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German Pages 357 Year 1996
HEINZ LAMPERT
Priorität für die Familie
Soziale Orientierung Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach
In Verbindung mit
Karl Forster • Hans Maier • Rudolf Morsey herausgegeben von
Anton Rauscher
Band 10
Priorität für die Familie Plädoyer für eine rationale Familienpolitik
Von
Heinz Lampert
Duncker & Humblot · Berlin
Redaktion: Günter Baadte
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lampert, Heinz: Priorität für die Familie : Plädoyer für eine rationale Familienpolitik / von Heinz Lampert. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Soziale Orientierung ; Bd. 10) ISBN 3-428-09019-5 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6917 ISBN 3-428-09019-5 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @l
Meinen Enkelkindern Jakob Sophia Jonas
Vorwort Auf Anregung des Direktors der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach, Professor Dr. Anton Rauscher, hat mich die Wissenschaftliche Kommission der Zentralstelle eingeladen, im Rahmen der Reihe "Soziale Orientierung" die Bedeutung und die Lage der Familien in unserer Gesellschaft darzustellen und darauf aufbauend den bestehenden familienpolitischen Handlungsbedarf aufzuzeigen. Ich habe diese Einladung gern angenommen, weil ich überzeugt bin, daß den Familien und der politischen Gestaltung ihrer sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen politische Priorität gebührt. Denn die Familien erfüllen - wie man nachweisen kann - Aufgaben, ohne die Gesellschaft und Staat nicht überleben können. Ohne die Familien würden Gesellschaft und Staat als Lebensraum aller in ihnen lebenden Individuen und sozialen Gruppen eine merklich geringere soziale Qualität aufweisen. Die Familien können ihre Aufgaben jedoch nur dann voll erfüllen und ihre für die Gesellschaft unverzichtbaren Leistungen in der erwünschten Qualität nur erbringen, wenn die sozioökonomischen Umweltbedingungen, unter denen sie leben, bestimmten Mindeststandards genügen. Trotz sichtbarer familienpolitischer Fortschritte in der jüngeren Vergangenheit ist die politische Ausgestaltung dieser Lebensbedingungen noch unzulänglich und bedarf dringend nachhaltiger Verbesserung, wenn nicht das Fundament unserer Gesellschaft brüchig werden soll. Ungeachtet meiner Überzeugung habe ich mich selbstverständlich um eine wissenschaftliche, d.h. ideologiefreie, Analyse bemüht. Soweit Werturteile unvermeidlich waren, habe ich sie offengelegt. Nicht wenige der Kenntnisse und Einsichten, die in diese Arbeit eingegangen sind, sind Früchte der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen im interdisziplinär zusammengesetzten Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem ich seit 1977 angehöre. Dafür möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Dank sagen. Herzlicher Dank gebührt auch meiner früheren Sekretärin am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Wirtschafts- und Sozialpolitik, an der Universität Augsburg, Frau Sigrid König, die in gewohnter Zuverlässigkeit und Sorgfalt die Tabellen geschrieben und das Manuskript druckreif formatiert hat, sowie meinen ehemaligen Mitarbeitern, Diplomökonom Dr. Jörg Althammer und Diplomökonomin Jutta Kettner, für ihre technische Hilfe. Lauf an der Pegnitz, im April 1996
Heinz Lampert
Inhaltsverzeichnis Einleitung
Priorität für die Familie Erstes Kapitel
Bedeutung und Leistungen der Familie A. Begriff und DefInition der Familie................................................................
7
B. Das Ehe- und Familienleitbild in der Bundesrepublik und in der Deutschen Demokratischen Republik.............................................................................
12
I. Das Ehe- und Familienleitbild in der Bundesrepublik Deutschland ......
12
n.
Das Ehe- und Familienleitbild in der Deutschen Demokratischen Republik..................................................................................................
16
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie........................................
18
1. Aufgaben und Leistungen der Familie ................................ ..................
19
1. Aufbau, Aufrechterhaltung und Ausgestaltung der Familie als personaler Schutz-, Entfaltungs- und Regenerationsraum.. ..............
19
2. Weitergabe menschlichen Lebens...................................................
20
3. Materielle Versorgung der Familienmitglieder ...............................
21
4. Erziehung und Sozialisation der Kinder..........................................
21
5. Pflege und Regeneration der Familienmitglieder ............................
23
6. Entwicklung und Ausübung von Solidarität.......... ............ ..............
23
n.
Die Funktionen der Familie........ .........................................................
24
m.
Der Wert des Beitrages der Familien zur Humanvermögensbildung......
28
1. Der Sinn der Ermittlung des Wertes und der Kosten der Versorgung und Betreuung von Kindern...................................................
28
2. Zu den Grenzen der Ermittlung des Wertes und der Kosten der Versorgung und Betreuung von Kindern.........................................
29
3. Der Wert der Haushaltsproduktion 1992 ........................................
30
x
Inhaltsverzeichnis
4. Die Ennittlung des Wertes des Beitrags der Familien zur Hwnanvennögensbildung......................................... ................. .................
32
D. Familienfonnen und familiale Funktionserfullung..........................................
42
I. Zur Problematik der Benennung verschiedener Familienfonnen............
42
II. Der Zusammenhang zwischen Familienfonnen und familialer Aufgaben- bzw. Funktionserfiillung................................................................
44
III. Familienfonnen und familiale Aufgabenerfiillung - Ein Überblick
über Unterschiede in den strukturellen Voraussetzungen familialer Aufgabenerfullung ...... ................................................................ .. ....... .
46
1. Die Ehegatten-Familie....................................................................
46
2. Die Familie nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften .........................
48
3. Die Ein-EItern-Familie............................................................... .....
49
4. Stieffamilien ............................................... ,...................................
53
E. Die Abhängigkeit der Funktionserfullung von den sozio-ökonornischen Rahmenbedingungen.. ....................................................................................
54
I. Der Einfluß von Einkommen und Vennögen .........................................
54
II. Wohnverhältnisse und Wohnurnfe1d......................................................
56
III. Organisation und Stabilität des Wirtschafts- und Sozialsystems. ............
57
IV. Familienunterstützende soziale Infrastruktur .........................................
58
Zweites Kapitel
Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland unter soziostrukturellen und ökonomischen Aspekten und ihr Einfluß auf die Familie als Institution sowie auf ihre Aufgaben und Funktionen A. Die Entwicklung der Zahl, der Struktur und der Fonnen der Familien...........
61
I. Die Entwicklung der Haushaltsstruktur und der Familienfonnen im Überblick....................................................................................... .. .....
61
II.
Die Entwicklung ausgewählter Familienfonnen ...................................
67
1. Die Entwicklung der Ehegatten-Familie.......................... ................
70
Inhaltsverzeichnis
XI
2. Die Entwicklung der Haushalte Alleinerziehender......... .............. ...
78
3. Die quantitative Bedeutung der Stieffamilien......................... ........
79
4. Oie Entwicklung der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften ..........
80
5. Die Entwicklung der Lebensform ,,Alleinlebende" .........................
81
6. Bemerkenswerte Unterschiede in den Lebensformen und familienrelevanten Verhaltensweisen zwischen den alten und den neuen Bundesländern ....................... ........................................................
83
ill. Zusammenfassung: Die Geflihrdung der Familie als Institution...... .......
86
B. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Familien.........................................
89
I. Die Einkommenslage der Familien................ ............ ..................... ......
89
I. Die Einkommenslage der Familien zu einem Zeitpunkt..................
90
2. Die Einkommenslage der Familien im Zeitverlauf. .........................
99
3. Die Einkommenslage der Familien in den neuen Bundesländern ....
100
4. Die Einkommenslage von Eltern, insbesondere von Frauen, im Alter ..............................................................................................
101
II. Die Vermögenslage der Familien .... ........ ... ..................... ............. ........
104
ill. Die Beteiligung der Familien am Erwerbsleben........... .......... ...............
111
1. Die Erwerbsbeteiligung der Familien.............................................
111
2. Der Einfluß der Arbeitswelt auf die Familien .................................
114
IV. Die Wohnungsversorgung der Familien................................................
118
c. Der Einfluß der wirtschaftlichen und sozialen Lage der!Familien auf die
Erftlllung ihrer Aufgaben und Funktionen... ..... .................................. ...........
121
Drittes Kapitel Soziale und wirtschaftliche Gefahren des veränderten Familiengrundungsverhaltens
Vorbemerkung....................................................................................................
125
A. Ursachen und Arten der Gefahren .................... ............................... ..............
126
XII
Inhaltsverzeichnis
B. Probleme lUld Gefahren des Geburteruiickgangs......................... ............ ... ..... 128 I. Gefahren der SingularisieflUlg sowie der VerkleineflUlg lUld der KomplizieflUlg der Verwandtschaftsnetze.............................................. 129
n.
Die Gefahr der PolarisieflUlg der Gesellschaft........ .... ..................... ...... 131
Ill. Das veränderte generative Verhalten als Quelle wirtschaftlicher lUld sozialer Probleme ................................................................................. 133 l. Die Schrumpfimg der BevölkeflUlg................................ .. ...... .. ........
133
2. Wirtschaftliche Folgen.................................................................... 136 3. Gefahren für das System sozialer SicheflUlg .................................... 137 a) RentenversicheflUlg...................................................................
137
b) KrankenversicheflUlg................................................................
139
c) Altenpflege ............... ... ...................... ... ............................ .... .... 140 d) ZusammenfasslUlg..................................................................... 141
Viertes Kapitel
Historische Grundzüge und Merkmale der Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland A. Wurzeln der Familienpolitik im Deutschen Reich ..........................................
143
1. Familienpolitische Ansätze im Kaiserreich............................................
143
n.
Familienpolitische Ansätze in der Weimarer Republik ............... .. ......... 144
Ill. Familienpolitik im Dritten Reich ..........................................................
145
B. Die EntwickllUlg der Familienpolitik in der BlUldesrepublik Deutschland ...... 147 I. Ausgangssituation lUld erste Anfange einer eigenständigen Familienpolitik................................................................................................... 147
n.
Die Zeit von der GIiindlUlg des BlUldesministeriums für Familienfragen 1953 bis zur Abschaffimg der Kinderfreibeträge 1974........................... 150 l. Die GründlUlg des BlUldesministeriums für Familienfragen .............
150
2. Der duale Familienlastenausgleich als Kernstück der Familienpolitik................................... ... ............... ......... ... ... ................ ......... 153
Inhaltsverzeichnis
XIII
3. Familienorientierte Wohmmgsbau-, Vennögens- und Bildungspolitik ............... , ................................................... ..... .................. ..
156
III. Die Familienpolitik während der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt (1974 bis 1982)....................................................................................
158
1. Der Abbau des dualen Familienlastenausgleichs. ................... .........
158
2. Verbesserung der Lebenslage von Müttern und von Kindern ..........
160
3. Änderungen im Ehe- und Familienrecht.. ... .. ...... ........... .................
161
IV. Restauration des dualen Familienlastenausgleichs und Expansion der Familienpolitik während der Kanzlerschaft von Helmut Kohl (ab 1982) 165 1. Die Wiedereinführung des dualen Familienlastenausgleichs...........
165
2. Ausweitung des Instrumentariums der Familienpolitik ...................
172
3. Novellierung des Instrumentariums der Familienpolitik..................
174
4. Kürzungen familienpolitischer Leistungen......................................
177
C. Merkmale der Familienpolitik in der Bundesrepublik ..... .... .. ............. .. .. ......
179
I. Das Gewicht der öffentlichen Leistungen für Ehe und Familie.............
179
1. Das Gewicht der öffentlichen Leistungen für Ehe und Familie im Rahmen des Sozialbudgets ..... ...... ... ... ..... ... ... .. ... ......... .... .... ...... ... ..
179
2. Der Anteil der Familienlastenausgleichsleistungen an den Aufwendungen für Kinder................. ... ... .. .... .. ................ .. ............ .. .....
181
Unzulänglichkeiten und Defizite der Familienpolitik............ ................
186
1. Bevölkerungspolitische Instrumentalisierung der Familienpolitik...
186
2. Konzeptionelle Mängel und Unzulänglichkeiten des Familienlastenausgleichs .............................................................................
189
a) Fehlende Kontinuität im Konzept des Familienlastenausgleichs
189
n.
b) Diskontinuität aufgrund absoluter und relativer Leistungskürzungen·........................................................................ ,.......
189
c) Unzulänglichkeiten des dualen Systems....................................
190
d) Übergewicht der finanziellen Förderung der Ehe ......... .............
190
e) Stärkere Förderung der Familien von Beschäftigten im öffentlichen Dienst......................... .... ........ ............ .... ............ ... ........
194
f) Verteilungspolitische Probleme des Familienlastenausgleichs ..
194
3. Konzeptionelle Mängel und Unzulänglichkeiten der Familienpolitik............................... ........... ...... ... ... ..... ............ ... ..... ...... .. .....
196
XIV
Inhaltsverzeichnis
D. Exkurs: Gnmdzüge der Familienpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik...................................................... .............................................. .... 200 I. Gnmdzüge der Entwicklung..... .... ......................................................... 200 II. Familienpolitische und familienpolitisch relevante Maßnahmen............ 202 III. Zusammenfassung.......................... .................................... .................. 204
FUnftes Kapitel
Familienpolitik für die Zukunft A. Notwendigkeit und Dringlichkeit der Familienpolitik.................................... 207
B. Anforderungen an eine effIziente Familienpolitik........................................... 210 I. Konsequenzen aus dem Rationalprinzip filr eine effIziente Familienpolitik................................................................................................... 210 l. Vollständigkeit des Zielsystems ...................................................... 211
2. Sachliche und zeitliche Ausgewogenheit des Zielsystems ................ 211 3. Ziel- und Systemkonformität der eingesetzten MitteL.................... 212 4. Entwicklung und Verfolgung einer langfristig angelegten rationalen familienpolitischen Strategie........................................................... 212 II. Aus Besonderheiten der Familienpolitik folgende Konsequenzen filr Qualitätskriterien der Familienpolitik ................................................... 213 l. Beachtung des Querschnittscharakters der Familienpolitik .............. 213
2. GlaubWÜrdigkeit, Verläßlichkeit und Stetigkeit der Familienpolitik 214 3. Familienpolitik als Institutionen- oder Familierunitgliederpolitik?... 215 4. Phasen- und adressatenspezifische Ausrichtung der Familienpolitik 219 C. Gnmdziele der Familienpolitik ..................................................................... 222 I. Zur Frage der politischen Verbindlichkeit und der Herkunft familienpolitischer Ziele.................................................................................... 222
II. Familienpolitische Gnmdziele und der Grad ihrer Verwirklichung in der Bundesrepublik Deutschland........................................................... 232 l. Beeinflussung der Einkommens- und Vermögenslage........ .. ............ 233
Inhaltsverzeichnis
xv
a) Beeinflussung der Einkornrnens- und Vermögenslage durch Herstellung der Steuergerechtigkeit... .......................................
233
b) Beeinflussung der Einkornrnenslage durch Herstellung der Bedarfsgerechtigkeit ...................................... ..........................
235
c) Beeinflussung der Einkornrnens- und Vermögenslage durch einen Familien1asten- und Familienleistungsausgleich.. ............
236
aa) Familien1asten- und Familienleistungsausgleich durch fiskalische Instnunente. ......................................................
236
bb) Familien1asten- und Familienleistungsausgleich im Rahmen des Systems der sozialen Sicherung.................................... 240 2. Förderung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit ..................................................................................... ... .
241
a) Bedeutung und Begründung der Zielsetzung.............................
241
b) Formen der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit ...................................................................................
244
c) Verfolgung des Ziels der Vereinbarkeit durch Realisierung von Instnunentalzielen....................................................................
246
aa) Finanzielle und sozialrechtliche Abfederung der Erziehungsphase ................................................................................. 246 bb) Förderung der Rückkehr in die Erwerbstätigkeit.................
248
ce) Verbesserung des Angebots an familienunterstützenden Betreuungseinrichtungen für Kinder...................................
248
dd) Familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt.................
249
3. Familiengerechte Wohnungsversorgung..........................................
251
4. Ausbau der familialen sozialen Infrastruktur ..................................
254
D. Was ist zu tun? Aufgaben und Empfehlungen................................................
258
1. Der erreichte Stand der Familienpolitik und ihre unerfüllten Aufgaben
258
II. Beeinflussung der 'Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Familienpolitik ....................................................................................
262
1. Herstellung und Sicherung eines hohen Beschäftigungsgrades.. ......
262
2. Öffentliche und private Wertschätzung von Familien................ ......
263
3. Beachtung der Interdisziplinarität der Familienpolitik und wissenschaftliche Fundierung der Familienpolitik.....................................
265
Der Handlungsbedarf und Empfehlungen zu seiner Deckung................
267
m.
XVI
Inhaltsverzeichnis
1. Nahzie1e der Familienpolitik........................................................... 267 a) Beibehaltung der Familienorientierung des Systems sozialer Sicherung.................................................................................. 267 b) Dynamisierung der familienpolitischen Geldleistungen ............. 268 c) Verbesserung des Erziehungsgeldes .......................................... 268 d) Erhöhung der Familienfreundlichkeit der Arbeitswelt ............... 269 e) Ausbau der Familienberatung und der Familienbildung............. 270 2. Familienpolitik unter langfristiger Perspektive................................ 271 a) Weiterentwicklung des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs .... .................................... ......... ................................ 271 b) Weiterentwicklung der Familienpolitik außerhalb des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs .................................... 276 c) Überprüfung und ModifIkation bestimmter Instrumente der Familienpolitik .................................. ...... ............... .................. 277 aa) Ehegatten- und Familiensplitting......................................... 278 bb) Freibeträge versus Grundfreibeträge? .................................. 279 cc) Die Problematik der Erziehungsjahre .................................. 280 dd) Die Problematik der Pflegeversicherung.............................. 281 ee) Überprüfung ehediskriminierender steuer- und sozialrechtlicher Lösungen................................................................... 283 E. Zur Problematik der Finanzierung familienpolitischer Leistungen.................. 283
Zusammenfassung ............................................................................................. 291 Tabellenanhang .................................................................................................
307
LiteratulVerzeichnis .......................................................................................... 313 Personenverzeichnis. ......... ............................ ..................................... ..... ........ ...
327
Sachverzeichnis.................................................................................................. 331
Tabellenverzeichnis Tab. I: Die gesamten Versorgungs- und Betreuungsaufwendungen von Familien für die 1983 bzw. 1985 geborenen Kinder .. ...... .......... ....................
39
Tab. 2: Lebens- und Farnilienformen in Deutschland 1992 ................................
66
Tab. 3: Eheschließungen, Stand der Eheschließenden, Erst-Ehen und Wiederverheiratungen 1901 bis 1992............ ............................ ............... .........
73
Tab. 4: Die paritätsspezifische Kinderzahl nach den Geburtsjahrgängen in den alten Bundesländern von 1935 bis 1958 ................................................
76
Tab. 5: Ehescheidungen und Zahl der betroffenen Kinder in der Bundesrepublik und in der DDR seit 1960......................................................................
78
Tab. 6: Die relative Wohlstandsposition von Personen in Haushalten unterschiedlicher Größe nach sozialer Stellung der Bezugspersonen in den alten Bundesländern 1992 in Prozent...... ... ........................................ .. ..
92
Tab. 7: Die verfiigbaren Einkonunen von ausgewählten Farni1ientypen 1983 in Baden-Württemberg pro Monat in DM..................................................
93
Tab. 8: Nettoeinkonunen nach Lebensformen und Kinderzahl in den alten und neuen Bundesländern 1991 in DM ..... ............. ... .............. .....................
96
Tab. 9: Die Verteilung von Personen in Haushalten ohne und mit Kindern auf Klassen von Wohlstandspositionen in den alten Bundesländern von 1983 bis 1990 in Prozent................ ............ ................ ......... ............... ...
97
Tab. 10: Die Verteilung des Nettogesamtvermögens und seiner Komponenten auf verschiedene Haushaltsgruppen Ende 1983......................................
107
Tab.1I: Die Sparquote verschiedener Farnilientypen 1983.......... ........... ..... ...... ..
11 0
Tab.12: Die Haushalte der Bundesrepublik Deutschland nach ihrer Vermögensausstattung 1988 ...................................................................................
111
Tab. 13: Die Beteiligung von Ehefrauen ohne und mit Kindern sowie von alleinerziehenden Müttern am Erwerbsleben im fiilheren Bundesgebiet und in den neuen Bundesländern 1992.......................................................... 116 2 Lampen
XVIII
Tabellenverzeichnis und Tabellenanhang
Tab. 14: Die Entwicklung ausgewählter kindbezogener steuerlicher Entlastungen inDM ....................................................................................................
154
Tab. 15: Die Entwicklung der Kindergeldzahlungen in der Bundesrepublik..........
155
Tab. 16: Leistungen ftlr Ehe und Familie im Rahmen des Sozialbudgets 1960 bis 1993 in Mio. DM in der Bundesrepublik................................................ 182 Tab. 17: Die Anteile familienpolitischer Transfers ftlr ausgewählte Haushaltstypen 1986 am Nettoeinkommen ................. ......... ... ...............................
185
Tabellenanhang Tab.Al: Der monetäre Versorgungsaufwand von Alleinerziehenden mit einem Kind sowie von Ehepaaren mit einem und zwei Kindern (pro Kind) in DM ................................................................................................... 307 Tab.A2: Existenzminimaler monetärer Versorgungsaufwand ftlr eine Ein-KindFamilie entsprechend den Leistungen nach dem Sozialhilfegesetz in DM nach dem Stand von 1992 ........................... ...... .... ................................. 308 Tab.A3: Existenzminimaler monetärer Versorgungsaufwand ftlr eine Zwei-KinderFamilie entsprechend den Leistungen nach dem Sozialhilfegesetz in DM nach dem Stand von 1992 ...................................................................... 309 Tab.A4: Der Wert der Zeitallokation von Ehepaar-Haushalten mit einem Kind ... 310 Tab.A5: Der Wert der Zeitallokation von Ehepaar-Haushalten mit zwei Kindern
311
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Haushaltsgrößen im früheren Bundesgebiet 1900 ................ .................
63
Abb. 2: Haushaltsgrößen im früheren Bundesgebiet 1950 ...... .................... .......
63
Abb.3: Haushaltsgrößen im früheren Bundesgebiet 1992 .................................
63
Abb.4: Das Heiratsverhalten der Frauen in der Bundesrepublik Deutschland 1950 bis 1991 ......................................................................................
74
Abb.5: Die Entwicklung der zusammengefaßten Geburtenziffern in heiden Teilen Deutschlands 1950 bis 1994 ......................................................
75
Abb. 6: Der Familienlastenausgleich nach dem Jahressteuergesetz 1996 (Ehepaar mit zwei Kindern) ........................ ...... ...................................
170
Übersichtenverzeichnis Übers. I : Die Altersstruktur des Arheitskräftepotentials 1991 und der Bruttowert der Leistungen der Familien filr die Versorgung und Erziehung dieses Potentials..................................................................................... .........
41
Übers.2: Varianten der Grundfonn "Vollständige Familie"..................................
68
2·
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
ABL
alte Bundesländer
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
Art.
Artikel
BMA
Bundesministeriwn fi1r Arbeit und Sozialordnung
BMFSFJ
Bundesministeriwn fi1r Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BMFuS
Bundesministeriwn fi1r Familie und Senioren
BMJFFG
Bundesministeriwn fi1r Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
BMJFG
Bundesministeriwn fi1r Jugend, Familie und Gesundheit
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BTDr.S.
Bundestagsdrucksache
BVerIDE
Bundesverfassungsgerichtsentscheidung
bzw.
beziehungsweise
DDR
Deutsche Demokratische Republik
ders.
derselbe
EAF
Evangelische Aktionsgemeinschaft fi1r Familienfragen
einschl.
einschließlich
EStG
Einkommensteuergesetz
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
FGB
Familiengesetzbuch
GG
Grundgesetz
hgg.
herausgegeben
HH
Haushalt
Hrsg.
Herausgeber
i.e.S.
im engeren Sinn
insbes.
insbesondere
i.w.S.
im weiteren Sinn
jew.
jeweilig
Jh.
Jahrhundert
K.
Kind, Kinder
Abkllrzungsverzeichnis
Kap.
Kapitel
m.
mehr
Mio.
Million(en)
Mrd.
Milliarde(n)
mtl.
monatlich
NBL
neue Bundesländer
rd.
rund
SED
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
sog.
sogenannt
Sp.
Spalte
Stat. LA
Statistisches Landesamt
St. BA
Statistisches Bundesamt
StGB
Strafgesetzbuch
St. Jb.
Statistisches Jahrbuch
Tab.
Tabelle
u.
und
u.a.
unter anderem
usw.
und so weiter
v.a.
vor allem
z.
Zeile
XXI
Einleitung
Priorität für die Familie Die Familie wird in der Politik, in den einschlägigen Wissenschaften und in den kirchlichen Soziallehren als grundlegender, unverzichtbarer und schutzwürdiger Baustein der Gesellschaft bewertet. Im Grundsatzprogramm der CDU vom 23. Februar 1994 z.B. stehen die Programmsätze zur Unterstützung von Ehe und Familie und zur Vereinbarkeit von Familie und Benü unter der Überschrift "Die Familie - Fundament der Gesellschaft".! Im Grundsatzprogramm der CSU heißt es unter der Überschrift "Familie - Fundament unserer Gesellschaft": "Ehe und Familie haben sich über Jahrhunderte des gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Wandels als Urzelle der Gesellschaft bewährt. Ehe und Familie ... sind natürliche Lebensformen und Grundpfeiler einer freien und solidarischen Gesellschaft. " In den parteiamtlichen Veröffentlichungen der SPD und der F.D.P. findet man zwar keine vergleichbaren Bewertungen der Familie. Ehe und Familie werden in weniger engem Zusammenhang gesehen. Im SPD-Grundsatzprogramm von 1989 wird Familie sehr breit definiert als "Lebensgemeinschaft Erwachsener mit Kindern". Jedoch auch in diesen Parteiprogrammen werdenausgehend von den Funktionen der Familie und der Bedeutung der Familie familienpolitische Ziele formuliert. 2 , 3
! Vgl. auch die Bewertung der Familie und ihrer Leistungen durch Bundeskanzler Helmut Kohl anläßlich des 40jährigen Bestehens des Bundesministeriums filr Familie, in: Kohl 1993. 2 Vgl. dazu RudolfScharping, Für eine zukunftsorientierte Familienpolitik, in: Stimme der Familie vorn Juli/August 1994, S. 1 ff.; SPD-Bundestagsfraktion (Hrsg.), Familienangelegenheiten, Bonn 1994; das Grundsatzprogramrn der SPD vorn 20. Dez. 1989 und Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), Das Programm der Liberalen, Baden-Baden 1990, S. 459 ff. 3 In den politischen Grundsätzen des Bündnis 90IDie Grünen vorn Juni 1993 allerdings finden sich die Stichworte Familie und Familienpolitik nicht. Elemente einer Familienpolitik: lassen sich allenfalls zum einen im Hinweis fmden, daß das Menschenrecht "uneingeschränkt auch fiIr IrnrnigrantInnen, Flüchtlinge, Kinder, Lesben und Schwule, Behinderte, Ältere, Kranke, Arbeitslose, Obdachlose und Gefangene gelten" müsse, ferner in der Forderung, daß "die vollständige Gleichberechtigung der Geschlechter" und "die Gleichstellung von Männern und Frauen" verwirklicht werden soll, zum andern in der Einsicht, daß zur Verwirklichung der Menschenrechte auch Rahrnenbedingungen gehö-
2
Einleitung
Eine partei- und verbändeübergreifende Bewertung der Familie und ihrer Aufgaben findet sich im "Familienreport 1994", der von der "Deutschen Nationalkommission für das Internationale Jahr der Familie 1994" abgefaßt wurde. Darin heißt es u. a. (S. 11): "Für die menschliche Gesellschaft insgesamt bleibt die Familie, das ist unbestritten, unersetzbar. Hier werden Leistungen erbracht, die weit über die materielle Daseinsfürsorge für die einzelnen Familienmitglieder hinausreichen. Familie ist die entscheidende Bedingung für die Vermittlung grundlegender kultureller und sozialer Werte und gleichzeitig Voraussetzung einer auf Zukunft hin orientierten Gesellschaft. Sie sichert das Nachwachsen kommender Generationen, die Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation von Kindern. Sie ist Ort der Solidarität für ältere und behinderte Angehörige. Sie ist Ort der Förderung wie auch der Regeneration der Begabungen, Fähigkeiten und Kräfte des Menschen." Der katholischen Soziallehre gemäß ist die Familie eine "natürliche" Gemeinschaft,4 ein "Lebens- und Liebesraum, wie es keinen anderen gibt",5 "Erneuerungszelle der Gesellschaft in biologischer, moralischer und kultureller Hinsicht".6 Daher bezeichnet Johannes Messner auch die Familienpolitik als das eigentlichste Gebiet der Gesellschaftspolitik. 7 Auch in der evangelischen Sozialethik kommt der Familie eine herausragende Rolle ZU,8 wenngleich die evangelische Kirche, anders als die katholische, kein verbindliches zentrales Lehramt kennt und keine umfassende Lehre von Ehe und Familie entwickelt hat. 9 In soziologischer Perspektive wird die Familie als Primärgruppe eingeordnet, die nicht von der Gesellschaft und vom Staat geschaffen wird, sondern ihrerseits Voraussetzung jeglicher sozialen und politischen Kultur ist und durch ihren Beitrag zur personalen Entfaltung ihrer Mitglieder in die Gesellschaft die für deren Entwicklung erforderlichen Persönlichkeiten einbringt, also so gesehen eine Mittlerfunktion zwischen Individuum und Gesellschaft ausübt. 10
ren, "die es Menschen mit Kindern ermöglichen, ihre Verantwortung als Erziehende ebenso wahrzunehmen wie bei der Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse" (S. 22, 31, 33; kursiv: Unterstreichungen im Original). 4 Nell-Breuning 1968, S. 60. S Ebenda. 6 Messner 1968, S. 221. 7 Ebenda, S. 221. 8 Klose 1993, S. 68. 9 Keil 1992, S. 32. 10 Auer 1986, S. 90.
Einleitung
3
Die Einschätzung der Familie als eines grundlegenden Bausteins der Gesellschaft ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen und damit begründbar, daß die Familie in allen wissenschaftlich durchleuchteten geschichtlichen Epochen, in allen Kulturkreisen und in allen Gesellschaftssystemen ein grundlegendes und in bestimmter Weise durch Recht und Sitte geschütztes Element von Gesellschaft und Staat war und ist. Familie ist - wie die Religion - eine universale Institution, weil sie Funktionen erfüllt, ohne die Gesellschaften und Staaten nicht überleben können. I I Diese Aussage gilt ungeachtet der Tatsache, daß sich die Ausprägungen der Familien nach ihrer Verfassung innerhalb von Staat und Gesellschaft, nach Rechten und Pflichten ihrer Mitglieder innerhalb und außerhalb der Familie, nach ihrer Größe und ihrer Struktur historisch und interkulturell unterscheiden. 12 Selbst intrakulturell lassen sich beachtliche Unterschiede feststellen, z. B. für die europäische Familie des 19. Jahrhunderts zwischen bäuerlichen, handwerklichen, bürgerlichen und Arbeiterfamilien. 13 Die Tatsache, daß die interkulturell vergleichende Forschung bewußt gemacht hat, wie groß die Vielfalt menschlicher Leitbilder, Normen und Lebensformen von Familie ist, 14 kann jedoch nicht die Tatsache verwischen, daß sich durch die Vielfalt und den Wandel von Ehe- und Familienformen hindurch ein Gefüge von anthropologischen Konstanten hält. 15 Zu diesen Konstanten gehören insbesondere die folgenden, an anderer Stelle ausführlicher dargestellten Funktionen: die biologische Reproduktion der Gesellschaft, die Versorgung der Kinder, die Erziehung der Kinder und die Normierung des sexuellen Verhaltens (vgl. l.Kap.C.II.). Jede einzelne dieser Funktionen kann ganz oder teilweise außerhalb der Familie erfüllt werden. So gibt es in allen Gesellschaften mehr oder weniger außereheliche Geburten oder Geburten außerhalb von Partnerschaften. Kinder können von Personen versorgt und erzogen werden, die nicht die Eltern sind, oder auch in staatlichen oder kirchlichen Einrichtungen. Auch die Normierung und die Kontrolle des Sexualverhaltens wäre ohne Familie denkbar (etwa auf gesetzlicher Basis). Schließlich unterstützen in den sozialstaatlieh orientierten Gesellschaften der Neuzeit staatliche, gesellschaftliche und kirchliche Einrichtungen die Familie bei der Erfüllung ihrer Funktionen. 16 Jedoch sichert die kombinierte, gleichzeitige Wahrnehmung all dieser Funktionen 11 Vgl. dazu Goode 1972, S. 545 f. 12 Vgl. dazu nur Mensen 1982. 13 Vgl. dazu Rosenbaum 1982 und Sieder 1987. 14 Kaufmann 1986, Sp. 97. 15 Auer 1986, Sp. 88. 16 Selbst in bezug auf die Reproduktionsfunktion gibt es staatliche oder halbstaatliche Unterstützungsleistungen in Form von Schwangerschaftsberatung und Schwangerenbetreuung, Gesundheitsvorsorgeleistungen, Mutterschaftshilfe und Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der Gebärfahigkeit.
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Einleitung
durch die Familie eine auf andere Weise nicht erreichbare Effektivität, insbesondere Qualität der Aufgabenwahrnehmung (vgl. dazu die ausführliche Darstellung im 1. Kap.). Dies ist der Grund dafür, daß die wesentlichen Familienfunktionen in keiner Gesellschaft separiert wahrgenommen werden, sondern stets kombiniert in den Familien. In den letzten drei Jahrzehnten wird immer deutlicher erkennbar, daß sich im europäisch-amerikanischen Kulturkreis und nicht zuletzt in Deutschland das Verhalten der Bevölkerung in bezug auf die Familie und in der Familie erheblich verändert hat. Um in dieser Einleitung ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur die wichtigsten Verhaltensänderungen anzusprechen, die im 2. Kapitel systematisch behandelt werden sollen, seien genannt: ein Rückgang der Eheschließungs- und der Geburtenhäufigkeit; eine Zunahme der Scheidungshäufigkeit; eine Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen im Zusammenhang mit dem veränderten Verständnis von der Rolle der Frau (und damit der Männer) in Familie, Wirtschaft und Gesellschaft; die quantitative Veränderung der Struktur der Lebensformen,17 d.h. insbes. die Zunahme der EinPersonen-Haushalte, der Ehepaar-Haushalte und der Haushalte nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften ohne Kinder sowie der Rückgang der "vollständigen", auf der Ehe oder einer als dauerhaft intendierten Partnerschaft beruhenden Familien bzw. die Zunahme der "unvollständigen" Familien oder der Familien Alleinerziehender, d. h. lediger, verwitweter, geschiedener, getrennt lebender Eltern mit Kindern; die Zunahme der Stieffamilien, d.h. der Familien, in denen Kinder einen Stiefvater oder eine Stiefmutter haben; die Zunahme der Zahl von Lebensgemeinschaften sexuell gleichgeschlechtlich orientierter Personen; die Zunahme des Anteils der außerhalb von Familien gepflegten älteren Menschen; die Zunahme der Zahl sozialhilfebedürftiger Alleinerziehender sowie sozialhilfebedürftiger Mehr-Kinder-Familien. Die angesprochenen Veränderungen, vor allem der Rückgang der Zahl der Eheschließungen, die Zunahme der Single-Haushalte, der Rückgang der Geburtenzahlen und der Zahl vollständiger Familien, haben in Verbindung mit dem diese Entwicklungen beeinflussenden Wandel des praktizierten Sozialverhaltens und der Sexualmoral die Frage aufkommen lassen, ob die Familie, d. h. das Fundament der Gesellschaft, einem Erosionsprozeß mit noch unabsehbaren Folgen ausgesetzt ist,18 der letztlich die Gesellschaft selbst gefährdet. 17 Unter Lebensfonn wird die Art und Weise verstanden, in der ein Individuum in der Gesellschaft lebt, d. h., ob es in einem eigenen Haushalt oder in einem Haushalt mit anderen Personen zusammenlebt·und wie im letztgenannten Fall die rechtlichen und persönlichen Beziehungen zwischen den Haushaltsmitgliedern geordnet sind. Die Familie ist - vorbehaltlich 'einer später folgenden Definition (vgl. l.Kap.A) - eine Lebensform, in der mindestens eine erwachsene Person mit mindestens einem eigenen oder adoptierten Kind zusammenlebt. 18 Kaufinann 1986, Sp. 97.
Einleitung
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Diese Frage kann und soll an dieser Stelle noch nicht beantwortet werden; eine Antwort soll im Verlauf der Arbeit versucht werden. Es sei jedoch schon hier darauf hingewiesen, - daß 199269,5 % der Bevölkerung im vereinigten Deutschland im Alter von 30 und mehr Jahren verheiratet waren, 19 - daß 1994 innerhalb der Familienformen die auf der Ehe beruhende ZweiEltern-Familie mit 82,8 % nach wie vor die dominante Familienform war,20 - daß diese Familienform auch an subjektiver Wertschätzung keineswegs verloren hat21 und - daß 1993 von allen Kindern unter 18 Jahren 86,0 % als leibliche, Stief-, Adoptiv- oder Pflegekinder bei Ehepaaren aufwuchsen. 22 Nachdenklich muß stimmen, daß 1992 im früheren Bundesgebiet 34 % aller Haushalte Ein-Personen-Haushalte waren (gegenüber 19 % 1950 und 7 % 1900), daß der Anteil der Haushalte mit drei und mehr Personen nur 35 % betrug (gegenüber 55 % 1950 und 78 % 1900).23 Zum Nachdenken gibt auch die Tatsache Anlaß, daß die Zahl der Geburten je 1 000 Frauen im gebärfarugen Alter im früheren Bundesgebiet von 2508 im Jahre 1965 auf 1336 im Jahre 1994 und in der ehemaligen DDR von 2484 im Jahre 1965 auf 1498 im Jahre 1990 zurückgegangen ist. 1994 belief sich die Geburtenziffer in den neuen Bundesländern auf 765. 24 Zur Erhaltung des Bevölkerungsbestandes wäre eine Geburtenziffer von 2 100 erforderlich. Angesichts der existentiellen Bedeutung der Familie für Staat und Gesellschaft, angesichts des feststellbaren Wandels in den Lebens- und Familien19 BMFSFJ 1995b, S. 33. 20 BMFSFJ 1995b, S. 19. 21 Vgl. dazu die Erhebungsergebnisse über die Bedeutung und Wichtigkeit der Familie, in: Stat.
BA, Datenreport 1994, S. 510 ff. In bezug auf den Grad der Zufriedenheit erreichte keiner der abgefragten Lebensbereiche in den Jahren 1978, 1988 und 1993 in Westdeutschland sowie 1990 und 1993 in Ostdeutschland so hohe Werte wie die Bereiche "EhelPartnerschaft" und "Familienleben". Der erstgenannte Bereich erzielte von 10,0 erreichbaren Punkten 8,9 bis 9,0 in West- und 8,8 in Ostdeutschland, der zweitgenannte erzielte 8,5 bis 8,7 in West- und 8,2 bis 8,3 in Ostdeutschland (ebenda, S. 431). Auch Rosemarie Nave-Herz stellt (1988, S. 72) heraus, daß die große Mehrzahl der Bevölkerung und gerade junge Menschen an der Vorstellung festhaiten, "daß der Mensch eine Familie braucht und allein keineswegs glücklich sein kann". Daß die Familie auch im Leben junger Menschen ihre Schlüsselstellung keineswegs verloren hat, bestätigt auch L. Roos, Wertespektrum und Werteorientierung junger Menschen, in: M. Fell u.a., Erziehung, Bildung, Recht, Berlin 1994, S. 76 ff., insbes. S.83. 22 BMFSFJ 1995b, S. 9. 23 Stat. BA, Datenreport 1994, S. 31. 24 BMFSFJ 1995b, S. 42. Diese extrem niedrige Geburtenziffer ist eine Folge des Transformationsschocks der Bevölkerung in den neuen Bundesländern. Voraussichtlich wird diese Ziffer mit der Normalisierung der Lebensverhältnisse wieder ein höheres Niveau erre!chen.
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Einleitung
formen und angesichts der Vermutung, daß die Erfüllung der Familienfunktionen gefährdet ist, ist es dringend geboten, die Lage der Familien und ihre Entwicklung zu beschreiben sowie zu diagnostizieren und ihre Zukunftschancen zu prognostizieren, um darauf aufbauend eine politische Therapie ableiten zu können. Daß einer sorgfältigen und die Wirklichkeit zutreffend erfassenden Diagnose als Basis für eine wirksame Therapie größtes Gewicht zukommt, bedarf keiner näheren Begründung. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, soll nach einer Darstellung der Bedeutung und der Leistungen der Familien für ihre Mitglieder und für die Gesellschaft im 1. Kapitel, auf der Grundlage einer Beschreibung der Lage der Familien in Deutschland unter sozial-strukturellen und ökonomischen Aspekten im 2. Kapitel und auf der Grundlage einer Analyse der sozialen und wirtschaftlichen Wirkungen und Gefahren des veränderten Familiengründungsverhaltens im 3. Kapitel eine Bestandsaufnahme erarbeitet werden. Darauf aufbauend dienen die folgenden Kapitel der Ableitung einer Therapie. Zu diesem Zweck wird nach einer Darstellung der Grundzüge der Familienpolitik in der Bundesrepublik und einer Ableitung der Defizite dieser Familienpolitik im 4. Kapitel abschließend im .5. Kapitel ein Konzept für eine zukunftsorientierte Familienpolitik vorgestellt. Eine Zusammenfassung beschließt die Arbeit.
Erstes Kapitel
Bedeutung und Leistungen der Familie A. Begriff und Definition der Familie Wissenschaftliche Analysen und Diskussionen über Familien und Familienfragen leiden nicht selten darunter, daß dabei verwendete zentrale Begriffe wie Familie, Lebensformen, familiale Lebensformen, Pluralität der Lebens- und Familienformen und Postmoderne inhaltlich nicht ausreichend abgeklärt sind. Das kann nicht nur zu Mißverständnissen führen, sondern auch zu einer Emotionalisierung von Diskussionen.
z. B. lehnen ledige, kinderlose Personen häufig einen nach ihrer Meinung zu engen Familienbegriff, nämlich den der "Kernfamilie" ab. Eine Kernfamilie oder Familie i.e.S. ist definiert als die in einem gemeinsamen Haushalt lebende, aus Vater, Mutter und einem oder mehreren (auch adoptierten) Kindern bestehende Personengruppe. Ledige, kinderlose Personen machen geltend, daß sie als Sohn oder Tochter, als Bruder oder Schwester eine Familie haben, in der sie selbst aufgewachsen sind, und daß sie zu den früheren Angehörigen (Vater, Mutter oder Geschwister) noch Beziehungen pflegen, die in ihrer Qualität, z. B. in bezug auf die Hilfsbereitschaft und die Hilfe in schwierigen Lebenssituationen, den Beziehungen zwischen den in einem Haushalt lebenden Familienmitgliedern entsprechen. Tatsächlich hat natürlich jeder Mensch eine "Herkunftsfamilie", nicht notwendig jedoch eine durch ihn mitbegründete "Zeugungsfaniilie". Auch der in der wissenschaftlichen Literatur häufig zu findende Begriff der "vollständigen" Familie und insbesondere der komplementäre Begriff der "unvollständigen" Familie, die aus einer Mutter oder einem Vater und einem oder mehreren Kindern besteht, der also ein Vater oder eine Mutter fehlt (sei es wegen Todes, wegen einer Scheidung, wegen Getrenntlebens der Eltern oder wegen fehlender Bereitschaft eines Elternteils zu heiraten), wird von manchen abgelehnt, insbes. von sog. "Alleinerziehenden".
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Als letztes Beispiel sei angeführt, daß gewollt oder ungewollt kinderlose Ehepaare oder nicht-ehelich zusammenlebende kinderlose Paare es als defizitär empfinden, wenn sie nicht als Familie bezeichnet werden. Diese Empfindlichkeiten und Reaktionen auf die Verwendung bestimmter Familienbegriffe, die ja nur dazu dienen sollen, die Wirklichkeit zu beschreiben, zeigen im Grunde, daß der Begriff der Familie weithin mit positiven Werten besetzt ist. Dies gilt wohl selbst fiir gesellschaftliche Gruppen, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen präferieren, ehelichen Status anstreben und für sich, wenn sie selbst Kinder haben oder fiir Kinder Verantwortung übernommen haben, als Familie gelten möchten. Offenbar soll in diesen Fällen die normative Kraft, die positiv besetzten Begriffen innewohnt, genutzt werden, um über die gesellschaftliche Duldung und Akzeptanz bestimmter Lebensformen hinaus soziale und öffentliche Anerkennung zu gewinnen. Hier sei auf die Feststellung von Max Wingen verwiesen, der im Zusammenhang mit Forderungen, nicht-eheliche Formen des Zusammenlebens zu fördern und familienrechtliche Normen auch auf gleichgeschlechtliche oder auf mehrere Personen umfassende, zusammenlebende Gruppen zu erstrecken, meinte: "Das, was als Familie zu gelten hat, darf nicht zur Beliebigkeit sozialer Beziehungen verkommen. "1 Sowohl fiir analytische als auch fiir politische Zwecke sind möglichst präzise Definitionen der zentralen familienwissenschaftlichen und familienpolitisehen Begriffe erforderlich. Die Familie ist - wie es die Wortverbindung "familiale Lebensformen" zutreffend wiedergibt - eine Lebensform. Jedoch nicht jede Lebensform ist eine Familie. Versteht man unter Lebensform die Art und Weise, in der die Mitglieder einer Gesellschaft ihr Leben in sozial-ökonomischer Hinsicht organisieren, dann kann man zunächst Verbands- oder Anstaltshaushalte (Ordensgemeinschaften, Jugend-, Altersheime) und Privathaushalte als Lebensformen und innerhalb der Privathaushalte Ein-Personen-Haushalte und Mehr-PersonenHaushalte unterscheiden. Familiale Lebensformen oder Familien sind dann solche Mehr-Personen-Haushalte, in denen Vater und Mutter oder Vater bzw. Mutter mit einem oder mehreren leiblichen oder adoptierten Kindern zusam1 Wingen 1991, S. 5. Auch Helmut Lecheier macht (1989, S. 237 ff.) auf die Gefahren aufinerksam, die mit einern "offenen" Familienbegriff verbunden sind, d.h. mit einem Begriff, der nicht mehr die Ehe (als Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer grundsätzlich unauflösbaren lebensgemeinschaft) als Grundlage der Familie ansieht. Für die praktische Familienpolitik scheint es mir jedoch nicht auszureichen, wenn man als Familie nur die "voll funktionsf"ahige, also vollständige Gemeinschaft zwischen Eltern und ihren Kindern" (S. 232) ansieht.
A Begriffund Definition der Familie
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menleben (= Kernfamilie oder Familie i.e.S.), wobei Objekt der Familienpolitik überwiegend Familien mit minderjährigen oder in Ausbildung befindlichen Kindern sind. Konstitutiv für den Familienbegriff i.e.S. ist also, wie der Fünfte Familienbericht es ausdrückt, "die biologisch-soziale und auch rechtlich bestimmte Kernfamilienstruktur, nämlich das Vater-Mutter-Kind-Verhältnis".2 Ähnlich definiert Roher! Hettlage die Familie als "biologische, wirtschaftliche und geistig-seelische Lebensgemeinschaft der Eheleute und ihrer Kinder". 3 In unserer Gesellschaft sind Kernfamilie und Familienhaushalt weitgehend identische Begriffe. 4 Das Bundesverfassungsgericht versteht unter Familie "die in der Hausgemeinschaft geeinte engere Familie, das sind die Eltern mit ihren Kindern einschließlich der Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder sowie der nicht -ehelichen Kinder". 5 Unterschiedliche Formen dieses Typus der Kernfamilie sind die vollständige, auf der Ehe beruhende und die unvollständige Familie, die jeweils eine Ein-Kind- oder Mehr-Kinder-Familie und - wenn Großeltern im Haushalt leben - gleichzeitig Drei-Generationen-Familie sein kann. Eine "Pluralität" familialer Lebensformen ergibt sich, wenn man zu den oben genannten Familienformen hinzunimmt: auf der Elternebene eine nichteheliche Partnerschaft Lediger, Geschiedener oder Verwitweter mit eigenen Kindern (Familie ohne eheliche Grundlage) oder den Kindern des jetzigen Partners (Familie auf nicht-ehelicher Basis mit Stiefeltern). Wegen der steigenden Zahl unvollständiger Familien, der nicht-ehelichen Gemeinschaften, Lediger mit Kindern und der Väter oder Mütter, die in vollständigen Familien oder in nicht-ehelichen Gemeinschaften leben und schon einmal verheiratet waren und Hinterbliebene, Geschiedene oder (im Falle nicht-ehelicher Gemeinschaften) Getrenntlebende sind, sprechen Soziologen von einer "Pluralisierung familialer Lebensformen". Damit kann nicht gemeint sein, daß sich die Zahl der Lebensformen nach der Art erhöht hat, denn diese verschiedenen Lebensformen gab es schon früher. 6 Es kann nur gemeint 2 BMFuS 1994a, S. 24. 3 Hettlage 1992, S. 20. 4 Stat. BA 1990, S. 11. 5 Zitiert nach Lecheier 1989, S. 225. Matthias Pechstein kommt in seiner einschlägigen Untersuchung (1994, S. 111) zu dem Ergebnis, daß nach dem verfassungsrechtlichen FamiIienbegriff"Familie nicht ohne Kinder existiert, ansonsten aber neben der Vollfamilie auf der Grundlage der Ehe auch ehelose Familienformen sowie unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich bei Übernahme der tatsächlichen Erziehungs- und Unterhaltsleistungen, erweiterte Familienformen urnfaßt". Damit ist auch klar, daß die Ehe als solche nicht unter die Definition der Familie flillt. 6 So auch M. Hermanns, Neuere sozialwissenschaftliche Befunde zum inhaltlichen Verständnis von Ehe und Familie, in: Zeitschrift filr das gesamte Familienrecht, 1994, S. 1003.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
sein, daß die Anteile bestimmter dieser Lebensformen an der Gesamtheit der Lebensformen steigen. Kaufmann stellt daher zu Recht fest: "Obwohl also die vom Typus der Normalfamilie abweichenden Lebensformen mit Kindern zugenommen haben, handelt es sich - bezogen auf die Gesamtheit aller Kinder doch eher um marginale Veränderungen".7 Aus dieser Feststellung sollte natürlich nicht der Schluß gezogen werden, daß diese "neuen" Familienformen analytisch und politisch keine oder nur wenig Aufmerksamkeit verdienen. Neben den bisher erläuterten Begriffen von Familie i.e.S. wird Familie i.w.S. definiert als eine Gruppe von Menschen, die miteinander verwandt, verheiratet oder verschwägert sind, gleichgültig, ob sie in einem oder verschiedenen Haushalten leben und wirtschaften. 8 Der Begriff der Kernfamilie, der im folgenden stets gemeint ist, wenn nicht von Familie i.w.S. die Rede ist, setzte sich im 18. Jahrhundert durch. Er zielt auf die personalen Beziehungen der durch Ehe und Elternschaft verbundenen Angehörigen. 9 Charakteristika dieses Typus der neuzeitlichen, "modernen" Familie, der sich seit etwa 200 Jahren in Europa herausgebildet hat, sind: 10 l. Seine Grundlage ist die Paarbeziehung der (überwiegend verheirateten) Eltern;
2. die Familie hat einen hohen Grad an Autonomie und Privatheit, d. h. sie unterliegt keinen verwandtschaftlichen, nachbarschaftlichen, kirchlichen oder staatlichen Kontrollen und ist in der Gegenwart in der Bundesrepublik verfassungsrechtlich geschützt (Art. 6, Abs. 1 GG: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung"; Art. 13, Abs. 1 GG: "Die Wohnung ist unverletzlich"); 3. die Familie ist eine Lebensform, in der for die Familienmitglieder, gleichzeitig damit aber for die Gesellschaft als externe Effekte auftretend, spezifische Leistungen in einer auf andere Weise nicht erreichbaren Effektivität und Qualität erbracht werden: die biologische Reproduktion, die Versorgung und Erziehung der Kinder, die Erzeugung solidarischen Verhaltens und die Regeneration sowie die Pflege der Familienmitglieder; 11 7 Kaufinann 1988, S. 396. Kaufinann verweist auch darauf, daß in der Bundesrepublik 1981 immer noch 90,5 % aller Kinder unter 18 Jahren in vollständigen Familien lebten und daß 82 % aller Kinder mit ihren beiden leiblichen Eltern, nur 8 % dagegen mit einem Stiefelternteillebten. 8 BMFuS 1994 a, s. 23. 9 Kaufinann 1986, Sp. 106. 10 Ebenda, Sp. 107 f. und Kaufinann 1995, S. 25 f. 11 Diese externen Effekte sind auch einer der Grunde fiir den verfassungsrechtlichen Schutz der Familie. Vgl. dazu Lecheier 1989, S. 213.
A Begriffund Definition der Familie
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4. die modeme Familie ist in hohem Maße umweltabhängig, d. h. ihre Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten werden entscheidend geprägt durch die Möglichkeiten der Verwertbarkeit der Arbeitskraft der erwerbsfähigen und erwerbswilligen Familienmitglieder, wodurch die Stetigkeit und die Höhe des Erwerbseinkommens beeinflußt wird, durch das Ausmaß der Verfügbarkeit an familienergänzenden Erziehungs-, Kinderbetreuungs- und Beratungseinrichtungen, durch die Möglichkeiten der Deckung des Bedarfes an Wohnraum, durch die soziale Sicherung der Familienmitglieder und durch das Vermögen der Familie; 5. die europäische Familie der Neuzeit ist eine Gruppe, die sich durch den Auszug der erwachsenen Kinder aus dem Haushalt ihrer Herkunftsfamilie auflöst - abgesehen von wenigen bäuerlichen und handwerklichen Familien, die noch eine Produktionsgemeinschaft darstellen und deren Mitglieder deshalb lebenslang beisammen bleiben. Während Familientypen die in verschiedenen oder auch in einer bestimmten Gesellschaft vorfindbaren Familienformen mit ihren wesentlichen Charakteristika beschreiben, ist ein Familien/eitbi/d die Summe der in einer Gesellschaft bei den Gesellschaftsmitgliedern und im politischen Bereich vorfindbaren Vorstellungen darüber, wie die Familie in bezug auf ihre wesentlichen Merkmale (rechtliche Verfassung nach außen und innen, intrafamiliale Aufgabenteilung, Stellung und Rolle der Kinder, Unterstützung der Familie bei der Erfüllung ihrer Funktionen durch staatliche, gesellschaftliche, kirchliche Einrichtungen) verfaßt und gestaltet sein SOll.12 Selbstverständlich können in einer Gesellschaft mehrere voneinander mehr oder minder stark abweichende Familienleitbilder existieren. Dies ist in der Bundesrepublik auch der Fall. Diese Familienleitbilder beeinflussen sowohl die Familienpolitik als auch das Verhalten der Bevölkerung in bezug auf die Gründung von Familien, die Gestaltung des Familienlebens und die Akzeptanz von für die Familien relevan-
12 Die im politischen Raum fiir die Gestaltung bestimmter Bereiche vorfindbaren Leitbilder sind weithin unvollständig und unpräzise; das gilt insbesondere fiir die Leitbilder der Familie und der Familienpolitik. Diese umfassen nicht alle die Familie prägenden Elemente (Familienform, rechtliche Struktur nach innen und nach außen, Rollenverteilung zwischen den Eltern, Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber den Kindern und der Kinder gegenüber den Eltern, Verhältnis zwischen Staat und Familie) und sind zum Teil nicht präzise. Allerdings können Leitbilder von ihrer Funktion her nur einen eingeschränkten Präzisionsgrad aufWeisen. Denn sie stellen den Versuch dar, die Vorstellungen und Ziele, die fiir einen bestimmten Gestaltungsbereich wesentlich erscheinen, komprimiert zusammenzufassen. Diese Ziele müssen daher notwendigerweise eine gewisse Unbestimmtheit aufWeisen, wie z.B. das Ziel "Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit" oder der Begriff der "partnerschaftlichen Familie". 3 Lampen
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
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ten Normen. Daher erscheint es geboten, im folgenden das in der Bundesrepublik vorherrschende Familienleitbild und seine Veränderungen zu beschreiben.
B. Das Ehe- und Familienleitbild in der Bundesrepublik und in der Deutschen Demokratischen Republik I. Das Ehe- und Farnilienleitbild in der
Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik wurde bis Ende der 60er Jahre das für die Politik relevante Leitbild der Familie, aber auch das in der Bevölkerung vorherrschende Leitbild der Familie, das sich am Heirats-, Geburten-, Scheidungs- und Erwerbsverhalten von Männern und Frauen ablesen läßt, noch nachhaltig durch jenen Familientyp geprägt, der in der abendländischen Geschichte der bestimmende Typus war, nämlich die patriarchalisch bestimmte Gatten-Familie. Dieses erste Nachkriegsleitbild (das Leitbild der "bürgerlichen" Familie) war durch folgende (normativ verstandenen) Merkmale gekennzeichnet: I. Grundlage der Familie war die monogame Ehe (sie war teils durch das Scheidungsrecht, teils durch die wirtschaftliche Abhängigkeit der nicht erwerbstätigen Frau vom erwerbstätigen Mann stabilisiert); 2. ein hohes Maß an Privatheit und Schutz vor äußeren Einwirkungen; 3. der Familienvater war in erster Linie für die Beschaffung des Einkommens zuständig, die Mutter in erster Linie für die Versorgung und die Erziehung der Kinder, wobei das letzte Entscheidungsrecht in Zweifelsfragen beim Mann lag (Hausfrauen-Ehe); 4. die Erziehungsrechte und Erziehungspflichten lagen primär bei den Eltern, woraus sich auch eine Partizipation und Mitbestimmung der Eltern in den Betreuungseinrichtungen und in den Schulen ableitete. Diese "verantwortete Elternschaft"13 schließt auch die Norm ein, sich für Kinder nur dann zu entscheiden, wenn man für sie die Erziehungsverantwortung überneh-
13
Kaufinann 1986, Sp. 113.
B. Ehe- und Familienleitbild
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men kann und die in unserem Jahrhundert besonders stark ausgeprägte Bereitschaft hat, die Individualität der Kinder zu achten und sich intensiv um ihr Wohl, ihre Erziehung sowie ihre Ausbildung zu kümmern. 14 Der monogamen, meist kirchlich geschlossenen, auf dem freien Willen der Eheleute beruhenden Ehe kam nicht nur die Funktion zu, die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau öffentlich, kirchlich und/oder rechtlich verbindlich zu dokumentieren sowie die Funktion, die sexuellen Beziehungen eindeutig zu regeln, sondern auch die Aufgabe, die Beziehungen zwischen Mann und Frau, insbes. aber auch die Familie als Institution, zu stabilisieren und der Familie mindestens bis zum Auszug der Kinder aus dem gemeinsamen Familienhaushalt Dauerhaftigkeit zu verleihen. Für die Entwicklung dieses Ehe- und Familienleitbildes kommt dem christlichen Eheleitbild in zweifacher Hinsicht große Bedeutung zu: zum einen wurde das Leitbild der lebenslangen, durch Liebe und Treue bestimmten Ehe verbindlich gemacht und zum anderen wurde die rechtliche und soziale Stellung der Frau in Ehe, Familie und Gesellschaft entscheidend gestärkt. 15 Die institutionelle Absicherung der elterlichen Partnerschaft und der Familie ist eine im Grunde unverzichtbare Grundlage für eine möglichst gute Sicherung der materiellen Existenz der Familie und für die Gewährleistung vitaler menschlicher Grundbedürfnisse (intrafamiliale Solidarität, Entfaltung der Persönlichkeit der Familienmitglieder, Identitätsfindung). Für die Herausbildung der Identität der Familienmitglieder, für ihre freie Entfaltung und für die Entwicklung der Solidarität ist eine weitere Voraussetzung die Privatheit und Intimität der Familie. 16 Als ein Problem erwies sich nach dem Zweiten Weltkrieg die dem bürgerlichen Farnilienleitbild entsprechende intrafamiliale Arbeitsteilung bzw. die Hausfrauen-Ehe. Mehr und mehr wurde die geschlechtsspezifische Polarisierung der Erwerbsarbeit auf die Männer einerseits und der Familienarbeit auf 14 vgl. zu dieser Einstellungsveränderung, die sich bereits mit der Herausbildung des bürgerlichen Familienideals im 19. Jh. abzeichnete, auch die Darstellung bei Rosenbaum 1982, S. 351 ff sowie BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 77 f 15 Kaufmann 1986, Sp. 106. Vgl. zum Einfluß der christlichen Lehre auf die abendländischen Ehe- und Familienleitbilder auch Auer 1986, Sp. 91 ff Die im Alten und im Neuen Testament betonte gleiche Würde von Mann und Frau hat fiir die allerdings erst in der Neuzeit eingetretene AufWertung der Frau in Ehe und Familie eine ausschlaggebende Rolle gespielt - ungeachtet der Tatsache, daß bis in die Jahre unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eine kirchlich-theologische Identifikation mit der patriarchalischen Ehe- und Farnilienstruktur feststellbar ist. 16 Auer 1986, Sp. 88. 3*
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I. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
die Frauen andererseits von den Frauen, gestärkt durch die Forderung nach Gleichberechtigung und das Grundrecht auf Gleichberechtigung und Gleichbehandlung, als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Die steigende Bedeutung der Personwürde und der Gleichordnung von Mann und Frau in unserer Zeit führte in den 70er Jahren zu einem Wandel des Leitbildes der bürgerlichen Ehe und Familie. 17 Dabei veränderte sich die Ausprägung von drei Leitbildmerkmalen: l. Die geschlechtsspezifische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau entsprechend dem Leitbild der Hausfrauen-Ehe wurde abgelöst durch das Leitbild der auf gleichberechtigter und gleichverpflichteter Partnerschaft beruhenden Ehe, in der sich Mann und Frau über den Familienzyklus hinweg einigen, wie die zur Sicherung der materiellen Existenz der Familie erforderliche Erwerbsarbeit und die Familientätigkeit auf die Partner aufgeteilt werden sollen. Dementsprechend sollen auch verheiratete Frauen und Mütter am Einkommenserwerb und außerhäuslichen Berufsleben teilnehmen können und Männer und Väter sich umgekehrt an der Haus- und Familienarbeit beteiligen. Seinen gesetzlichen Niederschlag hat die Ersetzung des Leitbildes der Hausfrauen-Ehe durch die partnerschaftliehe Ehe im "Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechtes" vom 14. Juni 1976 gefunden. 18
2. Der durch die neuzeitlichen Mittel der Geburtenverhütung begünstigte Wandel der Sexualmoral und die Möglichkeiten der Geburtenkontrolle bewirkten eine Entkoppelung von Sexualität und Fortpflanzung. Dadurch wurde die Ehe als Institution in ihrer Bedeutung ebenso geschwächt wie durch die Entkoppelung von Liebe und Ehe sowie die Entkoppelung von Ehe und Elternschaft. 19 Das neue Eherechtsgesetz normierte zwar das Leitbild der auf Lebenszeit geschlossenen Ehe (§ 1353 BGB), gleichzeitig aber erleichterte die Ablösung des Verschuldensprinzips durch das Zerrüttungsprinzip im neuen Scheidungsrecht die Auflösung der Ehe, so daß Dietrich Simon (1981, S. 31) in bezug auf das Leitbild die Unauflöslichkeit der Ehe im neuen Gesetz nur als "rechtsethisches Bekenntnis" wertet. Die erwähnte Entkoppelung ven Ehe und Elternschaft wiederum ist eine Konsequenz der moralischen und rechtlichen Gleichstellung von ehelichen 17 vgl. dazu die ausfiihrliche Darstellung bei Simon 1981. 18 § 1356 BGB lautet: "(I) Die Ehegatten regeln die Haushaltsfiihrung in gegenseitigem Einvernehmen. Ist die Haushaltsfiihrung einem der Ehegatten übertragen, so leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung. (2) Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein. Bei der Wabl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen." 19 Vgl. zu diesen Zusammenhängen Kaufinann 1995, S. 96 ff.
B. Ehe- und Familienleitbild
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und unehelichen Kindern sowie des Vordringens einer Ideologie der Entfaltung der Persönlichkeit und der Selbstverwirklichung, deren Anhänger glauben, Voraussetzung für die Erreichung dieser Ziele seien Unabhängigkeit und Freiheit von Verantwortung für andere. 3. Das Leitbild der elterlichen Gewalt und einer auf den Mitteln von Befehl und Gehorsam beruhenden Erziehung wurde durch das Leitbild der elterlichen Sorge und einer Erziehung ersetzt, die Rücksicht nimmt auf die mit dem Alter wachsende Selbsterkenntnis und Selbstverantwortung von Kindern. Seinen gesetzlichen Niederschlag fand dieser Leitbildwechsel im "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge" vom 18. Juli 1979. 20 Die Folge dieser Änderungen war bzw. ist die Herausbildung des Leitbildes einer Familie, die auf einer am Gleichberechtigungsgrundsatz orientierten partnerschaftlichen Ehe oder nicht -ehelichen Partnerschaft beruht, in der sich Mann und Frau nach ihrer partnerschaftlich getroffenen Entscheidung in die Erwerbs- und die Familientätigkeit teilen und in der auch die Kinder als Partner in die Familie integriert sind. Aus diesem Leitbildwandel ergeben sich erhebliche Konsequenzen für die Politik allgemein, insbes. aber für die Beschäftigungs-, die Arbeitsmarkt- und die Familienpolitik, die hier nur angedeutet und ausführlicher an anderer Stelle behandelt werden soll (vgl. dazu 5. Kap.). Mit dem neuen Familienleitbild ist ein Anstieg der Nachfrage nach Erwerbsarbeit durch Frauen verbunden, so daß die Beschäftigungspolitik rein quantitativ vor neue Aufgaben gestellt ist. Aufgaben ergeben sich aber auch aus der Notwendigkeit, für die Familie Erwerbs- und Familientätigkeit vereinbar zu machen. Die Beschäftigungspolitik kann dazu durch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten wichtige Beiträge leisten. Da eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit eines der Partner zum Zweck der Wahrnehmung von Familienaufgaben mit beruflichen QualifIkationsverlusten verbunden ist und bei der gewünschten Reintegration in den Arbeitsmarkt Schwierigkeiten auftreten können, müssen spezifIsche arbeitsmarktpolitische Instrumente eingesetzt werden, um die DequalifIzierung zu kompensieren und die Reintegration zu erleichtern. Schließlich müssen sowohl für die Familien, die sich für die pha-
20 § 1626, Abs. 2 BGB besagt: "Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfuis des Kindes zu selbständigem, verantwortungsbewußtem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an."
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
senorientierte Vereinbarkeit entscheiden, als auch für diejenigen, die die simultane Vereinbarkeit wählen, in ausreichendem Umfang familienunterstützende Kinderbetreuungsplätze bereitgestellt werden. Für die Entwicklung der Familienformen von entscheidender Bedeutung ist die veränderte Einschätzung der in der Regel lebenslang bestehenden Ehe als Basis der Familie. Denn sie führt nicht nur zu einer verbreiteten Akzeptanz der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften, sondern auch der Ein-EItern-Familie und der Scheidung und damit der Probleme der Scheidungshalbwaisen bzw. der Stiefelternschaft für Kinder sich wieder verheiratender bzw. an einen Partner oder eine Partnerin bindender Mütter oder Väter. Generell formuliert 6./Jnet die Abwertung der Bedeutung der lebenslang intendierten Ehe als Grundlage der Familie das Tor flr die sogenannte Pluralisierung der Familienformen. Diese Formen werden an späterer Stelle im Abschn. D dargestellt werden. Zunächst soll jedoch das für die ehemalige DDR geltende Leitbild der Familie dargestellt werden, weil es die Familienentwicklung und die Familienpolitik im vereinigten Deutschland nicht unberührt lassen wird.
11. Das Ehe- und Familienleitbild in der Deutschen Demokratischen Republik Das Leitbild der Familie in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wies im Vergleich zu dem in der Bundesrepublik vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten geltenden Leitbild der Familie bemerkenswerte Übereinstimmungen, aber auch grundlegende Unterschiede auf2! Übereinstimmung bestand in bezug auf die Bedeutung von Ehe und Familie als grundlegender Baustein für Staat und Gesellschaft. In beiden Staaten wurde als Grundlage der Familie die Ehe als eine für das Leben geschlossene Gemeinschaft angesehen. Gemeinsam war beiden Leitbildern auch der· partnerschaftliche Charakter der Ehe. Allerdings überließ es die DDR nur begrenzt den Ehepartnern, die intrafamiliale Aufgabenteilung frei zu definieren, da sie entsprechend dem von der SED beanspruchten Führungsmonopol die Art und Weise der Wahrnehmung der Familienaufgaben inhaltlich in zweifacher Weise festgelegt hatte. Zum einen wurden Mann und Frau im Sinne des Bestrebens der Partei, einen "historisch neuen Familientyp" und eine "neue gesellschaftliche Stellung 2! Vgl. zum Leitbild der Familie in der DDR Lampert 1981 und ders. 1991.
B. Ehe- und Familienleitbild
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der Frau" zu schaffen, in gleicher Weise zu beruflicher und darüber hinaus zu gesellschaftlicher Tätigkeit verpflichtet. Das Ziel der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit wurde dementsprechend nur in der Variante simultaner, nicht auch in der Variante phasenorientierter Vereinbarkeit verfolgt. 22 Zum anderen wurde die Autonomie und die Privatheit der Familie nicht respektiert. Denn das Erziehungsrecht der Eltern war dadurch erheblich eingeschränkt, daß den EItern auferlegt wurde, ihre Kinder "zu aktiven Erbauern des Sozialismus zu erziehen", 23 zu "sozialistischen Persönlichkeiten". 24 Die Erziehung der Kinder wurde zur Aufgabe der gesamten Gesellschaft erklärt. 25 Eltern und Erziehungsinstitutionen sollten sich an den ideologischen und moralischen Grundsätzen des sozialistischen Gesellschaftssystems orientieren. 26 Unterschiede zeigten sich nicht nur im Familienleitbild, sondern auch im Leitbild der Familienpolitik. Die Familienpolitik war in der· DDR eindeutig und stärker pronatalistisch ausgerichtet als in der Bundesrepublik. 27 Weit stärker ausgebaut als in der Bundesrepublik waren auch Maßnahmen zur Förderung der simultanen Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit. Die Erwerbstätigkeit der Frauen wurde nicht nur durch eine entsprechende Ausgestaltung des Sozialrechts erzwungen (Ansprüche gegen das System sozialer Sicherung waren im wesentlichen nur durch Arbeit und/oder Mutterschaft erwerbbar), sondern auch durch einen halbjährigen bezahlten Mutterschaftsurlaub, durch den forcierten und konsequenten Ausbau der Kinderbetreuungsstätten und durch die berufliche Freistellung von Müttern zur Pflege erkrankter Kinder erleichtert. 22 In diesem Sinne veIpflichtete § 2 FGB die Ehegatten, "ihre Beziehungen zueinander so zu gestalten, daß heide das Recht auf Entfaltung ihrer Fähigkeiten zum eigenen und gesellschaftlichen Nutzen voll wahrnehmen können" und § 10 FGB forderte: "Die Beziehungen der Ehegatten zueinander sind so zu gestalten, daß die Frau ihre berufliche und gesellschaftliche Tätigkeit mit der Mutterschaft vereinbaren kann." . 23 § 3 FGB. 24 §§ 33 und 42 FGB. 25 § 3 FGB. 26 §§ 4 und 44 FGB sowie §§ 1 und 5 des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem. 27 Dies wird an den Ehestandsdarlehen, den Geburtenprämien und auch daran erkennbar, daß die Ehestandsdarlehen durch die Geburten von Kindern getilgt werden konnten. Ein weiterer Beleg ist in der besonders starken Förderung der Familie vom dritten Kind an zu sehen. Die Sicherung eines bestimmten Bevölkerungswachstums war auch erklärtes Ziel der Politik (vgl. dazu die Beschlüsse des VIII. Parteitags der SED, der 1971 stattfand).
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I. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Es gelang der DDR-Staatsfuhrung trotz intensiver Bemühungen nicht, das Leitbild der "sozialistischen Familie" durchzusetzen. 28 Die Familien wurden vielmehr zu einem Gegenpol zur Beanspruchung der Bürger durch Erwerbsarbeit und gesellschaftliche Verpflichtungen und retteten ein hohes Maß an Privatheit. Es gelang der SED auch nicht, eine gleichberechtigte und gleichverpflichtete Rollenverteilung zwischen Mann und Frau durchzusetzen. Auch die Ziele der Förderung der Ehe und ihrer Stabilität wurden nur sehr begrenzt erreicht. Den Frauen wurde eine Mehrfachbelastung als Erwerbstätige, Hausfrauen und Mütter aufgezwungen. Dennoch findet die Familienpolitik der ehemaligen DDR bei vielen Frauen in den neuen Bundesländern eine hohe Akzeptanz, weil sie den Frauen den Weg in die Erwerbstätigkeit geebnet und den vollständigen, aber auch den unvollständigen Familien vergleichsweise günstige materielle Lebensbedingungen gesichert hat. Die Familienpolitik im vereinigten Deutschland sollte die Erfahrungen der Familienpolitik der DDR nicht unbeachtet lassen.
c. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie Im Zusammenhang mit der Familienpolitik, insbesondere im Zusammenhang mit der Begründung der Förderung der Familien durch den Einsatz öffentlicher Mittel, ist häufig die Rede von den Aufgaben, die Familien erfüllen, von den Leistungen, die sie erbringen und von den Funktionen der Familie. Die Begriffe Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie werden häufig synonym verwendet, obwohl es zweckmäßig ist, sie begrifflich zu trennen. 29 Im folgenden soll mit Aufgaben das bezeichnet werden, was von Familien erwartet wird, was sie bewirken, "leisten" sollen, wie z. B. die Sicherung der materiellen Existenz ihrer Mitglieder, eine Erziehung der Kinder, die bestimmten qualitativen Mindestforderungen gerecht wird, oder die physische und psychische Regeneration ihrer Mitglieder. Unter Aufgaben der Familie werden also die von Familien erwarteten, bestimmten normativen Vorstellungen genügenden Leistungen verstanden, die häufig auch in Rechtsnormen ihren Niederschlag gefunden haben (Unterhaltspflicht der Ehegatten unterein-
28 Vgl. dazu Larnpert 1996. 29 So auch Kaufmann 1995, S. 34 f
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
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ander und gegenüber ihren Kindern, Erziehungsrechte und Erziehungspflichten der Eltern). Unter Leistungen der Familien soll verstanden werden, was die Familien in bezug auf die Erfüllung ihrer Aufgaben tatsächlich leisten, also die Art und Weise der Erfüllung der Versorgungs-, Erziehungs- und Pflegeleistungen; diese Leistungen können den normativen Erwartungen, den Aufgaben voll oder auch nur teilweise entsprechen, sie können sogar defizitär sein, z. B. bei mangelhafter Erziehungsfahigkeit der Eltern oder bei Anwendung von Gewalt zwischen Familienmitgliedern. Von Funktionen der Familien schließlich soll dann gesprochen werden, wenn es um die gesellschaftliche Dimension geht, also um die Aufgaben und/oder die Leistungen der Familien unter gesellschaftlichem Aspekt. Beispiele für Funktionen der Familie sind die biologische Reproduktion der Gesellschaft, der Beitrag der Familien zur Humanvermögensbildung oder die Beiträge der Familien zur Sicherung der intergenerativen Solidarität.
I. Aufgaben und Leistungen der Familiel° Wenn im folgenden gleichzeitig sowohl die Aufgaben als auch die Leistungen der Familien überblickartig systematisiert werden, so wird dabei unterstellt, daß die Familien ihre Aufgaben überwiegend nicht defizitär erfüllen. Natürlich soll mit dieser Unterstellung weder verkannt noch verschwiegen werden, daß, wie in allen Bereichen menschlichen Lebens, die Realität von den Normen und den Erwartungen auch im familialen Bereich nicht nur abweichen kann, sondern auch tatsächlich abweicht - nicht zuletzt auch wegen familienpolitischer Versäumnisse (vgl. dazu 4.Kap.C.II). 1. Autbau, Aufrechterhaltung und Ausgestaltung der Familie als personaler
Schutz-, Entfaltungs- und Regenerationsraum
Die neuere Familiensoziologie hat gezeigt, daß die Familie der Neuzeit in einer Welt struktureller Differenzierung und funktionaler Spezialisierung nur lebensfahig ist, "wenn sie sich gegenüber ihrer Umwelt verselbständigt und abgrenzt und ein eigenes 'soziales' System bildet".31 Denn die Familie wird im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr durch Vorgaben wie etwa den gemeinsamen Einkommenserwerb im Familienbetrieb, die Erhaltung des Fa30 Vgl. zu den Leistungen der Familie und zum Nachweis dieser nur der Familie eigenen Leistungsfähigkeit v.a. Claessens 1967 sowie Wingen 1995, S. 25 ff. 31 Kaufmann 1995, S. 32.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
milienvermögens, sozialen Druck von seiten der Verwandtschaft, verbindliche öffentliche Leitbilder und die Verpflichtung zur lebenslangen Ehe stabilisiert und konstituiert. Daher ist die Wahrung der Lebensform Familie und ihre Ausgestaltung als ein vor der Öffentlichkeit geschützter Raum personaler Entfaltung und Regeneration eine Leistung sui generis. 32 Die Fähigkeit, die Familie aufrecht zu erhalten, beruht auf ihrer Einmaligkeit als "das einzige soziale System, in dem der Mensch als Person, d. h. grundsätzlich in all seinen Lebensbereichen angesprochen wird" (kursiv im Originaltext, H.L.).33 In der Geschütztheit und Privatheit der Familie können sich insbesondere die Emotionalität, die Solidarität und die personale Identität der Familienmitglieder entwickeln. 34 "Ehe und Familie sind ... der Raum, in dem sich die Person mit ihren spezifischen Möglichkeiten entfaltet, in dem sie sich zugleich in die Urmuster gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sowie in den verantwortlichen Umgang mit den materiellen Dingen einübt".35 Die Existenz der Familie als personaler Schutz-, Entfaltungs- und Regenerationsraum, innerhalb dessen emotionale, liebevolle Zuwendung, mitfühlendes Verständnis, Vertrauen und Trost entwickelt werden können, ist eine wesentliche und unverzichtbare Voraussetzung der "zweiten, sozio-kulturellen Geburt" des Menschen. 36 2. Weitergabe menschlichen Lebens
Die Familie ist ein Sozialverband, der optimale Bedingungen für die Weitergabe menschlichen Lebens im Sinne verantwortungsbewußter Elternschaft bietet, weil und soweit die Zeugung und Geburt von Kindern Ausdruck part32 Vgl. dazu Kaufinann 1995, S. 36: "Wegen der zunehmenden Möglichkeiten alternativer Lebensstile und der allgemeinen Individualisierungstendenzen muß heute familiale Kohäsion, also die Bildung und Aufrechterhaltung einer Familie als soziales System, selbst als Problem bzw. Aufgabe bzw. Leistung begriffen werden". 33 Kaufinann 1995, S. 386. 34 Unter Identität ist in diesem Zusammenhang die Fähigkeit eines Menschen zu verstehen, über verschiedene Handlungssituationen und unterschiedliche Lebensphasen hinweg eine Kontinuität des SelbsterIebens auf der Grundlage eines bewußt verfiigbaren Selbstbildes zu wahren. Vgl. dazu K. Hurrelmann, Einfilhrung in die Sozialisationstbeorie, Weinheim und Basel 1986, S. 169. ~5 Auer 1986, Sp. 89. 36 Vgl. dazu Claessens 1967, insbes. S. 69: "Fest steht in jedem Fall, daß das menschliche Kleinstkind ohne ein beachtliches Maß an liebevoller Zuwendung auch bei 'genügender' Ernährung keine Chance hat, ein normaler Mensch zu werden, ja, daß es bei Fehlen jeder derartigen Zuwendung überhaupt nicht 'wird', sich vielmehr in einem komplizierten Prozeß 'gegen sich selbst wendet', stirbt."
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
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nerschaftlicher Liebe und des Wunsches der Eltern ist, in ihrem Kind bzw. in ihren Kindern eins zu werden. Die Ehe als eine auf Dauer angelegte Verbindung der Eltern sichert die dauerhafte Versorgung und die kontinuierliche Erziehung der Kinder bei gleichzeitig günstigen Voraussetzungen für eine durch Zuneigung und Engagement gekennzeichnete Erziehung. 3. Materielle Versorgung der Familienmitglieder
Eine elementare Aufgabe der Familie ist die Sicherung der materiellen Existenz ihrer Mitglieder, d. h. die Deckung des Bedarfes an Nahrung, Kleidung, Wohnraum und anderen materiellen Voraussetzungen der Entfaltung der Persönlichkeit. Diese Versorgungsleistung verdient aus zwei Gründen gesonderte Erwähnung. Zum einen wenden Familien, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. l. Kap.C.III.4.), beachtliche Summen auf, um ihre Kinder zu versorgen. Wenn die Kinder erwachsen und ausgebildet sind, leisten diese Kinder nicht nur Beiträge zur Sicherung der Existenz ihrer Eltern, sondern auch zur Sicherung der Existenz derjenigen, die keine Kinder haben wollten oder konnten. Zum anderen stehen (mindestens) die Mitglieder einer Kemfamilie im Falle wirtschaftlicher Not (auch aufgrund von Unterhaltsverpflichtungen) füreinander ein und fallen daher der Öffentlichkeit nicht oder nur in geringerem Umfang zur Last als kinderlose Gesellschaftsmitglieder. 4. Erziehung und Sozialisation der Kinder
Die wohl anspruchsvollste Aufgabe und bedeutsamste Leistung von Eltern ist die Erziehung und die Sozialisation ihrer Kinder. Die Erziehung besteht allgemein formuliert in der Vermittlung jener Wertvorstellungen und Verhaltensmuster, die in den Familien und/oder in der Gesellschaft gelten. Der Einfluß elterlicher Werte auf die Wertentwicklung bei den Kindern ist erheblich. Auch die Orientierung der Kinder an den Wertvorstellungen der Großeltern ist beachtlich. 37 Ungeachtet dessen scheint es angesichts des Wertewandels, um nicht zu sagen des Werteverfalls, in unserer Gesellschaft, z. B. angesichts der Verbreitung von SexualdarsteIlungen und gewaltverherrlichender Darstellungen im Fernsehen, der sprachlichen und musikalischen Ge37 Vgl. H. Bertram, Wertwandel und Werttradierung, in: W. Bien (Hrsg.), Eigeninteresse oder Solidarität. Beziehungen in modemen Mehrgenerationenfamilien, Oplad~ 1994, S. 113 ff.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
schmacklosigkeiten in manchen Hörfunkprogrammen, der zunehmenden Verrohung in den Schulen und angesichts des Drogenkonsums, für Eltern immer schwieriger zu werden, "gegenzusteuern" und in der Öffentlichkeit nicht mehr akzeptierte und nicht mehr unterstützte Erziehungsziele zu verfolgen, weil bei konsequenter Verfolgung der Erziehungsziele die Kinder außerhalb der Familie in eine Randposition oder in eine von vorneherein gegenüber anderen in bezug auf die Durchsetzungsmöglichkeiten schwächere Position gelangen. 38 "Die Erziehungsaufgabe der Eltern besteht" - wie Franz-Xaver Kaufmann prägnant formuliert39 - "in der Unterstützung der Personenwerdung oder Identitätsbildung des Kindes durch die Vermittlung werthafter Orientierungen sowie durch Beeinflussung des Sozialisationsprozesses der Kinder, welche allerdings gleichzeitig von einer Vielzahl anderer Instanzen mitbestimmt werden". Aus gesellschaftlicher Sicht ist bedeutsam, daß die Erziehung in der Familie notwendigerweise auf die Entwicklung von Eigenschaften gerichtet sein .muß, die für die Stabilität und den inneren Frieden der Familie unentbehrlich und gleichzeitig für die Qualität des gesellschaftlichen Lebens wichtig sind, wie gegenseitige Rücksichtnahme, soziale Verantwortung und Solidarität. 4O In bezug auf die Erziehungs- und die Sozialisationsfunktion "ist die Familie grundsätzlich weder durch Einzelerzieher noch durch den Staat ersetzbar". 41 Denn eine gelingende Soziabilisierung, die in der Phase der sozio-kulturellen Geburt erfolgt, in der auch die emotionalen Fundamente der Persönlichkeit gelegt werden, setzt dauerhafte Zuwendung, Erfahrungen der Geborgenheit, körperliche Kontakte, regelmäßige Bedürfniserfüllung und liebende Pflege durch mindestens eine bestimmte Person voraus. Diese Erfahrungen sind nach übereinstimmender Einschätzung von Anthropologen und Psychologen entscheidend für jene Emotionalität und jenes soziale Zutrauen, die für die Persönlichkeitsentwicklung von Gewicht sind. "Praktisch läßt sich diese anthropologisch notwendige, liebende Dauerpflegeperson nur im familialen Kontext sicherstellen".42 38 Vgl. dazu auch Pöggeler 1994. 39 Kaufinann 1995, S. 49. 40 Vgl. dazu auch L. Roos, Gemeinsame Verantwortung filr den inneren Frieden, in: Texte zur inneren Sicherheit, hrsg. vom Bundesministerium des Inneren, S. 73 ff., insbes. S. 81: "Der Schlüssel filr den inneren Frieden liegt mehr denn je nicht primär in den übergreifenden Strukturen der Gesellschaft, sondern in der Hand der Eltern, Erzieher, Lehrer, Priester, Katecheten, Sozialarbeiter, Berufsausbilder und beruflichen Führungspersonen, die jungen Menschen die riormativen und emotionalen Voraussetzungen zur VetWirklichung ihrer Lebensziele vermitteln können und sollen". 41 Auer 1986, Sp. 88. 42 Kaufinann 1995, S. 48.
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
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S. Pflege und Regeneration der Familienmitglieder
In engem Zusammenhang mit der Aufgabe der Versorgung der Familienmitglieder und der Sicherung ihrer Existenz stehen die Pflege und die Regeneration der Familienmitglieder. Die Aufgabe der Pflege UInfaßt die Pflege der Gesundheit, also die Erziehung zu gesundheitsbewußtem Verhalten, die Pflege im Krankheitsfall und die Pflege im Falle einer (auch altersbedingten) Behinderung. Die Pflege der Gesundheit und die Pflege im Krankheitsfall beziehen sich sowohl auf die Kinder als auch die erwachsenen Mitglieder der Familie. Die Wahrnehmung der Pflegefunktion ist wiederum gesellschaftspolitisch, insbesondere gesundheitspolitisch relevant, weil häusliche Pflegeleistungen die Pflege im öffentlichen Gesundheitssystem ersetzen können. 43 Wichtig sowohl für die Familienmitglieder als auch für die Gesellschaft ist die Wahrnehmung der Regenerationsaufgabe durch die Familie, weil die Wiederherstellung verbrauchter physischer und psychischer Kräfte nicht nur die Leistungsfähigkeit der betroffenen Familienmitglieder wiederherstellt, sondern auch prophylaktisch vor einer Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens und ihrer Leistungsfähigkeit durch Krankheit bewahrt und damit auch soziale Kosten vermeiden hilft. 44 6. Entwicklung und Ausübung von Solidarität
Wie schon erwähnt, ist die Familie ein Sozialraum, in dem sich die Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe wegen der Intensität der gegenseitigen Beziehungen, der persönlichen Vertrautheit miteinander, dem gemeinschaftlich geführten Leben und der persönlichen Erfahrungen besonders günstig entwickeln kann, aber auch entwickelt werden muß, wenn die Familie eine auf bestimmte Dauer angelegte Lebensgemeinschaft werden und bleiben soll. Daß die meisten Familien eine umfassende Solidarität des Helfens und des Teilens, vor allem auch im Falle von Krankheit, Alter oder persönlichem Unglück, entwickeln, ist eine Erfahrungstatsache, die nicht zuletzt in den für viele Familien schwierigen ökonomischen Verhältnissen der Umbruchsituation in 43 "Offensichtlich ... gibt es im Hinblick auf die Aufgabe der umfassenden täglichen Sorge rur unterstützungs- und pflegebedürftig gewordene alte Menschen kaum eine gesellschaftliche Alternative weder vom erforderlichen Ausmaß noch von einer vergleichbaren Qualität her". BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 192. 44 Vgl. dazu auch BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), wo im X. Kapitel auch die Zusammenhänge zwischen Familie und Gesundheit dargestellt werden.
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I. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
den neuen Bundesländern bestätigt wird. 45 Diese Solidarität wird nicht nur in der Kernfamilie, sondern auch in der Familie Lw.S. geübt.
11. Die Funktionen der Familie Wie in der Einleitung bereits aufgezeigt wurde, ist die Familie eine Primärgruppe, die nicht von Gesellschaft und Staat hervorgebracht wird. Allein durch die Tatsache, daß "sie ständig freie und sozial entwickelte Persönlichkeiten in die gesellschaftlichen Gliederungen einbringt" , wird sie zur "Voraussetzung jeglicher sozialen und politischen Kultur".46 Diese Eigenschaft der Familie, Grundlage oder Urzelle der Gesellschaft zu sein, wird noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, daß - wie im folgenden verdeutlicht werden wird - jede der im vorhergehenden Abschnitt aufgezeigten Aufgaben bzw. Leistungen gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch, also im· Sinne von Funktionen der Familie, eine im politischen Raum bisher nicht ausreichend erkannte und gewürdigte Bedeutung hat. Im einzelnen handelt es sich um folgende Funktionen: 47 1. Durch die Weitergabe menschlichen Lebens und durch die materielle Versorgung der Kinder erfüllt die Familie die Funktion der quantitativen Sicherung des Nachwuchses oder die Funktion der quantitativen gesellschaftlichen Reproduktion. Mit der physischen Reproduktion der Gesellschaft, der "Produktion" der physischen Basis des Humanvermögens48 der Gesellschaft49, erfüllt die Familie ein Erfordernis eines jeden sozialen Systems, das das Ziel der Selbsterhaltung verfolgt. 50 45 Vgl. dazu nur W. Glatzer / R. Berger-Schmitt (Hrsg.), Haushaltsproduktion und Netzwerkhilfe. Die alltäglichen Leistungen der Haushalte und Familien, FrankfurtlNew York 1986; F.-X Kaufinann Ii.a., Hilfs- und Unterstützungsnetze von Familien, Wiesbaden 1989; BMJFFG 1986 (Vierter Familienbericht); BMFuS 1992 (Erster Altenbericht); BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 191 ff. 46 Auer 1986, Sp. 90. 47 Vgl. dazu auch die vollständige und anschauliche Beschreibung der Funktionen der Familie bei A Schäffie, Bau und Leben des sozialen Körpers, zweite Auflage, erster Band: Allgemeine Soziologie, Tübingen 1896, S. 73 ff. 48 Als Humanvermögen wird hier bezeichnet die Gesamtheit der mit bestimmten Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen, d. h. mit bestimmten Kompetenzen zur Lebensbewältigung und Lebensgestaltung ausgestatteten Bevölkerung einschließlich ihrer beruflich verwertbaren Kompetenzen (d. h. des Arbeitsvermögens oder Humankapitals). 49 Dem Verfasser ist bewußt, daß es der Würde des Menschen, auch des ungeborenen, und dem Sinngehalt der Weitergabe menschlichen Lebens nicht adäquat ist, von der "Produktion" des Humanvermögens zu sprechen. Er verwendet diesen Terminus daher widerstrebend, aber in der Überzeugung, daß es angesichts der verbreiteten Verkennung der Bedeutung der Leistungen der Familie fur die
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
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2. Durch die Versorgung, Betreuung und Erziehung der Kinder trägt die Familie maßgeblich zur Erfüllung der Funktion der qualitativen gesellschaftlichen Reproduktion oder Funktion der Ausprägung der qualitativen Komponente des Humanvermögens bei. Denn die Versorgung, Betreuung und Erziehung der Kinder ist gleichbedeutend mit
der Fundierung der körperlichen, psychischen und geistigen Gesundheit der nachwachsenden Generation; der Entwicklung und Förderung der Begabungen und Talente der nachwachsenden Generation; der Vermittlung und Einübung sozialen Verhaltens, insbes.ondere sozialer Verantwortung und solidarischen Verhaltens;51 der Tradierung weiterer sozialer und kultureller Werte; der Schaffung der Voraussetzungen für die personale Entfaltung der nachwachsenden Generationen. Die Art und Weise, wie die Familien ihren gewichtigen Beitrag zur Ausprägung der geistigen, kulturellen, sozialen und beruflichen Dimension des Humanvermögens leisten und - von den äußeren Bedingungen her gesehen, wie u.a. das verfügbare Einkommen, die Wohnräume, die Unterstützung durch die öffentlichen Bildungs- und Beratungseinrichtungen sie darstellen - leisten können, ist fUr die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Qualität einer Gesellschaft ausschlaggebend. 52 Denn vom Erziehungs- und Sozialisationserfolg, den die Familien in Verbindung mit den öffentlichen Bildungseinrichtungen erreichen, hängt nicht nur die Leistungsfähigkeit, die Innovations- und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft ab, sondern auch die Bereitschaft und die Fähigkeit heranwachsender Generationen, sich im politischen, kulturellen und sozialen Leben zu engagieren, etwas zu leisten und Verantwortung zu übernehmen. Nicht zuletzt wird das soziale Klima in der Gesellschaft nachhaltig davon beeinflußt, in welcher Weise die Familie ihre Funktion der Vermittlung indiviGesellschaft und auch filr diejenigen, die sich filr ein Leben ohne Kinder entscheiden, geboten ist, die ökonomischen Zusammenhänge familialer Existenz unmißverständlich anzusprechen. 50 Vgl. dazu auch Hettlage 1992, S. 37: "Wenn eine Gesellschaft sich nicht aufgegeben hat, sondern ein Interesse an ihrem Fortbestand entwickelt, dann muß es ihr auch ein Anliegen sein, daß sich ihre Mitglieder fortpflanzen." 51 In diesem Zusammenhang kann man auch von der Solidaritätssicherungsfunktion sprechen. Vgl. zu deren ausfilhrlicher Interpretation vor allem Kaufinann 1995, S. 76 ff. In der hier verwendeten Systematik ist diese Solidaritätssicherungsfunktion als Teilfunktion der Sicherung der qualitativen Ausprägung des Humanvermögens interpretierbar. 52 Vgl. zu diesen Leistungen auch BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht). Dieser Bericht trägt den Titel "Familie und Familienpolitik im geeinten Deutschland - Zukunft des Humanvermögens" und arbeitet dementsprechend den Beitrag der Familie zur Humanvermögensbildung und -pflege besonders heraus.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
dueller, sozialer, kultureller, ethischer und religiöser Werte erfüllt und inwieweit sie dabei öffentliche und politische Unterstützung findet. Die Erfüllung der beiden erläuterten Funktionen kann zusammenfassend als Beitrag der Familien zur Bildung des Humanvermögens der Gesellschaft bezeichnet werden. Er wird in seiner ökonomischen Bedeutung an anderer Stelle abgeschätzt (vgl. 1. Kap.C.III.). 3. Durch die materielle Versorgung der (jungen und erwachsenen) Familienmitglieder im Rahmen der Unterhaltspflicht sowie durch die Pflege kranker und alter, pflegebedürftiger Angehöriger entlasten die Familien die sozialen Sicherungssysteme und die öffentlichen Haushalte, d. h. sie übernehmen soziale Aufgaben, erfüllen also die Funktion sozialer Selbsthilfe. 4. Durch die Übernahme der Pflege im Krankheitsfall und durch die Beiträge zur Regeneration der erwerbsfähigen Familienmitglieder leisten die Familien einen Beitrag zur Funktion der quantitativen und qualitativen Sicherung des Arbeitskräjtepotentials. 53 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Familie (im Sinne der obigen Definition der Kernfamilie) eine institutionalisierte soziale Gruppe darstellt, die - ein potentiell optimaler, geschützter Sozialraum54 ist für die personale Entfaltung ihrer Mitglieder; - in optimaler Weise für die Gesellschaft relevantes soziales und solidarisches Verhalten vermittelt; - die Humanvermögensbildung und -erhaltung in quantitativer und qualitativer Hinsicht entscheidend beeinflußt.
53 "Während die Rationalität des Arbeitslebens Anspannung, emotionale Kontrolle und Teilnahme am Wettbewerb um Positionen verlangt, schaßt die Familie - wenn auch nicht allein - den notwendigen Raum, um sich von dieser Dauerkonzentration in einem auf Solidarität, Intimität und Entspannung angelegten Milieu zu erholen". Hettlage 1992, S. 40. 54 Das einschränkende Attribut "potentiell" soll darauf aufinerksam machen, daß die Aufgaben der Familien kaum in allen Familien entsprechend den normativen Vorstellungen - wie immer man sie defmieren mag - erfullt werden und erfullt werden können, weil zwischen der Norm (der Aufgabe) und der Realität (der tatsächlichen Leistung) stets eine gewisse Distanz bestehen wird. In manchen Fällen, z. B. bei bestimmten charakterlichen oder erzieherischen DefIZiten der Eltern oder bei familienformenbedingten Erschwernissen der Funktionserfullung (vgl. dazu Abschn. D. dieses Kap.) können die familialen Aufgaben auch - wenn nicht politische Hilfestellungen gegeben werden - stark verfehlt werden.
c. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
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Die Familie nimmt somit als Lebens-, Erziehungs- und Wirtschaftsgemeinschaft Aufgaben wahr, die auf andere Weise nicht oder nicht in vergleichbarer Qualität wahrgenommen werden können. Dieses Faktum ist auch von Politikern erkannt und anerkannt, ohne jedoch die praktizierte Familienpolitik nachhaltig zu bestimmen. Z.B. finden sich in einer Rede von Bundeskanzler Kohl anläßlich des 40jährigen Bestehens des Familienministeriums folgende Sätze: "In der Familie erfahren die Menschen Geborgenheit und Zuwendung. In ihr können am besten Werte vermittelt und Verhaltensweisen eingeübt werden, ohne die eine freie, solidarische und humane Gesellschaft nicht existieren kann: Liebe und Vertrauen, Toleranz und Rücksichtnahme, Opferbereitschaft und Mitverantwortung, Selbständigkeit und Mündigkeit. Als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft bildet sie das Fundament einer jeden Gesellschaft".55 "In einer auf Wahrung und Entwicklung von Wohlstand gerichteten Gesellschaft wird vielfach übersehen und verdrängt, daß Familien und kleine Netze gelebter Solidarität Bedingung effizienten Wirtschaftens und sozialer Sicherung für alle sind. Würden in Familien nicht eine Fülle humaner Dienste von der Erziehung bis zur Pflege erbracht, wäre unser Sozialstaat nicht nur weniger menschlich, er wäre auch unbezahlbar" (Hervorhebung durch H.L.).56 Die im vorhergehenden Abschnitt aufgeführten Aufgaben und damit die in diesem Abschnitt herausgestellten Funktionen erfüllen die Mitglieder von Familien um ihrer selbst und ihrer Familie willen. Eltern bringen Kinder nicht zur Welt und versorgen und erziehen sie nicht um der Gesellschaft willen, sondern weil sie sich Kinder wünschen. Familienmitglieder sorgen nicht füreinander um der Gesellschaft willen. Sie erfüllen alle ihre Aufgaben vielmehr für sich und für ihre Familie. Nichtsdestoweniger haben die zutiefst "privaten" Entscheidungen für Kinder und die ganz auf die eigene Familie konzentrierte und "privat" motivierte Wahrnehmung familialer Aufgaben - in ökonomischer Terminologie formuliert - positive externe Effekte. Als (positive oder negative) externe Effekte werden in den Wirtschaftswissenschaften (positive oder negative) Wirkungen bezeichnet, die durch ein auf einen bestimmten Zweck gerichtetes Handeln oder Unterlassen entstehen, aber nicht auf den beabsichtigten Zweck gerichtet sind, sondern als unbeabsichtigte "Neben"-Wirkungen auftreten. 57 Im Sinne dieser Definition sind die Beiträge der Familien zur 55 56
Kohl 1993, S. 7. Kohl 1993, S. 14; vgl. auch W. Schäuble, Und der Zukunft zugewandt, Berlin 1994. Die Überschrift des Fünften Kapitels dieses Buches lautet: "Die Familie - Das Fundament von Staat und Gesellschaft". 57 Klassische Beispiele rur negative externe Effekte sind die mit bestimmten Produktionen verbundenen Verunreinigungen der Luft oder des Wassers oder auch Lärmbelästigungen. Beispiele rur positive externe Effekte sind die Bienenhaltung, die gleichzeitig die Befruchtung von Obstbäumen bewirkt, 4 Lampen
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I. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Humanverm6gensbildung aus der gesellschaftlichen Sicht positive externe Effekte der Familiengrtindung und der Wahrnehmung familialer Aufgaben, d. h. der Erbringung familialer Leistungen. Ihr Wert soll im folgenden Abschnitt abgeschätzt werden.
III. Der Wert des Beitrages der Familien zur Humanvermögensbildung 1. Der Sinn der Ermittlung des Wertes und der Kosten
der Versorgung und Betreuung von Kindern
Versuche, den Wert des Beitrages von Familien zur Bildung des Humanvermögens der Gesellschaft in Form der Aufwendungen der Eltern für die Versorgung und die Betreuung ihrer Kinder zu erfassen, können leicht als unangemessene, materialistische Sichtweise mißdeutet werden. In erster Linie wird geltend gemacht, der Wert des Menschen lasse sich nicht in Geld ausdrücken. Dieses Argument ist richtig. Humanvermögens- und Kinderkostenermittlungen zielen jedoch weder auf eine Ermittlung des Wertes von Menschen ab, weil ein solches Unterfangen dem Wesen des Menschen widerspricht und überdies ethisch unzulässig ist, noch ist es überhaupt möglich, den Wert des Menschen in ökonomischen Kategorien auszudrücken. 58 Humanvermögens- und Kinderkostenermittlungen haben vielmehr den Zweck, den ökonomischen Wert dessen zu erfassen, was Eltern aufwenden, um ihre Kinder zu versorgen, zu betreuen und zu erziehen. Der Sinn dieser Wertermittlung liegt darin, erkennen zu können, wie groß der ökonomische Beitrag der Familien zur Sicherung der biologischen, sozialen und kulturellen Reproduktion der Gesellschaft ist. Ein weiterer Einwand gegen die Erfassung der Kinderkosten verweist darauf, daß die Entscheidung potentieller Eltern für Kinder nicht durch Kosten-, d.h. materielle Erwägungen bestimmt werde und auch nicht bestimmt werden solle. An diesem Argument ist sicher richtig, daß allenfalls für wenige Menschen die mit der Versorgung und Erziehung von Kindern verbundenen Kodie mit der land- und forstwirtschaftlichen Produktion unmittelbar verbundene Landschaftspflege oder der Bau von Deichen, der das Hinterland vor Überflutungen schützt. 58 Vgl. dazu auch Amd Jessen, der schon 1955 in seiner Arbeit ..Der AufWand rur Kinder in der Bundesrepublik im Jahre 1954" meinte: .. Daß man das Leben der Kinder und Mütter nicht in Zahlen fassen kann, ist so selbstverständlich, daß sich der Verfasser gegen den Vorwurf, er sehe das Dasein als einen in Geldzahlen faßbaren Vorgang an, kaum besonders zu verteidigen braucht" (S. 86).
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
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sten die einzige oder dominierende Einflußgröße für ihre Entscheidung sind, Kinder zu wollen oder nicht. Für die meisten Menschen dürften ökonomische Erwägungen nur eine und wahrscheinlich keine dominante Einflußgröße sein. Ermittlungen der Kinderkosten haben aber auch gar nicht den Sinn, zu zeigen, wie "teuer" Kinder sind, und nicht den Sinn, Bestandteil der Grundlagen für die Entscheidung für oder gegen Kinder zu sein. Sie dienen vielmehr dazu, für sozial- und familienpolitische Zwecke Hilfe zu sein zur Beurteilung der Veränderung der Lebensbedingungen, die durch die Geburt von Kindern für die Eltern eintreten, sowie für die Beurteilung der Unterschiede in den Lebensbedingungen von Menschen, die Kinder erziehen, im Vergleich zu Menschen, die das nicht tun, und damit für die Beurteilung des familienpolitischen Handlungsbedarfs. 2. Zu den Grenzen der Ermittlung des Wertes und der Kosten der Versorgung und Betreuung von Kindern
Den Bemühungen, den Wert des Beitrags der Familien zur Humanverrnögensbildung zu erfassen, sind vor allem zwei Arten von Grenzen gesetzt. Erstens lassen sich nur Aufwendungen erfassen, die - wie z.B. Ausgaben für Lebensmittel, Kleidung usw. - in Form von Geldausgaben anfallen, und Aufwendungen an Zeit, die in Geld bewertet werden können. Alles, was darüber hinausgeht und für die Kinder einen unermeßlichen, nicht quantifizierbaren Wert darstellt - die elterliche Liebe und Zuwendung, das Umsorgt- und Behütetsein, die Weckung und Entwicklung von Begabungen und Talenten, die Lenkung des Verhaltens und die Beeinflussung all dessen, was zur Entfaltung einer Persönlichkeit gehört -, entzieht sich einer ökonomischen Bewertung. Zweitens sind der Ermittlung des Wertes des Beitrags der Familien zur Hurnanvermögensbildung Grenzen gesetzt, die mit den Möglichkeiten der statistischen Erhebung und den statistischen Methoden der Wert- und Kostenermittlung zusammenhängen. 59 Für die amtliche Statistik sind die Haushaltsproduktion, die Zeitverwendung der Bevölkerung und die Aufwendungen der Familien für ihre Kinder erst seit wenigen Jahren zum Gegenstand der Berichterstattung geworden. Vorher befaßten sich nur wenige Wissenschaftler und wenige wissenschaftli59 Vgl. dazu die ausfiihrlichen Darstellungen bei Jessen, 1955, Stat. BA (Hn;g.) 1995, S. 2 ff. und die dort angegebene Literatur sowie BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht). 4'
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I. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
che Institutionen mit solchen Fragestellungen. 60 Daher ist das gesammelte Wissen über den Wert der familialen Leistungen und die Kinderkosten noch relativ begrenzt und erweiterungsfahig. Im methodologischen Bereich der Werte- und Kostenermittlung treten vor allem Bewertungsprobleme auf, insbes. bei der Bewertung des Wertes der Haushaltsproduktion und der Kinderbetreuung. 61 Die Bewertung der Haushaltsproduktion und der für die Kinderbetreuung aufgewendeten Zeit kann nicht mit tatsächlichen (Markt-) Preisen, sondern nur mit unterstellten (Schatten-) Preisen erfolgen. Man muß sich daher für bestimmte Bewertungsansätze entscheiden. Sie alle beruhen auf bestimmten Annahmen und besitzen Modellcharakter. Bei der Bewertung der für die Hausarbeit und die Kinderbetreuung ermittelten Zeit taucht die Frage auf, welche Löhne man zur Bewertung heranzieht: Netto- oder Bruttostundenlöhne, die Löhne, die den die Leistungen erbringenden Personen entgangen sind (die sog. Opportunitätskosten), oder Lohnsätze von Spezialisten im Bereich der privaten Haushalte (Köche, Erzieher) oder die Lohnsätze von sog. Generalisten, die - wie Hauswirtschafterinnen - in allen hauswirtschaftlichen Fächern ausgebildet sind. Die Wahl unterschiedlicher Bewertungsansätze und Löhne führt zu - zum Teil erheblichen - Unterschieden. Dies soll anband der Ergebnisse der ersten amtlichen Ermittlung des Wertes der Haushaltsproduktion, die für das Jahr 1992 vorgelegt wurde, verdeutlicht werden. 3. Der Wert der Haushaltsproduktion 1992
Nach langen Vorarbeiten hat das Statistische Bundesamt eine erste Bewertung der Haushaltsproduktion in der Bundesrepublik in Form eines sog. "Satellitensystem Haushaltsproduktion"62 vorgelegt. 63 Die Ermittlung beruht auf einer bei 7 200 Haushalten in den alten und neuen Bundesländern durchgeführten Zeitbudgeterhebung, in der insbesondere die unbezahlte Arbeit in den Haushalten von der Mahlzeitenztibereitung über die 60 In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf Arbeiten von Arnd Jessen (1955); Helga Schmukker (vgl. dazu ihr Schriftenverzeichnis in R. v. Schweitzer (Hrsg.), Leitbilder rur Familie und Familienpolitik. Festgabe rur Helga Schmucker, Berlin 1981); Rosemarie v. Schweitzer (vgl. dazu ihr Schriftenverzeichnis in R. v. Schweitzer, Einfilhrung in die Wirtschaftslehre des privaten Haushalts, Stuttgart 1991, S. 350 ff.); Hans-Günter Krüsselberg (1986) sowie der Familienwissenschaftlichen Forschungsstelle beim Stat. LA Baden-Württemberg unter Leitung von Max Wingen. 61 Vgl. zu Einzelheiten Stat. BA (Hrsg.) 1995, S. 9 ff. 62 Satellitensystem bedeutet, daß die Ermittlungsergebnisse nicht in die Sozialproduktsberechnung einbezogen, sondern als ergänzende Ergebnisse betrachtet werden. 63 Stat. BA (Hrsg.) 1995.
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
31
Wäschepflege und die Wohnungsreinigung bis hin zur Kinderbetreuung, zur Betreuung von Pflegebedürftigen und zu ehrenamtlichen Tätigkeiten erfaßt wurde. Dabei zeigt sich, daß der Wert der unbezahlten Arbeit im früheren Bundesgebiet folgende Größenordnungen erreichte: 1. Bei der Bewertung nach dem sog. Generalistenansatz, d.h. unter Zugrundelegung des Lohnes einer qualifizierten Hauswirtschafterin unter Verwendung 897Mrd. DM, a) des Nettolohnes 1912 Mrd. DM. b) der Lohnkosten64 2. Bei der Bewertung nach dem Spezialistenansatz, d.h. unter der Annahme, daß verschiedene Haushaltstätigkeiten jeweils von Spezialisten wahrgenommen werden, bei Verwendung a) des Nettolohnes 941 Mrd. DM, b) der Lohnkosten 2 002 Mrd. DM. 3. Bei der Bewertung mit dem Durchschnittslohn aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigen bei Verwendung 1 288 Mrd. DM, a) des Nettolohnes b) der Lohnkosten 2 805 Mrd. DM. Wenn man die im Rahmen der Haushaltsproduktion erbrachten Leistungen auf das Bruttoinlandsprodukt des Jahres 1992 in Höhe von 2 794 Mrd. DM bezieht und die unbezahlte Haushaltsproduktion mit dem Nettostundenlohn von Hauswirtschafterinnen in Höhe von 11,70 DM pro Stunde bewertet, ergibt sich ein um 37,6 % höheres Gesamtprodukt (3 727 Mrd. DM), wenn man die Haushaltsproduktion mit den Lohnkosten von Spezialisten bewertet, ein um 77,2 % höheres Gesamtprodukt (4832 Mrd. DM). Diese Darstellung zeigt erstens, daß sich je nach dem gewählten Bewertungsansatz erhebliche Bewertungsunterschiede ergeben und zweitens, daß auch bei Wahl des zur niedrigsten Bewertung führenden Lohnsatzes, nämlich des Nettolohnes von Hauswirtschafterinnen, die Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaft beträchtlich größer ist als nach der "konservativen" Erfassungsmethode.
64 D.h. unter Einbeziehung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie der bezahlten Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage.
32
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
4. Die Ermittlung des Wertes des Beitrags der Familien zur Humanvermögensbildung
In der Literatur sind bereits einige Schätzungen des Beitrags der Familien zur Humanvermögensbildung zu finden. Einer der ältesten Beiträge dürfte der Beitrag von Arnd Jessen aus dem Jahre 1937 sein. 65 Jessen hat dann auch im Auftrag der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt für das Jahr 1954 den elterlichen Aufwand für Kinder ermittelt und dabei nicht nur den Aufwand pro Kind - differenziert nach 1-, 2- und 3-Kinderfamilien - erfaßt, sondern auch den Gesamtaufwand, den er mit 20 Mrd. DM oder einem Fünftel des Volkseinkommens ermittelte, von dem wiederum die Gesellschaft etwa ein Viertel, nämlich 5,4 Mrd. DM, trug. 66 Für die Vereinigten Staaten von Nordamerika legten 1972 Ritehie Reed und Susan Me Intosh eine Schätzung der Kinderkosten für Familien mit bescheidenem Budget und unterschiedlichem Ausbildungsniveau der Mutter sowie in städtischer Umgebung wohnend vor. Unter Einbeziehung der Kosten der Geburt, der "Aufzucht" und einer College-Ausbildung kamen sie auf Beiträge pro Kind in Höhe von 84 045 bis 143 947 Dollar67. 1989 haben Riehard Me Kenzie und Gordon Tulloek die Kinderkosten einschließlich der mit 20 Dollar pro Stunde bewerteten Betreuungszeit, die mit 20 Stunden pro Woche angenommen wurde, auf 466 400 Dollar geschätzt. 68 Der Verfasser selbst hat 1992 eine Bewertung des Beitrags von Familien mit Kindern zur Humanvermögensbildung veröffentlicht,69 die er im folgenden in aktualisierter und differenzierterer Fassung vorlegt. Der Versuch, die Leistungen der Familien zu bewerten, setzt eine Reihe von Vorentscheidungen voraus, da die Aufwendungen der Familien für ihre Kinder von einer Vielzahl Bestimmungsgrößen abhängen und diese Größen für die einzelnen Familien ganz unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. So 65 A Jessen, Was kostet Dein Kind? Ein Vorschlag zur Einfiihrung allgemeiner staatlicher Kinderbeihilfen, Berlin 1937. Das Hauptergebnis dieser Untersuchung lautete: ,.zusammenfassend ist festzuhalten, daß fur 1935 der durchschnittliche AufWand fur ein Kind etwa bei 6 000 RM gelegen hat und vom Vater und von der öffentlichen Hand im Verhältnis 4 000 zu 2 000 RM getragen wurde." 66 Jessen 1955, S. 152. 67 R. H. ReediS. Mc Intosh, Costs of Children, in: The Commission on Population Growth and the American Future (Hrsg.), Economic Aspects ofPopulation Change, Washington 1972, S. 330 ff 68 R. B. Mc Kenzie/G. Tullock, The Best ofthe New World ofEconomics, 5. Aufl, Homewood, IIIinois 1989, S. 88. 69 H. Lampert, Der Beitrag der Familien mit Kindern zur Humanvermögensbildung, in: T. Bock (Hrsg.), Sozialpolitik und Wissenschaft. Positionen zur Theorie und Praxis der sozialen Hilfen. Festgabe fur Dieter Schäfer, FrankfurtiMain 1992, S. 130 ff
c. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
33
werden die Kinderkosten bestimmt durch die Höhe des verfügbaren Einkommens und die Präferenzstruktur des Haushalts, insbesondere durch die Einstellung der Eltern zur Bedeutung der Versorgung ihrer Kinder mit Gütern, ferner durch die Zahl der Kinder in einer Familie bzw. durch die Ordnungszahl eines Kindes, durch das Alter der Kinder, durch die Lebenshaltungskosten am Wohnort und die Entfernungen zwischen der Wohnung einerseits und dem Standort des Kindergartens, der Schule und der Orte der Freizeitaktivitäten der Kinder andererseits. 1o Die im folgenden ermittelten Kinderkosten umfassen die Kinderkosten für 1. Alleinstehende mit einem Kind; 2. Ehepaar-Haushalte mit einem Kind und mit 2.1. Sozialhilfe-Einkommen, 2.2. dem Durchschnittseinkommen aller erfaßten Haushalte dieser Kategorie, 2.3. einem monatlichen Nettoeinkommen von 4 000 - 5 000 DM; 3. Ehepaar-Haushalte mit zwei Kindern und mit 3.1. Sozialhilfe-Einkommen, 3.2. dem Durchschnittseinkommen aller erfaßten Haushalte dieser Kategorie, 3.3. einem monatlichen Nettoeinkommen von 4000 - 5 000 DM. Damit werden sowohl Familien mit Mindesteinkommen erfaßt (die Fälle 2.1. und 3.1.) als auch Familien mit durchschnittlichem Einkommen (die Fälle 2.2. und 3.2.) als auch Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen (Fälle 2.3. und 3.3.) sowie die Familienform "Alleinerziehende". Neben der Vorentscheidung, welche Familientypen erfaßt werden sollen, ist eine Vorentscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung der Aufwandsarten zu treffen, die mit der Geburt, der Versorgung und der Erziehung von Kindern zusammenhängen. Prinzipiell ist zu berücksichtigen: 1. Aufwendungen vor der Geburt und bei der Geburt, vor allem die Kosten der medizinischen Versorgung. Da diese Kosten in der Bundesrepublik quantitativ vernachlässigt werden können und überdies nicht privat aufgebracht werden müssen, wird auf ihre Berücksichtigung verzichtet.
10 Vgl. dazu Votteler 1987,8. 41ff. sowie 8tat. BA 1990, 8. 74ff.
34
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
2. Die monetären Versorgungsaufwendungen oder Versorgungsausgaben für Ernährung, Kleidung, Mietanteil, Spielzeug usw., wie sie neuerdings von der amtlichen Statistik erhoben werden bzw. wie sie für SozialhilfeEmpfänger anhand der Regelsätze der Sozialhilfe verfügbar sind. 3. Bildungsaufwendungen. Da diese überwiegend von der öffentlichen Hand getragen werden und die Familien finanziell nicht belasten, werden sie nicht in die folgende Kostenermittlung einbezogen. Kosten im Zusammenhang mit einem Hochschulstudium werden nicht berücksichtigt, weil das dieser Arbeit zugrundeliegende Erkenntnisinteresse nicht darauf gerichtet ist. 4. Die Aufwendungen für die Betreuung der Kinder, und zwar einmal für die direkte Betreuung (Körper- und Gesundheitspflege, Gespräche, Spielen) und zum anderen die indirekte Betreuung, d.h. die kinderbedingten Hausarbeiten (Kochen, Wäschepflege, Hausreinigung usw.). Der Wert dieser Hausarbeiten wird anhand von Zeitverwendungsdaten ermittelt, die das Statistische Landesamt Baden-Württemberg bereitgestellt hat. 71 Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die im Rahmen des folgenden Modells für den Zeitbedarf der Kinderbetreuung ausgewiesenen Werte (vgl. Tab. A4 und A5) sehr niedrig sind. Die Erfahrung läßt vermuten, daß sie - v.a. für Kinder unter sechs Jahren - zu niedrig sind. Auch die den folgenden Schätzungen zugrundeliegende Zeitkomponente führt also nicht zu einer Überschätzung des Wertes des Betreuungsaufwandes. 72 Der Wert der Aufwendungen für die direkte Betreuung der Kinder wird durch Multiplikation der Zeitdaten des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg73 mit dem Nettolohn von Hauswirtschafterinnen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes74 in Höhe von 11,70 DM für 1992 ermittelt. 71 Stat. LA Baden-Württemberg, Zeitverwendung privater Haushalte, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, November 1990, S. 536 ff. Das Landesamt hat dem Verfasser dankenswerterweise die statistischen Primärdaten zur Verfugung gestellt, die dem zitierten Artikel zugrunde liegen. 72 1. Althammer / S. Wenzler haben in ihrer Studie "Intrafamiliale Zeitallokation, Haushaltsproduktion und Frauenerwerbstätigkeit" (NT. 123 der Volkswirtschaftlichen Schriftenreihe des Instituts rur Volkswirtschaftslehre der Universität Augsburg, Augsburg 1994, S. 20 f.) auf der Basis des sozioökonomischen Panels mit 5,99 Std. täglich rur den Zwei-Kinder-Haushalt bei NichtErwerbstätigkeit der Mutter und mit 2,79 Std. bei Erwerbstätigkeit merklich höhere Werte der Zeitallokation rur die Kinderbetreuung ausgewiesen als vom Stat. LA Baden-Württemberg erhoben wurden (3,74 bzw. 1,20 Std.). 73 Auf die Verwendung der Ergebnisse der ersten Zeitverwendungsermittlungen des Stat. BA aus dem Jahre 1995 (Stat. BA 1995a) wird verzichtet, weil diese Ergebnisse (noch) nicht ausreichend nach der Zahl der Kinder differenziert sind und eine Berücksichtigung der kindbedingten Haushaltstätigkeiten nicht zulassen. 74 Stat. BA (Hrsg.) 1995a, S. 17.
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
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Eine andere Bewertungsmöglichkeit hätte darin bestanden, die Opportunitätskosten, d.h. das Erwerbseinkommen zu ermitteln, das einer Person wegen der Kinderbetreuung entgangen ist. Dies bedeutete jedoch, daß im Falle überdurchschnittlich bezahlter Erwerbsarbeit die Ansätze für die Bewertung der Betreuungszeit zu hoch wären. Die Entscheidung für die Verwendung des Nettolohnes von Hauswirtschafterinnen, die getroffen wurde, um eine Überschätzung des Wertes des Zeitaufwandes zu vermeiden, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die tatsächlich auftretenden Erwerbseinkommensverluste enorm hoch sein können. Heinz Galler hat die Einbußen an Lebenseinkommen aus Erwerbsarbeit ermittelt,die sich bei drei- bis zehnjähriger Erwerbsunterbrechung für Frauen mit unterschiedlichem Bildungsabschluß ergeben. Er hat dabei auch die Einkommenseinbußen berücksichtigt, die sich aus den mit der Unterbrechung verbundenen Qualifikationsverlusten ergeben, und auch die Verluste an Rentenansprüchen in die Berechnung einbezogen. Es zeigte sich, daß die Gesamteinbußen Größenordnungen von netto rd. 110 000 DM bei einer Hauptschülerin und bis zu rd. 540 000 DM bei einer Hochschulabsolventin erreichen können. 75 5. Wenn man, wie es bei den folgenden Modellen der Fall ist, nicht die Opportunitätskosten-Methode unter Einschluß der Verluste an Rentenansprüchen anwendet, sind zusätzlich zu den Versorgungsaufwendungen und dem Wert des Betreuungsaufwandes gesondert die Verluste an Rentenansprüchen zu berücksichtigen, die durch eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit um mehr als drei Jahre pro Kind. entstehen. 76 Für eine Zeit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, für die keine Erziehungsjahre anerkannt werden, gibt die Bundesregierung den Rentenverlust pro Monat bei einem Einkommen von 1 800 DM mit 22 DM, bei einem Einkommen von 3 500 DM mit 42 DM und bei einem Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze mit 78 DM an. 77 Eine weitere methodologische Vorentscheidung muß getroffen werden, wenn es nicht nur um die Ermittlung des Wertes des Beitrags der Familien zur Humanvermögensbildung zu einem Zeitpunkt, sondern für einen Zeitraum geht. Dann muß nämlich entschieden werden, ob man die Werte mit ihrem Wert zum jeweiligen Zeitpunkt der Entstehung des Aufwandes erfaßt oder ob
75 H. P. Galler, Opportunitätskosten der Entscheidung rur Familie und Haushalt, in: S. Gräbe (Hrsg.), Der private Haushalt als Wirtschaftsfaktor, FrankfurtlMain, New York 1991, S. 120. 76 Bekanntlich werden in der Rentenversicherung drei Erziehungsjahre pro Kind anerkannt. 77 Vgl. BTDr.S. 12/6224, S. 11.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
man ihren Gegenwartswert (Barwert) errechnet. Den folgenden Modellen liegen die tatsächlichen, periodenbezogenen Aufwendungen zugrunde. 78 Der folgenden Ableitung der Kinderkosten für verschiedene Familientypen liegen folgende Annahmen zugrunde: l. Die Kinder der in die Untersuchung einbezogenen Familientypen wurden 1983 bzw. (das zweite Kind in der Zwei-Kinder-Familie) 1985 geboren und bis zum 18. Lebensjahr einschließlich betreut;
2. die Mutter unterbrach die Erwerbstätigkeit mit der Geburt des ersten Kindes bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr des ersten bzw. des zweiten Kindes; 3. da sich die verfügbaren Angaben des Statistischen Bundesamtes für die monetären Versorgungsaufwendungen auf das Jahr 1988 beziehen, wurden die Ausgaben für die Jahre 1983 bis 1987 entsprechend der durchschnittlichen Wachstumsrate des Preisindex für die einfache Lebenshaltung eines Kindes in Höhe von 1,5 % deflationiert und für die Jahre 1989 bis 2002 mit der durchschnittlichen Wachstumsrate des genannten Index für die Jahre 1983 bis 199279 mit 2,0 % fortgeschrieben; 4. da sich der Nettolohn für Hauswirtschafterinnen, mit dem der Zeitaufwand für die Betreuung bewertet wird, auf das Jahr 1992 bezieht, wurde er für die Jahre 1983 bis 1991 entsprechend der durchschnittlichen Wachstumsrate des Reallohnindex für die Stundenlöhne der Arbeiter in der Industrie deflationiert und für die Jahre 1993 bis 2002 mit derselben Wachstumsrate fortgeschrieben.
Die ermittelten Jahreswerte für die monetären Versorgungsaufwendungen basieren auf den folgenden Angaben des Statistischen Bundesamtes für 1988: 80 1. Alleinerziehende mit einem Kind
544 DM;
2. Ein-Kind-Familie 2.l. mit Sozialhilfe-Einkommen
441 DM,81
78 Wenn - wie bei der hier vorgelegten Analyse - zum Analysezeitpunkt die Zahl der vergangenen Jah(e in etwa der Zahl der künlligen Jahre entspricht, weichen die tatsächlichen Aufwendungen zum jeweiligen Zeitwert nicht von den fiktiven Aufwendungen ab, die mit Hilfe der Barwertmethode ermittelt sind. 79 Vgl. dazu Stat. Jb. 1987, S. 526 und Stat. Jb. 1994, S. 662. 80 Euler 1993, S. 759 ff.
c. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
2.2. mit dem Durchschnitts-Nettoeinkommen der Ein-Kind-Familien 2.3. mit einem mtl. Nettoeinkommen von 4 000 - 5 000 DM 3. Zwei-Kinder-Familie 3.1. mit Sozialhilfe-Einkommen 3.2. mit dem Durchschnitts-Nettoeinkommen der Zwei-Kinder-Familien 3.3. mit einem mtl. Nettoeinkommen von 4 000 - 5 000 DM
37
691 DM, 726 DM; 398 DM, 492 DM,
471 DM.
Die Verwendung dieser Werte führt eher zu einer Unter- als Überschätzung der Kinderkosten. Denn nach Martin Volte/er (1987, S. 45 ff.) lagen die Monatsausgaben für ein Kind 1983 in Baden-Württemberg im Durchschnitt bei rd. 700 DM, in Abhängigkeit von der Kinderzahl einer Familie zwischen 626 DM bei drei Kindern und 794 DM bei einem Kind, in Abhängigkeit vom Haushaltseinkommen zwischen 560 und 912 DM und in Abhängigkeit vom Alter zwischen 532 DM für Fünfjährige und 838 DM für Zwölfjährige. Aus den für den monetären Versorgungsaufwand für unterschiedliche Familientypen ermittelten Werten (in Tab. Al) und dem Wert des Versorgungsaufwands für die Ein- und die Zwei-Kinder-Familie (Tab. A4 und A5) läßt sich dann der Wert des gesamten Versorgungsaufwandes für die Erziehung und Versorgung von einem bzw. zwei Kindern errechnen. Diese Werte sind in Tab. 1 zusammengestellt. Die Tabelle macht erkennbar: l. Der Wert des monetären Versorgungsaufwands für ein Kind liegt bei Ehe-
paar-Haushalten, die Sozialhilfe-Empfänger sind und ein oder zwei Kinder haben, knapp über 95 000 DM; für Ehepaar-Haushalte mit zwei Kindern und durchschnittlichem Einkommen liegt dieser Wert bei 116000 DM, für Alleinerziehende-Haushalte mit einem Kind bei 128 000 DM und für Ehepaar-Haushalte mit einem Kind und durchschnittlichem Einkommen bei 162000 DM.
2. Der monetäre Wert des Betreuungsaufwands für ein Kind liegt bei Bewertung der Betreuungsstunde mit dem Nettolohn einer Hauswirtschafterin 81 Errechnet als Durchschnitt der Summe der Sozialhilfe-Regelsätze fiir Kinder zuzüglich der einmaligen Beihilfen in Höhe von 15 % der Regelsätze zuzüglich des Mietanteils fiir das Kind bzw. die Kinder (vgl. dazu Tab. A2 und A3).
38
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
zwischen rund 147000 DM und 207 000 DM, bei Bewertung der Betreuungsstunde mit dem Bruttolohn einer Hauswirtschafterin zwischen 214 000 DM und 292 000 DM. 3. Der Gesamtwert des Versorgungs- und Betreuungsaufwands beläuft sich bei Zugrundelegung des Nettolohnes für die Betreuungsstunde auf Werte, die von 242 000 DM für ein Kind in einem Sozialhilfe-Ehepaar-Haushalt mit zwei Kindern bis zu 370 000 DM beim Ehepaar-Haushalt mit einem Kind reichen und bei Zugrundelegung des Bruttolohnes für die Betreuungsstunde Werte zwischen 309 000 DM und 454 000 DM erreichen. Diese Zahlen veranschaulichen den hohen Wert der Versorgungs- und Betreuungsleistungen von Eltern für ihre Kinder - wobei daran erinnert werden darf, daß die Bewertungsansätze eher zu niedrig als zu hoch gewählt wurden, um den Vorwurf einer Überschätzung des Wertes der Leistungen der Familien von vorneherein zu vermeiden. 82 Nimmt man den Mittelwert für die niedrigere Bewertungsvariante, dann ergibt sich ein Aufwandswert pro Kind in Höhe von 306 000 DM, geht man von der höheren Bewertungsvariante aus, dann ergibt sich ein Wert von 381000 DM. Ein Teil dieser Aufwendungen wird durch Steuerfteibeträge für Kinder (soweit diese höher sind als die existenzminimalen Versorgungsaufwendungen für Kinder), durch Kindergeldzahlungen, durch Erziehungsgeldleistungen, durch die Anerkennung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung und durch Wohngeldzahlungen, soweit sie von der Kinderzahl abhängen, vom Staat übernommen. Diese Leistungen betragen jedoch nur einen Bruchteil der tatsächlichen Aufwendungen, nicht zuletzt, weil die Familien selbst durch die Zahlung von direkten und indirekten Steuern diese staatlichen Leistungen mitfinanzieren. Im Fünften Familienbericht wird dieser "Selbstfinanzierungs-
82 Bezogen auf ein weniger differenziertes VorgängennodelI des Verfassers fiir die Schätzung des Wertes des Beitrags der Familien zur Humanvennögensbildung, das dem Ausschuß fiir Familie und Senioren des Deutschen Bundestages 1993 vorgestellt worden war (vgl. dazu Lampert 1992b), wurde die Bundesregierung in einer großen Anfrage der SPD-Fraktion nach dem Realitätsgehalt dieser Modellrechnung gefragt. Sie wies in ihrer Antwort (BTDr.S. 12/6224, S. 10) zwar darauf hin, daß diese Modellrechnung nicht zwingend den Wert des gebildeten, Humanvennögens nachweise und daß die Summe der Kosten nicht zwingend dem Wert des geschaffenen Humanvennögens gleichzusetzen sei, daß die Modellrechnung aber unter den getroffenen Prämissen eine nachvollziehbare Größenvorstellung vermittle und bestätige, daß die Leistungen der Familien eine zentrale Bedeutung fiir die Humanvennögensbildung der nachwachsenden Generation haben.
C. Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
39
Tabelle J Die gesamten Versorgungs- und Betreuungsaufwendungen von Familien für die 1983 bzw. 1985 geborenen Kinder
MonetArer Versorgungsaunyand inDM a )
(1)
Bewerteter AufWand filr die Betreuung der Kinder und filr kindbedinme HH-Tätigkeitenb)
Summe
Variante 1c)
Variante 2 c )
Variante 1
Variante 2
(2)
(3)
(4)
(5)
Alleinerziehende mit einem Kind
127827
207243
291 556
335070
419383
Ehepaar-HH mit einem Kind
162360
207243
291 556
369603
453916
95265
207243
291 556
302508
386821
115603
146983
213974
262586
329577
95468
146983
213 974
242451
309442
darunter Sozialhilfeempfänger-HH
Ehepaar-HH mit zwei Kindern darunter Sozialhilfeempfanger-HH
a) Quelle: Tab. A 1 b) Quelle: Tab. A4undA5 c) Variante 1: Bewertungsfaktor Nettolohn einer Hauswirtschafterin Variante 2: Bewertungsfaktor Bruttolohn einer Hauswirtschafterin
anteil" auf 32 %, also rd.. ein Drittel, geschätzt. 83 Andere Autoren kommen zu höheren Selbstfinanzierungsanteilen. 84
83 BMFuS 1994a, S. 294. 84 Vgl. z.B. 1. Borchert, Das Familienurteil vom 7. Juli 1992, in: Deutsche Liga filr das Kind (Hrsg.), Die familienpolitische Strukturreform des Sozialstaats: Verfassungsauftrag ohne Folgen?, Bonn 1994, S. 22 und D. Suhr, Transferrechtliche Ausbeutung und verfassungsrechtlicher Schutz von Familien, Müttern und Kindern, in: Der Staat, 1990, S. 69 tr. Vgl. auch 4. Kap.C.I.2.
40
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Auf der Grundlage der durchschnittlichen Aufwendungen der Familien für ihre Kinder läßt sich die makroökonomische Größenordnung dieser Leistungen für bestimmte Geburtsjahrgänge und für die erwerbsfähige Bevölkerung insgesamt ableiten. Der Geburtsjahrgang 1983 des früheren Bundesgebietes zum Beispiel umfaßt rd. 590000 Personen. Wenn man die niedrigere Bewertungsvariante des durchschnittlichen Aufwands für ein Kind in Höhe von 306 000 DM zugrunde legt, ergibt sich, daß die Eltern dieser Kinder bis zu deren Volljährigkeit für die Versorgung und Betreuung, d.h. bis zum Jahre 2000, Leistungen im Wert von brutto 180,5 Mrd. DM erbracht haben werden und - unter der Annahme, daß die staatlichen Transfers 15 % dieses Aufwands ausmachen - von netto 153,4 Mrd. DM. Auf dieser Grundlage läßt sich dann im nächsten Schritt auch eine Vorstellung darüber gewinnen, welchen Wert der Beitrag der Familien zur Humanvermögensbildung für die gesamte erwerbsfähige Bevölkerung darstellt. Die Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (zwischen 15 und 60 Jahren) im früheren Bundesgebiet wurde für 1991 mit 41,6 Mio. ausgewiesen85 . Diese Personen umfassen im wesentlichen die Geburtsjahrgänge 1931 bis 1976. Der erste dieser Jahrgänge wurde 1931 bis 1949 versorgt und betreut, der letzte Jahrgang 1976 bis 1990. Wenn man unterstellt, daß der Wert des Versorgungs- und Betreuungsaufwands, der für jede dieser Personen aller Jahrgänge bis zu ihrem 18. Lebensjahr erbracht werden mußte, dem oben ermittelten Wert von 306 000 DM entspricht, dann ergibt sich ein Beitrag der Familien zur Humanvermögensbildung der erwerbsfähigen Bevölkerung des Jahres 1991 in Höhe von brutto rd. 12,7 Billionen DM86 und netto rd. 10,8 Billionen DM.87 Dieser Beitrag wurde in den Jahren 1931 bis 1990 erbracht und erreichte im Jahresdurchschnitt den Wert von brutto rd. 215 Mrd. DM (12,7 Billionen: [1990 - 1931 =] 59 Jahre). Um die Interpretation des Verfahrens der Wertermittlung zu erleichtern, sind die Elemente der Ableitung noch einmal graphisch in Übersicht 1 dargestellt.
85 86
Stat. Jb. 1994, S. 67.
Dabei ist berücksichtigt, daß die Geburtsjahrgänge 1973 bis 1976 weniger als 18 Jahre versorgt und betreut wurden. 81 Das gesamte Bruttoanlagevermögen in der gesamten Wirtschaft im Gebiet der früheren Bundesrepublik ist demgegenüber rur 1991 vom Sta. BA mit 12,592 Billionen DM veranschlagt worden.
c.
41
Aufgaben, Leistungen und Funktionen der Familie
Übersicht 1
Die Altersstruktur des Arbeitskräftepotentials 1991 und der Bruttowert der Leistungen der Familien für die Versorgung und Erziehung dieses Potentials
I 18 Jahre I
Erwerbsfiihige Bevölkenmg in Millionen
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~--
I'"
i\ \ l:'\. ~
1931
~
1941
56 - 60
4,959
51 - 55
3,839
46 - 50
\----------
4,325
41- 45
4,562
36 - 40
,,-
5,735
31- 35
5,832
26 - 30
5,046
21- 25
3,352
16 - 20
~-------------
\l\ \-----i\ \---I I I I I I I I I I
I I I I
3,917
~----------------
l\"
1951
I I I
I I I I I I
!'\
:"""-
I I I
1961
Altersgruppe
:
1971 1981
:I: 41,569
1991
Bruttowert der Versorgungs- und Betreuungsleistungen: 41,569 Millionen x 306000 DM = 12,72 Billionen Legende: \,_ _~\
=
Zeitraum der Erbringung der Versorgungsund Erziehungsleistung für die unterschiedlichen Geburtsjahrgänge
42
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
D. Familienformen und familiale Funktionserfüllung Im vorhergehenden Abschnitt wurden die Aufgaben, Leistungen und Funktionen "der" Familie im Sinne einer auf der Ehe beruhenden Zwei-Generationen-Familie dargestellt. Wenn es um die Frage geht, inwieweit die Familien ihre Aufgaben bzw. Funktionen erfüllen und um die später aufzugreifende Frage, mit welchen Problemen Familien konfrontiert sind, wenn es um die Versorgung, Erziehung und Ausbildung der Kinder geht (vgl. dazu 2. Kap. B.), ist es nötig, nach Familienformen zu differenzieren. Denn für ein verheiratetes Paar mit einem oder zwei Kindern und hohem Einkommen sind die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen der Aufgabenerfüllung andere als für eine gleich große Familie mit niedrigem Einkommen. Und für beide Familien wiederum sind diese Bedingungen andere als für eine alleinerziehende Mutter mit einem oder zwei Kindern. In diesem Abschnitt geht es darum, Unterschiede in den Voraussetzungen für die Aufgabenerfüllung und in der Aufgabenerfüllung selbst für folgende Familienformen aufzuzeigen: Ehepaare mit Kindern, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern, Ein-EItern-Familien und Stief-Eltern-Familien. Für alle Fälle soll unterstellt werden, daß es sich um Zwei-GenerationenFamilien handelt, daß also keine Großeltern oder gar Urgroßeltern im gemeinsamen Familienhaushalt leben. Die Entwicklung alternativer Familienformen und ihr derzeitiges Gewicht soll an anderer Stelle dargestellt werden (vgl. dazu 2. Kap. A). Hier geht es darum, zunächst die Problematik der Benennung verschiedener Familienformen anzusprechen, dann die Zusammenhänge zwischen Familienformen und familialer Aufgabenerfüllung .aufzuzeigen und schließlich die möglichen Unterschiede in der Aufgabenerfüllung sichtbar zu machen.
J. Zur Problematik der Benennung verschiedener Familienformen In der einschlägigen Literatur bzw. in Diskussionen begegnet man immer wieder kritischen Einwendungen gegen die Verwendung bestimmter Kennzeichnungen für bestimmte Familienformen. Insbesondere die Verwendung von Begriffen wie "unvollständige" Familie oder "Restfamilie" für Alleinstehende mit Kindern wird kritisiert, weil sie "Wertungen" implizierten und mit negativen Erwartungshaltungen besetzt seien. 88 In ähnlicher Weise wird die Benennung der "Stief'-Familie als wertende Bezeichnung beurteilt.
D. Familienfonnen und Funktionserfiillung
43
Dieser Sensibilität gegenüber den genannten Begriffen liegt die sicher richtige Einsicht zugrunde, daß diese Begriffe vor dem Hintergrund der als "Norm" angesehenen Familie definiert sind, d. h. der vollständigen, Vater, Mutter und Kind(er) umfassenden Familie, in der die Eltern sowohl die biologischen als auch die sozialen Eltern sind. Die erwähnte kritische Einstellung ist wegen ihrer Absicht, durch die Verwendung von Begriffen keinen Anlaß und Grund für Diskriminierungen oder für die Bildung von Vorurteilen zu geben, ehrenwert und verständlich. Andererseits ist zu bedenken, daß - soweit man überhaupt akzeptiert, daß "unvollständig" mehr besagt, als daß etwas "nicht vollständig" ist, also implizit diskriminierend ist - die Vermeidung differenzierender Merkmale in Begriffen eben diese Differenzierungen verdeckt und daß durch andere Benennungen, wie z. B. "Vater"-Familie und "Mutter"-Familie für die "Ein-Eltern-Familie" und ihre Subsumtion unter den Begriff "alternative" Familienformen das Gegenteil einer Diskriminierung bewirkt, nämlich die Suggestion einer Gleichwertigkeit verschiedener Familienformen in bezug auf das familiale Potential. Zu bedenken ist ferner, daß die in vielen Untersuchungen erfaßte Hochschätzung von (vollständiger) Familie und Ehe im allgemeinen und die kindorientierte Eheschließung im besonderen für die bewußtseinsformende und verhaltensnormierende Kraft der Institution "Ehe und Familie" spricht, so daß Rohert Hettlage zutreffend formuliert: "Die 'Normalität' der abweichenden Lebensformen läßt sich zwar terminologisch erzwingen, wird aber meistens gefühlsmäßig von den Betroffenen gar nicht mitvollzogen".89 Aus diesen Gründen hält es der Verfasser nicht für geboten, eine vermeintlich Wertungen vermeidende Terminologie für verschiedene Familienformen zu verwenden, obwohl er sich nicht anmaßen würde, abwertende Urteile über unvollständige oder Stief-Familien abzugeben oder diese Familienformen gar diskriminieren zu wollen. Dies schon deswegen nicht, weil z. B. ledige Mütter, die die Kraft aufbringen, ihre empfangenen Kinder zur Welt zu bringen und die Bewältigung einer vergleichsweise sehr schwierigen Lebenslage auf sich zu nehmen (vgl. dazu Abschn. D.III.3. in diesem Kap.), ebenso Hochachtung verdienen wie jene Eltern, die Stief-Familien gründen und Kindern soziale und/oder biologische Eltern sind.
88 89
Vgl. z. B. Neubauer 1988, S. 9. Vgl. zu dieser Problematik auch Abschn. A dieses Kapitels. Hettlage 1992, S. 184.
5 Lampert
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
11. Der Zusammenhang zwischen Familienformen und familialer Aufgaben- bzw. Funktionserftillung Bestimmte Zusammenhänge zwischen Familienformen und der Qualität der familialen Aufgaben- bzw. Funktionserfüllung sind wissenschaftlich - z. B. besonders in den Bereichen der Pädagogik und der Psychologie - umstritten.
Klaus Schneewind, anerkannter und kompetenter Familienpsychologe, vertritt unter Hinweis auf einschlägige Literatur bei der Überprüfung des Einflusses "struktureller Veränderungen der Familie" auf die Kinderbetreuung in der Familie die Auffassung, daß die Konsequenzen struktureller Veränderungen der Familie, wie die steigende Erwerbstätigkeit der Mütter, die Erhöhung der Scheidungsquoten und die steigende Zahl von Ein-Eltern-Familien, in ihrer Bedeutung fiir die Entwicklung von Kindern und des Familienlebens noch eines intensiveren Studiums bedürfen; dennoch meint er, in detaillierten Studien habe sich gezeigt, daß die Auswirkungen familiärer Auflösungs- und Veränderungserscheinungen, wie sie sich in den erhöhten Scheidungsquoten oder in einem veränderten Rollenverständnis der Frauen äußern, keineswegs destruktiv fiir die Kinderentwicklung sein müssen. 9O Er weist ferner darauf hin, daß "die bloße Zahl der Familienmitglieder sicherlich keinen ausreichenden Indikator fiir mögliche Veränderungen des Familienlebens darstellt".9\ Im Gegensatz dazu verweist Roberl Helllage darauf, daß die Auswirkungen von Scheidungen international ziemlich intensiv erforscht wurden und daß "die meisten Resultate fiir die Scheidungskinder zunächst negativ bis sehr negativ ausfallen" und berichtet von überwiegend negativen Folgen für die Kinder. Im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit von Müttern in den ersten drei Lebensjahren von Kindern verweist Sonya Kübber auf Erziehungsund Sozialisationsdefizite einer Fremd-, vor allem Gruppenbetreuung; sie hält denjenigen, die schließen, daß eine Berufstätigkeit der Mütter in diesen ersten Lebensjahren der Kinder keine negativen Folgen haben muß, vor, nicht korrekt zu folgern, weil sie - abgesehen von der Erwerbstätigkeit der Mutter - von optimalen sonstigen Bedingungen ausgehen. 92 Auch fiir Joachim Pechstein sind Kinderkrippen nur eine unzulängliche Notlösung, die in der Phase der primären Sozialisation nur gewählt werden sollte, wenn es unvermeidbar ist. 93 Unbestritten kann im Zusammenhang mit dem Problem des Einflusses von 90 In dieser Fonnulierung ist die Aussage sicherlich unangreifbar. Sie besagt aber nicht, daß nicht in zahlreichen Scheidungsfllllen die Kinder selbst leiden und die Kindererziehung Defizite aufweist (vgl. dazu Abschn. D.m.3. in diesem Kap.). 9\ Schneewind 1991, S. 82 ff. 92 Kübber 1989, S. 55 ff. 93 1. Pechstein 1990, insbes. S. 55 ff.
D. Familienfonnen und Funktionserfiillung
45
Familienfonnen auf die familiale Aufgabenerfüllung als Grundlage für die weiteren Überlegungen folgendes gelten: 1. Eine Beeinträchtigung der familialen Aufgabenerfüllung, insbes. der Erziehungs- und Sozialisationsfunktion, kann, da es viele Determinanten gibt, die den Entwicklungsprozeß von Kindern beeinflussen, nicht monokausal erklärt werden, so daß - bezogen auf eine bestimmte Familienfonn nicht ein einziges Merkmal dieser Familienfonn, z. B. das Fehlen eines Vaters in einer Ein-Eltern-Familie, als Ursache für Defizite diagnostiziert werden kann. 2. Da die Entwicklung von Kindern durch mehrere Faktoren beeinflußt wird,
kann ein gleichsam fonnal als defizitär einzuordnender Faktor, z. B. der fehlende Vater, durch einen oder andere Faktoren kompensiert werden, z. B. durch eine pädagogisch begabte, in der Bewältigung des LebensalItags geschickte, ihrem Kind besonders liebevoll zugewandte Mutter; demgegenüber können in einer vollständigen Familie Erziehungsdefizite auftreten, wenn beide Eltern sich ihren Kindern zu wenig zuwenden, nicht ausreichend erziehungsfahig sind oder etwa gar Gewalt als Erziehungsmittel anwenden. Auch dies ist ein Grund, der es - bezogen auf die Realität nicht zuläßt, eine Familienfonn an sich einer anderen gegenüber für überlegen oder unterlegen zu halten.
3. Es gibt eine Reihe von Determinanten, die als Daten des sozio-ökonomischen Bedingungsrahmens, der die Handlungsspielräume von Familien und die materiellen Voraussetzungen der Aufgabenerfüllung beeinflußt, üblicherweise Spezifika dieser bestimmten Familienform sind und die wenn sie eine bestimmte Ausprägung haben - die Aufgabenerfüllung erschweren bzw. beeinträchtigen. Diese Bestimmungsfaktoren der Handlungsspielräume und der familialen Aufgabenerfüllung für unterschiedliche Familienfonnen herauszuarbeiten, ist nicht nur ein Gebot sozialer Gerechtigkeit gegenüber den Familien, weil "Kinder ein Recht darauf haben, ihr Leben in einer Weise zu führen, wie es eines menschlichen Wesens würdig ist",94 sondern auch angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung von Familien ein Postulat rationaler Gesellschafts- und Sozialpolitik. Zu diesen Detenninanten familialer Aufgabenerfüllung gehören insbes. die Höhe des Einkommens, die das Pro-Kopf-Einkommen bestimmende Familiengröße, ferner - in Beziehung zum Einkommen und zur Größe der Familie stehend - der verfügbare Wohnraum, das bauliche und soziale Wohnungs94 5·
Schneewind 1991, S. 64.
46
I. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
umfeld, die Bildung der Eltern und ihr Erziehungsverhalten, die genetische Basis der Kinder, bestehende Nachbarschaftshilfen und öffentliche familienunterstützende Beratungs- und Betreuungseinrichtungen (vgl. zu diesem sozioökonomischen Datenrahmen den folgenden Abschn. E.). Hält man gedanklich die von den anderen Bedingungen relativ unabhängigen Determinanten, die für bestimmte Familienformen gelten, konstant, z. B. Bildung und Erziehungsverhalten der Eltern und die genetische Basis der Kinder, und variiert man andere, aufgrund unseres Wissens und empirischer Untersuchungen nach Familienformen überwiegend unterschiedlich ausgeprägte Determinanten, wie z. B. das je nach der Kinderzahl bei gleichem Familieneinkommen unterschiedliche Pro-Kopf-Einkommen oder das unterschiedlich hohe Familieneinkommen vollständiger und unvollständiger Familien, dann lassen sich sehr wohl potentielle Unterschiede in den Chancen, Möglichkeiten, Erschwernissen und Bedrohungen familialer Aufgabenerfüllung herausarbeiten.
IH. Familienformen und familiale Aufgabenerfüllung Ein Überblick über Unterschiede in den strukturellen Voraussetzungen familialer Aufgabenerfüllung Vor dem Überblick über Unterschiede in den nach Familienformen unterschiedlichen Voraussetzungen der Erfüllung familialer Aufgaben sei noch einmal darauf hingewiesen, daß jede Familie im Sinne der in dieser Arbeit verwendeten Definition prinzipiell gleichzeitig die Reproduktionsfunktion, die Funktion der Versorgung, der Erziehung und Sozialisation der Kinder, der Pflege und der Regeneration ihrer Mitglieder in einer auf andere Weise nicht erreichbaren Effektivität und Qualität wahrnimmt. 95 Dies gilt in höchstem Maße für die auf der Ehe beruhende Familie. 1. Die Ehegatten-Familie
Die Ehegatten-Familie ist unter der Voraussetzung einer relativ konfliktfreien, "normalen" Paarbeziehung der Eltern strukturell als optimale Fami95 Pöggeler (1994) macht (S. 8) darauf aufinerksam, daß alle Versuche der letzten Jahrzehnte, die Familienerziehung dadurch zu entlasten und ihre DefIZite zu überwinden, daß man einen Teil der Aufgaben der Familie außerfamilialen Einrichtungen übertrug, die Unersetzbarkeit der Familie aufgezeigt haben.
D. Familienformen und Funktionserfiillung
47
lienform anzusehen. 96 Der gegenseitige Verpflichtungscharakter der elterlichen Beziehung ist durch den formalen Eheschluß untermauert und wird durch das für die Ehe geltende, berechtigende und verpflichtende System von Rechtsnormen als einem verhaltens- und entscheidungsregulierenden Fundament gestützt. Dies fördert die Stabilität der Elternbeziehung. Für die Phase der primären Sozialisation oder Soziabilisierung - sie reicht bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes - wie auch für die Phase der sekundären Sozialisation der Kinder ist diese Stabilität von besonderer Bedeutung. Denn erstens stehen in diesem Falle eine Mutter und ein Vater als Bezugsperson zur Verfügung. Das Kind erfährt dadurch die Realität eines über die Zweierbeziehung Mutter-Kind oder Vater-Kind hinausgehenden sozialen Systems. In ihm lernt es mütterliche und väterliche Fürsorge und geschlechtlich differente soziale Beziehungsqualitäten kennen, so daß das bestehende soziale Beziehungsgeflecht in dem bei der Ehegatten-Familie bestehenden familialen Kontext besonders erziehungsfördernd ist. 97 Väter können wie Mütter effektive Bezugspersonen sein und eine besonders wichtige Rolle bei der Entwicklung der Geschlechtsidentität und des Geschlechterrollenverhaltens ihrer Söhne und Töchter spielen. 98 Dies gilt insbes. angesichts der zu beobachtenden Entwicklung einer "neuen Väterlichkeit".99 Zweitens aber hat diese Familienform gegenüber der unvollständigen Familie den großen Vorteil, daß die mit der Versorgung und Erziehung von Kindern verbundenen Aufgaben von den Eltern gemeinsam und arbeitsteilig gelöst werden können, also die für Alleinerziehende häufig auftretenden beachtlichen, zum Teil gravierenden Probleme entweder gar nicht auftreten oder leichter bewältigt werden können. Bei der Ehegatten-Familie lassen sich in bezug auf die Aufgabenerfüllung als Unterformen die Ein- und die Mehrkinderfamilie sowie die Familie mit einem erwerbstätigen Elternteil und mit Erwerbstätigkeit beider Eltern unterscheiden. Für die Einkind-Familie ist auf ein mögliches Defizit an Sozialerziehung zu verweisen, das vor allem auftreten kann, wenn das Fehlen eines 96 Claessens (1967) bezeichnet die vollständige Kernfamilie als "optimalen Beziehungsraum" (S. 48 ff.), denn die Kernfamilie mit drei bis sechs Mitgliedern "bietet zumindest rein quantitativ die Chance, daß die Beziehungen aller Mitglieder zueinander realisiert werden, sehr intensiv sein und bestehen bleiben können. Außerdem ist sie deJjenige Kleingruppentyp, der eine sehr geringe Anzahl von Mitgliedern mit einer relativ hohen Anzahl möglicher Innenbeziehungen verbindet. Die Anzahl der sich dem Kind anbietenden Bezugspersonen ist nicht so groß, daß sie verwirrend auf den Aufbau der Persönlichkeit wirken könnte. Die realisierten Beziehungen sind aber so vielfaltig, daß eine disproportionale Entwicklung des Kindes, wie sie bei einer dauernden isolierten Kind-Mutter-Beziehung droht, vermieden werden kann" (S. 52 f). 97 Vgl. dazu auch Kaufinann 1995, S. 47 ff. 98 Schneewind 1991, S. 71. 99 Vgl. dazu die ausfiihrliche Darstellung bei Kaufinann 1995, S. 128 ff.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Geschwister-Systems wegen fehlender außerfamilialer Kinderbetreuungsplätze nicht wenigstens partiell durch den Besuch des Kindergartens oder/und des Kinderhorts ausgeglichen werden kann. Auch im Falle einer Erwerbstätigkeit beider Eltern im Kleinst- und Kleinkindalter können die Bedürfnisse der Kinder und die Wahrnehmung der Erziehungsfunktion beeinträchtigt werden. 100 2. Die Familie nicht-eheIicher Lebensgemeinschaften 101
Die (Zeugungs-)Familien von Partnern, die in nicht-ehelicher Gemeinschaft zusammenleben, können sehr verschiedene Ausprägungen haben. Es kann sich um ein Paar mit einem oder mehreren biologischen Kindern handeln, aber auch um ein Paar, in dessen Haushalt ein leibliches Kind bzw. leibliche Kinder nur des Mannes oder der Frau oder von Mann und Frau zusammenleben, ohne jedoch leibliche Geschwister zu sein. Hier soll nur die erstgenannte Unterform einer Familie mit gemeinsamen biologischen Kindern strukturell charakterisiert werden. Ihr wesentlicher Unterschied zur Ehegatten-Familie besteht "nur" darin, daß die Eltern nicht verheiratet sind, also auf die rechtliche und auf die mit dem Recht verbundene Stabilisierung ihrer Beziehung und damit auch die Stabilisierung des gesamten Sozialgefiiges ihrer Familie verzichten. Diese Beurteilung der nicht-ehelichen Gemeinschaft und der Qualität der Familie einer solchen Gemeinschaft wird durch die vielfach belegte Tatsache bestätigt, daß der Anteil unverheiratet zusammenlebender Paare mit Kindern niedrig und tendenziell abnehmend ist,102 weil die Partner nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften überwiegend dann heiraten, wenn Kinder kommen oder wenn sie welche haben möchten. 103 Die Vorzüge nicht-ehelichen Zusammenlebens werden von denjenigen, die sich für diese Form des Zusammenlebens entschieden haben, darin gesehen, 100 Vgl. dazu Pöggeler 1994, S. 4. Wegen der Gefahr der Beeinträchtigung der Erziehungsfunktion plädiert der Verfasser dafilr, Eltern von Kleinst- und Kleinkindern vom Zwang zum Einkommenserwerb aufgrund zu niedrigen Familieneinkornmens zu befreien, damit die Eltern in dieser Familienzyklusphase eine echte Entscheidungsfreiheit haben, in welcher Weise sie Erwerbs- und Familientätigkeit vereinbaren wollen. Vgl. dazu Kap.S, Abschn. D.III.1.c). 101 Vgl. zu den nicht-ehelichen Gemeinschaften Wingen 1984 und 1994, S. 349 ff. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei darauf hingewiesen, daß fiir den Verfasser von einer Ehe oder Eheähnlichkeit nur gesprochen werden kann und sollte, wenn es sich um verschieden geschlechtliche Partner handelt. 102 BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. S \. 103 BMJFG 1985, passim, insbes. S. 8; Wingen 1984, S. 43; Hettlage 1992, S. 128.
D. Farnilienfonnen und Funktionserfilllung
49
daß die Verbindlichkeiten und Verpflichtungen ehelichen Lebens vermieden werden, daß also "das gewählte Zusammenleben unter dem beiderseitigen Vorbehalt jederzeitiger, formloser und sofortiger Kündigung" steht. 104 Junge Erwachsene sehen in dieser Form eine Möglichkeit, sich nach dem Wegzug aus der Herkunftsfamilie autonom und mobil finanziell und beruflich zu entwickeln und abzusichern, ehe sie sich über die Gründung einer eigenen Familie klar werden. 105
Aufgrund einer Längsschnittuntersuchung über die Stabilität der Partnerschaftsbeziehungen in nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften kommt FranzXaver Kaufmann zu dem Schluß, daß diese Gemeinschaften vorwiegend ein Durchgangsstadium sind, das entweder mit der Eheschließung oder mit der Auflösung des Verhältnisses endet. Er hat ferner festgestellt, daß dem Prinzip der Monogamie im Sinne einer wechselseitigen Treueerwartung eine erhebliche Bedeutung zukommt. I06 Dennoch wäre es verfehlt, diese Gemeinschaften als ehe-ähnliche Gemeinschaften oder als "Ehen ohne Trauschein" zu bezeichnen, weil das gewählte Zusammenleben nach dem Willen der Beteiligten bewußt nicht in die for die Ehe bereitgestellten rechtlichen Institutionen eingebunden werden soll. Familien eheähnlich zusammenlebender Paare sind, da die Paarbeziehung meist nicht in der Absicht eingegangen wurde, eine Dauerbeziehung zu begründen,107 unter sonst vergleichbaren Umständen instabiler als die auf einer Ehe beruhenden Familien. 3. Die Ein-Eltern-Familie
Die Ein-Eltern-Familie oder unvollständige Familie hat sowohl als MutterFamilie wie auch als Vater-Familie ein erhebliches strukturelles Defizit, das in Verbindung mit "Neben"-Folgen die Wahrnehmung familialer Aufgaben stark erschwert: ihr fehlt entweder der Vater oder die Mutter (von der Unterform der Ein-Eltern-Familie, in der die alleinerziehende Mutter oder der alleinerziehende Vater mit einern Partner zusammenlebt, sei hier abgesehen). 108 Im Falle der innerhalb der Ein-Eltern-Familie eindeutig dominierenden Mutter-Familie mag das Fehlen des Vaters nicht so sehr wegen der Rolle des Vaters bei der 104 Wingen 1984, S. 21. 105 Hettlage 1992, S. 125.
106 Kaufinann 1995, S. 111. 107 Nave-Herz 1988, S. 69. 108 "Der Ausfall eines Elementes in dem .... sozialen Grundsystem, z.B. des Vaters, muß .... zu tiefgreifenden Veränderungen in der Art, wie die 'Welt' angegangen wird, fuhren" (Claessens 1967, S. 91).
50
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Entwicklung der Geschlechtsidentität und des Geschlechterrollenverhaltens der Kinder ins Gewicht fallen als vielmehr wegen des Fehlens eines Partners beim Einkommenserwerb, bei der Wahrnehmung der Erziehungsfunktion und als wichtiges Element der Regeneration der Mutter in seiner Eigenschaft als Lebenspartner, der Aufgaben übernimmt, Mitverantwortung trägt und auch Gesprächspartner ist. Als (miteinander zusammenhängende) Probleme von Ein-Eltern-Familien werden vor allem konstatiert: - vergleichsweise niedrige Familien- und Pro-Kopf-Einkommen; 109 - beengte Wohnverhältnisse llO und ein beeinträchtigtes Wohnumfeld; 111 - ein Mangel an persönlicher Zuwendung in den ersten, für die Entwicklung der Persönlichkeit besonders wichtigen Lebensjahren des Kindes wegen des Erwerbszwanges, unter dem die Alleinerziehenden stehen; 112 - aus wirtschaftlichen Engpässen resultierende eingeschränkte Sozialisationsbedingungen; 113 - eine anhaltende Überforderung der Mutter bzw. des Vaters durch Mehrfachbelastung als erwerbstätige Person, als Hausfrau bzw. Hausmann und Mutter bzw. Vater l14 mit entsprechenden Rückwirkungen auf die Erziehungsqualität; - eine disproportionale Entwicklung des Kindes 115 und eine Reduzierung sozialer Kontakte. 116 Die bei Alleinerziehenden wegen der für sie im allgemeinen besonders schweren Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit angespannte wirtschaftliche Lage drückt sich nicht nur darin aus, daß alleinstehende Eltern in den unteren Einkommenskategorien überrepräsentiert sind, sondern auch in einem hohen Grad an Sozialhilfebedürftigkeit. 32,5 % der Mut-
109 Nach dem Mikrozensus 1985 lag das Familiennettoeinkommen von 32,5 % aller Ein·Eltern· Familien in der Bundesrepublik unter der Sozialhilfeschwelle, bei den alleinstehenden ledigen Müttern waren es sogar 46,5 %, bei den getrennt lebenden Müttern 36,4 %. Vgl. dazu Neubauer 1988, S. 45 und Hettlage 1992, S. 182. 110 Vgl. die Darstellung bei Neubauer 1988~ S. 51 ff 111 Schneewind 1991, S. 79. 112 Schneewindl991, S. 68 f.; Pöggeler 1994, S. 4; Deutsche Liga rur das Kind, Kinder unter Drei. Bedingungen einer guten Betreuung, Neuwied 1995, S. 11 ff. 113 Neubauer 1988, S. 114. 114 Hettlage 1992, S. 182; Neubauer 1988, S. 66 ff. 115 Claessens 1967, S. 53. 116 Neubauer 1988, S. 57 ff Vgl. auch L. Wilk, Familienstruktur und Benachteiligung, in: Badelt 1994, S. 101 ff. Dort wird dargestellt, daß Kinder aus Ein·Eltern·Familien die Rahmenbedingungen rur die Gestaltung des familialen Lebens häufig ungünstiger erleben als die meisten übrigen Kinder.
D. Familienformen und Funktionserfilllung
51
ter-Kind-Familien mit einem Kind waren (1985) sozialhilfebedürftig. l17 Auch die Wohnsituation der Ein-Eltern-Familien ist merklich schlechter als die vollständiger Familien. 1I8 Kinder Alleinerziehender sind daher vielfach nicht nur mit Problemen konfrontiert, die sich aus dem Fehlen bzw. aus der geringen Verfügbarkeit des "anderen" Elternteils oder auch daraus ergeben, daß der alleinerziehende Elternteil mehr oder minder eng mit einem anderen Partner zusammenlebt, sondern müssen sich auch mit einer vergleichsweise schlechteren Lebenslage zufriedengeben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für die Familienpolitik, sich besonders um eine Verbesserung der Lebensbedingungen Alleinerziehender und ihrer Kinder zu bemühen. Die Zunahme der Zahl Alleinerziehender dürfte auch ein ins Gewicht fallender Grund für die steigenden Anteile von Kindern an den Sozialhilfeempfängern sein. 119 Wirtschaftliche Folgen der Unfähigkeit und/oder der Unwilligkeit der Individuen, eine eingegangene Ehe aufrechtzuerhalten, müssen demnach nicht nur die Scheidungswaisen tragen, sondern auch die Gesellschaft. Besonders belastet sind auch die Alleinerziehenden selbst, die dreifach belastet sind, nämlich durch den Einkommenserwerb, durch die Versorgung und Erziehung ihrer Kinder und durch ihr Alleinsein. Vergleichende Studien über Kinder mit und ohne Vater ergaben,120 daß 1. Kinder aus vaterlosen Familien leistungsschwächer sind als Kinder aus
vollständigen Familien;
2. Kinder, die ohne Vater aufwuchsen, als moralisch unreifer eingestuft wur-
den;
3. in Verbindung mit der Abwesenheit des Vaters wiederholt Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen bei den Kindern diagnostiziert wurden. Gesonderte Erwähnung verdienen Ein-Eltern-Familien mit Kindern, deren Eltern geschieden sind oder getrennt leben. Die Situation dieser Kinder, 121 die 117 Neubauer 1988, S. 43. 118 Ebenda, S. 51 ff. 119 1992 bezogen 867 000 Kinder unter 18 Jahren Hilfe zum Lebensunterhalt. Das waren 37 % aller Empfänger dieser Kategorie von Sozialleistungen. Vgl. zur Darstellung der Lebenslage Alleinerziehender und ihrer Kinder Neubauer 1988, Hettlage 1992, S. 181 ff. und Kaufinann 1995, S. 85 ff. 120 Vgl. dazu Fthenakisl NieseIl Kunze 1982, S. 64 ff. 121 Vgl. zur Lage dieser Kinder Wingen 1994, S. 312 ff.
52
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
häufig als Scheidungswaisen bezeichnet werden, kann noch erschwert werden oder erschwert worden sein durch den Trennungs- oder Scheidungsschock, der durch das Fehlen eines Elternteils, die Veränderung der Wohnsituation, die Schulsituation und die veränderte ökonomische Lage ausgelöst wird und sich je nach Altersstufe unterschiedlich äußert122 sowie durch das Gefühl der Vernachlässigung und der Verlassenheit durch den Vater beziehungsweise die Mutter. Nachwirkungen der Trennung der Eltern zeigen sich u. a. daran, daß Jugendliche aus geschiedenen Ehen deutlich eheunwilliger sind als andere junge Menschen. 123 Aus einem Überblick über empirische Untersuchungen der Konsequenzen von Ehescheidungen für die Kinder 124 ergab sich, daß die Reaktionen der Kinder eine große Variationsbreite entsprechend dem Alter, dem Entwicklungsstand und einer Vielzahl individueller und situationsbedingter Faktoren aufweisen. Danach reagierten auf die Scheidung - Kinder im Alter von 2 1/2 bis 3 1/2 Jahren mit auffälliger Regression in der Sauberkeitserziehung, verstärkter Irritiertheit, Weinen, allgemeinen Angstzuständen, akuten Trennungsängsten, verstärkter Masturbation, gesteigerter Aggressivität und Trotzverhalten; - Kinder im Alter von 3 1/2 bis 5 Jahren mit erhöhter Irritiertheit, Aggression und Angst vor Aggression, erschüttertem Vertrauen in die Zuverlässigkeit menschlicher Beziehungen, Trauer und einem Gefühl von Hilflosigkeit, Gehemmtheit in Spiel, Phantasie und Verhalten, vermindertem Selbstwertgefühl und Traurigkeit; - Kinder im Alter von 5 bis 6 Jahren mit erhöhter Ängstlichkeit und Aggression, Trennungsängsten, mit der Artikulation von Trauer, Wünschen nach der Rückkehr des Vaters und der Wiederherstellung der Familieneinheit. Es gab aber auch Kinder, die von den Scheidungsereignissen nicht beeinträchtigt zu sein schienen; - Kinder im Alter von 7 bis 8 Jahren mit anhaltender Traurigkeit, dem Gefühl der Bedrohung ihrer Existenz und weit verbreiteten Wünschen nach Wiedervereinigung der Familie; - Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren mit aktiven geistigen und körperlichen Anstrengungen, um ihr aus den Fugen geratenes Leben wieder zu ändern und mit ihren Gefühlen der Verlassenheit, Ablehnung und Hilflosigkeit fertig zu werden, mit Schamgefühl, bewußtem und intensivem Zorn und mit einer Erschütterung ihres Selbstwertgefühls;
122 Vgl. dazu Hettlage 1992, S. 186 f. sowie Lirnbach 1988b, S. 52. 123 Hettlage 1992, S. 130. 124 Fthenakisl NieseU Kunze 1982.
D. Familienfonnen und Funktionserfilllung
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- Kinder und Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren mit Zorn, Trauer, Schmerz, Scham und mit dem Gefühl, verlassen und betrogen worden zu sein. Die Jugendlichen waren jedoch in der Lage, nach Überwindung des ersten Schocks die Ursachen der Scheidung realistisch einzuschätzen und die Problematik der Elternbeziehung in Betracht zu ziehen. 4. Stieffamilien
Stieffamilien entstehen, wenn alleinstehende Eltern eine neue eheliche oder nicht-eheliche Partnerschaft eingehen. Dadurch erhält das Kind bzw. erhalten die Kinder entweder eine soziale Mutter, die nicht gleichzeitig auch die biologische Mutter ist oder einen Vater, der nicht gleichzeitig auch der biologische Vater ist. Stieffamilien sind, wie Hettlage herausgearbeitet hat, unter strukturellem Aspekt in dreifacher Hinsicht instabiler als die Kernfamilie. 125 Erstens ist die neue Eltern-Kinder-Beziehung wegen der unklar bleibenden Rolle des Stiefvaters beziehungsweise der Stiefmutter spannungsvoll. Denn mit der Stiefelternrolle sind keine Rechte und keine volle Verantwortung verbunden, sie ist eine Parallel- oder Nebenrolle; Stiefeltern sind in den Augen der Kinder meist nicht die "richtigen" Eltern. "Mit anderen Worten: die 'Biologie' der Kern-Familie wirkt weiter und läßt sich nicht so leicht überspielen". 126 Zweitens steht die neue Partnerbeziehung unter Druck, weil einerseits übersteigerte Konfliktwahrnehmungen, die auf den Erfahrungen der gescheiterten ersten Ehe beruhen, und die Befürchtung eines neuen Scheiterns die neue Beziehung prägen und andererseits der Stiefelternteil mit dem Kind beziehungsweise den Kindern zunächst nicht vertraut ist und auf den Widerstand des Kindes beziehungsweise der Kinder stoßen kann. Daher ist die Stieffamilie bestandsanfällig. Drittens sind die Beziehungen zwischen den mit der Stieffamilie entstandenen beiden neuen Familienkernen nicht leicht zu entspannen. Obwohl Kinder erfahrungsgemäß loyal zu beiden biologischen Eltern sind, können Schwierigkeiten in bezug auf Besuchsregelungen und Erziehungsstil auftreten und aus den unterschiedlichen Lebensstilen der beiden Kernfamilien Spannungen entstehen. Kinder können dadurch in Loyalitätskonflikte geraten, die ihre Entwicklung beeinträchtigen. 125 Hettlage 1992, S. 190 ff. 126 Hettlage 1992, S. 190.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Die in der Analyse des Zusammenhanges zwischen Familienformen und familialer Aufgabenerfüllung herausgearbeiteten strukturbedingten Unterschiede im Leistungspotential, d. h. in bezug auf die Chancen möglichst guter Aufgabenerfüllung, führen - wie bereits erwähnt - nicht zwingend zu qualitativ schlechterer Aufgabenerfüllung. Dennoch dürfen die strukturellen Unterschiede und die daraus für die Funktionserfüllung, insbes. für die Erziehungsund die Sozialisationsfunktion, entstehenden Probleme nicht übersehen werden. Für die Familienpolitik ergeben sich aus der Analyse zwei wichtige Konsequenzen. Erstens nämlich die Aufgabe der Familienpolitik, die Vielfalt der Familienformen prinzipiell zu akzeptieren und zu versuchen, soweit wie möglich Voraussetzungen zu schaffen, um die aufgezeigten Probleme zu vermeiden beziehungsweise zu lindern, und zweitens die Aufgabe, das öffentliche Bewußtsein für die strukturellen Vorzüge der Ehegattenfamilie und für die strukturellen Schwächen anderer Familienformen zu schärfen.
E. Die Abhängigkeit der Funktionserfüllung von den sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen Im vorhergehenden Abschnitt klang bereits an, daß die Qualität der Erfüllung familialer Aufgaben bzw. Funktionen stark von den sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen abhängt, die die Existenz der Familie prägen. Die Bedeutung der wichtigsten dieser Rahmenbedingungen soll im folgenden kurz beleuchtet werden. Die in der Bundesrepublik gegebenen konkreten Ausprägungen dieser Determinanten werden an anderer Stelle (2.Kap.B.) behandelt.
I. Der Einfluß von Einkommen und Vermögen Die materielle Versorgung der Familienmitglieder mit dem Ziel, ihren elementaren Lebensbedarf zu decken, aber auch die Grundlage für die personale Entfaltung zu legen, ist eine zentrale Aufgabe der Familie. Daher kommt dem Einkommen einer Familie aus Erwerbstätigkeit, aber auch aus Vermögen und aus Sozialtransfers für die Qualität der Funktionserfüllung grundlegende Bedeutung zu. Denn das Einkommen bestimmt das Versorgungsniveau der Familie und die Spielräume an materialer Freiheit, die eine Familie hat.
E. Funktionserfilllung und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
55
Definiert man in Übereinstimmung mit der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur materiale Freiheit als die Möglichkeit, im Rahmen der durch Recht und Sitte sowie durch Technik und physische Möglichkeiten gezogenen Grenzen selbstgesteckte Ziele zu verwirklichen, und berücksichtigt man, daß die Verwirklichung der meisten solcher selbstgesteckter Ziele die Verfügung über materielle Güter voraussetzt,127 dann wird ersichtlich, daß die Freiheitsspielräume einer Familie unter sonst gleichen Umständen um so höher sind, je größer das Einkommen ist. Das verfügbare Einkommen bestimmt nicht nur über die Menge und die Qualität an Nahrungsmitteln, Kleidung, Haushaltsbedarfsartikeln, Hygieneund Sanitärprodukten und damit über die Qualität der Ernährung und der Gesundheitsvorsorge, sondern auch über die Menge und die Qualität der für die familiale Aufgabenerfüllung besonders wichtigen Wohnraumversorgung (vgl. dazu auch Unterabschn. 11.) und schließlich über die Möglichkeiten, zu reisen, sich sportlich zu betätigen, Bildungs- und Kulturgüter zu erwerben (Literatur, Musikinstrumente). Ein besonderes Problem in marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsgesellschaften ergibt sich daraus, daß in diesen Systemen die Höhe der Erwerbseinkommen systemnotwendig an die Höhe der erwerbswirtschaftlichen Leistung der Einkommensbezieher gebunden ist, also der Bedarf eines Erwerbstätigen in seiner Eigenschaft als Familienvater oder Familienmutter für die Einkommenshöhe keine Rolle spielt. Das bedeutet konkret, daß dann, wenn aus einer Familie nur einer der erwachsenen Partner erwerbstätig ist, weil die Führung des Familienhaushalts und die Versorgungs- und Betreuungsaufgabe gegenüber dem Kind oder den Kindern den anderen Partner voll absorbiert, nur ein Erwerbseinkommen zur Sicherung der Existenz der ganzen Familie zur Verfügung steht. Dies heißt nicht nur, daß das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen und damit das Versorgungsniveau einer Familie unter sonst gleichen Umständen um so geringer wird, je größer die Zahl der Kinder ist, daß also das absolute Versorgungsniveau absinkt. 'Es bedeutet auch, daß das Versorgungsniveau von Familien merklich geringer ist als das Versorgungsniveau von alleinstehenden Erwerbstätigen und erwerbstätigen kinderlosen Paaren (vgl. dazu auch 2. Kap. B.I.). Besonders kritisch ist die Lage alleinerziehender Mütter bzw. Väter, weil sie nur dann ein volles Erwerbseinkommen erzielen können, wenn sie ihr 127 Vgl. dazu die ausfiihrliehe Darstellung bei Lampert 1992, S.
19 ff., insbes. S. 31 ff.
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1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Kind bei Verwandten oder in der Kinderkrippe bzw. im Kindergarten ganztägig unterbringen können. Eine besondere Rolle kommt dem Vermögen zu, weil es eine Determinante der Lebenslagestabilität ist. Familien, die über Geldvermögen verfügen, können auf unvorhergesehen auftretenden Bedarf, z. B. im Falle einer Arbeitslosigkeit oder im Falle des Bedarfs an Grundausstattung bei der Geburt eines weiteren Kindes, reagieren, ohne in finanzielle Engpässe zu geraten. Sie können den Wunsch nach einem eigenen Heim leichter realisieren als Vermögenslose, vor allem, wenn sie über Vermögen an Grund und Boden verfügen. Daher sollte die Vermögenspolitik weit stärker als bisher familienorientiert ausgestaltet werden.
11. Wohnverhältnisse und Wohnumfeld Die Familie stellt einen sozialen Schutz- und Entfaltungsraum dar. Deswegen kommt der Wohnung als dem materiellen Rahmen dieses Schutz- und Entfaltungsraumes außerordentliches Gewicht zu. Bedeutung haben Größe und Qualität des verfügbaren Wohnraumes nicht nur für die Deckung der persönlichen Bedürfnisse, die Regeneration und die personale Entfaltung der erwachsenen Familienmitglieder, sondern insbes. für die Qualität des Sozialisationsprozesses der Kinder und Jugendlichen und für die Qualität des Zusammenlebens innerhalb der Familie. 128 Für die Qualität der Erfüllung der Sozialisationsfunktion, der Regenerationsfunktion und der Versorgungsfunktion sind alle quantitativen und qualitativen Merkmale einer Wohnung relevant: die Größe und die Belegungsdichte der Wohnung, die Art und die Größe der verfügbaren Räume (insbesondere die Größe der meist zu kleinen Kinderzimmer), die Qualität der Wohnung in baulicher und sanitärer Hinsicht, die Wohnform und die Eigentumsform, die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur, d. h. die Verkehrsanbindung, Einkaufsgelegenheiten, die Verfügbarkeit von Kindergärten, Spielplätzen und Schulen, gesundheitliche Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen, ferner und nicht zuletzt die Qualität der physischen Umwelt, d. h. der bauliche Verdichtungsgrad, das Ausmaß der Luftverunreinigung und der Lärmpegel.
128 Vgl. dazu die ausfiihr1ichen Darstellungen in BMJFG 1974, S. 16 ff. und BMJFG 1975, S. 96 ff. sowie Vaskovics 1988 und Wingen 1994, S. 246 ff.
E. Funktionserfilllung und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
57
III. Organisation und Stabilität des Wirtschafts- und Sozialsystems Eine zwar nicht vernachlässigte, in ihrem Gewicht in der familienwissenschaftlichen Literatur jedoch nicht ausreichend gewürdigte Rahmenbedingung des Familienlebens ist das Wirtschafts- und Sozialsystem und seine Stabilität. Allein schon das Wirtschaftssystem und insbes. die Arbeitswelt beeinflussen die Lebensbedingungen von Familien nachhaltig. Dabei soll nicht noch einmal die Tatsache weiter beleuchtet werden, daß unser Wirtschaftssystem keinen Familienlohn - im günstigsten Fall den durch Familienzuschläge etwas aufgebesserten Individuallohn - und keine Entlohnung der Hausarbeit und der Familienarbeit kennt, wenn letztere durch Familienmitglieder geleistet werden. Vielmehr ist auch daran zu denken, daß das Arbeitsverhältnis und die Arbeitswelt in der Regel auf den Familienstand keine Rücksicht nehmen.!29 "Bislang sind die erwerbstätigen Familienmitglieder weitgehend gezwungen, ihre Pflichten, Anforderungen und Wünsche aus anderen Lebensbereichen, insbesondere auch aus der Familie, den Bedingungen des Arbeitslebens unterzuordnen. Die Forderungen der Organisation des Arbeitslebens haben auch heute im Zweifel Vorrang. Die Erstellung des Sozialprodukts genießt nach wie vor eindeutigen Vorrang vor den Interessen und Pflichten der Arbeitnehmer. Konflikte werden meist zu Lasten der familialen Aufgaben gelÖSt."130 Franz-Xaver Kaufmann hat zur Kennzeichnung dieser Problematik!3! den Begriff der "strukturellen Rücksichtslosigkeit der Wirtschaft gegenüber der Familie" geprägt. 132 Ein weiteres, mit der Arbeitswelt in einem marktwirtschaftlichen System verbundenes Problem ergibt sich aus den wirtschaftlichen Instabilitäten solcher Systeme, vor allem aus der Arbeitslosigkeit, durch die die Stetigkeit des Einkommensflusses unterbrochen und die wirtschaftliche Existenz der Familie bedroht wird. Die daraus resultierende Instabilität der Lebenslage, die bei den erwachsenen und nicht erwachsenen Familienmitgliedern Besorgnisse, Unsicherheit und Zukunftsangst auslöst, beeinträchtigt selbstverständlich das Familienklima und die optimale Erfüllung der Familienfunktionen in vielfaltiger Weise.!33 Abgesehen von den Einkommenseinbußen und ihren Folgen drohen !29 vgl. dazu auch Fürstenberg 1986 und BMJFG 1984. 130 Birk 1994, E 14. 13! Vgl. zu den verschiedenen Aspekten dieser Problematik 2. Kap.B.III.2. 132 Vgl. zur strukturellen Rücksichtslosigkeit gegenüber der Familie auch BMFuS
1994a (Fünfter Familienbericht), S. 21. 133 VgI. dazu die ausfiihrliche Darstellung von Problemen der Arbeitslosigkeit aus der Sicht der Familie in BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 154 f[
58
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
ein Verlust sozialer Kontakte und soziale Isolation, Beeinträchtigungen eines positiven Lebensgefühles und psychosomatische Erkrankungen. Selbst wenn mit dem wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandel keine Arbeitslosigkeit verbunden ist, kann, wie Untersuchungen über die Folgen rapiden soziokulturellen Wandels in Form von Modernisierungs- und Industrialisierungsprozessen zeigen, dieser Strukturwandel "akkulturativen Streß" erzeugen, der die Familie nicht unberührt läßt. 134 Die Funktionserfiillung von Familien wird nicht nur durch das Wirtschaftsund das Sozialsystem im allgemeinen, sondern durch das Sozialleistungssystem im besonderen berührt, d.h. durch die Kontinuität beziehungsweise Diskontinuität von familienorientierten Sozialleistungen. Häufige und vielfältige Kürzungen familienorientierter Sozialleistungen beeinträchtigen, weil sie die Einkommenssituation der Familien verschlechtern, das Versorgungsniveau und untergraben, was vor allem für die Funktion der gesellschaftlichen Reproduktion ins Gewicht fallen kann, überdies das Vertrauen junger Menschen in die Verläßlichkeit der Familienpolitik und damit auch in die Verläßlichkeit der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen für Familien. Diese Verläßlichkeit familienunterstützender Maßnahmen ist deswegen besonders wichtig, weil die irreversible Entscheidung für die Gründung und Erweiterung einer Familie eine im Grunde genommen lebenslang wirksame Entscheidung ist. Zum Sozialsystem gehört auch die familienunterstützende Infrastruktur einer Gesellschaft. Sie soll ihrer spezifischen Bedeutung für die Familie wegen in einem eigenen Abschnitt behandelt werden.
IV. Familienunterstützende soziale Infrastruktur Die Arbeiten bzw. die Betätigungen im Haushalt und in der bzw. für die Familie sind außerordentlich breit angelegt und vielfältig. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien als Fächer, in denen Grundkenntnisse benötigt werden, genannt: Ernährungslehre, Kochkenntnisse, Textilarbeit, Textilkunde, Wäschepflege, Haus- und Wohnungspflege, Haushaltstechnik, Wohnen und Einrichten, Hygiene, Körper-, Gesundheits- und Krankenpflege, Säuglingspflege, Kindererziehung, Pädagogik, Rechtskunde.
134 Vgl. dazu Schneewind 1992, S. 81 f.
E. Funktionserfilllung und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
59
Systematisch erwerben ließen sich die Grundkenntnisse in diesen genannten Fächern eigentlich nur, wenn Haushalts- und Familienkunde ein über viele Jahre hinweg gelehrtes Schulfach wäre. Einige der erwähnten Fachkenntnisse lassen sich durch Teilnahme an Kursen erwerben, die im Rahmen von Erwachsenenbildungsveranstaltungen angeboten werden. Eine stärkere Förderung und stärkere öffentliche Anerkennung solcher Aktivitäten könnte den Wert der Familienarbeit und den Wert familienorientierter Bildung erhöhen. Für die Familien wäre es hilfreich, wenn sie auf ein breites und regelmäßig verfügbares Angebot zum Erwerb familienorientierter Bildung zurückgreifen und überdies ihren Bedarf an Familienberatung decken könnten. Dieser Bedarf an Beratung ist angesichts der vielfältigen auftretenden Probleme und offenen Fragen in Familien besonders groß. 135 Er erstreckt sich auf - die innerfamiliäre Beziehungsgestaltung (Ehe-, Partnerschafts-, Sexual-, Schwangeren-, Erziehungsberatung, Beratung im Falle der Trennung, der Scheidung oder des Todes); - Gesundheitsberatung (Hygiene-, Krankheitspräventions-, Suchtberatung, Beratung von Personen mit bestimmten Krankheitsbildern); - wirtschaftliche Beratung (Haushaltsbudget-, Verbraucher-, Kredit- und Schuldner-, Steuer-, Altersvorsorgeberatung); - Wohnberatung; - Bildungsberatung (Schullaufbahn-, Weiterbildungs-, Berufs- und Berufsbildungsberatung); - Beratung über Hilfsangebote für Familien (Beratung über Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftshilfen, Seniorenclubs, und insbesondere Beratung über das Angebot an monetären und nicht monetären Hilfen der Familienpolitik auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene sowie von seiten der Verbände der freien Wohlfahrtspflege); - Rechtsberatung (Ehe-, Kindschafts-, Vormundschaftsrechtsberatung, Beratung über mietrechtliche, arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Fragen). Familienorientierte Bildung und Familienberatung werden um so wichtiger, je mehr Lebensbereiche der Gesellschaft und der Individuen vom wirtschaftlichen und sozialen Wandel erfaßt oder berührt werden und je schneller sich dieser Wandel vollzieht. Bildung und Beratung können nicht nur akkulturativen Streß verhindern oder abbauen, sondern der Familie zu einer besseren Aufgabenbewältigung verhelfen. Allerdings bedarf die Familienberatung einer
135 Vgl. zu diesem Problemkreis BMFuS 1993. 6 Lampert
60
1. Kapitel: Bedeutung und Leistungen der Familie
Sicherung ihrer Qualität durch die Einfiihrung und Überprüfung verbindlicher Standards der Aus- und Weiterbildung der Berater. Zur familienunterstützenden sozialen Infrastruktur gehören selbstverständlich auch Kinderbetreuungseinrichtungen, darüber hinaus aber Einrichtungen der Kommunen und vor allem der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die durch Hilfseinrichtungen verschiedenster Art die Familie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützen und damit die Qualität der Aufgabenerfüllung verbessern. Zu nennen sind hier neben den Familienberatungsstellen ambulante und pflegerische Dienste (Sozialstationen, mobile soziale Dienste), Familienbildungsstätten, Familienzentren, Erholungs- und Kurheime sowie Frauenhäuser).
Zweites Kapitel
Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland unter soziostrukturellen und ökonomischen Aspekten und ihr Einfluß auf die Familie als Institution sowie auf ihre Aufgaben und Funktionen A. Die Entwicklung der Zahl, der Struktur und der Formen der Familien I. Die Entwicklung der Haushaltsstruktur und der Familienformen im Überblick Um die Entwicklung der Familien, ihrer Struktur und ihrer Formen darzustellen, geht man zweckmäßigerweise von der Entwicklung der Haushaltsstruktur aus, d.h. von der Verteilung der Privathaushalte auf Haushalte unterschiedlicher Größe. Haushalt und Familie sind zwar nicht identisch, aber in Haushalten unterschiedlicher Größe "stecken" unterschiedliche Lebens- bzw. Familienformen. Z.B. sind Menschen in Ein-Personen-Haushalten "Alleinlebende" oder "Singles", die scheinbar ohne Familie sind. Sie sind jedoch nur dann familienlos, wenn es sich um alte Menschen handelt, die nie verheiratet waren, keine Nachkommen und keine Verwandten mehr haben. Sie können aber auch Teil einer "Rest"-Familie sein, wenn sie noch Geschwister haben, oder Teil einer nicht mehr zusammenlebenden "Kern"-Familie, wenn sie verwitwet, geschieden oder getrennt lebend sind und Kinder haben, die in anderen Haushalten leben. Die Erhebungseinheit "Ein-Personen-Haushalt" sagt also nichts darüber aus, ob und in welcher Weise eine alleinlebende Person Element einer Familie im engeren oder auch im weiteren Sinn ist. Daher kann aus einern Anwachsen der Zahl dieses Haushaltstyps ohne zusätzliche Kriterien, wie z.B. Familienstand und Alter, nicht auf eine sinkende Bedeutung der Familie geschlossen werden. 6*
62
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
Bei Zwei-Personen-Haushalten handelt es sich überwiegend um Ehepaare ohne Kinder. Zu dieser Haushaltskategorie gehören aber auch Alleinerziehende. Aus einer Zunahme der Zwei-Personen-Haushalte kann man wiederum nicht ohne weiteres auf einen Rückgang der Zahl der Familien schließen, weil ein oder beide Mitglieder dieser Haushalte gemeinsame oder auch je für sich Kinder haben können, die in einem eigenen oder in einem anderen Haushalt leben. In Drei- oder auch Vier-Personen-Haushalten stecken überwiegend "Kern"Familien mit einem oder zwei Kindern, in Fünf-Personen-Haushalten Familien mit drei Kindern. Es kann sich bei den Vier- und Fünf-Personen-Haushalten aber auch um Haushalte von Ehepaaren mit einem bis drei Eltern des Paares bzw. um Haushalte mit Eltern und Kindern handeln. Ein kleiner Teil der Fünf-Personen-Haushalte dürften Wohngemeinschaften sein. Wenngleich die Mehr-Personen-Haushalte unterschiedlich zusammengesetzt sind, läßt sich doch festhalten, daß in unserer Gesellschaft Haushalte und Kernfamilie, nämlich die Eltern mit ihren bei ihnen lebenden Kindern, weitgehend identisch sind. I Eine Gegenüberstellung der Haushaltsstrukturen der Jahre 1900, 1950 und 1992 fiir das frühere Bundesgebiet findet sich in den Abb. I bis 3. Ein Vergleich der Werte fiir 1900 mit den Werten fiir 1992 zeigt, daß sich das Gewicht der Haushaltsgrößen genau entgegengesetzt verändert hat: während 1900 der Anteil der Haushalte unterschiedlicher Größe an der Gesamtzahl der Haushalte mit steigender Haushaltsgröße stieg, nahm 1992 das Gewicht der Haushalte unterschiedlicher Größe mit steigender Haushaltsgröße ab. Selbst fiir den kurzen Zeitraum zwischen 1950 und 1992 zeigen sich folgende erhebliche Veränderungen: 1. Der Anteil der Ein-Personen-Haushalte ist von 19,4 % auf 33,7 % gestiegen. Damit deutet sich an, daß diese Lebensform "Alleinlebende" zur dominierenden Haushaltsform geworden ist. Diese Entwicklung darf jedoch nicht dahingehend mißdeutet werden, als seien die Bundesbürger des Zusammenlebens mit anderen Menschen überdrüssig geworden. Denn zum Teil ist diese Entwicklung eine Folge der längeren Lebenserwartung: 1992 waren von den Alleinlebenden 40,6 % über 65 Jahre alt. Da überdies
I Stat. BA 1990, Familie heute, S. 11.
A Zahl, Struktur und Fonnen der Familie 50,00%
63
44,40%
40,00% 30,00% 14,70%
20,00%
17,00%
16,80%
10,00% 0,00%
+-~~-+~~L-+-~~-+~~L-+-~~ i
5 u.mehr
3 4 2 Haushalte mrt Personen
Abb.l: Haushaltsgrößen im früheren Bundesgebiet 1900
25,30%
30,00% 19,40% 20,00% 10,00%
23,00%
I~\k «
..
0,00% 4 3 2 Haushalte mit Personen
5u mehr
Abb.2: Haushaltsgrößen im früheren Bundesgebiet 1950
40,00%
33,70%
31 ,20%
30,00% 16,90%
20,00% 10,00% 0,00%
+-~=--+-Io"""oL--+-
2
__.-..i..--+----"""''''--+-''''''''''''''--i 3
4
Haushalte mit ... Personen
5 und mehr
Abb. 3: Haushaltsgrößen im früheren Bundesgebiet 1992
64
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
39,3 % verwitwet, 14,0 % geschieden und nur 42 % ledig waren,2 ist anzunehmen, daß allenfalls die Hälfte der in Ein-Personen-Haushalten Lebenden diese Lebensform freiwillig gewählt hat. Von den 80,7 Mio. Menschen, die 1992 in Deutschland in Privathaushalten lebten, lebten nur 12,04 Mio., also 14,9 %, in Ein-Personen-Haushalten. Anders ausgedrückt: 80,1 % der Bevölkerung lebten mit anderen Menschen zusammen. 2. Der Anteil der Zwei-Personen-Haushalte ist von 25,3 % auf 31,2 % angestiegen. Dieser Anstieg ist zum Teil wiederum mit der gestiegenen Lebenserwartung zu erklären, d.h. in diesem Haushaltstyp sind zahlreiche Paarhaushalte mit nicht mehr im Haushalt lebenden Kindern enthalten, aber auch kinderlose Paarhaushalte. Während 1972 37,0 % aller Ehepaare ohne Kinder waren, waren es 1992 43,8 %.3 Zum Teil ist der Anstieg der Zwei-Personen-Haushalte auch durch die Zunahme nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften verursacht; ihre Zahl ist von 137000 im Jahre 1972 auf 1,220 Mio. im Jahre 1993 (im früheren Bundesgebiet) gestiegen. 4 Gestiegen ist auch die Zahl der Alleinerziehenden mit Kindern, nämlich von 1,462 Mio. 1972 auf 1,982 Mio. 1993 (im früheren Bundesgebiet). Im vereinigten Deutschland gab es 1992 2,585 Mio. Alleinerziehende mit 3,525 Mio. Kindern, darunter 1,508 Mio. mit 2,083 Kindern unter 18 Jahren. 5 3. Der Anteil der Drei-Personen-Haushalte ist von 23,0 % auf 16,9 % zurückgegangen. Dies hängt vor allem mit der erwähnten Zunahme des Anteils kinderloser Ehepaare an den Ehepaaren zusammen. 4. Leicht verringert, nämlich von 16,2 % auf 13,2 %, hat sich der Anteil der Vier-Personen-Haushalte, die überwiegend Familien mit zwei Kindern umfassen, aber auch Familien mit einem Kind und einem Großelternteil. 5. Stark zurückgegangen, nämlich von 16,1 % auf 4,9 %, ist der Anteil der Haushalte mit fünf und mehr Personen. Zu ihnen gehören in erster Linie Familien mit drei und mehr Kindern und Haushalte, in denen drei Generationen zusammenleben. Ursache für diesen Rückgang ist in erster Linie der Rückgang der Zahl der Familien mit drei und mehr Kindern: während 1975 noch 22 % der Ehepaare drei und mehr Kinder hatten, waren es 1992 (im früheren Bundesgebiet) noch 13 %.6 Eine weitere Ursache liegt im Rück2 3 4 5 6
Stat. Jb. 1994, s. 70. Stat. Jb. 1990, S. 20 und 1994, S. 71. Stat. Jb. 1994, S. 71 und BMFSFJ 1995b, S.23. Stat. Jb 1990, S. 18 und 1994, S. 71. Hölder 1989, S. 20 und Stat. Jb. 1994, S. 71.
A Zahl, Struktur und Fonnen der Familie
65
gang der Drei- und Mehr-Generationen-Haushalte; ihr Anteil an den MehrPersonen-Haushalten ist von 5 % im Jahre 1972 auf 2 % im Jahre 1988 geschrumpft. 7 Ein Vergleich der Haushaltsstruktur der Jahre 1900, 1950 und 1992 zeigt, daß es sich bei den dargestellten Entwicldungstrends um langfristige Entwicklungen handelt. Als wesentliche Trends lassen sich festhalten: - eine starke Zunahme der Ein- und der Zwei-Personen-Haushalte; - eine starke Abnahme der Fünf- und Mehr-Personen-Haushalte, die eindeutig durch den Rückgang der Mehr-Kinder-Familie und der Drei-Generationen-Familie bedingt ist; - ein nicht so starker Rückgang der Drei- und eine relative Stabilität der Vier-Personen-Haushalte. Im steigenden Gewicht der Ein-Personen-Haushalte, im starken Rückgang der Groß-Haushalte, in der Zunahme der Haushalte Alleinerziehender und in der Zunahme des Anteils kinderloser Ehepaare an den Ehepaaren sowie in der Zunahme nicht-ehelicher Gemeinschaften wird ein Prozeß der Veränderung des Gewichts der verschiedenen Lebens- und Familienformen erkennbar, der im folgenden Abschnitt 11 noch näher dargestellt werden soll. Schon an dieser Stelle soll aber festgehalten werden, daß dieser Prozeß weder zum "Tod der Familie" noch zu einer "Vereinzelung" der Menschen geführt hat. 8 Einen Gesamtüberblick über die Lebens- und Familienformen in Deutschland gibt Tab.2. Sie vermittelt folgende Einsichten: 1. Von 80,6 Mio. Menschen lebten 40,85 Mio. als Eheleute und deren Kinder, 6,11 Mio. als Alleinerziehende mit ihren Kindern sowie 0,41 Mio. als nicht-eheliche Gemeinschaften und deren Kinder. Damit lebten 47,4. Mio. Menschen oder 58,8 % der Bevölkerung in einer Familie i.e.S. zusammen;
2. die Verheirateten ohne Kinder machten mit 17,20 Mio. 21,3 % der Bevölkerung aus; 3. alleinstehend waren 12,0 Mio. Menschen, d.h. 14,9 % der Bevölkerung. Auf die Ehepaare (mit Kindern und ohne Kinder) entfielen mit 58,1 Mio. Menschen 72,0 % der Bevölkerung. 7 Hölder 1989, S. 19. 8 So auch Hölder 1989, S. 25.
66
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
Daher kann man mit Egon Hölder formulieren: "Der 'Normalfall' ist in unserer Gesellschaft ... immer noch das Ehepaar mit oder ohne Kinder in einem Haushalt". 9 Allerdings entfallen auf Ehepaare mit Kindern nur noch 50,7 % der Bevölkerung. Tabelle 2
Lebens- und Familienformen in Deutschland 1992 Personen
Einheiten Lebensfonn (I)
absolut in I 000
in Prozent
absolut in I 000
in Prozent
(2)
(3)
(4)
(5) 100,0
Privathaushalte
35700
100,0
80732 a)
(2)
Ein-Personen-Haushalte
12044
33,7
12044
14,9
(3)
Mehr-Personen-Haushalte Ehepaare mit Kindern (vollständige Kemfamilie)b)
23656
66,3
68688
85,1
(4)
11032
30,9
40854
50,6
(5)
Alleinerziehende (unvollständige Kemfamilie)b)
2585
7,2
6110
7,6
(6)
Nicht-eheliche Gemeinschaften mit Kindemc)
409
1,1
> 818 d)
> 2,Od)
(7)
Ehepaare ohne Kinder Nicht-eheliche Gemeinschaften ohne Kinderc)
8601
24,1
17202
21,3
1076
3,0
2152
2,7
(I)
(8)
a) In dieser Zahl sind die in Mehr-Personen-Haushalten lebenden älteren Angehörigen des Haushaltsvorstands und seines Ehepartners bzw. sonstige, nicht zur Kemfamilie gehörende Verwandte enthalten. Daher ist die Summe der Zeilen 2, 4, 5 und 7 in den Spalten 4 und 5 kleiner als die Werte der Zeile I. b) Ohne Altersbegrenzung der Kinder. c) Die Partner nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften sind auch in den Rubriken Alleinstehende bzw. Alleinerziehende enthalten. d) Da die Kinder nicht-ehelicher Gemeinschaften nicht ausgewiesen werden, sind genaue Angaben nicht möglich.
Quelle: Stat. Jb. 1994, S. 70 f.
9 Hölder 1989, S. 26.
A Zahl, Struktur und Fonnen der Familie
67
11. Die Entwicklung ausgewählter Familienformen Wenn man die Entwicklung "der" Familie darstellen und analysieren will, muß man sich angesichts der schwer übersehbaren Vielfalt von Familienformen auf ausgewählte Familienformen beschränken. Selbstverständlich muß in eine solche Darstellung und Analyse die Familienform einbezogen werden, die als "Normal"-Form im Sinne der an einem Leitbild orientierten häufigsten Form gelten kann. Das ist im abendländischen Kulturkreis nach wie vor die auf der Erstehe fiir beide Partner beruhende Familie mit einem oder mehreren ehelichen bzw. adoptierten Kindern. Daneben sollten aus der Vielzahl realer Formen relativ häufige und solche Formen ausgewählt werden, für die die Erfüllung familialer Funktionen besonders erschwert erscheint. Geht man davon aus, daß Formen der Familie im engeren Sinne dargestellt und analysiert werden sollen, d.h. das Beziehungsgeflecht zwischen Eltern und ihren leiblichen oder adoptierten Kindern, dann ist von zwei Grundformen auszugehen: der vollständigen, aus Vater, Mutter und Kind(ern) bestehenden, und der unvollständigen, aus Vater oder Mutter und Kind(ern) bestehenden Familie. Für beide Grundformen existieren eine große Zahl von Varianten. Bei der Grundform "vollständige Familie" werden die Varianten durch den Familienstand von Vater und Mutter vor der Eheschließung geprägt. Vater und Mutter können ledig, verwitwet oder geschieden gewesen sein und in die Ehe eines oder mehrere Kinder einbringen, die - je nach dem vorehelichen Familienstand des Vaters bzw. der Mutter - ehelich oder nicht ehelich geboren sein können. Geht man um der Übersichtlichkeit willen davon aus, daß, wenn überhaupt, nur ein Kind in eine neue Ehe eingebracht wird und daß keine Adoption vorliegt, dann lassen sich alle denkbaren Varianten der Grundform "vollständige Familie" mit Hilfe des folgenden Diagramms erfassen. Sie sind in erster Linie aus der Perspektive der Kinder und unter dem Aspekt des intrafamilialen Konfliktpotentials bedeutsam. Die mit I gekennzeichneten Fälle sind dadurch charakterisiert, daß die Kinder der Familie leibliche Kinder beider Ehegatten sind. Wenn zudem beide Eltern vor der Eheschließung ledig waren, liegt der nach wie vor häufigste Fall der (jungen) "Normal"-Familie vor. In den mit 2 markierten Fällen handelt es sich um Familien, in denen das in die Ehe eingebrachte Kind seinen biologischen Vater bzw. seine biologische Mutter durch Tod verloren und jetzt einen Stiefvater bzw. eine Stiefmutter hat. Das in die Ehe eingebrachte Kind und die in der Ehe geborenen Kinder stehen zueinander im Verhältnis von Stiefgeschwistern.
68
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
Die durch 3 gekennzeichnete Konstellation unterscheidet sich von der vorhergehenden dadurch, daß der biologische Vater bzw. die biologische Mutter des in die Ehe eingebrachten Kindes noch lebt und zu diesem Kind Kontakte unterhält, so daß dieses Kind neben dem biologischen Vater noch eine sozialen Vater bzw. neben der biologischen noch eine soziale Mutter hat. Daraus können fiir das Kind Konflikte resultieren. Der Ehepartner, der das Kind in die Ehe eingebracht hat, hat möglicherweise problematische Beziehungen zum biologischen Vater bzw. zur biologischen Mutter des Kindes. Übersicht 2
Varianten der Grundform "Vollständige Familie" Vater Mutter ledig geschieden
verwitwet
ledig ohne Kind
11)
geschieden
mit Kind
ohne Kind
verwitwet
mit Kind
ohne Kind
mit Kind
ohne Kind
I
3
1
3
1
2
mit Kind
3
6
3
6
3
5
ohne Kind
1
3
1
3
1
2
mit Kind
3
6
3
6
3
5
ohne Kind
1
3
I
3
1
2
mit Kind
2
5
2
5
2
4
a) Die Angaben "ohne Kind" und "mit Kind" beziehen sich auf die Zeit vor der Eheschließung bzw. vor der Bildung einer nicht-ehelichen Gemeinschaft.
Die Konstellationen 4 bis 6 unterscheiden sich von den vorhergehenden dadurch, daß beide Ehepartner mindestens je ein Kind in die Ehe einbringen. Diese Fälle dürften weit seltener sein als die vorher beschriebenen. In den mit 4 bezeichneten Fällen hat eines der eingebrachten Kinder einen Stiefvater, das andere eine Stiefmutter; beide sind Halbwaisen, sind Stiefgeschwister und stehen auch zu den in der Ehe geborenen Kindern in dieser Beziehung. In den Fällen der Gruppe 5 ist nur eines der in die Ehe eingebrachten Kinder Halbwaise, das andere kann noch den biologischen Vater bzw. die biologische Mutter haben und zu ihm bzw. zu ihr Kontakte unterhalten.
A Zahl, Struktur und Fonnen der Familie
69
Die durch 6 markierten Fälle schließlich sind die komplexeste Form der vollständigen Familie, in die sowohl der Vater als auch die Mutter je ein Kind eingebracht hat, das noch Beziehungen zu seinem biologischen Vater bzw. zur biologischen Mutter hat. Wenn die Familie insgesamt drei Kinder hat, hat jedes Kind ein anderes leibliches Elternpaar und zwei der Kinder "Außenbeziehungen". Vermutlich unterhalten in den meisten dieser Fälle auch die beiden Ehepartner noch Kontakte zum biologischen Vater bzw. zur Mutter ihres Kindes. Im Prinzip ähnliche Familienformen können existieren, wenn das Kind aus der vor der erstmaligen oder neuen Familiengründung liegenden Phase nicht in die neue Beziehung eingebracht wird, sondern beim leiblichen Vater bzw. der leiblichen Mutter verbleibt und nur im Rahmen von entsprechenden Vereinbarungen Kontakte zum anderen Elternteil in dessen neuer Familie unterhält. Die Spannungen, die durch die unterschiedliche biologische Abkunft der Kinder mit dem nur sozialen Elternteil und eventuell auch zwischen den Kindern unterschiedlicher biologischer Abkunft entstehen können, sind dann möglicherweise geringer als wenn diese Kinder dauernd in der neuen Familie leben. Sehr ähnliche Ausprägungen wie bei den Varianten 1 bis 6 sind im Prinzip möglich im Falle nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften. Das Formenspektrum kann dadurch erweitert werden, daß solche Lebensgemeinschaften auf gemeinsame Kinder bewußt verzichten. Die potentielle Labilität der nicht-ehelichen Gemeinschaften wird dadurch einerseits möglicherweise reduziert, kann aber andererseits wegen des Fehlens eines so starken Bindegliedes, wie gemeinsame Kinder es darstellen, vergrößert werden. Auch für die Grundform "Unvollständige Familie" gibt es - je nach dem Familienstand der alleinerziehenden Mutter bzw. des alleinerziehenden Vaters - unterschiedliche Ausprägungen. Sieht man von dem Fall ab, daß Alleinerziehende Kinder adoptieren, dann gibt es als Varianten die verwitwete, die geschiedene, die getrennt lebende und die ledige Mutter bzw. den verwitweten, geschiedenen, getrennt lebenden oder ledigen Vater. Im folgenden sollen als Lebensformen näher beschrieben und analysiert werden: - die Ehegatten-Familie, - die Familie Alleinerziehender, - die Stieffamilie, - die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft und - die Alleinlebenden.
70
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
1. Die Entwicklung der Ehegatten-Familie
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß im vereinigten Deutschland die auf der Ehe beruhende vollständige Familie 1992 mit 31 % die größte Gruppe aller Privathaushalte darstellte, die 50,6 % aller in Privathaushalten lebenden Personen umfaßte und daß Ehepaare ohne Kinder 24,1 % aller Haushalte ausmachten und in ihnen 21,3 % der in Privathaushalten wohnenden Personen lebten (vgl. dazu Tab. I). Knapp zwei Drittel aller Haushalte sind demnach Ehepaare mit und ohne Kinder. In diesen Haushalten, deren Kern die Ehe darstellt, lebten 72 % aller Personen und wuchsen im Jahre 1993 86 % aller Kinder unter 18 Jahren auf. 10 Um dieses Bild zutreffend werten zu können, muß man erstens hinzufügen, daß sich die Familiengrundung in höhere Altersjahrgänge verschoben hat. Rohert Hettlage spricht von einer "Eheverzögerung" (1992, S. 137). Das Heiratsalter lediger Männer ist im früheren Bundesgebiet von 25,3 im Jahre 1975 auf 29,0 im Jahre 1992 gestiegen, das der ledigen Frauen von 22,7 auf 26,5. In den neuen Bundesländern stieg das Heiratsalter der ledigen Männer von 23,2 auf 27,1 Jahre, das der ledigen Frauen von 21,3 auf 25,1 Jahre. 1I Zweitens ist zu berücksichtigen, daß in der Gruppe der Ehepaare ohne Kinder 69,3 % der Ehefrauen über 50 Jahre alt waren und daß viele dieser Frauen Kinder hatten, die den elterlichen Haushalt verlassen haben. 12 Je größer der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft wird, um so geringer wird der Anteil der Ehen mit Kindern an den Ehen und an den Privathaushalten. Drittens ist zu berücksichtigen, daß auch eine Vorverlegung der Loslösung von Kindern aus dem elterlichen Haushalt zu einem Rückgang des Anteils der Ehen mit Kindern an der Gesamtzahl der Ehen führt. In die gleiche Richtung wirkt die statistisch beobachtete Verlängerung der Zeitspanne zwischen der Heirat und der Geburt des ersten Kindes selbst bei quantitativ gleichbleibendem Geburtenverhalten. Soweit die genannten Faktoren zu einer Verringerung des Anteils der Ehen mit Kindern an der Gesamtzahl der Ehen und der Privathaushalte fohren, kann man von einem solchen Rückgang nicht auf eine sinkende Bedeutung der Familien schließen. Obwohl es die statistischen Daten über den Bestand der Ehen und der Familien und über familienstatistische Trendverläufe nicht zulassen, von einem Untergang der Ehe und der Familie zu sprechen, und obwohl - wie noch zu zeigen sein wird - Ehe und Familie keinem Bedeutungsverlust erliegen, son10 BMFSFG 1995b, S. 40 11 Stat. Jb. 1994, S. 76. 12 Stat. BA 1990, S. 15 und 22.
A Zahl, Struktur und Fonnen der Familie
71
dem nur einen Bedeutungswandel erfahren haben l3 , verdient es die Aufmerksamkeit der Wissenschaft und der Politik, daß die Heiratsneigung sowie die Nettoreproduktionsrate der Bevölkerung sinken und die Zahlen der Ehescheidungen, der Scheidungswaisen, der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften sowie der Alleinerziehenden steigen. In Nord-, West- und Südeuropa sind die Eheschließungen je 1000 Einwohner stark rückläufig. 14 Rückläufig war - wie Tab. 3 zeigt - auch die Zahl der Eheschließungen in der Bundesrepublik in den Jahren 1950 bis 1980, insbesondere seit Beginn der 60er Jahre. Sie stieg mit dem Erreichen des Heiratsalters durch die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre wieder an und erhöhte sich - teilweise durch die Wiedervereinigung bedingt - absolut weiter. Allerdings sank wegen eines rapiden Rückgangs der Eheschließungsbereitschaft in den neuen Bundesländern langfristig die Zahl der Eheschließungen je 10 000 Einwohner. Interessante Einblicke in das Heiratsverhalten vermittelt auch die Veränderung der Struktur der Eheschließenden. Es zeigt sich, daß die Anteile der Ledigen an den Eheschließenden seit 1960 sowohl bei den Männern wie auch bei den Frauen rückläufig sind. 1960 waren noch rund 9/10 der Eheschließenden ledig, 1992 dagegen weniger als 4/5. Dementsprechend ist der Anteil derjenigen Heiratenden, die beide eine Erstehe eingehen, von 83,4 % im Jahre 1960 auf 68,3 % 1992 zurückgegangen. Dieser Rückgang ist zum Teil eine zwangsläufige Folge der Tatsache, daß verhältnismäßig viele Geschiedene wieder heiraten l5 sowie eine Folge steigender Zahlen von Wiederverheiratungen verwitweter Menschen, die aus der gestiegenen Lebenserwartung resultieren (vgl. dazu die einschlägigen Werte in Tab.3). Erstaunlich ist, daß seit 1960 die Anteile der Geschiedenen, die eine weitere Ehe eingehen, so stark gestiegen ist, daß 1992 jede fünfte männliche und jede fünfte weibliche eheschließende Person vorher geschieden war. Dies dar/man als Indiz dafor deuten, daß nicht generell die Heiratsneigung zurückgegangen ist, sondern daß die Ansprüche an die Qualität der Ehe gestiegen sind. Ehepartner sind, da die wirtschaftlichen Folgen einer Scheidung weit weniger
\3 Nave-Herz 1988, S. 60 ff., insbes. S. 60 sowie BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 70 ff. 14 Vgl. dazu die Werte bei Hettlage 1992, S. 135 und FederkeillStrohmeier 1993, S. 21 f. 15 Zwei Drittel der Geschiedenen heiraten erneut. Hettlage 1992, S. 138.
72
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
gravierend sind als früher, heutzutage nicht mehr bereit, eheliche Enttäuschungen auf Dauer zu akzeptieren. 16 Die Wertschätzung der Ehe hat sich trotz des Wandels in den Lebensverhältnissen und Lebensgewohnheiten nicht fundamental verändert. Vielmehr ist flir junge Menschen eine feste Partnerschaft nach wie vor das erstrebte Ideal. Im Gegensatz zu früher ist die Ehe jedoch stärker kindorientiert. d.h. daß die legalisierte Festlegung auf einen Partner v. a. im Hinblick auf gewünschte oder erwartete Kinder erfolgt. 17 Allerdings hat die Ehe durch die Entkoppelung von Sexualität und Ehe sowie durch die Entkoppelung von Ehe und Elternschaft an Bedeutung eingebüßt (vgl. dazu Abschn. A.III. in diesem Kap.).
Nicht unwesentlich für den Bedeutungswandel der Ehe dürfte es auch sein, "daß stützende Institutionen in ihren Orientierungsaufgaben weitgehend ausgefallen sind. Die Institution 'Ehe und Familie' in ihrem traditionellen Verständnis ist nicht mehr in ein gleichgerichtetes Institutionenfeld aus Brauch, Sitte, Erziehung, Recht und Politik eingebettet, das die normative Selbstverständlichkeit eines dauerhaften Zusammenlebens von Ehepaaren untermauert. "18 Trotz der Bedeutung, die die Ehe in unserer Gesellschaft nach wie vor hat, ist die Heiratshäufigkeit vor allem bei jüngeren Jahrgängen stark zurückgegangen. Dies zeigt sich an der Veränderung der altersspezifischen Eheschließungsziffern lediger Frauen, die in Abb. 4 dargestellt ist. Sie vermittelt erstens den Eindruck eines starken Rückgangs der Heiratshäufigkeit jüngerer Jahrgänge und zeigt zweitens, daß die Heiratshäufigkeit an sich, vor allem im Vergleich zu 1970, stark zurückgegangen ist. Beide Entwicklungstrends kommen auch darin zum Ausdruck, daß sich die Kulminationspunkte der eheschließenden Frauen der Jahre 1980 und 1991 gegenüber 1970 nicht nur vom 21. Lebensjahr auf das 23. bzw. das 27. Lebensjahr verschoben haben, sondern auf 48 % bzw. 40 % abgesunken sind. Die Abbildung zeigt auch deutlich, daß die "Heiratsverluste" , die durch die Anhebung des durchschnittlichen Heiratsalters entstehen, in späteren Jahren nicht aufgeholt, sondern nur zum Teil ausgeglichen werden. Der Anstieg des durchschnittlichen Heiratsalters und der Rückgang der Heiratsdichte wirkten sich - neben anderen Determinanten - auch auf das regenerative Verhalten aus. 16 So auch Hettlage 1992, S. 172. 17 Vgl. dazu v.a. Hettlage 1992, S. 127 f[ und Nave-Herz 1988, S. 85. 18 Hettlage 1992, S. 173 f.
Quelle: Stat. BA 1988, S. 98 - 101, Stat. Jb. 1994, S. 77 f.
d) Vereinigtes Deutschland. c) 1951.
-
2,4
58
453428
c) Früheres Bundesgebiet.
b) Reichsgebiet.
-----
2,4
77,7
3,4
81,6
79,3
59
65
4,5
85,4
73
444510
397738
4,6
87,1
94
521445
362408
6,6
80,7
a) Wiederverheiratungen.
1992 d)
1980c) 1988c)
I 960 c) I 970 c)
9,3
89,9
82
-
-
19,9
18,4
15,0
10,2
8,3
12,7
0,8
(6)
(5)
107
(4)
gesch.
77,~
80,1
82,6
86,8
90,2
80,7
93,7
(7)
ledig
waren vor der Eheschließung
I
von 100 Eheschließenden
verw.
535708
1901 b) 1950c)
(3)
ledig
Männem
468329
(2)
Einwohner
je 10000
Eheschließungen
insges.
(I)
Jahr
15,0
2,4 1,5
-
21,0
18,7
10,3
2,9 1,3
6,7
8,3
3,0
1l,0
0,9
(9)
(8) 5,5
gesch.
verw.
Frauen
I beider
---
68,3
70,9
74,3
80,0
83,4
~8,6
17,6
15,6
10,6 12,1
13,1
1l,5
10,1
6,0 7,8
8,7
-
-
17,4c)
-
73,9 c)
(12) (Il)
_
Partner(s)
eines
Wverh. a)
(10)
ehen
Erst-
I
von 100 Eheschließungen waren :
Eheschließungen, Stand der Eheschließenden, Erst-Ehen und Wiederverheiratungen 1901 bis 1992
Tabelle 3
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74
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
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Alter der Frauen in Jahren
Abb. 4: Das Heiratsverhalten der Frauen
in der Bundesrepublik Deutschland 1950 bis 1991
Dieses regenerative Verhalten hat sich in Westeuropa und in den Vereinigten Staaten von Nordarnerika seit Mitte der 60er Jahre stark verändert. In allen entwickelten Industrieländern hat sich die Fruchtbarkeitsrate auf zwei Drittel, teilweise sogar auf die Hälfte des Niveaus abgesenkt, das zur Reproduktion der Bevölkerung erforderlich wäre. Im internationalen Vergleicl\ haben Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland die niedrigsten Regenerationsraten l9 . In Abb. 5 ist für die Bundesrepublik und für die ehemalige DDR die zusarnrnengefaßte Geburtenziffer abgetragen. Sie gibt an, wieviele Kinder in einern bestimmten Jahr von 1 000 Frauen im gebärfähigen Alter geboren wurden. Da die Bestandserhaltung der Bevölkerung (bei einern Wanderungssaldo von null) die Geburt von 2,1 Kindern pro gebärfähiger Frau bzw. von 2 100 Kindern pro 1 000 gebärfähiger Frauen voraussetzt, gibt sie gleichzeitig an, ob die Geburtenziffer zu einern Wachstum, zur Stabilität oder zur Schrumpfung der Bevölkerung fuhrt.
19 Vgl. dazu die zahlenmäßige Übersicht bei HettIage 1992, S. 139 und BMFSFG 1995b, S. 43 f.
A Zahl, Struktur und Formen der Familie
75
Die Abbildung zeigt deutlich den sog. "Babyboom" der 60er Jahre und das dramatische Absinken der Geburtenziffern in den 70er und 80er Jahren auf einen für die Bundesrepublik weit unter dem Bestandserhaltungsniveau liegenden Wert. Langfristig angelegte empirische Analysen lassen erkennen, daß eine hohe Korrelation zwischen der Heiratshäufigkeit (Heiraten pro 1 000 Einwohner) und der Geburtenhäufigkeit (Geburten je 1 000 Einwohner) besteht. 2o 2500 .!!,.
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BRD
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Quelle: Absolute Zahlen nach BMFuS 1994b, S. 9 und BMFSFJ 1995b, S. 42. Abb. 5: Die Entwicklung der zusammengefaßten Geburtenziffern in beiden Teilen Deutschlands 1950 bis 1994
Der für die Bundesrepublik und für die ehemalige DDR feststellbare starke Geburtenrückgang läßt sich v.a. auf zwei Komponenten zurückführen: erstens auf die Tatsache, daß - wie Tab.4 zeigt - der Anteil der Frauen, die im Laufe ihres Lebens kein Kind gebären, an 1 000 Frauen von Geburtsjahrgang zu Geburtsjahrgang seit 1935 steigt,21 und zweitens die Tatsache, daß, wie sich ebenfalls aus Tab.4 ergibt, der Anteil der Frauen, die drei und mehr Kinder zur Welt bringen, rückläufig ist. 22 Demgegenüber zeigen sich bei den Frauen, die ein und zwei Kinder gebären, keine starken Veränderungen. Insgesamt ist die Zahl der Kinder, die in Deutschland geboren werden, au/zwei Drittel des 20 Vgl. dazu die Darstellung bei Kaufinann 1995, S. 43. Auch zwischen dem Anstieg des Heiratsalters und dem Alter der Mütter bei der Erstgeburt ihrer Kinder besteht eine Korrelation. Vgl. dazu Stat.BA 1988, S. 117 ff. 21 Der Prozentsatz der Frauen, die keine Kinder bekommen haben bzw. bekommen werden, ist im früheren Bundesgebiet von lO,1 % filr den Geburtsjahrgang 1940 über 14,9 % filr den Jahrgang 1950 auf 23,2 % filr den Jahrgang 1960 gestiegen. Die entsprechenden Werte filr die DDR lauten 8,9 %, 8,0 % und 10,5 %. Vgl. BMFSFJ 1995b, S. 50. 22 Vgl. zu dieser Problematik auch Nave-Herz 1988, S. 71 ff. sowie Hettlage 1992, S. 138 ff. 7 Lampert
76
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
Bestandsniveaus abgesunken. Gleichzeitig wurden mit der rückläufigen Kinderzahl pro Familie größere Geschwister-Subsysteme seltener. Tabelle 4
Die paritätsspezifische Kinden:ahl nach den Geburtsjahrgängen in den alten Bundesländern von 1935 bis 1958 GeburtsjahrgAnge
Von 1 000 Frauen haben im Verlauf ihres
Zahl der
der Frauen
Lebens ..... Kinder
Kinder auf 1000 Frauen
0
1
2
3 und mehr
1935
92
257
299
352
2175
1940
106
264
341
289
1973
1945
127
306
348
220
1775
1950
148
305
351
197
1685
1955
203
284
342
175
1533
1958
229
279
336
155
1455
Quelle: Kaufmann 1995, S. 46. Es wäre allerdings verfehlt, den Geburtenrückgang als Indikator rur die Ablehnung von Kindern und Familie anzusehen. Er ist vielmehr die Folge der Favorisierung einer bestimmten Familiengröße. 23 Diese Favorisierung der Ein- und der Zwei-Kinder-Familie wiederum hängt weitgehend mit der Veränderung der ökonomischen Lebensbedingungen und mit der Lebenslage der Familien in der entwickelten Wirtschaftsgesellschaft zusammen (vgl. dazu Abschn. B.I. dieses Kap.). Eine weitere Rolle dürften jedoch auch ein historisch ungewöhnliches Maß an Zuwendung zu den Kindern und ein (zum Teil schon fragwürdig) hohes Anspruchsniveau an die Versorgung und an die Lebensgestaltung der Kinder spielen, das sich rur die Mehrkinder-Familie wirtschaftlich, zeitlich und psychisch schwer realisieren läßt. 24 Als weiterer Grund fiir die Favorisierung der Kleinfamilie sind die im Zuge des wirtschaftlichen und sozialen Wandels veränderten, eben angesprochenen Wertvorstellungen in bezug auf das regenerative Verhalten zu nennen.
23 Nave-Herz 1988, S. 71. 24 Vgl. dazu Nave-Hcrz 1988, S. 75 und G. G1oger-Tippelt / B. Gomille / R. Grimmig 1993, die verdeutlichen, daß die verantwortete Elternschaft mehr AufWand an Zeit und Energie rur Kinder verlangt, so daß pro Kind mehr AufWand an Zeit und psychischer Energie erforderlich ist als früher (S. 106).
A Zahl, Struktur und Fonnen der Familie
77
Wenngleich ein großer Teil des Geburtenrückgangs mit dem Trend zur Ein- und Zwei-Kinder-Familie erklärt werden kann, so sollte doch nicht übersehen werden, daß ein zunehmender Teil der gebärfähigen Frauen - beim Geburtsjahrgang 1958 waren es bereits mehr als ein Fünftel - überhaupt kein Kind zur Welt bringt. Franz-Xaver Kaufmann spricht daher von einer Tendenz der Polarisierung zwischen Frauen und Männern, die "in Familie investieren" und einem wachsenden Anteil von Kinderlosen. 25 Seit 1980 ist ein leichter Anstieg der ehelich lebendgeborenen dritten Kinder, seit 1987 auch der vierten und fünften Kinder erkennbar. 26 Bemerkenswert ist, daß der in Ehen festgestellte Geburtenrückgang Mitte der 70er Jahre zum Stillstand kam und die Eheschließungsjahrgänge 1980 bis 1985 nach einjähriger Ehedauer deutlich höhere Geburtenziffern aufweisen als der Eheschließungsjahrgang 1975. 27 Als "höchste Belastung und Herausforderung für das traditionelle Familienmodell" wird vielfach die Entwicklung des Scheidungsverhaltens angesehen. 28 Auf europäischer Ebene übertrifft die Zunahme der Scheidungshäufigkeit noch den Rückgang der Ehehäufigkeit. 29 Auch in der Bundesrepublik und in der DDR hat die Zahl der Ehescheidungen - wie Tab. 5 zeigt - stark zugenommen. 3D Zwischen 1960 und 1993 hat sich in der Bundesrepublik die Zahl der Scheidungen je 10 000 Einwohner auf das Zweieinhalbfache erhöht, in der DDR ist sie zwischen 1960 und 1980 auf das Zweieinhalbfache gestiegen. 3 ! Bei der Beurteilung dieser Entwicklung sollte nicht übersehen werden, daß sich die durchschnittliche Ehedauer erheblich verlängert hat. Um 1900 endeten Ehen nach 20 Jahren durch den Tod eines Partners, gegenwärtig ist die durchschnittliche Ehedauer doppelt so lang. 32
25 Kau1lnann 1995, S. 45. 26 1988 stieg der Anteil der Drittkinder gegenüber 1980 (11,1 %) auf 12,0 %, der Anteil der vierten Kinder gegenüber 1985 (3,0 %) auf3,2 % und der der filnften Kinder gegenüber 1987 (1,6 %) auf 1,7 %. Stat. BA 1988, S. 120. 27 Stat. BA 1988, S. 121 f. 28 Hettlage 1992, S. 163. 29 Vgl. dazu Hettlage 1992, S. 165 sowie FederkeillStrohrneier 1993, S. 22 f. 30 Der Rückgang der Ehescheidungen im Gebiet der früheren DDR seit 1990 ist auf die durch die Wiedervereinigung eingetretene Rechtsunsicherheit, das filr die Bürger in den neuen Bundesländern neue Scheidungsrecht und die neuen Lebensumstände zurückzufilhren. 3! Der Rückgang der Ehescheidungen im Gebiet der früheren DDR seit 1989 stellt eine mit der Wiedervereinigung zusammenhängende Sonderentwicklung dar. Vgl. dazu S. 60. 32 Vgl. dazu Hettlage 1992, S. 164 und Nave-Herz 1988, S. 75. 7*
78
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
Aufmerksamkeit verdient, daß die Zahl der durch Scheidungen betroffenen Kinder, d.h. die Zahl der "Scheidungswaisen" - wie sich ebenfalls aus Tab. 5 ergibt - erheblich ist. Wenn die Werte des Jahres 1993 auch in Zukunft gelten, ist davon auszugehen, daß die Zahl der Scheidungswaisen jährlich um 100 000 wächst. Das Risiko eines Kindes, Scheidungswaise zu werden, wird übrigens um so geringer, je mehr Kinder in einer Familie leben. Denn die elterliche Scheidungsneigung wird durch die Geburt jeden weiteren Kindes reduziert. 33 Tabelle 5
Ehescheidungen und Zahl der betroffenen Kinder in der Bundesrepublik und in der DDR seit 1960
Jahr
Zahl der Scheidungen je
Anteil der geschiedenen
Zahl der betroffenen
10 000 bestehender Ehen
Ehen mit Kindern in
Kinder
Prozent BRD
DDR
BRD
DDR
BRD
DDR
1960
35,0
40,Oa)
57,8
58,9
45067
22214
1970
50,9
63,9
63,7
69,2
86057
32647
1980
61,3
106,6
52,9
40,4
78972
46075
1990
81,0
79,0
48,4
66,4
87328
31012
1993
83,0
47,6
69,6
104631
18910
50,0
a) 1965.
Quelle: BMFSFJ 1995b, S. 36 u. S. 39.
2. Die Entwicklung der Haushalte Alleinerziehender
1970 wurden im früheren Bundesgebiet 745 000 Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren erfaßt. 1992 waren es 1016000. 34 1994 wurden im vereinigten Deutschland 1,631 Mio. Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern und 2,696 Mio. mit ledigen Kindern ohne Altersbegrenzung gezählt. Der
33 Vgl. Th. Klein, Scheidungsbetroffenheit im Lebenslauf der Kinder, in: B. Nauck I H. Bertram (Hrsg.), Kinder in Deutschland, Opladen 1995, S. 253 ff. 34 Quelle fUr diese und die folgenden Zahlen BMFuS 1994b, S. 20 [ und BMFSFJ 1995b, S. 18 [
A Zahl, Struktur und Fonnen der Familie
79
Anteil der alleinerziehenden Eltern an allen Eltern (Zahl der Ehepaare plus Alleinerziehende) belief sich 1994 auf 17,2 %.35 Von den Alleinerziehenden waren 84,5 % Mütter, 15,5 % Väter. 36 Sieht man davon ab, daß Alleinerziehende überwiegend Frauen sind, dann läßt sich dieser Familientyp als eine sehr heterogene Gruppe bezeichnen. In Gesamtdeutschland waren (1993) 42,5 % der Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren geschieden und 12,9 % verheiratet, aber getrennt lebend, so daß für rd. drei Fünftel der Alleinerziehenden eine nicht aufrechterhaltene Ehe Grund für diese Familienform ist. 8,6 % der Alleinerziehenden waren verwitwet und 35,8 % ledig. 31 Der hohe Anteil Geschiedener und Verwitweter ist der wesentliche Grund dafiir, daß Alleinerziehende im Durchschnitt pro Haushalt nicht viel weniger Kinder haben als Ehepaare mit Kindern (1987: 1,4 gegenüber 1,7). 1992 lebten in Deutschland in unvollständigen Familien 3,525 Mio. Kinder, davon waren 2,083 Mio. unter 18 Jahre alt. 3. Die quantitative Bedeutung der Stieffamilien
Die Zahl der Stieffamilien wird durch die amtliche Statistik nicht erhoben. Nach Schätzungen von Karl Schwarz, die auf Mikrozensusergebnisse gestützt sind, betrug 1981 die Zahl der Kinder in Stieffamilien 1,060 Mio.; das waren 8 % aller Kinder. Davon lebten 0,860 Mio. in einer Stiefmutter-Familie und 0,200 Mio. in einer Stiefvater-Familie. 38 Bernhard Nauck ermittelte in einer Repräsentativerhebung, daß 6,4 % der Kindschaftsverhältnisse eine Stiefelternschaft beinhalten, wobei diese Kinder zu über 80 % einen Stiefvater haben. 39 Errechnet man entsprechend diesen Prozentwerten die Zahl der Stiefkinder für 1992, dann ergibt sich eine Stiefkinderzahl in Höhe von 0,980 bis 1,236 Mio.
35 Für das frühere Bundesgebiet errechnet sich ein Anteil von 13,8 %, fllr die neuen Bundesländer ein Anteil von 21,5 %: 36 In den neuen Bundesländern leben 715000 Alleinerziehende, von denen 88,1 % Mütter und 11,9 % Väter sind. 31 Im Bundesgebiet ist der Anteil der Kinder lediger alleinerziehender Mütter an allen Kindern alleinerziehender Mütter von 11,7 % im Jahre 1972 auf 25,1 % im Jahre 1992 gestiegen. Dies ist eine weltweit zu beobachtende Entwicklung. Vgl. dazu die Zahlenübersicht in BMFSFJ 1995b, S. 46. 38 K. Schwarz, Eltern und Kinder in unvollständigen Familien, in: Zeitschrift fllr Bevölkerungswissenschaft 1984, S. 3 ff. 39 B. Naucl5
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
100,0
101,6
112,0
100,7
91,3
76,7 76,1
(2)
darunter: (2)
Beamte
112,3
118,7
125,4
100,5
86,5
(3)
Angestellte
108,7
109,0
120,2
98,0
83,1
76,5
(4)
Arbeiter
78,0
110,8
123,2
102,1
90,0
76,8
(5)
Arbeitslose
55,7
97,1
111,0
109,2
93,5
83,1
(6)
Sozialhilfeernpftnger
47,9
100,6
104,8
107,5
101,3
87,9
a) Die Wohlstandspositionen der Mehr-Personen-Haushalte sind Ergebnis folgender Gewichtung: Bezugsperson 1,0; weitere Person ab 14 Jahren 0,7; Kinder unter 14 Jahren 0,5.
Quelle: Hauser 1995, S. 137.
Aus der Vielzahl der Ergebnisse seien folgende hervorgehoben: l. Das Pro-Kopf-Einkommen des Doppelverdiener-Ehepaares beträgt in der Ein-Kind-Farnilie 79 % und in der Zwei-Kinder-Farnilie 67 % des ProKopf-Einkommens im kinderlosen Doppelverdiener-Haushalt. Gleich große Abstände zeigen sich zwischen dem kinderlosen Doppelverdiener- Haushalt und dem Eineinhalbverdiener-Haushalt mit Kindergeld mit einem und mit zwei Kindern. Demgegenüber vergrößert sich der Abstand zwischen dem kinderlosen Doppelverdiener-Haushalt und dem EineinhalbverdienerHaushalt ohne Erziehungsgeld mit einem Kind auf 70 % und mit zwei Kindernauf57%.
B. Wirtschaftliche und soziale Lage der Familien
93
Tabelle 7 Die verfügbaren Einkommen von ausgewählten Familientypen 1983 in Baden-Württemberg pro Monat in DM Familientyp
Zahl der Kinder 0
1
2
3
4
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
verfilgbares Einkommen
3008
3230
3629
4035
Pro-Kopf-Einkommen in Prozentd)
1367
1 196
1134
1091
67
58
55
53
2408
2630
3029
3435
1095
974
947
928
53
47
46
45
2885
3589
3742
4064
1697
1631
1386
1270
83
79
67
62
2885
2989
3142
3464
1697
1428
1 164
1083
83
70
57
53
3467
3570
3723
2039
1623
1379
JOO
79
67
(1) (1) Alleinverdiener-HHa) (2)
mit Erziehungsgeld
(3) (4) (5) (6)
ohne Erziehungsgeld verfilgbares Einkommen Pro-Kopf-Einkommene) in Prozentd)
(7) (8) EineinhalbverdienerHHb)
(10)
(9)
verfilgbares Einkommen Pro-Kopf-Einkommene)
(11)
in Prozentd)
(12) (13)
mit Erziehungsgeld
ohne Erziehungsgeld verfilgbares Einkommen Pro-Kopf-Einkommene) in Prozentd)
(14) (15) Doppelverdiener-HH c) (16) (17) (18)
ohne Erziehungsgeld verfugbares Einkommen Pro-Kopf-Einkommene) in Prozentd)
a) Ehemann Facharbeiter in der Industrie. b) Ehemann Facharbeiter in der Industrie; Ehefrau Halbtagsangestellte im Einzelhandel, Leistungsgruppe 4. c) Wie Eineinhalbverdiener-Haushalt,jedoch Vollzeittätigkeit der Ehefrau. d) In Prozent des Pro-Kopf-Einkommens des kinderlosen Doppelverdiener-Haushalts. e) Gewichte filr die Errechnung: Erste Person 1,0; zweite Person 0,7;je Kind 0,5.
Quelle: J. Cornelius, Modellrechnungen zur wirtschaftlichen Lage von Familienhaushalten unterschiedlicher Kinderzahl, Heft 19 der Materialien und Berichte der farnilienwissenschaftlichen Forschungsstelle des Stat. LA Baden-Württemberg, Stuttgart 1987, passim. Pro-Kopf-Einkommen selbst errechnet.
8'
94
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
2. Besonders groß sind die Unterschiede im Pro-Kopf-Einkommen zwischen dem Alleinverdiener-Haushalt und dem Doppelverdiener-Haushalt. Bezogen auf das kinderlose Doppelverdiener-Ehepaar erreicht der Alleinverdiener-Haushalt mit Erziehungsgeld und mit einem Kind nur 67 % und mit zwei Kindern nur 58 % des Pro-Kopf-Einkommens. Wenn das Erziehungsgeld entfällt, fallen diese Werte auf 53 % und 47 % ab. Für die Drei- und die Vier-Kinder-Alleinverdiener-Familie mit Erziehungsgeld liegt das ProKopf-Einkommen knapp über 50 % des Einkommens des DoppelverdienerEhepaares und unter 50 %, wenn das Erziehungsgeld entfällt. 79 3. Im Alleinverdiener-Haushalt ohne Erziehungsgeldbezug und mit einem Kind liegt das Pro-Kopf-Einkommensniveau um l6o/o-Punkte unter dem Niveau des Doppelverdiener-Haushalts mit einem Kind. Für die ZweiKinder-Familie beträgt der Abstand 20o/o-Punkte. Dadurch wird die Notwendigkeit unterstrichen, die Familienlastenausgleichsleistungen stark einkommensorientiert auszugestalten. 4. Das Erziehungsgeld bewirkt beachtliche Anhebungen der verfugbaren ProKopf-Einkommen. Ausgeprägt schwach im Vergleich zu kinderlosen Paaren ist die Einkommenslage junger Familien (Alter des Ehemannes: 25 bis unter 35 Jahre). Die jungen Ehepaare ohne Kinder in Baden-Württemberg hatten im Mai 1992 ein verfugbares monatliches Median-Einkommen8o in Höhe von 4365 DM. Ehepaare mit einem Kind konnten über 3 460 DM, Ehepaare mit zwei Kindern über 3430 DM und Ehepaare mit drei Kindern über 3389 DM verfugen. 8i Setzt man das gewichtete Pro-Kopf-Einkommen des kinderlosen Ehepaares (= 2 568 DM) gleich 100, dann errechnen sich daraus Pro-Kopf-Einkommen in Höhe von 61 % für die Ein-Kind-Familie, von 49 % für die Zwei-KinderFamilie und von 41 % für die Drei-Kinder-Familie. Verständlicherweise befinden sich häufig jüngere Paare auch in einer merklich ungünstigeren Lage als ältere Ehepaare. 82 Daß die aufgezeigten Unterschiede im Pro-Kopf-Einkommen nicht nur für junge Familien gelten 79 Wolfgang Zeidler hat (1983, S. 598) diesen Sachverhalt mit der Formulierung beschrieben: "Die Einverdiener-Familie mit Kindern steht im Vergleich zum beiderseits verdienenden Paar ohne Kinder auf der sozialen Stufenleiter jeweils mehrere Stufen tiefer, als es dem beruflichen und sozialen Niveau des alleinverdienenden Teils entspricht". 80 Das Median-Einkommen ist definiert als Einkommen, das unter den Einkommen der oberen Hälfte der Einkommensbezieher und über den Einkommen der unteren Hälfte der Einkommensbezieher liegt. 8i Stutzer 1994, S. 76. 82 Vgl. dazu Schwarz 1980.
B. Wirtschaftliche und soziale Lage der Familien
95
und daß sie auch in der jüngsten Vergangenheit nach wie vor sehr ausgeprägt waren, zeigen die Werte der Tab. 8. Aus diesen Werten läßt sich ablesen: 1. Sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern steigt innerhalb der verschiedenen Lebensformen (Ehepaare, alleinstehende Frauen, alleinstehende Männer) das Nettoeinkommen von den Kinderlosen über die Haushalte mit einem Kind zu den Haushalten mit zwei Kindern an (Sp. 3 und 5). Dies spricht dafür, daß in der Mehrzahl der Fälle Kinder erst geboren werden, wenn die Einkommensverhältnisse es zulassen. Auch familienpolitische finanzielle Entlastungen dürften die Reihung der Nettoeinkommen beeinflussen; 2. unter den kinderlosen Lebensformen weisen die alleinstehenden Männer die höchsten Pro-Kopf-Einkommen sowohl in West- als auch in Ostdeutschland auf. An zweiter Stelle sind die Pro-Kopf-Einkommen der Ehepaare zu finden, an letzter Stelle die Pro-Kopf-Einkommen der alleinstehenden Frauen (Sp. 7 und 9); 3. innerhalb der verschiedenen Lebensformen sinken die Pro-Kopf-Einkommen in West- und in Ostdeutschland mit steigender Kinderzahl beachtlich ab (Sp. 7 und 9). In westdeutschen Haushalten sind die Pro-Kopf-Einkommen der Ein-Kind-Haushalte um 20 bis 25 % niedriger, in den ZweiKinder-Haushalten um 35 bis 40 % und in den Drei-Kinder-Haushalten liegen sie sogar deutlich mehr als 50 % unter denen der kinderlosen Lebensformen. Die Wohlstandsabstufung von den Haushalten ohne Kinder über die PaarHaushalte mit Kindern zu den Haushalten Alleinerziehender wird auch aus Tab. 9 deutlich. Denn die Besetzungsstärke der Wohlstandspositionsklassen mit einem Einkommen unter 50 % des Durchschnitts und von 50 bis 75 % des Durchschnitts ist bei den Ehepaaren mit Kindern und v.a. bei den Alleinerziehenden merklich größer als bei den Ehepaaren ohne Kinder (vgl. die Werte der Sp. 2 und 3). Demgegenüber sind die oberen Einkommensklassen mit Einkommen über 125 % des Durchschnitts bei den Haushalten mit Kindern weit schwächer besetzt als bei den Kinderlosen (Sp. 7 und 8).
2. Kapitel: Die Lage der Familien in der BRD
96
Tabelle 8 Nettoeinkommen nach Lebensformen und Kinderzahl in den alten und neuen Bundesländern 1991 in DM Nettoeinkommen ABL (1)
Nettoeinkommen pro Kopf
NBL
ABL
NBL
in DM
in%
in DM
in%
in DM
in%
in DM
in%
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
Ehepaare ohne Kinder
3545
100
1826
100
1773
100
913
P
mit 1 Kind
4342
122
2497
136
1447
81
832
91
mit 2 Kindern
4584
129
2565
140
1 146
64
641
70
mit 3 u. mehr Kindern
4643
130
2514
137
844
47
457
50
Alleinstehende Frauen a) ohne Kinder
1669
100
831
100
1669
100
831
100
mit 1 Kind
2514
150
1325
159
1257
75
663
79
mit 2 Kindern
2915
174
1414
170
972
58
471
56
mit 3 u. mehr Kindern
2864
171
1352
162
636
38
300
36
Alleinstehende Männer b) ohne Kinder
2113
100
1088
100
2113
100
1088
100
mit 1 Kind
2799
132
1424
130
1603
75
712
65
mit 2 Kindern
3081
145
1400
128
1225
57
467
42
a)
Ohne ledige Personen.
b)
Ohne ledige Personen.
Quelle: BMFSFJ (Hrsg.), Forschungsbericht: Die demographische Bedeutung des Familienstandes, Stuttgart u.a. 1995, S. 269. Die Daten beruhen auf dem Mikrozensus 1991.
Die Tabelle macht außerdem erkennbar: 1. daß 1990 70 % der Personen in Alleinerziehenden-Haushalten und 65 % der Personen in Ehepaar-Haushalten mit Kindern ein unterdurchschnittliches Wohlstandsniveau aufwiesen; 2. daß 1990 mehr als ein Fünftel der in Alleinerziehenden-Haushalten Lebenden weniger als 50 % des Durchschnittseinkommens der Alleinerziehenden bezog und damit sicher als arm einzustufen ist;
23,9 22,0
16,0
7,7
1990
1983
1990
(4)
(5) A1leinerziehendenHH mit mindestens einem Kind
(6)
6,0
Quelle: Hauser 1995, S. 143 - 145.
Zellenbesetzung von weniger als 60 Fällen; sie weisen einen hohen Unsicherheitsspielraum auf.
(9,7)b)
(7,3)b)
12,7
b)
20,9
5,3
48,4
52,0
24,0
21,7
(9)
Gesamtbevölkerung
Für die Ermittlung der Wohlstandspositionen der Personen wurde eine aus den Regelsatzproportionen der Sozialhilfe abgeleitete Äquivalenzskala verwendet.
27,4
21,9
22,6
7,8 (6,4)b)
8,6 (6,7)b)
7,5
21,5
18,9
8,1
12,5
12,4
28,6
19,8 19,8
28,2
23,5
(8)
> 1,5
Anteil der Personen in diesem HH-Typ an der
a)
31,4
20,4
28,4
19,6 29,3
4,6 7,1
1990
1983
(2)
13,5
(7)
(6)
(5) 18,4
1,25 - 1,50
1,0 - 1,25
0,75 - 1,0
(4)
0,5 - 0,75
(3) (Ehe-)Paar-HH mit minder- und volljährigen Kindern
4,8
(3)
N
00
.-
C. Merkmale der Familienpolitik
183
Franz-Ulrich Wi/leke und Ralph Onken haben für das Jahr 1986 untersucht, wie hoch die Anteile der steuerlichen Entlastung durch Freibeträge für Kinder, das Kindergeld und die Kinderzuschläge im öffentlichen Dienst an den Mindestkinderkosten waren; diese wurden durch die Grundbedarfssätze bei ständiger Aufnahme von Kindern in Pflegefamilien des Landes Baden-Württemberg in Höhe von 7 500 DM definiert. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, daß diese Anteile für Ehepaare mit einem und mit zwei Kindern zwischen 16 und 23 % der Mindestkinderkosten deckten, wenn der Erwerbstätige in der Privatwirtschaft beschäftigt war, und zwischen 29 und 38 %, wenn er im öffentlichen Dienst tätig war. 88
Der Verfasser hat unter Zugrundelegung der Steuerfreibeträge, des Kindergeldes, des Erziehungsgeldes und des Wertes der Kindererziehungsjahre für die Versorgungsperiode 1983 bis 2002 die Anteile dieser Leistungen am gesamten Versorgungs- und Betreuungsaufwand für eine Arbeiter- und eine Angestelltenfamilie mit zwei Kindern und jeweils durchschnittlichem Einkommen und unter Annahme einer achtjährigen Erwerbsunterbrechung der Mutter errechnet und Anteilswerte ermittelt, die zwischen 14,6 und 17,6 % liegen. 89 Man kann wohl davon ausgehen, daß die staatlichen Familienlastenausgleichsleistungen keinesfalls 15 % der Gesamtaufwendungen übersteigen, wenn man erstens berücksichtigt, daß auf der Grundlage der einschlägigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts90 über die Besteuerung von Familien Steuerfreibeträge, die nicht höher sind als die Existenzminimumkosten für Kinder, keine Leistungen des Familienlastenausgleichs sind, sondern nur dem Gebot der Steuergerechtigkeit entsprechen, und zweitens, daß die Familien mindestens ein Drittel der ihnen zufließenden Leistungen durch ihre direkten und indirekten Steuern selbst finanzieren. 91 Nach einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung erreichten 1986 die in Tab. 17 enthaltenen ausgewählten Haushaltstypen, die die überwiegende Mehrzahl der Haushalte mit Kindern umfassen, Transferanteile am Nettoeinkommen zwischen 1,3 % für den Zweiverdiener-Haushalt mit einem leitenden Angestellten als Haushaltsvorstand und einem Kind und 30,6 % für den Einverdiener-Haushalt eines Hilfsarbei-
88 Willeke/Onken 1990, S. 350. 89 Vgl. zu Einzelheiten Lampert 1993b, S. 132. 90 Vgl. die Beschlüsse vom 29. Mai 1990 (BVerfOE 82, 60) und vom 12. Juni 1990 (BVerfGE 82, 198). 91 BMFuS 1994a, S. 294.
184
4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
ters mit drei Kindern. Sieht man von den Hilfsarbeiter-Haushalten und den Haushalten mit drei Kindern ab, dann werden von den Ehepaar-Haushalten mit einem und zwei Kindern Transferanteile zwischen 1,3 % und 14,0 % erreicht.
Andreas Netzler92 ermittelte fiir die Familien von Ehepaaren und Alleinerziehenden mit unterschiedlichem Bruttoeinkommen und unterschiedlicher Kinderzahl fiir das Jahr 1994 die Anteile des Kindergeldes, der Kindergeldzulagen und der Wirkungen des Kinderfreibetrages an den existenzminimalen Kinderkosten. Diese Anteile lagen fiir Ehepaar-Haushalte mit einem Bruttomonatseinkommen von 1 500 DM und einem Kind bei 21 % und mit drei Kindern bei 35 % und fiir die entsprechenden Haushalte Alleinerziehender zwischen 22 % und 36 %. Mit steigendem Einkommen, d.h. auch mit steigendem Einkommenswert der Kinderfreibeträge, stiegen diese Anteile bei den Ehepaar-Haushalten auf 43 % und bei den Haushalten Alleinerziehender auf 44 % an. Selbst von den Alleinerziehenden-Haushalten erreichte nur der Hilfsarbeiterinnen-Haushalt mit zwei Kindern eine Transferrate von 25,2 %. Der Realitätsgehalt der referierten Ergebnisse könnte in Frage gestellt werden, weil die erwähnten Untersuchungen nicht alle staatlichen Leistungen berücksichtigen. Z.B. sind in den Untersuchungen von Willeke/Onken und des Verfassers nicht berücksichtigt die kinderabhängigen Wohngeldzahlungen, Gebührenermäßigungen im Zusammenhang mit dem Besuch von Kindergärten und Kinderhorten und Leistungen im Rahmen der Ausbildungsförderung. Die methodisch sehr schwierige Berücksichtigung dieser Leistungen würde jedoch die wesentliche Substanz der Ergebnisse nicht gravierend verändern. Denn die Kinderabhängigkeit der Wohngeldzahlungen ist relativ gering. 93 Die Gebührenermäßigungen und die Leistungen der Ausbildungsförderung, die im Rahmen der gesamten Versorgungs- und Unterhaltsieistungen nur einen Bruchteil ausmachen, müßten zunächst auch den Aufwendungen zugerechnet werden und würden dadurch den Anteil dieser Leistungen verringern. Überdies müßten im Falle einer über das 18. Lebensjahr hinausgehenden Weiterbildung auch die fiir diese Zeit anfallenden Unterhaltskosten der Aufwandsseite zugerechnet werden und würden mit hoher Wahrscheinlichkeit die öffentlichen Leistungen übertreffen, so daß der Entlastungsanteil nicht größer werden würde.
92 Netzler 1994, Tabellenanhang. 93 BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 285 f.
2850 3220
2570
2940
mit 3 Kindern
4550
3960
mit 2 Kindern
2670
2420 3770
3560
6470
6310
4290
3980
3800
Angest.
Mittl.
-
12050
11 890
7540
7310
7150
Ud. Angest.
25,2
14,6
8,1
2,9
30,6
20,6
8,9
Hilfsarbeiter
3,2
19,9
14,7
5,7
2,7
23,9
14,0
18,0
13,2
4,5
2,1
14,0
7,3
2,9
Angest.
Mittl.
Transferanteil Facharbeiter
Quelle: B. Fritzsche, Einkommenshilfen und steuerliche Entlastungen für Familien mit Kindern 1975 bis 1986, in: RWI-Mitteilungen 1986/87, S. 45 tT.
-
2,6
1,3
6,9
4,0
1,8
Ud. Angest.
.) Kindergeld, Mutterschaftsurlaubs- und Erziehungsgeld, Wohngeld, laufende Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Sozialhilfe, Wohnungsbauprämien und Arbeitnelunerzulage, Steuerermäßigung.
2510
2120
mit 1 Kind
mit 2 Kindern
Alleinerziehende
4410
3750
mit 1 Kind
Zweiverdiener-Ehepaare
2530
2240
mit 2 Kindern
Facharbeiter
Nettoeinkommen in DMlMonat
mit 1 Kind
Einverdiener-Ehepaare
Hilfsarbeiter
Die Anteile familienpolitischer Transfers·) für ausgewählte Haushaltstypen 1986 am Nettoeinkommen
Tabelle 17
VI
00
-
~
~.
l
!t 'Tl
f
o
186
4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik.
11. Unzulänglichkeiten und DefIZite der Familienpolitik 1. Bevölkerungspolitische Instrumentalisierung der Familienpolitik
Die Familienpolitik und ihr Ausbau werden häufig bevölkerungspolitisch begründet. Dies gilt nicht nur fiir Diktaturen wie das Dritte Reich (vgl. dazu Abschnitt A.III. dieses Kapitels), sondern auch fiir demokratisch verfaßte Gesellschaften wie Frankreich,94 das eine ausgeprägt natalistische Familienpolitik betreibt, aber auch fiir die Bundesrepublik, fiir die Konrad Adenauer den Neubeginn der Familienpolitik bevölkerungspolitisch begründete (vgl. dazu Abschn. B.lI.l. dieses Kapitels). In der familienpolitischen Diskussion spielt bei manchen Politikern die niedrige Geburtenziffer in der Bundesrepublik als Argument fiir die Verstärkung der Familienpolitik eine größere Rolle als das Ziel, den Familien soziale Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und fiir möglichst alle Familien die materiellen Voraussetzungen'fiir ein menschenwürdiges Leben und die Entfaltung der Persönlichkeit der Familienmitglieder zu schaffen. 95 Selbst ein so sorgfältig abwägender wissenschaftlicher Familienpolitiker wie Max Wingen, der sich seit Jahrzehnten der wissenschaftlichen Arbeit zum Wohl der Familien verschrieben hat, hat in den letzten Jahren dem bevölkerungspolitischen Argument immer mehr Raum gegeben. 96
94
Vgl. dazu BMJFFG (Hrsg.) 1989, S. 1261f. 95 Vgl. z.B. B. Heck, (Hrsg.), Sterben wir aus? Die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik, Freiburg U.a. 1988; W. Schiluble, Und der Zukunft zugewandt, Berlin 1994, S. 124; Marlon GrAtin Dönhoff u.a., Weil das Land sich ändern muß. Ein Manifest, Reinbek bei Hamburg 1992, S. 31 f.: "Bis vor etwa einer Generation konnte sich die Bevölkerung darauf verlassen, daß ohne größeren kollektiven AufWand eine zumindest bestanderhaltende Zahl von Kindern geboren werden würde. Entsprechend gering konnte der Stellenwert von Familienpolitik. und die gesellschaftliche Wertschätzung von Kindererziehung sein. Familienpolitik. war über lange Zeit kaum mehr als eine politische Restgröße. Der Grundsatz 'Kinder haben die Menschen immer' (Konrad Adenauer) gilt inzwischen nicht mehr. Damit hat sich die wichtigste Voraussetzung fast aller Politikbereiche, vor allem aber der Wirtschafts- und Sozialpolitik, nachhaltig verändert. Das demographische Fundament, auf dem alle Politik. ruht, hat an Tragfhhigkeit eingebüßt. Stärker als bisher muß Politik. unter Beachtung ihrer demographischen Konsequenzen formuliert und praktiziert werden. Dabei muß Familienpolitik. einen hohen Rang bekommen. Innerhalb der Sozialpolitik. muß sie sogar zum ersten Glied in der Kette aller weiteren sozialpolitischen Maßnahmen werden." Vgl. auch Thrilnhardt 1985, S. 202 und Langer - EI Sayed 1980, S. 138. 96 M. Wingen, Bevölkerungsentwicklung als politisches Problem, Paderbom 1980; ders., Zur Tragweite der Familienpolitik. in einer Rahrnensteuerung der Bevölkerungs- und Geburtenentwicklung, in: Wingen 1994, S. 3651f. und ders., Demographische Information und Bildung (population education) als Aufgabe in der entwickelten lndustriegesellschaft, in: Wingen 1994, S. 386 1f.
C. Merkmale der Familienpolitik
187
Nun ist es sicher richtig, daß, wie Max Wingen formuliert,97 Familienpolitik sich inhaltlich fassen läßt als "Schaffung und dauernde Sicherung der Bedingungen für eine optimale Funktionsentfaltung der Familie. Zu den familialen Grundfunktionen gehört aber auch die Sicherung der Generationenfolge. Daher kann ein systematischer familienpolitischer Ansatz den generativen Aspekt im Grunde nicht ausklammern, sondern muß ihn einbeziehen". Dennoch macht es einen Unterschied, ob Familienpolitik konzipiert wird als eine Politik, die das Ziel verfolgt, die Familie materiell, psychisch und mental instandzusetzen, ihre Funktionen zu erfüllen, d.h. sich den Wunsch nach Kindern zu erfüllen, ohne erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen zu müssen, eine menschenwürdige Existenz ihrer Mitglieder zu sichern und zu ihrer persönlichen Entfaltung beizutragen, oder ob sie konzipiert wird als eine Politik, die zwar nicht nur, aber doch im besonderen auf die Funktion der Nachwuchssicherung abstellt. Z.B. verlangt ein politisches Konzept, das alle Funktionen der Familie fördern will, eine optimal erscheinende Verteilung knapper öfftntlicher Mittel zur Sicherung und Verbesserung der Erfollung aller Funktionen der Familie, also neben der Förderung der quantitativen gesellschaftlichen Reproduktion durch Sicherung eines wirtschaftlichen Fundaments die Förderung der qualitativen gesellschaftlichen Reproduktion (vgl. dazu l.Kap.C.II.) durch die Schaffung familienunterstützender Betreuungs- und Bildungseinrichtungen und durch Ausbildungsforderung sowie die Förderung der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit und den Verzicht auf eine merkliche familienpolitische Besserstellung von Mehrkinderfamilien gegenüber den Familien mit einem und mit zwei Kindern. Im Vergleich dazu könnte sich ein natalistisches Konzept mehr auf die wirtschaftliche Förderung insbes. von Mehrkinderfamilien konzentrieren. Nach meiner Meinung ist, wenn die bevölkerungspolitische Zielsetzung gegenüber spezifisch familienpolitischen Zielsetzungen betont wird, mit folgenden Problemen zu rechnen: 1. Da die Nationalsozialisten die Familienpolitik überwiegend als Bevölkerungspolitik verstanden und konzipierten und dies zudem unter rassistischen Vorzeichen, ist eine natalistische Familienpolitik nach wie vor mit dem Odium behaftet, etwas Unrechtes zu sein; 2. völlig unabhängig davon, ob Vorstellungen und Praktiken "eine Vermehrung oder Verringerung der Bevölkerung zum Zwecke haben, ob eine solche Politik im Dienste rassistischer oder imperialistischer Ziele steht oder ob sie auf wirtschaftliche und soziale Ziele ausgerichtet ist und z.B. die 97
Wingen 1994, S. 382.
14 Lampert
188
4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
Entwicklung der Bevölkerung lediglich als eine manipulierbare Größe fur wirtschaftliches Wachstum oder fur die Erhaltung des erreichten Wohlstandes einsetzen möchte", herrscht die Einsicht vor, "daß nicht der Mensch fur die Gesellschaft und den Staat da ist, sondern Gesellschaft und Staat um des Menschen willen da sind". 98 Die Empfindungen vieler Menschen und das unbestreitbare Faktum, daß bei einer betont bevölkerungspolitischen Ausrichtung der Familienpolitik die Menschen und die Familien letztlich doch instrumentalisiert werden,99 beeinträchtigt sowohl im politischen Raum als auch bei der Bevölkerung die Akzeptanz der Familienpolitik; 3. würde man die Familienpolitik bevölkerungspolitisch begründen, dann erschiene die Familienpolitik als nicht erforderlich, wenn keine bevölkerungspolitischen Probleme bestehen. Dies ist offensichtlich eine unhaltbare Position, weil wirtschaftlich und sozial schwächere Familien unabhängig von der bevölkerungspolitischen Situation um ihrer Mitglieder willen in den Stand gesetzt werden müssen, ihre Aufgaben und Verpflichtungen innerhalb der Familie zu erfüllen. Diese Argumente gegen eine natalistisch begründete und orientierte Familienpolitik bedeuten nicht, daß der Verfasser Bevölkerungspolitik fur illegitim und ethisch nicht akzeptabel hält. Wenn in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft Bevölkerungspolitik mehrheitlich akzeptiert ist und diese Politik in der Wahl ihrer Mittel der Staatsverfassung und ethischen Grundnormen nicht widerspricht, bedarf sie keiner weiteren Rechtfertigung - abgesehen von ihrer "inneren" Rationalität. 100 Nach Überzeugung des Verfassers läßt sich Familienpolitik begründen - auf der Basis der externen Effekte der Erfüllung der Familienaufgaben und - aufgrund der sozialstaatlichen Notwendigkeit der Transformation der in der Verfassung verankerten menschlichen Grundrechte lOI in tatsächlich nutzbare Rechte fur alle, also auch fur die Mitglieder von Familien.
98 Rauscher 1981, S. 563. In dieser Arbeit findet sich eine ausfilhrliche und differenzierte Darstellung einer bevölkerungspolitischen Orientierung der Familienpolitik. 99 Vgl. dazu auch Baumgartner 1995, S. 59 f. 100 Daß eine bevölkerungspolitisch motivierte Familienpolitik ethischen und christlichen Prinzipien nicht widerspricht, betont auch der Pipstliche Rat filr die Familie in: Pipstlicher Rat fiIr die Familie, Demographische Entwicklungen. Ihre ethischen und pastoralen Dimensionen, Vatikanstadt 1994. 101 Zu nennen sind v.a. die Sicherung der Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Schutz von Ehe und Familie.
C. Merkmale der Familienpolitik
189
2. Konzeptionelle Mängel und Unzulänglichkeiten des Familienlastenausgleichs
Die Familienpolitik der Bundesrepublik weist eine Reihe von Mängeln und Unzulänglichkeiten auf, die im folgenden aufgezeigt werden sollen. a) Fehlende Kontinuität im Konzept des Familienlastenausgleichs Eine der auffälligsten Unzulänglichkeiten der deutschen Familienpolitik, die durch einen Wechsel in der politischen Verantwortung verursacht und vennutlich unvenneidlich ist, ist der mit dem Regierungswechsel einhergehende Wechsel familienpolitischer Konzeptionen. 102 In der Bundesrepublik schlug sich die Übernahme der Regierungsverantwortung durch die sozialliberale Koalition im Jahre 1974 und deren Ablösung durch die christlichliberale Koalition im Jahre 1982 in einer Verschiebung des Gewichts der Steuerfreibeträge bzw. des Kindergeldes nieder. Während die Koalitionsregierungen, in denen die CDU/CSU die führende Rolle hatte, den Akzent deutlich auf die Steuerfreibeträge legten, präferierte die maßgeblich durch die SPD bestimmte sozial-liberale Koalition das Kindergeld als Hauptinstrurnent des dualen Familienlastenausgleichs (vgl. zur Begründung Abschn. B.III.l. dieses Kapitels und zu den Verteilungswirkungen den folgenden Unterabschn. f). Durch diese Wechsel in der Konzeption des Familienlastenausgleichs wird die Verläßlichkeit der Familienpolitik in den Augen der betroffenen Familien beeinträchtigt. 103 b) Diskontinuität aufgrund absoluter und relativer Leistungskürzungen Ein weiterer Mangel der familienpolitischen Transferleistungen liegt in ihrer Diskontinuität. Denn diese Transfers waren immer wieder Gegenstand von Kürzungen, d.h. sie waren Bestandteil der finanzpolitischen Manövriennasse, die bei Haushaltsengpässen eingesetzt wurde (vgl. dazu Abschn. B.IV.3. dieses Kapitels).I04 1982 bis 1985 hatte die Familienpolitik sogar einen überpropor102 Vgl. dazu auch Kleinhenz 1995, S. 75: "... Kontinuität war leider gerade rur den Bereich des Familien1astenausgleichs.... überhaupt nicht gegeben. Es geht nicht an, daß man von Legislaturperiode zu Legislaturperiode die Grundstruktur des Familienlastenausgleichs Indert." 103 Vgl. zu den Unzullnglichkeiten des Familienlastenausgleichs auch Netzler 1994.
104 Vgl. Kaufmann 1995, S. 180; BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 30; Rauscher 1981, S. 559; Th. Schnabel, Lieben wir Kinder? Bilanz der familienpolitischen Leistungen in den 80er Jahren, Neuwied 1987.
14*
190
4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
tionalen Anteil an der Konsolidierung des Staatshaushalts zu leisten. 105 Neben den absoluten Leistungsrücknahmen in den 80er Jahren sind relative Leistungsrücknahmen zu verzeichnen, die sich daraus ergeben, daß bei steigenden Lebenshaltungskosten und Versorgungsaufwendungen für Kinder die Transfers überhaupt nicht - wie z.B. bisher das Erziehungsgeld - oder nur in großen Abständen diskretionär erhöht wurden. Eine solche relative Leistungskürzung ist vor allem für das Jahrzehnt 1964 bis 1974 festzustellen, in dem weder das Kindergeld noch die Steuerfreibeträge für Kinder erhöht wurden (vgl. Tab. 14 und 15). Die bis heute fehlende Dynamisierung der familienpolitischen Leistungen in Verbindung mit absoluten Leistungskürzungen beeinträchtigt die Verläßlichkeit und Kontinuität der Familienpolitik. c) Unzulänglichkeiten des dualen Systems Ein Mangel, der ab 1996 durch die Einführung einer Option zwischen dem Kinderfreibetrag und dem Kindergeld behoben wurde, bestand darin, daß in dem vorher praktizierten System bei der Überschreitung bestimmter Einkommensgrenzen Entlastungssprünge auftraten. Sie kamen dadurch zustande, daß bei Überschreitung von solchen Einkommensgrenzen das Kindergeld gekürzt wurde. Diese Entlastungssprünge fiihrten im wesentlichen dazu, daß ein "Mittelstandsloch" entstand, d.h. daß die Entlastungseffekte für die Bezieher mittlerer Einkommen sanken, bei den Beziehern von Spitzeneinkommen aber wieder anstiegen. 106 d) Übergewicht der finanziellen Förderung der Ehe Ein weiterer, von nicht wenigen Familienpolitikern beklagter Mangel des Leistungssystems liegt darin, daß die Ehe steuerlich stärker gefördert wird als die Familie. 107 Das gilt sowohl für die Makro- als auch für die Mikroperspektive. 105 RWI-Mitteilungen 1986/87, S. 52. 106 Vgl. dazu A Oberhauser, Die Ungereimtheiten des dualen Systems, in: Sozialer Fortschritt 1985, S. 15 ff. 107 Vgl. nur A1bers 1988b; Betbusy-Huc 1987, S. 116 f.; BMJFFG (Hrsg.) 1988, S. 14 ff.; K.-D. Henke/O. KlingeIbieI, Die steuerliche Behandlung der Familie aus steuersysternatischer und familienpolitischer Sicht, in: U. Schreiber (Hrsg.), Steuerreform 1990, Stuttgart 1989, S. 167 ff,; Kaufinann 1995, S. 180; Langer - EI Sayed 1980, S. 160 f.; Kassella/Spahn 1991.
C. Merkmale der Familienpolitik
191
Wie Tab. 16 zeigt, waren die Steuerermäßigungen für Ehegatten im Zeitraum 1960 bis 1985 höher als die Kindergeldzahlungen und die Steuerermäßigungen für Kinder zusammengenommen. 1985 z.B. erreichte der Steuerentgang durch das Ehegattensplitting 24,8 Mrd. DM, während Kindergeld und Steuerermäßigungen durch die Kinderfreibeträge 18,8 Mrd. DM ausmachten. Erst durch die stufenweise Erhöhung der Freibeträge für Kinder seit 1986 bei Aufrechterhaltung des Niveaus der Kindergeldzahlungen haben sich die Leistungen zugunsten der Kinder verschoben. Das hohe Gewicht der steuerlichen Entlastung von Ehegatten gegenüber den Leistungen für die Förderung der Familie kann jedoch für sich genommen noch kein Argument gegen das Ehegattensplitting sein. Vielmehr kommt es darauf an, welche Argumente gegen und welche für das Splitting an sich sprechen. Gegen das Ehegattensplitting werden als problematische Wirkungen angeführt: 108 1. Daß die Höhe der Entlastungen mit wachsendem Einkommen bei nur einem erwerbstätigen Partner und bei starken Unterschieden in den Einkommen bei zwei erwerbstätigen Partnern in einem Maße zunimmt, das durch die sich aus dem Unterhalt der Ehefrau ergebenden Belastungen nicht gerechtfertigt erscheint; 109
2. für Ehepaare mit Kindern reduzieren sich - wenn im Rahmen des Steuersystems gleichzeitig Freibeträge gewährt werden - die Entlastungswirkungen und zwar um so mehr, je mehr Kinder in einer Familie versorgt werden, weil vor Anwendung der Steuertabelle die Freibeträge vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden; 110 3. die Entlastungseffekte durch das Splitting sind erheblich größer als die Entlastungseffekte durch Steuerfreibeträge für Kinder. 111 Willi Albers \08 Vgl. dazu auch die Darstellung von Splittingproblemen bei Lingemann 1994, S. 166 ff. 109 Während die Steuererspamis eines Alleinverdiener-Ehepaares bei einem Jahreseinkommen von 48 000 DM 2 740 DM beträgt, beläuft sie sich bei einem Einkommen von 240 000 DM und mehr auf 22843 DM, also das 8,3-fache.Vgl. zur Kritik an diesem Sachverhalt Paulick 1960, S. 254 ff.; Albers 1960, S. 278; ders. 1988, S. 413; Kassella/Spahn 1991 und Lingemann 1994, S. 169, der von "dem Bedürfuis- oder Verdienstprinzip völlig zuwiderlaufenden Entlastungsfolgen" spricht. 110 Albers 1988, S. 414. 111 Z.B. betrug 1993 im Vergleich zur Steuerentlastung durch den Freibetrag rur ein Kind die Entlastung durch das Splitting bei einem zu versteuernden Einkommen von 30 000 DM das 1,9-fache, bei einem Einkommen von 60 000 DM das 3,6-fache, bei einem Einkommen von 90 000 DM das 5,8fache und bei einem Einkommen von 100000 DM das 1O,7-fache.
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4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
spricht (1960, S. 280) von einem "krassen Mißverhältnis" zwischen der steuerlichen Entlastung für die Ehefrau einerseits und die Kinder andererseits. Der Tatbestand "Ehe" führt also zu wesentlich höheren Steuerentlastungen als der Tatbestand "Erziehung und Versorgung von Kindern" .112 Als Argumente für die Beibehaltung des Ehegattensplittings werden v.a. angeführt: l. Daß das 1957 aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts 113 eingeführte Splitting verfassungsgemäß sei; 114 2. seine Wirkung entfalte das Splitting insbes. dort, wo ein Ehegatte zur Kinderversorgung auf außerhäusliche Erwerbstätigkeit verzichtet; 115 3. das durch eine Einschränkung des Ehegattensplittings erzielbare Volumen zur Verbesserung des Familienlastenausgleichs sei sehr gering; 4. das gegenwärtige Splitting mit dem Faktor 2 begünstige bei gleichem Einkommen der betrachteten Bürger eindeutig diejenigen, die sich für ein Zusammenleben in der Ehe entscheiden; 116 5. das Verdikt, daß das Splitting insbes. die wohlhabenden Ehepaare begünstige und damit die vertikale Gerechtigkeit verletze, sei nicht schlüssig. 117 Ungeachtet der Tatsache, ob in der Gegenwart die Vorteile oder die Nachteile des Ehegattensplittings aus familienpolitischer Perspektive überwiegen, zeigt die politische Diskussion der letzten Jahre, daß sich in der Bundesrepu-
112 Für das Jahr 1996 ergibt sich bei einem Einkommen in Höhe von 72 000 DM eine Entlastung durch das Splitting in Höhe von 5 427 DM und bei einem Einkommen von 120000 DM eine Entlastung von 11 907 DM. Dagegen ergibt sich aus dem Kinderfreibetrag in Höhe von 6264 DM und einem Grenzsteuersatz von 50 % eine maximale steuerliche Entlastung von 3 132 DM oder ein Erstkindergeld bzw. ein Zweitkindergeld in Höhe von jährlich 2 400 DM pro Kind. 113 Vgl. BVerfGE 6,55. 114 Das ist zwar richtig. Das Gericht hat das Splitting jedoch nur als eine mögliche Form der Befolgung seines Urteils angesehen. Da Art. 6 GG nur verletzt wird, wenn Verheiratete höher belastet werden als Nichtverheiratete, könnte man - wie in vielen anderen europäischen Ländern - die Ehegatten auch getrennt besteuern und dem nicht oder nur begrenzt erwerbstätigen Partner einen angemessenen Grundfreibetrag einräumen. Vgl. dazu Paulick 1960, S. 259; Albers 1988, S. 412 und Böckenförde 1986, S. 338. 115 Dabei wird übersehen, daß die Gültigkeit dieses Arguments sich nur auf die Erziehungsperiode bezieht, die in der Regel wesentlich kürzer ist als die der Inanspruchnahme der Splittingvorteile. 116 Vgl. dazu Lüdeke 1991, S. 223 f. 117 Ebenda, S. 226 f.
C. Merkrnale der Familienpolitik
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blik keine politische Mehrheit für eine Änderung des Splittings mobilisieren läßt. Über die Gründe soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. Nach Meinung des Verfassers wird in der Diskussion um das Ehegattensplitting zu wenig beachtet, daß eine im Vergleich zur Förderung der Familie übergewichtige steuerliche Förderung der Ehe angesichts der Knappheit öffentlicher Mittel auf Kosten der Familienförderung erfolgt. Diese Auffassung hat bereits 1983 Wolfgang ZeidJer vertreten. Im Anschluß an eine Analyse der Lage der Familie fiihrte er u.a. aus: "In dem Maße, in dem durch diese Entwicklungen die fördernde Privilegierung der Ehe in der Rechts- und Sozialordnung ihre Berechtigung verloren hat, ist die Familie um so dringlicher förderungswürdig geworden..... Der Gedanke, daß einerseits 'Ehe' und andererseits 'Familie' in Ansehung der für sie verfügbaren Förderungsmöglichkeiten in Konkurrenz zueinander geraten, ist ebenso neu wie unbequem und stößt zunächst auf spontane Ablehnung ..... Die bisher der Ehe 'als solcher' zukommenden Erleichterungen, Hilfen und Förderungsmittel müssen danach auf die Familie, d.h. vor allem auf Eheleute oder Alleinerziehende mit Kindern, umgeleitet werden. Die Wirklichkeit ist demgegenüber aber noch immer in geradezu kurzsichtiger Weise kontraproduktiv. Die in unserem Wirtschafts- und Sozialsystem zur Förderung der Ehe eingesetzten Beträge in Milliardenhöhe sind es, die der Familie fehlen. Eine Änderung dieses Zustandes wird zur Überlebensfrage" (Zeidler 1983, S. 595 und 597). Eine ähnliche Auffassung ist bei Roman Herzog zu finden. Er meint: "Sollte eine wirklich aktive Familienpolitik, wie zu befürchten, nicht aus der Umsatzsteuererhöhung oder aus 'natürlichen' Wachstumszuwächsen zu finanzieren sein, dann käme es möglicherweise zu einer ganz neuen, bisher kaum einmal bedachten verfassungsrechtlichen Frage. Es wäre dann nämlich ganz zwangsläufig zu überlegen, ob nicht die kinderlosen Steuerzahler - gleichgültig ob verheiratet, ledig oder in eheähnlichen Gemeinschaften lebend - herangezogen werden müßten, um den Familien zu helfen..... Hier wird nämlich klar, daß unser geltendes Steuerrecht in den hier interessierenden Bezügen gar nicht auf die Familie, sondern primär auf die Ehe abstellt und zudem, wenn man ganz ehrlich ist, auf die gutverdienende Ehe. Am besonderen Schutz der Ehe wird man gewiß auch in Zukunft festhalten müssen, wenn man dem Gebot der Verfassung gerecht werden will. Ob aber nicht die Familie nicht noch mehr Schutz verdient oder ob ihre Bevorzugung vor der Ehe an der etwas unbedachten Formulierung des Artikels 6 scheitern müßte, das ist noch einmal eine ganz andere Frage. "118 (Hervorhebungen im Original). 118 R. Herzog, Steuer- und Finanzpolitik im geeinten Deutschland, in: Bund der Steuerzahler (Hrsg.), Steuer- und Finanzpolitik im geeinten Deutschland und in Europa, Bonn 1991, S.lO ff., insbes. S. 18 f.
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4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
e) Stärkere Förderung der Familien von Beschäftigten im öffentlichen Dienst Ein verteilungspolitisch beachtenswerter Mangel des Systems familienpolitischer Leistungen liegt darin, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes familienpolitisch in einer merklich besseren Position sind als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft. Denn im öffentlichen Dienst wurde neben dem Steuerfreibetrag und dem Kindergeld ein kindspezifischer Anteil am Ortszuschlag gewährt. 119 Diese Leistung blieb auch nach der Reform des dualen Familienlastenausgleichs 1996 erhalten. Dadurch lag der Anteil der Familienlastenausgleichsleistungen am verfügbaren Einkommen bei den öffentlich Bediensteten zum Teil erheblich über den entsprechenden Anteilen der in der Privatwirtschaft Beschäftigten. 120 f) Verteilungspolitische Probleme des Familienlastenausgleichs121
Mit dem starken Gewicht des Ehegattensplittings sowie seinen Verteilungswirkungen und mit der Besserstellung der öffentlich Bediensteten gegenüber den in der Privatwirtschaft Beschäftigten sind bereits zwei Problemkreise angesprochen worden, die die Frage aufkommen lassen, ob die praktizierten Regelungen dem Ziel sozialer Gerechtigkeit entsprechen oder zuwiderlaufen. Wissenschaftlich läßt sich diese Frage nicht ohne Rückgriff auf Werturteile beantworten. Dies gilt auch für die Verteilungsproblematik, die mit dem Einsatz von Steuerfreibeträgen als Mittel der Familienpolitik verbunden ist. Familienpolitisch relevante Freibeträge sind der Steuerfreibetrag für Kinder (§ 32 Abs. 6 EStG), der Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende (§ 32 Abs. 7 EStG), der Kinderbetreuungsbetrag für Alleinerziehende (§ 33c Abs. 1 EStG), der Sonderausgabenabzug für Familien- und Pflegehilfe (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG) und der Ausbildungsfreibetrag (§ 33a Abs. 2 EStG).122,123 Im geltenden Steuerrecht sind diese Freibeträge als Abzüge vom steuerpflichtigen Einkommen ausgestaltet. Daher hängt der Entlastungseffekt dieser 119 Vgi. zur Entwicklung dieses Zuschlags Willeke/Onken 1990, S. 414 f. 120 Nach den Untersuchungen von Willeke/Onken 1990, S. 127 lagen diese Anteile
1986 bei verheirateten Beschäftigtenje nach Einkommensklasse und Kinderzahl zwischen 3 und 45 %, bei den im öffentlichen Dienst Beschäftigten aber zwischen 5 und 71 %. 121 Vgi. dazu auch Langer - EI Sayed 1980, S. 100 ff. und Netzler 1994, insbes. S. 31. 122 Vgl. zur Höhe dieser Freibeträge Tab. 14.
123 Bis 1987 gehörten auch die Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7b EStG und bis 1996 die steuerlichen Entlastungen nach § lOe EStG in bezug auf die Entlastungseffekte zu dieser Kategorie steuerlicher Entlastungen.
c. Merkmale der Familienpolitik
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Beträge einmal von der Höhe des Freibetrags und zum andern vom individuellen Steuersatz ab. Dies bedeutet, daß die Entlastungseffekte bei den Steuerpflichtigen um so höher sind, je höher ihr Einkommen ist. Da der Eingangssteuersatz 1996 bei 25,9 % lag und der maximale Grenzsteuersatz bei 53 %, lagen die absoluten Entlastungseffekte zwischen rd. 26 % an der unteren Besteuerungsgrenze 124 und 53 % des Freibetrags bei sehr hohen Einkommen. 125 Diese mit steigendem Einkommen steigenden Entlastungseffekte 126 sind gelegentlich Gegenstand der Kritik. Im Gegensatz zu dieser Kritik herrscht in der Steuerrechtslehre und in der Finanzwissenschaft die Meinung vor, daß die Entlastungseffekte der Freibeträge zum einen eine Konsequenz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit seien, weil eben diese Leistungsfähigkeit durch bestimmte Ausgaben, die durch Freibeträge von der Besteuerung freigestellt werden, beeinträchtigt werde, und zum andern ein "Reflex eines progressiven Steuertarifs" 127. "Der progressive Entlastungseffekt von Freibeträgen ist ... als zwangsläufige Folge des progressiven Tarifs in demselben Maße sozial gerecht wie dieser selbst. "128 Die dieser Auffassung gegenüberstehende Minderheitsmeinungist am prägnantesten bei Willi Albers (1960, S. 273) zu finden: "Es entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip, daß derjenige Steuerpflichtige, der durch den Unterhalt einer Familie belastet wird, weniger Steuern zu zahlen hat als derjenige, der keine oder eine kleinere Familie zu unterhalten hat. Man hat zum Teil aber auch darüber hinaus versucht, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine bestimmte Form der steuerlichen Entlastung zubegründen. So hat man z.B. in der Bundesrepublik behauptet, ihm werde nur Genüge getan, wenn man Freibeträge für die zu unterhaltenden Familienangehörigen vom Einkommen abziehe, die dem für sie aufzuwendenden Betrag entsprechen. Aus dem Lei-
stungsjähigkeitsprinzip läßt sich jedoch nur ableiten. daß die steuerliche Entlastung der Belastung der Steuerpflichtigen durch den Unterhalt von Familienangehörigen entsprechen so//" (Kursiv gesetzt durch H.L.).
124 Diese Grenze lag bei 30 500 DM fiir Verheiratete und bei 18400 DM bei Alleinerziehenden. 125 Diese Einkommen begannen bei 240 000 DM rur Verheiratete und bei 120000 DM ru. Alleinerziehende. 126 Z.B. liegt das Entlastungsvolumen des Sonderausgabenabzugs rur Familien- und Pflegehilfe zwischen 3 120 DM und 6 360 DM, das des Haushaltsfreibetrags zwischen 1 460 DM und 2 976 DM und das des Kinderbetreungsbetrages zwischen 520 DM und 1060 DM. Vgl. zur Kritik an diesen Verteilungseffekten auch Paulick 1960, S. 265 ff.; Albers 1960, S. 275 f; Oberhauser 1989, S. 146; BMJFFG 1988, S. 16 und I. Matthäus-Maier, Für einen einfachen und gerechten Familienlastenausgleich, Zeitschrift rur Rechtspolitik 1988, S. 252 ff. 127 Vgl. dazu BMJFFG 1988, S. 16 f 128 M. Pechstein 1994, S. 296.
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4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
Eine sehr kritische Haltung gegenüber dem deutschen Steuersystem und v.a. gegenüber Begünstigungen durch Abzüge von der Steuerbemessungsgrundlage nimmt auch Alois Oberhauser ein. 129 Ob Freibeträge zu einem verteilungspolitischen Problem werden, hängt auch davon ab, wie hoch die verschiedenen Freibeträge sind, wie weit die marginalen Steuersätze gespannt sind, wie viele verschiedene Freibeträge es gibt und wieviele der Freibeträge von den Steuerpflichtigen kumuliert in Anspruch genommen werden. Die These, daß von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogene Freibeträge eine angemessene Lösung für die Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen darstellten und ihre Verteilungswirkungen nur eine Konsequenz des progressiven Tarifs seien, ist sowohl in der Steuerrechtslehre und in der Finanzwissenschaft als auch im politischen Raum vorherrschend. Freibetrage sind jedoch anders zu beurteilen und werden anders beurteilt, wenn es sich nicht um die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen handelt, sondern um die Absicht, Familien zu fördern, wie das bis 1995 für die Sonderabzüge zur Förderung des Wohnungswesens nach § 10e EStG galt und für den Sonderausgabenabzug der Aufwendungen für ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis nach § 10 Abs.a Nr. 8 EStG in Höhe von 12000 DM jährlich noch gilt. 130 Einer derartigen Förderungsabsicht widersprechen die progressiven Entlastungswirkungen von Freibeträgen. \3l Daher ist es zu begrüßen, daß ab 1996 die Wohnungsbauförderung von der Sonderabzugsregelung auf absolut gleich hohe Zuschüsse für alle Geförderten umgestellt wurde. \32 3. Konzeptionelle Mängel und Unzulänglichkeiten der Familienpolitik
Die im Rahmen des Familieniastenausgleichs ergriffenen Maßnahmen, deren Mängel und Unzulänglichkeiten im vorhergehenden Abschnitt dargestellt wurden, sind - was in der politischen Diskussion häufig übersehen oder nicht ausreichend berücksichtigt wird - nur ein kleiner Teil der Familienpolitik. 129 A Oberhauser, Deutsches Steuersystem und Steuergerechtigkeit, in: ARauscher (Hrsg.), Steuergerechtigkeit, Köln 1995, S. II ff. 130 Minderbemittelte kommen nicht in den Genuß dieser Abschreibung. Daher wird von einem "Dienstrnädchenprivileg" gesprochen. Es bringt den Beziehern hoher Einkommen mit einem Grenzsteuersatz von 53 % mehr als 6 000 DM jährlicher Steuererspamis. Vgl. dazu auch Lingemann 1994,
S.220.
\3l M. Pechstein 1994, S. 309; Oberhauser/ Rüsch 1994, S. 13 sowie K. Tippke/ J. Lang, Steuerrecht, 13. Aufl. 1991, S. 60: "Steuergesetzliche Subventionen so zu bemessen, daß der Subventionsvorteil mit steigendem Einkommen steigt, ist eine Perversion der Sachgerechtigkeit." \32 Vgl.
dazu 4. Kap. B.lV.3.
C. Merkmale der Familienpolitik
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Denn Familienpolitik umfaßt als Politik, die auf die Beeinflussung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lage der Familien als Institution und als wesentlichem Lebensraum der Familienmitglieder gerichtet ist, "mehr als eine Familienlastenausgleichspolitik. Vielmehr müssen ihre Ziele mit der Hilfe und den Instrumenten der Beschäftigungs- und der Arbeitsrnarktpolitik, der Vermögens-, der Wohnungs- und der Verkehrspolitik, der Gesundheits-, der Bildungs- und der Kulturpolitik, der Jugend-, der Frauen- und der Altenhilfepolitik auf allen Ebenen politischen Handeins, d.h. auf zentralstaatlicher, regionaler und kommunaler Ebene und unter Einbeziehung auch der nicht staatlichen, politisch relevanten Organisationen wie der Wohlfahrtsverbände, der Arbeitgeber und der Arbeitgeberverbände sowie der Gewerkschaften zu erreichen versucht werden."133 Daher ist es notwendig, eine familienpolitische Konzeption zu entwickeln und umzusetzen, die die Vielzahl der in der Gesellschaft anerkannten familienpolitischen Ziele und die zu ihrer Erreichung geeignet erscheinenden Instrumente einschließt und damit die für die Lebenslage der Familien relevanten Politikbereiche übergreift. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien als Ziele exemplarisch hier genannt: 134 die Sicherung des Existenzminimums für alle Familien, der Ausgleich eines Teils der durch Kinder verursachten Versorgungsaufwendungen und des durch Kindererziehung und -versorgung entstehenden Einkommensentgangs, eine ausreichende Einbeziehung von Kindern und nicht erwerbstätigen, Kinder erziehenden Eltern in das System sozialer Sicherung, die Förderung der phasenorientierten und der simultanen Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit für beide Eltern durch eine familienfreundliche Arbeitswelt, die Beeinflussung der Wohnbedingungen, die Unterstützung der Familien bei der Erfiillung ihrer Funktionen durch die Gestaltung der familienbezogenen Infrastruktur (Gesundheitsleistungen, Kindergärten, Schulen, Freizeiteinrichtungen) und die Förderung familienrelevanter Handlungskompetenzen durch Beratungsdienste und Elternbildungsangebote. Gemessen an diesen Zielen und den für die Familienpolitik relevanten Handlungsfeldern erscheinen die jeweiligen familienpolitischen Konzeptionen aller bisherigen Bundesregierungen allein unter dem Aspekt der Vollständigkeit des Zielsysterns sehr unvollständig und mit ihrer Konzentration auf den Familienlastenausgleich zu eng angelegt. 135 133 BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 273. 134 Vgl. zum Zielsystem 5. Kap.C.II. und D.m. 135 So auch Kaufinann 1995, der S. 200 ff. eine umfassendere Konzeption der Familienpolitik anmahnt und darauf hinweist, daß die Familienpolitik folgende Problembereiche vernachlässigt: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf v.a. filr junge Frauen; die Belastungen von Töchtern und Schwiegertöchtern durch Leistungen filr schwerpflegebedürftige Familienmitglieder; die Belastungen kindlicher und jugendlicher Vitalsituationen durch das Zerbrechen vo~ Ehen, emotionale Vernachläs-
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4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
Franz-Xaver Kaufmann empfiehlt im besonderen die Einbeziehung des Geschlechterverhältnisses, der Konsolidierung der Solidarpotentiale der Familien und der Vitalsituation von Kindern in die Zielfunktion. 136 Er regt ferner an, die mangelnde Rücksichtnahme des Bildungswesens auf die Familien zu reduzieren, weil er befürchtet, daß die Heterogenität zwischen der familialen und der schulischen Sozialisation in Verbindung mit der entstandenen Vielfalt der Sozialisationsfelder die elterliche Autorität und den Familieneinfluß auf die Kinder reduziert. 137
Die Entstehung konzeptioneller Defizite der Familienpolitik wird nicht nur durch die Zielvielfalt und den Querschnittscharakter der Familienpolitik begünstigt, sondern durch die hohen Kosten einer umfassenden Familienpolitik bei gleichzeitiger Knappheit öffentlicher Mittel. Allein das Mißverhältnis zwischen Zielen und Mitteln verlangt eine langfristig angelegte Strategie, in der sachliche und zeitliche Prioritäten für die Verwirklichung einzelner Elemente der Zielfunktion gesetzt werden. Die Entwicklung einer familienpolitischen Konzeption und ihre Umsetzung wird schließlich dadurch erschwert, daß die Kompetenzen für die Familienpolitik auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt sind,138 und daß in den Prozeß der Erreichung bestimmter Ziele, z.B. des Ziels familienfreundlicher Ausgestaltung der Arbeitswelt, nicht-staatliche Akteure, nämlich die Arbeitgeber und ihre Verbände sowie die Gewerkschaften, einbezogen werden müssen. Dadurch werden zum Teil außerordentlich schwierige Abstimmungsprozesse erforderlich. Neben dem fragmentarischen Charakter der familienpolitischen Konzeption ist als ein weiterer Mangel der Familienpolitik die Verletzung wesentlicher Prinzipien der Politik, insbes. der Familienpolitik, anzusehen, v.a. des Prinzips der Stetigkeit und der Verläßlichkeit. 139 Wie bereits im vorhergehenden sigung und fehlende Kontakte zwischen Schule und Elternhaus und die zu geringe Einbeziehung von Mlnnem in familiale Verpflichtungen. In gleichem Sinne äußert sich Bethusy-Huc 1987, S. 176 und Langer - EI Sayed 1980, S. 256 f. 136 Kaufmann 1995, S. 202. 137 Ebenda, S. 184 f. 138 Eine kontroverse Interessenlage von Bund und Ländem wird insbes. beim Familienlastenausgleich sichtbar. Während der Bund eher dazu neigt, den Lastenausgleich im Wege von Steuerfreibeträgen filr Kinder weiterzuentwickeln, weil dann die Länder einen Teil des Entgangs an Steuern tragen müssen, bevorzugen die Länder eine Erhöhung des Kindergeldes, weil dieses allein vom Bund aufgebracht werden muß. 139 Vgl. dazu BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. '272 ff. Als verletzte Prinzipien werden dort noch angefilhrt das Prinzip effizienter Ausgestaltung des Trägersystems der Familienpolitik und das Prinzip der Orientierung der Familienpolitik an einem möglichst widerspruchsfreien System von Zielen, Grundsätzen und zielkonformen Maßnahmen und Institutionen, Das Fehlen einer familienpoli-
C. Merkmale der Familienpolitik
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Abschnitt dargestellt wurde, ist die Familienpolitik der Bundesrepublik durch konzeptionelle Diskontinuität und die Nutzung der für den Familienlastenausgleich bereitgestellten Mittel als finanzpolitische Manövriermasse gekennzeichnet. Die dadurch bewirkten Instabilitäten wecken bei den Mitteladressaten "Zweifel hinsichtlich der Verläßlichkeit der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, die für die Geburt, die Versorgung und die Erziehung von Kindern, für die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Eltern und für die intergenerative Solidarität von großer Bedeutung sind. Vertrauen in die Verläßlichkeit und in die Stabilität der Rahmenbedingungen ist v.a. deswegen erforderlich, weil Entscheidungen für Kinder die Lebenslage der Eltern und der Kinder dauerhaft nachhaltig beeinflussen. "140 Die herausgearbeiteten Defizite und Unzulänglichkeiten der Familienpolitik sind nicht nur auf die Komplexität dieses Politikbereiches zurückzuführen, sondern zu einem guten Teil auch daraus zu erklären, "daß es in der Bundesrepublik an einem durchsetzungsfähigen politischen Willen fehlt", weil die Familien keine starke Lobby haben, die ausreichenden politischen Druck ausüben könnte. "Politik, welche die Belange von Eltern und Kindern berücksichtigt, muß dagegen ohne die Unterstützung mächtiger Interessengruppen auskommen; sie muß auf Gemeinwohlüberlegungen aufbauen und kann nur durch Überzeugungsprozesse zum Erfolg geführt werden. "141 (Hervorhebung im Original, H.L.). Die Familienpolitik hat in der Bundesrepublik programmatische und deklamatorische, jedoch keine faktische Priorität. 142 Sie ist bis heute "ein Stiefkind der deutschen Sozialpolitik geblieben".143
tischen Konzeption und die fehlende Verllßlichkeit der Familienpolitik beklagt auch N. Glatzel 1995, S. 75 ff.
140 BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 227 f. 141 Kaufinann 1995, S. 198. 142 Vgl. dazu auch Bethusy-Huc 1987, S. 177 f.: "Die Tatsache, daß sich alle Parteien im Grunde
darüber einig sind, daß die Familie 'die intimste und stabilste Gemeinschaft mitmenschlicher Beziehungen' bzw. als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft den wichtigsten Ort individueller Geborgenheit und Sinnvermittlung darstellt, und sie als Fundament unseres Staates angesehen wird, müßte dazu filhren, die Familie in den Mittelpunkt der innenpolitischen Auseinandersetzungen zu stellen. Dies ist allerdings nicht der Fall: die Familie erscheint als Randobjekt des politischen Geschehens."
143 BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 30.
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4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
D. Exkurs: Grundzüge der Familienpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik144 I. Grundzüge der Entwicklung Basis der Familienpolitik in der DDR war das im ersten Kapitel (Exkurs im Abschn. B.) dargestellte Leitbild der Familie und der Familienpolitik. Bezogen auf dieses Leitbild wurden folgende Ziele angestrebt: 1. Die Einbeziehung auch der verheirateten Frauen und der Mütter in alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens, v.a. auch in das Erwerbsleben; 2. die Erhöhung des Grades der gleichzeitigen Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und gesellschaftlichen Aktivitäten mit den Familientätigkeiten; 3. die Stabilisierung der ehelichen Beziehungen und der Familie; 4. die Förderung einer Geburtenentwicklung, die mindestens den Bestand der Bevölkerung sichert; 5. die Förderung der Herausbildung "sozialistischer" Familienbeziehungen, die auf Liebe und gegenseitige Achtung, Verständnis und gegenseitige Hilfe im Alltag und auf die gemeinsame Verantwortung für die Kinder gegründet sein sollten; 6. die Förderung und Unterstützung der Familie durch staatliche und gesellschaftliche Organe bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgabe im Sinne der Erziehung der Kinder zu "sozialistischen Persönlichkeiten"; 7. Fürsorge und Unterstützung für kinderreiche. Familien, alleinstehende Mütter und alleinstehende Väter; 8. Gleichstellung der unehelichen Kinder mit den ehelichen Kindern.
144 Dieser Abschnitt folgt im wesentlichen der Darstellung bei Lampert 1981 und ders. 1995a. Vgl. zur Familienpolitik der DDR auch BastIOstner 1992; FrerichIFrey 1993 Bd. 2 (Sozialpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik); G. Wink1er (Hrsg.), Geschichte der Sozialpolitik in der DDR 1945 - 1985, Berlin 1989 und G. Manz, G. Wink1er (Hrsg.) Sozialpolitik, 2. Aufl., Berlin 1988.
D. Familienpolitik in der DDR
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Ein Teil der Grundlagen der Familienpolitik wurde bereits in den Anfangsjahren der DDR gelegt. Schon in die Länderverfassungen der seinerzeitigen sowjetisch besetzten Zone und in die Verfassung der DDR des Jahres 1949 wurden Bestimmungen über die Gleichberechtigung der Frau und über die Gleichstellung unehelicher mit den ehelichen Kindern aufgenommen. In der DDR-Verfassung wurden die Eltern unter Androhung der Entziehung des Sorgerechts verpflichtet, ihre Kinder im Geist der sozialistischen Demokratie zu erziehen (Art. 31). Eine Eheverordnung vom 24.11.1955 ersetzte im Falle der Ehescheidung das Verschuldensprinzip durch das ZeITÜttungsprinzip und verpflichtete - von einigen Ausnahmen abgesehen - jeden geschiedenen Partner, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen. Eine zweite Etappe der Familienpolitik, die 1963 begann, kann man als Periode der systematischen Grundlegung der Familienpolitik durch die Reform des Familienrechts charakterisieren. 1965 wurde das Familiengesetzbuch verabschiedet. Es war das Ergebnis einer 20jährigen Entwicklung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR. Eine dritte Etappe begann nach dem VIII. Parteitag der SED 1971, der die Familien- und Bevölkerungsentwicklung zu einer Sache der ganzen Bevölkerung erklärte und den Anstoß für die Verabschiedung einer Reihe familienpolitischer Regelungen gab. Die "Anordnung zur Förderung von Studentinnen mit Kind und werdenden Müttern" vom 10.05.1972 erleichterte die Mutterschaft schon während des Studiums. Das "Gesetz über den Ministerrat der DDR" vom 16.10.1972 übertrug dem Ministerrat die Verantwortung für die planmäßige Entwicklung der Familienpolitik, das "Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der DDR" vom 12.07.1973 verankerte die Familienpolitik als Bestandteil der territorialen Planung und Leitung, das "Jugendgesetz der DDR" vom 28.01.1974 nahm die Vorbereitung der Jugendlichen auf Ehe und Familie und die Aufgaben der Gesellschaft zur Förderung junger Eheleute und Familien in seinen Aufgabenkatalog auf und ein gemeinsamer Beschluß des Zentralkomitees der SED, des Bundesvorstandes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Ministerrats der DDR vom 27.05.1976 über die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im Zeitraum von 1976 bis 1980 erweiterte die familienpolitischen Leistungen.
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4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
11. Familienpolitische und familienpolitisch relevante Maßnahmen Die Familienpolitik der DDR verfolgte ihre Ziele mit Hilfe einer breiten Skala zielorientierter Instrumente, die vor allem gerichtet waren auf die simultane Vereinbarkeit der Erwerbstätigkeit der Frauen und Mütter mit den Familienaufgaben, auf die Schaffung günstiger Lebensbedingungen für die Mehrkinder-Familien und auf die Mitwirkung von Staat und Gesellschaft bei der Festlegung der Erziehungsziele und ihrer Verfolgung. Der Mittelkatalog umfaßte die im folgenden skizzierten Instrumentgruppen und Instrumente l45 : 1. Instrumente der Rechtspolitik und des Rechtsschutzes. Zu erwähnen sind insbes. Art. 38 der Verfassung der DDR, der Ehe, Familie und Mutterschaft unter den besonderen Schutz des Staates stellte, kinderreiche Familien und Alleinerziehenden besondere Unterstützung zusagte und die Eltern verpflichtete, ihre Kinder zu I staatsbewußten" Bürgern zu erziehen. Erwähnung verdient auch Art. 20, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Förderung der Frauen, v.a. in der beruflichen Qualifizierung, zu einer gesellschaftlichen und staatlichen Aufgabe machte. Neben der Verfassung war das Familiengesetzbuch die für die Regelung der Rechtsstellung und der Rechtsbeziehungen der Familienmitglieder entscheidende Rechtsgrundlage; 146 2. Erziehungs-, Bildungs- und Beratungsmaßnahmen. Das Familiengesetzbuch sah die Vorbereitung der Jugendlichen auf Ehe und Familie als eine besondere Aufgabe der Erzieher, der Eltern und gesellschaftlicher Organe (Junge Pioniere, Freie Deutsche Jugend usw.) vor.
145 Vgl. dazu auch die Übersicht über die InstJUmente der Familienpolitik in der DDR in BMFuS 1991, S. 20 ff. 146 Die Erziehungsziele waren in § 42 wie folgt definiert: "(II) Das Ziel der Erziehung der Kinder ist, sie zu geistig und moralisch hochstehenden und körperlich gesunden Persönlichkeiten zu erziehen, die die gesellschaftliche Entwicklung bewußt mitgestalten. Durch verantwortungsbewußte Erfilllung ihrer Erziehungspflichten, durch eigenes Vorbild und durch übereinstimmende Haltung gegenüber den Kindern erziehen die Eltern ihre Kinder zur sozialistischen Einstellung zum Lernen und zur Arbeit, zur Achtung vor den arbeitenden Menschen, zur Einhaltung der Regeln des sozialistischen Zusammenlebens, zur Solidarität, zum sozialistischen Patriotismus und Internationalismus. (III) Die Erziehung der Kinder ist untrennbar mit der Herausbildung solcher Eigenschaften und Verhaltensweisen wie Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und der Achtung vor dem Alter verbunden. Die Erziehung der Kinder umfaßt auch ihre Vorbereitung zu einem späteren verantwortungsbewußten Verhalten zur Ehe und Familie".
D. F;unilienpolitik in der DDR
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Abgesehen von Erziehungs- und Bildungsrnaßnahmen wurden Ehe- und Familien-, Schwangeren- und Mütterberatungsstellen als Instrumente der Aufklärung eingesetzt. 3. Förderung der Eheschließung. Als Maßnahmen wurden eingesetzt: Kredite zu Sonderbedingungen, deren Rückzahlung bei der Geburt von Kindern in bestimmtem Umfang erlassen wurde; die Gewährung von Stipendien für verheiratete Studierende; beitragsfreie Sachleistungen für nicht erwerbstätige Ehegatten in der Sozialversicherung und Ehegattenzuschläge zu den Alters- und Invalidenrenten. 4. Förderung und Entlastung erwerbstätiger Frauen und Mütter. Zur Förderung und Entlastung von erwerbstätigen Frauen und Müttern, d.h. zur Erreichung simultaner Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familientätigkeit wurden zahlreiche, im Arbeitsgesetzbuch verankerte Instrumente eingesetzt. Dazu gehörten: - Maßnahmen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes wie Mutterschutzfristen, Verbote der Nacht- und der Überstundenarbeit für Schwangere und stillende Frauen sowie für Frauen mit Kindern im Vorschulalter, Vorsorgeuntersuchungen für Mutter und Kind, eine Verlängerung des Grundurlaubs von 18 Tagen um 2 bis 5 Tage für Mütter, verkürzte Arbeitszeiten und Freistellungen bei der Erkrankung von Kindern; - die Sicherung der Betreuung der Kinder in Krippen und Einrichtungen der vorschulischen Erziehung und im Falle der Erkrankung von Kindern durch Freistellungen, die - abgesehen von einern Hausfrauentag - je nach Zahl der Kinder maximal 4 bis 13 Wochen betragen konnten; - ein besonderer Kündigungsschutz für Schwangere, stillende Mütter, Mütter mit Kindern im Alter bis zu einern Jahr, freigestellte Mütter und alleinstehende Werktätige; - die Förderung der Aus- und Weiterbildung der Frauen und Mütter im Rahmen von Frauenförderungsplänen; 5. die allgemeine finanzielle Förderung von Familien. Dazu gehörten: - Geburtenprämien je Kind in Höhe von 1 000 Mark und Kindergeld in Höhe von zuletzt 50 Mark für das erste, 100 Mark für das zweite und 150 Mark für das dritte und jedes weitere Kind; - finanzielle Hilfen für Mütter in besonderen Lebenslagen (Lehrverhältnis, Studium); - beitragsfreie, in der Reichsversicherungsordnung verankerte, familienund kinderzahlorientierte Sozialleistungen wie Sachleistungen, kinder15 Lampert
204
4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
zahlabhängige Höhe und Dauer des Krankengeldbezugs, die Anerkennung von Zeiten des Müttergeldbezugs als rentenanspruchsbegründende versicherungspflichtige Tätigkeit und die Verringerung der für den Rentenbezug geforderten versicherungspflichtigen Tätigkeit um ein Jahr für das dritte und jedes weitere Kind sowie die Berücksichtigung der Geburt von Kindern bei der für die Rentenhöhe relevanten Zurechnungszeit; - steuerliche Entlastungen, die pro Kind etwa 50 Mark je Monat ausmachten; - eine familienfreundliche Festlegung der Preise für Grundnahrungsmittel, Baby- und Kinderbekleidung und ähnliche Gebrauchsgüter; 6. nicht-monetäre Förderungsmaßnahmen wie staatliche Erziehungs- und Sozialisationshilfen sowie Sozial- und Gesundheitsbetreuung durch die Betriebe; 7. die Förderung kinderreicher Familien (Familien mit drei und mehr Kindern) durch - die besondere Berücksichtigung des Wohnraumbedarfs dieser Familien; - Mietzuschüsse; - reduzierte Gebühren für die Verpflegung in Kinderkrippen, in Einrichtungen der vorschulischen Erziehung und bei der Schülerspeisung; - bevorzugte Aufnahme der Kinder in Betreuungseinrichtungen; - höher angesetzte Einkommensgrenzen für die Vergabe von Stipendien.
111. Zusammenfassung Wenngleich nicht alle familienpolitischen Ziele konsequent verfolgt wurden, die in der relevanten Programmatik der Verfassung, des Familiengesetzbuches, des Arbeitsgesetzbuches, des sozialistischen Bildungsgesetzes, des Jugendgesetzes und einschlägiger SED-Dokumente enthalten sind, und wenngleich bestimmte Instrumente, z.B. der Arbeits- und Gefahrenschutz für Frauen, nur begrenzt eingesetzt wurden, bleibt doch festzuhalten, daß die Familienpolitik der DDR über ein konsistentes und geschlossenes Zielsystem verfügte, das mit dem übergeordneten gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsystem konform war und im großen und ganzen konsequent verfolgt wurde.
D. Familienpolitik in der DDR
205
Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesfamilienministerium kam aufgrund eines Vergleichs der Familienpolitik in der DDR und in der Bundesrepublik zu folgenden Ergebnissen: 141 1. Die Gewährleistung der Rechte und Bedürfnisse des Kindes auf emotionale Zuwendung, kontinuierliche Betreuung und ganzheitliche Förderung wurde in der DDR in einseitiger Weise durch die Mobilisierung öffentlicher Ressourcen, in der Bundesrepublik in einseitiger Weise durch die Mobilisierung privater Ressourcen versucht. 2. In der DDR brachte der umfassende Aufbau einer ganztägigen Betreuung und Erziehung die Gefahr mit sich, daß die Eltern-Kind-Beziehung und die Familienerziehung extrem vernachlässigt wurden. Die Qualität der Einrichtungen und die rigide und ideologische Anpassungserziehung waren nicht geeignet, die Bedürfnisse von Kindern zu befriedigen. In der Bundesrepublik brachte es die Betonung der elterlichen Rechte und Pflichten mit sich, daß in Verbindung mit dem beschränkten Ausbau familienergänzender Einrichtungen die Bedürfnisse von Kindern erwerbstätiger Eltern und die Bedürfnisse erwerbswilliger Mütter nicht ausreichend befriedigt werden konnten. Positiv zu bewerten sind für die Bundesrepublik die Förderung unterschiedlicher Erziehungskonzepte und die Förderung der pädagogischen Vielfalt in den bestehenden Einrichtungen. 3. In der DDR stellte die durch den umfassenden Ausbau ganztägiger Betreuungseinrichtungen für Kinder erleichterte ganztägige Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern den Regelfall dar. Dies führte zu einer außerordentlichen Doppelbelastung der Mütter. In der Bundesrepublik wird die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familientätigkeit durch das Fehlen von Kinderbetreuungsplätzen erschwert. 4. Das Ziel der Familienorientierung des Mannes und seiner partnerschaftlichen Mitverantwortung rur die häuslichen Versorgungs- und Erziehungsleistungen wurde weder in dei' DDR noch in der Bundesrepublik konsequent verfolgt. Dem ist hinzuzufiigen, daß die Familienpolitik in der DDR im Unterschied zu der der Bundesrepublik v.a. seit 1972 pronatalistisch ausgeprägt war, daß sie eindeutig auf die simultane, nicht auch auf die phasenorientierte Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familientätigkeit ausgerichtet war und daß sie stärker auf die Förderung der Familie als auf die Förderung der Ehe abzielte. 141 BMFuS 1991, S. 40 f. IS*
206
4. Kapitel: Die Entwicklung der Familienpolitik
Es ist der SED nicht gelungen, das Leitbild der "sozialistischen" Familie durchzusetzen. Vielmehr retteten die Familien einen hohen Grad an Privatheit und bildeten einen Gegenpöl zur Beanspruchung der Bürger durch Erwerbsarbeit sowie durch pölitische und gesellschaftliche Verpflichtungen. Hohe Zahl(:n Geschiedener und Alleinerziehender148 zeigen, daß die Ziele der Förderung der Ehe- und der Familienstabilität nur begrenzt erreicht wurden.
148 Vgl. dazu die Zahlen bei Lampert 1996.
Fünftes Kapitel
Familienpolitik für die Zukunft A. Notwendigkeit und Dringlichkeit der Familienpolitik Die Notwendigkeit der Familienpolitik, d.h. der politischen Gestaltung der rechtlichen, sittlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen Familien leben, ergibt sich unmittelbar daraus, daß die Familien der grundlegende Baustein der Gesellschaft, l eine "Voraussetzung jeglicher sozialen und politischen Kultur"2 sind und als Kultur-, Lebens-, Erziehungs- und Wirtschaftsgemeinschaft in einer auf andere Weise nicht erreichbaren Qualität Aufgaben wahrnehmen, 3 an deren Erfiillung Gesellschaft und Staat ein existentielles Interesse haben müssen,4 weil die Erfiillung dieser Aufgaben nicht nur die Existenz der Gesellschaft sichert, sondern die Qualität der Gesellschaft nachhaltig beeinflußt. 5 Abgesehen von der Bedeutung der Familien für die Gesellschaft ist zu bedenken, daß die Familie für das Leben eines jeden Menschen eine zentrale Rolle spielt, weil in ihr die Lebensgrundlagen der Mitglieder gesichert werden, sich weitgehend die Bildung und Entfaltung der Persönlichkeit vollzieht und über Art und Umfang der Lebensqualität der Familienmitglieder entschieden wird. In diesem Sinn meinte Klaus Schneewind, daß Kinder ein Recht haben, "ihr Leben in einer Weise zu fUhren, wie es eines menschlichen Wesens würdig ist".6
1 VgJ. dazu Einleitung, S. 3 und S. 5 f. 2 Auer 1986, Sp. 90. 3 VgJ. dazu 1. Kap.C.1. 4 Vgl. dazu 1. Kap.C.II. 5 In diesem Sinn veIWeist Schneewind 1991, S. 64 darauf, daß "die Kinder von heute die Haupt-
träger der kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung von morgen sind. Somit könnte eine ungerechtfertigte Vernachlässigung der Kinder in einem erheblichen Maße zur Erschütterung des gesamten Gesellschaftssystems führen. " 6 Schneewind 1991, S. 64.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Die aus den genannten Gründen prinzipiell bestehende Notwendigkeit politischer Gestaltung der Bedingungen, unter denen Familien leben, ist für die entwickelten arbeitsteiligen Wirtschaftsgesellschaften aus folgenden drei Gründen zu einer Aufgabe mit h6chster PrioriUit geworden. Die Qualität der Erfiillung der Familienaufgaben hängt von den wirtschaftlichen und sozialen Umweltbedingungen ab, unter denen Familien leben. Aufgrund des wirtschaftlichen und sozialen Wandels haben sich für eine steigende Zahl von Familien und für steigende Anteile dieser Familien an allen Familien diese Bedingungen verschlechtert. Dies gilt insbes. für die Familien Alleinerziehender, für die Familien Arbeitsloser, für die Familien mit niedrigen Einkommen, für die Mehrkinder-Familien und für vollständige Familien mit nur einern Erwerbseinkommen. 1 1. Wenngleich es verfehlt wäre, von einern Verfall der Ehe und der Familie zu sprechen, so ist es doch angesichts des Ansteigens der Zahl bewußt alleinlebender, kinderloser Menschen, der Alleinerziehenden, der Stieffamilien und angesichts des Rückgangs der Ehehäufigkeit sowie der Zunahme der Scheidungshäufigkeit gerechtfertigt, von einer Gefllhrdung der Familien und einer Schwächung ihrer Dominanz als Lebensform zu sprechen. 8 2. Die Bewahrung der Lebensform "Familie" ist angesichts des Fehlens eines als verbindlich angesehenen öffentlichen Familienleitbildes, der Entkoppelung von Sexualität und Ehe, der Entkoppelung von Ehe und Elternschaft, der gewandelten Moralvorstellungen, der zunehmenden Individualisierung sowie der zunehmenden Möglichkeiten alternativer Lebensformen und der steigenden Akzeptanz alternativer Lebensformen eine Aufgabe und Leistung sui generis, bei der die Familie Unterstützung braucht. 9 In einer Vielzahl von entwickelten europäischen, aber auch außereuropäischen Wirtschaftsgesellschaften sind folgende Gefahren unübersehbar, die sich aus den Veränderungen in der Struktur der Familienformen, aus negativen Ausprägungen zentraler Determinanten der Lebenslage und aus dem veränderten regenerativen Verhalten ergeben: - Eine Verringerung des intrafamilialen Solidaritätspotentials aufgrund der Singularisierung sowie der Verkleinerung und Überalterung der Verwandtschaftsnetze;
1 Vgl. dazu die Darstellung im 2. Kap.B.1. 8 Vgl. dazu 2. KapAIII. 9 Vgl. dazu Kaufinann 1995, S. 36.
A. Dringlichkeit der Familienpolitik
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- eine Polarisierung der Gesellschaft zwischen denjenigen, die sich für Kinder entscheiden und denjenigen, die keine Kinder wollen. Diese Polarisierung birgt erhebliche Gefahren in sich; \0 - die Schrumpfung der Bevölkerung und damit verbunden v.a. Gefahren für die Stabilität und die langfristige Überlebensfähigkeit der Systeme sozialer Sicherung. 11 In den letzten Jahren haben nicht nur die Familienverbände immer wieder eine Verstärkung der Familienpolitik eingefordert und deren Notwendigkeit begründet. 12 Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Familien hat wiederholt auf die familienpolitischen Defizite in der Bundesrepublik hingewiesen und Empfehlungen zum Abbau dieser Defizite erarbeitet. 13 Nicht zu übersehen ist auch die Kritik an der defizitären Familienpolitik in den seit 1975 erschienenen Familienberichten, die von der Bundesregierung dem Parlament vorgelegt werden müssen. 14 Sie werden von einer unabhängigen Sachverständigenkommission erstellt und von der Bundesregierung mit einer Stellungnahme versehen. Stichhaltige Begründungen für die Notwendigkeit der Familienpolitik finden sich auch in der "Charta der Familienrechte" des Heiligen Stuhles vom 22. Oktober 1983. Art. 9 dieser Charta spricht den Familien ein Recht zu, "von den staatlichen Autoritäten eine angemessene Familienpolitik auf juristischem, wirtschaftlichem, sozialem und steuerrechtlichem Gebiet erwarten zu können, die jede Benachteiligung ausschließt", Art. 10 postuliert ein Recht auf Einkommen, die hinreichend sind, "um eine Familie in würdiger Weise gründen und unterhalten zu können" und Art. 11 deklariert das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung. In der Enzyklika "Evangelium vitae" vom 25. März 1995 fordert Johannes Paul II.: "Die Familienpolitik muß Grundlage und Motor jeder Sozialpolitik sein" (Nr. 90). 10 vgl. dazu 3. Kap.B.II. 11 Vgl. dazu 3. Kap.B.III. 12 Vgl. dazu nur die laufenden Veröffentlichungen in "Stimme der Familie", dem Informationsblatt des Familienbundes der Deutschen Katholiken, und in den Familienpolitischen Informationen der Evangelischen Aktionsgemeinschaft filr Familienfragen. 13 Vgl. nur die Gutachten "Familie und Wohnen" (BMJFG 1974), "Familien mit Kleinkindern" (BMJFG 1980), "Familie und Arbeitswelt" (BMJFG 1984), "Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und Anerkennung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung" (BMJFFG 1989), "Leitsätze und Empfehlungen zur Familienpolitik im vereinigten Deutschland" (BMFuS 1991), "Familie und Beratung" (BMFuS 1993) und "Zur Weiterentwicklung des Familienlastenausgleichs nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seit 1990" (BMFSFJ 1995). 14 Vgl. BMJFG (Hrsg.) (1975): Zweiter Familienbericht, Familie und Sozialisation; BMJFG (Hrsg.) (1979a): Dritter Familienbericht, Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland; BMJFG (Hrsg.) (1986): Vierter Familienbericht, Die Situation der älteren Menschen in der Familie; BMFuS (Hrsg.) (1994a): Fünfter Familienbericht, Familien und Familienpolitik im geeinten Deutschland - Zukunft des Humanvermögens.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
An anderer Stelle wurde bereits dargestellt (vgl. 4. Kap. 0.11.1.), daß in Gesellschaften mit schrumpfender Bevölkerung die Notwendigkeit einer Familienpolitik v.a. im politischen, aber auch im wissenschaftlichen Raum bevölkerungspolitisch begründet wird und daß eine solche Begründung ethisch zulässig, jedoch nicht unproblematisch und im Grunde nicht nötig ist, weil es in der Familienpolitik primär darum geht, den Familien als Institution und ihren Mitgliedern, den Kindern, den Müttern und den Vätern, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, d.h. ihnen wie allen anderen Gesellschaftsmitgliedern ein den Grundrechten der Verfassung gemäßes, materiell abgesichertes Leben und auf dieser Basis eine optimale Entfaltung zu ermöglichen.
B. Anforderungen an eine effIZiente Familienpolitik Wie jede Art von Politik, so muß auch die Familienpolitik bestimmten Anforderungen genügen, wenn sie effizient sein soll. Die Anforderungen, denen eine effiziente Familienpolitik genügen muß, ergeben sich zum einen als Konsequenzen aus dem Rationalprinzip, das jede Art von Politik beachten muß, zum anderen aus Besonderheiten der Familienpolitik.
I. Konsequenzen aus dem Rationalprinzip für eine effIZiente Familienpolitik Politik läßt sich definieren als (staatliches)15 Handeln, das erstens auf die Erreichung bestimmter Ziele der Gestaltung eines bestimmten Bereiches gesellschaftlichen Lebens (Außenbeziehungen der Gesellschaft, Wirtschaft, Recht, Arbeit und Soziales, Familie usw.) gerichtet ist und das zweitens als planvolles Handeln dem Rationalprinzip genügt, d.h. den erstrebten Zielerreichungsgrad mit geringstrnöglichem Aufwand zu erreichen. Eine rationale Politik im Sinne dieser Definition sollte den Bedingungen der Vollstär1digkeit und der Ausgewogenheit des Zielsystems, der Ziel- und Systemkonformität der eingesetzten Mittel, der zeitlichen Strukturiertheit der 15 Träger politischen HandeIns können auch nicht-staatliche Institutionen sein (z.B. Verbände, Betriebe). Solche politischen Kompetenzen nicht-staatlicher Institutionen sind aber "abgeleitete" Kompetenzen im Rahmen einer bestimmten staatlichen Ordnung. Die originäre politische Kompetenz liegt bei dem mit dem Monopol der Anwendung legitimer Gewalt und mit dem Recht verbindlicher Entscheidungen filr die Gesellschaft ausgestatteten obersten Träger politischer Verantwortung, dem Staat.
B. Anforderungen an eine effIZiente Familienpolitik
211
politischen Handlungen und der Glaubwürdigkeit, der Verläßlichkeit und der Stetigkeit der Politik folgen. 16
1. Vollständigkeit des Zielsystems
Vollständig im Sinne von umfassend muß das Zielsystem sein, um auszuschließen, daß die politische Ausgestaltung eines Bereiches deswegen suboptimal ist, weil bestimmte Ziele vernachlässigt werden. Z.B. wäre nach herrschenden Wert- und Zielvorstellungen eine Familienpolitik defizitär, die sich auf monetäre Leistungen an die Familien konzentriert und das Bedürfnis von Frauen und Müttern nach einer Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit vernachlässigt oder die Bedeutung familienunterstützender Betreuungseinrichtungen für den Sozialisationsprozeß der Kinder verkennt. 2. Sachliche und zeitliche Ausgewogenheit des Zielsystems
Die Erreichung von Zielen setzt stets den Einsatz von Mitteln voraus. Da die verfügbaren Mittel (überwiegend Geld- und Sachleistungen) knapp sind, bedeutet die Verwendung von Mitteln für die Erreichung eines bestimmten Zieles, z.B. eine Erhöhung des Kindergeldes, notwendigerweise den Verzicht auf eine andere Verwendung dieser Mittel, z.B. für eine Verlängerung oder Erhöhung des Erziehungsgeldes. Da also ein bestimmter Mitteleinsatz immer mit dem Verzicht auf eine andere Verwendung der Mittel verbunden ist, also sog. Opportunitätskosten entstehen, muß versucht werden, der in einer bestimmten Zeitperiode herrschenden Mittelknappheit dadurch Rechnung zu tragen, daß innerhalb des verfolgten Zielbündels die Zielerreichungsgrade für die einzelnen Ziele so definiert werden, daß ein maximaler Erfolgsgrad verwirklicht werden kann. Diese Ausgewogenheit in sachlicher Hinsicht kann mit Hilfe des Prinzips des Ausgleichs der Grenzerträge familienpolitischer Maßnahmen angestrebt werden: die verfügbaren Mittel sollten innerhalb einer Zeitperiode so zur Veränderung des Zielerreichungsgrades verschiedener Ziele eingesetzt werden, daß die Summe der erwarteten zusätzlichen Erträge maximiert wird. Die Verfolgung dieser Maxime führt gleichzeitig zu einer Ausgewogenheit des Zielsy16 Vgl. dazu die entsprechenden Ableitungen der Anforderungen an eine rationale Wirtschaftspolitik bei H. Giersch, Allgemeine Wirtschaftspolitik - Grundlagen, Wiesbaden 1960, S. 22 ff. und M.E. Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., Düsseldorf 1991, S. 265 ff., und S. 301 ff.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
sterns in zeitlicher Hinsicht, d.h. zu einem nicht nur sachlich, sondern auch zeitlich strukturierten familienpolitischen Konzept (vgl. dazu B.1.4. in diesem Kapitel). 3. Ziel- und Systemkonformität der eingesetzten Mittel
Es bedarf keiner näheren Begründung, daß die für die Erreichung von bestimmten Zielen eingesetzten Mittel geeignet sein müssen, diese Ziele zu erreichen, daß die Mittel also zielkonform, zweckmäßig sein müssen. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit von Mitteln wird nicht selten dadurch erschwert und beeinträchtigt, daß bestimmte Instrumente unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Z.B. können monetäre Leistungen für Alleinerziehende, die allein um der Kinder willen unabweisbar sind, bei großzügiger Dimensionierung zu einer größeren Verbreitung dieser Lebensform beitragen. Eine Verlängerung des Erziehungsurlaubs, des Erziehungsgeldbezugs und eine Erziehungsgelderhöhung können den Akzeptanzgrad dieser Instrumente bei den Mitteladressaten erhöhen, gleichzeitig aber die Möglichkeiten der Frauenerwerbstätigkeit beeinträchtigen, wenn nicht durch komplementäre Maßnahmen sichergestellt wird, daß für erwerbswillige Mütter nach einer längeren Periode ausschließlicher hauswirtschaftlicher und Familientätigkeit die Arbeitsmärkte faktisch offen sind und Wiedereintrittschancen bestehen. Die Notwendigkeit der Systemkonformität der Mittel ist ebenfalls unmittelbar einsichtig. Denn Systemkonformität bedeutet, daß eingesetzte Mittel der Qualität und den gesellschaftlichen Grundwerten einer Gesellschaftsordnung bzw. den Qualitäten eines bestimmten gesellschaftlichen Bereiches nicht widersprechen. Z.B. läßt es die freiheitliche, sozialpartnerschaftlieh organisierte Arbeitsverfassung der Bundesrepublik nicht zu, staatlicherseits eine an familien- und frauenpolitischen Zielen orientierte Arbeitswelt durchzusetzen, wie die DDR sie gekannt hatte. 17 4. Entwicklung und Verfolgung einer langfristig angelegten rationalen familienpolitischen Strategie
Aus der im Grunde für jeden Politikbereich geltenden Tatsache, daß selbst innerhalb langer Zeiträume zwischen dem für. die politische Ausgestaltung 17 Vgl. dazu BMFuS 1991, S. 42 ff. (Prämissen zur Konzeption einer künftigen Familienpolitik im vereinten Deutschland).
B. Anforderungen an eine effIZiente Familienpolitik
213
eines bestimmten Bereiches erforderlichen Bedarf an Mitteln zur Zielerreichung einerseits und den Mitteln, die verfügbar sind oder verfügbar gemacht werden können, andererseits aufgrund der fiir jede Gesellschaft bestehenden Knappheit an Gütern und Leistungen eine Diskrepanz besteht, folgt für eine rationale Politik zwingend, daß eine zeitbezogene, d.h. langfristig angelegte Strategie erforderlich ist. 18
11. Aus Besonderheiten der Familienpolitik folgende Konsequenzen für QualitAtskriterien der Familienpolitik Eine Reihe von Qualitätskriterien der Familienpolitik lassen sich aus Besonderheiten dieses Bereiches politischer Gestaltung ableiten. Zu diesen Qualitätskriterien, auf die eine effiziente Familienpolitik nicht verzichten kann, gehören: die Beachtung des Querschnittscharakters der Familienpolitik und die Sicherung der Glaubwürdigkeit, der Verläßlichkeit und der Stetigkeit der Familienpolitik. 1. Beachtung des Querschnittscharakters der Familienpolitik
Die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen von Familien werden beeinflußt durch: -
Einkommen und Vermögen, den rechtlichen Status der Familie und der Familienmitglieder, die Wohnverhältnisse, den Gesundheitszustand der Familienmitglieder, die Sozialisations- und Betreuungschancen der Kinder, die Bildungschancen der Kinder, die Anerkennung der sich aus einer Elternschaft ergebenden Verpflichtungen durch die Arbeitgeber, Verwaltungen, Schulen und die Öffentlichkeit.
"Familienpolitik als Politik der Beeinflussung der Lebens- und Entwicklungschancen von Familien und Familienmitgliedern urnfaßt daher mehr als eine Familienlastenausgleichspolitik. Vielmehr müssen ihre Ziele mit der Hilfe und den Instrumenten der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik, der Vermögens-, der Wohnungs- und der Verkehrspolitik, der Jugend-, der 18 Auf diese Tatsache wird im Fünften Farnilienbericht besonders hingewiesen. Vgl. BMFuS 1994a, S. 272.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Frauen- und der Altenhilfepolitik auf allen Ebenen politischen HandeIns, d.h. auf zentralstaatlicher, regionaler und kommunaler Ebene und unter Einbeziehung auch der nicht staatlichen, politisch relevanten Organisationen wie der Wohlfahrtsverbände, der Arbeitgeber und der Arbeitgeberverbände sowie der Gewerkschaften zu erreichen versucht werden. "19 Aufgrund dieses Querschnittscharakters der Familienpolitik ist eine horizontale bereichsübergreifende Koordinierung familienpolitischer Aktivitäten, d.h. eine Koordinierung der Politik zwischen den verschiedenen Ministerien bzw. Verwaltungen auf einer bestimmten politischen Ebene (Zentralstaat, Länder, Bezirke und Städte) ebenso nötig wie eine vertikale Abstimmung zwischen dem Zentralstaat, den Ländern sowie den Bezirken und Städten. Im Fünften Familienbericht wird dazu ausgeführt: Effizienz der Familienpolitik setzt voraus, "daß die Träger auf allen Ebenen Familienpolitik als ihre Aufgabe begreifen und zusammenwirken, um ein zieladäquates, möglichst vollständiges und möglichst gut aufeinander abgestimmtes, komplementäres Instrumentarium zu entwickeln und koordiniert einzusetzen".20 2. Glaubwürdigkeit, Verläßlichkeit und Stetigkeit der Familienpolitik
Wenn sich ein Paar dafiir entscheidet, ein oder mehrere Kinder zu erziehen und zu versorgen, so bedeutet dies eine dauerhafte und im Prinzip nicht rückgängig zu machende Veränderung der Lebenslage für die Eltern und für die Kinder. Wie erheblich Einkommens- und Vermögenslage verändert werden und welche Aufgaben die Eltern übernehmen, wurde an anderer Stelle ausführlich dargestellt (vgl. 1. Kap.C. und E.). Verändert werden auch der Wohnraumbedarf, die Möglichkeiten der Teilnahme am Erwerbsleben, der Umfang der Freizeit und die Art der Freizeitgestaltung sowie die Partnerschaft zwischen dem Elternpaar. 21 Aufgrund der mit der Geburt, der Erziehung und der Versorgung von Kindern verbundenen dauerhaften und gravierenden Veränderungen der Lebensbedingungen erscheint es besonders bedeutsam, daß sich die wirtschaftlichen 19 BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 273. BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 274. 21 Vgl. dazu auch Störzbach 1993/94, S. 165, der darauf verweist, daß die von ihm ausgewerteten Umfrageergebnisse einen Zusammenhang zwischen familienpolitischen Maßnahmen und der Realisierung von Kinderwünschen vermuten lassen. Ähnlich die Ergebnisse von K.A SchneewindILA Vascovics, Optionen der Lebensgestaltungjunger Ehen und Kinderwunsch, Stuttgart u.a. 1994, S. 88, die zeigen, daß das Einkommen und die Wohnverhältnisse filr die Verwirklichung von Kinderwünschen Gewicht haben.
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B. Anforderungen an eine effIZiente Familienpolitik
215
und infrastrukturellen Rahmenbedingungen für Familien nach M6glichkeit nicht verschlechtern, soweit es sich um staatliche Leistungen handelt. Eine in ihrer Begründung glaubwürdige und in bezug auf die Leistungsarten und den Leistungsumfang verläßliche und stetige Familienpolitik ist daher ein Gebot einer ethisch fundierten Familienpolitik,22 zumal die durch die Familienpolitik beeinflußten Rahmenbedingungen für Familien eine wenn nicht ausschlaggebende, so doch nicht unwesentliche Determinante für die Verwirklichung des Kinderwunsches sind. Auch unter diesem Aspekt verbietet es sich, familienpolitische Leistungen als finanzpolitische Manövriermasse einzusetzen. Denn es muß von jungen Eltern "als ein Vertrauensbruch empfunden werden und auf die nachrückenden Generationen künftiger Eltern entmutigend wirken, wenn diese Rahmenbedingungen einmal verbessert und dann wieder verschlechtert werden" .23 3. Familienpolitik als Institutionen- oder Familienmitgliederpolitik?
Im Zusammenhang mit der Beurteilung einer bestimmten Familienpolitik z.B. der eher konservativen, auf die Erhaltung der Rollenverteilung in der "bürgerlichen" Familie gerichteten Familienpolitik der 50er Jahre oder der stärker an der Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frau und ihrer persönlichen Entfaltungsfreiheit orientierten Familienpolitik der 70er Jahre - und im Zusammenhang mit der Beurteilung bestimmter familienpolitischer Konzeptionen wurde und wird immer wieder die Frage gestellt, ob die betriebene Politik (bzw. die politischen Konzepte) eher als "Institutionen"politik oder als "Familienmitglieder"politik zu interpretieren ist bzw. mehr das eine oder das andere sein sollte. Dabei wird unter Institutionenpolitik eine Politik verstanden, die der Ehe und der Familie als tragenden Institutionen des sozialen Lebens und des Staates einen eigenen Wert zuspricht24 und deshalb diese Institutionen schützt und llirdert und - über den Schutz und die Förderung der Institution - auch deren 22 1m übrigen läßt sich das Prinzip der Verläßlichkeit der Familienpolitik "völlig analog zu dem von Walter Eucken postulierten Prinzip der Konstanz der Wirtschaftspolitik begründen (Eucken 1952, S. 285 ff). Eine instabile, diskontinuierliche Wirtschaftspolitik wirkt einer Verstetigung des wirtschaftlichen Verhaltens und einer stetigen Wirtschaftsentwicklung entgegen, weil sie Unsicherheit und Irritationen bewirkt und Vertrauen zerstört". (BMFuS 1994a, S. 272). 23 BMFuS 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 273. 24 Dieser Wert kann abgeleitet sein aus transzendentalem oder naturrechtlichem Verständnis oder aus einem "übersubjektiven" Verständnis von Ehe und Familie, das diese Institutionen der subjektiven Beliebigkeit enthebt oder aus einem psycho-sozialen Ansatz, der in der Einbindung der personalen Beziehungen in einen institutionellen Rahmen eine wesentliche Verbesserung der FunktionserfiHlung der Familien sieht. Vgl. dazu Wenzler 1994, S. 71 f.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Mitglieder. Eine solche Institutionenpolitik kann jedoch, wenn sie primär und betont darauf abzielt, bestimmte Funktionen und Strukturen der Institution zu sichern, zu einer Verletzung von Interessen der Mitglieder führen. Z.B. würde die bevorzugte Förderung bestimmter Familienformen, etwa der auf der Ehe beruhenden Familie, die Rechte und Interessen von Kindern verletzen, die in anderen Familienformen leben (müssen). Freilich wäre umgekehrt eine Familienpolitik fragwürdig, die im Ergebnis die auf der Ehe beruhende Familie gegenüber anderen Lebensformen diskriminieren würde. 25 Verfehlt wäre auch eine institutionell akzentuierte Familienpolitik, die eine Festlegung der Rolle der Frau und Mutter in der Familie auf Hauswirtschaft und Familientätigkeit intendiert. Sie würde gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und gegen das Interesse vieler Frauen verstoßen, trotz familialer Verpflichtungen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu partizipieren. 26 Unter Familienmitgliederpolitik wird eine Politik verstanden, die eher darauf abzielt, die Interessen von Familienmitgliedern, die Durchsetzung ihrer Rechte und den Abbau von nicht gerechtfertigt erscheinenden rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Familienmitgliedern zu fördern und damit - gleichsam in zweiter Linie - auch die Institution Familie. 27 Während eine ausgeprägt institutionenorientierte Familienpolitik tendenziell die Gefahr der Vernachlässigung von Persönlichkeitsrechten und der Festschreibungen von traditionellen Rollen impliziert, hat eine ausgeprägt mitgliederorientierte Familienpolitik den Vorzug, die Wahlfreiheit der Mitglieder zu vergrößern, schließt aber die Gefahr ein, destabilisierend zu wirken und die De-Institutionalisierung von Ehe und Familie zu begünstigen. Dementsprechend steht Familienpolitik nicht nur in einem Spannungsfeld zwischen der Förderung der Familie als Gruppe und der Förderung der Interessen 25 In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß die Ehe steuerrechtlich z. T. gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften diskriminiert wird. Vgl. dazu den Hinweis von Lecheier 1989, S. 255, daß Alleinerziehende Kinderbetreuungskosten geltend machen können, wenn sie nur ein Kind haben, Doppelverdiener-Ehepaare dagegen nicht. Vgl. auch Huber 1990, die zahlreiche Konstellationen aufzeigt, in denen die Unterlassung der Eheschließung zu erheblichen Vorteilen gegenüber der Ehe filhrt.
26 1957 argumentierte der Bundesfinanzminister vor dem Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Verhandlung über die Besteuerung von Ehegatten mit Hilfe einer Denkschrift, die mit der Zusammenveranlagung der Ehegatten verknüpfte steuerliche Belastung sei zu begrüßen, weil sie dazu diene, die Ehefrau von einer Berufstltigkeit zurQckzuhalten und "die Ehefrau ins Haus zurQckzuflIhren". Vgl. dazu BVerf.GE 6,55, insbes. 80 f. 27 Dabei wird die Familie gelegentlich weit und z.T. unbestimmt und offen definiert. Vgl. z.B. die von Kurt Ulscher vorgeschlagene Definition: "Der Begriff Familie bezeichnet primär auf die Gestaltung der sozialen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern hin angelegte Sozialformen eigener Art, die als solche sozial anerkannt werden". K. Ulscher, Familie und Familienpolitik im Übergang zur Postmoderne, in: Ulscherl Schultheisl Wehrspaun (Hrsg.) (1988), S. 19.
B. Anforderungen an eine effiziente Familienpolitik
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der einzelnen Mitglieder, sondern auch im Spannungsfeld "zwischen der Anerkennung, Stützung und Förderung traditioneller Lebensformen und der Anerkennung, Stützung und Förderung von Bemühungen zur Legitimation und zur Realisierung neuer Formen des Zusammenlebens". 28 Ein solcher Prozeß der De-Institutionalisierung im Sinne einer Reduktion nicht eines Verschwindens(!) - der institutionellen Qualität von Ehe und Familie und im Sinne eines Verlustes der exklusiven MonopolsteIlung von Ehe und Familie läßt sich seit den 70er Jahren beobachten, wobei die Reduktion der institutionellen Qualität v.a. bei der Ehe feststellbar ist. 29 Das für die Familienpolitik prinzipiell bestehende Spannungsverhältnis zwischen der Förderung der Institution und der Förderung der Mitglieder verstärkte sich in dem Maße, in dem seit Beginn der 70er Jahre die Ziele der freien Entfaltung der Persönlichkeit, der Gleichberechtigung von Mann und Frau, des partnerschaftlichen Zusammenlebens von Eltern und der Förderung der Rechte der Jugendlichen und der Kinder an Bedeutung gewannen, und sich die Rolle der Frau in Familie, Wirtschaft und Gesellschaft zu wandeln begann. 30 Es ist nicht bestreitbar, daß Familienpolitik als Institutionenpolitik oder als Mitgliederpolitik konzipiert und betrieben worden ist und so betrieben werden kann. Nach Meinung des Verfassers ist jedoch bestreitbar, Familienpolitik mUsse oder solle das eine oder das andere sein. Denn eine am Grundrechtskatalog entwickelter Gesellschaften des europäisch-amerikanischen Kulturkreises ausgerichtete Familienpolitik muß sowohl am Schutz und der Förderung von Ehe und Familie orientiert sein (in der Bundesrepublik nach Art. 6 Abs.l GG), als auch am Ziel der Schaffung der Voraussetzungen für die individuellen Grundrechtsgewährleistungen, nämlich Schutz der Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichberechtigung und Freiheit der Berufswahl (Art. 1,2,3, und 12 GG) - und dies in prinzipiell gleicher Weise./Ur alle Familienmitglieder. Eine verfassungskonforme Familienpolitik muß daher
ausgewogen darauf gerichtet sein, sowohl der Institution Familie als auch den
28 Arbeitsgruppe Familienbericht, Familienpolitik in der Schweiz, Bem 1982, S. 29. 29 Vgl. dazu Tyrell1988. 30 Vgl. dazu auch die Auffassung von U. Aichhom, Konflikte zwischen Frauen- und Familieninteressen aus der Sicht des Familienrechts, in: Badelt (Hrsg.), 1994, S. 97, "daß nicht die Institution Familie zu den Interessen der Frau in Gegensatz stehen bzw. stehen kann, sondern daß sich dahinter ein lnteressenkonflikt zwischen den Geschlechtern verbirgt". Vgl. zu dem Wandel in der Rolle der Frau auch A Rauscher, Die Auswirkungen' des Wandels der sozio-ökonornischen Verhlitnisse auf die Stellung und Rolle der Frau, in: ARauscher (Hrsg.), Die Frau in Gesellschaft und Kirche - Analysen und Perspektiven, Berlin 1986, S. 41 f[
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Mitgliedern der Familie zu dienen. 31 Tatsächlich auch sind Zielobjekte der praktischen Familienpolitik sowohl die Familie als Institution als auch die Kinder, die Mütter und die Väter. 32
Auf keinen Fall kann der Gesetzgeber auf ein Minimum an Institutionenschutz verzichten, wenn er dem Verfassungsauftrag nach Art. 6 GG nachkommen will. Das bedeutet insbes., daß das Steuerrecht Begünstigungen für nicht verheiratete Paare aufhebt, die unter sonst gleichen Umständen Ehepaare schlechter stellen als die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft. 33 Eine zukunftsorientierte Familienpolitik, die die Institution der Ehe und der Familie schtUzen undf6rdern will, kann diese Ziele überhaupt nicht erreichen, wenn sie nicht daraufhinwirkt, - daß die Frauenzentriertheit der neuzeitlichen Familie reduziert wird, - daß den Frauen als Ehefrauen und Müttern durch eine Politik der F6rderung der Vereinbarkeit von Familienttitigkeit und Erwerbsttitigkeit faire Chancen der Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben eingertiumt werden und daß - die mtinnlichen Lebenszusammenhtinge sttirker auf die Beteiligung an den hauswirtschaftlichen und an den Familienaufgaben ausgerichtet werden. Franz-Xaver Kaufmann gibt der Familienpolitik eine in ihrem Gewicht kaum zu unterschätzende Empfehlung, wenn er (1995, S. 158) formuliert: "Die Zukunft der Familie wird sich daran entscheiden, ob es gelingt, dauerhaf31 Gleicher Meinung ist Max Wingen (1994, S. 69 f.): "Für die Familienpolitik konkurrieren Konzepte, die die einzelnen Familienmitglieder ganz bewußt in den Vordergrund rücken, mit anderen Konzepten, die die Institution Familie als vorrangigen Gegenstand staatlicher Familienpolitik sehen möchten. Hier wird Familienpolitik als 'Familienmitgliederpolitik' gegen eine Familienpolitik als 'Institutionenpolitik' ausgespielt, ohne recht zu bedenken, daß richtig verstanden beides erforderlich ist und je nach konkreter Problem\age der eine oder andere Aspekt stärker politikleitend sein kann". Auch Simone Wenzler (1994, S. 65 ff) sieht Möglichkeiten, das Spannungsfeld zwischen Institutionen- und Mitgliederpolitik durch eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstitigkeit und Familientätigkeit und der intrafamilialen Rollenverteilung zu verringern. 32 Vgl. dazu B. SchAfer 1992, S. 112. 33 Z.B. können unverheiratete Paare im Gegensatz zu Ehepaaren Kinderbetreuungskosten auch dann absetzen, wenn sie nur ein Kind zu betreuen haben. V. Campenhausen meint (in Campenhausen/Steiger, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel. Das Beispiel von Ehe und Familie, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 45, 1987, S. 41): "Die Neigung des Gesetzgebers, die Normalitlt des Familienlebens im Steuerrecht zu ignorieren, aber das Atypische zu prImieren, widerspricht dem Schutzgedanken des Art.6 Abs.l GG". Vgl. zum Problem des Schutzes der Ehe auch Johanna Huber, die als Resümee ihrer Untersuchung festhllt (1990, S. 110 f.): "In der Vergangenheit hat sich in den einzelnen Bereichen des Familienlastenausgleichs eine ungewollte Kumulation von Anreizen ergeben, auf Eheschließung zu verzichten. In der vorliegenden Untersuchung konnten zahlreiche persönliche Konstellationen aufgezeigt werden, in denen die Unterlassung der Eheschließung zu erheblichen Vorteilen gegenüber einem Leben im Stand der Ehe filhrt."
B. Anforderungen an eine effIZiente Familienpolitik
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te Partnerschaftsbeziehungen auf der Basis nicht nur ideeller, sondern auch praktischer Gleichberechtigung in genügender Zahl und Dauer zu stabilisieren." Es wäre geradezu absurd, Familienpolitik gegen die Interessen der Frauen und Mütter oder an ihren Interessen vorbei betreiben zu wollen. Ähnliche Überlegungen wie in bezug auf das Verhältnis zwischen der Familienpolitik als Institutionen- und als Mitgliederpolitik gelten für das Verhältnis zwischen der Familienpolitik und einer in jüngster Zeit verstärkt eingeforderten "Sozialpolitik für das Kind".34 Sozialpolitik für Kinder "ist erstens darauf ausgerichtet, zusehends bessere allgemeine Lebensverhältnisse für die Kinder zu schaffen und die Benachteiligungen bestimmter Gruppen von Kindern abzubauen, so daß für alle optimale Bedingungen der Entwicklung und Entfaltung geschaffen werden. Zweitens umfaßt Sozialpolitik für Kinder die Abwehr von Maßnahmen, welche die Qualität der Lebensverhältnisse der Kinder verschlechtern. Drittens bedeutet Sozialpolitik für Kinder die Aufklärung der Öffentlichkeit über allgemeine und besondere Bedürfnisse von Kindern". 35 Sozialpolitik für Kinder geht über die Familienpolitik hinaus, selbst wenn diese die Rechte und Interessen der Kinder ausreichend würdigt und verfolgt. Sie umfaßt z.B. auch Maßnahmen des Arbeitnehmerschutzes und der Gesundheitspolitik. Doch hat die Familienpolitik für eine kinderorientierte Sozialpolitik eine zentrale Funktion, weil die Familie potentiell für Kinder die beste Lebensumwelt zu schaffen vermag und weil Eltern potentiell auch am besten die Verantwortung für die Entwicklung der Kinder wahrnehmen können. 4. Phasen- und adressatenspezifische Ausrichtung der Familienpolitik
Der Zielerreichungsgrad der Familienpolitik kann erheblich erhöht werden, wenn der trivialen Erkenntnis mehr Beachtung geschenkt wird, daß es "die" Familie nicht gibt und wenn entsprechend dieser Einsicht das familienpolitische Konzept darauf ausgerichtet wird, den nach Familienzyklusphasen, Familienformen und spezifischen familialen Lebenslageausprägungen unterschiedlichen Bedürfnissen von Familien Rechnung zu tragen. 34 Vgl. dazu Lüscher 1979. Vgl. zu den politisch relevanten Bedürfuissen von Kindern auch Ministerium filr Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst Baden-Württemberg (Hrsg.), Bericht über die Situation der Kinder in Baden-Württemberg, Stuttgart 1995 und Ministerium filr Kultur, Jugend, Familie und Frauen in Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz. Nützliche Tips filr engagierte Kommunen, Mainz 1995. 35 Ebenda, S. 46. 16 Lamper!
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Selbst wenn eine Familie über lange Zeit hinweg ihre Form beibehält, z.B. wenn die Familie eines Ehepaares oder einer alleinerziehenden Person personell unverändert bleibt, ändern sich über die Zeit hinweg die Bedürfnisse und die Lebenslagen dieser Familien. Dies gilt im besonderen
- für die Entwicklung des verfiigbaren Einkommens der Familie, das - soweit es Erwerbseinkommen ist - mit zunehmendem Alter der erwerbstätigen Familienmitglieder steigt und sich auch dann erhöht, wenn in höherem Lebensalter der Kinder der bisher nicht erwerbstätige Elternteil wieder eine Teil- oder Vollzeitbeschäftigung aufnehmen kann; - für die Entwicklung des verfiigbaren Pro-Kopf-Einkommens, das mit steigender Zahl der Kinder abnimmt; - für die Veränderung der Konsumausgaben in Abhängigkeit von der Zahl und vom Alter der Kinder und - für die Ausgaben zur Deckung des Wohnungsbedarfs in Abhängigkeit von der Zahl und dem Alter der Kinder. Bekanntlich ist der Mittelbedarf von Familien in der Gründungsphase besonders hoch, weil für die Kinder eine Grundausstattung beschafft sowie der laufende zusätzliche Bedarf gedeckt werden muß und der Wohnraumbedarf besonders hoch ist. Dieser gestiegene Bedarf kann nur unter Anspannung aller Kräfte gedeckt werden - v.a. dann, wenn ein Elternteil wegen der Unterbrechung oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit kein Erwerbseinkommen mehr erzielt. In späteren Jahren dagegen entspannt sich die Einkommens- und Vermögenslage. Die Familienpolitik trägt den nach Familienzyklen unterschiedlichen Bedürfnissen teilweise Rechnung, z.B. durch den Erziehungsurlaub und das Erziehungsgeld, durch Familiengrundungsdarlehen und durch Maßnahmen der Ausbildungsforderung. Die Phasenorientierung der Familienpolitik könnte und sollte aber noch stärker ausgeprägt werden, z.B. durch einmalige, an die Geburt von Kindern (und an die Einkommens- und Vermögenslage der Familien) gebundene Leistungen für die Finanzierung des Erstausstattungsbedarfs der Kinder. Das mit den Familienzyklen und der Entwicklung des verfiigbaren Einkommens im Lebenslauf verbundene Kernproblem einer dem lebensphasenspezifischen Bedarf entsprechenden intertemporalen Einkommensumverteilung von den späteren Lebensphasen auf die Familiengrundungs- und Familienerweiterungsphase hat bereits 1956 He/ga Schmucker3 6 und Wilfrid 36 H. Schmucker, Der Lebenszyklus in ErwerbsWigkeit, Einkonunensbildung und Einkonunensverwendung, in: Allgemeines Statistisches Archiv 1956.
B. Anforderungen an eine effIziente Familienpolitik
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Schreiber3 7 beschäftigt. Dieses Problem einer Anpassung der Veränderungen des Lebenseinkommens an die entsprechend den Lebens- und Familienzyklen variierenden Bedarfssituationen ist bis heute ungelöst.
Neben der phasenorientierten Ausrichtung der Familienpolitik erscheint aus sozialpolitischer Perspektive auch eine adressatenspezifische Ausrichtung der Familienpolitik geboten, d.h. ihre Modifikation entsprechend Besonderheiten der Familienformen und entsprechend bestimmten Lebenslagemerkmalen von Familien. Es ist offensichtlich, daß für bestimmte Familienformen die Erfiillung der Familienaufgaben wegen struktureller Schwächen oder der Einkommensverhältnisse besonders erschwert ist, z.B. für Alleinerziehende38 und für kinderreiche Familien. Aber nicht nur bestimmte Familienformen können ein Grund für den Einsatz adressatenspezifischer Instrumente sein, sondern auch bestimmte Lebenslagemerkmale wie z.B. die Pflege schwerpflegebedürftiger Angehöriger, die Behinderung von Familienmitgliedern oder Mehrlingsgeburten. Eine um Effizienz und um soziale Gerechtigkeit bemühte Familienpolitik wird darauf zu achten haben. den besonderen Erschwernissen bestimmter Familienformen und besonderer Lebenslagen Rechnung zu tragen. 39 Die Notwendigkeit der Beachtung des Kriteriums phasen- und adressatenspezifischer Ausrichtung der Familienpolitik wird besonders in den Fällen einsichtig, in denen aufgabenerschwerende Familienformenmerkmale, z.B. das der unvollständigen Familie, mit einem besonderen Lebenslagemerkmal zusammentreffen, z.B. mit dem der Behinderung eines Kindes. Gleiches gilt für die Fälle, in denen sich erschwerende Lebenslagemerkmale kumulieren, wie z.B. bei einer ausländischen Mehr-Kinder-Familie mit einem schwerpflegebedürftigen Familienmitglied. Die bereits von Max Wingen 1965 aufgegriffene Problematik der Familienzyklus- und Familienformenorientierung der Familienpolifik40 hat der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesfamilienministerium 1980
37 W. Schreiber, Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft, Heft 3 der Schriftenreihe des Bundes Katholischer Unternehmer, N.F., Köln 1956, wiederabgedruckt in B. Külp / W. Schreiber (Hrsg.), Soziale Sicherheit, Köln 1971, S. 266 ff. Auch E. Liefinann-Keil hat sich in ihrem Lehrbuch "Ökonomische Theorie der Sozialpolitik", Berlin u.a. 1965, S. 65 ff. ausfiihrlicher mit dieser Problematik beschäftigt. 38 Vgl. dazu 1. Kap. D.III.3. 39 Dabei darffreilich die Aufgabe des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht außer acht gelassen werden. 40 Wingen 1965, S. 271 ff. 16'
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
in seinem Gutachten "Familien mit Kleinkindern" erörtert. 41 Eine systematische Analyse dieses Problemkomplexes und umfassende Überlegungen zur Entwicklung eines Konzepts phasen- und adressatenspezijischer Modijikation der Familienpolitik nach Familienzyklen, Familienformen und bestimmten Lebenslagemerkmalen existieren jedoch nach dem Kenntnisstand des Verfassers noch nicht.
c. Grundziele der Familienpolitik I. Zur Frage der politischen Verbindlichkeit und der Herkunft familienpolitischer Ziele Wie alle politischen Ziele, so bedürfen auch familienpolitische Ziele, wenn sie zum Gegenstand staatlicher Politik werden sollen, einer potentiellen politischen Verbindlichkeit42 in dem Sinne, daß sie als zu verfolgende Ziele durch die Träger der politischen Verantwortung, d.h. die Gesetzgebungsorgane und/oder die Regierung, "anerkannt" sind. 43 Als anerkannt in diesem Sinn können Ziele gelten, die sich in Gesetzen, in Erklärungen des Gesetzgebers, in Regierungserklärungen und in anderen Verlautbarungen der Regierung finden. Teilweise werden die von den nationalen Trägern der Familienpolitik verfolgten Ziele beeinflußt von familienpolitisch relevanten Normen internationaler bzw. übernationaler politischer Institutionen und nicht politischer Institutionen wie z.B. der Kirchen. 44 Den Normen inter- und übernationaler Institu-
41 BMJFG (Hrsg.) 1980. 42 Von "potentieller" Verbindlichkeit wird gesprochen, weil die Anerkennung von politischen Zielen als politisch relevanten Zielen noch nicht bedeutet, daß die für die Politik verantwortlichen Träger diese Ziele tatsächlich verfolgen. Nicht zuletzt filr die Familienpolitik. gilt, daß Regierungen sie als besonders bedeutsam deklarieren und familienpolitische Programme verkünden, ohne sie aber ernsthaft zu verfolgen. 43 Der Frage nach den politisch anerkannten Zielen vorgelagert ist die Frage nach der Begründung und BegTÜndbarkeit familienpolitischer Ziele, wie sie z.B. Badelt 1994, S. 177 ff., Dinkel 1987, S. 5 ff. und St. Homburgl C. Gräff (Zur ökonomischen Begründbarkeit eines Familienlastenausgleichs, in: W. A1bers (Hrsg.), Familienlastenausgleich und demographische Entwicklung, Berlin 1988) aufwarfen und beantworteten. Sie wird hier nicht behandelt, weil die Ziele einer Familienpolitik. durch die Verfassung und durch Gesetz ausreichend legitimiert sind. Sie bedürfen daher keiner ökonomischen Begründung. 44 Vgl. nur die "Charta der Familienrechte" des Heiligen Stuhls vom 22. Oktober 1983 und das in vierjährigen Abständen fortgeschriebene Familienpolitische Programm der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft filr Familienfragen, an der auch evangelische Ämter beteiligt sind.
C. Grundziele der Familienpolitik
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tionen, wie sie von den Vereinten Nationen45 und der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union proklamiert worden sind, kommt ein gewisser Grad an Verbindlichkeit für die nationalen Politiken zu. In der Europäischen Gemeinschaft bzw. in der Europäischen Union nimmt die Familienpolitik bisher eine Randrolle ein. Man kann zur Beschreibung der familienpolitisch relevanten und familienpolitischen Aktivitäten der Gemeinschaft am ehesten von einer "punktuellen Familienmitgliederpolitik" sprechen, weil Familienfragen, wenn überhaupt, dann behandelt werden im Zusammenhang - mit der Mobilität der Arbeitnehmer und ihren Sicherungs- und Wohnungsproblemen, - mit der Gleichberechtigung und der Chancengleichheit von Männern und Frauen, - mit Fragen der Kinderbetreuung in Betreuungseinrichtungen und - mit Hilfen für ältere Menschen. 46 Erste familienpolitische Ansätze zu einer Familienpolitik enthält eine Entschließung der EWG vom 9. Juni 1983, die zahlreiche Forderungen enthält. Deren Umsetzung ist jedoch Aufgabe der nationalen Politiken. In der 1989 verabschiedeten "Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer" ist die Familie überhaupt nicht erwähnt. Zentrale Quelle für politisch verbindliche Ziele ist das Grundgesetz. Art. 6 GG enthält folgende familienpolitischen Ziele: - Er stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (Abs.l); - er erklärt Pflege und Erziehung der Kinder zum natürlichen Recht der Eltern und zu der ihnen "zuvörderst" obliegenden Pflicht (Abs.2);
45 Erinnert sei nur an Art. 16 der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" und an das von den Vereinten Nationen rur 1994 ausgerufene Internationale Jahr der Familie. 46 Vgl. dazu K.H. Marquard, Familien im Wanderungsprozeß in Europa, in: Familienreport 1994. Bericht der Deutschen nationalen Kommission rur das Internationale Jahr der Familie 1994, Bonn, o.J., S. 180 ff.; H.G. Krüsselbergf R. Strätling, Familienpolitik und europäische Integration, in: H. Gröner/ A Schütier, Die europäische Integration als ordnungspolitische Aufgabe, Stuttgart u.a. 1993, S. 397 ff.; H. Berie, Quo Vadis Europäische Sozialpolitik? in: G. Kleinhenz (Hrsg.), Soziale Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft. Die Vervollkommnung einer "Sozialen Marktwirtschaft" als Daueraufgabe der Ordnungs- und Sozialpolitik, Berlin 1995, S. 409 ff.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
- er verbietet es, Kinder von der Familie zu trennen - es sei denn, die Erziehungsberechtigten versagen oder die Kinder drohen zu verwahrlosen (Abs.3); - er räumt jeder Mutter Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft ein (Abs.4); - er verbürgt den unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft wie den ehelichen Kindern (Abs.5).47 Hervorhebung verdient, daß "im Gegensatz zu früherer Auffassung, wonach Art. 6 Abs. I GG nur Programmsatzcharakter hatte, heute unstreitig ist, daß eine aktive Förderungspflicht von Ehe und Familie durch den staatlichen Gesetzgeber geboten ist", die sich "wesentlich auf den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie beziehen muß (BVerfGE 13,331,343)", aber nicht soweit geht, "daß der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen (BVerfGE 23,258,264; 28, 104, 113; 40, 121, 132)".48 Weitere, für die Familienpolitik relevante Grundrechte sind: 49 - Der Schutz der Menschenwürde nach Art. I Abs.l; - das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art.2 Abs.l. Für die Verwirklichung beider Grundrechtsgewährleistungen sind die Lebensbedingungen in den Familien unmittelbar bedeutsam; - die Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art.3 Abs.2, aus der sich v.a. das Recht von Mann und Frau zur Teilnahme am Erwerbsleben und damit das Ziel der Förderung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit ergibt; - die Garantie der Freiheit des Glaubens, des Gewissens, des religiösen sowie des weltanschaulichen Bekenntnisses nach Art. 4 Abs. I. Diese Garantie zieht dem Staat Grenzen für die Definition von Erziehungszielen und schließt in Verbindung mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit die staatliche Festlegung von Zielen und Inhalten der Erziehung im 47 Vgl. zur familienpolitischen Substanz von Art.6 Abs. 1 GG und zu den familienpolitischen Folgen der Umsetzung dieser Rechtsnonn im Familienrecht sowie im Steuer- und Sozialrecht v.a. Lecheier 1989 und M. Pechstein 1994. Vgl. auch V. Schmid, Die Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, Berlin 1989 sowie P. Krause, Der Schutz von Ehe und Familie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Archiv filr Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, 1986, S. 18 ff. und Fuchs 1994b, S. 524 ff. 48 Fuchs 1994b, S. 528. 49 Vgl. dazu auch Fuchs 1994b, S. 529: "Eine wichtige Fortentwicklung der Verfassungsinterpretation und Konkretisierung des Art. 6 Abs. I hat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dadurch stattgefunden, daß Art. 6 Abs. 1 GG zusammen mit anderen Grundrechtsartikeln und Verfassungsbestimmungen als Prüfungsmaßstab benutzt wurde."
C. Grundziele der Familienpolitik
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Sinne eines weltanschaulichen Monismus, wie die SED ihn in der DDR durchsetzte, aus; - die Sozialstaatsklausel der Art.20 und 21, durch die v. a. soziale Gerechtigkeit gegenüber Familien eingefordert wird. Gemäß der Verfassung der Bundesrepublik Pat die Familienpolitik Ordnungsprinzipien wie der Pluralität der Lebensziele und Lebensentwürfe, aber auch des Systems der Träger und Organe der Familienpolitik sowie der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, dem Subsidiaritätsprinzip als Grundsatz für die Kompetenz- und Aufgabenabgrenzungen und dem Solidaritätsprinzip zu entsprechen, das eine mindestens partielle Kompensation der von der Familie geleisteten Aufwendungen für Kinder und pflegebedürftige Angehörige in Form staatlicher Hilfen begründet. 50 Ziele der Familienpolitik finden sich auch in nicht wenigen Sozialgesetzen. Z.B. postuliert § 6 des SGB: "Wer Kindern Unterhalt zu leisten hat oder leistet, hat ein Recht auf Minderung der dadurch entstehenden wirtschaftlichen Belastungen". § 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes erklärt: "Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfahigen Persönlichkeit." In § 1 Abs.2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes findet sich als Zielformulierung im Rahmen des Wohnungsbaues: "In ausreichendem Maße sind solche Wohnungen zu fördern, die die Entfaltung eines gesunden Familienlebens, namentlich für kinderreiche Familien, gewährleisten." Eine weitere wichtige Quelle für die Feststellung insbes. der aktuell verfolgten familienpolitischen Ziele sind Regierungserklärungen und nicht zuletzt die Stellungnahmen der Bundesregierung zu den Familienberichten. Z.B. hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Zweiten Familienbericht 1975 als Ziele für besonders wichtig erachtet: 1. Die Förderung der Sozialisationsaufgabe der Familie mit dem besonderen Ziel, allen Kindern ein Höchstmaß an Chancen fiir ihre emotionale, geistige und soziale Entwicklung unabhängig von der Schichtzugehörigkeit der Eltern zu sichern; dabei wird besonders die Aufgabe betont, Hilfe für die frühkindliche Erziehung zu geben; 2. die Stärkung der Erziehungsfahigkeit der Eltern durch Maßnahmen der Elternbildung und der Erziehungsberatung; 50 Vgl. dazu BMFuS (Hrsg.) 1991, S. 42 f
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
3. die materielle Sicherung der Familie. 51 In ihrer Stellungnahme zum Fünften Familienbericht hat die Bundesregierung als Ziele herausgestellt: - Den Abbau struktureller Rücksichtslosigkeiten gegenüber den Familien; - eine bessere Unterstützung der Familien bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben; - die Erleichterung der Entscheidung junger Menschen für ein Leben mit Kindern; - den Abbau der wirtschaftlichen Benachteiligung von Eltern mit Kindern im Vergleich zu Kinderlosen; - die ausreichende Förderung der Familien durch Einkommenstransfers und zwar um so mehr, je geringer ihr Einkommen und je größer ihre Kinderzahl ist; - die Berücksichtigung einer durch Kinder eingeschränkten Erwerbsbeteiligung; - die Weiterentwicklung des Familienlastenausgleichs zu einem Familienleistungsausgleich; - den Ausbau familienergänzender Angebote zur Bildung, Erziehung und Betreuung in Tageseinrichtungen für Kinder; - die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 52 Der Katalog politisch potentiell verbindlicher Ziele ist z.T. sehr abstrakt, wie etwa das familienpolitische Hauptziel des Schutzes und der Förderung der Familie, das der Interpretation und Konkretisierung bedarf. 53 Bei der Interpretation und Konkretisierung dieser und anderer Normen gibt es immer wieder parteipolitische und verbandspolitische Divergenzen,54 die auf familienpolitisch unterschiedliche Leitbilder und Auffassungen zurückzuführen sind. Aus verschiedenen Gründen ist der jeweilige Zielkatalog einer Regierung unvollständig und enthält in der Regel nur Ziele aus der Spitze der Zielhierar-
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BMJFG (Hrsg.) 1975, S. VI f BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. VI,IX, Xl, XVII. Als Paradebeispiel solcher Interpretation und Konkretisierung seien erwähnt Lecheier 1989; P. Häberle, Verfassungsschutz der Familie und Familienpolitik im Verfassungsstaat, Heidelberg 1984 und Schwab 1989. 54 Vgl. nur die gegensätzlichen Auffassungen zwischen CDU/CSU und F.D.P. einerseits und SPD andererseits über die zweckmäßige Gewichtung von Steuerfreibeträgen und Kindergeld als Instrument des Familienlastenausgleichs (s. dazu 4.Kap.C.II.2.a).
C. Grundziele der Familienpolitik
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chie (Finalziele), die um bestimmte aktuelle Teilziele (Instrumentalziele) ergänzt sind. 55 Natürlich hat eine Regierung das Recht und im Grunde auch die Pflicht, den familienpolitischen Zielkatalog zu präzisieren und zu velVollständigen, wenn sie im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung nach Abwägung aller Umstände Handlungsbedarf sieht. 56 Da sie bei der Verfolgung ihrer Ziele auf die Gewinnung von Mehrheiten in den gesetzgebenden Organen angewiesen ist, müssen bei diesem Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß unterschiedliche familienpolitische Auffassungen der Parteien in Form von Kompromissen berücksichtigt werden. Die Programme politischer Parteien stellen neben Gesetzen, Erklärungen des Gesetzgebers, Regierungserklärungen und anderen Verlautbarungen der Regierung eine zweite Art von Quellen für familienpolitische Zielsetzungen dar. Diese parteipolitischen Zielsetzungen haben jedoch für die Träger der politischen Verantwortung nur dann politische Verbindlichkeit, wenn ihnen durch entsprechende Entscheidungen der Träger der Politik eine solche Verbindlichkeit zuerkannt worden ist. Gleiches gilt für eine weitere Quelle von Zielen, nämlich Veröffentlichungen von kirchlichen Institutionen57 und von Verbänden58 . Daher sollte man, soweit die in Parteiprogrammen, kirchlichen Stellungnahmen und in den Programmen von Verbänden enthaltenen Ziele nicht mit politisch "anerkannten" familienpolitischen Zielen identisch sind, diese Art von Zielen als Zielvorstellungen bezeichnen. 55 Auf eine Begründung soll hier verzichtet werden. Ein Grund filr die Unvollständigkeit der Zielsysteme einzelner politischer Gestaltungsbereiche dürfte darin liegen, daß eine Regierung immer nur einzelne Segmente und Punkte eines ganz überwiegend schon weitgehend entwickelten komplexen Bereiches politischer Gestaltung ändern kann, ein zweiter Grund dürfte in der begrenzten Problemlösungskapazität einer Regierung bei im Prinzip unbegrenztem Problemlösungsbedarfliegen. 56 Ein Beispiel dafilr sind die Novellierung des Ehe- und Familienrechts durch die sozial-liberale Koalition 1974 bis 1976 (vgl. dazu 4. Kap.B.III.3.) und die Einfilhrung von Erziehungsurlaub, Erziehungsgeld und Anerkennung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung durch die christlichliberale Koalition 1986 (vgl. dazu 4. Kap.B.IV.2.). 57 Als Beispiele solcher Stellungnahmen seien angefilhrt: bestimmte päpstliche Enzykliken, die Charta der Familienrechte des Heiligen Stuhls vom 22. Oktober 1983 (hgg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz), die Diskussionsgrundlage filr ein gemeinsames Wort der evangelischen und der katholischen Kirche "Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland" aus dem Jahre 1994. 58 Vgl. nur die Veröffentlichungen folgender Verbände: Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Familienorganisationen; Deutscher Familienverband; Evangelische Aktionsgemeinschaft filr Familienfragen; Familienbund der Deutschen Katholiken; Verband alleinstehender Väter und Mütter; Deutsche Liga filr das Kind in Familie und Gesellschaft.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Soweit zwischen den Zielvorstellungen jeweils der Parteien, der Kirchen und der Verbände und zwischen den Zielvorstellungen der Parteien, Kirchen und Verbände Unterschiede bestehen, sind diese Unterschiede auf unterschiedliche familienpolitische Leitbilder zurückfiihrbar. Mit der vorliegenden Arbeit wird nicht das Ziel verfolgt, einen Überblick über solche familienpolitischen Leitbilder zu geben oder ein bestimmtes Leitbild zu entwerfen und zu begründen. Es soll aber anhand ausgewählter Beispiele veranschaulicht werden, welche Unterschiede zwischen den familienpolitischen Leitbildern von Parteien bestehen, um zweierlei aufzuzeigen: 1. Wie groß Divergenzen zwischen politisch relevanten Leitbildern59 sind; 2. daß die Leitbildunterschiede, d.h. auch die unterschiedlichen weltanschaulichen Grundlagen familienpolitischer Konzepte, es nicht zulassen, daß Wissenschaftler Zielsysteme entwickeln und in die wissenschaftliche bzw. die politische Diskussion einbringen, die über die von den Trägern der Politik anerkannten Zielsysteme hinausgehen, ohne sie als Zielvorstellungen zu kennzeichnen, die auf einem bestimmten, weltanschaulich geprägten Leitbild beruhen und keine politische Verbindlichkeit haben. Im Grundsatzprogramm der CDU vom 23. Februar 1994 wird die Familie, die nicht näher definiert wird, als "das Fundament unserer Gesellschaft" bezeichnet, als "die beständigste Form des Zusammenlebens in der Gesellschaft", die ihrer Leistungen für die Sozialisation und für die Persönlichkeitsentfaltung sowie der geübten Solidarität wegen finanzielle Unterstützung und gesellschaftliche Anerkennung verdient. Als beste Grundlage für die Familie und als schutzwürdig wird die Ehe angesehen. Nicht-eheliche Partnerschaften werden "respektiert". Die Erziehungsleistung der Eltern soll anerkannt und unterstützt werden. Der mit der Erziehung der Kinder verbundene "unersetzliche Beitrag" von Eltern "für das Gemeinwohl und den Fortbestand unserer Gesellschaft" soll anerkannt werden durch einen Ausbau des Familienlastenausgleichs zu einem Familienleistungsausgleich sowie durch die Förderung der Erziehung und der Entwicklung der Kinder mit Hilfe der Verwirklichung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz und des Baues genügend kinderfreundli59 Unter dem Leitbild filr einen politischen Bereich soll hier verstanden werden das System grundlegender Ideen und Normen, die die Ziele eines politischen Bereiches bestimmen und eine Orientierung der politischen Handlungen ermöglichen. Leitbilder enthalten in der Regel zwei Elemente: auf ein bestimmtes, gestaItungsflihiges Objekt bezogene Vorstellungen bzw. Finalziele und die normative Auszeichnung dieser Vorstellungen im Sinne eines Soll-Zustandes von Seiten detjenigen, die das Leitbild filr erstrebenswert halten oder es akzeptieren. Als Instrument komprimierter Zusammenfassung von Vorstellungen und Zielen sind Leitbilder unvermeidlich hoch abstrakt und unbestimmt (wertausfilllungs- bzw. präzisierungsbedürftig).
c. Grundziele der Familienpolitik
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cher Wohnungen. Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine Vielzahl bekannter Maßnahmen wird als familienpolitische Notwendigkeit aufgefaßt. Das neue, auf dem Gleichberechtigungsgrundsatz beruhende Rollenverständnis von Frau und Mann soll gefördert werden. Im Vergleich zu diesem Leitbild betont das Leitbild der Familie im Grundsatzprogramm der CSU vom Oktober 1993 die Bedeutung der Familie für die Gesellschaft stärker, grenzt die Ehe deutlicher von nicht-ehelichen Gemeinschaften ab und zollt ihnen nicht ausdrücklich Respekt, spricht sich weniger verhalten als das Programm der CDU für staatliche Hilfen aus und betont die Notwendigkeit, für Eltern eine Wahlfreiheit zwischen simultaner und sequentieller Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit zu schaffen. Das Programm tritt auch für die AufWertung ausschließlicher Familien- und Erziehungsarbeit sowie für die verstärkte Berücksichtigung der Erziehungsleistung im System sozialer Sicherung ein. Im Grundsatzprogramm der SPD vom 20. Dezember 1989 werden Familien mit "Lebensgemeinschaften" auf eine Stufe gestellt und als eine von "vielfältigen Formen von Bindungen, die auf Dauer angelegt sind" angesehen. Die Ehe unterscheidet sich von anderen Lebensformen dadurch, daß sie als die "häufigste" Lebensform angesehen wird. Familie wird definiert "als Lebensgemeinschaft Erwachsener mit Kindern". Staat und Gesellschaft müssen "Familien und andere Lebensgemeinschaften" "anerkennen, schützen und fördern". Neben der Aufgabe, gesellschaftliche Gleichheit von Frau und Mann zu verwirklichen, wird die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit für Männer und Frauen u.a. durch Kindertagesstätten und Ganztagsschulen befürwortet, ein wenigstens teilweiser Ausgleich der materiellen Leistungen der Familie vorgesehen und eine "konsequent kinderfreundliche Politik im Rahmen der Stadt- und Dorfentwicklung", v.a. im Wohnungsbau, als notwendig erachtet. Betont wird auch die Notwendigkeit gesellschaftlicher Anerkennung und sozialer Absicherung der Kindererziehung und der Familienarbeit. 60 Das familienpolitische Programm der F.D.P. unterscheidet sich von den bisher skizzierten Leitbildern durch eine geringere Grundsatz- und stärkere Instrumentenorientierung. Daher ist sein Leitbildcharakter weniger ausgeprägt. So finden sich keine Aussagen zur Bedeutung von Familie und Ehe. Es ist nur die Rede davon, daß "der Stellenwert der Familie durch gesellschaftli60 Konkreter hat Rudolf Scharping 1994 fonnuliert: "Die Benachteiligung von Familien mit Kindern in unserer Gesellschaft muß gestoppt werden .... Eine zeitgerechte Politik muß sich und die Menschen darauf einstellen, daß eine wirkliche familienpolitische Strukturrefonn zu bewältigen ist. Es muß ein neuer Konsens gefunden werden, der die Funktion und Leistungen ebenso defmiert wie die Anerkennung und Honorierung dieser Aufgabenbewältigung durch die Familie." (Quelle: Stirrune der Familie, Juli! August 1994, S. 4).
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
che Anerkennung und finanzielle Hilfe gesteigert werden" und "vor allem eine angemessene Unterstützung bei der Kindererziehung verwirklicht werden" muß. Die Partei tritt für eine Verbesserung des Familienlastenausgleichs ein und will die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fordern. Im Wahlprogramm für die Bundestagswahl 1994 hat die F.D.P. die Achtung von nicht-ehelichen Gemeinschaften u.a. durch eine Ergänzung von Art. 6 GG durch den Satz "Die staatliche Ordnung achtet andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften" angeregt und für die Schaffung des Rechtsinstituts "eingetragene Partnerschaft" für gleichgeschlechtliche Paare plädiert. 61 Die Gruppierung "Bündnis 90/ Die Grünen" hat in ihren "Politischen Grundsätzen" keine Aussagen zur Familie und zur Familienpolitik fonnuliert. Häufig ist die Rede von Frauenpolitik. "Frauenpolitik heißt für uns, alle Politikbereiche aus feministischer Perspektive zu untersuchen, überall die unterschiedliche Situation von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft zu erkennen und Veränderungen einzufordern, die über bestehende Gesellschaftsmodelle hinausweisen und Frauen ein selbstbestimmtes und selbstbewußtes Leben ennöglichen". Nur an einer Stelle der "Grundsätze" finden sich Aussagen, die indirekt mit dem Begriff der Familie zusammenhängen: es werden nämlich "Rahmenbedingungen" eingefordert, die es "Menschen mit Kindern" ennöglichen, "ihre Verantwortung als Erziehende ebenso wahrzunehmen wie bei der Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse. "62 Auch das Programm der POS vom Januar 1993 weist keine familienpolitischen Aussagen auf. Allerdings gibt es eine 1995 gefertigte "Ausarbeitung zur Begründung der Notwendigkeit der Erarbeitung von familienpolitischen Positionen der POS", die sich ausführlich mit der Bedeutung, den Aufgaben und der Notwendigkeit der Förderung der Familien befaßt. Die aufgezeigten Unterschiede in den familienpolitischen Leitbildern der Parteien, die an der politischen Willensbildung in den Gesetzgebungsorganen und Regierungen mitwirken, werden im Rahmen der politischen Praxis durch Kompromisse verringert bzw. überbrückt, die auf der Notwendigkeit der 61 Vgl. dazu Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), Das Programm der Liberalen. 10 Jahre Programmarbeit der F.D.P. 1980 bis 1990, Baden-Baden 1990, S. 459 ff. sowie Wahlprogramm der F.D.P., verabschiedet am 3.15. Juni 1994 in Rostock, S. 57-59. Vgl. zur Familienpolitik der Liberalen auch N. Eimer, Liberale Familienpolitik, in: aus politik und zeitgeschichte, beilage zur wochenzeitung das parlament vom 19. Mai 1984, S. 28 ff. 62 Bündnis 90/ Die Grünen (Hrsg.), Politische Grundsätze, 0.0. und 0.J., S. 33. Vgl. zur Familienpolitik des Bündnis 90/ Die Grünen auch M. Opielka, Familienpolitik ist "Neue-Männer-Politik", Überlegungen zu einer ökologischen Familienpolitik, in: aus politik und zeitgeschichte, beilage zur wochenzeitung das parlament vom 19. Mai 1984, der ebenfalls feststellt, daß "explizite Programmaussagen zur Familie (oder ihren Alternativen) weder auf Bundes- noch auf Landesebene vorliegen. Diskutiert wird über Familie nur im Konzept grüner Frauenpolitik" (S. 42).
C. Grundziele der Familienpolitik
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Mehrheitsbildung beruhen. Daher "steckt" hinter den Zielen und Instrumenten der Familienpolitik, die sich in Gesetzen niedergeschlagen haben, ein Leitbild, das mit keinem Leitbild einer bestimmten Partei identisch ist, sondern nur mehr oder minder große Übereinstimmungen mit solchen Leitbildern aufweist. Der Versuch, ein familienpolitisches Leitbild für die Bundesrepublik für eine bestimmte Periode aus der praktizierten Familienpolitik abzuleiten, ist im Rahmen dieser Arbeit nicht realisierbar. Der ablaufende und auf Konsensbil-
dung zwischen den Parteien angelegte Willensbildungsprozeß bewirkte und bewirkt jedoch langfristig. daß - wie bei der Darstellung familienpolitischer Programme der Parteien erkennbar geworden ist - bestimmte Grundziele der Familienpolitik als Finalziele mehrheitlich akzeptiert sind. selbst wenn im Zuge der Zielkonkretisierung und -umsetzung Divergenzen auftreten. Diese Grundziele werden im folgenden Abschnitt dargestellt. Bei dieser Darstellung geht es v.a. darum, diese Grundziele zu interpretieren, die Instrumentalziele, die sich aus den Grundzielen ergeben, abzuleiten, und die familienpolitische Bedeutung dieser Ziele als Kernelemente eines familienpolitischen Konzepts herauszustellen. Wenngleich auch Instrumente benannt werden, die zur Zielerreichung eingesetzt werden und eingesetzt werden können, besteht nicht die Absicht, die Instrumente der Familienpolitik systematisch auf ihre Eignung zu überprüfen und den Einsatz bestimmter Mittel in einer bestimmten quantitativen und qualitativen Ausprägung vorzuschlagen. Dies ist schon aus Raumgründen nicht möglich, scheint dem Verfasser aber auch nicht zweckmäßig, weil durch eine zu detaillierte FestIegung und den Versuch, eine bestimmte familienpolitische Konzeption bis in den Mittelbereich hinein auszuformulieren, die Konsensbildung erschwert werden würde. Allerdings sollen (im Abschn. D.) Probleme angesprochen werden, die mit dem Einsatz bestimmter Instrumente (Ehegattensplitting, Freibeträge, Erziehungsjahre) verbunden sind. Die eben angestellten Überlegungen haben gezeigt, daß Wissenschaftlern und wissenschaftlichen A1beiten bei der Einführung von politischen Zielen in ihre Arbeiten Grenzen gezogen sind. Den in wissenschaftliche Arbeiten eingeführten Zielen kommt nur dann der Rang potentieller politischer Verbindlichkeit zu, wenn die angeführten Ziele in der politischen Realität als verbindlich anerkannt sind. Wenn dies nicht der Fall ist, können Ziele nur auf zwei Wegen eingeführt werden: entweder bekenntnismäßig, d.h. als persönliche Wertungen des Verfassers, die als solche auch kenntlich gemacht sind, oder hypothetisch, d.h. als verbindlich unterstellte Ziele zum Zweck wissenschaftlicher Analyse (Analyse von möglichen Zielinterpretationen und Zielinhalten, Ana-
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
lyse von Zielbeziehungen, Ableitung von Möglichkeiten und Folgen der Zielverwirklichung). Der Verfasser wird in einem späteren Abschnitt (0.) Ziele, von denen er meint, daß sie in der Bundesrepublik angesichts des erreichten Standes der Familienpolitik, der Lage der Familien und der aktuellen Bedeutung der Familienpolitik verfolgt werden sollten, in Form von Empfehlungen benennen. Vorher sollen jene Grundziele dargestellt und interpretiert werden, die - da sie als Finalziele mehrheitlich nicht in Frage gestellt werden - als potentiell verbindliche Ziele betrachtet werden können.
11. Familienpolitische Grundziele und der Grad ihrer Verwirklichung in der Bundesrepublik Deutschland Aus Art. 6 GG, Sozialgesetzen, Regierungsdokumenten und einschlägigen Veröffentlichungen über die Familienpolitik in der Bundesrepublik läßt sich das zentrale Ziel der Familienpolitik ableiten. Es besteht darin, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, d.h. Ehe und Familie als Institution zu schützen und zu fördern und für die Familien die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie ihre Aufgaben (Funktionen) bestmöglich erfiillen können (vgl. dazu l. Kap. C.).63 Dieses Hauptziel ist im wesentlichen erreichbar durch eine zieladäquate Beeinflussung der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen,64 v.a. der Einkommenslage, der Erwerbsmöglichkeiten, der Wohnbedingungen und der familialen sozialen Infrastruktur. Vor der Interpretation und inhaltlichen Analyse dieser Grundziele sei noch darauf hingewiesen, daß für die praktische Familienpolitik eine Entscheidung darüber unverzichtbar ist, was als Familie bezeichnet und gefördert werden soll. Dabei geht es nicht nur darum, sich für einen verfassungsgemäßen Familienbegriff zu entscheiden, um eine Familienpolitik "praeter constitutionem" zu verhindern,65 sondern es geht darum, in erster Linie jene Lebensform zu fördern, die am besten geeignet erscheint, die Familienaufgaben zu erfiillen. Dies soll und muß nicht bedeuten, daß andere Lebensformen diskriminiert werden. 63 Vgl. dazu Wingen 1964, S. 65; BMJFG (Hrsg.) 1975 (Zweiter Fami!ienbericht), S. VI f; Wingen 1986, Sp. 532; Bethusy-Huc 1987, S. 115; Ellwanger 1987, Sp. 855; Leche!er 1989, S. 237 ff.; Bade!t 1994, S. 178. 64 Vgl. dazu 1. Kap.E. und 2. Kap. B. und C. 65 Vgl. dazu Lecheier 1989, S. 230.
C. Grundziele der Familienpolitik
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Der Verfasser spricht sich dafür aus, als "Objekt" der Familienpolitik zu definieren die auf der Ehe beruhende Lebensgemeinschaft verschiedengeschlechtlicher Personen mit ihren Kindern (einschl. von Stief-, Adoptiv-, Pflege- und nicht-ehelichen Kindern) sowie Alleinerziehende und ihre Kinder. 66 1. Beeinflussung der Einkommens- und Vermögenslage
Oben wurde ausfiihrlich dargestellt,67 daß zwischen Haushalten mit Kindern und solchen ohne Kinder erhebliche Einkommensunterschiede bestehen, weil es unmöglich ist, in marktwirtschaftlieh gesteuerten Wirtschaftssystemen familienstand- und kinderzahlabhängige Erwerbseinkommen zu zahlen, weil die Erwerbsmöglichkeiten kinderversorgender Eltern eingeschränkt sind und weil aus dem Einkommen der Familien eine größere Personenzahl versorgt werden muß und daß diese Einkommensunterschiede sowohl aus Gründen sozialer Gerechtigkeit als auch auf der Grundlage des Ziels einer teilweisen finanziellen Anerkennung der Erfiillung gesellschaftlich wichtiger Funktionen durch die Familien verringert werden sollten. 68 Es erscheint fiir die Beurteilung alternativer Formen und der Höhe der Beeinflussung der Einkommenslage von Familien zweckmäßig, zu klären, wodurch sich diese alternativen Formen der Beeinflussung nach den damit verfolgten Teilzielen und nach ihrer instrumentellen Eignung unterscheiden. a) Beeinflussung der Einkommens- und Vermögenslage durch Herstellung der Steuergerechtigkeit Eine Form der Beeinflussung der Einkommenslage von Familien stellten im Rahmen des Familienlastenausgleichs Steuerfreibeträge fiir Kinder dar. Sie 66 vgl. zum Familienbegriffauch LecheIer 1989, S. 225 ff. 67 Vgl. 2.Kap. B. und C.
68 Vgl. zur Begründung dieser Zielsetzung auch BMJFG (Hrsg.) 1971, S. 5 f.; Wingen 1986; Ellwanger 1987; Oberhauser 1988; Badelt 1994, S. 177 ff.; M. Pechstein 1994. Vgl. dazu auch folgende Aussagen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der SPD vom 24. November 1993 (BTDr. S. 12/6224): "Da die Erziehung von Kindern die Möglichkeiten der Erwerbsbeteiligung von Eltern einschränkt und die Einkommensverteilung des Marktes nicht berücksichtigt, filr wieviele Kinder Eltern wirtschaftlich einzustehen haben, ... ist es eine Aufgabe der Familienpolitik, die primäre Einkommensverteilung zu ergänzen, eine durch Kinder eingeschränkte Erwerbsbeteiligung zu berücksichtigen und zu einem Ausgleich der durch den Kinderunterhalt bestehenden Lasten beizutragen, um so wirksamer, je niedriger das Einkommen und je höher die Kinderzahl liegen" (S. 1). "Es bleibt deshalb Aufgabe der Familienpolitik, die großen Unterschiede an verfilgbarem Pro-Kopf-Einkommen und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zwischen den privaten Haushalten, die Kinder und Jugendliche zu erziehen haben, und denen, die dies nicht, noch nicht oder nicht mehr zu leisten haben, zu vermindern" (S. 3).
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
werden auch heute noch als familienpolitisches Instrument genutzt, wenn ein Steuerpflichtiger sich (statt des Kindergeldbezuges) dafür entscheidet. Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1990 ist jedoch klargestellt worden,69 daß der Gesetzgeber bei der Einkommensbesteuerung die für die Sicherung des Existenzminimums der Familie erforderlichen Einkommensteile nicht besteuern darf. Damit ist klar geworden, daß Kinderfreibeträge, die nicht höher sind als die existenzminimalen Aufwendungen für Kinder,
keine Maßnahme des Familienlastenausgleichs sind, sondern ein Gebot der Steuergerechtigkeit. 7o Die Anhebung der Steuerfreibeträge ab 1996, die nicht
höher sind als die existenzminimalen Aufwendungen für Kinder, befreite daher die Familien nur von einer verfassungswidrigen steuerlichen Überlast.
Deswegen sind Familien, die sich nach dem seit 1996 geltenden Rechtfor die Inanspruchnahme der Kinderfreibeträge entscheiden, weil deren Einkommenswirkung höher ist als das Kindergeld, aus dem Familienlastenausgleich in Form steuerlicher Entlastungen und in Form des Kindergeldes ausgeschlossen/I solange der Steuerfreibetrag - wie es gegenwärtig der Fall ist nicht über den Existenzminimumkosten for Kinder liegt. Durch die Anhebung der Kinderfreibeträge im Jahressteuergesetz 1996 und den darin festgelegten Grundsatz der Anpassung der Freibeträge an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten kann in der Bundesrepublik das Ziel der Herstellung der horizontalen Steuergerechtigkeit als erreicht gelten. 72 Der Grundsatz bzw. das Ziel der Steuergerechtigkeit verlangt nicht nur die Berücksichtigung der Aufwendungen für Kinder bei der Einkommensteuer, sondern auch - in Entsprechung zu den Freibeträgen für Ehegatten bei der Vermögen- und der Erbschaftsteuer - Freibeträge für Kinder bei der Einkommen- und Vermögensteuer. 73 69 BVerfGE 82,85. 70 Der 57. Deutsche Juristentag hatte bereits 1988 daraufhingewiesen, daß die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen bei der Besteuerung keine Steuervergünstigung, sondern ein Gebot der einkommensteuerrechtlichen Belastungsgleichheit darstellt. Vgl. dazu T. Hoffinann, Einkommensteuerrecht, in: Zeitschrift filr Sozialrefonn 1989, S.37. Deutlich fonnulierte auch Heinrich Sudrnann (1993, S.278): "Steuer, die der Staat heute noch entgegen dern Verfassungsgebot auf Unterhaltsleistungen in Höhe des Existenzminimums erhebt, muß als 'Diebesgut' bezeichnet werden". Vgl. ferner K1einhenz 1995, S. 82: "Die Einlösung der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, daß bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder frei bleiben muß, ist keine familienpolitische Maßnahme, sondern nur die Rücknahme einer verfassungswidrigen Besteuerung." 71 Nach geltendem Recht besteht ein Anspruch entweder auf die Steuerfreibeträge filr Kinder oder auf Kindergeld. 72 Mit horizontaler Gerechtigkeit ist gemeint, daß Steuerpflichtige mit gleichem Einkommen, aber verschiedenem Familienstand gerecht behandelt werden. 73 Die Vermögensteuerfreibeträge filr Kinder belaufen sich derzeit auf 90 000 DM, die Erbschaftsteuerfreibeträge auf 120 000 DM.
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C. Grundziele der Familienpolitik
Die Verwendung von Freibeträgen als Instrument der Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen ist - wie im 4. Kap. C.II.2.f. dargestellt - nicht unumstritten, weil der Umfang der Entlastung um so größer ist, je höher das steuerpflichtige Einkommen ist. Geht man jedoch davon aus, daß durch den Freibetrag nur die Beeinträchtigung der steuerlichen Leistungsfahigkeit durch Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt werden soll, die Freibeträge also nicht der Förderung der Familie, sondern ihrer steuerlich gerechten Behandlung dienen, und berücksichtigt man, daß der Unterhaltsbedarf von Familien mit niedrigem Einkommen für ihre Kinder in bestimmtem Umfang durch Kindergeldzahlungen gedeckt wird, dann erweisen sich die Verteilungswirkungen der Freibeträge als nicht problematisch.
b) Beeinflussung der Einkommenslage durch Herstellung der Bedarfsgerechtigkeit Aus dem Gebot des Bundesverfassungsgerichts, den Existenzminimumbedarf von Familien unbesteuert zu lassen, damit sie zur Verfügung haben, was sie zur Sicherung des Existenzminimums brauchen, ergibt sich logischerweise die Folge, daß für Familien, die sich das Existenzminimumeinkommen nicht selbst erwirtschaften können, dieses Einkommen in Form von Sozialtransfers gesichert werden muß. Das Ziel der Existenzminimumsicherung für Bedürftige durch Sozialtransfers ist jedoch primär aus dem Gebot der Wahrung der Menschenwürde nach Art. 1 GG ableitbar. Daher sind solche Transfers, die bisher im Rahmen der Sozialhilfe gewährt werden, ebenfalls nicht als eine Maßnahme des Familienlastenausgleichs interpretierbar, weil sie jedermann zustehen, der kein das Existenzminimum sicherndes Einkommen hat. 74 Erst indirekte und direkte Transfers, die über die Erfüllung des Gebots der Steuergerechtigkeit und über die Erfüllung der Bedarfsgerechtigkeit hinausgehen und das Familieneinkommen durch eine interpersonelle Einkommensumverteilung über das Existenzminimumeinkommen anheben, sind als ein Ausgleich von Lasten zwischen kinderversorgenden und kinderlosen Gesellschaftsmitgliedern bzw. als finanzielle Anerkennung von Familienleistungen anzusehen. Das Ziel der Sicherung des Mindestbedarfs für Familien kann prinzipiell als erreicht gelten. Dennoch wäre es sinnvoll, die Existenzsicherung der Kin74 Diese Auffassung vertritt auch der Wissenschaftliche Beirat BMFSFJ (Hrsg.) 1995a, S. 5 ff. 17 Lampert
rur
Familienfragen in
236
5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
der nicht im Wege der Sozialhilfe zu gewährleisten, sondern durch eine existenzsichernde Einkommenshilfe fiir die Kinder mittelloser Familien. Dadurch würde vermieden, daß allein die Tatsache, daß Familien Kinder haben, Sozialhilfebedürftigkeit begründen kann. 75 c) Beeinflussung der Einkommens- und Vermögenslage durch einen Familienlasten- und Familienleistungsausgleich Für die Verwirklichung eines Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs sind zwei Leistungsarten von Bedeutung, nämlich - fiskalische Leistungen in Form indirekter und direkter Transfers. Dazu gehören steuerliche Entlastungen und Vergünstigungen (Ehegattensplitting, Freibeträge, andere Abzüge von der Steuerbemessungsgrundlage oder von der Steuerschuld) und direkte Sozialtransfers (Kindergeld, Erziehungsgeld, Kinderkomponente des Wohngeldes, Fördergrundbetrag im Wohnungsbau, Kinderzulage, Zuschüsse im Rahmen des Bafög); - parafiskalische Leistungen, d.h. Leistungen der Sozialversicherungen fiir nicht erwerbstätige Familienmitglieder Versicherter. aa) Familienlasten- und Familienleistungsausgleich durch fiskalische Instrumente Während Steuerfreibeträge, die nicht höher sind als die existenzminimalen Aufwendungen, und Geldleistungen, die der Sicherung des sozio-kulturellen Existenzminimums dienen, nicht als familienpolitische Leistungen anzusehen sind, kann man alle geldwerten Leistungen und alle Geldleistungen an Familien, die über diese Grenzen hinausgehen, als Maßnahmen des Familien/astenausgleichs oder des Familien/eistungsausgleichs ansehen. 76 Eine befriedigende Trennung zwischen diesen beiden Begriffen ist kaum möglich. 77 Denn auch die "klassische" Leistung des Familienlastenausgleichs, 75 V g1. dazu auch den Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats filr Familienfragen in BMFSJ (Hrsg.) 1995a, S. 6 ff. 76 Diese Position vertreten auch die Autoren des Fünften Familienberichts. Vgl. BMFuS (Hrsg.) 1994a, S. 289. 77 Vgl. aber den Versuch einer Begriffsklärung bei H.G. Krüsselberg, Der familienpolitische Handlungsbedarf: vom Familien\astenausgleich zum Familien\eistungsausgleich?, in: S. Keil/J. Langer (Hrsg.), Familie morgen? Ertrag und Perspektiven des Internationalen Jahrs der Familie, Marburg 1995, S. 75 ff.
e. Grundziele der Familienpolitik
237
das Kindergeld, knüpft an eine Leistung der Familie, nämlich die der Versorgung von Kindern, an. Und neueren familienpolitischen Leistungen, die eher als Leistungsausgleich eingeordnet werden, wie das Erziehungsgeld oder die Anerkennung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung, stehen auch "Lasten", nämlich entgangenes Erwerbseinkommen und damit zusammenhängend ein Entgang an Ansprüchen gegen das System sozialer Sicherung gegenüber. Der tiefere Sinn des in jüngster Zeit in die familienpolitische Diskussion eingeführten Begriffs des Familienleistungsausgleichs kann eigentlich nur darin liegen, zum Ausdruck zu bringen, daß die Familien unentgeltlich für die Gesellschaft unverzichtbare Leistungen erbringen, die Anlaß dafür sein sollten, diese Leistungen finanziell in bestimmter Weise und in größerem Umfang als bisher anzuerkennen. 78 "Gerade der Gedanke, daß Familien mit der Versorgung und Erziehung der Kinder eine auch für die Gesellschaft wertvolle Leistung erbringen, die - als 'externe Effekte' wie die Leistungen der natürlichen Umwelt - bisher nicht in die gesellschaftlichen Rechnungssysteme eingegangen sind, verlangt auf längere Sicht nach der Entwicklung eines Systems leistungsgerechter Entgelte für die Beiträge der Familien zur Humanvermögensbildung. Ein solcher Familienleistungsausgleich dürfte auch nicht nur auf Leistungen von Familien bis zu einem sozialkulturellen Existenzminimum bezogen sein, sondern müßte alle Beiträge zur Humanvermögensbildung bis zu einem gesellschaftlich angemessenen Niveau berücksichtigen und dürfte auch bei höheren Einkommen nicht völlig abgeschmolzen werden. "79 Die Meinungen darüber, in welchem Umfang wirtschaftliche Belastungen von Familien bzw. die Leistungen von Familien finanziell kompensiert werden sollen, sind geteilt. Das Ausmaß dieser Leistungen läßt sich letztlich nur politisch bestimmen. Erstaunlicherweise findet sich in der Diskussion auch die Forderung, nicht erwerbstätigen kinderversorgenden Müttern (und Vätern) den Wert des entgangenen Einkommens bzw. den Wert ihrer Betreuungsleistungen voll durch die Zahlung eines Hausfrauen(männer)gehalts zu ersetzen. Abgesehen davon, daß es ethisch fragwürdig wäre,80 wenn man nicht einen nennenswerten Teil auch der wirtschaftlichen Verantwortung für Kinder bei den Eltern beließe, erscheinen solche Vorstellungen wegen der Unmöglichkeit, solche Konzepte 78 Vgl. dazu die Fonnulierung "Ausbau des Familienlastenausgleichs zu einem Familienleistungsausgleich" in den Parteiprogrammen der eDU und der esu. Der Begriff des "Kinderleistungsausgleichs" im Regierungsprogramm der SPD 1994 hat vennutlich die gleiche Funktion. 79 Kleinhenz 1995, S. 83. 80 So auch Ellwanger 1987, Sp. 856. 17*
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
zu finanzieren, utopisch. Das wird erkennbar, wenn man sich die oben81 ermittelten Werte für die Versorgung und Betreuung von Kindern in verschiedenen Familientypen ansieht, die pro Kind bis zum 18. Lebensjahr unter den gemachten Annahmen zwischen 309 000 DM und 454 000 DM liegen.
Für den Verfasser ist es selbstverständlich, daß die Gesellschaft nur einen Teil dieser Werte kompensieren kann und um der Selbstverantwortung der Gesellschaftsmitglieder willen auch nur zum Teil kompensieren sollte. 82 Die Zielsetzung, einen Teil der durch den Unterhalt von Kindern entstehenden Lasten durch staatliche Leistungen auszugleichen, ist auch von den Bundestagsparteien und von der Bundesregierung anerkannt. Sie ist überdies in § 6 SGB festgehalten. Ihre Verwirklichung könnte bei entsprechender Höhe dieser Leistung auch sicherstellen, daß sowohl das Ziel erreicht werden würde, für alle Kinder Mindestvoraussetzungen für deren Sozialisation und Persönlichkeitsentfaltung zu schaffen,83 als auch das Ziel, das Absinken von Familien aus ihrer sozialen Schicht zu verhindern. 84 Die Lebenslage einer Familie wird nicht nur dadurch im Vergleich zur Lebenslage von kinderlosen Paaren und Alleinstehenden beeinträchtigt, daß Unterhaltsleistungen für Kinder zu erbringen sind. Vielmehr fallen auch - je nach Dauer der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch Mutter oder Vater und je nach der Höhe des an sich erzielbaren Erwerbseinkommens - Verluste an Erwerbseinkommen an, die z.T. ganz erheblich sind. 85 Eine partielle Kompensation dieser Verluste erscheint zum einen geboten, um Eltern, die die Versorgung und Erziehung ihrer Kinder mindestens im Kleinst- und Kleinkindalter möglichst weitgehend selbst übernehmen wollen, weder vor die Alternative zu stellen, entweder auf die Erfüllung ihres Kinderwunsches zu verzichten, noch vor die Notwendigkeit, ihre Kinder im Kleinst- und Kleinkindal81
Vgl. 1. Kap. C.III.4.
82 Der Wissenschaftliche Beirat filr Familienfragen hat im Zusammenhang mit den von ihm entwickelten Leitsätzen und Empfehlungen zur Familienpolitik im vereinten Deutschland 1991 empfohlen, die Höhe des Familienlastenausgleichs im früher gebräuchlichen Sinne des Begriffs, d.h. als Summe von steuerlicher Entlastungswirkung durch Kinderfreibeträge und Kindergeldleistungen, an der Höhe und Entwicklung der sozialkulturellen Mindestkinderkosten zu orientieren und diese zu mindestens 50 % auszugleichen. Er vertrat die Meinung, daß "überragende sozialpolitische Gründe" filr eine Senkung der Transfers bei steigenden Einkommen sprechen könnten (BMFuS. (Hrsg.) 1991, S. 45 f). 83 Vgl. dazu BMJFG (Hrsg.) 1971, S. 5, Dinkel 1987, S. 6 und Oberhauser 1988, S. 584. 84 Vgl. dazu BMJFG (Hrsg.) 1975 (Zweiter Familienbericht), S. VI f und Ellwanger 1987, S. 857 sowie Oberhauser 1988, S. 584. Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese Zielsetzung zu einem filr den Gesetzgeber verbindlichen Ziel erklärt. Es stellte fest, das Grundgesetz verlange, "daß in der Lebenswirklichkeit Beamte ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie sich annähernd das Gleiche leisten können". BVerfGE 44,250. 85 Vgl. dazu 1. Kap. C.III.4.
C. Grundziele der Familienpolitik
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ter in familienunterstützenden Betreuungseinrichtungen unterzubringen. Zum andern ist eine solche Kompensation geboten, um eine partielle Gegenleistung der Gesellschaft für die gesellschaftlich relevanten Erträge zu bringen, die mit Kindern verbunden sind. 86 Beide Zielsetzungen liegen dem Erziehungsurlaub, dem Erziehungsgeld und der Anerkennung von Erziehungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde. Diese familienpolitischen Leistungen und ihren Ausbau könnte man von ihrer Motivation her als Familienleistungsausgleich auffassen. Auf einen solchen Leistungsausgleich sollten dem Grundsatz nach alle Familien, auch die mit höheren Einkommen, Anspruch haben. Allerdings gilt auch hier, daß die gegenwärtige und die für die nähere Zukunft absehbare finanzpolitische Lage der Bundesrepublik eine mit steigendem Einkommen sinkende und von einem bestimmten Einkommen ab "ruhende" Leistung mehrheitlich akzeptabel erscheinen läßt. Wie bereits dargestellt,87 waren in der Vergangenheit die Anteile staatlicher Leistungen an den Kosten für den Unterhalt von Kindern und mehr noch am Gesamtwert der Versorgungs- und Betreuungsleistungen für Kinder gering. Unter Berücksichtigung der Selbstfinanzierungsanteile der Familien an den Lastenausgleichsleistungen dürften die staatlichen Leistungen im Durchschnitt keinesfalls mehr als 15 % des Gesamtwertes der Versorgungs- und Betreuungsleistung betragen haben. Legt man die im Rahmen der Neuordnung des Familienlastenausgleichs im Jahre 1995 eingeführten Leistungen zugrunde und berücksichtigt man die Tatsache, daß die Freistellung des Existenzminimums der Kinder keine familienpolitische Leistung ist, sondern ein Gebot der Steuergerechtigkeit, und daß die stark erhöhten Werte des Kindergeldes bei vielen Familien der Funktion dienen, das Existenzminimum der Kinder steuerlich freizustellen, dann kommt man zu folgendem Ergebnis: diese Reform stellt einen Schritt auf dem Weg von einer ungerechten steuerlichen Behandlung und einer finanzpolitischen Vernachlässigung der Familien zu einer Behandlung dar, die dem Prinzip der Steuergerechtigkeit genügt und dem Ziel der finanziellen Anerkennung der Leistungen der Familien folgt, aber noch weit davon entfernt ist, ihren familienpolitischen Zielsetzungen entsprechend befriedigende, ausreichend hoch erscheinende, nicht weitgehend von den Familien selbst finanzierte Leistungen zu gewähren, die einen echten Lasten- und Leistungsausgleich darstellen. 86 87
Vgl. dazu 1. Kap. C.II. sowie Ellwanger 1987, Sp. 857 und Oberhauser 1988, S. 585. Vgl. dazu 4. Kap. C.1.2.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Im Rahmen des Lasten- und Leistungsausgleichs spielen zwei problematisch erscheinende Instrumente eine gewichtige Rolle: das Ehegattensplitting und die Anerkennung von Erziehungsjahren. Auf diese Problematik wird an anderer Stelle einzugehen sein (Abschn. D.III.2.c). bb) Familienlasten- und Familienleistungsausgleich im Rahmen des Systems der sozialen Sicherung Im deutschen System der Sozialversicherung haben familienpolitische Leistungen im Sinne eines Familienlastenausgleichs seit Jahrzehnten in Form beitragsfreier Leistungen für die nicht erwerbstätigen Familienmitglieder von Versicherten einen festen Platz. 88 Die Höhe dieser Leistungen ist beachtlich. 89 Im Rahmen der Sozialstaatsdiskussion der letzten Jahre wird mit dem Argument, die familienpolitischen Leistungen im Rahmen der Sozialversicherung seien "versicherungsfremde" Leistungen, gefordert, auch für die nicht erwerbstätigen Familienangehörigen der Pflichtmitglieder Beiträge zu erheben. Einkommensschwache Familien sollten staatliche Zuschüsse zu ihren Beiträgen erhalten. Abgesehen von der Fragwürdigkeit der Einordnung familienpolitischer Leistungen als "versicherungsfremd"90 könnte sich die Verwirklichung solcher Vorschläge als verhängnisvoll für die Familien erweisen. 91 Der in die Sozialversicherung integrierte Familienlastenausgleich hat die Familien jahrzehntelang wirksam entlastet. Die familienorientierten Leistungen waren überdies gleichsam "dynamisiert", weil die Sachleistungen für Familienmitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung quantitativ und 88 Vgl. dazu Rust 1990, Lampert 1995b sowie 4. Kap. A und B.1. 89 Die Leistungsausgaben filr Familienmitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung belaufen sich auf etwa ein Viertel aller Leistungsausgaben (Lampert 1995b, S. 79). In der gesetzlichen Rentenversicherung wurden 1993 18,6 Mio. Renten ausgezahlt, von denen 5,3 Mio. Hinterbliebenenrenten waren (Stat. Jb. 1994, S. 488). 1993 wurden 8,5 Mrd. DM Hinterbliebenenrenten und 1,8 Mrd. DM Leistungen filr Kinder und Jugendliche erbracht (BMA (Hrsg.), Sozialbudget 1993, Materialband, S. 319). 90 Die Sozialversicherung intendiert ihren Zielsetzungen entsprechend keine Gleichheit von Leistung und Gegenleistung, sondern eine Risikobekämpfung und Risikovorsorge gemäß dem Ziel eines sozialen Ausgleichs zwischen wirtschaftlich leistungsstarken und leistungsschwachen Gesellschaftsmitgliedern. Wenn man Leistungen, die aus der Sicht des versicherungstechnischen Äquivalenzprinzips nicht durch die Beiträge gedeckt sind, als versicherungsfremde Lasten bezeichnet, verkennt man den Charakter der Sozialversicherung, und wenn man von dem nach dem Solidaritätsprinzip modifizierten Individualversicherungsprinzip abgeht und risikoadäquate Versicherungsprämien fordert, löst man die Sozialversicherung auf. 91 Vgl. dazu die ausfilhrliche Darstellung der Problematik bei Lampert 1995b.
C. Grundziele der Familienpolitik
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qualitativ so angehoben wurden wie die Leistungen für die Pflichtmitglieder. Die Hinterbliebenenrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung entwickelten sich wie die Versichertenrenten. Im Gegensatz dazu wurden andere Lastenausgleichsleistungen wie das Kindergeld, das Erziehungsgeld und andere bisher nur diskretionär angepaßt oder gelegentlich sogar gekürzt. Falls der Staat bei der Einführung von Beiträgen auch für nicht erwerbstätige Familienmitglieder für finanzielle Ausgleichsleistungen zuständig werden sollte, besteht die große Gefahr, daß die Beitragszuschüsse zur finanzpolitischen Manövriermasse werden, daß sie nur diskretionär an die Entwicklung angepaßt und der Leistungshöhe nach unsicher werden. Ein Familienlasten- und Familienleistungsausgleich kann seiner Hauptzielsetzung entsprechend nicht auf die Beeinflussung der Einkommenslage begrenzt werden, weil - wie an anderer Stelle ausführlich begründet wurde92 auch das Vermögen eine Rahmenbedingung ist, die die Aufgabenerfüllung der Familien beeinflußt und weil die Ausgangsbedingungen für die Vermögensbildung für Familien allein wegen des vergleichsweise niedrigeren Pro-KopfEinkommens ungünstiger sind. Daher muß - wenn die Träger der Politik auch vermögenspolitische Ziele verfolgen - die familienpolitische Konzeption dieser Träger auch Ziele und Maßnahmen zur Beeinflussung der Vermögenslage der Familien enthalten. 2. Förderung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit
a) Bedeutung und Begründung der Zielsetzung Das Ziel der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit hat in den letzten Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewonnen. Seine systematische, konsequente, schrittweise Verfolgung stellt aus mehreren Gründen die wichtigste Aufgabe zur Sicherung der Zukunft unserer Familien dar. Zunächst einmal zeigt die faktische Entwicklung der Erwerbstätigkeit der verheirateten Frauen, insbes. aber von Müttern, daß viele Frauen und Mütter trotz ihrer Rolle als Hausfrauen und Mütter erwerbstätig sind,93 sei es, um dem Zwang der Verhältnisse oder eigenen Wünschen folgend einen Beitrag zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und den ihrer Familie zu leisten, sei es, weil sie in der Erwerbstätigkeit eine Möglichkeit der Selbstbestätigung, der per92 93
Vgl. dazu 1. Kap. E.I. und 2. Kap. B.II. Vgl. dazu 2. Kap. B.m.1.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
sönlichen Entfaltung und der Vermeidung sozialer Isolation sehen, sei es, daß sie sich eine eigenständige soziale Sicherung gegen soziale Risiken, insbes. das Alter, schaffen wollen, sei es, daß sie sich - auch für den Fall eines Scheiterns der Ehe - einen Mindestgrad an wirtschaftlicher Unabhängigkeit sichern wollen, oder sei es, daß eine Kombination dieser Motive eine Rolle spielt. 94 Nicht wenige Frauen und Mütter möchten erwerbstätig sein, können aber ihren Wunsch nicht realisieren,95 weil - ihre Männer gegenüber dem Wunsch ihrer Frauen noch nicht aufgeschlossen genug sind und sie bei der Verwirklichung ihres Wunsches nicht oder zu wenig unterstützen; - die Erwerbsarbeitszeiten und die Arbeitsverträge noch zu wenig familienfreundlich ausgestaltet sind; - die betroffenen Frauen im Falle gleichzeitiger Familien- und Erwerbstätigkeit unter den gegebenen Umständen überlastet wären;96 - die erwerbswilligen Frauen angesichts der Verfehlung des Vollbeschäftigungsziels in unserer Wirtschaft auf den Arbeitsmärkten keine oder stark verminderte Einstellungschancen haben. 97 Das Gewicht des Ziels der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird - auch aus dem Selbstverständnis der Frauen heraus - in dem Maße weiter zunehmen, - in dem der Anteil der nach Bildungsstand und beruflicher Qualifikation besser ausgebildeten Frauen wächst, weil bei ihnen der Wunsch nach Erwerbstätigkeit und Verwertung ihrer Humankapitalinvestitionen stärker ausgeprägt ist als bei den (beruflich) weniger gebildeten Frauen;98 - in dem die größer werdenden Erfahrungen zeigen, daß bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit vereinbar werden können, ohne eines dieser Tätigkeitsfelder, v.a. das der Versorgung und der Betreuung der Kinder, inakzeptabel stark zu beeinträchtigen;
94 Vgl. dazu auch die Darstellung der Erwerbswünsche und der Erwerbstätigkeit von Frauen in BMJFG (Hrsg.) 1984, S. 108 ff. sowie bei Fuchs 1994a, S. 13 ff. und S. 64 ff. 95 Vgl. dazu den Überblick über die Berufswünsche von Frauen und ihre Begründung bei Klauder 1994, S. 559 ff. 96 Vgl. dazu 2. Kap. B.III.2. 97 Vgl. dazu 2. Kap. B.III.2. 98 Vgl. dazu v.a. A Diekmann 1992, die die Auswirkungen der Bildungsexpansion auf das Heiratsverhalten untersucht und (S. 161) u.a. festgestellt hat: "Eine wesentlich bessere Versorgung mit Kindergartenplätzen und weitere Maßnahmen der sozialen Infrastruktur ... dürften sicher dazu beitragen, der für die Frauen spezifischen Konkurrenz zwischen Familie und beruflicher Entwicklung die Spitze zu brechen".
C. Grundziele der Familienpolitik
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- in dem sich das veränderte Verständnis von der gewandelten Rolle der Frau in Gesellschaft, Wirtschaft und Familie bei Frauen und Männern durchsetzt. Die gestiegene und vermutlich weiter steigende Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nährt sich aus dem Wandel des Leitbildes der Hausfrauenehe zum Leitbild der partnerschaftlichen Ehe und aus der Ablösung des Leitbildes der patriarchalischen, auf geschlechtsspezifisch ausgeprägter Arbeitsteilung beruhenden Familie durch das Leitbild einer auf der Gleichberechtigung der Eltern beruhenden, die Personwürde und die Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung aller Familienmitglieder wahrenden Familie. 99 Dieses Leitbild und die rechtliche Verpflichtung, die Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit zu verbessern, ist mittlerweile im internationalen, im supranationalen und im nationalen Recht anerkannt. 100 Insbes. die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat die Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Gegenstand ihrer Bemühungen gemacht. 101 Wenngleich sich aus dem Grundgesetz keine inhaltlichen Regelungsprograrnme ableiten lassen, so kann doch aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art.3 Abs. 2 ein Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers abgeleitet werden. 102 Ausdrücklich formuliert ist das Ziel der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Art. 31 Abs. 2 des Einigungsvertrags vom 31. August 1990: "Es ist Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers, angesichts unterschiedlicher rechtlicher und institutioneller Ausgangssituation bei der Erwerbstätigkeit von Müttern und Vätern die Rechtslage unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gestalten." Das Ziel der Vereinbarkeit weist einen hohen Grad an Komplementarität zum Ziel der Beeinflussung der Einkommenslage und seinen Teilzielen auf. Jeder Beitrag zur Erhöhung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit bedeutet alternativ oder kumulativ eine Verbesserung der Einkommenslage und der Vermögenslage der Familie (aufgrund der mit höherem Einkommen steigenden Sparfähigkeit) sowie eine Verbesserung der sozialen Absicherung der Mutter bzw. des Vaters und macht dementsprechend Sozialtransfers überflüssig. 99 Vgl. dazu und zu der daraus abzuleitenden Bedeutung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit auch Gloger-Tippeltl Gomillel Grimmig 1993, insbes. S. 107. 100 Vgl. zu Einzelheiten Birk 1994, S. 22 ff. 101 Vgl. Fuchs 1994a, S. 21. 102 Birk 1994, S. 26.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Die Herstellung von größerer Vereinbarkeit von Farnilientätigkeit und Erwerbstätigkeit würde es erlauben, die hohen Einkommensverluste zu vermeiden, die mit einer völligen Aufgabe der Erwerbstätigkeit während der gesamten Zeit der Versorgung und Betreuung von minderjährigen Kindern verbunden sind. Infolgedessen würden fiir junge Menschen die Möglichkeiten verbessert, den Wunsch nach der Gründung einer Familie zu verwirklichen, ohne erhebliche materielle Einbußen in Kauf nehmen zu müssen. b) Formen der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit Wie jedes Ziel, das auf einer höheren Ebene einer Zielhierarchie angesiedelt ist, so bedarf auch das Ziel der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit näherer Interpretation. Eine Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit ist grundsätzlich in drei Varianten denkbar: 1. Ein Elternteil, der nach Abschluß der beruflichen Ausbildung erwerbstätig wurde, unterbricht nach der Geburt eines Kindes die Erwerbstätigkeit bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Kind bzw. die Kinder keine volle Betreuung durch Mutter oder Vater mehr benötigen und nimmt dann wieder eine Erwerbstätigkeit auf. Dieses durch drei Phasen gekennzeichnete Modell (Bildungs- und Erwerbsphase - Familienphase - Erwerbsphase) wird als Modell phasenorientierter oder sukzessiver oder sequentieller Vereinbarkeit bezeichnet. 2. Ein Elternteil oder beide Eltern sind während einer bestimmten Zeit der Erziehungs- und Versorgungsphase der Kinder nacheinander oder gleichzeitig teilzeiterwerbstätig, so daß aus dem Zeitbudget der heiden Eltern ein bestimmter Teil\03 fiir Familientätigkeit reserviert bleibt. Dieses Modell gleichzeitiger Erwerbstätigkeit beider Eltern mit Teilzeiterwerbstätigkeit eines Elternteils läßt sich als Modell eingeschränkt simultaner Vereinbarkeit bezeichnen. 3. Beide Eltern sind vollzeiterwerbstätig, bringen ihre Kinder in außerfamilialen Betreuungseinrichtungen unter und teilen sich die Familienarbeit auf. 104 Dieses Modell wird als Modell simultaner Vereinbarkeit bezeichnet.
103 Unter psychologischen, pädagogischen und anderen qualitativen Aspekten der Betreuung erscheint nach Meinung des Verfassers eine Erwerbstätigkeit von weni~ens einem halben Erwerbszeitvolumen als Versorgungs- und Betreuungsminimum filr die Kinder erforderlich. 104 Allerdings machen die Geburt und die Versorgung von Kindern in den ersten Lebensmonaten nach ganz überwiegend akzeptierten Vorstellungen eine Mindestzeit der Betreuung des Kleinstkindes
C. Grundziele der Familienpolitik
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Es würde den fiir die Bundesrepublik geltenden Wertgrundlagen widersprechen, wenn sich die Träger der Politik anmaßen wollten, eines dieser Modelle zu präferieren. Vielmehr verlangen es der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6, Abs. I GG), das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen (Art. 6, Abs. 2 GG), das Verbot, Kinder von der Familie zu trennen (Art. 6, Abs. 3 GG) und die freiheitliche Grundordnung der Bundesrepublik in Verbindung mit der faktischen Pluralisierung der Lebensstile, den Familien rechtlich und faktisch Wahlmöglichkeiten in bezug auf die bestehenden Optionen zur Vereinbarung von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit einzuräumen. Wenngleich sich ein Rückgang der auf der Hausfrauenehe beruhenden Familie und eine Zunahme des Modells der sequentiellen Vereinbarkeit sowie des Modells der eingeschränkt simultanen Vereinbarkeit feststellen läßt, muß doch "eine Entscheidung für die Hausfrauenehe nach wie vor möglich sein". 105 Die Präferenzen vieler junger Eltern laufen aufgrund ihres Wunsches, die Kinder möglichst nicht suboptimal zu versorgen und zu erziehen, darauf hinaus, in der Kleinstkindphase, d.h. bis zum Alter von drei Jahren, auf die Inanspruchnahme außerfamilialer Betreuungseinrichtungen zu verzichten, und in der Kleinkindphase, d.h. bis zum Alter von etwa sechs Jahren, noch nicht beide voll erwerbstätig zu sein. 106 Daher sollte die Familienpolitik darauf hinarbeiten, fiir ein derartiges Modell sicherzustellen, daß die diesem Modell zugrundeliegende Familientätigkeit in ihrer ökonomischen und sozialrechtlichen Wertigkeit nicht zu weit von der ökonomischen und sozialrechtlichen Wertigkeit einer simultanen Vereinbarkeit entfernt liegt. Die finanzielle Unterstützung von Eltern, die ihre Kinder in der Kleinstund Kleinkindphase weitgehend selbst betreuen wollen, findet ihre Rechtfertigung nicht zuletzt darin, daß "die bloße Präsenz und Verfiigbarkeit einer erwachsenen Person insbesondere in den frühen Phasen der Entwicklung eine notwendige, wenngleich nicht hinreichende Bedingung fiir eine angemessene Kinderpflege darstellt. "107
erforderlich. Selbst in der DDR, die dieses Modell simultaner Vereinbarkeit praktizierte, wurden Kinder erst nach Vollendung des ersten Lebensjahres in die Kindergruppen aufgenommen. 105 Fuchs 1994a, S. 11 und S. 30 f. 106 Das hohe Anspruchsniveau von Eltern, insbes. von Müttern, in bezug auf die Versorgung, Pflege und Erziehung der Kinder und die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, diesem Anspruchsniveau bei Beibehaltung der Erwerbstätigkeit zu genügen, gelten als wesentliche Gründe filr den Rückzug von Müttern aus der Erwerbstätigkeit. Vgl. dazu BMJFG (Hrsg.) 1984, S. 113. 107 Schneewind 1991, S. 68.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
c) Verfolgung des Ziels der Vereinbarkeit durch Realisierung von Instrumentalzielen\08 Für die Erreichung des Zieles besserer Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit ist es von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Männer und nicht zuletzt die Väter die veränderte Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Familie akzeptieren. Sie müssen bereit sein, die Konsequenzen zu ziehen, die sich aus dieser Veränderung der Frauen- und Mütterrolle für ihre eigene Rolle ergeben. 109 Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich im Haushalt und bei der Kinderbetreuung partnerschaftlich zu verhalten, aber auch bei den beruflichen Entscheidungen die Rückwirkungen auf die Frau und Mutter mitzubedenken und in der Öffentlichkeit dafür einzutreten, daß im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben jene Instrumentalziele und Maßnahmen durchgesetzt werden, die für die Erreichung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verwirklicht werden müssen. Es handelt sich dabei um folgende Teilziele: - Die finanzielle und sozialrechtliche Abfederung der Erziehungsphase; - die Erleichterung der Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nach der Erziehungsphase; - die Verbesserung des Angebots an familienergänzenden Kinderbetreuungseinrichtungen und - die familienfreundliche Ausgestaltung der Arbeitswelt. aa) Finanzielle und sozialrechtliche Abfederung der Erziehungsphase Angesichts der erheblichen Einkommensverluste, die mit einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit verbunden sindl\O und aufgrund des in der Familienpolitik verfolgten Ziels, Familienarbeit und Erwerbsarbeit als gleichwertige \08 Vgl. dazu auch die Referate und Aufsätze in: Ministerium tur Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung Baden-Württemberg (Hrsg.), Mütter und Väter zwischen Erwerbsarbeit und Familie. Dokumentation des internationalen Fachkongresses vom 2. März 1990, Stuttgart 1991 und dass., Politik tur die Familie. Mütter und Väter zwischen Erwerbsarbeit und Familie, Stuttgart 1991. Vgl. ferner die Empfehlungen zur Förderung der Vereinbarkeit in BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 279 ff. 109 Daraufweisen eindringlich hin BMJFG (Hrsg.) 1984, S. 108; Rauscher 1986, S. 524; Fuchs 1994a, S. 17; Kaufinann 1995, S. 157 und S. 193. Vgl. auch Hettlage 1992, der aufzeigt, daß trotz frauenfreundlicher Einstellungen Väter überwiegend nicht bereit sind, sich an der Hausarbeit und an der Kindererziehung in größerem Umfang zu beteiligen. Vgl. ztim Wandel der Geschlechterrollen auch BMJFFG (Hrsg.) 1988, Geschlechterrollen im Wandel. Partnerschaft und Aufgabenteilung in der Familie, Stuttgart U.a. 1\0 Vgl. dazu 1. Kap. C.1II.4.
C. Grundziele der Familienpolitik
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Aufgabenfelder im öffentlichen Bewußtsein zu verankern, III ist es erforderlich, fiir die Zeit der Erwerbsunterbrechung zur Wahrnehmung von Familienaufgaben, d.h. zur Versorgung und Betreuung von Kindern und zur Pflege von pflegebedürftigen Familienangehörigen, eine angemessen und finanzierbar erscheinende Kompensation zu leisten und einen ausreichenden sozialversicherungsrechtlichen Schutz zu schaffen. Prinzipiell erfüllt die erstgenannte Funktion das Erziehungsgeld, das in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch unzureichend ist. Der Monatsbetrag in Höhe von 600 DM erscheint zu niedrig, die Zeitdauer des Bezugs von 24 Monaten zu kurz und die Abhängigkeit der Gewährung vom Familieneinkommen im Grundsatz nicht gerechtfertigt.112 Auch in bezug auf die sozialversicherungsrechtliche Abfederung der Erziehungsphase ist mit der Anerkennung von drei Erziehungsjahren in der Rentenversicherung ein Anfang gemacht. Abgesehen von der Tatsache, daß die Zugrundelegung von 75 % des durchschnittlichen Einkommens der Versicherten fiir die Bewertung der Erziehungsjahre die Frage aufwirft, ob dieser Prozentsatz der Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit entspricht, ist festzuhalten, daß durch die Anerkennung von drei Erziehungsjahren dann beachtliche Sicherungslücken entstehen, wenn ein Elternpaar sein Kind länger selbst versorgen und betreuen will oder wenn eine Familie zwei oder mehr Kinder hat, so daß es in vielen Fällen nicht möglich ist, die Erwerbsarbeit pro Kind fiir nur drei Jahre zu unterbrechen. Daher muß nach politischen Möglichkeiten gesucht werden, diese Versicherungslücken zu verkleinern. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Kindererziehungszeiten mit der Zahl der Kinder zu erhöhen. 113
III Die Bundesregierung "weist der Familienarbeit und der Erwerbsarbeit den gleichen Stellenwert zu" (BMFuS. (Hrsg.) 1994a (Filnfter Familienbericht), S. XVII). Vgl. zur Gleichwertigkeit auch Krüsselberg 1995, S. 79 f. 112 Gleicher Auffassung sind u.a. Fuchs 1994a, S. 107 ff. und Birk 1994, S. 73 f. Dem Verfasser ist selbstverständlich klar, daß die familienpolitisch nötig erscheinenden Maßnahmen (in etwa Verdoppelung und Dynamisierung des Erziehungsgeldes, Verlängerung der Bezugsdauer auf drei bis vier Jahre pro Kind) nur schrittweise erreicht werden können. 113 Erwogen werden sollte eine Erhöhung fiir das zweite Kind auf vier oder filnf Jahre und fiir das dritte und jedes weitere Kind auf fiInf oder sieben Jahre. Einen anderen Vorschlag hat Fuchs 1994a, S. 87 ff. vorgelegt. Vgl. auch die Beiträge von E. Kimer, Sozialleistungen, Einkommensausgleich und erziehungsbedingte Teilzeitarbeit; K. Prinz, Erwerbsverlauf und Alterssicherung von Frauen, sowie von G. Rolf! G. Wagner, Altersvorsorge und Vereinbarkeit von Kind und Beruf, in: G. Bäcker/ B. Stolz-Willig (Hrsg.) 1994, S. 72 ff., S. 236 ff. und S. 289 ff.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
bb) Förderung der Rückkehr in die Erwerbstätigkeit Für eine Familienpolitik, die bei ihren Adressaten, v.a. bei den Frauen und Müttern, glaubwürdig sein und bleiben soll, ist es wichtig, zu beweisen, daß erwerbswillige Mütter und Väter im Falle ihrer Entscheidung im Sinne des Modells der sequentiellen Vereinbarkeit nach der Familienphase nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch eine hohe Chance haben, in das Erwerbsleben zurückzukehren. Die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach der Familienphase kann erschwert werden durch zwischenzeitlich aufgetretene Verluste an beruflichen Fertigkeiten und Erfahrungen, durch eine gewisse Entfremdung gegenüber der Erwerbsarbeit und durch das höhere Alter sowie durch eine veränderte Arbeitsmarktsituation. Daher ist es nötig, Maßnahmen zur Förderung der Rückkehr erwerbswilliger Personen in das Erwerbsleben zu ergreifen. Dazu gehören: 114 - Maßnahmen zur Vermeidung von Isolierung vorn Erwerbsleben und von Entfremdung gegenüber dem Erwerbsleben, z.B. durch die Aufrechterhaltung von Kontakten zwischen Betrieb und ausgeschiedenem Arbeitnehmer durch Urlaubsvertretungen und Saisonaushilfen; - Maßnahmen zur Erhöhung der Effektivität von Arbeitsberatung und Arbeitsvermittlung; - Maßnahmen der Förderung der beruflichen Umschulung und Fortbildung auf der Grundlage des Arbeitsförderungsgesetzes; - betriebliche Wiedereingliederungshilfen, z.B. durch stufenweise Reintegration in den Beruf und durch Erweiterung der Einarbeitungszeiten; - Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes beim bisherigen Arbeitgeber. cc) Verbesserung des Angebots an familienunterstützenden Betreuungseinrichtungen für Kinder Den außerfamilialen familienunterstützenden Betreuungseinrichtungen für Kinder kommt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf außerordentliche Bedeutung zu, weil sie für die Zeit des Aufenthalts der Kinder in diesen Einrichtungen die Eltern von ihrer Aufsichts-, Versorgungs- und Betreuungs114 Vgl. dazu die detaillierte Darstellung in BMJFG (Hrsg.) 1984, S. 253 ff. Vgl. auch die Beiträge von ehr. Ochs! H. Seifert, FrauenfOrderung durch Arbeitsmarktpolitik.? und U. Bohnenkamp, Rückkehrhilfen in den Beruf, in: G. Bäcker/ B. Stolz-Willig (Hrsg.) 1994, S. 119 ff. und S. 138 ff. Vgl. ferner Fuchs 1994a, S. 52 ff.
C. Grundziele der Familienpolitik
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verpflichtung freistellen. Unabhängig davon erfiillen sie als Sozialisationsinstitution für die Kinder, insbes. die Einzelkinder, eine bedeutende Aufgabe. 115 Seit dem l. Januar 1996 ist der Anspruch eines jeden Kindes auf einen Kindergartenplatz vorn vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt in § 24 Abs. 1 des SGB VIII verankert. § 24 Abs. 2 schreibt die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe fest, entsprechende Kindergartenplätze zur Verfügung zu stellen und das Betreuungsangebot für Kinder bis zum dritten Lebensjahr ''bedarfsgerecht'' auszubauen. Angesichts der finanziellen Enge der Haushalte der Kommunen wird das Ziel der Vollversorgung nur schrittweise erreicht werden können. 116 Für die Familienpolitik hat die flächendeckende Bereitstellung von halbund ganztägig und zu tragbaren Gebühren verfügbaren Betreuungseinrichtungen mit qualifizierten Erzieherinnen (und Erziehern?) und mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten höchste Priorität. Denn sie erleichtern nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern sie unterstützen generell die Familien bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgabe und tragen zur gemeinschaftsbezogenen Sozialisation der Kindern bei. 117 Für viele Eltern ist die zeitlich befristete Unterbringung der Kinder in Kindergärten und -horten eine notwendige Voraussetzung der Vereinbarkeit. Daß für Alleinerziehende und Eltern mit einern Erwerbseinkommen, das beide Partner unter Arbeitszwang stellt, Betreuungsplätze vorrangig zur Verfügung gestellt werden müssen, versteht sich von selbst, bleibt aber eine Diskriminierung von Kindern, die keinen Kindergartenplatz erhalten, weil nicht beide Eltern erwerbstätig sind. dd) Familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt Die Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit ist zu einern guten Teil ein Problem zeitlicher Abstimmung zwischen Familienpflichten 115 Vgl. dazu auch H. Colberg-Schrader, Einrichtungen filr Kinder als unverziehtbarer Teil der sozialen Infrastruktur, in: G.Blcker/ B. Stolz-Wittig (Hrsg.) 1994, S. 155 ff. 116 In den alten BundeslIIndern lag 1990 die Versorgungsquote - definiert als Zahl der Plätze bezogen auf die Zahl der Kinder bestimmter Altersgruppen - bei den Kinderkrippen bei 2,7 %, bei den Kindergärten bei 78,3 % und bei den Kinderhorten bei 5,0 %. Die Vergleichszahlen filr die neuen BundeslIInder lauten filr 1989 bei den Krippen 56,4 %, bei den Kindergärten 113,0 % und bei den Horten 88,0 %. Quelle: BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 190. 117 Wie sehr Betreuungsplatzdefizite die Lage von Familien und v.a. von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen können, läßt sich in den neuen Bundes11Indern beobachten, in denen die Auflösung vieler staatlicher Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen und der Wegfall der nachmittäglichen Betreuung den Alltag von Kindern und Jugendlichen radikal und z.T. sehr negativ verllndert hat. Vgl. dazu BMFuS (Hrsg.) 1992, S. 118 ff.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
und Berufspflichten. Sie kann daher gefördert werden, wenn die Erwerbsarbeitszeiten von Müttern und Vätern sowohl in bezug auf die Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit als auch in bezug auf die Lage der Arbeitszeit im Zeitablauf soweit wie möglich flexibel gestaltet werden. 118 Je kürzer die tariflichen wöchentlichen Arbeitszeiten sind, je mehr sich Arbeitnehmer für Teilzeitarbeit entscheiden können und je freier sie in ihrer Entscheidung in bezug auf die Lage der Arbeitszeit aufgrund von gleitenden Arbeitszeiten und anderen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung sind, um so größer werden für kinderbetreuende Arbeitnehmer die für die Wahrnehmung von Familienaufgaben verfügbaren Zeiten, um so geringer die Doppelbelastungen, insbes. von Frauen, und um so elastischer lassen sich die Arbeitszeiten nach Dauer und Lage in der Zeit an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Voraussetzung für die Akzeptanz der Teilzeitarbeit ist allerdings, daß sie verglichen mit der Vollarbeitszeit in bezug auf die Lohnhöhe, die soziale Sicherheit und den Kündigungsschutz - nicht diskriminierend ist. Trotz steigender Bereitschaft der Arbeitgeber, familienfreundliche Arbeitszeitgestaltungen zu akzeptieren, sind die bestehenden Möglichkeiten noch weithin unausgeschöpft. Eine erfolgreiche Politik der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hängt weitgehend von der Bereitwilligkeit der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der Betriebsräte ab, die Arbeitswelt familienfreundlich auszugestalten, aber auch vom gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrad. Die Bereitwilligkeit der Arbeitgeber zu einer familienfreundlichen Ausgestaltung der Arbeitswelt scheint noch nicht ausreichend ausgeprägt. Zwar zeigt ein 1994 veröffentlichter Forschungsbericht einerseits, daß viele, v.a. große Unternehmen über gesetzliche Vorgaben hinaus Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf anbieten. So gab es in 55 % der befragten Unternehmen eine zusätzliche Beurlaubung zur Kinderbetreuung, räumten 49 % der Unternehmen eine Beschäftigungsunterbrechung mit Wiedereinstellungsgarantie ein und beurlaubten 32 % der Unternehmen ihre Mitarbeiter zur Pflege von eigenen Familienmitgliedern. Andererseits aber lehnten 64,6 % der Unternehmen die Einführung und den Ausbau famili-
118 VgI. dazu die ausfilhrliche Darstellung von Flexibilisierungsmöglichkeiten bei C. Boml Chr. Vollmer, Familienfreundliche Gestaltung des Arbeitslebens, Stuttgart u.a. 1983. Vgl. auch Fürstenberg 1986, Lampertl Englberger/ Schüle 1991, S. 203 ff. und 210 ff.; Birk 1994, S. 52 ff.; Klauder 1994, S. 562 ff. und BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 275 ff.
C. Grundziele der Familienpolitik
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enorientierter Regelungen ab, v.a. mit dem Hinweis auf organisatorische Schwierigkeiten. 119 Größere Arbeitslosigkeit beeinträchtigt sowohl die Reintegrationschancen erwerbswilliger Eltern nach der Erziehungsphase als auch die familienfreundliehe Ausgestaltung der Arbeitswelt. Denn wenn genügend Männer und nicht verheiratete Frauen als Anbieter auf den Arbeitsmärkten vorhanden sind, werden diese unter sonst gleichen Umständen Arbeitskräften vorgezogen, die durch Familienverpflichtungen bedingte besondere Arbeitsszeit- und FreistellungsWÜDsche haben, während bei hohem Beschäftigungsgrad auch Arbeitskräfte mit Familienverpflichtungen gefragt sind. Die Familienpolitik hat mit der Einführung des Erziehungsurlaubs, des Erziehungsgeldes und der Anerkennung von Erziehungsjahren einen Durchbruch zur sequentiellen Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit geschafft. Das eingesetzte Instrumentarium ist jedoch ausbaubedürftig. Von der in den familienpolitischen Zielsetzungen und in der familienpolitischen Programmatik postulierten Gleichwertigkeit von Familien- und Berufstätigkeit ist sie aber noch weit entfernt. Die Möglichkeiten zur Förderung der Vereinbarkeit durch Flexibilisierung der Arbeitsverträge und der Arbeitszeit sowie durch eine familienfreundliche Arbeitswelt werden noch nicht ausreichend genutzt. 3. Familiengerechte Wohnungsversorgung
Im l. Kap. (Absehn. E.I1.) wurde die Bedeutung des Wohnumfeldes und der Wohnverhältnisse für die Regeneration und die Persönlichkeitsentfaltung der Familienmitglieder, für die Qualität des Sozialisationsprozesses und des Zusammenlebens innerhalb der Familie herausgestellt. Die Bestandsaufnahme der Wohnungsversorgung der Familien in West- und Ostdeutschland im 2. Kap. (Absehn. B.lV.) zeigte u.a., daß einkommensschwache junge und einkommensschwache kinderreiche Familien sowie Alleinerziehende unterversorgt sind, daß die Wohnkostenbelastung für Familien mit niedrigen Einkommen als Anteil am verfügbaren Einkommen überdurchschnittlich hoch ist und daß die Wohnungsversorgung in den neuen Bundesländern in jeder Beziehung schlechter ist als in Westdeutschland.
119 E. Hemmer, Vorstellungen rur eine familienorientierte Arbeitswelt, Bonn 1994 (hgg. vom BMFuS). . 18 Lampert
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Daher gehört eine Verbesserung familien- und kindgerechter Wohnungsversorgung nach wie vor zu den Grundzielen der Familienpolitik. Diese Zielsetzung ist - in verschiedenen, aber sinngemäß übereinstimmenden Formulierungen - nicht nur in den Programmen der CDU, CSU, SPD und der F.D.P. enthalten, sondern hat ihren Niederschlag auch in der Regierungspolitik gefunden. 120 Auch die Charta der Familienrechte des Heiligen Stuhls vom 22. Oktober 1983 formuliert in Art. 11: "Die Familie hat das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung, die für das Familienleben geeignet ist und der Zahl der Familienmitglieder entspricht, in einer äußeren Umgebung, in der die Grunddienste für das Leben von Familie und Gemeinschaft gewährleistet sind." Das Ziel familiengerechter Wohnungsversorgung schließt folgende Unterzieie ein: 1. Die Festsetzung von Mindeststandards für die Wohnungsversorgung nach Größe, Struktur und Ausstattung;
2. einen ausreichenden Mieterschutz; 3. die Entlastung von Familien, die zur Miete wohnen, durch einkommensund familiengrößenabhängige Mietzuschüsse und ihre regelmäßige Anpassung an die Mietenentwicklung (wie sie im Grundsatz im Wohngeldgesetz verwirklicht ist); 4. die Förderung des Baus von Wohnungen durch die Gewährung öffentlicher Mittel in Form von Darlehen oder Zuschüssen (sozialer Wohnungsbau), die bevorzugt für einkommensschwache Familien zur Verfügung gestellt werden, die wegen persönlicher Merkmale oder besonderer Lebensumstände Schwierigkeiten haben, öffentlich nicht geförderte Wohnungen anzumieten oder Wohnungseigentum zu erwerben; 121 5. die Förderung des Erwerbs von familiengerechtem Wohnungseigentum - durch die in § 89 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vorgesehene Überlassung von Grundstücken, die dem Bund, den Ländern und den Gemeinden gehören, als Bauland für den Wohnungsbau zu angemesse-
120 Vgl. dazu die Stellungnahme der Bundesregierung zum Fünften Familienbericht in BMFuS 1994a, S. XXII ff. 121 Vgl. dazu die Forderungen des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken fi1r eine familienund kindgerechte Wohnungsbaupolitik in: Stimme der Familie vom August! September 1995, S. 14 ff.
C. Grundziele der Familienpolitik
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nen Preisen. Diese Vorschrift wird sträflich vernachlässigtl22. Die zögerliche und z.T. von den persönlichen Interessen von Kommunalpolitikern beeinflußte Baulanderschließungspolitik, durch die es Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen in jungen Jahren oft unmöglich gemacht wird, preiswert zu bauen bzw. preiswert Wohnungseigentum zu erwerben, ist ein in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtetes Problem; - durch geeignete Förderungsmaßnahmen, wie sie im Gesetz zur Neuregelung der steuerlichen Wohnungsbauförderung vorgesehen sind; 123 - durch die Förderung des Bausparens durch Bausparprämien und steuerliche Abschreibungen (im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG); - durch die Förderung der Vermögensbildung im Wohnungsbau (z.B. im Rahmen des Fünften Vermögensbildungsgesetzes). Die Effizienz einer familienfreundlichen Wohnungspolitik hängt sehr von der Kooperation zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen ab, weil die wohnungsbaupolitischen Kompetenzen zwischen diesen Trägem verteilt sind. Besonderes Gewicht sollte im Rahmen der Wohnungspolitik für Familien der Förderung der Wohnungsversorgung junger Familien, insbes. der Förderung des Erwerbs von Wohnungseigentum, eingeräumt werden, weil dann die Kinder rechtzeitig in einer familiengerechten Umgebung aufwachsen und sich entwickeln können. Durch die an anderer Stelle beschriebene Änderung der Wohnungsbauförderungspolitik 124 ist aus der Sicht der Familien ein bemerkenswerter Fortschritt erreicht worden. Er könnte beachtlich vergrößert werden, wenn es gelänge, die künstlich erhöhte Baulandknappheit zu verringern und dadurch die Baukosten erheblich zu reduzieren.
122 Vgl. dazu BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 287 und OberhauserlRüsch 1994, S. 82: "In Wirklichkeit ist Baulandjedoch keineswegs knapp; denn nur ein kleiner Teil der
Grundfläche der Bundesrepublik ist bebaut. Die Knappheit wird künstlich durch staatliche und speziell kommunale Maßnahmen herbeigefUhrt. Gerade weil der Staat auf dem Baulandsekror den marktwirtschaftlichen Prozeß weitgehend außer Kraft setzt, kommen die hohen Preissteigerungen zustande" (Hervorhebung im Original). Vgl. auch 1. Eekhoff, Wohnungspolitik und Bodenpolitik, Tübingen 1987, S. 184 ff. Auch nach Meinung des Bundesverbandes freier Wohnungsuntemehmen ist
der Mangel an Bauland in der Bundesrepublik, der den Anteil der Grundstückskosten z.T. auf 50 % der GesamtaufWendungen hochgetrieben hat, durch eine künstliche Baulandverknappung verursacht (Süddeutsche Zeitung vom 7. Mai 1994). 123 Vgl. zur Würdigung dieses Gesetzes 4. Kap. B.lV.2. 124 Vgl. 4. Kap. B.lV.3. IS·
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Trotz bemerkenswerter Fortschritte in der Wohnungsversorgung ist die Versorgungslage der Familien, insbes. der jungen, der einkommensschwachen und der Mehrkinder-Familien sowohl in Westdeutschland als v.a. in Ostdeutschland noch als defizitär zu bezeichnen. 4. Ausbau der familialen sozialen Infrastruktur
Der Ausbau der familialen sozialen Infrastruktur, d.h. der familienunterstützenden Kinderbetreuungseinrichtungen, der verschiedenen Arten familienrelevanter Beratungsinstitutionen, familienunterstützender Sozialeinrichtungen und sozialer Stützungsnetze, ist als Grundziel fur die Erreichung eines familienpolitischen Hauptziels, nämlich die Schaffung der Voraussetzungen für eine möglichst gute Erfüllung der Familienaufgaben, aufgrund sozialer Wandlungsprozesse immer gewichtiger geworden. Die gewachsene Bedeutung der Kinderkrippen, Kindergärten und Kinderhorte zur Unterstützung der Familien bei der Wahrnehmung ihrer Versorgungs- und Betreuungsaufgabe gegenüber den Kindern und als Voraussetzung der Bereitschaft zur Familiengründung unter den gegenwärtigen sozioökonomischen Bedingungen ist bereits deutlich gemacht worden [vgl. Abschn. C.II.2.c) cc)]. Als ein weiterer Ursachenkomplex, der dem Ausbau der sozialen Infrastruktur besonderes Gewicht verleiht und die Bundesregierung vermutlich veranlaßt hat, in ihrer Stellungnahme zum Fünften Familienbericht eine "bessere Unterstützung der Familien bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben" anzukündigen,125 ist in den in allen sozialen Schichten gestiegenen Leistungsanforderungen an die Eltern zu sehen. 126 Diese Leistungsanforderungen haben zugenommen, weil - die Schulen in Form der Hausaufgabenbetreuung einen Teil der Bildungsfunktion auf die Familien zurückverlagert haben; - die mit dem Erwerb von Bildung verbundenen Erwartungen und damit die Erwartungen der Eltern an die Schulleistungen ihrer Kinder gestiegen sind; - die Bereitschaft der Kinder zur Mithilfe im Haushalt abgenommen hat (so daß vielen Hausfrauen, Hausmännern, Müttern und Vätern in Zukunft elementare Kenntnisse zur Haushaltsführung fehlen werden); - sich die Freizeitgestaltung der Kinder stärker ins Haus verlagert hat; 125 BMFuS (Hrsg.) 1994a, S. VI. 126 Vgl. dazu BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Farnilienbericht) und Kaufinann 1995, S.
135 f.
C. Grundziele der Familienpolitik
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- die Außeneinflüsse auf die Familie, d.h. v.a. die Einflüsse der Werbung und der Medien aller Art, zugenommen haben. Durch die Vervielfältigung der Sozialisationsfelder werden die Familienbindungen relativiert und vermutlich ein zunehmender Teil der Eltern überfordert, so daß die elterliche Erziehungsleistung beeinträchtigt wird. 127 Der elterliche Erziehungseinfluß wird insbes. durch die Medien relativiert. "Über die Medien, insbesondere über das Fernsehen werden ... die Kinder schon früh in die Erwachsenenwelt einbezogen und mit den unterschiedlichsten Normen und Werten sowie Formen des Zusammenlebens und der Auseinandersetzung konfrontiert" .128 Dabei liegt das zentrale Problem des Medieneinflusses auf Kinder und Jugendliche nach Meinung der Verfassers nicht darin, daß das Fernsehen die Kinder mit Meinungen konfrontiert, "die denen der eigenen Eltern widersprechen" und daß es Erwachsene zeigt, "die anders leben und andere moralische und ethische Vorstellungen haben als die eigenen Eltern" 129, sondern darin, daß die Privatisierung von Funk und Fernsehen entgegen den Erwartungen der ftr die Privatisierung verantwortlichen Politiker zu einer deutlich und vielfach beobachtbaren Verschlechterung und Abflachung der Qualität vieler Sendungen gefthrt hat. 130 Der in bestimmten Massenmedien beobachtbare Verfall der Sittlichkeit und des intellektuellen Anspruchsniveaus bedroht möglicherweise auch die Qualität des politischen Systems. J3J
127 Kaufmann 1995, S. 134, S. 172 und S. 184. 128 BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 78. 129 Vgl. dazu J. BarthelmesIE. Sander, Familie trotz Fernsehen? Medien im Familienalltag, in: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.), Wie gehts der Familie? München 1988, S. 384. 130 Diese Verschlechterung der Qualität zeigt sich v.a. im Privatfernsehen in zahlreichen und z.T. die Grenzen zur Pornographie überschreitenden Darstellungen von Sexualität, in Gewaltdarstellungen, in der Verherrlichung des Faustrechts und in geschmacklosen Enthüllungsgeschichten. 131 "Neue Formen des Analphabetismus und der Naivität beginnen aufzublühen, die 'biblia pauperum' ist das Fernsehprogramm geworden, und die ehemals aufgeklärte bürgerliche Gesellschaft beginnt sich in Leser und Bilderschauer zu teilen .... Seit Beginn der achtziger Jahre werden die Übel von Psychologen und Soziologen immer wieder beim Namen genannt: Fernsehkinder, die doch einmal mündige Bürger sind und ein kompliziertes politisches und kulturelles System mittragen und weiterentwickeln sollen, sind einem unverantwortlichen Prozeß der Degeneration und Regression ausgesetzt, der zu Passivität und Wirklichkeitsverlust filhren kann, zur Reduktion des sprachlichen, argumentativen, logisch diskursiven Denkens, im Extremfall zu einem sogenannten 'Hemisphären-Shift', einer Verschiebung bzw. Verkümmerung der Himfunktionen der linken Hirnhälfte, die rur das Hören, Sprechen und rur das kognitive-rationale Wissen zuständig ist, zugunsten der rechten, dem Sitz des visuellen Zentrums." Vgl. dazu R. Winterswyl, Die Welt als Bildfolge und Unterhaltung. Über die zweite Generation der Medienkinder, in: Süddeutsche Zeitung vom 19./20. Dezember 1987.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Die Gefahren des erzieherischen Einflusses der Medien werden dadurch vergrößert, daß in unserer Gesellschaft Elternschaft als Privatsache gilt und eine "weitgehende Indifferenz gegenüber Kindern und ihren spezifischen Bedürfnissen sowie eine ungenügende Anerkennung der Elternleistungen in weiten Bereichen der Gesellschaft" besteht,132 so daß sich weder die in den Massenmedien für die Inhalte der Sendungen Verantwortlichen in ausreichend großer Zahl und in ausreichendem Umfang noch andere gesellschaftliche Gruppen dieser Gefahren annehmen, die der geistigen und seelischen Entwicklung unserer Kinder drohen - abgesehen von Familien- und Kinderschutzverbänden, den Kirchen und Persönlichkeiten,133 deren Warnungen aber wie Rufe in der Wüste verhallen. Angesichts der Relativierung des elterlichen Einflusses auf die Erziehung erscheint die konsequente Verfolgung des schon im Zweiten Familienbericht enthaltenen Ziels der Stärkung der Erziehungsfähigkeit der Eltern durch Maßnahmen der Eltern- und der Erziehungsberatung um so wichtiger. 134 Die Notwendigkeit der Stärkung der Erziehungsfähigkeit von Eltern wird auch durch Ergebnisse von Bettina Hurrelmann über Zusammenhänge zwischen Erziehungsverhalten und Fernsehen unterstrichen, die u.a. zu folgenden Ergebnissen kommt: "Vor allem die Zusammenhänge zwischen Bildungsstatus und Sehdauer, aber auch die zwischen Schicht und Integrationsfunktion des Fernsehens, wie auch zwischen Schicht und fernsehbezogenem Gesprächsverhalten zeigen die große Bedeutung, die die Position einer Familie im System sozialer Ungleichheit für ihr medienkulturelles Verhalten hat. Im Hinblick auf die Kinder ist der Fernsehgebrauch der Familien ein mächtiger Sozialisationsfaktor, der für die Erhaltung sozialer Ungleichheit sorgt. "135
132 Kaufinann 1995, S. 174. 133 Dies gilt auch fiIr eindringliche Kommentare wie den von Jürgen Busche in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Februar 1993 mit dem Titel "Warum Verbote sein müssen" , in dem zu lesen war: "Die Brutalisierung auch von Kindern durch Fernsehsendungen, in denen zur Bedienung eines platten Voyeurismus Gewalt vorgefilhrt wird, ist zu einem Übel geworden, das nicht länger hingenommen werden kann. ..... Diesem Übel muß, wenn ihm anders nicht beizukommen ist, auf dem Weg der Gesetzgebung Einhalt geboten werden .... In dem Bemühen um geeignete Verbote sollten sich zumindest die Volksparteien einig sein. CDU und CSU haben hier besonderen Grund voranzugehen, denn sie haben wesentlich dazu beigetragen, daß die Privatsender Zugang zu den Antennen und Kabeln der Fernsehbenutzer erhalten haben ... Man könnte gelassen abwarten, ob jemand gegen die fälligen Verbote Sturm liefe. Zwar werden sich Verteidiger der Privaten finden - prinzipienloser Liberalismus ist immer bereit, sich dumm zu stellen, wenn es gilt, irgendwelche Geschäftsinteressen zu verteidigen. Aber das Übel ist längst schon so groß geworden, daß ihr Widerspruch zurückgewiesen werden kann. Es ist Zeit, etwas zu tun." 134 BMJFG (Hrsg.) 1975, S. VI. 135 Zitiert nach G. Cyprian/G. Franger, Familie und Erziehung in Deutschland, Stuttgart u.a. 1995, S. 171.
C. Grundziele der Familienpolitik
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Ein Ausbau der familienrelevanten Beratungsstellen, zu denen u.a. die Jugend-, die Erziehungs-, die Sexual-, die Ehe-, die Schwangeren-, die Haushalts-, die Schuldner- und die Rechtsberatung gehören, ist nicht nur mit den erläuterten gestiegenen Leistungsanforderungen an die Eltern im Erziehungsbereich begründbar, sondern auch mit der hohen Komplexität des modernen Lebens einerseits und andererseits der "für facbspezifisch nicht vorgebildete Bürger sehr begrenzten Transparenz wirtschaftlicher, rechtlicher und sozialer Problemfelder und einschlägiger rechtlicher Bestimmungen", so daß man nicht davon ausgehen kann, "daß die Familienmitglieder und die Familie als soziale Gruppe in der Lage sind, ihre rechtliche Handlungsfreiheit und die tatsächlichen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten mit der Souveränität vollmündiger Bürger voll und situationsgerecht zu nutzen." 136 In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß einer qualifizierten Familienberatung, aber auch den Einrichtungen der Jugendhilfe und anderen Einrichtungen der sozialen Infrastruktur auch bei der Bekämpfung von Gewalt in der Familie ein hoher Stellenwert zukommt. Es soll hier dahingestellt bleiben, ob die Gewalt in der Familie zugenommen hat oder ob sie wegen unseres veränderten Wertkosmos häufiger und kritischer wahrgenommen wird als früher. \31 Ein weiterer Grund für den Ausbau der sozialen familialen Infrastruktureinrichtungen ist - worauf Franz-Xaver Kaufmann jüngst aufmerksam gemacht hat - darin zu sehen, daß als Folge zunehmender Kinderarmut und der Ausgrenzung von Kindern mehr und mehr Menschen keinen Umgang mit Kindern haben und daß "dieses Verschwinden von Kleinkindern aus der Erfahrungswelt Heranwachsender" einen "Verlust an Selbstverständlichkeit im Umgang mit Kindern" nach sich zieht, "der die spätere Übernahme von Elternverantwortung zu einem völlig ungewohnten Ereignis mit sozusagen 'unbekanntem Risiko' werden läßt. "138 Nach seiner Meinung stellt diese "Entwöhnung von Kindern" eine nachhaltige Gefahrdung der Motivation zur Elternschaft, aber auch der auf Erfahrung gegründeten Fähigkeit zum Umgang mit Kindern dar. Er empfiehlt daher die Förderung familienrelevanter Handlungskompetenzen durch die Vermittlung von Erfahrungen mit jüngeren Kindern. 136 BMFuS (Hrsg.) 1993, S. 89. 137 Vgl. zur Gewaltproblematik im Zusammenhang mit den Familien BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 8S ff. und S. Rothe, Gewalt in Familien, in: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.), Kindliche Lebenswelten, Bildung und innerfamiliale Beziehungen, Bd. 4 der Materialien zum Fünften Familienbericht, München 1994, S. 187 ff. 138 Kaufinann 1995, S. 216 f.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Ein dringender Bedarf an Beratung und Betreuung beruht auf der großen Zahl von Scheidungen,139 die die in Scheidung lebenden und die geschiedenen Eltern und mehr noch die davon betroffenen Kinder belasten. Obwohl es richtig sein mag, wenn Franz-Xaver Kaufmann meint, daß die Belastungen kindlicher und jugendlicher Vitalsituationen durch das Zerbrechen von Ehen "noch wenig manifest" sind,14O so ist doch weithin belegt, welche Konsequenzen Ehescheidungen für Eltern, insbes. aber für Kinder haben. 141 Ein Ausbau der sozialen Infrastruktur ist schließlich erforderlich, weil die Zahl der Familien mit hilfsbedürftigen alten Angehörigen gestiegen iSt. 142 Angesichts der steigenden Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen und aufgrund der Tatsache, daß immer mehr alte Menschen noch ältere Menschen pflegen, erscheint ein Ausbau der familienergänzenden Altenpflege unumgänglich. Dabei lassen es die Finanzierungsengpässe in den öffentlichen Haushalten zweckmäßig erscheinen, "multifunktionale Nachbarschaftszentren" zu erproben, die auf weitgehender, aber durch die Zentren abgestützter Selbsthilfe der Familien beruhen 143 und damit die staatliche Altenhilfe entlasten.
D. Was ist zu tun? Aufgaben und Empfehlungen I. Der erreichte Stand der Familienpolitik und ihre unerfüllten Aufgaben Zur zusammenfassenden Darstellung der Aufgaben der gegenwärtigen und der zukünftigen Familienpolitik kann auf die Darstellung der Entwicklung der
139 Vgl. dazu Tab. 5. 140 Kaufinann 1995, S. 201. 141 Vgl. dazu Fthenakisl NieseIl Kunze 1982 und die im 1. Kap. D.III.3. referierten Ergebnisse sowie Wingen 1994, S. 312 ff. Vgl. auch die Darstellung der Bedeutung der Sorge für die Scheidungswaisen bei Limbach 1988b. 142 Etwa über 70 % der über 65 Jahre alten, zu ihrer körperlichen Versorgung auf andere angewiesenen Menschen erhalten die erforderliche Unterstützung von ihren Angehörigen. BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 191. 143 Die in der Rechtsform eingetragener Vereine arbeitenden Familienzentren unterstützen Familien durch die Planung, die Förderung und die Durchführung von Aktivitäten zur familialen Alltagsbewältigung in Form von Gedankenaustausch und Beratung, Bildungsangeboten, Stärkung der Erziehungsfllhigkeit und Veranstaltungen zu sinnvoller Freizeitgestaltung. Vgl. dazu BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 195. Der Vorschlag, "Familienentwicklungszentren" zu schaffen, findet sich auch bei Schneewind 1991, S. 94.
D. Aufgaben und Empfehlungen
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Familienpolitik im 4. Kapitel und auf die Darstellung der familienpolitischen Ziele sowie des erreichten Grades der Zielerfüllung in Abschnitt C dieses 5. Kapitels zurückgegriffen werden. In bezug auf den Familienlasten- und Familienleistungsausgleich, innerhalb dessen v.a. die Instrumente Ehegattensplitting, 144 Kinderfreibeträge, Kindergeld, Erziehungsgeld, Anerkennung von Erziehungsjahren und Ausbildungsfreibeträge eingesetzt werden, läßt sich festhalten, daß - soweit dieser Ausgleich auf dem Kinderfreibetrag und dem Kindergeld beruht - das Ziel steuergerechter Behandlung der Familien und das Ziel der Sicherung des existenzminimalen Bedarfs der Familien als erreicht gelten kann. Ein Lastenund Leistungsausgleich im eigentlichen Sinn des Wortes ist jedoch erst in bescheidenem Umfang verwirklicht worden. Mit dem Lasten- und Leistungsausgleich in Form des Erziehungsgeldes und der Anerkennung von Erziehungsjahren wurde ein bedeutender Schritt zur Förderung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit und zu verstärkter Anerkennung der Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit getan, ohne daß jedoch eine solche Gleichwertigkeit schon erreicht werden konnte. 145 Aus dem geltenden Zielsystem und dem erreichten Stand des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs ergibt sich als Aufgabe die möglichst kontinuierliche, langfristig angelegte, schrittweise Weiterentwicklung dieses Ausgleichs im Sinne der Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 1992 (Rentenurteil)l46 und vom 28. Mai 1993 zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. 147 In diesen Urteilen ist sinngemäß festgehalten:
1. Familien, deren Einkommen zu gering ist, um die Aufgaben der Familien zu erfüllen, müssen durch staatliche Transferleistungen zur Aufgabenerfüllung instand gesetzt werden, und zwar um so mehr, je geringer ihr Einkommen und je größer die Zahl ihrer Kinder ist.
144 Das Ehegattensplitting wird - insbes. von Regierungsseite - als familienpolitische Leistung bewertet. Der Verfasser ist der Auffassung, daß das Ehegattensplitting nicht mehr als familienpolitisches Instrument angesehen werden kann und problematisch geworden ist. Vgl. dazu dieses Kap. D.III.2.cl. 145 Zu diesem Urteil gelangt man, wenn man den ökonomischen Wert des Erziehungsgeldes und der Erziehungsjahre auf die durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit entstehenden Opportunitätskosten bezieht (ohne aber einen vollen Ausgleich dieser Kosten rur sinnvoll zu halten). 146 BVerfGE 87,l. 147 BVerfGE 88, 203.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
2. Die wirtschaftliche Benachteiligung von Eltern gegenüber Kinderlosen muß schrittweise bei allen familien-, steuer- und sozialpolitischen Maßnahmen verringert werden. 148 3. Der Staat ist aufgrund seiner Verpflichtung zum Schutz des ungeborenen Lebens, aufgrund des Schutzauftrages fiir Ehe und Familie und aufgrund der Gleichstellung von Mann und Frau in der Teilhabe am Arbeitsleben verpflichtet, - "Grundlagen dafiir zu schaffen, daß Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander abgestimmt werden können und die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt", - Regelungen zu erlassen, "die auf eine Verbesserung der institutionellen oder familiären Kinderbetreuung zielen", - dafiir zu sorgen, "daß ein Elternteil, der sich unter Verzicht auf ein Erwerbseinkommen der Erziehung eines Kindes widmet, für die ihm hieraus erwachsenden versorgungsrechtlichen Nachteile einen angemessenen Ausgleich erhält", und - "eine kinderfreundliche Gesellschaft zu fördern, was auch auf den Schutz des ungeborenen Lebens zurückwirkt. Mit Blick darauf hat der Gesetzgeber nicht nur im Bereich des Arbeitsrechts, sondern auch in anderen Bereichen des Privatrechts Regelungen mit besonderer Rücksicht auf Familie und Kinder zu erwägen. "149 In bezug auf das Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf läßt sich feststellen, daß mit dem Erziehungsurlaub, dem Erziehungsgeld und den Erziehungsjahren ein großer Fortschritt zur phasenorientierten Vereinbarkeit gemacht wurde, daß aber das eingesetzte Instrumentarium ausbaubedürftig ist, v.a. hinsichtlich der Höhe, der Einkommensgrenzen und der Bezugsdauer des Erziehungsgeldes. Sowohl fiir die Erhöhung der simultanen als auch der phasenorientierten Vereinbarkeit erscheint es notwendig, die Familienorientierung der Arbeitswelt zu erhöhen. Da das Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgrund der faktischen Entwicklung der Erwerbstäbgkeit der Frauen, aufgrund der Erwerbswünsche der Frauen und aufgrund des Wertewandels in unserer Gesellschaft erheblich an Bedeutung gewonnen hat und da das Gewicht dieses Ziels ver-
i48 So heißt es Z.B. im Rentenurteil wörtlich: "Der Gesetzgeber ist... verpflichtet, den Mangel des Rentensystems, der in den durch Kindererziehung bedingten Nachteilen bei der Altersversorgung liegt, in weiterem Umfang als bisher auszugleichen." 149 BVerfGE 88, 203, S. 260 f
D. Aufgaben und Empfehlungen
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mutlich weiter steigen wird, ISO stellt die systematische, konsequente, schrittweise Verfolgung größerer Vereinbarkeit die wichtigste Aufgabe zur Sicherung der Zukunft unserer Farnilien dar. Drei Teilaufgaben ragen dabei heraus:
l. Die Schaffung des Bewußtseins, daß die Männer und Väter für die Erreichung größerer Vereinbarkeit besondere Verantwortung tragen, und die (politische) Förderung der Bereitschaft, dieser Verantwortung gerecht zu werden; 2. die Förderung der Bereitschaft der Arbeitgeber und der Gewerkschaften, den Anforderungen an eine familienfreundliche Arbeitswelt Rechnung zu tragen; 3. die flächendeckende Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen. Der Akzeptanz der veränderten Rolle der Frau durch die Gesellschaft kommt für die Weiterentwicklung einer erfolgreichen Familienpolitik strategische Bedeutung ZU. 151 Ohne die Erfüllung der genannten Teilaufgaben wird es nicht gelingen, Vereinbarkeit in dem Maße herzustellen, in dem es erforderlich erscheint, damit junge Menschen ihre Lebensziele verwirklichen können. Für die Wohnungsversorgung konnte abgeleitet werden, daß sie trotz einer allgemeinen Verbesserung für bestimmte Familientypen und -größen als defizitär zu bezeichnen ist, so daß sich die Aufgabe der Beseitigung dieser Defizite stellt. Sowohl im Zusammenhang mit dem Ziel der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch im Zusammenhang mit den gestiegenen Leistungsanforderungen an die Familie in bezug auf die Erziehungsaufgabe und die Pflege älterer Angehöriger wurde die Notwendigkeit eines Ausbaues der familialen sozialen Infrastruktur deutlich. Dazu gehört neben dem bereits erwähnten Ziel flächendeckender Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen der Ausbau der Familienberatungseinrichtungen und der familienorientierten Bildungseinrichtungen für Väter und Mütter. Es ist offensichtlich, daß die skizzierte Aufgabenfülle prinzipiell wegen der Knappheit der Mittel, die für politische Zwecke zur Verfügung stehen, und speziell wegen der beeinträchtigten gesamtwirtschaftlichen Bedingungen in der Bundesrepublik nur auf lange Sicht und in einer Vielzahl von EinzelschritISO vgl. dazu dieses Kap. C.II.2.a. 151 Vgl. dazu Abschn. C.II.2.c und Kaufmann 1995, S. 157 ff.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
ten bewältigt werden kann. Selbst wenn der Familienpolitik politische Priorität zuerkannt wird, gilt, was das Bundesverfassungsgericht bezogen auf den Familieniastenausgleich festgestellt hat: "Die staatliche Familienforderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vemünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. "152 Aufgrund des durch die Mittelknappheit bestehenden Zwanges zur schrittweisen Erfiillung der bestehenden familienpolitischen Aufgaben soll im folgenden im Sinn von Empfehlungen der Versuch gemacht werden, die Dekkung des Handlungsbedarfs zeitlich zu strukturieren. Vorher sollen jedoch noch Rahmenbedingungen aufgezeigt werden, die den Erfolg der Familienpolitik nachhaltig beeinflussen.
11. Beeinflussung der Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Familienpolitik Die Erfolgsmöglichkeiten der Familienpolitik werden nachhaltig durch Rahmenbedingungen beeinflußt, zu denen u.a. der Beschäftigungsgrad, die Wertschätzung der Familien durch die Gesellschaftsmitglieder und in der öffentlichen sowie der veröffentlichten Meinung und das soziale Klima in der Gesellschaft gehören. 1. Herstellung und Sicherung eines hohen Beschäftigungsgrades
Es ist evident, daß Arbeitslosigkeit, die dauerhaft ist und eine gewisse, wenngleich nicht genau bestimmbare Grenze überschreitet, die Familienpolitik in mehrfacher Weise beeinflußt: - Sie verringert die Einnahmen der öffentlichen und der Sozialversicherungshaushalte und erhöht den Umfang der Sozialausgaben, engt also die finanzpolitischen Spielräume für die Verfolgung politischer Ziele ein;
152 BVerfUE 87,1, S. 35 f.
D. Aufgaben und Empfehlungen
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- sie verringert die Erwerbsmöglichkeiten erwerbswilliger Familienmitglieder und erhöht den Wettbewerb um die knappen Arbeitsplätze, der v.a. die Erwerbschancen von Frauen beeinträchtigt, die Reintegration von Vätern und Müttern nach der Familienphase in die Arbeitswelt erschwert und die Bereitschaft der Arbeitgeber zur familienfreundlichen Ausgestaltung der Arbeitswelt beeinträchtigt; - sie erschwert arbeitslosen Vätern und Müttern durch die eintretenden Einkornrnensverluste und psychische Belastungen die Erfüllung ihrer Aufgaben und erhöht den Bedarf an Hilfen rur die Familien mit arbeitslosen Mitgliedern. Daher ist eine erfolgreiche Bekämpfung der bestehenden Massenarbeitslosigkeit eine Voraussetzung zur Sicherung einer effizienten Familienpolitik. 2. Öffentliche und private Wertschätzung von Familien
Eine weitere Rahrnenbedingung fiir die Weiterentwicklung einer nach Art und Umfang ausreichend erscheinenden Familienpolitik ist die Wertschätzung, die der Familie entgegengebracht wird. Umfragen belegen, daß die Familie rur überwiegende Mehrheiten in Ost und West nach wie vor einen hohen Wert darstellt und in bezug auf die Wichtigkeit von Lebensbereichen zusammen mit der Gesundheit die Wertehierarchie anfiihrt. 153 Nichtsdestoweniger dürfte wenigen Menschen über die persönlichen Erfahrungen hinaus bewußt sein, welche Bedeutung den Familien fiir die Stabilität der Gesellschaft, rur die Persönlichkeitsentwicklung, rur die Entwicklung von Gemeinsinn und Solidarität, kurz, rur die Hurnanverrnögensbildung, aber auch rur die Bewältigung sozialer Risiken und rur das soziale Klima in der Gesellschaft zukommt. Daher erscheint es wichtig, ins öffentliehe Bewußtsein zu heben, welche Bedeutung den Familien und ihren Leistungen zukommt, und daß es nötig ist, die Familien unter den Bedingungen der modemen Wirtschaftsgesellschaften durch Förderungsmaßnahmen funktionsfähig zu halten. Eine Aufklärung über den neben dem "privaten" Wert der Familien rur ihre Mitglieder existierenden Wert der Familien fiir Gesellschaft und Staat ist um so mehr geboten, als die gegenwärtigen und die fiir die nähere Zukunft zu erwartenden wirtschaftlichen Rahrnenbedingungen es erschweren, der Famili153 Vgl. z.B. Stat. BA (Hrsg.), Datenreport 1994, S. 438 ff.; SoziaIreport 1992, S. 223 ff.; NaveHerz 1988, S. 71 ff. und Störtzbach 1993/94.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
enpolitik neben der Politik der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen und der wirtschaftlichen Entwicklung Priorität einzuräumen. 154 Bestandteil einer solchen aufklärenden Informationspolitik sollte es nach der Überzeugung des Verfassers auch sein, die Abhängigkeit der Individuen von der Gemeinschaft und der Gesellschaft zu verdeutlichen. Persönliche Entfaltung und Selbstverwirklichung sind nur mit Hilfe anderer und durch andere und nur auf der Grundlage und im Rahmen der durch die Gesellschaft geschaffenen Lebensbedingungen möglich. Entfaltung der Persönlichkeit ist interindividuelle Kommunikation. 155 Die Überbetonung des Individuums gegenüber der Gemeinschaft, die Überbetonung der Selbstverwirklichung als Lebensziel und die Verabsolutierung individueller, bindungsloser Freiheit bedrohen, wenn sie langfristig wirksam bleiben, die Gemeinschaft und ihre soziale Kultur i56 . Ähnliche Wirkungen ruft das in der vorherrschenden neoklassischen Wirtschaftsphilosophie dominante Prinzip individueller Gewinnund Nutzenmaximierung hervor. Nach diesem Prinzip führt die Verfolgung egoistischer Ziele zum gesellschaftlichen Nutzenmaximum und zum größtmöglichen Gemeinwohl, wenn bestimmte institutionelle Bedingungen erfüllt sind. Mit dieser These, die begrenzt für die Produktion und die Verteilung bestimmter, aber beileibe nicht aller Güter und Dienstleistungen gilt, wird der konsequenten Verfolgung egoistischer Interessen das Wort geredet. Im Laufe der Zeit wird am persönlichen Nutzen orientiertes Verhalten als systemgerechtes Verhalten in der Öffentlichkeit populär. Auf diese Weise wird ein durch Rücksichtslosigkeit geprägtes, die Sozialkultur zerstörendes Verhalten verbreitet - und nicht nur im wirtschaftlichen Bereich praktiziert und gleichsam legalisiert. Das skizzierte nutzenmaximierende Verhalten dürfte in Verbindung mit dem Streben nach bindungsloser Freiheit und Selbstverwirklichung auch eine Mitursache sein für die Vergrößerung der Zahl Alleinerziehender - soweit es sich um getrennt lebende und geschiedene Eltern handelt. Denn das Vordringen individuellen Freiheits- und Unabhängigkeitsstrebens und einer überzogene Selbstverwirklichung dürften manchen Ehe- bzw. Lebenspartner zu einer 154 Vgl. dazu auch F.-X. Kaufinann, Die Familie im Spannungsfeld gesellschaftlicher und politischer Strukturen - Kriterien einer Familienpolitik der Zukunft, 1994, S. 11: "Familienpolitische Forderungen in einer Zeit zu stellen, in der sich die Wirtschaft der Bundesrepublik in der schwersten Anpassungskrise seit Ende des Zweiten Weltkrieges befindet und entsprechend auch die öffentlichen Haushalte zurückgefahren werden müssen. Aber auch wenn nicht damit zu rechnen ist, daß kurzfristig wesentliche Veränderungen durchzusetzen sind, sos entbindet dies uns alle doch nicht von der Pflicht, auf eine Bewußtseinsveränderung hinzuarbeiten, die der Frauen-, Kinder- und Familienpolitik größere politische Priorität filr die Zukunft sichern soll. " 155 Vgl. dazu D. Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen: Zur Grundrechtsdogmatik der Persönlichkeitsentfaltung, der Ausübungsgemeinschaften und des Eigentums, Berlin 1976, S. 80 ff. 156 Vgl. dazu MiegellWahll994, S. 41 ff.
D. Aufgaben und Empfehlungen
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Trennung von Partner und Kind(ern) veranlassen, wobei sie bei einer derartigen Entscheidung z.T. "moralisch" durch das Bewußtsein entlastet werden, daß in einer sozialstaatlich verfaßten Gesellschaft die Einrichtungen der sozialen Sicherung das Existenzminimum der in ihrer Lebenslage beeinträchtigten Familienmitglieder gewährleisten. Nach Meinung des Verfassers steht unsere Gesellschaft - genauer: die politische Elite - vor der Frage, ob es nicht an der Zeit ist, gegenzusteuern, um das Verhältnis zwischen Individuen und Gemeinschaft bzw. Gesellschaft wieder ausgewogener zu gestalten und die Gesellschaft davor zu bewahren, sich durch die Konsequenzen eines extremen Individualismus zu zerstören. 151 3. Beachtung der Interdisziplinarität der Familienpolitik und wissenschaftliche Fundierung der Familienpolitik
Eine weitere Rahmenbedingung, durch deren Beeinflussung die Effizienz der Familienpolitik erhöht werden kann, ist die Beachtung des Querschnittscharakters und der Interdisziplinarität der Familienpolitik,158 d.h. die Berücksichtigung der Wirkungen politischer Maßnahmen außerhalb der Familienpolitik Le.S. auf die Familien. Soweit wie möglich sollten daher Maßnahmen der Wirtschafts-, Sozial-, Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Verkehrs- und der Wohnungsbaupolitik, wenn deren Nebenwirkungen die Familien beeinträchtigen, vennieden und Maßnahmen, deren Nebenwirkungen familienpolitisch gesehen positiv sind, präferiert werden. 159 Die Berücksichtigung des Querschnittscharakters der Familienpolitik und damit deren Effizienz sowie die Weiterentwicklung der Familienpolitik könnten erheblich gefördert werden, wenn die Familienpolitik in höherem Maße als bisher wissenschaftlich fundiert werden würde. Zwar haben sich in den letzten Jahrzehnten die Familiensoziologie und die familienrelevante Rechtslehre erfreulich entwickelt. Defizitär erscheint jedoch nach wie vor die wirtschaftswissenschaftliche Erforschung der Familie und der Familienpolitik, wenngleich sich neuerdings Aitsätze zu einer Verstärkung der familienorientierten wirtschaftswissenschaftlichen Arbeit zeigen. 160 151 Vgl. zur DarstelJung dieser Gefahr MiegellWahl 1994, S. 64 ff 158 Vgl. dazu auch Abschn. B.n.I. dieses Kap. 159 Vgl. dazu auch den Fünften Familienbericht (BMFuS (Hrsg.) 1994a), der (S. 299 ff) verdeut-
licht, wie die Familienpolitik auf örtlicher und regionaler Ebene dem Querschnittscharakter und der lnterdisziplinarität der Familienpolitik gerecht werden kann. 160 Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang die erste größere wirtschaftstheoretische Monographie zur Familie, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik erschien: K.F. Zimmer-
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Das wirtschaftlich relevante Geschehen innerhalb der Haushalte und die Familien fanden bisher nur unzulängliche Berücksichtigung in der Wirtschaftstheorie. 161 Der private Haushalt wurde und wird im Rahmen der Kreislauftheorie und der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als konsumierende, d.h. als eine nicht-wertschöpfende Einheit angesehen. Man definiert den Haushalt zwar auch als Anbieter von Boden, Kapital und Arbeit, nicht aber den Haushalt mit Kindern als eine für die Wirtschaft bedeutende Institution, in der Kinder nicht nur geboren und versorgt, sondern ihre Begabungen und Talente gefordert und ihnen Werte vermittelt werden, die - wie die Kooperationsfahigkeit und -bereitschaft, soziales Verhalten und Gemeinsinn, Verläßlichkeit, Fleiß und Verantwortungsbewußtsein - für das Funktionieren von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft unverzichtbar sind. Daß in den Familien das Humanvermögen der Gesellschaft herangebildet wird, wurde bisher weitgehend übersehen. Die wirtschaftstheoretischen Defizite in bezug auf die Berücksichtigung der Familie hat Gary S. Becker162 nur unzulänglich korrigiert. 163 Als eine weitere Ursache für die Vernachlässigung der Familie in der wirtschaftswissenschaftlichen Arbeit sind politische Grundeinstellungen zu nennen, die wahrscheinlich ihrerseits auf eine fehlende Auseinandersetzung mit dem Forschungsobjekt "Familie" zurückzuführen sind. Solche GrundeinsteIlungen sind v.a. bei Mitbegründern des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft zu finden, nämlich bei Alexander Rüstow und Wi/helm Röpke. Beide betrachteten zwar die Familie als unentbehrliches gesellschaftliches Element und als moralische, für die Wertevermittlung bedeutende Instanz. Beide haben auch die Gefährdungen der Familie durch die Veränderung der sozio-ökonomischen Lebensbedingungen gesehen. Eine Familienpolitik jedoch, die über die Berücksichtigung der Kinder in der Sozialversicherung hinausgeht und kinderbedingte ökonomische Belastungen ausgleichen will, haben sie aus der Befürchtung heraus abgelehnt, die Verringerung der wirtschaftlichen Verantwortlichkeit für ihre Kinder beeinträchtige den Zusammenhalt in der Familie und ihre Moral. 164 mann, Familienökonomie. Theoretische und empirische Untersuchungen zur Frauenerwerbstätigkeit und Geburtenentwicklung, Berlin u.a. 1985. 161 Vgl. dazu die ausfilhrliche Darstellung der Problematik bei H. Lampert, Zur Bedeutung von Haushalt und Familie in der Volkswirtschaftslehre, in: Hauswirtschaft und Wissenschaft 1993, S. 202 ff. 162 Vgl. dazu G.S. Becker, A treatise on the family, Cambridge, Mass. 1981. 163 Vgl. dazu H. Bonus, Neue Wege der Nationalökonomie, Münster 1994, S. 22-26. 164 A Rüstow, Wirtschaft als Dienerin der Menschlichkeit, in: Was wichtiger ist als Wirtschaft. Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (Hrsg.), Ludwigsburg 1958, S. 13. W. Röpke, Ein Jahrzehnt Soziale Marktwirtschaft in Deutschland und seine Lehren, in: Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (Hrsg.), Ludwigsburg 1958, S. 185 f. und derselbe, Jenseits von Angebot und Nachfrage, Zürich 1979, S. 241 f.
D. Aufgaben und Empfehlungen
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IH. Der Handlungsbedarf und Empfehlungen zu seiner Deckung Wie oben dargestellt,165 muß jede Politik wegen des Mißverhältnisses zwischen dem für die Verfolgung von Zielen erforderlichen Mittelbedarf und den verfügbaren knappen Mitteln auf einer langfristig angelegten Strategie beruhen. Daher werden die Empfehlungen des Verfassers zur Weiterentwicklung der Familienpolitik in Empfehlungen unter kurzfristiger und unter langfristiger Perspektive unterteilt. Aufgrund der Darstellung der Entwicklung der Familienpolitik im 4. Kapitel und der unerfüllten familienpolitischen Aufgaben in Abschnitt C.II. bedürfen diese Empfehlungen keiner ausfiihrlichen Begründung mehr. 1. Nahziele der Familienpolitik
a) Beibehaltung der Familienorientierung des Systems sozialer Sicherung Politisches Handeln besteht nicht nur aus Handlungen; es kann auch Ziele verfolgen, die eine Unterlassung voraussetzen. Die erste Empfehlung bezieht sich auf eine Unterlassung: die Familienpolitik sollte im Rahmen des viel diskutierten und unabweisbaren Umbaues des Sozialstaates nicht den Fehler begehen, im Zusammenhang mit der Ausgliederung sog. "versicherungsfremder" Leistungen aus der Sozialversicherung und der Umstellung ihrer Finanzierung auch die jamilienorientierten Leistungen als "versicherungsfremd" zu definieren und diese Leistungen, z.B. die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Kinder und für nicht erwerbstätige Mütter, beitragspflichtig zu machen. 166 Eine andere Frage ist es, ob nicht die Gemeinschaft der Versicherten dadurch finanziell entlastet werden sollte, daß der Bedarf für die Finanzierung der beitragsfreien Familienleistungen durch staatliche Zuschüsse gedeckt wird, d.h. durch Steuern. In diesem Fall müßte allerdings gewährleistet werden, daß der Staat seinen Verpflichtungen gegenüber den sozialen Sicherungseinrichtungen auch zuverlässig und in uneingeschränkter Höhe nachkommt.
165 Vgl. Abschn. B.1.4. 166 Vgl. dazu die ausfilhrliche Darstellung der Problematik in diesem Kap. Abschn. C.II.l.c.2. 19 Lampert
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
b) Dynamisierung der familienpolitischen Geldleistungen Es ist eine seit langem von seiten der Familienverbände, aber auch von wissenschaftlicher Seite erhobene und gut begründete Forderung, die familienpolitischen geldwerten Leistungen (Kinderfreibeträge) und die Geldleistungen, insbes. das Kindergeld und das Erziehungsgeld, zu dynamisieren, d.h. an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Einkommen anzupassen, um ihre relative Entwertung zu verhindern und das Ausmaß der finanziellen Entlastung der Familien aufrechtzuerhalten. 167 Für Franz-Xaver Kaufmann ist die Bereitschaft zur Dynamisierung des Kindergeldes ein Prüfstein für die Ernsthaftigkeit der Familienpolitik. 168 Von der Dynamisierung der Leistungen sei auf lange Frist für die Familien weit mehr zu erwarten als von einmaligen Erhöhungen der Leistungen. Die Notwendigkeit einer Dynamisierung ergibt sich auch aus dem Prinzip der Stetigkeit und Verläßlichkeit der Familienpolitik. 169 Die Dynamisierung ist im übrigen im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1990 angelegt.170 Wenn sich die Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums erhöhen, muß konsequenterweise auch der Steuerfreibetrag erhöht werden und das Kindergeld, soweit es - wie seit 1996 - auch die Funktion hat, das Existenzminimum steuerfrei zu stellen,171 wenn nicht der Förderanteil des Kindergeldes kleiner werden soll. c) Verbesserung des Erziehungsgeldes Angesichts der großen Bedeutung, die der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit und der Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit zukommt, \12 sowie aufgrund der sehr hohen Akzeptanz, die 167 Vgl. nur Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen, in: BMFSFJ (Hrsg.) 1995a, S. 10; BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 295; Kennerknecht 1993, S. 88; Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Familienorganisationen 1993, S. 92. 168 Kaufinann 1995, S. 209. 169 Vgl. dazu AbSchn. B.l1.2.
170 Danach muß bei der Einkommensteuer ein Betrag in Höhe des Existenzminimums steuerfrei bleiben (BVerIDE 82,60). 171 Vgl. dazu 4. Kap. B.lV.l. sowie § 31 des Jahressteuergesetzes 1996: "Die steuerliche FreisteIlung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes wird durch den Kinderfreibetrag nach § 32 oder durch Kindergeld nach §§ 62 ff. bewirkt. Soweit das Kindergeld dafilr nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie." 172 Vgl. Abschn. C.l1.2.a
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Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub bei jungen Eltern gefunden haben, I 73 sollte das Erziehungsgeld möglichst bald verbessert werden. Prinzipiell erscheinen wünschenswert: 174 - Die Verlängerung der Erziehungsgeldzahlung von derzeit zwei Jahren entsprechend der Dauer des Erziehungsurlaubs auf drei Jahre; 175 - die (stufenweise) Erhöhung auf einen Betrag, der wenigstens die Hälfte der durchschnittlichen Arbeitseinkommen ausmacht; - die Abschaffung der Einkommensgrenzen für den Erziehungsgeldbezug, 176 weil auch für wohlhabendere Eltern eine finanzielle Anerkennung der externen Effekte der Kindererziehung gerechtfertigt ist177 - wobei aber aufgrund der Knappheit öffentlicher Mittel nach Erreichung einer bestimmten Einkommensgrenze eine einkommensproportionale Kürzung bis auf einen (symbolischen) Sockelbetrag gerechtfertigt erscheint. Es sei noch einmal betont, daß wegen der gesarntökonomischen Situation und ihrer voraussichtlichen Entwicklung in den kommenden sechs bis acht Jahren nur schrittweise Verbesserungen des Erziehungsgeldes wie auch des Erziehungsurlaubs und der Anerkennung von Erziehungsjahren 178 vorstellbar ist, bis eine optimale Ausgestaltung dieser drei komplementären Instrumente erreichbar erscheint. Erste Schritte sollten aber nicht nur wegen ihrer Haupteffekte, sondern auch wegen der farnilienpolitischen Signalwirkung schon in der kurzen Periode versucht werden. d) Erhöhung der Farnilienfreundlichkeit der Arbeitswelt Eine Erhöhung der Farnilienfreundlichkeit der Arbeitswelt hängt - abgesehen von den arbeitsrechtlichen Rahrnenbedingungen, für die der Gesetzgeber die Verantwortung trägt - v.a. von der Bereitschaft und den ökonomischen Möglichkeiten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmervertetungen in den Be-
173 Vgl. dazu G. Erlerl M. Jaeckell J. Sass, Mütter zwischen Beruf und Familie, München 1983; Badelt 1991, S. 131 ff. 174 Gleicher Meinung Birk 1994, S. 73 f. 175 Teilweise zahlen Bundesländer nach Auslaufen des Bundeserziehungsgeldes ein Landeserziehungsgeld. Wünschenswert ist jedoch eine bundeseinheitliche Lösung filr alle Eltern. 176 Gleicher Meinung Fuchs 1994, S. 109. 177 Die ''hauptslchliche Zielsetzung des Erziehungsgeldes war und ist es, die Erziehungsleistung von Eltern anzuerkennen und es ihnen zu erleichtern, ihre Lebensplanung in Familie und Arbeitswelt zu verwirklichen". (Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der SPD, BTDrS. 12/6441). 178Vgl. zur Verlängerung des Erziehungsurlaubs und zum Ausbau der Erziehungsjahre Abschn. C.II.2.cl. 19*
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trieben sowie von den Gewerkschaften ab, sich um familienfreundliche und familiengerechte Arbeitsbedingungen zu bemühen. Zu den Instrumenten familienfreundlicher Ausgestaltung der Arbeitswelt gehört v.a. die Anpassung der Arbeitszeiten an familiale Erfordernisse durch Erweiterung der Dispositionsspielräume der Arbeitnehmer (Arbeitszeitflexibilisierung, Teilzeitarbeit, flexible Freistellungen bei Erkrankung der Kinder).179 Da die Flexibilisierung der Arbeitsverträge und der Arbeitszeiten aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsbedingungen sowieso im Zentrum der wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten und Handlungsmöglichkeiten zur Erhöhung der Wettbewerbsfabigkeit unserer Volkswirtschaft steht, ist es naheliegend, dabei die Interessen der Familienväter und -mütter mitzubedenken. Die Politiker sollten nicht müde werden, an Arbeitgeber und Gewerkschaften zu appellieren, nach Kräften an der Erreichung des Ziels familienfreundlicher Ausgestaltung der Arbeitswelt mitzuwirken. e) Ausbau der Familienberatung und der Familienbildung In einer Zeit knapper Mittel ist es rational, politische Akzente in Bereichen und fiir die Erfüllung von Aufgaben zu setzen, in denen - wie bei der Lösung der vorstehend behandelten Aufgabe - mit vergleichsweise geringem Mittelaufwand viel erreicht werden kann. Zu diesen Bereichen gehören auch die Familienberatung und die Familienbildung im Sinn der Schaffung und Entwicklung familialer Kompetenzen. Gleichzeitig stellen diese Bereiche aktuelle Aufgabenfelder dar. 180 Aus einer Reihe von Gründen l81 ist der Bedarf an Förderung familienrelevanter Handlungskompetenzen gestiegen. Er kann und sollte gedeckt werden durch den personellen Ausbau von qualitativ abgesicherten FamilienberatungssteIlen, 182 durch eine verstärkte Familienorientierung des Bildungssy-
179 Von den Möglichkeiten hochleistungsf'ahiger (Groß-)Untemehrnungen, den Elternurlaub mit Wiedereinstellungsgarantie über die gesetzliche Frist hinaus zu verlängern, Wiedereingliederungsmaßnahmen zu fmanzieren und Betriebskindergärten einzurichten, sei hier abgesehen. 180 Vg1. Abschn. C.II.4. 181 Vgl. die Darstellung in Abschn. C.II.4. 182 Vgl. dazu das Gutachten "Familie und Beratung" des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen (BMFuS 1993).
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stems l83 - insbes. im Sinn der Vermittlung von familienrelevanten Daseinskompetenzen l84 - und durch den Ausbau der auf die Bewältigung des Familienalltags vorbereitenden Familienbildungsstätten. 2. Familienpolitik unter langfristiger Perspektive
a) Weiterentwicklung des Familienlastenund Familienleistungsausgleichs Weder unter denjenigen, die sich als Wissenschaftler, noch unter denjenigen, die sich als Praktiker mit Familienpolitik beschäftigen, besteht ein Zweifel daran, daß die verfolgten Ziele der Familienpolitik eine Weiterentwicklung des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs l85 erforderlich machen, wenn sich die Lage der öffentlichen Haushalte besser darstellt als derzeit (1996/97). Wie eine solche Weiterentwicklung konzeptionell aussehen soll, ist strittig und kann nur im Rahmen des politischen Willensbildungsprozesses entschieden werden. Da für die Empfehlungen zur konzeptionellen und instrumentellen Ausgestaltung eines Familienlastenausgleichs persönliche normative Vorstellungen eine große Rolle spielen, wird im folgenden nicht für ein in bestimmter Weise ausgeformtes, geschlossenes Konzept plädiert, sondern auf mögliche Ausgestaltungen verwiesen. 186 Elemente eines Familienlastenausgleichs können sein: 1. Direkte monetäre Transfers, wie z.B. Kindergeld und Erziehungsgeld; 181
183 Vgl. dazu das Kap. "Familie und Bildung" im Fünften Familienbericht (BMFuS 1994a, S. 200 ff). 184 Unter "Daseinskompetenez" wird in der einschlägigen Lit. die Fähigkeit verstanden, Probleme menschlicher Existenz zu verstehen und rational Problemlösungen zu suchen. Zu den filr die Familie wichtigen Daseinskompetenzen gehören u.a. die Fähigkeit, zwischen Selbstverwirklichung zugunsten anderer und auf Kosten anderer zu unterscheiden, die Fähigkeit, die möglichen Folgen von Handlungen und Unterlassungen zu erkennen und die Fähigkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Kontakte. 185 Der Vereinfachung halber wird im folgenden nur noch der Begriff "Familienlastenausgleich" gebraucht. 186 Dabei kann das Für und Wider alternativer Konzepte im Rahmen dieser Arbeit nicht systematisch erörtert werden, weil die Möglichkeiten der Kombination von Instrumenten vielialtig und jeweils zu komplex sind. 187 Seit einiger Zeit wird in der Bundesrepublik diskutiert, ob man nicht versuchen soHte, die Vielzahl sozialer Transfers durch ein existenzminimumsicherndes "Bürgergeld" zu ersetzen (vgl. z.B. H. Pelzer, Negativsteuer und Bürgergeld: Ansätze zur Finanzierung eines zukunftsorientierten Familienlastenausgleichs, in: Mitteilungen der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft fiir Familienfragen, Mai! Juni 1995 sowie J. Mitschke, Steuer- und Transferordnung aus einem Guß. Entwurf einer Neugestaltung der direkten Steuern und Sozialtransfers in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden
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2. indirekte monetäre Transfers in Form von 2.1. (Kinder-)Freibeträgen bei der Besteuerung; 188 2.2. (Kinder-)Grundfreibeträgen bei der Besteuerung;189 2.3. alternativen Formen des Familiensplittings. l90 Von den aus dem Wissenschaftsbereich vorgelegten Ausgestaltungsvorschlägen sollen hier nur vier kurz vorgestellt werden, die Bernd Schäfer (1992) in einer vergleichenden Studie auf ihre Entlastungs- und Verteilungswirkungen hin untersucht hat. Ein bereits 1967 von Willi Albers vorgelegter und nach wie vor aufrechterhaltener Vorschlag geht von dem aufgrund einer hohen Selbstfinanzierungsquote des praktizierten Familienlastenausgleichs unzureichenden Wirkungsgrad aus und schlägt ein Ausgleichssystem vor, das auf einem konsequenten Umlageverfahren beruht und darauf abzielt, die Transfers an Familien mit Kindern durch Kinderlose finanzieren zu lassen. Die Höhe der Leistungen in Form von Kindergeld soll nach dem Alter und der Ordnungszahl der Kinder gestaffelt werden und einkommensunabhängig einen Teil des Versorgungsbedarfs der Kinder decken. Bei Familien, in denen das Existenzminimum nicht gewährleistet ist, sollen die Leistungen dieses Existenzminimum gewähren. Die Finanzierung soll durch eine familientypenspezijische Differenzierung des Einkommensteuertarifs erfolgen. Das Ehegattensplitting soll abgebaut, die kinderbedingten Steuervergünstigungen sollen gestrichen werden. 191 Ein 1984 vorgelegter Vorschlag von Reiner Dinkel geht davon aus, daß das Ehegattensplitting nicht die Kinderversorgung fördert und jene Ehepartner diskriminiert, die aufgrund ihrer Kinderlasten beide erwerbstätig sein müssen, sowie davon, daß die kinderbedingten Steuerfreibeträge einkommensabhängig sind. Er fordert die Abschaffung des Ehegattensplittings und sämtlicher kinderbedingten Transfers. Er schlägt eine einzige Transferleistung vor, die we-
1985). Der Verfasser ist der Meinung, daß ein Bürgergeld erstens den vielfiUtigen sozialpolitischen Bedürfuissen nicht gerecht werden kann und zweitens nicht finanzierbar ist. 188 Freibeträge werden von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen. Ihre Einkommenswirkung hängt daher von der Freibetragshöhe und dem individuellen Grenzsteuersatz ab. 189 Grundfreibeträge werden in den Steuertarif eingearbeitet und fuhren zu einer einkommensunabhängigen Entlastung. 190 Vgl. die Darstellung solcher Formen bei M. Pechstein 1994, S. 271 ff. und Lingemann 1994, passim. 191 Vgl. dazu W. Albers, Zur Reform des Familienlastenausgleichs in der Bundesrepublik, in: Sozialer Fortschritt 1967, S. 199 ff. und Schäfer 1992, S. 117 f
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der nach dem Alter und der Ordnungszahl der Kinder, noch nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt werden soll. 192 Elanie Heldmann will mit ihrem Modell aus dem Jahre 1986, das weitgehend mit einem 1974 von Ralf Zeppernick l93 entwickelten Vorschlag übereinstimmt, primär die Sicherstellung des sozio-ökonomischen Mindestbedarfs der Kinder und die Beseitigung materieller Behinderungen bei der Wahl des Ausbildungsweges erreichen. Sie schlägt vor, nach Abschaffung des Kindergeldes, der Ausbildungsförderungsleistungen und der kinderspezifischen Freibeträge Transferleistungen einzufiihren, die bis zum Existenzminimum in voller Höhe des Mindestbedarfs der Kinder gewährt werden und mit steigendem Einkommen auf Null abgesenkt werden. Ein Kindergrundfreibetrag soll die Transferleistungen ergänzen. 194 Heinz Haller plädiert in seinem 1981 vorgelegten Vorschlag für ein Familiensplitting mit einem Divisor von 0,5 pro Kind und für einen zusätzlichen IKinderzuschuß", der einen Mindestentlastungsbetrag als Abzug von der Steuerschuld für Familien darstellt, die diesen Mindestentlastungsbetrag über die steuerliche Entlastung nicht erreichen. Für Familien, die das Existenzminimum ihrer Kinder nicht selbst erwirtschaften können, soll eine zusätzliche Hilfe vorgesehen werden. Die Steuermindereinnahmen sollen durch Anhebung des Steuertarifs kompensiert werden. 195
Ohne hier die Ergebnisse des Vergleichs der Steuer- und Einkommenswirkungen dieser Vorschläge voll wiedergeben zu können, sei auf folgende für die Weiterentwicklung des Familienlastenausgleichs bemerkenswerten Ergebnisse hingewiesen: 1. Die Selbstfinanzierungsquote des Familienlastenausgleichs ist wegen der familientypenspezifischen Ausgestaltung des Steuertarifs im Modell von WilU Albers am geringsten. Steuerpflichtige ohne Kinder werden mit steigendem Bruttolohn, insbes. in den Steuerklassen III und HIN wegen des Abbaues des Ehegattensplittings, stärker belastet. Steuerpflichtige mit Kindern werden im unteren Einkommensbereich besonders stark entlastet.
192 Vgl. dazu R. Dinkel, Die Auswirkungen eines Geburten- und Bevölkerungsruckgangs auf En.twicklung und Ausgestaltung von gesetzlicher Alterssicherung und Familienlastenausgleich, Berlin 1984 und Schäfer 1992, S. 118 ( 193 R. Zeppemick, Untersuchungen zum Familienlastenausgleich, Köln 1974. 194 Vgl. Heldrnann 1986, S. 318 ff. und Schäfer 1992, S. 119 ( 195 Vgl. H. Haller, Besteuerung der Familieneinkommen und Familienlastenausgleich, Tübingen 1981 und Schäfer 1992, S. 121 (
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2. Das dem Familienlastenausgleich im Jahre 1990 zugrunde liegende Entlastungsvolumen bot "durchaus den finanziellen Rahmen für eine grundlegende Reform, die weg von einer zum Großteil ehegattenbezogenen Förderung und somit hin zu einer ... verstärkt kindbezogenen Förderung führen könnte. "196 3. Insbes. das Modell von Elanie Heldmann führt zu einer starken Umverteilung von höheren zu niedrigeren Einkommen, weil sowohl die Einkommensabhängigkeit des Kindergeldes als auch der Grundfreibetrag in diese Richtung wirken. Diese Ergebnisse machen darauf aufmerksam, daß den Konstruktionsprinzipien des Lastenausgleichs für die Verteilungswirkungen eines solchen Ausgleichs besondere Bedeutung zukommt. Für die Weiterentwicklung des Familienlastenausgleichs ist von folgenden Fakten auszugehen: 1. Die Freistellung des Existenzminimums von Familien und daher auch der Kinder von der Besteuerung ist ein Gebot der Steuergerechtigkeit. Strittig ist, ob diese Freistellung durch Steuerfreibeträge oder durch Grundfreibeträge oder durch das Kindergeld erfolgen soll. Diese Frage soll später noch einmal aufgegriffen werden. 197 2. Die Sicherung des Existenzminimums von Menschen, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, die dazu erforderlichen Mittel zu beschaffen, ist ein sozialstaatliches, in der Verfassung generell vorgegebenes Gebot. Daher ist auch die Sicherung des Existenzminimums von Kindern, deren Eltern zu dieser Sicherung nicht in der Lage sind, ein generelles Gebot und kein Bestandteil eines Familienlastenausgleichs. 3. Erst über die Einhaltung beider Gebote hinausgehende staatliche Leistungen sind Elemente eines Familienlastenausgleichs. Für diesen Ausgleich muß entschieden werden: 3.1. welcher Anteil von den Versorgungsaufwendungen für Kinder durch staatliche Transfers abgedeckt werden soll; 3.2. ob diese Leistungen nach dem Alter und der Ordnungszahl der Kinder differenziert werden sollen; 196 Schäfer 1992, S. 156. 197 Vgl. Abschn. D.III.2.c dieses Kap.
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3.3. ob und inwieweit andere Aufwendungen für Kinder, v.a. die Betreuungs- und Erziehungsleistungen der Eltern und Aufwendungen für die Ausbildung der Kinder, durch staatliche Transfers in den Lastenausgleich einbezogen werden sollen; 3.4. ob die staatlichen Leistungen einkommensunabhängig oder einkommensabhängig gewährt werden und im letztgenannten Fall nach Erreichung der Einkommensgrenze überhaupt nicht oder einkommensabhängig auslaufend gewährt werden sollen; 3.5. ob die Leistungen als direkte oder indirekte Transfers ausgestaltet werden sollen. Der Verfasser ist der Auffassung, daß die langfristig anzustrebende Zielfunktion folgende Elemente enthalten sollte: 1. Die nicht primär nach fiskalischen, sondern nach normativen Kriterien festgelegten sozio-kulturellen Mindestaufwendungen für Kinder sollten für das erste Kind zur Hälfte, für das zweite Kind zu zwei Dritteln bis drei Vierteln und für das dritte Kind zu vier Fünfteln bis zur vollen Höhe durch eine direkte Zuwendung gedeckt werden. 198 Eine Differenzierung nach dem Alter sollte nicht vorgenommen werden. 199 2. Die Betreuungs- und Erziehungsleistungen sollten mit Hilfe des (langfristig ausbaufähigen) Erziehungsgeldes in den Ausgleich einbezogen werden. 3. Auch die Berücksichtigung der Ausbildungsaufwendungen sollte in Form direkter oder indirekter Ausbildungshilfen Bestandteil des Familienlastenausgleichs bleiben. 4. Die Leistungen sollten, da es beim Familienlastenausgleich primär um einen horizontalen, schichtenspezifischen Lastenausgleich geht, grundsätzlich nicht einkommensabhängig sein. Die Knappheit der öffentlichen Mittel und die Existenz beachtlicher vertikaler Pro-Kopf-Einkommensunterschiede lassen es jedoch nicht zu, von den vertikalen Verteilungsunterschieden und den vertikalen Verteilungswirkungen des Familienlastenausgleichs abzusehen. Daher sollten für die Leistungen Einkommensgrenzen vorgesehen und die Leistungen bis auf Null bzw. bis auf einen kleinen eher symbolischen Ausgleichsbetrag abgeschmolzen werden - mit Aus198 Diese Vorstellung lehnt sich eng an einen entsprechenden Vorschlag von Max Wingen an. Vgl. Wingen 1987, S. 84 [ 199 Eine Differenzierung nach dem Alter würde Kindergeldregelungen komplizieren. Besser scheint es dem Verfasser, vom durchschnittlichen jährlichen bzw. monatlichen AufWand rur die ersten 18 Lebensjahre auszugehen.
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nahme der Steuerfreibeträge fiir Kinder in Höhe der existenzrninimalen Aufwendungen als Instrument zur Sicherung eines horizontalen Lastenausgleichs bei hohen Einkommen. b) Weiterentwicklung der Familienpolitik außerhalb des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs Zu den langfristigen Aspekten des Familienpolitik bleibt nach der ausführlichen Darstellung der unerfüllten Aufgaben der Familienpolitik in den Abschnitten C.2. bis C.4. in diesem Kapitel nicht mehr viel festzustellen, weil diese Aufgaben zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit, zur Verbesserung der Wohnungsversorgung und zum Ausbau der familialen sozialen Infrastruktur ausführlich beschrieben worden sind. Auf zwei Problemfelder und Aufgabenbereiche sei jedoch noch aufmerksam gemacht. Sie sind in der einschlägigen Literatur noch kaum thematisiert und im Fünften Familienbericht ausführlich beschrieben worden: Der Zusammenhang zwischen Familie und Gesundheit und zwischen Familie und Ausbildung. 200 Die Familie ist ein "zentraler Faktor des präventiven Gesundheitsgeschehens in positiver wie auch in negativer Hinsicht". Befriedigende Familienbeziehungen sind ein wirksamer Schutzfaktor fiir alle Beteiligten. Familienangehörige sind "die wichtigsten Bezugspersonen in gesundheitsrelevanten Netzwerken und bevorzugte Hilfspersonen bei Krankheitsepisoden oder Pflegebedürftigkeit". Gestörte oder durch wirtschaftliche, soziale oder persönliche Probleme überlastete Familien können Krankheiten verstärken oder ihnen Vorschub leisten. Aus all diesen Gründen scheint es geboten, die Rolle der Familie fiir die Erhaltung, Wiederherstellung, aber auch die Störung der Gesundheit ihrer Mitglieder gezielter und mehr zu untersuchen als bisher. Der Familienbericht spricht besonders die Problemkreise Sucht und Behinderung an. Die Stärkung der Familie zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Faktor des präventiven Gesundheitsgeschehens und als Institution der Hilfe und der Pflege stellt sich daher als wichtige Aufgabe dar. 201 In seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen ist auch der Problemkreis zwischen Ausbildung und Familie. "Die sich ständig verlängernden Bildungszei200 Vgl. die Kapitel "Familie und Bildung" und "Familie und Gesundheit" in: BMFuS 1994a, S. 200 ff. und S. 246 ff. 201 Vgl. dazu BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), S. 66.
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ten führen angesichts der anhaltenden Bildungsexpansion für steigende Anteile junger Frauen und Männer zum Problem der Vereinbarkeit von Ausbildung, Erwerbstätigkeit und Weiterbildung einerseits und Partnerschaft und Familie andererseits. Immer häufiger heiraten sie deshalb erst in einem höheren Alter. Sie entscheiden sich fiir bewußte Kinderlosigkeit oder schieben den Kinderwunsch solange auf, daß immer mehr Paare ungewollt dauerhaft kinderlos bleiben. Im Falle einer Schwangerschaft während der Ausbildung stehen die jungen Frauen oftmals vor der 'Entscheidung zum Ausbildungsabbruch oder Schwangerschaftsabbruch. 202 Erfreulicherweise hat die Kultusministerkonferenz auf der Grundlage eines "Berichts über die Situation der Studierenden mit Kind", nach dem 7 % (= 115 000) der Studierenden in der Bundesrepublik Kinder haben, empfohlen, fiir Studierende mit Kind Möglichkeiten individueller Anpassung des Studienverlaufs an die familiäre Situation zu schaffen, z.B. durch entsprechende Beurlaubungsregelungen und geeignete Regelungen im Prüfungsrecht und in der Studienorganisation. Darüber hinaus ist fiir studierende Eltern eine verläßliche, flexible und dauerhafte Lösung der Kinderbetreuung eine wichtige Voraussetzung fiir ein ordnungsgemäßes Studium. 203 Die Kultusministerkonferenz verweist auch darauf, daß bei Studierenden mit Kindern Erwerbstätige doppelt so häufig zu finden sind wie bei anderen Studierenden. Dies mache die nicht ausreichende finanzielle Förderung Studierender mit Kind deutlich. Aufgrund dieser Fakten wird erkennbar, daß auch in bezug auf die Förderung der Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie ein mittel- und langfristig wichtiges neues Aufgabengebiet vorliegt. c) Überprüfung und Modifikation bestimmter Instrumente der Familienpolitik Im Laufe der Arbeit, insbes. bei der Darstellung der Geschichte der Familienpolitik,204 bei der Herausarbeitung der Merkmale dieser Politik und bei der Darstellung der familienpolitischen Grundziele und dem Grad ihrer Verwirklichung205 wurde deutlich, daß das Ehegattensplitting und die Erziehungsjahre 202 Ebenda, S. 67. 203 Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland (Hrsg.), Mitteilungen und Informationen vom 26.10.1995, S. 3 ff. 204 4. Kap. C. 205 5. Kap. C.II.
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sowie die Pflegeversicherung und die steuer- und sozialrechtliche Behandlung von Ehegatten im Vergleich zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften umstritten sind. Diese Probleme und Möglichkeiten ihrer Lösung sollen im folgenden dargestellt werden. aa) Ehegatten- und Familiensplitting
Das Übergewicht der finanziellen Förderung der Ehe durch das Ehegattensplitting im Vergleich zur Förderung der Familie, seine verteilungspolitisch problematischen Wirkungen, aber auch die Argumente fiir die Beibehaltung des Splittings wurden bereits dargestellt. 206 Es wurde auch schon darauf verwiesen, daß es derzeit fiir eine Modifikation dieses Instruments keine politische Mehrheit gibt. Nichtsdestoweniger sei festgehalten,
- daß die extrem unterschiedlichen Verteilungswirkungen des Ehegattensplittings unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit und der sozialen Gerechtigkeit auf Dauer nicht akzeptabel erscheinen, - daß das Argument, das Splitting stelle eine staatliche Anerkennung der Familientätigkeit dar, nicht rechtfertigt, es auch fiir kinderlose Ehepartner und fiir Ehepartner, deren Kinder sich mittlerweile selbst versorgen, in der bestehenden Form aufrechtzuerhalten und - daß das Argument, die durch eine Änderung des Splittings freisetzbaren Mittel seien so gering, daß eine Reform sich nicht lohne, angesichts eines Gesamtvolumens an steuerlichen Entlastungen in Höhe von 30,5 Mrd. DM im Jahr 1993 überprüfungsbedürftig erscheint. Es ist schwer vorstellbar, daß das Ehegattensplitting in seiner verwirklichten Form der einzig verfassungsmäßige Weg zur steuerlichen Behandlung von Ehepaaren sein soll.207 Entscheidend fiir die erfolgreiche Suche nach einem neuen Weg ist der politische Wille.
206 4. Kap. C.l1.2.d 407 Vgl. z.B. den Vorschlag von Lingemann (1994, S.
177), das Splitting bisherigen Zuschnitts nur noch den Paaren zu ennöglichen, die die hälftige Teilung ihres Lebensniveaus durch den Güterstand der Gütergemeinschaft oder den (vom Gesetzgeber zu schaffenden) Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft vereinbart haben, und filr die anderen Ehen den ehelichen Unterhalt realitätsgerecht, z.B. durch neue Abzüge von der Steuerbemessungsgrundlage, freizustellen.
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Der seit langem bestehende Vorschlag,208 das Ehegattensplitting zum Familiensplitting auszuweiten, begegnet u.a. dem stichhaltigen Einwand vergleichsweise zu starker Entlastungen im Bereich der oberen Einkommen,209 die komplizierte Begrenzungsregeln erforderlich machen. Da jedoch die bestehende Situation unbefriedigend ist, sollte die Suche nach Möglichkeiten ihrer Änderung nicht aufgegeben werden. bb) Freibeträge versus Grundfreibeträge? Eine viel und kontrovers diskutierte Frage ist es, ob die Unterhaltsaufwendungen für Kinder wie die der Eltern durch Grundfreibeträge oder durch Freibeträge berücksichtigt werden sollen. Der Unterschied zwischen diesen Lösungen ist erheblich. Grundfreibeträge werden in den Steuertarif eingearbeitet und sind für alle Steuerpflichtigen nicht nur der Höhe nach gleich, sondern entlasten nach ihren Wirkungen die Steuerpflichtigen unabhängig von der Höhe des Einkommens mit einem absolut gleich hohen Betrag, d.h. sie sind am Unterhaltsbedarf orientiert und werden daher als bedarfsgerecht beurteilt. Kinderfreibeträge dagegen werden von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen. Die Steuerentlastungsbeträge hängen nicht nur von der Höhe des Freibetrages ab, sondern vom Grenzsteuersatz des Steuerpflichtigen, so daß die Entlastungswirkungen um so höher sind, je höher das Einkommen ist. Dies wird nach herrschender Steuerrechtslehre und nach herrschender finanzwissenschaftlicher Lehrmeinung als notwendige Folge eines progressiven Steuertarifs angesehen. 210 Manche Familienpolitiker plädieren für Grundfreibeträge nicht nur für die Steuerpflichtigen und ihre Ehegatten, sondern auch im Zusammenhang mit der Berücksichtigung des Unterhalts für Kinder, weil dann alle Steuerpflichtigen den vollen existenzminimalen Unterhalt erhalten und Steuerpflichtige mit niedrigeren Einkommen und damit niedrigerem Grenzsteuersatz den gleichen 208 Vgl. H. Haller, Besteuerung der Familieneinkommen und Familienlastenausgleich, Tübingen 1981, S. 27 ff.; P. Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag und F. Klein, Ehe und Familie im Steuerrecht als verfassungsrechtliches Problem, in: W. Fürst/R. HerzogID.C. Umbach, Festschrift fiir Wolfgang Zeidler, Bd. 1, Berlin 1987, S. 773 1f. 209 Lingemann 1994, S. 190 f; M. Pechstein 1994, S. 298 ff. und W. Scherf, Familienbesteuerung und Familienlastenausgleich, in: Sozialer Fortschritt 1994, S. 259 ff. 210 Vgl. dazu die ausfiihrliche Darstellung der Problematik im 4. Kap. C.II.2.f
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Entlastungsbetrag erhalten würden wie die Bezieher hoher Einkommen. Andere plädieren für die Freibetragslösung, weil sie nach ihrer Meinung dem Prinzip der Steuergerechtigkeit und der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit im Rahmen eines progressiven Einkommensteuersystems entspricht und insbes. nach Meinung des Verfassers unbestreitbar - der horizontalen Verteilungsgerechtigkeit dient. Sie werden mit dem Vorwurf konfrontiert, daß diese Lösung der Bedarfsgerechtigkeit widerspreche, weil Bezieher niedriger Einkommen nur um einen geringen Bruchteil der Kinderunterhaltsaufwendungen entlastet werden. Dieser Konflikt zwischen der durch einen Grundfreibetrag erreichbaren Bedarfsgerechtigkeit und - wie der Verfasser meint - der vertikalen Verteilungsgerechtigkeit einerseits und der durch einen Freibetrag erreichbaren horizontalen Verteilungsgerechtigkeit scheint unlösbar, wenn man nur die Alternativen Grundfreibetrag und Freibetrag in die Überlegungen einbezieht. 211 Demgegenüber sind die Bedarfsgerechtigkeit, die vertikale und auch die horizontale Gerechtigkeit erreichbar, wenn man existenzminimale Kinderfreibeträge zum einen kombiniert mit existenzsichemden Transferzahlungen an Familien, die das existenzminimumsichemde Einkommen nicht aus eigener Kraft erreichen, und zum andern mit Transferzahlungen an Familien mit einem über dem Existenzminimum liegenden Einkommen in Form eines Kindergeldes, das mit steigendem Einkommen sinkt. cc) Die Problematik der Erziehungsjahre
An den Erziehungsjahren, die als wesentliches Element für eine eigenständige soziale Sicherung der Frau gelten, wird kritisiert, daß diese Leistungen für Kindererziehende erst lange nach Beendigung der Familienphase, nämlich in der Rentnerphase, erbracht werden und in ihrem ökonomischen Wert unsicher seien. Alternativ zu den Erziehungsjahren bzw. ergänzend dazu wurde eine Differenzierung der Beitragsleistung zur Rentenversicherung nach der Kinderzahl im Sinne von mit der Kinderzahl sinkenden Beitragssätzen vorgeschlagen. 212 Auf diese Weise soll der für die langfristige Finanzierung der 211 So auch Lüdeke 1991, S. 237: "Bei isolierter Betrachtung ist wohl das Urteil möglich, daß die aufkommensneulralen Kindergrundfreibeträge bedarfsgerechtere Auswirkungen haben als die Kinderfreibeträge", während "die horizontale Gerechtigkeit einen Abzug dieser Ausgaben von der Bemessungsgrundlage, also Kinderfreibeträge" fordert. 212 Vgl. nur O. v. Nell-Breuning, Rentenversicherung: Vom Flickwerk zur Reform, in: Wirtschaftswoche vom 21.7.1978, S. 68 ff.; H.J. Müller, Differenzierung der Beilragsleistung nach der Kinderzahl, in: Die Angestelltenversicherung 1988, S. 314 ff.; M. Hilzenbecher, Die Rechtfertigung
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Renten erforderliche "naturale" Beitrag von Eltern berücksichtigt und überdies eine stärkere finanzielle Entlastung von Eltern während der Erziehungsphase geschaffen werden. Da der Familienlastenausgleich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, müßte eine solche Beitragsdifferenzierung, wenn sie finanzverfassungsgerecht sein soll, aus Steuermitteln finanziert werden. Realisierbar wäre eine solche Finanzierung zum einen in Form von familienstands- und kinderzahlorientierten entlastenden Transfers an versicherungspflichtige Eltern bei einheitlich bleibendem Beitragssatz oder zum andern durch nach der Kinderzahl differenzierte Beitragssätze in Verbindung mit Zuschüssen in Höhe der Beitragsausfälle an die Rentenversicherung. . Wegen der Lage der öffentlichen Haushalte ist kaum an eine kurzfristige Verbesserung der Stellung kindererziehender Eltern in der Rentenversicherung zu denken. Vorgeschlagen wurde auch die Einführung einer Elternrente, deren Höhe von der Zahl der erzogenen Kinder abhängen soll. So schlug Jürgen Borchert vor, daß die bestehenden Rentenansprüche kinderloser Versicherter halbiert werden sollten und den Eltern, die zwei Kinder erzogen haben, das Zweifache der Durchschnittsrente zustehen sollte. 213 Auch eine derartige Elternrente erscheint politisch nicht realisierbar. Allerdings bleibt die Aufgabe eines Abbaues der auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Benachteiligungen von Eltern in der Rentenversicherung auf der Tagesordnung. 214 dd) Die Problematik der Pflegeversicherung Eine ähnliche Rolle wie in der Rentenversicherung kommt den kindererziehenden Eltern in der Pflegeversicherung zu. In beiden Fällen versorgen und erziehen sie die Angehörigen jener nachwachsenden Generation, die durch ihre späteren Beiträge als beitragspflichtige Erwerbspersonen die im Umlageverfahren aufzubringenden Rentenleistungen und Pflegeleistungen auch für die Kinderlosen finanzieren, ohne daß sich dieser die Existenz der Versichedes Drei-Generationenvertrages in der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine Beitragsstaffelung nach der Kinderzahl, in: Sozialer Fortschritt 1985, S. 281 ff. 213 J. Borchert, Renten vor dem Absturz, Frankfurt 1993, S. 269 ff. Borcherts Modell wird auch von M. Pechstein 1994, S. 317 ff. ausfilhrlich analysiert und befiirwortet. 214 Vgl. dazu auch das Modell der "Flexiblen Leistungsrente fiir Beruf und Erziehung" von Th. P. GallonIH.P. BankiR. Kreikebohm, Flexibles System eigenständiger und leistungsbezogener A1terssicherung - Konzeption und Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Neue Zeitschrift fiir Sozialrecht 1994, S. 385 ff., S. 444 ff. und S. 489 ff.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
rungseinrichtungen sichernde Beitrag im Leistungsrecht oder im Beitragsrecht der Versicherungen niederschlägt. 215 Franz-Xaver Kaufmann weist zudem darauf hin, daß das Finanzierungsverfahren der Pflegeversicherung nicht berücksichtigt, daß Eltern und Ehepartner mit hoher Wahrscheinlichkeit im Alter mit der Pflegeunterstützung von seiten ihrer Kinder und Partner rechnen können, während die Lebenspartner, die sich nicht rechtlich durch Eheschließung gebunden haben, und die kinderlosen Gesellschaftsmitglieder auf die wesentlich teurere Heimpflege angewiesen sein werden. "Die hochindividualisierten posttraditionalen Lebensformen ohne Kinder und mit bestenfalls rechtlich unverbindlicher Partnerschaft profitieren damit erneut von den Leistungen der Familien. "216
Damit wird wiederum sichtbar, daß die dauerhaft kinderlosen Gesellschaftsmitglieder in der Rentenversicherung, in der Pflegeversicherung, aber auch in bezug auf die Erbringung von Dienstleistungen jeder Art durch Angehörige ihres Kulturkreises an den externen Effekten der Familien partizipieren. Daher erscheint es gerechtfertigt, sie im Rahmen eines Lastenausgleichs auch an den ökonomischen Lasten der Familien zu beteiligen. Das Problem der Verteilung der ökonomischen Lasten der Nachwuchssicherung und die Notwendigkeit seiner Lösung wird um so gravierender, je größer das Ungleichgewicht zwischen der erwerbstätigen Generation und der nicht mehr erwerbstätigen Generation wird. Je mehr man auf eine Umverteilung zwischen Eltern und Kinderlosen innerhalb einer Generation verzichtet, um so größer wird die Notwendigkeit der Umverteilung zwischen den Generationen im Sinne einer unverantwortlich großen Belastung künftiger Generationen. Ein effektiver intragenerativer Lastenausgleich setzt voraus, daß die Selbstfinar1Zierungsanteile der Familien an den ihnen zufließenden Lastenausgleichsleistungen möglichst gering gehalten werden. Diese Frage soll im Zusammenhang mit der Finar1Zierung einer weiterentwickelten Familienpolitik im folgenden Abschnitt beantwortet werden.
215 Vgl. dazu auch R. Loos, Pflegeversicherung ohne Familienkomponente, in: Stimme der Familie, September 1993, S. 1 ff. und A Rollinger, Keine Pflegeversicherung ohne Familienkomponente, in: Die Sozialversicherung 1993, S. 319 ff. 216 Kaufinann 1995, S. 211.
E. Zur Finanzierung der Familienpolitik
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ee) Überprüfung ehediskriminierender steuer- und sozialrechtlicher Lösungen Im deutschen Steuer- und Sozialrecht gibt es mittlerweile eine Reihe von Regelungen, die unter dem Aspekt des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. I GG problematisch und daher überprüfungsbedürftig sind. Dazu gehören - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - folgende Regelungen: - Alleinerziehende können den Sonderausgabenabzug für Familien- und Pflegehilfe nach § 10 Abs. I Nr. 8 EStG bereits beanspruchen, wenn sie ein Kind zu betreuen haben, Ehepaare erst dann, wenn sie zwei Kinder zu betreuen haben; - Alleinerziehende erhalten einen Haushaltsfreibetrag nach §32 Abs. 7 EStG, Eheleute nicht; - Baf"og-Beziehern werden Einkommen und Vermögen der Ehepartner angerechnet, unverheiratet zusammenlebenden Baf"og-Empfangern dagegen nicht; - nach dem Unterhaltsvorschußgesetz werden unverheiratet zusammenlebende Eltern und Stief-Eltern als Ehepaare behandelt, nicht ehelich mit einer dritten Person zusammenlebende Väter und Mütter dagegen nicht; - in der Renten- und in der Unfallversicherung entfallt der Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente im Fall der Wiederverheiratung, wenn die rentenbeziehende Person in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft lebt, wird sie weiterhin gezahlt. Da es sich bei den in den vorstehenden Fällen anfallenden Leistungen um beachtliche Summen handelt, besteht für viele von den genannten Regelungen Betroffene ein Anreiz, bestehende oder erreichbare Leistungen nicht aufs Spiel zu setzen und trotz ehe-ähnlichen Zusammenlebens nicht zu heiraten. Es erscheint unter diesen Umständen widersprüchlich im Verhältnis zur der Aufgabe, Ehe und Familie zu schützen, den Forderungen nachzugeben, nichteheliche Gemeinschaften auch noch unter staatlichen Schutz zu stellen.
E. Zur Problematik der Finanzierung familien politischer Leistungen Wer familienpolitische Förderungsmaßnahmen vorschlägt, wird - zumindest von Praktikern - sehr schnell mit der Frage nach der Finanzierbarkeit solcher Maßnahmen konfrontiert. Diese Frage wird nicht selten gestellt, um auch Forderungen abzuwehren, die sich als begründet, berechtigt und not20 Lampert
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
wendig erweisen. Wenngleich das Aufzeigen von Mißständen, Defiziten, politischen Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten nicht erst dann als gerechtfertigt angesehen werden darf, wenn gleichzeitig Finanzierungsmöglichkeiten aufgezeigt werden können, so ist es doch andererseits nicht berechtigt, die Frage nach der Finanzierung von politischen Maßnahmen nur auf diejenigen abzuschieben, die fiir die politische Gestaltung der Gesellschaft verantwortlich sind. Daher sollen im folgenden Möglichkeiten der Finanzierung familienpolitischer Leistungen benannt und aufgezeigt werden. Aufgrund der bestehenden und voraussichtlich mittelfristig weiter bestehenden wirtschaftlichen Situation der Bundesrepublik geht der Verfasser davon aus, daß wirtschafts- und finanzpolitisch als Mindestziel der Finanzpolitik und der Sozialpolitik die Stabilisierung der Steuer- und der Abgabenquote verfolgt, darüber hinaus sogar eine Reduzierung dieser Quoten verfolgt werden muß. 217 Daher können die fiir die Weiterentwicklung der Familienpolitik erforderlichen Mittel nur aus zwei Quellen kommen: erstens aus Ertrdgen einer effizienten Familienpolitik und zweitens aus der Umschichtung von fiskalischen und parafiskalischen Mitteln. Existenz und Bedeutung der erstgenannten Quelle, der Erträge einer effizienten Familienpolitik in Form erhöhter Leistungsfähigkeit der Familien und in Form der Vermeidung von Fehlentwicklungen und sozialen Kosten defizitären Familienlebens, werden in der öffentlichen Diskussion kaum erwähnt und nicht ausreichend als Aktivum staatlicher Familienpolitik geWÜTdigt.218 Das mag damit zusammenhängen, daß diese Erträge sehr schwer oder nicht quantifizierbar sind. Zu diesen Erträgen sind folgende Wirkungen der Familienpolitik zu rechnen: 219 - Die Verbesserung der Voraussetzungen für die Gründung von Familien; - die verbesserte Erfüllung der familialen Aufgaben, d.h .. eine bessere Versorgung der Familien mit Gütern und Leistungen, die Vermeidung von Krankheiten und die Pflege der physischen und psychischen Gesundheit der Familienmitglieder, eine bessere Erziehung und bessere Entfaltungsbedingungen der Kinder, die Eindämmung von Drogen- und Kriminalitätsgefah217 Vgl. dazu H. Lampert, Voraussetzungen einer Sozialstaatsrefonn - kritische Anmerkungen zur aktuellen Diskussion über den Umbau des Sozialstaates, in: Jahrbücher filr Nationalökonomie und Statistik 1995, S. 513 ff., insbes. S. 522. 218 Eine Ausnahme stellte Kennerknecht 1993, passim, dar. 219 Vgl. dazu 1. Kap. D. und E.
E. Zur Finanzierung der Familienpolitik
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ren, die Verringerung von Gewalt in bestimmten Familien, kurz: die Pflege und Entwicklung des Humanvermögens der Gesellschaft; die Stabilisierung von Familien, d.h. die Verringerung innerfamilialer Friktionen, die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Scheidungen und ihrer Folgen für die Betroffenen, insbes. für die Kinder; die Verbesserung der Bedingungen für die Geburt, die Versorgung und Betreuung der Kinder und der Lebensbedingungen für die Mütter, d.h. die Verringerung von Abtreibungen und ihrer physischen, psychischen und wirtschaftlichen Folgen; die Vermeidung von Sozialleistungen im Falle des Eintritts bestimmter Risiken, für deren Bewältigung zunächst die Familie aufgrund bestehender Unterhaltsverpflichtungen aufkommt, z.B. die Versorgung erwerbsfähiger, aber nicht erwerbstätiger Kinder in der Ausbildungsphase und die Unterstützung älterer Familienmitglieder mit nicht existenzsichernden Alterseinkommen; die Erbringung unentgeltlicher persönlicher Dienstleistungen im Falle der Erkrankung von pflegebedürftigen erkrankten Familienmitgliedern, im Falle der Schwerpflegebedürftigkeit älterer Angehöriger und im Falle der Behinderung von Angehörigen; Entlastungen bei Sozialhilfeleistungen und beim Wohngeld aufgrund höherer Familienförderungsleistungen. 220
Als ein beachtlicher weiterer Ertrag unter dem Aspekt der Vermeidung von Sozialausgaben und der Vermeidung bzw. der Verringerung von Arbeitslosigkeit ist es anzusehen, daß durch die Familientätigkeit Erwerbsarbeit von seiten erwerbsfähiger Familienmitglieder überhaupt nicht oder nur in begrenztem Umfang angeboten werden kann, sei es, weil der Umfang der anfallenden Familienarbeiten es nicht zuläßt, oder sei es, weil aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Familie nicht beide Eltern unter Erwerbszwang stehen und sich dafür entscheiden, einen Großteil ihres Zeitbudgets der Versorgung und der Betreuung der Kinder statt der Erwerbsarbeit zu widmen. Die Zahl der Eltern, die bereit wäre, einen größeren Teil ihres Zeitbudgets der Familientätigkeit zu widmen, wenn dies nicht mit gravierenden Nettoeinkommenseinbußen verbunden ist, ist vermutlich nicht gering. 221 220 Vgl. dazu die Modelle 5.1. und 5.2. bei A Netzler, Familienlastenausgleich: Konzepte rur die zweite Hälfte der 90er Jahre, München 1992, S. 14. 221 Es sei ausdrücklich betont, daß dem Vetfasser nicht das Ziel vorschwebt, durch höhere FamilienfOrderungsleistungen Frauen und Mütter aus dem Arbeitsmarkt "herauszulocken". Eine Verringerung des Erwerbsarbeitszeitbudgets der Eltern ist grundsätzlich durch Reduzierung der Erwerbsarbeit des Mannes, der Frau sowie des Mannes und der Frau denkbar. Umfragen zu den Arbeitszeitwünschen von Arbeitnehmern und an Erwerbsarbeit interessierten Personen lassen vermuten, daß Arbeitnehmer eine Teilzeitbeschäftigung als Möglichkeit betrachten, wirtschaftliche Notwendigkeiten, familiäre Verpflichtungen und persönliche Präferenzen auf einen Nenner zu bringen. Siehe dazu Lampertl Englberger/ Schüle 1991, S. 203 ff und die dort zitierte Lit. Im übrigen kann man die überwiegende 20·
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
Auch über die zweite Quelle, nämlich über Umschichtungen in den öffentlichen Haushalten und in den Sozialversicherungshaushalten, können für die Weiterentwicklung der Familienpolitik Mittel gewonnen werden. Zu nennen sind: - Ein Abbau von Subventionen; - der Abbau von Steuervergünstigungen verschiedener Art; - eine Reform der Ehegattenbesteuerung entweder im Sinne des Vorschlags von Wolfgang Lingemann 222 oder im Sinne des Vorschlags von Willi Albers,223 der eine familientypenspezifische Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs vorschlägt. Umschichtungen zur Finanzierung eines besseren Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs sind auch innerhalb des Systems der sozialen Sicherung möglich. Zu nennen sind der Abbau der Anerkennung und der Bewertung von Ausbildungszeiten in der Rentenversicherung224, eine Reform der Hinterbliebenenrenten225 und eine "Solidarabgabe" zur Alterssicherung, die nach Leistungsfähigkeit und Kinderzahl gestaffelt ist. 226 Wenn der Familienlastenausgleich in der Bundesrepublik zu einem "echten" Lasten- und Leistungsausgleich weiterentwickelt werden soll, d.h. zu einem partiellen Ausgleich der mit der Versorgung und Erziehung von Kindern verbundenen ökonomischen Lasten zwischen den Kindererziehenden und den Kinderlosen, scheint es jedoch nötig zu sein, von der Finanzierung durch solche Steuern und Abgaben abzugehen, die zu einem Großteil durch die erwerbsUitigen und steuerpflichtigen Familienmitglieder selbst aufgebracht werden 227, und zu einem Finanzierungsverfahren überzugehen, das eine nur minimale Selbstfinanzierungsquote aufweist. 228 Dies könnte zum einen durch Mehrheit der Bundesbürger als mündig genug ansehen, um zu entscheiden, ob sie bei erhöhten leistungen filr die Versorgung und Erziehung der Kinder ihr EIWerbsarbeitsangebot reduzieren wollen oder nicht. 222 Lingemann 1994, S. 177 f[ 223 Albers 1967.
224 So auch w. Schmähl, Alterssicherung und Farnilienlastenausgleich, in: Die Angestelltenversicherung 1988, S. 322. Vgl. auch A Schmidt 1988, S. 483. 225 w. Schrnähl, Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung in langfristiger Perspektive, in: Deutsche Rentenversicherung 1985, S. 288 f[ und A Schmidt 1988, S. 486 f. 226 W. Schrnähl, Die Rentenreforrn braucht ein klares Konzept, in: Süddeutsche Zeitung vorn 25.08.1988, S. 22. 227 Vgl. dazu BMFuS (Hrsg.) 1994a (Fünfter Familienbericht), nach dem der Selbstfinanzierungsanteil wenigstens ein Drittel der Leistungen filr die Familien ausmacht (S. 294). 228 Vgl. dazu auch R. Scharping, Zukunft filr Familie, in: Stimme der Familie, Juli/August 1994, S. 7: "Grundlegend neu bestimmt werden muß die horizontale Einkornrnensumverteilung von Kinderlosen und Kinderhabenden. Haushalte, die die mit der Erziehung von Kindern verbundenen Unterhalts-
E. Zur Finanzierung der Familienpolitik
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den Übergang zu dem von Willi Albers vorgeschlagenen Einkommensteuertarif geschehen oder mit Hilfe der Erhebung einer Abgabe kinderloser Steuerpflichtiger. die in einen Familienlasten- und Familienleistungsausgleichsfonds fließen und von dort aus in Form direkter Transfers - auf Kindergeld-. Erziehungsgeld- und Ausbildungsförderungsleistungen aufgeteilt - nach bestimmten Kriterien an die Familien mit Kindern verteilt werden. Diese Grundidee wurde bisher vertreten von Wi/frid Schreiber,229 Oswald von Nel/-Breuning,230 A/fred Schmidt,231 Rudolf Kolb,232 Michael Habermann,233 Christian Leipert 234 und Jürgen Borchert 235. Es ist nicht möglich und auch nicht erforderlich, hier die Vorschläge im einzelnen vorzustellen. Entscheidend ist die Grundidee, 236 nach der sich mit einer "Kinderlastenausgleichsabgabe" oder "Familienleistungsausgleichsabgabe" , die an einen der sozialen Selbstverwaltung unterstellten Leistungsausgleichsfonds fließt, folgende Vorzüge verbinden: 1. Die Abgaben werden tatsächlich von denjenigen getragen, die sie tragen sollen, sie können nicht überwälzt werden. 2. Die Abgaben werden nicht mitfinanziert von denjenigen, die entlastet werden sollen.
und Opportunitlitskosten nicht zu tragen haben, haben dazu beizutragen, daß Eltern die ihnen durch Kinder erwachsenden Lasten und Verzichte besser zu tragen vermögen." 229 W. Schreiber, Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft, Köln 1955. 230 O. v. Nell-Breuning. Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre, 2. Aufl., München 1985, S. 65. 231 A Schmidt, Alterssicherung und Familie, in: Die Angestelltenversicherung 1988, S. 477 ff. 232 R. Kolb, Ehe und Familie im Rentenrecht, in: Deutsche Rentenversicherung 1989, S. 1 ff. 233 M. Habermann, Sozialdemokratischer Pressedienst Wirtschaft vom 6. Juli 1993, S. 5 ff. 234 ehr. Leipert, AufWertung der Erziehungsarbeit. Ein Vorschlag zur Schaffung eines Kinder- und Familienfonds, Berlin o.J. 235 1. Borchert, Renten vor dem Absturz. Ist der Sozialstaat am Ende?, FrankfurtlMain 1993, S. 274 ff. 236 Vgl. dazu A Schmidt, 1988, S. 490: "Durch die Herauslösung der Kindergeldkassen aus der Verwaltung der Bundesanstalt rur Arbeit, ihre Weiterentwicklung zu Familienlastenausgleichskassen sowie den Aufbau einer Selbstverwaltung. über deren Zusammensetzung nachzudenken wäre, ließe sich ein solches Modell sogar relativ leicht realisieren. Mit seiner Hilfe wäre es dann auch möglich, über die direkten Zahlungen z.B. des Kindergeldes an die Betroffenen hinaus auch entsprechende Erstattungen bzw. beitragsähnliche Zahlungen an Sozialleistungsträger zu fmanzieren, ähnlich wie z.B. die Bundesanstalt rur Arbeit Beiträge an die Träger der Renten- und Krankenversicherung leistet. Zu überlegen wäre, ob hier die verschiedenen, an Familien wegen der Kindererziehung zu zahlenden Leistungen - z. B. das Erziehungsgeld - konzentriert werden. Fürwahr - es könnte eine schlagkräftige Institution entstehen, die den Familien und ihren Problemen eine gleichgewichtige Stimme im Konzert der um das Sozialprodukt streitenden Interessen einräumt."
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
3. Der Ausgleichsfonds wäre eine Institution, die in ihrer rechtlichen Stellung und Funktion den Sozialversicherungsträgem entsprechen würde. Dies würde gleichzeitig bedeuten, daß durch diese Einrichtung der Familienpolitik mehr Einfluß verschafft und die Familienpolitik institutionell aufgewertet werden würde. Im einschlägigen rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird die vor einiger Zeit auch von Roman Herzog aufgeworfene Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer besonderen Lastenausgleichsabgabe bisher eher verneint. 237 Der jetzige Bundespräsident meinte in seiner damaligen Eigenschaft als Präsident des Bundesverfassungsgerichts, daß zu überlegen wäre, "ob nicht die kinderlosen Steuerzahler - gleichgültig ob verheiratet, ledig oder in eheähnlichen Gemeinschaften lebend - herangezogen werden müßten, um den Familien zu helfen ... ". Er verwies darauf, "daß in einern solchen Fall, überspitzt ausgedrückt, Ehe und Familie gegeneinander ausgespielt würden, und das, obwohl sie in ein und derselben Vorschrift, nämlich Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes, und sogar in einern einzigen Atemzug erwähnt und dem besonderen Schutz der staatlichen Gemeinschaft unterstellt werden.... Am besonderen Schutz der Ehe wird man gewiß auch in Zukunft festhalten müssen. Ob aber nicht die Familie noch mehr Schutz verdient oder ob ihre Bevorzugung vor der kinderlosen Ehe an der etwas unbedachten Fassung des Artikel 6 scheitern müßte, das ist noch einmal eine ganz andere Frage. Ich selbst entnehme der Bestimmung insoweit kein Gleichbehandlungsgebot. Aber geklärt ist das weder im verfassungsrechtlichen Schrifttum noch gar in der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts" (kursiv im Original). 238 Als Argument gegen eine spezifische Ausgleichsabgabe wird v.a. angeführt, daß die Leistungspflicht Kinderloser gegenüber dem Gebot der Lastengleichheit des Art. 3 Abs. I GG nicht begründet werden könne. Es gebe keine direkte Umverteilungsbeziehung zwischen Kinderlosen und Eltern, keine unmittelbare Pflicht zur Teilnahme an einer gerechten Verteilung der Kosten für die nächste Generation. Es erscheine als selbstverständlicher Ausfluß des eigenverantwortlichen, freien Menschen des Grundgesetzes, keine Familie mit Kindern zu haben und dazu auch nicht mittels Zwangsabgaben angehalten werden zu können. 239 237 Vgl. nur M. Pechstein 1994, S. 259 ff. und Lingemann 1994, S. 217 ff. 238 R. Herzog, Steuer- und Finanzpolitik im geeinten Deutschland, in: Bund der Steuerzahler (Hrsg.), Steuer- und Finanzpolitik im geeinten Deutschland und in Europa, Bonn 1991, S. 18 f 239 Lingemann 1994, S. 218 f Die zuletzt genannte Auffassung lag wohl auch Reaktionen auf einen Vorschlag von Frau Familienministerin Rönsch 1995 zugrunde, "Kinderlose mit eigenem Einkommen" stärker für die Zukunftssicherung in Form eines "gesonderten steuerlichen Beitrags" heran-
E. Zur Finanzierung der Familienpolitik
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Die Vertreter dieser Auffassung verkennen nach Meinung des Verfassers die Tatsache, daß die Familien als eine Form externer Erträge der Versorgung und der Erziehung der nachwachsenden Generation auch Beiträge zur Zukunftssicherung der Kinderlosen leisten und daß es weder darum geht, Kinderlose zu "bestrafen", noch jemand dazu zu veranlassen, sich für Kinder zu entscheiden. Es geht darum, die (jkonomisch~n Belastungen von Kindern, die die Zukunft und die Funktionsfähigkeit der gesamten Gesellschaft sichern, gerecht in der Gesellschaft zu verteilen. So wie jeder erwachsene Mensch ein Recht hat, eine Familie zu gründen, so hat er selbstverständlich auch das Recht, dies nicht zu tun. Alle Gesellschaftsmitglieder aber sind verpflichtet, sich an der Erhaltung und Finanzierung der Werte, Einrichtungen, Güter und Menschen zu beteiligen, die die Gesellschaft zu ihrer Existenzsicherung benötigt. Es ist auf Dauer den Familien nicht zumutbar, daß ihre Erträge allen zugute kommen, ihre Kosten aber privatisiert bleiben 24O• Der Grundgedanke einer spezifischen Familienleistungsausgleichsabgabe kann an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft gewinnen, wenn Eltern nicht dauerhaft von der Abgabepflicht entlastet werden, sondern voll nur während der Zeit ihrer rechtlich bestehenden Unterhaltspflichten, d.h. während der Zeit, in der sie durch die Kinder ökonomisch besonders belastet werden, und in Zeiten der Pflege schwerpflegebedürftiger und behinderter Familienangehöriger. Danach sollten Eltern als Paar mit der halben Abgabe Kinderloser an der Finanzierung des Fonds beteiligt werden. 241 Ein Leistungsausgleichsfonds könnte im übrigen ein Hemmnis für die Weiterentwicklung der Familienpolitik beseitigen, das sich aus der föderativen Finanzverfassung der Bundesrepublik ergibt. Es besteht darin, daß nach geltendem Recht die Finanzierung des Kindergeldes dem Bund obliegt, während von Steuerentgängen aufgrund steuerlicher Entlastungen der Familien sowohl der Bund als auch die Länder betroffen sind, denen bestimmte Anteile am Einkommensteueraufkommen zustehen. Daher sind die Länder, wenn es um die Verbesserung der Leistungen an die Familien geht, eher für Kindergelderhöhungen, dagegen der Bund eher für steuerliche Maßnahmen. Dieser finanzzuziehen. Dieser Vorschlag wurde mit Vokabeln belegt, die ihn von vorneherein diskreditieren soHten, wie z.B. "Strafsteuer filr Kinderlosigkeit". 240 So auch Kaufinann 1995, S. 94: "Ausreichender Nachwuchs liegt im Interesse von jedermann, aber jedermann hat auch gleichzeitig die individueHe Möglichkeit, sich den hierfilr erforderlichen Aufwendungen zu entziehen. Dies ist eine typische Situation, in der staatliches Eingreifen erforderlich ist," 241 Eine halbe Abgabe erscheint gerechtfertigt, weil die Unterbrechung der Erwerbsphase und die Versorgung von Kindern langfristig wirksame Kosten verursachen, wie z.B. Qualifikationsverluste, die die späteren Erwerbseinkommen mindern, Konsumausgaben, die die Vermögensbildungsmöglichkeiten beschränken, begrenzte Möglichkeiten beruflicher Reintegration, Verluste an Ansprüchen gegen die Alterssicherung.
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5. Kapitel: Familienpolitik für die Zukunft
verfassungsbedingte Interessengegensatz sollte eigentlich die Durchsetzung einer aus der Sicht der Familien optimalen Politik nicht länger behindern und nicht länger zum Einsatz untauglicher steuerlicher Maßnahmen führen dürfen. Sollte sich nach näherer Prüfung eine Kinderlastenausgleichsabgabe aus Verfassungsgründen tatsächlich verbieten oder eine politische Mehrheit aus anderen Gründen dagegen sein, dann bliebe - wenn man einen nach Volumen und Qualität leistungsfähigen und verteilungspolitisch wirksamen Familienlasten- und Familienleistungsausgleich verwirklichen will - kaum ein anderer Weg als der einer familientypenspezifischen Ausgestaltung der Einkommensteuer.
Zusammenfassung
Familien sind i.w.S. Gruppen von Menschen, die miteinander verwandt, verheiratet oder verschwägert sind und nicht notwendig in einem Haushalt zusammenleben; i.e.S. sind sie Mehrpersonen-Haushalte, in denen Eltern mit einem oder mehreren leiblichen oder/und adoptierten Kindern zusammenleben. Familien i.e.S. sind eine universale Institution und eine Voraussetzung jeglicher sozialen und politischen Kultur (Alfons Auer). Die Familien stellen einen Schutz-, Entfaltungs- und Regenerationsraum für ihre Mitglieder dar. In ihnen wird menschliches Leben weitergegeben, erleben die Kinder durch Erziehung, Sozialisation und Tradierung kultureller Werte ihre "zweite, sozio-kulturelle Geburt" (Dieter Claessens), werden die Mitglieder materiell versorgt und erholen sich, wird Solidarität erlernt und praktiziert und werden kranke sowie alte Familienmitglieder gepflegt. Aus gesellschaftlicher Sicht erfüllen die Familien für Gesellschaft und Staat unverzichtbare Funktionen. Obwohl sie die eben genannten Leistungen für sich selbst erbringen, sind mit den letztlich "privat" getroffenen Entscheidungen und Handlungen der Familien und ihrer Mitglieder untrennbar Wirkungen verbunden, die für Gesellschaft und Staat existentielle Bedeutung haben (positive externe Effekte). Diese gesellschaftlich relevanten Leistungen sind: - Die quantitative Reproduktion der Gesellschaft, - die qualitative Reproduktion der Gesellschaft, d.h. die Fundierung der körperlichen, psychischen und geistigen Gesundheit der nachwachsenden Generation, die Entwicklung und Förderung ihrer Begabungen und Talente sowie die Vermittlung und Einübung sozialen Verhaltens, - die quantitative und qualitative Sicherung des volkswirtschaftlichen Arbeitskräftepotentials und - die Selbsthilfe im Falle der Hilfsbedürftigkeit und sozialer Not von Familienmitgliedern. Grundlegende Menschenrechte wie ein menschenwürdiges Leben und die freie Entfaltung der Persönlichkeit werden überwiegend in den (intakten) Familien verwirklicht. Die Familien leisten entscheidende und dem ökonomi-
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Zusanunenfassung
sehen Wert nach erhebliche Beiträge zur Bildung und zur Pflege des Humanvermögens der Gesellschaft (vgl. dazu 1. Kap. C.III.). Einzelne der genannten Aufgaben und Leistungen können zwar ganz oder teilweise auch außerhalb der Familien erfüllt werden. Aber die kombinierte, gleichzeitige Wahrnehmung der Aufgaben sichert eine auf andere Weise nicht erreichbare Effektivität und Qualität der AufgabenerfoJ/ung. Die Art und Weise, wie die Familien ihre Aufgaben erfüllen und ihren gewichtigen Beitrag zur Ausprägung der geistigen, kulturellen, sozialen und beruflichen Dimension des Hurnanvermögens leisten, beeinflußt nachhaltig die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Qualität einer Gesellschaft. Allerdings ist für nicht wenige Familien aufgrund sozialer und wirtschaftlicher Wandlungen die optimale Aufgaben- und Funktionserfüllung und die Entwicklung der Familien selbst in einern als kritisch anzusehenden Umfang gefährdet. Dafür sind zwei Ursachenkomplexe verantwortlich: zum einen die Entwicklung der Zahl und der Formen der Familien und zum anderen die sozio-äkonomischen Determinanten der familialen Aufgabenerfüllung. Zum Ursachenkomplex "Entwicklung der Zahl und der Formen der Familien" gehören (vgl. dazu 2. Kap. A.) ein langfristig gestiegenes Gewicht der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte, ein Rückgang der Drei-Personen-Haushalte, eine relative Stabilität der Vier-Personen-Haushalte sowie eine starke Abnahme der Zahl der Mehrkinder-Familien und der Drei-GenerationenFamilien. Hinter diesen Veränderungen der Haushaltsstruktur verbergen sich Veränderungen der Lebensformen. Zu diesen Änderungen der Lebensformen gehören v.a.: - Eine starke Zunahme der Zahl der Alleinlebenden. Sie läßt sich zwar v.a. als Folge der Überalterung der Bevölkerung erklären, ist aber doch auch mit einer merklichen Zunahme der Zahl alleinlebender junger Menschen zwischen 20 und 35 Jahren verbunden, also eine Folge von Singularisierungsund Individualisierungstendenzen; - eine europaweit konstatierbare Zunahme der Zahl nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften. Soweit sich junge Menschen für diese Lebensform entscheiden, führt sie zwar vielfach zur Ehe, wenn ein Kind erwartet oder geboren wird. Sie wird aber auch von Verwitweten und Geschiedenen wegen sozialer Vorteile gegenüber der Ehe gewählt; . - eine beachtliche Zunahme der Haushalte alleinerziehender Eltern, v.a von Müttern. 1993 waren von den Alleinerziehenden drei Fünftel geschiedene
Zusammenfassung
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oder verheiratete, jedoch getrennt lebende Eltern und mehr als ein Drittel ledige Eltern; - ein Anstieg der Zahl der Stiefeltern-Familien. Ohne den verschiedenen Formen der unvollständigen und der nicht auf der Ehe beruhenden Familien generell eine geminderte Leistungsfähigkeit in bezug auf die Erfüllung der Funktionen der Familie zuzusprechen, ist doch davon auszugehen, daß das Leistungspotential dieser Formen, insbes. der EinEltern-Familie, strukturell eingeschränkt ist und daß die bestimmten Familienformen eigenen strukturellen Schwächen dadurch verstärkt werden, daß sie auch die ökonomischen Grundlagen der Familie (Erwerbsmöglichkeiten, Einkommenshöhe und Wohnversorgung) beeinträchtigen. Bemerkenswerte Änderungen sind auch bei der Entwicklung der EhegattenFamilie feststellbar. Zwischen 1970 und 1991 ist die Heiratshäufigkeit (Zahl der Heiraten je 1000 lediger Frauen zwischen 18 und 34 Jahren) auf 40 % des Niveaus von 1970 abgesunken, die "Spitze" der Heiratshäufigkeit hat sich von 21/22 Jahren auf 27/28 Jahre verschoben ("Eheverzögerung"). Massiv verändert hat sich das generative Verhalten, das eine hohe Korrelation zum Heiratsverhalten aufweist. Der in der Bundesrepublik und in Dänemark am stärksten ausgeprägte Geburtenrückgang erklärt sich sowohl aus einern Rückgang der Zahl der Frauen, die drei und mehr Kinder zur Welt bringen, als auch daraus, daß der Anteil der Frauen, die im Laufe ihres Lebens kein Kind gebären, im früheren Bundesgebiet von rund 10 % für den Geburtsjahrgang 1940 auf 23,5 % für den Geburtsjahrgang 1960 gestiegen ist. Daher werden in Deutschland nur noch zwei Drittel der Kinder geboren, die für die Erhaltung des Bevölkerungsbestandes ohne Zuwanderung erforderlich wären. Für die Ehegatten-Familie ist auch ein Anstieg der Ehescheidungen von 35,7 je 10000 bestehender Ehen 1960 auf 83,0 im Jahre 1993 festzustellen. Von den Scheidungen waren 1993 fast 105000 Kinder betroffen. Es wäre verfehlt, von den aufgezeigten Entwicklungen undifferenziert auf den drohenden Untergang von Ehe und Familie zu schließen, so bedenklich die aufgezeigten Entwicklungen auch beurteilt werden mögen. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß auf die Ehepaare mit und ohne Kinder 72 % der Bevölkerung entfallen und daß immer noch rd. 60 % der Bevölkerung als Eheleute, als Alleinerziehende und als nicht -eheliche Lebensgemeinschaften mit ihren Kindern in einer Familie i.e.S. zusammenleben. Der "Normalfall in unserer Gesellschaft ist immer noch das Ehepaar mit und ohne Kinder in einern Haushalt" (Egon Hö/der). Im Jahre 1993 wuchsen in den Ehepaar-Haushalten 86 % aller Kinder unter 18 Jahren auf.
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Zusammenfassung
Zu berücksichtigen ist bei der Lagebeurteilung auch, daß die skizzierten Entwicklungen nach zahlreichen soziologischen Analysen keinen Bedeutungsverlust, sondern einen Bedeutungswandel der Familie darstellen. Die Existenz von nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften als Erprobungsphase für eine Ehe, der Anstieg der Scheidungszahlen und der Rückgang der Ehehäufigkeit sind auch eine Folge gestiegener Erwartungen und Ansprüche, die an die Ehe gestellt werden. Der Rückgang der durchschnittlichen Geburtenzahlen bei Müttern ist auch eine Folge der Favorisierung einer bestimmten Familiengröße und gestiegener Ansprüche der Eltern an sich selbst in bezug auf die Qualität der Versorgung und der Erziehung ihrer Kinder. Die Wertschätzung der Ehe durch junge Menschen hat sich nicht grundlegend verändert, die Ehe ist jedoch stärker kindorientiert als früher. Obwohl es verfehlt wäre, einen Untergang der Ehe und der Familie im Sinn der vollständigen, auf der Ehe beruhenden Familie zu prognostizieren, scheint es doch gerechtfertigt, eine Gefährdung der Familie und eine starke Schwächung ihrer Dominanz zu diagnostizieren. Im Zusammenhang mit dieser Gefährdung verdienen folgende Entwicklungen die Aufmerksamkeit der Wissenschaft und der Politik: 1. Die sinkende Reproduktionsrate der Bevölkerung, weil sie zu einer Destabilisierung der Gesellschaft, des Staatshaushalts und der sozialen Sicherungssysteme führen kann; 2. die Zunahme der Zahl der Scheidungen von Ehen mit Kindern, weil Scheidungswaisen in der Mehrzahl unter der Scheidung leiden und durch sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden und weil durch Scheidungen die Zahl sozialhilfebedürftiger Mütter und Kinder ansteigt; 3. die Zunahme der Zahl Alleinerziehender, weil diese Familienform durch ihre strukturelle Schwäche bei der Wahrnehmung der familialen Aufgaben beeinträchtigt ist und den alleinerziehenden Elternteil erheblich belastet; 4. die Zunahme der Zahl der Frauen, die gewollt kinderlos bleiben, weil dies tendenziell zu einer Polarisierung führt zwischen Frauen und Männern, die Familienarbeit leisten und die Aufwendungen für Kinder auf sich nehmen, und kinderlosen Gesellschaftsmitgliedern, die. die externen Erträge der Familientätigkeit ohne adäquate Gegenleistung nutzen; 5 . die Zunahme der Zahl alleinlebender Menschen, weil diese Singularisierungs- und Individualisierungstendenzen zu einem vergrößerten, die Gemeinschaft belastenden sozialen Dienstleistungsaufwand führen und zur
Zusammenfassung
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Verbreitung eines Lebensstils beitragen, der der sozialen Natur des Menschen widerspricht. Einen zweiten, die Gründung von Familien und die Familien gefährdenden Ursachenkomplex, der gleichzeitig die Entwicklung der Familienformen mitbestimmt, stellen die für die Gründung von Familien und für die Sicherung ihrer Existenz gegebenen sozio-ökonomischen Rahrnenbedingungen dar. Dazu gehören das Familieneinkommen, die Vermögenslage der Familien, der Umfang an sozialer Sicherheit für die Familienmitglieder, die Chancen der Erwerbsbeteiligung der Familie, die Wohnungsversorgung, die familienrelevante soziale Infrastruktur, insbes. die Kinderbetreuungs- und die Familienberatungseinrichtungen, sowie die Organisation und die Stabilität des Wirtschaftssystems. Im Verlauf der Arbeit (vgl. 2. Kap. B.) konnte in bezug auf diese Determinanten folgendes deutlich gemacht werden: 1. Innerhalb der verschiedenen familialen Lebensformen (Ehepaar- und EinEltern-Familie) sinken die Pro-Kopf-Einkommen mit steigender Kinderzahl beachtlich ab. Die Pro-Kopf-Einkommen der Ein-Kind-Familien liegen um 20 bis 25 %, die der Zwei-Kinder-Familien um 35 bis 40 % und die der Drei-Kinder-Familien um mehr als 50 % unter den Nettoeinkommen der entsprechenden Lebensformen ohne Kinder.
2. 1990 wiesen 70 % der Personen in Alleinerziehenden-Haushalten und 65 % der Personen in Ehepaar-Haushalten mit Kindern ein unterdurchschnittliches Wohlstandsniveau auf. Mehr als ein Fünftel der in Alleinerziehenden-Haushalten Lebenden bezog weniger als 50 % des Durchschnittseinkommens der Alleinerziehenden, ist also als arm einzustufen. 3. Die relative Einkommenslage der Familien hat sich in den letzten 20 Jahren nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. 4. Die Einkommensverluste, die durch die Einschränkung von Erwerbsmöglichkeiten von Paaren mit Kindern auftreten und die mit steigender Kinderzahl eintretende Verringerung des Pro-Kopf-Einkommens können zu spürbaren Verschlechterungen der Wohlfahrtsposition der Familienmitglieder im Vergleich zu Kinderlosen führen, insbes. bei jungen Familien, bei Mehr-Kinder-Familien und bei Ein-Eitern-Familien. 5. Mütter, v.a. Mütter mit mehreren Kindern, müssen wegen der Unterbrechung oder Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit zugunsten der Versorgung, Be-
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Zusammenfassung
treuung und Erziehung ihrer Kinder erhebliche Verschlechterungen ihrer Altersversorgung in Kauf nehmen. 6. Ähnlich wie bei den verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen der Haushalte verschiedener Größe besteht auch bei den Pro-Kopf-Vermögen, und zwar sowohl beim Geldvermögen als auch beim Grundvermögen, ein WohlstandsgeflUle von den kinderlosen Haushalten hin zu den Mehr-KinderHaushalten. 7. Im Rahmen der Vermögensbildung haben bei den Farnilien die Beiträge zur Bildung und Pflege des Humanvermögens durch die Geburt, die Versorgung, die Betreuung und die Erziehung der Kinder Priorität. Daher muß die Bildung anderer Vermögensformen entsprechend geringer sein. 8. Eine steigende Zahl von Müttern - selbst von Müttern mit Kindern unter drei Jahren - ist gewollt oder aufgrund ihrer Lebensurnstände gezwungen erwerbstätig. Dementsprechend muß im Interesse der Kinder und der Eltern dafiir Sorge getragen werden, daß diese Farnilien nicht aus ökonomischen Gründen zu einer Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile gezwungen werden und daß - wenn sich die Eltern aus welchen Gründen auch immer für eine Vollzeiterwerbstätigkeit entschieden haben - die Eltern in ihrem Bemühen unterstützt werden, Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit gleichzeitig miteinander zu vereinbaren. 9. Die Arbeitswelt nimmt - von einzelnen Unternehmungen abgesehen - in unserem Gesellschaftssystem auf die individuelle Lebensgestaltung und d.h. auch auf die Bedürfnisse der Familien wenig Rücksicht. Dies gilt sowohl für die erwerbstätigen Väter als auch für die erwerbstätigen und erwerbswilligen Mütter. Angesichts des faktischen Gewichtes der Erwerbsarbeitsplätze rur die Existenzsicherung der Familien und der Anforderungen rationalen Handeins in der modemen, arbeitsteiligen Leistungsgesellschaft sind Familienväter und Familienmütter gezwungen, bei ihren Entscheidungen in bezug auf die Erfiillung des Wunsches nach Kindern und in bezug auf die Gestaltung ihres Familienlebens den Anforderungen der Wirtschaft Rechnung zu tragen. Dadurch wird die Erfiillung von Familienaufgaben, insbes. der Versorgungs- und Betreuungsaufgabe gegenüber den Kindern, erschwert. Aus der Arbeitsmarktperspektive gesehen: wegen der bisher für unverzichtbar und kaum veränderbar angesehenen wirtschaftlichen Erfordernisse der (Erwerbs-)Arbeitswelt wird Kinderlosigkeit zu einem Konkurrenzvorteil auf den Arbeitsmärkten. Durch diese mangelhafte Verträglichkeit familialer und beruflicher Anforderungen und durch die "Präponderanz der Arbeit über die sonstigen Rechte und Interessen des Ar-
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297
beitnehmers" (Rolf Birk) erhält das Ziel der Förderung der Vereinbarkeit von Farnilie und Beruf hohe Priorität. 10. An der Verbesserung der Wohnungsversorgung in den 70er und 80er Jahren partizipierten auch viele Familienhaushalte, jedoch in weit geringerem Maße als die Ein-Personen-Haushalte und die Paare ohne Kinder. Als unterversorgt müssen nach wie vor gelten: einkommensschwache junge Familien, einkommensschwache Mehr-Kinder-Familien und Alleinerziehende. 11. In der Bundesrepublik bestehen - regional unterschiedlich ausgeprägt Defizite an Kinderbetreuungseinrichtungen. Wo solche Einrichtungen fehlen, fehlen sowohl familienunterstützende und die Sozialisation der Kinder fördernde Betreuungs- und Erziehungspotentiale als auch eine wichtige Voraussetzung fiir die Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit. Die genannten Fakten erschweren und beeinträchtigen die Erfüllung familialer Aufgaben in vielfältige Weise. v.a. fiir die einkommensschwachen und armutsgefährdeten Familien sind die Aufgaben der Versorgung, der Regeneration und - wegen der finanziellen und wohnräumlichen Beengtheit - auch die Aufgabe, zur Persönlichkeitsentfaltung beizutragen, erschwert. Selbstverständlich ist bei diesen Familien auch der Spielraum fiir die Erfüllung weiterer Kinderwünsche eingeengt, also die Reproduktionsfunktion beeinträchtigt. Vor dem aufgezeigten ökonomischen und sozialstrukturellen Hintergrund ist nicht mit einer Trendwende des Familiengründungsverhaltens zu rechnen,
wenn nicht endlich die Familienpolitik als zentraler Bereich der Zukunjtssicherung unserer Gesellschaft unter den Bereichspolitiken Priorität erhält.
Wenn eine solche Trendwende im Familiengründungs- und im Geburtenverhalten nicht gelingt, ist mit einer Reihe von Gefahrdungen zu rechnen, die die Gesellschaft der Bundesrepublik bedrohen. Als Gefahrdungen sind auszumachen: 1. Singularisierungstendenzen und eine Verkleinerung der Verwandtschaftsnetze und mit beidem verbunden eine Verringerung der Möglichkeiten intrafamilialer Hilfe bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit, im Alter und im Falle wirtschaftlicher Not; 2. eine Polarisierung der Gesellschaft zwischen den kindererziehenden Eltern und den gewollt kinderlosen Mitgliedern der Gesellschaft;
298
Zusammenfassung
3. die Gefährdung der Finanzierbarkeit des Systems sozialer Sicherung, insbes. der Renten- und Krankenversicherung, sowie die ressourcenbeanspruchende Zunahme der Zahl pflegebedürftiger alter Menschen; 4. ein weiterer Rückgang der Zahl der Familiengründungen und der Geburtenhäufigkeit. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft führt zur Problematik der demographischen Entwicklung aus: "Wenn eine Wende im generativen Verhalten herbeigeführt werden soll, empfiehlt es sich, die Sozial-, Familien- und Wohnungspolitik sowie die Grundsätze der Besteuerung im Hinblick auf ihre bevölkerungspolitischen Rückwirkungen zu überprüfen und gegebenenfalls durch Setzung neuer Daten so zu ändern, daß von ihnen keine negativen Nebenwirkungen auf das generative Verhalten ausgehen. In der Vergangenheit hat sich in den einzelnen Politikbereichen eine ungewollte Kumulation von Anreizen ergeben, auf Nachkommenschaft zu verzichten. Diese liegen sicher teilweise im Bereich des Ökonomischen, so z.B. in der finanziellen Schlechterstellung der MehrkinderFamilie im Hinblick auf Erwerbsmöglichkeiten der Ehegatten oder der vergleichsweise hohen steuerlichen Belastungen der Familieneinkommen; sie sind aber auch in anderen Bereichen des sozialen Lebens festzustellen. " Wie die Analyse der Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik zeigt (vgl. dazu 4. Kap. B.), war die vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft angesprochene Familienpolitik nicht ausreichend entwickelt, um die Familiengründung zu fördern. Die Analyse dieser Familienpolitik führte u.a. zu folgenden Ergebnissen: l. Zahlreiche Untersuchungen weisen Anteile der Familienlastenausgleichsleistungen an den Aufwendungen für Kinder auf, die - wenn der erwerbstätige Elternteil in der privaten Wirtschaft beschäftigt war und die Zahl der Kinder unter drei lag - maximal 25 % erreichten. Für die Mehrzahl der Familientypen jedoch lagen die "Transferraten" merklich niedriger (vgl. dazu 4. Kap.C.I.2.). Dazu ist noch zu berücksichtigen, daß die staatlichen Leistungen mindestens zu einem Drittel über die von den Familien gezahlten Steuern finanziert wurden.
2. Eine bevölkerungspolitisch orientierte Familienpolitik ist problematisch, weil sie die Familien nicht um ihrer selbst willen fördert, sondern sie instrumentalisiert und Familienpolitik als überflüssig erscheinen läßt, wenn keine bevölkerungspolitischen Probleme existieren. Sie beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit der Familienpolitik. Nach Meinung der Verfassers läßt sich Familienpolitik ausreichend begründen:
Zusammenfassung
-
-
299
mit der Notwendigkeit einer partiellen Kompensation kindbedingter Aufwendungen, weil Familientätigkeit mit gesellschaftlich erwünschten positiven externen Effekten verbunden ist, mit der aus sozialstaatlichen Gründen bestehenden Notwendigkeit der Transformation der in der Verfassung verankerten Grundrechte in tatsächlich fiir alle nutzbare Rechte, also auch für die Mitglieder von Familien und mit dem Ziel der Bedarfsgerechtigkeit.
3. Der bis 1995 praktizierte Familienlastenausgleich wies folgende Unzulänglichkeiten auf: -
-
Er war konzeptionell diskontinuierlich, weil Regierungen unter Führung der CDU/CSU Steuerfreibeträge fiir Kinder, Regierungen unter Führung der SPD dagegen das Kindergeld als Hauptinstrumente des dualen Familienlastenausgleichs bevorzugten; er wies wegen fehlender Dynamisierung der Leistungen relative Kürzungen auf, aber auch absolute, durch konjunkturelle Einbrüche verursachte Kürzungen; es bestand ein Übergewicht der Förderung der Ehe gegenüber der Förderung der Kinder; er förderte Familien von Beschäftigten im öffentlichen Dienst stärker als die von Beschäftigten in der Privatwirtschaft.
4. Die familienpolitischen Konzeptionen aller bisherigen Bundesregierungen waren allein unter dem Aspekt der Vollständigkeit des Zielsystems und der Berücksichtigung des Querschnittscharakters der Familienpolitik fragmentarisch. Die Familienpolitik war unstetig und bewirkte aufgrund von relativen und absoluten Leistungsrücknahmen den Eindruck geringer Verläßlichkeit. Sie hatte bisher programmatische und deklamatorische, aber keine faktische Priorität und ist bis heute ein "Stiefkind der deutschen Sozialpolitik" (Fünfter Familienbericht) geblieben. Als Anforderungen an eine effiziente Familienpolitik wurden herausgearbeitet (vgl. dazu 5. Kap. B.):
21 Lampert
300
Zusammenfassung
1. Die Formulierung eines vollständigen Zielsystems, das in sachlicher und
zeitlicher Hinsicht ausgewogen und in bezug auf seine Verwirklichung langfristig angelegt ist.
2. Die eingesetzten Instrumente müssen nicht nur ziel-, sondern auch systemkonform sein. 3. Da Familienpolitik als Politik der Beeinflussung der Lebens- und Entwicklungsbedingungen von Familien und Familienmitgliedern ihre Ziele nicht nur mit den Instrumenten der Familienlastenausgleichspolitik, sondern auch mit den Mitteln der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik, der Wohnungs- und Verkehrspolitik, der Jugend-, Frauen- und Altenpolitik zu erreichen versuchen muß, also eine Querschnittsaufgabe ist, ist eine horizontale bereichsübergreifende Koordinierung familienpolitischer Aktivitäten zwischen den Trägem politischer Verantwortung auf allen staatlichen Ebenen erforderlich. 4. Die Familienpolitik muß glaubwürdig, stetig und verläßlich werden, weil die Entscheidung fiir Kinder eine dauerhafte und nicht korrigierbare Veränderung fiir die Lebenslagen der Eltern und der Kinder bedeutet. 5. Familienpolitik sollte weder vorrangig als Institutionenpolitik noch vorrangig als Familienmitgliederpolitik konzipiert werden. Denn eine am Grundrechtskatalog entwickelter Gesellschaften des europäisch-amerikanischen Kulturkreises orientierte Familienpolitik muß sowohl am Schutz und der Förderung von Ehe und Familie orientiert sein (in der Bundesrepublik nach Art. 6 Abs. 1 GG), als auch am Ziel der Schaffung der Voraussetzungen fiir die individuellen Grundrechtsgewährleistungen, nämlich Schutz der Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichberechtigung und Freiheit der Berufswahl (Art. 1,2,3, und 12 GG) - und dies in prinzipiell gleicher Weise jUr alle Familienmitglieder. Eine verfassungskonforme Familienpolitik muß daher ausgewogen darauf gerichtet sein, sowohl· der Institution Familie als auch den Mitgliedern der Familie zu dienen. 6. Eine zukunftsorientierte Familienpolitik, die die Ehe und die Familie schützen und fordern will, kann ihre Ziele nicht erreichen, wenn sie nicht darauf hinwirkt, - daß die Frauenzentriertheit der neuzeitlichen Familie reduziert wird, - daß den Frauen als Ehefrauen und Müttern durch eine Politik der Förderung der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit faire
Zusammenfassung
301
Chancen der Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben eingeräumt werden und daß - die männlichen Lebenszusammenhänge stärker auf die Beteiligung an den hauswirtschaftlichen und an den Familienaufgaben ausgerichtet werden. Die staatlich verantwortete Familienpolitik kann nicht darauf verzichten, ihr "Objekt", d.h. die zu schützende und zu fördernde Familie zu definieren. Der Verfasser spricht sich dafiir aus, die Familie als Gegenstand der Familienpolitik zu definieren als die auf der Ehe beruhende Lebensgemeinschaft verschiedengeschlechtlicher Partner mit ihren Kindern (einschl. von Stief-, Adoptiv-, Pflege- und nicht ehelichen Kindern) sowie Alleinerziehende und ihre Kinder. Als Ziele der Familienpolitik werden im 5. Kapitel interpretiert: 1. Die Beeinflussung der Einkommens- und Vermögenslage durch - Herstellung der Steuergerechtigkeit, d.h. durch die Freistellung der existenzminimalen Aufwendungen rur Kinder entsprechend der Forderung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1990, - Herstellung der Bedarfsgerechtigkeit, d.h. durch Sicherung des Mindestbedarfs rur Familien, die ein Existenzminimum aus eigener Kraft nicht erreichen können, - einen Familienlasten- und Familienleistungsausgleich, der einen politisch zu bestimmenden Bruchteil der Versorgungs- und Betreuungsaufwendungen fiir Kinder kompensiert, aber auch die familienorientierten Leistungen des Systems der sozialen Sicherung beibehält und ausbaut. 2. Die Förderung der phasenorientierten und der simultanen Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit durch - die finanzielle und sozialversicherungsrechtliche Abfederung in der Erziehungsphase (Kleinkindphase), - Förderung der Rückkehr kindererziehender Eltern in die Erwerbstätigkeit, - die Verbesserung des Angebots an familienunterstützenden Betreuungseinrichtungen und - die familienfreundliche Ausgestaltung der Arbeitswelt.
21'
302
Zusanunenfassung
3. Eine familiengerechte Wohnungsversorgung durch - Festsetzung von Mindeststandards für die Wohnungsversorgung nach Größe, Struktur und Ausstattung, - ausreichenden Mieterschutz, - dynamisierte Mietzuschüsse (Wohngeld) für einkommensschwache Familien, - Förderung des Baus von familiengerechten Wohnungen, - Schaffung eines familienfreundlichen, v.a. kinderfreundlichen Wohnungsumfeldes, - Förderung des Erwerbs familiengerechten Wohnungseigentums. 4. Ausbau der familialen sozialen Infrastruktur, d.h. der familienunterstützenden Betreuungseinrichtungen, familienunterstützender Sozialeinrichtungen, insbes. der Familienberatungsstellen, und sozialer Unterstützungsnetze. Der Zielinterpretation folgt eine Darstellung der aktuellen Aufgaben der Familienpolitik und von familienpolitischen Empfehlungen des Verfassers (vgl. 5. Kap. D.). Als aktuelle Aufgaben erweisen sich die möglichst kontinuierliche, langfristig angelegte, schrittweise Weiterentwicklung des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs im Sinne der Urteile des Bundesverfassungsgerichts vorn 7. Juli 1991 und vorn 28. Mai 1993 1 und die Erhöhung des Zieler-
In diesen Urteilen ist sinngemilß festgehalten: 1. Familien, deren Einkommen zu gering ist, um die Aufgaben der Familien zu erfllllen, müssen
durch staatliche Transferleistungen zur Aufgabenerfllllung instand gesetzt werden und zwar um so mehr, je geringer ihr Einkommen und je größer die Zahl ihrer Kinder ist. 2. Die wirtschaftliche Benachteiligung von Eltern gegenüber Kinderlosen muß schrittweise bei aHen familien-, steuer- und sozialpolitischen Maßnahmen verringert werden. 3. Der Staat ist aufgrund seiner Verpflichtung zum Schutz des ungeborenen Lebens, aufgrund des Schutzauftrages fllr Ehe und Familie und aufgrund der Gleichstellung von Mann und Frau in der Teilhabe am Arbeitsleben verpflichtet, "Grundlagen daflIr zu schaffen, daß Familientlltigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander abgestimmt werden können und die Wahmehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen flIhrt", Regelungen zu erlassen, "die auf eine Verbesserung der institutionellen oder familiären Kinderbetreuung zielen", daflIr zu sorgen, "daß ein Elternteil, der sich unter Verzicht auf ein Erwerbseinkommen der Erziehung eines Kindes widmet, fllr die ihm hieraus erwachsenden versorgungsrechtlichen Nachteile einen angemessenen Ausgleich erhält", und "eine kinderfreundliche Gesellschaft zu fördern, was auch auf den Schutz des ungeborenen Lebens zurückwirkt. Mit Blick darauf hat der Gesetzgeber nicht nur im Bereich des Arbeitsrechts, sondern auch in anderen Bereichen des Privatrechts Regelungen mit besonderer Rücksicht auf Familie und Kinder zu erwägen."
Zusammenfassung
303
reichungsgrades bei der Förderung der Vereinbarkeit von Farnilie und Beruf durch Ausbau des Erziehungsgeldes hinsichtlich Höhe, Bezugsdauer und Einkommensgrenzen und durch die Verbesserung der Farnilienorientierung der Arbeitswelt sowie durch die flächendeckende Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Rahmenbedingungen für die Familienpolitik erscheinen bedeutsam die Wiederherstellung eines höheren gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrades, die Verstärkung der Wertschätzung der Familien in der Öffentlichkeit und die Verstärkung der wissenschaftlichen Fundierung der Familienpolitik. Als Nahziele der Familienpolitik werden herausgearbeitet: - die Beibehaltung der Familienorientierung des Systems der sozialen Sicherung, - die Dynarnisierung der familienpolitischen Geldleistungen, - die Verbesserung des Erziehungsgeldes, - die Vergrößerung der Zahl der Kinderbetreuungsplätze, - die Erhöhung der Familienfreundlichkeit der Arbeitswelt und - der Ausbau der Familienberatung und der Familienbildung. Unter langfristiger Perspektive wird neben der näher beschriebenen Weiterentwicklung des Familienlasten- und Farnilienleistungsausgleichs empfohlen eine Überprüfung bzw. Modifikation: - des Ehegattensplittings, - der Alternativen der Steuerentlastung der Familien durch Freibeträge oder Grundfreibeträge, - der Finanzierung der Erziehungsjahre, - der Ausgestaltung der Pflegeversicherung unter familienpolitischer Perspektive, - ehediskriminierender steuer- und sozialrechtlicher Lösungen. Abschließend wird die Problematik der Finanzierung familienpolitischer Leistungen behandelt. Zunächst wird verdeutlicht, daß sich farnilienpolitische Aufwendungen zum Teil dadurch rentieren, sich gleichsam selbst finanzieren, weil eine effiziente Familienpolitik beachtliche Erträge bringt. Diese bestehen in besseren Voraussetzungen für die Familiengriindung, in Verbesserungen der familialen Aufgabenerfüllung, in der Stabilisierung der Familien, in der Verringerung von
304
Zusanunenfassung
Abtreibungen und der Vermeidung ihrer Folgen, in der Vermeidung von Sozialleistungen im Fall des Eintritts von Risiken, die die Familien selbst auffangen, und in der Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch Verringerung der Arbeitsangebotsdringlichkeit bei den Familien. 2 Als Finanzierungsquellen werden Mittelumschichtungen aufgrund eines Abbaues von Subventionen und von Steuervergünstigungen verschiedener Art sowie eine Reform der Ehegattenbesteuerung, der Abbau der Anerkennung von Ausbildungszeiten in der Rentenversicherung und eine Reform der Witwen- und Witwerrenten genannt. Das auf diese Weise erzielbare Mittelvolumen dürfte jedoch allein nicht ausreichen, um einen Lasten- und Leistungsausgleich zu verwirklichen, der diesen Namen verdient. Für einen wirklichen Lasten- und Leistungsausgleich ist es zum einen unumgänglich, von der Finanzierung der Familienpolitik durch solche Steuern und Abgaben abzugehen, die zu einem großen Teil durch die erwerbstätigen und steuerpflichtigen Familienmitglieder selbst aufgebracht werden und zu einem Finanzierungsverfahren überzugehen, das eine nur minimale Selbstfinanzierungsquote aufweist. Zum andern wird es langfristig unverzichtbar sein, die Leistungen, v.a. für die Bezieher mittlerer Einkommen, zu erhöhen. Beide Ziele könnten erreicht werden zum einen durch den Übergang zu dem von Will; Albers vorgeschlagenen Einkommensteuertarif oder zum andern mit Hilfe der Erhebung einer Abgabe kinderloser Steuerpflichtiger, die in einen Familienlasten- und Familienleistungsausgleichsfonds fließen und von dort aus in Form direkter Transfers - auf Kindergeld-, Erziehungsgeld- und Ausbildungsförderungsleistungen aufgeteilt - nach bestimmten Kriterien an die Familien mit Kindern verteilt werden. Die nicht wenigen Gegner eines solchen Vorschlags verkennen nach Meinung des Verfassers die Tatsache, daß die Familien in Form externer Erträge der Versorgung und der Erziehung der nachwachsenden Generation wesentliche Beiträge zur Zukunftssicherung der Kinderlosen leisten und daß es weder darum geht, Kinderlose zu "bestrafen", noch jemand dazu zu veranlassen, sich für Kinder zu entscheiden.
2 Vgl. dazu den Vorschlag des Deutschen Arbeitskreises filr Familienhilfe vom März 1996, der unter Beteiligung des Ifo-Instituts und des Berliner Instituts filr Wirtschaftsforschung von o. Hatzold, ehr. Leipert und J. Borchert ausgearbeitet und vom "Heidelberger Büro filr Familienfragen und soziale Sicherheit" unter dem Titel "Erziehungsgehalt" als broschürtes Manuskript herausgegeben wurde. Er sieht ein "Erziehungsgehalt" in Höhe von 1300 DM vor, das durch Pflichtbeiträge aller Erwerbstätigen in Höhe von 3,6 % der Bruttolohnsumme, aber ohne Arbeitgeberbelastung, fmanziert werden soll. Der Arbeitskreis erwartet, daß dann etwa 2 Mio. Frauen nicht mehr erwerbstätig sein müßten.
Zus;munenfassung
305
Es geht darum, die ökonomischen Belastungen von Kindern, die die Zukunft und die Funktionsfähigkeit der gesamten Gesellschaft sichern, gerecht in der Gesellschaft zu verteilen. So wie jeder erwachsene Mensch ein Recht hat, eine Familie zu gründen, so hat er selbstverständlich auch das Recht, dies nicht zu tun. Alle Gesellschaftsmitglieder aber sind verpflichtet, sich an der Erhaltung und Finanzierung der Werte, Einrichtungen, Güter und Menschen zu beteiligen, die die Gesellschaft zu ihrer Existenzsicherung benötigt. Es ist auf Dauer den Familien nicht zumutbar, daß ihre Erträge allen zugute kommen, ihre Kosten aber privatisiert bleiben.
Tabellenanhang Tabelle Al Der monetäre Versorgungsaufwand a) von Alleinerziehenden mit einem Kind sowie von Ehepaaren mit einem und zwei Kindern (pro Kind) in DM
Jahr
Allein- Ehepaare mit einem Kind und einem stehende mit einem Kind Sozialhilfeeinkommen
(1)
1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Summe
(2) 6053 6145 6239 6334 6430 6528 6659 6792 6928 7066 7207 7352 7499 7649 7802 7958 8117 8279 127037
(3) 4412 4502 4594 4688 4784 4881 4981 5082 5186 5292 5398 5506 5616 5728 5843 5960 6079 6201 94733
Durchschnittsnettoeinkommen
Nettoeinkommen von 40005000 DM
(4) 7688 7806 7924 8045 8168 8292 8458 8627 8800 8976 9155 9338 9525 9715 9907 10108 10313 10 516 161 361
(5) 8078 8201 8326 8453 8581 8712 8886 9064 9245 9430 9619 9811 10 007 10 207 10412 10620 10832 11 049 169533
Ehepaare mit zwei Kindern und einem
Sozialhilfeeinkommen
Durchschnittsnettoeinkommen
Nettoeinkommen von 4000 5000 DM
(6)
(7)
(8)
3982 4063 4146 4231 4317 4405 4495 4587 4680 4776 4872 4969 5068 5170 5273 5379 5487 5596 85496
5474 5558 5642 5728 5815 5904 6022 6143 6265 6391 6518 6648 6781 6917 7055 7196 7340 7487 114884
5241 5320 5401 5484 5567 5652 5765 5880 5998 6118 6240 6365 6492 6622 6755 6890 7028 7168 109986
a) Der AufWand pro Monat beliefsich 1988 nach Euler (1993, S. 759 ff.) fiIr Alleinerziehende mit einem Kind auf 544 DM, rur Ehepaare mit einem Kind und dem durchschnittlichen Nettoeinkommen auf 691 DM und mit einem Nettoeinkommen von 4000 - 5000 DM auf 726 DM, rur Ehepaare mit zwei Kindern und dem Durchschnittseinkommen auf 492 DM und mit einem Nettoeinkommen von 4000 - 5000 DM auf 471 DM. Der AufWand rur Ehepaare mit Sozialhilfe-Einkommen ist nach dem Stand der Regelsätze der Sozialhilfe fiIr 1993 nach den Tabellen A 2 und A 3 ermittelt. Er belief sich rur die Ein-Kind-Familie auf 441 DM, fiir die Zwei-Kinder-Familie auf398 DM. Entsprechend der Tatsache, daß die Wachstumsrate des Preisindex fiir die einfache Lebenshaltung eines Kindes im Durchschnitt der Jahre 1983 bis 1987 1,5 % betrug, wurden die Basiswerte der Spalten (2), (4), (5), (7) und (8) mit dieser Rate deflationiert und tur die Jahre 1989 ff. mit der durchschnittlichen Wachstumsrate des genannten Index mit 2,0 % fortgeschrieben. Analog wurden die Werte der Spalten (3) und (6) preisberemigt.
Tabellenanhang
308
Tabelle A 2
Existenzminimaler monetärer Versorgungsaufwand für eine Ein-Kind-Familie entsprechend den Leistungen nach dem Sozialhilfegesetz in DM nach dem Stand von 1992 Jahr
Regelsatz8 )
(I)
(2)
einma1i~
Mietanteil c)
Summe
(3)
(4)
(5)
Beihilfen )
1983
1860
279
821
2960
1984
1920
288
840
3048
1985
2076
311
816
3203
1986
2124
319
852
3295
1987
2172
326
864
3362
1988
2220
333
864
3417
1989
2292
344
888
3524
1990
3492
524
900
4916
1991
3612
542
984
5138
1992
3912
587
1032
5531
1993
3996
599
1055
5650
1994
4092
614
1079
5785
1995
4188
628
I 103
5919
1996
4272
641
1128
6041
1997
6048
907
I 153
8108
1998
6180
927
I 179
8286 8479
1999
6324
949
1206
2000
6468
970
1233
8671
Summe
67248
10087
17997
95333
a) Bundesdurchschnittswerte nach Stat. BA, Fachserie 13, Reihe 2 (1986 bis 1992). Für die Jahre 1993 ff. wurden die Werte mit der durchschnittlichen Wachstumsrate des Preisindex fiir die einfache Lebenshaltung eines Kindes der Jahre 1980 bis 1992 (= 2,25 %) fortgeschrieben. b) Die einmaligen Beihilfen belaufen sich auf 15 % der Regelsätze. c) Der Mietanteil ist ermittelt als Differenz zwischen der durchschnittlichen Monatsmiete eines 3Personen-Haushalts (bzw. eines 4-Personen-Haushalts) und der eines 2-Personen-Haushalts (bzw. eines 3-Personen-Haushalts) von Sozialhilfeempfängern nach der Wohngeldstatistik des Stat. BA Die Werte fiir die Jahre 1993 ff. sind wie die Regelsätze (s. Arun. a) fortgeschrieben.
Tabellenanhang
309
Tabelle A 3
Existenzminimaler monetärer Versorgungsaufwand für eine Zwei-Kinder-Familie entsprechend den Leistungen nach dem Sozialhilfegesetz in DM nach dem Stand von 1992 Jahr
Summe der mtl. Regelsätzea)
Erstes Kind
Zweites Kind
(I)
(2)
(3)
1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
1860 1920 2076 2124 2172 2220 2292 3492 3612 3912 3996 4092 4188 4272 6048 6180 6324 6468
2076 2124 2172 2220 2292 2688 2784 3912 3996 4092 4188 4272 4368 4476 6324 6468 6612 6756
Einmali~
Beihilfen )
Mietanteilc)
Gesamtsumme (2)+(3)+(4)+ (5)+(6)
EIlltes Kind
Zweites Kind
(4)
(5)
(6)
279 288 622 637 651 666 687 927 959 1 173 1198 1227 1256 1281 1562 1598 1897 1940 991 1013
821 840 816 852 864 864 888 900 984 1032 1055 1078 1103 1128 1 153 1 179 1205 1233
(7)
600 588 636 588 588 564 720 708 723 740 756 773 791 809 827 846 864 884
2960 3048 6190 6325 6495 6558 6747 8571 9059 10 737 10 968 11229 11 491 11 726 13 922 14242 16577 16955 8467 8653
Summe der jährlichen AufWendungen: Summe der AufWendungen pro Kind: Summe der AufWendungen pro Kind/Jahr:
190920 95460 398
a) Bundesdurchschnittswerte nach Stat BA, Fachserie 13, Reihe 2 (1986 bis 1992). Für die Jahre 1993 ff. wurden die Werte mit der durchschnittlichen Wachstumsrate des Preisindex filr die einfache Lebenshaltung eines Kindes der Jahre 1980 bis 1992 (= 2,25 %) fortgeschrieben. b) Die einmaligen Beihilfen belaufen sich auf 15 % der Regelsätze. c) Der Mietanteil ist ermittelt als Differenz zwischen der durchschnittlichen Monatsmiete eines 3-Personen-Haushalts (bzw. eines 4-Personen-Haushalts) und der eines 2-Personen-Hausha1ts (bzw. eines 3-Personen-Haushalts) von Sozialhilfeempfiingem nach der Wohngeldstatistik des Stat. BA Die Werte filr die Jahre 1993 ff. sind wie die Regelsätze (s. Anm. a) fortgeschrieben.
Tabellenanhang
310
TabelleA 4 Der Wert der Zeitallokation von Ehepaar-Haushalten mit einem Kinda)
Jahr
(I)
1983 1984 1985 1986 1981 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1991 1998 1999 2000 2001 2002
Lebensjahr des Kindes
(2) 1 2 3 4 5 6 1 8 9 10 11 12 13 14 15 16 11 18
-
ZeitaufWand in Stunden filr
KinderbetreuWlgb)
kindbedingte
(3)
(4)
1 295,15 1295,15 1295,15 1009,83 1009,83 1009,83 431,91 431,91 462,33 462,33 462,33 462,33 462,33 462,33 308,22 308,22 308,22 308,22
-
HHTätigkeite) 389,33 389,33 389,33 413,66 413,66 413,66 441,04 441,04 351,31 351,31 351,31 351,31 351,31 351,31 351,31 351,31 351,31 351,31
-
Stundenlohn einer Hauswirtsehafterind)
insgesamt
netto
brutto
(5)
(6)
(T)
1685,08 1685,08 1685,08 1423,49 1423,49 1423,49 872,95 872,95 813,64 813,64 813,64 813,64 813,64 813,64 659,53 659,53 659,53 659,53
-
9,41 9,59 9,11 10,06 10,41 10,16 10,88 11,11 11,46 11,10 11,91 12,25 12,54 12,84 13,14 13,45 13,11 14,09 14,42 14,16
Wert des ZeitaufWandes bei Zugrundelegung des HW-Lohnes
netto
brutto
(8)
(9)
11,08 11,42 11,92 12,43 12,93 13,60 14,11 14,18 15,19 16,80 11,16 18,n 19,84 20,19 22,11 23,44 24,18 26,19 21,69 29,21
15951,10 16159,91 16362,12 14320,30 14818,53 15316,15 9491,69 9698,41 9324,31 9519,58 9139,21 9961,09 10203,04 10441,13 8666,22 8810,61 9081,72 9292,11
Swnme:
201243,21
-
-
18610,68 19243,61 20086,15 11693,98 18405,72 19359,46 12311,32 12902,20 12841,31 13 669,15 14450,24 15272,02 16142,61 11062,03 14621,18 15459,38 16019,34 11213,09
-
291556,13
a) Es wird unterstellt, daß die Ehefrau 1983 bis 1990 nicht erwerbstätig ist und ab 1991 vollzeiterwerbstltig. b) Das Stat. LA weist Betreuungszeiten filr über 14jährige nicht aus. Daher wurde unterstellt, daß sich filr die 15 bis 18jllhrigen die Betreuungszeit um ein Drittel reduziert. e) Es wurde unterstellt, daß von diesen auch filr Kinder anfallenden Tätigkeiten dem Kind 25 % zugerechnet werden können. d) Der Nettostundenlohn einer Hauswirtschafterin betrug 1992 1l,70 DM, der Bruttostundenlohn 16,80 DM (Stat. BA 1995, S. 17). Der Nettostundenlohn wurde filr die Jahre 1983 bis 1991 mit der Wachstumsrate des Reallohnindex gemäß den Zahlen in BMA Stat. Jb. 1993, Tab. 5.4. deflationiert und filr die Jahre nach 1992 mit der VerAnderungsrate der Jahre 1983 bis 1992 (= 2,35 %) fortgeschrieben. Der Bruttostundenlohn wurde filr 1983 bis 1991 entsprechend der Entwicklung der Bruttostundenverdienste der Frauen in der Industrie berechnet und filr die Jahre 1993 ff. mit deren Wachstumsrate der Jahre 1983 bis 1992 fortgeschrieben.
Quelle: Stat. LA Baden-Württemberg, Baden-Württemberg in Wort und Zahl, . Nov. 1990 sowie schriftliche ergänzende Informationen des Landesamtes an den Verfasser.
Tabellenanhang
311
Tabelle A 5 Der Wert der Zeitallokation von Ehepaar-Haushalten mit zwei Kindern Wert des ZeitaufWandes bei Jahr
(1) 1983
Lebensjahr des 1. Kindes
2. Kindes
(2)
(3)
1
1984
2
1985
3
1986
4
2
1987
5
3
1988
6
4
1989
7
1990
ZeitaufWand in Stunden für Kinderbetreuung
kindbedingte HHTätigkeita)
insgesamt
Zugrundelegung des Lohnes einer Hauswirtschafterinb) nettoc)
bruttoc)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
1295,75
389,33
1685,08
15957,70
18670,68
1295,75
389,33
1685,08
16159,91
19243,61
1368,75
664,30
2033,05
19740,91
24233,95
1368,75
664,30
2033,05
20452,48
25270,81
1368,75
664,30
2033,05
21 164,05
26287,33
857,75
708,10
1 565,85
16848,54
21295,56
5
857,75
708,10
1565,85
17036,44
22094,14
8
6
857,75
708,10
1565,85
17396,59
23 143,26
1991
9
7
438,00
615,63
1053,63
12074,59
16636,81
1992
10
8
438,00
615,63
1053,63
12327,47
17700,98
1993
11
9
438,00
615,63
1053,63
12611,95
18712,46
1994
12
10
438,00
615,63
1053,63
12906,96
19776,63
1995
13
11
438,00
615,63
1053,63
13 212,52
20904,01
1996
14
12
438,00
615,63
1053,63
13528,60
22094,62
1997
15
13
438,00
615,63
1053,63
13 844,69
23358,97
1998
16
14
438,00
615,63
1053,63
14 171,32
24697,08
1999
17
15
292,00
615,63
907,63
12498,06
22491,07
2000
18
16
292,00
615,63
907,63
12788,50
23770,82
2001
17
308,22
351,31
659,53
9510,42
18262,38
2002
18
308,22
351,31
659,53
9734,66
19304,44
Summe:
293966,36
427949,61
146983,18
213974,80
1
a) Es wurde unterstellt, daß von diesen auch für Kinder anfallenden Tätigkeiten 40 % den beiden Kindern zugerechnet werden können. b) Die Stundenlöhne sind in Tab. A 4 ausgewiesen. c) Vgl. Anrn. d) in Tab. A4.
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Personenverzeichnis Adam, K., 132, 141 Adenauer, K., 150 Aichhorn, U., 163,217 Albers, W., 156, 190, 191, 195,222, 272,286 Althammer, J., VJI, 34, 170 Auer, A., 2, 3, 13, 20, 22, 24, 207 Badelt, Chr., 50, 163,217,222,232 Bäcker, G., 247, 248 Bank, H.P., 281 Barthelmes, J., 255 Bartholomei, R., 164 Bast, K., 200 Bauereiß, R., 81 Baumgartner, A., 188 Bayer, H., 81 Becker, G.S., 266 Bender, D., 81 Berger-Schmitt, R, 24 Berie, H., 223 Bertram, H., 21,78,79,81,85,124 Bethusy-Huc, von, V., 147, 164, 198, 199,232 Bien, w., 21,81 Birk, R, 57, 115, 118,243,247,269, 297 Bock, Th., 32 Böckenförde, E.w., 156, 192 Bohnenkamp, U., 248 Bonus, H., 266 Borchert, J., 39, 281, 287 Born, C., 114,250 Bosch, F.w., 162
Breuer, C., 162 Busche, J., 256 Buttler, G., 136 Campenhausen, V., 218 Claessens, D., 19,20,47,49,50 Colberg-Schrader, H., 249 Coleman, J.S., 127 Cornelius, 1.,90,93 Cyprian, G., 256 Diekmann, A., 242 Dinkel, RH., 222, 238, 273 Dönhoff, von, M., 186 Dorbritz; J., 85 Ebert, Th., 131 Eekhoff, J., 253 Eggen, B., 90, 98 Eilers, E., 164 Eimer, N., 230 Ellwanger, D., 232, 237, 238 Englberger, J., 250, 285 Erler, G., 269 Etzioni, A., 127 Eucken, W., 215 Euler, M., 36 Federkeil, G., 71, 77, 80, 100 Felderer, B., 136, 140 Fell, M., 5 Focke, K., 158 Franger, G., 256 Frerich, J., 143, 145, 146, 149, 153, 154,157,160,173,174,200
328
Personenverzeichnis
Frey, M., 143, 145, 146, 149, 153, 154,157,160,173,174,200 Frick, J., 100 Fritzsche, B., 186 Fthenakis, W., 51, 52,258 Fuchs, A., 158,224,242,243,247, 248,269 Fürst, w., 297 Fürstenberg, F., 57,115,117,250 Galler, H., 35 Gallon, Th.P., 281 Geißler, H., 165 Giersch, H., 211 GlatzeI, N., 199 Glatzer, W., 24 Gloger-Tippelt, G., 76, 243 Gomille, B., 76, 243 Goode, W.,2 Gräff, C., 222 Gririunig, R., 76, 243 Gröner, H., 223 Gutschmidt, G., 98 Habennann, M., 287 Häberle, P., 226 Haller, H., 273, 279 Hatzo1d, 0., 304 Hauser, R., 90, 92, 97, 99,100,138 Heck, B., 134, 186 Heldmann, E., 90, 159, 160,273 Hemmer, E., 251 Henke, K.D., 165, 190
Hennanns, M., 9
Herzog, R., 193,279,288 Hettlage, R., 9,25,26,43,44,48,49, 50,51,52,53,71,72,74,77,80, 81,82,86,246 Hi1zenbecher, M., 280 Höhnen, W., 157 Hö1der, E., 64, 65, 66, 293 Hötze1, W.,98 Hoff, A., 114
Hoffrnann, T., 234 Homburg, St., 222 Huber, A., 158,216 Huber, J., 218 Hurrelmann, K.,20 Jaecke1, M., 269 Jans, B., 172 Jessen, A., 28,29,30, 32,181 Johannes Pau1 II., 209 Karsten, M.E., 98 Karwatzki, 1.,177 Kassella, T., 190 Kaufmann, F.-X., 3,4, 10, 12, 14, 18, 19,22,24,47,49,75,77,81,83, 86,87,89,115,118,122,180, 189,190,197,208,218,246,254, 255,256,257,261,264,268,282, 289 Keil, S., 2, 236 Kennerknecht, Chr., 284 Kettner, J., VII Kirchhof, P., 279 Kirner, E., 247 Klauder, W., 242, 250 Klein, F., 279 Klein, Th., 78 Kleinhenz, G., 189,223,234,237 Klinge1bie1, 0., 190 Klose,A.,2 Knipping, W., 104 König, S. VII Kohl, H., 1,27, 165 Ko1b, R., 287 Krause,P.,98,103,224 Kreikebohm, R., 281 Krüsse1berg, H.G., 30, 109,223,236 Kübber, S., 44 Kunze,H.R.,51,52,258 Lampert, H., 16, 18,32,38,55,83, 84,85,100,138, 141, 145, 148,
Personenverzeichnis
183,190,200,206,240,250,266, 284,285 Lang, 1., 196 Langer, 1.,236 Langer-EI Sayed, 1.,143,151,158, 162,163,186,194,198 Lecheier, H., 8, 10,216,224,226,232 Leipert, Chr., 287,304 Liefmann-Keil, E., 221 Limbach, 1., 52, 162, 164,258 Lingemann, W., 169, 191, 196,272, 278,286,288 Loos, R, 215 Lüdeke, R, 192,280 Lüscher, K., 216, 219
Manz, G., 200 Marquardt, K.H., 223 Martiny, A., 177 Matthäus-Maier, 1.,195 Mc Intosh, S., 32 Mc Kenzie, RB., 32 Mensen, B., 2 Messner, 1., 2 Meyer, S., 84 Miegel, M., 132, 134, 136,264 Mitschke, 1., 271 Mühlfeld, C., 145 Müller, H.1., 280 Müller, H.U., 118, 119 Müller, K., 100 Nauck, B., 78, 79, 124 Nave-Herz, R, 5,49, 71, 72, 75, 76, 77,81,86,123,263 Nell-Breuning, von, 0., 2, 280, 287 Netzler, A., 184, 189, 194,285 Neubauer, E., 43, 50, 51 Niehaus, K.H., 156 Niesei, R, 51, 52,258 Oberhauser,A., 166, 168, 174, 175, 190, 195, 196, 233, 238, 253
329
Ochs, Chr., 248 Oeter, F., 152 anken, R, 99,154,158,159, 183, 184,194 Opielka, M., 230 Ostner, 1., 200 Paulick, H., 156, 191 Pechstein, 1., 44 Pechstein, M., 9, 169, 195, 196,224, 232,272,281,288 Pelzer, H., 271 Pöggeler, F., 22, 46, 48, 50 Prinz, K., 247 Rapin, H., 165 Rauscher, A., vrr, 180, 188, 189, 196, 217,246 Reed, RH., 32 Resch, 1., 104 Röpke, W., 152,266 Rolf, G., 247 Rollinger, A., 282 Roos, L., 5,22 Rosenbawn, H., 3,13 Rothe, S., 257 Rüsch, Chr., 174, 175, 196,253 Rüstow, A., 152,266 Ruhl, K.H., 151, 152 Rust, U., 147, 148, 161,240 Schäfer, B., 218, 273, 274 Schäftle,A.,24 Schäuble, w., 27, 186 Scharping, R., 1,229,286 Schartenbach,M.,I64 Schelsky, H., 151 Scherf, W., 279 Schlomann, H., 104, 106, 107, 109, 110,111 Schmähl, W., 138, 139, 140,286 Schmidt, A., 287 Schmidt, H., 158
330
Personenverzeichnis
Schrnidt, V., 224 Sclunucker, H., 30,220 Schnabel, Th., 189 Schneewind, K., 44, 45, 47,50,58, 122,207,214,245,258 Schönweiss, F., 145 Schreiber, U., 190 Schreiber, W., 221, 287 Schüle, U., 250, 285 Schülier, A., 223 Schulze, E., 84 Schwab, D., 162,226 Schwarz, K., 79, 87, 94, 112, 134 Schweitzer, von, R., 30 Sander, E., 255 Sass, J., 269 Seifert, H., 248 Sieder, R., 3 Simon, D., 14 Spabn, B.P., 190 Sudmann, H., 234 Süssmuth, R., 165 Suhr, D., 39,131,264 Störzbach, B., 214, 263 Stolz-Willig, B., 247, 248 Strätling, R.,223 Streit, M.E., 211 Stroluneier, K.P., 71, 77, 80,100 Stutzer, E., 90. 94, 99 Tippke, K., 196
Thränhardt, D., 180, 186 Tullock, G., 32 Tyrell, H., 217 Umbach, D.C., 279 Vaskovics, L., 56,122,214 Vollmer, Chr., 114,250 Votteler, M., 33, 37, 90 Wagner, G., 100,247 Wahl, St., 132, 134, 136, 264 Wedel, E., 118 Weick, St., 98 Weidacher, A., 90,100,118,119,120 Wenzler, S., 34, 170,215,218 Wiegand, B., 134 Wilk, L.,50 Willeke, F.U., 99, 154, 158, 159, 183, 184, 194 Willgerodt, H., 152 Wingen, M., 8,19,48,49,51,56,80, 89,90,150, 151, 186, 187,218, 221,223,233,275 Winkler, G., 200 Winterswyl, R., 255 Wünneling, F.J., 151 Zeidler, w., 87, 94,103,112,117, 193 Zeppernick, R., 273 Zimmermann, K.F., 265 Zwiener, K., 127
Sachverzeichnis Abschreibungen 157, 174 f Adoptionsrecht 164 Alleinerziehende 49 tI., 78 f., 108, 126,264 Alleinlebende 81 f., 129 Altenpflege 140 f. Alterssicherung von Müttern 101 ff. Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Familienorganisationen 227 Arbeitslosigkeit 57 f., 127,251,285 ArbeitsweIt, familienfreundliche 249 ff., 269 f. Arbeitszeitflexibilisierung 250 Annut 98 f., 102 Ausbildungsllirderung 149, 157, 160 Ausbildungsfreibetrag 154, 160, 178, 194 Ausgleichsabgabe 286 Ausländeranteil 135 Baukinderge1d 174 f. Bausparllirderung 176 Bedarfsgerechtigkeit 158,235 f., 280 Beratung 59, 257, 270 f. Arten der - 59 Beschäftigungsgrad 250, 262 f. Beschäftigungspolitik 15 Betreuungseinrichtungen ftlr Kinder 60,248 f., 254, 261 Betreuungskosten 33 f., 36 tI., 159 Bevölkerung, Überalterung der - 136 Bevölkerungsschrumpfung 133 tI., 209
Bildungspolitik, familienorientierte 156 f. Bündnis 90/ Die Grünen 1, 230 CDU 1,151 f., 153, 165, 171, 189, 226,228 f. Charta der Familienrechte 209, 227, 252 CSU 1,151 f., 153, 165, 171, 189, 226,229 Deutsche Liga ftlr das Kind 227 Deutscher Familienverband 227 Ehe 72 tI., 86 Förderung der - 190 ff. Schutz der - 144 f., 149, 153, 193, 217,223 Stabilität der - 87, 130 Wertschätzung der - 71 f., 85 Ehegattenbesteuerung (s. a. Ehegattensplitting) 149, 191 tI. Ehegattenfamilie 46 tI., 70 tI., 77 f. Ehegattensplitting 156, 160, 191 tI., 272,278 Eheleitbild in der BRD 12 tI. in der DDR 16 tI. Eherecht, Entwicklung des - 161 tI. Ehescheidung 16,71 tI., 161,258 Konsequenzen der - 52 f. Ehestandsdarlehen 145 f. Ein-EItern-Familie (s. Alleinerziehende)
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Sachverzeichnis
Einkommenslage der Familien 89 tT. Elternschaft 123 f. EntbindWlgsge1d 148 Erwerbsquote von Frauen Wld Müttern 112 tT. ErziehWlgsfunktion 21 f. ErziehWlgsgeld 94,165,172 f., 178, 182,239,247,268 f. ErziehWlgsjahre 165, 172,239,247, 280 f. ErziehWlgsrente 161 ErziehWlgsurlaub 117, 165, 173,239 Evangelische Aktionsgemeinschaft filr Familienfragen 227
Fami1ie(n) - Wld Arbeitswelt 114 tT., 249 tT. Aufgaben der - 18 tT. Aufgabenerft1llWlg, Detenninanten der - 45 f., 62 tT. Bedeutung der - 5, 84f., 86 f. Bewertung der - 1 tT. Charakteristika der - 10 f. DefInition 1 tT., 7 ff., 232 f. Erwerbsbetei1igWlg der - 84, 111 tT., 116 externe EtTekte der - 3, 10, 28 Fonnen der - 42 tT., 65 f. - Wld Aufgabenerfül1Wlg 46 tT. BenennWlg der - 42 f. EntwicklWlg der - 61 tT., 67 tT. - Wld FWlktionserfill1Wlg 42 f., 44 tT., 121 ff. Funktionen der - 3, 18 ff. FunktionseifiU1Wlg der - 88 - Wld Einkommen 54 tT. - Wld sozio-ökonomische RahmenbedingWlgen 54 tT. - Wld Vermögen 54 tT. - Wld Wirtschaftssystem 57 f. - Wld Wohnverhältnisse 56
GeflihrdWlg der - 86 tT., 126 tT., 208 Lage der - 61 tT., 89 tT. Leistungen der - 18 tT. Schutz der -144 f., 149, 153, 193, 217,223 Soziale Sicher\U1g der - 240 f. Stabilität der - 87 WertschätzWlg der - 122 f., 263 tT. Familienberichte 119,120,209,225, 254 Familienbi1dWlg 270 f. FamilienbWld Deutscher Katholiken 227 Familienhi1fe 146 Familienlastenausgleich 147, 152, 236 tT., 259, 271 tT. DefIzite des - 189 tT. dualer - 153 tT., 158 f., 165 tT. Refonn des - 166 ff. Selbstfmanzier\U1g des - 38 f., 273 Transferraten des - 181 ff. Volumen des - 179 tT. Familienleistungsausgleich 167, 171, 236 tT., 259, 271 tT. Defmition des - 236 f. Familienleitbild Defmition 11 - in der BRD 12 tT., 164 - in der DDR 16 tT., 85 Wandel des - 14 Familienpolitik als Familienmitgliederpolitik 164, 215 tT. als Institutionenpolitik 215 tT. adressatenspezifIsche - 219 tT. Dringlichkeit der - 124,207 tT. Erträge der - 284 f. Finanzier\U1g der - 283 tT. InstrumentalisiefWlg der - 186 tT. - in der BRD - 147 tT. - in der DDR 200 tT.
Sachverzeichnis
- im Dritten Reich 145 f. - im Kaiserreich 143 f. - in der Weimarer Republik 144 f. - in der EG (EU) 223 Nahziele der - 267 fT. natalistische - 17, 186 Notwendigkeit der - 207 fT. phasenspezifische - 219 fT. Querschnittscharakter der - 213 f., 265 Stetigkeit der - 198, 214 f. Unzulänglichkeiten der - 186 fT., 196 fI Verläßlichkeit der - 189 f., 198, 214 f. wissenschaftliche Fundierung der 265 f. Zieleder-I64, 197,211 f.,222fT. Familienrnitgliederpolitik 164,215 fT. Familienrecht, Entwicklung 161 fT. Familiensplitting 278 f. Familienzuschlägel44, 146, 182 F.D.P. I, 162, 165, 171,226,229 f. Fördergrundbetrag 175 Freibeträge s. Kinderfreibeträge Freie Entfaltung der Persönlichkeit 217,224 Geburtenentwicklung (s. generatives Verhalten) Generationenkonflikt 131 Generatives Verhalten 5, 71, 74 fT., 84, 128 fI, 141 Gleichberechtigung 14, 152,217,224 Grundfreibetrag 166,272,279 f. Haushaltsformen, Entwicklung 61 fT. Haushaltsfreibetrag 149, 154, 194, 196 Haushaltshilfe, Freibetrag filr - 166 Haushaltsproduktion, Wert der - 30 f. Heiratsverhalten 4,70 f., 72 fT.
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Hwnanvermögensbildung 25 f. Wert der - 28 fI, 32 fT. Jugendhilferecht 174 Kinderbeihilfen 146 Kinderbetilcksichtigungszeiten 173 f. Kinderbetreuungseinrichtungen s. Betreuungseinrichtungen Kinderbetreuungsfreibetrag 154, 166, 178,194 Kinderfreibeträge 99,145 f., 149, 152, 154,158,160,165 f., 167, 194, 272 Kindergeld 99, 153, 155, 158, 165, 167, 178, 182 Kindergeldgesetz 151 Kindergeldzuschlag 165 f Kinderkosten 36 fT., 87 Kinderlastenausgleichsabgabe 286 Kinderpflegekrankengeld 148 Kinderprivileg 143 Kinderzu1agen 144, 178 Kindschaftsrecht 164, 177 Krankenversicherung 139 f Lebensformen 8 fT., 66 Pluralität der - 9 f. Pluralisierung der - 9 f., 16, 130 MenschenWÜrde, Sicherung der - 217, 224 Mutterschaftshilfe 148 Mutterschaftsurlaub 161, 178 Mutterschutz 145, 149 Namensrecht 163 Nettoreproduktionsrate 71,134,136 Nicht-eheliche Lebensgemeinschaften 48 f., 80 f, 83 Obdachlosigkeit 119
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Sachveneichnis
Opportunitätskosten 30,89, 123,211 PDS230 Personwürde 14 Pflegeversicherung 281 f. Po1arisienmg geschlechtsspezifische - 13 f - der Gesellschaft 77, 122, 131 f, 209 Pro-Kopf-Einkommen 91 ff. Regenerationsfunktion 23 Rentenversicherung 137 ff. Reproduktionsfunktion 24 f Scheidung (s.a. Ehescheidung) 16, 71 ff., 77 f., 258 Scheidungsrecht 163 Scheidungswaisen 78, 164 SChutz der Ehe (s. Ehe, Schutz der - ) Schutz der Familie (s. Familie, Schutz der -) Schwangerenberatung 148 Schwangerschaftsabbruch 162,174 f SED 16, 18,85,201,204 f Selbsthilfefunktion 26 Selbstverwirklichung 86, 132, 264 Solidarabgabe 286 Solidaritätsfunktion 23 f, 124, 130 Sonderausgabenabzug 157, 194 Sorgerecht 164,177 Soziale Gerechtigkeit 225 Soziale Sicherung - der Familie 240 f. . - der Frau 103 Sozialisationsfunktion (s.a. Erziehungsfunktion) 21 f Soziallehre evangelische - 2 katholische - 2 Sozialpolitik fi1r Kinder 219
SPD 1, 151 f, 158, 160, 162, 174, 189,226,229 Steuergerechtigkeit 166, 172,233 f Stieffamilien 4, 53 f, 79 f, 126, Teilzeitarbeit 250 Transformationsschock 3 Unterhaltsvorschuß 161 Verband alleinerziehender Väter und Mütter 227 Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit 17, 118, 224, 241 ff., 260 Formen der - 16,244 f Instrwnente zur Erreichung der 246 ff. Vererbung 109 Vermögenslage der Familien 104 ff. Vermögenspolitik, familienorientierte 156 f, 178 Verschuldensprinzip 163 Versorgungsausg1eich 161 Versorgungsfunktion 21 Versorgungskosten 29 f, 36 ff. Verteilungsgerechtigkeit horizontale - 280 vertikale - 280 Waisenrenten 148 Witwenrenten 148 Wochengeld 146 Wochenhilfe 144, 146 Wohngeld 156 Wohnungsbaufilrderung 146, 156 f, 174 Wohnungsbaupolitik 149, 156 f Wohnungsversorgung 118 ff., 251 ff. ZeITÜttungsprinzip 163