Planung: Organisation und Methodik innovativer Entscheidungsprozesse 9783112319048, 9783112307779


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German Pages 179 [188] Year 1971

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
1. GRUNDLAGEN UND BEGRIFF DER INNOVATIVEN PLANUNG
2. HAUPTEINFLUSSGRÖSSEN IN PLANUNGSPROJEKTEN
3. ORGANISATION UND METHODIK DES PLANENS BEI KOMPLEXEN PROBLEMSTELLUNGEN
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Planung: Organisation und Methodik innovativer Entscheidungsprozesse
 9783112319048, 9783112307779

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Bendixen • Kemmler

Planung

Planung Organisation und Methodik innovativer Entscheidungsprozesse

von

Peter Bendixen und

Heinz W. Kemmler

mit 24 Abbildungen

wl DE

G

Walter de Gruyter . Berlin • New York 1972

© Copyright 1971 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung - J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J . Trübner Veit Sc Comp., Berlin 30. - Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. - Satz und Druck: N e u e Presse, Coburg - Printed in Germany.

ISBN 3 11003779 3

Vorwort

Das vorliegende Werk soll weder eine wissenschaftliche Studie noch ein Rezeptbuch sein. Es ist vielmehr ein Erfahrungsbericht, entstanden aus vielfältigen Beobachtungen und Versuchen, aus Irrtümern und Umwegen in der Durchführung praktischer Planungen. Wenn sich die Darstellung auch weder auf eine bestimmte Planungstheorie abstützt noch eine solche neu bilden möchte, so kann dennoch nicht verzichtet werden auf den Bezug auf wichtige, grundlegende Theorien, insbesondere aus den Informations- und Kommunikationswissenschaften, der Systemtheorie, den Verhaltenswissenschaften und den Wirtschaftswissenschaften. Es gibt aus diesen Gebieten zahlreiche Forschungsergebnisse, deren Aussagen auch auf die Spezialsituation „Planung" anwendbar sind. Diese Erkenntnisse und Ergebnisse sind in der Praxis viel zu wenig bekannt. Darüber hinaus haben Theorien eine gedankliche Systematisierungsfunktion und können so als heuristische Hilfe dienen. Deshalb ist wegen der außerordentlichen Breite, mit der das Thema „Planung" über zahlreiche Fachdisziplinen hinweg verstanden werden muß, zu einzelnen Aspekten auf die verschiedenen Ansätze und Denkrichtungen in der Literatur hingewiesen. Die Überlegungen und Erkenntnisse, die hier vorgetragen werden, können und sollen, auch wenn sie Empfehlungen für das praktische Handeln enthalten, nicht unkritisch und unreflektiert auf jede beliebige Planungsproblematik angewendet werden. So wenig es heute überhaupt möglich ist, zum Thema „Planung" eine geschlossene Darstellung zu bringen, so wenig können selbst langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet den Anspruch erheben, letztgültige Weisheiten darzustellen. Ein solcher Anspruch widerspräche auch der Idee der Planung, die davon ausgeht, daß Entwicklungen im Bereich der menschlichen Gesellschaft weder dem Zwang naturgesetzlicher Prozesse noch dem Totalitätsanspruch einer endgültigen Gesellschaftsordnung unterliegen. Mit wachsenden Anforderungen an die Problemlösungen, steigender Komplexität der Aufgaben und zunehmender Reichweite planerischen Gestaltens bedürfen gerade die Organisationsformen und Methoden des Planens der ständigen Weiterentwicklung durch Kritik, nicht aber der rezeptualen und dogmatischen Anwendung. Den Erfahrungshintergrund, auf dem diese Arbeit beruht, bilden praktische Organisations- und Strategieprobleme in Industrie und Wirtschaft. Es kann darüber hinaus erwartet werden, daß sich die hier entwickelten Grundansätze der Planungsmethodik und der Organisation von Planungsprojekten auf andere systemerneuernde (innovative) Situationen übertragen lassen, die nicht von industrieller Produktionstechnik und ihren Besonderheiten und wirtschaftlichen Zielsetzungen charakterisiert sind, also etwa in politischen und gesellschaftli-

6

Vorwort

chen Systemen, in Verwaltungen und Behörden mit ihren zahlreichen, der Industrie ähnlichen Problemlagen, oder in Bildungsinstitutionen. Nur wenige menschliche Tätigkeiten setzen derart weitreichende und bindende Fakten und haben derartige sozialhumane Relevanz wie gerade Planungstätigkeit. Wir glauben zwar, daß der Planungsprozeß technokratisch organisiert werden kann und muß. Die Planungsergebnisse können jedoch nur eine Synthese aus interdisziplinärem Wissen, soziohumanem Denken und demokratischer Repräsentation sein. Planung ist — auch und gerade in gesellschaftlichen Subsystemen wie Unternehmen, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen - ein politischer Willensbildungsprozeß. Wir möchten nicht versäumen, all denen zu danken, die durch zahlreiche Anregungen, Kritiken und praktische Hinweise zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Unser Dank gilt insbesondere der CONGENA, Gesellschaft für Planung und Organisation, die uns in großzügiger Weise unterstützt hat. Wertvolle und anregende Hilfe bei der Erstellung und kritischen Überarbeitung des Manuskriptes erhielten wir von Herrn Dipl.-Volkswirt Eckhard Miketta, Berlin. Kaltenkirchen und Mörfelden, im Mai 1971 P. B. und H. W. K.

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

5

1. GRUNDLAGEN UND BEGRIFF DER INNOVATIVEN PLANUNG

13

1.1. Komplexe Problemstellungen

13

1. 2. Entscheidungssituationen in soziotedinischen Systemen

19

1. 2.1. Der Begriff „Entscheidungssituation"

19

1. 2.2. Entscheidungssituation und Distanz zur Handlung

26

1. 2.3. Die Komplexität einer Entscheidungssituation

32

1. 2.4. Lösungen komplexer Entsdieidungsprobleme

36

2. HAUPTEINFLUSSGRÖSSEN IN PLANUNGSPROJEKTEN

42

2.1. Unsicherheit und Planungserwartungen

42

2. 2. Zeitdauer und Informationssuche

46

2.3.

49

Bedeutung und Bedingungen der Kreativität

2.4. Führung und Steuerung von Planungsprojekten

55

2.5. Kooperation und Kommunikation in Planungsprojekten

64

3. ORGANISATION UND METHODIK DES PLANENS BEI KOMPLEXEN PROBLEMSTELLUNGEN 3.1. Die Organisation des Planungsprozesses

71 71

3.1.1. Organisationsformen für die Abwicklung von Planungsprojekten 71 3 . 1 . 1 . 1 . Formen der Projektabwicklung

71

3 . 1 . 1 . 2 . Formen der Projektträgerschaft

76

3.1. 2. Die Planungsorgane und ihre Funktionen

78

3.1.2.1. Die Planungsgruppe

78

8

Inhaltsverzeichnis 3.1.2. 2. Der Beratungsausschuß

98

3.1. 2. 3. Das Entscheidungsgremium

103

3.1. 2. 4. Die Informationsgruppen

107

3 . 1 . 2 . 5 . Planungsberater und Fachexperten

110

3.1. 3. Die technisch-organisatorischen Bedingungen des Planungsprozesses 3.1. 4. Planungsorgane und Planungsablauf als integrativer Prozeß 3. 2. Planungsphasen und Methodik des Vorgehens 3. 2.1. Zeitliche und methodische Struktur des Planungsprozesses

112 114 117 117

3. 2.1.1. Phasen und Abschnitte der Planung

117

3. 2.1.2. Hypothesen und Modelle als Planungsmethoden

119

3. 2.1.3. Das Arbeiten mit Hypothesen in Planungsprozessen

121

3. 2.1. 4. Die Realisierbarkeit der Ergebnisse als Parameter der Planung 3. 2. 2. Besonderheiten und Avisgangsbedingungen beim Planungsbeginn

131

3. 2. 3. Von der Aufgabenstellung zur Problemstrukturierung

135

3. 2. 3.1. Grunddatensammlung

135

3. 2. 3. 2. Schwerpunktbildung

136

3. 2. 4. Planungsgrößen, ihre Ermittlung und Bedeutung für den Planungsprozeß

138

3. 2. 4.1. Kategorien von Planungsgrößen

138

3. 2. 4. 2. Faktenerhebungen und -analysen

140

3. 2. 4. 3. Delegation von Erhebungsarbeiten

148

3. 2. 4. 4. Prognosen und Vorhersagetechniken

150

3. 2. 4.5. Darstellungen als Mittel zur Übertragung von Planungsinformationen 3. 2.5. Vom Arbeitsmodell zum Sollmodell

151 154

3. 2. 6. Probleme beim Übergang von der Planung zur Realisierung

157

3. 2. 7. Begleitende Planungstechniken

159

Inhaltsverzeichnis

9

3. 2. 7.1. Das Timing des Planungsprozesses

159

3. 2. 7. 2. Dokumentation und Planungsbericht

163

3. 2. 7. 3. Konferenztechnik

164

Zusammenfassung

166

Literaturverzeichnis

169

Sachregister

176

Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 1: Klassifikation und Beschreibungskriterien von informationellen Prozessen nach dem Grad ihrer Determiniertheit Abb. 2: Klassifikation der Reaktionsarten eines Systems in Entscheidungssituationen Abb. 3: Schematische Darstellung der Vermaschung von zwei Teams Abb. 4: Schematische Darstellung der Vermaschung von vier Teams Abb. 5: Schematischer Vergleich zwischen sequentieller und simultaner Problembearbeitung Abb. 6: Schema der Projektabwicklung nach dem Stab-Modell Abb. 7: Schema der Projektabwicklung nach dem Projektgruppen-Modell Abb. 8: Schema der Projektabwicklung nach dem Arbeitsgruppen-Modell Abb. 9: Schema der Beziehungen bei Projekt-Einzelträgerschaft Abb. 10: Schema der Beziehungen bei Projektkomitee-Trägerschaft Abb. 11: Schema der Beziehungen bei integrierter Projektträgerschaft Abb. 12: Schema der Teamstruktur Abb. 13: Schema der Beziehungen zwischen Planungsgruppe und Beratungsausschuß Abb. 14: Schema der Beziehungen zwischen Planungsgruppen, Beratungsausschuß und Entscheidungsgremium Abb. 15: Schema der Beziehungen zwischen den Planungsorganen Abb. 16: Planungsraum Abb. 17: Agierende Planungsgruppe Abb. 18: Organisatorische Dauer- und Sonderstrukturen Abb. 19: Schema der integrativen Verknüpfung der Planungsorgane Abb. 20: Schematische Darstellung der Planungsphasen Abb. 21: Schema des Planungsvorgehens Abb. 22: Beispiel einer Zeit- und Aktivitäten-Übersicht Abb. 23: Beispiel einer Wochenübersicht Abb. 24: Ausschnitt aus einem Aktivitäten-Netzplan

1. Grundlagen und Begriff der innovativen Planung

1.1. Komplexe Problemstellungen Es gibt zahlreiche Gründe und unterschiedliche Begründungen für die Tatsache, daß die Problemstellungen in allen Bereichen des menschlichen Lebens zunehmend komplexer gesehen werden müssen. Auffällig ist vor allem das rapide Wachstum des Wissens auf allen Lebensgebieten, aber auch die Entwicklung neuer Produktions-, Transport- und Kommunikationstechniken, die Entstehung neuer Formen menschlichen Lebens und menschlicher Zusammenarbeit sowie wachsende Anforderungen an die Bewältigung technischer und wissenschaftlicher Aufgaben. Im Zusammenhang mit der Entstehung von Planungsproblematiken gibt F. Marc Fester den wichtigen Hinweis, daß Planungsprobleme sich erst stellen, „wenn die gesellschaftliche Ordnung nicht mehr als vorgegeben akzeptiert, sondern selbst als politisches Problem verstanden wird. Die prinzipielle Entscheidbarkeit und damit erst Rationalisierbarkeit gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse ist die Prämisse, die die Planung als Antithese einer naturwüchsig verlaufenden Geschichte ermöglicht". 1 In Gesellschaften, in denen der Totalitätsanspruch eines einzigen Systems von Grundwerten unbestritten ist, werden viele Sachverhalte überhaupt nicht als Problem gesehen oder akzeptiert oder sind unter Bezug auf die vorgegebenen Grundwerte leicht entscheidbar. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für gesellschaftliche Subsysteme wie Unternehmen. Planung, verstanden als ein politischer Entscheidungsprozeß zur Rationalisierung, Optimierung und Stabilisierung von Systemen, tritt als eine notwendige Aktivität vor allem in solchen Unternehmen auf, in denen nicht eine Einzelperson, wie etwa die Person des Unternehmers, Grundwerte und Ziele setzt mit unbestrittenem Geltungsanspruch, sondern in denen infolge der Pluralität der Meinungen und Zielvorstellungen innerhalb der multipersonalen Unternehmensführung grundsätzliche Entscheidungen nur durch politische Willensbildung zustande kommen. In der Bundesrepublik wie vermutlich auch in zahlreichen anderen Ländern ist die Entstehung von Planungsproblematik längere Zeit durch ideologische Mißverständnisse (Planung wurde mit Planwirtschaft identifiziert) verdeckt gewesen. Inzwischen hat sich jedoch ein neues Verhältnis und Interesse für Pla1 F. Marc Fester [32] S. 43.

14

1. Grundlagen und Begriff

nung eingestellt, das vielfältige Gründe hat, auf die hier nicht einzugehen ist. Es ist festzustellen, daß das Bewußtsein für die Notwendigkeit von Planung über die Belange eines Wirtschaftsunternehmens hinaus Einzug gehalten hat in die gesamte Palette der Haushalts-, Finanz-, Wirtschafts-, Sozial-, Außen-, Verteidigungs- und insbesondere Bildungspolitik.2 Die komplexer werdenden Problemstellungen fordern zur Verbesserung der bestehenden und zur Entwicklung neuer Lösungswege und -verfahren heraus. Steigende methodische Effizienz fördert wiederum die Tendenz zur komplexeren Sicht der jeweiligen Problemstellungen. Jedes Problem ist so komplex, wie es in der jeweiligen subjektiven Situation und von den jeweiligen Problemlösern definiert und abgegrenzt wird. Ein einfacher Gegenstand des alltäglichen Gebrauchs wie etwa ein Löffel kann vielschichtig gesehen werden: — wozu er benutzt werden kann und welche funktionalen Aspekte der Benutzung eine Rolle spielen, — aus welchem Ausgangsmaterial er hergestellt wird, wie dieses Material gewonnen und technisch aufbereitet wird und welche physikalischen Eigenschaften für die Herstellung von Löffeln bedeutsam sind, — wie das Produkt „Löffel" hergestellt und wie es vertrieben wird, zu welchem Preis, über welchen Absatzweg, in welchen Markt, — in welchen Variationen und innerhalb welches Produktsortiments es sich beim Hersteller befindet usw. Die Komplexitätsgrenzen der Betrachtung lassen sich erweitern bis zum kulturhistorischen Aspekt der Eßgewohnheiten und der Eßgeräte. Dieses Beispiel für eine vielschichtige Betrachtung eines einfachen Gegenstandes genügt zu demonstrieren, daß die Komplexität einer Fragestellung eine subjektive und situationsbedingte Festlegung ist. In den meisten Fällen reichen die zur Verfügung stehende Zeit, die Mittel und die Lösungsmethoden nicht aus, ein komplexes Problem zu lösen, ohne die Komplexität zu reduzieren. Es sind zahlreiche Formen zur kontrollierten Reduzierung der Komplexität von Problemen entwickelt und praktiziert worden. Die bekanntesten sind: — Bildung einer allgemeinen Theorie über den betreffenden Problemzusammenhang ( = Reduzierung der Komplexität durch Superierung)3, — Durchführung von Experimenten (z. B. naturwissenschaftlichen oder sozialwissenschaftlichen) in isolierten Situationen ( = Reduzierung der Komplexität durch Eliminierung bestimmter Einflußgrößen), 2 Vgl. Hans-Joachim Arndt [9] S. 177. 3 Lösungen eines Problems ergeben sich dann aus den Implikationen dieser Theorie. Infolge der Komplexitätsreduzierung bedürfen theoretische Lösungen einer mehr oder minder umfangreichen Ergänzungsuntersuchung im konkreten Einzelfall, bevor sie realisierbar sind, ähnlich wie etwa Entscheidungsmodelle mit den Fakten der realen Situation konfrontiert werden müssen.

1.1. Komplexe Problemstellungen

15

— Abbildung von Teilaspekten eines Problemzusammenhanges in Modellen (z. B. Entscheidungsmodelle) mit entsprechenden Variablen und Parametern ( = Reduzierung der Komplexität durch Selektionen und Superierung), — Zerlegung eines Problemzusammenhanges in Teilprobleme unter Beachtung der Auswirkungen der Teillösungen auf die jeweiligen anderen Teilprobleme ( = Reduzierung der Komplexität durch Segmentierung). Diese und zahlreiche weitere Problemlösungstechniken haben sich in der Wirtschaft ebenso wie in der Technik und Wissenschaft vielfach bewährt. Sie sind dennoch in manchen Fällen unzureichend, wenn nämlich die Faktenzusammenhänge des Problems Teillösungen nicht zulassen oder zu einer realitätsfernen Theorie führen würden.4 Viele, vor allem ältere, wirtschaftswissenschaftliche Theorien, in denen die vielschichtigen Handlungen des Menschen auf die eindimensionale Wirtschaftsrationalität des homo öconomicus reduziert wurden, demonstrieren deutlich die Grenzen der Theorienbildung bei komplexen wirtschaftlichen und sozialen Problemstellungen. Die Schwäche der Eindimensionalität zeigt sich auch bei der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, die sich weitgehend auf die Formalbeziehungen der Zweck-Mittel-Relationen beschränkt, und bei der Organisationssoziologie, die die technisch-ökonomischen Bedingtheiten sozialer Problemstellungen in Organisationen nicht oder nur ungenügend berücksichtigt5. Welche grundsätzlich neuen wissenschaftstheoretischen Wege zur Lösung komplexer Problemstellungen beschritten werden können, ist nicht Gegenstand dieser Schrift. Hier geht es vielmehr darum, welche Hilfen für die Praxis der Planung zur Verfügung stehen, um diffuse Ausgangssituationen komplexer Art zu strukturieren und sie einer optimalen oder akzeptablen Lösung zuzuführen. Es soll aber auch gezeigt werden, für welche offenen Fragestellungen noch Lösungen zu suchen sind. Zwei grundsätzliche und teilweise auseinanderstrebende Tendenzen in der Bewältigung komplexer Zusammenhänge sind der Praxis in Planungen festzustellen: — die Determinierungsrichtung und — die Innovationsrichtung. Die Determinierungsrichtung beinhaltet das Bestreben, große Mengen heterogener Einzelereignisse in einem System so zu standardisieren, daß sie einer (gegebenenfalls automatisierten) Massenbearbeitung zugeführt werden können. Massenverarbeitung standardisierter Erzeugnisse und Massenverarbeitung von Daten durch elektronische Datenverarbeitungsanlagen sind typische Beispiele. 4 Vgl. dazu audi Niklas Luhmann [75] S. 124. 5 Vgl. dazu die ausführlichen kritischen Erörterungen bei Helmut Ziegler [123] S. 178 ff, und Joachim Häusler [39] S. 43 ff, sowie Peter Bendixen [16].

16

1. Grundlagen und Begriff

^ G r a d der Determiniertheit inforKriterien ' mationeller Prozesse zur Beschreibung — informationeller Prozesse " •—______

Vorwiegend determinierte Prozesse

1 Ziele

Enge, exakt beschriebene Ziele, Monokausalität vorherrschend

2 Beispiele

Registrieren, Rechnen mit bekannten Kalkülen, einfache logische Operationen

3 Soziotechnische Strukturierung (Machtverteilung)

Strenge, monolithische Hierarchien, vielstufige Hierarchie möglich

4 Stabilität der soziotechnischen Struktur

Langfristig stabil, Wandel wird vermieden

5 Bildung soziotechnischex Subsysteme

Feste Grenzen, nur formalisierte Grenzüberschreitung möglich

6 Leistungskontrolle

Zwischen- und Endkontrollen sachlicher Art möglich und notwendig, Ablaufkontrolle

7 Informationeller In- und Output

Bekannte Repertoires, mit hoher Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Informationselemente

8 Ablauf (informationelle Transformation)

Zwangsablauf, keine Wahlfreiheit, Zeitvorgabe möglich, Reihenfolge der Operationen starr oder in Grenzen optimierbar, keine Entscheidungen bzw. aus wenigen Inf. Klassen/binäre Entscheidungen

9 Personale Leistungsmerkmale

Programme müssen schnell eingeübt, routiniert und reproduziert werden können, Tendenz teilweise Formatierung bei Versuch d. opt Auswahl u. Einbau globaler bzw. genereller Kontrollmechanismen.

Abb. 1:

Klassifikation und Beschreibungskriterien von informationellen Prozessen nach dem Grad ihrer Determiniertheit

17

1.1. Komplexe Problemstellungen

Vorwiegend probabilistische Prozesse

Vorwiegend innovative Prozesse

Hauptziel feststehend, Wege zur Zielerreichung schwer beschreibbar, Polykausalität vorherrschend

Nur Angabe der Aktivitätsrichtung möglich, Ziele werden meist erst gesucht

Disponieren, Akquirieren, Werben, Konstruieren

Planen, Forschen, Entwickeln

Flache, wenigstufige Hierarchien (Oligarchien), Kollegialprinzip

Teambildung (keine Hierarchie) bis zum vermachten fluktuierenden Teamkomplex

Mittelfristig stabil, zögernder Wandel

Sofortige Auflösung des Kooperativs nach Aufgabenerfüllung

Grenzen fest, jedoch für nichtformalisierte Interaktionen durchlässig

Grenzüberschreitung wird verlangt, Kompetenzabgrenzung wird vermieden

Bedingte Kontrollmöglichkeit, kontrollierbar nur Abweichungen von Veihaltensregeln, deren Bedeutung für die Ziele schwer abzuschätzen ist (bedingte Ergebniskontrolle)

Keine Kontrollmöglichkeit, Ergebniserkennung und -anerkennung nur durch Konsensusbildung

Umweltbedingter Wechsel der Repertoires, Abnahme der Redundanz

Freie Informationssuche, Bedarf an Dokumentation, Informationsgenerierung, Entscheidungskomplex, Ideologieoffenlegung der Entscheider

Auswahl aus einer großen Zahl bekannter Programme und Entscheidungsregeln, grobe Zeitschätzung möglich, hoher Koordinationsaufwand, Zuordnung von Aufgabenbündeln zu einzelnen Personen, starkes Konferenzbedürfnis, gewisser Entscheidungsspielraum, Kritik nicht erforderlich

experimentelle, heuristische Informationsverarbeitung, Zeitvorgabe nur durch freie (normative) Setzung, Zuordnung von Problemen zu Teams

Vorwissen und ¿tändige Weiterbildung erforderlich, Rollenwechsel ist zu üben, es muß kritisiert und Kritik ertragen werden können, Programmierte Instruktion

Großes Vorwissen und ständige Weiterbildung erforderlich, Rollenwechsel ist zu üben, es muß kritisiert und Kritik ertragen werden können, Teamarbeit-Regeln müssen gelernt und beherrscht werden.

18

1. Grundlagen und Begriff

Die Innovationsrichtung beinhaltet demgegenüber das Bestreben, bekannten oder neuen Aufgabenstellungen in Systemen durch Lösungen zu begegnen, die zumindest für das betreffende System neuartig sind. Das in der Wirtschaft festzustellende ständige Bemühen um neuartige Produkte, Produktionstechniken, Vertriebswege und Kooperationsformen ist Ausdruck für die steigende Bedeutung des innovativen Aspektes für komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge. Durch Standardisierung und Massenverarbeitung von Materialien und Daten werden vielfach Kapazitäten geistiger menschlicher Arbeitskraft freigesetzt, die der Innovationsrichtung zugute kommen könnten. In vielen Gebieten, gerade in der Wirtschaft, ist jedoch festzustellen, daß freigesetzte Denkkapazitäten nicht ausgeschöpft werden können, weil es die Menschen verlernt haben, kreativ zu sein bzw. weil kreativer Uberfluß sozial nicht verkraftet werden kann. Es ist deshalb nicht überraschend, daß insbesondere bei komplexen Planungsaufgaben nach der Entmischung und Strukturierung des Problems fast immer beide Tendenzen sichtbar werden. Eine Planungsaufgabe präsentiert sich am Anfang praktisch nie in einer Form, aus der die Lösungsrichtung klar hervorgeht. Komplexe Probleme weisen selten ausschließlich in die Determinierungsrichtung, beispielsweise bestimmte Arbeitsabläufe in einer Organisation zu standardisieren und zu automatisieren. Da sich zumeist eine Vielzahl von kommunikativen, sozialen und personalen Aspekten mit Fragen der Massenverarbeitung von Daten und Informationen und der organisatorischen Regelung von Dispositions- und Entscheidungsprozessen mischt, beinhaltet praktisch jede organisatorische Planungsaufgabe zugleich die deterministischen und die innovativen Vektoren. Abbildung 1 zeigt tabellarisch einen Überblick über die Klassifikationsmöglichkeiten informationeller Prozesse nach ihrem Determiniertheitsgrad sowie einige Kriterien zu ihrer Beschreibung. Die meisten Prozesse gehören der Kategorie der probabilistischen informationellen Prozesse an. Sie haben oft den Charakter taktischer Entscheidungsprozesse (z. B. Verhaltensformen bei Verhandlungen mit Kunden, Lieferanten, Banken und Behörden auf der Basis mehr oder weniger breit auslegbarer Regeln und Vorschriften in Gestalt von Preislisten, Rabattsätzen, Katalogen). Es läßt sich bei Planungen die Tendenz beobachten, daß gerade diese Prozesse zahlreiche Probleme stellen. Die Problemlösungen gehen dabei sehr oft den Weg, diese Prozesse teils zu determinieren (z. B. um sie auf elektronische Datenverarbeitung zu übertragen), teils ihren innovativen Gehalt deutlich herauszuarbeiten und dafür innovative Lösungsformen zu finden (z. B. die mit der Produktplanung befaßten Personen von allen Verwaltungstätigkeiten in ihren Abteilungen zu befreien und in einem Produktplanungsteam zusammenzufassen). Die komplexe Betrachtung eines Organisationsproblems muß deshalb neben den Aspekten der technischorganisatorischen Rationalisierung der Prozesse zwangsläufig auch die Menschen in der Organisation, ihre Rollen, Ziele, Erwartungen, Positionen und Funktionen berücksichtigen.

1. 2. Entscheidungssituationen

19

In sozialen Systemen, vor allem in Wirtschaftsunternehmen, die das freigesetzte Intelligenzpotential (z.B. durch Automatisierung der Verwaltungsarbeiten) nicht zu nutzen vermögen, weil sie zwar die Rationalisierungseffekte akzeptieren, die sich aus der Determinierungsrichtung ergeben, nicht aber die Notwendigkeit erkennen, die Mitarbeiter zu innovativen Denkleistungen herauszufordern, ist die Folge meist Frustration und Fluktuation. Die Aufforderung an die Planer, ein Problem komplex zu betrachten und möglichst alle in Frage kommenden Komponenten einzubeziehen, heißt deshalb immer, Denkpotential zu mobilisieren und Möglichkeiten der Nutzung des freigesetzten Intelligenzpotentials zu finden.

1.2. Entscheidungssituationen in soziotechnischen Systemen 1.2.1. Der Begriff „Entscheidungssituation" Das Setzen und die Verfolgung von Zielen1, seien es die Ziele eines Individuums, einer Gruppe oder ganzer Gruppenkomplexe wie Unternehmen, Parteien, Verbände oder Staatswesen, schlagen sich immer in einer Folge von Handlungen nieder. Wir nennen derartige handelnde Einheiten soziale Systeme2 (auch soziotechnische Systeme) und meinen damit, — im Unterschied zu rein technischen (z. B. Maschinen) oder rein natürlichen (z. B. biologische Wirkungszusammenhänge in einem Organismus) — solche Systeme, die durch aktives Mit- und Zusammenwirken von Menschen, ihren Werkzeugen und Arbeitsmitteln gekennzeichnet sind. Die Handlungen dieser soziotechnischen Systeme können sich auf ihr inneres Gefüge und die darin ablaufenden Prozesse erstrecken. Ein Beispiel dafür ist 1 Unter Zielen verstehen wir die Richtungen und die Richtpunkte, die sich eine Organisation setzt und an denen sich ihre Handlungen orientieren. Ziele sind Zustände, die ein System zu erreichen sucht. Vgl. auch Amitai Etzioni [31] S. 16 ff. und Hans-Joachim Flechtner [34] S. 29. Ähnlich auch die betriebswirtschaftlichen Zieldefinitionen. Vgl. z. B. Edmund Heinen [48] S. 18: „Zielentscheidungen legen den als erstrebenswert angesehenen Zustand der Unternehmung fest." Vgl. auch Werner Kirsch [61] S. 665 ff. Die zur Zielerreichung führenden Maßnahmen bezeichnen wir als Strategie. 2 Unter einem System verstehen wir allgemein mit Hans-Joachim Flechtner [34] S. 12, „organisierte Gesamtheiten, deren Bestandteile je nach der Art der Organisation des Ganzen sowie der Art der Beziehungen der Bestandteile untereinander und zum Ganzen als „Elemente", „Teile", „Glieder" usw. bezeichnet werden."

20

1. Grundlagen und Begriff

die Wahl der Form, in der ein Unternehmen seine Leistungsprozesse oder seine Führung organisiert. Die Handlungen können sich auch nach außen richten, um die Umwelt gestaltend zu beeinflussen. Beispiele dafür sind die Absatzstrategie und die Beschaffungsmaßnahmen eines Unternehmens. Die Handlungen sind Aktionen und Reaktionen mit unterschiedlicher Bedeutung und Reichweite. Die einzelnen Entscheidungen und die darauf folgenden Handlungen eines soziotechnischen Systems ergeben sich nicht aufgrund logischer Zwangsläufigkeiten. Selten ist festzustellen, daß die eine Entscheidung bzw. Handlung logisch durch die vorhergehende zwingend bestimmt ist. Wenn ein Unternehmen eine Werbekampagne am Markt durchführt und kurz darauf die Preise seiner Produkte heraufsetzt, so besteht zunächst kein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen beiden Handlungen. Das Unternehmen hätte unter bestimmten Umständen auch die Preise anschließend senken können, etwa dann, wenn man erkennen muß, daß die werblichen Maßnahmen nicht ausreichten, um die Nachfrage anzuregen, und nunmehr Preissenkungen erforderlich sind, damit die vorhandenen Produktionskapazitäten genutzt werden. Im Sinne einer bestimmten Beurteilung des Marktes und bezogen auf ein bestimmtes Ziel, das das Unternehmen zu erreichen trachtet, kann aber die Handlungsfolge durchaus folgerichtig sein. Die Wahl unter verschiedenen Handlungsalternativen wird also gesteuert einerseits durch das Ziel, das das System verfolgt, und andererseits durch die Beurteilung der Lage, in der es sich gerade befindet. Da die Ziele des Systems, soweit sie Ziele in konkreten Situationen sind, (z. B. die Marktziele eines Unternehmens) und nicht einen formalen Systemzweck wie etwa Gewinnmaximierung beinhalten 3 , letztlich wiederum umweltbedingt oder umweltbeeinflußt sind, kann man sagen, daß die jeweilige Lage des Systems in seiner Umwelt es zu bestimmten Handlungen herausfordert. Durch diese Handlungen sollen die bestehenden Diskrepanzen zwischen der Situation und Zielkonstellation des Systems einerseits und der Umwelt andererseits beseitigt werden. Dies kann durch Änderungen im System (z. B. Änderung bisheriger Entscheidungs- und Verhaltensregeln, Einführung rationeller Arbeitsmethoden oder billigerer Produktionstechniken) oder durch gestaltenden Eingriff in die Umwelt (z. B. Ankauf von Beteiligungen, Kündigung von Koope-

3 In der Theorie, insbesondere in der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie, wird vielfach eine Identität zwischen dem allgemeinen Systemziel und dem Wertmaßstab, der in einer konkreten Entscheidungssituation die Wahl der optimalen Alternative ermöglicht, unterstellt. So wird beispielsweise aus der Beobachtung, daß sich Unternehmen in Entscheidungssituationen nach dem Prinzip verhalten, die jeweils gewinnträchtigste Alternative zu wählen, geschlossen, daß die Maximierung des Gewinns zugleich das allgemeine und oberste Unternehmensziel sei. Vgl. kritisch dazu auch Niklas Luhmann [75] S. 71 ff., Frieder Naschold [87] S. 36 und Peter Bendixen [17].

1. 2. Entscheidungssituationen

21

rationsverträgen, Beeinflussung des Käuferverhaltens durch Werbung) erreicht werden. Die Diskrepanzen bestehen im Prinzip in Ungleichgewichten, Unvereinbarkeiten und Widerständen, die sich in Störungen im Austausch von Informationen, Energie und Materie zwischen einem System und seiner Umwelt bemerkbar machen 4 . Dieser Austausch ist für die Realisierung der Ziele des Systems lebensnotwendig. Er erfolgt in einer systemspezifisch geordneten Weise, d. h. aus der vergleichsweise großen Zahl an Möglichkeiten des Informationsaustausches sowie des Austausches an Energie und Materie, die die Umwelt bietet, wird ausgewählt, was das System entsprechend seinen Zielen und Kapazitäten bearbeiten kann. Auf die Bewältigung dieser selektierten informationellen, energetischen und materiellen Prozesse ist die interne Struktur des Systems ausgerichtet. Treten Störungen auf, so kommt es zu Korrekturen der inneren Struktur, der Kapazitäten oder der Ziele. Jedes unter marktwirtschaftlichen Bedingungen arbeitende Unternehmen ist auf den Austausch von Waren, Rohstoffen, Geldmitteln, Nachrichten und Dienstleistungen mit seinen Märkten angewiesen und dadurch vielfältig mit seiner Umwelt (d. h. seinen Märkten) verbunden. Ist beispielsweise zu einem bestimmten Zeitpunkt die Beschaffung eines Rohstoffes für die Fertigung gehemmt oder vollständig unterbrochen, muß das Unternehmen entweder die Fertigung vorübergehend einstellen oder nach Ersatzstoffen suchen oder andere geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Störungen zu beheben. Es besteht hier eine Diskrepanz zwischen den Erfordernissen des Systems und den Möglichkeiten und Bedingungen der Umwelt, hier speziell des Beschaffungsmarktes. Die Entscheidungen sind nicht immer so gravierend wie in dem genannten Beispiel. Soziotechnische Systeme wie ein Unternehmen, eine Partei oder eine Hochschule sind praktisch in jedem Augenblick zu Maßnahmen kleineren oder größeren Umfangs herausgefordert. Da sind Mitarbeiter zu werben, zu versetzen, zu unterrichten, Verhandlungen zu führen, Reklamationen zu bearbeiten, Belege zu prüfen, organisatorische Änderungen zu planen und durchzuführen, Einkäufe zu tätigen. Für eine Vielzahl von wiederkehrenden und überschaubaren Situationen kann das System Regeln entwerfen, nach denen geeignete Handlungen ohne Zeitverlust gewählt werden können: Richtlinien, Anordnungen, Satzungen, Gesetze, Programme und Arbeitsanweisungen. Neben diese formalisierten treten durch Moral, Sitte, Ideologie und ähnliche kollektive Normen informell 4 Man kann diese Diskrepanzen auch als Auslöser von Lernprozessen im System bezeichnen. Den Zusammenhang zwischen Lernprozeß und innovativem Entscheidungsprozeß stellt u. a. Frieder Naschold [87] S. 58 ff. her. Vgl. auch Otto Walter Haseloff [44] S. 153 f. Ähnlich auch Heribert Meffert [85] S. 785.

22

1. Grundlagen und Begriff

erzwungene Verhaltensschemata. Mit Hilfe derartiger Regeln und Normen oder allgemein Entscheidungsprogrammen5 organisieren sich die Systeme9. Störungen oder Diskrepanzen, die ein System mit Hilfe seiner Organisation absorbieren kann, indem es die Regeln anwendet und die dazugehörigen Handlungen auslöst, lassen sich nunmehr unterscheiden von solchen Störungen oder Diskrepanzen, für die keine oder keine eindeutigen, operationalen Entscheidungsprogramme im System vorhanden sind und die deshalb nicht absorbiert werden können. In diesen Fällen wird die Organisation selbst, d. h. ihre Struktur, ihre Ziele und ihre Strategien in Frage gestellt. Die Vorgabe verbindlicher Ziele, die mehr sind als programmatische Aussagen, nämlich unmittelbare Entscheidungshilfen an den Entscheidungsstellen ihres Geltungsbereiches, bedeutet ebenfalls die Festlegung von Entscheidungsprogrammen, wenn auch mit einem relativ weiten Interpretationsspielraum7. Es ist aber den betreffenden Entscheidungsträgern möglich, sich mit Hilfe dieser Ziele in Entscheidungssituationen zu orientieren und zu handeln, ohne daß die Strukturen und die anderen Ziele und Strategien des Systems in Frage gestellt und ein Suchprozeß nach grundsätzlich neuen Lösungen in Gang gesetzt werden muß. Erst wenn Ereignisse eintreten, durch die die Zielerreichung verhindert wird, muß ein Problemlösungsprozeß als Entscheidungsprozeß zur Definition neuer Ziele und gegebenenfalls Strukturen und Strategien für das System eingeleitet werden. Als ein solches operationales Ziel kann beispielsweise die Anweisung an • den Vertrieb eines gegenwärtig schon marktbeherrschenden Unternehmens angesehen werden, bis zum Jahre X den Marktanteil für das Produkt A auf y °/o in die Höhe zu treiben, damit es sich für die Konkurrenten nicht mehr lohnt, um des verbleibenden Marktanteils willen umfangreiche Investitionen für technologische Neuentwicklungen auf dem betreffenden Produktgebiet zu tätigen. Erscheinen dann von ganz anderer Seite her unerwartet Substitutionsprodukte oder investiert die Konkurrenz trotzdem in Forschung und Entwicklung, wird dieses Ziel wieder in Frage gestellt werden müssen. 5 Den Terminus „Entscheidungsprogramm" verwendet in diesem Zusammenhang vor allem Niklas Luhmann [74] S. 324 ff. 6 Vgl. auch Knut Bleicher [19] S. 58 ff. 7 Herbert Hax unterscheidet zwei Formen der Formulierung von Verhaltensnormen für Entscheidungssituationen: a) explizite Verhaltensnonnen ( = es sind genaue Weisungen über die jeweils zu wählenden Handlungsalternativen gegeben), b) implizite Verhaltensnormen ( = es sind nur Ziele vorgegeben). Es muß beachtet werden, daß die Formen von Verhaltensnormen unter den hier gewählten Begriff „Entscheidungsprogramm" fallen, sofern es sich bei den impliziten Verhaltensnormen um operationale Ziele handelt. Vgl. auch die folgenden Ausführungen sowie Herbert Hax [47] S. 73 ff.

1.2. Entscheidungssituationen

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Programmatische Imperative wie „Gewinnmaximierung" sind keine Ziele im Sinne eines für das System angestrebten Zustandes8. Wenn in der betriebswirtschaftlichen Literatur der maximale Gewinn auch heute noch vielfach als oberstes Unternehmensziel postuliert wird,8 so wird zu wenig beachtet, daß das Maximum einer Zielfunktion nur unter der Annahme bestimmt werden kann, daß es irgendwelche Restriktionen (Beschränkungen durch die Gegebenheiten des Systems) gibt. Der maximale Gewinn ist deshalb kein Ziel, sondern kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Regelgröße darstellen, welche bestimmte Prozesse im System in einen angestrebten Systemzustand ( = Ziel) steuern oder regeln soll. Das Prinzip der Gewinnmaximierung kann also nur, wenn überhaupt, innerhalb einer konkreten Entscheidungssituation als ein Selektionsprinzip von Alternativen angewendet werden. Es wirkt also nur kurzfristig. Kurzfristig anwendbar ist es zudem auch nur als operationales Ziel. Die Operationalität eines Zieles bedeutet dabei, daß der Grad der Zielerreichung gemessen werden kann. Dies ist nicht in allen Entscheidungssituationen der Fall. Beispielsweise sind Investitionen in Forschung und Entwicklung ebensowenig hinsichtlich ihrer Erfolgskomponente meßbar wie Ausgaben für eine Werbekampagne. Überhaupt nicht meßbar sind auch so wichtige Sachverhalte wie die Konsequenzen von Personalentscheidungen und sozialen Maßnahmen. Langfristige Gewinnmaximierung dagegen ist als ein Unternehmensziel ein Widerspruch zur Zieldefinition, da langfristige Überlegungen bedeuten, auch den augenblicklichen Systemzustand als variabel anzusehen. In diesem Falle läßt sich überhaupt nicht bestimmen, was das Gewinnmaximum10 ist. Das ergibt sich schon aus der (mathematischen) Überlegung, daß das Gewinnmaximum aus der Zielfunktion nur bestimmbar ist, wenn wirtschaftliche oder technische Beschränkungen gegeben sind. Praktisch bedeutet das beispielsweise die Annahme begrenzter Produktionskapazitäten oder begrenzter Finanzmittel. Nur im Rahmen solcher oder ähnlicher Gegebenheiten (Restriktionen, Parameter) läßt sich 8 Vgl. z. B. die Kennzeichnung des Zielbegriffes bei Edmund Heinen [48] S. 18. 9 So z. B. Peter Hammann [43]. 10 Vgl. dazu ausführlicher Peter Bendixen [17] und Niklas Luhmann [75] S. 74. Die Ansicht von Hans Karl Vellguth [117] S. 471, daß eine kurzfristige Gewinnmaximierung in der Praxis nicht genüge, sondern „daß die Gewinnmaximierung eine nachhaltige sein muß", steht dem nur scheinbar entgegen. Sie bedeutet nämlich genau genommen nur, daß der maximale Gewinn als Regelgröße oder Selektionsprinzip für eine unbestimmte Zeit in allen Entscheidungssituationen gelten soll, sofern dies nicht zur Selektion von Alternativen führt, die mit den langfristigen Zielen des Unternehmens nicht in Einklang stehen. Demgegenüber postuliert Peter Hammann [43] gerade umgekehrt (und keineswegs einleuchtend) die Existenz eines langfristigen Gewinnstrebens als dem dominanten und praktizierten Ziel. Weder die Begründungen noch die Folgerungen Peter Hammans sind zwingend.

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1. Grundlagen und Begriff

überhaupt theoretisch ein maximaler Gewinn ableiten (praktisch kämen allerdings auch dann noch weitere erhebliche Schwierigkeiten hinzu). Unter langfristigen Perspektiven müssen jedoch alle Tatbestände eines Systems und seiner Umwelt als veränderlich betrachtet werden. Dabei gibt es eine Anzahl verschiedener Systemzustände, die angestrebt werden können ( = Ziele), z. B. verschiedene Wachstumsziele. Die Auswahl (Entscheidung) dieser Ziele kann nicht dem Prinzip der Gewinnmaximierung unterliegen, weil dazu bereits bestimmte system- und umweltbezogene Festlegungen erfolgt sein müßten, die aber gerade erst Inhalt der Zielentscheidungen sind.11 Die Unterscheidung der Reaktionsformen eines Systems auf Störungen oder Beeinflussungen aus der Umwelt in einerseits Absorption mit Hilfe der geltenden Entscheidungsprogramme (auch der Ziele) und Ziel- oder Strukturänderungen andererseits bezieht sich folglich darauf, ob der augenblickliche bzw. angestrebte Systemzustand grundsätzlich geändert werden muß oder nicht. 12 Die Grenze zwischen Absorption und Ziel- bzw. Strukturänderungen ist fließend. Jede Regel ist für die Anwendung auf eine mehr oder weniger weit definierte Klasse von gleichartigen oder ähnlichen Entscheidungssituationen formuliert und bedarf in jedem Einzelfall einer Auslegung, ähnlich den Gesetzesnormen. Insbesondere bei extensiver Regelauslegung wird mit jedem neuen Fall die Substanz der Regel und damit die Organisation selbst geändert, wenn auch meist nur limitational, so daß die Änderungen kaum spürbar sind. Man kann deshalb im Prinzip zwei Anpassungsformen bei Organisationen beobachten. Die erste besteht in einer sich mitentwickelnden Regelauslegung. Voraussetzung dafür ist eine relativ offene Fassung der Regel 13 . Die zweite Form be11 Die Frage der Unternehmensziele und des Prinzips der Gewinnmaximierung hat für die Praxis eine große Bedeutung. Auf die Frage nach den Unternehmenszielen wird sehr häufig mit dem Terminus „Gewinnmaximierung" geantwortet, ohne daß man sich darüber klar ist, inwiefern dies mehr ist als eine von der betriebswirtschaftlichen Theorie benutzte Zielprämisse für die Konstruktion von abstrakten Entscheidungsmodellen. Gelegendich wird in der Praxis sogar bei komplexen Planungsprojekten mit der Zielvorgabe „Gewinnmaximierung" operiert. 12 Erwin Grochla unterscheidet diese beiden Reaktionsformen mit den Begriffen der „primären Regulation" ( = Reaktion auf Störungen durch strukturelle Änderungen) und „sekundäre Regulation" ( = Reaktion auf Störungen durch funktionell und strukturell determinierte Mechanismen). Vgl. Erwin Grochla [37] S. 9 f. 13 Beispiel: „Die Höhe der zu gewährenden Rabatte ist von der jeweiligen Marktsituation abhängig zu machen und muß den Auftragswert berücksichtigen. Der Rabatt soll jedoch nicht die Höhe von x °/o überschreiten." Diese Regel gestattet bei unübersichtlicher und variabler Marktlage eine relativ geschmeidige Akquisition, birgt aber die Gefahr einer allzu nachgiebigen Haltung gegenüber den Kunden in sich. Eine sehr enge, keinen Ermessensspielraum für schwierige Verhandlungspositionen und Marktlagen gewährende Regel definiert die Bedingungen der Einräumung von Rabatten genau.

1. 2. Entscheidungssituationen

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steht demgegenüber in einem verhältnismäßig häufigen Ersatz vorhandener Regeln durch neue, was bei jeweils enger Definition der Regel notwendig wird14. Ähnliche Anpassungsstrategien von Systemen hat Niklas Luhmann für Funktionen und ihre Änderungen in Organisationen beschrieben.15 Für Regeln, die extensiv ausgelegt werden und sich in ihrer Substanz dadurch den äußeren Umständen entsprechend mitentwickeln können, ist charakteristisch, daß sie sich eher durch Beispiele als durch exakte Formulierungen beschreiben lassen. Sie sind Generalklauseln mit einer erläuternden Fallsammlung. Die zweite Form von Regeln, die einen genau umgrenzten Ermessungsspielraum angeben, enthalten demgegenüber meist sehr präzise Kriterien für ihre Anwendung. Die Anpassung der Regel erfolgt dann häufig durch Änderung, Hinzufügung oder Streichung derartiger Kriterien. Ist nun eine bestimmte Situation gegeben, die das System zum Handeln herausfordert, so gibt es immer mehrere Alternativen, für die sich das System entscheiden kann, gleichgültig, ob es mit vorhandenen Regeln oder Entscheidungsprogrammen auf die Situation reagiert oder ob ein spezieller Entscheidungsprozeß (Suchprozeß, Problemlösungsprozeß) eingeleitet wird, der zu Zieloder Strukturänderungen führt. Es ist einleuchtend, daß es dabei um die Wahl derjenigen Handlungsalternative geht, die im Sinne der jeweiligen Zwecksetzungen des Systems die Diskrepanz zwischen System und Umwelt am besten beseitigt. Worin besteht dabei die Problematik der Entscheidungsfindung in der Realität? Da sich zwei Alternativen — die Erörterungen mögen sich hier auf die Wahl zwischen zwei Handlungsmöglichkeiten beschränken — nicht in allen Einzelheiten oder nur in den wenigsten gleichen (sonst wären sie eben keine Alternativen), muß ein Urteil gefunden werden darüber, welche von beiden die wirksamere ist. Die Urteilsfindung setzt die Kenntnis (Information) voraus, — mit welchem Wirkungsgrad jede von ihnen das Problem lösen kann (d. h. die Störung beseitigt), — welche positiv oder negativ zu bewertenden Nebeneffekte mit jeder von beiden Alternativen verbunden sind und — welche Opfer, Anstrengungen, Kosten oder sonstigen Nachteile das System bei jeder der in Frage kommenden Alternativen auf sich nehmen muß. Die Problematik besteht im wesentlichen darin, daß die für die Urteilsfindung benötigten Kenntnisse im Realfall unzureichend sind. Einerseits sind die Kenntnisse unvollständig, andererseits braucht das, was man glaubt zu wissen, nicht mit dem übereinzustimmen, was tatsächlich ist. 14 Vgl. dazu auch Niklas Luhmann [74] S. 326 ff. 15 Vgl. Niklas Luhmann [76] S. 137 ff.

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1. Grundlagen und Begriff

Steht genügend Zeit zur Verfügung, ist also die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Situation und dem spätesten Zeitpunkt des Beginns der Handlungen relativ lang, kann die Wahl zumindest erleichtert werden, indem die Unvollständigkeit und Unsicherheit der Kenntnisse durch Untersuchungen über die Faktenkonstellation der Entscheidungssituation reduziert wird. Es können solange Informationen gesammelt werden, bis die Entscheidungskriterien einer der Alternativen eindeutig den Vorzug geben. Die Realität zwingt aber im allgemeinen dazu, die Informationssuche abzubrechen und zum Handeln zu schreiten, bevor vollständige Kenntnis besteht. Unvollständige Information und der Zwang zum Handeln infolge eines zu geringen zeitlichen Spielraumes sind charakteristische Eigenschaften einer jeden Entscheidungssituation in der Realität. Für die im folgenden noch zu erarbeitende Definition des Begriffs „Planung" spielt die Distanz zur Handlung eine besondere Rolle. In komplexen Entscheidungssituationen, die unbefriedigend und risikoreich gelöst würden, wenn die Entscheidungen auf nur wenigen durch Fakten gestützten Kenntnissen beruhen, muß ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, um weitreichende Analysen der Situation und Handlungsalternativen betreiben zu können. Entscheidungssituationen dieser Art müssen rechtzeitig erkannt und als solche behandelt werden.

1.2.2. Entscheidungssituation und Distanz zur Handlung Ein System, das Entscheidungssituationen nicht rechtzeitig erkennt und sie nicht nach ihren zu erwartenden Konsequenzen differenziert, ist auf die Dauer nicht lebensfähig. Rechtzeitig bedeutet hier, daß die Notwendigkeit des Handelns so früh erkannt wird, daß genügend Zeit für die Wahl der richtigen Alternative und den Vollzug der Entscheidung durch eine geeignete Handlung zur Verfügung steht. Differenzieren heißt dabei, die Reichweite und Vielschichtigkeit des Entscheidungsproblems zu erkennen und zu gewichten. Da die Handlung selbst in ihrem Zeitbedarf meist nicht wesentlich verkürzt werden kann1*, geht ein zu spätes Erkennen einer Entscheidungssituation entweder zu Lasten der Handlungsvorbereitung, d. h. zu Lasten des zeitlichen Spielraums für eine methodische Analyse der Handlungsalternativen, ihrer Bewertung und der überlegten Wahl, oder es kommen überhaupt nur solche Handlungen als Entscheidungsalternativen in Betracht, deren Ausführung relativ wenig Zeit beansprucht. Meistens sind diese „einfachen" Lösungen die Alternativen mit vergleichsweise geringer Effizienz. So macht sich beispielsweise das Versäumnis einer langfristigen Planung häufig in einer Fülle von improvisierten 16 z. B. wenn ihr Ablauf technisch oder physikalisch determiniert ist wie der Fertigungsablauf in einer Fabrik.

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1. 2. Entscheidungssituationen

Maßnahmen bemerkbar, die zwar für den Augenblick die jeweiligen Probleme lösen, aber, da sie eine Art Notbehelf sind, ständig neue Probleme aufwerfen 17 . Es ließen sich hierzu fast unbegrenzt viele Beispiele aus dem Bereich der Wirtschaft ebenso wie aus der Politik anführen. Die spontane Reaktion auf Entscheidungssituationen kann jedoch nur in dem Maße als improvisiert und damit nachteilig für das System gelten, als generelle Regeln für das Handeln in Entscheidungssituationen nicht festgelegt sind. Für eine im allgemeinen relativ große Zahl von ständig wiederkehrenden und in ihren Eigenschaften gleichen oder wenigstens sehr ähnlichen Entscheidungssituationen lassen sich Regeln (Entscheidungsprogramme) finden, die einer bestimmten Entscheidungssituation definierte Handlungsweisen zuordnen18. So kann man z. B. für die Verkaufsverhandlungen mit Kunden den Verkäufern die Regel vorschreiben, einen Mengenrabatt von x nur bei Abnahmemengen von y und mehr zu gewähren. Das schnelle Reagieren, das vor allem in taktischen Situationen, wie sie namentlich Verhandlungen darstellen, verlangt wird, ist im obigen Sinne nicht improvisiert, sondern systematisiert und reglementiert, soweit es auf der Anwendung von Regeln beruht (Vgl. auch Abb. 2). Solche „einfachen" Entscheidungsregeln sind entweder binär (d. h. ja/neinEntscheidungen oder wenn/dann-Bedingungen) oder in Bandbreiten (von . . . bis . . . ) festgelegt. Einzelentscheidungsprozesse dieser Kategorie können zu Entscheidungsnetzen zusammengeschaltet werden. Der zeitliche Entscheidungsspielraum ist klein

liegen vor Entscheidung»programme liegen nicht vor

Abb. 2:

groß

Determinierte Reaktionen des Systems

Standardisierte Reaktionen des Systems

Beispiel: Automatische Disposition von Warenbeständen

Beispiel: der jährlich aufzustellende Umsatzplan, abzuleiten aus den Stückzahlprognosen und den Preiserwartungen

Improvisierte Reaktionen des Systems

Geplante Reaktionen des Systems

Beispiel: Fertigungssteuerung bei Kapazitätsausfall durch Krankheit oder Maschinenschaden

Beispiel: schrumpfende Märkte für die alten Produkte lösen die Planung einer neuen Marktstrategie aus

Klassifikation der Reaktionsarten eines Systems in Entscheidungssituationen

17 Zur Frage des rechtzeitigen Erkennens von Entscheidungssituationen und den damit verbundenen Risiken für das System vgl. auch Knut Bleicher [19] S. 63 f. und Frieder Naschold [87] S. 58. 18 Vgl. auch Herbert A. Simon [111] S. 74.

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1. Grundlagen und Begriff

Entscheidungssituationen, die nicht durch Anwendung gegebener Programme geregelt werden können, sei es, daß sich solche Regeln nicht aufstellen lassen, weil diese Situationen relativ selten vorkommen, sei es, daß die Problemstruktur sehr komplex ist, oder sei es, daß die Entscheidungssituation für das System neu ist, sind vor allem hinsichtlich des rechtzeitigen Erkennens problematisch. Es handelt sich dabei vielfach um Entscheidungen mit interdependenter und mehrdimensionaler Faktenkonstellation. Es sind Entscheidungen von größerer Tragweite für das System: — zielsetzende und strategische Entscheidungen (Beispiele: ein Unternehmen will neue Märkte für seine Erzeugnisse schaffen; eine politische Partei will ein neues Grundsatzprogramm aufstellen), — Strukturentscheidungen (Beispiele: ein Unternehmen will seinen monolithischen hierarchischen Aufbau umwandeln in mehrere sich selbst regulierende Untereinheiten; das Verkehrsnetz einer Region soll den geänderten Wirtschaftsaktivitäten und Lebensgewohnheiten der Bevölkerung angepaßt werden.) Zielsetzende Entscheidungen lösen die bisher geltenden Ziele und Strategien des Systems ab. Da zwischen Ziel und Struktur eines Systems eine sehr enge Beziehung besteht, erfordert eine neue Zielsetzung stets auch zumindest eine Uberprüfung der bestehenden Struktur, um gegebenenfalls notwendig werdende Anpassungsmaßnahmen einleiten zu können. Strukturänderungen orientieren sich umgekehrt an den bestehenden Zielen und Strategien und veranlassen unter Umständen deren Anpassung oder Weiterentwicklung19. Theoretisch sind zwar alle vier Fälle denkbar: (a) Zieländerungen, ohne daß Strukturänderungen notwendig sind, (b) Zieländerungen bei gleichzeitiger Strukturänderung, (c) Strukturänderung aufgrund geänderter Umweltbedingungen, ohne daß dadurch Zieländerungen erforderlich werden, (d) Strukturänderungen, die zugleich Zieländerungen zur Folge haben. Praktisch wird man jedoch in jedem Falle zumindest überprüfen, ob nicht im Gefolge einer Zieländerung Strukturanpassungen notwendig werden und umgekehrt. Man muß wahrscheinlich eine wesentlich engere Beziehung sehen zwischen der konkreten Zielsetzung und der Struktur des Umwelt- und Systemausschnittes, für den das Ziel gilt20. Untersucht man beispielsweise die Vertriebsorganisation eines Unternehmens auf ihre Effizienz, so ist das Prinzip, sich für die gewinnträchtigste Strukturalternative zu entscheiden, eine zwar zu beachtende, aber keinesfalls die ausschließliche Komponente des Entscheidungsprozesses. Viel wichtiger sind in diesem Zusammenhang die gesamten Marktziele 19 Vgl. auch Hans-Joachim Flechtner [34] S. 29. 20 Vgl. dazu im einzelnen auch Helmut Ziegler [123] S. 189 ff.

1.2. Entscheidungssituationen

29

und Strategien des Unternehmens. Fast jede vertriebsorganisatorische Maßnahme beeinflußt die Absatz- und Marktziele und umgekehrt. In Entscheidungssituationen der soeben geschilderten Art läßt sich die optimale Alternative des Handelns nicht durch Anwendung bestehender Regeln finden, weil die Bedingungen für derartige Situationen wechseln und sich daher nicht klassifizieren und standardisieren lassen, um daraus generelle Entscheidungsprogramme abzuleiten. Es müssen folglich spezielle Analysen der Situation und der Handlungsmöglichkeiten durchgeführt, die Alternativen geprüft und bewertet und schließlich detaillierte Handlungsanweisungen erarbeitet werden, bevor der erste Schritt zur Realisierung des Geplanten getan werden kann. Das erfordert Zeit und setzt damit ein frühzeitiges Erkennen der Entscheidungssituation voraus. Jedes System kann spezielle Organe ausbilden, die das rechtzeitige Erkennen von Entscheidungssituationen gewährleisten und durch systematische Aufbereitung relevanter Informationen Vorleistungen für künftige Entscheidungen erbringen sollen 21 . Forschungsabteilungen und Entwicklungsteams, die sich mit zukünftigen Technologien und speziellen Produkttechniken und deren Weiterentwicklung befassen, sowie Marktforschungsabteilungen sind bekannte Beispiele dafür. Die Informationen, die diese Organe zu liefern vermögen, reichen allein jedoch nicht aus, um sicherzustellen, daß Entscheidungsprozesse zur Bestimmung neuer Ziele, Strategien und Strukturen auch tatsächlich eingeleitet werden. Die Entscheidungsträger müssen zugleich einen Zwang zum Handeln empfinden, sie müssen die Notwendigkeit akzeptieren, daß die Entscheidungssituationen, die auf das System zukommen, tatsächlich zum Handeln herausfordern. Da allem Zukünftigen die Beweiskraft des Faktischen fehlt, unterliegen die Informationen, die die genannten Organe liefern, in ihrer Gewichtung weitgehend der subjektiven Beurteilung und individuellen Handhabung der Entscheidungsträger. Man kann die Aussagen über die Zukunft ernst nehmen oder eine abwartende Haltung einnehmen, man kann sich ihnen mit Risikobereitschaft oder mit hohem Sicherheitsbedürfnis stellen. Kommt bei den Entscheidungsträgern eine Bereitschaft zum Handeln nicht oder nicht rechtzeitig zustande, so ist eine systematische Handlungsvorbereitung nicht mehr möglich 22 . Die Ausbildung spezieller Organe, die ihren Blick in die Zukunft richten, wird vielfach beschränkt auf die für das System wesentlichen Aspekte der Umwelt. Für ein industrielles Unternehmen gehören zu den wesentlichen Zukunftsaspekten der Markt und seine Entwicklungen und die Produkte mit ihrer technologischen Zukunft. Deshalb sind Marktforschung und Produktforschung wichtige Funktionen in einem Unternehmen und sind zumeist als spezielle Or21 Vgl. Frieder Naschold [87] S. 58. 22 Vgl. auch Frieder Naschold [87] S. 59.

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1. Grundlagen und Begriff

gane (Abteilungen) ausgebildet. Die Notwendigkeit struktureller Änderungen ergibt sich darüber hinaus auch aus der Registrierung von häufig auftretenden Störungen im System und in den Beziehungen zwischen System und Umwelt. Ob die Bearbeitung der vielfältigen Notwendigkeiten zur Erreichung einer dynamischen Innenstruktur eines Unternehmens Aufgabe der Organisationsabteilung sein soll oder der Unternehmensleitung vorbehalten ist, ist in der Praxis ein strittiger Punkt 23 . Daß für neue Unternehmensstrukturen auch eine systematische Zukunftsanalyse erforderlich ist und daß dies durch Planung geschehen muß, wird zwar nicht generell bestritten, aber noch wenig in die Praxis umgesetzt. Manche Unternehmen, aber auch andere soziotechnische Systeme, finden sich erst dann zu organisatorischen Maßnahmen bereit, wenn die Zahl der Fehler auffällig groß und die negativen Folgen deutlich sichtbar geworden sind oder wenn interner oder externer Druck ein Aufschieben nicht länger zulassen. Typische Beispiele: Zunahme der Fehlerquoten, steigende Personalfluktuation, spontane Arbeitsniederlegungen, Verknappungen an den Rohstoffmärkten, Preisdruck der Wettbewerber. In vielen Unternehmen wird das Mittel der statistischen Erfassung und Aufbereitung von Informationen mit großer Perfektion betrieben, oft ohne Rücksicht auf den Wert der Informationen. Daß eine statistische Erfassung von Fehlern oder Signalen, die auf Fehler schließen lassen, oft von größerem Erkenntniswert ist als eine vollständige Darstellung alles normal Verlaufenden, wird selten gesehen. Hierin läge aber eine beträchtliche Chance, die Notwendigkeiten struktureller Änderungen im System rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden, daß Notlösungen für den Einzelfall (also Improvisationen) generelle Problemlösungen verdrängen. Das gleiche gilt nicht nur für wirtschaftliche Mikrosysteme wie Unternehmen, sondern ebenso im gesellschaftspolitischen Makrobereich. Eine der häufigsten Ursachen für organisatorische Schwierigkeiten größeren Ausmaßes liegt darin, daß jahrelang die große Zahl kleiner Störungen durch Notlösungen beseitigt wird, die dann ihrerseits allmählich den Charakter des Normalen annehmen, weil sich die Systemmitglieder an sie gewöhnt haben. Erst dann, wenn sich aus den strukturellen Improvisationen die Störungen häufen, wird über Änderungen gesprochen. Ob sie dann noch durchgeführt werden oder überhaupt durchführbar sind, ist oft zweifelhaft. 23 H. E. Littmann bestreitet sogar, daß Strukturfragen in einem Unternehmen überhaupt Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre sein können. Das gelte erst recht für die organisatorische Praxis. Die Begründung, daß in der Praxis der Organisator nur selten mit derartigen Problemen konfrontiert wird, weil sich die Unternehmensleitungen diese Themen vorbehalten, ist allerdings etwas merkwürdig. Vgl. H. E. Littmann [72].

1 . 2 . Entscheidungssituationen

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Ist eine Entscheidungssituation erkannt worden und haben die zuständigen Entscheidungsträger die Notwendigkeit zur Handlung rechtzeitig akzeptiert, kann ein Prozeß systematischer Handlungsvorbereitung eingeleitet werden. Einen Entscheidungsprozeß dieser Art nennen wir Planung. Zusammenfassend läßt sich somit sagen: Ein System reagiert auf Entscheidungssituationen entweder durch seine Organisation, d. h. mit einem System von Entscheidungsprogrammen an den verschiedenen organisatorischen Stellen, oder je nach dem zeitlichen Spielraum bis zum Handlungsbeginn durch Improvisation oder Planung.24 Die Lösung von Entscheidungssituationen durch Organisation impliziert die relative Kontinuität der bestehenden Systemziele und Systemstrukturen. Wandlungen vollziehen sich dabei nur durch das allmähliche Mitentwickeln der Interpretationen der Ziele und organisatorischen Regeln. In einer sich kaum oder nur sehr langsam wandelnden Umwelt kann ein System über große Zeitstrecken hinweg ohne spürbare Änderung seiner Ziele und Strukturen existieren. Kontinuität der Umweltbedingungen hat Stabilisierung des Systems und Standardisierung von Regeln und Abläufen zur Folge. Es besteht eine enge Korrelation zwischen der Dynamik der Umwelt und der Notwendigkeit struktureller und strategischer Wandlungsfähigkeit und Zielanpassungsfähigkeit soziotechnischer Systeme. In einer dynamischen Umwelt, in der mit einschneidenden, zuweilen auch abrupten Änderungen (zum Beispiel durch häufige technologische Neuerungen oder durch soziale oder politische Umschichtungen) gerechnet werden muß, müssen die Ziele 25 und die Strukturen des Systems relativ oft geändert werden. Die Lösung dieser Entscheidungssituationen geschieht, wenn nicht mangels Zeit improvisiert werden muß, in der Regel durch systematische Planung26. In dieser Abhandlung werden wir uns ausschließlich mit der zuletzt genannten Art von Entscheidungssituationen befassen. Wir können sie speziell auch als Planungssituationen bezeichnen. 24 Vgl. auch Frieder Naschold [87] S. 58 ff. und Abb. 2. 25 Es sei denn, die Ziele werden so unbestimmt definiert, daß sie relativ flexibel interpretiert werden können. Solche Zielsetzungen (z. B.: die Bearbeitung der Märkte für unsere X-Geräte muß in der nächsten Zeit erheblich intensiviert werden) sind jedoch nicht operational. Erst die konkrete Interpretation im Einzelfall könnte das leisten. In einer dynamischen Umwelt müssen dann eben diese Interpretationen häufig geändert werden. 26 Diese zuletzt genannten Zusammenhänge lassen sich ebenso empirisch beobachten wie wissenschaftlich begründen. Vgl. etwa Renate Mayntz und Rolf Ziegler [84] sowie die dort angegebene Literatur. Implikationen dieser Aussage für das Managementsystem vgl. Tom Burns und G. M. Stalker [22].

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1. Grundlagen und Begriff

1.2.3. Die Komplexität einer Entscheidungssituation Jedes System ist etwas aus Elementen und deren Beziehungen untereinander Zusammengesetztes27. Besteht das System aus relativ wenigen Elementen und sind die Beziehungen zwischen diesen Elementen determiniert, so daß der Beobachter des Systems die Struktur leicht erfaßt und voraussagen kann, auf welche Weise das System auf Störungen reagiert, so sprechen wir von einfachen Systemen. Die Zahl der möglichen Ereignisse im System oder der verschiedenen möglichen Zustände des Systems ist in diesen Fällen gering und vorhersagbar. Auch ein technisch kompliziertes Gebilde wie eine elektronische Datenverarbeitungsanlage oder eine Erdölraffinerie kann in diesem Sinne noch zu den relativ einfachen Systemen gerechnet werden, weil diese Systeme voll determiniert gesteuert werden. Sie setzen sich zwar aus einer relativ großen Zahl von Elementen und Verknüpfungen zusammen, die Vorgänge im System (in der Anlage) sind jedoch determiniert, so daß aufgrund eines gegebenen informationellen Inputs nur ein einziger möglicher Output zu erwarten ist. Demgegenüber gibt es Systeme mit nur wenigen Elementen, die äußerst komplex sind, weil sich die Aktionen bzw. Reaktionen des Systems für den außenstehenden Beobachter nicht genau voraussagen lassen. Typisches Beispiel für ein derartiges System ist ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr. Das System „Fahrer mit Fahrzeug" ist im geschilderten Sinne äußerst komplex, das Verkehrsverhalten ist in keinem Augenblick exakt vorhersagbar, obwohl auch hier vielfältige Determinanten vorgegeben sind. Soziotechnische Systeme, deren wesentliches Element Menschen sind, sind stets komplex, da die menschliche Verhaltenskomponente dominierend ist und diese selbst eine äußerst große Verhaltensvielfalt aufweist. Die Zahl der möglichen und der im Einzelfall tatsächlich bestehenden Beziehungen zwischen den Elementen und damit die Zahl der möglichen Zustände des Systems ist beträchtlich. Neben der Vielzahl der technischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und organisatorisch-funktionalen Beziehungen gibt es vielfältige formalisierte und informelle soziale Beziehungen, die alle einem bestimmten System das spezifische Gepräge geben.28 Man kann daher die Komplexität auch ganz pragmatisch 27 Elemente gelten im allgemeinen als kleinste unteilbare Einheiten eines Systems. In der Realität sind die Definitionen der Elemente Setzungen. Man kann jedes Element selbst wieder als ein System auffassen, das aus Elementen aufgebaut ist. In diesem Sinne auch Ekkehard Brunn [21] S. 6. 28 Im Sinne solcher konkreten Eigenschaften und Relationen sprechen wir auch von den Dimensionen eines Systems. So hat ein Industrieunternehmen eine technische, eine wirtschaftliche, eine rechtliche, eine soziale Dimension um nur beispielhaft einige herauszugreifen. Dieser definitorische Hinweis ist notwendig, weil der Begriff der Systemdimensionen z. T. auch in anderem Sinne benutzt wird. Vgl. z. B. D. S. Pugh und D. J. Hickson [100] S. 82 ff., die unter Dimension Begriffe

1. 2. Entscheidungssituationen

kennzeichnen als „ein Maß der Schwierigkeit, die ein Beobachter bei der Analyse der Struktur eines Organismus zu meistern hat" 29 . Der Komplexitätsbegriff der Systemtheorie läßt sich auch auf Entscheidungssituationen anwenden. Die Entscheidungssituation ist ebenfalls ein aus Elementen (und zwar des Systems und der Umwelt) und Relationen (Beziehungen zwischen den Elementen) bestehendes Gebilde, es kann zumindest als ein solches gedacht werden. Die Besonderheit dieses Gebildes „Entscheidungssituation" besteht im Prinzip darin, daß die Relationen zwischen dem betroffenen System und dem in die Situation einbezogenen Umweltausschnitt nicht ausschließlich Ordnungsbeziehungen (z.B. disziplinarische Unterstellungen), sondern zum Teil auch Spannungsbeziehungen (z. B. Konkurrenzbeziehungen) sind. Theoretisch lassen sich diese Spannungsbeziehungen damit erklären, daß zwischen Umwelt und System ein Komplexitätsgefälle besteht. Die Komplexität der Umwelt ist stets größer als die des Systems80. Der relativen Unordnung der Umwelt steht die relative Ordnung des Systems gegenüber.81 Bezüglich der selektiven Aufnahme von Informationen und Energie steht das System unter der ständigen Spannung, die vergleichsweise größere Komplexität der Umwelt so weit zu reduzieren, daß es sie informationell verarbeiten kann. Die Komplexitätsreduzierung bedeutet konkret, daß man sich vereinfachende Vorstellungen von der Umwelt machen muß, um sich in ihr orientieren zu können.82 Die Zahl der möglichen Ereignisse in der Umwelt oder, beschränkt auf den für das System relevanten und noch verarbeitbaren Umweltausschnitt, die Zahl der möglichen Ereignisse im Entscheidungsfeld ist zugleich ein Maß für die Komplexität der Entscheidungssituation. Die Komplexität der Entscheidungssituationen, die wir Planungssituationen nennen, ist definitionsgemäß stets sehr hoch. Eine vollständige Erfassung der

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wie: Spezialisierung, Standardisierung, Formalisierung, Zentralisierung, Konfiguration zusammenfassen. Vgl. weiterhin R. H. Hall [42] S. 69 ff. Da sich der Dimensionsbegriff dieser und anderer soziologischer Autoren auf den soziologischen Aspekt (auf die soziale Dimension in dem hier gebrauchten Sinne) der Systeme beschränkt, ist er im Zusammenhang mit den konkreten Problemen einer komplexen Planung zu eng. Lexikon der Planung und Organisation [70] S. 84. Vgl. im übrigen auch Herbert Fuchs [36]. Vgl. Niklas Luhmann [77] S. 619 ff. und derselbe [78] S. 3. f. Der Sachverhalt der relativen Unordnung der Umwelt im Vergleich zur relativen Ordnung eines Systems wird in der Kybernetik mit dem Begriff der Entropie gekennzeichnet. Vgl. Hans-Joachim Flechtner [34] S. 74 f. Die Funktion der Vereinfachung der Umweltvorstellungen üben beispielsweise Entscheidungsmodelle aus. Eine ähnliche Funktion und Wirkung haben auch Vorurteile, wenn auch mit unterschiedlichen Folgen. Vgl. dazu speziell Heinz E. Wolf [122] S. 946 ff. Vgl. im übrigen auch Niklas Luhmann [75] S. 117 ff. sowie auch Knut Bleicher [19] S. 57 und Jürgen Kussau und Hubert Treiber [69] S. 73 ff.

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1. Grundlagen und Begriff

tatsächlich bestehenden Komplexität würde erfordern, alle möglichen Komponenten der Entscheidungssituation zu berücksichtigen, zu beschreiben und vorherzusagen. Beispielsweise sei angenommen, ein Unternehmen beabsichtige, mit neuen Produkten in neue Märkte vorzudringen, und plane dazu eine Marktstrategie. Neben sämtlichen unternehmensinternen Sachverhalten, die hierbei eine Rolle spielen (z. B. Zahl und Qualifikation des Vertriebspersonals, technische Kapazitäten in der Entwicklung und der Fertigung, Produktionskosten, Finanzierungsmöglichkeiten, Wirkungen auf die bisherigen Erzeugnisse und Märkte), müßten für eine vollständige Erfassung der Komplexität sämtliche relevanten externen Sachverhalte (z. B. Zahl, Abnahmefähigkeit, geographische Verteilung und Konsumverhalten der potentiellen Käufer im neuen Markt, Zahl und Leistungsfähigkeit der Konkurrenten, Zoll-, Steuer-, Transport- und sonstige Handelshemmnisse) untersucht werden. Nur bis zu einem gewissen Grade und dann auch nur bei hinreichend großem zeitlichen Spielraum und einem entsprechenden ökonomischen Rahmen für die Planung könnte dies hin und wieder gelingen. Es ist jedoch einzusehen, daß Vollständigkeit in der Erfassung aller Einzelsachverhalte weder möglich noch im Sinne der Ökonomie des Handelns zweckmäßig wäre. Der Umstand, daß die Komplexität einer Entscheidungssituation kaum jemals voll erfaßbar ist, bedeutet zugleich, daß aus der Menge der tatsächlichen Einzelsachverhalte diejenigen selektiert werden müssen, die für wesentlich gehalten werden. Mit anderen Worten: die Planer müssen die Komplexität verringern, um die Entscheidungssituation überhaupt bewältigen zu können. Durch selektive Informationsaufnahme entsteht im System ein Abbild der tatsächlichen Entscheidungssituation, das eine geringere Komplexität aufweist.33 Dieses Abbild nennen wir Modell der Entscheidungssituation oder kurz Entscheidungsmodell.34 Es stellt sich dabei die Frage, mit welcher Selektionsstrategie das System bzw. die Planer die Komplexität der Entscheidungssituation reduzieren, d. h. durch welche Auswahlkriterien bestimmte Sachverhalte in das Entscheidungsmodell aufgenommen und andere ausgeschlossen werden.35 Die Selektionsstrategie ist weitgehend subjektiv begründet und liegt in den Personen, die die Entscheidungssituation analysieren und eine Lösung erarbeiten 33 Vgl. auch Niklas Luhmann [75] S. 123. 34 Aus der umfangreichen betriebswirtschaftlichen Literatur zum Thema „Entscheidungsmodelle" vgl. namentlich Erich Kosiol [66] sowie die übersichtlichen Darstellungen bei Erwin Grochla [38] und Adolf Angermann [8], speziell S. 13 ff. Hans Christoph Rieger spricht in Anlehnung an Boulding vom Image, das sich das Planungssubjekt bildet. Vgl. Hans Christoph Rieger [102] S. 55. 35 Knut Bleicher spricht in diesem Zusammenhang von Reduktionsstrategie. Vgl. Knut Bleicher [19] S. 58.

1.2. Entscheidungssituationen

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sollen. Der Ausschluß bestimmter Informationen über die Entscheidungssituation geschieht nicht immer bewußt. Normen aller Art, Tabus, Stereotype, aber auch vermeintlich sicheres Wissen und angeblich bestätigte Erfahrung sowie die Scheu, sich mit Fragen zu befassen, für die man sich nicht kompetent hält, sind Beispiele für Einflußgrößen, durch die unbewußt eine kaum konrollierbare Selektion betrieben wird. Greifen wir noch einmal das oben zitierte Beispiel der Erarbeitung einer Marktstrategie für ein Unternehmen auf. Es sei angenommen, es gäbe für derartige Aufgaben eine Abteilung „Vertriebsplanung". Weiterhin sei angenommen, daß das Produkt ein technisch kompliziertes Gerät ist, dessen Verkauf einer speziellen technischen Problematik unterliegt. Je nachdem nun, ob der Vertriebsplaner Techniker ist oder nicht, ob er Verkaufserfahrung besitzt oder nicht, ob er die spezielle Problematik der Entwicklung und Fertigung solcher Geräte kennengelernt hat oder nicht, wird das Ergebnis seiner Planung in die eine oder andere Richtung tendieren. Wenn seine Verkaufserfahrungen dominieren, wird er unter Umständen dazu neigen, seine Erfahrungen mit Kunden auf den neuen Markt zu übertragen, ohne spezielle Untersuchungen durchzuführen. Ist er kein Kenner der technischen Materie des Produktes, wird er möglicherweise die technische Konzeption des geplanten neuen Gerätes nicht in Frage stellen wollen und untersucht deshalb auch keine Sachverhalte, die eben dazu führen könnten. Hat er persönliche Profilierungsprobleme im Unternehmen, wird er vielleicht dazu neigen, viele Einzelaufgaben selbst zu lösen, ohne die vorhandenen Spezialkenntnisse anderer Mitarbeiter heranzuziehen. Daß sich derartige Einflüsse geltend machen, ist in der Praxis durchaus nichts Ungewöhnliches, weder was die Art dieser Einflüsse anbetrifft, noch hinsichtlich der Häufigkeit, mit der man sie beobachten kann. Es leuchtet ein, daß eine auf Planungssituationen angewendete Selektionsstrategie, die sich gewissermaßen dem Laissez-faire einer einzelnen Person überläßt, nicht unbedingt zu einem Entscheidungsmodell führt, das eine optimale Reduktion der Komplexität der Entscheidungssituation darstellt. Der Grund dafür liegt darin, daß beim Planen durch eine Einzelperson kein Korrektiv durch eine Beteiligung von weiteren Personen mit anderem Verhalten und anderen Wissens- und Erfahrungshintergründen vorhanden ist. Für Fehlleistungen, die aus der Einseitigkeit eines begrenzten Wissens- und Erfahrungshintergrundes entstehen, gibt es auch im öffentlichen und politischen Feld zahlreiche Beispiele. Die Dominanz des Ingenieurs bei Verkehrsplanungen und die des Architekten bei Stadtplanungen, der Errichtung von Wohnblöcken und Sozialgebäuden (Schulen, Krankenhäuser) hat — wie man allerorten sehen kann — unzählige, kaum eingrenzbare negative Konsequenzen. Daher setzt sich heute in der Praxis mehr und mehr die Einsicht durch, daß eine der Komplexität einer Entscheidungssituation besser gerecht werdende Planung nur durch ein multidisziplinäres Team (Planungsteam, Planungsgruppe) und durch Anwendung geeigneter Planungstechniken und -methoden

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1. Grundlagen und Begriff

erreicht werden kann. Derartige Planungsgruppen sind prinzipiell unhierarchisch strukturiert, um die kommunikationshemmenden Wirkungen von verfestigten Führungsstrukturen oder einseitige Dominanz einer bestimmten Betrachtungsweise oder eines Wissensgebietes im Planungsprozeß zu vermeiden. Im folgenden werden wir nur dann von Planung reden, wenn eine Entscheidungssituation, die zieländernde oder strukturändernde Aktivitäten des Systems erfordert, in der Weise behandelt wird, daß das infolge hoher Komplexität bestehende Überangebot an Information über die Entscheidungssituation durch Selektionsstrategien abgebaut wird, die geeignet sind, zu einem weitgehend objektivierten (d. h. für alle Beteiligten kritisierbaren und kontrollierbaren) Abbild der tatsächlichen Entscheidungssituation im Entscheidungsmodell zu führen. Das Streben nach objektivierten Vorstellungen über die Entscheidungsproblematik beinhaltet, daß die in jedem Falle unumgängliche Beschränkung der Komplexität der realen Entscheidungssituation nicht durch allzu viele unkontrollierte und unbewußte Einflußgrößen bei den Beteiligten zu einem Entscheidungsmodell führt, das die tatsächliche Problematik der realen Situation verzerrt abbildet. Die reale Faktenkonstellation soll in ihrer Struktur und ihren Haupteigenschaften im Entscheidungsmodell wiedergegeben werden.

1.2.4. Lösungen komplexer Entscheidungsprobleme Ist eine komplexe Entscheidungssituation durch ein weitgehend faktenkonformes Entscheidungsmodell abgebildet, so kann eine Lösung in vielen Fällen erfolgreich durch Rückgriff auf bekannte Lösungen für ähnliche Probleme erreicht werden. Diese Übertragung bedeutet dabei seltener das Übernehmen der konkreten Lösungen selbst, sondern überwiegend die Anwendung des in der analogen Situation benutzten Lösungsweges und des zugrunde gelegten Lösungsverfahrens (Algorithmus). Es gibt heute bereits für eine Reihe von Problemstellungen erprobte ModellLösungen auf der Grundlage der mathematischen Optimierung (z. B. Lagerdispositionsmodelle, Transportmodelle, Modelle zur Optimierung des Produktionsprogrammes)38 und mit Hilfe der maschinellen, elektronischen Datenverarbeitung. Die vor allem in der Betriebswirtschaftslehre (Operations Research) angestrebte Erarbeitung von generellen Entscheidungsmodellen für bestimmte Typen von Entscheidungssituationen ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn diese Modelle durch Veränderung weniger Parameter an zahlreiche reale Situationen angepaßt werden können. 36 Vgl. M. Sasieni, A. Yaspan, L. Friedman [103] und Peter Stahlknecht [114].

1. 2. Entscheidungssituationen

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Für eine konkrete Einzelsituation setzt die Anwendung von solchen Entscheidungsmodellen voraus, daß die zugrunde liegenden Entscheidungssituationen relativ häufig wiederkehren, so daß sich der Aufbau eines Systems programmierter Entscheidungen lohnt (z. B. Materialdispositionssysteme) und die Verwendung von Datenverarbeitungsanlagen zweckmäßig wird. Bei äußerst dichter Folge von Wiederhol-Entscheidungssituationen ist eine Sofortverarbeitung der Informationen („real-time-Steuerung" der betreffenden Prozesse) denkbar. Vorfabrizierte ( = programmierte) Entscheidungsfindung mit den genannten Entscheidungsmodellen ist problematisch bzw. versagt, wenn eine Entscheidungssituation durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, die sich als generalisierbare Eigenschaften im Modell nicht berücksichtigen lassen. Häufigkeit der Wiederkehr, Informationsumfang, Problemkomplexität, Determinierungsgrad, Entscheidungsreichweite, Programmierungsaufwand und Entscheidungszeit bestimmen die Möglichkeiten der Entwicklung und Anwendung solcher Modellverfahren und grenzen diese zugleich ein. Es ist deshalb nicht so, daß die sogenannten „quantitativen Methoden der modernen Betriebswirtschaftslehre" eine Vielzahl von problemspezifischen Entscheidungsmodellen mit einer Fülle von Entscheidungsparametern ergänzt, um Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung abdecken zu können. Modelle und die Möglichkeiten ihrer Anwendung sind vielmehr eng begrenzt und vielfältig limitiert. Entlang der Skala von häufig wiederkehrenden, gleichen, gleichartigen oder ähnlichen Entscheidungssituationen, die sich standardisieren lassen, bis zu einmaligen, vorbildlosen Entscheidungssituationen, die im Extrem vollständig neuartig sind37, lassen sich die realen Entscheidungssituationen zuordnen. Je komplexer die Problemstellung, desto unwahrscheinlicher wird die Chance sein, Lösungen aus programmierten Entscheidungsmodellen oder bekannten, ähnlichen Fällen zu finden. Das betreffende System ist dann gezwungen, eine neuartige und individuelle Lösung selbst zu erarbeiten. Die Neuartigkeit solcher Entscheidungssituationen ist in vielen Fällen nur für das System, oder genauer für die Problembearbeiter in diesem System subjektiv neu. Trotzdem ist es denkbar, daß aus ökonomischen oder zeitlichen Gründen die Suche nach woanders möglicherweise schon erarbeiteten Lösungen zum vorliegenden Problem unterbleiben muß, weil der Suchaufwand größer ist als der Aufwand für seine selbsterarbeitete Lösung. Nur eine geeignete Lösungsdokumentation — als systeminterne oder allgemein zugängliche öffentliche Einrichtung — könnte die Schwelle verschieben, die die subjektiv neuartigen Entscheidungssituationen von denen schei37 Erich Kosiol unterscheidet in diesem Sinne novative und usuale Entscheidungen. Vgl. Erich Kosiol [67] S. 102. Knut Bleicher [19] S. 60, trifft die Unterscheidung von progressiven und regressiven Wahlhandlungen. Herbert A. Simon [111] S. 74, differenziert in programmierte und nichtprogrammierte Entscheidungen. Vgl. auch Frieder Naschold [87] S. 55 ff.

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1. Grundlagen und Begriff

det, für die sich die Suche nach bekannten und bereits erprobten Lösungen und Lösungswegen noch lohnt. Zentrale Problemlösungsdokumentations-Einrichtungen sowie überregionale Standardisierung sogenannter Problemlösungspakete könnten auf diesem Gebiet sehr hohe Beträge für Entwicklungsaufwand sparen. Alle die Fälle von Entscheidungssituationen, bei denen die Lösung der Problemstellungen nach methodisch-rationalen Verfahren erfolgt, fallen unter den von uns gewählten Begriff der Planung. Intuition und Improvisation, die das Kennzeichen zahlreicher unsystematischer Entscheidungsprozesse der täglichen Wirklichkeit sind (z. B. wegen der Notwendigkeit schneller Reaktion), sind in Planungsprozessen systematisiert. Sie sind entweder bewußt als Kreativphasen in die Systematik des Planungsprozesses eingebaut oder werden eliminiert. Kann eine Entscheidungssituation darüber hinaus nur dadurch gelöst werden, daß nach neuen, im Sinne der Informationstheorie originellen 38 und bisher nicht bekannten Lösungen gesucht wird, so sprechen wir von „innovativer Planung". Innovative Planungen haben das Ziel, systematisch neue bzw. neuartige Lösungen für komplexe Planungsproblematiken zu erarbeiten, diese zu konzipieren und zu realisieren. In diesem Sinne ist der Prozeß der Entwicklung eines neuen Produktes oder einer neuen Produktionstechnik ebenso ein innovativer Planungsprozeß wie die Entwicklung neuer Organisationsstrukturen für ein Unternehmen, der Entwurf neuer sozialer, ökonomischer oder politischer Gesellschaftsformen oder die Erarbeitung neuer Wohn- und Lebensräume. Es darf nun nicht angenommen werden, daß bei innovativen Planungsprozessen grundsätzlich alles neu zu erfinden oder zu entwickeln ist. Jede komplexe Problemsituation im definierten Sinne setzt sich aus einzelnen Problemkomponenten zusammen. So besteht auch das Lösungskonzept aus entsprechenden Lösungsbausteinen, von denen einzelne vielleicht bekannte und übertragbare Teillösungen darstellen. Durch einige wesentliche Merkmale sind jedoch innovative Problemlösungen charakterisiert: (1) Bei der innovativen Problemlösung überwiegt die Anwendung heuristischer Methoden und kreativer Leistungen zum Erarbeiten neuartiger Lösungen, (2) Die Lösungsbausteine sind miteinander abgestimmt und zu einer Gesamtlösung integriert, (3) Das Gesamtlösungskonzept stellt, auch wenn es bekannte Lösungsbausteine enthält, ein neuartiges Ergebnis dar und (4) Innovative Planung macht sich bei der Erarbeitung der Planungsergebnisse insbesondere die synergetischen und stimulierenden Effekte eines kooperativen Arbeitsstiles sowie der Integration interdisziplinärer Wissensaspekte methodisch zunutze. 38 Über den Zusammenhang zwischen Originalität und Innovation vgl. Max Bense [18] insbesondere das Kapitel über ästhetische Kommunikation, S. 18 ff.

1. 2. Entscheidungssituationen

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Innovative Planung ist deshalb fast gleichbedeutend mit „integrativer Planung". Multifakultatives Wissen muß zur Aufgabenlösung zusammenwirken, mehrdimensionale Problem- und Lösungskomponenten sind optimal zu verbinden, die Lösung muß Mittel und Menschen umfassen. Es ergeben sich zahlreiche Parallelen zur interfakultativen wissenschaftlichen Forschung. Der innovative Planungsprozeß muß, da er die komplexe Komponente „Mensch" vom Ergebnis her betrifft und da viele Menschen zur Problemlösung erforderlich sind, ein demokratisch-integrativer und informationsoffener Prozeß sein. Sein Ergebnis wird nicht nur eine Synthese aus Fakten und objektiven Kriterien sein, sondern muß die Vielfältigkeit unterschiedlicher Meinungen und Standpunkte der Systemmitglieder berücksichtigen. Wo der Mensch als Subjekt und Objekt komplexer Planungsprozesse in die Problemstellungen einbezogen ist, versagen auch alle mechanistischen und formalisierten Ansätze und Modelle, wie sie namentlich die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie bevorzugt. Als Beispiele für komplexe Planungsaufgaben, die sich nicht durch mechanistische Entscheidungsmodelle lösen lassen, seien genannt: — Standortplanung eines Betriebes — Planung von Arbeits-, Wohn- oder Sozialgebäuden (Verwaltungsbauten, Hotels, Schulen, Krankenhäuser) — Stadtplanungen und Regionalplanungen. Das Prinzip der Informationsoffenheit des Entscheidungsprozesses und die (demokratische) Mitwirkung aller Beteiligten und Betroffenen hat zwei wesentliche Vorteile: (1) Es fließt mehr Information in den Entscheidungsprozeß ein oder anders ausgedrückt, es wird weniger Informationsvorenthaltung (als Folge der Verhaltensdevise „Wissen ist Macht") gegenüber dem Entscheidungsprozeß betrieben. (2) Die Beteiligten und Betroffenen sind für die spätere Realisierung der Entscheidung besser disponiert, weil sie den Kontext und die inneren Zusammenhänge der aus dem Prozeß resultierenden Entscheidung kennen und verstehen und sie ihre Intentionen beim Planungsablauf wenigstens haben offenlegen können. Dies wird jedoch weder bei Planungen noch bei sonstigen Entscheidungsprozessen heute allgemein anerkannt und berücksichtigt. Man denke nur an die zum großen Teil überholten und rigiden Strukturen in den Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen, an Führungs- und Ausbildungsstile und die Art und Weise, wie heute Schul- und Hochschulplanungen, Städte- und Regionalplanungen durchgeführt werden. Innovatives Planen ist dann notwendig, wenn in einem System — die Ziele neu zu formulieren, — die Strategien neu zu entwickeln,

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1. Grundlagen und Begriff — die Binnenstrukturen neu aufzubauen und — die Beziehungen zur Systemumwelt neu zu bestimmen sind.

Auch wenn die Ziele, Strategien, Binnenstrukturen und Außenbeziehungen nur angepaßt oder weiterentwickelt werden sollen, sollte ein Planungsprozeß mit innovativer Zielrichtung durchgeführt werden. Die Individualität eines jeden Systems, ausgedrückt z. B. in der Anzahl und Qualität seiner Mitglieder, seiner Organisationsstruktur, seiner Branche, seinem Standort, seinen Produkten und spezifischen Leistungen, läßt von vornherein nicht erwarten, daß sich für derartige Entscheidungssituationen viele übertragbare Lösungen finden lassen, selbst bei weitgehend gleichartigen Systemen nicht. Aus einem vor allem in Wettbewerbssituationen notwendigen Differenzierungshang ergibt sich im Gegenteil, daß z. B. jedes Wirtschaftsunternehmen bestrebt ist, andere Ziele, andere Strategien zu verfolgen und Aktionen zu betreiben als die Wettbewerber. Dies drückt sich vor allem auch in dem Bestreben aus, ein anderes Image im M a r k t zu besitzen als die Konkurrenten, um sich von ihnen abzuheben. Dadurch entsteht mangelnde Vergleichbarkeit der konkurrierenden Systeme und damit die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit des Übertragens spezifischer Problemlösungen. Wegen der fehlenden Ubertragbarkeit und der umweltbedingten Notwendigkeit zur Differenzierung von konkurrierenden Systemen muß sich ein Unternehmen ständig um originelle Lösungen seiner Ziel-, Strategie- und Strukturprobleme bemühen. 89 Dieses Phänomen kann sogar auf den volkswirtschaftlichen Marktbereich übertragen werden, wo sich vielfältige Parallelen in den Sektoren der Binnen- und Außenwirtschaftspolitik finden lassen. Der Neuigkeitsgrad eines innovativen Planungsergebnisses, d. h. seine Originalität, ist nicht quantitativ meßbar. Neue Ziele, Strategien oder Strukturen für ein Unternehmen lassen sich nicht, zumindest nicht ausschließlich nach Größen wie Kosten, Erlösen und Gewinnen oder nach daraus abgeleiteten Größen wie Produktivität, Wirtschaftlichkeit und Kapitalrendite beurteilen. Hier spielen Urteilskategorien wie technischer oder sozialer Fortschritt, Humanität, Satisfaktion, Sicherung der Lebensfähigkeit des Systems oder ähnliche, qualitative Bewertungsmaßstäbe eine ebenso wesentliche Rolle. Infolge der fehlenden Möglichkeit der quantitativen Messung der Planungsergebnisse und durch die Beteiligung vieler Personen am Planungsgeschehen mit unterschiedlichen Wertnormen kann die Beurteilung der Ergebnisse widersprüchlich sein. Von dieser Beurteilung hängt jedoch die Durchsetzung der Planungsergebnisse unmittelbar ab. Der M u t und der Wille zum Neuen sind deshalb für die Verwirklichung innovativer Problemlösungen ganz entscheidend. Die durch die Planung gefundenen innovativen Ergebnisse werden reine Er39 Vgl. dazu auch Herbert Stachowiak [112].

1. 2. Entscheidungssituationen

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findung („Invention") bleiben, wenn nicht gleichzeitig wenigstens Akzeptierungs- und Realisierungsbereitschaft bei den Betroffenen erreicht wird. Diese Bedingung ist deshalb im Planungsvorgehen methodisch zu verankern. Neben der Bildung und dem Einbau von Planungsorganen mit speziellen Funktionen sowie rechtzeitigen Vorbereitungen für die Realisierungsarbeiten muß von Beginn der Planung an die Änderungsbereitschaft und Innovationsbereitschaft des Gesamtsystems und speziell der von der Planung unmittelbar betroffenen Mitglieder des Systems kontinuierlich geprüft und im Kalkül berücksichtigt werden. Dieser eingebaute Rückkopplungsmechanismus darf jedoch nicht dazu führen, daß das Planungsergebnis durch retardierende oder restaurative Kräfte in Richtung konformistischer und unorigineller Lösungen gedrängt wird. Auf diese Problematik wird noch vertiefend einzugehen sein.

2. Haupteinflußgrößen in Planungsprojekten

2.1. Unsicherheit und Planungserwartungen Die Unsicherheit über den Ausgang eines erwarteten Ereignisses hat allgemein zwei Wurzeln: (1) Die Erwartungen über ein zukünftiges Ereignis werden vornehmlich gebildet aus den Kenntnissen, die der Erwartende über die gegenwärtige Situation des Feldes hat, in dem das Ereignis eintreten soll. So entstehen beispielsweise die Erwartungen eines Unternehmens hinsichtlich der künftigen Preisentwicklung im Markt überwiegend aus den vorhandenen Kenntnissen über den gegenwärtigen Zustand des Marktes. Solche Daten sind beispielsweise: die Qualität der Wettbewerbsprodukte die Zahl und das Wettbewerbsverhalten der Konkurrenten die Anzahl und Kaufkraft der Abnehmer der allgemeine Stand der Produkttechnik die Steuer- und Zollbestimmungen die Kapazitäten der eigenen Produktionseinrichtungen u. a. m. Im gegenwärtigen Zustand sind sozusagen die Tendenzen bereits angelegt, die eine Prognose — mehr oder minder sicher — in die Zukunft gestatten. Unter sonst gleichen Bedingungen wird die Prognose desjenigen, der die besten, ausführlichsten, genauesten Kenntnisse besitzt, die relativ sicherste sein. Die verbleibende Unkenntnis oder Unvollständigkeit der vorhandenen Kenntnisse ist eine Ursache der Unsicherheit der Erwartungen. (2) Innerhalb des Zeitraums, in dem das künftige Ereignis erwartet wird, können nicht vorhersehbare andere Ereignisse eintreten, die das erwartete Ereignis beeinflussen, d. h. seine Ausprägung verändern, seinen Eintritt verhindern oder zeitlich verschieben. Im genannten Beispiel kann die Preisentwicklung unerwartet beeinflußt werden durch eine Änderung der Währungsparitäten oder durch das Auftauchen eines Substitutionsproduktes am Markt. Je weiter der Zeitpunkt für den Eintritt des erwarteten Ereignisses in der Zukunft liegt, umso größer ist subjektiv die Wahrscheinlichkeit, daß unvorhergesehene Ereignisse zu einer Korrektur der ursprünglichen Dispositionen führen. Diese Bedrohung der ursprünglichen Dispositionen mit den daraus entstehenden Nachteilen für das System nennen wir im übrigen das Risiko.

2.1. Unsicherheit und Planungserwartungen

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Bei Planungen in komplexen Entscheidungssituationen bezieht sich die Unsicherheit hauptsächlich auf den Ausgang der Planung, auf das Planungsergebnis. Diese Unsicherheit ist am Anfang der Planung besonders groß, weil es sich um einen langfristigen Prozeß handelt (erfahrungsgemäß mindestens mehrere Monate bis zu mehreren Jahren) und die Kenntnisse über die Ausgangssituation zu Beginn der Planung höchst unvollkommen sind. Die Informationen, die die Planer bei Planungsbeginn zur Verfügung haben, sind die globale Beschreibung der Planungsaufgabe, abgerundet durch einige Leitlinien über die Planungsrichtung, und die Erwartungen hinsichtlich der Planungsergebnisse. Oft beschränkt sich die Aufgabenformulierung auf die Nennung einiger gegenwärtig als störend empfundener Fehler oder Schwachstellen und einiger Globalziele wie größere Wirtschaftlichkeit oder höhere Effizienz. Die relative Zieloffenheit einer Planungsaufgabe drückt sich darin aus, daß über die erkennbaren Störungen hinaus weder etwas gesagt werden kann über die Ursachen und eine mögliche Therapie noch Vorstellungen vorgelegt werden können, welche detaillierten Anforderungen an die Problemlösung gestellt werden. Das Unbehagen an der gegenwärtigen Situation des Systems (d. h. seiner Organisation oder seiner strategischen Position gegenüber der Umwelt), welches in vielen Fällen eine Planung auslöst, verleitet oft dazu, die Ist-Zustände lediglich von den Störungen zu befreien, sonst aber an den Grundzügen der Systemstruktur nichts zu ändern. Dieses konservative Problemlösungsverhalten übersieht jedoch, daß die augenblicklich sichtbaren Störungen zugleich oft Hinweise auf eine wachsende Diskrepanz zwischen dem Ist-Zustand der Systemstruktur und den gegenwärtigen und zukünftigen Bedingungen der Umwelt des Systems darstellen. Ein Beispiel mag diese Zusammenhänge erläutern: In einem Unternehmen der Investitionsgüterindustrie war eine überdurchschnittlich hohe Fluktuation qualifizierter Angestellter in den mittleren und höheren Organisationsstufen festzustellen. Die Unternehmensleitung glaubte die Ursache dafür darin erkannt zu haben, daß die Aufstiegschancen für die qualifizierten Mitarbeiter durch eine vielstufige Unternehmensstruktur sehr erschwert wären. Eine daraufhin eingesetzte Planungsgruppe sollte eine Unternehmen sstruktur finden, die neben anderen Zielen primär bessere Aufstiegsmöglichkeiten bringen und damit die Fluktuation eindämmen sollte. Im Verlaufe der Planung stellte sich jedoch nach eingehender Befragung heraus, daß die Ursache für die hohe Fluktuationsrate nur zu einem geringen Teil in der zu steilen Hierarchie lag, sondern in der technologischen Rückständigkeit des Unternehmens hinsichtlich seiner Produktkonzeptionen. Das Unternehmen hatte jahrelang mit seinen Erzeugnissen von einer ursprünglich sehr fortschrittlichen technischen Konzeption gezehrt, aber versäumt, rechtzeitig Neuentwicklungen einzuleiten, um auch weiterhin das Image eines technisch fortschrittlichen Unternehmens tragen zu können. So war das Image im Markt allmählich gesunken

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2. Haupteinflußgrößen

und hatte im Laufe der Zeit insbesondere diejenigen Mitarbeiter in Schwierigkeiten und Konflikte gebracht, die gegenüber dem Markt die angebotenen Produkttechniken zu vertreten hatten. Die Diskrepanz zwischen der Motivation, einem technisch fortschrittlichen Unternehmen anzugehören, und dem tatsächlichen Bild, daß sich aus den Reaktionen und Widerständen des Marktes ergab, d. h. die gestörte Identifikationsmöglichkeit mit den Produkten, hat schließlich vor allem die technisch qualifizierten Mitarbeiter dazu veranlaßt, in andere Unternehmen zu wechseln. Der Grund war eben nicht eine gegenwärtige materielle oder soziale Notlage oder die augenblicklich verbaute Karriere, sondern die Diskrepanz zwischen persönlicher Erwartung und subjektiver Einschätzung der Zukunftschancen für dieses Unternehmen. Wer von einer Planung eine Beseitigung der organisatorischen Störungen durch eine neue Struktur oder die Entwicklung von neuen Strategien erwartet, darf nicht aus Unsicherheit oder mangelnder Risikobereitschaft, wie es oft geschieht, die Planungsaufgabe durch definierte, engumgrenzte Aufgabenstellungen und determinierende Zielvorgaben in Richtungen lenken, die nur zu punktuellen oder suboptimalen Lösungen führen. Im beplanten System sind die Planungserwartungen der Entscheidungsträger von besonderer Bedeutung. Die Erwartungen dieses Personenkreises bilden sich nämlich vornehmlich aus den eigenen Kenntnissen und Erfahrungshorizonten, die sie über den gegenwärtigen Zustand des Systems besitzen. Dazu gehören primär die auftretenden Störungen, die sie zur Einleitung einer Planung veranlaßt haben. Selten sind es echte antizipative oder strategische Momente oder ein vorausschauender Änderungswille, die eine Planung auslösen. So beinhalten die Planungserwartungen oft zunächst auch nur die Beseitigung der akuten Störungen. Jede Aktivität der Planer, die darüber hinausgeht, wird mit Mißtrauen betrachtet. Daher versteht sich die Neigung, die Planung durch genaue Aufgabenstellungen und Zielvorgaben zu begrenzen und möglichst in die Richtung der eigenen Erwartungen zu drängen. Selbst wenn die Entscheidungsträger im System den Planern gegenüber lediglich ihre Planungserwartungen formulieren (meist allerdings mit einem gewissen Nachdruck), ohne die Planung direkt durch „klare" Aufgabendefinitionen und Zielvorgaben zu beschränken, sind vielerlei Hemmnisse zu überwinden, um über die offizielle Aufgabenbeschreibung hinaus in das eigentliche Neuland des Planungsfeldes vorzustoßen, das sich nach gründlichen Faktenanalysen und genauer Problemstrukturierung zeigt. Durch eine feste Aufgaben- und Zieldefinition wird den Planern viel Unsicherheit genommen. Da sich die Planer aus den jeweils betroffenen Bereichen des Systems rekrutieren, um eine problemorientierte, kooperierende Planungsgruppe zu bilden, wird in die Gruppenarbeit ein Verhalten übernommen, das in fast allen Systemen üblich ist: eine sehr geringe Neigung, bestehende Grenzen, herrschende Vorstellungen und Ansichten, gängige Stereotype und Tabus zu kritisieren und in Frage zu stellen.

2.1. Unsicherheit und Planungserwartungen

45

Ein solches Grundverhalten ist vor allem eine Folge der Erziehung zu Tätigkeiten unter klaren Aufgabenstellungen, die mit relativ wenig Unsicherheit belastet sind und einen geringen Eigengestaltungsanteil haben. Hinzu kommt das soziale Phänomen der „Angst vor dem Neuen" 1 . Diese Neigung drückt sich in der Gruppenarbeit dadurch aus, daß die Planer sich vor Beginn ihrer Arbeit zuerst der Erwartungen der Entscheidungsträger versichern, anstatt diese Erwartungen aktiv in Richtung auf eine stärkere Innovationsfreudigkeit zum Vorteil des gesamten Systems zu beeinflussen. Dadurch begibt sich die Planungsgruppe freiwillig unter die Verantwortung einer außerhalb des unmittelbaren Planungsgeschehens stehenden Instanz. Sie reduziert zwar damit die Unsicherheit erheblich (oder vom Standpunkt der Entscheidungsträger aus gesehen: die Entscheidungsträger übernehmen die Verantwortung, indem sie die Unsicherheit der Planungsgruppe absorbieren 2 ), fördert aber nicht die Innovation in der Planung. Kreativität setzt ein gewisses Maß an informationeller Unsicherheit voraus 3 . Zu der sachlichen Unsicherheit der Problemstellung kommt die subjektive Unsicherheit der einzelnen Planer. Sie resultiert daraus, daß die Gruppenmitglieder für die Dauer der Planung aus ihren bisherigen Funktionen herausgelöst sind und mit Beendigung der Planung in der Regel in ihre alte Funktion rückgegliedert werden. Zahlreiche hemmende Motivationsfaktoren wirken somit auf die Planungsarbeit ein: — Unsicherheit darüber, was später mit dem einzelnen Planungsgruppenmitglied geschehen wird, — Rücksichtnahme auf die Position, die Ansichten und das Verhalten des jetzigen oder des zukünftigen Vorgesetzten, — Stress, sich durch das Besondere der Planung profilieren zu müssen und das gewonnene Profil in Statuszuwachs umzuwandeln, — Angst, ein möglicher negativer Ausgang der Planung werde Rückwirkungen auf die eigene Person oder Position haben, — Furcht, allzu kritisches und offenes Verhalten werde sich negativ auswirken. Dies alles beeinflußt die Verhaltensweisen der einzelnen Gruppenmitglieder in der Gruppenarbeit sehr stark. Nicht selten kommt es daraus zu Konflikten innerhalb der Gruppe und dadurch zur Gefährdung oder Beeinträchtigung der Planungsarbeit. Die Atmosphäre der Offenheit, die unter den Planern herrscht und herrschen muß, fordert oft geradezu dazu heraus, bisher verdrängte Konflikte abzuladen 1 Eric Hoffer [54]. 2 Vgl. dazu auch Niklas Luhmann [76] S. 172 ff. 3 Vgl. Martin Irle [57].

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2. Haupteinflußgrößen

und abzureagieren. Die für den Arbeitsstil einer Planungsgruppe unbedingt notwendige gegenseitige Akzeptierung kann dadurch empfindlich gestört werden. Da die aus den Systembedingungen resultierende persönliche Unsicherheit der Planungsgruppenmitglieder nur hemmend wirkt, also keine positive Innovationsfunktion besitzt, sollten im konkreten Falle die Entscheidungsträger auf eine Beseitigung oder wenigstens weitgehende Reduzierung der persönlichen Unsicherheitsfaktoren achten. Außerdem sollte bei allen Problemlösungen völlige Klarheit über'die blockierenden Auswirkungen falscher Erwartungen oder Einstellungen zum kooperativen Planungsablauf herrschen. Die wenigen Hinweise über die Komponente der Unsicherheit und der Erwartungen in der Planung sollen nicht über die außerordentliche Differenziertheit der Details hinwegtäuschen, die im realen Fall die Schwierigkeiten ausmachen, mit der Unsicherheit und ihren Folgeerscheinungen und Nebeneffekten fertig zu werden. "Während die Positionsunsicherheit weitgehend beseitigt werden kann, muß die informationelle Unsicherheit im Interesse der Kreativität bis zu einem, vom Einzelfall abhängigen Grade aufrecht erhalten werden. Ein Ubermaß an informationeller Unsicherheit kann jedoch auch demotivierend wirken oder eine Lernmotivation entsteht überhaupt nicht erst, wenn die zu füllenden Wissenslücken als zu groß empfunden werden.

2.2. Zeitdauer und Informationssuche Als eine der Hauptaktivitäten einer jeden planenden Tätigkeit, nicht nur einer innovativen Planung, wurde bereits hervorgehoben, daß über den betreffenden Problemzusammenhang eine umfangreiche Informationssuche erfolgen muß. Diese Informationsbasis liefert die Grundlage sowohl für die Auffächerung der Planungsaufgabe wie für das Finden der Problemschwerpunkte und der Lösungsansätze. Je nach Lage der jeweiligen Planungsaufgabe liegt dabei das Schwergewicht auf der Beschaffung systeminterner oder systemexterner Daten und Informationen. Bei einer Strukturplanung, etwa der Planung der Organisation eines Unternehmens, wird die Arbeit einer stärkeren Fundierung durch systeminterne Fakten bedürfen. Geht es darum, für ein Unternehmen neue Marktstrategien zu planen, so werden in größerem Umfang auch systemexterne Informationen, insbesondere über die betreffenden Märkte, zu beschaffen sein. Die Informationssuche erstreckt sich sowohl auf Sekundärmaterial wie Statistiken (öffentliche und systeminterne), Berichte und Literatur zum Planungsproblem, als auch auf unmittelbare Informationsbeschaffung durch Erhebungen, Zählungen, Befragungen und Interviews. Je neuartiger die Problemstellung ist, umso weniger ist damit zu rechnen, daß vorhandenes Sekundärmaterial zur

2. 2. Zeitdauer und Informationssuche

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Problemlösung herangezogen werden kann. So wird bei einer Organisationsplanung, bei der es darum geht, Störungen in der Organisation zu beseitigen, im allgemeinen umfangreiches statistisches Material über Umsatz, Fabrikausstoß, Personalbestand und andere Sachverhalte vorgefunden, selten aber findet sich eine brauchbare Fehlerstatistik, aus der quantitative Aussagen über die Störungen und ihre Folgeerscheinungen entnommen werden können. Das erklärt sich daraus, daß derartige laufend erstellte Statistiken ja nicht dem Zweck einer Anpassung der Organisation, sondern der Steuerung des Systems dienen. Diese Zweckbindung schränkt die Verwendbarkeit solchen Materials für eine Organisationsplanung erheblich ein. Im Planungsablauf steigt deshalb der Zeitbedarf für unmittelbare Informationssuche entsprechend an. Die Erfahrungen zeigen, daß bei Organisationsplanungen etwa bis zu einem Drittel der Planungszeit für die Informationsbeschaffung benötigt wird. Naturgemäß verteilt sich die Informationssuche zwar über den gesamten Planungszeitraum. Das Schwergewicht liegt jedoch im ersten Drittel der Planungszeit. Zu Beginn einer Planung ist die Komplexität des Problems und damit auch der gesamte Zeitbedarf nicht exakt abschätzbar. Die Unbestimmtheit des Problems, der Aufwand für die Aufgabenstrukturierung und -sequentierung, das Ausmaß der technischen Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung (besonders bei systemexternen Informationen), die zu erwartenden politischen Hindernisse im System und viele weitere Faktoren lassen nur eine relativ grobe Zeitbedarfsschätzung zu. Um so wichtiger ist deshalb ein systematisches Vorgehen insbesondere in der Phase der Informationssuche. Hilfsmittel wie revolvierende Terminplanung für die Planungsschritte und Netzplantechnik dienen dazu ebenso wie die ständige Relevanzprüfung der einzelnen Tätigkeiten. Besonders zu Beginn der Planungsaktivitäten, wenn das Problem noch nicht ausreichend strukturiert ist, besteht die Gefahr vergeblicher und überflüssiger Informationssuche. Am Anfang einer Planung ist kaum abzuschätzen, in welchem Umfang und in welcher Richtung der Rahmen der Aufgabe im Verlauf der Planung noch erweitert oder beschränkt werden muß, weil durch die zunehmend genauere Kenntnis des Problems sich die Problemlage verändert. Deshalb ist jede anfängliche Informationssuche mit dem Risiko behaftet, daß sie unzureichend, in falscher Richtung oder umgekehrt zu umfassend erfolgt. Aus Gründen der Planungsökonomie muß vergebliche oder unnötige Informationssuche vermieden werden, da auch die komplexeste Planungsaufgabe vor allem wegen des Zwangs zum Handeln zeitlich limitiert werden muß. Die für die Informationssuche aufgewendete Zeit geht zu Lasten einer detaillierten Entwicklung von Lösungskonzepten und der Vorbereitung der Realisierung. Andererseits wird vor allem die politische Durchsetzung durch mangelhafte Abstützung der Planungsergebnisse auf Fakteninformationen erheblich erschwert. Eine wirksame Planungsmethode, sich systematisch an ein optimales Verhältnis zwischen der jeweiligen Komplexität des Problems und den Umfang der

2. Haupteinflußgrößen

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Informationssuche bei einem bestimmten geschätzten Gesamtzeitbedarf für die Planung heranzutasten, besteht darin, mit Hypothesen und Arbeitsmodellen, die über den Problemzusammenhang gebildet werden, zu arbeiten. Auf diese Weise gelingt es zumindest, die Relevanz jeder Information, die sich die Planungsgruppe beschaffen will, an den Hypothesen und Modellen zu prüfen. Auf diese wichtige Komponente der Planungsmethodik wird noch ausführlicher eingegangen. Die Informationen, die für die Planungsarbeit zu beschaffen sind, lassen sich einteilen in solche, die unmittelbar problembezogen sind, und solche, die der Orientierung dienen, in welchem Kontext das Planungsproblem gesehen werden muß. Unmittelbar problembezogene Informationen sind beispielsweise bei einer Organisationsplanung die Elemente des Systems und ihre Beziehungen untereinander und zur Umwelt: — — — — — —

Organisationseinheiten, Zahl und Größe Zahl und Funktionen der Organisationsstellen hierarchische Ebenen und Gliederungsprinzipien Standorte der Arbeitsstätten Personal-Kennzahlen und Personalentwicklung (vollständige oder exemplarische) Darstellung der wichtigsten Arbeitsabläufe innerhalb der Organisation — Feststellung von Informationsflüssen und der Kommunikationsintensität — Diversifizierungsgrad des Produkt- und Leistungsspektrums — Funktionenkatalog nach Inhalt und Bezeichnungen — Entscheidungsstrukturen und -basis — Aufstiegswege und -formen — Stand der monetären und nicht monetären Motivationsmaßnahmen u. a. m. Die Suche nach solchen Informationen setzt Grundkenntnisse über das Systemgefüge voraus und legt bestimmte Hypothesen zugrunde darüber, an welchen Stellen der Organisation und in welchen Beziehungen Fehlerquellen und Störungsursachen zu erwarten sind. Informationen, die der Orientierung der Planer und der Lokalisierung des Planungsproblems dienen, wir nennen sie auch Basis-Informationen, sind zwar im weitesten Sinne auch problembezogen, beinhalten aber mehr die Schaffung einer gemeinsamen Arbeitsbasis und Diskussionsgrundlage innerhalb der Planungsgruppe. Sie dienen darüber hinaus der Abgrenzung des Arbeitsfeldes von anderen, nicht betrachteten Bereichen des Systems und seiner Umwelt und der Bestimmung von Randbedingungen und Determinanten für die Planung. Bei einer Organisationsplanung würden hierzu insbesondere zählen: — allgemeine Größenangaben über das beplante System wie Gesamtumsatz, Anzahl der Beschäftigten, Anzahl und Standorte von Betrieben, Niederlassungen und Abnehmern, Anzahl der Produkte und Produktklassen.

2. 2. Zeitdauer und Informationssuche

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— Angaben über Systemziele (Unternehmensziele) und -Strategien, deren Geltungsbereiche und Geltungsdauer, Investitionsvorhaben und technologische Entwicklungen. — allgemeine Angaben über die Organisationsstruktur. Die Beschaffung dieser Informationen ist besonders deshalb wichtig, weil zu Beginn der Planung innerhalb der Planungsgruppe kein einheitlich aktueller und gleichartiger Kenntnisstand über das System bestehen kann. Da die Planungsgruppenmitglieder aus verschiedenen Abteilungen, Ressorts und Bereichen kommen und differenzierte Systemzugehörigkeitszeiten haben, werden sie jeweils einen unterschiedlichen Wissensstand aufweisen. Es überrascht immer wieder, wie gering der Informationsstand und wie schmal die Wissensbasis selbst bei langjährigen Mitarbeitern eines Unternehmens ist. Dabei geht es oft nicht nur um die Füllung von Wissenslücken, sondern auch um die Korrektur von Vorstellungen, die nicht mit der Realität übereinstimnen. Solche Differenzen führen sonst leicht zu Konflikten in der sachlichen Zusammenarbeit. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Möglichkeiten zur Fundierung der Planung durch Fakteninformation u. a. eine Funktion der zur Verfügung stehenden Zeit ist. Je komplexer die Aufgabe und je größer der Neuigkeitsgrad des Problems und der zu erwartenden Lösungen ist, umso mehr Planungszeit muß zur Verfügung stehen. Jede voreilige Beschränkung der Planungszeit behindert die Möglichkeiten der Informationssuche, verringert die Faktenbasis der Planung und erhöht damit die Notwendigkeit der Anwendung nicht-faktischer Kriterien auf die Selektion der Lösungsalternativen auch dort, wo der Entscheid durch Faktenwissen über das Planungsproblem und seine Hintergründe herbeigeführt werden könnte. Solche nicht-faktischen Entscheidungskriterien sind beispielsweise Ideologien, Entscheidungsgewohnheiten, Verhaltensstereotype und subjektive Wertvorstellungen. Je geringer die Faktenbasis der Planung ist, umso mehr wird sie von solchen Faktoren beeinflußt und um so größer ist deshalb die Gefahr organisationsinterner Konflikte über die Planung. Es ist vorteilhafter, den Planungsprozeß unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Ökonomie mit Hilfe geeigneter Methoden systematisch und laufend zu steuern, als eine genaue Zeitbedarfsschätzung zu Beginn der Planung zu verlangen.

2.3. Bedeutung und Bedingungen der Kreativität Die systematische Erfassung, Aufbereitung und Analyse von Informationen über das Planungsproblem ist ein Vorgang, an dessen Ende ein strukturiertes Problembild und dessen Einordnung oder Lokalisierung im Systemganzen stehen soll. Dieses Problembild gibt mehr oder minder genau die kritischen Stellen

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2. Haupteinflußgrößen

des Falles, etwa die kritischen Störungsquellen und Schwachstellen in einer Organisation, wieder. In der Praxis der Planung wiederholt sich dieser Vorgang meist mehrmals, weil im ersten Anlauf selten eine befriedigende und vollständige Problemanalyse gelingt, von der ausgehend dann nach Lösungen (Soll-Konzepten) gesucht werden kann. Während dieser Phase bleibt die Planung im Bereich der Beschreibungen der Gegebenheiten, wenngleich die Kritik des Ist-Zustandes, die ja schon durch das deutliche, bildhafte (in Darstellungen) Herausstellen der kritischen Stellen zum Ausdruck kommt, Soll-Tendenzen oder -Schwerpunkte aufzeigt. Kritik üben am Ist-Zustand heißt nichts anderes als die Forderung nach Änderung des Ist-Zustandes in einen zumindest erahnten Soll-Zustand aufzustellen. Bereits an anderer Stelle war darauf hingewiesen worden, daß innovative Planung nicht als eine Bereinigung des Ist-Zustandes von seinen Störungen zu verstehen ist. Dies wäre der Fall, wenn aus der kritischen Darstellung des IstZustandes lediglich eine Änderungsempfehlung für die Details abgeleitet würde, die als Störungsquellen herausgearbeitet wurden. Diese Art der Problemlösung, wie sie bei der sogenannten Schwachstellenforschung angewendet wird, wäre zwar logisch-konsequent, aber in dem Sinne restaurativ, als sie den alten Zustand aufrecht zu erhalten und zu festigen sucht, indem sie ihn lediglich von einigen augenblicklich erkennbaren Störungen befreit. Gerade bei Planungsproblemen aber, die Systemstrukturen, Systemziele und Systemstrategien zum Inhalt haben, sind oft die erkennbaren Symptome nur vordergründige Indizien über entstandene oder wachsende Diskrepanzen und Disharmonien. Lediglich die Symptome zu kurieren hieße, die naheliegende Vermutung zu negieren, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits interne oder externe Faktoren wirksam geworden sind und in Zukunft ihren Einfluß verstärken könnten, die eine grundlegende Anpassung der Systemstrukturen, Systemstrategien oder Systemziele erfordern. Für die Ableitung von Zukunftsvorstellungen über die Umwelt eines Systems, welche für die Bestimmung neuer Ziele, Strategien und Strukturen verwendet werden können, lassen sich keine logischen Mittel verwenden. Die Ableitung einer Soll-Konzeption aus einer Analyse des Ist-Zustandes ist fast nie logisch zwingend. Es gibt in diesem Sinne keine logische Brücke zwischen Ist und Soll. Gleichwohl stehen Ist und Soll nicht beziehungslos nebeneinander, sonst könnte ja auf die Ist-Zustands-Analyse ganz verzichtet werden. Immerhin bezieht sich eine Soll-Konzeption auf denselben Gegenstand, nämlich das beplante System, und auf eine Anzahl von faktischen Gegebenheiten, wie sie letztlich ja auch jene Störungen beseitigen soll, die am Ist-Zustand erkannt worden sind. Es sind aber keine determinierten Beziehungen. Die Gestalt eines SollKonzeptes hängt von vielen, oft zufälligen Bedingungen ab wie etwa — der Innovationsfreudigkeit des Systems allgemein und der unmittelbar an der Planung Beteiligten im besonderen,

2. 3. Kreativität

51

— der Risikobereitschaft des Systems und der an der Planung Beteiligten, — dem Kenntnisstand der an der Problemlösung unmittelbar Beteiligten, — der Beurteilung der technischen und ökonomischen Realisierbarkeit der möglichen Soll-Konzeptionen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen mehr oder minder innovativen Soll-Vorschlag ist indessen die Kreativität der an der Konzeptionserarbeitung beteiligten Personen. Unter Kreativität soll die Fähigkeit zum Kombinieren von Gedanken (Informationen) zu einem Produkt verstanden werden, das eine mögliche Lösung eines bereits vorher gesehenen Problems darstellt1. In der zitierten Stelle werden folgende Hauptmerkmale für kreatives Denken angeführt: (1) Kreatives Denken setzt die Verfügung über Erfahrungsmaterial voraus. Bei innovativer Planung wird diese Voraussetzung in der Planungsgruppe erfüllt teils durch den Wissenshintergrund, den die Gruppenmitglieder im Hinblick auf die Planungsaufgabe mitbringen, teils durch die Informationssammlung im ersten Planungsabschnitt. Unter diesem Gesichtspunkt erhält die Informationssuche, die die Planungsgruppe auf einen bestimmten, gemeinsamen Wissensstand zum Planungsproblem bringen soll, eine zusätzliche Bedeutung: sie fördert die Kreativität in der Gruppe. Zugleich wird damit deutlich, daß Kreativität nicht ein zielloses, zufälliges, voraussetzungsloses Phantasieren ist, d. h. nicht einfach dem Begriff des Schöpferischen gleichgesetzt werden kann. (2) Das anfängliche Muster aus Erfahrungselementen und Denkstrukturen wird als Problem oder Aufgabe angesehen. In bezug auf Planungen heißt dies, daß die aus der Aufbereitung und Analyse der Basisinformationen zur Strukturierung und Lokalisierung des Problemzusammenhanges erkannten kritischen Punkte von der Planungsgruppe als eine Aufgabe akzeptiert werden, eine für das System neuartige Lösung zu finden. Die in der Problemstruktur liegende Aufforderung zur Innovation muß durch die Planungsgruppe, in gewissem Sinne auch durch das System — es muß innovationswillig sein — angenommen werden. (3) Der Denkprozeß schließt mit einem mitteilbaren Ergebnis ab. Dieses Kriterium ist für die innovative Planung vor allem deshalb wichtig, weil sie den Anspruch erhebt, nicht nur zu erfinden, sondern ihre Ergebnisse im System auch politisch durchsetzen zu wollen. Diese politische Durchsetzung ist aber, da ja die Planungsgruppe selbst keine Macht einsetzen kann und soll, nur durch Überzeugung möglich. Dies setzt eben voraus, daß das Denkergebnis, verbal oder visuell, mitteilbar ist. 1 Vgl. Lexikon der Planung und Organisation [70] Stichwort „Kreativität", S. 89 f.

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2. Haupteinflußgrößen

(4) Das Denkergebnis ist geeignet, die anfängliche Problematik zu beseitigen. Innerhalb einer innovativen Planung beinhaltet diese anfängliche Problematik nicht nur die vordergründig sichtbaren Störungen, von denen mehrfach die Rede war, sondern vor allem auch die durch eine tiefergehende, differenzierte, die für die Zukunft geltenden Umweltfaktoren berücksichtigende Untersuchung herausgearbeitete Problematik. Erst die Lösung dieser kritischen Details wäre im Sinne dieses Merkmals der Kreativität eine Beseitigung der Problematik. (5) Die Lösung ist mindestens für das Individuum neu und auch befriedigend. Daß die Lösung für das Individuum, das sind hier die Planer, neu ist, reicht bei Planungen nicht aus. Es muß gefordert werden, daß die Lösung für das betreffende System neu und auch befriedigend ist. Die Beurteilung der Originalität und des Realisierungsrisikos unterliegt niemals allein der Beurteilung der Planungsgruppe. Die Lösung muß von den Systemmitgliedern und vor allem von den Entscheidungsverantwortlichen akzeptiert werden. Nur wenn Auftraggeber und Problemloser dieselbe Person oder Personengruppe ist, bedarf es keiner weiteren urteilenden Instanz außerhalb der Planungsgruppe selbst. Da dies in der Praxis nicht der Fall ist, muß der Planungsprozeß in geeigneter Weise institutionell methodisiert und organisiert werden. Aus diesem Sachverhalt erklärt sich das Arbeiten mit mehreren Planungsinstanzen und nach einem formalen Ablauf, der noch ausführlich erläutert wird. Kreativität ist — kurzfristig gesehen2 — weniger persönlichkeitsbedingt als situationsbedingt. Infolgedessen muß den Bedingungen, unter denen kreative Denkprozesse überhaupt zustande kommen können, besondere Beachtung gewidmet werden. Eine Katalogisierung der positiven Bedingungen ist schwierig. Die Hinweise aus der wissenschaftlichen Literatur sind bisher noch recht lückenhaft3. Die Er2 Kurzfristig gesehen bedeutet hier, daß in der zeidichen Perspektive einer Planung die persönlichkeitsbedingten Kreativfaktoren kaum beeinflußbar sind. Praktisch wird damit gesagt, daß bestenfalls durch eine geschickte Auswahl der Personen die spätere Kreativität der Gruppe beeinflußt werden kann. Deshalb kommt den situationsbedingten, die Kreativität fördernden Maßnahmen vergleichsweise größere Bedeutung zu. Zu den langfristig beeinflußbaren, vor allem den erziehungsbedingten, vgl. Gisela Ulmann [116] S. 121 ff. 3 Vgl. jedoch die übersichtliche Zusammenstellung neuerer Forschungsergebnisse vorwiegend amerikanischer Autoren bei Gisela Ulmann [116]. Die dort behandelten empirischen Materialien und Tests unter Laborbedingungen beziehen sich zu einem großen Teil auf Schüler und Schulsituationen oder Studenten. Die Ergebnisse und Erkenntnisse sind deshalb nicht in jedem Fall auf das Lernverhalten Erwachsener, insbesondere auch nicht auf Planungsgruppen übertragbar. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß die Verhaltensweisen von Planungsgruppenmitgliedern

2. 3. Kreativität

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fahrungen aus der Praxis der innovativen Planung lassen aber die Bestimmung einer Reihe von negativen Einflüssen zu, die als besonders kreativitätshemmend bezeichnet werden können und die in der Planung beobachtet und kontrolliert werden müssen: (1) Die Ausbildung von dauerhaften autoritären Führungsstrukturen 4 in einer Gruppe fördert weder die Kreativität des Führenden noch die der Geführten 5 . Offenbar hängt dieses Phänomen damit zusammen, daß sich in einer Gruppe von Gleichrangigen die Mitglieder gegenseitig zur Kreativität zu stimulieren vermögen, weil die sonst üblichen Kommunikationsschranken (gegenseitige Informationsvorenthaltung, Rivalitätsverhalten, Status- und Rangdifferenzen) weitgehend abgebaut sind.6 Die Ausbildung von dauerhaften autoritären Führungsstrukturen, die auch aus Gründen der Unsicherheitsabsorption und unkontrollierten Komplexitätsreduktion problematisch ist, baut eben derartige Schranken wieder auf. Der Führer ist in hierarischen Gruppen größter „Selbsterfinder" und oberster „Kreativitätsbeurteiler". Beides wirkt sich auf die Gruppenmitglieder hemmend aus. Es wurde in empirischen Untersuchungen nachgewiesen, daß die Akzeptierungstoleranz in nichtautoritären Gruppen etwa doppelt so groß ist wie in autoritär strukturierten. 7 stark davon beeinflußt werden, daß ihnen die befristete Mitwirkung in der Gruppe bewußt ist. Andererseits enthält das Buch zahlreiche Aussagen und Hinweise, die für die Praxis sehr nützlich sind. 4 Die Betonung liegt hier auf „autoritär", im Gegensatz zu einer durch die Wahl der Gruppenmitglieder legitimierten demokratischen Führung. Damit soll zugleich der verbreiteten Meinung entgegengetreten werden, daß eine Planungsgruppe oder überhaupt ein Team gänzlich führerlos zu konstruieren sei. 5 Zur Frage der innovationshemmenden Wirkungen hierarchisch-autoritärer Strukturen vgl. auch Helmut Ziegler [123] S. 247 ff. H. Ziegler spricht von mangelnder organisatorischer „Flexibilität und Innovationskapazität in den Entscheidungsprozessen durch Entscheidungszentralisierung und unilaterale hierarchische Strukturierung der Einflußbeziehungen und Kommunikationsstrukturen" und stellt dies der „Erhöhung der Flexibilität und Innovationsfähigkeit durch Dezentralisierung, horizontale Verbindungen, offene Kommunikationsstrukturen, Partizipation und Funktionalisierung der Einflußbeziehungen" gegenüber. Vgl. ebenda, S. 264. 6 Gisela Ulmann weist darauf hin, daß die Gruppe für manche Menschen die Entfaltung kreativen Verhaltens hemmt. Diese individuelle Kreativität besitzen z. B. Menschen, die in individuellem Denken zu neuen Ergebnissen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Kunst kommen. Vgl. Gisela Ulmann [116] S. 136. Solchen individuellen Kreativen begegnet man hin und wieder auch in Planungsgruppen. Es wäre nicht sinnvoll, sie ständig dem Gruppendruck auszusetzen, sondern sollte ihnen möglichst viel individuell gestaltbare Arbeitszeit in der Planung einräumen. 7 Vgl. P. M. Bean [15].

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2. Haupteinflußgrößen

Um möglichen Mißverständnissen und einer weitverbreiteten Vorstellung zu begegnen, sei hier ausdrücklich betont, daß der Begriff „unhierarchisch strukturierte Gruppe" nicht gleichbedeutend ist mit „Gruppe ohne Führung". Entscheidend ist, ob sich die Führung aus der Gruppe heraus demokratisch entwickelt und vergebene Führungsrollen von den Gruppenmitgliedern akzeptiert werden oder ob Führungspositionen „von Amts wegen" eingerichtet und ihre personelle Besetzung von außerhalb der Gruppe stehenden Autoritäten angeordnet wird. (2) Einflußnahmen des Systems oder einzelner Systemmitglieder auf die Planungsarbeit schränken die Kreativität erheblich ein. Da vor allem die Entscheidungsträger des Planungsprojektes und die von der Planung unmittelbar betroffenen Systemmitglieder bestimmte Erwartungen an die Planung richten, die teils nur offen geäußert, teils auch repressiv gefordert werden, stellen sich die Planungsgruppenmitglieder leicht auf diese Erwartungen ein. Sie tun dies zumal dann, wenn sie von diesen Personen hinsichtlich Einkommen, Karriere und Kompetenzen abhängig sind. Solche Beeinflussungen scheinen das betreffende Gruppenmitglied ebenso in seiner eigenen Kreativität zu blockieren, wie es auch gegenüber den anderen Gruppenmitgliedern kreativitätshemmend wirkt, weil es Äußerungen der Partner danach zu beurteilen neigt (d. h. abzulehnen oder zu fördern), ob sie seinen eigenen Taktiken entgegenstehen oder nicht. Die Planungsgruppe ist gegenüber solchen Einflüssen aus dem System relativ wehrlos, so daß die Planung stark gefährdet werden kann. Eine wesentliche Forderung an die Arbeitsbedingungen der Problemlöser heißt deshalb, eine weitestgehende Autonomie der Problembearbeitung zu gewähren. Kreativität hat vielfältige Voraussetzungen. Obwohl die Planungsgruppe an der Aufgabe gemeinsam arbeitet, verbringen die Gruppenmitglieder einen erheblichen Teil ihrer Planungsarbeit in Kleingruppen oder in Einzelarbeit, etwa um Erhebungen oder Befragungen im System durchzuführen oder statistische Auswertungen und Analysen von Informationsmaterial zu erarbeiten. Deshalb muß jede Planungsgruppe über einen gemeinsamen Arbeitsraum verfügen, in dem das Material zusammengetragen wird, der Informationsaustausch erfolgt und gemeinsame Diskussionen der gesamten Gruppe stattfinden. Fehlt ein entsprechend ausgestaltete gemeinsame Umwelt, kommen kreativitätsfördernde Gruppensituationen so gut wie nicht zustande. Für befristete ungestörte und distanzierte Arbeitsmöglichkeit für einen Planer sind ebenfalls räumliche Voraussetzungen (z. B. Leseecken) zu schaffen. Auf die Bedeutung eines solchen Kommunikationsraumes für Teamarbeit wird auch in der verhaltenswissenschaftlichen Literatur über Kleingruppenarbeit hingewiesen.8 Trotz aller Methodik und Systematik, die einer innovativen Planung zugrunde liegt, sollte nicht übersehen werden, daß kreativitätsfördernde Situatio8 Vgl. Walter Baur [14].

2. 4. Führung und Steuerung

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nen oft von vielen Zufällen bestimmt werden. Kreativität läßt sich offenbar weder auf bestimmte Zeitpunkte fixieren noch ist sie Dauerzustand noch kann sie angeordnet werden. Eine zufällig gefundene Information, der Einfall eines Gruppenmitgliedes oder sonstige Interaktionen induzieren Diskussionen in der Gruppe, die dann möglicherweise mit einem innovativen Produkt enden. Alles dies kann nur in einer bestimmten Arbeitsumwelt stattfinden, die auf die Belange einer innovativen Planung hin gestaltet ist. Deshalb spielen die Arbeitsbedingungen eine wesentliche Rolle und deshalb muß der Arbeitsraum ungestörte Individualarbeit und Gruppenarbeit zulassen. Bei der Entstehung kreativer Einfälle wirken zahlreiche, außerhalb des Individuums liegende Momente zusammen. Kreative Leistungen sind daher nicht einem einzelnen Gruppenmitglied zurechenbar, auch wenn ein Planer die Initiativfunktion hat, sondern sind echte Gruppenarbeitsergebnisse. Dieser Umstand setzt bei den Mitgliedern einer Planungsgruppe den Verzicht auf individuelles Urheberrecht für kreative bzw. originelle Ideen voraus. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß unvermutet geäußerte Ideen oft von der Gruppe abgelehnt werden, offenbar deshalb, weil eine in dieser Form geäußerte Idee den (zufälligen) Urheber in einer nicht-akzeptablen Weise in den Vordergrund stellt. Die neuartige Lösung wird fast immer als gemeinsames Arbeitsergebnis akzeptiert, sicher neben der sachlichen Einsicht deshalb, weil das unmittelbare Erleben der Planungsphasen mit unterschiedlichen individuellen Arbeits- und Problemlösungsbeiträgen auch ein Lernprozeß für jeden Mitplaner ist. Es sei abschließend betont, daß jeder Mensch kreativ ist. Kreativität kann entwickelt und entfaltet werden. Für innovative Problemlösungen ist entwikkeltes kreatives Verhalten und die Offenheit für Neues eine der wesentlichen Bestimmungsgrößen.

2.4. Führung und Steuerung von Planungsprojekten Führung, Kontrolle und Koordination sind Begriffe, die auch in Planungsprojekten (z. B. im Zusammenhang mit Planungsverantwortlichkeit, Projektmanagement und Führerschaft innerhalb der Planungsgruppe) regelmäßig auftauchen. Es handelt sich dabei um Steuerungsfunktionen und -formen, die in ihren üblichen betriebswirtschaftlichen Definitionen und inhaltlichen Gestaltungen nur beschränkt einsetzbar sind. Es kann nicht Aufgabe dieser Schrift sein, das Problem der Führung in Organisationen allgemein zu erörtern. 1 Hier soll nur auf bedeutsame Wirkungen hingewiesen werden, die in Planungsprozessen auftreten können. 1 Vgl. dazu die ausführlichen Erörterungen und Untersuchungen bei Erika Asdiauer [10].

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2. Haupteinflußgrößen

Es können sich innerhalb einer Planungsgruppe selbst Führungsstrukturen herausbilden oder es treten Störungen dadurch auf, daß die Planungsgruppe in Systemen operiert, die ihrerseits streng nach dem Führerprinzip strukturiert sind und in denen kooperative Normen und Regeln nicht entwickelt sind. Das Uber- und Unterordnungsprinzip ( = Hierarchie) ist fast ausschließliches Gliederungs- und Strukturierungsprinzip in den soziotechnischen Systemen der Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung. Führung, ausgeübt durch eine einzelne Person oder ein Personenkollektiv, ist nun nicht in allen sozialen Systemen und nicht in allen Situationen nachteilig und generell problematisch. Der Anspruch auf und die Wahrnehmung von Führungsfunktionen durch eine einzelne Person ist in Planungsprozessen jedoch nur in wenigen Einzelfällen und situationsbedingt erforderlich. Bildet sie sich als Dauerstruktur heraus, können Störungen und Konflikte im Planungsprozeß eintreten. Führung besteht im Prinzip darin, daß in unsicheren oder unentscheidbaren Situationen eine dazu autorisierte Instanz eine — oft mehr oder minder willkürliche — Entscheidung trifft, um das System (die Organisation, die Gruppe) überhaupt aktionsfähig zu halten. Wenn beispielsweise in einem Unternehmen aufgrund von Lieferengpässen nicht alle Abnehmer beliefert werden können oder wenn Teillieferungen festzulegen oder Auslieferungsprioritäten zu entscheiden sind, können keine zeitraubenden Untersuchungen über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Alternativen angestellt werden. Derartige Entscheidungen müssen trotz unvollkommener Information gefällt werden, wobei die Entscheidungen von unternehmenspolitischen Maximen (z. B. Bevorzugung der Abnehmer einer bestimmten Branche, auf die sich das Unternehmen strategisch einstellen will) stark beeinflußt und gesteuert werden. Damit wird zugleich deutlich, daß die Notwendigkeit von Führungsentscheidungen im wesentlichen nur in Situationen besteht, in denen das System zu schnellen Reaktionen gezwungen ist. Der Zwang zu Sofortentscheidungen schränkt die Möglichkeit der Informationssuche, um diese Entscheidungen auf eine fundierte faktische Basis zu stellen, ganz oder weitgehend ein. Dies trifft für Planungssituationen gerade nicht zu. Dennoch bilden sich innerhalb von Planungsgruppen leicht Machtstrukturen und Führungsrollen heraus. Ein Grund dafür ist darin zu sehen, daß die an der Planungsaufgabe mitarbeitenden Personen häufig aus Positionen des Systems kommen, in denen sie Macht besitzen und selbst Führungsaufgaben wahrnehmen und sich ein entsprechendes Führungsverhalten angeeignet haben. Ursache kann aber auch sein, daß innerhalb einer Planung situationsbedingter Führungsbedarf entsteht. Die daraus hervorgehende Ausübung von Führungsfunktionen wird nicht wieder abgebaut, wenn der Bedarf nicht mehr besteht, sondern bleibt erhalten. Die Führung wird generalisiert.

2. 4. Führung und Steuerung

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So kommt es vor, daß ein Mitglied der Planungsgruppe speziell für eine besonders schwierige Verhandlung mit der Unternehmensleitung zum Sprecher der gesamten Gruppe ernannt wird. Diese Rolle übt es dann in allen ähnlichen Situationen weiter aus, weil es von den außerhalb der Planungsgruppe stehenden Systemmitgliedern in dieser Rolle immer wieder angesprochen wird, ohne daß jedesmal der spezielle Konsens der Gruppe nötig wäre, durch den die Führungsrolle bestätigt (legitimiert) wird. Durch diese Generalisierung der einmaligen Führungs aufgäbe entsteht zugleich Macht. Auch Heinrich Popitz 2 unterscheidet im Gruppenverhalten ähnliche Grundformen der Machtbildung und hebt unter anderem hervor: (1) Allgemeiner Konsens über die Machtausübung, insbesondere bei situationsbedingtem erhöhtem Entscheidungsbedarf in Krisenlagen der Gruppe und ähnlichen Sondersituationen, (2) Machtaneignung aufgrund gegebener Überlegenheit ( = Autoritätswirkung einer Person) (3) Gewaltanwendung ( = Vollstreckungsaktion einer zuvor ausgebildeten Überlegenheit). Das Wissen um die vor allem unter (1) und (2) genannten Vorgänge der Machtentstehung, der Machtakkumulation und der Machtausübung ist für die Regelung innerhalb der Planungsprozesse von großer Wichtigkeit. Es ist Voraussetzung, um Führungsansprüche zu erkennen, zu bewerten und diese situationsbedingt abzulehnen oder zu legitimieren und um zu verhindern, daß es ungewollt und durch die Gruppe unkontrolliert zu Machtakkumulation kommt. Wesentliche Maxime bezüglich der Führungsrollen in Planungsgruppen ist folglich, daß sie nur durch die Gruppe selbst legitimiert werden und nicht das Ergebnis der Verleihung von Führungsverantwortlichkeit von einer außerhalb der Gruppe bestehenden Autorität an ein Gruppenmitglied sein sollen. 3 Es gibt insofern auch keine Hierarchie in der Planungsgruppe, als die durch die Gruppe legitimierten und situationsbedingten Führungsrollen wechseln. Der aus kommunikativer Sicht erwünschte Rollenwechsel, auch anderer als Führungsrollen, wird in der praktischen Gruppenarbeit tatsächlich vollzogen. Ob dies auch dann möglich wäre, wenn die Gruppe sich für eine unbestimmte Zeitdauer und nicht, wie im Falle der Planungsgruppen, auf begrenzte Zeit konstituiert, muß bezweifelt werden. Bei den beobachteten Planungsgruppen war festzustellen, daß die Häufigkeit von Rollenwechseln im Laufe der Planungszeit abnimmt und allmählich einer festen Rollendifferenzierung weicht. 4 2 Vgl. Heinrich Popitz [96] S. 6. 3 Erika Aschauer [10] S. 25 ff. unterscheidet in diesem Sinne Führung und Herrschaft. 4 Zur Frage des situationsbedingten Führungsrollenwechsels innerhalb von Kleingruppen vgl. auch Erika Aschauer [10] S. 84.

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2. Haupteinflußgrößen

Den meisten Menschen fällt es offenbar schwer, sich eine Zeitlang in einer sozialen Umgebung aufzuhalten, in der das Prinzip des Führens und Geführtwerdens als ein generalisiertes soziales Verhalten nicht gilt. Die Ausübung von Führung wird in einem sozialen Klima, das Führungsqualitäten als förderungswürdige und nachahmenswerte Eigenschaften von Menschen propagiert, häufig völlig unreflektiert und naiv angestrebt, wohl auch deshalb, weil dies Bestätigung und Formalisierung von informeller Macht und Autorität bedeutet. Der Wunsch nach einer Führungsrolle löst sich dann von den aktuellen Bedingungen der jeweiligen Situation und steht ihr, wie in komplexen Entscheidungssituationen oder überhaupt dort, wo Kreativität verlangt wird, als störende Verhaltensweise entgegen. Ihrem Inhalt nach kann Führung als sachbezogene oder als soziale Funktion auftreten.5 Beide Arten der Führung erscheinen selten in reiner Form. Sachliche Führung beinhaltet die Übernahme der Verantwortung durch eine Person für einen den Zielen des Systems entsprechenden Verlauf der Planung. Die Ausübung einer solchen sachlichen Führungsfunktion setzt das Vorhandensein von Systemzielen voraus und die Fähigkeit, diese Ziele gegenüber jedem relevanten Sachverhalt zu interpretieren, sowie die Autorität, alle Einzelaktivitäten nach diesen Zielen (bzw. den Interpretationen dieser Ziele) auszurichten. Sie erfordert Durchsetzungsmacht. Die Hauptgefahr einer solchen Form der Führung liegt zweifellos in der Tatsache, daß die Interpretationen der für die Planung relevanten Ziele des Systems durch den subjektiven Filter einer einzelnen Person erfolgt. 6 Werden die Systemziele gegenüber der Planung in dieser Weise autoritär vertreten, erscheinen sie wie eherne, unangreifbare Gesetze und werden keiner weiteren Kritik unterzogen. Hierin liegt ein außerordentliches Risiko, weil sich nicht selten durch die Planungsarbeit Diskrepanzen zwischen den vorgegebenen Zielen und den durch Fakten erkannten und begründbaren neuen Zielen für die Planung ergeben. Hierzu folgendes Beispiel: Ein Unternehmen verfolgt das Absatzziel, mit den vorhandenen Produkten einen möglichst breiten Markt zu beliefern, d. h. die Produkte in vielen verschiedenen Branchen und vielen verschiedenen Regionen zu vertreiben. Entsprechend den Erfordernissen dieser Märkte werden die Produkte in einer relativ großen Zahl von Varianten hergestellt und angeboten. Stellt sich nun in der Analysephase der Planung heraus, daß es für das Unternehmen wesentlich vorteilhafter wäre, nur einige Schwerpunktmärkte mit einem erweiterten Produktprogramm, aber nur relativ wenigen Produktvarianten zu bedienen (größere Serien in der Fertigung, rationellere Arbeitsabläufe in der Organisa5 Vgl. auch die Unterscheidung funktionaler und emotionaler Führung bei Erika Aschauer [10] S. 29 ff. 6 Hierauf weist auch Robert Presthus [99] S. 165 hin.

2. 4. Führung und Steuerung

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tion usw.), so müßte das geltende Absatzziel in Frage gestellt werden. Diese Kritik und Neuformulierung eines Zieles kann durch autoritäre Führung in der Planungsgruppe leicht verhindert werden, wenn der Führer sich an übergeordnete Zielvorgaben gebunden glaubt. Das genannte Beispiel läßt sich sicher nicht verallgemeinern, wenngleich es nicht unrealistisch ist. Es soll auch lediglich die Wirkungsweise demonstrieren, mit der eine sachliche Führung in das Planungsgeschehen eingreifen kann. Berücksichtigt man, daß jede Planung aus einer Vielzahl von Einzelschritten besteht, die sich im Verlaufe der Planungszeit wie Mosaiksteine zu einem Gesamtplanungsergebnis zusammenfügen, so sind in jeder Einzelphase die Wirkungen einer sachlichen Führung möglicherweise kaum spürbar. Dennoch wird die Planungsarbeit, kaum kontrollierbar für die Gruppe selbst oder für andere Planungsbeteiligte, durch bewußt oder unbewußt manipulative Beeinflussungen des Führers in bestimmte Richtungen gelenkt, die nur selten zu optimalen Problemlösungen führen. 7 Eine andere Situation ist gegeben, wenn die Gruppenarbeit die Realisierung von Planungsergebnissen oder von determinierten Programmteilen beinhalten würde. Hierbei ist durch den Determinierungsgrad der Aufgabe eine zielgerichtete Steuerung der einzelnen Arbeitsschritte möglich und notwendig. Die Gefahren einer auf den sachlichen Inhalt der Planung bezogenen Führerschaft in einer Planungsgruppe haben in der Praxis zu der Erkenntnis und damit Übung geführt, keine offiziellen „team-leader" zu benennen. Trotzdem bilden sich in Planungsgruppen informell solche sachbezogenen Führungsstrukturen gelegentlich heraus. Sie entstehen vor allem durch Rang-, Alters-, Wissens- und Ausbildungsunterschiede der Mitglieder der Planungsgruppe. Oft gesellt sich zum sachlichen Führungsanspruch ein Anspruch auf soziale Führung innerhalb der Gruppe. Soziale Führung beinhaltet die Autorität eines Gruppenmitgliedes, aufgrund seiner hohen sozialen Akzeptierung (Beliebtheit) alle übrigen Mitglieder zu bestimmten Verhaltensweisen veranlassen zu können. Ein solcher Anspruch kann sich sowohl auf die Repräsentanz der Gruppe nach außen als auch auf die Festlegung und Sanktionierung der gruppeninternen Normen und Regeln erstrecken. Bei einer unbestrittenen sozialen Führung bleibt der Verkehr mit allen ranghöheren Personen des beplanten Systems ausschließlich dem Gruppenführer vorbehalten. Der Vorteil erhöhter persönlicher Profilierungschancen eines einzelnen im System ist zugleich der Nachteil für die Arbeit der Gruppe. Die Motivation aller übrigen Gruppenmitglieder, und zwar sowohl deren Kooperationsbereitschaft als auch deren Leistungsmotivation, werden gehemmt. Als weitere Folgen treten dann Rivalitätsverhalten, Informationsvorenthaltung und Leistungszurückhaltung in Erscheinung und verhindern kooperative Gruppenarbeit. 7 Vgl. dazu H. E. Heyke [51].

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2. Haupteinflußgrößen

Soweit der sachliche und der soziale Führungsanspruch eines Gruppenmitgliedes den übrigen Mitgliedern bewußt ist und nicht akzeptiert wird, kann durch offene Aussprache und gegebenenfalls Gruppendruck eine Klärung der Situation herbeigeführt werden. Wesentlich schwieriger ist der Fall einer unbestritten informellen Führerschaft. Solche informellen Führerrollen können sich in Planungsprojekten leicht durch das größere Detail- oder Globalfachwissen, die bessere Rhetorik und Eloquenz, stärkeres Profilierungsvermögen oder Originalität eines einzelnen ergeben. Die Sozialwissenschaften haben bereits ein brauchbares methodisches Instrumentarium entwickelt (soziometrische Analysen), um derartige Strukturen und Verhaltensweisen in einer Gruppe festzustellen und offenzulegen. Mit der Bewußtmachung wird die entstandene Führungsstruktur zwar nicht beseitigt, sie hilft aber zu verhindern, daß sie sich unkontrolliert weiter verfestigt. Soziometrische Messungen sind als Mittel der Bewußtmachung jedoch insofern problematisch, als dabei nicht nur die Person des Führers als des Beliebtesten ( = Akzeptierung), sondern zugleich auch der Unbeliebteste ( = Ablehnung) in der Gruppe herausgestellt wird. Deshalb sollten derartige Messungen nicht von der Gruppe selbst durchgeführt und die Ergebnisse und Analysen nicht unbedingt vollständig der Gruppe bekanntgegeben werden. Führungsstrukturen in einer Planungsgruppe sind nachteilig, weil sie innovationshemmend wirken. Damit wird zugleich aber deutlich, daß sich diese Nachteile auf diejenigen Planungsphasen beschränken, in denen tatsächlich Kreativität in der Gruppe notwendig ist. Darüber hinaus gibt es Einzelanlässe in der Planung, die ebenfalls die Ausübung von Führungsfunktionen erfordern. Die Wahrnehmung dieser Führungsaufgaben ist jedoch zeitlich und inhaltlich begrenzt und unterscheidet sich vom autoritären Führungsstil und Führungsanspruch vor allem dadurch, daß es sich um kollektiv festgelegte und von allen Gruppenmitgliedern akzeptierte Führungsrollen handelt. Da der Führungsauftrag inhaltlich und zeitlich fixiert und limitiert ist, bleibt ein Rollenwechsel möglich, eine Verfestigung von Führungsrollen und -strukturen und eine Fixierung auf bestimmte Führer wird weitgehend verhindert. Diese demokratische und selbstregelnde Form des Kooperierens hat gegenüber der autoritären Führung den Vorteil, daß sich die Gruppe rascher und flexibler auf geänderte Bedingungen einstellen kann und daß Konflikte in der Gruppe offen ausgetragen werden können. Beispiele für zeitlich und sachlich begrenzte und für einen Personenwechsel offene Führungsaufgaben sind: — ein Gruppenmitglied wird zum Gesprächsleiter für eine bestimmte oder eine Folge von Arbeitssitzungen mit den verschiedenen Planungsorganen gewählt, — ein Gruppenmitglied wird für seine bestimmte schwierige planungspolitische Aktivität nach außen zum Vertreter der Gruppe gewählt,

2.4. Führung und Steuerung

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— ein Gruppenmitglied übernimmt als Methodenspezialist für eine bestimmte Zeit oder für eine bestimmte Teilaufgabe die Verfahrenskoordination. Ist in einer Planung die Phase der Lösungsfindung und Erarbeitung von Soll-Konzepten beendet, die ja in besonderem Maße Offenheit für Originalität, Progressivität und Kreativität erfordert, und geht die weitere Planungsarbeit über in die Ausarbeitung von Konkretisierungsprogrammen und Realisierungsplänen, so wird zunehmend eine koordinative Führungsfunktion notwendig, durch welche die vielfältigen Einzelaktivitäten zusammengehalten, gesteuert und überwacht werden. Nunmehr muß die Ernennung eines Projektleiters erfolgen. Damit wird zugleich der demokratische Arbeitsstil der Planungsgruppe abgelöst. Mit Erreichen dieses Planungsstadiums sollte auch eine personelle Neubesetzung erfolgen. Dies ist um so mehr erforderlich, je weniger vorher eindeutige Führungsstrukturen existiert haben. Die Planungsgruppenmitglieder würden sich einem nachträglich eingesetzten Führer in der Regel nicht fügen. Umgekehrt gefährdet das Beibehalten des unhierarchischen Arbeitsstils eine zügige und wirkungsvolle Verwirklichung der Planungsergebnisse. Die im Verlaufe einer Planung oft eintretende und notwendige Ausweitung der ursprünglichen Planungsaufgabe macht vielfach eine personelle Erweiterung der Planungsgruppe erforderlich. Darüber hinaus müssen häufig fallweise zusätzliche Experten und Expertengruppen zu bestimmten Detailproblemen herangezogen werden. Der Arbeitseinsatz dieser Fachleute und aller sonstigen am Rande oder außerhalb der Planung liegenden Aktivitäten müssen aufeinander abgestimmt und in den Planungsablauf integriert werden. Dabei gilt es, gegenseitige Störungen und Reibungsverlust weitgehend zu vermeiden. Diese Koordinationsaufgaben müssen von der Planungsgruppe wahrgenommen werden. In der Regel wählt sie für diese Aufgabe ein einzelnes Gruppenmitglied. Grundüberlegung der Zusammenschaltung an Planungsprojekten großen Umfangs arbeitender Experten und Expertengruppen unter ein gemeinsames Arbeitsziel zu einer Arbeitsgruppe ist der Effekt, daß für komplexe Aufgabenstellungen die unhierarchische Kooperationsform in einem Team zu einer höheren Aufgabenidentifikation und damit größeren Leistungseffizienz führt. Außerdem muß mit wachsendem Planungsfortschritt und wechselnden Zwischenerkenntnissen die Kooperationsstruktur, d. h. die Aufgabenverteilung auf Untergruppen, Kleingruppen und einzelne Planer, angepaßt werden. Dies verlangt flexibel gestaltbare Kooperationsformen. Da aber die Zahl der Mitglieder einer Planungsgruppe limitiert werden muß (optimale Anzahl 5 Personen, erfahrungsgemäß nicht mehr als 7 bis höchstens 9 Personen8), muß bei sehr umfassenden Aufgabenkomplexen eine Teilung vorgenommen werden, so daß 8 Vgl. Hans Paul Bahrdt, H. Krauch und H. Ritter [13] S. 2 f. sowie S. 34 und 38.

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mehrere selbständig arbeitende Planungsgruppen sich mit je einem Teilkomplex der Planungsaufgabe befassen. Werden Teilarbeitsgruppen gebildet, so müssen diese in den Gesamtprozeß des Projektes integriert werden. Das kann dadurch geschehen, daß einer oder mehreren Personen die ausschließliche Aufgabe der Steuerung des Informationsaustausches zwischen zwei Arbeitsgruppen übertragen wird. Dieses Verfahren der Vermaschung von mehreren Arbeitsgruppen zu einem Gruppenkomplex funktioniert zwar bis zu einem begrenzten Gesamtgruppenumfang, ist jedoch auch aus anderen Gründen wie Gefahr von Gruppenrivalitäten und -entfremdungen nicht unproblematisch. Das Prinzip der Vermaschung von Teams besteht darin, daß ein Mitglied einer Planungsgruppe zugleich Mitglied einer weiteren ist und zwischen beiden koordinative und kommunikative Funktionen ausübt. Man bezeichnet diesen Rollenträger auch als „Teamkoordinator" (Vgl. Abb. 3)

Abb. 3: Schematische Darstellung der Vermaschung von zwei Teams Die Vermaschung von Teams kann in verschiedenen Formen fortgesetzt werden9, wobei die Regel gilt, daß ein Teammitglied nicht gleichzeitig mehr als zwei Teams angehören soll. Als Beispiel für die Vermaschung von 4 Teams vergleiche Abbildung 4. In der Praxis erreicht die Vermaschung von Teams mit wachsender Personenzahl ziemlich rasch eine Schwelle, von der ab die Koordination und Kommunikation nicht mehr handhabbar ist. Wahrscheinlich ist der dazu erforderliche Informationsumsatz so hoch, daß er in sinnvollen Zeiträumen nicht mehr bewältigt werden kann. Die Teams entfalten dann immer stärker ein isoliertes Eigenleben. Auch die Schwierigkeit der Teiloptimierung zu Lasten einer gesamtoptimalen Aufgabenlösung kann in diesem Zusammenhang relevant werden. Eine formale 9 Vgl. Eberhard Schnelle [108] S. 75 ff.

2. 4. Führung und Steuerung

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® ® ® Teamkoordinatoien Abb. 4: Scfcematische Darstellung der Vermaschung von vier Teams Hilfe kann in manchen Fällen der gemeinsame Arbeitsraum für alle Arbeitsgruppen (Planungsgroßraum), die laufende, allen zugängliche Dokumentation und Visualisierung der Arbeitsergebnisse und die völlige Statusnivellierung sein. Zwei weitere Spezialfunktionen in offenen Arbeitsgruppen, durch die die Koordination zwischen den Teilgruppen verbessert werden kann, werden in neuerer Zeit diskutiert: (1) Dem „Teamorganisator" obliegt es, alle organisatorischen Bedingungen für die Arbeitsabwicklung zu gewährleisten. Es ist eine Servicefunktion, die vom Beschaffen der Arbeitsmittel bis zur Termin- und Aktivitätsüberwachung und der sehr wichtigen laufenden Registratur reicht 10 . Diese Aufgabe kann für ein Mitglied der Gruppe je nach Umfang Haupt- oder Nebenfunktion sein. (2) Der „Gruppenmoderator" erfüllt die Aufgabe eines neutralen Katalysators. 11 Er beobachtet begleitend alle gruppendynamischen Prozesse, fördert den Informationsaustausch, schlichtet gruppeninterne Konflikte, initiiert Planungsaktivitäten und gibt Entscheidungshilfen. Diese nicht sehr einfache Rolle erfordert neben sozialem Geschick eine sonst unübliche Form der Selbstbescheidung und Selbstbeschränkung trotz des geforderten hohen Engagements.12 10 Vgl. Walter Baur [14] S. 483. 11 Vgl. K. Albrecht und J. Schierz [6] S. 51. 12 Vgl. Der Spiegel [28],

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2. Haupteinflußgrößen

Die drei genannten Funktionen (Teamkoordinator, Teamorganisator, Gruppenmoderator) sind für einen geregelten und störungsfreien Arbeitsablauf in der Planung wichtig. Sie stellen jedoch keine Führungsrollen dar. Für die Funktion des Gruppenmoderators gelten einige besondere Anforderungen. Walter Baur 13 weist darauf hin, daß es sich um eine Persönlichkeit handeln muß, die nicht unbedingt auf jedem der angesprochenen Fachgebiete spezielle Kenntnisse besitzen muß, sondern die die Fähigkeit besitzt, das Gemeinsame und Wesentliche der jeweiligen Aufgabe zu erfassen. Hinzuzufügen ist die Fähigkeit zum Motivieren und soziale Sensibilität. Die Notwendigkeit, für sehr umfangreiche Projekte Großgruppen einzusetzen, bedingt ein erhebliches Ansteigen des Aufwandes für die Koordination aller am Gesamtprojekt Beteiligten. Dies gilt sowohl in zeitlicher wie in technisch-organisatorischer Hinsicht. So werden beispielsweise in großen Entwicklungsprojekten zwar aufwendige, aber unbedingt notwendige ständige Informationsdienste und Kommunikationssysteme eingebaut, um laufende Erkenntnis- und Fortschrittsunterrichtung aller Beteiligten zu erreichen.14 Ob und von welchem Planungsumfang ab ein Gesamtprojektmanagement mit überwiegend koordinativer Funktion angebracht ist oder nicht, kann gegenwärtig nicht abschließend beantwortet werden.15

2.5. Kooperation und Kommunikation in Planungsprojekten Komplexe Problemstellungen sind dadurch gekennzeichnet, daß das für die Problemlösung erforderliche Wissen nicht von einer einzigen Person beherrscht werden kann. Die Verschiedenartigkeit der Problemdimensionen erfordert vielmehr die Heranziehung mehrerer Personen mit unterschiedlichem Fachwissen, so daß insgesamt wenigstens die wichtigsten Dimensionen fachlich repräsentiert sind. Es ist vorstellbar, eine komplexe Problemstellung entsprechend den Problemdimensionen in Teilproblemkreise oder Einzelaufgaben aufzuteilen und diese nacheinander von entsprechenden Experten bearbeiten zu lassen. So könnte man beispielsweise die Planung für ein neues Verwaltungsgebäude nacheinander den Finanzierungsexperten, den Organisatoren, den Architekten usw. übertragen. Diese Art der Behandlung komplexer Planungsprobleme nennen wir „sequentielle Vorgehensweise". Sie ist dann nicht angebracht, wenn 13 Vgl. Walter Baur [14] S. 483. 14 Vgl. Hartmut Klein [63] S. 51 ff. 15 Vgl. dazu jedoch einige Ansätze bei Harald J. Schröder [110].

2.5. Kooperation und Kommunikation

65

zwischen den Teilproblemen starke Interdependenzen bestehen, so daß häufige und unmittelbare Abstimmungsvorgänge unumgänglich sind (Vgl. ausführlicher Kapitel 3.1.1.1.). In der Praxis finden solche Abstimmungen bei der gesplitteten Arbeitsweise häufig nicht in ausreichendem Maße statt. Zwischen den Experten bestehen Kommunikationshemmungen, die teils in völlig unterschiedlichen Terminologien, teils in standesspezifischen Verhaltensweisen und Ideologien, teils aber auch in der Überbewertung des jeweiligen eigenen Fachaspektes begründet sind. Die Folge davon ist, daß von jedem Fachaspekt her aus den unterschiedlichen Denk- und Urteilsansätzen her Determinanten in die Planung einfließen und — da sie zudem fachterminologisch verkleidet sind — meist von den übrigen am Projekt Beteiligten nicht mehr einer Kritik unterzogen werden können. Im zitierten Beispiel der Planung eines Verwaltungsgebäudes könnte der Finanzexperte dem Organisator und dem Architekten Determinanten setzen durch Begrenzung der verfügbaren Geldmittel, möglicherweise sogar ohne jegliche Kenntnis der baulichen Konzeption. Umgekehrt könnte der Organisator dem Architekten und dem Finanzexperten Forderungen stellen, die sich deren Beurteilungsmöglichkeiten entziehen und die die Konzeption für das Gebäude einseitig beeinflussen. Schließlich ist auch denkbar, daß der Architekt von seinem Fachaspekt her auf das Projekt einwirkt und beispielsweise rein ästhetische Gesichtspunkte in den Vordergrund stellt. Eine optimale Kombination aller Notwendigkeiten und Möglichkeiten wird bei einer sequentiellen Vorgehensweise schwerlich zu erreichen sein. Aber selbst wenn alle Kommunikationshemmnisse der genannten Art beseitigt wären, führt dieses Vorgehen zu einer beträchtlichen Zahl an Abstimmungsvorgängen zwischen den Beteiligten, so daß es naheliegt, die verschiedenen Experten an einem Ort zu einer integrierten Arbeitsgruppe zusammenzufassen. Diese Form der Behandlung einer komplexen Problemstellung nennen wir „simultanes Vorgehen". Die Interdependenzen zwischen den verschiedenen Dimensionen des Problems und die angestrebte integrative Lösungskonzeption begründen die Kommunikationsnotwendigkeit und die hohe Kommunikationsdichte innerhalb der Planungsgruppe (Vgl. Abb. 5). Die Vorbehalte gegen diese Arbeitsform sind zahlreich. Sie reichen vom ungebrochenen Glauben an den Experten und die Unmöglichkeit, Experten in kooperierende Arbeitsgruppen zu integrieren, bis hin zu der Meinung, in hierarchiefreien Gruppen würde mehr geredet als gearbeitet. Gerade das zuletzt genannte Vorurteil ist weitverbreitet und läßt auf eine Vorstellung von geistiger Arbeit schließen, die längst überholt ist. In der Praxis ist die simultane Vorgehensweise gegenüber komplexen Problemstellungen bisher nur wenig bekannt und selten geübt1. 1 Schon 1959 hat Hans Paul Bahrdt darauf hingewiesen, daß das klassische Prinzip der Ein-Mann-Entscheidungen, die auf Informationen beruhen, die von den Unter-

2.5. Kooperation und Kommunikation

67

Die Hauptschwierigkeiten einer solchen Arbeitsweise liegen u. a. darin, alle jene Verhaltensweisen abzulegen, die in den festen Ordnungen der herkömmlichen Systeme zweckmäßig sein mögen, innerhalb einer kooperativen Arbeitsgruppe aber kommunikationshemmend wirken. Der Besitz von Information und das Anrecht auf Information sind einerseits Statussymbole, andererseits Machtmittel, vor allem in der Hinsicht, daß man die Weitergabe dieser Informationen nach persönlich-taktischen Gesichtspunkten bestimmen kann, oft zum Schaden einer entsprechenden sachlichen Problemlösung. Dieses Verhalten ist in kooperativen Arbeitsgruppen gänzlich unangebracht und schädlich. Hier ist nicht nur eine möglichst gleichmäßige Verbreitung aller problembezogenen Informationen unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe erforderlich, sondern auch das gegenseitige Vermitteln des fachlichen Hintergrundwissens. Es muß deshalb ein gegenseitiges Lehr-Lern-Verhalten praktiziert werden, das bestimmte Kommunikationsformen und -regeln beachtet: — Es dürfen keine ausgeprägten Lehrer-Schüler-Verhältnisse entstehen, die zu sozialen Distanzierungen innerhalb der Gruppe führen, — Die Fachterminologie muß für die jeweils anderen Gruppenmitglieder in verständlicher Form erläutert werden, — Es sollte — soweit irgend möglich — scharf getrennt werden zwischen objektiver Informationswiedergabe und subjektiver Interpretation, — Die Informationsempfänger müssen ihre Scheu vor vermeintlich naiven Fragen ablegen, — Die Berufung auf externe Autoritäten (z. B. Theorien des eigenen Fachgebietes) sollte vermieden werden, soweit sie nicht durch die übrigen Gruppenmitglieder kritisch geprüft werden können. Diese sowie eine Reihe weiterer Regeln, die sich aus dem Sinn eines offenen kooperativen Arbeitsstiles ableiten lassen, müssen ergänzt werden durch entsprechende kooperative Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe. Der Zusammenhalt einer Gruppe hängt weitgehend davon ab, in welchem Maße es gelingt, gemeinsame Verhaltenserwartungen zu bilden und das Vertrauen in ihre Erfüllung durch die einzelnen Gruppenmitglieder zu gewährleisten2. Von jedem gebenen zugeliefert werden, nur so lange funktionieren kann, wie die Komplexität der Entscheidungssituationen gering ist. Nur dann nämlich könne man davon ausgehen, daß der Vorgesetzte als Entscheidungsträger den Überblick über die Entscheidungssituation hat und jederzeit sagen könne, wie seine Untergebenen brauchbare Informationen herzustellen haben. „Die Epoche, in der dies möglich war, geht aber ihrem Ende entgegen. Die Verwissenschaftlichung der Führungsaufgaben und ihre Aufspaltung in Spezialgebiete machen die Kluft zwischen dem Detailwissen und der großen Ubersicht immer größer." H. P. Bahrdt [12] S. 133. 2 Der Gruppendruck, durch den Konformität mit den Gruppenerwartungen erreicht wird, weil die Angst davor, nicht akzeptiert zu werden oder andere soziale Diskriminierungen hinnehmen zu müssen, wirkt dabei ebenso stark wie die Tatsache,

68

2. Haupteinflußgrößen

Gruppenmitglied m u ß daher erwartet werden, d a ß es alle Informationen, die f ü r die Planungsarbeit relevant sind, d. h. nicht nur unmittelbar sachbezogene, sondern auch planungspolitische Informationen aus dem System unverzüglich der Gruppe mitteilt. D a die Planungsgruppe in bestimmten Phasen arbeitsteilig tätig ist, entstehen in jeder Kleingruppe Informationsvorsprünge oder -lücken, die durch intensive Kommunikation ausgeglichen werden müssen. Da bei jeder Informationsübertragung nur verdichtete Informationen weitergegeben werden können, bildet sich im Laufe der Planungsarbeit innerhalb der Gruppe ein differenzierter Wissensstand heraus. Als Folge davon können informelle Rangunterschiede zwischen den Kleingruppen entstehen, wenn die jeweils bearbeiteten Themen einer unterschiedlichen Wertschätzung unterliegen. Ein Beispiel mag dies erläutern: Eine Planungsgruppe hat eine Organisationsplanung durchzuführen, bei der die verschiedenen Arbeitsabläufe in der Verwaltung, die organisatorische Struktur und das Anreizsystem zur Leistungsmotivation im System zu untersuchen sind. Solche thematische Differenzierung findet sich in der Praxis häufig. Die Erfahrung hat dabei gezeigt, d a ß die Rationalisierung der Arbeitsabläufe meist als geringwertige, uninteressante Arbeit im Vergleich zur Bearbeitung von Anreizsystemen zur Leistungsmotivation oder der Entwicklung einer neuen Organisationsstruktur angesehen wird. In solchen Situationen entstehen sehr leicht Konflikte zwischen den jeweiligen Arbeitsgruppen. Neben derartigen „Imagekonflikten" trifft m a n innerhalb einer Planungsgruppe vor allem auf Machtkonflikte, Normenkonflikte u n d Zielkonflikte 3 . Die Gründe für das Entstehen von Konflikten innerhalb von Planungsgruppen sind sehr vielfältig u n d lassen sich nicht erschöpfend aufzählen. Machtkonflikte entstehen vor allem, wenn offizielle Rangunterschiede in der Gruppe nicht abgelegt werden, wenn mehrere Gruppenmitglieder Führungsansprüche anmelden oder ein einzelnes Gruppenmitglied sich bestimmten Verhaltenserwartungen widersetzt. Normenkonflikte beruhen im wesentlichen auf unterschiedlicher Auslegung von Gruppennormen, während Zielkonflikte sich auf unterschiedliche Auffassungen über die in der Planungsarbeit einzuschlagende Richtung erstrecken. In der Praxis ist es nicht möglich, eine völlig konfliktfreie Arbeitsgruppe von Gleichrangigen zu bilden. Z u d e m ist eine klare Grenze zwischen unerwünschtem Konflikt und notwendiger Auseinandersetzung zum Nutzen der daß die Gruppe dem Individuum ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln und das Bedürfnis nach menschlichen Kontakten befriedigen kann. Vgl. Renate Mayntz [83] S. 130. 3 Mit dem speziellen Problem der Statuskonflikte und der Inkongruenz von Statusfaktoren in Gruppen befaßt sich Andrzej Malewski [79] S. 128 ff.

2.5. Kooperation und Kommunikation

69

Sache nicht zu ziehen 4 . Die Ausgangsbedingungen, die sich praktisch bei der Gruppenbildung nicht beseitigen lassen, sind bei den einzelnen Mitgliedern oft sehr unterschiedlich. Sie beziehen sich vor allem auf — — — — —

Lebensalter Berufserfahrung Dienstrang im System Einkommen Persönlichkeitsstruktur

So entsteht in der Gruppe leicht eine Diskrepanz zwischen der beabsichtigten und verkündeten Gleichrangigkeit und dem tatsächlichen Verhalten einzelner Gruppenmitglieder. Manche Verhaltenserwartungen, die sich in der Gruppe gebildet haben, z. B. zielkonformes Verhalten in der sachlichen Arbeit, Verzicht auf persönliche Urheberschaft bei kreativen Einfällen, Weitergabe aller planungsrelevanten Informationen, Verzicht auf jeglichen Führungsanspruch, werden mehr oder minder offen verletzt. Für die daraus resultierenden Konflikte in der Gruppe gibt es im Prinzip zwei Handhabungsformen: Konfliktverdrängung und Konfliktaustragung. Für die Beurteilung der Frage der Konflikthandhabung in Planungsgruppen können die Erkenntnisse der soziologischen Konflikttheorie nur beschränkt herangezogen werden. Die spezifische Situation einer Planungsgruppe besteht darin, daß sie nur für eine befristete Zeit existiert und sich jedes Gruppenmitglied im vollen Bewußtsein dieser Sachlage an der Gruppenarbeit beteiligt. Die Konfliktverdrängung als ein befristetes Arrangement wird deshalb sehr oft praktiziert. Die Konfliktursache verliert oft auch im Zeitablauf ihre Bedeutung. Dagegen müssen Zielkonflikte und vor allem auch Konflikte über gruppeninterne Verhaltensnormen ausgetragen werden, sofern Lösungsmöglichkeiten gegeben, von den Beteiligten gesehen und die Bereitschaft zur Konfliktaustragung erkennbar sind. In vielen Fällen genügt bereits das Bewußtmachen der Konfliktsituation und die offene Aussprache über den Konfliktstoff innerhalb der Gruppe. Die Hauptschwierigkeiten in der Behandlung von Konfliktsituationen liegen viel weniger in der Form der Konflikthandhabung und -austragung als im frühzeitigen Erkennen eines aufkommenden Konfliktes in der Gruppe. Vielfach werden die Disharmonien erst sichtbar, wenn sich die Fronten bereits verhärtet haben und die Kooperation in der Gruppe bereits beeinträchtigt ist. Uber die Möglichkeiten, die Planungsgruppe vor Beginn der Planungsarbeit einem Verhaltenstraining zu unterziehen (z. B. Sensitivity-Training) und damit von vornherein die gegenseitige Offenheit und Akzeptierung in der Gruppe zu fördern, 4 Uber die unter bestimmten Bedingungen positiven und erwünschten Wirkungen einer Konfliktaustragung innerhalb von Systemen vgl. Lewis A. Coser [26],

2. Haupteinflußgrößen

70

liegen bisher noch zu wenig Erfahrungen vor, um zu einem begründeten Urteil zu kommen. Mit einigen Erfolgen durch diese Art der Vorbereitung auf die Gruppenarbeit wird man aber wahrscheinlich rechnen können, und zwar vor allem deshalb, weil damit bereits im Anfangsstadium der Planung falsche Erwartungen abgebaut werden können, die sehr oft Ursache von Konflikten in Planungsgruppen sind (Vgl. auch im einzelnen Kapitel 3.2.2.). Üblicherweise werden nämlich organisationsinterne Konflikte, „sofern sie nicht in die normalen Entscheidungsverfahren versteckt werden können, nach Möglichkeit überhaupt geleugnet und durch Formeln, Freundlichkeiten und Fiktionen überdeckt" 5 . „Wo Konflikte durch offene Agressivität so an den Tag treten, daß sie nicht mehr zu übersehen sind, werden sie — wie Fehler — den Individuen (und das heißt natürlich: dem Verlierer) zugerechnet, aus psychischen Eigenschaften, Berufsdispositionen oder mangelnder Leistungs- und Kooperationsbereitschaft erklärt und notfalls durch Personalentscheidungen kuriert" 6 . Die Planungsgruppenmitglieder, die derartige Erfahrungen in den Systemen, denen sie angehören, laufend machen, scheuen im allgemeinen das soziale Risiko einer offenen Konfliktaustragung. Dies ist ein Verhalten, das sie beim Eintritt in eine Planungsgruppe nicht ohne weiteres und spontan ablegen können. Dem Problem der Konflikte und ihrer Austragung muß in Planungsgruppen vor allem deshalb besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, weil sie infolge der engen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern und des hohen Erwartungsdrucks hinsichtlich des Arbeitserfolges und seiner Anerkennung relativ leicht ausbrechen. Je größer das gemeinsame Engagement an der Lösung der gestellten Planungsaufgabe und je enger infolgedessen die persönlichen Bindungen innerhalb der Gruppe wegen des starken Gefühls des Aufeinanderangewiesen-seins ist, umso heftiger sind die Konflikte und ihre Austragung 7 . Die fehlenden Sperren für eine offene Auseinandersetzung können eine Intensität erreichen, die in hierarchischen Strukturen ungewöhnlich ist8.

5 6 7 8

Niklas Luhmann [76] S. 248. Niklas Luhmann [76] S. 248. Vgl. Lewis A. Coser [26] S. 80 ff. Vgl. Dietrich Claessens [24] S. 495 ff.

3. Organisation und Methodik des Planens bei komplexen Problemstellungen

3.1. Die Organisation des Planungsprozesses 3.1.1. Organisationsformen für die Abwicklung von Planungspro j ekten 3.1.1.1. Formen der Projektabwicklung Die zahlreichen fachlichen Aspekte komplexer Entscheidungsprobleme machen es notwendig, daß mehrere Experten, die jeweils das Wissen der angesprochenen Fachgebiete repräsentieren, zusammenarbeiten. Für die Organisation dieser Zusammenarbeit haben sich in der Praxis drei Grundformen herausgebildet: (1) Das Stab-Modell 1 (2) Das Projektgruppen-Modell (3) Das kooperative Arbeitsgruppen-Modell. Beim Stab-Modell werden die unterschiedlichen Experten oder Expertengruppen (z. B. externe Fachberater oder die Stabstellen im Unternehmen) nur für ihren jeweiligen Fachaspekt in die Projektabwicklung eingeschaltet. Die

1 Zur Frage der organisatorischen Eingliederung von Stäben in Wirtschaftsunternehmen vgl. Erich Potthoff [98].

72

3. Organisation und Methodik

Koordination dieser Einschaltung sowie die Abstimmung der von den Experten eingebrachten Einzelbeiträge zur Problemlösung geschieht durch eine Zentralstelle, die als Projektleitung fungiert (Vgl. Abb. 6). Das Stab-Modell wird vor allem dann angewendet, wenn die verschiedenen Experten oder Expertengruppen nicht dem eigenen System angehören, sondern fremde Berater und Fachleute sind. Den systemfremden Fachleuten kann, zumal sie jeweils nur Spezialgebiete vertreten, im allgemeinen keine Gesamtverantwortung für das betreffende Projekt übertragen werden. Deshalb muß eine systeminterne zentrale Stelle (oder Person) als Projektleitung fungieren. Diese Form der Projektabwicklung findet sich vielfach auch bei öffentlichen Verwaltungen, bei denen die Experten durch die jeweiligen Ressorts oder Dezernate repräsentiert werden 2 . Auch in der Wirtschaft, wo in der Organisationsstruktur das Stab-Linien-Prinzip vorherrscht, werden komplizierte Planungsprobleme oft in der Weise abgewickelt, daß eine Stabstelle (meistens die fachlich am meisten angesprochene) die Projektleitung übernimmt und sich von anderen Stabstellen Fachbeiträge zur Problemlösung liefern läßt. Sind geeignete Fachleute nicht im System vorhanden, werden sie extern beauftragt (z. B. Architekten, Werbefachleute, Sozialpsychologen). Das Stab-Modell hat zwei wesentliche Nachteile. Bei komplexen Problemen ist der Projektleiter im allgemeinen fachlich überfordert, wenn er die Einzelbeiträge der Expertengruppen begutachten und aufeinander abstimmen soll, was seine Aufgabe ist. Die einzelnen Stabstellen oder Experten arbeiten weitgehend isoliert und unabhängig voneinander. Diese Arbeitsweise ist jedoch nur zweckmäßig, wenn die jeweiligen Aufgaben und Aufgabenteile eindeutig vorstrukturiert und definiert sind, d. h. bei wenig komplexen und zerlegbaren Problemen. „Der Projektmanager kann den Abteilungen nur die Leistungen und den Zeitraum für deren Erstellung vorschreiben, die im Rahmen des Projektes erforderlich sind. Wie die Aufgaben erledigt werden, ist Sache der jeweiligen Abteilungen"®. Der zweite Nachteil des Stab-Modells liegt in der Gefahr der sequentiellen Problembehandlung, d. h. die verschiedenen Sachaspekte werden von den entsprechenden Experten nacheinander oder parallel unabhängig voneinander durch fachliche Einzelbeiträge behandelt 4 . Die Gefahren liegen dabei auf der Ebene der Informationsübertragung und Kommunikation. Die Einzelbeiträge der Experten bedingen sich gegenseitig, 2 Man denke beispielsweise an das System der Wissenschafdichen Beiräte bei den Bundesministerien. 3 Klaus Reif [101]. 4 Vgl. auch Joachim Häusler [41] S. 54 ff., der darauf hinweist, daß sequentielle Planungsprozesse in Einzelaufgaben zerlegt und oft mit Hilfe von Netzplänen geordnet und optimiert werden. Voraussetzung sind eindeutige Zielvorgaben bzw. Suchodw Lösungsmodelle. Vgl. S. 56 f.

3.1.1. Organisationsformen

73

d. h. die Beteiligten können ihre Beiträge zur Lösung des Gesamtproblems vielfach nur dadurch zustande bringen, daß sie problemorientierte Informationen von anderen am Projekt Beteiligten aufnehmen bzw. an andere abgeben. Ein typisches Beispiel für einen üblicherweise sequentiell organisierten Planungsprozeß ist die Produktplanung in der Industrie. Das Problem des Findens, Selektierens und Konkretisierens neuer Produktideen hat vertrieblichmarktliche, entwicklungstechnische, fertigungstechnische, organisatorisch-dispositive, kaufmännisch-finanzielle und gegebenenfalls (patent-)rechtliche Sachaspekte. Diese Mehrdimensionalität hat zur Folge, daß zur Problemlösung eine mehr oder minder große Zahl von Abteilungen, Stabstellen oder Experten mit ihrem spezialisierten und aktuellen Fachwissen beteiligt werden müssen. Bei sequentieller Behandlung der einzelnen Sachaspekte muß nun jede Abteilung die mutmaßlichen Überlegungen der nachfolgenden Bearbeiter vorwegnehmen und aus den erhaltenen Informationen die Überlegungen der vorangegangenen Bearbeiter interpretieren, um daraus den eigenen Leistungsbeitrag zur Problemlösung zu erarbeiten. So läßt sich beispielsweise die Kalkulation eines geplanten neuen Produktes erst durchführen, wenn man einerseits die technischen Einzelheiten des Produktes bereits kennt, d. h. also gedanklich die Ergebnisse der Entwicklungsabteilung vorwegnimmt, und umgekehrt die zu erwartende Absatzmenge bekannt ist, weil sich sonst die Herstellkosten nur schwer ermitteln lassen. Die zu erwartenden Absatzmengen wiederum sind erst genauer zu fixieren, wenn man auf der Basis einer einigermaßen sicheren Kalkulation bereits Prognosen über die Preisforderungen anstellen kann, mit denen man auf dem Markt wird auftreten müssen. Die Folge davon ist eine Vielzahl von Rückfragen und Rückläufen des Planungsprozesses zwischen den Beteiligten, so daß Verzögerungen und Fehler auftreten. Weiterhin ist bei der sequentiellen Projektabwicklung zu beachten, daß die Informationsübertragung zwischen den isoliert voneinander tätigen Stellen oder Personen vielfach in schriftlicher Form stattfindet (Gutachter-Stil). Schriftliche Informationsübertragung erfordert jedoch eine hohe Informationsverdichtung und damit einen entsprechenden Informationsverlust, während es bei komplexen Problemlösungsprozessen gerade auf eine möglichst umfassende und vollständige Informationsübertragung an alle Beteiligten ankommt. Vollständigkeit bedeutet hierbei, daß jeder Beteiligte ausreichenden Einblick in die Sachüberlegungen der anderen nehmen kann und muß, um seinen eigenen Leistungsbeitrag einarbeiten zu können. Diese Forderung ist praktisch nur bei Informationsübertragung unter Anwesenden, d. h. in einer „face-to-face-group" gewährleistet5. Die direkte Informationsübertragung hat zudem nicht nur den Vorteil eines hohen Informationsumsatzes, sondern stimuliert infolge des Verfremdungseffektes zugleich die bei allen Problemlösungsprozessen, besonders aber bei innovativen Prozessen, erforderliche Kreativität unter den Beteiligten. 5 Vgl. Dietrich Ciaessens [24] S. 491.

74

3. Organisation und Methodik

Diese generelle Kritik der sequentiellen Abwicklung komplexer Probleme gilt auch für das Stab-Modell, wobei hier als Besonderheit die Verantwortung für die inhaltliche Abstimmung und die Informationsübertragung bei der Projektleitung liegt. Die Nachteile der sequentiellen Problembehandlung und der fachlichen Uberforderung des Projektleiters lassen heute andere Projektabwicklungsformen erforderlich erscheinen. Das Projektgruppen-Modell sieht vor, daß die laufende Abstimmung und der Informationsaustausch zwischen den Experten und dem Projektleiter durch räumliche und arbeitsmethodische Zusammenfassung in einer Gruppe erfolgt. Die inhaltlichen Abstimmungen können hier zwar relativ zwanglos erfolgen, jedoch liegt die Entscheidung in allen Einzelfällen beim Projektleiter. Er ist in dieser Organisationsform nach wie vor die informationelle Schaltstelle zum behandelten Planungsproblem, so daß der Einwand der fachlichen Überforderung, wie er gegen das Stab-Modell vorgebracht wurde, bestehen bleibt. Beim Projektgruppen-Modell treten insbesondere die an anderer Stelle beschriebenen Schwierigkeiten bei hierarchisch verfestigten Führungspositionen innerhalb einer kooperierenden Gruppe auf 6 .

Planungs-Aufgabe Projektleiter

0/T\

Experten Fachvertreter

Abb. 7: Schema der Projektabwicklung nach dem Projektgruppen-Modell Trotz der Nachteile einer festen Führungsposition des Projektleiters gibt es Situationen und Anlässe, in denen auf eine inhaltliche und teilweise auch disziplinarische Führung nicht verzichtet werden kann. In Planungsprojekten, die nicht nach diesen Formen organisiert werden, ist zumindest im Anschluß an die Verabschiedung der Planungsergebnisse eine auf die Realisierung gerichtete, 6 Vgl. Kapitel 2.4.

3 . 1 . 1 . Organisationsformen

75

zielorientierte Führung der Realisierungsgruppe erforderlich7. Projektmanagement oder Projektgruppen-Modell können jedoch nicht als eine „neue Organisationsform für die Lösung komplexer Planungsvorhaben" bezeichnet werden, wie Klaus Reif meint8. Das kooperative Arbeitsgruppen-Modell ohne Projektleitung oder kurz Team-Modell genannt versucht, sowohl die Nachteile der sequentiellen Problembehandlung als auch die Gefahren von Unterstellungen und Überordnungen innerhalb der Gruppe zu vermeiden. Die Gruppenmitglieder sind in diesem Modell prinzipiell gleichberechtigt, können aber (und tun dies in der Praxis auch) bestimmte Führungsfunktionen an ein oder mehrere Gruppenmitglieder delegieren. Wesentlich ist, daß diese Führung durch die Gruppe legitimiert und befristet ist. Das Team-Modell läßt grundsätzlich alle möglichen Kommunikationsbeziehungen innerhalb der Gruppe zu. Das Planungsproblem wird mit Hilfe bestimmter Methoden und in systematischer und koordinierter Weise in Angriff genommen. Diese Organisationsform für die Abwicklung von Planungsprojekten hat sich vielfach bewährt und steht in den folgenden Kapiteln im Mittelpunkt, zusammen mit der Darstellung weiterer Planungsorgane und ihren Funktionen innerhalb des Projektes. Zur Struktur des Team-Modells vergleiche Abbildung 8.

Experten

Abb. 8:

Schema der Projektabwicklung nach dem ArbeitsgruppenModell

7 Vgl. Kapitel 3.2.6. 8 Vgl. Klaus Reif [101],

76

3. Organisation und Methodik

3.1.1.2. Formen der Projektträgerschaft Neben den Formen der Organisation der Abwicklung eines Planungsprojektes ist auch die Frage der Projektverantwortlichkeit bedeutsam. Hinter diesem Begriff steht der Aspekt, welche Person oder welcher Personenkreis im beplanten System als verantwortlicher Auftraggeber gilt und für das Projekt die Überwachungs- und Entscheidungsfunktion besitzt. Es dürfte wohl der seltene Ausnahmefall sein, daß die Planungsgruppe oder Expertengruppe selbst diese Funktionen wahrnimmt. Drei Grundformen der Projektträgerschaft lassen sich unterscheiden. Sie können jeweils den drei zuvor beschriebenen Organisationsformen der Projektabwicklung in entsprechender Reihenfolge zugeordnet werden: (1) Projekt-Einzelträgerschaft (2) Projekt-Komitee-Trägerschaft (3) integrierte Projekt-Trägerschaft Bei der Projekt-Einzelträgerschaft wird einer Person aus dem beplanten System, meist dem Leiter des vom Planungsproblem hauptsächlich betroffenen Bereiches, die Überwachungs- und Entscheidungsfunktion übertragen. Meist hat diese Person selbst den Anstoß zu dem Projekt gegeben und Entscheidungskompetenzen erhalten über spezielle finanzielle Mittel, die Auswahl der heranzuziehenden internen und externen Fachleute und die Überwachung des Projektverlaufes. Nicht selten liegt auch die Entscheidung über die Planungsergebnisse bei dieser Person. Manche Entscheidungsbefugnisse werden dabei an den Projektleiter (vgl. Stab-Modell) delegiert, sofern eine institutionelle Trennung in Projektträgerschaft und Projektleitung überhaupt vorgenommen wird (vgl. Abbildung 9).

Projektierter

|0|0|0|0|0|

Abb. 9:

Schema der Beziehungen bei Projekt-Einzelträgerschaft

Experten

3.1.1. Organisationsformen

77

Diese Regelung der Projektträgerschaft ist nur sinnvoll, wenn die Planungsaufgabe sich auf den Bereich beschränkt, den der Projektträger selbst vertritt. Es gibt jedoch viele Probleme, in denen in irgendeiner Hinsicht Entscheidungskompetenzen benachbarter Bereiche angesprochen werden. Wenn nicht die Betroffenen ihre Entscheidungsbefugnis für den speziellen Fall auf den Projektträger übertragen, müssen sie selbst in irgendeiner Form in die Projektträgerschaft einbezogen werden. Eine mögliche Variante einer multipersonalen Projektträgerschaft ist die Projekt-Komitee-Trägerschaft. Hierbei wird versucht, durch Integration auf Entscheiderebene die Nachteile der Einzelträgerschaft zu überwinden. Diese Form der Projektträgerschaft ergibt die folgende schematische Darstellung (vgl. Abb. 10).

Abb. 10: Schema der Beziehungen bei Projektkomitee-Trägerschaft Die integrierte Projektträgerschaft sieht eine Zweiteilung der Trägerinstanzen vor, und zwar einen Beratungsausschuß und ein Entscheidungsgremium. Während der Beratungsausschuß eine aus der Intimkenntnis des beplanten Systems abgeleitete politisch-strategische und fachliche Unterstützungs- und Anregungsfunktion gegenüber der Arbeitsgruppe ausüben soll, liegt die Funktion der Entscheidung über die Planungsergebnisse, verteilt über den gesamten Planungsprozeß, beim Entscheidungsgremium. Dieser zweiteilige Aufbau der Projektträgerschaft steht in enger Beziehung zum Arbeitsgruppen-Modell und wird im folgenden genauer dargestellt (vgl. auch Abb. II). 9 9 Grundkonzeption und funktionale Gestaltung des Instanzenaufbaus bei komplexen Planungen wurde unseres Wissens in dieser Form in der Literatur zuerst von Eberhard Schnelle entwickelt. Vgl. Eberhard Schnelle [108] S. 93 ff. Vgl. auch Joachim Häusler und Jürgen Demmel [40] S. 24.

3. Organisation und Methodik

78

Entscheidungsgremium



0

®

®

®

0

1

-4

^

®

®

®

Beratungsausschuß

Abb. 11: Schema der Beziehungen bei integrierter Projektträgerschaft

3.1.2. Die Planungsorgane und ihre Funktionen 3.1.2.1. Die Planungsgruppe Der Gruppeneffekt und seine Bedeutung Mit der Veröffentlichung von Hofstätters „Gruppendynamik" 10 ist das Wissen um den Leistungsvorteil der Gruppe gegenüber den Einzelleistungen der Individuen allgemein ins Bewußtsein gelangt. In der Tat ist die Gruppe in zahlreichen realen Situationen dem Individuum überlegen. Der Leistungsvergleich zwischen Individuum und Gruppe ist jedoch nicht die eigentlich interessante Fragestellung. Diese läßt sich unter praxeologischen Gesichtspunkten 11 auf die längst geklärte Frage zurückführen, welche Zusatzleistungen entstehen, wenn ein durch eine Anzahl von Arbeitskräften individuell vollzogener Arbeitsprozeß in einen arbeitsteilig-integrativen umgewandelt wird. Die daraus resultierende technisch-ökonomische Leistungssteigerung läßt sich als ein Gruppeneffekt definieren. Diese Tatsache ist so alt wie der Gedanke der Arbeitsteilung selbst. Die Fragestellung, auf die es hier jedoch ankommt, bezieht sich auf das Leistungsziel der Gruppe und ihre Binnenstruktur. Die Zweckmäßigkeit der Bildung von Arbeitsgruppen oder speziell von Planungsgruppen, die nicht einen physikalischen, sondern einen informationellen Arbeitsprozeß integrativ 10 Vgl. Peter R. Hofstätter [55] speziell S. 27 ff. 11 Vgl. Tadeusz Kotarbinski [68] S. 17 ff.

3.1.2. Die Planungsorgane

79

und kooperativ verrichten, hängt entscheidend von der gestellten Aufgabe ab und führt zu bestimmten Anforderungen an die Struktur und Arbeitsweise der Gruppe. Obgleich die sozialen und soziologischen Beziehungen innerhalb einer Gruppe wie von ihr nach außen in fast allen hier betrachteten Gruppen gleich oder sehr ähnlich sind, unterliegt doch die Addierbarkeit menschlicher Körperkräfte zu einer physikalischen Gesamtleistung (z. B. eine Arbeitsgruppe in einer Fabrik oder eine Mannschaft im Sport) ganz anderen Bedingungen als das Zusammenschalten menschlicher Gehirne zu einer geistigen Gesamtleistung.12 Selbst wenn man nur solche Gruppenformen in Betracht zieht, bei denen ausschließlich Informationsverarbeitung erfolgt, seien diese nun innovativ oder nicht, so ist festzustellen, daß es zahlreiche unterschiedliche Gruppenformen gibt, deren Zweckmäßigkeit sich nur aus der jeweils gegebenen Situation bestimmen läßt. Eine der Hauptcharakteristiken für unterschiedliche Gruppenformen ist die Art der Regelung der Gruppenprozesse. Gruppen mit klar festgelegten Führungsstrukturen stehen solchen gegenüber, in denen keine eindeutigen Führungspositionen ausgebildet sind. Die letzte Form wird gern als „Team" bezeichnet. Dieser Begriff ist indessen durch vielfältigen Gebrauch sehr verwaschen worden und wird häufig in einem Sinne benutzt, der mit dem Begriff „Team" in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht mehr viel zu tun hat. Vor allem im Management der Unternehmen hat man es sich angewöhnt, jede beliebige Mannschaft von Mitarbeitern als Team zu bezeichnen, ohne Rücksicht darauf, daß es sich in den meisten Fällen um Personengruppen handelt, die durch eine völlig andere Führungs- und Kooperationsstruktur gekennzeichnet sind. Aus dieser Begriffsverschiebung resultieren dann Ausdrücke wie „Teamführer" oder „Teamleiter". Andererseits aber ist die oft gehörte Forderung 12 Ausführliche Erörterungen und Thesen zum Thema „Leistungsvorteile und Effizienz von Gruppen", insbesondere auch in Entscheidungssituationen, finden sich bei Barry E. Collins und Harold Guetzkow [25] S. 11 ff., insbesondere S. 23 ff. In Anlehnung an die experimentellen Untersuchungen von Collins und Guetzkow nennt Erich Frese folgende Einflußgrößen der Gruppeneffizienz: „1. Gruppenzusammensetzung (intellektuelle Fähigkeiten der Mitglieder, individuelle Motivation für Gruppenarbeit, Vielfalt der Standpunkte und der für das Problem relevanten Informationen), 2. Ablauf des G ruppenprozesses (Initiierung von Ideen und Anregungen, Problemidentifikation, Bewertung und Auswahl von Vorschlägen und Lösungswegen, Konfliktlösungen), 3. Gruppenführung (Ausgleich zwischen der Notwendigkeit regelnder und koordinierender Eingriffe bei Wahrung der Spontaneität und Flexibilität)." Vgl. Erich Frese [35] Spalte 1796. Einige Hinweise auf Fragen der Gruppenbildung, Formen, Zwecke und Rollen finden sich auch bei Theodore M. Mills [86] S. 154 ff.

80

3. Organisation und Methodik

nach Hierarchiefreiheit und Selbstregelung innerhalb der Gruppe als dem Hauptkennzeichen eines Teams nicht durchgängig zu verwirklichen. "Würde es in einer teamartig kooperierenden Arbeitsgruppe nicht zur Übertragung von Führungsrollen an ein einzelnes Gruppenmitglied kommen, wobei diese Rolle von allen akzeptiert und demokratisch legitimiert wird und jederzeit widerrufbar ist, wäre die Gruppe gezwungen, in unzähligen täglichen Entscheidungen von geringer Bedeutung einen speziellen Konsens herzustellen. Solche Führungsfunktionen eines Mitgliedes betreffen hauptsächlich koordinative und repräsentative Aufgaben (z. B. Einberufung von Sitzungen mit den Planungsorganen, Organisation von Befragungsaktionen). Um die Gruppenarbeit nicht schwerfällig zu machen, ist es zweckmäßig, für solche speziellen Belange ein geeignetes Gruppenmitglied zu ernennen. Die Forderung nach einem völlig unstrukturierten Team setzt einen Menschentyp und soziale Situationen voraus, die es in der Praxis nicht gibt. Welche Gruppenform zur Problemlösung die zweckmäßigste ist, läßt sich nicht generell bestimmen. Die Schwierigkeit der Wahl der richtigen Gruppenform wird beispielsweise dadurch deutlich, daß selbst bei einem Planungsprojekt in bestimmten Situationen und Phasen die durch den Führungstyp definierte Gruppenform schwanken wird. Eine induktive Bestimmung, d. h. eine Beweisführung, die aus der Beobachtung zahlreicher Fälle in der Praxis geführt wird, ist außerordentlich problematisch. Selbst Planungssituationen mit gleicher Thematik stellen praktisch nie eine exakte Wiederholung dar, da sich eine Vielzahl der Bedingungen ändert. Eine vergleichende Beantwortung der Frage, welche Leistung oder welches Ergebnis jeweils eine andere Gruppenform erbracht hätte, ist deshalb nicht möglich. Wegen dieser Situationsbedingtheit des Gruppenverhaltens und der daraus resultierenden Leistungen sind auch die meisten soziologischen Erkenntnisse und Erfahrungen aus Laborsituationen mit Gruppen für die hier betrachteten Fragen nur tendenziell relevant. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß für die Beurteilung der Leistung einer Gruppe, die sich mit der Suche nach neuartigen Problemlösungen befaßt, kaum objektivierbare und damit meßbare Vergleichsgrößen existieren. Die Tatsache, daß objektive Leistungsmaßstäbe für die Gruppenarbeit nicht vorhanden sind, hat in der praktischen Gruppenarbeit, vor allem in Planungsprojekten, zahlreiche Probleme und Konflikte zur Folge. So wird beispielsweise bei der Arbeit einer Planungsgruppe die Beurteilung ihrer Leistung anders ausfallen, je nachdem, ob der Urteilende zur Unternehmensleitung gehört oder aus der mittleren Führungsebene stammt, ob er zu den von der Planung Betroffenen gehört oder ob die Bewertung von einem Systemneutralen ausgesprochen wird. Auch die Planungsgruppenmitglieder bilden sich ein Urteil über ihre eigene Leistung. In diesem Zusammenhang kann man beobachten, daß die Planungsgruppen in fast allen Fällen ihre Arbeitsergebnisse schlechter beurteilen als die Planungsinitiatoren, d. h. die Auftraggeber im System. Vielleicht hängt

3 . 1 . 2 . Die Planungsorgane

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das damit zusammen, daß sich derjenige, der sein Prestige in die Vergabe des Planungsauftrages investiert hat, durch eine positive Bewertung des Planungsergebnisses die entstandene kognitive Dissonanz beseitigt, in die er gerät, wenn das Planungsergebnis hinter den Erwartungen zurückbleibt.18 Trotz der Schwierigkeiten einer generellen theoretischen Begründung gibt es indessen zahlreiche Einzeltatbestände, die darauf hinweisen, daß die offene, nicht durch hierarchisch-autoritäre Führungsstrukturen geprägte Gruppe vor allem in solchen Situationen überlegen ist, in denen äußerst komplexe, unbestimmte Problemlagen zu behandeln sind. Aus der Beobachtung zahlreicher Planungsgruppen in der Praxis hat sich besonders ein aus der Soziologie längst bekanntes Phänomen immer wieder bestätigt, daß überall dort, wo feste Führungsstrukturen in einer Gruppe ausgebildet sind, Informationsvorenthaltung durch Gruppenmitglieder betrieben wird. Diese Feststellung folgt der Aussage, daß der Besitz von Information ein Mittel der Machtausübung ist und häufig als solches angewandt wird. Zahlreiche Spielarten dieser Informationshandhabung lassen sich feststellen. Die häufigste Form ist die Informationsvorenthaltung gegenüber den eigenen Gruppenmitgliedern. Sie scheint jedoch nur dann eine nennenswerte Rolle zu spielen, wenn zwischen den Gruppenmitgliedern Rivalitätsbeziehungen oder Spannungen bestehen. Nicht selten rivalisieren Planungsgruppenmitglieder um Positionen, die sie nach Beendigung der Planungsarbeit oder durch diese glauben erreichen zu können. Informationsvorenthaltung wird aber auch von Planungsgruppenmitgliedern gegenüber Systemmitgliedern betrieben, die nicht am Planungsgeschehen beteiligt sind. Oft sind auch hierbei Rivalitäten das Motiv. Informationsvorenthaltung gegenüber dem Gruppenkoordinator wird insbesondere dann geübt, wenn der Führungsanspruch von der Gruppe nicht akzeptiert wird. Wird dabei Informationsvorenthaltung mit planungsrelevanten Informationen betrieben, können der Fortschritt der Planung und die Arbeitsergebnisse stark beeinträchtigt werden. Nicht nur Informationsvorenthaltung, ebenso auch Erscheinungen wie Außenorientierung einzelner Gruppenmitglieder, Leistungsvorenthaltung gegenüber der Gruppe, der Versuch von Gruppenmitgliedern, Leistungen der Gruppe (z. B. kreative Einfälle) als persönliche Leistungen darzustellen, sind soziale Erscheinungen und Konfliktursachen, wie sie auch in jeder Abteilung, in jedem Subsystem eines Unternehmens auftreten. Sie verstehen sich aus dem beschriebenen Teamgefüge, in dem Rollen-, Status- und Aktionsdifferenzierung zugunsten einer paritätischen Kooperation aufgegeben sind, sich aber unter den besonderen Bedingungen des äußeren Leistungssdrucks in Form rangmäßiger 13 Vgl. D. Ehrlich, I. Guttmann, S. Schimbach, J. Mills [30] S. 405 ff. und Leon Festinger [33] S. 27 ff.

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3. Organisation und Methodik

Strukturierungen rückbilden. Dieser Prozeß wird auch als Stratifikation 14 bezeichnet. Die Intensität der Interaktionen, der Wechsel der Zielvorstellungen und das Fehlen definierter Rollen sind nicht übliche soziale Situationen. Hieraus resultieren innerhalb des Teams persönlicher Stress, außerhalb des Teams Vorurteile und Vorbehalte gegenüber Teamarbeit. Über diese Vorgänge gibt die Planungspraxis zahlreiche Beispiele. Trotzdem zeigt es sich, daß es zur Zeit keine anderen Lösungen für diese Kooperationsprobleme gibt als die Konstituierung eines (wenigstens in der Tendenz) rangfreien Teams. Hinzu kommt, daß die kommunikationsoffene Gruppenarbeit befristet ist. Sobald ein Planungsprozeß das Stadium erreicht hat, daß ein von der Planungsgruppe erarbeiteter Soll-Vorschlag bzw. Soll-Modell von den Entscheidungsträgern akzeptiert worden ist und nunmehr zur Realisation ansteht, ist die Arbeitsform zu ändern. Die Arbeiten, die jetzt zu verrichten sind, sind klar strukturiert und beinhalten die Durchführung der Planungsergebnisse. In dieser Situation wäre eine Fortsetzung des Innovationsbemühens, das nachträglich das Planungsergebnis verändert, nicht mehr angebracht. Die Funktion der Führung in der die Realisierung durchführenden Gruppe ist insbesondere darauf auszurichten, die verschiedenen Tätigkeiten der Gruppenmitglieder auf die vorgegebene Zielrichtung zu koordinieren und dabei die kybernetische Funktion des Reglers zu übernehmen. Der Gruppenführer hat ständig das tatsächliche Geschehen in der Gruppe zu vergleichen mit dem vorgegebenen Ziel und nötigenfalls korrigierend einzugreifen. Der Grundsatz der Unveränderbarkeit der einmal erarbeiteten Planungsergebnisse ist nicht immer streng durchzuhalten, weil sich die Zweckmäßigkeit solcher Vorschläge oft erst bei der Konfrontation mit den Details der Realität erweist. Trotzdem kann behauptet werden, daß in dieser Phase eines Planungsprozesses eine Gruppenstruktur mit eindeutiger Führung ökonomisch zweckmäßiger ist als eine, deren Kommunikationsnetz auf die Bedürfnisse einer innovativen Informationsverarbeitung ausgerichtet ist. Die Vorteile einer unstrukturierten Gruppe, in der im Prinzip keine Kommunikationshemmnisse bestehen, liegen nicht nur darin, daß auf diese Weise das bei den einzelnen Gruppenmitgliedern vorhandene planungsrelevante Wissen ausgeschöpft wird. Gleich wichtig ist vor allem auch die gegenseitige Stimulierung und Motivierung der Gruppenmitglieder und die sehr wesentliche Tatsache, daß in einer kooperativen Gruppe erheblich mehr und originellere problemorientierte Denkrichtungen und Lösungsmöglichkeiten gefunden werden als in einer Gruppe, in der zulässige und unzulässige Planungsansätze durch die ideologische Brille nur einer Person, nämlich der des Führers selektiert werden.

14 Vgl. Dietrich Ciaessens [24] S. 493.

3.1.2. Die Planungsorgane

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Um einen möglichst hohen Gesamteffekt der Gruppenarbeit zu erzielen, wenn es schon nicht möglich ist, die Gruppenform während des Planungsprozesses situationsabhängig ständig wechseln zu lassen, hat es sich in der Praxis als sehr zweckmäßig erwiesen, bei komplexen Aufgabenstellungen zunächst ein kooperatives Team einzusetzen, um bis zur Entstehung der Soll-Vorschläge und ihrer Akzeptierung durch das System den innovativen Bedürfnissen der Planung zu entsprechen. Da sich jedoch die Mitglieder einer solchen Gruppe im allgemeinen nicht nachträglich einer Führungsstruktur unterwerfen, sollte für die Realisierung der Planungsergebnisse eine aus neuen Mitgliedern zusammengesetzte Arbeitsgruppe (Realisierungsgruppe) eingesetzt werden mit eindeutiger Führung durch einen Projektleiter. Dieser Projektleiter kann aus der Mitte der Planungsgruppenmitglieder gewählt werden, um eine inhaltliche und methodische Kontinuität des Gesamtprozesses zu erreichen. Damit können die sonst zahlreichen Probleme und Konflikte bei der Realisierung vermindert werden, die leicht entstehen, wenn die Vollzieher nicht gleichzeitig die Urheber sind (vgl. auch Kapitel 3.2.6.). Die Bildung der Planungsgruppe Der Erfolg von Planungsgruppen mit innovativer Zielsetzung hängt entscheidend von den Personen ab, aus denen die Gruppe gebildet wird. Auch wenn die richtige Auswahl der Personen allein keine Garantie für einen erfolgreichen Ausgang der Planung bieten kann, muß dem Problem der Bildung der Planungsgruppe besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Das Verhalten eines einzigen Gruppenmitgliedes kann die erforderliche Gruppenatmosphäre so beeinflussen, daß kreative Situationen nicht zustande kommen. Die Problematik der Bildung von Planungsgruppen liegt einerseits in der Definition und Formulierung der Anforderungen an die Gruppenmitglieder und andererseits darin, die geforderten Qualifikationen bei den Kandidaten nachzuweisen. Die personellen Anforderungen an die Mitglieder einer Planungsgruppe können kaum generell festgelegt werden, weder in Gestalt von Stellenbeschreibungen noch in Form einer Auflistung der qualitativen und quantitativen Leistungsnormen. Je nach Zusammensetzung und Größe der Planungsgruppe, der Aufgabenstellung, den sozialen Eigenheiten und Bedingungen des Systems, für das geplant werden soll, können die sachlichen und verhaltensmäßigen Anforderungen variieren. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die in Betracht kommenden Personen einer sozialen Situation entstammen, etwa den in den Unternehmen üblichen Hierarchien der Linienabteilungen, die an sie ganz andere Verhaltensanforderungen stellen als die offene Atmosphäre einer kooperativen Arbeitsgruppe. Personen, die wegen ihres gewohnten autoritären Führungsverhaltens als schwerfällig und für die Gruppenarbeit ungeeignet gelten, aus sachlichen Not-

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3. Organisation und Methodik

wendigkeiten trotzdem in die Gruppe delegiert werden, zeigen oft bereits nach wenigen W o c h e n der Mitarbeit unter den neuen Bedingungen der Gruppe Anpassung an deren neuen Arbeitsstil 15 . Nicht selten haben sich gerade diese Personen nach Beendigung der Planungsarbeit einen völlig neuen Kooperationsstil angeeignet. In vielen Betrieben wird deshalb die Mitarbeit in solchen Planungsprojekten bewußt und aktiv als eine Trainings- und Schulungsmöglichkeit für den Führungsnachwuchs betrachtet. So erwünscht dieser Nebeneffekt auch sein mag, so sollte er nicht das Hauptkriterium für die Auswahl von Planungsgruppenmitgliedern sein. Die Erzielung

eines innovativen

Gruppeneffektes

setzt voraus,

daß

alle

Gruppenmitglieder miteinander sehr enge und offene Kommunikation betreiben (vgl. Abb. 12). D a eine Gruppe möglichst schnell funktionsfähig werden soll und sich daher rasch ein durch gemeinsame N o r m e n und Verhaltensregeln

Personen unterschiedlichen Fachwissens Kommunikationsbeziehungen Abb. 12:

Schema der Teamstruktur

15 Einige interessante Aspekte und Hypothesen, die durch empirisches Material und Testergebnisse gestützt werden, betreffend die Frage der Beeinflußbarkeit von Menschen durch persuasive Kommunikation stellt Irving L. Janis dar [58] S. 71 ff. So lautet beispielsweise eine Hypothese: „Männliche Personen, die gegenüber Leuten, mit denen sie im täglichen Leben zusammen sind, offen unverhohlene Feindseligkeit zeigen, sind so prädisponiert, daß sie von jeder Art von Überredung relativ unbeeinflußt bleiben." Inwieweit eine solche Hypothese, auch wenn sie wie diese auf empirischem Material beruht, unmittelbar auf die Auswahl von Planungsgruppenmitgliedern angewendet werden darf, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Immerhin aber muß man damit rechnen, daß Organisationsmitglieder mit aggresivem Verhalten und gleichzeitig vorhandenen Vorurteilen gegen den Kooperationsstil von Planungsgruppen durch Überredung in ihrem Verhalten kaum geändert werden können. Ähnliches gilt auch für die Hypothese: „Männliche Personen, die auf symbolische Darstellungen mit reicher Fantasie und stark emphatisch reagieren, sind leichter zu überreden als solche, deren Einbildungskraft relativ begrenzt ist." Vgl. [58] S. 79.

3 . 1 . 2 . Die Planungsorgane

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bestimmter Arbeitsstil einstellen soll, muß eine Gruppe auf eine relativ kleine Zahl von Mitgliedern beschränkt bleiben. Es ist bekannt, daß z. B. auch Diskussionsgruppen, deren Teilnehmerzahl eine bestimmte Größe überschreitet, nicht mehr arbeitsfähig sind. Dasselbe tritt in Arbeitsgruppen ein, wenn sie in ihrer Mitgliederzahl so umfangreich werden, daß die Intensität der Interaktionen zwischen den einzelnen Mitgliedern zu gering wird. Die in der Literatur oft genannte und auch durch die praktische Erfahrung belegte günstigste Mitgliederzahl liegt bei 5 bis 7 (maximal jedoch bei 9) Mitgliedern einer Gruppe18. Wird diese Zahl wesentlich überschritten, so kann der offene Arbeitsstil der Gruppe, bei dem direkte Arbeitskommunikation das entscheidende Kriterium darstellt, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Das bedeutet, daß die Gruppe geteilt werden und ein Koordinator eingesetzt werden muß. Wer als neutraler Beobachter oder als systemexterner Berater an der Arbeit von Planungsgruppen beteiligt war, wird die Beobachtung bestätigen können, daß die ersten Handlungen einer gerade gebildeten Planungsgruppe sehr betont darauf gerichtet sind, einen eigenen Arbeits- und Kooperationsstil zu finden. Dies geschieht häufig gar nicht bewußt. Allmählich setzen sich jedoch mehr oder weniger rasch bestimmte Normen und Verhaltensregeln in der Gruppe durch. Ab diesem Zeitpunkt kann man sagen, daß die Gruppe funktionsfähig ist. Dieser Prozeß der teils bewußten, teils unbewußten Einigung auf bestimmte Normen und Regeln verläuft um so rascher, je geringer die Mitgliederzahl einer Gruppe ist. Welcher berufliche Wissenshintergrund und welche praktischen Erfahrungen und Kenntnisse die einzelnen Gruppenmitglieder mitbringen sollen, hängt stark von der jeweiligen Planungsaufgabe und ihrer Problemstruktur ab. Die Mitarbeiter in einer Planungsgruppe sollten nach Möglichkeit die Hauptaspekte des jeweiligen Planungsproblems fachlich abdecken. Ist etwa für ein Unternehmen eine neue Vertriebsorganisation zu entwerfen, so ist es wichtig, daß an dieser Planung nicht nur die Organisationsabteilung, sondern vor allem die Vertriebsabteilungen des Innen- und Außendienstes, wie auch die Produktentwicklung und die Produktion personell beteiligt werden. Diese Fach- und Ressort-Mischung der Planungsgruppe soll nicht nur alle 16 Mit wachsender Zuhörerzahl wird anscheinend besonders bei rhetorisch begabten und eloquenten Menschen und solchen mit starken Imponier-Neigungen relativ schnell eine Schwelle erreicht, bei der die Zuhörer nicht mehr individuell angesprochen werden, sondern für den Redner die Rolle des Publikums spielen. Dies zeigte sich mehrfach in Planungen, wenn Mitglieder der Planungsorgane sich stark unterschiedlich verhielten, je nachdem, ob sie allein die Planungsgruppe aufsuchten, um Sachfragen zu diskutieren, oder ob sie bei Sitzungen der Ausschüsse auftraten.

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3. Organisation und Methodik

von der Planung betroffenen Abteilungen am Planungsgeschehen beteiligen, sondern hauptsächlich durch die Vielfalt der repräsentierten Wissensgebiete und Erfahrungsbereiche gewährleisten, daß das Planungsergebnis vielseitige und realisierbare Lösungen enthält. Die Systematik und Methodik eines solchen Planungsprozesses erfordert von den Planungsgruppenmitgliedern ein hohes M a ß an Abstraktionsvermögen sowie analytische und synthetische Fähigkeiten, die im allgemeinen zwar durchaus nicht nur, aber vielleicht am konsequentesten durch eine Erziehung zu wissenschaftlichem, systematischem Arbeiten an Hochschulen erreicht werden. 17 Auf ausreichende Qualifikation in dieser Hinsicht sollte deshalb bei der Auswahl von Planungsgruppenmitgliedern geachtet werden, obwohl andererseits auch ein pragmatischer Sinn für die praktische Relevanz von Denkansätzen und Lösungsrichtungen in der Planung vorhanden sein sollte. Im Interesse origineller Innovationen müssen die einzelnen Planungsgruppenmitglieder in der Lage sein, sich nötigenfalls wenigstens gedanklich weit von ihren erlernten Wissens- und Fachaspekten zu entfernen, ohne deshalb den Kontakt zur Realität zu verlieren. Wer solche gedanklichen Verfremdungen selbst nicht vollziehen kann, sollte sie bei den anderen Gruppenmitgliedern zumindest nicht stören. Die Mitglieder einer Planungsgruppe unterliegen einem außergewöhnlichen Stress. Dieser Stress ist bedingt durch die bereits erwähnten Unsicherheitsspannungen, die ständige hohe Beanspruchung der intellektuellen Qualitäten sowie die Anforderungen aus der intensiven Zusammenarbeit. Darüber hinaus unterliegt jedes Gruppenmitglied während der Gruppenarbeit der sozialen Kontrolle durch die anderen. Dieser psychischen und physischen Anspannung sind viele Menschen nicht gewachsen. Da neben den Unterschieden in der (oft altersbedingten) Stress-Stabilität auch das Erfahrungs- und Altersgefälle eine Rolle spielen, sollte die Altersbandbreite innerhalb der Planungsgruppe nicht zu groß sein. Wenn es sich indessen um Kandidaten für Planungsgruppenmitgliedschaft handelt, die sich in der erreichten Position und sozialen Arbeitsumgebung bereits fest etabliert haben, so muß mit Konflikten gerechnet werden mit solchen Planungsgruppenmitgliedern, deren Karriere und beruflicher Werdegang noch nicht abgeschlossen ist und womöglich sogar erst am Anfang steht. Erfolgsmotivierte Menschen sind in der Regel offener für Veränderungen und Innovationen als etablierte. Dieses Verhalten ist jedoch zunächst unabhängig vom biologischen Alter. Die Annahme, daß Organisationsmitglieder mit einem Alter von etwa 45 Jahren meist ihre endgültigen beruflichen Ziele und Positionen erreicht haben, kann deshalb nur als unbelegter Anhaltspunkt verstanden werden. 17 Die Fähigkeit zur Synthese wird jedoch allem Anschein nach an den Hochschulen gegenwärtig noch weit weniger entwickelt als analytische Fähigkeiten.

3.1. 2. Die Planungsorgane

87

Der häufige Einwand, durch ältere und erfahrene Personen würde in eine Planungsgruppe ein notwendiges stabilisierendes Element hineingetragen, ist jedoch nicht berechtigt. Es kann ohnehin keine Planungsgruppe so autonom bzw. realitätsfern arbeiten, daß sie sich über den Willen und die Ziele des Gesamtsystems hinwegsetzen kann. Durch die später noch im einzelnen zu erläuternden weiteren Planungsorgane wird darüber hinaus die Möglichkeit einer richtungsstabilisierenden Einflußnahme durch das System und seine Entscheidungsträger auf das Planungsgeschehen institutionell vorgesehen. Die oft hervorgehobene langjährige Erfahrung stellt sich zudem häufig als Gewöhnung an einen eigentlich zur Änderung längst überfälligen Zustand oder als persönliche Immobilität heraus. Eine ähnliche Wirkung wie Altersunterschiede besitzen auch Rangunterschiede. Rangunterschiede innerhalb einer Planungsgruppe führen zu sozialen Distanzierungen mit all ihren kommunikations- und leistungshemmenden Wirkungen. Aussagen darüber, welches Maß an Rangunterschieden zwischen den Gruppenmitgliedern zulässig ist, sind fast nur in der konkreten Einzelsituation möglich, da Ausprägung und sonstige Rollenkomponenten ebenso von Bedeutung sind und von Fall zu Fall wechseln. In manchen Systemen spielen Rangunterschiede eine erhebliche Rolle. Ränge sind ein stark begehrtes Statussymbol und jeweils mit einem typischen Rollenverhalten verknüpft. Wo in dieser Weise auf Ränge Wert gelegt wird, können schon geringe Rangunterschiede innerhalb einer Planungsgruppe störende Verhaltensweisen und Konflikte bewirken. Ein typischer Ausfluß dafür ist das Phänomen, bei der täglichen oder wöchentlichen Aufgabenverteilung unattraktive Tätigkeiten bevorzugt den Rangniedrigeren zu übertragen, während sich die Ranghöheren die interessanten Aufgaben vorbehalten. Diese Verteilung deckt sich keineswegs immer mit der Verteilung der Eignungsmerkmale für die bestmögliche Aufgabenerledigung. Bei Systemen, in denen disziplinarische oder funktionale Stufungen in der praktischen Tagesarbeit und im Umgang zwischen Vorgesetzten und Untergebenen nicht besonders beachtet werden, bringt selbst eine weite Skala von Rangunterschieden zwischen den Planungsgruppenmitgliedern kaum Kooperationsprobleme mit sich. Dennoch sollte bei der Zusammenstellung einer Planungsgruppe an diesen Aspekt gedacht und den Beteiligten klar gemacht werden, daß in der Gruppenarbeit Rangunterschiede keine Rolle spielen dürfen und deshalb für die Dauer der Planung entsprechende Verhaltensweisen abgelegt werden müssen. Personen, bei denen zu erwarten ist, daß sie ihre unkooperativen und autoritären Verhaltensweisen nicht ablegen können, sollten nicht in eine Planungsgruppe aufgenommen werden. Für solche Menschen ist es häufig unerträglich, von rangniedrigeren Mitarbeitern kritisiert zu werden oder diesen einen größeren Einfallsreichtum zugestehen zu müssen. Autoritäres Verhalten drückt sich

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3. Organisation und Methodik

in der Gruppenarbeit vor allem in der Neigung aus, sich zur Durchsetzung der eigenen Meinung auf die eigene besondere Identifikation mit den Systemzielen und Systemnormen zu berufen. Innovationen erfordern jedoch normenkritische Haltungen. Eine der Grundanforderungen an Mitarbeiter in Planungsprojekten ist deshalb flexibles Verhalten, durch das tendenziell eine Offenheit für und Orientierung zur Innovation gewährleistet wird. Die geforderte Flexibilität der Haltung und Einstellung steht einer prinzipiell konservativen, Zustände und Strukturen stabilisierenden Haltung gegenüber. Die genannten Verhaltensweisen beziehen sich zunächst nur auf die Individuen. Die Erfahrungen aus zahlreichen Planungsprojekten bestätigen jedoch die theoretische Aussage, daß für die gesamte Gruppe das Maß der Annahme von Neuerungen proportional zum Grad der Homogenität und zum Grad der Sympathie sei.18 Es zeigt sich damit, daß die Grundhaltung eines jeden Individuums in einer kooperativen Arbeitsgruppe nicht auf dem Umweg der Beeinflussung des Arbeitsklimas, sondern direkt auf die Arbeitsergebnisse einwirkt. Die Motivation der Gruppe leitet sich aus der Motivation der einzelnen Teilnehmer ab. Zu Beginn der Planungsarbeit sind durch offene Diskussion die individuellen Ziele und Strategien offenzulegen, um daraus Richtung und Engagement der Gruppe ableiten zu können. Auch andere planerische Projekterfahrungen bestätigen, daß diese Arbeitsphase frühzeitig zu erfolgen hat und daß sie Zeit und Auseinandersetzungen kostet. Die sachlichen Arbeitsphasen lassen sich um so besser und leichter bewältigen, je konsequenter und detaillierter diese Klärung erfolgt ist.19 Es stellt sich daher die Frage nach weiteren objektivierbaren Auswahlkriterien für Mitarbeiter in Planungsprojekten. Die in Betracht kommenden Auswahlkriterien lassen sich kaum vollzählig aufstellen und beschreiben. Einige Kriterien, die an dieser Stelle nicht beschrieben werden können, ergeben sich aus den Bedingungen und Eigenheiten des Ablaufs eines Planungsprozesses, andere sind nur aus der konkreten Situation des beplanten Systems heraus zu bestimmen. Die Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung von Planungsgruppen liegen jedoch — wie bereits erwähnt — nicht nur in der Definition der Anforderungen, sondern auch darin, bei den Kandidaten festzustellen, welche Qualifikationen sie besitzen, wie sie zur Gruppenarbeit disponiert sind und ob eine auf Problemlösung gerichtete Motivation vorhanden oder auf andere Weise erreichbar ist. Da alle Qualifikationskomponenten relevant sind, lassen sich selten Personen finden, die alle positiven Eigenschaften für einen Idealplaner in sich vereinigen. 18 Vgl. J. A. Davis [27]. 19 Vgl. Autorenkollektiv [11] S. 18.

3.1.2. Die Planungsorgane

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So ist immer wieder festzustellen, daß Mitarbeiter aufgrund ihrer Fachkenntnisse und intellektuellen Fähigkeiten für die Planungsarbeit gut geeignet sind, aber wegen des kaum zu verändernden Verhaltens dennoch nicht in Betracht kommen können. Ist jedoch das unkooperative Verhalten nicht allzu ausgeprägt, so hängt die Frage, ob ein solcher Kandidat dennoch in die Planungsgruppe delegiert werden kann, davon ab, wie die übrigen Planungsgruppenmitglieder disponiert sind. Häufig gelingt es der Planungsgruppe im Verlaufe der Planungsarbeit, die unkooperativen Verhaltensweisen eines Mitgliedes zu kompensieren und einen gewissen Ausgleich zu schaffen, etwa indem die Gruppe bei der Verteilung von Aufgaben dem für Kooperation nicht geeigneten, aber fachlich qualifizierten Mitglied Tätigkeiten zuweist, die auch durch Individualarbeit ausgeübt werden können. In der Praxis ist dieser Kompromiß manchmal der einzige Ausweg, ein bestimmtes, sonst nicht verfügbares notwendiges Fachwissen in die Planungsarbeit direkt zu integrieren. Die Kompensation von störenden Verhaltensweisen ist als Auswahlstrategie bei der Bildung von Planungsgruppen jedoch nicht unproblematisch, weil es recht schwierig sein dürfte, den betreffenden Gruppenmitgliedern ihre soziale Rolle innnerhalb der Gruppe ex ante klarzumachen. Auf die Frage, welches die beste Methode ist, um aus einer Vielzahl von Kandidaten eine geeignete Planungsgruppe zusammenzustellen, gibt es keine allgemeingültige und endgültige Antwort. Die Durchführung von Eignungsoder Persönlichkeitstests ist häufig schon deshalb nicht möglich, weil solche Tests zu aufwendig sind und von Fachleuten durchzuführen sind. Sie können zudem auch nicht als sichere Selektionsmethodik gelten, weil sie gewöhnlich nur die Extremfälle aussondern helfen (z. B. neurotische oder psychophatische Dispositionen). Nur die wenigsten Tests sind darüber hinaus überhaupt geeignet, bei den betreffenden Personen nicht nur ein statisches Bild der Persönlichkeit herauszufinden, sondern auch zu bestimmen, in welche Richtungen sie sich unter dem aktuellen Einfluß einer Gruppenarbeit entwickeln werden oder beeinflussen lassen und wie ihre Verhaltensweisen in nicht vorhersehbaren Situationen sein werden. Für die Auswahl von Planungsgruppenmitgliedern sind gelegentlich auch Gruppendiskussionen20 veranstaltet worden. Für diese Methode gelten ähnliche Einschränkungen wie für Tests. Auf jeden Fall sollten derartige Verfahren nicht von Fachunkundigen benutzt und Ableitungen gemacht werden, bei denen Lükken in den Fachkenntnissen allzugerne und für einen Außenstehenden nicht kontrollierbar mit dem sogenannten und vielgerühmten, zweifelhaften gesunden Menschenverstand ausgefüllt werden. Dies ist gefährlich und es wird mehr 20 Zur Methodik der Gruppendiskussionen vgl. Werner Mangold [81] S. 209 ff.

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3. Organisation und Methodik

Unheil angerichtet, als daß eine Hilfe bei der Auswahl von Personen für Planungsgruppen gegeben wird. Es bleibt somit in praktischen Situationen vorerst noch bei den stark auf persönliche Erfahrungen gestützten Hilfspraktiken, z. B. mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen über deren Eindrücke und Erfahrungen mit den betreffenden Kandidaten zu sprechen und danach zu urteilen. Abgesehen von den vielfältigen subjektiven Fehlurteilen, die hierbei sich leicht und unbeabsichtigt einschleichen können, besteht dabei vor allem die Gefahr, daß die betreffenden Beurteiler Bewertungsmaßstäbe anlegen, die mit den Planungsanforderungen nichts zu tun haben. Neben den fast immer einfließenden Sympathie- und Antipathie-Empfindungen können dabei Überlegungen wie die besondere Förderung einzelner Mitarbeiter oder umgekehrt die Hoffnung, auf diese Weise einen unliebsamen Mitarbeiter abschieben („wegloben") zu können, eine Rolle spielen. Auch die Lenkbarkeit des Mitarbeiters und damit die leichte Einflußnahme auf die Planung kann als Beurteilungsmotiv in Betracht kommen. In dieser Kategorie von teils unbewußten, teils aber auch bewußten Fehllenkungen der Beurteilung von Personen spielt ferner die Überlegung eine Rolle, daß viele Vorgesetzte glauben, durch Entsendung eines ihrer Mitarbeiter in der Planung eine politische Vertretung zu besitzen. Häufig erhalten solche Mitarbeiter dazu den inoffiziellen Auftrag, dem betreffenden Vorgesetzten ständig über Inhalt und Fortgang der Planung zu berichten, damit er sich entsprechend auf die zu erwartenden Konsequenzen einstellen und diese beeinflussen kann. Gegen solche manipulative Personalentsendung gibt es nur relativ wenige Gegenmaßnahmen. Das im Grunde einzige wirksame Gegenmittel ist die ständige Aufklärung und Diskussion über Sinn, Anlaß und Ziele der Planung sowie über die Bedingungen eines optimalen Ablaufs des Planungsprozesses. Diese Aufklärungsnotwendigkeit besteht nicht nur zum Planungsbeginn. Vielfach vermögen erst die Erkenntnisse und Ergebnisse des faktischen Planungsverlaufs zu überzeugen. Die Arbeitsweise

der

Planungsgruppe

Die enge Kommunikation und Kooperation zwischen den Mitgliedern einer Planungsgruppe schließt nicht aus, daß sich die Gesamtgruppe zu bestimmten Detailthemen in mehrere Arbeitsgruppen (Unterteams) und auch zu Individualarbeit teilt. Gewollte und beabsichtigte Arbeitsteilung zwischen mehreren Arbeitsgruppen kann ausgesprochen leistungsfördernd wirken und deshalb wünschenswert sein. Dabei ist jedoch darauf zu achten, daß sich keine ausgeprägten Parteiungen, Rivalitäten oder Polarisierungen in den Untergruppen entwickeln, die auf den Zusammenhalt der Gesamtgruppe zentrifugal wirken können. Derartigen Tendenzen sollte durch häufigen und geplanten Personenwechsel in den Teilgruppen entgegengewirkt werden.

3.1. 2. Die Planungsorgane

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Eine interessante Beobachtung, die fast in allen Planungsgruppen gemacht werden kann, zeigt, daß im Verlaufe eines mehrmonatigen Planungsprozesses die interne Gruppenmobilität am Anfang außerordentlich groß ist, dann rasch abnimmt und gegen Ende der Planung kaum noch vorhanden ist. Diese Tatsache läuft fast parallel mit der zunehmenden Problemstrukturierung und den sich allmählich konkretisierenden Lösungen für das behandelte Planungsproblem. Für die Korrelation zwischen Gruppenmobilität und Planungsstadium gibt es vielschichtige Gründe. Die einzelnen Planungsgruppenmitglieder verhalten sich gegenüber den verschiedenen Teilthemen der Planung (jede komplexe Planungsaufgabe hat mehrere Teilprobleme, die zwar nicht isoliert voneinander, aber abgrenzbar gegeneinander behandelt werden können) abwartend. Sehr wahrscheinlich tun sie dies teils deshalb, weil sie die praktischen Relevanzen und Konsequenzen für sich selbst noch nicht absehen können, teils aber auch, weil sie abwarten, wie sich die übrigen Planungsgruppenmitglieder und vor allem die Entscheider (Vorgesetzte und Auftraggeber) verhalten werden. Weiterhin führt die inhaltliche Identifikation, d. h. die engagierte und intensive Beschäftigung mit einem bestimmten Thema und der damit gewonnene Wissenszuwachs zu Sicherheit und dadurch zur Immobilität der Einstellungen. Diese abnehmende thematische Mobilität ist dann nicht unbedingt als nachteilig für den Fortgang der Planung zu betrachten, wenn dadurch sich nicht völlige Interessenlosigkeit für die Planungsarbeit der übrigen Gruppenmitarbeiter bzw. der Untergruppen entwickelt und wenn das Kooperationsverhalten dadurch nicht beeinträchtigt wird. Planungsarbeit kann in drei Formen erfolgen: (1) Individualarbeit (2) Untergruppenarbeit (Kleingruppenarbeit) (3) Gesamtgruppenarbeit Vollsitzungen der Planungsgruppen dienen vor allem dazu, gemeinsame Planungsschritte festzulegen, Aufgabenverteilungen zu vereinbaren, generelle Themen zu diskutieren, durch gegenseitige thematische Verfremdung planungsfördernd zu wirken und gemeinsame Aktivitäten der Untergruppen zu koordinieren. Vollsitzungen sind als das eigentliche Forum der Meinungsbildung, der Diskussion und Verabschiedung von Arbeitsergebnissen der Teilgruppen bzw. der einzelnen Gruppenmitglieder zu verstehen. Dort erfolgt Konsens- oder Dissensfeststellung. Die eigentliche Detailarbeit (Informationssuche, Datenaufbereitung und -darstellung, Datenanalyse, Hypothesenbildung, Kritik des Ist-Zustandes, Bearbeiten von Problemteilen und Erarbeiten von Lösungsbausteinen) erfolgt in Einzelgruppen (meist Zweier-, höchsten Dreiergruppen) und in Inidividualarbeit der einzelnen Planungsgruppenmitglieder. In bestimmten Zeitabständen finden

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3. Organisation und Methodik

gemeinsame Sitzungen mit dem zugeordneten Beratungsausschuß (vergleiche dort) und dem Entscheidungsgremium (vergleiche dort) statt. Die Vorbereitung derartiger Sitzungen geschieht wiederum als Gesamtgruppenaktivität. Aufgrund der vielfältigen Aktivitäten und Ereignisse im Ablauf eines Planungsprozesses sind zeitweise bestimmte Funktionen und damit Rollen innerhalb der Planung nötig. Über deren Wahrnehmung, Zuweisung und Aufhebung entscheidet die Planungsgruppe selbst. Um zu verhindern, daß sich Führungsrollen durch Funktionshäufungen etablieren, sind die wichtigsten Funktionen auf verschiedene Personen zu verteilen. Das Reglement der Gruppe soll auch vorsehen, die Funktionsausübung in gewissen Zeitabständen wechseln zu lassen. Eine der wichtigsten Funktionen in diesem Zusammenhang ist die Vertretung der Planungsgruppe nach außen. In dieser Funktion geht es vor allem darum, die Kontakte zu den verschiedenen Mitgliedern und Organisationseinheiten des Umsystems zu kanalisieren. Für die meisten Systeme sind Planungen von der Art, wie sie hier geschildert werden, noch immer besondere Ereignisse. Es bleibt deshalb nicht aus, daß sich vor allem im Bereich der von der Planung betroffenen Personenkreise Gerüchte bilden und Erwartungen erzeugt werden, die nicht im Einklang stehen mit dem, was sich aus der Planung ergeben wird. Um zu verhindern, daß aus solchen Divergenzen Widerstände gegen die Realisierung entstehen, muß das Planungsgeschehen auch für die nichtbeteiligten, aber betroffenen Systemmitglieder unbedingt transparent sein. Diese Informationsoffenheit nach außen ist eine sehr wesentliche Forderung. Andererseits muß natürlich verhindert werden, daß durch häufige und unkoordinierte Besudle die Planungsarbeit gestört wird. Als Lösung hat sich die Einrichtung festgelegter und vorbereiteter Informationstage oder -Zeiten bewährt, an denen sich die Planungsgruppe jedem interessierten Systemmitglied für Erläuterungen des Standes der Planungsarbeit zur Verfügung stellt. Eine weitere, sehr wichtige Funktion innerhalb des Planungsprozesses ist die innere Koordination des Planungsgeschehens. Die Aufgabe besteht darin, die verschiedenen Tätigkeiten der Teilarbeitsgruppen und der Individualarbeit so miteinander zu verzahnen, daß der Bezug zum Gesamtplanungsproblem erhalten und für die Beteiligten sichtbar bleibt. Auf diese Weise bleiben alle Gruppenmitglieder in die Gesamtaufgabe involviert. Es muß verhindert werden, daß auf den einzelnen Arbeitsgebieten Teiloptimierungen zu Lasten eines anzustrebenden Gesamtoptimums der Problemlösung erzielt werden. Aufgabe des Koordinators oder Planungsmoderators ist es beispielsweise, geplante Befragungsaktionen oder andere Erhebungen einer Untergruppe allen übrigen Mitgliedern und Untergruppen bekanntzumachen, damit diese sich an solchen Vorhaben beteiligen können. Dadurch kann Doppelarbeit vermieden werden. Manche aufwendigen Erhebungsaktionen lassen sich auch kaum wiederholen. Das gilt für die meisten Befragungen, weil diese Aktionen im beplanten System relativ viel Unruhe und Arbeitsunterbrechungen erzeugen. Oft genügt das bloße Wissen

3.1.2. Die Planungsorgane

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um Arbeitsstand und Vorhaben, um integrativen Zusammenhalt und Planungsökonomie zu erreichen. Zur Aufgabe der internen Koordination gehört auch die Organisation von Veranstaltungen und Sitzungen mit den Planungsorganen. Das moderierende Planungsgruppenmitglied muß den Fortgang der Planung ständig daraufhin beobachten, ob der Zeitpunkt gekommen ist, die genannten Planungsorgane zu gemeinsamen Sitzungen mit der Planungsgruppe aufzufordern und dies mit der Gruppe abzustimmen. Das Bedürfnis zu solchen Sitzungen kann von der Gruppe ausgehen, wenn die Behandlung des betreffenden Themas an einen Punkt gelangt ist, an dem Zwischenentscheidungen oder beratende Unterstützung benötigt werden. Ein solches Bedürfnis kann aber auch von den einzelnen Mitgliedern der Ausschüsse geäußert werden, wenn sich von dort aus neue und wichtige Perspektiven im Zusammenhang mit der Planung ergeben haben oder ganz einfach der Wunsch nach intensiver Zwischeninformation über den Stand der Planung besteht. Bei solchen Besprechungen kann der Planungsmoderator die Rolle des Diskussionsleiters übernehmen. In dieser Rolle darf er sich nicht darauf beschränken, Wortmeldungen entgegenzunehmen und abzurufen, sondern muß lenkend in die Diskussion eingreifen, um das jeweils angestrebte Diskussionsziel (z. B. eine bestimmte Entscheidung) zu erreichen. Er hat dabei zu stimulieren und auszugleichen, muß sich aber neutral verhalten bzw. seine subjektive Meinung klar kenntlich machen. Bedingt es die Arbeit, daß einzelne Mitglieder oder Untergruppen außerhalb des Arbeitsraumes tätig sein müssen (z. B. Besichtigungen, Interviews, Informationsreisen), so sind hierüber Aufzeichnungen im gemeinsamen Planungsraum zu hinterlassen. Es hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen, Kernarbeitszeiten festzulegen. An diesen Tagen oder Stunden des Tages ist eine obligatorische Anwesenheit aller im Planungsraum festgelegt. Weiterhin ist auf die sehr wichtige Funktion eines Planungssekretariats hinzuweisen. Es erfüllt Servicefunktionen für alle Planer (Erledigung von Schreibarbeiten, Telefonaten, Registratur, Reiseplanung, Hilfsmittel-Disposition und Terminvereinbarungen). Da es sich um eine ebenso wichtige wie ausfüllende Tätigkeit handelt, können diese Servicefunktionen im allgemeinen nicht von den Planungsgruppenmitgliedern als Nebenfunktionen ausgeübt werden. Deshalb empfiehlt es sich, eine Gruppensekretärin vollwertig in das Team zu integrieren. Schließlich ist auf einen sehr wesentlichen Komplex zum Thema „Arbeitsweise der Planungsgruppe" einzugehen, nämlich Meinungsbildung und Konfliktaustragung. Fälschlicherweise wird immer wieder unterstellt, hierarchiefreies Arbeiten, Informationsoffenheit und Selbststeuerung der Gruppe würden totale Konformität verlangen. Diese Kriterien der Gruppenstrukturierung sollen im Gegenteil gerade die Offenlegung von Widersprüchen ermöglichen, so daß diese dargestellt, bewertet und ausgelotet werden können. Läßt sich keine faktisch belegbare Eindeutigkeit feststellen, so sind entweder weitere

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3. Organisation und Methodik

Fakten zu suchen oder die divergierenden Standpunkte sind als solche den Entscheidern offenzulegen. Der häufige Versuch, solche Alternativauffassungen, die nicht zu faktisch begründeten Entscheidungen in der Gruppe führen, durch demokratische Abstimmungsmechanismen einer Lösung zuzuführen, führt in der Regel zu einem Scheinkonsens, der bereits den Keim späterer Konflikte in sich trägt. Die Pluralität der Meinungen und Standpunkte, d. h. aller nicht im rationalen Bereich liegenden Verhaltensweisen und Wertkategorien, können aus der Arbeit der Gruppe nicht ausgeklammert werden. Das gilt insbesondere deshalb, weil sich die Gruppe aus kommunikativen und innovativen Gründen und wegen der Komplexität der Themenstellungen aus sehr unterschiedlichen Individuen zusammensetzt. Für die Funktionsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit der Planungsgruppe kommt es deshalb wesentlich darauf an, ob es ihr gelingt, die Konflikte offenzulegen, zu objektivieren, differenziert zu bewerten und schließlich durch gemeinsame Diskussionen und Schlichtungsbemühungen Lösungen zu finden. Von den Beteiligten sollte Einigkeit darüber herbeigeführt werden, welchen Bedeutungsgrad sie der Kontroverse beimessen. Die Bewertung der Konflikte könnte z. B. nach folgender Rangreihe erfolgen: (4) = Ohne Konfliktlösung ist eine Weiterarbeit nicht möglich (3) (2) (1) (0)

= = = =

Weiterarbeit Weiterarbeit Weiterarbeit Weiterarbeit

ohne Lösung bedingt möglich möglich, Konflikt jedoch belastend durchaus möglich, Konflikt hat untergeordnete Bedeutung voll möglich, Konflikt bedeutungslos.

Bei Einstufung eines Konfliktes nach (4) oder (3) ist eine Konfliktaustragung bis zur Lösung notwendig, meist unter Hinzuziehung eines Dritten (Schlichter, Gutachter, Moderator). In Planungen kommen dafür zunächst entweder der Beratungsausschuß oder das Entscheidungsgremium in Betracht. Wird ein Konflikt nach (2) oder (1) eingestuft, so genügt eine Konfliktaustragung bis zur gruppeninternen Einigung. Konflikte nach Stufe (0) werden gewöhnlich verdrängt. Entweder kommt es zur gruppeninternen Übereinkunft oder der Status quo wird belassen. Umwelteinflüsse und ihre Wirkungen in der Planungsgruppe Bereits an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß der Erfolg einer Planung nicht nur von der Qualifikation und der Kooperationsbereitschaft der einzelnen Mitglieder einer Planungsgruppe abhängt, sondern auch davon, welche positiven (anregenden) und negativen (hemmenden) Einflüsse aus der Arbeitsumwelt einwirken und inwieweit es der Gruppe gelingt, derartige Beeinflussungen zu verarbeiten. Die meisten Umwelteinflüsse wirken so subtil und sind kaum registrierbar, daß es schwierig ist, ihnen entgegenzutreten.

3.1.2. Die Planungsorgane

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Es ist in der Praxis nicht selten, daß die Beteiligung an einem Planungsprojekt als ausgesprochen unattraktiv empfunden wird. Die jeweilige Stimmung in der sozialen Bezugsgruppe eines Planungsgruppenmitgliedes spiegelt sich unmittelbar in dessen Motivation wider. Die Bezugsgruppe als Lob-Tadel-Instanz informeller Art wirkt dabei um so nachhaltiger, je mehr das betreffende Planungsgruppenmitglied damit rechnen muß, nach Aufgabenbeendigung in diese soziale Umgebung zurückkehren zu müssen. Die psychischen Bindungen der einzelnen Gruppenmitglieder an ihre sozialen Bezugsgruppen kann so stark sein, daß es auch während einer monatelangen intensiven und kontaktreichen Planungsarbeit nicht gelingt, einen neuen sozialen Bezugsrahmen aufzubauen. Es kommt durchaus vor, daß Planungsgruppenmitglieder persönlich an diesem Konflikt scheitern. Wird von einem Mitglied einer Planungsgruppe die Mitwirkung an der Planung als unattraktiv empfunden, kann fehlende Identifikation mit den Planungszielen im besonderen und den Systemzielen und -normen im allgemeinen die Folge sein. Ergreift diese Haltung die gesamte Gruppe, entwickelt sie leicht ein destruktives Engagement, das das gesamte Planungsprojekt zum Scheitern bringen kann. 21 Die aufmerksame Beobachtung und Steuerung solcher Erscheinungen obliegt in der hier behandelten Organisationsform komplexer Planungsprojekte den anderen Planungsorganen: Beratungsausschuß und Entscheidungsgremium. Ein weiterer charakteristischer und nicht minder kritischer Einfluß ist der Führungsstil, der in dem betreffenden System, für das die Planung erfolgt, praktiziert wird. So beruhen die meisten in der Wirtschaft anzutreffenden Führungsstile und -prinzipien, ob sie nun autoritär, patriarchalisch oder partizipativ sind oder eine andere Bezeichnung führen, auf einer Individualbeziehung zwischen Vorgesetztem und Untergebenem. Verteilt der Vorgesetzte Aufgaben oder Anweisungen, erteilt er Lob oder Tadel, so wendet er sich an den einzelnen Untergebenen. Hat der Untergebene sachliche oder persönliche Probleme, so wendet er sich nicht etwa an seine Kollegen, sondern an seinen Vorgesetzten. Diese personale Beziehung zwischen Vorgesetztem und Untergebenem wird offenbar für so selbstverständlich gehalten, daß sie von den Betroffenen kaum einer Kritik unterzogen wird. Die Nachteile dieses Verhältnisses und der daraus resultierende Kooperationsstil machen sich jedoch bemerkbar, sobald eine bestimmte Aufgabe nicht von einem Untergebenen, sondern von einer aus eng kooperierenden Mitgliedern bestehenden Gruppe bearbeitet wird. Die Unmöglichkeit, einen einzelnen Beteiligten aus der Planungsgruppe „zur Verantwortung ziehen" zu können, hat in vielen Fällen dazu geführt, einen verantwortlichen Teamführer zu benennen, statt für diese spezielle Situation die Form der kooperativen Beziehungen zu 21 Vgl. zu diesem Phänomen auch Renate Mayntz [83] S. 130 f.

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3. Organisation und Methodik

ändern. Die Schwierigkeit, eine auf die Besonderheiten eines kooperativen Gebildes abgestimmte Form der Auseinandersetzung zu finden, wird auf diese Weise hierarchisiert und nur scheinbar gelöst. Das entlastet zwar den betreffenden Vorgesetzten, löst aber die Probleme nur unbefriedigend. Selbst wenn es nicht zur Ernennung eines Teamführers kommt, was mit ziemlicher Sicherheit die innovative Erfüllung des Planungsauftrages in Frage stellen würde, wirkt sich auch der informelle Fortbestand der Individualbeziehungen zwischen den jeweiligen Vorgesetzten und den betreffenden Planungsgruppenmitgliedern negativ auf die Planung aus. Die Planungsgruppenmitglieder neigen dazu, bei der Beurteilung von Planungsansätzen und Lösungsrichtungen zu versuchen, die möglichen Reaktionen und Urteile der Entscheider oder Berater, die ihre Vorgesetzten sind, zu antizipieren. Da diese Antizipationen meist anders ausfallen, als die betreffenden Vorgesetzten tatsächlich reagiert hätten, falls sie direkt befragt worden wären, ergeben sich leicht Blockierungen der gesamten Planungsarbeit oder Richtungen werden eingeschlagen, die später von den Entscheidungsträgern nicht akzeptiert werden können. Es ist deshalb wichtig, daß zwischen den Beteiligten regelmäßig ein Zielabgleich erfolgt. Die Leistungsbereitschaft der einzelnen Gruppenmitglieder wird stark gefördert, wenn die Beteiligung an der Planungsarbeit als eine Möglichkeit angesehen werden kann, sich zu profilieren, das Einkommen zu steigern oder die nächsten Stufen der Aufstiegsleiter zu erreichen. Diesen bekannten leistungsmotivierenden Anreizen stehen jedoch einige Nachteile entgegen. Den einzelnen Planungsgruppenmitgliedern sollten deshalb vor dem Planungsbeginn keine konkreten Versprechen in dieser Hinsicht gegeben werden. Es ist beispielsweise bei Organisationsplanungen häufig vorgekommen, daß sich einzelne Planungsgruppenmitarbeiter derart auf eine versprochene Position fixiert haben, daß sie nicht mehr in der Lage waren, diese Positionen bei der Konzeption der Lösungen wieder in Frage zu stellen oder gar wieder aufzugeben. Bei derart starker Identifikation mit einer in Aussicht stehenden Position, deren funktionale Gestaltung im Aufgabenbereich der Planungsgruppe liegt, wird die faktische und emotionale Überzeugungskraft einer Planungsgruppe für eine von ihr erarbeitete Lösung an Glaubwürdigkeit verlieren. Allgemeine Verhaltensregeln in der Gruppe Die Entstehung einer arbeits- und funktionsfähigen Planungsgruppe wird bestimmt durch die gleichzeitige Festigung und Einübung von verbindlichen Kommunikations- und Kooperationsregeln. Obwohl sich jede Planungsgruppe ihre individuellen Normen und Regeln zusammenstellen und geben kann, gibt es doch aus der Erfahrung einige praktische Hinweise, die bei der Diskussion um die Arbeitsweise in der Planungsgruppe beachtet werden sollten.

3.1. 2. Die Planungsorgane

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Die Zusammensetzung einer Planungsgruppe aus Individuen recht unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Wissenshintergrundes hat zunächst zur Folge, daß jeder der Beteiligten den von ihm repräsentierten Wissensbereich für den wichtigsten hält. Um die daraus entstehenden Kommunikationshemmnisse zu überwinden, müssen sich die Mitglieder einer Planungsgruppe ein bestimmtes Lehr-Lern-Verhalten aneignen. Dazu gehört in erster Linie, daß ein Wissensvorsprung oder -vorteil eines einzelnen Planungsgruppenmitgliedes nicht als Machtmittel ausgenutzt werden darf, sondern in einer Form den übrigen Gruppenmitgliedern präsentiert wird, daß diese es als Wissenszuwachs aufnehmen können. Umgekehrt muß auch eine Lernbereitschaft entstehen, die sich der Aufnahme neuen Wissens aus den für die Planung relevanten Gebieten öffnet. Erst wenn innerhalb der Gruppe eine Bereitschaft zur Weitergabe des eigenen Wissens und zur Aufnahme anderen Wissens und fremder Erfahrungen entstanden ist, findet die Planungsgruppe zu einem echten kooperativen Arbeitsstil. Obwohl das kooperative Lehr-Lern-Verhalten eine fast selbstverständliche Maxime ist, muß sie in jedem konkreten Planungsfall erneut erläutert und gefordert werden. Die auf der Idee „Wissen ist Macht" beruhende überall anzutreffende Verhaltensweise, das Wissen einer Person als Macht- oder Manipulationsinstrument einzusetzen, hat zur Folge, daß innerhalb der Gruppe Informationen nur dann weitergegeben werden, wenn sie zugleich persönlichen Absichten dienen oder diesen zumindest nicht widersprechen. Die Haltung des do-ut-des der Informationsweitergabe führt innerhalb der Planungsgruppe zu der Situation, daß es auf jedem Fachgebiet jeweils einen Fachmann und n - 1 Laien gibt. Die Tatsache, daß dabei jeder einmal Fachmann sein kann, ist kein Ausgleich für den sich nicht entwickelnden Gruppeneffekt. Ist diese Situation in einer Gruppe erst einmal entstanden, so ist die Gruppe im Grunde nichts anderes mehr als eine Ansammlung von Fachindividualisten. Die Folge ist, daß die einzelnen Planungsprobleme nicht mehr, wie an anderer Stelle bereits ausgeführt22, von allen relevanten Aspekten her simultan beurteilt werden, sondern daß jeder Fachkundige nacheinander oder isoliert nebeneinander sein enges fachbezogenes Urteil abgibt, ohne daß es zu einer integrativen Gesamtbeurteilung kommt. In letzter Konsequenz führt eine solche Entwicklung in das Stab-Modell mit allen seinen Nachteilen zurück. Ist in einer Planungsgruppe durch ein geeignetes Lehr-Lern-Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder erst einmal die Basis für den intensiven Informationsaustausch gegeben, so ist für das Kommunikationsverhalten unter den Gruppenmitgliedern die Regel außerordentlich wichtig, daß die einzelnen Gruppenmitglieder sowohl nach außen als auch nach innen auf jegliche Urheber22 Vgl. Kapitel 3.1.1.1.

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3. Organisation und Methodik

schaft an kreativen Einfällen, Erfindungen, Arbeitsergebnissen und anderen Leistungen der Gruppe verzichten. Weiterhin muß jedes Gruppenmitglied für das Kommunikationsverhalten lernen, Kritik in geeigneter Weise anzubringen, aber auch in der Lage sein, die Kritik anderer entgegenzunehmen. Kritik in geeigneter Weise anzubringen, heißt insbesondere, stets die Grenze zwischen einem an der sachbezogenen und persönlichen Förderung des kritisierten orientierten Engagement und der bloßen Polemik oder gar Demoralisierung des anderen im Auge zu behalten. Annahme der Kritik anderer bedeutet, über das Kritisierte nachzudenken, sich darüber ein Urteil zu bilden und gegebenenfalls entsprechende Änderungen herbeizuführen. Dies muß deshalb besonders betont werden, weil es in besonders kritikfreudigen Gruppen bereits vorgekommen ist, daß die betreffenden Gruppenmitglieder so kritikempfänglich waren, daß sie jede kritische Bemerkung anderer begierig aufnahmen, um sie sogleich an sich abgleiten zu lassen. Ähnliche Verhaltensregeln und Maximen wie für das Kommunikationsverhalten treffen auch für das Verhalten in Diskussionen zu. Die Maximen für straffe und disziplinierte Diskussionen sind indessen heute weitverbreitetes Allgemeingut, so daß auf ihre Beschreibung hier verzichtet werden kann (vergleiche zur Ergänzung Kapitel 3.2.7.3.). Die anzustrebende Grundhaltung der Gruppenmitglieder sollte lauten: weder konformistisches noch neutrales, sondern kritisch engagiertes und problembezogenes Verhalten unter Beachtung der unterschiedlichen Werthaltungen und des differenzierten Wissens.

3.1.2.2. D e r Beratungsausschuß Die Zusammensetzung einer Planungsgruppe aus Personen unterschiedlicher Herkunft aus einem oder verschiedenen Systemen in Verbindung mit der Tatsache, daß eine solche Gruppe nur zeitlich befristet existiert, läßt zahlreiche Probleme und Konflikte mit dem System erwarten, dem die Planungsarbeit gilt. Nicht nur der Umstand, daß innerhalb der Planungsgruppe selbst sich zu Beginn ihrer Tätigkeiten noch keine festen Normen und Verhaltensregeln gebildet haben, tragen dazu bei, sondern auch die Tatsache, daß die Existenz einer solchen Gruppe in der Regel für die übrigen Systemmitglieder mehr oder weniger neu ist, jedenfalls kein alltägliches Ereignis ist, so daß sich auch für diese die Frage nach der Art und Weise des Umgangs mit einer kooperativen Arbeitsgruppe stellt. Dies gilt auch für die Beziehungen der einzelnen Planungsgruppenmitgliedet zu den Mitarbeitern ihrer vorherigen Positionen und Arbeitsumwelt. Die dort eingeübten Verhaltensweisen und beachteten Spielregeln des Umgangs haben bei jedem Beteiligten bestimmte Rollen- und Verhaltenserwartungen hervorgebracht, die das jetzt in eine Planungsgruppe entsandte Mitglied nicht in der

3.1. 2. Die Planungsorgane

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gewohnten Weise erfüllen kann, weil es hier in eine andere soziale Situation gestellt ist. Die hierdurch auftretenden Störungen der informellen Beziehungen erzeugen leicht Mißtrauen und tragen im beplanten System zur Gerüchtebildung bei. Dabei kommt es nicht selten zu Manipulationsversuchen, indem zum Teil ganz massiv bestimmte Forderungen gestellt werden, teils aber auch durch kaum merkliche selektive Informationsweitergabe. Da die Planungsgruppe selbst nicht alle Probleme und Störungen dieser Art beobachten und in den Griff bekommen kann, zumal ihre eigentliche Aufgabe in der sachbezogenen Arbeit an der Lösung des gestellten Problems liegt, bedarf es dafür einer besonderen unterstützenden Instanz. Sie hat von Anfang an und während der gesamten Planung das politisch-soziale Geschehen um die Planung mit zu steuern. Diese Institution ist der Beratungsausschuß (Planungsausschuß). Zusammensetzung und Arbeitsweise dieses Beratungsausschusses ergeben sich aus den weiteren Funktionen, die er im Zusammenhang mit der Planung auszuüben hat. Die Arbeit einer Planungsgruppe wird nicht nur durch äußere Einflußfaktoren und innere Verhaltens- und Kooperationsprobleme gestört, sondern kann auch in sachliche und inhaltliche Schwierigkeiten geraten. Eine sich über viele Monate erstreckende Planung, die sich mit einem in der Regel äußerst komplexen Problem befaßt, gerät leicht in inhaltliche Sackgassen oder stößt in Gebiete vor, zu denen auch in der Planungsgruppe kein ausreichendes Fachwissen vorhanden ist oder die Planungskompetenz fehlt. Dazu wird die Einholung internen oder externen Fachwissens unumgänglich. Schließlich kann ganz einfach der Fall eintreten, daß sich die Planungsgruppe in Nebenprobleme und Details verliert und die Verbindungen zu den Gesamtzusammenhängen der Planungsaufgabe sich verfilzen. Für diese Fälle ist es Aufgabe des Beratungsausschusses, der Planungsgruppe Anregungen zu geben, mit ihr neue Planungsansätze zu diskutieren, weiterführende Planungsschritte festzulegen und Fachunterstützung zu organisieren. Innovative Planungen sind über große Zeitabschnitte gestreckte Entscheidungsprozesse, in deren Verlauf mehrfach grundlegende und zielsetzende Einzelentscheidungen der Entscheidungsträger (z. B. der Unternehmensleitung) erforderlich sind. In welcher Phase und zu welchen Einzelfragen während einer Planung derartige Entscheidungen herbeigeführt werden müssen, bestimmt in erster Linie die Planungsgruppe selbst. Sie braucht dazu aber die sachliche und taktische Unterstützung von Mitgliedern der anderen Ebenen der Hierarchie. In diesem Sinne kann man sagen, daß der Beratungsausschuß die Funktion eines Trainingspartners für Sitzungen mit dem Entscheidungsgremium (siehe dort) ausübt und so als Bindeglied zwischen Planern und Entscheidern fungiert. E'ne weitere Funktion des Beratungsausschusses ergibt sich daraus, daß er sich bereits während des Planungsprozesses als dasjenige Organ versteht, das später die Realisierung der Planungsergebnisse organisiert und verantwortet.

3. Organisation und Methodik

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Es ist deshalb seine besondere Aufgabe, schon bei der Entstehung von Planungsergebnissen auf deren spätere Realisierung und Realisierbarkeit zu achten. Einerseits wird dadurch verhindert, daß sich die Planungsgruppe in unrealistische Phantasieprodukte und Utopien verliert, andererseits wird auf diese Weise ein reibungsloser Übergang von der Planung zur Realisierung gewährleistet. Entsprechend seinen fachlichen und politischen Funktionen setzt sich der Beratungsausschuß aus Mitgliedern der mittleren Führungsebene zusammen, die in ihrer Gesamtheit zugleich die von der Planung betroffenen Bereiche repräsentieren (vgl. Abb. 13). Insofern ist der Beratungsausschuß sehr häufig ein Spiegelblid der Zusammensetzung der Planungsgruppe. Im Gegensatz zur Planungsgruppe arbeitet er jedoch nicht voll am Planungsprozeß mit, sondern läßt sich in bestimmten Abständen über den Stand der Planung berichten und diskutiert zusammen mit der Planungsgruppe die einzelnen Planungsschritte.

Repräsentanten unterschiedlicher Fachbereiche

Fachliche Beratung

Beratungsausschuß Abb. 13:

Schema der Beziehungen zwischen Planungsgruppe und Beratungsausschuß

Der Umgang mit Planungsgruppen wirft für die Mitglieder eines Beratungsausschusses Kooperationsfragen auf, die in den meisten Fällen ungewohnt sind. Da die Mitglieder eines Beratungsausschusses aus Führungskräften der mittleren oder höheren Ebene stammen, kennen sie im allgemeinen nur Führungsstile und Führungsverhaltensweisen, die aus der Individualbeziehung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen resultieren. Dieses eintrainierte Führungsverhalten wird dann leicht auf die Beziehung zwischen Beratungsausschuß und Planungsgruppe übertragen. Dabei wird zu wenig beachtet, daß eine Planungsgruppe ein soziales Gebilde eigener Art ist, dessen Funktions- und Leistungsfähigkeit von anderen Bedingungen abhängt als die für ein Individuum oder für ein Großsystem geltenden.

3.1. 2. Die Planungsorgane

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Zum anderen muß jedoch auch berücksichtigt werden, daß der Beratungsausschuß selbst ein Führungskooperativ ist, d. h. nicht einfach eine Summe von Führungsindividuen darstellt, die sich als Interessenvertreter ihrer jeweiligen Abteilungen empfinden sollen. In der Planungspraxis werden immer wieder bestimmte Fehler im Umgang mit Planungsgruppen gemacht, für die hier einige typische und häufige Beispiele erwähnt werden sollen, ohne Anspruch auf Systematik und Vollständigkeit zu erheben. Aus der Übertragung des individuellen Führungsverhaltens auf den Umgang mit Planungsgruppen resultiert die Neigung, einzelne Planungsgruppenmitglieder zu loben oder zu tadeln. Dies ist überflüssig und führt zu Konflikten, weil individuelles Fehlverhalten in der Gruppe geregelt wird und Individualleistungen im Team nicht zuordenbar sind. Aus solchen Einwirkungen resultieren Störungen des kooperativen Klimas innerhalb der Planungsgruppe, die sich insbesondere dann noch verstärken, wenn das Planungsgruppenmitglied und das betreffende Beratungsausschußmitglied in ihren ursprünglichen Positionen in einem Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis gestanden haben. Der Beratungsausschuß stellt oft in seiner Zusammensetzung ähnlich wie die Zusammensetzung der Planungsgruppe ein Spiegelbild der durch die Planung angesprochenen Systemteile dar. Aus diesem Grund sind die geschilderten Unter- und Überordnungsverhältnisse von Planungsgruppenmitgliedern und Beratungsausschußmitgliedern keineswegs selten. Schwerwiegende Störungen des Arbeitsklimas und der Kooperation in der Planungsgruppe treten auch dann auf, wenn einzelne Planungsgruppenmitglieder von Mitgliedern des Beratungsausschusses inoffiziell oder offiziell Sonderaufgaben erhalten. Meist handelt es sich dabei um abteilungspolitische Aufträge, etwa dergestalt, daß ein Planungsgruppenmitglied bei der Entwicklung eines neuen Organisationsmodells die Belange einer bestimmten Organisationseinheit oder eines Stelleninhabers vertreten soll. Die Aufforderung zur Interessenvertretung bringt das betreffende Planungsgruppenmitglied in erhebliche Konflikte, wenn es erkennen muß, daß die faktischen Erkenntnisse der Planungsgruppe mit den Interessen, die es als Lobbyist vertreten soll, in Widerspruch zueinander stehen. Die Gefährlichkeit solcher Einflußnahmen liegt insbesondere darin, daß die Planungsgruppe selbst gegenüber solchen Beeinflussungen relativ machtlos ist, wenn die Auftragserteilung an das Planungsgruppenmitglied unter Anwendung manipulativer Mittel (z. B. Anbieten neuer Positionen nach Beendigung der Planung) erfolgt und der betroffene Mitarbeiter die divergierenden Absichten wegen der persönlichen Konsequenzen nicht offenlegen kann. Ein weitverbreiteter Fehler in der Zusammenarbeit mit Planungsgruppen liegt auch in der Neigung mancher Beratungsausschußmitglieder, sich außerhalb der offiziellen Informationswege zwischen Planungsgruppe und Beratungsausschuß individuell von einzelnen Gruppenmitgliedern zusätzlich über den

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3. Organisation und Methodik

Stand der Planungsarbeiten berichten zu lassen. Auch wenn dies in der positiven Absicht geschieht, sich besonders intensiv mit dem Planungsinhalt befassen zu wollen, wird dabei jedoch übersehen, daß solche Verhaltensweise innerhalb der Planungsgruppe Unsicherheit und Mißtrauen entstehen läßt. Das ohnehin recht schwierige Problem der richtig dosierten Abgabe von Informationen aus der Planung nach Umfang und Inhalt wird auf diese Weise für die Planungsgruppe fast unmöglich. Im Verlaufe einer Planung müssen zahlreiche Denkrichtungen, Planungsansätze und Themen diskutiert werden, bei denen sich die Planungsgruppe über die im System gängigen Klischees, Stereotype und Tabus hinwegsetzen muß. Da alle Schritte nur Zwischenstationen auf dem Wege zur Lösung der gestellten Planungsaufgabe sind, kann man sie auch nur in unmittelbarem Kontakt mit dem gesamten Planungsgeschehen beurteilen. Werden solche Arbeitsinhalte im Stadium der Bearbeitung stückweise nach außen getragen, bilden sich leicht falsche Interpretationen oder werden politische Aktionen ausgelöst, die den gesamten weiteren Planungsablauf erheblich beeinträchtigen können. In der Praxis ist oft die Neigung festzustellen, aus Unkenntnis oder auch aus Angst vor dem damit verbundenen zeitlichen Aufwand sich um die gruppenpsychologischen Probleme und die auf die Besonderheiten eines Planungsprozesses abgestimmten Verhaltensweisen und Führungsstile nicht zu kümmern. M a n glaubt, dem Prinzip der Teamarbeit und der kooperativen Zusammenarbeit dadurch genügend entsprochen zu haben, daß die erforderlichen Planungsorgane (Planungsgruppe, Beratungsausschuß, Entscheidungsgremium) eingesetzt worden sind. Der Mißerfolg manches Planungsprojektes läßt sich eindeutig darauf zurückführen, daß infolge mangelhafter Aufklärung und fehlender Bereitschaft zu einem von hierarchisch-funktionalen Arbeitsbeziehungen abweichenden Kooperationsverhalten im Umgang mit Planungsgruppen und anderen Expertengruppen grundsätzliche Fehler gemacht werden. Zusammenfassend lauten die Hauptfunktionen des Beratungsausschusses: — Fachberatendes Mitwirken an Problemteilen des Projektes — Unterstützung in politischen und taktischen Situationen und Bindeglied zum Entscheidungsgremium — Kontrollorgan für die Planungsgruppe in der Weise, daß diese in der Zusammenarbeit mit dem Beratungsausschuß ihre Vorstellungen und Vorhaben klärend entwickelt und diskutiert — Unterstützung in allen organisatorischen Projektfragen (Raum-, Zeit-, Personen- und Mittelbedarf) — Sachliche Repräsentationsfunktion für die betroffenen Systemteile zur Vermeidung von Teillösungen und Teiloptimierungen — Hinwirken auf die Realisierbarkeit der Planungsergebnisse und verantwortliche Mitwirkung bei der Realisierung.

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3.1. 2. Die Planungsorgane

3.1.2.3. Das Entscheidungsgremium Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, beinhaltet innovatives Planen die Lösung grundlegender Probleme der Systemziele und -Strategien, der Systemorganisation und der Systemleistungen. Nur für diese Art von Planungsthemen rechtfertigt sich im allgemeinen der mit ihr verbundene Aufwand. Die Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang zu fällen sind, werden dabei üblicherweise von den hierarchischen Spitzen des Systems, d. h. den höchsten Entscheidungsträgern oder ihren Beauftragten getragen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß dieser Personenkreis in einer geeigneten Form in den Planungsprozeß einbezogen werden muß (vgl. Abb. 14). Entscheidungsgremium

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Entscheider unterschiedlicher Fachbereiche

Informations- und Entscheidungsfluß

Abb. 14:

Schema der Beziehungen zwischen Planungsgruppen, Beratungsausschuß und Entscheidungsgremium

Über den Umgang mit den an der Planung beteiligten Planungsorganen (Planungsgruppe und Beratungsausschuß) gelten für die Entscheidungsträger ähnliche Gesichtspunkte wie sie für den Umgang des Beratungsausschusses mit der Planungsgruppe genannt worden sind. Das auf das Tagesgeschehen in der Linie abgestellte und dort auch meist angebrachte Führungs-, Kooperations- und Entscheidungsverhalten muß modifiziert und auf die Besonderheiten einer Planungssituation angepaßt werden. Auch wenn der Personenkreis, der als Entscheidungsträger die Führung des gesamten Systems (z. B. eines Unternehmens oder einer Behörde) ausübt, identisch ist mit den Personen, die im

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3. Organisation und Methodik

Planungsprozeß die Entscheidungen zu tragen haben, empfiehlt es sich, ihn als spezielles Entscheidungsgremium zu institutionalisieren. Die Institutionalisierung erlaubt eine relativ eindeutige Rollendefinition, die sich deutlich von der Rolle als Systemführer unterscheidet, und gewährt den Entscheidern die Möglichkeit differenzierten Rollenverhaltens. Ein typisches Führungsverhalten von Entscheidungsträgern ist, sich über die Dinge, die sie zu entscheiden haben, von ihren jeweiligen Untergebenen entscheidungsvorbereitend berichten zu lassen. Die gewünschten und erforderlichen Informationen werden ihnen zugetragen. Dieses Verfahren der Informationsübertragung an die Entscheidungsträger ist in einer Planung fast unmöglich. Die Entscheider als Mitglieder des Entscheidungsgremiums müssen hier vom üblichen Verfahren abweichen und die Informationen, die für die Entscheidungen benötigt werden, mit der Planung erarbeiten. Die direkte Mitwirkung der Entscheidungsträger im Planungsgeschehen ist vor allem deshalb erforderlich, weil infolge der hohen Komplexität der Zusammenhänge und der Reichweite und sachlichen Konsequenzen der Planungsergebnisse ein relativ häufiges Abgleichen der Zielvorstellungen der Entscheidungsträger für das Gesamtsystem und den sich schrittweise entwickelnden Soll-Vorstellungen der Planungsgruppe stattfinden muß. Für das Entscheidungsgremium liegt die Schwierigkeit, lenkend in das Planungsgeschehen einzugreifen, meist darin, daß die Zielvorstellungen nicht oder nur sehr selten quantifizierbar und definitiv beschreibbar sind. Nicht selten werden die Zielvorstellungen der Entscheidungsträger umgekehrt durch neue Erkenntnisse, die sie aus der Planung als Nebeneffekt gewinnen, verändert. Quantitative Zielvorstellungen, wie sie beispielsweise in der Theorie (z. B. in der Entscheidungstheorie der Betriebswirtschaftslehre 23 ) häufig unterstellt werden, sind vor allem in komplexen Entscheidungssituationen, die nur durch innovative Planung gelöst werden können, von zweitrangiger Bedeutung. Hinzu kommt, daß die geltenden Einzelziele im Zusammenhang zu anderen stehen (Zielinterdependenzen) und untereinander gestuft sind (Zielhierarchie) 24 . Beispielsweise wird sich ein Unternehmen, das sich selbst der chemischen Grundstoffindustrie zurechnet, bei der Frage, ob es sich an einem Stahlbauunternehmen beteiligen soll, nicht allein von dem Kriterium der Gewinnmaximierung oder der Umsatzmaximierung leiten lassen. Oft spielen bei solchen Überlegungen die erwarteten Anregungseffekte und erhoffter Wissenszuwachs in der Forschung und Entwicklung oder technische und immaterielle Verbundvorteile eine ausschlaggebende Rolle. Manchmal werden solche Beteiligungsmöglichkeiten auch mit dem Argument abgelehnt, daß die hinzugewonnenen Mitarbeiter mit denen im Stamm-Unternehmen nicht austauschbar sind, weil 23 Vgl. Peter Bendixen [17]. 24 Vgl. Jürgen Kussau und Hubert Treiber [69] S. 83 f.

3 . 1 . 2 . Die Planungsorgane

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sie einer anderen Branche mit anderen Technologien und Märkten angehören und daher ihre Kenntnisse im Stammhaus nicht unmittelbar verwendbar sind. Dies erhöht das Beschäftigungsrisiko bei schwacher Konjunkturlage. Wären die Zielvorstellungen der Entscheidungsträger auf eindeutige quantitative Größen reduzierbar, z. B. auf Gewinn, Umsatz oder Wachstumsraten, könnten diese Größen in die Planung als Determinanten einfließen und wirksam werden. Damit würde die Planungsgruppe über eindeutige Systemziele verfügen, an denen sie sich bei der Erarbeitung von Problemlösungen und der Auswahl von Lösungsalternativen orientieren kann. In diesen Fällen könnte theoretisch auf die unmittelbare Mitwirkung der Entscheidungsträger im Planungsprozeß verzichtet werden. Die im Augenblick geltenden oder anvisierten Ziele könnten den Planern bekanntgegeben werden. Ähnliches würde gelten, wenn die Systemziele zwar nicht quantitativ ausdrückbar, aber verbal eindeutig definierbar wären. Beispielsweise kann die Ausnutzung eines Patentes mit dem langfristigen Ziel verbunden sein, allen Märkten, in denen das betreffende Produkt abgesetzt werden kann, hinsichtlich finanzieller Mittel für Werbung, Ausstellungen, Kundenschulung, Personalbeschaffung für den vertrieblichen Innen- und Außendienst den absoluten Vorrang zu geben. Bei derart eindeutigen und plausiblen Zieldefinitionen könnte eine Planungsgruppe, die sich etwa mit der Planung der Unternehmensstruktur befaßt, die Vereinbarkeit ihrer Lösungsvorstellungen mit den Zielen des Systems selbst vornehmen. Abgesehen davon, daß die Zielvorstellungen selbst Gegenstand der Planung sein könnten, gibt es in der Praxis nur sehr wenige Unternehmensleitungen, die sich durch exakte Zieldefinitionen langfristig festlegen wollen oder können. Die Gründe hierfür sind sicher vielfältig. Zum Teil sind die Zielüberlegungen derart kompliziert, daß eindeutige und langfristig geltende Formulierungen kaum möglich sind. Zum anderen sind die Zielvorstellungen der einzelnen Mitglieder der Unternehmensleitung selten deckungsgleich, so daß verbindliche Zielformulierungen nicht möglich sind. Die Möglichkeit, die Unternehmensziele jeweils den sichtbar werdenden Tatsachen anzupassen, indem man nachträglich als Ziel erklärt, was mit größter Wahrscheinlichkeit ohnehin eintreten wird, geht verloren, wenn man seine Ziele langfristig festlegt und womöglich schriftlich abfaßt und innerhalb des Unternehmens veröffentlicht. Nachträgliche Zielformulierungen im Gefolge von Planungen und ihren konkreten Ergebnissen kommen durchaus vor. Zudem ist zu berücksichtigen, daß hochkomprimierte Ziele wie „Gewinne machen", „Leistungssteigerung anstreben" oder „größtmögliche Sicherheit für den Bestand des Unternehmens" nicht-operationale allgemeine und triviale Postulate sind, mit denen in Planungen nicht gearbeitet werden kann. Die tatsächliche Zielproblematik ist in der Realität erheblich komplexer und wird durch hochsuperierte Zielformulierungen nicht eingefangen. Divergierende und konvergierende, interdependente und gestufte Ziele und Zielinterpretationen

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3. Organisation und Methodik

müssen unter den realen Gegebenheiten der unvollkommenen Information, der unvollkommenen Kommunikation und des mehrstufigen Entscheidungsaufbaus gesehen werden. Es ist bisher nicht gelungen, derartige Zielverflechtungen zu quantifizieren oder in ihrer Komplexität wenigstens zu objektivieren. Hochsuperierte Zielformulierungen der oben erwähnten Art können deshalb, im Gegensatz zu pragmatischen Unterzielen wie „Einsparung von Schreibarbeit im Büro", „Steigerung des Ausstoßes einer Werkstatt" oder „Beschleunigung des Informationsdurchlaufes", nur als Generalmaximen mit motivativer Funktion betrachtet werden. Aus welchen Gründen auch immer verbindliche Zielvorstellungen der Entscheidungsträger nicht am Planungsbeginn vorliegen, ihr Fehlen hat zur Folge, daß sich das Entscheidungsgremium in die Planung direkt einschalten muß, um im Sinne der Gesamtsystempolitik (z. B. Unternehmenspolitik) und im Interesse einer hohen Realisierungswahrscheinlichkeit für die Planungsergebnisse an den entscheidenden Zwischenstufen der Planung richtunggebend Einfluß auszuüben. Für die Zusammenarbeit zwischen Entscheidungsgremium und Planungsgruppe gelten ähnliche Regeln und Prinzipien wie im Verhältnis zwischen Planungsgruppe und Beratungsausschuß. Die Kommunikationsdichte zwischen Planungsgruppe und Entscheidungsgremium wird jedoch geringer sein und sich im allgemeinen auf gemeinsame Sitzungen im Abstand von 4 bis maximal 8 Wochen beschränken. Dennoch sollten die Kontakte nicht zu selten stattfinden, weil die zu übertragende Informationsmenge und das Gewicht der Entscheidungen, die vom Entscheidungsgremium dann verlangt werden müssen, zu groß werden. Völlig falsch ist es, das Entscheidungsgremium erst über die Planung zu informieren, wenn sie fast beendet ist, um dann den Entscheidungsträgern ein umfangreiches Gutachten zur Ja-Nein-Entscheidung vorzulegen. Diese weit verbreitete Vorstellung und Vorgehensweise hat den außerordentlichen Nachteil, daß die Entscheidungsträger überfordert sind, wenn sie die in einem umfangreichen Bericht niedergelegten und dennoch stark komprimierten Informationen über das Planungsgeschehen und die Planungsergebnisse richtig beurteilen sollen. Zeitmangel, hohe Informationsverdichtung, abweichende Ziele der Entscheider oder inzwischen eingetretene Interessenverschiebung führen dann dazu, daß die Entscheidungsunterlage unberücksichtigt bleibt oder die Entscheidung aufgeschoben wird. Auch führt eine zu seltene Kommunikation zwischen Entscheidungsgremium und Planungsgruppe leicht zu einer Verunsicherung der Planungsgruppe, weil der Fortgang der Planung relativ häufige Auseinandersetzungen und immer wieder neue Interpretationen der Zielvorstellungen erfordert. Die Planungsgruppe ist dann darauf angewiesen, die Absichten, Zielvorstellungen und Strategien der Entscheidungsträger zu rekonstruieren und selbst zu interpretieren. Die Denk- und Lösungsansätze unterliegen dabei stets dem Risiko, daß sie

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infolge mangelnder Übereinstimmung mit den tatsächlichen Zielen der Entscheidungsträger in die falsche Richtung laufen und am Ende der Planung nicht akzeptiert werden. Diese Unsicherheit kann der Planungsgruppe nur durch den unmittelbaren Dialog mit dem Entscheidungsgremium im Planungsprozeß genommen werden. Die Aufgaben des Entscheidungsgremiums im Planungsprozeß lassen sich wie folgt zusammenfassen: — Laufende Soll-Wertsetzung und -korrektur anhand der geltenden Ziele und ihrer Interpretationen — Sanktionierung der einzelnen Soll-Vorschläge und Lösungsbausteine und Entscheidung über das Gesamtergebnis aus dem Planungsprojekt — Freigabe, Veranlassung und Kontrolle oder Delegation der Kontrolle über die Realisierung der Planungsergebnisse. 3.1.2.4. Die Informationsgruppen Bei der Informationssuche und Faktensammlung, bei der Feststellung des Erwartungshorizontes und anderer personenbezogener Komponenten, bei der Erprobung von Soll-Modellen und dem Testen von Lösungen und schließlich bei der Realisierung der Planungsergebnisse sind die Planer auf die Mitwirkung und Mithilfe eines großen Teils der Systemangehörigen angewiesen. Die Kommunikation zwischen Planungsgruppe und Systemangehörigen muß jedoch systematisiert und institutionalisiert werden, um den Informationsaustausch mit dem methodischen Vorgehen in der Planung zu synchronisieren. Der kanalisierte Informationsaustausch hängt von der Zahl der Kommunikationspartner ab. Um nicht mit einer allzu großen Zahl von Personen in Kommunikation treten zu müssen, sollten eine oder mehrere Gruppen von ausgewählten Systemmitgliedern gebildet werden, die mit Erreichen bestimmter Planungsphasen durch die Planungsgruppe über den Stand der Planungsarbeiten unterrichtet werden und die die Informationen über die Planung an die übrigen Systemmitglieder weitergeben. Diese Gruppen nennen wir Informationsgruppen (vgl. Abb. 15). Für die Auswahl der Informationsgruppenmitglieder kommen zwei Hauptkriterien in Betracht: (1) Die betreffenden Personen sollten über einen besonderen systembezogenen Kenntnis- und Erfahrungsschatz verfügen, um daran Planungserkenntnisse und Planungsabsichten spiegeln zu können (2) Die betreffenden Personen sollten einen genügenden Einfluß auf die von ihnen vertretenen Personen ihrer Arbeitsumwelt ausüben können, damit der

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Zugang zu allen Informationsquellen erleichtert wird und alle von der Planungsgruppe ausgegebenen Informationen zur Planung genügend weit gestreut werden. Dabei sollen sie die Informationen möglichst neutral weitergeben. Die Bildung von Informationsgruppen verfolgt vornehmlich drei Absichten: (1) Informationsoffenheit erzeugen (2) Spekulationen verhindern (3) Realisierung vorbereiten. Informationsoffenheit Jede Planung, insbesondere wenn sie organisatorische oder strukturelle Systemänderungen zum Inhalt hat, konfrontiert die Systemmitglieder mit dem Problem, daß ihre bisherigen Ziele, Positionen, Lebensräume, Erwartungen und gewohnten Verhaltensschemata in Frage gestellt werden. Deshalb kann keine Planungsgruppe zu Beginn der Planung davon ausgehen, daß ihre Tätigkeit die volle Zustimmung und positive Einstellung aller Systemangehörigen finden wird. Gelingt es der Planungsgruppe nicht, die Systemangehörigen dazu zu bewegen, ihr bereitwillig alles benötigte Informationsmaterial zu überlassen, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihre Ansichten zu artikulieren, kann die Planungsarbeit erheblich erschwert oder sogar vereitelt werden. Informationsoffenheit ist daher lebensnotwendig. Sie läßt sich am ehesten er-

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reichen, wenn sich die Planungsgruppe ihrerseits als informationsoffen zeigt. Zur Herstellung dieser wechselseitigen Unterrichtung muß die Planungsgruppe über ihre Arbeit und ihre Ziele ebenso wie über ihre Vorgehensweise die Informationsgruppen von Zeit zu Zeit informieren, damit diese die Informationen in den von ihnen vertretenen Bereichen weitergeben können. Spekulationen Als Folge mangelnder Informationsoffenheit der Planung können unter den Systemangehörigen leicht Gerüchte entstehen über Ziele, Aufgaben und Vorgehensweise der Planer. Spekulationen und Gerüchte können die Planungsarbeit stark beeinträchtigen, da sie zur Manipulation und Verfälschung von Informationen beitragen. Dies macht sich vor allem bei Befragungen bemerkbar, so daß die Planungsgruppe nicht mehr sicher sein kann, daß Aussagen und Tatsachen sich entsprechen. Trotz völliger Informationsoffenheit der Planung können Spekulationen entstehen. Ob und in welchem Ausmaß das eintritt, hängt nicht zuletzt von der allgemeinen Situation des beplanten Systems ab. Wird in einem Unternehmen beispielsweise seit längerem von der Leitung her über den steigenden Kostendruck geklagt, so werden die Systemangehörigen leicht zu der Vermutung kommen, daß die veranlaßte Planung hauptsächlich zur Rationalisierung angesetzt wurde und Arbeitskräfte freigesetzt werden sollen. Welche Folgen das etwa auf Interviews und Befragungen über Tätigkeitsprofile und Funktionsabgrenzungen hat, kann man sich leicht vorstellen. Realisierung Die Realisierung von Planungsergebnissen setzt die Bereitschaft aller an der Planung Beteiligten und aller von der Planung betroffenen Systemangehörigen voraus. Es entspricht den praktischen Erfahrungen ebenso wie den theoretischen Erkenntnissen 25 , wenn die Planungsgruppe sich schon während der Planung darum bemüht, bei den Systemangehörigen ein für die spätere Realisierung der Planungsergebnisse günstiges Klima zu erzeugen. Dadurch wird das Planungs25 Vgl. z. B. Niklas Luhmann [76] S. 145 ff. Auch N. Luhmann verweist hier auf das Hilfsmittel der vorherigen Beteiligung der Betroffenen, das sich in zahlreichen Fällen bewährt habe. Vgl. ebenda S. 147: „Vielleicht liegt das daran, daß den Betroffenen auf diese Weise eine rechtzeitige Chance der Umstellung ihrer Selbstdarstellung geboten wird, in einem sozialen Rahmen der Vorbereitung, der dafür günstig ist. Andererseits kann der Widerstand dadurch auch verstärkt werden, wenn die Betroffenen sich in öffentlichen Diskussionen und mit Gründen schon vorher auf eine Ablehnung der Neuerung versteift haben. Dann fühlen sie eine verstärkte Pflicht zur Kontinuität ihrer Haltung und werden sich bemühen, die Beweise für ihre Voraussicht nachzuliefern."

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ergebnis nicht nur realitätsnäher, sondern hat auch eine wesentlich höhere Realisierungschance. Zu Recht verweist jedoch Niklas Luhmann darauf, daß durch den bloßen Schematismus vorheriger Beteiligung eine geeignete Realisierungsmotivation nicht zu erreichen ist. „Rechtzeitige Unterrichtung und Beteiligung ist eine Selbstverständlichkeit des Taktes, aber keine Erfolgsgarantie" 26 . Die Unterrichtung der Informationsgruppen kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Die intensivste Form ist gegeben, wenn die Informationsgruppen zur Vorstellung und Diskussion mit der Planungsgruppe in den Planungsraum eingeladen werden. Da solche Veranstaltungen Vorbereitungs- und Durchführungszeit beanspruchen und die laufenden Planungsarbeiten dadurch unterbrochen werden, können sie nicht allzu häufig durchgeführt werden (etwa alle 2 Monate). In der Zwischenzeit kann eine laufende Unterrichtung durch Herausgabe von Planungsbulletins erfolgen, die in regelmäßiger Folge (etwa alle 3 bis 4 Wochen) in gedrängter Form einen Überblick über den Stand der Planung gewähren. Die Herausgabe eines solchen Blattes kann sich der laufenden Dokumentation in der Planung anschließen, die für die Planungszwecke ohnehin aufzubauen ist, und verursacht dadurch kaum einen nennenswerten Mehraufwand an Zeit. Eine Informationsgruppe sollte nicht mehr als 15 Personen umfassen. Ihre Funktionen im Planungsprozeß lassen sich wie folgt zusammenfassen: — Kenntnisse über Inhalt, Ziele und Ergebnisse der Planung erhalten und an die übrigen Systemmitglieder weitergeben — Die Vorstellungen und speziellen Kenntnisse der betroffenen Systemmitglieder zu formulieren und in die Planung einfließen lassen — Durch Information und Motivation die Realisierung vorbereiten. Mit der Ausübung dieser Funktionen können neben den genannten Effekten und Absichten zusätzliche Anregungen und Ideen zum Planungsproblem aus der Basis des Systems freigesetzt und für die Lösung verwertet werden.

3.1.2.5. Planungsberater und Fachexperten Mit der Erkenntnis einer relevanten Problemsituation mit komplexer Struktur und mit der Absicht, diese durch eine Planung zu lösen, stellt sich zugleich die Frage nach der Organisation des Planungsprozesses und damit nach den Problemlosem. Ob und inwieweit ein System in der Lage ist, ein Planungsprojekt völlig selbständig abzuwickeln, kann nicht generell beantwortet werden. Dies hängt von einer Vielzahl von Komponenten ab. Zu nennen sind hier insbesondere: 26 Vgl. Niklas Luhmann [76] S. 147.

3.1. 2. Die Planungsorgane

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— verfügbares Wissenspotential im eigenen System — eigene Projekterfahrungen oder Zugangsmöglichkeiten zu Erkenntnissen anderer Projekte — Umfang, Bedeutung und Reichweite der Planungsaufgabe. Eine Reihe von abwicklungstechnischen und methodischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Netzplantechniken sind bereits leicht zugängliches Allgemeingut geworden. Auch die vorliegende Arbeit selbst versucht, bei künftigen Planungsinitiatoren und -durchführern die eine oder andere organisatorische und methodische Lücke zu füllen. Die Entscheidung, ob ein systemexterner Planungsberater hinzugezogen werden soll oder nicht, liegt indessen bei den Projektträgern und -entscheidern. Vor einer solchen Entscheidung und der Auswahl sollte die Prüfung stehen, welche Aufgaben von einem Planungsberater zu bearbeiten sind und welches seine Rolle im Planungsprojekt sein soll. Auch sollte Klarheit darüber bestehen, daß der externe Planungsberater zwar einige wichtige Funktionen im Planungsprozeß erfüllen kann, daß jedoch eine Reihe von Aufgaben (z. B. systembezogene Entscheidungen über Ziele, Personen u. ä.) nicht an einen externen Berater delegiert werden können. Für den Einsatz von Planungsberatern oder Fachexperten können hauptsächlich die folgenden Gründe sprechen: — Das Fehlen von fachspezifischem Wissen im eigenen System (z. B. für Datenverarbeitung und Informatik, Rechnungswesen, Marketing, Personalführung, Produkttechnik, Bautechnik). Hierfür kommen meist externe Fachexperten in Betracht, die teils nur sporadisch in den Planungsprozeß einbezogen werden, teils jedoch auch ständige Planungsgruppenmitglieder sind. — Das Fehlen von planungsmethodischem Wissen. In der Regel wird man einen ständigen Planungsberater einschalten. — Der Wunsch nach neutraler Moderator- und Katalysatorwirkung. Hierfür kommt ebenfalls ein ständiger Planungsberater in Betracht, der wegen seiner Systemunabhängigkeit und kritischen Distanz zahlreiche Rollenvorteile besitzt. In der Regel ist er in die Planungsgruppe voll zu integrieren. — Bestehende Unsicherheit über die Technik der Materie, über wichtige Problemkomponenten oder über die Wirkungen der zu erwartenden Ergebnisse.27 Werden Systemexterne in Planungsgruppen ständig integriert, so ergeben sich sowohl Vor- als auch einige Nachteile. Positiv wirkt sich der Rollenvorteil des Externen aus. Er bringt ein anderes, die übrigen Gruppenmitglieder verfremdendes Bezugssystem mit, ist nur für den Projektablauf in einer gewissen 27 Vgl. dazu Jürgen Hauschildt [45] S. 1 ff.

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3. Organisation und Methodik

Systemabhängigkeit, kann kritikfreudiger sein und bringt neben dem Fachwissen vielfältige Erfahrungen aus anderen Systemen und Projekten mit. Als nachteilig kann sich auswirken, daß für den Systemexternen die systembezogene Wissensbasis erst hergestellt werden muß und daß es mit den systeminternen Mitarbeitern zu Konflikten wegen der unterschiedlichen Verhaltensweisen und Rollen kommen kann. Diese Nachteile wiegen jedoch die vielfältigen Vorteile nicht auf. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Einsatzes geeigneter und erfahrener Planungsberater und Fachexperten hat sich in der Praxis immer wieder bestätigt. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung von externen Spezialisten ergibt sich manchmal erst im Verlaufe eines Planungsprozesses, wenn zu bestimmten Teilthemen, auf die die Planungsgruppe stößt, systeminternes Fachwissen nicht verfügbar ist. Es ist dann Angelegenheit der Planungsgruppe, die Aufgaben und den Umfang des Einsatzes eines externen Spezialisten zu präzisieren und dem Entscheidungsgremium zur Entscheidung vorzulegen. Die Steuerung des Einsatzes obliegt der Planungsgruppe, die den Berater für die Dauer seiner Aufgabenerfüllung der Planungsgruppe assoziiert.

3.1.3. Die technisch-organisatorischen Bedingungen des Planungsprozesses Neben den organisatorisch-institutionellen Fragen der Planungsorgane sind auch die technisch-organisatorischen Bedingungen für eine befriedigende Abwicklung des Planungsprozesses zu beachten. Zu diesen Bedingungen gehören in erster Linie ein geeigneter Arbeitsraum und eine zweckmäßige technische Ausrüstung. Die Planungsgruppe muß in einem gemeinsamen Arbeitsraum untergebracht werden.28 Der Planungsraum ist die informationelle Zentrale der gesamten Planungsarbeit, hier sollen die Sitzungen und Diskussionen mit den entscheidenden und beratenden Mitgliedern der verschiedenen Planungsorgane stattfinden. Hier sollen auch Interviews abgehalten und Besuchern und Interessenten die Planungsansätze und -ergebnisse vorgeführt und erläutert werden. Nicht zuletzt ist der Planungsraum zugleich der Aktionsraum der Gruppe, durch den auch äußerlich die kooperative Arbeitsweise der Gruppe ausgedrückt werden soll. Jede andere Form der Unterbringung der Planungsgruppe, womöglich die in Einzelzimmern, verhindert die Entstehung eines kooperativen und kreativen 28 Auf die Bedeutung des Planungsraumes als räumlicher Konzentrationspunkt und Kommunikationszentrum weist auch Walter Baur in seinem empirischen Bericht über die multidisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Danilo Dolci hin. Vgl. Walter Baur [14] S. 482 f.

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