. 68 Vgl. Art. 249 Abs. 2 EG. 69 Art. 4 i.V.m. Art. 2 IAS-Verordnung. 70 Vgl. dazu Berberich, DRSC-Framework, S. 29, nach dem die IAS als einzige vieler internationaler Bemühungen zur Vereinheitlichung der Rechnungslegung eine Chance haben, von der International Organisation of Security Commissions (IOSCO) – der internationalen Vereinigung der Börsenaufsichten – und damit den internationalen Kapitalmärkten anerkannt zu werden. 71 KOM (1995) 508, S. 6 f.; KOM (2000) 359, S. 7. Diese sollen auch von der SEC (bei weitgehender Konformität mit den Regeln der US-GAAP) anerkannt werden, vgl. Schön,

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IFRS im Rechtsraum der EU verbindet sich die Hoffnung auf mehr europäischen Einfluss im IASB.72 Untermauert wird dieser Anspruch durch Art. 4 i.V.m. 6 Abs. 2 IAS-Verordnung, wonach die Standards des IASB nicht unbesehen ins Europarecht inkorporiert werden, sondern jeder Standard in einem gesonderten Verfahren (sog. „Komitologie-Verfahren“)73 unter Einbeziehung von Politik und Sachverstand überprüft und förmlich durch Kommissions-Verordnung anerkannt werden muss.74 Andernfalls wird er für europäische Unternehmen nicht verbindlich.75 Prüfungsmaßstab sind unter anderem die beiden Rechnungslegungsrichtlinien,76 deren Grundanforderungen die IAS / IFRS genügen müssen.77 Bereits im Vorfeld sind dazu die grundlegenden Diskrepanzen zwischen diesen Richtlinien und den IAS / IFRS durch die Fair-Value- und die Modernisierungsrichtlinie78 beseitigt worden.79

D. Nationale Entwicklung des Bilanzrechts Seit der Umsetzung der europäischen Richtlinien zur externen Rechnungslegung durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19. Dezember 198580 ist das deutsche Bilanzrecht für alle Rechnungslegungspflichtigen umfassend im Dritten Buch des HGB kodifiziert.81 Der europäische Einfluss bescherte dem deutschen Regelwerk ZGR 2000, 706 (732). Unterdessen haben sich SEC und Kommission auf eine „roadmap“ geeinigt, wonach bis spätestens 2009 ein Listing an der amerikanischen Börse auch bei Anwendung IAS / IFRS möglich sein soll, vgl. SEC Press Release vom 21. 04. 2005, http: // www.sec.gov / news / press / 2005 – 62.htm (Stand: 14. 05. 2007) und Rapid Press Release der Kommission, IP / 05 / 469 vom 22. 04. 2004, http: / / europa.eu.int / rapid / press ReleasesAction.do?reference=IP / 05 / 469&format=HTML&aged=0&language=EN (Stand: 14. 05. 2007). 72 Was im Hinblick auf den angelsächsischen Hintergrund von 10 der 14 Mitglieder des IASB bezweifelt wird, vgl. Tettinger / Arnold, Der Konzern 2004, 183 (184). Ebenso wohl Berberich, DRSC-Framework, S. 30, der den Wegfall der kontinental geprägten Bilanzierungsalternativen auf den angelsächsischen Einfluss zurückführt. 73 Artikel 5 und 7 des Beschlusses 1999 / 468 / EG unter Beachtung von dessen Artikel 8. 74 Vgl. eingehend unten 2. Kapitel § 11 C. II. 75 Kommission, Kommentar zur IAS-Verordnung, S. 4 f. Aktuelles Beispiel für einen von der Kommission partiell abgelehnten Standard ist IAS 39, der nur unter Ausklammerung einiger Paragrafen übernommen wurde, vgl. Verordnung (EG) Nr. 2086 / 2004 der Kommission vom 19. 11. 2004, ABl. L 363 v. 09. 12. 2004, S. 1. In Reaktion wird vom IASB an einer neuen Fassung von IAS 39 gearbeitet, vgl. Kurznachrichten internationale Rechnungslegung, Der Betrieb 2005, 461. 76 Die Jahresabschluss- und die Konzernbilanzrichtlinie, siehe oben in Fn. 21 u. 27. 77 Erwägung (4) der Modernisierungsrichtlinie (dazu oben in Fn. 56). 78 Zu diesen beiden Richtlinien vgl. oben in Fn. 56. 79 Vgl. die Erwägungen (7) – (10) der Fair-Value-Richtlinie und (5) der Modernisierungsrichtlinie; Jessen / Weller, DStR 2005, 489. 80 BGBl. I / 1985, S. 2355. 81 Claussen, in: FS Ulmer, S. 801; Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433 (1437).

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

zwar das angelsächsische „true-and-fair-view“-Gebot,82 eine „Umwälzung“ des konservativen, vom Gedanken des Gläubigerschutzes beherrschten deutschen Bilanzrechts war mit der Harmonisierung zunächst aber nicht verbunden, weil das Europarecht keine Richtungsentscheidung zwischen den vorgefundenen Bilanzierungssystemen beinhaltete.83 Ein grundlegender Wandel zeichnete sich dagegen mit Verabschiedung des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes84 am 20. April 1998 ab. Die als „revolutionär“ bezeichnete 85 neu geschaffene Regelung in § 292a HGB öffnete das nationale Recht, vorbei an den europäischen Vorgaben,86 für die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze (USGAAP / IAS).87 Global agierende deutsche Wirtschaftsunternehmen, die zum Zwecke der Kapitalbeschaffung an ausländischen Kapitalmärkten einen Konzernabschluss nach internationalen Standards aufstellen mussten, sollten von der Pflicht zur parallelen Erstellung eines HGB-Konzernabschlusses befreit werden.88 Diese Interimsregelung des § 292a HGB wurde zum Ende des Jahres 2004 von der IAS-Verordnung abgelöst, das nationale Wahlrecht in eine europäische Verpflichtung zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards i.S.v. Art. 2 IASVerordnung umgewandelt. Der für die Ausschüttung maßgebliche Einzelabschluss ist von dieser zwingenden Vorgabe der IAS-Verordnung nicht erfasst, er ist aber – ebenso wie der Konzernabschluss nicht-kapitalmarktorientierter Unternehmen – Gegenstand eines in Art. 5 IAS-Verordnung enthaltenen Wahlrechts, wonach die Mitgliedstaaten die Anwendung der IAS / IFRS auch auf solche Unternehmensabschlüsse ausdehnen können. Mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)89 hat der deutsche Gesetzgeber dieses Wahlrecht, wie eingangs beschrieben,90 zurückhaltend ausgeübt. GleichzeiVgl. §§ 264 Abs. 2, 289 Abs. 1, 297 Abs. 2 Satz 2 HGB. Vgl. Krumnow, in: FS Moxter, S. 680 (681 ff.); Schön, ZGR 2000, 706 (715 ff.). 84 BGBl. I / 1998, S. 707. 85 Berberich, DRSC-Framework, S. 35. 86 Formal setzte § 292a Abs. 2 Nr. 2 HGB voraus, dass Abschluss und Lagebericht im Einklang mit der Konzernbilanzrichtlinie stehen. Der deutsche Gesetzgeber vertrat aber die Ansicht, dass eine umfassende „Übereinstimmung“ mit der Richtlinie nicht erforderlich sei und akzeptierte die Richtlinienkonformität von IAS und US-GAAP entgegen der europäischen Auffassung von vornherein, BT-Drucks. 13 / 7141, S. 10 f. Siehe dazu mit weiteren Nachweisen Schön, ZGR 2000, 706 (722). In seiner ausführlichen Arbeit zu § 292a HGB kommt auch Erdbrügger, Befreiende Konzernabschlüsse nach US-GAAP, S. 103 ff., zu dem Ergebnis, dass ein europarechtskonformer „Einklang“ mit der Konzernbilanzrichtlinie bei Anwendung der US-GAAP nicht hergestellt werden konnte (S. 183) und dass schon die Verlagerung der Einhaltung der Richtlinie auf den Rechtsanwender durch § 292a Abs. 2 Nr. 2 lit. b) HGB gegen die Umsetzungspflicht für Richtlinien aus Art. 249 Abs. 3 EG verstieß (S. 109, 182). 87 Theoretisch wären auch weitere Regelungswerke in Betracht gekommen, vgl. SchulzeOsterloh, ZIP 2003, 93. 88 Begr. RegE, BT-Drucks. 13 / 7141, S. 9; Hellermann, NZG 2000, 1097. 89 Vgl. oben in Fn. 10. 90 Vgl. oben 2. Kapitel § 10 A. I. 82 83

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tig hat er die zwingenden Vorgaben der Fair-Value- und der Modernisierungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt, von einer umfassenden Einführung des Konzepts der Fair-Value-Bewertung zunächst aber abgesehen.91 Er hält insoweit an kontinental-europäischer Tradition fest, als der Einzelabschluss aller Unternehmen seine Ausschüttungs- und Steuerbemessungsfunktion (vorerst) behält.92 Unternehmen, die sich internationalen Kapitalgebern mit einem Einzelabschluss nach angelsächsischen Maßstäben präsentieren wollen, fordert er den Mehraufwand der doppelten Bilanzierung ab.93 Inwieweit diese Lösung endgültig ist, wird sich im Rahmen des geplanten Gesetzesvorhabens mit dem Arbeitstitel „Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz“ zeigen, welches der „Durchforstung und ,Entrümpelung‘ des HGB durch Abschaffung zahlreicher nicht mehr zeitgemäßer Wahlrechte“94 dienen soll. In gleichem Zuge soll über „die Ausübung des (weitreichenden) verbleibenden Gestaltungsspielraums“ der Fair-Value- und der Modernisierungsrichtlinie zur Öffnung des Handelsbilanzrechts für das Konzept der Fair-Value-Bewertung und eine darüber hinausgehende Anpassung an internationale Entwicklungen entschieden werden.95

E. Verortung der Bilanzierungsvorschriften für deutsche Unternehmen Nationale, europäische und internationale Entwicklungen haben dem deutschen Rechtsanwender im Bereich der externen Rechnungslegung ein Normengeflecht verschiedener Regelgeber beschert: Für natürliche Personen und Personengesellschaften, mit mindestens einer unbeschränkt haftenden natürlichen Person, genügt ein Blick ins HGB, um sich über deren Rechnungslegungspflichten zu informieren.96 Ebenfalls abschließend im HGB finden sich die Regeln zur Erstellung des Einzelabschlusses für Kapital- und ihnen gleichgestellte Personengesellschaften.97 Doch sind diese im Lichte der europäischen Harmonisierungsbemühungen ausVgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 15 / 3419, S. 21 (24 f.); Jessen / Weller, DStR 2005, 489. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 15 / 3419, S. 23; Jessen / Weller, DStR 2005, 532 (535), zur Beibehaltung der Steuerbemessungsfunktion nach dem BilReG. 93 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 15 / 3419, S. 23. 94 Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes vom 25. 02. 2003, Nr. 4, http: // www.bmj.de / enid / 288b45b7f44290 444104df75945020bb,1349a6707265737365617274696b656c5f6964092d09313539093a096 d795f79656172092d0932303033093a096d795f6d6f6e7468092d093032 / 58.html (Stand: 14. 05. 2007). 95 Begr. RegE, BT-Drucks. 15 / 3419, S. 24. 96 Vgl. oben in Fn. 57. 97 Wenn diese zusätzlich einen informatorischen Einzelabschluss nach IAS / IFRS aufstellen, dann gelten hierfür die Vorgaben der IAS-Verordnung i.V. m. den Übernahmeverordnungen der Kommission (vgl. dazu Fn. 100). 91 92

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

zulegen, welche ihrerseits noch von dem unausgetragenen Konflikt zwischen der Informations- und der Kapitalschutzfunktion der Bilanz historisch geprägt sind.98 Die Regeln zur Erstellung eines konsolidierten Konzernabschlusses finden sich für kapitalmarktorientierte99 Gesellschaften unmittelbar im Europarecht (IAS-Verordnung i.V.m. den Durchführungsverordnungen der Kommission)100, erstellt wurden sie aber von einem internationalen Privatgremium. Daneben kommen für die Abschlussprüfung, die Erstellung des konsolidierten Lageberichts und für bestimmte Offenlegungsaspekte weiterhin nationale Vorschriften im Geltungsbereich der europäischen Richtlinien zur Anwendung.101 Nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen haben schließlich die Wahl zwischen der Anwendung der IAS / IFRS und des „harmonisierten“ nationalen Rechts. Abschließend sei bemerkt, dass nach dem Urteil des EuGH im Fall BIAO kaum eine deutsche Rechnungslegungsvorschrift von europäischem und damit zugleich internationalem Einfluss gänzlich frei ist. Danach ist nämlich das nationale Recht in Zweifelsfragen entsprechend den EG-Richtlinien unter Berücksichtigung der IAS / IFRS auszulegen.102 98 Schön, ZGR 2000, 706 (715 f.). Das gilt auch nach Änderung der europäischen Rechnungslegungsrichtlinien durch die Fair-Value- und die Modernisierungsrichtlinie, da diese die Diskrepanzen zwischen Richtlinien und IAS / IFRS durch Einführung weiterer Mitgliedstaatenwahlrechte beseitigt haben. 99 Dies umfasst die börsennotierten Unternehmen, die nach der IAS-Verordnung zwingend in ihren Anwendungsbereich fallen, und zusätzlich die Unternehmen, die der deutsche Gesetzgeber zwingend ihrem Anwendungsbereich unterstellt hat (§ 315a Abs. 2 HGB), vgl. oben 2. Kapitel § 10 A. I. 100 Verordnung (EG) Nr. 1725 / 2003 der Kommission vom 29. 09. 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 261 v. 13. 10. 2003, S. 1, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 707 / 2004 der Kommission vom 06. 04. 2004, ABl. L 111 v. 17. 04. 2004, S. 3, die Verordnung (EG) Nr. 2086 / 2004 der Kommission vom 19. 11. 2004, ABl. L 363 vom 09. 12. 2004, S. 1, die Verordnung (EG) Nr. 2236 / 2004 der Kommission vom 29. 12. 2004, ABl. L 392 vom 31. 12. 2004, S. 1, die Verordnung (EG) Nr. 2237 / 2004 der Kommission vom 29. 12. 2004, ABl. L 393 v. 31. 12. 2004, S. 1, die Verordnung (EG) Nr. 2238 / 2004 der Kommission vom 29. 12. 2004, ABl. L 394 v. 31. 12. 2004, S. 1, Berichtigung ABl. L 29 v. 02. 02. 2005, S. 58, die Verordnung (EG) Nr. 211 / 2005 der Kommission vom 04. 02. 2005, ABl. L 41 v. 11. 02. 2005, S. 1, die Verordnung (EG) Nr. 1073 / 2005, ABl. L 175 v. 08. 07. 2005, die Verordnung (EG) Nr. 1751 / 2005, ABl. L 282 v. 26. 10. 2005 und die Verordnung (EG) Nr. 1864 / 2005, ABl. L 299 v. 16. 11. 2005. 101 Denn diese Bereiche unterfallen nicht der IAS-Verordnung, vgl. Kommission, Kommentar zur IAS-Verordnung, S. 12. 102 EuGH, Slg. 2003, I-1 (69, 73), Rs. C-306 / 99 – BIAO; dazu Vater, StuB 2005, 67. Das betrifft sogar die Vorschriften für alle Kaufleute, soweit Inhalte der Bilanzrichtlinie in dem für alle Kaufleute geltenden nationalen Handelsbilanzrecht umgesetzt wurden (§§ 238 ff. HGB). Denn der BGH lehnt eine „gespaltene“ Auslegung des nationalen Rechts im Anwendungsbereich einer europäischen Richtlinie zumindest dann ab, wenn die Vorgaben der Richtlinie kraft Willens des deutschen Gesetzgebers auch für einen nicht der Richtlinie unterfallenen Bereich umgesetzt werden, BGH, NJW 2002, 1881 (1884).

§ 11 Die „internationalen Rechnungslegungsstandards“ (IAS / IFRS)

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§ 11 Die „internationalen Rechnungslegungsstandards“ (IAS / IFRS) A. Der „private“ Standardsetzer Am 29. Juni 1973 wurde das International Accounting Standards Committee (IASC) mit Sitz in London von Berufsverbänden der Accountancy Profession (mehrheitlich Wirtschaftsprüfer) aus neun Ländern, darunter Deutschland, gegründet.103 Mit dem Ziel, sich als globaler Standardsetter zu etablieren, wurde die Organisation im März 2001 restrukturiert und vom IASC die International Accounting Standards Committee Foundation (IASC Foundation) als unabhängige Dachorganisation in Delaware (USA) gegründet. Standardsetzer ist seither das International Accounting Standards Board (IASB) mit Sitz in London. Dieses Organ der IASC Foundation besteht aus vierzehn Mitgliedern aus neun verschiedenen Ländern,104 bei denen es sich vor allem um Wirtschaftsprüfer, Rechnungsleger und Nutzer von Rechnungslegung handelt.105 Ernannt werden die Mitglieder vom „Board of Trustees“, dessen zweiundzwanzig Mitglieder nach einem festen geographischen Schlüssel unter angemessener Berücksichtigung verschiedener Interessengruppen ausgewählt werden. Das gilt auch für die zwölf stimmberechtigten Mitglieder106 des International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC), welches mit seinen Interpretationen die einheitliche Auslegung bei der Anwendung der IAS / IFRS sicherstellen soll.

B. Die „privaten“ Standards Die Rechnungslegungsstandards der IASC Foundation umfassen die International Accounting Standards (IAS) und die Interpretations of the Standing Interpretations Committee (SIC), die vom IASB im April 2001 von seinem Vorgängergremium, dem IASC, übernommen wurden. Seither veröffentlicht das IASB neue Standards unter der Bezeichnung International Financial Reporting Standards (IFRS). Die Interpretationen werden nach dem International Financial Reporting Interpretations Committee als IFRIC benannt. Sie müssen vor ihrer Verabschiedung aber vom IASB angenommen werden. Das Rahmenkonzept für die Aufstellung und 103 Inzwischen sind berufsständische Organisationen aus über hundert Ländern Mitglieder der IASC Foundation, vgl. Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (433). 104 Vier Briten, drei US-Amerikaner und je ein Mitglied aus Australien, Deutschland, Frankreich, Japan, Kanada, Süd-Afrika und der Schweiz. 105 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173. 106 Den Vorsitz führt dagegen ein von den Trustees ernanntes Mitglied des IASB, welches aber im IFRIC nicht mit einem Stimmrecht ausgestattet ist.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

Darstellung von Abschlüssen (Framework) stellt selbst keinen Standard dar, beinhaltet aber grundlegende Bewertungskonzepte, Ansatzkriterien und Definitionen, die bei Rechnungslegungsproblemen oder Lücken im Regelwerk der IASC Foundation Berücksichtigung finden.107

C. Hoheitliche Rezeption I. EU-Verordnung 1606 / 2002 Die Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 07. 2002108 schreibt den ihrem Geltungsbereich unterfallenen Unternehmen109 die Anwendung der IAS / IFRS und ihrer Interpretationen ab 2005 verbindlich vor. Zur Anwendung kommen aber nur diejenigen „internationalen Rechnungslegungsstandards“, die zuvor nach den Art. 2, 3 und 6 IAS-Verordnung ins Europarecht übernommen wurden.110 Diese werden gemäß Art. 3 Abs. 4 IAS-Verordnung als Kommissionsverordnung vollständig in allen Amtssprachen der Gemeinschaft im Amtsblatt der EG veröffentlicht.

II. Durchführungsverordnungen der Kommission Gemäß Art. 202 3. Spiegelstrich EG überträgt der Rat in den von ihm angenommen Rechtsakten Durchführungsbefugnisse auf die Kommission. Dabei kann er bestimmte Modalitäten zur Ausübung dieser Befugnisse festlegen und sich in spezifischen Fällen vorbehalten, Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben. Mit seinem Komitologie-Beschluss111 vom 28. Juni 1999 hat der Rat entsprechend dem letzten Satz der genannten Vorschrift drei verschiedene Ausschussverfahren112 geregelt, die die Kommission verpflichten, ihre Durchführungsvorhaben stets einem Ausschuss von Staatenvertretern vorzulegen. Unterschiedlich ist nur, je nachdem, welches Verfahren der Rat bei Erlass des Grundaktes für anwendbar erklärt, das Gewicht der Stellungnahme des mitwirkenden Ausschusses. Im sogenannten Beratungsverfahren (Art. 3 des Komitologie-Beschlusses) wirkt der Ausschuss ledig107 Das Framework ist aber primär Grundlage zur Ableitung künftiger und zur Überarbeitung bestehender IAS / IFRS. Das Framework ist ausdrücklich kein Standard und definiert damit keine Grundsätze für bestimmte Fragen der Bewertung. Vgl. auch Kommission, Kommentar zur IAS-Verordnung, S. 6. 108 Vgl. oben in Fn. 6. 109 Vgl. dazu oben 2. Kapitel § 10 A. I., C. u. D. 110 Vgl. dazu auch § 315a Abs. 1 HGB und Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783 (1785). 111 ABl. L 184 v. 17. 07. 1999, S. 23. 112 Vgl. dazu Geiger, EUV / EGV, Art. 202 EG Rn. 21 ff.; Jacqué, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 202 EG Rn. 34 f.

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lich beratend mit, seine Stellungnahme entfaltet keine Bindungswirkung für die Kommission, jene hat sie aber „so weit wie möglich“ zu berücksichtigen. Im Verwaltungsverfahren (Art. 4 des Komitologie-Beschlusses), das nach Art. 2a des Komitologie-Beschlusses vorrangig im Rahmen der Agrar- und Fischereipolitik sowie bei Programmen mit erheblichen Haushaltsauswirkungen zur Anwendung kommt, kann die Kommission die geplanten Maßnahmen auch unabhängig von der Stellungnahme des Ausschusses erlassen. Stimmt der Verwaltungsausschuss jedoch nicht mit einer qualifizierten Mehrheit für den Vorschlag der Kommission, kann der Rat (binnen der im Grundakt festgelegten Frist, maximal binnen drei Monaten) mit qualifizierter Mehrheit einen anderslautenden Beschluss fassen. Schließlich kann der Rat im Grundakt, wie er das auch in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 2 der IAS-Verordnung getan hat, das sogenannte Regelungsverfahren (Art. 5 des Komitologie-Beschlusses) anordnen. Das Regelungsverfahren wird von dem selbst nicht stimmberechtigten Vertreter der Kommission, der dem Regelungsausschuss (hier: dem Accounting Regulatory Comittee, kurz: ARC) vorsitzt, durch Unterbreitung eines Entwurfs eingeleitet. Gemäß Art. 5 Abs. 3 erlässt die Kommission die beabsichtigte Maßnahme, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmt. Stimmt der Regelungsausschuss mit seiner Mehrheit113 gegen den Kommissionsvorschlag oder gibt er keine Stellungnahme ab, so muss die Kommission zur Durchsetzung ihrer Vorstellung den Rat befassen und zugleich das Parlament unterrichten (Art. 5 Abs. 4). Das Parlament teilt dem Rat seinen Standpunkt mit, falls es zu der Auffassung gelangt, dass der Vorschlag der Kommission über die im Basisrechtsakt eingeräumten Befugnisse hinausgeht. Der Rat kann den Vorschlag der Kommission, gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines Standpunktes des Parlaments, binnen zwei Monaten mit qualifizierter Mehrheit ablehnen, andernfalls gilt der Vorschlag als angenommen. Im ersten Fall kann die Kommission dem Rat ihren Vorschlag erneut oder in abgeänderter Form vorlegen oder ihm einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des EG-Vertrages unterbreiten.114 Schließlich begründet Art. 7 des Komitologie-Beschlusses im Zusammenhang mit allen Verfahrensarten weitgehende Unterrichtungspflichten der Kommission gegenüber der Öffentlichkeit und dem Europäischen Parlament. Unterstützt wird die Kommission beim Erlass der Durchführungsmaßnahmen zusätzlich durch eine privatrechtlich organisierte und finanzierte Gruppe von Rechnungslegern, der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG).115 113 Die Mehrheit bestimmt sich nach Art. 205 Abs. 2 EG, wie als wenn der Rat auf Vorschlag der Kommission tätig würde. Der Kommissionsvertreter nimmt nicht an der Abstimmung teil, Art. 5 Abs. 2 Satz 3 des Komitologie-Beschlusses. 114 Art. 5 des Komitologie-Beschlusses. Zur genauen Ausgestaltung des Komitologie-Verfahrens vergleiche auch die Darstellungen bei Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783; Roller, KritV 86 (2003), 249 (268 ff.). 115 Zur rechtlichen Bedeutung der von der EFRAG gebildeten Technical Expert Group, die engen Kontakt zum IASB hält, vgl. Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173 (174). Zu

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

In inhaltlicher Hinsicht sind die Kommission wie auch das ARC an die Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 IAS-Verordnung gebunden. Danach dürfen die internationalen Rechnungslegungsstandards dem „true-and-fair-view“-Gebot des Art. 2 Abs. 3 der Jahresabschlussrichtlinie und des Art. 16 Abs. 3 der Konzernbilanzrichtlinie nicht zuwiderlaufen, müssen dem europäischen öffentlichen Interesse entsprechen und den Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit genügen, die Finanzinformationen erfüllen müssen, um wirtschaftliche Entscheidungen und die Bewertung der Leistung einer Unternehmensleitung zu ermöglichen.116

§ 12 Die „verfassungsrechtliche“ Grundproblematik A. Rechtsquellen und Regelungsebenen Mit dem Beitritt zu der Europäischen Gemeinschaft hat sich die Bundesrepublik Deutschland für eine supranationale Rechtsordnung geöffnet, das Gemeinschaftsrecht.117 Dieses steht (autonom)118 neben dem nationalen Recht, ist also nicht Bestandteil desselben, aber dennoch innerstaatlich anwendbares Recht.119 Unterschieden wird zwischen dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht.120 Zum geschriebenen primären Gemeinschaftsrecht zählen die Verträge zwischen den Mitgliedstaaten einschließlich aller Änderungs- und Ergänzungsverträge (Art. 48 EU) sowie die Verträge über den Beitritt neuer Mitglieder (Art. 49 EU) und ihre Anhänge und Protokolle (Art. 311 EG). Ebenso gehören hierzu die primärrechtsändernden Beschlüsse des Rates. Auf gleicher Ebene steht das ungedessen „due process“ siehe http: // www.efrag.org / content / default.asp?id=4103 (Stand: 14. 05. 2007). 116 Zur inhaltlichen Bedeutung dieser Einschränkungen näher van Hulle, WPg 2003, 968 (979 f.). 117 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 329. Die Gemeinschaftsverträge bilden auch nach Schaffung der EU das Herzstück des Europarechts. Das Unionsrecht betrifft vorwiegend die Bereiche der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, so dass hier nicht entschieden werden muss, in welchem Verhältnis Europäische Gemeinschaft und Europäische Union stehen. Siehe die Nachweise zu dieser Streitfrage bei Heintzen, EuR 32 (1997), 1. Die Titel II bis IV des EU-Vertrages gehören dagegen zum Gemeinschaftsprimärrecht (dazu sogleich). 118 Das genaue Verhältnis zwischen nationalem und unionalem Recht soll vertieft erst später erörtert werden, vgl. unten 2. Kapitel § 13. 119 EuGH, Slg. 1964, 1251 (1269 f.), Rs. 6 / 64 – Costa / ENEL; BVerfGE 22, 293 (296); 37, 271 (277); Koenig / Haratsch, Europarecht, S. 24; Streinz, Europarecht, § 3 Rn. 175. Voraussetzung für die innerstaatliche Anwendbarkeit ist, dass es sich um Vorschriften des Gemeinschaftsrechts mit unmittelbarer Wirkung handelt, dazu Streinz, Europarecht, § 5 Rn. 349. 120 Dazu Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 80.

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schriebene Primärrecht, bestehend aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen121 und Gemeinschaftsgewohnheitsrecht.122 Das geschriebene sekundäre Gemeinschaftsrecht wird von den Organen der Europäischen Gemeinschaft nach Maßgabe des primären Gemeinschaftsrechts geschaffen.123 Sekundärrecht ergeht in Form von völkerrechtlichen Verträgen, die die Gemeinschaft mit Drittstaaten oder mit internationalen Organisationen schließt, Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Stellungnahmen, Empfehlungen (Art. 249 EG) und anderen, nicht in Art. 249 EG aufgeführten Gemeinschaftsrechtsakten.124 Auch auf der Ebene des Sekundärrechts können, ungeschrieben, allgemeine Rechtsgrundsätze und Gewohnheitsrecht existieren.125 Normgeber des Primärrechts sind also vornehmlich die Mitgliedstaaten, die zuweilen auch als „Herren der Verträge“ bezeichnet werden.126 Die Bundesrepublik ist bei der Mitwirkung am Erlass europäischen Primärrechts und der damit verbundenen Übertragung von Hoheitsgewalt auf den europäischen Staatenverbund an die Vorgaben der deutschen Verfassung gebunden. An ihnen ist das deutsche Zustimmungsgesetz im Sinne der Art. 59 Abs. 2 i.V.m. 23 Abs. 1 GG, das den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl für das Gemeinschaftsrecht erteilt, zu messen.127 Die rechtlichen Vorgaben für sekundäres Gemeinschaftsrecht finden sich zunächst im Primärrecht, im Falle eines Stufenverhältnisses aber auch in einem anderen Gemeinschaftsakt.128 Entgegenstehendem nationalen Gesetzesrecht geht das europäische Sekundärrecht in der Anwendung vor.129 Ob dagegen die Verfassungen der Mitgliedstaaten zur Unanwendbarkeit von Sekundärrecht führen können, wird uneinheitlich beurteilt.130 Gestützt auf die primärrechtliche Vorschrift des Art. 95 Abs. 1 EG haben das Europäische Parlament und der Rat die IAS-Verordnung erlassen. Sie ist sekundäres Gemeinschaftsrecht mit unmittelbarer Geltung in den Mitgliedstaaten, soweit Vgl. hierzu Art. 6 Abs. 2 EU und 288 Abs. 2 EG. Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 480 ff.; Streinz, Europarecht, § 5 Rn. 347 f. 123 Koenig / Haratsch, Europarecht, S. 89. 124 Dazu zählen beispielsweise die vom EuGH nach Art. 223 Abs. 6 erlassene Verfahrensordnung oder das als Beschluss ergangene ERASMUS-Programm. 125 Koenig / Haratsch, Europarecht, S. 89. 126 BVerfGE 89, 155 (190); gegen eine solche Bezeichnung Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (171 f.). 127 BVerfGE 37, 271 (280 ff.); 73, 339 (375 ff.); 75, 223 (240); 89, 155 (172). 128 Streinz, Europarecht, § 5 Rn. 376. 129 EuGH, Slg. 1964, 1251 (1269 f.), Rs. 6 / 64 – Costa / ENEL; BVerfGE 31, 145 (173 f.); 75, 223 (244). 130 Vgl. dazu insbesondere EuGH, Slg. 1970, 1125 (1135), Rs. 11 / 70 – Internationale Handelsgesellschaft einerseits und BVerfGE 73, 339 (377 f. u. 387); 89, 155 (174 f. u. 187 f.); 102, 147 (161 ff.) andererseits. 121 122

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ihre Vorschriften hinreichend klar und eindeutig bestimmt sind. Weil sie selbst die anzuwendenden IAS / IFRS nicht im Einzelnen bezeichnet, ist sie insoweit konkretisierungsbedürftig. Als Grundverordnung überträgt sie diese Aufgabe nach Maßgabe der Art. 202 3. Spiegelstrich und 211 4. Spiegelstrich EG auf die Kommission. Unter Beachtung der Vorgaben der IAS-Verordnung beschließt die Kommission über die Anwendbarkeit der einzelnen IAS / IFRS in Form von Durchführungsverordnungen, bei denen es sich ebenfalls um sekundäres Gemeinschaftsrecht i. S. d. Art. 249 Abs. 2 EG handelt. In ihrem Zusammenwirken begründen Grundverordnung und Durchführungsverordnungen die hinreichend klare und eindeutig bestimmte Pflicht für die betroffenen Unternehmen,131 ihre Abschlüsse nach den übernommenen IAS / IFRS aufzustellen.

B. Typologie „kooperativer Rechtsetzung“ Anhand der im vorgehenden Kapital dargestellten Einteilungskriterien 132 für mit Privaten besetzte Kollegialgremien, die an hoheitlicher Rechtsetzung beteiligt sind, sollen auch das IASB und die von ihm erstellten Standards beurteilt werden.

I. Trägerschaft des IASB Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und privater Trägerschaft knüpft an den Kreationsakt an und beurteilt sich danach, ob dieser in einer hoheitlichen oder einer privatautonomen Entscheidung besteht.133 Weil das IASB als Standardsetzer und Organ der IASC Foundation von einer privatrechtlich gegründeten Gesellschaft134 ins Leben gerufen wurde, handelt es sich bei ihm um ein privates Kollegialgremium.135

II. Rechtliche Grundlage des IASB Rechtsgrundlage für das IASB ist das Privatrecht Delawares, welches der autonomen Willensentschließung des IASC zur Gründung der IASC Foundation mit seinem Standardsetzer zur Rechtsgeltung verhilft. Vgl. oben 2. Kapitel § 10 A. I. Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. 133 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. I. 134 Die IASC Foundation ist laut ihrer Verfassung am 24. März 2000 von dem Board des 1973 gegründeten International Accounting Standards Committee nach dem Recht von Delaware, U.S.A., gegründet worden. Das IASC war selbst eine nach privatem Recht gegründete Gesellschaft. 135 Vgl. auch Schulze-Osterloh, ZIP 2003, 93 (98). 131 132

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III. Personalauswahl der IASB-Mitglieder Die zwölf Vollzeit- und zwei Teilzeitmitglieder des IASB werden von den zweiundzwanzig Trustees der IASC Foundation ernannt.136 Unter den Trustees finden sich nach der Verfassung der IASC Foundation sechs Nordamerikaner, sechs Europäer und sechs Mitglieder aus der Asien-Pazifik-Region. Vier weitere werden nach dem Kriterium geografischer Repräsentanz bestimmt.137 Die IASB-Mitglieder werden von den Trustees in erster Linie nach ihrer persönlichen Qualifikation ausgesucht.138 Bei der Besetzung soll auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Prüfern, Erstellern und Nutzern von Rechnungslegung und Akademikern sichergestellt werden.139 Zur Förderung der Konvergenz zwischen nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards sollen Verbindungen zu nationalen Standardsetzern etabliert und unterhalten werden.140 Beim IASB handelt es sich folglich vor allem um ein professionelles Kollegialgremium, doch beinhaltet die Personalauswahl durch die Berücksichtigung verschiedener von der Rechnungslegung betroffener Berufsgruppen auch pluralistische Elemente, weil damit zugleich die unterschiedlichen Interessen im Board repräsentiert werden.141

IV. Befugnisse des IASB Wie schon im vorigen Kapitel die Kodex-Kommission soll auch das IASB an dieser Stelle noch nicht abschließend als Beratungs- oder Entscheidungsgremium eingestuft werden. Lediglich die Entscheidungselemente der Initiative, „negativen“ Entscheidung und „positiven“ Entscheidung sollen den beteiligten Akteuren zugeordnet werden.142 Die Entscheidung soll hier die Willensentschließung über die für europäische Unternehmen zwingend anwendbaren Bilanzierungsregeln bezeichnen. Die Initiative zur Erstellung neuer Standards und Interpretationen liegt beim IASB bzw. beim IFRIC, auch wenn ihr ein externer Anstoß zu Grunde liegen kann. Weder Europäisches Parlament, Rat oder Kommission können das IASB bzw. das IFRIC verbindlich zur Erstellung neuer Rechnungslegungsregeln verpflichten. Auch auf den Erstellungsprozess und den Inhalt des Regelwerkes haben die Organe der Europäischen Gemeinschaft allenfalls faktischen Einfluss. Allein die 136 137 138 139 140 141 142

IASC Constitution, Part B, Section 15 (a) und Section 18 ff. IASC Constitution, Part A, Section 6. IASC Constitution, Part B, Section 19 und Annex. IASC Constitution, Part B, Section 21. IASC Constitution, Part B, Section 22. Zu dieser Einteilung der Personalauswahl vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. III. Vgl. zu dieser Einteilung oben 1. Kapitel § 4 B. IV.

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stimmberechtigten Mitglieder des Boards fällen die „positive“ Entscheidung über das anwendbare europäische Bilanzrecht für die von der IAS-Verordnung betroffenen Unternehmen. Doch ist diese „positive“ Entscheidungsbefugnis – wie auch bei der KodexKommission143 – durch ein „negatives“ Entscheidungsrecht begrenzt. Denn nur die von der Kommission im Regelungsverfahren freigegebenen Standards müssen nach den Art. 4 und 5 IAS-Verordnung angewandt werden. Die Letztentscheidung darüber, was bindendes europäisches Recht wird, liegt daher bei den Organen der Europäischen Gemeinschaft. Das „negative“ Entscheidungsrecht beinhaltet nicht nur die Befugnis, dem gesamten Regelwerk oder einzelnen Standards oder Interpretationen die Anerkennung zu verweigern, sondern sogar einzelne IAS / IFRS nur zum Teil zurückzuweisen.

V. Einordnung der IAS / IFRS Die vom IASB beschlossenen IAS / IFRS sind, vor ihrer Übernahme in das EGRecht, internationales Soft-Law ohne Rechtsbindungswirkung. Erst durch Übernahme in eine nationale oder supranationale Rechtsordnung oder infolge privater Unterwerfungserklärung können sie bindende Rechtswirkung entfalten. Nach der Übernahme durch eine Verordnung der Kommission stellen sie dagegen unmittelbar in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltendes sekundäres Gemeinschaftsrecht dar.144

VI. Zusammenfassung Das IASB ist ein professionelles privates Kollegialgremium, dessen Rechnungslegungsstandards vor Übernahme in das Gemeinschaftsrecht als unverbindliches internationales Soft-Law zu qualifizieren sind, danach als unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltendes sekundäres Gemeinschaftsrecht.

C. Fragestellung Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes formuliert, nach traditioneller Ansicht dezidierte, Anforderungen an die Formung und Ausübung deutscher Staatsgewalt. Überwiegend wird eine Übertragung dieser Anforderungen auf die Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt abgelehnt, weil die Unterwerfung der supranationalen Herrschaftsorganisation unter das grundgesetzliche Demokratieprinzip 143 144

Ebenda. Heintzen, BB 2001, 825 (827).

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bereits aufgrund ihrer strukturellen Verschiedenheit im Vergleich zu Staaten nicht leistbar sei und eine solche Vorgehensweise den Besonderheiten der neuen Herrschaftsorganisation nicht gerecht werden könne.145 Über den alternativen Prüfungsmaßstab wird vehement gestritten.146 Der zum nationalen Recht ausgebrochene Streit hat lange vorherrschende Grundannahmen des traditionellen Legitimationskonzeptes in Frage gestellt,147 nicht zuletzt, weil die aus ihnen abzuleitenden Folgen stets zur Inkompatibilität zwischen grundgesetzlichem Demokratieprinzip und der Integration in eine supranationale Herrschaftsordnung führen mussten.148 Eine Demokratietheorie, die wie die traditionelle nur einen souveränen Nationalstaat als Bezugsobjekt anerkennt,149 steht aber nicht nur der Bedrohung der souveränen Staatlichkeit von außen durch die europäische Integration, sondern auch von innen durch die Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte (u. a.) in Form der Privaten Standardsetzung ablehnend gegenüber.150 Wahrscheinlich bedürfte es somit einer Überwindung dieser Grundannahme, damit die Demokratiewidrigkeit der Privaten Standardsetzung nicht ebenso vorprogrammiert ist, wie diejenige der supranationalen Herrschaftsordnung. Die alternativen Grundlagen sind dagegen offener und zugleich unbestimmter; sie können komplexere Entscheidungsstrukturen erklären und zulassen, erfordern aber auch komplexere Analysen zur Abgrenzung zulässiger von nichtzulässigen Entscheidungsverfahren.151 Bei deren Anwendung besteht die Möglichkeit, dass die Private Standardsetzung auf supranationaler Ebene nicht bloß an dem oft attestierten Demokratiedefizit der Europäischen Union152 teilhat oder dieses verstärkt, 145 Vgl. die Nachweise bei Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (247) in Fn. 2. Schuppert, in: FS Rauschning, S. 201 (206 f.), spricht bei einer blaupausenartigen Übertragung nationalstaatlicher Verfassungsvorstellungen von einem „Holzweg“ bzw. einer „Blaupausenfalle“. 146 Siehe dazu die Nachweise im Rahmen der Darstellung der verschiedenen (gemäßigten) Ansätze unten 2. Kapitel § 14. 147 Siehe oben 1. Kapitel § 7 A. II. 2. und ausführlich unten 2. Kapitel § 14 B. I. 148 Siehe dazu die gründliche Darstellung bei Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 390 ff., mit umfangreichen weiteren Nachweisen und prägnant bei Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (274). 149 Bryde, in: FS Zuleeg, S. 131; Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (274). Vgl. ausführlich unten 2. Kapitel § 14 B. I. 1. 150 Vgl. die zutreffenden Analysen bei Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (20 ff.); LübbeWolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (248 ff., 265 ff.); Saladin, Wozu noch Staaten?, S. 28 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 389 ff., 417 ff. Zur Bedrohung der „Staatsgrenzen“ durch die Internationalisierung von außen und von innen siehe auch Vesting, VVDStRL 63 (2004), 41 (57). 151 Ausführlich dazu unten 2. Kapitel § 14 B. I., C. und D. 152 Vgl. hierzu Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (248 ff.) m. w. N., insbes. in Fn. 33; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 430 ff., zusammenfassend 480 f.; Kluth, Die demokratische Legitimation der EU; Randelzhofer, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 39 ff. und die Nachweise bei Bleckmann, JZ 2001, 53 in Fn. 2; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 390 in Fn. 439.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

sondern dass eine komplexere Analyse die Besonderheiten der Privaten Standardsetzung auch im Zusammenspiel mit europäischer Rechtsetzung offen legt und eine präzisere Beurteilung ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen ermöglicht. Inwieweit eine solche Neuorientierung nach geltendem nationalen wie supranationalen Recht zulässig ist und welche Folgerungen sie gegebenenfalls für die Beurteilung supranationaler Privater Standardsetzung in sich birgt, soll im Folgenden untersucht werden. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des ersten Teils, wonach der Grundrechtsrelevanz auch für die Bestimmung des Legitimationsniveaus eine Rolle zukommen kann,153 sollen die IFRS hierauf hin geprüft werden, ohne jedoch die einzelnen Standards auf ihre Grundrechtskonformität zu überprüfen.

D. Untersuchungsgegenstand Untersuchungsgegenstand ist die in der IAS-Verordnung begründete Rechtspflicht, die von der Kommission im Komitologie-Verfahren unter Mitwirkung des ARC freigegebenen IAS / IFRS des IASB bei der Erstellung von Jahresabschlüssen anzuwenden.

§ 13 Grundrechtsrelevanz der IAS / IFRS Durch die Verpflichtung der IAS-Verordnung zur periodischen Rechnungslegung gemäß den von der Kommission freigegebenen IAS / IFRS könnten grundrechtliche Positionen der Verordnungsadressaten berührt werden. Maßgeblich sind allein die Gemeinschaftsgrundrechte,154 die nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsprimärrechts gehören.155 Als Rechtserkenntnisquellen zur Gewinnung der Gemeinschaftsgrundrechte dienen nach Art. 6 Abs. 2 EU156 die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Aus diesen leitet der Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 2. u. 3. Zutreffend Heintzen, BB 2001, 825 (826). Zum Verhältnis zwischen Gemeinschaftsgrundrechten und den Grundrechten des Grundgesetzes vgl. auch EuGH, Slg. 1970, 1125 (1135), Rs. 11 / 70 – Internationale Handelsgesellschaft; BVerfGE 73, 339 (378 – 381); 102, 147 (164). 155 Vgl. statt vieler EuGH, Slg. 2003, I-7411 (7474), Rs. C-20 / 00, C-64 / 00 – Booker Aquaculture m. w. N. 156 Dieser gilt auch für die Europäischen Gemeinschaften (Art. 46 lit. d EU), Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 58; Geiger, EUV / EGV, Art. 220 EG Rn. 34. 153 154

§ 13 Grundrechtsrelevanz der IAS / IFRS

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EuGH unter Anwendung einer an den Gemeinschaftszielen orientierten rechtsvergleichend-wertenden Methode die Gemeinschaftsgrundrechte ab.157 Zu ihnen zählen auch die freie Berufsausübung und das Eigentumsrecht.158 Diese Rechte werden durch die Pflicht zur periodischen Rechnungslegung nach den übernommenen IAS / IFRS berührt. Die Berufstätigkeit wird gewissen Beschränkungen unterworfen, indem den betroffenen Unternehmen159 umfangreiche Auskunftspflichten über innerbetriebliche Vorgänge und über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auferlegt werden.160 Auch das Anteilseigentum könnte durch die in den IAS / IFRS enthaltenen Bilanzierungsregeln betroffen werden, bedenkt man die gravierenden Unterschiede, die mit dem Wechsel der Bewertungsmethoden einhergehen können.161 Das gemeinschaftliche Eigentumsrecht umfasst aber ebenso wenig wie das in Art. 14 GG verbürgte den Schutz von zukünftigen Chancen und Verdienstmöglichkeiten,162 so dass der Schutzbereich nur betroffen ist, soweit mit dem Wechsel der Bewertungsmethoden in den Bestand des Anteilseigentums eingegriffen wird. Weil der Jahresabschluss nach Art. 4 IAS-Verordnung nicht der Gewinnermittlung, sondern allein den Informationsinteressen der Anteilseigner dient,163 ist dieser Fall eher unwahrscheinlich. Die Gewinnermittlung erfolgt (zumindest in Deutschland) nach wie vor an Hand eines nach dem HGB aufgestellten Einzelabschlusses, der die Gläubigerinteressen mit berücksichtigt.164 157 Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 63; Geiger, EUV / EGV, Art. 220 EG Rn. 35; Streinz, Europarecht, § 5 Rn. 361. Auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 364 v. 07. 12. 2000, S. 1, könnte sich auf die Rechtsprechung des EuGH auswirken, ihre rechtliche Wirkung ist aber bisher nicht eindeutig geklärt, vgl. Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 104. 158 Zur Berufsfreiheit: EuGH, Slg. 1979, 3727 (3750), Rs. 44 / 79 – Hauer; 1986, 2897 (2912), Rs. 234 / 85 – Keller; 1992, I-6577 (6609), Rs. C-132 / 91, C-138 / 91, C-139 / 91 – Katsikas; 1995, I-3115 (3152), Rs. C-44 / 94 – NFFO. Siehe auch Art. 15 der Grundrechtscharta. Zur Eigentumsfreiheit: EuGH, Slg. 1974, 491 (507), Rs. 4 / 73 – Nold; 1979, 3727 (3745 ff.), Rs. 44 / 79 – Hauer; 1980, 1979 (1997), Rs. 41 / 79, 121 / 79, 796 / 79 – Testa; 1989, 2237 (2267), Rs. 265 / 87 – Schräder; 1996, I-3953 (3985), Rs. C-84 / 95 – Bosphorus; 2003, I-7411 (7474), Rs. C-20 / 00, C-64 / 00 – Booker Aquaculture. Vgl. auch Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur EMRK u. Art. 17 der Grundrechtscharta. Weitere Nachweise zur EuGHRechtsprechung bei Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 79 in Fn. 238. 159 Der EuGH hat auch juristische Personen als Grundrechtsträger anerkannt, EuGH, Slg. 1970, 1125, Rs. 11 / 70 – Internationale Handelsgesellschaft; 1980, 2033 (2057), Rs. 136 / 79 – National Panasonic. 160 Zur parallelen Frage im Zusammenhang mit den nationalen Grundrechten Berberich, DRSC-Framework, S. 148. 161 Dazu oben 2. Kapitel § 10 B. bei Fn. 53. 162 Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 79. 163 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173 (176). 164 2. Kapitel § 10 A. I. u. E. Sollte dies in Zukunft geändert werden und ein IAS / IFRSEinzelabschluss an die Stelle des HGB-Abschlusses treten, so hätte dies Auswirkungen zu-

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

Die mit der Bilanzierungspflicht einhergehende Information des Anteilseigners bewirkt aber einen Ausgleich für die mit der Beteiligung an großen Kapitalgesellschaften verbundenen Beschränkungen des Eigentumsrechts.165 Die gemeinschaftsgrundrechtliche Schutzpflicht166 kann daher sogar einen Mindeststandard an Information fordern, damit dem Anteilseigner die Wahrung seiner Eigentümerinteressen ermöglicht wird.167 In diesem Zusammenhang kann insbesondere die Lückenhaftigkeit des Regelwerks relevant werden, wenn ein anwendbarer Standard trotz Regelungsbedürftigkeit nicht besteht.168 Die denkbaren Beeinträchtigungen der Gemeinschaftsgrundrechte führen nicht unmittelbar zur Nichtigkeit der IAS-Verordnung i.V.m. den übernommenen IAS / IFRS. Nach dem Europäischen Gerichtshof sind die Berufs- und Eigentumsfreiheit „nicht schrankenlos gewährleistet, sondern [ . . . ] im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen. Daher kann die Ausübung dieser Rechte, insbesondere im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation, Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.“169 Bei den von der IAS-Verordnung betroffenen (deutschen) Unternehmen handelt es sich vor allem um Konzerne, deren „Wirkung weit über das wirtschaftliche Schicksal des eigenen Unternehmens hinausreicht“170, deren Tätigkeit also einen besonders starken gesellschaftlichen Bezug aufweist. Dies führt auch im nationalen Recht dazu, dass Eingriffe in die Eigentumsfreiheit und die Regelung der Berufsausübung von Kapitalgesellschaften durch Verpflichtung zur Rechnungslegung mit einem weiten gesetzgeberischen Beurteilungs- und Prognosespielraum einhergehen.171 mindest auf das Eigentumsgrundrecht der Anteilseigner, womöglich auch (mittelbar) auf die Grundrechte der Gläubiger. 165 Dazu BVerfGE 50, 290 (342); Berberich, DRSC-Framework, S. 145. 166 Der EuGH hat eine aus den Gemeinschaftsgrundrechten folgende Schutzpflicht anerkannt, EuGH, Slg. 1996, I-6065 (6100), Rs. C-68 / 95 – Port. 167 Zum parallelen Problem im Zusammenhang mit den nationalen Grundrechten Berberich, DRSC-Framework, S. 146. Vgl. auch Erwägung (9) der IAS-Verordnung: „Die Übernahme eines internationalen Rechnungslegungsstandards zur Anwendung in der Gemeinschaft setzt voraus, [ . . . ] dass er grundlegende Kriterien hinsichtlich der Informationsqualität erfüllt, die gegeben sein muss, damit die Abschlüsse für die Adressaten von Nutzen sind.“ 168 Zum in diesem Zusammenhang interessanten Streit um IAS 39 vgl. unten 2. Kapitel § 14 A. III. 2. 169 EuGH, Slg. 2003, I-7411 (7474 f.), Rs. C-20 / 00, C-64 / 00 – Booker Aquaculture zur Eigentumsfreiheit. In diesem Sinne auch EuGH, Slg. 1979, 3727 (3750), Rs. 44 / 79 – Hauer (zur Berufsfreiheit); 1995, I-3115 (3152), Rs. C-44 / 94 – NFFO (zur Berufs- und Eigentumsfreiheit). 170 Berberich, DRSC-Framework, S. 147. 171 Berberich, DRSC-Framework, S. 151 f.

§ 14 Demokratische Legitimation

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Mit der IAS-Verordnung und den sie konkretisierenden IAS / IFRS wird ein integrierter Kapitalmarkt angestrebt, der durch Transparenz und Vergleichbarkeit gekennzeichnet ist;172 mit den Zielen des Anlegerschutzes und des Vertrauenserhalts in die Finanzmärkte werden Gemeinwohlbelange verfolgt.173 Sind damit die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien erfüllt, so dürfte auch den Europäischen Gesetzgebern beim Erlass der Bilanzierungsvorschriften, die allein Informationszwecken dienen,174 ein weiter Gestaltungsspielraum zustehen. Begrenzt wird dieser nur durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Wesensgehaltsgarantie. 175

§ 14 Demokratische Legitimation „Im Recht der Europäischen Union findet sich weder ein eindeutiger interpretativer Bezugspunkt für ein demokratisches Prinzip [ . . . ] noch ein gefestigter Bestand demokratischer Konkretisierungen. Seine Interpretation kann sich im supranationalen Bezugsrahmen weder auf einen gesicherten staatstheoretischen Bestand noch auf eine gewachsene Verfassungstradition oder ein soziales Substrat gefestigter Wertvorstellungen stützen.“176 Marcel Kaufmann, 1997

Die Ausübung von supranationaler Hoheitsgewalt bedarf demokratischer Legitimation.177 Ebenso wie ihre Mitgliedstaaten hat sich die Europäische Union178 nach Abs. 3 der Präambel und Art. 6 Abs. 1 des EU-Vertrages demokratischen Grundsätzen verschrieben. Auch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG spricht von der Entwicklung 172 Vgl. Erwägungen (3) u. (7) der IAS-Verordnung; F.9 ff., F.24 ff. des Frameworks, Kommission, Kommentar zur IAS-Verordnung, Anhang 5, S. 15, 20 f., 24 ff. 173 Vgl. Erwägung (4) der IAS-Verordnung. 174 Vgl. aber zur weitergehenden rechtlichen Relevanz durch an die Aufstellung des Jahresabschlusses anknüpfende nationale Regelungen Schön, BB 2004, 763 f.; Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173 (176). 175 Ebenso zum nationalen Recht Berberich, DRSC-Framework, S. 152, der noch aus Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot der Widerspruchsfreiheit mit Blick auf die verschiedenen Zwecke der Rechnungslegung ableitet. Ein Verstoß gegen den im Gemeinschaftsrecht ebenfalls anerkannten Gleichheitssatz (EuGH, Slg. 2002, I-6453 [6506], Rs. C-210 / 00 – Hofmeister) dürfte wegen der klaren Ausrichtung der IAS / IFRS an den Informationsinteressen der Investoren wohl ausscheiden. 176 Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 80. 177 Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (485 f.); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 90; Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (255). 178 Kernstück der Europäischen Union ist die Europäische Gemeinschaft, vgl. Zuleeg, Der Staat 41 (2002), 359.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

einer Europäischen Union, die solchen Grundsätzen verpflichtet ist, und Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG verbietet, das demokratische Prinzip, soweit es in Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG für unantastbar erklärt wird, durch Übertragung von eigenständigen Hoheitsbefugnissen auf die Europäische Union zu „entleeren“. 179 Schließlich zählt das Demokratieprinzip auch zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des primären Gemeinschaftsrechts.180 Hätte der Europäische Gerichtshof darüber zu befinden, ob die Übernahme der von einem internationalen Privatgremium erstellten Rechnungslegungsstandards in das Gemeinschaftsrecht181 mit demokratischen Grundsätzen vereinbar sei, so wäre das im Gemeinschaftsprimärrecht enthaltene Demokratieprinzip sein alleiniger Prüfungsmaßstab für die Gültigkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs geht nämlich das Gemeinschaftsrecht als eigenständige Rechtsordnung dem nationalen Recht, einschließlich der Verfassungsnormen der Mitgliedstaaten, in seiner Anwendung vor.182 Andernfalls wäre eine einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht sicher- und damit die Funktionsfähigkeit der (Rechts-)Gemeinschaft in Frage gestellt.183 In Konsequenz können bei der Entscheidung des EuGH über die Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane keine Normen oder Grundsätze des nationalen Rechts unmittelbar herangezogen werden. So eindeutig wird das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht aus der Perspektive der Mitgliedstaaten nicht beurteilt.184 Die Übertragung BVerfGE 89, 155 (172, 182). EuGH, Slg. 1980, 3333 (3360), Rs. 138 / 79 – Roquette Frères; 1980, 3393 (3424), Rs. 139 / 79 – Maizena; (nicht ausdrücklich) 1990, I-2041 (2072 ff.), Rs. C-70 / 88 – Tschernobyl; 1991, I-2867 (2900), Rs. C-300 / 89 – Titandioxid; 1995, I-643 (668), Rs. C-65 / 93 – Parlament / Rat; 1995, I-1827 (1851 f.), Rs. C-21 / 94 – Mautgebühren; 1997, I-3213 (3246), Rs. C-392 / 95 – Parlament / Rat; EuG, Slg. 1998, II-2335, Rs. T-135 / 96 – UEAPME / Rat; Bleckmann, Europarecht, § 6 Rn. 291; Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (482); Pernice, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 23 Rn. 51 ff. Ob sich aus Art. 6 Abs. 1 1. HS EU eine direkte Verpflichtung für die Gemeinschaften ergibt, ist angesichts des Art. 47 EU zweifelhaft, vgl. Pechstein, in: Streinz, EUV / EGV-Kommentar, § 6 EUV Rn. 2; dafür Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 37. 181 Gemeint ist mit dem Begriff „Gemeinschaftsrecht“ im Folgenden das Recht der Europäischen Gemeinschaft in der Form, die es durch den EU-Vertrag erhalten hat. 182 EuGH, Slg. 1964, 1251 (1269 f.), Rs. 6 / 64 – Costa / ENEL; 1970, 1125 (1135), Rs. 11 / 70 – Internationale Handelsgesellschaft; 1978, 629 (643 ff.), Rs. 106 / 77 – Simmenthal; eindeutig auch 2000, I-69, Rs. C-285 / 98 – Tanja Kreil. Zum Ganzen Heintzen, EuR 32 (1997), 1 (11); Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 45 ff. Primärrechtlich bestätigt wird die Rechtsprechung des EuGH in Ziff. 2 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit von 1997. 183 EuGH, Slg. 1979, 3727 (3744), Rs. 44 / 79 – Hauer; Everling, JZ 2000, 217 (226); a.A. Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (221 f.). 184 Vgl. dazu BVerfGE 73, 339 (375 f.) mit weiterem Nachweis zur italienischen Verfassung und der Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichtshofs; Urteil des dänischen Obersten Gerichtshofs, EuGRZ 1999, 49 (50, 52) (deutsche Übersetzung); vgl. Art. 8 Polnische Verfassung; Huber, EuR 38 (2003), 574 (588 ff.); ders., VVDStRL 60 (2001), 194 (214 ff.) 179 180

§ 14 Demokratische Legitimation

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von Hoheitsgewalt auf die Europäische Union erfolgt entsprechend dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung185 nach den Geltungsbedingungen ihrer jeweiligen Verfassungen.186 Im deutschen Recht geschieht dies also nach Maßgabe des integrationsoffenen Grundgesetzes.187 Hiernach ist die Übertragung von Hoheitsgewalt auf eine supranationale Einrichtung grundsätzlich möglich; das deutsche Recht darf sich auch für die Geltung von hoheitlichen Maßnahmen supranationaler Einrichtungen öffnen.188 Dementsprechend erteilen die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen gemäß den Art. 23 Abs. 1 (zuvor gemäß Art. 24 GG)189 und 59 Abs. 2 Satz 1 GG190 dem europäischen Primär- und Sekundärrecht den Rechtsanwendungsbefehl für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland.191 Nur soweit im Rahmen eines Zustimmungsgesetzes Hoheitsgewalt übertragen wurde, reicht auch dieser Anwendungsbefehl. Kirchhof hat zur Verdeutlichung des Verhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht das (nicht unumstrittene)192 Brückenbeispiel geprägt:193 Das deutsche Zustimmungsgesetz ist die Brücke, über die das Gemeinschaftsrecht nach Deutschland fließt; nur was diese Brücke trägt, kann in Deutschland Rechtsverbindlichkeit erlangen. Würde dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die ins Gemeinschaftsrecht übernommenen Rechnungslegungsstandards des IASB mit dem Dem. w. N. zu diesbezüglicher Rechtsprechung der Gerichte in den Mitgliedstaaten; Ipsen, in: Isensee / Kirchhof, HStR VII, § 181 Rn. 64; Pernice, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 23 Rn. 15 ff.; Schwarze, in: ders., Die Entstehung einer europäischen Verfassungsordnung, S. 502 ff. Vgl. aber auch den in Europa einzigartigen Art. 29.4.5 der irischen Verfassung, welcher den Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch vor der Verfassung selbst ausdrücklich anordnet. 185 Vgl. Art. 5 Abs. 1 EG; dazu Zuleeg, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 5 EG Rn. 2. Siehe auch BVerfGE 92, 203 (240). 186 So auch Art. 48 EU; vgl. Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (179) m. w. N. zu den Verfassungen einiger Mitgliedstaaten. 187 Vgl. Satz 1 der Präambel, Art. 23, 24 und 88 GG; dazu Reiner Schmidt, in: FS Brohm, S. 535 (540 f.); Scholz, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 23 Rn. 2. 188 BVerfGE 37, 271 (280); 58, 1 (28); 59, 63 (90); 73, 339 (374 f.); 89, 155 (172). 189 Art. 23 Abs. 1 wurde in das Grundgesetz durch Gesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl. I / 1992, S. 2086, eingefügt. 190 Zum Verhältnis dieser Vorschriften zueinander instruktiv Geiger, ZG 2003, 193. 191 BVerfGE 73, 339 (375); 89, 155 (190); Cremer, EuR 30 (1995), 21 (25); Geiger, ZG 2003, 193 (195 ff.); Hirsch, NJW 1996, 2457 (2458); Ipsen, in: Isensee / Kirchhof, HStR VII, § 181 Rn. 7. Dieser Rechtsanwendungsbefehl erstreckt sich auf eine ungeschriebene Norm des Primärrechts, wonach den Rechtsakten der Gemeinschaft im Fall eines Widerspruchs zu innerstaatlichem nationalen Gesetzesrecht, sei dieses früher oder später als das Gemeinschaftsrecht ergangen, der Anwendungsvorrang zukommt, BVerfGE 75, 223 (244); Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 68 f. A.A. zum Verhältnis zwischen unionalem und nationalem Recht Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (169 ff.). 192 Kritisch hierzu Everling, JZ 2000, 217 (226); Nicolaysen, EuR 35 (2000), 495 (504 f.); Zuleeg, in: Drexl u. a., Europäische Demokratie, S. 11 (24). 193 Kirchhof, DRiZ 1995, 253 (259); ders., in: Isensee / Kirchhof, HStR V, § 183 Rn. 65.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

mokratieprinzip vereinbar seien, so könnte es zwar über die Gültigkeit der Gemeinschaftsrechtsakte nicht befinden. Denn Art. 234 EG spricht dem EuGH abschließend die Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des EG-Vertrages sowie über die Gültigkeit und Auslegung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts zu.194 Dennoch birgt der Geltungsgrund für das europäische Sekundärrecht zwei Ansatzpunkte für einen verbleibenden Kontrollanspruch des Bundesverfassungsgerichts: die Gültigkeit des Zustimmungsgesetzes und der Umfang der mit ihm übertragenen Hoheitsbefugnisse.195 Weder einem Gemeinschaftsrechtsakt, der aufgrund eines verfassungswidrigen Zustimmungsgesetzes ergeht, noch einem solchen, der auf einer Überschreitung der durch das Zustimmungsgesetz eingeräumten Hoheitsrechte durch die europäischen Einrichtungen oder Organe beruht (ausbrechender Rechtsakt196 oder auch ultra vires-Akt197), wird ein (gültiger) innerstaatlicher Rechtsanwendungsbefehl erteilt. In der Folge wäre keiner dieser beiden Akte im deutschen Hoheitsbereich verbindlich.198 Während das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht seit dem „Solange II“-Beschluss vom 22. Oktober 1986 im Bereich der Grundrechtskonformität nicht mehr ausübt,199 hat es eine solche „Selbstbeschränkung“ bezogen auf die Verletzung der verfassungsrechtlichen Staatsstrukturprinzipien bisher nicht vorgenommen.200 Vielmehr hat es im Maastricht-Urteil201 überprüft, ob mit dem Zustimmungsgesetz zum Beitritt zur Europäischen Union die in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG i.V.m. 79 EuGH, Slg. 1987, 4199 (4232), Rs. 314 / 85 – Foto Frost; BVerfGE 75, 223 (234). Vgl. auch Huber, VVDStRL 60, 194 (226): „Wo das nationale Verfassungsrecht die[ . . . ] Öffnung [für das sogenannte Integrationsprogramm] [ . . . ] nicht zulässt oder das [ . . . ] Integrationsprogramm verlassen wird, setzt es sich gegenüber dem Unionsrecht durch.“ 196 So das Bundesverfassungsgericht selbst BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 2000, 2015 (2016). 197 Vgl. Hirsch, NJW 1996, 2457 (2462). 198 BVerfGE 73, 339 (375 ff.); 75, 223 (240); 89, 155 (188, 210); BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 2000, 2015 (2016); 2001, 2323. Kritisch zu dieser Rechtsprechung Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (440); Frowein, in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 214 (220 f.); Nicolaysen / Nowak, NJW 2001, 1233 (1236 f.). 199 BVerfGE 73, 339 (387). Nach Verunsicherung der Literatur durch sein „Maastricht“-Urteil – BVerfGE 89, 155 (174 f.) – hat das Bundesverfassungsgericht die „Solange II“-Rechtsprechung im Beschluss zur Bananenmarktordnung ausdrücklich bestätigt, BVerfGE 102, 147 (162 ff.). Zum „Kooperationsverhältnis“ zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof siehe Folz, Demokratie und Integration; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 378 – 383. 200 Vgl. oben die Nachweise in Fn. 198. 201 BVerfGE 89, 155. Zu dieser Entscheidung Götz, JZ 1993, 1081; Everling, in: GS Grabitz, S. 57, mit umfangreichen weiteren Nachweisen auf S. 58 in Fn. 5; Fromont, JZ 1995, 800; Frowein, ZaöRV 54 (1994), 1; Heintzen, AöR 119 (1994), 564; Hirsch, NJW 1996, 2457 ff. m. w. N.; Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (203 f.) m. w. N.; MacCormick, JZ 1995, 797; Streinz, EuZW 5 (1994), 329. 194 195

§ 14 Demokratische Legitimation

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Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG geregelten Schranken der Integrationsermächtigung überschritten wurden, dies aber im Ergebnis abgelehnt.202 Hier interessieren vor allem die Ausführungen des Gerichts zur demokratischen Legitimation der Ausübung übertragener Hoheitsgewalt: Zu den unverzichtbaren Mindestanforderungen demokratischer Legitimation gehöre, „dass die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden.“203 Voraussetzung einer Mitgliedschaft in einer – supranational organisierten – zwischenstaatlichen Gemeinschaft sei daher, „dass eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflussnahme auch innerhalb eines Staatenverbundes gesichert ist.“204 Damit hat das Bundesverfassungsgericht die in der sog. Strukturklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG formulierte Forderung nach einer demokratischen Grundsätzen verpflichteten Europäischen Union bereits aus der sog. „Ewigkeitsgarantie“ des Art. 79 Abs. 3 GG abgeleitet. Der Strukturklausel kommt, bezogen auf das Demokratieprinzip, wohl eine (mehr) klarstellende Bedeutung zu.205 Jedenfalls sah das Bundesverfassungsgericht die beschriebenen Voraussetzungen beim damaligen Integrationsstand als erfüllt an.206 Legitimationssubjekte seien die (Staats-)Völker207 der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen StaaBVerfGE 89, 155 (181 ff.). BVerfGE 89, 155 (182). 204 BVerfGE 89, 155 (184). Daneben hat das Bundesverfassungsgericht aus den unverzichtbaren Mindestanforderungen demokratischer Legitimation abgeleitet, dass dem „Deutschen Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssen“, BVerfGE 89, 155 (186). Dieses Erfordernis wird durch die Übertragung der Hoheitsgewalt im Bereich der externen Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellten Personengesellschaften auf die Europäische Union nicht verletzt. 205 Dazu Scholz, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 23 Rn. 54. Da sich Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar mit der Struktur der EU befasst, wäre diese Norm wohl der bessere Ausgangspunkt gewesen, um die demokratischen Strukturen in der Gemeinschaft zu beurteilen. Doch war dem Bundesverfassungsgericht dieser Weg verwehrt, weil es Zugang zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Vertrages von Maastricht nur über das demokratische Bundestagswahlrecht (Art. 38 GG) erhielt; hierzu Götz, JZ 1993, 1081 (1082). Nach der Gesetzesbegründung des Bundestages entsprechen aber die Anforderungen der Strukturklausel (Art. 23 Abs. 1 Satz 1) ohnehin denjenigen des Art. 79 Abs. 3 GG, vgl. BT-Drucks. 12 / 3338, S. 6. 206 BVerfGE 89, 155 (188 ff.). 207 Je nachdem, ob die Legitimation über den Bundestag oder das Europäische Parlament vermittelt wird, bestehen Unterschiede in der Zusammensetzung des Volkes der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union: Während zur Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nur die wahlberechtigten Deutschen (Art. 116 GG) zugelassen sind (Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 100), ist der Kreis der Wahlberechtigten bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments größer (§ 6 EuWG), umfasst vor allem auch die nach § 6 Abs. 3 EuWG wahlberechtigten Unionsbürger. Zur „doppelten Identität“ der Bürger als Staats- und Unionsbürger, siehe Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (176). 202 203

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

ten,208 die die Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt über ihre nationalen Parlamente und – im Maße des Zusammenwachsens der europäischen Nationen zunehmend – über das Europäische Parlament legitimierten.209 Der herausragenden Bedeutung, die das Gericht dem Zustimmungsgesetz für die demokratische Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt zumisst,210 entspricht seine Begrenzungsfunktion im Hinblick auf die übertragenen Hoheitsbefugnisse.211 Nur was sich als Ausübung der mit dem Zustimmungsgesetz übertragenen Hoheitsrechte darstellt, ist demokratisch legitimiert. Damit wirken die Schranken, die Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG der europäischen Integration durch das demokratische Prinzip i. S. d. Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG zieht, gegenüber Hoheitsakten der Europäischen Union als Beschränkung des Rechtsanwendungsbefehls für abgeleitetes Gemeinschaftsrecht gleichsam fort.212 Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die bisherigen Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaften und der Europäischen Union verfassungsgemäß sind, die von den Gemeinschaften in Entsprechung mit dem europäischen Primärrecht ausgeübte Hoheitsgewalt folglich hinreichend demokratisch legitimiert ist,213 so bliebe im Folgenden zu untersuchen, ob es sich bei der IAS-Verordnung zusammen mit den zu ihr ergangenen Durchführungsverordnungen um ausbrechende Rechtsakte handelt. Kritiker erblicken in dieser ultra vires-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Kompetenzüberschreitung durch das Gericht selbst. Dabei konzentriert sich der Vorwurf auf den Kontrollanspruch, den sich das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Kompetenzkonformität vorbehalten hat.214 Aus den Art. 220, 230 und 234 EG folge auch diesbezüglich eine Letztentscheidungskompetenz des EuGH, Irrtümer eingeschlossen.215 Diese Rechtsprechungshoheit sei 208 BVerfGE 89, 155 (184, 186); BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 1995, 2216. Siehe auch Art. 189 EG. 209 BVerfGE 89, 155 (184 ff.); BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 1995, 2216. 210 BVerfGE 89, 155 (184). 211 BVerfGE 89, 155 (188). 212 Zutreffend Breuer, VVDStRL 60 (2001), 379 (380); Hirsch, NJW 1996, 2457 (2458); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (225 ff., 242 f. These 5); Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 2, Art. 23 Rn. 51 f. Schon vor Einführung der Integrationsermächtigung in Art. 23 GG hatte das BVerfG zu Art. 24 GG formuliert, dass sich das europäische Gemeinschaftsrecht nicht über die „Identität“ und die „Essentiale“ der geltenden Verfassungsordnung hinwegsetzen dürfe, BVerfGE 37, 271 (279 f.); 58, 1 (30 f.); 73, 339 (375 f.). 213 So auch Bandila / Hix, NJW 1997, 1217; Classen, AöR 119 (1994), 238; Cremer, EuR 30 (1995), 21; Kluth, Die demokratische Legitimation der EU, S. 95 f.; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 2, Art. 23 Rn. 24. A.A. Lamprecht, NJW 1997, 505; Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246, m. w. N. auf S. 259 in Fn. 33; Naßmacher, Demokratisierung der Europäischen Gemeinschaften; Schachtschneider, VVDStRL 60 (2001), 393; Tsatsos, EuGRZ 1995, 287. 214 Frowein, in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 214 (220 f.); Hirsch, NJW 1996, 2457 (2466); Nicolaysen / Nowak, NJW 2001, 1233 (1236 ff.).

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dem EuGH durch die Zustimmungsgesetze übertragen worden und beinhalte die „Kompetenz“ zur unkorrigierbaren Fehlentscheidung.216 Doch änderte sich damit allein die Kontrollinstanz.217 Auch nach den Befürwortern einer abschließenden Zuständigkeit des EuGH bleibt der Prüfungsmaßstab derselbe. Denn anstelle des Bundesverfassungsgerichts obliegt dann dem EuGH die gerichtliche Kontrolle, ob sich Akte von Gemeinschaftsorganen in den Grenzen der ihnen übertragenen Befugnisse halten (Art. 5 Abs. 1 EG).218 In diesem Rahmen hat der EuGH auch die Schranken zu beachten, die Art. 23 Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1, 2 GG für das deutsche Zustimmungsgesetz festlegen.219 Als dessen Schranken sind sie Teil des europäischen Primärrechts geworden und damit vom EuGH bei der (rechtsfortbildenden)220 Konkretisierung des europäischen Demokratieprinzips zwingend zu beachten.221 Selbst wenn sogar eine derart vermittelte Bindung des EuGH an nationale Verfassungsprinzipien aufgrund der Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung abgelehnt wird,222 wird aus der Pflicht, die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu achten (Art. 6 Abs. 3 EU),223 dem Gebot der Gemeinschaftstreue (Art. 10 EG) und 215 Hirsch, NJW 1996, 2457 (2466); Meessen, NJW 1994, 549 (553); Nicolaysen / Nowak, NJW 2001, 1233 (1237). 216 Frowein, in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 220; Hirsch, NJW 1996, 2457 (2462). 217 In diesem Sinne auch Funk, VVDStRL 60 (2001), 377 (379). Breuer, VVDStRL 60 (2001), 379 (381), hält dies für die „Gretchenfrage“, weil die Gefahr bestünde, „dass existenzielle Fragen der Kompetenzordnung sowie [der Strukturprinzipien . . . ] auf der Gemeinschaftsebene anders entschieden werden, als der betreffende Mitgliedstaat es für richtig hält“. 218 So Hirsch, NJW 1996, 2457 (2465); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (232); Meessen, NJW 1994, 549 (552) m. w. N.; Nicolaysen / Nowak, NJW 2001, 1233 (1237 f.) je mit Nachweisen, dass der EuGH dieser Kontrollaufgabe in der Vergangenheit gerecht geworden sei. Vgl. dazu insbesondere EuGH, Slg. 1996, I-2827 (2867 f.), Rs. C-2 / 94 – Gutachten; 2000, I-8419 (8534), Rs. C-376 / 98 – Tabakrichtlinie. 219 Vgl. auch Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (227), zu der Pflicht der EU „zur loyalen Zusammenarbeit und Solidarität mit den Mitgliedstaaten,“ die es verbiete, „die Mitgliedstaaten in einen unlösbaren Konflikt zwischen dem Unionsrecht und ihrem nationalen Verfassungsrecht zu stürzen“, und die es gebiete, „bei der Wahrnehmung der ih[r] zugewiesenen Kompetenzen auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen.“ 220 Zur Kompetenz des EuGH zur Rechtsfortbildung und deren Grenzen siehe BVerfGE 75, 223 (240 ff.); 89, 155 (209 f.); Everling, JZ 2000, 217; Heintzen, EuR 32 (1997), 1 (9); Hirsch, NJW 1996, 2457 (2458, 2460). 221 Murswiek, VVDStRL 60 (2001), 401 (402): „Grund und Grenze der europäischen Verfassung sind also de lege lata legitimatorisch betrachtet die mitgliedstaatlichen Verfassungen“. In diesem Sinne auch Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (225 f.), der zutreffend die mittelbaren Auswirkungen der mitgliedstaatlichen Integrationsklauseln über „das sie verkoppelnde Unionsrecht“ beschreibt; ähnlich auch Calliess, in: FS Ress, S. 399 (403). 222 EuGH, Slg. 1990, I-2433, 2473 f., Rs. C-213 / 89 – Factortame; Calliess, AöR 121 (1996), 509 (533, 537 f.); Zuleeg, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 10 EG Rn. 11. 223 Hierzu Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 526 m. w. N.

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den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (Art. 2 EU, Art. 5 Abs. 2 und 3 EG) ein Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme abgeleitet. 224 Dieses Gebot umfasse die Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grenzen in den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Rechtsetzungsbefugnisse durch die Europäische Union.225 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Generalanwalt La Pergola im Fall Tanja Kreil geprüft hat, ob Art. 12a GG der Unabänderlichkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unterfällt, bevor er dem EuGH vorschlug, eine derartige nationale Regelung für gemeinschaftsrechtswidrig zu erklären.226 In den geschilderten Abstufungen finden sich drei grundsätzliche Haltungen zum Verhältnis zwischen nationalem Verfassungsrecht und europäischem Primärrecht wieder: Die „integrationsskeptische“, die „integrationsfreundliche“ und die „integrationsfreudige“.227 Die hier als Skeptiker bezeichneten folgen der Rechtsanwendungsbefehlslehre,228 halten die Mitgliedstaaten für die alleinigen „Herren der Verträge“ mit – zumindest theoretischer – Austrittsoption aus der Union229 und sehen die Letztkompetenz zur Überprüfung von ultra vires-Akten beim Bundesverfassungsgericht.230 Der Integration freundlicher Gesinnte erkennen den Geltungsgrund für das Gemeinschaftsrecht auch im Zustimmungsgesetz, sehen aber in Art. 23 Abs. 1 GG einen verfassungsrechtlichen Auftrag zur Integration, der sowohl einem Austritt wie auch einer Reservekompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Kontrolle von Gemeinschaftsakten entgegenstehe.231 Die Integrationsfreudigen halten die Gemeinschaftsrechtsordnung für eine autonome.232 Sie habe 224 EuGH, Slg. 1986, 29 (81), Rs. 44 / 84 – Hurd / Jones; 1991, I-5643 (5699), Rs. C-213 / 88 u. C-39 / 89 – Sitz der Organe; 1992, I-5073 (5156), Rs. C-63 / 90 u. C-67 / 90 – Fangquoten. 225 BVerfGE 89, 155 (184); Calliess, AöR 121 (1996), 509 (533); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (227 f.); Kahl, AöR 118 (1993), 414 (429 ff.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 570. 226 EuGH, Slg. 2000, I-69 (74 in Fn. 6 a.E.), Rs-285 / 98 – Tanja Kreil. 227 Diese Einstellungen spiegeln nur das „moderate“ Spektrum der vertretenen Ansichten wieder. Darüber hinaus gibt es, in beiden Richtungen, extremere Haltungen, die in dieser Darstellung – mangels Zukunftstauglichkeit – gar nicht oder nur am Rande anklingen. 228 Siehe hierzu die Nachweise oben in Fn. 191. 229 BVerfGE 89, 155 (190). Ebenso beispielsweise Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 124; Huber, Maastricht – ein Staatsstreich?, S. 40 f.; MacCormick, JZ 1995, 797 f. 230 BVerfGE 89, 155 (188); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (231 f.) m. w. N. auf S. 217 f., der jedoch die Unanwendbarkeitserklärung unionaler Rechtsakte – wie auch die meisten anderen „integrationsskeptischen“ Autoren – als ultima ratio-Instrument einstuft. 231 Frowein, in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 214 (220 f.); Heintzen, AöR 119 (1994), 564 (584 f.). Zu dem in Art. 23 Abs. 1 GG enthaltenen Integrationsauftrag siehe auch BT-Drucks. 12 / 3338, S. 6; Brosius-Gersdorf, EuR 34 (1999), 133 (144); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 5; König, Die Übertragung von Hoheitsrechten, S. 190 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 333, 465 f.; Pernice, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 23 Rn. 2, 32; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 569; Sommermann, DÖV 47 (1994), 596 ff. 232 Nicolaysen, EuR 35 (2000), 495 (504 f.) und die Nachweise zur Rechtsprechung des EuGH oben in Fn. 182.

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sich nach dem völkerrechtlichen Kreationsakt durch Vertragsschluss verselbständigt, hinsichtlich ihres Geltungsgrundes sei das Band zu den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hiernach zerschnitten, das europäische Primärrecht habe sich mithin konstitutionalisiert.233 In diesem Modell ist allein der Europäische Gerichtshof Wächter über das Gemeinschaftsrecht, an die Verfassungen der Mitgliedstaaten ist er dabei nicht unmittelbar gebunden.234 Allen Haltungen ist gemeinsam, dass das Primärrecht alleiniger Prüfungsmaßstab für die Gültigkeit sekundären Gemeinschaftsrechts ist. Den drei Ansätzen ist weiterhin gemeinsam, dass die Gemeinschaftskompetenzen inhaltlich auf die übertragene Hoheitsgewalt begrenzt sind, nur die Kontrollinstanz wird unterschiedlich beurteilt. Soweit die übertragene Hoheitsgewalt von Seiten einiger Mitgliedsstaaten durch die Beachtung ihrer elementaren Verfassungsprinzipien bedingt ist,235 formen diese Bedingungen nach den Integrationsskeptikern und -freundlichen in ihrer Summe das primäre Gemeinschaftsrecht.236 Nach den Integrationsfreudigen sind sie – wegen des wechselseitigen Rücksichtsnahmegebots – „nur“ zu beachten. An dieser Stelle bleibt also festzuhalten, dass Prüfungsmaßstab für die demokratische Legitimation der IAS-Verordnung und ihre Durchführungsverordnungen nicht das Demokratieprinzip im Sinne von Art. 20 Abs. 1, 2 GG, ausgeformt durch die weiteren Bestimmungen des Grundgesetzes, ist, sondern das im Gemeinschaftsprimärrecht enthaltene (ungeschriebene) Demokratieprinzip, in Übereinstimmung mit den übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsprimärrechts,237 dessen Mindestanforderungen aus deutscher Sicht dem unveräußerlichen Kern des 233 EuGH, Slg. 1978, 629 (644), Rs. 106 / 77 – Simmenthal; Pernice, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 23 Rn. 21, 26; Schroeder, EuR 34 (1999), 452 (453 f.). 234 Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (183) m. w. N. in Fn. 183 f. 235 Vgl. beispielsweise die Liste der revisionsfesten Grundsätze in Art. 288 portugiesische Verfassung oder auch die Bedingungen des Art. 88 – 1 der französischen Verfassung, des Art. 29 Abs. 4 der irischen Verfassung, des Art. 11 der italienischen Verfassung, des Art. 29 Abs. 3 der griechischen Verfassung, des Kap. 10 § 15 der schwedischen Verfassung, des Art. 93 der spanischen Verfassung und des österreichischen EU-BeitrittsB-VG für die Mitgliedschaft des jeweiligen Staates in der EU; dazu auch Battis / Tsatsos / Stefanou, Europäische Integration und nationales Verfassungsrecht; Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (216, 225). 236 Unauflösliche Widersprüche zwischen den Bedingungen verschiedener Mitgliedstaaten müssten demzufolge zu einem versteckten Dissens beim Vertragsschluss führen. Problematisch müsste nach dieser Ansicht sein, ob nur die Gründungsstaaten sich mit ihren Bedingungen im Primärrecht durchsetzen und die sukzessive beigetretenen Staaten dem Vertragswerk nur in der vorgefundenen Form zustimmen konnten oder ob bei jedem Beitritt ein Vertrag mit neuem – möglicherweise durch die verfassungsbedingten Besonderheiten des Beitrittsstaates geänderten – Inhalt zustande kommt. 237 Dazu, dass ein ungeschriebenes gemeinschaftsrechtliches Demokratieprinzip nicht in Konflikt zu geschriebenen Primärrechtsnormen stehen kann, Heintzen, EuR 29 (1994), 35 (36) m. w. N.; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 88 f. u. 92; Randelzhofer, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 39 (45).

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Demokratieprinzips im Sinne von Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1, 2 GG entsprechen.238

A. Legitimationsbedürftigkeit Legitimationsbedürftig ist jede Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt239 oder, mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts, jede Ausübung „hoheitlicher Befugnisse“ in Wahrnehmung von „hoheitlichen Aufgaben“.240 I. Grundlage der Legitimationsbedürftigkeit Die Legitimationsbedürftigkeit jeder Ausübung von supranationaler Hoheitsgewalt ergibt sich nach den vorstehenden Ausführungen unmittelbar aus dem primärrechtlichen Demokratieprinzip. Diese Bedingung formuliert auch Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG an das europäische Demokratieprinzip.241 Umstritten ist jedoch, ob die Legitimationsbedürftigkeit supranationaler Hoheitsgewalt auch unmittelbar aus Art. 20 Abs. 2 GG folgt.242 Diese Frage ist im Einklang mit den vorangegangenen Erwägungen zu verneinen. Supranationale Hoheitsgewalt fällt nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Norm. Andernfalls würde man das Demokratieprinzip des Grundgesetzes – sei es auch modifiziert durch Art. 23 GG – auf supranationale Hoheitsgewalt anwenden.243 Diese Interpretation widerspricht dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, denn weder Europäische Union noch Euro238 Im Ergebnis ebenso Enders, VVDStRL 60 (2001), 374 (375 f.); Heintzen, EuR 29 (1994), 35 (43 ff.); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (216). Siehe auch Groß, VVDStRL 60 (2001), 389 (390), zu einem aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ableitbaren Optimierungsverbot de lege ferenda, welches den Prüfungsmaßstab de lege lata aber nicht zu beeinflussen vermag. 239 Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (485 f.); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (255); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 137; Scholz, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 23 Rn. 57. 240 BVerfGE 89, 155 (184). 241 Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 79 Rn. 40; Dreier, in: ders., GG Bd. II, § 79 Rn. 31. 242 So Brosius-Gersdorf, EuR 34 (1999), 133 (151); dies., Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 327 ff., insbes. 334 f.; Huber, Maastricht – ein Staatsstreich?, S. 21, 32; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 71, 425 ff., insbes. S. 428; Kirchhof, DVBl. 114 (1999), 637 (649 f.). A.A. Classen, AöR 119 (1994), 238 (241 f.); Cremer, EuR 30 (1995), 21 (26); Dreier, in: ders., GG Bd. II, Art. 20 D Rn. 38, 82; Herzog, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 20, II., Rn. 111; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 392 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (339); Schuppert, StWStP 5 (1994), 35 (54 ff.). In diesem Sinne sind wohl auch die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts in seinem „Maastricht-Urteil“ zu verstehen, vgl. BVerfGE 89, 155 (182 ff.) u. dazu Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 259. 243 So Brosius-Gersdorf, EuR 34 (1999), 133 (156 ff.).

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päische Gemeinschaft besitzen Staatsqualität.244 Sie wird auch den besonderen supranationalen Strukturen nicht gerecht und unterwirft das gesamte Gemeinschaftsrecht dem Geltungsbereich der deutschen Verfassung. Die Verpflichtung der Europäischen Union auf demokratische Grundsätze in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG erschiene überflüssig, wenn sie ohnehin den Anforderungen des Demokratieprinzips des Grundgesetzes genügen müsste. Selbst im Bereich der Grundrechte, deren Anwendungsbereich das Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Urteil noch unzweideutig auf Grundrechtseingriffe durch europäische Organe ausgeweitet hatte,245 gilt nach dem Beschluss des Gerichts zur „Bananenmarktordnung“ zumindest im Ergebnis nichts anderes. Solange die Rechtsprechung des EuGH nicht unter den erforderlichen Grundrechtsstandard246 abgesunken ist, sind die Grundrechte des Grundgesetzes nicht mehr der Letztentscheidungsmaßstab für supranationale Hoheitsgewalt.247 Die Legitimationsbedürftigkeit supranationaler Hoheitsgewalt ist folglich allein dem europäischen Primärrecht zu entnehmen.

II. Legitimationsbedürftigkeit der hoheitlichen Rezeption Bei den in Frage stehenden Verordnungen handelt es sich um für alle Unionsbürger unmittelbar geltendes Recht. Der Erlass abstrakt-genereller, gegenüber den Gewaltunterworfenen ohne weiteren Umsetzungsakt verbindlicher Rechtsnormen ist das wirkungsvollste Rechtsetzungsinstrument, das die Mitgliedstaaten den Organen der Gemeinschaft an die Hand gegeben haben.248 Soweit somit die im Mitentscheidungsverfahren (Art. 251 EG) vom Rat und Europäischen Parlament erlassene IAS-Verordnung und die von der Kommission unter Mitwirkung des ARC im Regelungsverfahren nach Art. 5, 6 u. 8 des Komitologie-Beschlusses erlassenen Durchführungsverordnungen in Frage stehen, bestehen keine Zweifel an ihrer Legitimationsbedürftigkeit.249 Vgl. nur Streinz, Europarecht, § 3 Rn. 121 m. w. N. BVerfGE 89, 155 (174); so auch Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HStR VII, § 183 Rn. 66. 246 BVerfGE 73, 339 (378 – 381). So jetzt auch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG: „im Wesentlichen vergleichbare[r] Grundrechtsschutz“. 247 BVerfGE 102, 147 (164). Zu Recht kritisch bezüglich einer unmittelbaren Geltung der Grundrechte gegenüber den Organen der Gemeinschaft Horn, DVBl. 110 (1995), 89 (92 ff.); Odendahl, JA 2000, 219 (222); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 360, 381; wohl auch Zuleeg, NJW 2000, 2846 (2848); kritisch zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu Warnhinweisen auf Tabakverpackungen, in dem das Gericht das innerstaatliche Gesetz zur Umsetzung einer EG-Richtlinie an deutschen Grundrechten maß, Di Fabio, NJW 1997, 2863 (2864). 248 Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 540: „In der Verordnung verkörpert sich wie in keinem anderen Rechtsakt die [ . . . ]wahre europäische Befugnis[ . . . ].“ 249 Vgl. dazu Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (485): „Allgemeine Normsetzung ist jedoch ureigenste Domäne eines souveränen Volkes und muss diesem gegenüber verantwortet werden.“; Dederer, RdA 2000, 216 (217), zum Erlass von Gemeinschaftsrichtlinien. 244 245

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III. Legitimationsbedürftigkeit der Mitwirkung des IASB Mit der Frage der Mitwirkung eines vom Letztentscheidungsorgan verschiedenen nichthoheitlichen Funktionsträgers an der hoheitlichen Entscheidung hat sich die europäische Rechtsprechung bisher nicht explizit beschäftigt. Dennoch muss sie sich ebenso wie auf nationaler Ebene stellen,250 unabhängig von den Bahnen, auf denen die supranationalen Legitimationsstränge verlaufen. Denn auch das europäische Demokratieprinzip erfordert eine Rückbindung aller Hoheitsgewalt an die Legitimationssubjekte. Das entspricht dem unantastbaren Kern des Demokratieprinzips des Grundgesetzes.251 Wer diese Hoheitsgewalt (mit) zu verantworten252 hat, unterliegt daher den „Restriktionen“ des Demokratieprinzips. Es kommt also darauf an, ob das IASB die Hoheitsgewalt selbst (mit-)ausübt. Weil es sich beim IASB um ein privates Kollegialgremium handelt, gilt es zunächst festzustellen, ob es überhaupt Hoheitsgewalt ausüben kann.253 1. Hoheitsgewalt bei privater Tätigkeit? Träger von Hoheitsgewalt sind zunächst die Institutionen der Europäischen Gemeinschaft, die nach dem Primärrecht zur Ausübung von Hoheitsgewalt berufen sind. Dazu gehören nicht Privatgremien, deren Maßnahmen oder Regelwerke aus sich selbst heraus keine als hoheitlich zu qualifizierende Rechtswirkung zu erzielen vermögen. Es wird daher – zum parallel gelagerten Fall im nationalen Recht – die Auffassung vertreten, dass die Erstellung der Regelwerke durch die Privatgremien selbst nicht Ausübung von Staatsgewalt sein könne.254 Nur die Wahrnehmung von Staatsaufgaben durch ein dem staatlichen Bereich zuzurechnendes Subjekt unterfalle dem Begriff der Staatsgewalt.255 Daher sei allein der staatliche Transformationsakt demokratischer Legitimation bedürftig.256 Siehe dazu auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 279. Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 79 Rn. 40; Dreier, in: ders., GG Bd. II, Art. 79 Rn. 31; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 56. 252 Diesen Verantwortungszusammenhang als Teil der durch Art. 79 Abs. 3 GG besonders geschützten Gehalte und damit als Teil der Staatsidee betonend Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 56. 253 Vgl. zur Unterscheidung zwischen staatlichen und privaten Gremien in diesem Zusammenhang bereits oben 1. Kapitel § 7 A. I. 1. b) in Fn. 267. 254 So Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratie, S. 34, die für das Vorliegen von Staatsgewalt fordert, dass der Entscheidungsträger dem Bereich institutionalisierter Staatlichkeit zuzurechnen ist (in ihrer Terminologie sog. „Staatsgewalt im formellen Sinne“, siehe dazu bereits oben 1. Kapitel § 7 A. I. 1. a) in Fn. 257). In diesem Sinne auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 22, 258; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342), zumindest wenn die Entscheidungen der Privatgremien „von staatlichen Stellen später aus freien Stücken rezipiert werden.“ 250 251

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Dagegen muss eingewendet werden, dass die Beschlüsse eines Privatgremiums, die in der Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch eine hoheitliche Stelle fortwirken, an der rechtlichen Wirkung des hoheitlichen Rezeptionsaktes teilnehmen. In diesem Fall beinhaltet der Rezeptionsakt eine (versteckte) Übertragung von Hoheitsbefugnissen, indem er den nicht hoheitlichen Maßnahmen des Privatgremiums hoheitliche Wirkung verleiht.257 Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Mitwirkung des Privatgremiums als (Mit-)Ausübung der Hoheitsgewalt qualifizieren lässt, sich die Mitwirkung des Privatgremiums also nicht in Vorfeldtätigkeiten erschöpft oder rechtlich die Letztentscheidung der hoheitlichen Stelle nicht determiniert, weil diese das private Regelwerk aus freier Initiative in einer bestimmten Fassung übernimmt (sog. statische Verweisung)258. Insofern ist Jestaedt und Schmidt-Aßmann zuzustimmen, dass die Erstellung des Regelwerks durch das Privatgremium bei einer statischen Inbezugnahme durch den hoheitlichen Rezeptionsakt mangels Ausübung von Hoheitsgewalt nicht legitimationsbedürftig ist.259 Bei einer statischen Verweisung auf ein privates Regelwerk bleibt nämlich die Initiative und das positive Entscheidungsrecht bei der hoheitlichen Stelle. Auch wenn diese das Regelwerk nicht selbst gestaltet hat, so kann sie doch völlig ungebunden überprüfen, ob sie sich das Regelwerk mit dem Inhalt der in Bezug genommenen Fassung zu eigen machen will.260 Anders ist dies aber, wenn die (zukünftigen) Beschlüsse eines Privatgremiums bindende Wirkung unmittelbar gegenüber den Bürgern, z. B. aufgrund einer dynamischen Verweisung, oder gegenüber einer hoheitlichen Stelle haben. Auch wenn den Beschlüssen des Privatgremiums von selbst eine solche Wirkung nicht zukommen kann, kann 255 Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 12; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 71; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 39, 256 m. w. N. 256 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 258; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342). 257 Bei einer dynamischen Verweisung auf das Regelwerk eines anderen Gesetzgebers spricht denn auch das Bundesverfassungsgericht von einer (versteckten) Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen, BVerfGE 47, 285 (312). Ebenso Berberich, DRSC-Framework, S. 129; Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779 (791); Ossenbühl, DVBl. 82 (1967), 401 (403 f.); Schmidt-Preuß, ZLR 25 (1997), 249 (253); Wegge, DVBl. 112 (1997), 648 (650): „Derjenige, der das Bezugsobjekt der Verweisung formuliert, ist Quasigesetzgeber, denn seine Regelungen erwachsen kraft der Bezugnahme [ . . . ] in Gesetzeskraft“; Winter, EuR 40 (2005), 261 (269): „Solche Inbezugnahme hat einen Doppelcharakter, nämlich einerseits Regelungsbefugnis an private Instanzen zu delegieren und diesen andererseits einen verbindlichen Rahmen vorzugeben“. 258 Zur statischen und dynamischen Verweisung Heintzen, BB 1999, 1050 (1051) m. w. N. in Fn. 17, 19; zur Verweisungstechnik im Allgemeinen Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779 (780 ff.). 259 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 258; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342). 260 So auch BVerfGE 47, 285 (312); Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (21); Clemens, AöR 111 (1986), 63 (100 f.) m. w. N. in Fn. 179.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

diese dennoch nicht unbeachtet bleiben, wenn sie ihnen durch den hoheitlichen Rezeptionsakt zugesprochen wird.261 Damit wird nämlich die Privatmaßnahme Teil des legitimationsbedürftigen hoheitlichen Entscheidungsprozesses.262 Das Privatgremium wird beim Handeln zur Erfüllung der ihm vom Hoheitsträger zugewiesenen Aufgabe zu einem hoheitlichen „Funktionswalter im weiteren Sinn“263, der Hoheitsgewalt rechtlich unselbständig und außerhalb einer hoheitlichen Stelle (mit-)ausübt.264 Die Rechtmäßigkeit – hier die hinreichende demokratische Legitimation – einer solchen Gestaltung des Entscheidungsprozesses ist erst in einem nächsten Schritt zu untersuchen. 2. (Mit-)Ausübung von Hoheitsgewalt Das IASB übt Hoheitsgewalt (mit) aus, wenn seine Mitwirkung an der hoheitlichen Gewaltausübung – hier die Verpflichtung zur Rechnungslegung entsprechend den übernommenen IAS / IFRS – die Entscheidungsfreiheit der Organe der Euro261 Dies dürfte beispielsweise im Fall der Beleihung einer Privatperson außer Zweifel stehen. Unter dem Grundgesetz müssten die Privatpersonen nach Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 326, auch in der hier geschilderten Konstellation konsequenterweise als Beliehene angesehen werden, vgl. unten 3. Kapitel § 18 B. II. 1. a) bb) u. b) bb). A.A. wohl Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (433), für die Mitwirkung Privater in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen. Für eine Beleihung auch im Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts Hilf, Organisationsstruktur, S. 84. 262 Ganz deutlich in diesem Sinne Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 17 f., 83 f. (zu den DIN-Normen), 126. Ebenso Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, S. 488 f., 495. Im Ergebnis wohl auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 408 in Fn. 158: Der Entscheidungsvorschlag eines Privatgremiums ist dann legitimationsbedürftig, wenn „dem mit Transformationsbefugnis ausgestatteten staatlichen Organ die Initiativgewalt fehlt; denn unter diesen Umständen ist das staatliche Vollentscheidungsrecht nicht gewährleistet“; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 427, der selbst die Beratungstätigkeit „privater / halbstaatlicher Gremien“ als Anknüpfungspunkt demokratischer Legitimation ansieht; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342): „Ausgeklammert werden muss die Tätigkeit privater Gremien, deren Entscheidungen von staatlicher Stelle später aus freien Stücken rezipiert werden.“ (Hervorhebungen nicht im Original). A.A. im Zusammenhang mit Public Private Partnership Mehde, VerwArch 91 (2000), 540 (557): „[D]ie Legitimationsbedürftigkeit [bezieht sich . . . ] immer nur auf den konkreten staatlichen Entscheidungsteil“. 263 Vgl. zu dieser Kategorie Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 16 f., 46 f., der zur Unterscheidung von Funktionswaltern im engeren Sinn und solchen im weiteren Sinn darauf abstellt, ob die handelnden Personen in einem dauerhaften Bedienstetenverhältnis zu dem Hoheitsträger stehen oder ob es sich um natürliche oder juristische Personen des Privatrechts handelt, die auf Veranlassung des Hoheitsträgers in die Ausübung von Hoheitsgewalt integriert worden sind. 264 Andernfalls wäre auch der immer wieder erhobenen Vorwurf fehlender personeller demokratischer Legitimation bei der Beteiligung Privater (statt vieler Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 18 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 427 f., mit je weiteren Nachweisen) widersinnig. Übten diese nämlich gar keine Staatsgewalt aus, so müsste ihre Tätigkeit auch den Anforderungen des Demokratieprinzips nicht genügen.

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päischen Gemeinschaft einschränkt.265 Dieses im vorigen Kapitel zum nationalen Recht gewonnene Abgrenzungskriterium lässt sich auch auf supranationale Hoheitsgewalt anwenden, ohne dass damit nationale Besonderheiten unbesehen auf das Gemeinschaftsrecht übertragen würden. Denn die Rückführbarkeit aller Hoheitsgewalt auf den Willen der Gewaltunterworfenen ist Kernbestandteil des Demokratieprinzips. Bei verschränkten Zuständigkeiten ermöglicht die Untersuchung des Umfangs der Entscheidungsfreiheit die Verortung von Verantwortung. Geteilte Verantwortung bedingt mehrere Entscheidungsanteile, die in der Letztentscheidung fortwirken und damit jeweils legitimationsbedürftig sind. Maßgeblich ist also, ob die Gemeinschaftsorgane, welche die Übernahmeentscheidung treffen, durch die sekundärrechtlich vorgeschriebene Zusammenarbeit mit dem IASB in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden. Die Untersuchung der Befugnisse des IASB hat ergeben, dass den Organen der Europäischen Gemeinschaft266 nur das negative Entscheidungsrecht zusteht, die Initiative und das positive Entscheidungsrecht (für zukünftige Standards) dagegen dem IASB zukommt.267 Dabei beinhaltet das negative Entscheidungsrecht der Kommission bzw. des Rates gegenüber dem negativen Entscheidungsrecht des BMJ bezogen auf den Corporate Governance Kodex268 insofern einen größeren Spielraum, als es nicht nur eine Annahme oder Ablehnung des gesamten Regelungswerkes des IASB, sondern auch eines einzelnen Standards oder sogar nur eines Teils desselben zulässt.269 Doch auch für diesen Fall bleibt eine Lücke im Regelwerk,270 die nur unter Mitwirkung des IASB gefüllt werden kann.271 Nach Art. 5 i.V.m. 2 IAS-Verordnung sind nur übernommene IAS / IFRS und deren Interpretationen bei der Bilanzierung anzuwenden. Im Rahmen des Übernahmeverfahrens besteht keine Möglichkeit, die 265 Vgl. zum gleichgelagerten Problem im nationalen Recht bereits oben 1. Kapitel § 7 A. I. 1. b). 266 Je nach Ausgang der Abstimmung im ARC der Kommission oder dem Rat. 267 Vgl. oben 2. Kapitel § 12 B. IV. 268 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. IV. 269 Diese Möglichkeit angesichts des Wortlauts von Art. 3 IAS-Verordnung hinterfragend Thiele, DStR 2004, 2162 (2166). 270 Nach der unverbindlichen Auffassung der Kommission soll diese Lücke (paradoxerweise) durch Anwendung des abgelehnten Standards gefüllt werden, wenn dieser mit den bisher freigegebenen Standards nicht im Widerspruch steht und den Anforderungen von nunmehr IAS 8.10 – 8.12 (vorher IAS 1.22) entspricht, vgl. Kommission, Kommentar zur IASVerordnung, S. 5. Siehe dazu auch Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783 (1786). 271 Deutlich kommt dies in Erwägung (11) der Verordnung (EG) Nr. 2086 / 2004 der Kommission vom 19. November 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725 / 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates und im Hinblick auf die Einführung von IAS 39, ABl. L 363 v. 09. 12. 2004, S. 1, zum Ausdruck.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

Regeln des IASB eigenmächtig abzuwandeln oder gar durch eigene Bilanzierungsregeln zu ersetzen. Auch fehlen den Organen der Europäischen Gemeinschaft rechtliche Möglichkeiten, die Abänderung eines bereits erlassenen Standards durch das IASB zu erreichen oder den Erlass eines neuen Standards anzuordnen. Die Kommission ist im Kollisionsfall zwischen den Standards des IASB und dem von Art. 3 Abs. 2 IAS-Verordnung vorgegebenen Prüfungsmaßstab auf eine politische Lösung und damit zwangsweise auf Kompromisse mit dem Privatgremium angewiesen.272 Die Ansicht, dass die Ablehnung eines Standards des IASB praktisch nicht vorkommen werde,273 ist inzwischen durch die nur partielle Übernahme von IAS 39 widerlegt worden. Der Konflikt um den IAS 39 zum Ansatz und zur Bewertung von Finanzinstrumenten zeigt dennoch geradezu musterhaft, in welchem Maße die Organe der Europäischen Gemeinschaft auf die Zusammenarbeit mit dem IASB angewiesen sind: Am 19. November 2004 beschloss die Kommission IAS 39 nur unter Ausklammerung bestimmter Vorschriften über die Fair Value Option und das Hedge Accounting zu übernehmen.274 Die dadurch entstandenen Lücken hielt die Kommission bereits bei der Entscheidung für die teilweise Übernahme des Standards für dringend ausfüllungsbedürftig.275 Ihre Hoffnung auf eine Überarbeitung des Standards durch das IASB vor der erstmaligen Anwendung der IAS / IFRS durch europäische Unternehmen äußerte sie an ganz offizieller Stelle, nämlich in den Erwägungen ihrer Übernahmeverordnung:276 „Das Vorhandensein eines Rechnungslegungsstandards über die Behandlung von Finanzinstrumenten im Gemeinschaftsrecht ist ein wesentlicher Bestandteil des Kerns von Standards, die von den Unternehmen im Jahre 2005 anzuwenden sind. Es besteht daher das Ziel, so bald wie möglich – und wenn irgendwie möglich bis spätestens gegen Ende 2005 – zu einer Situation zu gelangen, in der der geänderte IAS 39 in Gänze von der Kommission übernommen werden kann.“ Dass man zu dieser Situation nur auf politischen Wege gelangen und sie nicht rechtlich erzwingen kann, lässt die gewundene Formulierung deutlich erkennen. Unterdessen hat das IASB tatsächlich eine überarbeitete Version des IAS 39 angenommen, die die insbesondere von der EZB geäußerte Kritik277 ausgeräumt haben soll.278 272 Zu dem überwiegenden angelsächsischen Einfluss im IASB siehe bereits oben in Fn. 72 und Berberich, DRSC-Framework, S. 30 in Fn. 61, der darauf hinweist, dass sich im bisherigen Überarbeitungsprozess stets die US-GAAP nähere Variante als einzige oder zumindest bevorzugte durchgesetzt hat. 273 So Schulze-Osterloh, ZIP 2003, 93 (99). 274 Verordnung (EG) Nr. 2086 / 2004. 275 Dazu Erwägung (11) der Verordnung (EG) Nr. 2086 / 2004; Thiele, DStR 2004, 2162 (2166) bei Fn. 53. 276 Erwägung (11) der Verordnung (EG) Nr. 2086 / 2004 (Hervorhebungen nicht im Original). 277 Siehe Erwägungen (4) u. (5) der Verordnung (EG) Nr. 2086 / 2004; ausführlich zur Kritik an IAS 39 Thiele, DStR 2004, 2162 (2163 ff.).

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Aber nicht nur die drohenden Lücken im Regelwerk erzeugen faktischen wie rechtlichen Druck zur Übereinstimmung zwischen dem Regelwerk des IASB und den ins Europarecht übernommenen internationalen Bilanzierungsregeln. Denn sowohl die IAS-Verordnung279 als auch der bereits übernommene280 IAS 1.14 zielen auf eine uneingeschränkte Anwendung der vom IASB erlassenen IAS / IFRS ab. Nach IAS 1.14 darf nur ein Abschluss, der sämtliche Anforderungen der IAS / IFRS erfüllt, als mit diesen übereinstimmend bezeichnet werden. Und nur bei Anwendung des gesamten Regelwerks des IASB wird man im Einklang mit den Erwägungen 2 und 5 der IAS-Verordnung von der Geltung potentieller Weltstandards in der EU sprechen können.281 Der europäische „Gesetzgeber“ hat sich also mit Erlass der IAS-Verordnung eines wichtigen Teils der ihm übertragenen Hoheitsgewalt begeben. Nämlich regelungsbedürftige Sachverhalte nach seinen Vorstellungen – frei von externen Gebundenheiten – zu regeln. Für den Fall, dass der Gesetzgeber eine Regelungslücke in den IAS / IFRS erkennt, ist er rechtlich auf die Mitwirkung des IASB angewiesen. Verweigert dies die Mitwirkung, sind dem Gesetzgeber die Hände gebunden. Ihm bleibt als letztes Mittel nur, die (auf das IASB übertragene) Verantwortung durch eine Änderung des IAS-Verordnung wieder an sich zu ziehen. Abgesehen von den negativen wirtschaftlichen Folgen, die eine solche Maßnahme für die europäischen Unternehmen mit sich brächte, ändert diese Möglichkeit nichts daran, dass das IASB (Mit-)Verantwortung trägt, solange die IAS-Verordnung in dieser Form besteht.282 Diese (Mit-)Verantwortung bedeutet zugleich, dass das IASB im Rahmen des von der IAS-Verordnung angeordneten Entscheidungsprozesses selbst Hoheitsgewalt (mit) ausübt. 278 IASB Press Release vom 14. 04. 2005, http: // www.iasb.org / News / Press+Releases / Archive / 2005 / IASB+issues+amendment+to+hedge+accounting+provisions+of+financial+ instruments+standard.htm (Stand: 14. 05. 2007). 279 Vgl. insbesondere die Erwägungen (2) u. (5) der IAS-Verordnung, aus denen deutlich hervorgeht, dass europäische Unternehmen zur Anwendung international anerkannter Weltstandards verpflichtet werden sollen. Ein modifiziertes europäisches Regelwerk auf der Grundlage der IAS / IFRS hat wohl kaum das Potential, weltweite Anerkennung zu erlangen, zumal die Modifikation angesichts der überwiegenden Besetzung des IASB mit Mitgliedern angelsächsisch geprägter Vorverständnisse die Missbilligung durch die SEC provoziert. 280 Verordnung (EG) Nr. 2238 / 2004 der Kommission vom 29. Dezember 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725 / 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend IFRS 1 und IAS Nrn. 1 bis 10, 12 bis 17, 19 bis 24, 27 bis 38, 40 und 41 und SIC Nrn. 1 bis 7, 11 bis 14, 18 bis 27 und 30 bis 33, ABl. L 394 v. 31. 12. 2004, S. 1. 281 So auch Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783 (1787 f.); Küting / Dürr / Zwirner, BuW 57 (2003), 133 (137); Thiele, DStR 2004, 2162 (2167). 282 Vgl. zu der parallelen Problematik bei der dynamischen Verweisung Erdbrügger, Befreiende Konzernabschlüsse nach US-GAAP, S. 71; Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779 (792), die in der jederzeitigen Rücknahmemöglichkeit der Verweisung ebenfalls keine Rechtfertigung der Übertragung von Normgebungsgewalt erblicken.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

3. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist daher die Mitwirkung des IASB an der hoheitlichen Entscheidung über die verbindliche Anwendung der IAS / IFRS für die betroffenen europäischen Unternehmen als (Mit-)Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt legitimationsbedürftig.

B. Bestimmung des Soll-Niveaus Nachdem eingangs das primärrechtliche Demokratieprinzip, dessen Mindestanforderungen aus deutscher Sicht denen des unveräußerlichen Kerns i.S.v. Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1 und 2 GG entsprechen, als Prüfungsmaßstab bestimmt worden ist, wird das Soll-Niveau dementsprechend in zwei Schritten ermittelt: Zunächst werden die Anforderungen des unantastbaren Kerns des Demokratieprinzips untersucht (I) und anschließend wird geprüft, ob sich aus dem primärrechtlichen Demokratieprinzip weitergehende Vorgaben ergeben (II).

I. Anforderungen des unantastbaren Kerns des Demokratieprinzips Der unantastbare Kern des Demokratieprinzips gemäß Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG bildet eine absolute Schranke bei der Übertragung von Hoheitsgewalt auf die Europäische Union. Das Bundesverfassungsgericht hat aus ihr abgeleitet, dass dem Bundestag „Aufgaben und Befugnisse von substantiellen Gewicht bleiben müssen“. Während dieses Erfordernis der Bewahrung der (angegriffenen) Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und dabei zugleich283 der nationalstaatsbezogenen Volksouveränität vor einer Aushöhlung dient, hat das Bundesverfassungsgericht aus der Bestandssicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG auch Anforderungen an die demokratische Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt abgeleitet. Gedanklicher Ausgangspunkt der nachfolgenden Untersuchung des unantastbaren Kerns des Demokratieprinzips soll daher die traditionelle Legitimationsdogmatik sein, die, auch abgesehen vom Bundesverfassungsgericht, vielfach als Maßstab für die demokratische Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt herangezogen wird.284

283 Kritisch zum heutigen Verständnis von Souveränität als Konglomerat aus Staats- und Volkssouveränität Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (274); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 216. 284 So (wohl) BVerfGE 89, 155 (182 ff.); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 414 ff.; nachgezeichnet von Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 390 ff. m. w. N. Kritisch zur oftmals fehlenden Herleitung des Prüfungsmaßstabes Bleckmann, JZ 2001, 53.

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1. Die Legitimationssubjekte Schliesky hat nachgewiesen, dass die Verbindung von Demokratie mit dem Nationalstaat285 und der Volkssouveränität mit der demokratischen Legitimation286 zu den historisch gewachsenen, aber historisch nicht zwingenden Grundannahmen der traditionellen Legitimationsdogmatik gehören.287 Diese Grundannahmen bedingen für das Legitimationssubjekt als Ausgangspunkt für in Deutschland verbindliche Herrschaftsgewalt dreierlei: 1. Volk und Nation werden gleichgesetzt; 288 über den Begriff des Staatsvolkes wird die vorstaatliche ethnisch-kulturelle Nation in das positive Verfassungsrecht eingeführt.289 2. Durch die Verbindung von Volkssouveränität als Legitimationstitel und Staatssouveränität muss das Legitimationssubjekt als Gegenstück zur einseitigen, einzigen und einheitlichen 290 Staats285 Deutlich in diesem Sinne BVerfGE 83, 37 (51 f.): Es entspreche „der demokratischen Idee, insbesondere dem in ihr enthaltenen Freiheitsgedanken, eine Kongruenz zwischen den Inhabern demokratischer politischer Rechte und den dauerhaft einer bestimmten staatlichen Herrschaft Unterworfenen herzustellen. [Dies . . . ] kann jedoch nicht zu einer Auflösung des Junktims zwischen der Eigenschaft als Deutscher und der Zugehörigkeit zum Staatsvolk als dem Inhaber der Staatsgewalt führen.“. Zur Demokratie als Staatsform siehe BVerfGE 44, 125 (138 f.); 47, 253 (271 f.); Badura, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 25 Rn. 27; Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 9; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 30. Kritisch Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (310); Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (274 ff.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 139 m. w. N. 286 Zurückgehend auf Rousseau, vgl. Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 216, 238 ff. Ausdrücklich im Sinne beider Thesen Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 426: „Aus staatstheoretischer Sicht treten im legitimatorischen Prinzip der Volkssouveränität Staatlichkeit, Demokratie und Souveränität in eine – durch Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG auch verfassungsrechtlich gewollte – Einheit.“ 287 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 232, nach dem diese Grundannahmen weder historisch noch verfassungsrechtlich zwingend sind, 270 ff. Siehe dazu auch ausführlich S. 8 – 230. Ähnlich auch Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (61); Groß, Das Kollegialprinzip, S. 171 f.; Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (274 f.). 288 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 173; Grawert, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 16 Rn. 17; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 46 in Fn. 111; Kirchhof, DVBl. 114 (1999), 637 (649); Schmitt, Verfassungslehre, S. 238. Siehe dazu auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 30 ff. 289 So Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (313); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 272 ff.: „Der alles ethnisch Fremde exkludierende Nationalstaat wird so von einer staatstheoretischen (Wunsch-)Vorstellung einiger Autoren zu dem verfassungsrechtlich einzig zulässigen Modell von demokratischer Staatlichkeit aufgewertet, das noch dazu über Art. 79 Abs. 3 [GG] abgesichert sein soll.“ . Zur Unterscheidung des „ethnisch-kulturellen Nationenbegriffs“ (insbesondere verwendet in Deutschland, Italien und den mittel- und osteuropäischen Staaten) von einem „politischen Nationenbegriff“ (insbesondere verwendet in Frankreich, der Schweiz und den angelsächsischen Staaten) Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 48. 290 Die Einheitlichkeit umfasst die Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit der Staatsgewalt, Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 146. Siehe auch BVerfGE 89, 60 (75), zur Einheitlichkeit der Staatsgewalt, die einer beliebigen Bildung von Untereinheiten des Gesamtstaatsvolkes entgegensteht.

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gewalt291 ebenfalls als Einheit begriffen werden.292 3. Diese Einheit ist auch bezogen auf supranationale Hoheitsgewalt, deren Existenz gerade nicht die Souveränität Deutschlands,293 also auch nicht die Einzigkeit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt antasten soll,294 einziges Legitimationssubjekt.295 Dadurch wird supranationale Hoheitsgewalt zu einem Teil der vom deutschen Volk ausgehenden auf sich selbst bezogenen Staatsgewalt.296 Sähe man diese (z. T. unausgesprochene) Argumentationsbasis der traditionellen Legitimationsdogmatik auch in Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1 und 2 GG verankert,297 so ergäben sich unauflösliche Widersprüche zu anderen Bestimmungen des Grundgesetzes: a) Zur Gleichsetzung von Volk und Nation Einer dauerhaften Gleichsetzung von Volk und Nation stehen schon Art. 73 Nr. 2, 116 GG entgegen, die den Bundesgesetzgeber beauftragen, die Kriterien für die Zugehörigkeit zum Staatsvolk zu regeln.298 Damit unterliegt die Zusammensetzung des Legitimationssubjektes der Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers; dies widerspricht einer unabänderlichen Festschreibung einer bestimmten Zusammensetzung des Staatsvolkes in Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1, 2 GG.299 So hat das Bundesverfassungsgericht zwar ausgeführt, dass Wahlen, bei denen auch Ausländer wahlberechtigt sind, demokratische Legitimation nicht vermitteln könnten.300 Es hat aber in seinem Urteil vom gleichen Tage die Einführung eines (kommuna291 Diese Eigenschaften der souveränen Staatsgewalt gehen auf die Souveränitätslehre Jean Bodins zurück. Siehe dazu Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 73 ff., 268 und ausführlich zur Staatsgewalt 144 ff. 292 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. in Fn. 231 und Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 216, 236, zur Ableitung der Einheit des Volkes aus der Verbindung von Staats- und Volkssouveränität. 293 BVerfGE 89, 155 (190); vgl. auch oben in Fn. 229 , 230. 294 So auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 146. 295 BVerfGE 89, 155 (182): „Zu dem gemäß Art. 79 Abs. 3 GG nicht antastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, dass die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden.“ Zu diesem Ergebnis kommen erst recht diejenigen Autoren, die supranationale Hoheitsgewalt unmittelbar dem Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen, vgl. oben in Fn. 242. 296 So BVerfGE 89, 155 (186). 297 So zunächst das BVerfGE 89, 155 (182), das jedoch die oben in Fn. 295 zitierte Aussage in den folgenden Passagen relativiert, wohl sogar konterkariert, 183 ff. Aus der Literatur Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 425 f. 298 Dazu Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 274 f. 299 Im Ergebnis ebenso BVerfGE 83, 37 (52, 59); Hobe, JZ 1994, 191 (194 f.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 454; Schmidt-Jortzig, Staatsangehörigkeit im Wandel, S. 16 f. 300 BVerfGE 83, 60 (81).

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len) Ausländerwahlrechts als zulässige Verfassungsänderung für möglich gehalten und so den Weg für die Einfügung des Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG geebnet.301 Die Wandelbarkeit des deutschen Staatsvolks302 ist auch durch die jüngste Reform des Staatsangehörigenrechts belegt worden303 und ermöglicht daher (theoretisch) auch eine Einbeziehung der Unionsbürger bei der verfassungsrechtlichen Festlegung der Zusammensetzung des Legitimationssubjektes.304 Bedenkt man, dass die Verträge über die Gründung der Europäischen Union und die Änderung der wesentlichen vertraglichen Grundlagen zugleich Änderungen des Grundgesetzes darstellen (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG),305 so besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Legitimationssubjekte306 europäischer Hoheitsgewalt anders als die Legitimationssubjekte307 deutscher Staatsgewalt zusammengesetzt sind. b) Zur Einheitlichkeit des Volkes und des Volkswillens Die Einheitlichkeit des deutschen Staatsvolkes als Prämisse für das grundgesetzliche Demokratiekonzept ist Gegenstand der bereits angesprochenen Kontroverse zwischen Anhängern des traditionellen und des pluralistischen Demokratieverständnisses.308 Gegen diese Einheit des Volkes und die damit verbundene Einheit 301 BVerfGE 83, 37 (52, 59). Gegen die Möglichkeit der Einführung eines Ausländerwahlrechts auf Bundes- oder Landesebene wegen Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG aber Doehring, VVDStRL 32 (1974), 7 (36 f.); Evers, in: BK, GG Bd. 8, Art. 79 Abs. 3 Rn. 184 f.; Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (91 ff.). 302 Dazu auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 175 f., nach dem „die Alternative, ,Deutscher‘ kraft ,deutscher Staatsangehörigkeit‘ gemäß Art. 116 Abs. 1 1. Alt. GG zu sein, gegenüber der Alternative, ,Deutscher‘ kraft ,deutscher Volkszugehörigkeit‘ i.S. des Art. 116 Abs. 1 2. Alt. GG zu sein, [durch Zeitablauf] mehr und mehr in den Vordergrund [trete]“ und sich damit ein Wechsel vom ethnisch-kulturellen zum politischen Nationenbegriff vollziehe. 303 Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. 07. 1999, BGBl. I / 1999, S. 1618; dazu Göbel-Zimmermann / Masuch, DÖV 53 (2000), 95. 304 Ebenso Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 176; Dreier, in: ders., GG Bd. II, Art. 79 III Rn. 36 m. w. N.; Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (276); Hobe, JZ 1994, 191 (193 f.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 275. Nach Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (351), kann im Wege einer Verfassungsänderung auch vom Kriterium der Staatsangehörigkeit Abstand genommen werden. 305 So auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 358 f., der zutreffend darauf hinweist, dass jede Übertragung von Hoheitsrechten die Verfassung modifiziert, da sie die grundgesetzliche Kompetenzordnung berührt. 306 Bezüglich der Europäischen Union ist überwiegend anerkannt, dass es mehrere Legitimationssubjekte gibt, da es – wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem MaastrichtUrteil festgestellt hat – auch mehrere Legitimationsstränge gibt. 307 Auch bezüglich der deutschen Staatsgewalt ist der Singular selbst bei Anwendung des monistischen Legitimationskonzeptes verfehlt, denn spätestens mit der Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts ist nicht allein das deutsche Staatsvolk – wenn auch in seinen territorialen Gliederungen – Legitimationssubjekt, sondern Legitimationssubjekte sind zumindest das deutsche Staatsvolk im Bund und in den Ländern (so Isensee, in: ders. / Kirchhof, HStR IV, § 98 Rn. 45 ff.) und die Kommunalvölker. 308 Vgl. oben 1. Kapitel § 7.

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des Volkswillens,309 der sich als maßgebender Steuerungsinput in der ausgeübten Staatsgewalt wiederfinden soll,310 sind beachtliche Argumente vorgebracht worden,311 die zumindest den „Alleingeltungsanspruch der monistischen Konzeption“312 und damit ihre Perpetuierung durch Art. 79 Abs. 3 GG in Frage stellen.313 In der traditionellen Legitimationsdogmatik spiegelt sich Rousseaus auf die Gleichheit aller Bürger gerichtetes Gesellschaftsvertragsmodell314 wider:315 Der Gesellschaftsvertrag setze „[a]n die Stelle der einzelnen Person jedes Vertragsschließenden [ . . . ] einen geistigen Gesamtkörper, [ . . . ] der durch ebendiesen Akt seine Einheit, sein gemeinsames Ich, sein Leben und seinen Willen erhält“316. Indem der Gemeinwille, ermittelt mit Hilfe des Mehrheitsprinzips,317 der maßgebliche, mit dem vernünftigen Einzelwillen übereinstimmende Wille der Einheit ist,318 wird der Wille des überstimmten Einzelnen zum unvernünftigen Einzelwillen, der Überstimmte zum Irrenden,319 der zur Befolgung des Gemeinwillens und damit zu seiner Freiheit gezwungen werden muss.320 Der gesamten Verfassung vorangestellt und jeglicher Änderung entzogen ist aber die Menschenwürde des Einzelnen321 und nicht die absolute Gleichheit 309 So BVerfGE 1, 13 (41); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 63; Dreier, in: ders., GG Bd. II, Art 20 D Rn. 77; ders., Hierarchische Verwaltung, S. 19 ff.; Isensee, in: ders. / Kirchhof, HStR II3, § 15 Rn. 110, 123; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 72; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 200, 369. 310 Sinngemäß dazu, dass der Mehrheitsbeschluss des Parlaments mit Hilfe der weiteren Prämissen von Volk und Volksvertretung als juristischer Einheit Ausdruck des einheitlichen Volkswillens sei, BVerfGE 93, 37 (66 f.); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 24 Rn. 52 ff.; Dreier, in: ders., GG Bd. II, Art. 20 D Rn. 64 ff.; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 190 f.; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 74 f. 311 Dazu bereits oben 1. Kapitel § 7 A. bei Fn. 238. 312 So Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 254. 313 Es geht hier also nicht um die Frage, ob de constitutione lata eine Betroffenenlegitimation möglich ist, sondern, ob de constitutione ferenda eine solche möglich wäre. 314 Im Rahmen des Vertragsmodells kommt es aufgrund einer Anknüpfung an die Souveränitätslehre Bodins (hierzu ausführlich Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 73, 199) zu einem Austausch des Souveräns: An die Stelle des absoluten Monarchen tritt das „Absolutum ,Volk‘ oder ,Nation‘“, Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (312). Siehe dazu auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 214, 731 f. 315 So auch Häberle, VVDStRL 33 (1975), 134 (136): „Ist es nicht höchste Zeit, dass wir von der Bürgerdemokratie sprechen, alle Formen von Volks-Demokratien, ihr ,Zurück-zuRousseau‘ und ihre Einheitsfiktion fallen lassen und einfach sagen, dass der Pluralismus der entscheidende Gesichtspunkt ist?“; ders., in: FS Ress, 1163 (1169); Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 83. 316 Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, I 6 (S. 50). 317 Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, IV 2 (S. 133 ff.). 318 Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, II 3 (S. 61 f.). 319 Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, IV 2 (S. 134). 320 Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, I 7 (S. 53). Zum Ganzen Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 210 ff., 540.

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aller.322 „Die Menschenwürde ist tragendes Konstitutionsprinzip und oberster Verfassungswert.“323 Sie beinhaltet die Idee des sich selbst bestimmenden Menschen, in dessen Lichte – so die Kritiker der traditionellen Legitimationsdogmatik324 – auch das Demokratieprinzip sowie das aus ihm abgeleitete Legitimationsmodell erscheinen müsse.325 Die Selbstbestimmung des Einzelnen stehe daher einem Modell entgegen, welches das Volk als einheitliches (Staats-)Organ begreift, das „verbindlich entscheidet, was für alle Einzelnen rechtens ist.“326 Die Selbstbestimmung des Einzelnen erfordere vielmehr, dass der Volkswille als Summe der tatsächlich heterogenen und pluralen Einzelwillen aufgefasst werde.327 Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG fingiere damit auch keine Willenseinheit des Volkes, die von den Staatsorganen bei der Ausübung hoheitlicher Befugnisse umgesetzt werde, sondern setze eine Vielfalt und Gegensätzlichkeit von Willen voraus, aus denen erst ein einheitlicher Staatswille zu bilden sei.328 Den heterogenen und pluralen Volkswillen zu einem einheitlichen Staatswillen zusammenzuführen, sei die Aufgabe der Verfassungsordnung.329 Dem ist insoweit zuzustimmen, denn die Prämisse eines einheitlichen Volkswillens ist eine – für die Demokratie nicht erforderliche – Fiktion. Die Unterscheidung zwischen pluralem Volkswillen und einheitlichem Staatswillen als Voraussetzung einer demokratischen Herrschaftsorganisation ermöglicht dagegen ein realitätsnäheres Legitimationskonzept, welches auch mit den übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes, die von einer Interessen-, Meinungs- und Willensvielfalt im Volk ausgehen, zwangloser in Einklang gebracht werden kann.330 Zu jenen zählt 321 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 272. Vgl. auch BVerfGE 65, 1 (41): „Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt.“ 322 So Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (322); ders., in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (61); ders., in: FS Zuleeg, S. 131 (132), wo er dieses Ergebnis mit Blick auf den Ursprung der Formel „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ in der Virginia Bill of Rights auch durch semantische Erwägungen stützt: „people“ werde dort im Plural und damit mit der Bedeutung „Menschen“ verwendet. Ebenso Groß, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 93 (96). 323 BVerfGE 6, 32 (36); 45, 187 (227); 72, 105 (115); 109, 279 (311). 324 Vgl. bereits oben 1. Kapitel § 7 A. bei Fn. 239. 325 Häberle, in: FS Ress, 1163 (1169 f.). 326 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 173. 327 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 173; Haverkate, Verfassungslehre, S. 372; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 245 f.; Wolff, in: FS Quaritsch, S. 73 (88 f.). 328 Evers, in: BK, GG Bd. 8, Art. 79 Abs. 3 Rn. 182 f.; Grimm, JZ 1995, 581 (587); Groß, Das Kollegialprinzip, S. 173; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 133; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 245 f. 329 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 173; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 246. 330 Ebenso, aber im Rahmen einer nicht am Grundgesetz orientierten Betrachtung, Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 27 f. In diesem Sinne auch BVerfGE 20, 56 (98).

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die Menschenwürde und die in ihr anzusiedelnde „Idee des sich selbst bestimmenden Menschen in einer freiheitlichen Ordnung“331. Dazu zählt auch das vom Grundgesetz abgesicherte Mehrparteiensystem332 wie auch der grundrechtlich abgesicherte Minderheiten- und Pluralitätsschutz (vgl. Art. 5, 8, 9 GG),333 der sich – dies verdeutlicht den Zusammenhang mit dem Legitimationskonzept – auch noch auf der staatlichen Ebene wiederfindet, nämlich in den Bestimmungen zum Minderheitenschutz im Parlament334 und dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition.335 Auch im staatlichen Repräsentationsorgan besteht also die Pluralität der Willen (teilweise) fort. Selbst das Bundesverfassungsgericht – das zu den Begründern der traditionellen Legitimationskettendogmatik gehört336 – hat jüngst einen Absolutheitsanspruch des monistischen (Einheits-)Modells verneint. Es hat die funktionale Selbstverwaltung als Ausprägung des demokratischen Prinzips, der repräsentativ verfassten Volksherrschaft, angesehen, „soweit sie der Verwirklichung des übergeordneten Ziels der freien Selbstbestimmung aller337 dien[e].“338 Folgerichtig fällt mit dem Einheitserfordernis des Legitimationssubjektes339 auch das einst aufgestellte Postulat, die Einheitlichkeit der Staatsgewalt stehe einer beliebigen Bildung von Untereinheiten des Gesamtstaatsvolkes als Legitimationssubjekte entgegen340: „Sowohl das Demokratieprinzip in seiner traditionellen Ausprägung einer ununterbrochen auf das Volk zurückzuführenden Legitimationskette für alle Amtsträger als auch die funktionale Selbstverwaltung als organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen an den sie berührenden Entscheidungen verwirklichen die sie verbinBVerfGE 107, 59 (92). Zur Funktion der Parteien im Legitimationsprozess vgl. BVerfGE 2, 1 (13); 5, 85 (224); 85, 264 (284 ff.); 91, 276 (284 ff.). 333 Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (322). Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 241 ff., weist noch zutreffend auf den Charakter des Wahlrechts als grundrechtsgleichem Recht (244) und das Mehrparteiensystem (247) als grundgesetzliche Anerkennung der Interessen-, Meinungs- und Willenspluralität hin. 334 Hierzu zählen Art. 44 Abs. 1 GG, der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit bei der Besetzung der Ausschüsse des Bundestages, der sich aus der in Art. 38 Abs. 1 GG festgelegten Freiheit und demokratischen Gleichheit des Abgeordnetenmandats herleitet, vgl. BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 2005, 203 (204 f.), das Prinzip der proportionalen Repräsentation, BVerfGE 80, 188 (222 ff.). 335 BVerfGE 2, 1 (13); 44, 308 (321); 70, 324 (363). 336 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 bei Fn. 221. 337 Während dem Terminus „die freie Selbstbestimmung aller“ (so schon BVerfGE 44, 125 [142]) noch das kollektive Denken anhaften könnte, spricht das Bundesverfassungsgericht zwei Sätze später von der Idee des sich selbst bestimmenden Menschen unter Inbezugnahme von Art. 1 Abs. 1 GG und stellt somit eindeutig auf das Individuum ab, BVerfGE 107, 59 (92). 338 BVerfGE 107, 59 (92). 339 So noch deutlich BVerfGE 83, 37 (50 f.): „[D]ie Staatsgewalt [muss] das Volk als eine zur Einheit verbundene Gruppe von Menschen zu ihrem Subjekt haben.“ 340 So noch BVerfGE 83, 60 (75). 331 332

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dende Idee des sich selbst bestimmenden Menschen in einer freiheitlichen Ordnung (Art. 1 Abs. 1 GG).“341 Das Bundesverfassungsgericht stellt in dieser Äußerung dem monistischen Demokratiekonzept mit seinem Einheitsdenken ganz deutlich ein Legitimationskonzept gegenüber, welches den individuellen, der Herrschaftsgewalt konkret unterworfenen Menschen als Legitimationsspender mit einbezieht.342 Das Gericht macht deutlich, dass die Beteiligung der sachnahen Betroffenen an den sie berührenden Entscheidungen nicht bloß aus Gründen der Effektivitätssteigerung343 staatlicher Aufgabenwahrnehmung ein vermindertes Legitimationsniveau zu rechtfertigen vermag, sondern selbst zur Legitimation staatlicher Aufgabenerfüllung beiträgt. In Konsequenz dieser Rechtsprechung ist das Erfordernis eines einheitlichen Legitimationssubjektes als zwingender Ausgangspunkt aller Herrschaftsgewalt weder aus Art. 20 Abs. 1 und 2 GG ableitbar, noch ist es durch Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlicher Bestandteil des Demokratieprinzips. Im Rahmen des Beitritts zu der Europäischen Union und der wesentlichen Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen kann daher – ohne Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG – für die supranationale Ebene ein Legitimationskonzept eingeführt worden sein, welches Herrschaftsgewalt nicht stets von territorialen Einheiten von Legitimationssubjekten ableitet. c) Zur Einzigkeit des deutschen Volks als Legitimationssubjekt Ebenso wenig, wie Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG das deutsche Staatsvolk in einer bestimmten als Einheit fingierten Zusammensetzung als Ausgangspunkt aller Herrschaftsgewalt festschreibt, perpetuiert es das deutsche Staatsvolk als einziges Legitimationssubjekt.344 Dies hätte nämlich ein unauflösliches Spannungsverhältnis zwischen dem unantastbaren Kern des Demokratieprinzips und der in der Präambel und Art. 23, 24 GG zum Ausdruck kommenden Integrationsoffenheit des Grundgesetzes zur Folge. Müsste nämlich alle in Deutschland ausgeübte Herrschaftsgewalt vom Deutschen Staatsvolk allein legitimiert sein,345 so wäre dieses Band schon durch die MitgliedBVerfGE 107, 59 (92). So auch Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (425). 343 Einen solchen Effekt bei der Beteiligung Betroffener bejaht das Bundesverfassungsgericht und verknüpft ihn sogleich wieder mit dem Legitimationsgedanken, wenn es den Betroffenen die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im „wohlverstandenen Eigeninteresse“ zugesteht und darin eine Steigerung der Wirksamkeit des parlamentarischen Gesetzes erblickt. 344 So aber das Bundesverfassungsgericht in seiner Ausgangsthese, vgl. oben in Fn. 295; ebenso Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (200 f.); Huber, StWStP 3 (1992), 349 (355 ff.); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 426 f.; Kirchhof, EuR 1991, Beiheft 1, S. 11 (13 f.); Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161 (176 f.). 345 So ausdrücklich Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 424 ff., insbes. 426, 427 mit Fn. 65, 428. 341 342

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schaft in einem supranationalen Verband, in dem Mehrheitsentscheidungen zulässig sind, zerschnitten. Zumindest wenn die supranationale Herrschaftsgewalt entgegen dem Willen des deutschen Vertreters im entscheidenden Organ ausgeübt wird, lässt sich die Herrschaftsgewalt zu einem großen Teil346 nicht auf den Willen des Deutschen Staatsvolkes zurückführen.347 Andererseits – und dies hat das Bundesverfassungsgericht (als Konsequenz des eigenen Ansatzes)348 ausdrücklich festgestellt349 – wäre Deutschland dann jenseits des Einstimmigkeitsprinzips integrationsunfähig, was dem eindeutigen Willen des Verfassungsgebers von 1949 zuwider liefe.350 Eine Modifikation des in Art. 20 Abs. 1, 2 GG verankerten Demokratieprinzips durch die Integrationsoffenheit des Grundgesetzes kommt aber nur dann in Betracht, wenn das Demokratieprinzip bei der Frage des Legitimationssubjektes einer Abwägung mit einem kollidierenden Prinzip zugänglich ist. Dies müsste verneint werden, würde Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1, 2 GG das deutsche Staatsvolk als alleinigen Ausgangspunkt aller in Deutschland verbindlichen Herrschaftsgewalt unabänderlich festlegen.351 Aus dem Umkehrschluss folgt, dass Art. 79 Abs. 3 GG nicht als einziges das deutsche Volk als Legitimationssubjekt anerkennt und somit bei einer gemeinschaftlichen Ausübung von Herrschaftsgewalt durch mehrere (Staats-)Völker, wie in den Europäischen Union, auch die anderen Völker, genauer, die Bürger der anderen Völker als Legitimationssubjekte in Betracht kommen.352 d) Zwischenergebnis: Legitimationssubjekte Zum unantastbaren Kern des Demokratieprinzips i. S. v. Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG gehört das Prinzip der Volkssouveränität (als Legitimationstitel). Alle Herrschaftsgewalt muss vom Volke ausgehen. In negativer Hinsicht ist gezeigt worden, dass dieses Volk weder nur aus „Deutschen“ im Sinne einer ethnisch-kulturellen Zugehörigkeit zur deutschen Nation, noch stets aus allen Zugehörigen des deutschen Volkes in seinen territorialen Gliederungen im 346 Ein Willenszusammenhang besteht nur insoweit, als der Inhalt des abgeleiteten Rechts durch die sehr allgemeinen Vorgaben des Gemeinschaftsprimärrechts vorbestimmt ist, welchem Bundestag und Bundesrat zugestimmt haben. 347 Calliess, in: FS Ress, S. 399 (405); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 398. 348 Ebenso Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (321), der zutreffend darauf hinweist, dass das Gericht diese Konsequenz wegen des offensichtlichen Widerspruches zu der Integrationsoffenheit des Grundgesetzes nicht ziehen konnte und dennoch keine Zweifel an der Richtigkeit des eigenen Ansatzes entwickelt. 349 BVerfGE 89, 155 (183). 350 So auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 206 f. 351 Wie hier Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (274 f.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 271, nach dem Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG – der erkennbar Abweichendes erlaube – andernfalls verfassungswidriges Verfassungsrecht darstellen würde. 352 Ebenso Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (320 f.); Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (275 f.); Heintzen, ZeuS 3 (2000), 377 (382 ff.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 686.

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Sinne einer Einheit mit einem einheitlichen Willen besteht. Auch umfasst der Begriff des Volkes als notwendiger Bestandteil der Volkssouveränität nicht stets nur die Bürger des deutschen Volks, sondern auch die Bürger anderer Völker, wenn sie aus Gründen gemeinschaftlicher Ausübung von Herrschaftsgewalt dieser auch unterfallen. Positiv betrachtet besteht das Volk aus den Menschen, die der (jeweiligen) Herrschaftsgewalt dauerhaft unterworfen sind. Es muss dabei nicht zwangsläufig jeder Gewaltunterworfene zu den Legitimationssubjekten zählen, es sollten aber – für eine möglichst breite demokratische Basis – möglichst viele sein.353 Diesbezüglich ist das Demokratieprinzip als Optimierungsgebot zu verstehen,354 dessen Adressat der jeweilige Verfassungsgeber bei der Bestimmung des „Volkes“ ist. „Wer dieses Volk bildet, wie es konkret zusammengesetzt ist, setzt [also] die konkrete Verfassung der Herrschaftsordnung [zumindest in Grundzügen]355 fest“356. 2. Die Legitimationsmodi Gegen eine Festschreibung der Legitimationsmodi im Sinne der traditionellen Demokratietheorie spricht schon die Offenheit des Demokratieprinzips aufgrund seines Prinzipiencharakters 357, die Wandelbarkeit seines Norminhaltes358 und die – eine restriktive Auslegung bedingende – Funktion des Art. 79 Abs. 3 GG, der Gefahr einer Aushöhlung des Verfassungskerns (bereits im Ansatz)359 zu begeg353 BVerfGE 83, 37 (52); Bryde, in: FS von Arnim, S. 679 (681 f.); ders., in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (63 f.); Hailbronner, NVwZ 1999, 1273 (1276); Schlüter, ZAR 2000, 210 (217); Müller, Wer ist das Volk?, S. 28 f., 59; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 329. 354 Zur historischen Entwicklung des Volkes als Legitimationssubjekt siehe Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 681. Zu neueren Tendenzen, das Wahlrecht auch auf Kinder von Geburt an auszudehnen, siehe Wernsmann, Der Staat 44 (2005), 43. 355 Zutreffend führt Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 686, an anderer Stelle aus, dass das Volk z. T. auch erst unterverfassungsrechtlich gebildet werden kann. 356 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 595. 357 BVerfGE 107, 59 (91); Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (60 ff.); ders., StWStP 5 (1994), 305 (323); ders., in: FS Zuleeg, S. 131 (132 f.); Mehde, Demokratieprinzip, S. 548, 561; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 618; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 2, Art. 20 Rn. 6. A.A. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 585, 592; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 426, der von der „ Vollregel‘ der Legitimation sämtlicher Staatsgewalt durch das einzige Legitimationssubjekt des Volkes“ spricht. Grundlegend zur Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 61 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 612 ff.; Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems, S. 52 ff. 358 König, Die Übertragung von Hoheitsrechten, S. 528 f.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 458 ff. 359 So Sondervotum zu BVerfGE 30, 1 (42, 47); Evers, in: BK, GG Bd. 8, Art. 79 Abs. 3 Rn. 150 mit umfangreichen weiteren Nachweisen zum herrschenden Schrifttum: „[Die] Vor-

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nen.360 Wegen seines Prinzipiencharakters kann das Demokratieprinzip selbst keine Vorgaben für jeden Einzelfall enthalten, ist also ausfüllungsbedürftig. Wegen des Prinzipiencharakters kann diese Ausgestaltung des Demokratieprinzips nicht nur auf einem – Absolutheit beanspruchenden – Weg geschehen. Wegen des Prinzipiencharakters ist das Demokratieprinzip entwicklungsoffen361 und wandelbar, in Abhängigkeit äußerer Einflüsse. Diese Wandelbarkeit muss sich in Art. 79 Abs. 3 GG wiederfinden,362 der zudem, weil er dem verfassten Volk in wesentlichen Bereichen die Befugnis zur Selbstbestimmung durch Verfassungsänderung abspricht, restriktiv auszulegen ist.363 Als unantastbaren Kern hat das Bundesverfassungsgericht deswegen auch nur den Zurechnungszusammenhang zwischen Legitimationssubjekten und Legitimationsobjekt bezeichnet, „der auf verschiedene Weise, nicht nur in einer bestimmten Form“ hergestellt werden kann. Dieser notwendige Zurechnungszusammenhang umfasst zwei Elemente: 1. Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse müssen sich auf die (hier:) pluralen Willen der Legitimationssubjekte zurückführen lassen und 2. den Legitimationssubjekten gegenüber verantwortet werden.364 Es bedarf also eines Willens- und Verantwortungszusammenhangs, der ein bestimmtes Niveau erreichen muss. Dieses bestimmte Legitimationsniveau ist erreicht, wenn der Willens- und Verantwortungszusammenhang durch die (jeweilige) Herrschaftsordnung „effektiv“365 hergestellt wird, wenn er für die Legitimationssubjekte und auch die Träger der Hoheitsgewalt „konkret erfahrbar und praktisch wirksam“366 ist. schrift[ . . . will] als Antwort auf die historische Erfahrung des Verfalls der WRV nicht allein die Revolution abwehren [ . . . ] – was sie ohnehin nicht könnte –, sondern auch die konstituierenden Elemente der Verfassung vor einem allmählichen Verfallsprozess schützen, [sie soll] schon ,den Anfängen wehren‘“. Vgl. aber auch BVerfGE 30, 1 (24); 84, 90 (120 f.); 94, 49 (102 f.); 109, 279 (310), dazu, dass Art. 79 Abs. 3 GG den verfassungsändernden Gesetzgeber aber nicht daran hindern solle, die positivrechtlichen Ausprägungen der in ihm enthaltenen Grundsätze aus sachgerechten Gründen zu modifizieren. 360 Dazu Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 79 Rn. 28; Evers, in: BK, GG Bd. 8, Art. 79 Abs. 3 Rn. 149 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 456 f. m. w. N. Zur Funktion des Art. 79 Abs. 3 GG vgl. BVerfGE 30, 1 (24 f.); 84, 90 (120 f.); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 32; Stern, Staatsrecht Bd. I, S. 116. 361 BVerfGE 107, 59 (91). 362 Ausführlich Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 460 f. 363 BVerfGE 30, 1 (24); 84, 90 (121); 94, 49 (103); 109, 279 (310); Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 79 Rn. 28; Evers, in: BK, GG Bd. 8, Art. 79 Abs. 3 Rn. 152; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 457, 607. 364 BVerfGE 107, 59 (87 f.), wobei das Gericht von den oben bereits widerlegten Prämissen eines einheitlichen und einzigen Legitimationssubjektes und damit vom deutschen Staatsvolk als dem Ausgangspunkt aller Staatsgewalt ausging. Dass sich die Ausübung der Hoheitsgewalt nicht nur auf die Legitimationssubjekte, sondern auf deren Willen zurückführen lassen muss, wird bei BVerfGE 89, 60 (72); 93, 37 (66), deutlich. 365 BVerfGE 89, 155 (182). 366 BVerfGE 107, 59 (91).

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Sind damit die Verfahren zur Herstellung des erforderlichen Legitimationsniveaus nicht in Art. 79 Abs. 3 GG festgeschrieben,367 so kann Legitimation in der Europäischen Union nicht zwingend nur durch personelle Legitimation, also eine ununterbrochene Kette von Bestellungsakten, und sachlich-inhaltliche Legitimation, also Gesetzesbindung und weisungsgebundenen Gesetzesvollzug, hergestellt werden. Vielmehr besteht die Möglichkeit, dass mit der Installation einer neuen Herrschaftsebene durch die Mitgliedstaaten neue, abweichende, aber auch ähnliche Verfahren zur Legitimation der Herrschaftsgewalt dieser neuen Herrschaftsordnung geschaffen wurden. 3. Zusammenfassung Festzuhalten bleibt somit, dass Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG das traditionelle Legitimationsmodell nicht für die Geltungsdauer des Grundgesetzes festschreibt. Art. 79 Abs. 3 GG schützt nur „Grundsätze“ und nicht die erst mit Hilfe weiterer Verfassungsbestimmungen von der herrschenden Meinung vorgenommene dogmatische Konkretisierung.368 Bezogen auf das Erfordernis demokratischer Legitimation muss die europäische Herrschaftsordnung nach Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG einen effektiven, fühlbaren Willens- und Verantwortungszusammenhang zwischen den Legitimationssubjekten, deren Kongruenz mit den der supranationalen Herrschaftsgewalt dauerhaft Unterworfenen anzustreben ist, und der ausgeübten Herrschaftsgewalt herstellen.369

II. Anforderungen des primärrechtlichen Demokratieprinzips Es bleibt zu prüfen, ob das primärrechtliche Demokratieprinzip über die soeben dargestellten370 hinausgehende Anforderungen an die Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt stellt. Da sich das Demokratieprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt,371 muss sein Inhalt (von den Europäischen Gerichten) im Wege der wertenden Rechtsvergleichung unter Berücksichtung von Aufgaben, Zielen und Strukturen der Europäischen Union gewonnen werden.372 Dementsprechend sollen zur In367 Bryde, in: Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 79 Rn. 40; Dreier, in: ders., GG Bd. II, Art. 79 III Rn. 31; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 79 Abs. 3 Rn. 46, 80; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 394 m. w. N. in Fn. 463. 368 So auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 607. 369 So auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 594, 609. 370 Vgl. soeben I. 3. 371 Dazu Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (482 f.) m. w. N. in Fn. 88; Heintzen, EuR 32 (1997), 1 (9). Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 EU und oben in Fn. 180.

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haltsbestimmung die Rechtsprechung der Europäischen Gerichte und die verfassungsvergleichende Literatur herangezogen werden. 1. Rechtsprechung des EuGH Der Europäische Gerichtshof hat sich bisher nicht allgemein mit den legitimatorischen Anforderungen beschäftigt, die das primärrechtliche Demokratieprinzip an die Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt stellt. Dennoch hat er in mehreren Entscheidungen, zunächst sehr zaghaft, später bestimmter, auf das Demokratieprinzip abgestellt, um das Primärrecht auszulegen, vielleicht sogar, um es fortzuentwickeln. In den grundlegenden sog. „Isoglucose“-Urteilen373 hat er die Frage, ob die unterbliebene, nach dem Primärrecht aber vorgeschriebene Anhörung des Europäischen Parlaments zur Nichtigkeit des abgeleiteten Rechtsakts führe, unter Berufung auf ein „grundlegendes demokratisches Prinzip“ bejaht. Dieses grundlegende demokratische Prinzip gelte, „wenn auch in beschränktem Umfang“, auf Gemeinschaftsebene und beinhalte die Beteiligung der „Völker durch eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt“. Der einschränkende Zusatz fiel dann in späteren Entscheidungen weg.374 Fast wortgleich, doch im Zusammenhang mit einer anderen Auslegungsfrage tauchte die Passage der „Isoglucose“-Entscheidungen im „Titandioxid“-Urteil375 wieder auf. Hierbei ging es um die Frage, welche von zwei Ermächtigungsbestimmungen heranzuziehen sei, wenn beide ihren Voraussetzungen nach erfüllt sind. Der Gerichtshof entschied, dass das Demokratieprinzip die Auswahl derjenigen Bestimmung gebiete, die eine stärkere Parlamentsbeteiligung vorsehe. Noch weiter ging die Vertragsauslegung in der Tschernobyl-Entscheidung,376 in welcher der Gerichtshof dem Europäischen Parlament ein nach dem Vertrag 372 So auch von Arnauld, EuR 38 (2003), 191 (206); Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 30; Heintzen, EuR 32 (1997), 1 (9 f.); Hummer / Obwexer, EuZW 11 (2000), 485 (486); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 90. Ansätze finden sich bei Battis / Tsatsos / Stefanou, Europäische Integration und nationales Verfassungsrecht, S. 495 ff.; Bleckmann, JZ 2001, 53 (54 ff.); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (209 ff.); Schwarze, in: ders., Die Entstehung einer europäischen Verfassungsordnung, S. 477 ff. Teilweise wird auch die EMRK als Rechtserkenntnisquelle benannt, vgl. Bleckmann, JZ 2001, 53 (54); (nicht eindeutig) Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 6 EU Rn. 30; Hummer / Obwexer, EuZW 11 (2000), 485 (486). Vgl. in diesem Zusammenhang das „Matthews“-Urteil des EGMR, EuZW 10 (1999), 308, in dem der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte das Europäische Parlament als (ein) „Gesetzgeber“ i.S.v. Art. 3 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK angesehen hat (310 f.). 373 EuGH, Slg. 1980, 3333 (3360), Rs. 138 / 79 – Roquette Frères; 1980, 3393 (3424), Rs. 139 / 79 – Maizena. 374 EuGH, Slg. 1995, I-643 (668), Rs. C-65 / 93 – Parlament / Rat; 1995, I-1827 (1851 f.), Rs. C-21 / 94 – Mautgebühren; 1997, I-3213 (3246), Rs. C-392 / 95 – Parlament / Rat. 375 EuGH, Slg. 1991, I-2867 (2900), Rs. C-300 / 89 – Titandioxid. 376 EuGH, Slg. 1990, I-2041 (2072 ff.), Rs. C-70 / 88 – Tschernobyl.

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nicht vorgesehenes Klagerecht zur Wahrung seiner Befugnisse zusprach. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Demokratieprinzip findet sich in dieser Entscheidung jedoch nicht. Wenn aber die Beteiligung des Europäischen Parlaments am Rechtsetzungsverfahren Ausdruck des Demokratieprinzips ist, so muss die Absicherung dieser Beteiligung durch (rechtsfortbildende) Schaffung einer Rechtsschutzmöglichkeit zumindest als Stärkung demokratischer Legitimation begriffen werden.377 Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bringen Konkretisierungen in Einzelfragen der Legitimationsverfahren mit sich. Ein grundlegendes (europäisches) Legitimationskonzept lässt sich daraus nicht ableiten. Bestätigt werden allerdings die Erkenntnisse, dass die Legitimationssubjekte nicht allein dem deutschen Volk, sondern den Völkern der Mitgliedstaaten entstammen und dass Legitimationsobjekt die Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt ist. Wenn der Gerichtshof von „einer Versammlung“378 spricht, so scheint er einer Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt, die nur über die nationalen Parlamente vermittelt würde, ablehnend gegenüber zu stehen, die Beteiligung des Europäischen Parlaments an der Rechtsetzung zumindest in Form der Anhörung folglich für erforderlich zu halten. Ob mit dieser Formulierung jedoch ein zwingender Inhalt des europäischen Demokratieprinzips beschrieben werden sollte, lässt sich den knappen Ausführungen des Gerichtshofs nicht entnehmen. 2. Rechtsprechung des EuG Das EuG erkannte aber aufgrund dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein Problem darin, dass das Europäische Parlament bei der Rechtsetzung gar nicht beteiligt wird.379 Dies betraf eine Konstellation im Rahmen des Sozialen Dialogs (Art. 139 Abs. 2 EG), in der eine Vereinbarung der Sozialpartner durch Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission zustande kommt. Die fehlende Beteiligung der Völker über das Parlament hielt das EuG für zwingend kompensationsbedürftig. Es verlangte, dass die Beteiligung der Völker auf andere Weise sichergestellt werde, sah dieses Erfordernis aber aufgrund der Mitwirkung der Sozialpartner, deren Repräsentativität Kommission und Rat zwingend zu überprüfen hätten, als erfüllt an. Wenn die beteiligten Sozialpartner im Hinblick auf den Inhalt der Vereinbarung hinreichend repräsentativ seien, so das EuG, dann werde durch ihre Mitwirkung an der Rechtsetzung die geforderte Beteiligung der Völker vermittelt.380 377 Ebenso R. Fischer, Demokratiedefizit, S. 19; Zuleeg, JZ 1993, 1069 (1070); a.A. Randelzhofer, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 39 (43 f.). 378 Hervorhebung nicht im Original. Nachweise zu dieser EuGH-Rechtsprechung jeweils zu den vorstehend zitierten Urteilen. 379 EuG, Slg. 1998, II-2335 (2371), Rs. T-135 / 96 – UEAPME. 380 EuG, Slg. 1998, II-2335 (2371 f.), Rs. T-135 / 96 – UEAPME.

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Diese Entscheidungsbegründung legt die Deutung nahe, dass das EuG die beteiligten Sozialpartner als Repräsentanten der Völker, also der Unionsbürger, ansieht381 und zwar nur der von der Vereinbarung betroffenen Unionsbürger, denn die Repräsentativität muss nur „im Hinblick auf den Inhalt“ gewährleistet sein. Aufgrund der primärrechtlich vorgesehenen Mitwirkung der Sozialpartner würde also ein sektoraler Legitimationszusammenschluss zum Ausgangspunkt des legitimatorischen Zurechnungszusammenhangs. Selbst wenn dies angesichts der im Primärrecht nicht abgesicherten Einflusschancen der Legitimationssubjekte auf die Bestimmung ihrer Repräsentanten zweifelhaft ist,382 so orientiert sich diese Annahme des EuG immerhin noch an den primärrechtlich eingerichteten Entscheidungsverfahren. Verlangt das EuG jedoch stets eine Beteiligung der Völker am Gesetzgebungsverfahren, vermittelt durch eine repräsentative Versammlung ihrer Vertreter, so stellt es das gemeinschaftsrechtliche Demokratieprinzip im Rang über das übrige Primärrecht und deutet zugleich die entsprechenden Aussagen des Europäischen Gerichtshofs als „generelles Gebot“.383 3. Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten Diese Auffassung des EuG könnte auf den ersten Blick durch eine Verfassungsvergleichung gestützt werden. In allen Mitgliedstaaten erfolgt die Gesetzgebung (zumindest) in allen wesentlichen Fragen durch eine vom Volk gewählte Vertretung.384 Dies könnte dafür streiten, auch das Europäische Parlament oder – wie es das EuG aufgrund der allgemeineren Formulierung des Europäischen Gerichtshofs verlangt – eine Versammlung der Vertreter der Völker stets an der europäischen Gesetzgebung zu beteiligen.385 Damit würde aber das europäische Demokratieprinzip zum einen mit der Forderung nach bestimmten, den nationalen parlamentarischen Demokratien entlehnten Legitimationsprozessen aufgeladen und zum anderen mit einem Inhalt versehen, der zumindest partiell dem Primärrecht entgegenEbenso Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (482). Das mit der Legitimationskettenlehre verfolgte Anliegen, zu verhindern, dass besonders gut organisierte Gruppen unter Verletzung der demokratischen Gleichheit Einfluss auf die Ausübung von Hoheitsgewalt nehmen, gilt gleichermaßen bei einer individualistischen Interpretation des Demokratieprinzips. Das Gleichheitsgebot muss für den Fall der Legitimation durch Beteiligung Betroffener auf die Gruppe der Betroffenen bezogen werden, siehe bereits oben 1. Kapitel § 7 A. II. 2. bei Fn. 336 . Zu einer ausdrücklichen primärrechtlichen Regelung einer grundsätzlichen Betroffenenbeteiligung siehe dagegen Art. I-47 des Entwurfs eines Vertrages über eine Verfassung für Europa (VVE-Entwurf), ABl. C 169 v. 18. 07. 2003, S. 1. 383 Vgl. auch Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (482). 384 Bleckmann, JZ 2001, 53 (55), wobei dieser die zehn neuen Mitgliedstaaten in seine Betrachtung noch nicht miteinbezogen hat. Ebenso Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 631. 385 So Bleckmann, JZ 2001, 53 (55); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 592 m. w. N. in Fn. 88. 381 382

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steht.386 Diese Auslegung des primärrechtlichen Demokratieprinzips widerspricht sowohl seinem Prinzipiencharakter 387 als auch der Ausgestaltung, die es durch die im EG-Vertrag installierten Legitimationsprozesse erfahren hat. Für einen Vorrang des europäischen Demokratieprinzips gegenüber seinen primärrechtlichen Konkretisierungen spricht weder der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 EU, noch ein Vergleich der Verfassungen der Mitgliedstaaten.388 Nur einige von jenen kennen (ausdrückliche) Unabänderlichkeitsklauseln,389 die eine begrenzte hierarchische Strukturierung nach Maßgabe der Abänderbarkeit zulassen.390 Demnach geht die Interpretation des EuG zu weit. Das europäische Demokratieprinzip kann nicht losgelöst von den primärrechtlichen Ausgestaltungsvorschriften beurteilt werden, sprich: ein Demokratiedefizit der Europäischen Union kann jedenfalls nicht aus dem Primärrecht hergeleitet werden.391 Muss also der Inhalt des europäischen Demokratieprinzips im Lichte der vorhandenen europäischen Legitimationsverfahren bestimmt werden und mit den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten im Einklang stehen, so bleibt wegen der uneinheitlichen Legitimationsprozesse392 als gemeinsame Grundlage nur der Grundsatz der Volkssouveränität.393 Von einer einheitlichen Auslegung des (europäischen) Grundsatzes der Demokratie für die Europäische Union und die Mitgliedstaaten gingen nach Art. 6 Abs. 1 EU, nach dem dieser Grundsatz der Union und den Mitgliedstaaten gemeinsam ist, wohl auch die Vertragsparteien aus. Wie hier Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (484). So auch ausdrücklich der Europäische Gerichtshof, der von einem grundlegenden demokratischen Prinzip spricht, vgl. die vorstehenden Nachweise zur Rechtsprechung des EuGH im 2. Kapitel § 14 B. II. 1. 388 Siehe Heintzen, EuR 29 (1994), 35 (40), der im Folgenden auch die übrigen Ansätze zur Hierarchisierung des Primärrechts ablehnt (41 ff.); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 91 ff. A.A. von Arnauld, EuR 38 (2003), 191 ff., der eine Normhierarchie innerhalb des Primärrechts in gewissen Grenzen befürwortet. Dennoch dürfte auch er hier nicht zu einem anderen Ergebnis kommen, denn wenn er den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Konkretisierung und zur Änderung der Grundsätze belässt (199, 202, 210 ff.), so kann nur eine nachträgliche primärrechtliche Konkretisierung mit einem Grundsatz unvereinbar sein, wenn dieser durch die Konkretisierung erkennbar nicht geändert werden sollte (202, 207 f.). 389 Vgl. Heintzen, EuR 29 (1994), 35 (40). 390 von Arnauld, EuR 38 (2003), 191 (211). 391 Ebenso Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 101; Randelzhofer, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 39 (46). A.A. Bleckmann, JZ 2001, 53 (54). 392 Zu den Unterschieden innerhalb der Mitgliedstaaten vgl. Bleckmann, JZ 2001, 53 (54 ff.); Calliess, in: FS Ress, S. 399 (400). 393 So auch Bleckmann, JZ 2001, 53 (55), der allerdings die Geltung des Prinzips der Volkssouveränität auf supranationaler Ebene mangels Souveränität der EU für ausgeschlossen hält; Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (484); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 90: Aus dem europäischen Demokratieprinzip „ergibt sich der Grundsatz, dass die Unionsgewalt über demokratische Legitimation verfügen muss. [ . . . ] Ansonsten lassen sich konkrete Rechtsfolgen kaum ableiten.“; Kluth, Die demokratische Legitimation der EU, S. 33. 386 387

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III. Zwischenergebnis Weder auf der Ebene der Mitgliedstaaten noch auf der Ebene der Europäischen Union können also aus dem abstrakten Demokratieprinzip konkrete institutionelle Folgerungen in dem Sinne abgeleitet werden, dass nur bestimmte oder nur die von der Verfassung installierten Legitimationsverfahren dem Demokratieprinzip gerecht werden.394 Das Demokratieprinzip kann daher keine konkreten Legitimationsverfahren fordern. Gemeinsam ist dem unabänderlichen Kern des Demokratieprinzips i.S.v. Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1, 2 GG und dem europäischen Demokratieprinzip der Grundsatz der Volksouveränität; es muss sich also jede Ausübung von Hoheitsgewalt vom Volk ableiten.395 Während bei der Bestimmung des unabänderlichen Kerns des „deutschen“ Demokratieprinzips gezeigt wurde, dass die von der herrschenden deutschen Staatsrechtslehre aus dem grundgesetzlichen Legitimationsgefüge abgeleiteten Prämissen bezüglich der Legitimationssubjekte und der Legitimationsmodi396 nicht Teil dieses Kerns sind, ist dies für das europäische Demokratieprinzip angesichts seiner methodischen Ableitung aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Besonderheiten der supranationalen Herrschaftsordnung397 selbstverständlich. Das europäische Demokratieprinzip geht im Ergebnis nicht über die in Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG enthaltenen Anforderungen hinaus,398 darf aber auch nicht hinter diesen zurückbleiben.399 Zwischen den Legitimationssubjekten und der Ausübung von Hoheitsgewalt bedarf es also eines effektiven, fühlbaren Willens- und Verantwortungszusammenhangs.400 Während die primärrechtlichen Legitimationsverfahren nur gegen die Vorgaben des Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG verstoßen können,401 ist das supranationale Sekundärrecht allein am europäischen Demokratieprinzip zu messen.402 Wie gezeigt, sind die Anforderungen dabei (theoretisch)403 die gleichen. Heintzen, ZeuS 3 (2000), 377 (381). Pernice, in: FS Zuleeg, S. 145 (154). Vgl. auch oben 2. Kapitel § 14 B. I. 3. u. II. 3. 396 Siehe dazu oben 2. Kapitel § 14 B. I. 397 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. II. 398 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. II. 3. 399 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 bei Fn. 238. 400 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. 401 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. II. 3. 402 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 bei Fn. 238. 403 Nimmt man ein Demokratiedefizit auf supranationaler Ebene an, so würden die Anforderungen des europäischen Demokratieprinzips hinter denen der Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG zurückbleiben. Zugleich wäre aber das deutsche Zustimmungsgesetz nichtig und damit die Europäische Gemeinschaft nicht wirksam begründet worden. 394 395

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C. Ermittlung des Ist-Niveaus Aufbauend auf den im vorgehenden Abschnitt gewonnenen Erkenntnissen sollen diejenigen Legitimationsprozesse, also Willens- und Verantwortungszusammenhänge, in der Europäischen Union ermittelt werden, die für die vorliegend untersuchte supranationale Hoheitsgewalt in Form der IAS / IFRS relevant sind. Nach einer zunächst abstrakten Bestimmung der Legitimationssubjekte im europäischen Mehrebenensystem404 (I.) sollen die von ihnen ausgehenden Legitimationsstränge bezogen auf die Mitwirkung des Europäischen Parlaments, des Rats, der Kommission, des ARC und des IASB (II.) nachvollzogen und so das Ist-Niveau der demokratischen Legitimation bezüglich der IAS / IFRS ermittelt werden (III.). Nach der Überwindung des monistischen nationalstaatsfixierten Demokratieverständnisses ist dabei die Feststellung des viel beklagten Demokratiedefizits in der Europäischen Union405 nicht vorprogrammiert.

I. Legitimationssubjekte Begreift man Demokratie nicht als Staats-, sondern, umfassender, als Herrschaftsform406 – und nur unter dieser Prämisse ist die Europäische Union mangels eigener Staatsqualität überhaupt demokratiefähig 407 – so legt der Verfassungsverbund408 aus europäischem Primärrecht als Verfassung der supranationalen Herrschaftsorganisation (im funktionalen Sinne)409 und den nationalen Verfassungen die Legitimationssubjekte zumindest in Grundzügen fest. Mit Blick auf die wesentlichsten Legi-

404 Zu diesem aus der Politikwissenschaft übernommenen Begriff siehe Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 474 ff. m. w. N. insbes. in Fn. 172, 173; Schuppert, in: FS Rauschning, S. 201 (212 ff.). 405 Vgl. hierzu Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (248 ff.) m. w. N., insbes. in Fn. 33; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 430 ff., zusammenfassend 480 f.; Kluth, Die demokratische Legitimation der EU; Randelzhofer, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 39 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 390 m. w. N. in Fn. 439. 406 So Badura, in: FS Heckel, S. 695 (698); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 590. 407 Siehe allgemein zu den Verbindungslinien zwischen Demokratie und Staat Volkmann, AöR 127 (2002), 575 ff., und in diesem Kontext zur Demokratiefähigkeit der Europäischen Union als nichtstaatliche Herrschaftsorganisation im Speziellen (601 ff.). Zur Demokratiefähigkeit der EU Grimm, JZ 1995, 581 ff.; Huber, in: Drexl u. a., Europäische Demokratie, S. 25. 408 Zu diesem Begriff Calliess, in: FS Ress, S. 399 (400 f.); Heintzen, EuR 32 (1997), 1 (16); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (199 ff.); Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (173); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 502 ff. 409 Zum Verfassungscharakter des Primärrechts Calliess, in: FS Ress, S. 399 (402); Huber, VVDStRL 60 (2001), 189 (196 ff.); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (247); Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (149 ff.) je m. w. N.

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timationsstränge in der Europäischen Union – die Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt über die Parlamente der Mitgliedstaaten und über das Europäische Parlament410 – lassen sich als Legitimationssubjekte zunächst die Staatsbürger der Mitgliedstaaten ausmachen.411 Diese wählen die Mitglieder der jeweiligen nationalen Parlamente und – als Unionsbürger (vgl. Art. 17 Abs. 1, 19 Abs. 2 EG) – die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (Art. 190 EG). Soweit in einzelnen Mitgliedstaaten Ausländer aus Drittstaaten aufgrund von Ausländerwahlrechten oder partizipativen Mitwirkungsbefugnissen an der Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt beteiligt sind, sind auch diese wegen der Inbezugnahme412 der mitgliedstaatlichen Herrschaftssysteme (vgl. Art. 6 Abs. 1 HS 2, Abs. 3 EU, Art. 10, 203 Abs. 1 EG)413 Legitimationssubjekte supranationaler Hoheitsgewalt. Die Legitimationssubjekte des europäischen Mehrebenensystems werden in verschiedenen Zusammenschlüssen von den Legitimationsverfahren adressiert. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament nehmen die Unionsbürger mangels eines einheitlichen Wahlverfahrens i.S.v. Art. 190 Abs. 4 EG an dem jeweiligen Wahlverfahren des Mitgliedstaates teil, in dem sie ihren Wohnsitz haben (Art. 19 Abs. 2 EG, § 6 EuWG). Gleiches gilt für die kommunale Ebene, wenn auf dieser Gemeinschaftsrecht vollzogen wird (Art. 19 Abs. 1 EG, Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG). Andere Zusammenschlüsse bestehen bei den Wahlen zu den nationalen Parlamenten, bei denen nur die Staatsangehörigen des jeweiligen Mitgliedstaats beteiligt sind. Denkbar sind auch sektorale Zusammenschlüsse im Zusammenhang mit dezentraler Partizipation.414 Solch ein sektoraler Zusammenschluss könnte beispiels410 Vgl. BVerfGE 89, 155 (185 f.); 97, 350 (369); Brosius-Gersdorf, EuR 34 (1999), 133 (160 ff., 166 f.); Calliess, in: FS Ress, S. 399 (400); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 586 ff.; Everling, DVBl. 108 (1993), 936 (944); Geiger, EUV / EGV, Art. 6 EU Rn. 5; Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 40 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 8; Kluth, Die demokratische Legitimation der EU, S. 67 ff., 87 f.; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 2, Art. 23 Rn. 23; Zuleeg, in: Drexl u. a., Europäische Demokratie, S. 11 (23 f.). 411 Heintzen, ZeuS 3 (2000), 377 (379, 382 ff.); Heitsch, EuR 36 (2001), 809 (816); Kluth, Die demokratische Legitimation der EU, S. 43; Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (176); ders., in: FS Zuleeg, S. 145 (155 f.) m. w. N.; Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 566. Bei monistisch geprägter, aber integrationsoffener Betrachtungsweise sind die Legitimationssubjekte die Staatsvölker der Mitgliedstaaten als „Völkerverbund“, vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 588 f.; Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 337 ff., 347 ff. Vgl. auch Art. I-45 Abs. 2 VVE-Entwurf. 412 So auch Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 645. 413 Insbesondere die Legitimation der Rechtsetzung durch den Rat basiert im Wesentlichen auf den Legitimationsverfahren der mitgliedstaatlichen Herrschaftsordnungen, ebenso wie der indirekte Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten auf der Zentralebene oder auf den Subebenen. Zum Kooperationsverhältnis im Bereich des Vollzuges vgl. Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (230) m. w. N. 414 Zu dem auch in der EU feststellbaren „Externalisierungstrend“, der „Delegation von Entscheidungskompetenzen an mehr oder weniger verselbständigte öffentliche Einrichtungen oder sogar Private“, siehe Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (267 f.) m. w. N.

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weise durch die gemeinschaftsprimärrechtlichen Regelungen über den „Sozialen Dialog“ in den Art. 138, 139 EG bewirkt werden, ohne dass dieser Frage hier aber weiter nachgegangen werden soll.415

II. Legitimationsverfahren bei der Erstellung der IAS / IFRS In ihrem Zusammenwirken haben Europäisches Parlament, der Rat und die Kommission die IAS-Verordnung gemäß der Art. 95, 251 EG erlassen416 und die Durchführungsbefugnisse gemäß Art. 202 3. Spiegelstrich, 211 4. Spiegelstrich EG auf die Kommission übertragen, welche demgemäß Durchführungsverordnungen im Verfahren nach Art. 5, 7 und 8 des Komitologie-Beschlusses unter Mitwirkung des ARC erlassen hat und in Zukunft erlässt. Die IAS-Verordnung haben diese drei Organe der Europäischen Gemeinschaft zusammen, die Durchführungsverordnungen hat die Kommission gemeinsam mit dem ARC und dem IASB zu verantworten,417 sofern es nicht gemäß Art. 5 Abs. 4 des Komitologie-Beschlusses zu einer Beteiligung des Rates kommt, dann trägt auch dieser Mitverantwortung. Die beschriebenen (legitimationsbedürftigen) Tätigkeiten der Organe der Europäischen Gemeinschaft und des IASB müssten sich auf den Willen der Legitimationssubjekte zurückführen lassen und ihnen gegenüber verantwortet werden.418 Schon die Zahl der beteiligten Organe, die Komplexität der Verfahren, die Pluralität der Legitimationssubjekte in ihren verschiedenen Zusammenschlüssen und die Abstraktheit des Prüfungsmaßstabes deuten darauf hin, dass eine ebenso komplexe Analyse notwendig ist, um eine Aussage über die demokratische Legitimation treffen zu können. Weil die IAS / IFRS den Regelungsadressaten gegenüber als einheitliche Hoheitsgewalt wirken, sollen die Beiträge der mitentscheidenden Organe nicht isoliert je für sich, sondern in ihrem Zusammenwirken betrachtet werden. Dennoch ist eine getrennte Untersuchung der IAS-Verordnung (1.) und der Durchführungsverordnungen (2.) möglich, wenn nur die legitimie415 Dazu im Zusammenhang mit der demokratischen Legitimation EuG, Slg. 1998, II-2335 (2371), Rs. T-135 / 96 – UEAPME: „Die Wahrung des demokratischen Prinzips, auf dem die Union beruht, macht es, wenn das Europäische Parlament an einem Gesetzgebungsverfahren nicht beteiligt ist, erforderlich, dass die Beteiligung der Völker an diesem Verfahren auf andere Weise sichergestellt wird, im zu entscheidenden Fall durch Vermittlung der Sozialpartner [ . . . ]“; Britz / Schmidt, EuR 34 (1999), 467 (482 ff.); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 577 ff.; ders., RdA 2000, 216. Vgl. bereits oben 2. Kapitel § 14 B. II. 2. 416 Die Beteiligung des Wirtschafts- und Sozialausschusses nach Art. 95 Abs. 1 EG (Anhörung) spielt für die demokratische Legitimation keine Rolle, wenn man die Tätigkeit von Beratungsgremien (siehe Art. 257 Abs. 1 EG) als nicht legitimationsbedürftig einstuft. Zur Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses siehe ABl. C 260 v. 17. 09. 2001, S. 86. 417 Zur Mitausübung von supranationaler Hoheitsgewalt und damit zur Mitverantwortung des IASB vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 3. 418 Siehe oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. Ebenso Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 591.

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rende Wirkung der IAS-Verordnung für die Durchführungsverordnungen berücksichtigt wird. 1. Demokratische Legitimation der IAS-Verordnung Während der Kommission gemäß Art. 251 Abs. 2 EG das Initiativrecht für den Erlass der IAS-Verordnung zusteht,419 weist Art. 251 Abs. 3 – 6 EG die positive Entscheidungsbefugnis dem Europäischen Parlament und dem Rat gemeinsam zu. Bei der Ausübung dieser ihnen nach Art. 95, 189, 192 Abs. 1, 202, 211, 251 EG zugewiesenen Befugnisse sind die Organe an das Gemeinschaftsprimärrecht gebunden. a) Willenszusammenhang Zwischen den Legitimationssubjekten und dem Inhalt der IAS-Verordnung muss ein Willenszusammenhang bestehen, der – begreift man das Demokratieprinzip nicht bloß als formales Zurechnungsprinzip420 – einen effektiven Einfluss der Legitimationssubjekte gewährleistet.421 Zur Herstellung dieses Willenszusammenhangs kommen verschiedene Verfahren in Betracht, die vornehmlich durch die Verfassung der jeweiligen Herrschaftsordnung festzulegen sind.422 Im europäischen Mehrebenensystem sind diese Legitimationsverfahren daher vor allem dem Verfassungsverbund423 zu entnehmen: Ein besonders effektiver Willenszusammenhang wird durch die verbindlichen inhaltlichen Vorgaben hergestellt, die der Verfassungsverbund für die Ausübung von Hoheitsgewalt bereits selbst enthält.424 Diese inhaltlichen Vorgaben lassen sich nämlich entweder unmittelbar oder vermittelt über die nationalen Parlamente auf die Legitimationssubjekte in ihren nationalen Zusammenschlüssen zurückführen, die mit ihrer jeweiligen Mehrheit die Gründungs-, Beitritts- oder Änderungsverträge (zumindest mittelbar) gebilligt haben.425 Vorliegend ist jedoch die Steue419 Vgl. Vorschlag der Kommission zur IAS-Verordnung, ABl. C 154 E / 29 v. 29. 05. 2001, S. 285. 420 Dagegen auch das BVerfGE 89, 155 (185), welches daraus bestimmte vorrechtliche Voraussetzungen ableitet. 421 Dieser Willenszusammenhang wird synonym auch als Ableitungszusammenhang bezeichnet, weil sich die Hoheitsgewalt vom Willen des Volkes ableiten muss, vgl. z. B. Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 594. 422 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 596. 423 Dazu bereits oben 2. Kapitel § 14 C. I. bei Fn. 408. 424 Vgl. dazu, dass auch die Verfassung inhaltssteuernd wirkt, Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 186 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 496; und oben 1. Kapitel § 7 A. II. 3. 425 Dem Zustimmungsgesetz zu den Verträgen und den Vertragsänderungen misst das Bundesverfassungsgericht eine sehr starke Bedeutung bei, weil es nach der Legitimationsket-

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rungswirkung des Gemeinschaftsprimärrechts eher schwach ausgeprägt, weil Art. 95 EG, auf den sich die IAS-Verordnung stützt, nur generelle Zielvorgaben enthält: Zur Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarkts (Art. 95 Abs. 1 Satz 1, 14 EG) können Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, „welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“ (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 EG), erlassen werden. Hinzu kommen aber die Grundfreiheiten, die Gemeinschaftsgrundrechte und die Grundprinzipien des Gemeinschaftsprimärrechts, die bei der Ausgestaltung der IAS-Verordnung zu beachten sind.426 Soweit die Organe der Europäischen Gemeinschaft zur Verwirklichung dieser Ziele tätig werden, wird Legitimation durch periodisch wiederkehrende Wahlen vermittelt.427 Dieser für die repräsentative Demokratie typische Beteiligungsmodus gewährleistet den Input des pluralen Volkswillens in die hoheitlichen Entscheidungsprozesse, in denen aus ihm ein einheitlicher Hoheitswille werden muss. Insofern die IAS-Verordnung auf der Beteiligung des unmittelbar von den Unionsbürgern in den Mitgliedstaaten gewählten Europäischen Parlaments (Art. 190 Abs. 1 EG) beruht, dient das Mehrheitsprinzip (Art. 198 Abs. 1 EG) dazu, den durch die Wahl vermittelten pluralen Volkswillen zu einem einheitlichen Willen dieses Organs zu formen. Die Mitwirkung des Rats der Europäischen Union, der sich ausschließlich aus Mitgliedern der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt (Art. 203 Abs. 1 EG), an der Erstellung der IAS-Verordnung steht dagegen nur unter dem Einfluss gewählter Organe: den von den Völkern der Mitgliedstaaten gewählten nationalen Parlamenten. Diesen gegenüber ist die jeweilige Regierung und damit auch der von ihr entsandte Vertreter im Rat verpflichtet. In Deutschland wird der Bundeskanzler vom Bundestag mit bestimmten politischen, also inhaltlichen Erwartungen428 gewählt (Art. 63 Abs. 1 GG); dieser ernennt die Minister (Art. 64 Abs. 1 GG) und bestimmt die Richtlinien der Politik (Art. 65 GG). Bezüglich der konkreten Tätigkeit im Rat regeln die Art. 23 Abs. 3, 45 GG und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG)429 die Pflicht der Regierung, bei tendogmatik das letzte Glied der vom deutschen Staatsvolk ausgehenden und auf sich selbst bezogenen Legitimationskette ist, vgl. BVerfGE 89, 155 (184). Vgl. dazu auch oben 2. Kapitel § 14 bei Fn. 210 und 2. Kapitel § 14 B. I. 1 bei Fn. 296 . Ebenso Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 590. 426 Ebenso Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 496: „Zudem finden sich mit Art. 2, 6, 7 EUV, Art. 5, 16, 23 bis 181 EGV auch umfangreiche inhaltliche Determinierungen, an denen sich die konkrete Ausübung supranationaler Herrschaftsgewalt auszurichten hat.“ 427 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 589. 428 Ebenso Roller, KritV 86 (2003), 249 (261). 429 BGBl. I / 1993, S. 311.

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ihren Verhandlungen die Stellungnahme des Bundesstages zur berücksichtigen (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG) bzw. zu Grunde zu legen (§ 5 Satz 3 EUZBBG)430.431 Die Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in Bund und Länder kann sich auf den eben beschriebenen Legitimationsprozess auswirken, kann die Legitimationsbedingungen modifizieren, je stärker durch eine Maßnahme des Rates die Interessen der Bundesländer betroffen sind (vgl. Art. 23 Abs. 4 – 7 GG und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union [EUZBLG]432).433 Nach Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG kann sogar anstelle eines Mitglieds der Bundesregierung ein vom Bundesrat benannter Vertreter der Länder in den Rat entsandt werden. Dann beginnt der Willenszusammenhang (auch) bei den Legitimationssubjekten in den Bundesländern. Schließlich wirkt auch die Kommission an der Gemeinschaftsrechtsetzung mit. Bei ihr lag das Initiativrecht für den Erlass der IAS-Verordnung, und auch deren zukünftige Änderungen kommen nach Art. 251 Abs. 2 EG auf ihre Initiative zu Stande. Art. 213 Abs. 2 Satz 1 EG ordnet die vollständige Unabhängigkeit der Kommissionstätigkeit an. Ein Einfluss der Regierungen der Mitgliedstaaten soll ausweislich Art. 213 Abs. 2 Satz 2 EG verhindert werden. Weder das Europäische Parlament noch der Rat haben daher rechtliche Einflussmöglichkeiten auf die inhaltlichen Entscheidungen der Kommission. Einen ganz allgemeinen Steuerungsinput erhält die Kommission durch das Gemeinschaftsprimärrecht, welches sie auf das Wohl der Gemeinschaften verpflichtet (Art. 213 Abs. 2 Satz 1 EG). Denkbar ist darüber hinaus ein mittelbarer inhaltlicher Einfluss von Europäischem Parlament und Rat, vermittelt durch die Auswahl der Kommissionsmitglieder.434 Doch spricht Art. 213 Abs. 1 Satz 1 EG wie auch das Verfahren zur Auswahl der Kommissionsmitglieder (Art. 214 Abs. 2 EG) dagegen, dass die Personalauswahl vor dem Hintergrund eines klaren politischen Programms erfolgt, dessen Einhaltung im Rahmen des Verantwortungszusammenhangs überwacht werden kann. Vielmehr erfährt die Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder eine starke Betonung, die auch das Verfahren nach Art. 214 Abs. 2 EG zu gewährleisten versucht, indem ein an nationalen Interessen ausgerichteter Einfluss der Mitgliedstaaten durch Mehrheitsentscheidungen im Rat und durch das erforderliche Zustimmungs430 Über die in Art. 23 Abs. 3 GG und im EUZBBG geregelten Pflichten geht auch die primärrechtliche Verpflichtung zur Unterrichtung der nationalen Parlamente im Protokoll über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der Europäischen Union (Protokoll Nr. 13 in der „Schlussakte der Amsterdamer Konferenz mit Erklärungen“, BGBl. II / 1998, S. 438) nicht hinaus. 431 Vgl. zu anderen Mitgliedstaaten Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (228 f.). 432 BGBl. II / 1993, S. 313. 433 Dazu auch Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 647. 434 Nach der hier vertretenen Auffassung kann durch die Personalauswahl ein Willenszusammenhang hergestellt werden, wenn die Wahl nach programmatischen Gesichtspunkten oder auch nach Interessenzugehörigkeit oder aufgrund erwarteter subjektiver Vorverständnisse erfolgt.

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votum des Europäischen Parlaments ausgeglichen werden soll. Die Kommissionstätigkeit ist folglich nur durch die inhaltliche Verpflichtung auf das Gemeinschaftswohl nach Art. 213 Abs. 2 Satz 1 EG und die allgemeinen Zielvorgaben des Art. 95 Abs. 1 EG in einen Willenszusammenhang eingebunden. An dieser Stelle sei bereits erwähnt, dass der Kommission aufgrund einer Rahmenvereinbarung,435 in der sie sich gegenüber dem Europäischen Parlament verpflichtet hat, dessen Aufforderungen zur Initiative nach Art. 192 EG Rechnung zu tragen, im Ergebnis nicht mehr das exklusive Initiativrecht zukommt. b) Verantwortungszusammenhang Neben dem Willenszusammenhang zwischen dem pluralen Volkswillen und dem einheitlichen Hoheitswillen, wie er sich in der hoheitlichen Entscheidung manifestiert, bedarf es eines Verantwortungszusammenhangs, der den Willenszusammenhang absichert und aktualisiert. Der Verantwortungszusammenhang wird hergestellt durch die unmittelbare oder vermittelte Übertragung begrenzter Verantwortung durch die Legitimationssubjekte (Ermächtigung) und deren Möglichkeit, die Verantwortungsträger unmittelbar oder vermittelt „in die Verantwortung zu nehmen“ (Sanktionsmöglichkeiten). Sanktionsmöglichkeiten können nur ausgeübt werden, wenn, sozusagen begleitend, die Transparenz der Entscheidungsprozesse gewährleistet ist.436 Gestärkt wird der Verantwortungszusammenhang darüber hinaus durch eine Kontrolle der Verantwortungsträger.437 Andererseits tragen Transparenz und Kontrolle nicht zum Verantwortungszusammenhang bei, wenn es an Sanktionsmöglichkeiten fehlt. Soweit die Legitimationssubjekte nicht aufgrund einer Volksabstimmung unmittelbaren Einfluss auf den Inhalt des Primärrechts haben, muss ein VerantwortungsABl. 2001 Nr. C 121 v. 05. 07. 2000, S. 122. Zu dieser Voraussetzung siehe BVerfGE 89, 155 (185): Die „Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe und die jeweils verfolgten politischen Zielvorstellungen [müssen] sichtbar und verstehbar [sein.]“; Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip; Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (273); Mehde, AöR 127 (2002), 655 (681), im Zusammenhang mit kooperativem Regierungshandeln; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 701 f. Zur Transparenz tragen (mittlerweile) die Offenlegung des Abstimmungsverhaltens der Ratsmitglieder bei wie auch die Möglichkeit des Parlaments, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen (Art. 193 EG), ebenso das Recht auf Zugang zu Dokumenten eines jeden Unionsbürgers sowie jeder natürlichen und juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat (Art. 255 EG). Kritisch zur mangelnden Transparenz in der EU Calliess, in: FS Ress, S. 399 (406); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (256 f.), insbesondere zur Nichtöffentlichkeit der Ratssitzungen; Roller, KritV 86 (2003), 249 (262), zu den Ausschussverfahren m. w. N.; KOM (2001) 428, ABl. C 287 v. 12. 10. 2001, S. 1 (16): „Das undurchsichtige System der EUSachverständigenausschüsse und die fehlende Information über deren Arbeitsweise tragen nicht unbedingt zu einer positiven Wahrnehmung in der Öffentlichkeit bei. Oft ist nicht klar erkennbar, wer eigentlich die Entscheidungen trifft – Sachverständige oder Politiker.“ 437 Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (273); Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 126; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 700 m.w.N in Fn. 571. 435 436

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zusammenhang zwischen den Legitimationssubjekten und den am Vertragsschluss beteiligten Organen bestehen. In Deutschland erfolgen der Vertragsschluss und wesentliche Änderungen gemäß Art. 23 Abs. 1, 59 Abs. 2 GG durch ein Zustimmungsgesetz, welches Bundestag und Bundesrat nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 2 GG jeweils mit Zweidrittelmehrheit beschließen müssen. Der Bundestag ist dem Legitimationszusammenschluss, bestehend aus den Angehörigen des deutschen Staatsvolk nach Art. 38, 39 GG, verantwortlich: Durch die alle vier Jahre stattfindenden Wahlen wird den Abgeordneten des Bundestages die Verantwortung (auch) zum Abschluss und zur Änderung des Gemeinschaftsprimärrechts auf Zeit übertragen. Die Möglichkeit der Abwahl gewährleistet die Aktualisierung des Willensinputs (spätestens) alle vier Jahre. Der Verantwortungszusammenhang zum Bundesrat nimmt seinen Ausgang bei den Angehörigen des deutschen Staatsvolkes in den Bundesländern und wird gestuft über die Verantwortlichkeit der Landesparlamente gegenüber den Legitimationssubjekten und die Verantwortlichkeit der Landesregierungen, die jeweils Vertreter in den Bundesrat entsenden (Art. 51 Abs. 1 GG), gegenüber den Landesparlamenten hergestellt. Zudem sind beide Organe, Bundestag und Bundesrat, institutionell durch das Grundgesetz (auch) zur Mitwirkung an den Vertragsschlüssen und dem Erlass der Zustimmungsgesetze legitimiert (Art. 23 Abs. 1 GG). Wie schon die Wahlen zu den nationalen Parlamenten, so bilden auch die allgemeinen und unmittelbaren Wahlen zum Europäischen Parlament den entscheidenden Mechanismus zur Herstellung des Verantwortungszusammenhangs zwischen den Unionsbürgern in den Mitgliedstaaten und ihren Vertretern, der gemäß Art. 190 Abs. 3 EG (spätestens) alle fünf Jahre aktualisiert wird. Als Organ ist das Europäische Parlament zur Mitentscheidung an der IAS-Verordnung durch das Gemeinschaftsprimärrecht (Art. 95 Abs. 1, 189 Abs. 1 2. HS, 192 Abs. 1, 249, 251 EG) ermächtigt. Auch der Rat ist zur Mitentscheidung an der IAS-Verordnung gemäß der Art. 95 Abs. 1, 202, 249, 251 EG institutionell ermächtigt. Seine (laufend wechselnden) Mitglieder erhalten die Verantwortung unmittelbar von den Regierungen der Mitgliedstaaten und damit mittelbar von den gewählten nationalen Parlamenten.438 Gleichermaßen vermittelt sind die Sanktionsmöglichkeiten der Legitimationssubjekte gegenüber den Ratsmitgliedern und bestehen daher stets nur seitens eines Legitimationszusammenschlusses gegenüber einer Regierung und damit einem Ratsmitglied. In Deutschland439 ist dieser Verantwortungszusammenhang gekennzeichnet durch die Ermächtigung des Bundeskanzlers durch den Bundestag höchstens für die Zeit einer Legislaturperiode und die Kontroll- und Abberufungsmöglichkeiten des Bundestags gegenüber der Regierung.440 Die unmittelbare Verant438 Teilweise werden die Regierungen auch von einem direkt gewählten Staatspräsidenten ernannt, vgl. Doehring, DVBl. 112 (1997), 1133 (1134). 439 Vgl. zu anderen Mitgliedstaaten R. Fischer, Demokratiedefizit, S. 57 ff. 440 1. Kapitel § 7 A. II. 1. b). in Fn. 307.

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wortlichkeit des Bundestages gegenüber den Legitimationssubjekten stellt das erforderliche Zwischenglied dieses gestuften Verantwortungszusammenhangs dar. Je um eine Stufe erweitert ist der Ermächtigungszusammenhang zwischen der nach Art. 95 Abs. 1, 211 3. Spiegelstrich, 249, 251 EG institutionell zur Mitwirkung an der Rechtsetzung ermächtigten Kommission und den Legitimationssubjekten in ihren verschiedenen Zusammenschlüssen. Denn den Kommissionsmitgliedern wird nach Art. 214 EG die Verantwortung, begrenzt auf fünf Jahre, durch das Europäische Parlament und den Rat gemeinsam übertragen. Sanktionen hat die Kommission in der laufenden Amtsperiode durch das Europäischen Parlament und den Europäischen Gerichtshof zu befürchten.441 Insbesondere kann das Europäische Parlament die Kommission durch einen erfolgreichen Misstrauensantrag zur Amtsniederlegung verpflichten (Art. 201 EG). Auf Antrag der Kommission oder des Rates kann der Europäische Gerichtshof jedes Mitglied der Kommission des Amtes entheben, wenn es die Voraussetzungen dafür nicht mehr erfüllt oder ihm andere schwere Verfehlungen zur Last fallen (Art. 216 i.V.m. 213 Abs. 2 EG). Dabei drohen zugleich empfindliche persönliche Konsequenzen mit der Möglichkeit des Gerichtshofs, zugleich die Ruhegehaltsansprüche oder die an ihrer Stelle gewährten Vergünstigungen des seines Amtes enthobenen Kommissionsmitglieds abzuerkennen. c) Effektivität des Zurechnungszusammenhangs An dieser Stelle sollen Stärken und Schwächen des herausgearbeiteten Zurechnungszusammenhangs aufgezeigt werden. Ob dieser Zusammenhang den Anforderungen des primärrechtlichen Demokratieprinzips genügt, wird erst nachfolgend beim Ist-Soll-Vergleich (D.) ermittelt. Die allgemeinsten inhaltlichen Vorgaben enthält das Gemeinschaftsprimärrecht. Der Willenszusammenhang ist diesbezüglich durch die teils unmittelbare und teils über die nationalen Parlamente vermittelte Beteiligung der Legitimationssubjekte stark ausgeprägt. Die Parlamente sind den jeweiligen nationalen Legitimationszusammenschlüssen unmittelbar verantwortlich, realisiert durch den Beteiligungsmodus der Wahlen. Auf den Inhalt der primärrechtskonformen IAS-Verordnung haben die Legitimationssubjekte potentiellen Einfluss insbesondere durch die Wahlen zum Europäischen Parlament und durch die Wahlen zu den nationalen Parlamenten. Die wenigen Vermittlungsglieder lassen den potentiellen Einfluss der Legitimationssubjekte auf den Inhalt der IAS-Verordnung über die Wahlen zum Europäischen Parlament zunächst sehr stark erscheinen. Geschwächt wird der Willens441 Zu den umfangreichen Kontrollrechten des Europäischen Parlaments gegenüber der Kommission vgl. Art. 200 (Berichtspflicht und Debatte), Art. 197 Abs. 3 (Fragerecht), Art. 193 (Untersuchungsrecht), Art. 276 (Entlastungsbeschlüsse) und 230 Abs. 3, 232 Abs. 1 EG (Klagerecht).

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zusammenhang aber durch das Fehlen transeuropäischer politischer Parteien, die programmatische Profillosigkeit der nationalen politischen Parteien auf europäischer Ebene, den nur schwach ausgeprägten europäischen Meinungs- und Willensbildungsprozess und einen kaum vorhandenen öffentlichen politischen Diskurs.442 Gemeint ist damit nicht das Erfordernis einer vorrechtlichen (kulturellen oder auch sprachlichen) Homogenität des als Einheit gedachten Legitimationssubjektes,443 dem nach der hier vertretenden Ansicht keine Bedeutung für die demokratische Legitimation zukommt, sondern ein Teil des Legitimationsprozesses, der dem bei Wahlen zunächst nur vorhandenen personellen Einfluss die erforderliche inhaltssteuernde, willensvermittelnde Wirkung verleiht.444 Andernfalls beschränkte sich der Einfluss der Legitimationssubjekte auf die Auswahl der Träger von Hoheitsgewalt, schon im „Grundakt demokratischer Legitimation“445 wären die Legitimationssubjekte von inhaltlichen Einwirkungsmöglichkeiten abgeschnitten. Deswegen ist dem Bundesverfassungsgericht insoweit zuzustimmen, als es einen politischen Diskurs fordert, „aus de[m] heraus [ . . . ] öffentliche Meinung[en] den politischen Willen vorform[en].“446 Als Schwäche der Legitimation über das Europäische Parlament wird zudem das Fehlen von Wahlrechtsgleichheit und eines einheitlichen Wahlverfahrens ausgemacht.447 442 So auch das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 89, 155 (185). Ebenso Bleckmann, JZ 2001, 53; Bryde, in: FS Zuleeg, S. 131 (140 f.); Heintzen, ZeuS 3 (2000), 377 (380); Huber, EuR 34 (1999), 579 (585); Graf Kielmansegg, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 47 (52 f.); Pechstein / Koenig, Die Europäische Union, Rn. 569, 571; Sack, Der Staat 44 (2005), 67 (87 ff.). 443 Vielfach wird im Anschluss an Schmitt, Verfassungslehre, S. 231 ff., ein homogenes Volk als vorrechtliche Voraussetzung für Demokratie gefordert: BVerfGE 89, 155 (185 f.); Breuer, NVwZ 1994, 417 (424 f.); Grimm, JZ 1995, 581 (587 ff.); Graf Kielmansegg, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 47 (54 ff.); Laufer / Fischer, Föderalismus als Strukturprinzip für die Europäische Union, S. 70 ff.; Pechstein / Koenig, Die Europäische Union, Rn. 569 ff.; Scharpf, StWStP 3 (1992), 293 (296 f.). A.A. Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (310); Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (276); Pernice, AöR 120 (1995), 100 (107 f.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 408 ff. m. w. N. in Fn. 531; Zuleeg, in: Drexl u. a., Europäische Demokratie, S. 11 (17 ff.). 444 Vgl. Huber, in: Drexl u. a., Europäische Demokratie, S. 27 (51 f.); ders., in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 609 (610 f.); Sack, Der Staat 44 (2005), 67 (87 ff.), die zutreffend darauf hinweisen, dass die Stimmabgabe zum Europäischen Parlament aufgrund der angeführten Mängel keine Entscheidung für eine bestimmte Politik und ein bestimmtes Programm beinhaltet; Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (33). 445 BVerfGE 44, 125 (142). 446 BVerfGE 89, 155 (185), wobei das Bundesverfassungsgericht monistisch geprägt im Singular von einer öffentlichen Meinung spricht und damit zugleich die hier abgelehnte Forderung nach Homogenität des Legitimationssubjektes verbindet. 447 BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 1995, 2216; Calliess, in: FS Ress, S. 399 (413); Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (269); Heintzen, ZeuS 3 (2000), 377 (387); Herdegen, Europarecht, § 8 Rn. 143; Huber, EuR 34 (1999), 579 (586 f.); Pechstein / Koenig, Die Europäische Union, Rn. 437, 569; Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (248); Streinz, Europarecht, § 4 Rn. 282, 306. Vgl. in diesem Zusammenhang den Beschluss 2002 / 772 / EG, Euratom des Rates zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner und unmittelbarer Wahlen der Ab-

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Der potentielle Einfluss der Legitimationssubjekte auf den Inhalt der IAS-Verordnung über die Wahlen zu den nationalen Parlamenten ist durch ein zusätzliches Vermittlungsglied, den Vertreter der mitgliedstaatlichen Regierungen im Rat, gekennzeichnet. Als problematisch wird hierbei der Willenszusammenhang angesehen, wenn – wie in Deutschland448 – das Parlament die Tätigkeit des Regierungsvertreters im Rat nicht mit rechtlicher Verbindlichkeit steuern kann.449 Andererseits spielen in Deutschland bei der Ernennung des Bundeskanzlers die Inhalte der Parteiprogramme der die Bundestagsmehrheit bildenden Koalition eine gewichtige Rolle. Auch nach seiner Ernennung ist der Bundeskanzler und mit ihm die Regierung (Art. 69 Abs. 2 HS 2 GG) darauf angewiesen, von einer stetigen Mehrheit im Bundestag getragen zu werden. Auf diese Weise wirkt die Responsivität450 auf der Vermittlungsebene Legitimationssubjekte / Bundestag auf der Vermittlungsebene Bundestag / Bundesregierung fort. Ein weiterer Kritikpunkt bei der Rechtsetzung durch den Rat ist, dass dieser in der Gesamtheit seiner Mitglieder den Legitimationssubjekten nicht verantwortlich ist, sondern nur jedes einzelne Mitglied „seinem“ Legitimationszusammenschluss. 451 Schließlich haben die Legitimationssubjekte auf die Politik der Kommission und damit (auch) auf die Ausübung des Initiativrechts bezüglich der IAS-Verordnung kaum einen potentiellen Einfluss. Da der Inhalt des Kommissionsvorschlages aber vollumfänglich zur Disposition des Europäischen Parlaments und des Rates steht, entstünde daraus demokratietheoretisch nur ein Problem, wenn der Kommission das alleinige Initiativrecht zustünde.452 Denn durch das daneben bestehende Initiativrecht des Europäischen Parlaments453 haben dieses und der Rat zusammen ein Vollentscheidungsrecht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der Inhalt der IAS-Verordnung, zum Teil vorgeformt durch das Gemeinschaftsprimärrecht, zum anderen Teil durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft geformt, aus dem Willen der Legitimationssubjekte ableitet, der Willenszusammenhang aber in seiner Effektivi-

geordneten des Europäischen Parlaments, ABl. L 283 v. 21. 10. 2002, S. 1, nach dem die Wahl in jedem Mitgliedstaat nach dem Verhältniswahlsystem abgehalten werden muss. 448 Dies gilt nach Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 591, selbst, wenn man mit Scholz, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 23 Rn. 118, ein Mandatsgesetz für zulässig hielte, weil ein imperatives Mandat aus praktischen Gründen ausgeschlossen sei, um die Bundesrepublik Deutschland nicht ihrer Verhandlungsfähigkeit zu berauben. 449 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 590 f.; Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (272 f.). A.A. Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (75 f.); Kluth, Die demokratische Legitimation der EU, S. 86 f. 450 Zur Responsivität Groß, Das Kollegialprinzip, S. 178 f.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 700; Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 73 f. 451 Doehring, VVDStRL 60 (2001), 357 (358); Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (273). 452 Vgl. dazu die Äußerungen Jestaedts oben in Fn. 262. 453 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. a). Siehe aber auch Bryde, in: FS Zuleeg, S. 131 (139), der in Art. 192 Abs. 2 EG keinen Ersatz für ein echtes Initiativrecht des Parlaments erblickt.

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tät wegen festgestellter Schwächen hinter demjenigen beim Erlass eines nationalen Gesetzes zurückbleibt. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen geboten, weil zwei kumulative Legitimationsstränge festgestellt worden sind. Denn die zweifachen Einflusschancen auf den einen Entscheidungsteil dürfen nicht addiert werden.454 Neben dem Willenszusammenhang lässt sich auch bezüglich aller beteiligten Organe ein Verantwortungszusammenhang ermitteln, der durch eine legitimationstheoretisch positiv zu bewertende zeitlich begrenzte Verantwortungsübertragung gekennzeichnet ist. Die (potentiellen) Mitglieder des Rates – die nationalen Regierungen – und die Kommissionsmitglieder können sogar vor Ablauf dieser Zeitspanne abberufen werden. 2. Demokratische Legitimation der Durchführungsverordnungen Die Art. 3 Abs. 1 der IAS-Verordnung und 5 Abs. 2 – 4 des Komitologie-Beschlusses übertragen die Befugnis zum Erlass von Durchführungsverordnungen zur IAS-Verordnung im Einklang mit Art. 202 3. Spiegelstrich EG auf die Kommission und den von den Mitgliedstaaten bestückten Regelungsausschuss für Rechnungslegung zur gemeinsamen Ausübung.455 Zugleich ist durch die IAS-Verordnung eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit dem IASB installiert worden, in deren Rahmen das IASB Hoheitsgewalt ausübt.456 Das IASB hat, bezogen auf die ausfüllungsbedürftigen inhaltlichen Spielräume der IAS-Verordnung, durch die Art. 4, 2 und 1 IAS-Verordnung das Initiativ- und das positive Entscheidungsrecht zugewiesen bekommen.457 a) Willenszusammenhang Der Willenszusammenhang zwischen der Kommission und den Legitimationssubjekten supranationaler Hoheitsgewalt ist beim Erlass der Durchführungsverordnungen gegenüber ihrer Initiativtätigkeit beim Erlass der Grundverordnung aufgrund der verbindlichen inhaltlichen Vorgaben der IAS-Verordnung gestärkt. Insoweit sich also in diesen inhaltlichen Vorgaben der Wille der Legitimationssubjekte 454 So zutreffend Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (259). Vorstellbar ist sogar, dass sich die Schwächungen der Einflusschancen addieren, bedenkt man, dass sich der Wille eines Legitimationssubjektes sowohl bei Entscheidung des Europäischen Parlaments als auch des Rates „durchsetzen“ müsste, damit er sich in der Ausübung der Hoheitsgewalt realisiert. 455 Hier interessiert vor allem die Konstellation, in der die Durchführungsverordnung aufgrund einer Zustimmung des ARC zustande kommt, denn im Falle einer Ablehnung wird die Legitimation durch eine dann erforderlich werdende Beteiligung des Rates (vgl. Art. 5 Abs. 4, 6 des Komitologie-Beschlusses) nur verstärkt. 456 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 457 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 2.

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manifestiert, partizipiert auch die Ausführung dieses Willens durch die Kommission an der Legitimation der IAS-Verordnung. Weil die Kommission nach Art. 3 Abs. 2 1. Spiegelstrich IAS-Verordnung eine Rechtsprüfung und nach Art. 3 Abs. 2 2. Spiegelstrich IAS-Verordnung eine Prüfung anhand vorgegebener Kriterien vorzunehmen hat,458 nicht aber selbst den Inhalt der IAS / IFRS beeinflussen kann, ist ihr Entscheidungsspielraum und damit ihr Entscheidungsbeitrag zur einheitlichen Hoheitsentscheidung eher gering. Nur soweit der Kommission nach der IAS-Verordnung überhaupt ein eigenes Ermessen zusteht, besteht der schon oben geschilderte allenfalls schwache Willenszusammenhang über die Art. 95 Abs. 1, 213 Abs. 2 Satz 1 EG. Etwas gestärkt wird dieser aber durch die gleichberechtigte Mitentscheidungsbefugnis des ARC (Art. 5 Abs. 2 – 4 des Komitologie-Beschlusses), dessen Mitglieder bei ihrer Willensbildung unter dem Einfluss ihrer jeweiligen nationalen Regierung stehen, die wiederum vom jeweiligen Parlamentswillen beeinflusst wird.459 Fraglich ist dagegen, ob zwischen den Legitimationssubjekten und der Tätigkeit des IASB ein Willenszusammenhang besteht. Geht man von den zuvor beschriebenen Legitimationssubjekten, den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten in ihren territorialen Zusammenschlüssen, aus, so kann ein Willenszusammenhang nur über die nationalen Parlamente460 oder das Europäische Parlament konstruiert werden. Weil kein Organ der supranationalen Herrschaftsordnung Weisungsrechte oder ähnlich weitgehende, aber nichtnormative Steuerungsmöglichkeiten gegenüber dem IASB besitzt, bleibt nur der europäische Verfassungsverbund und das aus ihm abgeleitete Recht zur Steuerung der Entscheidungen des IASB. Ähnlich wie bei einer statischen Verweisung haben die beteiligten Organe der Europäischen Gemeinschaft die beim Erlass der IAS-Verordnung bereits existenten IAS / IFRS nach Art. 3 Abs. 3 IAS-Verordnung in ihren Willen aufgenommen, vorbehaltlich einer Überprüfung durch die Kommission und den Regelungsausschuss gemäß Art. 3 Abs. 2 IAS-Verordnung. Diese IAS / IFRS partizipieren also an der Legitimation der IAS-Verordnung. Für zukünftige IFRS und für die Änderung existenter IAS / IFRS sind die selbstformulierten Ziele des IASB zum Teil in die IAS-Verordnung und damit ebenfalls in den hoheitlichen Willen der genannten Organe mitaufgenommen worden. Dies sind die Ziele, ein einheitliches Regelwerk weltweiter Rechnungslegungsstandards aufzubauen und einen hohen Grad an Transparenz und Vergleichbarkeit der Rechnungslegung zu gewährleisten.461 Auch die in Art. 1, 3 Abs. 2 IAS-Verordnung Vgl. oben 2. Kapitel § 11 C. II. Skeptisch zu diesem Zusammenhang aufgrund der nach empirischen Untersuchungen schwachen Anbindung der Vertreter in den Ausschüssen an die nationale Exekutive Roller, KritV 86 (2003), 249 (261 f.). 460 Soweit die Legitimationssubjekte aufgrund einer Volksabstimmung unmittelbaren Einfluss auf den Inhalt des Primärrechts haben, erfolgt insoweit ausnahmsweise keine Zwischenschaltung des nationalen Parlaments. 461 Erwägung (5) u. (7) der IAS-Verordnung. Siehe auch Art. 1 der IAS-Verordnung. 458 459

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enthaltenen Ziele der vorrangigen Information der Investoren, des „true and fair view“ und der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der Bilanzierung finden sich im Rahmenkonzept (F.9 ff., F.24 ff.) wieder.462 Diese in der IAS-Verordnung aufgegriffenen Zielvorgaben sind aber für das IASB nicht rechtlich verbindlich, so dass bei einer Änderung der selbstdefinierten Ziele durch das IASB der geschilderte Willenszusammenhang entfiele. Ein darüber hinausgehender Willenszusammenhang, vermittelt über die Personalauswahl oder das Verfahren für die Erstellung der IAS / IFRS, kommt nicht in Betracht, weil die Organe der Europäischen Gemeinschaft hierauf schon angesichts des Sitzes der IASC Foundation und auch aufgrund ihres privaten Charakters keinen Einfluss haben.463 Eine Ableitung des Willens des IASB von einem sektoralen Zusammenschluss der Legitimationssubjekte lässt sich nicht konstruieren. Ein sektoraler Zusammenschluss ist im Primärrecht, jedenfalls im Zusammenhang mit der Erstellung von Bilanzierungsregeln, nicht angelegt. Selbst wenn dies zulässig wäre, so wird er auch nicht erst durch das abgeleitete Recht begründet. Denn auch dieses regelt kein Legitimationsverfahren, welches einen sektoralen Zusammenschluss der Rechnungsleger und anderer von der Rechnungslegung Betroffener zum Ausgangspunkt von Legitimation macht. Vielmehr fehlt es, wie zuvor bereits festgestellt, überhaupt an rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Personalauswahl des IASB und das Verfahren der Standarderstellung. Zuletzt begründet auch das möglicherweise in den hoheitlichen Willen aufgenommene Verfahren der IASC Foundation zur Auswahl der IASB-Mitglieder keinen sektoralen Zusammenschluss, denn weder die Trustees, noch die IASB-Mitglieder werden allein von Legitimationssubjekten der supranationalen Hoheitsgewalt ausgewählt. Vielmehr werden die IASB-Mitglieder wie auch neue Trustees von den (übrigen) Trustees bestimmt,464 bei denen es sich mehrheitlich um Ausländer aus Drittstaaten handelt. b) Verantwortungszusammenhang Der Verantwortungszusammenhang zwischen den Legitimationssubjekten und der Kommission ist zuvor bereits dargestellt worden.465 Ergänzend ist an dieser Ebenso Schön, BB 2004, 763 (767). Auch wenn somit durch die Personalwahl oder das Verfahren kein Willensinput erfolgt, so scheinen diese Organisationsentscheidungen doch Wirksamkeitsvoraussetzung für einen effektiven Willenszusammenhang zu sein. Nur bei ausreichender Fachkompetenz ist sichergestellt, dass der Willensinput möglichst unverfälscht in den Entscheidungen des IASB zum Ausdruck kommt. Insofern könnte man die Auswahlkriterien der IASC Constitution, Part B, Section 19 und Annex durchaus mit denen des Art. 33 Abs. 2 GG vergleichen. 464 IASC Constitution, Part A, Section 5; Part B, Section 15 (a) und Section 18 ff. 465 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. b). 462 463

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Stelle darauf hinzuweisen, dass die Kommission zum Erlass von Durchführungsverordnungen nach Art. 211 3. Spiegelstrich EG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 IAS-Verordnung institutionell ermächtigt ist. Das ARC ist institutionell zur Mitwirkung an den Durchführungsverordnungen durch die IAS-Verordnung und den Komitologie-Beschluss ermächtigt. Personell wird den Mitgliedern des ARC die Verantwortung von den nationalen Regierungen übertragen. Über diese verläuft auch der gestufte Verantwortungszusammenhang ähnlich wie bei den Ratsmitgliedern. Deutschland ist im ARC durch das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vertreten.466 Der Verantwortungszusammenhang auf den Stufen Legitimationssubjekte / Bundestag und Bundestag / Bundesregierung ist bereits beschrieben worden. Hinzu tritt auf der dritten Stufe Bundesregierung / Bundesministerium die institutionelle und personelle Ermächtigung durch die Bundesregierung zur Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im ARC. Ein unverantwortungsvolles Verhalten kann durch den (jederzeitig möglichen) Austausch des in das ARC entsandten Vertreters sanktioniert werden; daneben drohen beamtenrechtliche Disziplinarmaßnahmen. Ein Verantwortungszusammenhang zwischen den Legitimationssubjekten und dem IASB lässt sich nur insoweit feststellen, als das IASB durch die IAS-Verordnung zur Erstellung der IAS / IFRS institutionell ermächtigt wurde. Die Mitglieder des IASB stehen demgegenüber in keinem Verantwortungszusammenhang zu den Legitimationssubjekten. Weder sind sie personell durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft ermächtigt worden, noch können sie von diesen abberufen oder auf sonstige Weise in die Verantwortung genommen werden, denn im Falle der Verfehlung der Zielvorgaben drohen keine persönlichen Konsequenzen. Auch die Kontrolle der Standards durch die Kommission und den ARC nach Maßgabe der in Art. 3 Abs. 2 IAS-Verordnung aufgestellten Kriterien vermag keinen Beitrag zu einer Verantwortlichkeit des IASB gegenüber den Legitimationssubjekten zu leisten. Denn zum einen wird die Einhaltung dieser Kriterien nur von der Kommission und dem ARC eingefordert, und zum anderen haben die Kontrollergebnisse weder unmittelbar verbindliche Wirkung für das IASB, noch drohen den Mitgliedern des IASB mangels Sanktionsmöglichkeiten rechtliche Konsequenzen aus ihnen. Allenfalls kann dem IASB die Verantwortung zur Erstellung der einzelnen Bilanzierungsregeln für die Europäische Gemeinschaft mit Wirkung pro futuro insgesamt wieder entzogen werden.

466 Vgl. http: // europa.eu.int / comm / internal_market / accounting / docs / arc / arc-members_ en.pdf (Stand: 14. 05. 2007).

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c) Effektivität des Zurechnungszusammenhangs Soweit die IAS-Verordnung die zu ihrer Konkretisierung ergehenden Durchführungsverordnungen inhaltlich präjudiziert, teilen jene die Stärken und Schwächen des zuvor beschriebenen Zurechnungszusammenhangs.467 Ein Willenszusammenhang besteht also, wenn die Kommission und der ARC eine Übereinstimmung mit den Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 IAS-Verordnung feststellen, im Hinblick auf diese Anforderungen. Weil sich der bestehende Willenszusammenhang nur auf abstrakte Zielvorgaben und allgemeine Grundsätze bezieht, verbleibt dem IASB ein erheblicher Gestaltungsspielraum. Dieser nach den eigenen und damit auch den hoheitlichen Zielvorgaben468 verbleibende Spielraum wird vom IASB ungesteuert ausgefüllt, die Willensbildung des IASB steht insoweit unter keinem potentiellen Einfluss der Legitimationssubjekte. Problematischer dürfte sogar noch der Fall sein, dass ein aus den pluralen Willen der Legitimationssubjekte abgeleiteter Hoheitswille Regelungen fordert,469 solche Regelungen aber vom IASB nicht oder nicht im Einklang mit Art. 3 Abs. 2 IASVerordnung beschlossen werden. Dann widerspricht die Untätigkeit dem legitimierten Hoheitswillen. Diese Mängel des Willenszusammenhangs lassen sich auch nicht durch einen gestärkten Verantwortungszusammenhang ausgleichen, denn jener fällt ebenfalls schwach aus. Mit der institutionellen Ermächtigung gehen keine ausreichenden Sanktionsmöglichkeiten einher, um die Beachtung eines rechtlich nicht verbindlichen Hoheitswillens durch das IASB sicherzustellen. Allein die Möglichkeit, die Ermächtigung wieder zu entziehen, hat kein ausreichendes Drohpotential, um alle hoheitlichen Vorstellungen beim IASB durchzusetzen. Denn obwohl das IASB aufgrund der eigenen Zielsetzung, Weltstandards zu erstellen, die Übernahme der IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht als erfreulich einstufen dürfte, setzt die gleiche Zielsetzung das IASB dem potentiellen Einfluss aller anderen Staaten der Welt aus. Dabei dürfte derzeit der Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika dem europäischen Einfluss mindestens ebenbürtig sein.470 Rechtlich wie faktisch ist das IASB daher nicht den Organen der Europäischen Gemeinschaft allein verantwortlich, es hat seine Entscheidungen nicht mittelbar gegenüber den LegitimationssubVgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. c). Für den unwahrscheinlichen Fall, dass das IASB von diesen für es nicht rechtlich verbindlichen Zielvorgaben abrückt, dürfte die Möglichkeit der Entziehung der institutionellen Ermächtigung ausreichen, um diese Schwäche des Willenszusammenhangs im Rahmen des Verantwortungszusammenhangs auszugleichen. 469 So geschehen im Streitfall betreffend IAS 39; dazu bereits oben 2. Kapitel § 14 A. III. 2. 470 Dazu, dass bei der (vom IOSCO geforderten) Reduzierung von Wahlrechten noch durch das IASC „von den ehemals zulässigen Bilanzierungsalternativen unter angelsächsischem Einfluss im IASC tendenziell die US-GAAP-nähere bestehen [blieb], dagegen die kontinentalere Variante dem Überarbeitungsprozess zum Opfer [fiel]“, Berberich, DRSCFramework, S. 30 m. w. N. 467 468

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jekten zu verantworten. Dies gilt für beide Entscheidungsteile, den in einen Willenszusammenhang eingebundenen sowie den nicht eingebundenen.

III. Zwischenergebnis: Ist-Niveau Die Nachzeichnung der Willens- und Verantwortungsstränge entlang der Entscheidungsprozesse, die in die nach der IAS-Verordnung anzuwendenden Bilanzierungsregeln münden, hat ergeben, dass ein Großteil der Prozesse in einen Zurechnungszusammenhang eingebunden ist, dass sich aber die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Regelungen im Einklang mit den allgemeinen Vorgaben des Primärrechts und der Ziele des Art. 3 Abs. 2 der IAS-Verordnung nicht auf den Willen der Legitimationssubjekte zurückführen lässt. Auch der Willensinput durch das Gemeinschaftsprimärrecht und die IAS-Verordnung läuft leer, wenn das IASB einen regelungsbedürftigen Sachverhalt nicht oder nicht entsprechend dieser Vorgaben regelt. Denn es bestehen keine rechtlichen Möglichkeiten, das IASB zur gemeinschaftsrechtskonformen Standardsetzung zu verpflichten oder zumindest – aufgrund personeller Sanktionsmöglichkeiten – darauf hinzuwirken. Allein durch Entziehung der Verantwortung insgesamt könnte einem Willenswiderspruch zwischen IASB und den Gemeinschaftsorganen begegnet werden. Um damit einen Willenszusammenhang für die laufende Zusammenarbeit effektiv abzusichern, ist dieser Verantwortungszusammenhang zu schwach. Überdies lassen die drohenden negativen wirtschaftlichen Konsequenzen für die europäischen Unternehmen erwarten, dass diese Option von den Gemeinschaftsorganen allenfalls bei einem krassen Dissens oder fortwährenden Unstimmigkeiten mit dem IASB in Betracht gezogen wird.

D. „Ist-Soll-Vergleich“ Die im vorgehenden Abschnitt vorgenommene Trennung zwischen der demokratischen Legitimation der IAS-Verordnung und der davon beeinflussten demokratischen Legitimation der Durchführungsverordnungen, die erst in ihrem Zusammenwirken für die Betroffenen ein einheitliches Regelwerk ergeben, soll auch beim „Ist-Soll-Vergleich“ Berücksichtigung finden, weil sie eine differenzierte Betrachtung der unionsspezifischen (I.) und der mit der Privaten Standardsetzung verbundenen Legitimationsprobleme (II.) zulässt.

I. Spezifische Legitimationsprobleme der EG Im Erlass der IAS-Verordnung spiegelt sich die grundsätzliche Legitimationsstruktur der Europäischen Union wider, wobei aufgrund der starken Beteiligung

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des Europäischen Parlaments im Mitentscheidungsverfahren die plurale Legitimationsbasis im europäischen Mehrebenensystem gut zum Ausdruck kommt. Aus diesem Grund erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und mit welcher Intensität das Europäische Parlament an der Rechtsetzung zwingend zu beteiligen ist. Die trotz der Beteiligung des Europäischen Parlaments festgestellten Schwächen beziehen sich insbesondere auf die Effektivität des vorhandenen Zurechnungszusammenhangs.471 Soweit das Erfordernis der Effektivität aus Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG abgeleitet wurde, gilt es klarzustellen, dass es nicht erst bei einem maximalen Einfluss der Legitimationssubjekte auf die Entscheidungsinhalte erfüllt ist. Zugunsten der Funktionsfähigkeit der Demokratie als Herrschaftsform müssen Abstriche von einem idealisierten Demokratiebild gemacht werden.472 Dies zeigt schon ein Blick auf die vom Grundgesetz verfasste repräsentative und gewaltenteilige Demokratie, mit unabhängigen Volksvertretern und dem Mehrheitsprinzip als der üblichen Entscheidungsregel.473 Die Effektivität des Zurechnungszusammenhangs steht damit zwangsweise in einer Relation zur Funktionsfähigkeit der Herrschaftsordnung.474 Wegen dieser relativen Unbestimmtheit kann also die Forderung nach einem effektiven Zurechnungszusammenhang mit Bryde nur als Optimierungsgebot475 aufgefasst werden, welches mit gleichrangigen Verfassungsprinzipien und -werten zum Ausgleich gebracht werden muss.476 Dieses aus dem Prinzipiencharakter abgeleitete Optimierungsgebot bedingt in der Folge zweierlei: 1. Das Demokratieprinzip darf im Kollisionsfall ebenso wenig wie entgegenstehende Verfassungsprinzipien vollständig zurückgedrängt werden, 2. Das Optimierungsgebot wandelt sich in ein Maximierungsgebot, wenn eine Kollision im konkreten Fall nicht stattfindet.477 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. c). Klages, in: FS von Arnim, S. 695 (697): „Abstriche vom idealen Modell als Praktikabilitätsbedingung“; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 594. 473 Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 86, zur Ablehnung des imperativen Mandats aufgrund von „Output“-Erwägungen, 88; Klages, in: FS von Arnim, S. 695 (700 f.), zu den damit verbundenen Einschränkungen des Aristotelischen Ideals. 474 Denn nur in einer funktionsfähigen Herrschaftsordnung können die obersten Verfassungswerte verwirklicht werden, vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. bei Fn. 524. 475 Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (324); ders., in: FS Zuleeg, S. 131 (133). Ebenso Huber, in: Drexl u. a., Europäische Demokratie, S. 27 (55); Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 126; Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (33); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (255); Mehde, Demokratieprinzip, S. 549; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 618 f.; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 2, Art. 20 Rn. 6; Schuppert, in: FS Rauschning, S. 201 (212). 476 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 620 ff.; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 2, Art. 20 Rn. 6. 477 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 619. 471 472

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Übertragen auf die grundsätzliche Legitimationsstruktur der Europäischen Union lässt sich feststellen, dass diese die erste Voraussetzung erfüllt. Ein Zurechnungszusammenhang ist vorhanden, insbesondere normativ sind die Voraussetzungen für einen steuernden Willensinput durch die Legitimationssubjekte geschaffen worden. Auch die Verantwortungsstrukturen bleiben nicht auffällig hinter denjenigen in den Mitgliedstaaten zurück. Aus der Ablehnung der widersprüchlichen nationalstaatszentrierten monistischen Legitimationsdogmatik folgt, dass eine Maximierung demokratischer Legitimation nicht allein durch Entstehung eines (homogenen) Unionsvolks und die Schaffung eines parlamentarischen „Europastaates“ erfolgen kann. Die supranationalen Besonderheiten, insbesondere die parallele Ableitung demokratischer Legitimation von verschiedenen Legitimationszusammenschlüssen, wirken sich damit nicht per se negativ auf das Legitimationsniveau aus. Eine Maximierung kann, und dies dürfte inzwischen auch die im Schrifttum vorherrschende Meinung sein,478 durch eine strukturadäquate Stärkung der bereits vorhandenen Willens- und Verantwortungszusammenhänge geschehen.479 Dass selbst bei Berücksichtigung gegenläufiger Verfassungsprinzipien des europäischen Verfassungsverbundes Optimierungspotential vorhanden ist, zeigt der Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa,480 der eine Stärkung der vorhandenen Legitimationsstruktur mit sich bringt und sogar, mit den direktdemokratischen Verfahren in Art. I-46 VVE-Entwurf, neue Legitimationsprozesse einführt. Ob damit zugleich das Urteil verbunden ist, die bisherige Organisation der Entscheidungsverfahren sei nicht effektiv genug und verstieße deshalb gegen den unantastbaren Kern des grundgesetzlichen Demokratiegebots,481 soll hier nicht abschließend erörtert werden, denn es handelt sich nicht um ein spezielles Problem der Privaten Standardsetzung. Doch soll darauf hingewiesen werden, dass die normativ angelegten Schwächen der Legitimationsverfahren ihren Grund zumeist in der Besonderheit eines ein478 Siehe die Nachweise bei Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (32 ff.), und oben in Fn. 410 . Bezüglich der Abkehr von der nationalstaatlich geprägten Sichtweise siehe Bryde, in: FS Zuleeg, S. 131 (132 f.) bei Fn. 9. 479 Vgl. aus der Vielzahl der Vorschläge nur Bryde, in: FS Zuleeg, S. 131 (136 ff.); Calliess, in: FS Ress, S. 399 (405 ff.), im Zusammenhang mit dem Verfassungsentwurf; Huber, in: Drexl u. a., Europäische Demokratie, S. 27 (55); Höreth, Die EU im Legitimationstrilemma, S. 247 ff.; Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (32 ff.); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (273 ff.); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 588 ff.; Schuppert, in: FS Rauschning, S. 201 (209 ff.). 480 Dazu Calliess, in: FS Ress, S. 399; Huber, EuR 38 (2003), 574; Magiera, DÖV 56 (2003), 578; Meyer / Hölscheidt, EuZW 14 (2003), 613; Oppermann, DVBl. 118 (2003), 1165 u. 1234; Ruffert, EuR 59 (2004), 165; Schwarze, EuR 38 (2003), 535. 481 So Gusy, ZfP 45 (1998), 267 (271); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (249); dies., Sondervotum zum Urteil des BVerfG, 2 BvR 2236 / 04 v. 18. 7. 2005, Absatz-Nr. (1 – 201), http: // www.bverfg.de / entscheidungen / rs20050718_2bvr223604.html, Rn. 176 ff.

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malig integrierten Verbundes (ehemals)482 weitestgehend souveräner Staaten haben und auch den Mitgliedstaaten im Prinzip nicht fremd sind. Als die wohl gewichtigsten normativen Schwächen gelten die ponderierte Vertretung der Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament (und im Rat) und der geringe Einfluss der nationalen Parlamente auf das Stimmverhalten im Rat. Beides ist der besonderen Bedeutung der Mitgliedstaaten im europäischen Integrationsprozess geschuldet,483 die auch in Zukunft nicht beseitigt werden soll.484 Überdies zeigt schon ein Vergleich mit dem deutschen Zwei-Kammer-System bei der Gesetzgebung, dass auch hier mit dem Bundesrat ein Organ an der Gesetzgebung mitwirkt, welches von Regierungen beschickt wird und nicht entsprechend der Einwohnerzahlen in den Ländern besetzt ist,485 ohne dass dies als mit dem Demokratieprinzip unvereinbar empfunden wird.486 Die nicht-normativen Hemmnisse für einen effektiven Einfluss der Legitimationssubjekte auf die supranationalen Entscheidungen sind nur teilweise mit normativen Mitteln behebbar; soweit sie auf ein „undemokratisches“ Verhalten der Staatsorgane der Mitgliedstaaten, der Medien und der Unionsbürger zurückgeführt werden, sind sie zumindest kaum justiziabel. 487 Dennoch folgt aus dem Optimierungsgebot, dass die dazu berufenen Verfassungsorgane festgestellten Hemmnissen entgegenwirken und auch mit empirischen Methoden aufgedeckte Schwächen durch Veränderung der Legitimationsverfahren bestmöglichst beseitigen müssen.488 Dieses Postulat gilt aber nicht nur für die Europäische Union, sondern gleichermaßen für die Mitgliedstaaten, in denen auch zunehmend demokratische „Defizite“ wahrgenommen werden.489 Die Verbesserung der Einflusschancen der LegiZutreffend Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (23 f.). Siehe dazu Bryde, in: FS Zuleeg, S. 131 (133), der auf den Connecticut-Compromise als Kompromiss zwischen Vertretung nach Einwohnerzahl und gleicher Vertretung der Mitgliedstaaten hinweist. 484 Vgl. Art. 6 Abs. 3 EU. Zum EVV-Entwurf Huber, EuR 38 (2003), 574 (594). 485 Zu Zwei-Kammer-Systemen in anderen Mitgliedstaaten siehe Groß, ZaöRV 63 (2003), 29 (32 ff.). 486 Siehe Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 556: „In jeder demokratischen föderalen Ordnung werden ja die Prinzipien der Bürgervertretung (Volkssouveränität / Demokratie) und (Glied)Staatenvertretung kombiniert und stehen zum Teil in einem Spannungsverhältnis.“ 487 Zu diesem Ergebnis kommt auch Mehde, AöR 127 (2002), 655 (677 f.), im Hinblick auf demokratietheoretische Bedenken bezüglich des Verhaltens der Bundesregierung bei der Aushandlung von Gesetzesvorlagen (Atomkonsens und Bündnis für Arbeit). 488 Vgl. auch Mehde, AöR 127 (2002), 655 (678). 489 Herdegen, VVDStRL 62 (2003), 7 (11 ff.); Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (63 f.); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (265 ff.); Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 640 ff.: „Der an die EG / EU anzulegende Maßstab demokratischer Legititmation muss die realen Zustände in den Mitgliedstaaten berücksichtigen und darf kein Demokratieideal zugrundelegen, dass noch nicht einmal in den Mitgliedstaaten realisierbar scheint.“ (Hervorhebungen im Original); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 389 ff. 482 483

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timationssubjekte ist ein fortwährender Prozess, der den sich wandelnden tatsächlichen Anforderungen an die Herrschaftsordnung490 und dem wandelbaren Grundkonsens491 der Herrschaftsunterworfenen Rechnung tragen muss.492 Nicht jede einer Optimierung rechtlich und tatsächlich zugängliche (strukturelle) Schwäche eines vorhandenen Legitimationsgefüges kann daher gleich als Verstoß gegen das Demokratieprinzip gewertet werden. Vielmehr noch als den Mitgliedstaaten muss der historisch noch jungen europäischen Integrationsgemeinschaft, die gerade nicht tradierten Formen von Herrschaftsorganisation nachgebildet ist, auch in zeitlicher Hinsicht ein Entwicklungsspielraum zugestanden und ihrem prozesshaften Charakter Rechnung getragen werden.493 Zu Recht wird in der europäischen Rechtsliteratur bisweilen ein Blick von außen auf die Entwicklung der europäischen Demokratie geworfen und darin eine „Erfolgsgeschichte“ erkannt,494 die exemplarische Wirkung für den Rest der Welt im Rahmen der Entstehung von Demokratie jenseits des Nationalstaates haben könnte.495 Dass an dieser „Erfolgsgeschichte“ insbesondere im Hinblick auf die fortschreitende Integration noch hart zu arbeiten sein wird, und in diesem Punkt herrscht weitestgehend Übereinstimmung,496 zeigte zuletzt der negative Ausgang der Volksabstimmungen über die Annahme des VVE-Entwurfs in einigen Mitgliedstaaten.

490 Ebenso zum Verhältnis zwischen normativen Ansprüchen und Wirklichkeit Vesting, VVDStRL 63 (2004), 96 (98). 491 Nach Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 634 ff., bezeichnet „[d]er Grundkonsens [ . . . ] die grundlegende Übereinstimmung der Legitimationssubjekte und Herrschaftsunterworfenen oder zumindest eines möglichst großen, mehrheitlichen Teiles der Herrschaftsunterworfenen im Hinblick auf die Herrschaftszwecke sowie die (Herrschafts-)Ziele und Mittel sowie die Verfahren, um sie zu erreichen.“ 492 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 635, 639. Ähnlich hat sich auch das Bundesverfassungsgericht schon geäußert, vgl. BVerfGE 5, 85 (197 ff.); 38, 231 (238 f.). 493 So schon das Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Urteil, BVerfGE 89, 155 (184 ff.). 494 So Calliess, in: FS Ress, S. 399 (421). 495 Siehe Bryde, Der Staat 42 (2003), 61 (66), der die Europäische Union als die demokratischste Organisationsform internationaler Willensbildung bezeichnet, die auf der Welt existiert; Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8, der „[d]as Europäische Parlament und die Wahlen“ zu ihm als „Vorreiter“ einer Entwicklung der Demokratisierung von politischen Entscheidungen jenseits des Nationalstaates bezeichnet. 496 BVerfGE 89, 155 (184 ff.); Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Einführung des Art. 23 GG): „Weitergehende Integrationsschritte könnten freilich entsprechende Änderungen der institutionellen Rahmenbedingungen in der Europäischen Union verlangen: Fortschreitende Integration erfordert entsprechende Fortschritte bei der Umsetzung der in der Strukturklausel enthaltenden Prinzipien.“, BT-Drucks. 12 / 3338, S. 6.

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II. Spezifische Legitimationsprobleme der Privaten Standardsetzung Neben den EU-spezifischen Legitimationsproblemen hat die Untersuchung des Ist-Niveaus drei gerade mit der Privaten Standardsetzung durch das IASB zusammenhängende Schwächen des Zurechnungszusammenhangs zwischen den Legitimationssubjekten und der supranationalen Hoheitsgewalt ergeben: 1. Die Regelungen der umfangreichen Detailfragen durch das IASB lassen sich nicht (einmal formal) auf den Willen der Legitimationssubjekte zurückführen, 2. Der festgestellte Willenszusammenhang wird unterbrochen, wenn das IASB den Willensinput (in rechtlich zulässiger Weise) nicht berücksichtigt und 3. In einen Verantwortungszusammenhang ist nur das Organ IASB, sind aber nicht seine Mitglieder eingebunden. 1. Maximierung Fordert das Demokratieprinzip, wie festgestellt, einen effektiven Willens- und Verantwortungszusammenhang, so scheint der partiell nicht vorhandene Einfluss der Legitimationssubjekte auf den Inhalt der Bilanzierungsregeln gegen das Maximierungsgebot zu verstoßen. Daran könnte selbst ein vorhandener Verantwortungszusammenhang nichts ändern. Denn die unterstützende Funktion des Verantwortungszusammenhangs läuft ohne einen vorhandenen Willenszusammenhang leer. Eine solche Beurteilung würde aber voraussetzen, dass jede einheitliche Entscheidung (beliebig) in einzelne Bestandteile zerlegt werden könnte, die dann alle und je für sich auf den Willen der Legitimationssubjekte zurückzuführen wären.497 So wie dies auch die traditionelle deutsche Legitimationsdogmatik im Bereich der Exekutive vertritt, würde man eine „Steuerung bis in den letzten Winkel“ fordern. Keinem (Mit-)Entscheidungsträger dürfte ein Entscheidungsspielraum zustehen, der nicht dem theoretischen, potentiellen und vermittelten Zugriff der Legitimationssubjekte unterliegen würde. Diesem theoretischen Modell fehlt jedoch die Rezeptionsfähigkeit der Realbedingungen;498 es ist ein rein formales Ableitungsmodell, welches der konkreten 497 Diese Vorstellung liegt auch noch unausgesprochen dem Zwischenergebnis über die Effektivität des Zurechnungszusammenhangs zu Grunde, dass das IASB die verbleibenden Spielräume ungesteuert ausfüllt, vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 2. c). 498 Zu dieser Voraussetzung einer lebendigen Demokratie Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (422) bei Fn. 65; Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 644 f.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 9 f. m. w. N.: „Die Wirklichkeit hat für eine Erkenntniszwecken dienende Staatstheorie und Staatslehre sowie vor allem für das Staatsrecht [ . . . ] unbedingt Ausgangspunkt der Betrachtung zu sein, weil auch der Staat Teil der Wirklichkeit ist. Aussagen über die Legitimität eines Staates oder sonstiger Herrschaftsgewalt können aber nur dann mit rechtlicher Verbindlichkeit zwecks Sicherung der Stabilität der erfassten Herrschaftsordnung getroffen werden, wenn die Realität der Herrschaftsgewalt mit ihren gesellschaftlichen Bezügen hinreichend erfasst ist.“; Winter, EuR 40 (2005), 261 (268).

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Erfahrbarkeit und der praktischen Wirksamkeit des Willenszusammenhangs499 keine Bedeutung beimisst: Die Kapazitätsgrenzen des Willensvermittlungsprozesses zwischen den Legitimationssubjekten und den Volksvertretern werden vollständig ausgeblendet,500 indem das Parlament anstelle des Volkes gedacht und der Parlamentswille als mit dem Volkswillen übereinstimmend fingiert wird.501 Anschließend folgt die kontrafaktische Annahme, das Parlament könne den gesamten Steuerungsbedarf einer Gesellschaft befriedigen, indem jede staatliche Entscheidung durch seine Gesetze und eine von ihm kontrollierte Regierung bis ins Detail inhaltlich determiniert werde.502 Um diese Annahme zumindest theoretisch aufrecht halten zu können, muss jede nicht ausgeübte Weisungsbefugnis503 der Regierung und jedes nicht wahrgenommene Kontroll- und Abberufungsrecht des Parlaments gegenüber der Regierung als (konkludente) Zustimmung bzw. Billigung gedacht werden. Dieses für den Nationalstaat konzipierte Modell trägt ebenso wenig im europäischen Mehrebenensystem, denn auch hier erfolgen die wesentlichen Inputakte durch die Stimmabgaben bei Wahlen, in denen sich die Beteiligung der Legitimationssubjekte (zumeist)504 erschöpft. In Wahlen kann aber ein Willenszusammenhang nur insoweit hergestellt werden, als die pluralen Willen bei diesem Vorgang überhaupt gebildet und vermittelt werden können. Insofern kommt den Parteien, dem Prozess der freien Meinungsbildung und dem politischen Diskurs eine zentrale Bedeutung zu.505 Unmöglich – und dies würde ebenso für die direkte Demokratie gelten – können dabei alle Details der zu treffenden komplexen Entscheidungen abgedeckt werden, deren Beurteilung zudem oft vertiefte Sach- und Fachkompetenz voraussetzt.506 Begreift man Demokratie als Optimierungsgebot, so 499 Zu diesen beiden vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. bei Fn. 366. 500 So z. B. auch Winter, EuR 40 (2005), 261 (269). 501 Vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 208: „[D]urch das Parlament wird das Volk [ . . . ] gleichsam ,dupliziert‘.“ 502 Kritisch Groß, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 93 (97 f.); ders., Das Kollegialprinzip, S. 189, wonach eine Lenkung jeder Einzelentscheidung durch die Regierung zu einer „Verstopfung ihrer Informationsverarbeitungskapazität“ führen würde; Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (420); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (265 f.); Ladeur, DÖV 53 (2000), 217 (225); Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 (92 f.). 503 Nach Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 670, ist die Weisungsfähigkeit auf Ministerialebene durch fehlende Sach- und Fachkompetenz zusätzlich eingeschränkt. 504 Hinzu kommen direkt-demokratische und partizipative Mitwirkungsmöglichkeiten in den Mitgliedstaaten, wenn deren Herrschaftsordnungen zur Vermittlung supranationaler Legitimation miteinbezogen werden. 505 Ebenso Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 79 Rn. 41; Evers, in: BK, GG Bd. 8, Art. 79 Abs. 3 Rn. 187, 189 f. 506 Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (421); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (283); Winter, EuR 40 (2005), 261 (269). Zu Recht stellt daher Groß, Das Kollegialprinzip, S. 178, fest, „[d]emokratische Legitimation bedeute[ . . . ] nicht, dass das Volk Einfluss auf jede Einzelentscheidung nehmen kann.“

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

muss dieser Legitimationsprozess so umfassend wie möglich sein, angesichts der geschilderten praktischen Grenzen kann er aber nicht ohne Berücksichtigung der Art der ausgeübten Herrschaftsgewalt erfolgen. Im Zusammenhang mit den Wahlen müssen also zunächst die Willen zu den wesentlichen, grundlegenden und richtungsweisenden zukünftigen Entscheidungen gebildet und vermittelt werden. Auch im Fortgang des Willensvermittlungsprozesses müssen die Entscheidungswege umso kürzer gehalten werden und die Einflusschancen umso erfahrbarer sein, desto wesentlicher, desto grundlegender und richtungsweisender die Entscheidungen sind.507 Die Bedeutung der Entscheidung bemisst sich nach den Willen der Legitimationssubjekte, wie er – als Grundkonsens508 – in der aktuellen Verfassung des jeweiligen Herrschaftsverbandes (im Grundsatz) zum Ausdruck kommt. Im europäischen Mehrebenensystem ist also der Verfassungsverbund maßgeblich, bei der Rechtsetzung durch die Gemeinschaftsorgane vor allem das Gemeinschaftsprimärrecht. Ein wertorientierter Grundkonsens lässt sich insbesondere aus den normativen Grundentscheidungen, „wie die Präambel des EUV Art. 1, 2, 6, 11 EU[ . . . ], die Präambel des EGV, Art. 2, 16, 151 EG[ . . . ]“509, herauslesen. Daran gemessen sind mit der Einführung der Bilanzierungsregeln des IASB in das europäische Rechtssystem grundlegende, richtungsweisende Entscheidungen verbunden: Die angestrebte Vereinheitlichung der Rechnungslegung510 erfolgt in Entsprechung mit dem von Art. 2, 14, 95 EG postulierten Ziel eines Binnenmarktes, die Anwendung von (potentiellen) Weltstandards511 soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen (Art. 2 EG) gewährleisten. Und dass europäische Unternehmen auf den Weltkapitalmärkten um Finanzmittel konkurrieren können, ist nicht nur im Interesse der Unternehmen selbst, sondern dient wegen des starken sozialen Bezuges der großen Kapitalgesellschaften auch den Interessen Dritter, insbesondere der europäischen Arbeitnehmer (Art. 2 EG: „hohes Beschäftigungsniveau“). Auch ein gewisser Grundrechtsbezug (Art. 6 Abs. 2 EU) ist eingangs festgestellt worden,512 soweit die IAS / IFRS durch das „true-and-fair-view“-Prinzip, das „fair507 Vgl. Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 601 f. Ansatzweise auch Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (367); Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 75. Siehe auch schon oben 1. Kapitel § 7 A. III. 2. 508 Siehe bereits oben in Fn. 491. Im Zusammenhang mit dem Nationalstaat spricht beispielsweise Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8, von den sozialen Grundwerten Frieden und Sicherheit, Rechtssicherheit, individuelle Freiheit, politische Selbstbestimmung und soziale Wohlfahrt. 509 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 499. 510 Vgl. Erwägung (2), (4) und Art. 1 der IAS-Verordnung. 511 Vgl. Erwägung (5) der IAS-Verordnung. 512 Vgl. oben 2. Kapitel § 13.

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value“-Gebot und die Grundsätze der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit dem Schutz der Anleger dienen513 und mit ihnen eine grundlegende Richtungsentscheidung zwischen widerstreitenden Bilanzierungszwecken verbunden ist.514 Der allgemeine Gleichheitssatz bedingt, dass diese Wertentscheidung folgerichtig und widerspruchsfrei in den Bilanzierungsregeln zum Ausdruck kommt.515 Alle diese wesentlichen Entscheidungen516 sind bereits beim Erlass der IASVerordnung selbst getroffen worden und kommen damit auch im gesamten Bilanzierungsregelwerk der übernommenen IAS / IFRS zum Ausdruck. Aufgrund der zum großen Teil finalen Steuerungswirkung dieser Grundentscheidungen bleiben auch keine gedanklich abtrennbaren Entscheidungsteile, die von diesem Willenszusammenhang überhaupt nicht erfasst werden; vielmehr sind sämtliche Detailgestaltungen an diesen Grundentscheidungen auszurichten. Der Willenszusammenhang ist aber bezüglich der wesentlichen Fragen jedenfalls dann nicht rechtlich abgesichert, wenn das IASB keine diesen Entscheidungen entsprechenden Standards erlässt. Diesem insoweit normativ unverbindlichen Willensinput dennoch zur praktischen Wirksamkeit zu verhelfen, das vermag auch die Sanktionsmöglichkeit im Rahmen des Verantwortungszusammenhangs nicht zu leisten.517 Im Ergebnis fehlt also einem erforderlichen Teil des Willenszusammenhangs die hinreichende Effektivität, die das Demokratieprinzip als Maximierungsgebot fordert. In der Folge ist das Demokratieprinzip verletzt, wenn nicht ein gleichrangiges Verfassungsprinzip der Maximierung der Willensvermittlung in diesem Punkt entgegensteht. 2. Optimierung Im Falle einer Kollision zwischen Demokratieprinzip und einem gleichrangigen Verfassungsprinzip sind beide Prinzipien optimal zur Geltung zu bringen, einer einseitigen Maximierung eines der beiden Prinzipien steht das jeweils andere entgegen. Vgl. Erwägung (4) u. (9) der IAS-Verordnung. Vgl. oben 2. Kapitel § 10 C. 515 Kirchhof, ZGR 2000, 681 (687 f). m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Vgl. auch Berberich, DRSC-Framework, S. 158, zur Wesentlichkeit der Entscheidung über die Bilanzierungszwecke. Vgl. bereits oben in Fn. 175. 516 Vgl. EuGH, Slg. 1970, 1161 (1172), Rs. 25 / 70 – Köster; 1992, I-5383 (5434), Rs. C-240 / 90 – Schaffleisch, der in den Entscheidungen ausführt, dass alle wesentlichen Entscheidungen bereits in der Grundvorschrift getroffen werden müssen, wobei für den Europäischen Gerichtshof die Grundrechtswesentlichkeit einer Maßnahme keine Rolle spielt, sich die Wesentlichkeit vielmehr nach der Bedeutung der Angelegenheit für die Gemeinschaftspolitik bestimmt. Siehe dazu auch Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 113 f.; Roller, KritV 86 (2003), 249 (260); Winter, EuR 40 (2005), 255 (262). Siehe auch Art. I-36 Abs. 1 VVE. 517 Dazu bereits 2. Kapitel § 14 C. II. 2. c). 513 514

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Als gleichrangige gegenläufige Verfassungsgrundsätze518 kommen vorliegend nur das Rechtsprinzip einschließlich der Gemeinschaftsgrundrechte519, das Marktund Wettbewerbsprinzip und – paradoxerweise – das Demokratieprinzip selbst in Frage. Eine Kollisionslage zwischen den von den Bilanzierungsregeln berührten Gemeinschaftsgrundrechten und dem Demokratieprinzip ist jedoch nicht festzustellen. Die Gewährleistung der Grundrechte wird nicht gerade durch die Zusammenarbeit mit dem IASB erreicht. Selbst wenn der bei den Mitgliedern des IASB vorhandene besondere Fach- und Sachverstand für den Grundrechtsschutz unabdingbar wäre, so rechtfertigte dies die festgestellte Schwäche des Zurechnungszusammenhangs nicht. Denn die Einbindung von Fachkompetenz, Sachnähe oder auch der betroffenen Interessen kann ebenso gut in einem hoheitlichen Gremium oder auch einem vertraglich gebundenen Privatgremium erfolgen.520 Soweit das Markt- und Wettbewerbsprinzip die Errichtung eines Binnenmarktes frei von Beschränkungen mit gleichen Wettbewerbsbedingungen gebietet,521 ergibt sich ebenfalls kein Widerspruch zur Forderung nach demokratischer Legitimation. Auch zur Vereinheitlichung der Rechnungslegungsvorschriften bedurfte es nicht einer Übernahme des Regelwerks eines fremden Normgebers. Möglicherweise lässt sich aber aus den Gemeinschaftsgrundrechten und dem Markt- und Wettbewerbsprinzip die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen, deren Erfolg wie Misserfolg eben nicht nur das eigene wirtschaftliche Schicksal, sondern auch grundrechtlich geschützte Positionen Dritter betrifft, als Wert von Verfassungsrang ableiten. Die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Kapitalmärkte kann nach der Prognose des Normgebers nur durch die Anwendung weltweit anerkannter Rechnungslegungsstandards gewährleistet werden. Weil in absehbarer Zeit nur die US-GAAP des FASB und die IAS / IFRS des IASB die Aussicht haben, ein einheitliches Regelwerk mit weltweiter Anerkennung zu werden,522 war die Übernahme der IAS / IFRS demokratietheoretisch das Geringere von zwei Übeln. Denn die Inputchance ist bei dem international ausgerichtet IASB deutlich größer als beim amerikanischen Standardsetzer. Fraglich ist aber, ob der mit der Europäischen Union angestrebte wirtschaftliche Fortschritt auf Kosten der demokratischen Legitimation verwirklicht werden darf.523 Zweifellos kann 518 Zu der Herausbildung europäischer Verfassungsprinzipien siehe Zuleeg, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 1 EG Rn. 43 ff. 519 Dazu, dass das Rechtsprinzip die Gemeinschaftsgrundrechte umfasst, vgl. Zuleeg, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 1 EG Rn. 44. 520 So z. B. das DIN und das DRSC. 521 Vgl. Art. 2, 4 Abs. 1 EG; Zuleeg, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Art. 1 EG Rn. 47. 522 Vgl. oben in Fn. 70. 523 Vgl. Zuleeg, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 1, Präambel EU Rn. 12: „Die Union strebt keinen wirtschaftlichen Fortschritt um jeden Preis an.“

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nicht jede Maßnahme zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen eine Schmälerung der Inputchancen der Legitimationssubjekte rechtfertigen. Solange nicht gravierende Nachteile drohen, sind die Ziele des Primärrechts mit demokratischen Mitteln zu verfolgen.524 Bedenkt man, dass es den europäischen Unternehmen stets freistand, freiwillig nach internationalen Rechnungslegungsstandards zu bilanzieren, um sich so internationalen Investoren oder Kapitalmärkten zu präsentieren, so scheint die obligatorische Einführung der IAS / IFRS als einzige Bilanzierungsstandards angesichts der aufgezeigten Nachteile für die demokratische Legitimation nicht erforderlich. Zuletzt bleibt noch das Demokratieprinzip selbst, das in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation einem inneren Konflikt ausgesetzt sein könnte.525 Auslöser hierfür ist die Internationalisierung der Wirtschaft, die insbesondere den großen Unternehmen eine hieran angepasste Strategie des Wirtschaftens abverlangt.526 Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, war für die Unternehmen die Anwendung international anerkannter Bilanzierungsstandards unumgänglich.527 Wie einleitend bereits dargestellt,528 drohte faktisch ein Kompetenzverlust der demokratischen Politik auf nationaler wie auf supranationaler Ebene. Die Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Gemeinschaft liefen wegen der nationalen Öffnungsklauseln praktisch schon leer.529 Bedingt durch die äußeren Wettbewerbsbedingungen hätte ein rein europäisches Regelwerk nur formalen Charakter ohne die erforderliche praktische (Steuerungs-)Wirksamkeit gehabt.530 Dieser Befund basiert darauf, dass die Konzernbilanz eine reine Informationsbilanz ist und nicht der Bemessung der Ausschüttung oder der Besteuerung dient.531 Nur in diesem Fall nämlich hängt die Steuerungswirkung allein davon ab, dass die Bilanz gelesen wird, dass sie den Entscheidungen der Stakeholder zu Grunde liegt. Maßstab zur Bewertung von großen Unternehmen werden in Zukunft – unabhängig

Ebenso Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (251 ff.). Vgl. auch Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (62), der auf die unterschiedlichen Dimensionen von Prinzipien hinweist, die im Falle eines Spannungsverhältnisses schon vor dem Ausgleich mit anderen Prinzipien im Wege einer praktischen Konkordanz in Einklang gebracht werden müssen. 526 Eine sehr prägnante und gute Beschreibung findet sich bei Berberich, DRSC-Framework, S. 23 f. 527 Vgl. oben 2. Kapitel § 10 B. 528 Vgl. oben 2. Kapitel § 10 C. 529 Vgl. oben 2. Kapitel § 10 C. bei Fn. 65. 530 Diese Output-Erwägung steht im Einklang mit dem hier vertretenen Legitimationskonzept, denn dem Output wird zwar entscheidende Bedeutung beigemessen, aber nur in dem Maße, wie er mit dem Willensinput im Einklang steht und diesem zur praktischen Wirksamkeit verhilft. Zu Recht weist Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 636, darauf hin, dass die mangelnde Problemlösungsfähigkeit der jeweiligen Einheit mit einer Entleerung der Selbstbestimmung aller einhergeht. 531 Vgl. oben 2. Kapitel § 10 A. I. 524 525

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

von der Existenz europäischer Bilanzierungsregeln – allein die internationalen Rechnungslegungsstandards sein. Mit der Übernahme der IAS / IFRS ist damit Einfluss der Legitimationssubjekte „wiedergewonnen“ worden,532 der „auf nationaler“ wie auf supranationaler „Ebene im Schwinden begriffen oder schon längst verloren“ war.533 In diesem Fall ist also weniger Demokratie ausnahmsweise mehr. Anerkennt man diese Gründe als Rechtfertigung für die Einbußen bei der Effektivität des Willenszusammenhangs, so billigt man zugleich den äußeren Entwicklungen entscheidenden Einfluss auf das Maß an demokratischer Legitimation, also auf die Höhe des hinreichenden Legitimationsniveaus, zu. Die Globalisierung dient als Rechtfertigung für antidemokratische Organisation. Immer mehr Entscheidungen dürften wegen ihrer transnationalen Auswirkungen auf undemokratische transnationale Entscheidungseinheiten verlagert werden. So wenig wünschenswert diese tatsächliche Entwicklung aus demokratietheoretischer Sicht zunächst erscheint, so ist sie doch kaum mehr aufzuhalten, auch nicht mit einer auf Abschottung ausgerichteten nationalen oder supranationalen Politik.534 Denn oftmals entstehen internationale Normen gegen oder zumindest ohne den Willen betroffener Staaten und gehen in ihrer Steuerungswirkung über die der hoheitlichen Maßnahmen faktisch hinaus.535 Nur ein Legitimationskonzept, welches diese aktuellen Auflösungserscheinungen536 nationaler wie auch gemeinsamer537 supranationaler Souveränität berücksichtigt, kann einer mit der transnationalen Integration der Wirtschaft verbundenen Schmälerung der Einflusschancen begegnen. Nur ein realitätsbezogenes normatives Modell kann die (empirischen) Erkenntnisse der Sozial- und Politikwissenschaft miteinbeziehen und den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien der konkreten Erfahrbarkeit und der praktischen Wirksamkeit des Zurechnungszusammenhangs genügen.538 Zu diesem Einfluss siehe oben 2. Kapitel § 14 C. II. 2. Kritisch zu dieser Argumentation Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (254), bezogen auf die grundsätzliche Legitimation der EU, weil sie den Einflussverlust in diesem Fall für selbstverursacht hält. 534 Siehe Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (32); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (265); Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 746 f.; von Sydow, in: Magiera / Sommermann, Governance im Mehrebenensystem der EU, S. 171 (172); Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8. 535 Tietje, ZvglRWiss 101 (2002), 404 (410, 413) m. w. N. Zur Entwicklung eines autonomen transnationalen Welthandelsrechts („lex mercatoria“) vgl. auch Zumbansen, RabelsZ 67 (2003), 637. 536 Plastisch Reiner Schmidt, FS Brohm, S. 535 f. 537 Zum Konzept einer gemeinsamen Souveränität Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 507 ff. 538 BVerfGE 107, 59 (91). Siehe bereits oben in Fn. 498. 532 533

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Als Optimierungsgebot zwingt das Demokratieprinzip die Organe der Mitgliedstaaten, auf neue tatsächliche Herausforderungen mit daran angepassten Legitimationsverfahren zu reagieren. Der Einflussverlust ist vorrangig zu vermeiden und dort, wo er unumgänglich ist, so gering wie möglich zu halten. Nur eine transnationale Lösung wirklich erfordernde Probleme dürfen transnational geregelt werden.539 Denkbar ist sogar, dass das Demokratieprinzip gebietet, auf die Entwicklung transnationaler demokratischer Strukturen hinzuwirken, wo Einfluss an transnationale Akteure verloren gegangen ist.540 Im vorliegenden Fall jedenfalls ist diesem Optimierungsgebot Rechnung getragen worden. Anstatt einer dynamischen Verweisung auf die Standards des IASB ist mit dem installierten Übernahmeverfahren ein Kontrollmechanismus vorgeschaltet worden, der für das geltende Gemeinschaftsrecht einen wirksamen Zurechnungszusammenhang gewährleistet. Durch die Möglichkeit, auch nur einzelne Paragrafen zu übernehmen, wird die Gefahr der Lückenhaftigkeit des Regelwerks minimiert. Zugleich verspricht die bedingte Einführung der IAS / IFRS, den Gemeinschaftsorganen eine gesteigerte Einflusschance beim IASB zu bescheren. Denn die Geltung der IAS / IFRS im gesamten Hoheitsgebiet der Europäischen Union dürfte einen enormen politischen Erfolg für die IASC Foundation darstellen. Dem Ziel der Stiftung, der weltweiten Anerkennung des eigenen Regelwerks, dürfte vor allem eine einheitliche Anwendung der Standards gerecht werden. Deswegen wird das IASB gewillt sein, einen Kompromiss mit der EU zu erzielen, solange damit nicht die Anerkennung der IAS / IFRS durch die anderen Staaten der Welt, insbesondere aber durch die SEC, gefährdet wird. Tatsächlich hat das IASB auch im Streit um den IAS 39 reagiert und die Kritik der EZB und des ARC für eine Überarbeitung der umstrittenen Passagen zum Anlass genommen.541 Einen erstrebenswerten weitergehenden Einfluss konnten die Organe der Europäischen Union realistischer Weise nicht erreichen: Durch eine statische Verweisung hätte dem drohenden Einflussverlust nicht begegnet werden können, eine normative Einbindung des IASB in die Entscheidungsprozesse der Europäischen Union war rechtlich unmöglich und eine vertragliche Verpflichtung wäre aufgrund der damit verbundenen einseitigen Abhängigkeit vom europäischen Input politisch nicht möglich gewesen. Denn nur, wenn das IASB Neutralität und Unabhängigkeit beweist, ist eine weltweite Anerkennung der IAS / IFRS wahrscheinlich.

Ebenso Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (31). So wohl auch Kokott, VVDStRL 63 (2004), 7 (32, 39 LS. III.22); Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 748 ff.; Reiner Schmidt, FS Brohm, S. 535 (544 f.). 541 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 2. 539 540

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

E. Zwischenergebnis Die legitimationsbedürftige Erstellung der IAS / IFRS durch das IASB und deren Übernahme in das Gemeinschaftsrecht durch die IAS-Verordnung im Grundsatz und die Durchführungsverordnungen der Kommission in concreto verstoßen nicht gegen das primärrechtliche Demokratieprinzip und auch nicht gegen den darin aufgegangenen unantastbaren Kerngehalt des grundgesetzlichen Demokratieprinzips.

§ 15 Ergebnis Auch die Ausübung supranationaler Hoheitsgewalt ist legitimationsbedürftig, weil auch in der europäischen Herrschaftsordnung das Demokratieprinzip gilt.542 Prüfungsmaßstab ist das primärrechtliche Demokratieprinzip, dessen Mindestanforderungen denen des unantastbaren Kerns des Demokratieprinzips nach Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1 und 2 GG entsprechen.543 Gerade im Zusammenhang mit der Europäischen Integration hat sich das zum nationalen Recht entwickelte traditionelle Legitimationskonzept, das deren Anhänger geschlossen in Art. 79 Abs. 3 GG verankert sehen, als historisch geprägter544 „Irrweg“545 erwiesen: Die Anhänger der monistischen Demokratietheorie befinden sich in einem Dilemma, einerseits ihre Prämissen und Schlussfolgerungen bei der Beurteilung der demokratischen Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt nicht aufgeben, andererseits aber die Europäische Union als supranationale Herrschaftsordnung prinzipiell anerkennen zu wollen. Wegen der Ableitung aller Staatsgewalt von der Einheit „Deutsches Staatsvolk“ muss der Europäischen Union ein Demokratiedefizit attestiert werden, solange sie nicht der Konzeption eines (geschlossenen) Nationalstaates mit einer von einem (homogenen)546 europäischen Volk547 gewählten Volksvertretung als Gesetzgeber und zentralem Legitimationsmittler entspricht.548 Andererseits steht diesem Modell eines europäischen Bundesstaats das erklärte Ziel der an der Integration beteiligten Staaten und der Europäischen Herrschaftsordnung selbst549 und das (angeblich) eine souveräne Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland voraussetzende Grundgesetz550 entgegen. Vgl. oben 2. Kapitel § 14. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. III. 544 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. 545 So Bryde, StWStP 5 (1994), 305: „Die bundesrepublikanische Volksdemokratie als Irrweg der Demokratietheorie.“ 546 Vgl. oben in Fn. 443. 547 Huber, StWStP 3 (1992), 349 (360 f.); Kirchhof, EuR 1991, Beiheft 1, S. 11 (13 f.). 548 In diesem Sinne auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 589. 549 Vgl. Art. 6 Abs. 3 EUV: „Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten.“ 542 543

§ 15 Ergebnis

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Die besseren Argumente sprechen dafür, dass das Grundgesetz Demokratie nicht als Staatsform, mit einem homogenen, als Nation gewachsenem Staatsvolk, also einem als Einheit gedachten Staatsorgan Volk verstanden wissen will.551 Die Menschenwürde des Einzelnen als oberster Verfassungswert leitet vielmehr bei der Auslegung des Demokratieprinzips: Legitimation geht danach von den Einzelnen, den dauerhaft der Herrschaftsgewalt Unterworfenen aus. Demokratie kann unter dieser Prämisse als Herrschaftsform begriffen werden, die weder einen Staat zu ihrer Verwirklichung voraussetzt, noch einer aktiven Beteiligung der Gesellschaft an den sie betreffenden Entscheidungen prinzipiell entgegensteht. Mit der Ablehnung der traditionellen Deutung des Demokratieprinzips und den daraus abgeleiteten dezidierten Forderungen für die Herrschaftsorganisation verliert das Demokratieprinzip an Kontur. Sein Kerngehalt lässt sich nur mehr auf den Grundsatz zurückführen, dass zwischen jeder ausgeübten Herrschaftsgewalt und den Herrschaftsunterworfenen ein konkret erfahrbarer und praktisch wirksamer Willensund Verantwortungszusammenhang herzustellen ist.552 Konkretere Vorgaben beinhaltet das Demokratieprinzip nicht. Die im gleichen Zuge wiedergewonnene Flexibilität eröffnet insofern große Spielräume für die Organisation von Herrschaftsausübung, die in erster Linie durch die Verfassung und – nachrangig – durch abgeleitetes Recht ausgefüllt werden müssen.553 Die darin installierten Legitimationsverfahren und -prozesse müssen unter Berücksichtigung der Praktikabilität wie auch gegenläufiger Verfassungsprinzipien eine möglichst optimale Rückführung der hoheitlichen Entscheidungen auf die Legitimationssubjekte gewährleisten, wobei der Zurechnungszusammenhang niemals ganz entfallen darf.554 An diesem Maßstab muss sich die Erstellung der zunächst rechtlich nicht bindenden555 IAS / IFRS durch das IASB nur messen lassen, wenn sich diese Tätigkeit aus Sicht der Unionsbürger als Ausübung legitimationsbedürftiger Hoheitsgewalt darstellt.556 Es ist gezeigt worden, dass auch die Tätigkeit eines privaten Standardsetzers, wie des IASB557, legitimationsbedürftig sein kann, wenn hoheitliche Stellen an die Ergebnisse der Standardsetzung rechtlich gebunden sind.558 In der kon550 So Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (200 f., 206 f.); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 416 f. m. w. N. in Fn. 13; Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 21 Rn. 69 ff.; Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161 (171). Weitere Nachweise finden sich auch bei Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 518 in Fn. 41, der allerdings die gegenteilige Auffassung vertritt, 517 ff. Ebenfalls a.A. König, Die Übertragung von Hoheitsrechten, S. 529, 535 f.; Pernice, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 23 Rn. 94 m. w. N. 551 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 1. 552 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. u. III. 553 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 1. d). 554 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. I. 555 Vgl. oben 2. Kapitel § 12 B. V. 556 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. 557 Vgl. oben 2. Kapitel § 12 B. 558 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 1.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

kreten Referenzmaterie ist eine eben solche Bindung der Kommission, des ARC und des Rates durch die Grundvorschrift – die IAS-Verordnung559 – erzeugt worden. Die Durchführungsbefugnisse liegen aufgrund der Entscheidung, die Bilanzierungsstandards des IASB mittels Durchführungsverordnung ins Europarecht zu transferieren, zu einem großen Teil bei dem Privatgremium. Nur auf dessen Initiative und mit dem von ihm gestalteten Inhalt werden die zum großen Teil finalen Vorgaben der IAS-Verordnung umgesetzt und die ausfüllungsbedürftigen Lücken geschlossen. Mit dem zur Übernahme bestimmten Regelungsverfahren560 erhalten die Organe der Europäischen Union lediglich ein negatives Letztentscheidungsrecht, über die verbindliche Geltung der IAS / IFRS im europäischen Rechtsraum zu bestimmen.561 Die übernommenen IAS / IFRS treten den Adressaten der IAS-Verordnung als einheitliches Regelwerk gegenüber, auf dessen Inhalt die Legitimationssubjekte im europäischen Mehrebenensystem effektiven Einfluss haben müssen. Im Zuge der Nachzeichnung der Willens- und Verantwortungszusammenhänge562 zwischen den Legitimationssubjekten in ihren verschiedenen Zusammenschlüssen563 haben sich neben Schwachstellen der grundsätzlichen supranationalen Legitimationsverfahren564 spezifische „Defizite“ im Zusammenhang mit der Einbindung der Privaten Standardsetzung in die Entscheidungsprozesse ergeben. Zwar hat sich trotz der Einordnung des IASB als privates Kollegialgremium565 ein gewisser Willens-566 und ein Verantwortungszusammenhang567 gezeigt. Doch bezieht sich dieser Zurechnungszusammenhang zum einen nicht auf alle Detailfragen, und zum anderen mangelt es ihm an Effektivität, wenn das IASB im Rahmen der laufenden Zusammenarbeit regelungsbedürftige Sachverhalte nicht im Einklang mit dem rechtlich unverbindlichen Willensinput regelt. Das erstgenannte „Defizit“ verdient diese Bewertung nur in einem hochgradig idealisierten Modell,568 in dem grundsätzlich alle über alles entscheiden.569 Mit der Überwindung der traditionellen Legitimationsdogmatik eröffnet sich dagegen die Möglichkeit, die Wirklichkeit zum Ausgangspunkt der Betrachtung zu machen. Die Legitimationsprozesse sind daher normativ so zu gestalten und zu bewerten, dass sowohl Praktikabilitätserwägungen als auch empirische, politologische und 559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569

Vgl. oben 2. Kapitel § 11 C. I. Vgl. oben 2. Kapitel § 11 C. II. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 2. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. I. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. c). Vgl. oben 2. Kapitel § 12 B. I. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 2. a). Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 2. b). So auch Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (420). Zu dieser Aristotelischen Idealvorstellung Klages, in: FS von Arnim, S. 695 (697).

§ 15 Ergebnis

217

soziologische Erkenntnisse miteinbezogen werden. Vor diesem Hintergrund müssen die praktischen Kapazitätsgrenzen des Willensvermittlungsprozesses berücksichtigt werden. Selbst bei optimaler Gestaltung570 kann sich dieser schon im Ursprung, den Wahlen, nur auf die grundlegenden, richtungsweisenden und wesentlichen Fragen beziehen. Die daran anschließenden Vermittlungsprozesse müssen die Weiterleitung der Willen der Legitimationssubjekte auch nur zu diesen Fragen potentiell571 gewährleisten. Dort wo Detailregelungen nicht durch die Legitimationssubjekte speziell gesteuert werden, gewinnen die allgemeineren Vorgaben, also insbesondere die Grundsatzentscheidungen der Verfassung und die gesetzlich vermittelten Zielvorstellungen, an Bedeutung. Denn deren Berücksichtigung ist nicht bereits durch konditionale Gesetzesinhalte vorprogrammiert. Insofern trägt eine Output-Kontrolle, deren Maßstab der tatsächlich vorhandene Input ist, zur Stärkung des Inputzusammenhangs bei.572 Gerade in diesem Sinne hat das auch das Bundesverfassungsgericht zuletzt ganz deutlich anerkannt: „Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Effektivitätssteigerung ist ein im Rahmen des Demokratieprinzips zulässiger Zweck. Wenn die Wasserwirtschaftsverbände durch die Arbeitnehmervertreter in den Leitungsgremien ihre gesetzlich übertragenen Aufgaben wirksamer wahrnehmen, wird damit das Demokratieprinzip gestärkt, denn der im Gesetz manifestierte Volkswille vollendet sich erst in der praktischen Durchsetzung.“573 Das zweite festgestellte „Defizit“ hat dagegen einen Mangel an Effektivität des Zurechnungszusammenhangs auch bei wesentlichen Fragen zum Gegenstand. Jener kann zu einer grundrechtsrelevanten574 Lückenhaftigkeit des Bilanzierungsregelwerkes führen, womit zugleich die legitimierten Zielvorstellungen der Grundvorschrift, der „true and fair view“, der hohe Grad an Transparenz und die Verlässlichkeit der Bilanzierung, gefährdet wären.575 Grundsätzlich verstieße diese Ge570 Auch die Willensvermittlung im Rahmen der Wahlen zu den Länderparlamenten, zum Bundestag und zum Europäischen Parlament wird zunehmend kritisch betrachtet. Diese Erkenntnisse sind – dies fordert das Demokratieprinzip als Optimierungsgebot – zur Fortentwicklung der Legitimationsverfahren zum Anlass zu nehmen. Vgl. hierzu Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (420); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (280 ff.); sowie die plastische Beschreibung einiger gravierender Probleme dieses Willensvermittlungsverfahrens bei Klages, in: FS von Arnim, S. 695 (703 ff.). 571 Potentiell meint hier nicht, dass die Weiterleitung nicht effektiv sein muss, sondern dass nicht stets zu allen wesentlichen Fragen überhaupt Willen der Legitimationssubjekte gebildet und im Rahmen von Wahlen vermittelt werden. Dennoch müssen die Legitimationsverfahren darauf ausgelegt sein, Einflusschancen bezüglich der wesentlichen Fragen zu gewährleisten. 572 In diesem Sinne auch Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (436) in Fn. 99. 573 BVerfGE 107, 59 (99) (Hervorhebungen nicht im Original). Vgl. aber auch schon die Kalkar-Entscheidung, BVerfGE 49, 89 (137), in der das Gericht Abstriche vom Bestimmtheitserfordernis zugelassen hat, weil der dadurch ermöglichte dynamische Grundrechtsschutz die Gesetzeszwecke bestmöglich verwirkliche. 574 Vgl. oben 2. Kapitel § 13. 575 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1.

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2. Kap.: Bilanzierungsstandards

staltung der Entscheidungsprozesse gegen das Demokratieprinzip, zumal sich auch kein kollidierender Wert von Verfassungsrang finden lässt.576 Dennoch musste die Entscheidung zur Übernahme der IAS / IFRS mit dem vorgeschalteten Kontrollmechanismus als Optimierung demokratischer Legitimation gewertet werden. Auf dem gewählten Wege ist nämlich im Ergebnis „Globalem Recht ohne Herrschaftsordnung“577, das im europäischen Herrschaftsraum maßgebliche Geltung zu entfalten begann, ein Filter vorgeschaltet worden, mit dem zugleich Geltungsbedingungen aufgestellt werden konnten, die nicht ohne Rückwirkung auf Entstehung und Inhalt des globalen Rechts bleiben werden.578 Daneben bewirkt die Überführung der IAS / IFRS in formal europäisches Recht, dass zumindest die übernommenen Standards der gerichtlichen Kontrolle im europäischen Mehrebenensystem unterliegen. Damit ist für die Legitimationssubjekte Einfluss auf die Gestaltung von Recht zurückgewonnen worden, welcher durch die Entstehung wirkungsintensiveren internationalen Soft-Laws verloren zu gehen drohte. Im Ergebnis verstößt also die sekundärrechtliche Regelung des Entscheidungsprozesses unter Einbeziehung des IASB nicht gegen das primärrechtliche Demokratieprinzip.

Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2. Angelehnt an das Schlagwort vom globalen Recht ohne Staat, vgl. Vesting, VVDStRL 63 (2004), 41 (58). 578 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2. 576 577

3. Kapitel

Schlussfolgerungen § 16 Gang der nachfolgenden Untersuchung Nachdem in den vorangegangenen beiden Kapiteln schwerpunktmäßig die demokratische Legitimation zweier Referenzbeispiele der Privaten Standardsetzung, eines nationalen und eines supranationalen, untersucht worden ist, sollen in diesem Kapitel allgemeinere Voraussetzungen für demokratisch legitimierte Rechtsetzung unter Mitwirkung privater Akteure gewonnen werden. Dazu wird in einem ersten, die bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammenfassenden Schritt das Legitimationsmodell des Verfassers dargestellt (§ 17), denn von dem jeweiligen Vorverständnis hängen die aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Anforderungen an die Private Standardsetzung maßgeblich ab.1 In einem zweiten Schritt werden aus diesem Legitimationsmodell allgemeine Bedingungen für die verfassungskonforme „Aktivierung und Instrumentalisierung gesellschaftlicher Selbststeuerungspotentiale“ 2 in Gestalt der Privaten Standardsetzung abgeleitet (§ 18). Geschlossen wird dieser Teil mit einer exemplarischen Anwendung dieser Bedingungen auf drei Beispiele Privater Standardsetzung (C. II.), nämlich die beiden Referenzbeispiele des DCGK der Kodex-Kommission und der IAS / IFRS des IASB sowie der Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC).

1 Ebenso Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 631, bezüglich der Anforderungen an die Ausgestaltung der europäischen Demokratie. 2 Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 (85).

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

§ 17 Das Legitimationsmodell „Eine zu starre Verfassung zerbricht an der Entwicklung des Staatswesens, eine zu flexible Verfassung verflüchtigt sich in die Beliebigkeit alltäglicher Politik. Gewachsene Tradition ist Sprungbrett für die Zukunft, Rechtsstagnation begünstigt die Revolution.“3 Paul Kirchhof, 2004

Das Legitimationsmodell des Verfassers leitet sich aus dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes ab, soweit und so wie es in Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärt wird. So verstanden entfaltet das Demokratieprinzip über Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG mittelbare Wirkung auch für die Europäische Union.4 In dieser Abstraktheit beschreibt das Legitimationsmodell die derzeit geltenden demokratischen Anforderungen an die deutsche wie die europäische Herrschaftsorganisation gleichermaßen. Unterschiede ergeben sich erst infolge der weiteren Konkretisierungen des Prinzips in den jeweiligen Verfassungen: dem Grundgesetz und dem Verfassungsverbund5 der Europäischen Union. Weil der von Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommene Art. 20 Abs. 1, 2 GG vor allem das Prinzip der Volkssouveränität, also der Herrschaft durch das Volk, näher umschreibt und gerade dies eine exklusive Eigenschaft demokratischer Herrschaftsformen ist,6 wird unter demokratischer Legitimation vor allem die sogenannte Input-Legitimation verstanden.7 Dennoch werden Output-Erwägungen nicht generell als demokratietheoretisch irrelevant angesehen. Denn die Herrschaft durch das Volk ist einer von mehreren gleichstufigen, aus vorrechtlichen Herrschaftszwecken abgeleiteten Verfassungswerten, die zusammen, ohne aber untereinander oder auch nur in sich widerspruchsfrei zu sein, die Idee einer Herrschaftsordnung abbilden.8 Beschreibt der „richtige“ Output die (effektive) Verwirklichung dieser Idee durch die Leistungen der hoheitlichen Entscheidungen, so können output-orientierte Strukturen und Entscheidungsprozesse sowohl zur Stärkung der Input-Legitimation9 als auch – im Falle einer Wertekollision – zu deren Schwächung führen.10 Wenn die anderen unveräußerlichen Verfassungsprinzipien das Demokratieprinzip dogmatisch von außen formen, die Wechselbezüglichkeit der Prinzipien also nicht durch eine rechtliche Verschmelzung der Volkssouveränität mit den anKirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HStR II3, § 21 Rn. 41. Vgl. oben 2. Kapitel § 14. 5 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. I. mit Nachweisen in Fn. 408. 6 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. bei Fn. 481. 7 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. 8 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. bei Fn. 484. 9 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. II. nach Fn. 516. 10 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. in Fn. 496. 3 4

§ 17 Das Legitimationsmodell

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deren Prinzipien erfasst wird,11 kann zwischen demokratischer Output-Legitimation als einer Stärkung des Inputzusammenhangs und einer Output-Legitimation i.w.S. unterschieden werden, welche sich auf die gesamte Herrschaftsordnung und damit auf die Verwirklichung aller Verfassungswerte bezieht. Im Ergebnis kann Output-Legitimation i.w.S. in rechtlich zulässiger Weise auch zu Lasten von InputLegitimation gehen, falls dies zum Ausgleich gegenläufiger Verfassungsprinzipien im Rahmen einer praktischen Konkordanz notwendig ist.12 Leitidee der Input-Legitimation i.S.v. Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG ist die Rückführung aller Herrschaftsgewalt auf den Willen der dieser Gewalt dauerhaft unterworfenen Individuen.13 Idealerweise entscheiden alle Herrschaftsunterworfenen alle sie betreffenden politischen Fragen selbst, gemeinsam und gleichberechtigt. Durch die in größeren Herrschaftsordnungen kaum vermeidbare Delegation von Herrschaftsgewalt auf besondere Träger14 birgt diese Idee unter anderem den realitätsangepassten 15 Leitgedanken eines konkret erfahrbaren und praktisch wirksamen Willens- und Verantwortungszusammenhangs zwischen den Herrschaftsunterworfenen und jeder ausgeübten Herrschaftsgewalt durch deren besondere Träger.16 Adressaten sind in erster Linie die Verfassungsgeber des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 1, 2 GG) und des Verfassungsverbundes der Europäischen Union (Art. 23 Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 2),17 die sich bei der Gestaltung der Entscheidungsverfahren der jeweiligen Herrschaftsordnung und der Delegation dieser Gestaltungsentscheidungen unter anderem von diesem Gedanken leiten lassen müssen. Wegen der potentiellen Wertekollision ist der Willens- und Verantwortungszusammenhang nicht stets zu maximieren, sondern unter Abwägung mit den gleichrangigen Verfassungswerten bestmöglich zu verwirklichen (sog. Optimierungsgebot).18 11 So aber die Vertreter einer demokratischen Output-Legitimation, vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. bei Fn. 495. 12 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. bei Fn. 476. 13 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 1. – 3. 14 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 594. 15 Diese Abstriche vom Ideal sind bereits in Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG angelegt, denn schon die zusammen mit Art. 79 Abs. 3 GG in Kraft getretene grundgesetzliche Herrschaftsordnung sah eine repräsentative parlamentarische Demokratie als Verwirklichung der Idee der Herrschaft durch das Volk vor. Zudem erfordern die übrigen gleichrangigen Verfassungswerte eine funktionierende Herrschaftsordnung, in der die Hoheitsorgane die notwendigen Entscheidungen zur Realisierung dieser Werte treffen, vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. bei Fn. 524 u. 2. Kapitel § 14 D. I. nach Fn. 471. 16 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. 17 Art. 23 Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 2 GG gilt direkt nur gegenüber den deutschen Verfassungsorganen, aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses bei der Gründung und Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union (vgl. die ausdrückliche Regelung des Art. 48 Abs. 3 EU) kommt eine Einigung aber nur zu Stande, wenn diese grundgesetzlichen Vorgaben auch von den anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden. 18 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. I.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

A. Normatives Modell Das hier vertretene Legitimationsmodell ist ein normatives, welches sich aus positivem Recht ableitet19 und durch die Regelung von Entscheidungsverfahren im positiven Recht zu verwirklichen ist. Demokratische Legitimation ist also durch eine rechtliche Sollensordnung herzustellen; sie entsteht in Folge „eines formal zu durchlaufenden Legitimationsverfahrens“ 20. Dennoch handelt es sich nicht um ein rein formalistisches Modell, in dem Legalität stets demokratische Legitimation erzeugt, sondern um ein Legitimationskonzept mit Wirklichkeitsbezug, in dem die vorgefundenen Realbedingungen ebenso zu berücksichtigen sind wie die tatsächlichen Wirkungsweisen der Entscheidungsverfahren.21 „Realismus heißt [hier] nicht Nachvollzug der jeweiligen Realität,22 sondern Formulierung von [normativ anerkannten] Zielen, die unter den gegebenen Verhältnissen verfolgt werden können, also Wirklichkeitsbezug mit Normativität.“23 Diese Wechselbeziehung kommt auch in den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Kriterien der „konkreten Erfahrbarkeit“ und der „praktischen Wirksamkeit“,24 denen der Willens- und Verantwortungszusammenhang genügen muss, deutlich zum Ausdruck. Damit stellen sowohl die tatsächlichen Leistungen der Entscheidungsverfahren für die Herstellung des Willens- und Verantwortungszusammenhangs25 als auch die Leistungen der Entscheidungen für die Verwirklichung der (aus den Willen der Herrschaftsunterworfenen abgeleiteten) Entscheidungszwecke26 Faktoren bei der Legitimationsbeurteilung dar.27 19 Was einer Berücksichtigung von vorrechtlichen Herrschaftszwecken nicht entgegensteht, soweit sie in der positiven Rechtsordnung Ausdruck oder zumindest eine Andeutung gefunden haben. Vgl. z. B. Di Fabio, JZ 1999, 585 (591) bei Fn. 64; eingehend hierauf Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 626 ff. 20 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 593. 21 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. bei Fn. 498 u. 2. bei Fn. 538. So wie hier auch Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (39 f., 46). 22 Kritisch zu solchen Modellen, die zugleich die Wirklichkeit erklären und rechtfertigen sollen, Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 407 (409); Scharpf, Demokratietheorien zwischen Utopie und Anpassung, S. 54; Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (609): „Solange [die . . . ] Konsequenzen [des Dilemmas einer sich in transnationalen Räumen verflüchtigenden Demokratie] nur darin gesehen werden, den Begriff, den man sich von der Demokratie macht, der je vorhandenen Wirklichkeit anzupassen und dem Status quo, wie auch immer er aussehen mag, mit Vokabeln wie ,outputorientierter Legitimation‘, ,Netzwerkstrukturen‘ oder ,losen Koppelungen verschiedener Arenen‘ das demokratische Mäntelchen umzuhängen, weicht man dem eigentlichen Problem eher aus.“ 23 Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 644 f. 24 Nachweise oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. in Fn. 366. 25 Vgl. beispielsweise oben 2. Kapitel § 15 in Fn. 570. 26 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2. bei Fn. 530. 27 Hiermit sind die beiden Punkte in die Legitimationslehre integriert, für die Mehde, AöR 127 (2002), 655 (662), das Fehlen von Anknüpfungspunkten in der gängigen juristischen Dogmatik konstatiert.

§ 17 Das Legitimationsmodell

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Insbesondere sich wandelnde tatsächliche Verhältnisse können die Funktionsweise der installierten Legitimationsverfahren beeinflussen. So wird dies beispielsweise von dem wissenschaftlichen und zivilisatorischen Fortschritt und der Globalisierung angenommen.28 Die damit einhergehende Zunahme regelungsbedürftiger Sachverhalte, deren Spezialisierung, deren Komplexität und auch deren Internationalisierung, haben die Schaffung neuer Problemlösungskapazitäten, sei es auf transnationaler, supranationaler, staatlicher oder gesellschaftlicher Ebene, notwenig werden lassen.29 Damit einhergehend vollzieht sich ein Erscheinungswandel von Hoheitsgewalt: „Die ,konditionale Programmierung‘ wird [immer öfter] durch eine finale ersetzt, und die hierarchisch angelegte Ausübung [von Hoheitsgewalt] weicht einer kooperativen Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure.“30 Schließlich wirkt sich die skizzierte Entwicklung auf den Willen des Einzelnen aus: dieser wird, zugeschnitten auf die eigenen Bedürfnisse, spezialisierter, selektiver und damit weniger konsensfähig.31 Im wirklichkeitsbezogenen normativen Legitimationsmodell müssen die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Legitimationsverfahren analysiert werden. Ergibt sich dabei, dass der normativ konzipierte Willens- und Verantwortungszusammenhang durch die Entscheidungsverfahren tatsächlich nicht (hinlänglich) hergestellt wird oder Entscheidungen in Wirklichkeit jenseits der normativ vorgegebenen Herrschaftsstrukturen getroffen werden,32 so gilt es, die Legitimationsverfahren anzupassen und deren Einhaltung (empirisch nachvollziehbar) sicherzustellen.33 Die Anpassung und Verbesserung der Legitimationsverfahren ist, bedingt durch die sich ständig verändernde und entwickelnde Gesellschaft, eine fortlaufende Optimierungsaufgabe, deren Bewältigung, unter Berücksichtigung der Grenze des Machbaren34 und der übrigen Verfassungswerte, den Herrschaftsunterworfenen selbst aufgegeben ist.35 28 Vgl. Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (420); Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (12 ff.); Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 314 ff. 29 Vgl. die Beiträge in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts; Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik; Mehde, AöR 127 (2002), 655 (661 f.); Zürn, in: FAZ v. 19. 07. 2005, S. 8: „Der moderne Nationalstaat befindet sich im Wandel. Zentrale Bestandteile wie das Recht oder hoheitliches Handeln entwickeln sich auseinander. Teils wandern sie auf die internationale Ebene, teils in die Gesellschaft, teils in untere Staatsschichten ab. Die postmoderne Staatlichkeit des 21. Jahrhunderts wird daher wohl eine andere sein als die des 20. Jahrhunderts: postnational.“ 30 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 352. Vgl. auch zum kooperativen Staat Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 (86 ff.). 31 Vgl. Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (265 ff.), die die damit einhergehenden Probleme der Willensvermittlung im Rahmen einer Parteienwahl im deutschen Mehrparteiensystem beschreibt; ebenso Roller, KritV 2003, 249 (261); Scharpf, Demokratietheorien zwischen Utopie und Anpassung, S. 59 f. 32 Siehe dazu auch Mehde, AöR 127 (2002), 655 (669 f.). 33 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. I. bei Fn. 492. 34 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2. nach Fn. 525 u. § 15 bei Fn. 577.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

B. Rolle der Verfassung Bei funktioneller Betrachtungsweise ist eine Verfassung die rechtlich verbindliche Grundordnung eines Gemeinwesens.36 Sie konstituiert für dieses Gemeinwesen eine Herrschaftsordnung und erhält diese, indem sie für die Herrschaftsorganisation bestimmte Funktionen erfüllt.37 Für die Rolle der Verfassung im Legitimationsmodell interessiert vor allem ihre Legitimationsfunktion, also die konkret ausgeübte Herrschaftsgewalt zu rechtfertigen.38 Als rechtliche Grundordnung ist die Verfassung Legitimationsbasis und enthält die Legitimationsvoraussetzungen. Um ihre Legitimationsfunktion zu erfüllen, muss bereits die Verfassung die zu durchlaufenden Legitimationsverfahren zumindest in Grundzügen regeln.39 In den demokratisch verfassten Herrschaftsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union müssen die Verfassungen die Verfahren zur Herstellung von Input-Legitimation enthalten, was zum einen die nähere Bestimmung der Herrschaftsunterworfenen und zum anderen die nähere Regelung derer Beteiligungsmöglichkeiten und Einflusschancen umfasst. Bereits diese Aufgabe haben die Schreiber des Grundgesetzes dem Einfluss des (je) vom Grundgesetz verfassten Volkes unterstellt.40 Das gilt für die Verfassung der deutschen (Art. 79 Abs. 1, 2 GG) ebenso wie für die Verfassung der europäischen Herrschaftseinheit (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 79 Abs. 2 GG). Zutreffend beschreibt Schliesky eine weitere Verfassungsfunktion, „und zwar den Grundkonsens des Gemeinwesens abzubilden und eine Wertordnung zu errichten, die den Verfassungsorganen als Leitlinie[ . . . ] zu dienen hat.“41 Soweit der wandelbare Grundkonsens nicht durch die Ewigkeitsgarantie vor Änderungen durch das Volk absolut geschützt ist, wird diese Verfassungsfunktion durch den bestimmenden Einfluss der (mit politischen Rechten ausgestatteten) Herrschaftsunterworfenen auf den Inhalt der Verfassungen gewährleistet.42 Weil die Werteordnungen des Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. Vgl. BVerfGE 62, 1 (39). 37 Ausführlich zu den Funktionen einer Verfassung Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (199 ff.); Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 76 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 492 ff. 38 Heintzen, AöR 199 (1994), 564 (581): „Demokratische Legitimation bedarf rechtlicher Vermittlung und setzt darum eine Verfassungsordnung voraus.“ 39 Vgl. Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 495. Vgl. auch oben 2. Kapitel § 14 B. I. 1. d). 40 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I bei Fn. 498. 41 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 498. 42 Zugunsten der Stabilität der Herrschaftsordnung, die eine Verfassung auch gewährleisten soll, ist jedoch ein breiter Grundkonsens erforderlich, um einen Verfassungswandel herbeizuführen: Art. 79 Abs. 2 GG setzt hierfür eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat voraus; eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union bedarf daneben sogar der Zustimmung aller anderen Mitgliedstaaten entsprechend deren Verfassungsbedingungen (vgl. Art. 48 Abs. 3 EU). 35 36

§ 17 Das Legitimationsmodell

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Grundgesetzes und der Europäischen Union das Demokratieprinzip, also die Herrschaft durch das Volk, als eigenständigen Wert ansehen, sind auch die Input-Legitimationsverfahren Teil dieses Grundkonsenses.43 Ein grundlegender (nicht nur kurzfristiger)44 Wandel des diesbezüglichen Grundkonsenses muss sich daher in der Verfassung niederschlagen; er muss als Input in eine Entscheidung der dazu berufenen Verfassungsorgane zur Verfassungsanpassung münden. Nachfolgend werden die Regelungen des Grundgesetzes (I.) und des europäischen Verfassungsverbundes (II.), die diese Legitimationsfunktion bezogen auf die von Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG geforderte demokratische Legitimation erfüllen, zusammenfassend dargestellt. Anschließend wird auf die Bedeutung der Verfassung für das Legitimationsniveau eingegangen (III.). I. Demokratische Legitimation in Deutschland Das Grundgesetz enthält keinen eigenständigen Abschnitt, der geschlossen die Input-Legitimationsverfahren darstellt. Das ist nachvollziehbar, denn die Regelung der hoheitlichen Institutionen und ihrer Entscheidungsverfahren mussten und müssen, wie gezeigt,45 auch unter Berücksichtigung anderer unabänderlicher Verfassungswerte erfolgen. Die Entscheidungsverfahren dienen daher nicht allein der Herstellung demokratischer Legitimation, sondern der Herstellung von Legitimation i.w.S.46 und zugleich der Erfüllung weiterer Verfassungsfunktionen.47 Wie nach dem aktuellen Grundgesetz demokratische Legitimation vermittelt wird, lässt sich nur durch Interpretation der dort geregelten Entscheidungsverfahren im Lichte von Art. 20 Abs. 1, 2 GG feststellen: Die nähere Bestimmung des Kreises der Herrschaftsunterworfenen, die mit politischen Rechten ausgestattet sind, erfolgt auf Verfassungsebene durch die Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1, 38 Abs. 2 1. HS, 116 GG in Abhängigkeit von der auszuübenden 43 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 624, siehe auch 654 zum Zusammenhang zwischen der Legitimationsfunktion der Verfassung und ihrer Funktion, den Grundkonsens abzubilden. 44 Siehe Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 424, zur Möglichkeit, den wahren Volkswillen kurzfristig zu missachten. 45 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. u. III. sowie 3. Kapitel § 17. 46 Die Legitimation i. w. S. bezeichnet die umfassende Rechtfertigung der Ausübung von Herrschaftsgewalt, die nach dem Grundgesetz nicht nur eine Herrschaft durch das Volk voraussetzt, sondern auch eine Ausrichtung der so zu treffenden Entscheidungen an materiellen Werten (vgl. insbesondere oben 1. Kapitel § 7 B. I. bei Fn. 484 ff.). In der hier verwendeten Terminologie lässt sich Legitimation i. w. S. auch als Input-Legitimation plus OutputLegitimation i. w. S. umschreiben. 47 Die Einteilung bzw. Benennung der weiteren Verfassungsfunktionen wird nicht einheitlich vorgenommen. Vgl. zu ihnen beispielsweise Herbst, ZRP 39 (2005), 29 (31); Huber, VVDStRL 60 (2001), 194 (199 ff.); Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 78 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 496 ff.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Staatsgewalt. Legitimationssubjekte sind also vornehmlich die deutschen Staatsangehörigen im Bundesgebiet, in den Ländern und in den Gemeinden und Kreisen. Bei den Wahlen in Gemeinden und Kreisen kommen die wahlberechtigten nicht deutschen Unionsbürger hinzu. Denkbar ist zudem, dass das Grundgesetz durch die Erwähnung48 der historisch gewachsenen Organisationsform der funktionalen Selbstverwaltung auch sonstige Ausländer zu den potentiellen Legitimationssubjekten zählt.49 Bei der hier befürworteten individualistischen Auslegung des grundgesetzlich konkretisierten Demokratieprinzips50 sind Legitimationssubjekte die einzelnen Menschen in den Zusammenschlüssen, in denen sie Bezugssubjekte der jeweiligen Legitimationsverfahren sind.51 Die Herstellung des Willens- und Verantwortungszusammenhangs beginnt überwiegend52 mit periodisch abgehaltenen Wahlen, nämlich zum Bundestag, zu den Landtagen, den Kreis- und den Gemeindevertretungen.53 Inhaltssteuernde Wirkung erhalten die personenbezogenen Wahlen durch die als Willensvermittler fungierenden politischen Parteien.54 Diese wirken, neben den einzelnen Bürgern, Verbänden, Gruppen und Vereinigungen, bei der politischen Willensbildung der Legitimationssubjekte mit und „sind vornehmlich berufen, die Bürger freiwillig zu politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Beteiligung an der Willensbildung in den Staatsorganen organisatorisch zusammenzuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen. Den Parteien obliegt es, politische Ziele zu formulieren und diese den Bürgern zu vermitteln sowie daran mitzuwirken, dass die Gesellschaft wie auch den einzelnen Bürger betreffende Probleme erkannt, benannt und angemessenen Lösungen zugeführt werden. Die 48 Das Grundgesetz verwendet den Begriff der funktionalen Selbstverwaltung nicht, das Bundesverfassungsgericht folgert aber aus den Vorschriften über die Selbstverwaltung in den Art. 28 Abs. 2 Satz 2, 90 Abs. 2 GG und den Regelungen über Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts in den Art. 86, Art. 87 Abs. 2, 3, Art. 130 Abs. 3 GG, dass der „Verfassungsgeber [ . . . ] solche bei Inkrafttreten des Grundgesetzes vorhandenen, historisch gewachsenen Organisationsformen der funktionalen Selbstverwaltung zur Kenntnis genommen und durch Erwähnung ihre grundsätzliche Vereinbarkeit mit der Verfassung anerkannt [hat].“, BVerfGE 107, 59 (89 f.). 49 Offen gelassen von BVerfGE 83, 37 (54 f.); unklar 107, 59 (88 f.). 50 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 1. b). 51 Vgl. dazu im Zusammenhang mit den Legitimationssubjekten in der Europäischen Union oben 2. Kapitel § 14 C. I. 52 Nicht näher betrachtet werden hier die in den Ländern und deren territorialen Untergliederungen vorgesehenen direkt-demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten. Bei ihnen stellt sich das Legitimationsproblem nicht, da Legitimationssubjekte und Träger der Herrschaftsgewalt nicht auseinanderfallen. Auf Bundesebene sind Volksabstimmungen mit Ausnahme des Art. 29 GG nicht vorgesehen. 53 Gegebenenfalls auch zum Vertretungsorgan einer funktionalen Selbstverwaltungskörperschaft oder -anstalt. 54 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. c) bei Fn. 444.

§ 17 Das Legitimationsmodell

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für den Prozess der politischen Willensbildung im demokratischen Staat entscheidende Rückkoppelung zwischen Staatsorganen und Volk ist auch Sache der Parteien. Sie erschöpft sich nicht in dem nur in Abständen wiederkehrenden Akt der Wahl des Parlaments. Willensbildung des Volkes und Willensbildung in den Staatsorganen vollziehen sich in vielfältiger und tagtäglicher, von den Parteien mitgeformter Wechselwirkung. Politisches Programm und Verhalten der Staatsorgane wirken auf die Willensbildung des Volkes ein und sind selbst Gegenstand seiner Meinungsbildung.“55 In der modernen Demokratie sind die Parteien „auch außerhalb der Wahlen wichtige Träger der ständigen Auseinandersetzung um die Festlegung der politischen Gesamtrichtung, Instrumente, durch die der Bürgerwille zwischen den Wahlen wirksam werden kann.“56 Dieser sogenannten Responsivität57 steht auch das freie Mandat der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht entgegen, obwohl es deren Effektivität durchaus abschwächen kann. Denn aus der Anerkennung der Parteien in Art. 21 GG folgert das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit von Parlamentsfraktionen als politisches Gliederungsprinzip für die Arbeit des Parlaments.58 Als freiwillige Zusammenschlüsse von Abgeordneten mit jeweils gemeinsamer politischer Grundanschauung fungieren sie als maßgeblicher Faktor bei der parlamentarischen Willensbildung und setzen damit die Arbeit der Parteien auf staatlicher Ebene fort.59 Mit dem zulässigen Mittel der Fraktionsdisziplin haben die Fraktionen erheblichen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Volksvertreter, die aber aufgrund ihres freien Mandats nicht an Fraktionsbeschlüsse gebunden sind.60 Auch auf die Regierungswillensbildung wirken die Fraktionen ein, denn die Regierung ist auf die Unterstützung einer Mehrheit im Parlament angewiesen. Das folgt aus dem personellen Einfluss, den das Parlament bei der Regierungsbildung ausübt, dessen Kontroll- und Abberufungsrechten gegenüber der Regierung61 und den weitreichenden Gesetzesvorbehalten. Das spiegelt sich z. B. auch in der Möglichkeit des Bundeskanzlers wider, sich der Unterstützung durch eine Mehrheit der Abgeordneten mittels der Vertrauensfrage zu vergewissern (Art. 68 Abs. 1 GG), gegebenenfalls auch in Verbindung mit einem Gesetzesvorhaben der Regierung. Die erforderliche Parlamentsmehrheit wird zumeist durch eine sog. RegierungsBVerfGE 85, 264 (284 f.). BVerfGE 91, 276 (284 ff.). Ebenso BVerfGE 3, 19 (26); 5, 85 (134); 14, 121 (133); 20, 56 (98); Mehde, AöR 127 (2002), 655 (671). 57 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. c). 58 Vgl. BVerfGE 2, 143 (160); 10, 4 (14); 20, 56 (104); 43, 142 (147); 70, 324 (350 f.); 80, 188 (219 f.). Vgl. BVerwGE 90, 104 (105), nach dem diese Grundsätze wegen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch auf die Länder-, Kreis- und Gemeindevertretungen Anwendung finden. 59 Vgl. BVerfGE 70, 324 (350 f.); BVerwGE 90, 104 (105 f.). 60 Ausführlich BVerwGE 90, 104 (106), nach dem Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG wegen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG dem Grunde nach auch für die Volksvertreter in den Ländern, Kreisen und Gemeinden gilt. 61 Für die Bundesebene vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. II. 1. b) bei Fn. 307. 55 56

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

koalition, bestehend aus zwei oder mehr Fraktionen, hergestellt.62 Den dadurch entstehenden Zusammenhang zwischen den Willen der Legitimationssubjekte und den Regierungsmaßnahmen beschreibt Roller überzeugend:63 „[M]it dem Wahlakt, der über die politische Ausrichtung der Regierung mittelbar entscheidet, [wird] auch eine Erwartungshaltung verknüpft, dass die von der jeweiligen Regierung, bzw. den sie stellenden Parteien, zuvor angekündigten politischen Maßnahmen nicht nur im Parlament, sondern auch im Rahmen ihrer Exekutivbefugnisse umgesetzt werden. Bis zu einem gewissen Grade kann daher in der grundsätzlichen Politikausrichtung etwa im Bereich der Wirtschafts-, Sozial- oder Umweltpolitik der Bürger davon ausgehen, dass auch im Rahmen der Rechtsetzung durch die von ihm mittelbar gewählte Exekutive seinen Präferenzen gefolgt wird. Diese Erwartung ist auch deshalb nicht unberechtigt, weil zumindest in den Parteiendemokratien sich auch die Exekutive an parteipolitischen Positionen ausrichtet, die für die Wahlentscheidung mitbestimmend sind.“ Würden nun der Bundestag und die Bundesregierung, die Landtage und die Landesregierungen (auch über den Bundesrat), die Kreistage und die Oberkreisdirektoren bzw. Ländräte, die Gemeinde- bzw. Stadträte und die Gemeinde- bzw. Stadtdirektoren respektive Bürgermeister alle hoheitlichen Entscheidungen treffen, so wäre mit der Beschreibung ihrer grundgesetzlich geregelten Aufgaben, Handlungsbefugnisse, Entscheidungsverfahren, Organisation, Zusammenarbeit und der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen ihnen der Inputzusammenhang abschließend skizziert. Dass dem nicht so ist, zeigt die vom Grundgesetz als wesentlicher Teil der vollziehenden Gewalt installierte Verwaltung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, 83 ff. GG).64 Schon deren Einrichtung im Grundgesetz spricht dafür, dass sich ihre Funktion nicht im schematischen Vollzug von Gesetzen und Regierungsvorgaben erschöpft,65 sondern dass der Vollzug auch rechtsschöpferische Tätigkeiten durch Entwicklung eigener rechtlicher Maßstäbe umfasst, wenn Gesetze oder Regierungsvorgaben lückenhaft, unbestimmt, mehrdeutig, widersprüchlich oder, bereichsbezogen, gar nicht vorhanden sind.66 Dass nicht alle Entscheidungen der Verwaltung von Parlament und Regierung bis ins Detail determiniert werden können, ergibt sich zudem aus Praktikabilitätserwägungen. 67 62 Aus diesem Grund wird bisweilen sogar ein umgekehrtes als das klassische Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung angenommen, vgl. Mehde, AöR 127 (2002), 655 (658 f.: „[B]eim Bündnis für Arbeit oder dem Atomkonsens [kommt] kaum verhohlen zum Ausdruck [ . . . ], dass die Bundesregierung mit ihrem Einfluss auf die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten die gesetzgeberische Umsetzung gewährleistet“; siehe außerdem 666 f.). 63 Roller, KritV 2003, 249 (261). 64 Die Judikative soll hier in die Beschreibung des Legitimationsprozesses nicht einbezogen werden, weil Private Standardsetzung stets Exekutivtätigkeit ist. 65 Ebenso Groß, Das Kollegialprinzip, S. 190 ff.; Horn, AöR 127 (2002), 427 (457 f.); Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 85. 66 Vgl. BVerfGE 49, 89 (125 f.); 68, 1 (86); 98, 218 (251 f.) und oben 1. Kapitel § 7 A. IV. 2.

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Damit auch die Entscheidungen der Verwaltung im Wesentlichen auf die Willen der Legitimationssubjekte zurückgehen, die ja schon im Ursprung allein in Form der (inhaltlich aufgeladenen) Wählerstimmen in die Legitimationsverfahren eingehen, ist die Verwaltung nach dem Grundgesetz strikt an die Gesetze gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Personal- und Organisationsgewalt der Parlamente und Regierungen unterstellt.68 Die Untergrenze für den erforderlichen Zurechnungszusammenhang liefert im Verhältnis Parlament / Verwaltung der Gesetzesvorbehalt, nach dem alle wesentlichen Entscheidungen per Gesetz getroffen werden müssen. Dazu führt das Bundesverfassungsgericht aus: „In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in erster Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen. Nach den gleichen Maßstäben beurteilt sich, ob der Gesetzgeber, wie der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt weiter fordert, mit der zur Prüfung vorgelegten Norm die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht dem Handeln etwa der Verwaltung überlassen hat.“69 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, mehr noch ist der Gedanke der Wesentlichkeitstheorie auf das Verhältnis Regierung / Verwaltung auszudehnen. Denn auch die Regierung nimmt, wie das Parlament, eine staatsleitende Funktion wahr und trifft darin einen Teil der wesentlichen Entscheidungen.70 Ebenso wie eine Auslegung der grundgesetzlichen Entscheidungsverfahren im Lichte des Demokratieprinzips ergibt, dass das Parlament wesentliche Entscheidungen nicht auf die Verwaltung delegieren darf, gilt dies gleichermaßen für die Regierung.71 In ihrem Funktionsbereich muss daher auch die Regierung die wesentlichen, grundlegenden und richtungsweisenden Entscheidungen selbst treffen. Die Bedeutung der Entscheidungen ergibt sich teilweise schon unmittelbar aus dem Grundgesetz, wenn jenes bestimmte Entscheidungen ausdrücklich dem Par67 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. Vgl. dazu auch Blanke, KJ 31 (1998), 452 (463 f.); Erdbrügger, Befreiende Konzernabschlüsse nach US-GAAP, S. 70; Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (46, 51 f.). 68 Vgl. insbesondere Art. 65 Satz 2 u. 83 ff., 108, 115c Abs. 3, 120, 120a, 130 GG. 69 BVerfGE 49, 89 (127). 70 BVerfGE 68, 1 (89): „Die Organisation der grundgesetzlichen Demokratie beruht indes, wie dargelegt, nicht darauf, alle Handlungen und Entscheidungen, die aus sich oder in ihren Folgen von politisch weittragender oder existentieller Bedeutung sind, dem Parlament zuzuweisen oder es daran in Gesetzesform zu beteiligen. Auch die Exekutive, und innerhalb ihrer besonders die Regierung, ist als ,politische‘ Gewalt ausgestaltet und nicht etwa von vornherein auf politisch weniger bedeutsame Entscheidungen beschränkt.“ 71 Zu dem in der Wesentlichkeitstheorie enthaltenen Delegationsverbot Weisel, Beleihung, S. 175.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

lament oder der Regierung vorbehält, und ist im Übrigen durch Auslegung des Grundgesetzes im Lichte der unveräußerlichen Verfassungsprinzipien zu ermitteln: Wie bereits dargelegt, sind die konkretisierungsbedürftigen Verfassungsprinzipien in ständiger Auseinandersetzung aller Legitimationssubjekte von diesen selbst mit genaueren Inhalten zu füllen, und zwar auf Verfassungs- wie auf Unterverfassungsebene.72 Dieser Funktion dienen die vom Grundgesetz vorgezeichneten Legitimationsverfahren. Auf Verfassungsebene müssen sie daher die Abbildung des Grundkonsenses ermöglichen und auf Unterverfassungsebene die genauere Ausgestaltung dieses grundgesetzlichen Grundkonsenses, der damit den Maßstab für die Wesentlichkeit der Entscheidungen auf der Unterverfassungsebene bildet. Weil schlussendlich jede hoheitliche Regelung eine Konkretisierung des grundgesetzlichen Grundkonsenses darstellt, zieht die Wesentlichkeitstheorie eine in jedem konkreten Fall und in Abhängigkeit der Art der ausgeübten Herrschaftsgewalt zu ermittelnde rechtliche Grenze: nämlich die Wesentlichkeit. Soll dieser Begriff nicht eine rechtliche Leerformel sein, die auszufüllen den Verfassungsorganen nach eigenem Belieben obliegt,73 so muss die Bestimmung der Wesentlichkeit unter Berücksichtigung der Kapazitätsgrenzen der Willensvermittlung durch die vom Grundgesetz vorgezeichneten Legitimationsverfahren erfolgen.74 So können die durch den freien öffentlichen Diskurs und mithilfe der Parteien inhaltlich aufgeladenen Wahlen und die sich daran anschließenden tagtäglichen Wechselwirkungen zwischen den Willen der Legitimationssubjekte und der staatlichen Willensbildung in Parlament und Regierung unmöglich alle Details der zu treffenden komplexen Entscheidungen abdecken.75 Was dieser Prozess an Willensvermittlung genau leisten kann, ist Gegenstand von politik- und sozialwissenschaftlichen Forschungen, deren Ergebnisse folglich für das Legitimationsmodell eine bedeutende Rolle spielen.76 Begreift man Demokratie als Optimierungsgebot,77 so muss dieser Legitimationsprozess so umfassend wie möglich sein und Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. Vgl. die bei Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 44, dargestellte Kritik an der Wesentlichkeitstheorie. Umfangreiche Nachweise zur kritischen Beurteilung der Wesentlichkeitstheorie finden sich bei Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (50) in Fn. 188. 74 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. In diese Richtung gehen auch die Äußerungen von Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (57, 60 f.). 75 Vgl. Roller, KritV 2003, 249 (261) in Fn. 62, der daraus die Schlussfolgerung zieht, dass sich für „jeweils einzelne Fragen [ . . . ] nicht selten eine konkrete Legitimation lediglich fiktiv herstellen [lässt].“ Einem solchen Erfordernis wird hier entschieden entgegen getreten: Zugunsten einer fiktiven Verwirklichung des Demokratieprinzips dürfen keine kollidierenden Verfassungswerte zurückgedrängt werden. 76 Vgl. aber auch BVerfGE 49, 89 (142 f.), wo das Gericht die praktische Vernunft zum Prüfungsmaßstab erklärt, wenn hinreichende Erfahrungsgrundlagen fehlen oder die Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens erreicht werden. In diesem Sinne sind auch die Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten der Politik- und Sozialwissenschaften von den Gerichten zu beachten. 77 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. I. u. 2. Kapitel § 15 bei Fn. 554. 72 73

§ 17 Das Legitimationsmodell

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sich vor allem auf die grundlegenden und richtungsweisenden zukünftigen Entscheidungen beziehen.78 So verstanden müssen im Fortgang des Willensvermittlungsprozesses auch nur diese wesentlichen Entscheidungen des Parlaments und der Regierung weitergeleitet werden, denn ein darüber hinausgehender Zurechnungszusammenhang besteht schon im Ursprung nicht. Dies wird für die Verwaltung zum einen durch die Gesetzesbindung und zum anderen durch die Personal- und Organisationsgewalt der Parlamente und Regierungen sichergestellt. Diesen Zusammenhang zu wahren, muss auch das Ziel der näheren Ausgestaltung administrativer Entscheidungsverfahren bilden.79 Denn insbesondere im Bereich der Verwaltung delegiert das Grundgesetz einen Großteil der Gestaltungsentscheidungen auf die Unterverfassungsebene, indem es diese Aufgabe auf den Bundestag,80 die Bundesregierung,81 den Bundesrat,82 die Länder83 und die Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung84 überträgt. Ebenso wie bei den übrigen Delegationen des Grundgesetzes im Bereich der Gestaltung der Entscheidungsverfahren85 ist auch die Delegation im Bereich der Verwaltungsorganisation bedingt durch die Beachtung des (soeben beschriebenen) Legitimationsgefüges und, subsidiär, des allgemeineren Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) im Sinne eines, der Abwägung mit anderen Verfassungsprinzipien zugänglichen, Optimierungsgebotes. II. Demokratische Legitimation in der Europäischen Union Durch die Europäische Union wird das deutsche Mehrebenensystem um eine Ebene jenseits des Bundesstaates erweitert. Wie auch die bundesstaatliche Ebene die Subebenen der Länder, Kreise und Gemeinden in den Legitimationsprozess mit 78 Hierin wird wieder die Wechselbeziehung zwischen der normativen Konzeption und der Wirklichkeit deutlich (vgl. oben 3. Kapitel § 17 A.). Nicht jede negative empirische Erkenntnis über die Funktionsweise des Legitimationsprozesses führt zu verminderten normativen Anforderungen. Vielmehr sind die praktischen Grenzen des normativen Konzepts zu ermitteln, und innerhalb dieser Grenzen ist eine möglichst optimale praktische Wirksamkeit anzustreben. 79 Vgl. beispielsweise Kämmerer, Privatisierung, S. 194, zu den erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf privatrechtlich organisierte Verwaltung. 80 Vgl. z. B. Art. 84 Abs. 1 3. HS, Abs. 5, 85 Abs. 1, 86 Satz 2, 87 Abs. 3 GG. 81 Vgl. z. B. 84 Abs. 2 – 5, 85 Abs. 2 – 4, 86 GG. 82 Vgl. z. B. Art. 84 Abs. 2, 3 u. 5, 85 Abs. 2 GG. 83 Art. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 GG. 84 Vgl. Art. 28 Abs. 3 GG. 85 Vgl. z. B. die Delegationen in Art. 21 Abs. 3 GG (Parteiengesetz); Art. 38 Abs. 3, 41 Abs. 3 GG (Wahlrecht); Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG (GO BT); Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GG (GO BR); Art. 65 Satz 4 GG (GO BReg); Art. 73 Nr. 2 GG (Staatsangehörigkeit); Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG (GO Vermittlungsausschuss).

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

einbezieht, beruht die demokratische Legitimation der supranationalen Hoheitsgewalt zum Teil auf den Legitimationsleistungen der mitgliedstaatlichen Entscheidungsverfahren. Bezieht man also die Anforderungen des Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG auf den europäischen Verfassungsverbund,86 in dem ja die Legitimationsverfahren in Grundzügen geregelt sein müssen, so wird die mittelbare Wirkung dieser Vorschriften für die Gestaltung der Entscheidungsverfahren auch in den anderen Mitgliedstaaten deutlich. Nur wenn in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Grundsatz der Demokratie (vgl. Art. 6 Abs. 1, 7, 49 Abs. 1 Satz 1 EU) entsprechend Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG beachtet wird, kann der europäische Verfassungsverbund die für die deutsche Mitgliedschaft erforderliche demokratische Legitimation vermitteln. Je nach ausgeübter supranationaler Hoheitsgewalt geht die Legitimation nach dem europäischen Verfassungsverbund von den Unionsbürgern in den Mitgliedstaaten oder den Legitimationszusammenschlüssen aus, die von den mitgliedstaatlichen Entscheidungsverfahren zum Ausgangspunkt aller Willens- und Verantwortungsvermittlung gemacht werden.87 Auf eine genauere Interpretation des Verfassungsverbundes im Sinne des hier vertretenen Legitimationsmodells soll an dieser Stelle verzichtet werden, weil dies zum einen im vorstehenden Abschnitt88 bezüglich des von der europäischen Herrschaftsordnung in Bezug genommenen deutschen Mehrebenensystems und zum anderen im vorangehenden Kapitel89 bezüglich der primärrechtlichen Legitimationsverfahren bereits geschehen ist. So viel sei jedoch gesagt: Im europäischen Mehrebenensystem müssen insbesondere die Kapazitätsgrenzen der Willensvermittlung zwischen den Legitimationssubjekten und dem Europäischen Parlament bzw. Rat beachtet werden. Aus diesen praktischen Vermittlungsgrenzen folgt der Vorrang der wesentlicheren vor den unwesentlicheren Entscheidungen. Maßstab für die Wesentlichkeit ist der Grundkonsens,90 wie er in den europäischen Herrschaftszwecken (soweit diese im positiven Recht zumindest eine Andeutung erfahren haben), Herrschaftszielen und -aufgaben, Grundrechten, Grundfreiheiten und den übrigen Grundprinzipien zum Ausdruck kommt, sowie die Grenze des Machbaren. Wiederum ist die Grenze des Machbaren aber nicht der empirisch festgestellte Ist-Zustand,91 sondern der normative, unter Beachtung der Wirklichkeit erreichbare Soll-Zustand.92 86 Zum funktional verstandenen Verfassungsverbund der Europäischen Union, bestehend aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten und gegebenenfalls derer Subebenen und dem europäischen Primärrecht, siehe oben 2. Kapitel § 14 C. I bei Fn. 409. 87 Ausführlich oben 2. Kapitel § 14 C. I. 88 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. 89 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C., insbes. II. 1. 90 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. bei Fn. 509; siehe auch schon oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. a) bei Fn. 426. 91 Die im Verhältnis zu den nationalen Wahlen schwache Vermittlungswirkung der Wahlen zum Europäischen Parlament wird daher nicht zum Maßstab für die Bestimmung der Wesentlichkeit.

§ 17 Das Legitimationsmodell

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III. Legitimationsniveau Sowohl das Grundgesetz als auch der europäische Verfassungsverbund schreiben derzeit keine direkt-demokratischen Verfahren zur Erzeugung demokratischer Legitimation vor. Auch installieren sie, sieht man von den zweifelhaften Fällen der funktionalen Selbstverwaltung und dem Sozialen Dialog im europäischen Primärrecht ab, keine Betroffenenbeteiligung als prinzipiell mögliches Legitimationsverfahren. Die ausdrücklich normierten Legitimationszusammenschlüsse sind die Unionsbürger in den Mitgliedstaaten bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, die deutschen Staatsbürger bei den Wahlen zum Bundestag, die deutschen Staatsbürger in den Ländern bei den Wahlen zu den Landtagen und die Unionsbürger in den Kreisen und Gemeinden bei den Wahlen zu den Kreistagen und Gemeinderäten. Wegen der hier befürworteten individualistischen Interpretation des Demokratieprinzips bedeutet das aber nicht, dass nicht auf der Unterverfassungsebene die Herrschaftsunterworfenen auch in sektoralen Zusammenschlüssen zum Ausgangspunkt des Zurechnungszusammenhangs gemacht werden dürfen. Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes bzw. des europäischen Primärrechts leitet nämlich auch alle hoheitlichen Entscheidungen auf der Unterverfassungsebene i.S. eines Optimierungsgebotes an. Es kann also durch Entscheidungsverfahren auf der Unterverfassungsebene ein Mehr an demokratischer Legitimation bewirkt werden. Das ist aber weder vom Grundgesetz noch vom europäischen Verfassungsverbund zwingend vorgeschrieben, zumal auch andere leitende Verfassungsprinzipien gleichen Ranges auf die Gestaltung der Entscheidungsverfahren einwirken. Andererseits dürfen solche zusätzlichen Legitimationsverfahren nicht das in der Verfassung normierte Legitimationsgefüge missachten. Die zusätzliche Legitimation, beispielsweise durch die Betroffenenpartizipation, hat daher keine kompensatorische Wirkung, wenn die verfassungsrechtlich installierten Verfahren den erforderlichen Willens- und Verantwortungszusammenhang (dann) nicht (mehr) herstellen. In diesem Sinne ließe sich auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur funktionalen Selbstverwaltung interpretieren. Das Gericht erkennt darin nämlich grundsätzlich an, dass auch die Beteiligung der Betroffenen an den sie berührenden 92 Die normierten Legitimationsverfahren enthalten also praktisch erreichbare normative Zielvorstellungen, deren Verfehlung nicht zu einer Minderung des Legitimationsniveaus führt, sondern vielmehr eine Verpflichtung für die Verfassungsorgane zur Verbesserung der Begleitmechanismen oder zur Änderung der Legitimationsverfahren begründet (vgl. BVerfGE 107, 59 [91]: „Das ,Ausgehen der Staatsgewalt‘ vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Bei veränderten Verhältnissen können Anpassungen notwendig werden.“). Liegt die Ursache in der mangelnden Partizipationsbereitschaft der Legitimationssubjekte, so ist diese Schwäche des Vermittlungsprozesses mit normativen Mitteln möglicherweise nicht behebbar und in diesem Fall kaum justiziabel, kann aber zum Schwinden der Akzeptanz und im Extremfall zur Revolution führen.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Entscheidungen das demokratische Prinzip verwirklicht.93 Interessant lesen sich bei der hier vorgeschlagenen Betrachtungsweise die bisweilen als unklar und widersprüchlich monierten Passagen:94 „Das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt [ . . . ], durch Gesetz – also durch einen Akt des vom Volk gewählten und daher klassisch demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgebers – für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen.[ . . . ] Gelingt es [dadurch], die eigenverantwortliche Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe mit privater Interessenwahrung zu verbinden, so steigert dies die Wirksamkeit des parlamentarischen Gesetzes.[ . . . ] Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Schaffung und näheren Ausgestaltung von Organisationseinheiten der Selbstverwaltung erlaubt auch, den Selbstverwaltungsträger zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter zu ermächtigen[ . . . ]. Verbindliches Handeln mit Entscheidungscharakter ist den Organen von Trägern der funktionalen Selbstverwaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht aber nur gestattet, weil und soweit das Volk auch insoweit sein Selbstbestimmungsrecht wahrt, indem es maßgeblichen Einfluss auf dieses Handeln behält. Das erfordert, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt.“95 Das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, dass, trotz der Legitimation, die von den Betroffenen ausgeht, das (monistisch als Einheit gedachte Bundes-)Volk maßgeblichen Einfluss auf das Handeln der Betroffenenvertreter behält. Trotz der neuartigen Öffnung für eine Betroffenenlegitimation kann nach dem Bundesverfassungsgericht nicht auf eine Legitimation über das Parlament verzichtet werden. In diesem Sinne hat auch jüngst der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls zur funktionalen Selbstverwaltung entschieden: „Die Einrichtung funktionaler Selbstverwaltung als Ausprägung des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Verwirklichung der freien Selbstbestimmung darf nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber sich seiner Regelungsverantwortung entäußert.“96 Schließlich sei noch zum Legitimationsniveau bemerkt, dass die Verfassungsgeber innerhalb des von Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG belassenen Spielraums die Legitimationsverfahren in den Verfassungen in Grundzügen regeln und diese Regelung bereits unter Abwägung mit anderen unveräußerlichen Verfassungswerten erfolgt. Im Sinne eines Optimierungsgebots ist daher bereits auf Verfassungsebene das Demokratieprinzip nicht maximal verwirklicht. Andererseits beinhalten die verfassungsrechtlichen Konkretisierungen des Demokratieprinzips i.S.v. Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG ein gewisses Legitimationsniveau, welches auf der Unter93 94 95 96

BVerfGE 107, 59 (92). Jestaedt, JuS 44 (2004), 649 (651 ff.). BVerfGE 107, 59 (92 ff.). BVerfGE 111, 191 (216).

§ 17 Das Legitimationsmodell

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verfassungsebene den Gestaltungsspielraum in Form eines Mindestniveaus verkürzt.97 Damit wird zugleich eine Obergrenze des Legitimationsniveaus für die daran anknüpfenden Legitimationsverfahren bestimmt, die aus diesem Grund einer Maximierung nur in begrenztem Maße zugänglich sind.98 Weder geboten noch verboten ist es, auf der Unterverfassungsebene zusätzliche Legitimationsverfahren einzurichten. Geschieht dies nicht nur vereinzelt, so dürfte das aber ein Zeichen für einen gewandelten Grundkonsens hinsichtlich der Legitimationsverfahren sein und legt eine dementsprechende Änderung der Verfassung nahe.

C. Ex-ante- / Ex-post-Legitimation Das hier vertretene Legitimationsmodell ist ein normatives Modell.99 Legitimation wird durch die Einhaltung der normierten Entscheidungsverfahren und nicht durch die Akzeptanz der hoheitlichen Entscheidungen durch die Herrschaftsunterworfenen erzeugt.100 Dennoch gibt es zwei Aspekte, unter denen Ex-post-Legitimation für die vorliegende Konzeption relevant wird. Der eine davon ist der erst ex-post erfolgende Input, sozusagen als Reaktion auf eine ex-ante nicht inhaltsgesteuerte hoheitliche Entscheidung (I.). Der andere ist die Ex-post-Beurteilung der realen Leistungen der Entscheidungsverfahren für die Herstellung des erforderlichen Inputzusammenhangs (II.).101 I. Relevanter Zeitpunkt des Inputs Der Zurechnungszusammenhang muss die Vermittlung der wesentlichen, grundlegenden und richtungsweisenden Entscheidungen nicht stets gleichzeitig ermöglichen. Es gilt zu berücksichtigen, dass die Herstellung des Zurechnungszusammenhangs einen prozesshaften Charakter hat und die wesentlichen Fragen nur nacheinander von den Staatsorganen gelöst werden und auch nur sukzessive Gegenstand des Willensbildungs- und Vermittlungsprozesses sein können. Fraglich ist, ob nur der zeitlich vor der hoheitlichen Entscheidung gebildete und vermittelte Wille Legitimation erzeugen kann oder auch der zeitlich spätere Wille. Übertragen 97 Ebenso Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 655: „[D]ie Verfassung [legt] rechtlich verbindlich die normativen Anforderungen an formelle Legitimationsverfahren fest, allerdings nur im Sinne unbedingt einzuhaltender Mindeststandards, die einer konkreten Festlegung durch den parlamentarischen Gesetzgeber zugänglich sind.“ 98 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. nach Fn. 78. 99 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 A. 100 So aber das Modell Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 580 ff.: der „Legitimation durch Bewährung“. 101 Vgl. dazu bereits oben 3. Kapitel § 17 A.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

auf die Legitimationsverfahren muss die Frage lauten, ob nur diejenigen Entscheidungsverfahren, die den ex-ante gebildeten Willen rezipieren und weiterleiten, oder auch diejenigen, die den als Reaktion auf eine hoheitliche Entscheidung expost gebildeten oder ex-post vermittelten Willen berücksichtigen, demokratisch legitimierend wirken. Setzt man Input-Legitimation mit Ex-ante-Legitimation gleich, hält also – wie Dederer102 – allein eine prospektive Willenssteuerung für maßgeblich, so missachtet man zum einen das vom Grundgesetz installierte Legitimationsgefüge,103 welches durchaus Mechanismen zur nachträglich (Nach-)Steuerung enthält,104 und zum anderen die Notwendigkeit eines normativen Legitimationsmodells mit Wirklichkeitsbezug:105 Nach Dederer106 soll die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung keine demokratische Legitimation erzeugen können, weil sie nicht prospektiv wirke. Die Kontrolle beziehe sich erst auf die „ausgeübte Regierungs- und Verwaltungsfunktion“ und sei damit „retrospektiv“.107 So (re-)konstruiert Dederer ein sehr formales Legitimationsmodell, welches nur dem vor der Ausübung der konkreten Hoheitsgewalt gebildeten und vermittelten Willen demokratische Bedeutung beimisst. Es erkennt damit weder die inhaltssteuernde (Ex-ante-)Wirkung,108 noch die inhaltskorrigierende (Ex-post-)Wirkung der grundgesetzlich geforderten Verantwortungszusammenhänge als Legitimationskomponente an. Damit verkennt Dederer aber auch den prozesshaften Charakter aller Willensvermittlung, aufgrunddessen sowohl eine prospektive Steuerung als auch eine retrospektive Nachsteuerung bzw. Neuausrichtung zuzulassen sind.109 Oft wird eine hoheitliche Maßnahme erst im Nachhinein Gegenstand des öffentlichen Diskurses und erst nachträglich erfolgt überhaupt eine Willensbildung in der Bevölkerung.110 Teilweise kann dies auch erst als Reaktion auf die ausgeübte Hoheitsgewalt geschehen, weil deren (Folge-)Wirkungen ex-ante nicht absehbar waren oder nicht vorhergesehen wurden.111 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 148 f. Wie es auch vom europäischen Verfassungsverbund in Bezug genommen wird. 104 Siehe oben 3. Kapitel § 17 B. I. bei Fn. 61. 105 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. bei Fn. 498 u. 2. bei Fn. 538 sowie 3. Kapitel § 17 A. 106 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 214 f., 222 f. 107 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 215 (Hervorhebung im Original). 108 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I., insbes. nach Fn. 60. 109 Ähnlich auch Ladeur, DÖV 53 (2000), 217 (226) bei Fn. 72, der sich mit dem Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Verwaltung unter Mitwirkung privater Akteure auseinandersetzt. 110 Ein nicht gebildeter Wille zu den wesentlichen, grundlegenden und richtungsweisenden Fragen führt nicht zu einem Mangel an Legitimation, wenn zu diesen Fragen dennoch eine hoheitliche Entscheidung ergangen ist, solange die Entscheidung der Korrektur aufgrund nachträglich gebildeter und vermittelter Willen zugänglich ist. 111 Siehe zu der zukunfts-, aber auch zu der rückwärtsgewandten Komponente von Wahlen Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 649. 102 103

§ 17 Das Legitimationsmodell

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Dieses Wechselspiel ohne zeitlich zwingenden Vorrang hat das Bundesverfassungsgericht in der bereits zuvor in größerem Kontext zitierten Passage112 deutlich beschrieben: „Politisches Programm und Verhalten der Staatsorgane wirken auf die Willensbildung des Volkes ein und sind selbst Gegenstand seiner Meinungsbildung.“113 Idealerweise gewährleisten die Entscheidungsverfahren daher sowohl Ex-ante- als auch Ex-post-Steuerungsmöglichkeiten.114

II. Relevanter Beurteilungszeitpunkt Die Beurteilung der Legitimationsverfahren und ihrer Leistungen muss im normativen Legitimationsmodell zunächst ex ante erfolgen. Die zukünftigen Leistungen sind daher unter Berücksichtigung von Erfahrungswissen anhand praktischer Vernunft abzuschätzen.115 Je weniger Erfahrungswissen vorhanden ist, desto größer ist die Ungewissheit, ob die Legitimationsverfahren die normativ erwarteten116 Leistungen erbringen.117 Von den Staatsorganen kann aber nicht gefordert werden, dass die Legitimationsverfahren die Verwirklichung des Demokratieprinzips mit absoluter Sicherheit gewährleisten, denn „solange menschliche Erfahrung nicht abgeschlossen ist, [ist Erfahrungswissen] immer nur Annäherungswissen, das nicht volle Gewissheit vermittelt, sondern durch jede neue Erfahrung korrigierbar ist und sich insofern immer nur auf dem neuesten Stand unwiderlegten möglichen Irrtums befindet.“118 „In [solch einer,] notwendigerweise mit Ungewissheit belasteten Situation liegt es zuvorderst in der politischen Verantwortung [des Verfassungsgebers,] des Gesetzgebers und der Regierung, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen die von ihnen für zweckmäßig erachteten Entscheidungen zu treffen.“119 Mit zunehmendem Erfahrungswissen kann die ex ante vorhandene Legitimation schwinden, wenn die realen Leistungen der Legitimationsverfahren den normatiVgl. oben bei Fn. 55. BVerfGE 85, 264 (285). 114 Vgl. dazu auch Ladeur, DÖV 53 (2000), 217 (225 ff.). 115 BVerfGE 49, 89 (131 f., 142 f.) zur Output-Beurteilung am Maßstab des Art. 1 Abs. 1 GG. Ebenso Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 664 ff. 116 Zur normativen Zielsetzung unter Berücksichtigung des praktisch Machbaren siehe oben 3. Kapitel § 17 A. bei Fn. 23. 117 Siehe aber die Nachweise bei Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 582 in Fn. 344; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 671 in Fn. 439, zu dem in der Entwicklung befindlichen Forschungsgegenstand der Gesetzesfolgenabschätzung. Vgl. dazu auch unten 3. Kapitel § 18 C. I. 2. b). 118 So BVerfGE 49, 89 (143), zu möglichen Grundrechtsgefährdungen durch die friedliche Nutzung von Kernenergie. 119 BVerfGE 49, 89 (131). Siehe zum (ex-ante) nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungs-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des jeweiligen Inhabers der Organisationsgewalt Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 485; von Danwitz, Der Staat 35 (1996), 329 (348) und oben 1. Kapitel § 7 B. III. bei Fn. 529. 112 113

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

ven Erwartungen nicht entsprechen. Diese Ex-post-Beurteilung kann dann eine Nachbesserungs- bzw. Anpassungs- und bei gewandeltem Grundkonsens sogar eine Neuausrichtungspflicht für die zuständigen Hoheitsträger nach sich ziehen, fordert aber zumindest eine Überprüfung durch den zuständigen Hoheitsträger, „ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist.“120

D. Input-Output-Relation Wie bereits dargelegt, steht im Mittelpunkt des hier vertretenen Legitimationsmodells die Herstellung eines praktisch wirksamen und konkret erfahrbaren Willens- und Verantwortungszusammenhangs. Wegen des erforderlichen Wirklichkeitsbezuges des normativen Modells121 bleiben aber auch die erwarteten und eingetretenen realen Leistungen der Entscheidungsverfahren und der Entscheidungen selbst nicht unberücksichtigt. Bezeichnet der Input das, was zu einer Norm führt, und der Output das, was eine Norm leistet,122 so spielen für die Herstellung und Beurteilung des Willens- und Verantwortungszusammenhangs auch Output-Erwägungen eine Rolle. Wenn man so will, kennt das Legitimationsmodell auch demokratische Output-Legitimation, derer der sonst nur formale Inputzusammenhang bedarf. Input- und demokratische Output-Legitimation sind, so verstanden, stets auf das gleiche Ziel gerichtet, müssen kumulativ vorliegen und sind als Bezeichnung der Norm und ihrer praktischen Wirksamkeit untrennbar miteinander verbunden. Demokratische Output-Legitimation wird zum einen durch die Leistungen der Entscheidungsverfahren für die Herstellung des Zurechnungszusammenhangs123 und zum anderen durch die Leistungen der Entscheidungen zur Verwirklichung des maßgeblichen Inputs erzeugt. Maßstab sind also das eine Mal die mit der Normierung der Input-Verfahren verbundenen Erwartungen124 und das andere Mal die mit der konkreten hoheitlichen Entscheidung verbundenen Ziel- und Zweckvorstellungen der Legitimationssubjekte, wie sie im Grundkonsens der Verfassung, konkretisiert durch die Entscheidungen von (Europäischem) Parlament und Regierung bzw. Rat, zum Ausdruck kommen. Im Gegensatz zu dem Modell Schlieskys, der als Maßstab für demokratische125 Output-Legitimation den Grundkonsens, wie er durch die Verfassung abgebildet 120 BVerfGE 49, 89 (130). Siehe zu Nachbesserungspflichten auch Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (22, 34 f., 69) m. w. N. in Fn. 85, 86. 121 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 A. 122 Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 521. 123 Vgl. bereits soeben 3. Kapitel § 17 C. II. 124 Ebenda. 125 Das Modell der „Pluralen Legitimation“ von Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 588 ff., insbes. 601, leitet sich aus dem Demokratieprinzip ab, es beschreibt also, wie demokratische Legitimation erzeugt wird.

§ 17 Das Legitimationsmodell

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wird, bestimmt,126 bleibt hier die Konkretisierung des Grundkonsenses auf der Unterverfassungsebene den Legitimationssubjekten vorbehalten. Eine Ausrichtung der hoheitlichen Entscheidungen unmittelbar an den Verfassungszielen und -zwecken kann zwar Output-Legitimation i.w.S. erzeugen, geht aber zu Lasten des Willens- und Verantwortungszusammenhangs. So wird nämlich das Volk als Träger auch aller abgeleiteten Hoheitsgewalt um seine Einflusschancen gebracht.127 Die Bestimmung der genaueren Inhalte der Verfassungsprinzipien durch die Legitimationssubjekte in ständiger und freier Auseinandersetzung,128 wie es das Bundesverfassungsgericht fordert,129 ist bei einem solchen Verständnis von Output-Legitimation nicht mehr gewährleistet. Zwar müssen auch nach Schliesky stets sowohl Input- als auch Output-Legitimationsstränge vorhanden sein, doch sind beide Komponenten „wechselseitig kompensierbar“.130 Dadurch darf eine Ausrichtung der Entscheidungsverfahren an dem verfassungsrechtlichen Grundkonsens stets zu Lasten des Willens- und Verantwortungszusammenhangs gehen, ohne dass vorher eine Kollision zwischen Demokratieprinzip und einem oder mehreren anderen Verfassungsprinzipien festgestellt oder eine praktische Konkordanz hergestellt werden muss. Dieses Ergebnis wird hier vermieden, indem nur eine Ausrichtung an dem durch die Legitimationssubjekte in Form von Normzielen und -zwecken konkretisierten131 Grundkonsens als demokratische Output-Legitimation begriffen wird. Damit werden die Leistungen der Entscheidungsverfahren und der Entscheidungen für die übrigen Herrschaftsaufgaben, -ziele und -zwecke nicht irrelevant, nur kann eine Berücksichtigung dieser Output-Legitimation i.w.S. nicht in jedem Fall, sondern allein im Kollisionsfall und nur unter Beachtung der Regeln der praktischen Konkordanz zu Lasten des Inputzusammenhangs gehen.132

Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 601, 623 ff., 634 ff., 659 ff., 718. So auch Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (68), der zu Recht den gleichen Effekt als Folge der traditionellen Interpretation des Demokratieprinzips feststellt. Auch hierbei wird durch eine zu strikte Auslegung eines offenen Verfassungsprinzips untergesetzlicher und damit politischer Handlungsspielraum unzulässig verkürzt. 128 Vgl. ausführlich oben 1. Kapitel § 7 B. I., insbes. bei Fn. 503. 129 Vgl. BVerfGE 5, 85 (198). 130 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 718. 131 Und zwar in Form von Normzielen und -zwecken. 132 Vgl. bereits oben 3. Kapitel § 17. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 9: „Bei der Bestimmung des Legitimationsniveaus ist kollidierendes Verfassungsrecht verhältnismäßig zuzuordnen.“ 126 127

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung „Unter welchen formellen und materiellen Voraussetzungen darf der Staat sich Ergebnisse privater Normsetzung zu eigen machen? Unter welchen formellen und materiellen Voraussetzungen dürfen Verwaltungsträger und Behörden über die in der Verfassung vorgesehenen hinaus institutionalisiert werden? [ . . . Diese] Fragen werden, obwohl sie doch für die Wahrung des demokratischen Legitimationszusammenhangs heute von zentraler Bedeutung sind, in unseren auf die Probleme des neunzehnten Jahrhunderts fixierten Verfassungen nicht oder allenfalls vereinzelt beantwortet. Wir haben es hier mit einem der EG und ihren Mitgliedstaaten gemeinsamen verfassungsrechtlichen Regelungsdefizit zu tun.“133 Lübbe-Wolff, 2001

A. Das Soll-Niveau Privater Standardsetzung Das Soll-Niveau Privater Standardsetzung bezeichnet denjenigen Willens- und Verantwortungszusammenhang, in den die Private Standardsetzung eingebunden sein muss, um den jeweiligen verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Im vorangehenden Abschnitt ist gezeigt worden, dass sowohl das Grundgesetz als auch der europäische Verfassungsverbund nicht voraussetzen, dass die Legitimationssubjekte die hoheitlichen Entscheidungen bis in die feinsten Details steuern können müssen.134 Vielmehr entspricht es den auf Verfassungsebene installierten Legitimationsgefügen, wenn ein praktisch wirksamer Willenszusammenhang die für die nähere Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Grundkonsenses besonders wesentlichen Fragen umfasst.135 Wird ein Privater Standardsetzer mit eigener Verantwortlichkeit136 in den Prozess hoheitlicher Rechtsetzung miteingebunden, so muss mit hoheitlichen Mitteln sichergestellt werden, dass sich ein Willenszusammenhang von der beschriebenen Qualität auch auf die Entscheidungen dieses Standardsetzers erstreckt. Der Absicherung und (potentiellen) Aktualisierung Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (272 f.). Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. (zum Legitimationsgefüge des Grundgesetzes) u. II. (zum Legitimationsgefüge des europäischen Verfassungsverbundes). 135 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. III. 136 Vgl. dazu oben 1. Kapitel § 7 A. I. 1. b) bei Fn. 264 u. 2. Kapitel § 14 A. III. 2. a.E. Siehe auch Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 (85, 89), zur Anwendung des Konzeptes der Verantwortungsteilung auf die Standardsetzung im Umwelt-, Technik- und Bilanzrecht. Ausführlich zur Verantwortungsteilung Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 408 ff.; siehe auch die Beiträge in Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat. 133 134

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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des Willenszusammenhangs dient der parallel zu konstruierende Verantwortungszusammenhang.137 Welche Hoheitsorgane die Verantwortung für die Herstellung dieses sogenannten Zurechnungszusammenhangs zwischen den Legitimationssubjekten und aller ausgeübten Hoheitsgewalt tragen, lässt sich aufgrund der Erkenntnisse des vorigen Abschnitts138 auch bestimmen: Im deutschen Mehrebenensystem sind das die jeweiligen Parlamente und Regierungen139 bzw. die dementsprechenden Staatsorgane im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung; im europäischen Mehrebenensystem kommen aus deutscher Sicht das Europäische Parlament und der Rat hinzu.140

B. Typologie Privater Standardsetzung Bevor die pluralen Möglichkeiten zur Herstellung des soeben beschriebenen Soll-Niveaus Privater Standardsetzung aufgezeigt werden (C.), gilt es vorweg die verfassungsrechtlich überhaupt zulässigen Typen Privater Standardsetzung zu ermitteln. Dafür wird als Erstes die rein Private Standardsetzung, für die weder das Legitimationsgebot noch die übrigen zu erörternden Verfassungsschranken eingreifen, als unproblematisch zulässig ausgeschieden (I.), um im Anschluss die Grenzen kooperativer Rechtsetzung unter Einbeziehung eines Privaten Standardsetzers anhand verschiedener rechtlicher Aspekte zu bestimmen (II.–V.). I. Art der Mitwirkung an hoheitlicher Rechtsetzung Bei der Privaten Standardsetzung muss typischerweise die Art der Mitwirkung an der hoheitlichen Rechtsetzung bestimmt werden. Schon die in den vorangehenden Kapiteln behandelte Referenzmaterie deutet die mögliche Bandbreite der verschiedenen Beteiligungsmodalitäten an: Während die eingangs erwähnten rein privaten Corporate Governance Kodizes141 mit hoheitlicher Rechtsetzung überhaupt nicht in Verbindung stehen, werden die zunächst ebenfalls rein privaten IAS / IFRS des IASB durch hoheitlich angeordnete Übernahme in den Rechtsetzungsprozess mit eingebunden.142 Bei der Erstellung des Deutschen Corporate Governance Kodexes durch die gleichnamige staatsgetragene Regierungskommission handelt es sich schließlich bereits ursprünglich um hoheitliche Rechtsetzung.143 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. b). Vgl. oben bei Fn. 80 ff. u. nach Fn. 89. 139 Wobei die Länderregierungen auch über den Bundesrat Mitwirkungsbefugnisse haben, vgl. beispielsweise Art. 84 Abs. 1, 2 u. 5, 85 Abs. 1, 2, 86 u. 87 Abs. 1, 3 i.V. m. 77 GG. 140 Vgl. dazu genauer unten 3. Kapitel § 18 B. II. 141 Vgl. oben 1. Kapitel § 2 C. 142 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 1. 143 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. I. u. § 5 C. 137 138

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Relevant ist die Einteilung nach der Art der Mitwirkung vor allem für die Legitimationsbedürftigkeit der Standardsetzung. Das Grundgesetz und der europäische Verfassungsverbund schreiben die Einhaltung des Soll-Niveaus nämlich nur für solche Private Standardsetzung vor, die selbst Ausübung von Hoheitsgewalt ist.144 Bei der Untersuchung der Referenzmaterie ist die Mitentscheidungsbefugnis bzw. die Mitverantwortung als Abgrenzungsmerkmal zwischen legitimationsbedürftiger und nicht legitimationsbedürftiger Mitwirkung an hoheitlicher Rechtsetzung (als herrschend) ermittelt worden. Bei der regelmäßig stattfindenden Kooperation zwischen Standardsetzer und den (sonstigen) Hoheitsträgern trägt ersterer Mitverantwortung, wenn dessen Entscheidungen die (mit-)verantwortlichen Hoheitsträger – bei einer Gesamtbetrachtung 145 – in ihrer Entscheidungsfreiheit, bestehend aus Initiative und umfassendem positiven Entscheidungsrecht, einschränken.146 Einleitend ist zudem darauf hingewiesen worden, dass in jüngerer Zeit auch faktischen Einflüssen stärkere Beachtung geschenkt wird.147 Ob tatsächlicher Einfluss auf Hoheitsorgane ebenfalls zur Legitimationsbedürftigkeit der beeinflussenden Tätigkeit führen kann, musste bei der Untersuchung des Deutschen Corporate Governance Kodexes und den IAS / IFRS nicht entschieden werden, denn in beiden Fällen wurde eine Mitverantwortung festgestellt.148 Mit Blick auf die Charakterisierung des eigenen Legitimationskonzepts als normatives Modell mit Wirklichkeitsbezug,149 lässt sich dieser Streit nunmehr wie folgt entscheiden: Demokratische Legitimation muss den Entscheidungen nicht dorthin folgen, wo sie tatsächlich stattfinden,150 sondern in erster Linie müssen die Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie nach der normativen Konzeption getroffen werden sollen. Legitimationsbedürftig ist daher grundsätzlich nicht faktischer Einfluss, sondern normativ vorgesehene Mitentscheidung. Dennoch bleibt der faktische Einfluss Privater Standardsetzer, der von gleicher Wirkungsintensität wie die rechtliche Bindung an deren Entscheidungen ist, nicht unberücksichtigt. Entspricht er nicht den normativen Erwartungen an die Funktionsweise der hoheitlichen Entscheidungsverfahren, so verpflichtet das Demokratieprinzip die zuVgl. oben 1. Kapitel § 7 A. I. u. 2. Kapitel § 14 A. Durch diese Gesamtbetrachtung wird auch der in jüngerer Zeit vermehrt geäußerten Kritik an einem dezisionistischen Ansatz (vgl. Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 695 ff.; Winter, EuR 40 [2005], 255 [270]) begegnet, denn es wird nicht mehr nur die das hoheitliche Entscheidungsverfahren abschließende Entscheidung unter legitimatorischen Gesichtspunkten betrachtet, sondern der gesamte Entscheidungsprozess. 146 Ausführlich zum Ganzen oben 1. Kapitel § 7 A. I. 1. b) u. 2. Kapitel § 14 A. III. 2. 147 Vgl. oben 1. Kapitel § 4 C. 148 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 146. 149 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 A. 150 Anders Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (314), im Zusammenhang mit der Verlagerung von Entscheidungen auf die transnationale Ebene. 144 145

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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ständigen Hoheitsträger, diesen störenden Einfluss mit normativen Mitteln bestmöglich zu unterbinden.151 Demokratiewidrig ist auch der umgekehrte Fall, dass eine Bindung der Hoheitsträger an die Entscheidungen eines Privaten Standardsetzers gewollt ist oder zumindest in Kauf genommen wird, ohne dies normativ kenntlich zu machen. Rechtmäßiger Weise muss sich der gewollte oder erwartete faktische Einfluss auch in der normativen Regelung der Entscheidungsverfahren wiederfinden, mit der Folge, dass dann die Private Standardsetzung legitimationsbedürftig ist. Schließlich gibt es doch eine Variante, in der ungewollter faktischer Einfluss dessen demokratische Legitimation erstrebenswert erscheinen lässt. Wenn nämlich, so wie dies bei der Untersuchung der IAS / IFRS festgestellt worden ist,152 die hoheitliche Rechtsetzung ihre praktische Wirksamkeit zu Gunsten der faktischen Steuerungsfähigkeit transnationaler oder gesellschaftlicher Standards einbüßt. Vorrangig folgt aus dem Demokratieprinzip wiederum die Verpflichtung der zuständigen Hoheitsträger, der demokratisch legitimierten hoheitlichen Rechtsetzung zur praktischen Wirksamkeit zu verhelfen.153 Nachrangig – und ihrerseits verfassungsrechtlich begrenzt154 – ist die Pflicht, auf die Entwicklung demokratischer Strukturen im Rahmen transnationaler und / oder gesellschaftlicher Standardsetzung hinzuwirken, falls der Einflussverlust unvermeidbar ist.155

II. Rechtliche Grundlage für die Einrichtung kooperativer Standardsetzung Bereits bei der Bestimmung des Soll-Niveaus Privater Standardsetzung sind die zuständigen Hoheitsträger für die Gestaltung der Entscheidungsverfahren auf der Unterverfassungsebene benannt worden.156 Deren aus dem Demokratieprinzip abgeleitete Verantwortung beinhaltet, dass sie die wesentlichen Gestaltungsentscheidungen selbst treffen müssen. Auf welcher rechtlichen Grundlage Private Standardsetzer mit eigener Verantwortung in den hoheitlichen Rechtsetzungsprozess eingebunden werden dürfen, lässt sich anhand der verfassungsrechtlich angeord151 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 A. bei Fn. 33. Zur eingeschränkten Justiziabilität dieser Kategorie der mängelbehafteten demokratischen Legitimation vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. I. nach Fn. 486. Vgl. das Beispiel bei Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (252 f.), der wohl im Ergebnis ebenso davon ausgeht, dass normwidriger faktischer Einfluss als Umgehung der hoheitlich angeordneten Verfahren zur Rechtswidrigkeit der (beeinflussten) hoheitlichen Maßnahme führen kann. 152 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2. u. § 15 a.E. 153 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2. nach Fn. 538. 154 Vgl. eingehend unten 3. Kapitel § 18 B. V. 155 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2. bei Fn. 540. 156 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 A. Siehe auch schon oben 1. Kapitel § 7 B. I., III. u. 3. Kapitel § 17 B. I. a.E.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

neten Kompetenzverteilung zwischen diesen Hoheitsorganen bestimmen. Die zuständigen Organe und ihre Kompetenzen sind auf den Ebenen der Bundesrepublik Deutschland (1.) andere als auf europäischer (Zentral-)Ebene (2.). 1. Nach dem Grundgesetz Das Grundgesetz delegiert an verschiedenen Stellen die nähere Ausgestaltung der Entscheidungsverfahren auf den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung, aber auch (pauschal)157 auf die Länder, Kreise und Gemeinden.158 Bei der Privaten Standardsetzung kommt es auf die Verteilung der Organisationsgewalt für die Gestaltung der Exekutive (Gubernative und Administrative) an.159 Bezüglich der Bundesverwaltung ist die Befugnis zur Verwaltungsorganisation horizontal zwischen Gesetzgebung und Regierung aufgeteilt, im Bereich der Länderverwaltungen kommt eine vertikale Aufteilung zwischen den zuständigen Bundes- und den – nach den jeweiligen Länderverfassungen zuständigen – Landesorganen hinzu.160 Bereits im 1. Kapitel ist gezeigt worden, dass die wohl herrschende Meinung, demokratietheoretisch motiviert, die wesentlichen Organisationsentscheidungen dem Gesetzgeber vorbehalten will, soweit diese Entscheidungen nicht in den absoluten Kernbereich der Regierungsfunktion fallen.161 Das soll unabhängig von den ausdrücklich normierten institutionellen Gesetzesvorbehalten gelten. Weil Private Standardsetzung typischerweise nicht dem vermeintlichen Regelmodell der hierarchischen Ministerialverwaltung entspricht, wäre die zwingende Zuständigkeit des Gesetzgebers für die Einrichtung einer Kooperationsbeziehung mit einem Privaten Standardsetzer die konsequente Folge dieser Auffassung. Denn jede Ausnahme von der Regel gefährdet die Verwirklichung des Demokratieprinzips und kann als wesentliche Entscheidung nur durch den Gesetzgeber angeordnet werden.162 Dieser Interpretation kann hier nicht gefolgt werden. Es ist dargelegt worden, dass das Grundgesetz ein Regel-Ausnahme-Modell zugunsten einer bestimmten Organisationsform nicht enthält und ein Regelmodell noch weniger aus dem De157 Denn die Bundesverfassung muss auf die Eigenstaatlichkeit der Länder und ihre Organisationshoheit und auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung Rücksicht nehmen, vgl. auch Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 51. „Das Organisationsrecht der Länder wird [daher] im Rahmen der allgemeinen grundgesetzlichen Vorgaben (Art. 28 Abs. 1 GG) durch das jeweilige Landesverfassungsrecht geregelt.“, Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 59 Rn. 91. 158 Vgl. die Nachweise oben in den Fn. 80 – 85. 159 Vgl. bereits oben 1. Kapitel § 8 A. 160 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 481 f. 161 Siehe die Nachweise oben 1. Kapitel § 8 A. II. in Fn. 585, III. in Fn. 593, IV. in Fn. 604 u. V. in Fn. 608. 162 Vgl. oben 1. Kapitel § 8 A.

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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mokratieprinzip selbst abgeleitet werden kann.163 Andererseits ist aufgezeigt worden, dass die Verwaltungsorganisation legitimationstheoretisch primär durch das verfassungsrechtliche Legitimationsgefüge und subsidiär durch das Demokratieprinzip angeleitet wird und für deren Verwirklichung wesentlich ist.164 Doch hat das den Grundgesetzgeber nicht davon abgehalten, auch der Bundesregierung wichtige Bereiche der Organisationsgewalt, teils ausschließlich, teils dem gesetzgeberischen Zugriff unterliegend, zuzuweisen.165 Zwar mag es der Leitidee des Demokratieprinzips eher entsprechen, wenn das Parlament anstatt der Regierung Entscheidungen fällt.166 Das Gleiche gilt aber für das Verhältnis von direkter zu parlamentarischer Demokratie. In beiden Fällen vermag das Demokratieprinzip eindeutige Regelungen des Grundgesetzes nicht außer Kraft zu setzen, solange das in ihm enthaltene absolute Mindestmaß nicht unterschritten wird. Dass aber ein hinreichender Zurechnungszusammenhang auch zu den Entscheidungen der Bundesregierung besteht, ist oben dargelegt worden.167 Im Ergebnis wird daher eine, die grundgesetzliche Kompetenzverteilung überspielende, „organisationsrechtliche Wesentlichkeitstheorie“168 abgelehnt,169 nicht dagegen eine systematische Auslegung der relevanten Vorschriften170 oder ein Rückgriff auf die allgemeinen Verfassungsprinzipien für den Fall einer Regelungslücke. a) Regierungskommissionen aa) Öffentlich-rechtliche Regierungskommission Ein Typus der Kooperation mit einem Privaten Standardsetzer ist im 1. Kapitel bereits erörtert worden: die staatsgetragene Regierungskommission. Mangels eigener Rechtspersönlichkeit ist sie entweder der Regierung als Kollegialorgan oder, 163 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. u. 3. Kapitel § 17 B. I. Ebenso Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 82. 164 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. a.E. 165 Vgl. bereits oben 1. Kapitel § 8 A. I. a.E. u. 3. Kapitel § 17 B. I. 166 Vgl. aber zur grundsätzlich gemeinsamen Wahrnehmung der Staatsleitungsfunktion durch Parlament und Regierung oben 1. Kapitel § 4 B. V. in den Fn. 145 – 147. 167 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. 168 Vgl. Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (426 f.); Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 87. 169 Abgelehnt wird damit zugleich der in neueren Veröffentlichungen aus der Gewährleistungsverantwortung des Gesetzgebers abgeleitete organisatorische Gesetzesvorbehalt, der zumeist gleichzeitig mit inhaltlichen Vorgaben verbunden zu einer Einschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes führt, vgl. die Übersicht bei Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 323 mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 170 Vgl. aber NWVerfGH, NJW 1999, 1243, 1244; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 58 ff., dazu, dass hinter den eher punktuelle Aussagen treffenden institutionellen Gesetzesvorbehalten des Grundgesetzes kein verfassungsrechtsdogmatischer Grundgedanke steht.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

wie die Kodex-Kommission,171 einem Ministerium angegliedert und fällt als unmittelbare Staatsverwaltung auf Regierungsebene in den Anwendungsbereich der Art. 64, 65 GG oder ihrer jeweiligen Pendants in den Landesverfassungen. Lehnt man – wie hier – eine organisationsrechtliche Wesentlichkeitstheorie ab, so besteht nach dem Grundgesetz grundsätzlich eine konkurrierende Zuständigkeit von Regierung172 und Gesetzgeber zur Bildung, Errichtung und Einrichtung des Privaten Standardsetzers.173 Ein organisationsrechtlicher Gesetzesvorbehalt kann in dieser Fallgestaltung nur ausnahmsweise eingreifen, nämlich wenn die Grundrechtsverwirklichung eine bestimmte Organisationsform erfordert oder verbietet.174 Voraussetzung ist allerdings, dass die dem Privaten Standardsetzer übertragenen Aufgaben typischerweise die Lösung grundrechtswesentlicher Fragen umfassen und die Beantwortung dieser Fragen nicht in herkömmlicher Weise, also sachlich-inhaltlich, parlamentsgesetzlich gesteuert wird.175 Im Rahmen der Untersuchung des Deutschen Corporate Governance Kodexes ist gezeigt worden, dass die denkbaren faktisch-mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen, die von den Handlungsempfehlungen des Kodexes ausgehen können,176 keinen organisatorischen Gesetzesvorbehalt auslösen.177 Schon in sachlichinhaltlicher Hinsicht fordert das Bundesverfassungsgericht bei faktisch-mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen bloß eine gesetzliche Aufgabenzuweisung.178 Ist also de facto die Regierung für die inhaltliche Programmierung zuständig, so gilt dies unabhängig davon, ob die Programmierung unmittelbar, durch abstrakt-generelle Normierung, oder mittelbar, durch prozedurale Lenkungsmaßnahmen, erfolgt.179

Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. VI. Zur Aufteilung der Aufgaben und Befugnisse innerhalb des Regierungskollegiums Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 370. 173 Vgl. oben 1. Kapitel § 8 A. I. 174 Zu diesen beiden Dimensionen des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts siehe Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 72. Der grundrechtsbedingte Organisationsvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers steht nicht im Widerspruch zu der hier vertretenen Ablehnung einer organisationsrechtlichen Wesentlichkeitstheorie, weil dieser sich gerade nicht aus der Kompetenzverteilung im Organisationsbereich, sondern im Bereich der Entscheidung grundrechtsrelevanter Sachfragen ableitet. 175 Vgl. auch Hermes, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 64 Rn. 19, der eine gesetzliche Organisationsregelung nicht bei jeder Ermächtigung zu einem Grundrechtseingriff für erforderlich hält, sondern nur „in den Fällen, bei denen spezielle organisations- und verfahrensrechtliche Grundrechtsgehalte besondere Vorkehrungen erfordern“. Vgl. zudem unten 3. Kapitel § 18 C. I. 1. c), wo dieser Gesetzesvorbehalt noch weiter präzisiert wird. 176 Siehe dazu oben 1. Kapitel § 6. 177 Vgl. oben 1. Kapitel § 8 A. II. 178 Vgl. oben 1. Kapitel § 6 u. § 7 III. 4. 179 Siehe dazu ausführlich unten 3. Kapitel § 18 C. I. 1. b). 171 172

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bb) Privatrechtsförmige Regierungskommission Die Art. 64, 65 GG gelten ebenso für die Kooperation mit einem privatrechtsförmigen Standardsetzer auf Ministerialebene, der zumindest nach Dederer180 und in dessen Terminologie als Funktionswalter außerhalb des Funktionsorgans „Regierung“ bzw. „Minister“ in die Ausübung von Staatsfunktionen miteinbezogen werden kann. In dieser Konstellation könnte aber ein Vorbehalt zugunsten des Gesetzgebers eingreifen. Übt nämlich der Private Standardsetzer Regierungsfunktionen181 (mit) aus, so ist der staatlichen Veranlassung dieser Kooperationsbeziehung die Übertragung von Hoheitsgewalt immanent.182 Es könnte sich dann aber um eine Beleihung des Privaten Standardsetzers handeln,183 die nach der ganz herrschenden Meinung nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf.184 „Beliehene sind nach heute ganz herrschendem Verständnis Privatrechtssubjekte, die mit der hoheitlichen (obrigkeitlichen oder schlicht-hoheitlichen) Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben betraut sind, d. h. dazu befugt sind, Staatsaufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts selbständig wahrzunehmen. Ausschlaggebendes Kriterium für die Zurechnung ihres Tätigwerdens ist also die Berechtigung zum Einsatz des von Rechts wegen ausschließlich dem Staat vorbehaltenen öffentlich-rechtlichen Instrumentariums.“185 In Anbetracht dieser Definition stellt sich die Anordnung einer kooperativen Standardsetzung als Beleihung dar. Selbst wenn man, von einem engeren Verständnis der Beleihung ausgehend, diesem Rechtsinstitut nur die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Private zuordnet,186 so wird die legitimationsbedürftige Private Standardsetzung immer noch 180 So Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 18 f., bezüglich der Tarifparteien als Funktionswalter „außerhalb des Funktionsorgans Bundesminister“. 181 Zu diesen Hermes, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 62 Rn. 24 ff.; Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 362 ff. 182 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 1. 183 Zur Möglichkeit der Beleihung juristischer Personen des Privatrechts vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 56; Maurer, Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56. 184 Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (585): Die Beleihung „unterfällt dem im Grundsatz allgemein anerkannten ungeschriebenen organisatorisch-institutionellen ,Gesetzesvorbehalt für die Verselbständigung von Verwaltungseinheiten‘. [ . . . ] Gegenstand der gesetzlichen Regelung müssen insbesondere Art und Umfang der übertragenen Befugnisse sein.“ Ebenso die Rechtsprechung: BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 1987, 2501 (2502); BVerwGE 29, 166 (169 f.); 35, 334 (337); 61, 222 (225 f.); 97, 117 (119); BVerwG, DVBl. 1970, 735 (736). Vgl. zu der heute herrschenden Rechtsstellungstheorie auch Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 79 ff.; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (241) in Fn. 99; Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (106); a.A. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (273), der die Aufgabentheorie nach Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 40, wiederbelebt. Ausführlich zu den verschiedenen Theorien Weisel, Beleihung, S. 55 ff. 185 Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (585). 186 So Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 39.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

davon erfasst. Voraussetzung für die Legitimationsbedürftigkeit ist gerade, dass der Standardsetzer Hoheitsgewalt (mit) ausübt.187 Anlass, an diesem Ergebnis zu zweifeln, gäbe allein das Merkmal der „selbständigen Wahrnehmung“ der Hoheitsbefugnisse. Teilweise wird versucht, dieses durch den Zusatz „im eigenen Namen“ zu verdeutlichen.188 Die Standards ergehen aber in der Regel nicht bereits ursprünglich in Form eines hoheitlichen Rechtsaktes. Dem privatrechtsförmigen Standardsetzer wird nicht Hoheitsgewalt zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen, sondern seine Standards erhalten im Rahmen der Kooperationsbeziehung erst hoheitliche Wirkung durch den Rezeptionsakt, an dessen Rechtsfolgen sie partizipieren. Diese nicht zwingende, aber bisher übliche Rechtskonstruktion führt dazu, dass der Standardsetzer auf einen hoheitlichen Integrationsakt angewiesen ist, soll seinen Standards Hoheitsgewalt innewohnen. Dennoch bewirkt die zukünftige rechtliche Bindung des hoheitlichen Kooperationspartners an den Inhalt der Standards, dass auch der privatrechtlich organisierte Standardsetzer Hoheitsgewalt (mit-)ausübt und damit hoheitliche Befugnisse im Rahmen der ihm übertragenen Verantwortung eigenständig wahrnimmt. Zutreffend weist Burgi darauf hin, dass eine Beleihung nicht voraussetzt, dass der Private „im Außenverhältnis gegenüber den Aufgabenbetroffenen die abschließende Entscheidung“ erlässt.189 Folglich beinhaltet die Einrichtung einer Kooperationsbeziehung mit einem privatrechtsförmigen Standardsetzer unter dem Grundgesetz stets eine (zumindest faktische)190 Beleihung, wenn der Private Standardsetzer Regierungsgewalt (mit-)ausübt.191 Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass auf der Regierungsebene privatrechtsförmige Standardsetzer nur zur (Mit-)Ausübung von Verwaltungsfunktionen eingesetzt werden dürfen, die Staatsleitung dagegen den unmittelbaren Staatsorganen vorbehalten ist.192 Die zweifelhafte Einordnung der regierungsamtlichen Warnungen und Empfehlungen als Staatsleitung hätte zur Folge, dass eine Beleihung zur verantwortlichen Mitwirkung in diesem TätigkeitsVgl. oben 3. Kapitel § 18 B. I. So beispielsweise Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (433); Maurer, Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56. Kritisch dazu Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (586) in Fn. 40; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 326 f. in Fn. 180. 189 Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (586) in Fn. 41. Vgl. auch Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 326 f. in Fn. 180: „Entscheidend ist die Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt.“ 190 Der Begriff „faktisch“ bezieht sich darauf, dass eine rechtswirksame Beleihung nach der herrschenden Meinung ein Gesetz voraussetzt, daher eine Beleihung ohne rechtliche Grundlage nur eine faktische, weil rechtlich unwirksame ist. Nicht erforderlich ist, dass das beleihende Gesetz den Begriff der Beleihung verwendet. „Ob und in welchem Umfang eine [ . . . ] Beleihung erfolgt, ist eine Frage der Auslegung des jeweils heranzuziehenden Gesetzes.“, vgl. BVerwGE 97, 117 (119). 191 Ebenso Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 326. 192 Vgl. Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 90 III Rn. 18. 187 188

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bereich der Regierung nicht möglich ist. Folglich könnten einem privatrechtlich organisierten Standardsetzer nicht dieselben Befugnisse wie der Kodex-Kommission übertragen werden. Liegt demnach eine Beleihung vor, so ist damit nach „allgemeiner Einigkeit“ zugleich der Gesetzesvorbehalt aktiviert.193 Ein Blick auf die dogmatische Herleitung des beleihungsbedingten Gesetzesvorbehalts lässt jedoch umgehend Zweifel an der Ausschließlichkeit dieser Schlussfolgerung aufkommen. Abgeleitet wird das Gebot der gesetzlichen Grundlage nämlich aus dem Demokratieprinzip, welches durch die Ausgliederung der hoheitlichen Befugnisse aus dem unmittelbaren staatlichen Bereich in wesentlicher Weise betroffen sei.194 Lehnt man, wie hier, eine organisationsrechtliche Wesentlichkeitstheorie ab, so richten sich die demokratisch bedingten Anforderungen195 an die Gestaltung der Entscheidungsverfahren dagegen auch bei Einbeziehung Privater in die Ausübung von Hoheitsgewalt an den Gesetzgeber und / oder die Regierung im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen. Folgt also nicht aus einem anderen Grund die ausschließliche Zuständigkeit des Gesetzgebers, dann kann die Beleihung einer privatrechtsförmigen Regierungskommission auch durch die Bundesregierung angeordnet werden. Zuletzt kann ein grundrechtsbedingter Gesetzesvorbehalt zum Tragen kommen, wenn die Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion zu Gunsten des Privaten Standardsetzers eingreifen, weil dieser zwangsweise in die Ausübung von Staatsgewalt integriert wird.196 b) Verwaltungskommissionen Die Fälle der staatlich oder privat getragenen Standardsetzer im Anwendungsbereich der Art. 83 ff., 28 Abs. 2 GG sollen wiederum am Beispiel der Bundesverwaltung197 untersucht werden:

So Weisel, Beleihung, S. 178. Vgl. BremStGH, NVwZ 2003, 81 (82, 83 f.); Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (242); Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 88; Weisel, Beleihung, S. 178 m. w. N. A.A. OVG Münster, NJW 1980, 1406 (1407), welches einen institutionellen Gesetzesvorbehalt annimmt. 195 Zu diesen allgemein 3. Kapitel § 18 A. und im Einzelnen C. 196 Vgl. Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 65, 369 ff., insbes. 370, zum Abwehranspruch aus Art. 9 Abs. 1, 3 Satz 1 GG bei der Zwangsintegration mit der Verpflichtung zur Binnendemokratisierung; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (255), zur Indienstnahme Privater. Siehe auch unten 3. Kapitel § 18 B. V. 197 Der Kompetenzschwerpunkt auch bei der Ausführung von Bundesgesetzen liegt dagegen im Bereich der Länder (vgl. Art. 83 GG). Es wird somit zumeist auf die Verteilung der Organisationsgewalt in den Länderverfassungen ankommen. 193 194

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

aa) Öffentlich-rechtliche Verwaltung Nimmt man die (einzige allgemeine) Regelung über die Bundesverwaltung in Art. 86 GG beim Wort, so steht die Anordnung der Kooperation mit einem Privaten Standardsetzer grundsätzlich der Regierung zu (Art. 86 Abs. 2 GG), soweit nicht der Gesetzgeber von seinem Zugriffsrecht Gebrauch gemacht hat oder eine speziellere Vorschrift (insbesondere Art. 87 ff. GG) etwas anderes bestimmt.198 Ohne an dieser Stelle eine vertiefte Analyse der grundgesetzlichen Vorschriften über die Bundesverwaltung auf ihren Aussagegehalt zur Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Legislative und Exekutive vorzunehmen, soll auf den wohl relevantesten und allgemeiner gefassten Gesetzesvorbehalt des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG hingewiesen werden. Entgegen einer Minderansicht199 sieht die herrschende Auffassung die primäre Intention dieser Vorschrift nicht in der Verteilung der Organkompetenz des Bundes, sondern in der Verteilung der Verwaltungskompetenz zwischen Bund und Ländern.200 „[N]icht in der parlamentarischen Legitimation bestimmter Organisationsformen der Bundesverwaltung, sondern in dem Schutz der Länder vor einem ,stillschweigenden‘ Entzug ihrer Verwaltungskompetenzen durch die Bundesexekutive liegt [die Funktion des Gesetzesvorbehalts in Art. 87 Abs. 3 GG]“.201 Nimmt der Bund die von Art. 87 Abs. 3 GG, entgegen dem Grundsatz in Art. 30, 83 GG, begründete fakultative Bundesverwaltungskompetenz in Anspruch, so gilt der Gesetzesvorbehalt. Andererseits ist ein Gesetz nicht erforderlich, wenn die Bundeskompetenz schon durch andere speziellere Verfassungsnormen begründet ist, unabhängig davon, ob der Bund diese Verwaltungskompetenz in Form „der Bundesoberbehörde, der Anstalt, der Körperschaft oder einer sonstigen Organisationsform wahrnehmen will“.202 bb) Privatrechtsförmige Verwaltung Nicht ausdrücklich erwähnt werden dagegen die privatrechtlichen Formen der Verwaltungsorganisation, die aber immerhin in den Spezialvorschriften der Art. 87d Abs. 1 Satz 2, 87e Abs. 3 und 87 f. Abs. 2 GG Anerkennung finden.203 Ihre organisationsrechtliche Zulässigkeit wird von der ganz herrschenden Meinung unter Hinweis auf das weite staatliche Gestaltungsermessen im Bereich der Verwaltungsorganisation befürwortet.204 Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 86 Rn. 10. Rupp, in: FS Dürig, S. 387 (392). 200 Broß, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 87 Rn. 27; Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 87 Rn. 71; Ipsen, Staatsrecht I, § 11 Rn. 632 ff.; Lerche in: Maunz-Dürig, GG Bd. V, Art. 87 Rn. 166 ff. 201 Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 87 Rn. 71. 202 Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 87 Rn. 71. 203 Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 86 Rn. 23; Weisel, Beleihung, S. 53. 198 199

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Aus drei unterschiedlichen Gründen, die jedoch miteinander zusammenhängen, könnte nun die kooperative exekutive Normsetzung unter Mitwirkung eines privatrechtlich organisierten Standardsetzers, wie beispielsweise des eingangs erwähnten Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees,205 einer gesetzlichen Grundlage bedürfen.206 Erstens wird ein organisationsrechtliches Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Verwaltung in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen und privatrechtsförmiger Verwaltung angenommen;207 zweitens ist der kooperativen Rechtsetzung eine Übertragung von Hoheitsgewalt immanent,208 die als Beleihung zu qualifizieren sein könnte; drittens fehlt im Grundgesetz eine allgemeine Regelung der privatrechtsförmigen Verwaltung vollständig, so dass, wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Privatrechtssubjektes, eine analoge Anwendung der Art. 87 Abs. 3, 87d Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht kommt. Der erste Grund kann nach der hier vertretenen Ansicht keine ausschließliche Zuständigkeit des Gesetzgebers auslösen, denn selbst wenn sich dem Grundgesetz tatsächlich ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis entnehmen ließe, so zöge das nicht automatisch die Geltung des Gesetzesvorbehalts nach sich. Ein solches Ergebnis folgte nur aus der – hier abgelehnten – Annahme, dass dem Gesetzgeber auch im Bereich der Verwaltungsorganisation alle wesentlichen Entscheidungen vorbehalten wären. Wie bereits dargelegt,209 handelt es sich bei der Anordnung kooperativer Standardsetzung unter verantwortlicher Mitwirkung eines privatrechtsförmigen Standardsetzers stets um eine Beleihung, die nach herrschender Meinung nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf. Abgeleitet wird dieser institutionelle Gesetzesvorbehalt aus dem Demokratieprinzip. Aufgrund der Wesentlichkeit der Beleihung müsse der Gesetzgeber diese Entscheidung selbst treffen. Weil hier eine 204 BVerfGE 63, 1 (34, 40 f.); Blümel, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 101 Rn. 89; Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (432); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 217; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 115 f., 117 ff.; Erbguth, UPR 15 (1995), 369 (373); Groß, Das Kollegialprinzip, S. 33 ff., 273; Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 86 Rn. 47 m. w. N.; Lerche, in: Maunz-Dürig, GG Bd. V, Art. 86 Rn. 60, 76; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9; Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, Vor § 90 I 1 Rn. 4. 205 Vgl. oben § 1. 206 Vgl. beispielsweise pauschal Groß, Das Kollegialprinzip, S. 273: „Auch die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform ist eine aufgabenbezogene Abwägung, die in ihren Grundzügen durch den Gesetzgeber vorstrukturiert werden muss“, S. 275; Erbguth, UPR 15 (1995), 369 (373); Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 322: „Verantwortungsteilung unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes, sofern damit ein bestimmter privater Einfluss auf die staatlichen Entscheidungen einhergeht oder gar die Entscheidungen vom Privaten getroffen werden.“ A.A., wie hier, Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (255). 207 Dazu mit je weiteren Nachweisen Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 213 ff.; Weisel, Beleihung, S. 119 f. 208 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III. 1. 209 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. a) bb).

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

organisationsrechtliche Wesentlichkeitstheorie abgelehnt wird, kann diese Schlussfolgerung nicht geteilt werden. Vielmehr richtet sich die Verpflichtung, alle wesentlichen Entscheidungen für die Gestaltung der Legitimationsverfahren zu treffen, an den Gesetzgeber und / oder die Regierung bei einem diesbezüglich umfassenden parlamentarischen Zugriffsrecht (Art. 86 Satz 2 GG). Schließlich könnte doch noch ein institutioneller Gesetzesvorbehalt für die Einrichtung kooperativer privatrechtsförmiger Standardsetzung im Bereich der Administrative eingreifen. Teilweise wird vertreten, dass eine analoge Anwendung der Art. 87 Abs. 3 Satz 1, 87d Abs. 1 Satz 2 GG immer dann eine gesetzliche Grundlage erforderlich mache, wenn eine außenwirksame Organisationsmaßnahme getroffen werde, also insbesondere in den Fällen des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG, nämlich der Einrichtung eines verselbständigten Verwaltungsträgers.210 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Art. 87d Abs. 1 Satz 2 GG als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig ist und Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG nicht die Errichtung der darin umschriebenen verselbständigten Organisationsformen, sondern die Inanspruchnahme neuer, nicht bereits nach Spezialvorschriften begründeter Verwaltungsaufgaben durch den Bund unter Gesetzesvorbehalt stellt.211 Richtigerweise darf die Verwendung privater Rechtsformen nicht zu einer Umgehung dieser föderalen Kompetenzverteilung führen,212 so dass Art. 87 Abs. 3 GG durchaus entsprechend auf die privatrechtsförmige Standardsetzung anzuwenden ist. Ein Gesetzeserfordernis resultiert daraus aber nur, wenn der Bund eine nach Art. 30 oder 83 GG den Ländern zustehende Verwaltungskompetenz nunmehr selbst wahrnehmen will.213 So trifft dies beispielsweise auf die dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee und dem Bundesjustizministerium übertragene Aufgabe der Konkretisierung der Grundsätze ordnungsgemäßer Konzernrechnungslegung zu.214 Nur weil das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee an der bundeseinheitlichen exekutiven Normsetzung mitwirkt, zu der der Bund im Bereich der Rechnungslegung allein durch Art. 87 Abs. 3 i.V.m. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ermächtigt wird, bedarf es für diese Tätigkeit einer gesetzlichen Grundlage. Diese ist mit § 342 HGB durch Art. 2 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich in das HGB eingefügt worden.215

210 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Bd. I, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 113, der für alle außenwirksamen Organisationsmaßnahmen, zu denen er die Errichtung von Verwaltungsträgern oder Behörden einschließlich der Zuständigkeitsabgrenzungen zählt, den Gesetzesvorbehalt aktivieren will. Ebenso Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 481; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 88. 211 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. b) aa). 212 Blümel, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 101 Rn. 89. 213 Ebenso Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 87 Rn. 79 m. w. N. in Fn. 320. 214 Vgl. dazu oben § 1. 215 KonTraG, BGBl. I / 1998, 786.

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2. Nach dem europäischen Verfassungsverbund Im 2. Kapitel ist gezeigt worden, dass der Zurechnungszusammenhang mit einer Willensvermittlung zwischen den Legitimationssubjekten und dem Europäischen Parlament einerseits und dem Rat andererseits beginnt. Diese beiden Organe müssen deswegen die wesentlichen Entscheidungen auch im Bereich der Gestaltung der (europäischen) Entscheidungsverfahren treffen.216 Sollen in diese Verfahren Private Standardsetzer verantwortlich eingebunden werden, so müssen die Grundzüge der kooperativen Rechsetzung, also (ggf.) die Errichtung des Standardsetzers, dessen Handlungsbefugnisse und die Art ihrer Ausübung sowie das Verfahren der Kooperation mit den übrigen Institutionen der Europäischen Union, von den benannten Hoheitsorganen im Rahmen der ihnen durch das Primärrecht zugewiesenen Kompetenzen bestimmt werden. Die Beteiligungsmodalität des Europäischen Parlaments an diesen Gestaltungsentscheidungen richtet sich primär nach der rechtlichen Grundlage, sekundär kommt das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts217 zum Tragen, nach dem das Europäische Parlament zumindest angehört werden muss.218 Kommt keine speziellere Vorschrift zur Anwendung,219 so wird nach herrschender Meinung im Schrifttum Art. 308 EG220 herangezogen, der die Befugnisse zur Schaffung von 216 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. I. u. 3. Kapitel § 18 A. Das betrifft also nicht die Schaffung solcher Einrichtungen, die nicht mit (Mit-)Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind, da sie dann nicht in die legitimationsbedürftigen hoheitlichen Entscheidungsverfahren (verantwortlich) integriert sind. Vgl. z. B. Oppermann, Europarecht, § 5 Rn. 447, zur Errichtung des Statistischen Amts der EG durch die Kommission. 217 Das aber nicht vertragliche Kompetenzzuweisungen überlagern oder verdrängen kann, dazu Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (560). 218 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. II. 1. Dieses verbietet es auch, dass die Schaffung eines verselbständigten Standardsetzers innerhalb der Kommission ohne deren Mitwirkung durch den Rat angeordnet wird, vgl. (allgemein) Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (567). 219 Ausführlich zu den bisher vom Rat gegründeten Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit und den zugrunde liegenden Vorschriften Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 216 f. Nach Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (558), „mögen einzelne Sachkompetenzen zugleich organisatorische Maßnahmen wie die Errichtung eines neuen Verwaltungsträgers decken.“ So auch EuGH, Slg. 1977, 741 (756), Rs. 1 / 76 – Stilllegungsfonds, zu Art. 75 Abs. 1 lit. c EWGV (heute: Art. 71 Abs. 1 lit. b EG). Siehe auch Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 62 ff. 220 Zu den Voraussetzungen dieser Ermächtigungsnorm im Zusammenhang mit der Schaffung vertraglich nicht vorgesehener Einrichtungen siehe Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 105 ff.; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (559): „Maßnahmen nach Art. 308 EG [stehen] unter einem doppelten Erforderlichkeitsvorbehalt. Zum einen muss ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich erscheinen, und zum anderen kommt es darauf an, dass der Vertrag die dafür erforderlichen Befugnisse nicht an anderer Stelle vorsieht. [ . . . ] Für die Gründung verselbständigter juristischer Personen bedeutet das, dass die ansonsten vorgesehenen Verwaltungstypen, nämlich die gemeinschaftsunmittelbare Verwaltung durch die Kommission einerseits und der indirekte Vollzug des Gemeinschaftsrechts andererseits, nicht ausreichen dürfen. Es muss Gründe

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

vertraglich nicht explizit vorgesehenen Gemeinschaftseinrichtungen auch mit eigener Rechtspersönlichkeit beinhaltet.221 Dass auch die Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf juristische Personen des Privatrechts denkbar ist, zeigen die Meroni-Urteile des EuGH, in denen der Gerichtshof eine derartige Delegation unter gewissen Bedingungen222 für zulässig erachtet hat.223 Entscheidungen, die die Einrichtung des Privaten Standardsetzers betreffen, sind daher in der Regel (Art. 308 EG) auf Vorschlag der Kommission vom Rat (einstimmig) zu erlassen. Das Europäische Parlament muss nur angehört werden. Das gilt auch, wenn der Standardsetzer als verselbständigter Teil innerhalb der Kommission eingerichtet werden soll, in welchem Fall aber zusätzlich die Mitwirkung der Kommission erforderlich ist.224 Zumeist wird die Schaffung des Standardsetzers oder die Befugnisübertragung zusammen mit den inhaltlichen Direktiven in einer Grundverordnung i.S.v. Art. 202 3. Spiegelstrich EG ergehen. In diesem Fall muss das Europäische Parlament in dem Verfahren beteiligt werden, welches die zu Grunde liegende Einzelermächtigung vorsieht. Das gilt unabhängig davon, ob die Rechtsgrundlage die Befugnis zur Schaffung des Standardsetzers enthält oder die Verordnung insoweit ergänzend auf Art. 308 EG gestützt werden muss. Übertragen auf das im 2. Kapitel untersuchte Beispiel der IAS / IFRS des IASB kommt es folglich darauf an, ob Art. 95 Abs. 1 EG, auf den der Erlass der IAS-Verordnung gestützt wurde, nicht nur die Befugnis zur Rechtsvereinheitlichung der Bilanzierungsvorschriften, sondern auch diejenige zur Errichtung einer Kooperationsbeziehung mit einer vertragsfremden Einrichtung umfasst. Hätte nämlich für geben, die gerade die Rechtsform der mittelbaren Gemeinschaftsverwaltung [ . . . ] fordern.“ Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Schaffung bzw. Einschaltung bereits existierender Privater Standardsetzer übertragen. 221 Vgl. Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 65; Bleckmann, Europarecht, § 7 Rn. 377; Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 55; Oppermann, Europarecht, § 5 Rn. 458 ff.; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (559); Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 215 m. w. N. 222 Zu den Grenzen der Befugnisübertragung vgl. unten 3. Kapitel § 18 III. 2. 223 Vgl. EuGH, Slg. 1958, 1 (44) u. 56 (82), Rs. 9 / 56 u. 10 / 56 – Meroni. Der EuGH hatte in seinem Urteil über die Zulässigkeit einer in Art. 53 Abs. 1 EGKS-Vertrag vorgesehenen Delegation von der Hohen Behörde (nach 1967: Kommission) im Vertrag zugewiesenen Durchführungsbefugnissen auf einen privatrechtlichen Verband mit eigener Rechtspersönlichkeit zu entscheiden. Auch die verantwortliche Beteiligung der privatrechtlich organisierten Sozialpartner an dem Erlass von Richtlinien im Rahmen des Sozialen Dialogs wurde unter diesem Aspekt vom EuG, Slg. 1998, II-2335 (2371), Rs. T-135 / 96 – UEAPME, nicht beanstandet, vgl. dazu bereits oben 2. Kapitel § 14 B. II. 2.; Hilf, Organisationsstruktur, S. 84, 166 f., hält die Einschaltung von vorgefundenen oder noch zu schaffenden Privatrechtssubjekten auch unabhängig von einer konkreten vertraglichen Ermächtigung für zulässig. Werden dem Privatrechtssubjekt hoheitliche Befugnisse übertragen, so sieht Hilf, Organisationsstruktur, S. 84, darin eine Beleihung. 224 Vgl. oben in Fn. 218.

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die Organisationsentscheiung zusätzlich Art. 308 EG herangezogen werden müssen, so wäre dessen Einstimmigkeitserfordernis für die Ratsentscheidung verletzt worden, was die Rechtswidrigkeit der Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf das IASB zur Folge hätte.225 Doch spricht Art. 95 Abs. 1 EG, der gegenüber Art. 308 EG zudem die speziellere Norm ist,226 ganz allgemein von „Maßnahmen“ und ermächtigt zur Delegation von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission. Insofern spricht einiges dafür, dass diese Vorschrift auch die Übertragung solcher Befugnisse auf eine bereits existierende vertragsfremde Standardisierungsorganisation, deren Entscheidungen der Kontrolle durch die Kommission unterliegen, zulässt. 3. Zwischenergebnis: Rechtliche Grundlage Nach dem Grundgesetz bedarf die Bildung, Errichtung und Einrichtung eines Privaten Standardsetzers oder die Anordnung einer Kooperation mit einem bereits existenten Standardsetzer grundsätzlich keiner gesetzlichen Grundlage. Auch die Regierungen können die Organisationsentscheidungen eigenständig treffen. Ausnahmen bestehen auf Länderebene, wenn die jeweilige Landesverfassung die Organisationskompetenz ausschließlich dem Landesgesetzgeber zuweist. Darüber hinaus kann bezüglich aller Typen Privater Standardsetzung ein Gesetzesvorbehalt eingreifen, wenn die Organisationsentscheidungen grundrechtswesentlich sind.227 In ihrer Abwehrfunktion können die Grundrechte auch zugunsten des unfreiwillig zur legitimationsbedürftigen Standardsetzung herangezogenen Privatrechtssubjektes eingreifen und den Gesetzesvorbehalt aktivieren.228 Zieht der Bund durch die Anordnung der kooperativen Standardsetzung neue Verwaltungskompetenzen an sich, so kommt unabhängig von der Organisationsform der organisatorische Gesetzesvorbehalt des Art. 87 Abs. 3 GG zum Tragen.229 Auf europäischer (Zentral-)Ebene muss die Kooperationsbeziehung mit einem Privaten Standardsetzer durch das Europäische Parlament und den Rat angeordnet werden. Die Beteiligungsform des Europäischen Parlaments variiert jedoch je nach Ermächtigungsgrundlage zwischen Anhörung, Zusammenarbeit und Mitentscheidung. Das Initiativrecht steht grundsätzlich der Kommission zu.230 Ein weiterge225 Vgl. zu der Verletzung wesentlicher Formvorschriften bei der Wahl einer unzutreffenden Rechtsgrundlage Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 230 EG Rn. 128. 226 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 2, Art. 95 EG Rn. 50. 227 Vgl. (zur restriktiven Auslegung dieses organisatorischen Gesetzesvorbehalts) oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. a) aa). 228 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. a) bb). 229 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. b) aa) u. bb). 230 Vgl. aber oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. a) bei u. in Fn. 435, zu dem durch nachgeordnetes Recht begründeten parallelen Initiativrecht des Europäischen Parlaments.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

hendes Beteiligungsrecht der Kommission ergibt sich, wenn der Standardsetzer ein verselbständigter Teil ihrer selbst werden soll.231

III. Grenzen der Befugnisübertragung Bereits bei der Bestimmung des Soll-Niveaus sind die Grenzen der Befugnisübertragung in allgemeiner Form beschrieben worden. Aufgrund des verfassungsrechtlich geforderten praktisch wirksamen Willens- und Verantwortungszusammenhangs darf es nicht dem Privaten Standardsetzer überantwortet werden, die für die nähere Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Grundkonsenses besonders wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Wie der Zurechnungszusammenhang zwischen den Legitimationssubjekten und den Entscheidungen des Privaten Standardsetzers im Einzelnen hergestellt werden kann, soll im nächsten Abschnitt untersucht werden (C.). Nachfolgend gilt es, gegebenenfalls zusätzliche verfassungsrechtliche Grenzen für die Befugnisse (bestimmter Formen) Privater Standardsetzung aufzufinden. 1. Nach dem Grundgesetz Durch die Einbindung Privater Standardsetzer wird die exekutive Normsetzung in einem gewissen Maße privatisiert.232 Ließe sich die kooperative Standardsetzung damit zugleich einer der unter dem Begriff der Privatisierung233 zusammengefassten, außerordentlich unterschiedlichen Gestaltungsformen234 der Übertragung öffentlicher / staatlicher Aufgaben235 auf Private zuordnen, so bedürfte es einer Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung.236 Obwohl die Kategorienbildung bislang nicht einheitlich vorgenommen wird,237 lässt sich zumindest eine Grobeinteilung in die materielle (Aufgaben-)PrivatisieVgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 2. Auch Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (432, 465), spricht von einer Privatisierung der Rechtsetzung. 233 Allgemein zu Begriff und Erscheinungsformen der Privatisierung Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 ff.; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 ff.; Jaag, VVDStRL 54 (1995), 287 ff.; Di Fabio, JZ 1999, 585 ff.; Kutscha, NJ 51 (1997), 393 f.; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1970), 137 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 ff.; Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (105 f.); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 30 ff.; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 28 ff. 234 Überblick bei Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (105). 235 Zu den Begriffen „Staatsaufgabe“ und „öffentliche Aufgabe“ im Zusammenhang mit der Privatisierung siehe Di Fabio, JZ 1999, 585 ff. 236 Dazu Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 175 ff.; Di Fabio, JZ 1999, 585 (590 ff.); ausführlich Kämmerer, Privatisierung, S. 174 ff.; Kutscha, NJ 51 (1997), 393 (394 ff.); Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (106 ff.); enumerativ Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, Vor § 90 I 1 Rn. 8. 231 232

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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rung, d. h. eine echte Herauslösung der betreffenden Aufgabe aus dem staatlichen Verantwortungsbereich,238 und die übrigen Privatisierungsformen,239 bei denen der Staat weiterhin zumindest eine Teilverantwortung für die Erfüllung der Aufgabe trägt (formelle [Organisations-]Privatisierung, funktionelle Privatisierung, Verfahrensprivatisierung), vornehmen. Gemessen an dieser Einteilung handelt es sich bei allen Formen legitimationsbedürftiger Privater Standardsetzung nicht um eine materielle (Aufgaben-)Privatisierung, weil der Staat für die von ihm veranlasste (exekutive) Normsetzung stets die volle (Erfüllungs-)Verantwortung240 trägt.241 Dagegen könnten im Fall der privatrechtsförmigen Standardsetzung eine formelle und eine funktionale Privatisierung vorliegen. Eine formelle (Organisations-)Privatisierung wird angenommen, wenn die Erledigung der Staatsaufgabe vom Staat in privatrechtlicher Form wahrgenommen wird.242 Dies trifft auf die privatrechtsförmige Standardsetzung (teilweise) zu.243 Auch wenn man eine formelle (Organisations-)Privatisierung bei der Beleihung ablehnte, weil der Standardsetzer dadurch organisatorisch in das System der öffentlichen Verwaltung eingegliedert werde,244 so wird die Beleihung regelmäßig zumindest der funktionalen Privatisierung zugerechnet.245 237 Di Fabio, JZ 1999, 585, der in Bezug auf die Privatisierung von einem schillernden Begriff spricht; Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, Vor § 90 I 1 Rn. 10. 238 Siehe BremStGH, NVwZ 2003, 81 (83); Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 30. Gegen eine materielle (Aufgaben-)Privatisierung spricht nicht, dass sich der Staat bestimmte Kontrollrechte vorbehält (Stichwort: Regulierung), vgl. Di Fabio, JZ 1999, 585. 239 Die Vermögensprivatisierung wird hier der materiellen Privatisierung zugerechnet, vgl. Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 35 f. 240 Zum Denken in Verantwortungsstufen übersichtlich Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 84 f. 241 So, allgemein zur Beleihung, Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (592); Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 42. 242 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 60; Kutscha, NJ 51 (1997), 393; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 30. Strittig ist jedoch, ob mit dieser Kategorie nur die Wahrnehmung von öffentlichen / staatlichen Aufgaben durch die staatlich beherrschten (Eigen-)Gesellschaften bezeichnet wird oder auch durch „extern, also anders als durch Beteiligung, beeinflusste“ Privatrechtssubjekte, vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 76. 243 Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 76; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 39 ff. 244 So, allgemein zum Beliehenen, Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 60, 63 bei Fn. 227; Di Fabio, JZ 1999, 585 (588); Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (106); a.A. Kutscha, NJ 51 (1997), 393 (394). Der formellen (Organisations-)privatisierung ordnen die Vertreter dieser Ansicht nur die Einschaltung einer staatlich beherrschten (Eigen-)gesellschaft zu. 245 BremStGH, NVwZ 2003, 81 (83); Lange, DÖV 54 (2001), 898 (901); Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (106); Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 371 f.; Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 90 III Rn. 17; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 39, der die funktionelle Privatisierung als „Spielart der formellen Privatisierung“ einstuft (38

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Die staatsgetragenen Standardsetzer lassen sich dagegen nicht unter die üblichen Definitionen246 der funktionellen Privatisierung subsumieren. Dennoch berührt auch die Integration Privater in öffentlich-rechtliche Standardsetzer den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG, über dessen Auslegung (vornehmlich) im Zusammenhang mit den Grenzen der Privatisierung gestritten wird.247 Nach Art. 33 Abs. 4 GG ist die „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse [ . . . ] als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“ Mit Letzterem ist insbesondere das Beamtenverhältnis gemeint.248 Die Vorschrift begründet also ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Beamten bei der „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“.249 Umstritten ist nun, ob Art. 33 Abs. 4 GG damit auch einen Staatsvorbehalt zum Ausdruck bringt, der der Privatisierung verfassungsrechtliche Schranken setzt.250 Die mit dieser Auslegungsfrage verbundene Weichenstellung betrifft aber vor allem zwei hier nicht unmittelbar einschlägige Streitfragen, nämlich zum einen, ob bestimmte staatliche Kernbereiche wie Justiz, Polizei, Bundeswehr, Zoll, Strafvollzug und Steuererhebung materieller (Aufgaben-)Privatisierung unzugänglich sind,251 und zum anderen, ob, bei weiter Auslegung des Begriffs der „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“, der Beamtenvorbehalt über die (klassische) Ein-

m. w. N. in Fn. 176); a.A. Di Fabio, JZ 1999, 585 (589), der die Beleihung dafür aber der Verfahrensprivatisierung zurechnet. Gegen eine Privatisierung im Falle der Beleihung Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, Vor § 90 III 1 Rn. 11. 246 Di Fabio, JZ 1999, 585 (588), setzt voraus, dass der „Staat in Privatrechtsform handelt“; Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (106), hält eine Übertragung der Aufgabe auf „ein Rechtssubjekt des Privatrechts“ für erforderlich; nach Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 38, ist die funktionelle eine Spielart der formellen Privatisierung, so dass ebenfalls eine Aufgabenwahrnehmung durch ein Privatrechtssubjekt erfolgen muss. Wegen der durchweg vorausgesetzten Einschaltung eines Privatrechtssubjekts spricht einiges dafür, die funktionelle Privatisierung als Spezialfall der formellen Privatisierung einzustufen. 247 Vgl. Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (105). 248 Kutscha, NJ 51 (1997), 393 (394); Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 56 m. w. N. in Fn. 289. 249 Di Fabio, JZ 1999, 585 (590 f.). Die Vorschrift gilt auch für die Ländern, vgl. BremStGH, NVwZ 2003, 81 (85). 250 So Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 221; ders., in: FS Maurer, S. 581 (590 f.); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 508; Di Fabio, JZ 1999, 585 (592), der aber von einer funktionellen Betrachtungsweise ausgeht und den Staatsvorbehalt bei der Ausübung hoheitlicher Befugnisse vor allem im Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie in den Grundrechten verankert sieht; Kutscha, NJ 51 (1997), 393 (395); Kämmerer, Privatisierung, S. 214 ff.; Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 5. A.A. Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (105); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 23. 251 Ausgeführt bei Di Fabio, JZ 1999, 585 (591); Kutscha, NJ 51 (1997), 393 (395). Dagegen BremStGH, NVwZ 2003, 81 (86): „Art. 33 IV GG setzt einer Flucht aus dem Beamtenrecht eine Schranke, nicht einer Entstaatlichung von Handlungsfeldern.“

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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griffsverwaltung hinaus auch die Leistungsverwaltung erfasst, für welche er dann zur faktischen Privatisierungssperre wird.252 Erst in einer dritten, von der zweiten nicht klar trennbaren253 Variante wird der Streit um die Auslegung des Art. 33 Abs. 4 GG für die kooperative Standardsetzung relevant: Während die Vorschrift auf die staatlich getragenen Standardsetzer unmittelbar anwendbar ist,254 könnte ihre Geltung für die beliehenen privatrechtsförmigen Standardsetzer mit der Begründung abgelehnt werden, dass sie nur die Aufgabenverteilung innerhalb des öffentlichen Dienstes bestimme.255 Sie beinhaltete dann keine Aussage, ob hoheitsrechtliche Befugnisse auf beliehene Privatrechtssubjekte übertragen werden dürfen. Diese nicht-funktionelle, einen organisationsrechtlichen Gehalt des Art. 33 Abs. 4 GG verneinende Betrachtungsweise wird jedoch überwiegend abgelehnt,256 selbst wenn eine enge Auslegung der Vorschrift favorisiert wird.257 Gerade im Fall der Beleihung üben die beliehenen Privatrechtssubjekte hoheitliche und damit auch hoheitsrechtliche Befugnisse aus. Etwas anderes lässt sich mit den Vertretern einer engen Auslegung der hoheitsrechtlichen Befugnisse nur für die Fälle annehmen, in denen kooperativ erlassene Standards in Form eines unverbindlichen Rechtsakts ergehen, also beispielsweise, wie die Regelungen des Deutschen Corporate Governance Kodexes, als staatliche Empfehlungen oder, wie im Umwelt- und Technikrecht üblich, als den Bürger nicht bindende Verwaltungsvorschriften.258 Jedenfalls auf einseitig verbindliche Standards dürfte die herrschende Meinung Art. 33 Abs. 4 GG anwenden.259 Die mit dem Wandel der staatlichen 252 Ausgeführt bei Kämmerer, Privatisierung, S. 216 f. m. w. N.; Unruh, VerwArch 92 (2001), 531 (539 f.). Vgl. auch die Nachweise bei Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 57 in Fn. 295. Dafür BremStGH, NVwZ 2003, 81 (86). 253 Vgl. zu den verschiedenen Auslegungen des Begriffs der „hoheitsrechtlichen Befugnisse“ Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 57. 254 Zu einer möglichen Ausnahmen bei enger Auslegung des Begriffs der „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ siehe unten bei Fn. 258. 255 So Scholz, DGVZ 118 (2003), 97 (106); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 23. 256 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 221; ders., in: FS Maurer, S. 581 (590), wo dieser Art. 33 Abs. 4 GG auf die Beleihung anwendet; DAV, Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens, S. 7; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 508; Kutscha, NJ 51 (1997), 393 (395); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 30. 257 Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 58 f., die aber aufgrund ihrer funktionellen Auslegung auch die Gewährung grundrechtswesentlicher Leistungen vom Funktionsvorbehalt erfasst sieht. 258 Di Fabio, JZ 1999, 585 (592); Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 58, verstehen unter hoheitsrechtlichen Befugnisse beide nur die Ausübung der „spezifisch staatlichen Befugnis zu einseitig verbindlicher, erforderlichenfalls mit Zwang durchsetzbarer Regelung“. A.A. BremStGH, NVwZ 2003, 81 (85). 259 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 221; ders., in: FS Maurer, S. 581 (590 ff.); DAV, Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens, S. 4, 7; Dederer, Korpo-

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Handlungsformen260 einhergehende weite Auslegung der Grundrechte oder des Begriffs der Staatsgewalt in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG dürfte aber dafür sprechen, auch unverbindliche hoheitliche Maßnahmen als hoheitsrechtliche Befugnisse i.S.v. Art. 33 Abs. 4 GG anzusehen. Sowohl die Mitglieder der öffentlich-rechtlichen als auch der privatrechtsförmigen Standardsetzer müssten daher in der Regel Beamte sein. Sollen die Mitglieder des Standardsetzers nicht in ein Beamtenverhältnis übernommen werden261 und handelt es sich bei der kooperativen Standardsetzung um eine „ständige Aufgabe“ i. S. d. Art. 33 Abs. 4 GG,262 kommt es für deren Zulässigkeit maßgeblich darauf an, ob sie ausnahmsweise aus sachlichen Gründen geboten erscheint und ob das Schwergewicht hoheitlicher Tätigkeit, bereichsspezifisch, unverändert bei den Beamten liegt.263 Ob diese Kriterien erfüllt sind, muss in jedem Einzelfall kooperativer Standardsetzung gesondert überprüft werden.264 Generell sprechen jedoch einige Gesichtspunkte für die Kooperation mit Privaten Standardsetzern. So kann durch die Einbindung Privater gezielt der erforderliche Sachverstand mobilisiert werden. Auch werden die privaten Fachleute der Praxis oftmals näher stehen, als die staatlichen Vollzugsbeamten, was neben einer praxisnahen Regelung zugleich eine erhöhte Bereitschaft zur Normbefolgung bei den Betroffenen erwarten lässt. Außerdem, weil zumeist die beteiligten Kreise die Kosten der Regelsetzung selbst tragen, wird der Staat in finanzieller Hinsicht entrative Staatsgewalt, S. 508; Di Fabio, JZ 1999, 585 (592); Kutscha, NJ 51 (1997), 393 (395); Lange, DÖV 54 (2001), 898 (902), zur Anwendung auf die Beleihung; Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 55, siehe auch Fn. 287 zu der Zulässigkeit von Ausnahmen; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 30. 260 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 A. bei Fn. 30. 261 Denkbar ist, auch die Mitglieder des privatrechtlich organisierten Standardsetzers in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen, indem jener zusätzlich mit der Dienstherrenfunktion beliehen wird, vgl. Kämmerer, Privatisierung, S. 217. Das dürfte aber oftmals den Zwecken der Privaten Standardsetzung widersprechen. 262 Das könnte für die Mitwirkung an der Erstellung des Deutschen Corporate Governance Kodex zweifelhaft sein, weil die Kodex-Kommission, ebenso wie die Indizierungstätigkeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (dazu BVerfGE 83, 130 [150]), nur diskontinuierlich tätig wird, vgl. Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 61. Für eine „ständige Aufgabe“ in diesen Fällen jedoch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 510 f., mit einleuchtender Begründung. 263 So Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (590); Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 511; Maunz, in: ders.-Dürig, GG Bd. IV, Art. 33 Rn. 42: „Abs. IV ist also eine Art Wesensgehaltsgarantie für den Aufgabenbereich der Beamten.“; Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 90 IV 3, 4 Rn. 38. Kritisch zum Erfordernis eines sachlichen Grundes Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 62. Vgl. aber die Entscheidung BVerfGE 83, 130 (150), in der das Gericht, hilfsweise, die Rechtfertigung des Einsatzes nicht verbeamteter Personen mit sachlichen Erwägungen begründet. BremStGH, NVwZ 2003, 81 (86), hält auch Ausnahmen vom Funktionsvorbehalt für bereichsspezifische Gruppen bei Vorliegen eines sachlichen Grundes für möglich. 264 Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (590).

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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lastet.265 Diese Gründe können, insbesondere wenn der staatliche Vollzugsapparat aufgrund der Komplexität, der Schnelllebigkeit oder der Spezialität der zu regelnden Materie andernfalls überfordert wäre,266 den Einsatz von Privatpersonen zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben rechtfertigen. Gegen eine Verschiebung des Schwergewichts hoheitlicher Tätigkeit zu Lasten der Beamten spricht pauschal, dass kooperative Standardsetzung stets die Mitwirkung herkömmlich organisierter staatlicher Stellen, also auch verbeamteten Personals impliziert und dass sie oftmals als Reaktion auf einen erhöhten Regelungsbedarf installiert wird und dann keine Verlagerung von bisher durch Beamte wahrgenommenen Tätigkeiten auf den Privaten Standardsetzer mit sich bringt. Abschließend sei noch auf eine weitere organisationsrechtliche Privatisierungsschranke hingewiesen, die von einigen Autoren, sozusagen als Korrelat267 zu der Frage, ob Art. 33 Abs. 4 GG die Vornahme von sog. Kernaufgaben den Beamten vorbehält, in Form eines Kernbereichs (unmittelbarer) staatlicher Verwaltung aus den Art. 86 ff. GG herausgelesen wird.268 Während teilweise vertreten wird, dass die vom Grundgesetz obligatorisch der bundeseigenen Verwaltung zugewiesenen Aufgaben insgesamt privatisierungsfest seien,269 geht die wohl überwiegende Ansicht davon aus, dass nur ein Kernbereich dieser Aufgaben durch (weisungsgebundene) unmittelbare Bundesverwaltung wahrgenommen werden muss und im Übrigen auch andere Organisationsformen, insbesondere privatrechtliche, verwendet werden können.270 Einschränkend wird ein sachlicher Grund für die Wahl der Privatrechtsform – gemeint ist auch die Beleihung271 – und deren ausreichende Steuerung durch die oberste Leitungsebene (Ministerien) gefordert.272 Für das Vorliegen sachlicher Gründe kann auf die gleichgelagerte Problematik 265 Vgl. zu den Vorteilen der Privaten Standardsetzung auch Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 92 ff. 266 Vgl. Berberich, DRSC-Framework, S. 113. 267 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Verwaltungsorganisation und Verwaltungspersonal Schuppert, DÖV 48 (1995), 761 (765). 268 Vgl. Kämmerer, Privatisierung, S. 207 ff. m. w. N. Hier nicht relevant ist wiederum der Streit, ob die Art. 86 ff. GG auch eine Schranke für die materielle (Aufgaben-)Privatisierung enthalten, weil kooperative Standardsetzung zu den weiterhin staatlich wahrgenommenen Aufgaben gehört, vgl. nur Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 83 Rn. 10, Art. 87 Rn. 2. 269 So zuletzt Sachs, NJW 1987, 2338 (2341). 270 Blümel, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 101 Rn. 89; Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 86 Rn. 25, Art. 87 Rn. 20, 24, 28; Kämmerer, Privatisierung, S. 207 ff.; Lerche, in: Maunz-Dürig, GG Bd. V, Art. 86 Rn. 60 ff., insbes. 62. Vgl. in Bezug auf die funktionale Selbstverwaltung BVerfGE 38, 281 (299); 107, 59 (93), jedoch ohne verfassungsdogmatische Begründung. 271 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 87 Rn. 2. 272 VerwRspr. 28, 214 (220 – für die Beleihungsfälle); Blümel, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 101 Rn. 89; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 119 f.; Lerche, in: Maunz-Dürig, GG Bd. V, Art. 87 Rn. 62 f.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 87 Rn. 2.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

im Zusammenhang mit der Ausnahme vom Funktionsvorbehalt hingewiesen werden.273 Die Forderung nach ausreichender Steuerung des Privaten Standardsetzers könnte sich dagegen mit dem Erfordernis eines effektiven Willens- und Verantwortungszusammenhangs, also der Einhaltung des Soll-Niveaus Privater Standardsetzung, decken.274 Abgeleitet wird diese Voraussetzung für die formelle Privatisierung der Verwaltung aus dem Sinn der Zuweisung bestimmter Sachaufgaben zur bundeseigenen Verwaltung. Jener solle „in der Sicherstellung eines eigenverantwortlichen Bestimmungsrechts der politischen Führungsspitze in wichtigen Angelegenheiten und der gleichzeitigen Zurückweisung einer Aufgabenerfüllung durch verselbständigte, bloß der Rechtsaufsicht unterworfene Verwaltungssubjekte“ bestehen.275 Die deswegen geforderte „Durchsetzung[smöglichkeit] der staatlichen Führungsrolle in wichtigen Angelegenheiten“276 wird aber i.d.R. durch die zur Wahrung des Demokratieprinzips notwendige Herstellung eines effektiven Willens- und Verantwortungszusammenhangs in allen wesentlichen Fragen gewährleistet. In die gleiche Richtung zielen die im Zusammenhang mit der Beleihung aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzung der Fachbzw. Rechtsaufsicht277 und des Verbots der Übertragung wesentlicher Befugnisse auf den Beliehenen,278 die zum Teil explizit und zum Teil wohl implizit aus dem Demokratieprinzip abgeleitet werden.279 Aufgrund des eigenen Ansatzes bedürfen diese Schlussfolgerungen der Überprüfung im nächsten Abschnitt (C.). Verfassungsrechtlicher Maßstab bleibt dabei das Soll-Niveau Privater Standardsetzung, das es unabhängig von der Organisationsform herzustellen gilt.280 2. Nach dem europäischen Verfassungsverbund „Gemeinschaftsverfassungsrechtliche Maßstäbe für die Zuordnung von Aufgaben und Organisationsformen ergeben sich aus den Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung [Art. 5 Abs. 1 EG], der Subsidiarität [Art. 5 Abs. 2, 3 EG], des institutionellen Gleichgewichts, der Effektivität und des Vorbehalts öffentliVgl. oben nach Fn. 262. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 A. 275 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 119. 276 So Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 119. Weniger streng dagegen Blümel, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 101 Rn. 89 a.E., der das Erfordernis der staatlichen Anbindung im Falle einer Beleihung wohl als erfüllt ansieht. 277 Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (433); Di Fabio, JZ 1999, 585 (592); Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 43; vgl. auch die Nachweise bei Wolfers / Kaufmann, DVBl. 117 (2002), 507 (510) in Fn. 27 – 30. BremStGH, NVwZ 2003, 81 (83 ff.). 278 Britz, VerwArch 91 (2000), 418 (433 f.); Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (243). 279 Vgl. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (242); Stober, in: Wolff / Bachof / Stober, VerwR Bd. 3, § 90 I Rn. 38 a.E.; Wolfers / Kaufmann, DVBl. 117 (2002), 507 (510). 280 Zu diesem Zusammenhang zwischen den Anforderungen an die Beleihung und dem zu Grunde liegenden Demokratiemodell Wolfers / Kaufmann, DVBl. 117 (2002), 507 (510 ff.). 273 274

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cher Verwaltung281.“282 Dieser Aufzählung Winters ist noch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes als ein weiterer Maßstab für die Zulässigkeit der Befugnisübertragung auf Private Standardsetzer hinzuzufügen.283 Verfassungsrechtliche Grenzen für die kooperative Standardsetzung werden – überträgt man den Diskussionsstand zu vertraglich nicht vorgesehenen Einrichtungen hierauf284 – insbesondere aus den Prinzipien des institutionellen Gleichgewichts und der Notwendigkeit der Wahrung des gemeinschaftlichen Rechtsschutzsystems abgeleitet.285 Die Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität gelten für jedes gemeinschaftliche Handeln und setzen für die Zulässigkeit europäischer kooperativer Standardsetzung eine Gemeinschaftskompetenz und die Erforderlichkeit des Tätigwerdens durch die Gemeinschaft voraus.286 Befreit man das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts von möglichen Einflüssen des Demokratie- und des Rechtsprinzips, so bezeichnet es nur das gemeinschaftsverfassungsrechtlich positiv geregelte Kompetenzgefüge zwischen den Gemeinschaftsorganen untereinander (horizontal) sowie zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten (vertikal).287 Als besonders problematisch stellt sich die Delegation von (Mit-)Entscheidungsbefugnissen auf einen Privaten Standardsetzer im Zusammenhang mit dem Erlass der in Art. 249, 202 3. Spiegelstrich, 211 4. Spiegelstrich EG genannten Rechtsakte dar.288 Denn andere als die in den Vorschriften explizit bezeichneten Gemeinschaftsorgane werden nicht erwähnt. 281 Eine privatrechtsförmige Verwaltung dürfte Winter, EuR 40 (2005), 255 (264), mit diesem Begriff wohl nicht grundsätzlich ausschließen wollen. Vielmehr scheint er die Grenze zwischen öffentlicher Verwaltung und gesellschaftlicher Selbstorganisation mit derjenigen der materiellen (Aufgaben-)Privatisierung gleichzusetzen. 282 Winter, EuR 40 (2005), 255 (259). 283 Vgl. Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 71; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (571). 284 Dazu Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 71 ff.; Hilf, Organisationsstruktur, S. 293 ff.; Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 78 ff.; Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 115 ff., 168 ff.; Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 73 ff.; Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 214 ff.; Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen, S. 89 ff. 285 Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 71; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (569 ff.). 286 Winter, EuR 40 (2005), 255 (260 f.). 287 Ebenso Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 85; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (560). Vgl. ausführlich zu diesem Prinzip FischerAppelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 169 ff.; Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 142 ff. 288 Ausführlich zur Delegation von (auch legislativen) Verwaltungsbefugnissen FischerAppelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 117 ff.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Zwei Fallkonstellationen, in denen sich europäische Gerichte nicht an der verantwortlichen Mitwirkung von Privatrechtsorganisationen beim Erlass eines in Art. 249 EG benannten Rechtsakts gestoßen haben, sind bezüglich deren genereller Zulässigkeit wenig aussagekräftig.289 Dabei handelt es sich zum einen um die bereits erwähnten Meroni-Urteile290 des EuGH und zum anderen um das UEAPMEUrteil291 des EuG. In beiden Konstellationen lag der Beteiligung, das eine Mal an Durchführungsentscheidungen (Art. 211 4. Spiegelstrich EG) und das andere Mal am Erlass einer Richtlinie (Art. 249 EG), eine spezielle Ermächtigungsnorm zu Grunde (Art. 53 Abs. 1 des EGKS-Vertrages bzw. Art. 139 Abs. 3 EG). Als dritte Entscheidung, in der sich der EuGH mit der Zulässigkeit einer Delegation von (Mit-)Entscheidungsbefugnissen hätte befassen können, lässt sich das CremoniniUrteil anführen.292 Getan hat das der Gerichtshof indes nicht. Gegenstand des Urteils war eine Richtlinie, die eine (widerlegbare) Konformitätsvermutung mit allgemeiner gehaltenen technischen Sicherheitsanforderungen statuierte, wenn das Produkt den technischen Normen in der Richtlinie bezeichneter privater Standardisierungsorganisationen entsprach.293 Weil die Mitgliedstaaten den Verkehr der Betriebsmittel, von denen vermutet wurde, dass sie den Sicherheitsnormen entsprechen, nur unter Einhaltung eines eigens dafür vorgeschriebenen Verfahrens behindern durften,294 kam der Vermutung und damit den privaten Normen klar umschriebene Rechtswirkung für die umsetzungsverpflichteten Mitgliedstaaten und, nach der Umsetzung, auch gegenüber den Betroffenen zu. Durch die dynamische Verweisung auf die technischen Normen beinhaltete die Richtlinie also eine Delegation von Normsetzungsbefugnissen i.S.v. Art. 249 EG. Dass von dem Schweigen des EuGH auf die prinzipielle Zulässigkeit der Befugnisübertragung auf vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen geschlossen werden kann, lässt sich allerdings bezweifeln, denn in Anbetracht der Meroni-Rechtsprechung hätte der Gerichtshof die Delegation zumindest im Hinblick auf die dort aufgestellten Voraussetzungen295 problematisieren müssen.296 Schließlich hat der EuGH im Romano-Urteil unter Verweis auf Art. 249 EG (damals: 155 EWG-Vertrag) und das durch die Art. 230 u. 234 EG (damals: 173 u. 289 Bezogen auf die Meroni-Urteile ebenso Groß, Das Kollegialprinzip, S. 357; FischerAppelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 107; Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 113 f. 290 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 223. 291 Ebenda. 292 EuGH, Slg. 1980, 3583, Rs. 815 / 79 – Cremonini. 293 EuGH, Slg. 1980, 3583 (3608), Rs. 815 / 79 – Cremonini. Vgl. auch die Entschließung des Rates vom 07. Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung, ABl. C 136 v. 04. 06. 1985, S. 1. 294 EuGH, Slg. 1980, 3583 (3609), Rs. 815 / 79 – Cremonini. 295 Dazu Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 218 ff. 296 Kritisch zur technischen Normgebung insbesondere durch die CEN auch Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (269).

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177 EGW-Vertrag) geschaffene Rechtssystem eine Ermächtigung einer Stelle wie der Verwaltungskommission zum Erlass von Rechtsakten mit normativem Charakter für unzulässig erklärt.297 Im Schrifttum wird die Zulässigkeit der Befugnisübertragung auf vertragsfremde Einrichtungen kontrovers beurteilt.298 Überwiegend wird angesichts des klaren Wortlauts der Art. 249, 202 3. Spiegelstrich, 211 4. Spiegelstrich EG ein Delegationsverbot von Entscheidungsbefugnissen im Zusammenhang mit dem Erlass der darin geregelten Rechtsakte angenommen.299 Zwar könne der Rat nach Art. 202 3. Spiegelstrich EG Modalitäten für die Ausübung von Durchführungsbefugnissen festlegen, dies ermächtige ihn aber nicht zur Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf andere Einrichtungen als die Kommission oder sich selbst.300 Auch abgesehen von neofunktionalistischen Ansätzen, denen ein gänzlich anderes Verständnis des europäischen Institutionensystems zu Grunde liegt,301 wird angesichts der zunehmenden Aufgabenfülle und -komplexität eine Aufgabenverlagerung auf vertragsfremde Einrichtungen befürwortet.302 Im Vordergrund der BeEuGH, Slg. 1981, 1241 (1256), Rs. 98 / 80 – Romano. Meinungsüberblick bei Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 244 ff. Vgl. zur Übertragung auch von Entscheidungsbefugnissen auf verselbständigte Verwaltungseinheiten in der Rechtspraxis Groß, Das Kollegialprinzip, S. 338 ff. 299 Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 87, der aber nur eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen für ausgeschlossen hält, was angesichts der Definition von Durchführungsbefugnissen durch den EuGH als „Ausarbeitung von Durchführungsvorschriften“ und „Erlass individueller Rechtsakte“ (EuGH, Slg. 1989, 3457 [3485 f.], Rs. 16 / 88 – Kommission / Rat) zu einer nur schwer begründbaren unterschiedlichen Auslegung der gleichen Normpassage führt (siehe aber S. 90); Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 154 f., 181, die aber die Übertragung informeller und quasi-legislativer Durchführungsbefugnisse für zulässig hält, bezüglich letzterer aber wegen Abgrenzungsschwierigkeiten zu wirklich legislativem Handeln eine Vertragsänderung fordert; auch Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 145 ff., hält wohl, ebenso wie Berger, nur die Übertragung der Befugnis zur Einzelfallentscheidung für zulässig, nicht aber von Rechtsetzungsbefugnissen; Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 259 ff., 270, der aber anscheinend dann eine Übertragung zulassen will, wenn die vertraglich nicht vorgesehene Einrichtung von dem an sich zuständigen Gemeinschaftsorgan umfassend gesteuert wird und das Leitungsorgan mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt ist (Rn. 264). 300 Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 265. 301 Dazu Winter, EuR 40 (2005), 255 (263) und oben 1. Kapitel § 7 B. II. mit den entsprechenden Nachweisen. 302 Kommission, Communication of the Comission, The operating framework for the European Regulatory Agencies, Com (2002), 0718, Abschn. 4.2; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 358; Hilf, Organisationsstruktur, S. 317 ff.; Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 108 ff., insbes. 118 ff., der aber die Befugnis zum Erlass von Richtlinien, weil durch sie nur Politisch-Grundsätzliches geregelt werde, für nicht übertragbar hält; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (559); Winter, EuR 40 (2005), 255 (263), der eine Lockerung der Meroni-Kriterien befürwortet. 297 298

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

trachtung stehen dabei Einzelfallentscheidungen, eine Kooperation im Bereich der abstrakt-generellen Rechtsetzung wird bisher kaum miteinbezogen.303 Fraglich ist, ob sich kooperative Standardsetzung, die aufgrund der legitimationsbedürftigen Mitwirkung des Standardsetzers eine zumindest teilweise Verlagerung von Normsetzungsbefugnissen auf den Standardsetzer mit sich bringt, mit dem europäischen Primärrecht vereinbaren lässt. Der Wortlaut des Art. 249 EG steht eindeutig einer vollständigen Verantwortungsverlagerung entgegen. Dies gilt auch für die Art. 202 3. Spiegelstrich, 211 4. Spiegelstrich EG. Danach können Durchführungsbefugnisse nur entweder vom Rat oder der Kommission wahrgenommen werden. Bei einer kooperativen Standardsetzung kommt es jedoch nicht zu einer vollständigen Verantwortungsverlagerung, vielmehr üben die vertraglich zuständigen Gemeinschaftsorgane ihre Befugnisse gemeinsam mit dem jeweiligen Standardsetzer aus. Ist die Kooperationsbeziehung derart ausgestaltet, dass die (an sich allein) zuständigen Primärorgane den Standardsetzer ausreichend steuern können, so dürfte den Anforderungen der Befürworter einer Verlagerungsmöglichkeit Genüge getan sein.304 Jene lassen, wohl entgegen den in den MeroniUrteilen aufgestellten Delegationsvoraussetzungen,305 auch eine Übertragung von Ermessensbefugnissen zu, solange damit nicht die Berechtigung einhergeht, Entscheidungen von politischer Tragweite zu treffen.306 Je umfassender jedoch die übertragenen Befugnisse sind, desto effektiver sollen die Kontroll- und Aufsichtsrechte ausgestaltet sein müssen.307 Ob sich diese Kriterien allein aus dem Prinzip des institutionellen Gleichgewichts ableiten lassen oder ob nicht auch auf das De303 Siehe die Nachweise in Fn. 299. Ausführlich erörtert wird die Übertragung insbesondere von quasi-legatorischen Durchführungsbefugnissen bei Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 125 ff.; vgl. auch Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 118 ff. 304 Siehe zu einer ausreichenden Steuerungsmöglichkeit Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (569), der zutreffend darauf hinweist, dass das „Steuerinstrumentarium“ vielfältig ist. Siehe auch Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 90 f.; Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 114 ff.; Hilf, Organisationsstruktur, S. 84, 319 f.; Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 145 ff.; Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 133 ff.; Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 266 ff. 305 EuGH, Slg. 1958, 1 (43 f.), Rs. 9 / 56; 56 (82), Rs. 10 / 56 – Meroni: Die Vertragsziele gelten „für die ,Organe der Gemeinschaft . . . im Rahmen der jedem von ihnen zugewiesenen Befugnisse und im gemeinsamen Interesse‘. [ . . . ] Die Übertragung von Befugnissen mit Ermessensspielraum auf andere Einrichtungen als solche, die im Vertrag zur Ausübung und Kontrolle dieser Befugnisse im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit vorgesehen sind, würde [die Garantie des institutionellen Gleichgewichts] verletzen.“ 306 Vgl. die Nachweise in Fn. 304. 307 Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 90 f.; Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 114 ff.; Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (425 f.); Hilf, Organisationsstruktur, S. 319 f.; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (570).

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mokratie- und Rechtsprinzip gegründete Erwägungen eine Rolle spielen, ist außerordentlich fraglich.308 Richtig ist wohl, dass das institutionelle Gleichgewicht gestört wäre, würden Befugnisse auf eine uneingeschränkt autonome Einrichtung übertragen,309 oder würde die Einrichtung dem bestimmenden Einfluss einer vertraglich nicht zuständigen Stelle ausgesetzt.310 Ebenfalls gestört wäre die Kompetenzverteilung zwischen Rat und Kommission, wenn der Kommission oder einer von ihr gesteuerten vertragsfremden Einrichtung wesentliche Entscheidungsbefugnisse übertragen würden. Die wesentlichen Entscheidungen (hier: bezogen auf den verfassungsrechtlichen Grundkonsens unter Berücksichtigung der Grenzen des Machbaren)311 muss nämlich nach der Rechtsprechung des EuGH der Rat bereits in der Grundvorschrift treffen.312 Lässt man die verantwortliche Mitwirkung eines Privaten Standardsetzers, gleich welcher Organisationsform, an den in Art. 249 EG bezeichneten Rechtsakten zu, so gilt es das institutionelle Gleichgewicht in dem oben beschriebenen Sinne zu wahren. Das bedeutet, dass ein Privater Standardsetzer allenfalls an der Rechtsetzung mitwirken kann. Rechtsetzungsbefugnisse können ihm nicht zur selbständigen Wahrnehmung übertragen werden. Das bedeutet weiter, dass die in Art. 249 EG bezeichneten Gemeinschaftsorgane die ihnen zugewiesenen Aufgaben vorrangig selbst wahrnehmen müssen und nur ausnahmsweise, wenn sie dieser Pflicht nicht in effizienter Weise nachkommen können, eine Übertragung begrenzter (Mit-)Entscheidungsbefugnisse in Betracht kommt.313 Ein verfassungsrechtlicher Grund für eine (geringfügige) Verschiebung der ausdrücklichen primärrechtlichen Kompetenzverteilung kann sich aus einer andernfalls drohenden Verletzung gleichrangiger Verfassungsprinzipien ergeben. In der Präambel des EU-Vertrages wird der Wunsch nach einer (demokratischen und) effizienten Wahrnehmung der den Gemeinschaftsorganen übertragenen Aufgaben geäußert. Bereits an anderer Stelle ist dargelegt worden, dass die praktische Verwirklichung der Verfassungsprinzipien ein funktionsfähiges System kollektiver Entscheidungen voraussetzt.314 Kann also das zuständige Gemeinschaftsorgan die 308 So ordnet auch Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (423 f.), das Erfordernis einer ausreichenden Steuerung der verselbständigten Einrichtung dem Demokratieprinzip zu. 309 Ebenso Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 146. 310 Diese Bedenken äußert Schwartz, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 308 EG Rn. 235 ff., insbesondere im Hinblick auf einen vertraglich nicht vorgesehenen Einfluss der Mitgliedstaaten, wenn Steuerungs- und Aufsichtsentscheidungen über die mitverantwortliche Einrichtung auf staatendominierte Stellen übertragen werden. Wesentlich unkritischer sieht Groß, Das Kollegialprinzip, S. 356 ff., dieses Problem. 311 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. – III. 312 Vgl. die Nachweise oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. in Fn. 516. Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 223; im Ergebnis wie hier Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 116. 313 Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (559). Vgl. auch Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 110, 120, zur grundsätzlich vorrangigen Beauftragung der Kommission nach Art. 211 4. Spiegelstrich EG.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

ihm zugewiesenen Aufgaben allein nicht mehr effizient im Sinne der verfassungsrechtlichen Leitprinzipien wahrnehmen, so kann dies eine Beschränkung des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts in dem erforderlichen Maße rechtfertigen. Im vorangehenden Kapitel ist gezeigt worden, dass nicht nur die Zunahme von Komplexität und Fülle der regelungsbedürfigen Sachverhalte sowie fehlender Sachverstand in den hoheitlichen Institutionen, sondern auch die Globalisierung und die Entstehung transnationalen Rechts ohne Herrschaftsordnung einer wirksamen Aufgabenwahrnehmung durch die dazu in erster Linie berufenen Hoheitsorgane entgegenstehen kann. Aus diesem Grund konnte die Verschiebung der primärrechtlichen Kompetenzverteilung durch die Mitwirkung des IASB als gerechtfertigt angesehen werden, zumal die Kommission, als eigentlich zuständiges Organ, durch das Übernahmeerfordernis den geforderten Einfluss auf die Durchführungsbestimmungen hat.315 Schließlich darf eine Verantwortungsverlagerung auf den Privaten Standardsetzer nicht dazu führen, dass das gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzsystem umgangen wird. Weil aber kooperative Standardsetzung nicht zu einer vollständigen Verlagerung der Rechtsetzungsbefugnisse auf den Standardsetzer führen kann, sondern stets eine maßgebliche Beteiligung der zuständigen Gemeinschaftsorgane voraussetzt, kommen die Art. 230 und 234 EG auf die außenwirksamen rechtsförmlichen Entscheidungen unmittelbar zur Anwendung. So ist dies beispielsweise auch bei den IAS / IFRS des IASB der Fall, die von der Kommission erst in Form einer Durchführungsverordnung übernommen werden müssen. Formal handelt es sich bei den rechtsverbindlichen Ergänzungen der IASVerordnung also um Verordnungen der Kommission, die vollumfänglich Gegenstand einer Nichtigkeitsklage i.S.v. Art. 230 EG und eines Vorabentscheidungsverfahrens i.S.v. Art. 234 EG sein können. Allein problematisch dürfte die Erhebung einer Untätigkeitsklage (Art. 230, 232 EG)316 gegen die Kommission sein, wenn das pflichtwidrige Unterlassen einer Standarderstellung auf einer Untätigkeit des Standardsetzers oder der Rechtswidrigkeit eines seiner Standards beruht. Aufgrund des weiten Ermessensspielraums, der der Kommission gemeinsam mit dem Standardsetzer bei der Durchführung der IAS-Verordnung zusteht, ist die Klagemöglichkeit im Falle der Untätigkeit ohnehin eingeschränkt. Nur „wenn das zu erreichende Ergebnis hinreichend präzise vorgegeben ist“, kann die Rechtswidrigkeit 314 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. mit Nachweis in Fn. 524 u. 3. Kapitel § 17. in Fn. 15. Siehe auch Trute, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 249 (273): „Rechts[ . . . ]- wie Demokratieprinzip verlangen gleichermaßen eine rationale und effiziente Aufgabenerfüllung der Verwaltung.“ 315 Vgl. oben 2. Kapitel § 15 sowie unten 3. Kapitel § 18 C. II. 3. 316 Die Begründetheit einer Untätigkeitsklage gemäß Art. 232 EG setzt eine Pflicht des betroffenen Organs zum Tätigwerden voraus, so dass die geltend gemachte Untätigkeit dem Vertrag zuwiderläuft, vgl. EuG, Slg. 1995, II-115 (131), Rs. T-74 / 92 – Ladbroke.

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der Untätigkeit festgestellt werden.317 Denkbar ist dies wohl nur bei erheblichen Verfassungsverstößen gerade durch eine Regelungslücke. Eine Inanspruchnahme der Kommission wäre unnütz und deswegen nicht aussichtsreich, wenn sich der Standardsetzer der Mitwirkung an der Beseitigung der Grundrechtsverletzung verweigern würde.318 In einem solchen Fall wäre der Rat verpflichtet, dem Standardsetzer die Verantwortung zu entziehen oder der Kommission ein Selbsteintrittsrecht zu gewähren.319 Eine Verletzung dieser Pflicht ließe sich gegenüber dem Rat wohl einklagen. Zudem kann bei der Gestaltung des Rechtsschutzes nach Berger „den jeweiligen Besonderheiten der Materie Rechnung getragen werden; die Grenze des Zulässigen ist erst überschritten, wenn das vom Vertrag vorgegebene Niveau nicht erreicht, im Ergebnis kein gleichwertiger Rechtsschutz gewährt wird.“320 Diese Grenze des Zulässigen wäre in der im 2. Kapitel untersuchten Konstellation nicht überschritten. Im Übrigen ist deren Einhaltung in jedem Fall gesondert zu prüfen. 3. Zwischenergebnis: Grenzen der Befugnisübertragung Festzuhalten bleibt somit, dass das Grundgesetz, das Gesetzes-321 und Legitimationserfordernis322 ausgeklammert, der kooperativen Standardsetzung, sei es unter verantwortlicher Mitwirkung eines öffentlich-rechtlichen oder eines privatrechtsförmigen Standardsetzers, prinzipiell nicht entgegensteht. Die Private Standardsetzung bedarf aber schon wegen des eingesetzten Personals einer auf den Einzelfall bezogenen sachlichen Rechtfertigung und darf nicht zu einer Verlagerung des Schwergewichts der Tätigkeit in hoheitlichen Kernbereichen von Beamten auf Nicht-Beamte führen. Einen Sonderfall bildet die privatrechtsförmige Standardsetzung, die Gegenstände der obligatorisch bundeseigenen Verwaltung betrifft. Die hierfür teilweise für notwendig gehaltene enge Anbindung des Privatrechtssubjektes an die Staatsverwaltung durch die bundeseigenen Behörden dürfte jedoch durch den erforderlichen demokratischen Legitimationszusammenhang gewährleistet sein.323

Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 232 EG Rn. 31. EuG, Slg. 1998, II-2629 (2651 f.), Rs. T-286 / 97 – Goldstein; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 232 EG Rn. 31. 319 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. III. 320 Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 80 f., der seine Ansicht u. a. auf das Gutachten des EuGH zur Errichtung eines Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt stützt, vgl. EuGH, Slg. 1977, 741 (762), Rs. 1 / 76 – Stilllegungsfonds. 321 Vgl. dazu oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. 322 Vgl. dazu unten 3. Kapitel § 18 A. u. C. 323 Diese Prognose beruht darauf, dass der Standardsetzer im Falle legitimationsbedürftiger kooperativer Standardsetzung Staatsgewalt (mit-)ausübt und es somit, anders als gegebenenfalls im Bereich privatrechtsförmiger Leistungsverwaltung, effektiver Steuerung seiner Entscheidung in den grundlegenden und wesentlichen Fragen bedarf. 317 318

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Im Geltungsbereich des europäischen Primärrechts ist die Zulässigkeit einer kooperativen Standardsetzung im Hinblick auf das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts dagegen umstritten. Nach der hier vertretenden Ansicht kann eine Beschränkung dieses Prinzips im Falle einer Kollision mit gleichwertigen Verfassungsprinzipien gerechtfertigt sein. Insbesondere die zunehmende Aufgabenlast und -komplexität kann eine praktisch wirksame Verwirklichung der gemeinwohlkonkretisierenden Verfassungsprinzipien gefährden. In einem solchen Fall können Mitwirkungsbefugnisse auf einen Privaten Standardsetzer verlagert werden, wenn es dabei nicht zu einer horizontalen oder vertikalen Kompetenzverschiebung kommt und ein ausreichender Rechtsschutz auch gegenüber dem vom Standardsetzer zu verantwortenden Entscheidungsanteil gewährleistet wird. IV. Art der Rezeption Dem hoheitsgetragenen Privaten Standardsetzer stehen unproblematisch auch hoheitliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Bei den bisher beobachteten Typen privatrechtlich organisierter Standardsetzung fallen in dem Rezeptionsakt die Übertragung von Hoheitsgewalt und die Überführung privater Standards in eine öffentlich-rechtliche Handlungsform zusammen. Anstatt dass der Private Standardsetzer die ihm zugewiesene Hoheitsbefugnis im eigenen Namen ausüben darf, erlangen dessen Standards hoheitliche Qualität, indem sie die Rechtswirkung des Rezeptionsaktes teilen.324 Deswegen wird die Problematik der Privaten Standardsetzung auch oft mit derjenigen der dynamischen und statischen bzw. normergänzenden und normkonkretisierenden Verweisung in einen Zusammenhang gebracht.325 Diese Regelungstechniken sind aber ebenso wenig zwingend einzusetzen wie sie einen unverstellten Blick auf die tatsächlich angeordnete Verantwortungsteilung zwischen den unterschiedlichen Normproduzenten ermöglichen.326 Obwohl gerade die aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Forderungen die Diskussion um die Zulässigkeit der dynamischen Verweisung bestimmen,327 soll die damit zusammenhängende Problematik328 der ausreichenden demokratischen Legitimation erst im nächsten Abschnitt (C.) an324 Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (37), bezeichnet diese Konstellation als Teil-Delegation. 325 Ausführlich zur „gesetzliche[n] Rezeption außenstehender Sollenssätze im Wege der Verweisung“ Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779 (780 ff.). 326 Kritisch zum Verlauf der rechtswissenschaftlichen Diskussion Ladeur, DÖV 53 (2000), 217 (225); Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 (76, 87 f.). 327 Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779 (783, 790 ff.), der zudem noch das Problem der rechtsstaatlichen Verkündung behandelt, dazu sogleich. 328 Umfangreiche Nachweise zum diesbezüglichen Diskussionsstand finden sich bei Erdbrügger, Befreiende Konzernabschlüsse nach US-GAAP, S. 70 ff. in den Fn. 244 – 253, 255 – 265, 268, 269. Siehe auch schon oben 2. Kapitel § 14 A. III. 1. in Fn. 257. Die Problematiken der Publizität und des Rechtsschutzes werden jedoch nachfolgend untersucht.

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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hand des eigenen Legitimationsmodells umfassend erörtert werden. Nachfolgend sollen die übrigen verfassungsrechtlichen Besonderheiten für die kooperative Standardsetzung im Zusammenhang mit der Art der Rezeption untersucht werden. Differenziert wird dabei zwischen einer vertikalen Kooperation, in der dem Standardsetzer Befugnisse zur selbständigen Rechtsetzung übertragen werden (1.), und einer horizontalen Kooperation, in der dem Standardsetzer Befugnisse zur (Mit-)Ausübung von Hoheitsgewalt dergestalt übertragen werden, dass er die Rechtsetzungsbefugnis zusammen mit einer anderen hoheitlichen Stelle wahrnimmt, letztere also dem Rechtsetzungsbeitrag des Standardsetzers im Wege einer steuernden Rezeption zur außenwirksamen Rechtsgeltung verhilft (2.). 1. Selbständige Rechtsetzungsbefugnis Typisch für die legitimationsbedürftige kooperative Standardsetzung ist zwar, dass dem Standardsetzer hoheitliche Befugnisse zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen werden, ihm wird also im Hinblick auf den die Verfahren abschließenden Rechtsetzungsakt (Mit-)Verantwortung eingeräumt. Dennoch kann er zumeist ohne die Mitwirkung einer anderen hoheitlichen Stelle selbst keine verbindlichen Rechtsakte mit Außenwirkung erlassen. Das gilt für die im 1. Kapitel behandelte Kodex-Kommission ebenso wie für das IASB, dessen Standards Gegenstand der Untersuchungen im 2. Kapitel sind. Gleichermaßen gilt das beispielsweise für das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC), dessen Deutsche Rechnungslegungs Standards (DRS) ihre Vermutungswirkung gemäß § 342 Abs. 2 HGB erst nach Bekanntmachung durch das Bundesministerium der Justiz entfalten.329 Auch im Umwelt- und Technikrecht werden private Beiträge erst in Form sogenannter normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften zu Sollenssätzen mit Außenwirkung.330 Der Entwurf eines Umweltgesetzbuches sieht, ganz ähnlich wie beim Kodex und bei den DRS, eine Überführung privater technischer Regelwerke in das öffentliche Recht („amtliche Einführung“) durch öffentliche Bekanntmachung vor und knüpft daran eine Vermutungswirkung, die auch die Gerichte unter Umständen zu binden vermag.331 Denkbar ist dennoch, dass kooperative Standardsetzung in einer Weise erfolgt, bei der dem Standardsetzer (ggf. im Wege der Beleihung) Rechtsetzungsbefugnisse zur selbständigen Ausübung übertragen werden. So wird zum Beispiel im Zusammenhang mit der normergänzenden dynamischen Verweisung erörtert, ob damit die in Bezug genommenen Regelwerke 329 Bezweifelt wird jedoch, ob dem DRSC überhaupt Hoheitsgewalt übertragen wurde, vgl. Hellermann, NZG 2000, 1097 (1098). 330 Zuletzt BVerwGE 107, 338 (340 ff.); 110, 216 (218 f.); 114, 342 (344 f.). Vgl. auch BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 1999, 414 (415 f.). 331 Siehe §§ 32, 33 UGB-KomE und dazu Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 78 f.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

externer Stellen in den Gesetzesrang erhoben werden.332 Dann könnte im Falle einer normergänzenden Verweisung auch ein Privater Standardsetzer Gesetze (mit-)erlassen. Voraussetzung wäre aber die Einhaltung der für Gesetze geltenden Publikationsanforderungen auch für die verwiesenen Normen (Art. 82 Abs. 1 GG).333 Dieser Auffassung wird hier jedoch entgegengetreten. Im Falle einer dynamischen Verweisung wird dem Privaten Standardsetzer zwar Rechtsetzungsbefugnis übertragen. Dieser erlässt dennoch keine Gesetze, seine Standards erwachsen durch die Verweisung auch nicht in Gesetzeskraft. Der Standardsetzer nimmt nicht am Gesetzgebungsverfahren teil, er hat bezüglich des Gesetzesinhalts334 keine (Mit-)Entscheidungsbefugnisse. Es handelt sich folglich nicht um einen Fall kooperativer Gesetzgebung, in dem die Standards an der Rechtswirkung des Rezeptionsakts „Gesetz“ teilnehmen würden. Wenn der Gesetzgeber der Verwaltung gesetzesergänzende oder gesetzeskonkretisierende Aufgaben überträgt, sei dies rechtmäßig oder rechtswidrig, so wäre ebenso wenig davon auszugehen, dass die Verwaltungsmaßnahmen an der Geltungskraft des Gesetzes teilnehmen. Problematisch ist eher, dass eine normergänzende dynamische Verweisung dem Standardsetzer keine hoheitliche Handlungsform explizit zuweist. Das ändert nichts daran, dass es sich bei den Privaten Standards um Rechtsvorschriften handelt, die im Rang unter dem Gesetz stehen.335 Ob diese Übertragung von nachrangigen Rechtsetzungsbefugnissen rechtmäßig ist, ist dagegen eine Frage der zulässigen Handlungsform, der Einhaltung der dafür vorgeschriebenen Voraussetzungen und, subsidiär, des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips. In erster Linie ist bei der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf einen Privaten Standardsetzer an eine Subdelegation der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zu denken. Zum Kreis der potentiellen Subdelegatare werden teilweise auch beliehene Privatrechtssubjekte gerechnet.336 Schließt man sich dieser Auffassung an, so können auch die Standards eines privatrechtsförmigen Stan332 Dazu Hellermann, NZG 2000, 1097 (1100). Vgl. auch die Nachweise oben 2. Kapitel § 14 A. III. 1. in Fn. 257. 333 Vgl. Hommelhoff, in: FS Odersky, S. 779 (785 ff.), der jedoch im Hinblick auf die Funktionen von Verweisung und Ausfertigung einen Hinweis in der Verweisungsnorm auf ein amtlich hinterlegtes Exemplar der Bekanntmachung privater Institutionen ausreichen lassen will. Anders dagegen wohl BVerwGE 121, 103 (109), nach dem Art. 82 GG ein zwingendes Publizitätserfordernis für (abstrakt-generelle) Normen mit verbindlicher Außenwirkung beinhaltet. 334 Seine Standards stehen gerade nicht in dem nach Art. 82 GG verkündeten Gesetz. 335 So wohl auch Hellermann, NZG 2000, 1097 (1100), der diese Ansicht durch die Urteile des BVerwG, DVBl. 1996, 1321 (1325), u. des BayVerfGH, NVwZ 1997, 56 (57), gestützt sieht. 336 Ebert, Private Normsetzung, S. 179; so wohl Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (242), der auf praktische Beispiele aus dem Sozialversicherungsrecht verweist; siehe zudem die Nachweise bei Bauer, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 80 Rn. 34 in Fn. 134. A.A. Buchholz, Ein neues DRSC?, S. 119 m. w. N.

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dardsetzers in Form einer Rechtsverordnung verbindliche Außenwirkung erlangen.337 Dabei sind jedoch die Voraussetzungen des Art. 80 GG zu wahren.338 Das Recht der kommunalen Selbstverwaltung ausgeklammert,339 wäre damit die Aufzählung der möglichen exekutiven Handlungsformen zum Erlass außenwirksamer, verbindlicher und generell-abstrakter Sollenssätze abgeschlossen, wäre nicht die Praxis der untergesetzlichen Normierung von technischen Sicherheitsund Umweltstandards zum Richterrecht erstarkt. Über den kleinen Schlenker des „antizipierten Sachverständigengutachtens“ 340 hat die höchstrichterliche Rechtsprechung schließlich außenwirksame (sogenannte normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften anerkannt.341 Ursprünglich als bloß intern verbindliches Steuerungsinstrument gedacht,342 ist die Verwaltungsvorschrift aus praktischer Not neben die Verordnung getreten, (zunächst) ohne dass deren strenge Voraussetzungen für diese übernommen wurden.343 Mit der Schaffung einer fast gleichwertigen Alternative zur Rechtsverordnung unter minder strikten Erlassbedingungen344 mussten Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden sein.345 Letztendlich lässt sich aber die unterschiedliche Charakterisierung der Rechtsverordnung als Rechtsnorm einerseits und der Verwaltungsvorschrift als Binnenrecht mit Außenwirkung ohne Rechtsnormqualität346 andererseits aufgrund der scheinbar austauschbaren Einsetzbarkeit beider Rechtsinstrumente nicht befriedigend erklären.347 Nachdem die 337

Dagegen Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431

(443). 338 Zu diesen Bauer, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 80 Rn. 36 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 4 ff. 339 Die Satzung bindet als Rechtsetzungsinstrument der Selbstverwaltungskörperschaften grundsätzlich nur die jeweiligen Angehörigen der Körperschaften, vgl. Saurer, DÖV 58 (2005), 587. 340 So noch BVerwGE 55, 250 (256). Die Konstruktion des antizipierten Sachverständigengutachtens wurde im Whyl-Urteil zugunsten der dogmatischen Rechtsfigur der außenwirksamen, gegenüber Verwaltung, Gerichten und Bürgern grundsätzlich bindenden normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift ersetzt, BVerwGE 72, 300 (320). 341 Vgl. oben in Fn. 330; Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (588) m. w. N. zur Rechtsprechung; Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 269 ff. 342 Vgl. Maurer, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 2 ff. 343 Bauer, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 80 Rn. 15 m. w. N. in Fn. 58; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 33 ff. 344 Zu diesen siehe aber Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (438). 345 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 37 ff. 346 BVerwGE 121, 103 (109). 347 Berberich, DRSC-Framework, S. 131: „Da [die Exekutive . . . ] nicht allerorts [zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt worden ist . . . ], bietet sich die Steuerung und Vereinheitlichung des Rechtsanwendungsvorgangs mittels Verwaltungsvorschriften an“; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 37: „So ist es denkbar, dass eine bestimmte sachliche Regelung mit gleichem Inhalt und gleicher Wirkung durch Rechtsverordnung oder durch Verwaltungsvorschrift getroffen wird.“; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 450. Siehe auch

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften vom EuGH aufgrund mangelnder Rechtssicherheit, Justiziabilität und Publizität zur Umsetzung von Richtlinien für untauglich erklärt wurden,348 wurde im Schrifttum über die Abschaffung der außenwirksamen Verwaltungsvorschrift349 oder deren Ausbau in rechtsstaatlicher Hinsicht nachgedacht.350 In die erste Richtung scheint nun ein jüngeres Urteil des Bundesverwaltungsgerichts351 zum Beihilferecht, das auf Bundesebene zu einem großen Teil in Form von Verwaltungsvorschriften geregelt ist, zu gehen. Zwar ging es in der Entscheidung vordergründig darum, dass dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt nicht genügt wurde, weil die grundrechtswesentlichen, die politisch gestaltenden Entscheidungen nicht durch den Gesetzgeber getroffen worden waren.352 Dennoch bringt das Gericht in drei Urteilspassagen eine grundlegende Skepsis gegenüber außenwirksamen Verwaltungsvorschriften zum Ausdruck: Erstens stellt das Gericht fest, dass die „auf einer Verwaltungskompetenz beruhenden Bestimmungen [ . . . ] nicht den verfahrensmäßigen Anforderungen, insbesondere nicht dem Publizitätserfordernis, [unterliegen], die Art. 82 GG für Normen mit verbindlicher Außenwirkung zwingend vorsieht.“353 Zweitens tritt das Gericht der Theorie einer originären Rechtsetzungskompetenz der Verwaltung entschieden entgegen,354 „die in jüngerer Zeit verbreitet Unterstützung gefunden hat.“355 Und drittens empfiehlt es dem Normgeber die Rechtsverordnung als geeignete Rechtsform, wenn es im Anschluss an die Ablehnung einer Regelung der wesentlichen Fragen durch Verwaltungsvorschriften eine Gestaltung jedenfalls der Detailfragen durch Rechtsverordnung für ausreichend hält.356 Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (588), zu der Regelung des Beihilferechts im Bund durch Verwaltungsvorschriften und in den Ländern überwiegend in der Form der Rechtsverordnung. Vgl. aber Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 329 f., der eine sinnvolle Unterscheidung nach der Bindungswirkung vorschlägt, aber zu Recht auch bei nur eingeschränkter Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften einen Ausbau ihrer Form- und Verfahrenselemente fordert. 348 EuGH, Slg. 1991, I-825 (879), Rs. C-131 / 88 – TA-Luft; Slg. 1991, I-2567 (2602 f.), Rs. 361 / 88 – Luftverschmutzung; Slg. 1991, I-2607 (2635), Rs. C-59 / 89 – Luftreinhaltung: Blei; Slg. 1991, I-4983 (5023 f.), Rs. C-58 / 89 – Oberflächenwasser; Slg. 1996, I-5729 (5739), Rs. C-262 / 95 – Ableitung gefährlicher Stoffe in Gewässer; Slg. 1996, I-6747 (6758 ff.), Rs. C-298 / 95 – Fisch- und Muschelgewässer. Vgl. dazu Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (588 f.). 349 Umfangreiche Nachweise finden sich bei Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (589) in Fn. 23. 350 Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 329 f. 351 BVerwGE 121, 103. 352 BVerwGE 121, 103 (109 ff.); vgl. dazu auch Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (591 f.). 353 BVerwGE 121, 103 (109). 354 BVerwGE 121, 103 (110): „§ 200 BBG ist auch nicht Ausdruck einer der Exekutive bereits durch die Verfassung ohnehin eingeräumten Regelungsbefugnis.“ 355 So Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (592). Vgl. auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 25a. 356 BVerwGE 121, 103 (110). Ebenso Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (593).

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Nach Saurer beinhaltet das Urteil dennoch keine grundlegende Abkehr von der Zulässigkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften. Das werde an drei Stellen des Urteils deutlich. Der Gesetzesvorbehalt selbst setze schon voraus, dass der Sachbereich einer gesetzlichen Regelung zugänglich sein müsse. Zudem eröffne das Gericht, indem es im konkreten Fall das Bedürfnis, schnell und flexibel auf mannigfaltige Entwicklung reagieren zu können, ablehne, eine Ausnahmemöglichkeit für die Verwendung außenwirksamer Verwaltungsvorschriften. Und schließlich stelle es auf die allgemeine Regelungsstruktur des untersuchten Sachbereichs ab, wenn es die Regelungsform des Gesetzes als für das Beamtenverhältnis typisch und sachangemessen halte.357 Die von Saurer angeführten Passagen können seine Schlussfolgerung jedoch nicht stützen. Alle drei Äußerungen beziehen sich auf das Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Verwaltung, beschäftigen sich also mit dem Gesetzesvorbehalt und seinen Grenzen. Für das nachgeordnete Recht argumentiert das Gericht gerade gegen die Verwaltungsvorschrift, wenn es darauf hinweist, dass die Rechtsverordnung auch zur Regelung eines dynamischen Sachbereichs die notwendige Elastizität aufweise.358 Richtig ist dennoch, dass das Gericht einer zukünftigen Anwendung von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften allenfalls zwischen den Zeilen eine grundlegende Absage erteilt. Genau von entgegengesetzter Tendenz ist allerdings das zeitlich nachfolgende Urteil des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts,359 das auf das soeben geschilderte Urteil des 2. Senats keinen Bezug nimmt. Der 5. Senat hatte über die Justiziabilität und die Rechtmäßigkeit außenwirksamer Landesverwaltungsvorschriften im Sozialrecht zu entscheiden. Diese waren vom Antragsteller mit einem Normkontrollantrag i.S.v. § 47 VwGO angefochten worden. Solch ein Antrag wäre aufgrund der Ablehnung der Rechtsnormqualität von Verwaltungsvorschriften eigentlich unzulässig gewesen.360 Statt aber die Revision aus diesem Grunde abzuweisen, hat das Bundesverwaltungsgericht, den § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO weit auslegend, als Rechtsvorschriften im Sinne dieser Norm auch Verwaltungsvorschriften mit Außenwirkung angesehen.361 Zugleich hat es im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) eine Publikationspflicht für Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung angenommen, der jedenfalls dann genügt werde, wenn „die Publikation in dem für den Verwaltungsträger für die Veröffentlichung von 357 358

Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (593 f.). BVerwGE 121, 103 (110). So aber auch Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (594), in seinem

Fazit. BVerwGE 122, 264. Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 84 Rn. 60; Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (592). 361 BVerwGE 122, 264 (265 f.). So auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 328 f. 359 360

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Rechtsnormen vorgeschriebenen amtlichen Medium362“ erfolge.363 Werde dieser Publikationspflicht nicht genügt, so sei die Verwaltungsvorschrift unwirksam.364 So entgegengesetzt die Entscheidungen der verschiedenen Senate des Bundesverwaltungsgerichts zunächst erscheinen, so erteilen sie doch beide der bisherigen rechtlichen Handhabung der Verwaltungsvorschrift eine Absage. Mit Saurer lässt sich die Rechtsprechungstendenz dahingehend zusammenfassen, dass „[d]ie Rechtsetzungsorganisation [ . . . ] weit stärker als bisher an den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientiert werden [soll].“365 Bezogen auf die vertikale Kooperation366 scheidet die Rechtsform der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift in Zukunft entweder ganz aus oder sie unterliegt wesentlich stärkeren verfassungsrechtlichen, und darunter insbesondere rechtsstaatlichen, Bindungen mit der Folge verbesserter Publizität und Justiziabilität.367 Bei der vertikalen kooperativen Standardsetzung dürfte aber noch eine weitere rechtliche Beschränkung dazu führen, dass die Verwaltungsvorschrift als geeignete Rechtsform Privater Standardsetzung auf Bundesebene ausscheiden muss. Sollen Verwaltungsvorschriften des Bundes auch die regelmäßig zum Gesetzesvollzug zuständigen Landesbehörden (vgl. Art. 30, 83 GG) binden, so bedarf dies einer speziellen Ermächtigung,368 wie sie in den Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG enthalten ist. Zu diesen Vorschriften hat das Bundesverfassungsgericht unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung369 entschieden, dass die Befugnis des Kollegialorgans Bundesregierung zum Erlass solcher Verwaltungsvorschriften nicht einmal durch ein mit Zustimmung des Bundesrats ergangenes Gesetz auf einen Bundesminister übertragen werden könne.370 Wenn schon eine Übertragung auf einen Bundesminister unzulässig ist, so kann erst Recht nicht ein Privater Standardsetzer zum selbständigen Erlass von solchen Verwaltungsvorschriften ermächtigt werden. Zuletzt kann kooperative Standardsetzung noch in unverbindlicher Form erfolgen, indem einem Standardsetzer die Befugnis zur Ausübung informeller Verwaltungstätigkeit übertragen wird. In abstrakt-genereller Form können dann WarnunDazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 13. BVerwGE 122, 264 (270). 364 BVerwGE 122, 264 (271). A.A. Maurer, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 36. 365 Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (594). 366 Siehe zu diesem Begriff oben 3. Kapitel § 18 B. IV. a.E. 367 Jedoch sind Rechtsvorschriften des Bundes nur der inzidenten gerichtlichen Überprüfung zugänglich, da § 47 VwGO für sie nicht gilt. 368 Vgl. Maurer, Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 19. 369 Vgl. BVerfGE 26, 338 (395 ff.). 370 BVerfGE 100, 249 (259). Zutreffend führt Hermes, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 84 Rn. 65, aus, dass das Bundesverfassungsgericht sich in erster Linie gegen die darin liegende Blankettermächtigung gewandt hat, weil auf diesem Wege der Bundesrat nicht mehr dem Inhalt der Verwaltungsvorschriften zustimmen muss. 362 363

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gen oder Empfehlungen durch den Standardsetzer selbständig erstellt und bekannt gemacht werden. Das Rechtsstaatsprinzip und die Gewährleistung umfassenden Rechtsschutzes dürften ebenfalls eine allgemein zugängliche Veröffentlichung dieser Standards gebieten. Insgesamt dürfte das Publizitätserfordernis weniger streng sein als bei verbindlichen Rechtsvorschriften. Eine Bekanntmachung im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers, wie beispielsweise beim Deutschen Corporate Governance Kodex,371 dürfte diesem durchaus genügen. Zudem können Warnungen und Empfehlungen die ihnen angedachte Wirkung überhaupt erst infolge öffentlicher Bekanntmachung erzielen, so dass sich der potentielle mittelbare Eingriff in subjektive Rechte und die Erfüllung des Publizitätserfordernisses in der Regel gegenseitig bedingen. Im Geltungsbereich des Primärrechts stellt sich die Situation anders dar. Wie bereits dargelegt,372 kommt eine Ermächtigung eines Privaten Standardsetzers zur selbständigen Rechtsetzung in den Formen der Art. 202 3. Spiegelstrich, 211 4. Spiegelstrich, 249 EG nicht in Betracht. Wegen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung verbietet sich auf europäischer Ebene eine ähnlich weite Auslegung verfassungsrechtlichen Schweigens, wie sie in Bezug auf das Grundgesetz überwiegend vertreten wird.373 Selbständige Private Standardsetzung mit verbindlicher Wirkung scheidet daher auf europäischer Ebene gänzlich aus. Zulässig ist allerdings die vollständige Übertragung von Befugnissen zu informellem Verwaltungshandeln.374 Derartige informelle Standardsetzung ist notwendigerweise auf Publizität angewiesen, eine ausdrückliche Verpflichtung zur Veröffentlichung solcher Exekutivmaßnahmen findet sich im Primärrecht nicht. Rechtsschutz muss auch gegen informelles Handeln des Standardsetzers gewährleistet werden.375 2. Steuernde Rezeption Bei der steuernden Rezeption wirken Standardsetzer und die zur Rechtsetzung zuständige Stelle derart zusammen, dass die Privaten Standards ihre Rechtswirkung erst durch den hoheitlichen Umsetzungsakt erhalten. Um legitimationsbedürftige horizontale kooperative Standardsetzung handelt es sich dann, wenn Vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. III. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. III. 2. 373 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. a) bb), b) bb) u. III. 1. 374 Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 147 ff., insbesondere 154 f., 182. 375 Ausführlich Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 97 ff.; Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (571 f.). Jedoch sind Empfehlungen und Stellungnahmen i. S. v. Art. 249 EG direkt nicht anfechtbar (vgl. Art. 230 Abs. 1 EG), vgl. Schmidt, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 249 EG Rn. 51. Dagegen kann eine im Vertrag vorgesehene Pflicht, eine Empfehlung oder Stellungnahme abzugeben, unter den Bedingungen des Art. 232 Abs. 3 EG eingeklagt werden. Empfehlungen und Stellungnahmen können auch Gegenstand einer Gültigkeitsvorlage i. S. v. Art. 234 Abs. 1 lit. b) EG sein. 371 372

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

dem Standardsetzer (Mit-)Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf den Inhalt des rezipierenden Rechtsakts zugewiesen sind. Bezüglich der Beschränkungen und Bedingungen, die sich für die horizontale kooperative Standardsetzung aus der gewählten Rechtsform des Rezeptionsakts ergeben, kann – soweit das Grundgesetz den anzuwendenden Maßstab bildet – auf den vorgehenden Abschnitt verwiesen werden. Wenn dem Standardsetzer schon Rechtsetzungsbefugnis zur selbständigen Ausübung übertragen werden kann, so darf er erst Recht zur Mitwirkung an dieser Rechtsetzung ermächtigt werden. Dabei sind jedoch die oben beschriebenen Erlass- und Publizitätserfordernisse ebenso einzuhalten. Dass heißt z. B. für die verantwortliche Mitwirkung an der Verordnungsgebung eines Bundesministers, dass auch für den Privaten Standardsetzer die Bedingungen des Art. 80 GG erfüllt sein müssen und eine (teilweise) Subdelegation der Verordnungsermächtigung auf ihn stattgefunden hat. Bei der Rezeption in Form von Verwaltungsvorschriften ergeben sich aufgrund des Urteils des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts erhöhte Publizitätsvoraussetzungen.376 Eine Ermächtigung zur Mitwirkung am Erlass von Bundesverwaltungsvorschriften durch die Bundesregierung gemäß Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG dürfte im Gegensatz zu einer vollständigen Verantwortungsverlagerung auf den Standardsetzer zulässig sein, weil dabei der gesamte Inhalt der Verwaltungsvorschrift Gegenstand der Zustimmungsbedürftigkeit bleibt.377 Für die verantwortliche Mitwirkung am Erlass öffentlicher Empfehlungen und Warnungen gelten nur die zuvor bereits beschriebenen verminderten Publizitätsvoraussetzungen. Der Rechtsschutz ist in der Regel dadurch effektiv gewährleistet, dass der hoheitliche Rezeptionsakt, der ja die Beiträge aller verantwortlich Mitwirkenden vereint, unter den dafür üblichen Bedingungen angefochten werden kann. Auf diese Weise wird auch der Entscheidungsanteil des Privaten Standardsetzers zum Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung. So kann zum Beispiel der amtlich bekannt gemachte Deutsche Corporate Governance Kodex als öffentlich-rechtliche Informationsmaßnahme mit seinem gesamten Inhalt mittels Unterlassens-, Folgenbeseitigungs- oder ggf. einer Feststellungsklage vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden.378 Eine Rechtsschutzlücke kann sich erst im Falle einer Untätigkeit des Privaten Standardsetzers ergeben, die die Verwirklichung der inhaltsanleitenden Verfassungsbestimmungen gefährdet.379 Ist die Kooperationsbeziehung so ausgestaltet, dass der hoheitlichen Stelle ein Selbsteintrittsrecht nicht zusteht, so kann sie ihrer Handlungspflicht, die in einem gegen sie380 ergangenen, auf ein rechtswidriges UnterlasVgl. den Nachweis oben in Fn. 363. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. IV. 1. in Fn. 370. 378 C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 33 ff. 379 Zur Gewährleistung von Freiheit nicht nur durch Abwehr staatlichen Handelns, sondern durch staatlichen Regelungsauftrag Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (10 f.). 380 Auch im Falle der Beleihung dürfte das Urteil nicht den Privaten Standardsetzer selbst verpflichten, vgl. zur parallelen Problematik der Passivlegitimation bei der Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (593). 376 377

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sen gestütztes Urteil festgestellt wurde, gegebenenfalls nicht nachkommen. Fehlt es an ausreichenden Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber dem Privaten Standardsetzer, so dürfte Art. 19 Abs. 4 GG für die Einrichtung einer Rechtsschutzmöglichkeit unmittelbar gegenüber den Maßnahmen des Standardsetzers sprechen.381 Zu bedenken ist jedoch, dass schon aufgrund des Demokratieprinzips ein effektiver Inputzusammenhang in allen wesentlichen Fragen hergestellt werden muss. Dieser muss sich auch auf die Entscheidungen des Standardsetzers erstrecken.382 Eine Verletzung des sogenannten Untermaßverbotes383 und der daraus folgenden Handlungspflicht ist aber erst anzunehmen, wenn die zur Verwirklichung der Verfassungsprinzipien wesentlichen Fragen ungeregelt bleiben.384 Grundsätzlich genügt also der effektive Zurechnungszusammenhang, eine gerichtlich festgestellte Handlungspflicht auch gegenüber dem Standardsetzer durchzusetzen. Kommt es aufgrund einer verfassungsrechtlichen Kollisionslage ausnahmsweise zu einer (gerechtfertigten) Einschränkung der Effektivität des Zurechnungszusammenhangs, so wie dies beispielsweise im 2. Kapitel bezüglich der IFRS festgestellt wurde, so kann es der hoheitlichen Stelle an den erforderlichen Einflussmöglichkeiten fehlen. In der besagten europarechtlichen Konstellation hätte die Kommission keine rechtliche Handhabe dafür, eine vom EuGH geforderte positive Regelung durch das IASB herbeizuführen. In der Regel dürfte aber die mit der Einschränkung des Zurechnungszusammenhangs verbundene partielle Einschränkung der Rechtsweggarantie aus den gleichen Gründen wie erstere gerechtfertigt sein.385 Auf europäischer Ebene ist, abgesehen von den informellen Handlungsformen, nur die horizontal kooperative Standardsetzung zulässig. Ein kooperativer Erlass von (Grund-)Verordnungen scheidet jedenfalls bezüglich aller wesentlichen Entscheidungen gänzlich aus. Zur Wahrung des Zurechnungszusammenhangs müssen diese Entscheidungen, unbeeinflusst von externen Stellen, vom Europäischen Parlament und vom Rat selbst getroffen werden. Schon wegen der strikten Verfahrensvorschriften (Art. 251 ff. EG) eignet sich die (Grund-)Verordnung nicht für die kooperative Standardsetzung.386 Etwas anderes könnte für die Richtlinie gelten,387 381 Vgl. zu dieser Problematik auch Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (454 f.). 382 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 A. 383 Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rn. 64. 384 Dreier, in: ders., GG Bd. I, Art. 1 III Rn. 37. 385 Zu den Schranken der Rechtsweggarantie und ihrer Rechtfertigung Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Bd. I, Art. 19 IV Rn. 105 ff. Vgl. auch oben 3. Kapitel § 18 B. III. 2. a. E. 386 Vgl. Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (447). 387 Dagegen Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 119: „Die Befugnis zum Erlass von Richtlinien [ . . . ] eignet sich zur Übertragung auf vertragsfremde Einrichtungen in der Regel nicht. Es gehört zum Wesen dieser Handlungsform, dass durch sie nur Politisch-Grundsätzliches geregelt wird und den Mitgliedstaaten die Ausfüllung (durch die Wahl der Form und des Mittels zur Erreichung des in der Richtlinie geregelten Ziels) überlassen wird.“

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

bei der auch auf europäischer Ebene die für die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften typische Regelungstechnik zum Einsatz kommt.388 Durch den Verweis auf die technischen Normen privater Standardisierungsorganisationen und eine daran geknüpfte rechtliche (Vermutungs-)Wirkung werden dem Standardsetzer Rechtsetzungsbefugnisse übertragen. Weil das Primärrecht eine rechtliche Handlungsform, die Richtlinien auf europäischer Ebene nachrangig konkretisiert, anders als bei der Verordnung (Art. 202 3. Spiegelstrich, 211 4. Spiegelstrich EG), nicht vorsieht, kann es sich nur um die Befugnis zur Mitwirkung am Erlass von Richtlinien handeln. Die Verwendung der dynamischen Verweisungstechnik führt dann aber dazu, dass das für den Erlass von Richtlinien vorgesehene Verfahren (Art. 251 ff. EG) und die Publizitätsvorschriften (Art. 254 EG) nicht eingehalten werden. Zudem ist effektiver Rechtsschutz gegen den vom Standardsetzer zu verantwortenden Teil (schon aufgrund der mangelnden Publizität) nicht gewährleistet. Im Ergebnis verstößt die europäische Praxis der Richtlinienkonkretisierung durch Private Standardsetzer gegen das Primärrecht. Besteht also auch für den verantwortlich mitwirkenden Standardsetzer die Pflicht, die vertraglich vorgesehenen Erlassbedingungen für die Rechtsform der Richtlinie einzuhalten, erweist sich diese ebenfalls als ungeeignet zur kooperativen Standardsetzung. Möglich erscheint dagegen eine Übernahme der Standards als Durchführungsverordnungen, wie dies auch für die im 2. Kapitel behandelten IAS / IFRS in der Grundverordnung vorgesehen ist. Die Durchführungsbestimmungen müssen gerade nicht in den strikten Verfahren der Art. 251 ff. EG erlassen werden, unabhängig davon, wer sie erlässt (Rat oder Kommission).389 Werden die Standards in dieser Form statisch übernommen, so erfüllt der Rezeptionsakt die Erlassvoraussetzungen und unterliegt mit seinem ganzen Inhalt gerichtlicher Kontrolle. Werden die Standards dagegen dynamisch in Bezug genommen, so muss sichergestellt sein, dass damit keine vollständige Verantwortungsverlagerung auf den Standardsetzer verbunden ist390 und zudem die Verfahrensvorschriften der Grundverordnung sowie das Publizitätserfordernis des Art. 254 Abs. 2 EG eingehalten werden. Schließlich können einem Standardsetzer Befugnisse zur gemeinsamen Ausübung informeller Tätigkeiten erst recht übertragen werden, wenn sie ihm schon zur selbständigen Wahrnehmung eingeräumt werden dürfen.391

388 Dazu Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 75 f. Vgl. bereits oben 3. Kapitel § 18 B. III. 2. bei u. in Fn. 293. 389 EuGH, Slg. 1970, 1161 (1172), Rs. 25 / 70 – Köster; Slg. 1979, 2749 (2765), Rs. 230 / 78 – Eridania; Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts, S. 74 f.; Geiger, EGV / EUV, Art. 202 EG Rn. 16. 390 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. III. 2. 391 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. IV. 1.

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3. Zwischenergebnis: Art der Rezeption Es hat sich gezeigt, dass nach dem Grundgesetz sowohl eine vertikal als auch eine horizontal kooperative Standardsetzung grundsätzlich zulässig ist. Die Einschaltung privatrechtlicher Rechtssubjekte darf jedoch nicht zu einer Umgehung der Publizitäts- und Rechtsschutzbestimmungen führen. Weil dies generell bei den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften der Fall war, ist deren Schicksal ungewiss. Sie scheiden jedenfalls auf Bundesebene für die vertikal kooperative Standardsetzung aus, wenn damit das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG umgangen werden würde. Von den europäischen Handlungsformen eignen sich nur die informellen für die vertikal kooperative Standardsetzung, im Übrigen kommt nur eine horizontale Kooperation in Betracht. Auch hierbei scheint eine verantwortliche Mitwirkung eines Standardsetzers am Erlass von Grundverordnungen und Richtlinien nur schwer denkbar, denn zum einen dienen diese Rechtformen der Regelung von Grundlegendem und zum anderen weisen sie aufgrund ihrer strikten Verfahrens- und Publizitätsbedingungen nicht die für die Standardsetzung notwendige Elastizität auf. Neben den informellen Rechtsakten erweist sich also vorwiegend die Mitentscheidung beim Erlass von Durchführungsverordnungen durch die Kommission oder den Rat als mögliche Rechtsform für horizontal kooperative Standardsetzung.392 V. Trägerschaft des Standardsetzers Im Zusammenhang mit der Art der Trägerschaft sind bereits vorstehend eine Reihe verfassungsrechtlicher Probleme angesprochen worden.393 Insgesamt haben sich aber kaum Unterschiede aufgrund der Rechtsformwahl ergeben, wenn man – wie hier – eine organisationsrechtliche Wesentlichkeitstheorie ablehnt und aus diesem Grund insbesondere für die Beleihung eine gesetzliche Regelung nicht für zwingend erforderlich hält. Allein der grundrechtsbedingte Gesetzesvorbehalt bei zwangsweiser Integration in die Ausübung von Hoheitsgewalt kann nur zugunsten von Privatrechtssubjekten eingreifen.394 Bisher nicht beantwortet ist in diesem Zusammenhang, ob und inwieweit die Grundrechte einer Zwangsintegration in die Ausübung von Hoheitsgewalt entgegenstehen. Eine hoheitliche Beauftragung zur legitimationsbedürftigen kooperativen Standardsetzung hätte nach der herrschenden Meinung eine grundrechtsausschließende Integration des Privatrechtssubjekts in die Staatsorganisation zur Folge.395 Mit der Beleihung einhergehend tritt demnach die Privatrechtsvereinigung „in den Bereich Vgl. zum Ganzen oben 3. Kapitel § 18 B. IV. 1. u. 2. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. – IV. 394 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B.II. 1. a) bb) u. 3. 395 Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (592); Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (241) in Fn. 98; Krebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 65. 392 393

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

der organisierten Staatlichkeit [ . . . und zugleich in] die Grundrechtspflichtigkeit ein. Das [gilt . . . ] für die Integration vordem gesellschaftlicher Organisationen aber nur in dem jeweiligen Umfang ihrer Integration [ . . . ]“.396 Soweit also die privatrechtliche Standardisierungsorganisation Hoheitsgewalt (mit-)ausübt, ist sie nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden, selbst dagegen nicht mehr durch die Grundrechte geschützt.397 Dies kommt einem hoheitlich angeordneten und damit unzulässigen Grundrechtsverzicht gleich.398 Eine derart starke Grundrechtsbeeinträchtigung 399 ist in jedem Falle unverhältnismäßig und muss von dem privatrechtsförmigen Standardsetzer nicht hingenommen werden.400 Auch wenn die oben beschriebene Wirkung der Beleihung abgelehnt würde, könnten mit der Übertragung von Hoheitsbefugnissen dann Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden sein, wenn mit der Beleihung Bedingungen für die Binnenorganisation des Standardsetzers verbunden wären. Das dürfte regelmäßig der Zielsetzung desjenigen Privaten Standardsetzers zuwiderlaufen, dessen Tätigkeit nicht auf eine Kooperation mit den Hoheitsträgern ausgerichtet ist. Denn entweder bedient die Standardsetzung gezielt bestimmte Interessen oder hat sich, auf Breitenwirkung ausgerichtet, der Unabhängigkeit verpflichtet. In beiden Fällen würde die Zwangsintegration in eine hoheitlich-private Kooperationsbeziehung den Vereinigungszweck zunichte machen oder zumindest empfindlich stören, wenn einhergehend mit hoheitlichen Mitteln Einfluss auf den Inhalt der Standards oder die Art und Weise ihres Zustandekommens genommen wird. Ein solcher Eingriff in die Normungsautonomie des Standardsetzers, die sich aus der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) ableitet, ist nicht zu rechtfertigen.401 Sollten diese Grundrechte wegen ihres Deutschenvorbehalts nicht einschlägig sein, weil es sich um einen ausländischen Standardsetzer handelt, so dürfte dasselbe Ergebnis auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt werden können. Steht die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit des Standardsetzers im Vordergrund, so kommen vorrangig die Art. 12, 14 GG als verletzte Grundrechte in Betracht.402 Auch auf europäischer Ebene ist eine derartig bedingte Zwangsintegration eines privatrechtsförmigen Standardsetzers aufgrund des „im WesentliKrebs, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 69 Rn. 65. Burgi, in: FS Maurer, S. 581 (592). 398 Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines wirksamen Grundrechtsverzichts siehe Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rn. 83; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 36. 399 Als Abwehrgrundrechte kommen insbesondere Art. 2 Abs. 1, 9, 12, 14 GG in Betracht. 400 Vgl. auch Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 370, der eine Zwangsintegration von privat organisierten Interessen in Verbindung mit dem Gebot der Binnendemokratisierung für einen wohl unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG hält. Diesbezügliche Bedenken äußert auch Mehde, AöR 127 (2002), 655 (680), in Bezug auf die Eigentumsgarantie; Schmidt-Preuß, ZLR 25 (1997), 249 (252, 254). 401 Ebenda. 402 Battis / Gusy, Technische Normen im Baurecht, Rn. 435 ff. 396 397

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chen vergleichbaren“ Grundrechtsschutzes403 unzulässig. Eine Einwirkung auf den Inhalt der Standards kommt insofern nur im Wege der steuernden Rezeption, die die Tätigkeit des Standardsetzers nicht beschränkt, in Betracht. Unterliegt der Standardsetzer, wie beispielsweise die IASC Foundation, nicht einmal der Hoheitsgewalt derjenigen Herrschaftsorganisation, deren Organe die Kooperation anordnen, so ist die rechtsverbindliche Einwirkung auf den Inhalt der Standards oder auf die Organisation und das Verfahren des Standardsetzers schon rechtlich unmöglich.404

C. Plurale Legitimation Privater Standardsetzung Die von Lübbe-Wolff festgestellten verfassungsrechtlichen Regelungsdefizite405 hinsichtlich kooperativer Standardsetzung haben sich im vorgehenden Abschnitt bemerkbar gemacht. Aussagen über nicht legitimationsbedingte verfassungsrechtliche Grenzen und Voraussetzungen ließen sich zumeist nur durch Auslegung ermitteln. Weil die Einrichtung und Ausgestaltung der Kooperationsbeziehung und damit die Festlegung der wesentlichen Legitimationsparameter auf der Unterverfassungsebene erfolgt und auch diesbezüglich die Verfassungen keine konkreten Anleitungen enthalten,406 erscheint der Gestaltungsspielraum zunächst außerordentlich groß. Im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen müssen die zuständigen Organe durch diese Organisationsentscheidungen den geforderten Legitimationszusammenhang bis hin zu den konkreten hoheitlichen Entscheidungen herstellen.407 Wie dies zu geschehen hat, steht in deren Ermessen.408 Jeder Versuch, detaillierte konkrete Bedingungen für die Herstellung demokratischer Legitimation bei der Einschaltung Privater Standardsetzer aus der Verfassung herzuleiten,409 verletzt das Demokratieprinzip, indem es den Handlungsspielraum der zuständigen Hoheitsorgane und somit auch die verfassungsrechtlich garantierten Einflusschancen der Legitimationssubjekte beschneidet.410 Denn auch die (unterverfassungsrechtliche) Ausgestaltung der Legitimationsverfahren muss im Wesentlichen auf die Willen der Legitimationssubjekte zurückgeführt werden.411 Vgl. jüngst BVerfGE 102, 147 (162 f.). Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. 2. a). 405 Vgl. das einleitende Zitat oben 3. Kapitel § 18 mit Nachweis in Fn. 133. 406 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. nach Fn. 79 u. § 18 B. II. u. III. 407 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 A. Siehe BVerfGE 111, 191 (217 f.) (zur funktionalen Selbstverwaltung). 408 Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (62). 409 Vgl. beispielsweise Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (700 ff.). 410 Vgl. dazu oben 1. Kapitel § 7 B. I. u. III. sowie 3. Kapitel § 17 C. II. Ebenso Blanke, KJ 31 (1998), 452 (456); Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (68). 411 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. 403 404

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Einer (gerichtlichen) Überprüfung ist die Einrichtung der kooperativen Standardsetzung nur hinsichtlich der Einhaltung des Mindestniveaus demokratischer Legitimation zugänglich. Dieses ließ sich in der notwendigen Abstraktheit dahingehend bestimmen, dass die kooperative Standardsetzung in einen praktisch wirksamen Zurechnungszusammenhang eingebunden sein muss, d. h., dass der Inhalt der Standards in den grundlegenden, richtungsweisenden, sprich: wesentlichen Fragen auf den Willen der Legitimationssubjekte rückführbar und ihnen gegenüber zu verantworten ist.412 Aufgrund der Pluralität der Legitimationsinstrumente413 und der Ungewissheit ihrer zukünftigen Wirkungsweisen und ihres Zusammenspiels in der konkreten Konstellation stellt sich die gerichtliche Kontrolle anfänglich eher als Evidenz- und Vertretbarkeitsprüfung der Prognose der zuständigen Hoheitsorgane und später immer mehr als Bewertung der tatsächlichen Legitimationsleistungen dar.414 Dennoch, es bleibt ein erheblicher, nicht der gerichtlichen Kontrolle zugänglicher politischer Gestaltungsspielraum, mit welchen Steuerungsinstrumenten und -methoden das erforderliche Mindestniveau demokratischer Legitimation hergestellt und um wie viel es gegebenenfalls überschritten wird. Nachfolgend können also nur Legitimationsinstrumente und -methoden dargestellt werden. Es kann eine (prognostische) Bewertung abgegeben werden, welche Steuerungsleistungen diese Instrumente zu erbringen vermögen. Und es kann erörtert werden, welche der in der Literatur geäußerten Forderungen mit dem zuvor dargestellten Legitimationsmodell nicht begründbar sind. Weitergehendes kann schon wegen der denkbaren Kombinationsmöglichkeiten und der Offenheit für neue Legitimationswege415 in diesem Abschnitt nicht geleistet werden. Weitergehende Konkretisierungen dürfen aber auch wegen des politischen Gestaltungsspielraums der zuständigen Hoheitsorgane und damit im Endeffekt der in Art. 79 Abs. 3 GG verankerten Willensherrschaft der Legitimationssubjekte nicht erfolgen.416

I. Steuerungsvielfalt Die Pluralität der Legitimationsinstrumente und -methoden soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Grundgesetz mit den ausdrücklich normierten Gesetzesvorbehalten einen Großteil der Sachentscheidungen dem Gesetzgeber zugewiesen und zugleich die Verwendung eines bestimmten Instruments zur Weitergabe des Parlamentswillens zwingend vorgeschrieben hat. Im Bereich der Gubernative ebenso Vgl. oben 3. Kapitel § 18. BVerfGE 89, 155 (182). 414 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. III. in Fn. 529 u. 3. Kapitel § 17 C. II. 415 Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG Bd. 3, Art. 79 Rn. 40; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 35. 416 Ebenso Blanke, KJ 31 (1998), 452 (456); Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (62, 68). 412 413

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wie im Gemeinschaftsprimärrecht herrscht dagegen formal schon eine größere Vielfalt an unmittelbar inhaltsbestimmenden oder -leitenden Regelungsinstrumenten. Doch auch die Regelungsform des Gesetzes eröffnet seinem Urheber viele ganz unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. Hoffmann-Riem schlägt in diesem Zusammenhang gar die Entwicklung einer Typologie von Gesetzen vor.417 Steht – wie hier – die Effektivität der Weiterleitung und Umsetzung des gesetzgeberischen Willens im Vordergrund, so bedingt dies zum einen eine offenere Interpretation des Gesetzesvorbehalts, als dies bisher zumeist der Fall ist.418 Zum anderen ist mit dem Erlass eines Gesetzes, welches selbst die wesentlichen Komponenten der die Verfahren abschließenden Entscheidungen determiniert, dem Legitimationserfordernis noch nicht Genüge getan. Weitere Faktoren sollen und müssen zur Verwirklichung des gesetzgeberischen Willens in der praktischen Durchsetzung beitragen.419 Das gilt aber nicht nur für die Willensvermittlung durch Gesetz, sondern ebenso für die Vermittlung des Regierungswillens durch Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften, Weisungen, Letztentscheidungsrechte, Organisations- und Verfahrensmaßnahmen sowie die Vermittlung der Willen des Europäischen Parlaments und des Rates durch EU-Verordnungen, EU-Richtlinien und EU-Entscheidungen oder, bezogen auf alle Ebenen, für die Willensvermittlung durch informales Handeln. Welche Art der Leistungen die bisher bekannten Legitimationsinstrumente für die Herstellung des Zurechnungszusammenhangs erbringen, lässt sich bei einer Differenzierung zwischen Input- (1.) und demokratischer Output-Legitimation (2.) besser beurteilen. 1. Regelung der Inputchancen Bevor die Entscheidungsverfahren gedanklich einer demokratischen Output-Optimierung zugänglich sind, bedarf es der Regelung der Inputchancen. Der entsprechend diesen Regeln gewonnene Input stellt den Maßstab für die Beurteilung des Outputs dar.420 Eine Kompensation fehlenden Inputs durch Output-Rationalisierung oder Prozeduralisierung ist unzulässig, ein Input darf niemals vollständig fehlen.421 Logisch vorrangig ist damit die Regelung der Inputchancen, also der InputHoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (49). Ganz deutlich in diesem Sinne Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (425), der bei der Analyse von BVerfGE 107, 59 ff., zu der Schlussfolgerung kommt, dass sich „Zulässigkeit und Grenzen der konkreten Ausgestaltung von Organisationsformen und Verfahren der weit verstandenen Selbstverwaltung [ . . . ] letztlich also danach [beurteilen], ob der Gesetzgeber davon ausgehen darf, dass sie seine Ziele effektiver verwirklichen als die Instrumente des traditionellen Modells hierarchischer (Ministerial-)Verwaltung.“ 419 Ebenso Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (426). Vgl. beispielsweise BremStGH, NVwZ 2003, 81 (84). 420 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 D. 421 Im Kollisionsfall mit anderen Verfassungswerten kann es jedoch zu einer verfassungsrechtlich zulässigen Minderung der Anforderungen an die Effektivität des Inputzusammenhangs kommen, vgl. oben 3. Kapitel § 17 D. 417 418

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Verfahren. Hierbei lässt sich unterscheiden nach unmittelbar inhaltssteuernden Regelungen bzw. Regelungsinstrumenten [b)] und mittelbar inhaltssteuernden Legitimationsverfahren [c)]. Bevor eine derartige Einteilung der Legitimationsmethoden vorgenommen wird, sollen zunächst die Leistungen der traditionellen Legitimationsmodi überprüft werden [a)]. a) Die traditionellen Legitimationsmodi Nachdem bereits die Exklusivität der traditionellen Legitimationsmodi abgelehnt wurde,422 gilt es deren Leistungen für die Herstellung des erforderlichen Soll-Niveaus aufzuzeigen, um ihren Nutzen für das eigene Legitimationsmodell zu bestimmen. aa) Personelle Legitimation Das Erfordernis der personellen Legitimation ist, darauf wurde an anderer Stelle bereits hingewiesen,423 in jüngerer Zeit in die Kritik geraten.424 Sehr deutlich werden die vorgebrachten Argumente gegen die Forderung nach einer ununterbrochenen Kette von Bestellungsakten in den vom OVG Münster zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Emschergenossenschaft verfassten Urteilsgründen: „Eine solche Forderung leistet für das Demokratieprinzip nichts, wo sie zum bloßen Selbstzweck wird. Der Gedanke der ununterbrochenen Legitimationskette büßt jede Aussagekraft im Hinblick auf das Demokratiegebot ein, wenn der Legitimationsstrang des jeweiligen Amtswalters bzw. Organmitglieds zum Volk immer länger wird und je mehr der Legitimationsakt zeitlich zurückliegt. So ist schwer nachvollziehbar, warum die Amtsführung eines Bediensteten deshalb als demokratisch legitimiert anzusehen sein soll, weil ihm sein Amt vor langer Zeit von einem Dienstvorgesetzten übertragen worden ist, der zuvor von der Landesregierung ernannt worden ist, die ihrerseits von der Volksvertretung her legitimiert war. In derartigen Fällen kann sich die konkret personale Beziehung zum Volk in eine bloße Fiktion verflüchtigen, die eine reale Aussage über die demokratische Qualität des amtlichen Handelns nicht mehr erlaubt.“425 Im Einklang mit dem hier vertretene Konzept weist das Gericht anschließend darauf hin, dass das „Legitimationsproblem auf die Forderung des demokratischen Gebots zurückgeführt werden [muss], dass die für die Gemeinschaft wichtigsten Entscheidungen jeweils von denjenigen zu treffen sind, die dem Volk im Rahmen des politischen Willensbildungsprozesses am nächsten stehen.“426 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. 1. Kapitel § 7 A. II. 1. a) in Fn. 67. 424 Siehe zudem Mehde, Demokratieprinzip, S. 552 ff.; Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 646. 425 OVG Münster, NWVBl. 10 (1996), 254 (259). 426 Ebenda. 422 423

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Die vorgebrachte Kritik ist berechtigt. Richtig ist, dass die personelle Legitimation nicht zum Selbstzweck werden darf. So, wie sie die traditionelle Auffassung konstruiert, wird aus der personellen Komponente jedoch ein rein formales Prinzip, ein einzuhaltendes Verfahren ohne den erforderlichen materiellen Gehalt. Eine inhaltslenkende Wirkung misst die herrschende Meinung der Personalauswahl nicht bei. Aber ebenso wenig bezieht sich der Wille der Legitimationssubjekte auf die Ernennung bestimmter Personen für die Verwaltungstätigkeit, so dass der konkrete Funktionswalter auch nicht mittelbar durch das Volk ausgewählt wird. Zudem wird durch die Fixierung auf den Einsetzungsakt, der eben nur ein Glied der beschriebenen Legitimationskette sein muss, das Zeitmoment vollständig ausgeblendet. Überspitzt vergleicht Schliesky diese Rechtskonstruktion der traditionellen Auffassung daher mit der „antiken Vorstellung der Volkssouveränität i. S. d. ,lex Regia‘, für die ein Übertragungsakt der Herrschaftsgewalt durch irgendwelche Vorfahren genügte, ohne dass den nachfolgenden Generationen eine Rückholmöglichkeit eingeräumt war.“427 Dass eine derartige Rechtfertigung von Herrschaftsgewalt nichts mehr mit einem praktisch wirksamen und für beide Seiten, die Legitimationssubjekte und die besonderen Träger von Hoheitsgewalt, konkret erfahrbaren Willens- und Verantwortungszusammenhang428 zu tun hat, dürfte einleuchten. Eine vollständige Aufgabe personeller Legitimation ist dennoch nicht angezeigt. Vielmehr gilt es, die Legitimationskettenlehre durch einen Blick auf die verschiedenen Funktionen von Personalauswahl zu überwinden und die Kategorie so wieder für die Beschreibung demokratischer Legitimation nutzbar zu machen. Von der Auswahl von Personen kann mittelbar inhaltssteuernde Wirkung ausgehen.429 Das wurde für die Wahlen bereits an verschiedenen Stellen dargestellt.430 Die programmatische Personenwahl spielt also im Legitimationskonzept beider Verfassungen, der deutschen und der europäischen, eine entscheidende Rolle. Zur Aktualisierung des Willenszusammenhangs erfolgen Wahlen in regelmäßigen Abständen. Die Zeitkomponente ist also ihrerseits zur Herstellung eines stets möglichst aktuellen Willenszusammenhangs von besonderer Bedeutung.431 Mittelbar inhaltssteuernde Wirkung muss der Personalauswahl aber nicht nur auf der Vermittlungsebene Legitimationssubjekte / (Europäisches) Parlament und Regierung bzw. Rat zukommen. Auch bei der Weitervermittlung von Parlamentswillen, Regierungswillen bzw. des Willens des Rates kann eine mit inhaltlichen Vorstellungen verbundene Auswahl von Personen zur Verwirklichung des maßgeblichen Hoheitswillens in den Entscheidungen der ausgewählten Personen nutzbar gemacht werden. Das ist insbesondere bei der Auswahl von Interessenvertretern der Fall, wenn sie gerade zur (verobjektivierten) Vertretung dieser Interessen ermächtigt 427 428 429 430 431

So auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 720. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 B. I. 2. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. a) in Fn. 434. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. c) bei Fn. 444 u. 3. Kapitel § 17 B. I. BVerfGE 70, 324 (366); Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 720.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

werden. Aber auch die Auswahl von Personen, die erkennbare Eigeninteressen oder subjektive Vorverständnisse haben, kann im Ergebnis zur Vertretung einer Interessenrichtung führen, so dass die Entscheidungen dieser Person in einem gewissen Maße prädestiniert sind. Unter diesem Aspekt kann gerade die Auswahl der Mitglieder von Kollegialgremien (i.V.m. dem gewählten Entscheidungsverfahren) eine inhaltsvermittelnde Wirkung haben und so einen Beitrag zur Herstellung des demokratischen Willenszusammenhangs leisten. Mit der inhaltssteuernden Personalauswahl dürfte stets die Forderung nach einem besonders effektiven Verantwortungszusammenhang einhergehen. Nur so kann die notwendige Aktualisierung des Willenszusammenhangs sichergestellt werden. Geradezu konträr dazu ist die Situation bei der Auswahl der deutschen Verwaltungsbeamten. Diese werden auf Lebenszeit ernannt. Ihre Amtszeit reicht zumeist weit über die Legislaturperiode hinaus, in der ihre Auswahl erfolgt. Maßgebliche Auswahlkriterien sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG). Nach den §§ 52, 54 BBG, 35, 36 BRRG hat der Beamte seine Aufgaben unparteiisch, uneigennützig und zum Wohle des gesamten Volkes zu erfüllen.432 Soweit es sich nicht um politische Beamte handelt,433 dient das Auswahlverfahren, welches ja zugleich das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte verkörpert, nicht der mittelbaren Willensvermittlung, sondern der Absicherung des Willenszusammenhangs. Die Beamten sollen nämlich dauerhaft den maßgeblichen Hoheitswillen möglichst unverfälscht mit ihren Entscheidungen umsetzen.434 Vermittelt wird dieser Wille jeweils durch andere Regelungsinstrumente, vorwiegend durch das Parlamentsgesetz. 435 Die Verfahren zur Beamtenauswahl dienen daher weniger der Willensvermittlung selbst als vielmehr der demokratischen Output-Optimierung, indem sie sicherstellen, dass Eigeninteressen des Beamten wie auch externe Einwirkungen auf den Beamten möglichst ohne Einfluss auf seine Entscheidungen bleiben.436 Im Ergebnis ist daher der Modus der personellen Legitimation inhaltlich neu auszurichten. Er bezeichnet nicht eine stets erforderliche ununterbrochene Kette 432 Diese Neutralitätspflicht der Beamten ergibt sich auch schon aus der Verfassung selbst (Art. 33 Abs. 2 GG), vgl. BVerfGE 92, 140 (151); 96, 189 (197); Sondervotum Di Fabio / Jentsch / Mellinghoff, BVerfGE 108, 314 (320 ff.). 433 Vgl. dazu Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 42, die eine Auswahl (auch) nach politischer Überzeugung bzw. Parteizugehörigkeit für zulässig hält, je mehr der Beamte selbst politisch gestalterisch tätig wird. Richtigerweise geht mit dieser inhaltssteuernden Personenauswahl wieder die (potentielle) zeitliche Befristung der Tätigkeit einher, indem nämlich der politische Beamte jederzeit aus politischen Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann (§§ 31 BRRG, 36 BBG). 434 So sieht auch Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (244) in Fn. 119, einen der Haupteffekte dieses Legitimationskriteriums darin, den Zugriff gesellschaftlicher Gruppen [ . . . ] auf den öffentlichen Dienst zu erschweren; wie hier Trute, in: Schmidt-Aßmann / HoffmannRiem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 249 (273 f.). 435 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 120 ff., insbes. 122. 436 Wie hier Sondervotum Di Fabio / Jentsch / Mellinghoff, BVerfGE 108, 314 (322 f.).

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von Bestellungsakten zu dem jeweiligen mit Hoheitsgewalt betrauten Amtswalter, sondern birgt im Hinblick auf den Willenszusammenhang eine inhaltssteuernde und eine absichernde Komponente. Bezogen auf letztere ist den Äußerungen des OVG Münster zuzustimmen, dass ihr kein Selbstzweck zukommen darf: Die absichernde Komponente, also die Auswahl der Person auch unter dem Aspekt, dass sie zur Umsetzung des Parlaments- bzw. Regierungswillens befähigt ist, kann demokratische Legitimation nur erzeugen, wenn tatsächlich auch ein solcher Wille zum Umsetzen an sie herangetragen wird.437 Abschließend sei noch einmal bemerkt, dass auch das Bundesverfassungsgericht zuletzt das Erfordernis der personellen Legitimation i.S. einer ununterbrochenen Kette von Bestellungsakten (zumindest) für die funktionale Selbstverwaltung aufgegeben hat.438 bb) Sachlich-inhaltliche Legitimation Die sachlich-inhaltliche Legitimation bezeichnet nach der traditionellen Auffassung den im Mittelpunkt des hier vertretenen Legitimationskonzepts stehenden Willenszusammenhang. Durch das Erfordernis einer umfassenden gesetzlichen und gubernativen Steuerung aller Entscheidungen kreiert die herrschende Meinung ein abzulehnendes Modell der Totalsteuerung. Dass damit jedoch keinesfalls alle Detailentscheidungen tatsächlich vom Volk getroffen oder gar nur beeinflusst werden, resultiert bereits aus den begrenzten Kapazitäten des Willensvermittlungsprozesses zwischen den Legitimationssubjekten und den von ihnen direkt oder indirekt bestimmten Vertretern der Parlamente, Regierungen und des Rates.439 Derartig hohe Anforderungen an die sich daran anschließende Weitervermittlung des Volkswillens zu stellen, führt zwangsläufig zu Fiktionen440 und verfehlt die Intention des unabänderlichen Demokratiegebots der deutschen Verfassung und des europäischen Verfassungsverbundes, nicht nur Rechtsprinzip zu sein, sondern tatsächliche (Rechts-)Wirkung zu erzeugen und die (Rechts-)Wirklichkeit zu formen. Die sachlich-inhaltliche Legitimation, will man diese Kategorie beibehalten, bedarf also ebenfalls einer Adaption, einer Neuinterpretation, um die Leistung, die sie für den erforderlichen Willenszusammenhang erbringt, zutreffend beschreiben zu können. Wie bereits mehrfach dargelegt, muss sich der Willenszusammenhang in allen wesentlichen Fragen im europäischen Mehrebenensystem über die Parlamente, die Regierungen oder den Rat entfalten. 437 438 439 440

Vgl. auch schon oben 3. Kapitel § 18 C. I. bei Fn. 421. BVerfGE 107, 59 (91). Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. u. 3. Kapitel § 17 B. I. u. II. Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. in Fn. 75.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Im Geltungsbereich des Grundgesetzes ergibt sich, anders als nach dem Europäischen Primärrecht,441 ein Auslegungsproblem bezüglich der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Parlamenten und Regierungen. Hinsichtlich der Regelung der Sachfragen erweist sich der Parlamentsvorbehalt als maßgebende Rechtsfigur für die Bestimmung der Zuständigkeiten.442 Ausdrücklich weist das Grundgesetz die Regelung von unmittelbaren Eingriffen in die meisten Grundrechte dem Gesetzgeber zu. Aufgrund des lückenlosen Grundrechtsschutzes443 folgt daraus eine weitgehende Zuständigkeit des Gesetzgebers für belastende staatliche Maßnahmen. Darüber hinaus hat der Parlamentsvorbehalt mit der Veränderung der Grundrechtsinterpretation eine starke Ausdehnung erfahren. Zutreffend gibt Hoffmann-Riem diesen erweiterten Anwendungsbereich wieder: „Ein Parlamentsgesetz ist grundsätzlich für Eingriffe in grundrechtliche Gewährleistungsgehalte gefordert, aber auch für Ausgestaltungen eines grundrechtlichen Freiheitsbereichs [ . . . ]. Auch ungeschriebene verfassungsunmittelbare Schranken bedürfen einer parlamentarisch-gesetzlichen Umsetzung.“444 Mit der Ausweitung der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte und der bereits oben angesprochenen erweiterten Auslegung des Eingriffsbegriffs445 auch auf mittelbare faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen wird der Parlamentsvorbehalt immer mehr zum Totalvorbehalt.446 In der Folge liegt das Schwergewicht der Kompetenzen beim Gesetzgeber und nicht bei der Regierung. Doch lässt sich zumindest bezweifeln, dass der Parlamentsvorbehalt in jeder Hinsicht mit der erweiterten Grundrechtsinterpretation „mitgewachsen“ ist.447 Denn das Grundgesetz schreibt eben nur im Bereich unmittelbarer hoheitlicher Eingriffe ein rechtfertigendes Gesetz ausdrücklich vor. Die darüber hinausgehende Auslegung wird im Wesentlichen auf das Demokratieprinzip gestützt.448 Wegen der größeren demokratischen Legitimation des Parlamentsgesetzes wird das Parlament in allen Bereichen, die nicht ausdrücklich der Regierung zugewiesen sind,449 für zuständig erklärt.450 441 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 2. zur klaren Kompetenzverteilung zwischen Rat u. europäischen Parlament im Bereich der Organisationsgewalt. Durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und der Regelung des Entscheidungsverfahrens in der Ermächtigungsnorm ist die Kompetenzverteilung auch im Übrigen zumeist eindeutig. 442 Vgl. auch schon oben 3. Kapitel § 18 C. I. Während die Wesentlichkeitstheorie vor allem vertikal, also zwischen den Parlamenten bzw. Regierungen und der Verwaltung, wirkt (vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I.), hat der Gesetzesvorbehalt neben der vertikalen Komponente auch eine horizontale: Er bestimmt nicht nur das Verhältnis zwischen Parlament und Verwaltung, sondern auch dasjenige zwischen Parlament und Regierung. 443 Dreier, in: ders., GG Bd. I, Art. 2 I Rn. 15, 20, 22. 444 Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (50). Vgl. auch BVerfGE 108, 282 (311 f.). 445 Vgl. oben 1. Kapitel § 6. 446 Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (43); Horn, AöR 127 (2002), 427 (451). 447 So auch BVerfGE 105, 279 (303 ff.); Sondervotum Di Fabio / Jentsch / Mellinghoff, BVerfGE 108, 314 (335 ff.). Vgl. auch die Nachweise oben 1. Kapitel § 7 A. III. 4. in Fn. 381. 448 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 3. in Fn. 376. 449 BVerfGE 68, 1 (87).

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Daran ist richtig, dass für die Auslegung des Grundgesetzes im Falle einer Regelungslücke allgemeine Verfassungsprinzipien herangezogen werden müssen. Doch hat das Grundgesetz auch der Bundesregierung politisch bedeutsame Bereiche zugewiesen.451 Darüber hinaus ist nicht nur das Demokratieprinzip maßgeblich für die Beurteilung der Kompetenzverteilung, sondern auch das gleichrangige Rechtsstaatsprinzip und als dessen Unterprinzip dasjenige der Gewaltenteilung. Bereits oben452 ist auf das daraus abgeleitete Gebot der „funktionsgerechten Organisationsstruktur“ hingewiesen worden, welches im Verhältnis von Parlament und Regierung für eine Zuständigkeit desjenigen Verfassungsorgans streitet, das nach seiner Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügt.453 Gerade weil auch ein hinreichender Zurechnungszusammenhang zu den Entscheidungen der Regierung besteht,454 führt deren Zuständigkeit nicht zur Unterschreitung des demokratischen Mindestniveaus. Auch die Leitidee des Demokratiegebots455 wird durch eine Kompetenzverortung bei der Regierung nicht erheblich schlechter verwirklicht als durch eine Entscheidungszuständigkeit des Parlaments. Denn der Willensvermittlungsprozess zwischen Legitimationssubjekten und Regierung ist nicht mittelbarer als derjenige zwischen Legitimationssubjekten und Parlament.456 Allein die Effektivität des Willenszusammenhangs ist bei Parlamentsentscheidungen (normativ) etwas größer.457 Aus diesem Grund ist es durchaus denkbar, um einiges öfter, als dies bisher getan wird, eine konkurrierende Regierungszuständigkeit anzunehmen.458 Dem ParHorn, AöR 127 (2002), 427 (451 f.). BVerfGE 68, 1 (89); Mehde, AöR 127 (2002), 655 (666). Siehe außerdem oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. zur konkurrierenden Zuständigkeit von Gesetzgeber und Bundesregierung im Bereich der Verwaltungsorganisation. Zudem besteht bei Einhaltung der Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Möglichkeit, eigentlich dem Parlament zugewiesene Kompetenzen auf die Exekutive zu übertragen, vgl. dazu Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (593). 452 1. Kapitel § 7 A. III. 4. in Fn. 395 u. IV. 2. bei Fn. 423 sowie § 8 bei Fn. 558. 453 Zutreffend bezeichnet Horn, AöR 127 (2002), 427 (455), den Maßstab für die richtige Staatsorganisation und damit die Auslegung des Rechtsstaatsprinzips: „Sein Verständnis muss im Horizont aller Ziel-, Wert- und Legitimationsvorstellungen der Verfassung gefasst werden, mithin nicht allein aus der Perspektive der parlamentarischen Demokratie.“ 454 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I. 455 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 u. § 18 C. I. 1. a) aa) bei Fn. 426. 456 Ausführlich dazu oben 3. Kapitel § 17 B. I. Als entscheidende Mittler dienen die Fraktionen, die sowohl Einfluss auf die Entscheidungen der Abgeordneten als auch der Regierungsmitglieder nehmen. 457 Vgl. BVerfGE 85, 386 (403 f.); 108, 282 (312), welches die Vorzüge des parlamentarischen Entscheidungsverfahrens für den Willensbildungs- und -vermittlungsprozess hervorhebt; Horn, AöR 127 (2002), 427 (450). Ebenso Mehde, AöR 127 (2002), 655 (671 f.), der aber auch auf die Grenzen von Öffentlichkeit und Transparenz im „gewöhnlichen“ Gesetzgebungsverfahren (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 1 GO BT zur nichtöffentlichen Beratung in den Ausschüssen) hinweist und schlussfolgert, dass das zusätzliche Maß an Intransparenz bei Regierungsentscheidungen nicht „signifikant“ sei. 450 451

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

lament verbliebe dann, abgesehen von den Kernbereichen exekutivischer Eigenverantwortung, aber stets ein Zugriffsrecht. Neben der Kompetenzverteilung zwischen Parlamenten und Regierungen wird mit dem Gesetzesvorbehalt zugleich das zentrale Instrument für die Weitergabe des parlamentarischen Willens bezeichnet. Daraus resultiert aber keineswegs bloß die Pflicht zum Erlass inhaltlich bestimmter Konditionalsätze. 459 Gerade die Konzentration auf das Wesentliche und die Einbeziehung der praktischen Wirksamkeit erfordert eine offenere Interpretation des Gesetzesvorbehalts.460 Dem Gesetzgeber muss ein Gestaltungsspielraum offen stehen, wie er das Gesetz einsetzt, um seinen Willen bestmöglich weiterzuleiten und ihm zur praktischen Wirksamkeit zu verhelfen.461 Ein aus dem Demokratieprinzip abgeleitetes Verbot finaler, personeller oder prozeduraler Steuerung erscheint so gesehen geradezu widersinnig.462 Mustergültig hat das Bundesverfassungsgericht eine flexiblere Interpretation des Gesetzesvorbehalts in seiner Entscheidung zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften selbst praktiziert: Wegen der Eingriffsqualität der Entscheidungen der Bundesprüfstelle hat es zunächst die Geltung des Gesetzesvorbehalts bejaht.463 Für die Weitergabe des parlamentarischen Willens in den wesentlichen Fragen forderte es aber keinesfalls ein parlamentsgesetzliches Konditionalprogramm, sondern ließ eine Willensvermittlung durch gesetzliche Organisations- und Verfahrensentscheidungen genügen.464 Durch die Auswahl der vertretenen Interessen465 und die Regelung der Entscheidungsverfahren der Bundesprüfstelle würden, so das Gericht, „die Grenzen der konkurrierenden Freiheitsrechte abgesteckt“.466 An die458 So auch, abgeleitet aus dem Prinzip der gewaltenteiligen Demokratie bzw. demokratischen Gewaltenteilung, Horn, AöR 127 (2002), 427 (457). 459 So aber die traditionelle Auffassung, vgl. dazu Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 422. 460 Ebenso Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (424 f.). 461 Vgl. beispielsweise BVerfGE 49, 89 (136 f.): „Der Gesetzgeber verfügt, wenn er vor der Frage steht, ob er in einer Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder sie ins einzelne gehend fasst, über einen Gestaltungsspielraum, wobei nicht zuletzt auch Erwägungen der praktischen Handhabung seine Entscheidung beeinflussen dürfen.“ Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (54, 67), spricht von einer Pluralität legitimationsstiftender Faktoren. 462 Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (68 f.). 463 BVerfGE 83, 130 (151 f.). 464 Vgl. zu den Zielen der gesetzlichen Gestaltung BVerfGE 83, 130 (152 f.). In diese Richtung nunmehr ausdrücklich BVerfGE 111, 191 (218): „Wird durch organisatorische und verfahrensrechtliche Bestimmungen für eine angemessene Interessenberücksichtigung gesorgt, werden die Anforderungen an materiell-rechtliche Regelungen im Gesetz entsprechend verringert.“. 465 Das Bundesverfassungsgericht fordert vom Gesetzgeber die nähere Bestimmung der Personengruppen und Verbände, die für die Entsendung von Gruppenbeisitzern in Betracht kommen, vgl. BVerfGE 83, 130 (153). 466 BVerfGE 83, 130 (152). Vgl. auch Groß, Das Kollegialprinzip, S. 22, der in diesem Zusammenhang von kontextbezogener Steuerung spricht.

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ser Aufgabe seien die Organisations- und Verfahrensentscheidungen aber auch zu orientieren; zugleich müssten sie geeignet sein „zu bewirken, was Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisten will.“467 Das Gericht lässt also eine Steuerung durch Personalauswahl i.V.m. dem Entscheidungsverfahren zu, verlangt dem Gesetzgeber aber zugleich eine Prognose468 über die praktische Wirksamkeit der Verfahren zur Willensvermittlung und zur Grundrechtsverwirklichung ab. Statt also mit der traditionellen Auffassung469 die Inhaltskonkretisierung der Grundrechte zur Gewährleistung derer Schranken dem Einfluss des Volkes (theoretisch) zu entziehen, lässt sich die Rechtsfigur des Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren auch als Verbesserung des Einflusses des Volkes begreifen, falls auf diese Weise der Parlamentswille besser verwirklicht wird.470 Die Chance, die diese gewandelte Betrachtungsweise mit sich bringt, liegt darin, dass die prognostizierten und die tatsächlichen willensvermittelnden Leistungen von Organisations- und Verfahrenregeln einer gerichtlichen und empirischen Überprüfung zugänglich werden.471 Als weiteres Beispiel aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die bereits mehrfach zitierte Kalkar-Entscheidung zu nennen.472 Auch in dieser Entscheidung hat das Gericht der praktischen Wirksamkeit des Willenszusammenhangs entscheidendes Gewicht beigemessen. Es hat einerseits zugunsten des Grundrechtsschutzes Abstriche vom Bestimmtheitsgrundsatz gemacht.473 Andererseits hat es aber auch anerkannt, dass die dynamische Regelung den gesetzlich angestrebten Grundrechtsschutz besser verwirkliche, und damit zugleich eine höhere Effektivität der Willensverwirklichung aufgrund der finalen Regelung474 festgestellt.475 Festhalten lässt sich, dass sachlich-inhaltliche Legitimation der Verwaltung nicht nur durch Gesetze, die alles Wesentliche in Form eines Konditionalprogramms regeln, und ein ministerielles Weisungsrecht, das alle gesetzlich nicht geregelten Fragen erfasst, hergestellt werden kann. Vielmehr gilt die Wesentlichkeitstheorie nicht horizontal zwischen Parlamenten und Regierungen, sondern vertikal: Je nach Zuständigkeit müssen entweder Parlament, Regierung oder beide Hoheitsorgane gemeinsam alle wesentlichen Fragen regeln. Für die gewandelten Anforderungen, die dabei an das Parlamentsgesetz zu stellen sind, führt Hoffmann-Riem im Ebenda. Vgl. dazu bereits oben 3. Kapitel § 18 C. 469 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. V. 470 Ebenso Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (68 f.). 471 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 C. II. 472 BVerfGE 49, 89 (136 ff.). 473 Vgl. den Nachweis oben 1. Kapitel § 7 B. III. in Fn. 525. 474 Das Gericht leitet die parlamentsgesetzlichen Zielvorgaben aus dem Gesetzestext wie auch dem dahinter stehenden Sinn und Zweck ab, vgl. BVerfGE 49, 89 (138 f.). 475 Vgl. bereits oben 2. Kapitel § 15 bei und in Fn. 573. 467 468

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Einklang mit dem hier vorgestellten Konzept aus: „Qualitäts-Gewährleistung unter heutigen Bedingungen [ . . . ] fordert vom Gesetz mehr als nur Steuerung in Gesetzesform. Es bedeutet vielmehr eine den Output einbeziehende Vorgehensweise, die heutigen Einsichten über die Verschränktheit von Problemen gerecht wird, die möglichst viele Steuerungsfaktoren in den Blick nimmt und die vor allem auf aktuelle Wissens- und Steuerungsprobleme nicht mit wirklichkeitsfremden Fiktionen antwortet, sondern real nutzbare Wege beschreiten hilft. [ . . . ] Nicht die Vorstellung einer durch das Gesetz in jeder Hinsicht vorherbestimmten, wohl aber die einer gesetzesdirigierten Verwaltung öffnet den Weg zu einer problemangemessenen Qualitäts-Gewährleistung.“476 Das Gleiche gilt auch für die Steuerung der Verwaltung durch die Gubernative. Eine Fixierung auf das ministerielle Weisungsrecht würde schon aus Praktikabilitätsbedingungen einen gewaltigen Verlust an tatsächlicher Steuerung und tatsächlichem Steuerungspotential bedeuten. Wiederum würden wirklichkeitsfremde Annahmen477 zur Grundlage einer theoretischen Konstruktion, die einer Untersuchung und zutreffenden Beurteilung der tatsächlichen Leistungen der verschiedenen Steuerungsinstrumente im Wege steht. Als Folge würde statt einem realen Legitimationsniveau lediglich ein fiktives ermittelt. Aus der Ablehnung der traditionellen Auffassung resultiert auch im Bereich gubernativer Staatsleitung eine Steuerungsvielfalt. Es ist in erster Linie die politische Verantwortung der Regierungen, eine möglichst effektive Willensvermittlung sicherzustellen.478 b) Unmittelbare Inhaltssteuerung Unmittelbare Inhaltssteuerung durch das Parlament erfolgt nach der deutschen Verfassung durch das Parlamentsgesetz als der wichtigsten Form der Lenkung von (exekutivem) Verhalten. Bereits bei der Untersuchung der traditionellen Legitimationsmodi ist festgestellt worden, dass die Steuerungsleistung des materiellen Gesetzes nicht in erster Linie nach der Dichte des gesetzlichen Konditionalprogramms bestimmt werden darf.479 Entscheidend ist die tatsächliche willensvermittelnde Wirkung des Gesetzes. Mit Groß lässt sich die konditionale Regelungsform als Wenn-Dann-Schema beschreiben, in dem sich eine antizipierte Kausalanalyse niederschlägt, „die die Annahme begründet, dass mit seiner Erfüllung durch das Verwaltungshandeln bestimmte vorgegebene Ziele erreicht werden können.“480 Verspricht ein gesetzliches Finalprogramm,481 dass die angestrebten Ziele in der Umsetzung besser erreicht werden, so ist dieses dem KonHoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (46). Groß, Das Kollegialprinzip, S. 189. 478 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. zum Prognosespielraum und den damit verbundenen Grenzen der gerichtlichen Überprüfbarkeit. 479 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. I. 1. a) bb). 480 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 20. 481 Vgl. zum Beispiel der Bauleitplanung Breuer, AöR 127 (2002), 523 (526 f.). 476 477

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ditionalprogramm legitimationstheoretisch sogar überlegen.482 Die Methoden und Mittel zur Zielerreichung müssen vom Parlament jedoch umso mehr selbst vorgegeben werden, umso stärker damit zugleich eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Grundkonsenses verbunden ist.483 Grundsätzlich hat also der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative, mit welcher Regelungsmethode484 er seinen Willen am besten weiterleitet, solange er nur einen Willen zu allen wesentlichen Fragen selbst bildet und zum Maßstab untergesetzlichen Handelns macht. Ebenso gilt das für den europäischen „Gesetzgeber“: 485 das Europäische Parlament und den Rat. Zur abstrakt-generellen und verbindlichen Regelung einer Vielzahl von Sachverhalten dienen ihm die Rechtsformen der Verordnung und der Richtlinie. Nun ist die finale Rechtsetzungsmethode den europäischen Hoheitsorganen aufgrund der Überlieferung einiger Mitgliedstaaten nicht fremd.486 Die Richtlinie ist bereits ihrem Wesen nach nur „hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich,“ während sie „den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“ überlässt (Art. 249 Abs. 3 EG). Auch bei Verordnungen kommt die finale Regelungstechnik auf europäischer Ebene bisher ohne rechtliche Bedenken zur Anwendung. So delegiert beispielsweise die IAS-Verordnung den Erlass der zu befolgenden Standards auf das IASB und die Kommission und beschränkt sich selbst weitgehend auf die Normierung von Zielvorstellungen, denen die zukünftigen Standards genügen müssen.487 Weil das europäische Primärrecht keine Trennung zwischen Legislative und Gubernative kennt, stehen dem Europäischen Parlament und dem Rat auch quasi-exekutive Handlungsformen zur Verfügung, wie etwa der Erlass von Durchführungsvorschriften, Entscheidungen und die Abgabe von unverbindlichen Stellungnahmen und Empfehlungen. Auch mittels dieser Rechtsakte kann der (vermittelte) Wille der Legitimationssubjekte zur inhaltlichen Direktive für die Entscheidungen nachgeordneter Hoheitsträger gemacht werden. 482 Ebenso Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 669 f. Grundsätzlich zum Gegensatz zwischen konditionaler und finaler Rechtsetzung Breuer, AöR 127 (2002), 523 (525 ff.). 483 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. II. a.E. u. 3. Kapitel § 17 B. I. 484 Selbstverständlich können die Regelungsmethoden auch kombiniert werden. 485 Vgl. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 123, die bezüglich der Kompetenz zum Erlass von Verordnungen und Richtlinien von quasi-legislativen Befugnissen spricht. 486 Vgl. Breuer, AöR 127 (2002), 523 (542 ff. [zum französischen Verwaltungsrecht], 553 ff. [zum britischen Verwaltungsrecht], 556 ff. [zum europäischen Umweltrecht]). 487 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 2. a). In ähnlicher Weise erfolgt die Kooperation zwischen den Hoheitsorganen der europäischen Union und privaten Standardisierungsorganisationen nach der sog. „neuen Konzeption zur technischen Harmonisierung und Normung“, nach der im Gemeinschaftsrechtsakt nur das Schutzniveau rechtlich umschrieben und die Konkretisierung den Standardsetzern überlassen wird (Entschließung des Rates, ABl. C 136 v. 04. 06. 1985, S. 1 [2 f.]; dazu Winter, EuR 40 (2005), 255 [257]). Vgl. aber oben 3. Kapitel § 18 B. III. 2. zu den Grenzen der Befugnisübertragung.

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Schließlich hat auch die nach dem Grundgesetz mit der Kompetenz zur selbständigen Entscheidung für den Grundkonsens wesentlicher Fragen ausgestattete Bundesregierung, ebenso wie die jeweiligen Landesregierungen, verschiedene Handlungsoptionen zur Weitergabe ihres Willens. Zur abstrakt-generellen und verbindlichen Normierung dient die Rechtsverordnung. Mit der gesetzgeberischen Ermächtigung, die gem. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Voraussetzung für den Erlass derartiger Rechtsnormen ist, werden zugleich Befugnisse zum Erlass wesentlicher Entscheidungen vom Parlament auf die Exekutivspitze delegiert.488 Eine etwaige Subdelegation (Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG) darf diese wesentlichen Entscheidungsbefugnisse dagegen nicht umfassen. Des weiteren ermöglichen Verwaltungsvorschriften, Weisungsrechte,489 Genehmigungsvorbehalte, Letztentscheidungsrechte, Selbsteintrittsrechte oder sonstige Aufsichtsrechte sowie öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Verträge der Exekutivspitze ihr nachgeordnete Entscheidungseinheiten inhaltlich verbindlich anzuleiten.490 Normativ schwächere aber dennoch unmittelbare Legitimationsinstrumente sind unverbindliche Handlungsformen wie schlichte Äußerungen und Stellungnahmen der Regierung, die aber in Verbindung mit einer personellen Verantwortlichkeit u.U. dennoch erhebliche Willensvermittlungswirkung haben können. c) Mittelbare Willenssteuerung Die Idee einer prozeduralen Steuerung, oftmals auch einer Legitimation durch Prozeduralität, ist in jüngerer Zeit insbesondere im Zusammenhang mit der Einbindung privater Akteure in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben vermehrt geäußert worden.491 Sie ist für diejenigen Konstellationen zur Forderung erhoben worden, in denen aus faktischen oder praktischen Zwängen eine materielle (gesetzliche) Programmierung der Entscheidungsinhalte schwächer ausfällt. Dort soll der Legitimationszusammenhang durch Organisations-, Verfahrens- und FinanzierungsVgl. Saurer, DÖV 58 (2005), 587 (593). Vgl. aber zur wohl eher geringen Legitimationsleistung von Weisungsrechten Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 703. 490 Siehe auch Uerpmann, AöR 125 (2000), 551 (569). 491 Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 102 ff.; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 149 ff., 226 ff.; Groß, Das Kollegialprinzip, S. 21 f., 239 ff.; Hellermann, NZG 2000, 1097 (1102); Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (421 ff.); Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (47 f., 59 ff., 68); Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (696 ff.); Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (449 ff.); Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 119 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, GG Bd. III, Art. 19 Abs. 4 Rn. 207; ders., in: ders. / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (39); SchmidtPreuß, ZLR 25 (1997), 249 (256 f., 260 f.); Schwab, BB 1999, 783 (788); Trute, DVBl. 111 (1996), 950 (962 ff.); ders., in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 249 (270 ff.); Wahl, NVwZ 1991, 409 (418); Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 328 ff. 488 489

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regeln492 sowie Verantwortung493 und damit auch Kontrolle und Transparenz gestärkt werden.494 Adressat dieser sog. Gewährleistungsverantwortung495 ist die politische Gewalt, hier also die Parlamente und Regierungen bzw. der Rat im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten. Als Folge einer organisationsrechtlichen Wesentlichkeitstheorie wird demgegenüber von den meisten Autoren allein der Gesetzgeber als legitimierte Instanz für die prozedurale Steuerung angesehen.496 Versteht man unter prozeduraler Steuerung gerade die mittelbare Willenssteuerung, so greift aber auch nach dem hier entworfenen Legitimationsmodell zumeist ein Parlamentsvorbehalt ein. Denn die Kompetenz für Sachentscheidungen ist zum großen Teil dem Parlament zugewiesen.497 Plant der Gesetzgeber seinen Willen nicht durch sachlich-inhaltliche, sondern durch prozedurale Vorgaben an nachgeordnete Entscheidungsträger zu vermitteln, so handelt es sich um indirekte materielle Programmierung. In diesem Fall ist es sachgemäß, auch die grundgesetzliche Kompetenzverteilung für die Entscheidung materieller Fragen anzuwenden.498 Im Lichte der vorangegangenen Überlegungen zum Willenszusammenhang 499 bedarf es stets eines Inputs, eine reine Outputrationalisierung der Entscheidungsverfahren verfehlt den demokratischen Gedanken der freien Selbstbestimmung aller Herrschaftsunterworfenen.500 Somit genügt die bloße Regelung von Organisation, Verfahren, Finanzierung und Verantwortung durch die politische Gewalt nicht 492 Vgl. zur Budgetfunktion des Parlamentes Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 210, und zu Finanzierungsfragen im Zusammenhang mit Privaten Standardsetzern Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (711 f.); Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (452). 493 Vgl. zur inhaltssteuernden Funktion des Verantwortungszusammenhangs oben 3. Kapitel § 17 C. I. 494 Vgl. Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 114 ff.; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 322 ff., 325, mit Hinweis auf die damit verbundene Forderung nach einem Verwaltungskooperationsrecht und, als Ergänzung, einem Privatorganisations- und -verfahrensrecht. 495 So Di Fabio, JZ 1999, 585 (592); Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (700); Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 404 ff.; ausführlich hierzu Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 291 ff., insbes. 322 ff. 496 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 326, 482, 649 f.; Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (426); Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (700); dies., in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 51 (62); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (285); Schmidt-Aßmann, in: ders. / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 9 (62); Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 125; Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 333. 497 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. I. 1. a) bb). 498 Vgl. BVerfGE 111, 191 (217, 221), wo das Gericht ebenfalls die gesetzliche Regelung von Organisation und Verfahren für erforderlich hält, wenn auf eine Einrichtung der funktionalen Selbstverwaltung Rechtsetzungsbefugnisse übertragen werden, deren Wahrnehmung mit Grundrechtseingriffen verbunden ist. In diesem Fall müsse der parlamentarische Gesetzgeber Verantwortung für die grundrechtsrelevanten Organisationsentscheidungen übernehmen. 499 Vgl. insbesondere oben 3. Kapitel § 17 u. § 18 C. I. 1. 500 So auch Weiss, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 325.

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den Legitimationsanforderungen. Fehlt es an einer unmittelbaren Inhaltssteuerung durch die im vorgehenden Abschnitt bezeichneten Regelungsinstrumente, so muss der maßgebliche politische Wille auf andere Art und Weise vermittelt werden.501 Dem können insbesondere die Personalauswahl, aber auch andere prozedurale Vorkehrungen dienen. Die Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Leistungsfähigkeit für die Willlensvermittlung liegt beim jeweils zuständigen Hoheitsorgan. Eine ex-post Analyse kann diese Einschätzung mit der Folge einer Nachbesserungspflicht widerlegen.502 Die oftmals weitergehenden Schlussfolgerungen bis hin zu detaillierten Gestaltungsvorgaben, die aus dem Konzept der prozeduralen Steuerung abgeleitet werden,503 erfordern eine präzisierende Klarstellung. Am häufigsten wird eine gleichmäßige Interessenrepräsentation in und die politische Unabhängigkeit von dezentralisierten Kollegialgremien zur Legitimationsbedingung gemacht.504 Hinter diesen Forderungen stehen zum Teil allein am „guten“ Output ausgerichtete Überlegungen, denen hier aufgrund der Ablehnung einer rein outputorientierten Rationalisierung der Entscheidungsverfahren505 nicht gefolgt werden kann. Denn damit wird die Prozeduralität, bisweilen auch der Diskurs zum Selbstzweck erklärt. Der Maßstab für „gute“ Entscheidungen wird dann nicht mehr, wie dies die Verfassungen vorgeben, von den Legitimationssubjekten selbst konkretisiert, sondern durch die Urheber derartiger Forderungen506 bzw. die Gremienmitglieder der deliberativen Entscheidungseinheiten. 507 Im Widerspruch zur Idee der mittelbaren 501 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 251. Zu dieser Wechselbezüglichkeit von unmittelbarer (materiell-rechtlicher) und mittelbarer (prozeduraler) inhaltlicher Steuerung nunmehr auch BVerfGE 111, 191 (217 f.) (vgl. das Zitat oben in Fn. 464). 502 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 C. II. 503 Vgl. Berberich, DRSC-Framework, S. 114; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (700 ff.); dies., in: Hommelhoff / Hopt / v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 51 (61 f.); Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (449 ff.); Schwab, BB 1999, 731 (734 ff.); ders., BB 1999, 783 ff., 788, der aber im Einklang mit der hier vertretenen Ansicht darauf hinweist, dass es sich dabei nicht um zwingende, Alternativen nicht zulassende Deduktionen aus dem Demokratieprinzip handelt. 504 Ebenda. Siehe ebenfalls Groß, Das Kollegialprinzip, S. 251 f.; Mehde, AöR 127 (2002), 655 (674 ff.). 505 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. – III. 506 Vgl. oben 1. Kapitel § 7 B. I. 507 Das Konzept der „deliberativen Demokratie“ skizziert Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (602): „[D]er Kern und die Substanz des demokratischen Prozesses [besteht] in den beständigen Verhandlungen – „Deliberationen“ – moralisch gleicher und einsichtsfähiger Personen, die Konsense über streitige Fragen zu erzielen versuchen.“ Ein Willenszusammenhang zwischen den deliberativen Entscheidungseinheiten und den Herrschaftsunterworfenen soll in diesem Konzept durch eine „Belagerung“ jener Gewalten durch die Öffentlichkeit oder verschiedene themenfokussierte Teilöffentlichkeiten hergestellt werden. Selbst wenn sich auf diese Art und Weise tatsächlich ein Willenszusammenhang herstellen ließe, so dürfte dieser nach dem hier vertretenen Legitimationsmodell nicht zu Lasten des verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Zurechnungszusammenhangs über die Parlamente und Regierungen bzw. den

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Willenssteuerung durch Prozeduralität steht auch eine allzu rigide Interpretation der demokratischen Gleichheit, die dazu führt, dass plural besetzte Expertengremien durch einen (theoretisch) umfassenden Interessenausgleich und den Ausschluss jeglicher Sonderinteressen nur als neutrale Vollzugsapparate konstruiert werden dürfen.508 Denn gerade die Auswahl der vertretenen Interessen und ihre Gewichtung bewirken eine (prognostizierte) inhaltliche Vorbestimmung der Gremienbeschlüsse.509 Forderte man stets eine „neutralisierende“ Besetzung des Kollegialgremiums, so fehlte es an einem Handlungsspielraum des zuständigen Hoheitsträgers, seinen Willen auf diese Weise weiterzugeben. Dennoch ist der Einwand der Verletzung der demokratischen Gleichheit ernst zu nehmen und dahingehend zu überprüfen, ob er einer Steuerung durch Personalauswahl510 grundsätzlich entgegensteht. Aus zwei Gründen dürfte dies allerdings zu verneinen sein. Erstens ist bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen worden, dass das Bundesverfassungsgericht das aus dem Grundsatz der demokratischen Gleichheit abgeleitete Gebot der angemessenen Interessenberücksichtigung und das Verbot der Privilegierung von Sonderinteressen zugunsten verfassungsrechtlich zulässiger Zwecke für einschränkbar hält.511 Zweitens dürfte eine Einschränkung der demokratischen Gleichheit schon gar nicht anzunehmen sein, wenn das zuständige und demokratisch legitimierte Hoheitsorgan seinen Willen durch die Personalauswahl verwirklichen möchte. Genauso, wie die Parlamente, die Regierungen oder der Rat bei der materiellen Programmierung die betroffenen Interessen ermitteln und gewichten dürfen, ohne stets zu einer undifferenziert gleichmäßigen Interessenberücksichtigung gezwungen zu sein, gilt das für die mittelbare Entscheidungssteuerung. Wenn das zuständige Organ ein bestimmtes Interesse höher bewertet und das durch ein zahlenmäßiges Übergewicht in einem pluralen Kollegialgremium zum Ausdruck bringt, so spiegelt sich gerade darin der demokratisch legitimierte Volkswille wider.512 Wendet man im Geltungsbereich des Grundgesetzes mit Dederer Art. 33 Abs. 2 GG zumindest analog auf die Auswahl der Mitglieder staatlicher oder privater Standardsetzer oder die Auswahl des privatrechtsförmigen Standardsetzers Rat gehen, vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. III. Gegen die Vereinbarkeit eines solchen Modells mit dem grundgesetzlichen Legitimationsgefüge wohl auch Horn, AöR 127 (2002), 427 (436 f.). Weitere Nachweise zum Konzept der deliberativen Demokratie finden sich bei Möllers, Gewaltengliederung, S. 60 ff. in Fn. 97 ff. 508 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 325 f.; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (700 ff.); Mehde, AöR 127 (2002), 655 (675 f.). 509 Vgl. auch Groß, Das Kollegialprinzip, S. 251. 510 Vgl. dazu bereits oben 3. Kapitel § 18 C. I. 1. a) aa). 511 Vgl. oben 1. Kapitel § 8 A. IV. Dies entspricht der hier vertretenen Meinung, vgl. oben 3. Kapitel § 17 D. zur Möglichkeit und zu den Voraussetzungen der Beschränkung der Effektivität des Zurechnungszusammenhangs. 512 So auch Groß, Das Kollegialprinzip, S. 258 f., freilich allein auf den Gesetzgeber bezogen, bei dem er die Kompetenz für alle wesentlichen Organisationsentscheidungen verortet.

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selbst an,513 so stellt die inhaltliche Vorprägung bei der mittelbaren Willenssteuerung tatsächlich ein Merkmal des zu besetzenden öffentlichen Amtes dar.514 Die Auswahl hat dann unter anderem danach zu erfolgen, wie gut die Person oder der Standardsetzer das ihm zugeschriebene Interesse zu vertreten vermag.515 Nicht ganz so weit, aber doch in diese Richtung geht auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Tätigkeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften.516 Darin beanstandet das Gericht nicht, dass nicht die Interessen aller517 Legitimationssubjekte, auf die sich das Gleichheitsgebot gerade bezieht, berücksichtigt wurden, sondern nur die der Betroffenen.518 Es beanstandet ebenso wenig, dass möglicherweise nicht einmal alle betroffenen Interessen in dem Gremium vertreten sind, weil andernfalls die Leistungsfähigkeit des Gremiums gelitten hätte.519 Zuletzt verdeutlicht es die steuernde Wirkung, die das gewählte Verfahren auf den Inhalt der darin zustande gekommenen Entscheidungen voraussichtlich haben kann, wenn es die minderheits- und kunstfreiheitsschützende Wirkung des qualifizierten Mehrheitserfordernisses betont.520 Im Ergebnis ist also eine mittelbare Willenssteuerung durch prozedurale Entscheidungen verfassungsrechtlich möglich. Sie kann neben die unmittelbare Inhaltssteuerung durch sachlich-inhaltliche Entscheidungsprogramme treten oder diese ganz ersetzen. Die mittelbare Willenssteuerung stellt aber nur einen kleinen Ausschnitt der potentiellen Leistungen dar, die Organisations-, Verfahrens-, Finanzierungs- und Verantwortungsregeln für und wider den Legitimationszusammenhang erbringen können. Prozeduralität muss also differenziert danach betrachtet werden, ob sie zur Vermittlung von Inhalten, der Effektuierung, Absicherung bzw. Aktualisierung der Willensvermittlung oder der Steigerung der Output-Legitimation i.w.S. dient. Geht sie letzterenfalls zu Lasten der Input-Legitimation bzw. der demokratischen Output-Legitimation, so muss ein Kollisionsfall nachweisbar sein und ein Ausgleich nach den Regeln der praktischen Konkordanz erfolgen.521 513 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 300 ff. Vgl. auch oben 3. Kapitel § 18 B. III. 1. zur Anwendung des Art. 33 Abs. 4 GG. 514 Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 302. 515 Ebenso Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 33 Rn. 42, zur parallelen Problematik beim politischen Beamten. 516 BVerfGE 83, 130 (150 ff.). 517 „Aller“ meint hier alle Legitimationssubjekte in dem jeweiligen Legitimationszusammenschluss, in welchem sie von den Legitimationsverfahren adressiert werden. Da es sich um ein Bundesgesetz handelt, sind alle deutschen Staatsbürger Legitimationssubjekte, vgl. oben 3. Kapitel B. I. 518 BVerfGE 83, 130 (150 f.). 519 BVerfGE 83, 130 (151). 520 BVerfGE 83, 130 (152 f.). Ebenso BVerfGE 111, 191 (221): „An der Regelung über das Stimmgewicht zeigt sich [ . . . ], welchen Einfluss das Organisationsstatut für die Sachentscheidungen gewinnen kann.“ 521 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 D.

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2. Institutionalisierte Outputoptimierung Demokratische Output-Legitimation bezeichnet die praktische Wirksamkeit der Weiterleitung des maßgeblichen Willens und seiner Verwirklichung.522 Sie lässt sich daher gedanklich nicht eindeutig von der Regelung der Inputchancen trennen.523 Isoliert betrachtet und praktiziert, ist die Outputoptimierung für die demokratische Legitimation sogar wertlos.524 Den Maßstab für die outputorientierte Rationalisierung der Entscheidungsverfahren muss vielmehr der Input bilden. Die Regelung der Inputchancen muss also derart vom Output her rationalisiert werden, dass der Inputzusammenhang praktisch wirksam und in angemessenen Zeitabständen einer Aktualisierung525 zugänglich ist. Auf den diesbezüglichen Prognosespielraum der für die Gestaltung der Entscheidungsverfahren zuständigen Hoheitsträger ist bereits mehrfach hingewiesen worden.526 Je besser das Ergebnis der Entscheidungsverfahren ex ante absehbar oder ex post messbar ist, desto eher ist die Prognose ex ante oder ex post einer (gerichtlichen) Überprüfung zugänglich. Aus diesem Grund leisten alle Methoden, die eine Ergebnisbeurteilung ermöglichen, selbst einen Beitrag zur Outputoptimierung.527 Mögliche und zuletzt immer häufiger erörterte Instrumentarien zur Effektuierung des Willenszusammenhangs [a)] und der Willensverwirklichung [b)] sollen im folgenden im Überblick vorgestellt werden. a) Effektuierung des Willenszusammenhangs Bei der Effektuierung des Willenszusammenhangs lässt sich zwischen der Weitergabe des maßgeblichen Willens, seiner Aktualisierung und der Sicherstellung seiner Befolgung unterscheiden. Die Weiterleitung des Willens erfolgt entweder unmittelbar oder mittelbar.528 Um eine möglichst effektive Weiterleitung des Willens an die nachgeordnete(n) Entscheidungseinheit(en) zu erreichen, sollte dasjenige Rechtsinstrument oder diejenige Regelungsmethode unter den verfassungsrechtlich zur Verfügung stehenden gewählt werden, die eben diesem Ziel am besten dient. Um die Auswirkungen der verschiedenen Regelungsformen abschätzen zu können, bedarf es diesbezüglicher Untersuchungen und gegebenenfalls der Entwicklung einer Theorie der Wahl der rechtlichen Regelungsform.529 Auch die begleitende oder nachträgliche Evaluation Ebenda. Ebenda. 524 Vgl. oben § 18 C. I. 1. 525 Zum Erfordernis der Aktualisierung siehe Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 662: „In der Demokratie bedarf Legitimation einer ständigen Erneuerung, schon weil der Kreis der Legitimationsberechtigten ein sich ständig verändernder ,Wirkzusammenhang‘ ist.“ 526 Vgl. insbesondere oben 3. Kapitel § 17 C. II. u. § 18 C. 527 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 670 ff. 528 Vgl. oben § 18 C. I. 1. b) u. c). 522 523

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der Vermittlungsleistungen der gewählten Regelungsform bietet Aufschluss für die Zukunft und kann effektivierende Nachbesserungs- oder Neuausrichtungsmaßnahmen fördern. Gegebenenfalls lässt die Installation kontinuierlicher Kommunikations- und Lernprozesse zwischen den steuernden und den zu steuernden Entscheidungsträgern eine bessere Willensvermittlung erwarten.530 Zur Gewährleistung der für jede Willensvermittlung erforderlichen Kommunikation kann unter Umständen auch der Einsatz fachlich geschulten oder vorgebildeten Personals bei der steuernden oder der gesteuerten Stelle erforderlich sein.531 Ein wesentlicher Grund, warum es neben dem Willens- auch eines Verantwortungszusammenhangs bedarf, ist dessen Aktualisierungsfunktion. Erfolgt die Willenssteuerung eher unmittelbar, so kann ein aktuell gewandelter Wille durch eine Änderung, Aufhebung oder den Erlass eines neuen Rechtsaktes weitergeleitet werden. Bei einer eher prozeduralen Steuerung insbesondere durch inhaltsaufgeladene Personalauswahl erfüllt die Verantwortlichkeit dieser Personen gegenüber der steuernden Stelle532 die aktualisierende Funktion.533 In diesem Fall kann der Willenszusammenhang am wirksamsten bei einer jederzeitigen Abberufungs- und Neubesetzungsmöglichkeit aufgefrischt werden. Aber auch die befristete Übertragung von Verantwortung ermöglicht eine Aktualisierung nach Ablauf der Frist. Darüber hinaus hat die Verantwortungsübertragung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit wegen des drohenden Verantwortungsentzuges gewisse Vorwirkungen.534 Je länger jedoch der (feststehende) Zeitraum ist, für den die Verantwortung übertragen wird, desto schlechter ist auch die fortlaufende Aktualisierungschance.535 Der Gedanke einer Befristung ist in jüngster Zeit auch für die unmittelbar steuernden Rechtsakte und unter diesen speziell für das Parlamentsgesetz fruchtbar gemacht worden. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Befristung der Geltungsdauer eines Rechtsaktes in Kombination mit einer Verlängerungsoption nach Fristablauf besser zur Aktualisierung des Inputzusammenhangs beiträgt als die ohnehin bereits bestehenden Änderungs-, Nachbesserungs- und Neuausrichtungsmöglichkeiten. Dass nämlich der Gesetzgeber stets alle bestehenden Gesetze in seinen Willen mit aufnimmt und mit 529 Vorüberlegungen dazu finden sich bei Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 71 ff. An dieser Stelle ist damit aber keine Wahl zwischen verschiedenen Regelgebern, sondern eine Wahl zwischen den verschiedenen, dem verfassungsrechtlich zuständigen Regelgeber zur Verfügung stehenden Regelungsformen und -methoden gemeint. 530 Dazu Schuppert / Bumke, Private Standardsetzung, S. 123 f. 531 BremStGH, NVwZ 2003, 81 (84); Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (243). 532 Problematisch wäre es folglich, wenn in diesem Fall der Verantwortungszusammenhang nicht über die steuernde Stelle verliefe, sondern gegenüber einem anderen Legitimationszusammenschluss bestünde, vgl. zu diesem Problem im föderalen Bundesstaat Groß, Das Kollegialprinzip, S. 186 ff. 533 BVerfGE 62, 1 (32, 44); Magiera, in: Sachs, GG, Art. 39 Rn. 3. 534 Vgl. dazu oben 3. Kapitel § 17 B. I. u. C. I. 535 Vgl. BVerfGE 62, 1 (32, 44), für eine Ermittlung der Dauer der Wahlperiode unter Abwägung der Aktualisierungsfunktion und der Arbeitsfähigkeit des Parlaments in der modernen Massendemokratie.

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seiner Untätigkeit eine Willensübereinstimmung signalisiert, dürfte ebenso eine fiktive Annahme sein wie das parallele Beispiel der Nichtausübung der exekutiven Weisungsbefugnis.536 Durch die Befristung wird der Gesetzgeber, oder allgemeiner, der Normgeber gezwungen, sich mit der Frage der Willensübereinstimmung in regelmäßigen Zeitabständen auseinander zu setzen. Der Absicherung des Willenszusammenhangs dienen die mit der Übertragung von Verantwortung zumeist verbundenen Sanktionsmechanismen. 537 Transparenz ist eine wesentliche Vorbedingung, damit diese Sanktionsmöglichkeiten auch ausgeübt werden können.538 Dasselbe gilt für Kontrolle. Ist die Kontrollinstanz zugleich mit Befugnissen zur Änderung oder Aufhebung der hoheitlichen Entscheidungen oder zur verbindlichen Anordnung solcher Maßnahmen gegenüber den entscheidenden Stellen ausgestattet, leistet sie unmittelbar einen Beitrag zur Absicherung des Willenszusammenhangs. Wie bereits dargelegt,539 haben oftmals auch die Kriterien zur Auswahl des „geeigneten“ Personals eine absichernde Funktion. In dem Maße, wie damit die Neutralität der vollziehenden Stelle und deren Abschirmung vor ungewollten äußeren Einflüssen bezweckt wird, dienen sie einer möglichst authentischen Realisierung des auf andere Art und Weise vermittelten Hoheitswillens. b) Effektuierung der Willensverwirklichung Die Willensverwirklichung bezeichnet die praktische Wirksamkeit der hoheitlichen Entscheidungen gemessen am Input. Diese erwarteten und eingetretenen praktischen Auswirkungen der hoheitlichen Maßnahmen müssen in die Legitimationsbetrachtung miteinbezogen werden, damit der ansonsten nur formale Willenszusammenhang den erforderlichen Wirklichkeitsbezug aufweist.540 Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass sich der Volkswille erst in der praktischen Umsetzung vollende.541 Die praktische Willensumsetzung lässt sich gedanklich in die Verwirklichung des Gewollten (positive Komponente) und die Nichtverwirklichung des nicht Gewollten (negative Komponente) untergliedern. Beide Komponenten sind bei der Gestaltung der Entscheidungsverfahren bestmögVgl. dazu oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. bei Fn. 503. Vgl. beispielsweise oben 1. Kapitel § 7 A. II. 1. b) bei u. in Fn. 308. Auch in diesem Fall ist ein Auseinanderfallen zwischen steuernder und beaufsichtigender Stelle legitimationstheoretisch problematisch. Es gilt jedoch zu bedenken, dass der richtige Gesetzesvollzug auch durch die Gerichte kontrolliert wird und das Bundesstaatsprinzip wie auch die Integrationsoffenheit des Grundgesetzes eine praktische Konkordanz mit dem Demokratieprinzip erforderten, die in den verfassungsrechtlichen Regeln über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen (Art. 10 EG, Art. 83 ff. GG [analog]) ihren Ausdruck gefunden hat. 538 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 1. b) bei Fn. 436. 539 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. I. 1. a) aa). 540 Vgl. oben 3. Kapitel § 17 D. Siehe auch Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 667. 541 Vgl. den Nachweis oben 2. Kapitel § 15 in Fn. 573. 536 537

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

lich zu berücksichtigen. Dabei sind nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die mittelbaren (Fern-)Wirkungen der hoheitlichen Entscheidungen zu beachten. Diesem Ziel dienen solche personellen Auswahlkriterien wie Sachverstand, Sachnähe, Erfahrung oder Akzeptanz. Auch die Betroffenenpartizipation kann neben einer fakultativen Steigerung der demokratischen Legitimation 542 zu sachnäheren und eher akzeptierten hoheitlichen Entscheidungen führen und damit das normgeberische Ziel unter Umständen besser verwirklichen.543 Personalauswahl muss also zur Outputoptimierung nicht nur unter dem Aspekt erfolgen, dass die zum Vollzug des maßgeblichen politischen Willens eingesetzten Personen den Input richtig verstehen und unbeeinflusst umsetzen, sondern dass sie auch in der Lage sind, den Input im Output möglichst gut zu realisieren. In einem wirklichkeitsbezogenen Legitimationsmodell kann auch die Akzeptanz der Entscheidungsadressaten berücksichtigt werden,544 wenn diese zu einer weitergehenden Befolgung und damit zu einer besseren Wirksamkeit der hoheitlichen Anordnung führt. Auch die übrigen Organisations-, Verfahrens- und Finanzierungsvorgaben können bewirken, dass die sachlichinhaltlichen Vorgaben der steuernden Stelle besser umgesetzt werden. Sowohl die positive als auch die negative Komponente der Willensverwirklichung hat das moderne Steuerungsinstrument der (Gesetzes-)Folgenabschätzung im Blick.545 Die Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) ist im Rahmen des Regierungsprogramms „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“,546 mit dem die Bundesverwaltung seit 1999 unter dem Leitbild des aktivierenden Staates umfassend reformiert wird, als verbindlich durchzuführende Maßnahme bei jeder Vorlage von Gesetzen und Rechtsverordnungen in der Bundesverwaltung eingeführt worden (§§ 43 Abs. 1 Nr. 5, 44, 62, 70 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien [GGO]).547 „Die GFA wird in der GGO als Verfahren zur Ermittlung Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. III. Vgl. BVerfGE 107, 59 (92 f.); Bryde, in: Redaktion Kritische Justiz, Demokratie und Grundgesetz, S. 59 (68); Hermes, in: FS Zuleeg, S. 410 (425); siehe auch das Zitat oben in Fn. 418. 544 Eine starke Überbetonung erhält die Akzeptanz in Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 580 ff., Modell der Legitimation durch Bewährung. Kritisch dazu Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 663 ff. 545 Ennuschat, DVBl. 119 (2004), 986 ff.; Karpen, AöR 124 (1999), 400 ff.; ders., ZRP 35 (2002), 443 ff.; Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 671; Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 959. Weitere Nachweise finden sich bei Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5 (31) in Fn. 111. 546 Vgl. dazu BMI, Strategie zur Modernisierung der Bundesverwaltung; dass., Fortschrittsbericht 2005 „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“. 547 Als Hilfestellung für die GFA dienen das eigens vom Bundesministerium des Innern, dem Innenministerium Baden-Württemberg und der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer entwickelte Handbuch zur Gesetzesfolgenabschätzung (Böhret / Konzendorf, Hdb d. GFA) sowie ein Leitfaden (http: / / www.staat-modern.de / Anlage / original_802700 / Leitfaden-zur-Gesetzesfolgenabs chaetzung.pdf, Stand: 14. 05. 2007) und ein Praxistest (http: / / www.staat-modern.de / Anlage / original_802701 / Praxistest-zur-Ge542 543

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und Beurteilung der voraussichtlichen und möglichen Folgen und Nebenwirkungen neuer Regelungsvorhaben definiert. Sie untersucht sowohl die beabsichtigten Wirkungen als auch die unbeabsichtigten Nebenwirkungen einer neuen Regelung (§ 44 Abs. 1 GGO). Darüber hinaus dient sie zur Ermittlung von Regelungsalternativen und zur Beurteilung der Geeignetheit der gewählten Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Ziele.“548 Mittels der GFA werden also die Auswirkungen einer rechtlichen Regelung auf deren gesamtes Wirkungsfeld unter Berücksichtigung von „Zukunftsperspektiven und Entwicklungen (Gesellschaft, Umwelt, Europäisierung, Globalisierung)“549 prognostiziert (prospektive GFA), um damit eine grundlegende Hilfe für die Entscheidung zu bieten, ob ein Regelungsvorhaben und in welcher Form es durchgeführt werden soll. Als begleitendes Prüf-, Kontroll- und Evaluationsverfahren (begleitende u. retrospektive GFA) gibt es Aufschlüsse über die vermuteten Wirkungen eines konkreten Regelungsentwurfs und die tatsächlich eingetretenen Wirkungen der in Kraft getretenen Norm. Damit liefert es die Informationsbasis für die Ermittlung effektivitätssteigernder Maßnahmen. In diesem Zusammenhang bietet die zeitliche Befristung von Rechtsakten die Gelegenheit, „vor einer Verlängerung, Novellierung oder dem Wegfall der Regelung [ . . . ], eine Bewertung des tatsächlichen Output[s] vorzunehmen.“550 Auf europäischer Ebene wurde 2003 ebenfalls ein Verfahren zur Folgenabschätzung sowohl für neue Richtlinien und Verordnungen als auch für europäische Strategien sowie Pläne und Programme von der Kommission eingeführt.551 Dieses wird seit 2005 als Standardverfahren angewandt. „Die Folgenabschätzung konzentriert sich auf die wirtschaftlichen, sozialen und Umweltauswirkungen. In einem integrierten Verfahren werden diese drei Dimensionen betrachtet und Folgewirkungen umfassend analysiert. Damit ist die Folgenabschätzung ein zentrales Instrument für eine bessere Rechtsetzung in der Europäischen Union.“552 Abschließend sei noch auf die Modernisierungsprozesse in der Verwaltung hingewiesen, deren Ziel eine effektivere, stärker am privaten Unternehmensmanagement orientierte Verwaltung ist.553 Insbesondere die Säule des Modernen Verwalsetzesfolgenabschaetzung.pdf, Stand: 14. 05. 2007) zur GFA. Geplant ist, die Vorgaben der GGO durch eine neue praxisorientierte Arbeitshilfe zur Gesetzesfolgenabschätzung zu konkretisieren. 548 BReg, Staat Modern, http: // www.staat-modern.de / sm_artikel_staat_modern,–802655/ Gesetzesfolgenabschaetzung-bei.htm, Stand: 14. 05. 2007. 549 Böhret / Konzendorf, Leitfaden zur GFA, S. 6. 550 Schliesky, Souveränität und Legitimität, S. 671. 551 Vgl. COM (2002) 276, v. 05. 06. 2002. 552 BMU, Gesetzesfolgenabschätzung, http: // www.bmu.de / gesetze_verordnungen / gesetzesfolgenabschaetzung / doc / 36094.php, Stand: 14. 05. 2007. 553 Groß, Das Kollegialprinzip, S. 127 ff.; Mehde, Demokratieprinzip; Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 999 ff.; Trute, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 249 (278).

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

tungsmanagements im Rahmen des Regierungsprogramms „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ birgt für die Effektuierung der Willensverwirklichung interessante und erfolgversprechende Ansätze. Neben der Gesetzesfolgenabschätzung sollen ein effizienterer Ressourceneinsatz, eine verbesserte Kompetenz des Personals, eine zielorientiertere Aufgabenbewältigung und ein stärkerer Adressatenbezug zur effektiveren Verwirklichung der politischen Zielvorstellung beitragen.554 Dazu dienen Maßnahmen wie die Mitarbeitermotivation und -fortbildung, die Einführung von strategischem Controlling, die Evaluierung der Verwaltungsleistungen, die Installation eines umfassenden Informations- und Wissensmanagements, die Erhöhung der Transparenz der politischen Willensbildung und der Entscheidungsfindung durch den Einsatz von eGovernment sowie damit verbundene Partizipationsmöglichkeiten im Wege sogenannter eDemocracy.555 Letztere kann (zusätzliche) demokratische Legitimation erzeugen, trägt jedoch nicht zur Erreichung des verfassungsrechtlich geforderten Soll-Niveaus bei, weil sie nicht die Rückbindung zu den von den Verfassungen festgelegten Legitimationszusammenschlüssen herstellt.556 Unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz können diese Partizipationsrechte aber ebenso wie die Betroffenenbeteiligung im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung die praktische Umsetzung der politischen Zielvorstellungen fördern. II. Steuerung des Standardsetzers Es dürfte deutlich geworden sein, dass in einem normativen Legitimationskonzept mit Wirklichkeitsbezug nur wenige verallgemeinerungsfähige Aussagen über die Voraussetzungen demokratischer Privater Standardsetzung getroffen werden können. Wegen der Vielfalt der Legitimationsinstrumente und der noch größeren Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten muss stets ein konkreter Sachverhalt Gegenstand der Legitimationsbeurteilung sein. Dabei muss dem Gestaltungs- und Prognosespielraum der politischen Hoheitsorgane ausreichend Rechnung getragen werden. Um die Schlussfolgerungen der eigenen Legitimationskonzeption für die Private Standardsetzung zusammenfassend darzustellen, bietet sich die Anwendung des Modells auf die im 1. und 2. Kapitel untersuchte Referenzmaterie an. Exemplarisch kann so die demokratische Legitimation einer Kooperationsbeziehung mit einem hoheitlichen Standardsetzer (1.) und einer hoheitlich angeordneten Kooperation mit einem privatrechtlichen Standardsetzer (3.), nicht jedoch eine freiwillige Kooperation mit einem privatrechtsförmigen Standardsetzer beurteilt werden. Um dennoch alle drei Konstellationen abzudecken, sollen als drittes Referenzbeispiel die Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) herangezogen werden (2.). 554 555 556

BMI, Strategie zur Modernisierung der Bundesverwaltung, S. 10 ff. Ebenda. Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. III.

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1. Kooperation mit hoheitlichem Standardsetzer – DCGK Im 1. Kapitel ist gezeigt worden, dass die Kodex-Erstellung durch die von der Bundesministerin der Justiz eingesetzte Kodex-Kommission mit den bisher vertretenen Input-Konzeptionen nicht vereinbar ist.557 Aufgrund der Ablehnung einer organisationsrechtlichen Wesentlichkeitstheorie558 und der Anerkennung pluraler Legitimationsinstrumente und -methoden559 bedarf dieses Ergebnis einer Überprüfung. Wie bereits dargelegt, durfte die Kodex-Kommission durch einen ministeriellen Organisationsakt gebildet, errichtet und eingerichtet werden. Als staatsgetragene Regierungskommission fällt sie nicht in den Anwendungsbereich der Art. 83 ff. GG, sondern der Art. 64, 65 GG.560 Folglich ist eine konkurrierende Zuständigkeit von Gesetzgeber und Bundesregierung anzunehmen. Mit dem Erlass von § 161 AktG hat der Gesetzgeber einen Teil des Verfahrens, nämlich die Bekanntmachung des Kodexes im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers durch das Bundesjustizministerium, selbst geregelt. Mangels weiterer gesetzlicher Vorgaben ist die Bundesregierung für die prozedurale Gestaltung im Übrigen weiterhin zuständig. Die Kompetenz zur Kodex-Erstellung liegt wegen des internationalen Adressatenkreises der Empfehlungen entgegen Art. 30 GG beim Bund, nicht bei den Bundesländern.561 Problematisch ist allerdings die Kompetenzverteilung für die inhaltliche Programmierung, denn die unverbindlichen Empfehlungen des Kodexes lassen faktisch-mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen befürchten.562 Der Gesetzesvorbehalt in seiner durch die Wesentlichkeitstheorie geleiteten Auslegung könnte für eine Zuständigkeit des Gesetzgebers sprechen.563 Mit dem Bundesverfassungsgericht wird jedoch bezweifelt, dass der Gesetzesvorbehalt in jeder Hinsicht mit der Ausweitung des Grundrechtsschutzes mitgewachsen ist.564 Es ist gezeigt worden, dass auch über die Regierungen ein verfassungsrechtlich anerkannter Legitimationsstrang verläuft.565 Weist das Grundgesetz die Sachkompetenz nicht ausdrücklich dem Gesetzgeber zu, so kann das Gebot der funktionsgerechten Organisationsstruktur, spricht es denn mit einigem Gewicht für eine Regierungszuständigkeit, eine geringfügige Beeinträchtigung des Demokratiegebots rechtfertigen. Das könnte auf die Staatsleitung durch unverbindliche informelle Öffentlichkeitsarbeit zutreffen. Das Grundgesetz enthält in diesem Bereich keine klare Kompe557 558 559 560 561 562 563 564 565

Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A., § 8 u., zusammenfassend, § 9. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. Vgl. oben 1. Kapitel § 8 A. I. u. 3. Kapitel § 18 B. II. 1. a). Vgl. oben 1. Kapitel § 6 A. II. Vgl. oben 1. Kapitel § 6. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. I. 1. a) bb). BVerfGE 105, 279 (303). Vgl. oben 3. Kapitel § 17 B. I.

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

tenzregelung. Tatsächlich ist die Regierung besser als der Gesetzgeber geeignet, auf aktuelle Erkenntnisse und wechselnde äußere Sachlagen zügig und sachgerecht zu reagieren.566 Gerade diese Eigenschaften sind für die Zweckerreichung durch die Kodex-Empfehlungen gefordert. Nur eine stete Prüfung und Anpassung an internationale Entwicklungen567 und auch an die Reaktionen der Kodex-Adressaten vermögen das Vertrauen der Anleger zu stärken und Grundrechtsbeeinträchtigungen zu verhindern. Gerade die Kombination der vom Bundesverfassungsgericht betonten mangelnden Prognostizierbarkeit der (Folge-)Wirkungen staatlicher Informationstätigkeit568 und der Dynamik des zu regelnden Sachbereichs spricht für eine (konkurrierende) Regierungszuständigkeit. Folglich darf die sachlich-inhaltliche Steuerung der wesentlichen Fragen durch die Bundesregierung vorgenommen werden. Bevor nun der Frage nachgegangen wird, ob die programmatische Steuerung durch die Regierung auch in einem ausreichenden Maße erfolgt ist, muss die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Übertragung von Hoheitsgewalt auf eine staatsgetragene Regierungskommission zur kooperativen Ausübung in Form von regierungsamtlichen Verhaltensempfehlungen festgestellt werden.569 Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich nur im Hinblick auf den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG, weil die Mitglieder der Kodex-Kommission nicht in ein Beamtenverhältnis übernommen wurden.570 Beschränkt man den Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG mit einer Ansicht jedoch auf die Ausübung der spezifisch staatlichen Befugnis zu einseitig verbindlicher, erforderlichenfalls mit Zwang durchsetzbarer Regelung,571 so greift der beamtenrechtliche Funktionsvorbehalt beim Erlass unverbindlicher Verhaltensempfehlungen schon nicht ein. Legt man den Wortlaut des Art. 33 Abs. 4 GG dagegen, wie auch die Grundrechte und den Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG, erweiternd aus, so dass er auch für unverbindliche hoheitliche Maßnahmen gilt,572 dann bedarf der Einsatz nichtverbeamteter Privater einer sachlichen Rechtfertigung.573 Diese liegt allerdings unproblematisch vor: Die Sachnähe und der Sachverstand der Mitglieder der KodexKommission, die finanzielle und personelle Entlastung des Staates sowie die repräsentative pluralistische Meinungsbildung und die erwartete Akzeptanz rechtfertigen die „Aktivierung“ anerkannter Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Interessenorganisationen.574 Auch eine bereichsspezifische Verlagerung des 566 567 568 569 570 571 572 573 574

Vgl. oben 1. Kapitel § 7 A. III. 4. bei Fn. 393. Vgl. oben 1. Kapitel § 3 B. BVerfGE 105, 279 (304 f.). Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. III. – V. Vgl. oben 1. Kapitel § 4 B. I. Vgl. die Nachweise oben in Fn. 258. In diesem Sinne wohl BremStGH, NVwZ 2003, 81 (85). Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. III. 1. Vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. I. u. § 4 B. III.

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Schwerpunkts hoheitlicher Tätigkeit zu Lasten der Beamten ist durch die Einrichtung der Kodex-Kommission nicht zu befürchten. Zum einen gehört der Erlass von Verhaltensempfehlungen nicht zum Bereich der klassischen Vollzugsverwaltung, und zum anderen wird der Kodex in Kooperation mit der Ministerialverwaltung erstellt. Es werden also nicht bisher durch Beamte wahrgenommene Tätigkeiten auf Nicht-Beamte verlagert, sondern zusätzliche Aufgaben durch die Einbeziehung privaten Sachverstandes bewältigt.575 Bereits zuvor ist festgestellt worden, dass den Publizitätsanforderungen an informelle exekutive Informationstätigkeit durch die Veröffentlichung des Kodexes im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers genügt ist.576 Schließlich ist der erforderliche Rechtsschutz577 dadurch gewährleistet, dass die amtlich bekannt gemachten Kodex-Empfehlungen als öffentlich-rechtliche Informationsmaßnahmen vor den Verwaltungsgerichten mittels einer Unterlassens-, Folgenbeseitigungsoder ggf. einer Feststellungsklage angegriffen werden können.578 Zuletzt müsste eine ausreichende demokratische Input- und Outputlegitimation für die Kodex-Erstellung nachweisbar sein. Die Regierung579 hat sich zur Weiterleitung ihres demokratisch legitimierten Willens einer Kombination aus unmittelbaren und mittelbaren Steuerungsmethoden bedient. Sie hat der Kodex-Kommission abstrakte inhaltliche Vorgaben gemacht, denen die Empfehlungen genügen müssen. Das sind das vage Kriterium der inhaltlichen Ausgewogenheit sowie die Gesetzes- und die Verfassungskonformität.580 Zugleich hat die Regierung die Kodex-Kommission unter Weitergabe ihrer Zielvorstellungen beauftragt. Das sind die zutreffende und auch für ausländische Investoren verständliche Zusammenfassung des jeweils aktuell geltenden deutschen Gesetzesrechts und die Vermittlung von dessen Vorzügen. Dort, wo das deutsche Aktienrecht Handlungsspielräume eröffnet, sollen den deutschen Unternehmen darüber hinaus Empfehlungen zur Einhaltung internationaler Gepflogenheiten guter Unternehmensführung gegeben werden, um so das Vertrauen (internationaler) Anleger in den Wert der Unternehmen zu stärken.581 Neben diesem unmittelbaren (informellen) Input hat die Regierung ihren inhaltlichen Vorstellungen auch durch mittelbare Steuerungsmethoden Ausdruck verliehen. Die verfolgten Interessen, vornehmlich eine investororientierte Informationsvermittlung, spiegeln sich deutlich in der Besetzung der Kodex-Kommission wider, von deren 13 MitVgl. oben 3. Kapitel § 18 B. III. 1. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. IV. 1. bei Fn. 371. 577 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. IV. 2. 578 C. Schmidt, Verhaltenslenkende Informationsmaßnahmen der Bundesregierung, S. 33 ff. 579 Gemeint ist hier die Bundesministerin der Justiz als Regierungsmitglied und Ressortspitze. 580 Vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. III. 581 Vgl. oben 1. Kapitel § 3 B. 575 576

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

gliedern neun Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder wirtschaftlich ausgerichteter deutscher Unternehmen (davon acht Aktiengesellschaften) sind. Aus dieser Interessengewichtung spricht deutlich die Intention, durch die pluralistische Besetzung keine „Interessenneutralisierung“ zu bewirken. Vielmehr soll der Besetzung eine inhaltslenkende Wirkung zukommen. Die interessenpluralistische Besetzung bewirkt daneben eine möglichst umfangreiche Aufklärung der und eine Sensibilisierung für die betroffenen Interessen und dient damit auch dem (vorbeugenden) Grundrechtsschutz.582 Dieses Bild wird abgerundet durch die weiteren prozeduralen Vorgaben der Regierung, nämlich die Einhaltung eines fairen Verfahrens und die breite Beteiligung der betroffenen Kreise. Implizit dürfte damit auch die Mehrheitsregel für die Beschlussfassung der Kodex-Kommission vorgegeben sein. Die Zwecke der Repräsentation, Ausgewogenheit und Akzeptanz583 sollen wohl gerade durch eine horizontale Willensbildung erreicht werden. Unter Berücksichtigung des politischen Prognosespielraums ist jedenfalls anzunehmen, dass die personelle Besetzung der Kodex-Kommission und das gewählte Verfahren der Vermittlung und der Verwirklichung der inhaltlichen Zielvorstellungen der Regierung zu dienen geeignet sind. Eine offensichtliche Ungeeignetheit oder eine eklatante Fehleinschätzung der Regierung lässt sich jedenfalls nicht feststellen. Weil eine unmittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung aufgrund der Unverbindlichkeit der Empfehlungen nicht in Betracht kommt und auch nicht intendiert ist, sind mit der verfassungs- und einfachrechtlichen Rahmensetzung und den richtungsweisenden Zielvorstellungen alle für den Grundkonsens wesentlichen Entscheidungen an die Kodex-Kommission vermittelt worden. Es kommt für die Einhaltung des demokratischen Soll-Niveaus nun entscheidend darauf an, dass durch Ausgestaltung der Kooperationsbeziehung auch eine effektive Willensumsetzung sichergestellt ist. Weil dem unmittelbaren und dem mittelbaren Input gegenüber der Kodex-Kommission keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt, bedarf es einer besonders intensiven Absicherung des Willenszusammenhangs.584 Eine solche ist jedoch im Falle der Kodex-Kommission gegeben. Die Kodex-Kommission ist in einen besonders effektiven Verantwortungszusammenhang eingebunden, weil ihre Mitglieder jederzeit abberufen werden können. Die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit ist wohl eines der effektivsten Mittel, um sicherzustellen, dass die inhaltlichen Vorgaben und die mit der Besetzung verbundenen Erwartungen auch verwirklicht werden. Zugleich kann damit eine zeitnahe Aktualisierung des Willenszusammenhangs erreicht werden. Dass dieser Verantwortungszusammenhang auch ohne Austausch eines Mitglieds wirksam werden kann, zeigt die mehrfach als Befürchtung geäußerte Beeinflussbarkeit der Kodex-Kommission in der Vergangenheit.585 582 Bei faktisch-mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen folgt aus dem Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren kein organisatorischer Gesetzesvorbehalt, vgl. soeben u. oben 1. Kapitel § 6 sowie 3. Kapitel § 18 B. II. 1. a) aa). 583 Vgl. oben 1. Kapitel § 3 A. I. 584 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. I. 1. a) aa) u. 2. a). 585 Dazu Seidel, ZIP 2004, 285 (287 f.).

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Ebenfalls eine, wenn auch nur partielle Absicherung des Willenszusammenhangs wird durch die obligatorische prospektive Kontrolle der Kodex-Empfehlungen durch das weisungsgebundene Bundesjustizministerium bewirkt. Zwar fehlt dem Ministerium das positive Entscheidungsrecht, doch kann es zumindest festgestellte Verfahrensverstöße und absehbare (Grund-)Rechtsverletzungen durch Zurückweisung des Kodexes verhindern. Die Transparenz der Kodex-Erstellung durch Veröffentlichung von Entwürfen im Internet stellt sicher, dass die Verantwortungs- und Kontrollzusammenhänge auch wirksam werden können.586 Des Weiteren tragen die Kriterien der Personalauswahl nicht nur zur Willensvermittlung, sondern auch zur Willensverwirklichung bei. Die Sachnähe und der Sachverstand der Kommissionsmitglieder lassen eine möglichst effektive Umsetzung der Finalvorgaben erwarten. Das von der Bundesregierung angeführte Kriterium der Akzeptanz zielt auf eine möglichst breite Befolgung der Kodex-Empfehlungen. Schließlich ist die begleitende Evaluation, die aufgrund der Pflicht zur Abgabe der Entsprechenserklärung leicht möglich ist, auch als positiv für die Herstellung der demokratischen Legitimation zu bewerten. Sie ermöglicht eine Überprüfung der tatsächlichen Wirksamkeit der Empfehlungen. Wird das angestrebte Ziel nicht erreicht, kann dies zum Anlass für Nachbesserungs- oder Neuausrichtungsmaßnahmen genommen werden. Zugleich kann über die Effektivität der gewählten Regelungsform nachgedacht werden. Das hat der Streit um die individualisierte Offenlegung von Managergehältern öffentlichkeitswirksam gezeigt. Nachdem die von den Empfehlungen primär betroffenen börsennotierten Aktiengesellschaften überwiegend deren Befolgung abgelehnt hatten,587 hat die Regierung ein Gesetzgebungsvorhaben angestoßen, um die Unternehmen verbindlich zur Offenlegung dieser Informationen zu zwingen. Mit dem VorstandsvergütungsOffenlegungsgesetz (VorstOG) vom 3. August 2005588 ist diese Verpflichtung in das HGB (§§ 285 Satz 1 Nr. 9 lit. a, 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. a HGB) eingefügt worden.589 Nach alledem lässt sich bezüglich des Deutschen Corporate Governance Kodexes ein verfassungsrechtlich erhebliches Legitimationsdefizit nicht feststellen. Insbesondere die Öffnung für plurale Legitimationsinstrumente hat also zu einem im Verhältnis zu den bisher vertretenen Input-Konzeptionen abweichenden Ergebnis geführt.590 Die fehlende Weisungsbefugnis der Bundesministerin der Justiz bedeuVgl. oben 1. Kapitel § 3 A. II. Vgl. Rundschau Handels- und Gesellschaftsrecht, StuB 2005, 282. Die Süddeutsche Zeitung v. 12. / 13. März 2005, S. 2: „Bislang erklären sich erst 20 der 30 Dax-Unternehmen bereit, bis Ende 2005 die Einzelbezüge ihrer Vorstandsmitglieder zu veröffentlichen.“ 588 BGBl. I / 2005, S. 2267. 589 Nach § 286 Abs. 4, 5 HGB bestehen jedoch Ausnahmen, insbesondere kann die Hauptversammlung die „Manager“ von der Pflicht zur individuellen Offenlegung der Vergütung durch eine Beschluss befreien, der aber einer Mehrheit bedarf, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. 590 Siehe oben in Fn. 557. 586 587

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tet nicht automatisch, dass die Ministerin ihrem Willen gegenüber der ihr nachgeordneten Kodex-Kommission nicht zur Geltung verhelfen kann. Vielmehr konnten inhaltliche Direktiven aufgezeigt werden, die entweder unmittelbar oder mittelbar, insbesondere durch die interessenpluralistische Besetzung, an die KodexKommission weitergegeben werden. Die Absicherung dieses Willenszusammenhangs wird vor allem durch die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung der Kommissionsmitglieder gewährleistet. 2. Freiwillige Kooperation mit privatem Standardsetzer – DRS Zur exemplarischen Untersuchung einer kooperativen Standardsetzung auf freiwilliger Basis mit einem privatrechtsförmigen Standardsetzer bieten sich die Deutschen Rechnungslegungsstandards (DRS) des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) an. Der Standardsetzer und die Art der Rezeption seiner Standards sollen in knapper Form vorgestellt werden,591 bevor anschließend die Verfassungskonformität dieser Gestaltung kooperativer Standardsetzung beurteilt wird: Das DRSC wurde am 17. März 1998 in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins gegründet, kurz bevor Art. 2 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998 einen neuen § 342 in das HGB einfügte.592 Dieser ermächtigt die Bundesregierung unter anderem, eine private Einrichtung durch Vertrag anzuerkennen und mit der Aufgabe zu betrauen, Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung zu ermitteln. Anerkannt werden darf jedoch nur eine solche Einrichtung, die „aufgrund ihrer Satzung gewährleistet, dass die Empfehlungen unabhängig und ausschließlich von Rechnungslegern in einem Verfahren entwickelt und beschlossen werden, das die interessierte Öffentlichkeit einbezieht“. Durch Vertrag („Standardisierungsvertrag“)593 vom 3. September 1998 hat das Bundesministerium der Justiz das DRSC als privatrechtlich organisierte Einrichtung i. S. d. § 342 Abs. 1 Satz 1 HGB anerkannt. Nach der Präambel seiner Satzung bezweckt der Verein, die Standardisierung der Rechnungslegung durch ein unabhängiges, ausschließlich mit anerkannten Sachverständigen besetztes Gremium nach anglo-amerikanischem und internationalem Vorbild einzuführen.594 Nach der DRSC-Satzung können in die Organe des Vereins nur „Rechnungsleger“595 ge591 592 593 594

Ausführlich dazu Berberich, DRSC-Framework, S. 44 ff. KonTraG, BGBl. I / 1998, 786. In Kraft getreten ist das KonTraG am 01. 05. 1998. Dazu Schwab, BB 1999, 731 ff.; ders., BB 1999, 783 ff. Wiedergegeben bei Ebke in Münchner Kommentar zum HGB, Bd. 4, 2001, § 342 HGB

Rn. 3. 595 Unter Rechnungslegern versteht das DRSC „alle Personen, die mit entsprechender Qualifikation die Handelsbücher oder die sonstigen in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB bezeichneten Unterlagen führen oder erstellen. Weiterhin [ . . . fasst es unter den Begriff des Rechnungs-

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wählt werden.596 Der Verein ist Träger des Deutschen Standardisierungsrates (DSR), der mit der Ermittlung, Festsetzung und Auslegung der Deutschen Standards der Rechnungslegung betraut ist, welche er unter der Bezeichnung „Deutsche Rechnungslegungs Standards – DRS“ bekannt macht.597 Die Mitglieder des Standardisierungsrates haben ihre Tätigkeit unabhängig auszuüben.598 Die Empfehlungen der Einrichtung werden vom Bundesministerium der Justiz bekannt gemacht. Werden sie vom Anwender beachtet, so wird die Einhaltung der die Konzernrechnungslegung betreffenden GoB vermutet (§ 342 Abs. 2 HGB). Obwohl der Adressatenkreis der DRS durch die IAS-Verordnung deutlich reduziert wurde, nämlich auf diejenigen Mutterunternehmen, die ihren Konzernabschluss aufgrund des Wahlrechts gem. § 315a Abs. 3 HGB weiterhin nach den Regelungen des HGB aufstellen, können die Empfehlungen des DRSC auch in Zukunft rechtliche Wirkung entfalten.599 Über deren Art besteht jedoch Streit.600 Ohne diesen Streit in allen seinen Facetten darlegen zu wollen, sei auf die zwei damit zusammenhängenden Kernprobleme hingewiesen: Erstens wird vehement über die Rechtswirkung der bekannt gemachten Empfehlungen diskutiert.601 Das liegt an der als systematisch verfehlt bezeichneten 602 Formulierung des Gesetzgebers. Mit dem Vermutungsbegriff bedient er sich einer Terminologie aus dem Beweisrecht, die weder in Gestalt einer Tatsachen- noch in der einer Rechtsvermutung einen sinnvollen Gesetzesbefehl ergibt.603 Ist die Art und Weise der Bilanzierung nicht umstritten, so ist die Einhaltung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung der Konzernrechnungslegung nämlich keine Beweis-, legers] Personen, die als Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt oder mit vergleichbarer Qualifikation auf dem Gebiet der internationalen Rechnungslegung prüfend, beratend, lehrend, überwachend oder analysierend tätig sind.“, DRSC, Organisation und Ziele des DRSC, http: // www.standardsetter.de / drsc / docs / gasc_about.html# gasc_organisation (Stand: 14. 05. 2007). 596 § 6 Abs. 2 Satz 1 DRSC-Satzung; wer zu den „Rechnungslegern“ zählt, lässt sich den Sätzen 2 u. 3 des Paragrafens entnehmen. 597 § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 5 DRSC-Satzung. 598 § 9 Abs. 1 Satz 2 DRSC-Satzung. 599 Vgl. zum Anwendungsbereich der IAS / IFRS oben 2. Kapitel § 10 A. I. Ausführlich zum DRSC und dessen Zukunft nach der abnehmenden Bedeutung der deutschen Rechnungslegungsvorschriften für die Konzernbilanzierung Küting / Dürr / Zwirner, BuW 57 (2003), 133 ff. 600 Siehe jeweils mit weiteren Nachweisen Berberich, DRSC-Framework, S. 126 ff.; Hellermann, NZG 2000, 1097 (1098 ff.); Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433 (1439). 601 Ein Überblick über die vertretenen Meinungen mit den dazugehörigen Nachweisen findet sich bei Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie und Europa, S. 431 (436 f.). 602 Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38 (42). 603 So zutreffend Berberich, DRSC-Framework, S. 127 f.; Hellermann, NZG 2000, 1097 (1098 f.); Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38 (42); Schwab, BB 1999, 731 (732).

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

sondern eine normative Beurteilungsfrage.604 Weil es sich bei den GoB um unbestimmte, konkretisierungsbedürftige Rechtsbegriffe handelt,605 geht es bei der Beurteilung der Rechtswirkung auch darum, wer zur Gesetzeskonkretisierung befugt ist. Bisher wurde diese Kompetenz bei der Rechtsprechung, namentlich den Finanzgerichten, angesiedelt.606 Will man den Gesetzesbefehl nicht jeglicher Wirkung berauben, so bringt die Vermutungsregel eine (teilweise) Kompetenzverlagerung der Befugnis zur Gesetzeskonkretisierung von den Gerichten auf den DSR und das BMJ zur gemeinsamen Wahrnehmung mit sich.607 Dennoch verbleibt auch ein Teil der Kompetenz bei den Gerichten, denn die Vermutungsregel impliziert, dass eine Bilanzierung entgegen den Empfehlungen des DSR nicht zwingend gegen die GoB der Konzernrechnungslegung verstößt.608 Zweitens bereitet die Gestaltung der Kooperationsbeziehung Probleme,609 weil sie sich nicht in das bipolare Schema dynamische / statische Verweisung einordnen lässt.610 Diese Unterscheidung hat nach der hier vertretenen Ansicht keinen Eigenwert und vermag nicht alle Kooperationsformen sachgerecht zu erfassen. Vielmehr hängen damit zwei getrennt zu beurteilende Fragen zusammen, nämlich zum einen, ob der Private Standardsetzer verantwortlich an der Rechtsetzung mitwirkt,611 und zum anderen, ob seine Entscheidungen ausreichend durch den maßgeblichen politischen Willen gesteuert werden.612 Die erste Frage ist, mit der Folge der Legitimationsbedürftigkeit der Tätigkeit des DSR, aufgrund der Modalitäten des Zusammenwirkens zu bejahen. Wie schon bei den Referenzbeispielen des Deutschen Corporate Governance Kodexes und der IAS / IFRS hat der Standardsetzer, der DSR, das Initiativ-613 und das positive Entscheidungsrecht bezüglich der Empfehlungen, begrenzt durch das negative Entscheidungsrecht des Bundesministeriums der Justiz, welches die Bekanntmachung einer Empfehlung i. S. d. § 342 Abs. 2 HGB lediglich verhindern kann. An die Legitimationsbedürftigkeit der kooperativen Gesetzeskonkretisierung durch DSR und BMJ sind die oben unter B. und C. erörterten Voraussetzungen geknüpft: Hellermann, NZG 2000, 1097 (1099). Zum heutigen Verständnis der GoB siehe Berberich, DRSC-Framework, S. 65 f. 606 Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693 (694). 607 Ebenso Berberich, DRSC-Framework, S. 136 f.; Hellermann, NZG 2000, 1097 (1099 f.); a.A. Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433 (1439). 608 Ebenda. 609 Vgl. Hellermann, NZG 2000, 1097 (1100). 610 So zutreffend Berberich, DRSC-Framework, S. 128 ff. 611 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. I. 612 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 C. I. 613 Nach § 3 Abs. 1 – 3 des Standardisierungsvertrages hat das BMJ jedoch die Möglichkeit, den DSR um die Erstellung eines Standards zu ersuchen und dafür auch eine Frist zu setzen. Nach Ablauf der Frist hat das BMJ ein Selbstvornahmerecht. 604 605

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Zunächst sind somit das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage, die Grenzen der Befugnisübertragung und die mit der Art der Rezeption zusammenhängenden Rechtsprobleme zu erörtern: Weil es sich bei der Gesetzeskonkretisierung um eine exekutive Tätigkeit handelt, ist der DSR als privatrechtsförmige Verwaltungskommission einzuordnen. Nach Art. 87 Abs. 3 GG bedarf die Wahrnehmung dieser Angelegenheit, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG), durch die Bundesverwaltung einer gesetzlichen Anordnung.614 Eine solche enthält § 342 HGB, der die Aufgabe der Standardisierung der (unteren)615 GoB der Konzernrechnungslegung einer vom BMJ vertraglich anerkannten privatrechtlich organisierten Einrichtung und dem BMJ zur gemeinsamen Wahrnehmung zuweist. Bei der Kooperation mit privatrechtlichen Standardisierungsorganisationen liegt regelmäßig eine funktionale Privatisierung vor. Dieser könnte Art. 33 Abs. 4 GG entgegenstehen. Wie schon bei der Untersuchung des DCGK im vorstehenden Abschnitt gezeigt wurde, lassen sich jedenfalls zahlreiche Rechtfertigungsgründe für die Zulässigkeit einer Ausnahme vom beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt finden.616 Für die Entscheidung, private Rechnungsleger mit der Gesetzeskonkretisierung zu betrauen, sprechen deren Sachnähe und deren Sachverstand. Wiederum bedeutet die Mitwirkung des DRS eine finanzielle und eine personelle Entlastung des Staates. Gegen eine Verlagerung des Schwerpunktes der hoheitlichen Tätigkeit im Bilanzrecht auf Nicht-Beamte spricht die punktuelle Zuständigkeit des DSR. Ebenso wie bei der Kodex-Erstellung handelt es sich bei der Standardsetzung im deutschen Bilanzrecht um eine dem Staat zugewachsene Aufgabe, die vorher nicht durch die Verwaltung ausgeübt und ihr somit auch nicht verlustig gegangen ist. Problematischer ist dagegen die Überprüfung möglicher verfassungsrechtlicher Grenzen im Zusammenhang mit der Art der Rezeption. Diese ist als steuernde Rezeption einzuordnen, denn ohne die von § 342 Abs. 2 HGB vorausgesetzte Bekanntmachung handelt es sich bei den Standards des DRS nicht um hoheitliche Standards, sondern um private Empfehlungen, die rechtlich völlig unverbindlich sind und „rechtsquellendogmatisch auf derselben Stufe mit Kommentaren, Lehrbüchern oder anderen fachlichen Publikationen im betriebswirtschaftlichen und juristischen Schrifttum stehen“.617 Erst die Veröffentlichung im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers verleiht den Standards die von § 342 Abs. 2 HGB Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. II. 1. b) bb). Im Schrifttum wird zwischen „oberen“ und „unteren“ GoB unterschieden, wobei die „oberen“ GoB die gesetzlich normierten Grund- und Folgeprinzipien und die „unteren“ GoB die geschriebenen und ungeschriebenen Einzelnormen bezeichnen, vgl. Beisse, in: GS Knobbe-Keuk, S. 385 (401); Berberich, DRSC-Framework, S. 137. 616 Vgl. zum DCGK oben 3. Kapitel § 18 C. II. 1. 617 So zutreffend Berberich, DRSC-Framework, S. 124. 614 615

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

bezweckte gesetzeskonkretisierende (Vermutungs-)Wirkung. Schwierigkeiten bereiten die veröffentlichten Standards nun, versucht man sie gemäß der herkömmlichen Rechtsquellenlehre einzuordnen. So handelt es sich bei der Befugnis zur Gesetzeskonkretisierung nicht um übertragene Legislativgewalt i.S.v. Art. 80 GG, denn § 342 HGB beinhaltet keine Verordnungsermächtigung. Zwar wirken die Standards auch nicht verwaltungsintern wie Verwaltungsvorschriften, sondern richten sich unmittelbar an den Rechtsanwender, doch teilen sie mit jenen eine wesentliche Eigenschaft: Beides sind Instrumente zur abstrakt-generellen Ausfüllung unbestimmter Gesetzesbegriffe. Jedoch haben die Standards unmittelbare Außenwirkung und sind, anders als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, nur in eine Richtung verbindlich, nämlich nur zugunsten des Bürgers. Hält sich dieser an die Standards, so wird zu seinen Gunsten die Einhaltung der GoB der Konzernrechnungslegung unwiderleglich, aber vorbehaltlich einer rechtlichen Wirksamkeitskontrolle,618 vermutet. Weicht er von den Standards ab, so liegt die Kompetenz zur Rechtskonkretisierung wohl weiterhin bei den Gerichten. Diese können durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass auch eine andere als die vom DSR standardisierte Bilanzierung den GoB der Konzernrechnungslegung entspricht.619 Schließlich handelt es sich bei den Standards auch nicht einfach um unverbindliche öffentlich-rechtliche Informationstätigkeit, denn an die Befolgung der Empfehlungen werden aufgrund der Vermutungswirkung konkrete Rechtsfolgen geknüpft. § 342 Abs. 2 HGB kreiert folglich eine neuartige Handlungsform der Verwaltung. Aufgrund der nur einseitigen Verbindlichkeit zu Gunsten des Bürgers werden damit die Voraussetzungen des Art. 80 GG nicht umgangen. Belastend wirken die veröffentlichten Empfehlungen nur dann, wenn sie rechtswidrig sind und deswegen die Vermutungswirkung nicht auslösen. Diese belastende Wirkung ist vergleichbar mit der unrichtigen Gesetzeswiedergabe durch öffentlich-rechtliche Informationstätigkeit620 und vermag keine erhöhten Anforderungen an Veröffentlichung und Rechtsschutz auszulösen. Die Bekanntmachung im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers genügt demnach den rechtsstaatlichen Anforderungen für die Veröffentlichung von Rechtsakten.621 Der Rechtsschutz gegen die Empfehlungen des DSR erfolgt indirekt im Rahmen der konkreten Bilanzstreitigkeit.622 618 Dazu Berberich, DRSC-Framework, S. 134 f.; Hellermann, NZG 2000, 1097 (1100), der eine sinnvolle Übernahme der Kriterien zur Überprüfung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften vorschlägt: „[D]ie Gerichte [sollen] im Kern nicht mehr eigentlich die Standardisierungsempfehlungen als solche auf ihre inhaltliche Richtigkeit prüfen, sondern nur noch das Zustandekommen dieser Empfehlungen insbes. im Hinblick auf eine eventuelle Willkürlichkeit der Ermittlungen oder Unaufgeschlossenheit gegenüber abweichenden Auffassungen oder Einwänden vor dem Hintergrund der vorgegebenen gesetzlichen Wertungen.“ 619 Vgl. Berberich, DRSC-Framework, S. 135, 137. 620 Dazu Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1937). 621 Vgl. dazu oben 3. Kapitel § 18 B. IV. 1. 622 Siehe aber zur nur schwer konstruierbaren konzernbilanzrechtlichen Streitigkeit Berberich, DRSC-Framework, S. 85.

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Damit die kooperative Standardsetzung durch den DSR und das BMJ als verfassungskonform bezeichnet werden kann, muss nun ein ausreichender Legitimationszusammenhang nachweisbar sein: Die unmittelbare Inhaltssteuerung hat wegen der Grundrechtsrelevanz der Bilanzierung durch den Gesetzgeber zu erfolgen.623 Dieser muss alle für den Grundkonsens wesentlichen Fragen selbst entscheiden.624 Diese verfassungsrechtliche Verpflichtung bestand bereits vor der Einrichtung der Kooperationsbeziehung mit dem DRS.625 Lediglich der Adressat, der diese gesetzlichen Regelungen der wesentlichen Fragen verwirklichen soll, hat sich nunmehr geändert. Waren es vorher neben den Rechtsanwendern die Gerichte, kommt nunmehr noch der DSR hinzu. Die gesetzlichen Vorgaben waren und sind nichtkonditionaler Art. Statt eines Konditionalprogramms hat der Gesetzgeber ein „komplexe[s] gesetzliche[s] Schutzzielkonglomerat“626 installiert,627 welches die Gesetzeskonkretisierung anleiten soll. Ob damit den Bedingungen des Gesetzesvorbehalts genügt wurde und wird, soll hier nicht geprüft werden, weil es den Rahmen der exemplarischen Untersuchung sprengen würde.628 Es geht im Folgenden primär darum, ob der Wille des Gesetzgebers effektiv an das DRS weitergeleitet und in dessen durch das BMJ veröffentlichten Standards bestmöglich verwirklicht wird. Der Willenszusammenhang muss, lehnt man eine automatische Etatisierung durch die Einbeziehung in die Kooperationsbeziehung ab,629 gesondert hergestellt werden, da Art. 20 Abs. 3 GG nicht auf privatrechtliche Standardisierungsorganisationen Anwendung findet und der DSR somit nicht wie die öffentliche Verwaltung per se an die Gesetze gebunden ist. Diesem Ziel dient der Standardisierungsvertrag (StandV), wie ihn § 342 Abs. 1 Satz 1 HGB zwingend vorsieht. Dieser muss sowohl die sachlich-inhaltliche Gesetzesbindung als auch die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen des § 342 HGB in das Privatrecht transportieren. Im Einklang mit diesem Erfordernis ordnet § 4 Abs. 3 Satz 1 StandV an, dass die zu erarbeitenden Standards nicht im Widerspruch zu Rechtsvorschriften stehen dürfen. Darüber hinaus beugt § 3 Abs. 3 StandV einer gesetzeszweckwidrigen Untätigkeit des DSR vor, indem er ein Selbstvornahmerecht des Bundesjustizministeriums installiert. Voraussetzung ist lediglich, dass das BMJ dem DSR eine angemessen Frist zur Durchführung einer Standardisierungsarbeit gesetzt hat (§ 3 Abs. 1 StandV) und der DSR den angeforderten Standard nicht innerhalb der Frist fertiggestellt hat (§ 3 Abs. 3 Satz 1 StandV). 623 Vgl. oben zu den IAS / IFRS 2. Kapitel § 13. Ausführlich dazu Berberich, DRSC-Framework, S. 138 ff., 160 ff. 624 Berberich, DRSC-Framework, S. 151. 625 Berberich, DRSC-Framework, S. 136 f. 626 Berberich, DRSC-Framework, S. 118. 627 Hellermann, NZG 2000, 1097 (1100), spricht von den vorgegebenen gesetzlichen Wertungen. 628 Dazu Berberich, DRSC-Framework, S. 160 ff. Kritisch Schwab, BB 1999, 731 (733). 629 So aber BremStGH, NVwZ 2003, 81 (83).

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Die Absicherung des Willenszusammenhangs erfolgt in der Regel durch einen Verantwortungszusammenhang. Dieser wird hier durch den StandV hergestellt, bezieht sich daher nur auf den DRSC e.V. insgesamt und nicht auf die einzelnen Mitglieder des DSR. Drohende Sanktionen sind die vertragliche Haftung und die fristgerechte (§ 10 StandV) und fristlose Kündigung (§ 626 BGB analog) des Vertrages. Darüber hinaus wird der Willenszusammenhang durch die Kontrollmöglichkeiten des weisungsgebundenen BMJ sichergestellt. Dieses kann die Bekanntmachung i.S.v. § 342 Abs. 2 HGB ablehnen, wenn die Standards im Widerspruch zu Rechtsvorschriften stehen oder die übrigen Voraussetzungen des § 342 Abs. 1 HGB bei der Standarderstellung missachtet wurden, oder, in dem von § 3 Abs. 3 StandV beschriebenen Falle, von seinem Selbstvornahmerecht Gebrauch machen. Zur Absicherung des Willenszusammenhangs trägt darüber hinaus die von § 342 Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 StandV angeordnete transparente Verfahrensweise beim Erlass der Empfehlungen bei. Die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit des DSR (§ 342 Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 1 Abs. 2 StandV) dürfte einem möglichst authentischen Vollzug des gesetzgeberischen Willens dienen. Schließlich lässt der Sachverstand und die Sachnähe der Mitglieder des Standardisierungsrats, die nach § 342 Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 2 StandV nur Rechnungsleger sein können, eine effektive Willensverwirklichung erwarten. In Anbetracht des gesetzgeberischen Prognosespielraums, wie er seinen Willen effektiv weiterleitet und ihm zur Verwirklichung verhilft, lässt sich auch bei der kooperativen Standardsetzung durch den DSR und das BMJ im Ergebnis kein verfassungswidriges Legitimationsdefizit feststellen. 3. Hoheitlich angeordnete Kooperation mit privatem Standardsetzer – IFRS Zum Schluss sollen noch die per europäischen Durchführungsverordnungen übernommenen IAS / IFRS des IASB am eigenen Legitimationsmodell gemessen werden. Bereits im 2. Kapitel ist die Grundlage für dieses Legitimationsmodell herausgearbeitet worden,630 so dass die exemplarische Untersuchung knapp ausfallen soll und ein abweichendes Ergebnis im Hinblick auf die demokratische Legitimation nicht zu erwarten ist. Nachdem zuvor bereits die Legitimationsbedürftigkeit der kooperativen Mitwirkung des IASB festgestellt wurde,631 gilt es zunächst die oben unter B. erörterten sonstigen verfassungsrechtlichen Grenzen in Bezug auf die Erstellung der IAS / IFRS zu konkretisieren.

630 631

2. Kapitel § 14 B. I. u. D. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 A. III.

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Auf der europäischen (Zentral-)Ebene sind grundsätzlich das Europäische Parlament und der Rat für die wesentlichen Organisationsentscheidungen zuständig.632 Diese haben auch in der IAS-Verordnung die maßgeblichen Kooperationsbedingungen für das Zusammenwirken der Rechtsetzungsbeiträge von ARC, Kommission und IASB festgelegt. Gestützt wurde die IAS-Verordnung auf die Einzelermächtigung des Art. 95 Abs. 1 EG. Das von diesem verwiesene Mitentscheidungsverfahren (Art. 251 EG) ist beim Erlass der IAS-Verordnung eingehalten worden.633 Fraglich ist jedoch, ob nicht nur die sachlich-inhaltlichen Regelungen der IAS-Verordnung, sondern auch die Organisationsentscheidungen von der Ermächtigungsnorm gedeckt werden oder ob nicht zusätzlich Art. 308 EG als Rechtsgrundlage hätte herangezogen werden müssen. Letzterenfalls wäre die Anordnung der Kooperationsbeziehung rechtswidrig, weil Art. 308 EG strengere Voraussetzungen bezüglich der Ratsentscheidung, nämlich die Einstimmigkeit, aufstellt.634 Jedoch ist Art. 95 EG gegenüber Art. 308 EG die speziellere Norm.635 Zudem wird mit der IAS-Verordnung keine neue Einrichtung errichtet. Stattdessen werden Rechtsetzungsbefugnisse auf eine bereits existierende privatrechtliche Standardisierungsorganisation übertragen. Ebenso wie Art. 95 Abs. 1 EG, der ganz allgemein von „Maßnahmen“ spricht, die Delegation von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission zulässt, dürfte dies für die Übertragung solcher Befugnisse auf eine bereits bestehende vertragsfremde Einrichtung gelten, deren Entscheidungen der Kontrolle durch die Kommission unterliegen. Grenzen der Befugnisübertragung ergeben sich aus dem Prinzip des institutionellen Gleichgewichts, das einer Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf eine vertragsfremde Einrichtung zur selbständigen Wahrnehmung entgegensteht.636 Jedoch werden die Durchführungsverordnungen nicht vom IASB, sondern von der Kommission und dem ARC gemeinsam, gegebenenfalls unter Mitwirkung des Rates, erlassen und lediglich inhaltlich in einem bestimmten Umfang durch die Beschlüsse des IASB vorbestimmt. Dennoch wird das institutionelle Gleichgewicht durch die verantwortliche Mitwirkung des IASB beeinträchtigt. Diese Störung ist aber als geringfügig einzustufen. Die eigentlich der Kommission zustehenden Durchführungsbefugnisse werden nicht gänzlich ihrem Einfluss entzogen. Indem nämlich die Kommission über die Übernahme der einzelnen IAS / IFRS entscheidet und dabei auch nur einzelne Paragrafen übernehmen oder ablehnen kann, ist sie Inhaberin der maßgeblichen Steuerungsbefugnis in Bezug auf die Beschlüsse des IASB. Bereits zuvor ist dargelegt wor3. Kapitel § 18 B. II. 2. Vgl. Präambel der IAS-Verordnung. 634 Vgl. zu der Verletzung wesentlicher Formvorschriften bei der Wahl einer unzutreffenden Rechtsgrundlage Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 4, Art. 230 EG Rn. 128. 635 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: von der Groeben / Schwarze, EU / EG Bd. 2, Art. 95 EG Rn. 50. 636 Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. III. 2. 632 633

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

den, dass eine derart geringfügige Verschiebung der primärrechtlichen Kompetenzverteilung gerechtfertigt sein kann, wenn das eigentlich zuständige Gemeinschaftsorgan die ihm zugewiesenen Aufgaben allein nicht mehr effizient im Sinne der verfassungsrechtlichen Leitprinzipien wahrnehmen kann.637 Dies trifft gerade auf die Erstellung von gemeinschaftlich einheitlichen Bilanzierungsstandards, denen eine aussichtsreiche Chance auf weltweite Anerkennung innewohnen soll, zu. Der Kommission fehlt sowohl die herausragende Expertise des IASB als auch die Eigenschaft der politischen Unabhängigkeit einer Non Governmental Organisation, der es für eine internationale Anerkennung der Bilanzierungsregeln voraussichtlich bedarf. Bereits an anderer Stelle ist gezeigt worden, dass die Übernahme der IAS / IFRS mittels Rechtsverordnung im Ergebnis einen ausreichenden Rechtsschutz638 auch gegenüber dem Rechtsetzungsbeitrag des IASB und zugleich die Einhaltung der Publizitätsvoraussetzungen des Art. 254 Abs. 2 EG gewährleistet.639 Die Zwangsintegration des IASB in die kooperative Ausübung von Hoheitsgewalt bedeutet schließlich, dass der IASC Foundation grundrechtliche Abwehransprüche gegen den Grundrechtsentzug oder Grundrechtsbeeinträchtigungen durch hoheitliche Vorgaben bezüglich ihrer Binnenorganisation zustehen.640 Die demokratische Legitimation der IAS-Verordnung in ihrer Konkretisierung durch die übernommenen Standards hat, dies ist oben nachgewiesen worden,641 ein bedeutendes Defizit. Warum dennoch das verfassungsrechtliche Legitimationsgefüge in der Gesamtschau gewahrt wird, soll an dieser Stelle noch einmal unter Heranziehung des eigenen Legitimationsmodells verdeutlicht werden: Der maßgebliche politische Wille kommt in der IAS-Verordnung unmittelbar in Form von Wert- und Zielvorstellungen zum Ausdruck.642 Dieser Wille deckt gerade auch die für den Grundkonsens wesentlichen Fragen ab.643 Darüber hinaus werden die Entscheidungen des Standardsetzers auch mittelbar gesteuert, indem mit der Verantwortungsübertragung auf das IASB auch die Organisations- und Verfahrensvorschriften der IASC Constitution644 der IASC Foundation in den hoheitlichen Willen mit aufgenommen wurden. Dies ist zwar nicht ausdrücklich geschehen, es ist aber davon auszugehen, dass insbesondere die politische Unabhängigkeit645 und die Qualifikationen, die von der IASC Constitution zur Voraussetzung 637 638 639 640 641 642 643 644 645

Ebenda. Ebenda. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. IV. 2. Vgl. oben 3. Kapitel § 18 B. V. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. III. Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 1. Ebenda. Dazu oben 2. Kapitel § 12 B. III. IASC Constitution, Part B, Section 26.

§ 18 Demokratische Private Standardsetzung

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einer Mitgliedschaft im IASB gemacht werden,646 bei der Befugnisübertragung auf das IASB eine maßgebliche Rolle gespielt haben.647 Bei outputorientierter Betrachtungsweise trägt gerade die Expertise des IASB zur Effektivität des Willenszusammenhangs bei, weil von den IASB-Mitgliedern erwartet werden kann, dass sie den hoheitlichen Willen richtig verstehen. Der Effektivität des Willenszusammenhangs steht jedoch die Unverbindlichkeit der IASVerordnung für den privaten und exterritorialen Träger des IASB entgegen. Auch die prozeduralen Vorschriften kann die IASC Foundation jederzeit ohne Mitspracherecht des Europäischen Parlaments und des Rates ändern. Aus Letzterem resultieren zwei Probleme für die Aktualisierung des Willenszusammenhangs. Zum einen bedarf es einer Überprüfung der Willensübereinstimmung, wenn die IASC Foundation Organisation oder Verfahren ändert. Zum anderen muss eine geänderte Vorstellung von Parlament und Rat in einem Ersuchen an die IASC Foundation zum Ausdruck kommen. Wegen der Unverbindlichkeit des gesamten Willenszusammenhangs kommt dessen Absicherung im gewählten Kooperationsmodell herausragende Bedeutung zu. Nur wenn dennoch sichergestellt werden kann, dass der politische Wille auch bei der Entscheidungsfindung Beachtung findet, kann überhaupt von einem vorhandenen Willenszusammenhang gesprochen werden. Der Absicherung dient vor allem die Verantwortlichkeit, aber auch die Kontrolle. Nun hat weder die IASC Foundation noch haben die Mitglieder des IASB ihre Entscheidungen gegenüber einem europäischen Hoheitsorgan rechtlich zu verantworten. Nur insgesamt kann dem IASB die übertragene Rechtsetzungsbefugnis durch das Europäische Parlament und den Rat wieder entzogen werden. Oben wurde gezeigt, dass die Beendigung der Kooperationsbeziehung insgesamt lediglich als Ultima Ratio-Instrument in Betracht kommt648 und daher nur einen schwachen Verantwortungszusammenhang zu begründen vermag. Doch wird sozusagen im Gegenzug eine besonders starke Kontrolle praktiziert, indem die Beschlüsse des IASB ihre Wirksamkeit nur infolge der Übernahme durch die Kommission und das ARC erlangen. Es handelt sich also um eine prospektive Kontrolle in Bezug auf die Willensübereinstimmung in jedem Einzelfall. Weil die Kommission auch nur einzelne Paragrafen der IAS / IFRS ablehnen oder übernehmen kann, hat sie begrenzte gestaltende Befugnisse und kann so gegebenenfalls selbst eine fehlende Willensübereinstimmung herstellen. Wegen des Fehlens eines Selbsteintrittsrechts der Kommission bleibt jedoch eine Lücke im Willenszusammenhang, wenn durch eine Zurückweisung eines Standards oder einzelner seiner Teile oder durch die Untätigkeit des IASB eine Regelungslücke entsteht, die dem verfassungsrechtlichen Grundkonsens, wie er durch den politischen Willen von Parlament und Rat in der IAS-Verordnung konkretisiert wird, widerspricht. IASC Constitution, Part B, Section 19 und Annex. Vgl. auch IASC Constitution, Part B, Section 32, zu der transparenten, die Öffentlichkeit einbeziehenden Standarderstellung durch das IASB. 648 Vgl. oben 2. Kapitel § 14 C. II. 2. c). 646 647

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3. Kap.: Schlussfolgerungen

Diese Lücke könnte zur Rechtswidrigkeit wegen mangelnder demokratischer Legitimation führen, wenn eine andere Rechtsgestaltung, beispielsweise eine Kooperation mit einem hoheitlichen Standardsetzer oder eine Kooperation mit einem privatrechtlichen Standardsetzer auf freiwilliger Basis, offensichtlich eine effektivere demokratische Legitimation verspräche. Doch ist auch die Willensverwirklichung im wirklichkeitsbezogenen Legitimationsmodell eine ebenbürtige, bei der Beurteilung des Legitimationsniveaus zu berücksichtigende Komponente. Und bei einem Vergleich der unterschiedlichen Regelungsformen sind die zuständigen Hoheitsträger zu der nachvollziehbaren Prognose gelangt, dass eine Willensverwirklichung nur bei einer Zusammenarbeit mit dem IASB oder der SEC zu erwarten ist. Unter diesen beiden Varianten war die Befugnisübertragung auf das IASB die demokratischere.649 Stellt man nun die verschiedenen Möglichkeiten des Normgebers gegenüber, so hatte er die Wahl zwischen einer Gestaltung, die eine effektive Willensweiterleitung bei absehbarer Wirkungslosigkeit der Regelungen erwarten ließ, und einer solchen, die bei partiellen Defiziten im Bereich der Willensbefolgung eine effektivere Umsetzung des Hoheitswillens versprach. So gesehen, erscheint die zweite Möglichkeit insgesamt ein höheres Legitimationsniveau zu erzeugen als die erste. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass eine hoheitlich angeordnete Kooperation mit einem privatrechtsförmigen Standardsetzer in Bezug auf die Weiterleitung und Befolgung des maßgeblichen politischen Willens Defizite aufweist. Die Kooperation mit einem hoheitlichen Standardsetzer oder die freiwillige Kooperation mit einem privatrechtlichen Standardsetzer sind daher in der Regel vorzuziehen. Nur wenn im Kollisionsfall ein anderer Verfassungswert für die Zwangsintegration eines privatrechtlichen Standardsetzers spricht oder, wie beim Beispiel der IAS / IFRS des IASB, nationales oder supranationales Recht den hoheitlichen Willen nach der Prognose der zuständigen Hoheitsorgane kaum oder gar nicht mehr praktisch verwirklichen kann, lässt sich eine solche Gestaltung der hoheitlichen Entscheidungsverfahren mit dem Demokratiegebot vereinbaren.

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Vgl. oben 2. Kapitel § 14 D. II. 2.

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen Die Zukunft des Nationalstaates und damit auch der Demokratie, die zumindest in Deutschland bisher auf der Grundlage eines souveränen Staates gedacht wurde, ist ungewiss. Denn die Souveränität des Nationalstaates wird durch die internationale Integration Deutschlands, aber auch durch die zunehmende Kooperation des Staates mit gesellschaftlichen Akteuren bedroht. Vor diesem Hintergrund ist auch die aktuelle Entwicklung im deutschen und europäischen Gesellschafts- und Bilanzrecht zu sehen: die Verlagerung von Gestaltungsbefugnissen auf Private Standardsetzer. Als Referenzbeispiele sind das in concreto die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und das International Accounting Standards Board (IASB). Die Regierungskommission, deren Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) Verhaltensregeln für eine gute und verantwortliche Unternehmensführung als unverbindlichen Empfehlungen formuliert, wurde von der Bundesministerin der Justiz eingesetzt und mit der unabhängigen Ausarbeitung dieser Standards beauftragt. Obwohl die dreizehn ehrenamtlichen Mitglieder der Kommission, die von der Bundesministerin der Justiz ernannt werden, (zunächst) dem gesellschaftlichen Bereich entstammen,1 ist die Regierungskommission aufgrund der staatlichen Veranlassung dem öffentlichen Recht zuzuordnen.2 Infolgedessen ist auch der Deutsche Corporate Governance Kodex, der vor seiner Bekanntmachung im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers einer Rechtskontrolle durch das Bundesjustizministerium unterliegt, ein öffentlich-rechtliches Regelwerk, das unmittelbar an den Grundrechten zu messen ist und das den Anforderungen des Demokratieund Rechtsstaatsprinzip genügen muss.3 Die im Kodex vereinten Verhaltensregeln vornehmlich für die Organe börsennotierter Aktiengesellschaften können die Grundrechte der Berufsfreiheit, der Eigentumsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als nicht verbindliche staatliche Handlungsempfehlungen allenfalls faktisch-mittelbar beeinträchtigen. Hiergegen schützen die Grundrechte nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht, solange die beauftragte und zuständige Stelle inhaltlich richtige und sachlich gehaltene Informationen verbreitet.4 Gestützt auf 1 2 3 4

1. Kapitel § 3 A. I. 1. Kapitel § 4 B. I. 1. Kapitel § 5 D. 1. Kapitel § 6.

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Art. 65 GG, § 161 AktG und, weil nur ein bundeseinheitlicher Kodex die ihm angedachte Orientierungsfunktion erfüllen kann, Art. 30 2. Alt. GG dürfen somit Regierung und Kodex-Kommission gemeinsam in- und ausländische (potentielle) Stakeholder über die gute deutsche Corporate Governance informieren, solange die Empfehlungen nicht im Widerspruch zum geltenden Gesetzesrecht oder zu international und national allgemein anerkannten Gepflogenheiten stehen.5 Als problematischer stellt sich die Frage der ausreichenden demokratischen Legitimation des Kodexes dar. Dass nicht nur die Veröffentlichung im Bundesanzeiger durch das Bundesjustizministerium, sondern schon die zeitlich vorhergehende Erstellung durch die Kodex-Kommission legitimationsbedürftig ist, ergibt sich unmittelbar aus Art. 20 Abs. 2 GG, nach dem ausnahmslos alle Staatsgewalt vom Volke auszugehen hat.6 Wird Hoheitsgewalt kooperativ, also von mehreren Akteuren gemeinsam, ausgeübt, so bedarf jeder Beitrag, der in der hoheitlichen Entscheidung fortwirkt, demokratischer Legitimation. Als maßgebliches Kriterium wird dabei die Mitentscheidungsbefugnis genannt, also die Befugnis, die endgültige hoheitliche Maßnahme mitzugestalten. Weil das Bundesjustizministerium die Bekanntmachung des Kodexes zwar ablehnen kann, im Übrigen jedoch keinen Einfluss auf die Empfehlungen hat, ist es auf den Beitrag der Kodex-Kommission angewiesen und in seiner Entscheidung über den Inahlt der Standards nicht frei.7 Die demnach erforderliche demokratische Legitimation des Kodexes der Regierungskommission muss nach traditioneller Auslegung des Grundgesetzes mittels zweier nur gemeinsam legitimierend wirkender Ableitungsstränge hergestellt werden: der personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimationskette. Beide müssen, beim als Einheit gedachten deutschen Staatsvolk beginnend, stets über das Parlament, dem alles legitimierenden Zwischenglied, verlaufen und sich ununterbrochen bis zu den verantwortlichen Personen und ihren Entscheidungen fortsetzen.8 In personeller Hinsicht ist die Kodex-Kommission zweifelsfrei legitimiert, denn die Kette der personellen Bestellungsakte ist kurz und unterbrechungsfrei: Das Parlament wählt den Bundeskanzler, dieser die Kabinettsmitglieder und damit auch die Bundesministerin der Justiz, die schließlich die Mitglieder der Kodex-Kommission beruft.9 Ein dementsprechendes, den Inhalt des Kodexes betreffendes Bild lässt sich dagegen nicht zeichnen. Aufgrund der Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission, deren Tätigkeit zudem in einem gesetzesfreien Raum angesiedelt ist,10 endet der Einfluss des Parlaments bei der Bundesjustizministerin. Diese könnte selbst eine konkrete parlamentarische Anweisung mangels Einwirkungsmöglichkeit nicht an die Regierungskommission ver1. Kapitel § 6 A. I.-III. 1. Kapitel § 7 A. I. 2. 7 1. Kapitel § 7 A. I. 1. b). 8 1. Kapitel § 7 A. 9 1. Kapitel § 7 A. II. 1. a). 10 1. Kapitel § 4 B. V. u. § 7 II. 1. b) aa). 5 6

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bindlich weitergeben.11 Eine tragfähige, auf Verfassungsebene angesiedelte Rechtfertigung lässt sich für diese legitimationstheoretische Steuerungslücke nicht finden.12 Doch die Vorherrschaft der traditionellen Interpretation des Demokratieprinzips ist ins Wanken geraten. Gegen sie wird vorgebracht, dass ihr mit der als allumfassend gedachten Steuerungsfähigkeit des Parlaments eine realitätsferne Annahme zu Grunde liege,13 sie zu dezidierte Voraussetzungen aus einem offenen Verfassungsprinzip ableite und sie mit der im Mittelpunkt stehenden Herstellung eines Zurechnungszusammenhangs zu stark auf den Input fixiert sei, dabei aber die Ergebnisse der Herrschaftsbetätigung zu wenig Beachtung fänden.14 Abhängig vom Schwerpunkt der Kritik soll demokratische Legitimation auch von den einzelnen Bürgern (sog. pluralistische Theorie)15 oder der Gemeinwohldienlichkeit der Hoheitsakte (sog. Output-Legitimation) ausgehen können. Beide Ansätze vermögen aber den festgestellten Mangel des Inputzusammenhangs nicht auszugleichen. Selbst wenn man der Betroffenenbeteiligung legitimationsstiftende Wirkung beimäße, so wäre der pluralistische Gedanke mangels (gleichen) Einflusses aller Betroffenen auf die Besetzung oder die Maßnahmen der Kodex-Kommission nicht verwirklicht.16 Auch die Berücksichtigung des Outputs der Kodex-Kommission hilft über den fehlenden Inputstrang nicht hinweg, denn bereits in der Verfassung ist angelegt, dass das Gemeinwohl durch eine, wenn auch wertorientierte, Herrschaft des Volkes hervorgebracht werden soll.17 Auch noch so vorteilhafte Entscheidungen können daher keinen (vollständigen) Verzicht auf die Einflusschancen des Volkes rechtfertigen.18 Das Beispiel der International Financial Reporting Standards (IFRS) bietet sich an, um der Diskussion um die richtige Auslegung des Grundgesetzes näher auf den Grund zu gehen. Weil nämlich die deutschen Zustimmungsgesetze zur Gründung und Weiterentwicklung der Europäischen Untion durch die Beachtung des unantastbaren Kerns des grundgesetzlichen Demokratieprinzips bedingt sind, wirken die Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1, 2 GG zumindest mittelbar (als Mindestanforderungen des primärrechtlichen Demokratieprinzips) auch gegenüber europäischer Herrschaftsgewalt fort.19 Gerade im Zusammenhang mit der Europäischen Integration zeigt sich aber, dass die Kritik am traditionellen Legitimationskonzept berechtigt ist. Verlangt man die Einheit und, souveränitätsbedingt, die Einzigkeit des deut11 12 13 14 15 16 17 18 19

1. Kapitel § 7 A. II. 1. c). 1. Kapitel § 7 A. IV. u. V. 1. Kapitel § 7 A. II. 2. 1. Kapitel § 7 B. 1. Kapitel § 7 A. 1. Kapitel § 7 A. II. 2. 1. Kapitel § 7 B. I. 1. Kapitel § 7 B. III. 2. Kapitel § 14.

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schen Staatsvolkes als Voraussetzung dafür, dass von ihm Legitimation ausgehen kann,20 so ergibt sich ein unauflöslicher Widerspruch zu der in Art. 23, 24 GG angelegten Integrationsoffenheit der deutschen Verfassung: Einerseits könnte nur ein (geschlossener) europäischer Nationalstaat mit einer von einem (homogenen) europäischen Volk gewählten Volksvertretung den Anforderungen des unantastbaren Kerns des Demokratieprinzips gerecht werden. Andererseits stünde dies aber dem (angeblich) eine souveräne Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland voraussetzenden Grundgesetz entgegen.21 Die besseren Argumente sprechen dafür, dass das Grundgesetz Demokratie nicht als Staatsform, mit einem homogenen, als Nation gewachsenem Staatsvolk, also einem als Einheit gedachten Staatsorgan Volk, verstanden wissen will.22 Die Menschenwürde des Einzelnen als oberster Verfassungswert leitet vielmehr bei der Auslegung des Demokratieprinzips: Legitimation geht danach von den Individuen, den dauerhaft der Herrschaftsgewalt Unterworfenen aus. Demokratie kann unter dieser Prämisse als Herrschaftsform begriffen werden, die weder einen Staat zu ihrer Verwirklichung voraussetzt, noch einer aktiven Beteiligung der Gesellschaft an den sie betreffenden Entscheidungen prinzipiell entgegensteht. Mit der Ablehnung der traditionellen Deutung des Demokratieprinzips und den daraus abgeleiteten dezidierten Forderungen für die Herrschaftsorganisation verliert das Demokratieprinzip an Kontur. Sein Kerngehalt lässt sich nur mehr auf den Grundsatz zurückführen, dass zwischen jeder ausgeübten Herrschaftsgewalt und den Herrschaftsunterworfenen ein konkret erfahrbarer und praktisch wirksamer Willens- und Verantwortungszusammenhang herzustellen ist.23 Konkretere Vorgaben beinhaltet das Demokratieprinzip nicht. Die im gleichen Zuge wiedergewonnene Flexibilität eröffnet insofern große Spielräume für die Organisation von Herrschaftsausübung, die in erster Linie durch die Verfassung und – nachrangig – durch abgeleitetes Recht ausgefüllt werden müssen.24 Die darin installierten Legitimationsverfahren und -prozesse müssen unter Berücksichtigung der Praktikabilität wie auch gegenläufiger Verfassungsprinzipien eine möglichst optimale Rückführung der hoheitlichen Entscheidungen auf die Legitimationssubjekte gewährleisten, wobei der Zurechnungszusammenhang niemals ganz entfallen darf.25 Bezogen auf die Hoheitsgewalt, die mit den von der Kommission entprechend der IAS-Verordnung übernommenen IFRS des IASB ausgeübt wird, bedeutet dies Folgendes: Die kooperative europäische Rechtsetzungstätigkeit der Kommission und des nach US-amerikanischem Privatrecht organisierten IASB ist le20 21 22 23 24 25

2. Kapitel § 14 B. I. 1. 2. Kapitel § 14 B. I. 1. a) – c). 2. Kapitel § 14 B. I. 1. 2. Kapitel § 14 B. I. 2. u. III. 2. Kapitel § 14 B. I. 1. d). 2. Kapitel § 14 D. I. u. 3. Kapitel § 17 D.

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gitimationsbedürftig. 26 Weil die Durchführungsbefugnisse i.S.v. Art. 211 4. Spiegelstrich EG zu einem großen Teil beim IASB liegen – die Kommission ist ähnlich wie im ersten Referenzbeispiel das BMJ auf die Übernahmeentscheidung beschränkt – müssen auch dessen Entscheidungen in einen Legitimationszusammenhang eingebunden sein.27 Dies ist, obwohl das IASB weder den Organen der Europäischen Union verantwortlich, noch an europäisches Recht gebunden ist, bis zu einem gewissen Grad der Fall: Ausgehend von den Staatsbürgern der Mitgliedstaaten entfaltet sich demokratische Legitimation in der Europäischen Union vor allem über den Rat und das Europäische Parlament, die ihren hoheitlichen Wert- und Zielvorstellungen zur Konzernbilanzierung in Form der IAS-Verordnung Ausdruck verliehen haben.28 Bereits durch die Auswahl eines mit den gleichen Grundvorstellungen operierenden Privatgremiums ist ein Willenszusammenhang begründet, dessen Verwirklichung die Kommission, die ihr Tun dem Rat und dem Europäischen Parlament gegenüber zu verantworten hat, im Rahmen der Übernahme der Standards des IASB in das Europarecht kontrolliert.29 Mit Blick auf die drohende Bedeutungs- und damit Wirkungslosigkeit eines rein europäischen Bilanzrechts stellt sich das Risiko einer ablehnungsbedingten Regelungslücke und damit einer (zumindest theoretischen) Lücke im Steuerungszusammenhang nicht als primärrechtswidriges demokratisches Defizit dar. Gerade die offenere Interpretation des Demokratieprinzips zwingt zur Berücksichtigung der Herrschaftsergebnisse, deren Beurteilungsmaßstab aber – im Rahmen der Verfassungen und unter Inanspruchnahme der darin gewährten Einflusschancen – von den Legitimationssubjekten selbst festgelegt wird.30 Nur ein Regelwerk mit der Chance auf weltweite Anerkennung ermöglicht die angestrebte globale Vergleichbarkeit, und nur ein solches Regelwerk kann somit den von den Legitimationssubjekten abgeleiteten, also legitimierten hoheitlichen Wert- und Zielvorstellungen des Rates und des Europäischen Parlamentes zur praktischen Geltung verhelfen.31 Die soeben angesprochene Berücksichtigung der erwarteten und eingetretenen realen Leistungen der Entscheidungsverfahren und der Entscheidungen selbst ist erforderlich, damit das Demokratiegebot nicht bloß formal betrachtet verwirklicht, sondern auch für die Entscheidungsbetroffenen und die entscheidenden Hoheitsorgane, so wie es das Bundesverfassungsgericht zu Recht verlangt, konkret erfahrbar wird.32 In größeren Herrschaftseinheiten dürfen dann aber die Anforderungen an die Rückführung aller Entscheidungen auf den Willen der Legitimationssubjek26 27 28 29 30 31 32

2. Kapitel § 14 A. 2. Kapitel § 14 A. III. 2. Kapitel § 14 C. I. u. II. 2. Kapitel § 14 C. II. 2. 3. Kapitel § 17 D. 2. Kapitel § 14 D. II. 2. 2. Kapitel § 14 B. I. 2.

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te nicht überspannt werden.33 Soll Legitimation, so wie es sowohl die deutsche Verfassung34 als auch der europäische Verfassungsverbund35 vorschreiben, im Ursprung vor allem durch Wahlen vermittelt werden, so kann sich der demokratische Willenszusammenhang nur auf die grundlegenden, richtungsweisenden, sprich: wesentlichen Fragen beziehen. Denn die durch den freien öffentlichen Diskurs und mithilfe der Parteien inhaltlich aufgeladenen Wahlen und die sich daran anschließenden tagtäglichen Wechselwirkungen zwischen den Willen der Legitimationssubjekte und der hoheitlichen Willlensbildung in Parlament, Rat oder Regierung können unmöglich alle Details der zu treffenden komplexen Entscheidungen abdecken. Bessere Ergebnisse im Hinblick auf die Effektivität des demokratischen Zurechnungszusammenhangs lassen sich, wenn damit die Zweckverwirklichung nicht gefährdet wird, zweifelsohne in kleineren Einheiten erzielen. Dieser Gedanke liegt auch dem pluralistischen Modell der Betroffenenlegitimation zu Grunde. Doch sehen weder die deutsche Verfassung noch der europäische Verfassungsverbund eine solche Betroffenenlegitimation ausdrücklich vor. Aufgrund der offeneren Auslegung wird das demokratische Prinzip zwar ebenfalls durch die Beteiligung der Betroffenen an den sie betreffenden Entscheidungen verwirklicht. Eine solche Legitimation kann aber nur neben die verfassungsrechtlich vorgesehenen Legitimationsstränge treten und kann diese nicht ersetzen.36 Demokratische Legitimation entfaltet sich im europäischen Mehrebenensystem also vornehmlich über das Europäische Parlament, den Rat, die nationalen Parlamente und die nationalen Regierungen.37 Für die legitimationsbedürftige 38 Private Standardsetzung bedeutet das, dass die vorgenannten Organe den praktisch wirksamen Zurechnungszusammenhang auch zu den Entscheidungen des Standardsetzers herstellen müssen. Dabei muss der Willenszusammenhang nicht alle Details abdecken, sondern all jene für die nähere Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Grundkonsenses besonders wesentlichen Fragen. Wie die zuständigen Organe dieser Aufgabe, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen, gerecht werden, ist größtenteils verfassungsrechtlich nicht näher vorgegeben und steht daher in deren politischen Gestaltungsermessen.39 Keineswegs beinhaltet das Demokratieprinzip, dass sich die Bestellung der Mitglieder in eine bis zum Parlament rückführbare Kette von Bestellungsakten einreiht oder dass der Private Standardsetzer zwingend an ministerielle Weisungen gebunden sein muss. Diese herkömmlichen Legitimationsmodi versperren vielmehr die Sicht auf die tatsächlichen Leistungen, die die angewandten Verfahren für die demokratische 33 34 35 36 37 38 39

2. Kapitel § 14 D. II. 1. 3. Kapitel § 17 B. I. 3. Kapitel § 17 B. II. 3. Kapitel § 17 B. III. 3. Kapitel § 18 A. 3. Kapitel § 18 B. I. 3. Kapitel § 18 A. u. C.

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Legitimation erbringen. Bei ihnen spielt weder die Effektivität der Willensvermittlung noch die Effektivität der Willensverwirklichung eine Rolle.40 Die praktische Wirksamkeit von Demokratie erfordert aber deren Berücksichtigung.41 Vor diesem Hintergrund eröffnet sich eine Steuerungsvielfalt, die nicht den strikten Einschränkungen der traditionellen Auffassung unterliegt. So ist beispielsweise der Gesetzgeber nicht auf konditionale Inhaltsprogrammierung beschränkt, sondern kann seinen demokratisch legitimierten Willen auch mittels gesetzlicher Finalvorgaben,42 aber auch mittelbar, durch prozedurale Regelungen bezüglich der Organisation, der Personalauswahl, des Verfahrens oder der Finanzierung des Privaten Standardsetzers, weitergeben.43 Paralleles gilt für die Regierungen, die ebenfalls nicht auf ihr Weisungsrecht beschränkt sind, um ihre Vorstellungen in den abschließenden Entscheidungen zu realisieren. Vor allem weil hier eine organisationsrechtliche Wesentlichkeitstheorie abgelehnt wird, also nicht jede Kooperationsbeziehung mit einem Privaten Standardsetzer zwingend einer gesetzlichen Anordnung bedarf,44 kann auch die Regierung ihrem Willen vermittels prozeduraler Vorkehrungen zur Geltung verhelfen. Steht, wie hier, die Effektivität der Willensweiterleitung und -verwirklichung im Vordergrund, so können auch sogenannte output-orientierte Erwägungen bei der Gestaltung der Entscheidungsverfahren angestellt werden, solange eben der demokratisch legitimierte Wille den OutputMaßstab bildet. Ein „guter“, also demokratischer Output wird dann erzielt, wenn die hoheitlichen Maßnahmen den demokratisch gebildeten Hoheitswillen möglichst authentisch wiedergeben und die mit diesem Willen verbundenen Zielvorstellungen bestmöglichst verwirklichen.45 Insofern können solche modernen Governance-Instrumente wie die Gesetzesfolgenabschätzung oder die Befristung von Rechtsakten ebenso zu einer Erhöhung des Legitimationsniveaus beitragen, wie die Beteiligung von sachkundigen, sachnahen oder von den hoheitlichen Entscheidungen betroffenen Personen.46 In diesem Lichte gesehen, erweist sich auch das erste Referenzbeispiel als verfassungskonforme kooperative Standardsetzung. Anerkennt man, dass das (grundgesetzliche) Demokratieprinzip die geschilderte Steuerungsvielfalt beinhaltet, so lässt sich trotz der fehlenden gesetzlichen Konditionalprogrammierung und der Weisungsfreiheit der Kodex-Kommission ein ausreichender demokratischer Zurechnungszusammenhang zu deren Entscheidungen feststellen. In den wesentlichen Fragen hat die Regierung ihre Zielvorstellungen entweder unmittelbar oder mittelbar, insbesondere durch die interessenpluralistische Besetzung, an die Ko40 41 42 43 44 45 46

3. Kapitel § 18 C. I. 1. a) aa) u. bb). 3. Kapitel § 18 C. I. 2. 3. Kapitel § 18 C. I. 1. b). 3. Kapitel § 18 C. I. 1. c). 3. Kapitel § 18 B. II. 1. 3. Kapitel § 18 C. I. 2. 3. Kapitel § 18 C. I. 2. a) u. b).

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dex-Kommission weitergegeben. Das Fehlen einer Weisungsbefugnis lässt sich nicht mit einer mangelnden Einwirkungsbefugnis der Bundesregierung auf die Entscheidungen der Kodex-Kommission gleichsetzen. Vielmehr stellt die jederzeitige Möglichkeit, eines oder mehrere Mitglieder der Kodex-Kommission abzuberufen bzw. auszutauschen, wohl eines der effektivsten Mittel dar, um sicherzustellen, dass die inhaltlichen Vorgaben und die mit der Besetzung verbundenen Erwartungen verwirklicht werden. Daneben tritt das negative Kontrollrecht des Bundesjustizministeriums, das durch Zurückweisung des Kodexes festgestellte Verfahrensverstöße und absehbare (Grund-)Rechtsverletzungen verhindern kann.

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Stichwortverzeichnis Accounting Regulatory Committee (ARC) 141 f., 148, 161, 165, 185, 187, 197, 199 f., 213, 216, 319, 321 Administrative 49, 85, 94, 97, 109, 231, 244, 252 Aktionär 28 f., 37 Akzeptanz 35, 40, 46, 110, 235, 304, 306, 308, 310 f. angegliedert 48, 50, 54, 64, 246 Anleger 29 f., 35, 38, 40, 57, 58, 62, 81, 130 f., 209, 308 f. Anlegerschutz 131, 133, 151 Ausnahmezustand 22 Ausübung von – Hoheitsgewalt 22, 119, 160 ff., 184, 214 f., 236, 241 f., 248 f., 271, 281 f., 320 – Staatsgewalt 66, 68, 69 ff., 76, 82 f., 111 ff., 146, 160 ff., 225 f., 249 Beamtenvorbehalt 258 siehe auch Funktionsvorbehalt, beamtenrechtlicher Beleihung 23, 53, 247 ff., 251, 257 ff., 271, 281 f. Beratungsgremium 47 Comply-or-explain-Regelung 37, 39 siehe auch Entsprechenserklärung Delegation 81, 221, 231, 254 f., 263 f., 319 Demokratiedefizit 22, 147, 183, 185, 214 Demokratieprinzip – als Optimierungsgebot 177, 202, 204, 207, 213, 221, 230 ff. – eigene Auslegung 220 ff. – outputorientierte Auslegung 64 f., 98 ff., 238 ff. – pluralistische Auslegung 64 f., 79 ff., 170 ff., 233 ff. – primärrechtliches 160, 168, 179 ff., 193, 214, 218, 325

– Prinzipiencharakter des 79, 177 f., 183, 202 – traditionelle Auslegung 21 ff., 65 ff., 74 ff., 112 ff., 168 ff., 286 ff., 324 f. – und Beleihung 23, 249, 251 – und Gesetzesvorbehalt 87 ff., 112 ff., 227, 229, 244 f., 249, 251, 274 f., 284 f., 292, 307 – und Verwaltungsorganisation 112 ff., 121 ff., 225 ff., 244 f. Deutsche Rechnungslegungs Standards 271, 313 ff. Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) 25, 219, 271, 306, 312 ff. Diskurs 118, 194, 207, 230, 236, 298, 328 Durchführungsbefugnisse der europäischen Kommission 140, 187, 216, 254 f., 265 f., 319, 327 elektronischer Bundesanzeiger 26, 38, 47, 51, 54, 59, 277, 307, 309, 315 f., 323 f. Empfehlungen und Warnungen der Regierung / Verwaltung 49 ff., 54, 58, 70, 116, 248, 277, 278, 308 Entscheidungsgremium 47, 118, 122, 124, 145 Entsprechenserklärung 37 ff., 51, 57, 110, 311 Erfüllungsverantwortung 257 europäischer Verfassungsverbund siehe Verfassungsverbund, europäischer europäisches Mehrebenensystem siehe Mehrebenensystem, europäisches Europäisches Parlament 140 f., 145, 161, 180 f., 185 ff., 202, 204, 232 f., 253, 255, 279, 285 ff., 321, 327 Fair-Value-Richtlinie 135, 137 faktisch-mittelbarer Grundrechtseingriff 54 ff., 88 ff., 118, 246, 307, 323

Stichwortverzeichnis Funktionsvorbehalt, beamtenrechtlicher 258 ff., 308, 315 Gemeinschaftsgrundrechte 149 f., 189, 210, 232 Gemeinschaftsprimärrecht siehe Primärrecht gesellschaftliche Selbstregulierung 41 gesetzesfreie Räume 49 f., 77, 79, 90, 93, 111, 116, 123, 324 gesetzesfreie Verwaltung 93, 116 Gesetzeskonkretisierung 23, 25, 314 ff. Gesetzesvorbehalt – bei Einbindung Privater in die Ausübung von Hoheitsgewalt 119 ff., 251 – bei faktisch-mittelbaren Grundrechtseingriffen 55 f., 87 ff. – beleihungsbedingter 249, 251 – grundrechtsbedingter 117 f., 255, 281 ff. – institutioneller 115, 116 f., 244, 252 – organisatorischer 115 ff., 244 f., 246, 250 f., 255 – und Wesentlichkeitstheorie 87 ff., 112 ff., 227, 229, 251, 274 f., 284 f., 307, 317 Gewaltenteilung 41, 86 f., 107, 109, 291 Gläubigerschutz 129 f., 133 f., 136 Globalisierung 21, 29, 33, 212, 223, 268, 305 Grundkonsens 205, 208, 224 f., 230 ff., 240, 256, 267, 295 f., 310, 317, 320 f., 328 Grundrechte 41, 54, 83, 86, 89, 93, 104, 107, 109, 115, 161, 229, 232, 249, 255, 260, 281 f., 290, 293, 308, 323 – allgemeine Handlungsfreiheit 61 – allgemeines Persönlichkeitsrecht 61 ff., 123, 321 – Berufsfreiheit 56 ff., 63, 150 f., 282, 323 – Eigentumsfreiheit 60, 63, 123, 150 f., 323 Grundsatz der funktionsgerechten Organisation 114, 291, 307 Grundverordnung, europäische 144, 196, 254, 280 f. Gubernative 77, 244, 284, 289, 294 f. Herrschaftszwecke 65, 100, 106, 220, 232 Hierarchieprinzip 113 hierarchische Verwaltung siehe Verwaltung, hierarchische hoheitlich-private Kooperation 23, 282

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Hoheitsgewalt 22, 53 f., 105, 119, 143, 146, 151 ff., 168 ff., 179 ff., 196, 198, 206, 214, 223, 232, 236, 241 f., 247 ff., 271, 281 ff., 287, 289, 308, 320, 326 IAS-Verordnung 126, 135, 136 f., 138, 140 ff., 156, 159, 161, 165 ff., 187 ff., 214, 216, 254, 268, 295, 313, 319 ff., 326 f. informelle Standardsetzung 277 informeller Organisationsakt 46 informelles Verwaltungshandeln 276 f., 279 ff., 307, 309 Initiative 47 ff., 79, 145, 163, 165, 191, 195, 216, 242, 314 Initiativrecht 79, 188, 190 f., 195 f., 255, 314 Investor 25, 33, 36, 38, 89, 198, 211, 309 Ist-Niveau, demokratisches 69, 74 ff., 90 ff., 111 f., 121, 185 ff., 201, 206 Jahresabschlussrichtlinie 34, 128 f., 142 Kapitalmarkt 29, 39, 131, 133, 151 kapitalmarktorientiert 30, 126 f., 138 Kernbereich 116, 244, 258, 261, 269, 292 konkurrierende Zuständigkeit 117, 121, 246, 291, 307 f. Konzernabschluss 61, 126 ff., 132, 136, 138, 313 Konzernbilanzrichtlinie 129, 142 kooperative Gesetzeskonkretisierung 314 kooperative Rechtsetzung 23, 42, 223, 241, 251, 253, 272, 314, 320, 326 kooperative Standardsetzung 243, 247, 251 f., 255 f., 259 ff., 312, 317 f., 329 Legitimation – demokratische 64 ff., 151 ff., 220 ff., 283 ff., 323 ff. – durch Organisation 82 ff., 121 ff., 296 ff. – durch Verfahren 82 ff., 121 ff., 296 ff. – Output-Legitimation 64 f., 98 ff., 238 ff. – personelle 74 ff., 79 ff., 88, 90 ff., 179, 286 ff. – plurale 283 – pluralistische 64 f., 79 ff., 170 ff., 233 ff. – prozedurale 82 ff., 121 ff., 296 ff.

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Stichwortverzeichnis

– sachlich-inhaltliche 74, 76 ff., 84, 88, 90 ff., 179, 246, 289, 293, 297, 300, 308, 317, 319, 324 Legitimationskette 66 f., 109, 174, 286 f., 324 Legitimationsmodi – pluralistische 79 ff. – traditionelle 74 ff., 286 ff. Legitimationssubjekte 67 ff., 79 ff., 82 ff., 155, 169 ff., 181 ff., 206 ff., 220 ff., 240 f., 253, 256, 283 ff., 300, 326 ff. Letztentscheidung 146, 163, 165 Letztentscheidungsorgan 162 Letztentscheidungsrecht 22, 216, 285, 296 Mehrebenensystem, europäisches 185 f., 188, 202, 207 f., 212, 218, 231 f., 241, 289, 328 Meroni-Urteile des EuGH 254, 264 ff. ministerialfreie Räume / Verwaltung 74, 78 f., 95 ff., 111, 118 Ministerialverwaltung 48, 77, 85 f., 91 f., 118, 121, 244, 309 ministerieller Organisationsakt 44, 50, 307 Mitausübung von Hoheitsgewalt 162 ff., 248, 271, 282 Mitentscheidung 71, 113 f., 122, 192, 242, 255, 281 Mitentscheidungsbefugnis 71 ff., 120 f., 197, 242, 263 f., 267, 272, 278, 324 Mitentscheidungsverfahren 161, 202, 319 Modernisierungsrichtlinie 135, 137 Nation 169 f., 186, 215, 326 negative Entscheidung 47 negatives Entscheidungsrecht 48, 69, 72, 78, 83, 146, 165, 314 normersetzende Absprachen 23 normkonkretisierend 25, 49, 270 ff., 316 Öffentlichkeitsarbeit durch die Bundesregierung 50, 54, 58, 117, 307 Organisationsgewalt 46, 51, 113 f., 117, 121, 229, 231, 244 f., 250 Output 98 ff., 222 ff., 238 ff., 325 Personalauswahl 45 f., 80 f., 145, 190, 198, 287 f., 293, 298 f., 302, 304, 311, 329

positive Entscheidung 47, 146 positive Entscheidungsbefugnis 146, 188 positives Entscheidungsrecht 48, 79, 163, 165, 196, 311, 314 postmodern 24 praktische Konkordanz 211, 221, 239, 300, 303 Primärrecht, europäisches 143, 148, 152 f., 156 ff., 168, 180, 182 ff., 195, 198, 201, 208, 211, 233, 253, 266, 270, 277, 280, 285, 290, 295 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 153, 262 f., 277 Prinzip des institutionellen Gleichgewichts 253, 262 ff., 319 private Selbstregulierung 42, 80 Privatgremium 138, 152, 163 ff., 210, 216, 327 Privatisierung 23, 256 ff. privatrechtsförmige Verwaltung 250 f., 315 privatrechtsförmiger Standardsetzer 247 ff., 257 ff., 269, 272, 282, 299, 306, 312, 322 Public-Private-Partnership 23 Rechtsanwendungsbefehl 143, 153 ff. Regierungskommission 21, 26, 29, 33, 35, 44, 241, 245 ff., 307 f., 323 f. – privatrechtsförmige 247 f. – staatsgetragene 241, 245 f., 307 f. Rezeption – hoheitliche 37, 140, 161, 163 f., 206, 248, 270 ff., 277 ff., 312, 315 – steuernde 271, 277 ff., 283, 315 SEC (Security Exchange Commission) 131, 134, 213, 322 Selbstregulierung 41 f., 80 Selbstverpflichtung 26, 39 Shareholder 28, 30, 32, 131 Soft-Law 39, 98, 146, 218 Soll-Niveau, demokratisches 68 f., 83 ff., 111 f., 122 ff., 168 ff., 240 ff., 256, 262, 286, 306, 310 Soll-Niveau Privater Standardsetzung 240 ff. Souveränität 22, 147, 168 f., 204, 212, 214, 323 ff. siehe auch Volkssouveränität Staatsaufgabe 45, 51, 115, 162, 247, 257

Stichwortverzeichnis Staatsgewalt 47, 53, 66, 68, 69 ff., 76, 79, 82, 87, 91, 96, 102 f., 111 ff., 146, 160 ff., 214 f., 226, 249, 260, 324 Staatsleitung 50, 58, 90, 98, 248, 294, 307 Staatsorganisation 43, 112 ff., 281 Staatsstrukturbestimmungen 51, 113 Stakeholder 28, 57, 59, 61 f., 128, 131, 211, 324 Steuerungsvielfalt 284, 294, 329 true-and-fair-view-Prinzip 130, 136, 142, 198, 208, 217 Unternehmensleitung 25, 28, 30, 32, 36, 38 f., 41, 142 US-GAAP 130 ff., 210 Verfassungsverbund, europäischer 185, 188, 197, 203, 208, 220 f., 225, 232 f., 240, 242, 253, 262, 289, 328 verselbständigte staatliche Stelle 48 verselbständigter Verwaltungsträger 116, 252, 262 vertragsfremde Einrichtungen im Gemeinschaftsrecht 253 ff., 263 ff., 319

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Verwaltung – Bundesverwaltung 244, 249, 250, 261, 304, 315 – hierarchische 48, 78, 80, 85, 108, 113, 121, 183, 223, 244 – Länderverwaltung 244 Verwaltungshierarchie 76, 92 Verwaltungskommission 249, 265, 315 Verwaltungsorganisation 51, 79, 86, 108 ff., 231, 244 f., 250 f. Verwaltungsvorschriften 25, 249, 271 ff., 285, 296, 316 Volkssouveränität 68, 104 ff., 169, 176 f., 183, 220, 287 weisungsfrei 97, 118 f., 121, 124 Wesentlichkeitstheorie 87 ff., 91, 93, 115, 125, 229 f., 245 ff., 281, 293, 297, 307, 329 Willens- und Verantwortungszusammenhang 178 f., 206, 221 ff., 231, 238 ff., 256, 262, 326 Zurechnungszusammenhang 66, 68, 83, 125, 178, 182, 193, 200 ff., 229 ff., 245, 253, 256, 279, 284 f., 291, 298 f., 325 ff.