Philipp der Großmütige als Politiker: Festrede [Reprint 2019 ed.] 9783111551104, 9783111181646


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German Pages 24 [28] Year 1904

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Rede
Königliche Roheit! Rector Magnificentissime! Rochanfehnliche Versammlung
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Philipp der Großmütige als Politiker: Festrede [Reprint 2019 ed.]
 9783111551104, 9783111181646

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festrede von

Dr. G. Krüger Professor der Theologie zu Giessen

Giessen 1904 3. Rtcker’scbe Verlagsbuchhandlung (Ink.: Hlfred Cöpelmarm ©rosab. Untrer sitätabucbbändler)

Rede bei der feier zum vierbundertjäbrtgen Ge­ dächtnis der Geburt Landgraf« Philipp des Grossmütigen von Reffen gehalten in der Hula der GrossberzogKcben CudwigsUmverfität in Giessen am n. ]Nov. 1904.

Gedruckt in der von ^lündtow’toien ßof- und UniverfitStsdruckerei (Otto Kindt) in Giessen.

($££§)

Königliche Roheit!

Rector JWagnificentissime

Rochanfehnliche Versammlung! S bedarf keiner besonderen Begrün­

S

dung, um das gute Recht dafür auf­ zuzeigen, daß an dem "Cage, da das

Ressenland die vierhundertjährige Wiederkehr des Geburtstages seines

großen Landgrafen festlich begeht, die Landesuniversität nicht zurück­ stehen will. Wir haben Luther und Melanchthon gefeiert, wir wollen auch Philippa von Ressen

gedenken. Luther und JMelancbtbon leuchten als Sterne erster Große am Geisteshimmel aller Zeiten, für Deutschland bat die

durch

sie

entzündete

und genährte Bewegung eine 6pod>e bedeutet, der bis zum Huegang des 18. Jahrhunderts nichts an die Seite zu setzen ist. Philipp von Reffen ist neben ihnen und in gleicher Beziehung nicht

zu nennen. Dennoch strahlt er nicht nur in Reffens Geschichte mit hellem Licht, und es ist nicht nur der romantische Reroenkult, der uns

allen im

Blute steckt, es ist auch das Ergebnis einer nüch­ ternen, freilich nur dem geschichtlich Gebildeten sich ganz aufschließenden Betrachtung, wenn wir

rückschauend gerne und mit Stolz in einer Zeit verweilen, da ein bedeutender JVIenlcb mit geringen Dilfemitteln und unter zerfahrenen Verhältnissen, viel behindert und wenig unterstützt, die gewal­ tige Kraft einer die Völker erschütternden reli­ giösen und politischen Bewegung klar erkannt und in einzigartiger Meise gefördert bat. Lassen Sie mich diese Stunde benutzen, Ihnen Philippe Größe unter diesem Gesichtspunkt zu veranschau­ lichen. lfipTrandgraf Philipp als Politiker. Vieles "Cbema JeäI bat etwas besonders Anziehendes, weil sich die frage, die in ihm verborgen liegt, nicht ohne nähere Überlegung beantworten läßt. Mancher Beurteiler möchte Philipp zwar nicht die £uft am politisieren, wohl aber den Beruf dazu ab­ sprechen. Und wirklich darf man darüber ange­ sichts mancher Handlungen des Landgrafen einen Augenblick im Zweifel fein, wenigstens dann, wenn man im Politiker nur den Diplomaten siebt. Kann es ein weniger diplomatisches Verhalten geben, als Philipp es in der Angelegenheit feiner Doppel­ ehe beobachtet bat? Er will einem Mandel ein Ende machen, der ihn ehrlich drückt, und er wählt einen Meg, von dem er sich bei einiger Überlegung hätte sagen müssen, daß, wenn er feinen Kredit erschüttern wollte, er es nicht besser anftellen konnte als so. Vor wenigen Jahren erst bat er

selbst die neue DategeHcbteordnung Karle V. in seinen Landen verkündigen lassen, in der die zwie­ fache Ebe als Ehebruch und größer denn dae-

selbige Caster bezeichnet und mit peinlicher Strafe belegt wird, und nun bringt er sich durch Eingehen einer zweiten Ehe dem Kaiser, seinem und seiner

Sache vornehmstem feinde gegenüber in die denk­ bar schiefste Stellung. Er weiß seine Handlungs­ weise vor seinem Gewissen zu rechtfertigen und lebt des Glaubens, daß er sie auch anderen ebenso überzeugungakräftig

werde

darstellen

können.

Jedermann schärft er ein, die heikle Angelegenheit

geheim zu halten, und es kommt ihm gar nicht in den Sinn, daß die Menschen im allgemeinen sich das Siegel der Verschwiegenheit nur auferlegen lassen, um es bei der ersten Veranlassung zu brechen.

Handelt so ein Diplomat? Und ist solche Naivetät

in eigener, privater Sache eine Eigenschaft, die ein günstiges Vorurteil für die Tätigkeit in öffent­ lichen Angelegenheiten erwecken kann? ch denke an die sogenannten packt sehen Bändel.

Durch den Kanzleiverweser seines Schwieger­ vaters, des Herzogs Georg von Sachsen, Otto

von pack, war dem Landgrafen Mitteilung gemacht worden von einem angeblich zwischen dem Herzog und dem Kurfürsten von Brandenburg mit anderen einflußreichen Ständen beschlossenen Schutz- und

Trutzbündnis mit der Spitze gegen Hessen und

Kurfachfen. pack unterbreitet dem Landgrafen eine Urkunde» nicht das Original, wie der Land­ graf glaubt, sondern eine Hbscbrift. Philipp reift nach {Reimar, um den Kurfürsten zu einem Kngriffsbündnis zu bewegen. 6r macht alle Vor­ bereitungen für einen feldzug. Als aber der Grund seines Auftretens ruchbar wird, leugnen die des Bündnisses beschuldigten fürsten alles ab, und es zeigt sich, daß Philipp das Opfer eines raffi­ nierten Betruges geworden ist. Etwas weniger Leichtgläubigkeit hätte dem schon längere Zeit Regierenden wohl angestanden, zumal es sich in erster Linie um seinen Schwiegervater handelte, von dem mit kurzer frage bündige Auskunft zu erhalten nicht schwer sein konnte. Als endlich verzog Georg die Auslieferung packe zu pein­ lichem Verfahren fordert, weigert sie Philipp. 6r setzt sich lieber dem Verdacht aus, nicht nur hinter'« Licht geführt, sondern auch mitschuldig zu sein, als daß er ohne bindenden Rechtsspruch den Elenden, der viel Unheil angestiftet hatte, dem Zorne seines Brotherrn ausgeliefert hätte* war Philipp. Erft wägen, dann wagen wäre sein {öablsprucb zu allerletzt gewesen. Aber als ihm die Ulürttembergischen Xbeologen rieten, er solle Margarete von der Sale bei etwa­ iger Ruchbarwerdung des Bandele als seine Ehe­ frau verleugnen, da hat er geantwortet: „Daß wir

sollten lagen» wenn die Sache offenbar wird» die Sacke fei nickt, solches können wir nicht tun; wir wissen nickt zu lügen. Denn Lügen steht nieman­ dem wohl an: so hat auch Gott das Lügen ver­

boten.

Mobs wollen wir» so lange uns möglich

ist» dubltatlve oder per amphtbologlam refpondieren, aber zu sagen, daß es nichtig fei, solches werde einem Anderen und nicht uns geraten."

Lieber Anstoß geben als unwahr fein; lieber in falschem Verdacht fein als vor dem eigenen Ge­ wissen unrecht handeln.

Meltklug war Philipp

nickt» zum Diplomaten sicher verdorben.

Ob auch

zum Politiker? Es kommt darauf an, wie man die Aufgabe fassen will. labre 1519 bat Anna von Reffen nach mit

VäjJJ

mehr als weiblicher Energie geführter Re­ gentschaft dem fünfzehnjährigen Sohne, den sie im Jahre vorher durch Kaiser Max hatte mündig

erklären taffen, die Regierung abgetreten.

Durch

ihre noch im selben Jahre erfolgende Vermählung mit dem Grafen von Solms zu Lauback verlor sie jeden Einfluß auf Philipp, der mit bemerkens­

werter, die Mitwirkung der Stände ablehnender Selbständigkeit die Herrschaft ergriffen hatte. Auf

dem Mormfer Reichstag von 1521 trat er zum ersten Male an die Öffentlichkeit, dem ereignis­

schwangeren Cage, der die Zukunft der nächsten Jahrzehnte bestimmen sollte.

Es ist so schwer,

I sich von der Vorstellung loezumachen, daß schon hier die ■Führer» die es werden sollten» sieb klar gewesen feien über alle folgen der Entwickelung» die da kommen sollte, als ob es schon zu Morms geheißen hätte: hie Katholizismus» hie Protestan­ tismus ! Der Landgraf bat mit Luther ein kurzes Gespräch geführt. Ohne Zweifel bat ihn der Doktor interessiert; er wäre sonst nickt Philipp gewesen. Und einer war auf dem Reichstag, der blickte weiter als mancher andere, der klügste Diplomat der Zeit» Dieronymus Hleander, Leos X. Geschäftsträger. Der wußte» was er tat, als er nach Rom berichtete: „Der Landgraf von Hessen» ein mächtiger Herr» noch sehr jung, aber von glänzender Begabung, ist ein ganz böser Luthe­ raner." Nur darf man aus diesen Morten nickt berauslefen wollen» daß Philipp schon damals für die religiösen Positionen des Reformators Verständnis besessen hätte. Solches Verständnis hat fick erst langsam entwickelt, nicht zum wenig­ sten unter dem Eindruck der Bibelübersetzung Luthers» die Philipp zu dem eifrigen Bibelleser machte, der er zeitlebens geblieben ist. „Luthe­ raner" heißt bei Hleander soviel wie förderer der Reformpartei» und das war Philipp trotz seines landesfürstlicken Gegensatzes zu Bickingen» und er blieb es trotz seiner bald erfolgenden Vermählung mit Christine von Sachsen, der

Tochter von Cutbers schärfstem und bedeutend­ stem Gegner unter den fürsten, und trotzdem manche feiner Regierungsbandlungen noch auf Jahre hinaus Zweifel an feiner Stellungnahme zu erregen geeignet fein mochten. bat Philipp in seinem politischen MeJ' Huftreten überraschend schnell und sicher

die Richtung einzuschlagen verstanden, die er mit der ihm eigenen stürmischen Tatkraft weiter ver­ folgt hat. Seine Politik aber gründete sich auf der Überzeugung, daß die von Wittenberg aus­ gehende religiöse Bewegung nur dann segensreich und von Erfolg begleitet sein könne, wenn sich die weltlichen Gewalten im Reich und in den Einzelstaaten ihrer annehmen würden. Während Cuther, so oft auch seine feder Hufruhr zu pre­ digen schien, von der Huffassung nicht ließ, daß das Wort Gottes des weltlichen Hrmes nicht bedürfe, war der Candgraf von der Überzeugung

durchdrungen, daß, je tatkräftiger der weltliche Hrm zugreife, um so gewisser auch das Evange­ lium gefördert werde. Und wie er die ersten Hnfänge positiv evangelischer Reformbestrebungen im hessischen Kirchenwesen auf der Synode zu Romberg von 1526 mit reger landesherrlicher Teil­ nahme ins Ceben gerufen hat, so betreibt er im gleichen Jahr das Schutzbündnis mit Johann von Sachsen, den Keim des großen Bundes, der später

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zu Schmalkalden zur festen Organisation der evan­ gelischen Stände des Reiches ausgestaltet wurde. In demselben Jahr gibt er dem zum Kaiser reisen­

den Pfalzgrafen einen Brief mit, darin er sich wegen seiner evangelischen Ballung nicht sowohl entschuldigt, als daß er diese Ballung Karl gegen­ über als die allein richtige, vor Gott und Menschen

zu verantwortende darzulegen sucht. Hl© seinen eigentlichen Gegner betrachtet er schon damals des Kaisers Bruder Ferdinand, dessen Mahl zum römischen König er in besonderer Denkschrift beim

Kurfürsten von der Pfalz zu hintertreiben ver­ sucht als eine Sache, „da Gott gnädiglich vor sein wolle". Und Ferdinand ist immer sein Feind geblieben. Y^Xer Speyerer Reichstag von 1529, auf dem

die Geburis stunde des Protestantismus schlug, bildet für Philipps Politik keine Epoche.

Mas man dort anbahnte und, wenn auch nur in geringem Umfang, durchsetzte, war ja nur die

Fortsetzung der Bestrebungen, denen seit jenem Bündnisschlufj von 1526 des Landgrafen ganze Arbeit gewidmet war. Mohl aber war es eine Epoche, daß Philipp wenige Monate nach Schluß des Reichstags dem großen Schweizer näher trat,

der nun

sein

politisches

auf das Stärkste

Zwingli.

Denken und Bandeln

beeinflussen

sollte: Buldreicb

«$I(e ist für Philippe Hrt ungemein bezeichnend, daß Luther ihm trotz häufiger Berührung und vertrauensvollen Gedankenaustausches inner­

lich fremd blieb und ihm Melancbtbon als der „Krebs" erschien, „der zurückgeht", und als „ein schädlicher Mann dem Cvangelio Christi mit seiner Blödigkeit", während Zwingli mit einem Schlag

sein Berz gewonnen und behalten hat. Mr be­ sitzen den Briefwechsel der beiden, der sich über

einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren er­

streckt. Anfangs handelt es sich um die Vorbe­ reitung jener Versammlung, die unter dem Flamen des Marburger Retigionegesprächee so berühmt

geworden ist. Noch läßt Philipp die Briefe in der Kanzlet schreiben. Nach dem Gespräch wird

das andere. Nun schreiben sich die beiden wie zwei freunde, auch der Landgraf eigenhändig bis zu dem Vermerk auf dem Umschlag: „Meinem guten freund zu eigenen Banden." „Lieber Meister

Ulrich", „lieber Zwingli", schreibt Philipp. „Gnä­

digster, liebster Berr", antwortet der Züricher Pfarrer. jJjilTnd wovon bandelt der Briefwechsel? Von großer Politik. Die war schon in Marburg Gegenstand von Gesprächen gewesen, an denen

die Miltenberger keinen Ceil hatten. Mar doch der Anlaß der Verhandlung weder für Philipp noch für Zwingli die Bauptsache gewesen.

Der

£andgraf batte schon zuvor dem Kurfürsten klar- I zumacben versucht, daß „an dem Hrtikel vom Sakrament so bocbvortrefflicb viel nicht liegen I könne, daß man sich darüber nicht so liederlich ■ sollte trennen lassen, wenn auch die Gelehrten um leichter disputierlicber Sachen willen zweibelttg" feien. Und lieft man Zwinglis Briefe unter diesem Gesichtspunkt, so siebt man, daß der dog­ matische Zwiespalt mit den Mittenbergern ibn nicht bedrückte. Die Mittenberger hatten das Thema vom Abendmahl mit tiefem Ernste an­ gegriffen. Insbesondere Lutbern war jeder Ge­ danke, diese wie alle fragen anders als nach reinem Verstand des Gvangelü zu behandeln, völlig fern. Und so ehrlich er die Vereinigung \

wünschte, so gewiß war es ihm doch, daß die Gegenpartei „einen anderen Sinn" hatte. Bei Zwingli war eine mächtige Triebfeder zur 6ini- | gung die politische Erwägung, die bei ihm im | letzten Grunde auf Erweiterung von Macht und 3 Einfluß feines schweizerischen Gemeinwesens ab­ zielte, dabei aber ein freundschaftliches Zusammen- i gehen mit der deutschen Oppositionspartei als ; dringend wünschenswert erscheinen ließ. nd was er hierüber entwickelt, das fesselt den Landgrafen. Es kommt Philipps eigensten Gedanken entgegen. Diese Gedanken sammeln sich immermehr um die Erkenntnis, daß

es im Interesse sowohl der religiösen frage wie der deutschen Verhältnisse liege, wenn man der wachsenden Übermacht des Dauses Dabsburg ent­ gegentrete. Jticht als wäre der Landgraf anti­ kaiserlich gesinnt gewesen. Zwingli freilich war Republikaner. Gerade in dieser Zeit schrieb er an

einen {Würzburger freund: „Gxpende hunc rytbmum (erwäge diesen Reim):

Papsttum und Kaisertum

Die sind beide von Rom." Dem entsprach Philipps Stimmung nicht.

J'sicbt

dem Kaiser als solchem galt seine Opposition, sondern eben diesem Kaiser. Und auch nicht Karl so sehr wie ferdinand und allem, was sich in der Zukunft noch von Dabsburg erwarten ließ. Die Pläne des kühnen Zürichers haben den sanguinisch

empfindenden und impulsiv handelnden fürsten nicht geblendet, sie haben ihm nicht den Sinn ver­ wirrt.

Hber bei all dem zagen Getue, das ibn

sonst umgab, hier war doch einmal ein mutiger Mann, der zielbewußt zugriff, ein Mann von ebenso großer Geistesschärfe wie großem

Geschick zu

praktischen Dingen. Daß er jemals einem Huf­ gehen des Reiches in einen allgemeinen Schweizer­

bund hätte zustimmen, gar dazu hätte helfen sollen, das wäre dem deutschen Reichsfürsten freilich

etwas Unmögliches gewesen. Hber ein Zusammen­ schluß aller antibaboburgischen Elemente unter

dem Banner des Evangeliums, ein Zusammen­ geben von bford und Süd auch über die Grenzen des Reiches hinaus, Frankreich, Dänemark,Venedig, Schweiz, Dessen, nicht zuletzt Württemberg, wenn es nur erst gelungen fein würde, ßerzog Ulrich wieder zurückzuführen: das waren stolze Pläne. Wer will sagen, daß sie utopisch waren? '^K^Xa kam der Schnitter "Cod und mähte den hinweg, der die Seele und die treibende Kraft dieser Pläne war. Zwingli fiel bei Kappel. Der Cod des gewaltigen JMannes bat das kleine Gefecht wichtig gemacht weit über feine strategische Bedeutung hinaus, für Philipp besondere war Zwinglis "Cod ein schwerer Schlag. ]Mit dem kaum abgeschlossenen hessisch-schweizerischen Burgrecht war's vorbei: denn in Zürich war niemand, der Zwinglis hochfliegende Pläne hätte weiterführen können und mögen, und in Deutschland waren die meisten froh, von den Schweizern glimpflich loszukommen. Philipps Gedanken tritt nunmehr in den Vordergrund der noch im Jahre 1530 be­ gründete fcbmalkaldifcbe Bund, dessen Schwerge­ wicht in der politischen Einigung der sächsischen und der oberdeutschen Reformgruppe tag. Ein bescheidener Ersatz nur für das, was er aufgeben mußte, und doch eine wichtige Errungenschaft, wenn man den Bund als den Zusammenschluß

zunächst nur weniger, nach und nach einer größeren Anzahl von Ständen des Reiches zu bewußter

Abwehr habsburgischer Interessenpolitik schätzen gelernt hat.

für Philipp freilich ist der schmal-

kaldische Bund eine nie versiegende Quelle des Ärgers und der Enttäuschungen geworden. Ein ungleicheres

Gespann

als ihn

und den dicken

sächsischen Kurfürsten, dessen chronische Langsam­ keit und Bedenklichkeit selbst die besten Pläne

hemmen mußte, wird man sich kaum denken können, und man versteht es, daß der Briefwechsel der beiden fürsten zuweilen eine Gestalt annahm, die ein gegenseitiges Verständnis erschweren mochte, allem bei der Lieblingsidee des Land-

7m. grafen hielt ihm der Kurfürst Widerpart. Seit 1519 war Verzog Ulrich von Württemberg vertrieben.

Philipp hatte den Gedanken nie auf­

gegeben, dem freunde wieder zu der verlorenen Herrschaft zu verhelfen» Als ferdinand im Sep­ tember 1530 mit Württemberg

belehnt worden

war, mochte manchem die Angelegenheit als er­ ledigt erscheinen. Dem Landgrafen war sie es nicht. Er spannte alle Kräfte der Person und seines Landes an und empfand es als wohlver­

dienten Triumph, als ihm 1534 Ulrichs Rückfüh­ rung in glänzend geführtem, kurzem feldzug gelang. Seit dieser Zeit war fein Jtame als der des großmütigen Landgrafen auf aller Lippen.

Johann friedricb batte bis zuletzt opponiert, und wenn nicht zum wenigsten unter dem Eindruck des kühnen Vergebene Philipps der scbmalkaldiscbe

Bund in den nächsten Jabren einen großen Auf­ schwung an Macht und Hn sehen nahm, des Sachsen Verdienst war es gewiß nicht.

Philipps piäbe aber war inzwischen ein MeJ' neuer Mann getreten, der berufen sein sollte, ihm Zwingli, wenn auch in ganz anderer Meise, zu ersetzen. Der frühere Dominikaner Martin Butzer, dessen Bedeutung als eines unruhigen und gefährlichen Gegners schon zu Morms dem

scharfen Auge Aleanders nicht entgangen war, batte sich als Prediger in Straßburg zu einem der klügsten, wenn nicht dem klügsten förderer evangelisch-kirchlicher Reformbeftrebungen unter den deutschen Geistlichen entwickelt. Die Größe

Zwinglis fehlt ihm ganz. Dafür war er ein vor­ trefflicher Diplomat, ein „durchtriebener Schlingel", wie Luther,

der ibn nicht mochte, ibn

genannt bat. beiden Hälften

einmal

Butzero Dauptbestreben war, die

des deutschen Protestantismus,

die oberdeutsche, zu der er selbst gehörte, und die sächsische nicht auseinanderfallen zu lassen. Er ist der eigentliche Urheber der sogenannten Milten­

berger Konkordte von 1536, jenes klug erdachten

dogmatischen Einigungsversuches von zweifel­ hafter Grundlage und zweifelhaftem Erfolge.

«K&Xhilipp batte Butzer bei dem Gespräch auf dem JMarburger Schlosse gesehen. Doch bat er ihm anscheinend keine Beachtung geschenkt, solange Zwingli ibn beherrscht, und daß auch nach Zwinglis "Code es trotz gelegentlicher An­ näherung noch nicht zu intimerem Verständnis gekommen ist, beweist die Tatsache, daß Butzer mit den württembergiscben Plänen des Landgrafen keine füblung gewonnen bat. Aufmerksam wurde Philipp auf den kirchlichen Organisator, der sich als solcher schon in dem freien Straßburg bewährt hatte und der nun, von Philipp berufen, seit 1539 auch der eigentliche Organisator der kirchlichen Verhältnisse in Bessen geworden ist. Aber er ist in diesen Jahren auch des Landgrafen Berater bis in die persönlichsten Angelegenheiten hinein geworden. Bat man doch zeigen können, daß, zumal feit Butzer in der Angelegenheit der Doppel­ ehe sich als umsichtiger Steuermann für das doch recht gefährdete Fahrzeug erwiesen hatte, kaum ein politischer Anschlag aus der hessischen Kanzlei hervorgegangen ist, von dem Butzer nicht Kenntnis, kein Aktenstück von Bedeutung, in das er nicht Einblick gehabt bat. Und doch ist Philipps Ver­ hältnis zu Butzer ein ganz anderes als das zu Zwingli. Von dem herzlichen Vertrauen des freundes zum freunde spürt man nichts. Es ist der kluge Mann, dessen Rat der Landgraf

begehrt und der diesen Rat gern erteilt, weil er

weiß, daß er damit der Sache seiner Kirche am besten dient. Er hat ihn auch gut beraten, zu

gut vielleicht für Philipp, dessen ungebändigte Natur auf die Dauer fuchsenfchlauheit nicht vertrug. ^STber ein gewisses Erlahmen ist bei dem £and-

grafen schon jetzt bemerkbar. Er ist noch nicht 35 Jahre alt, ein junger Mann. Und doch sieht er nicht mehr mit der früheren Doffnungsfreudigkeit in die Zukunft. Gewiß trug daran das Verhängnis feiner Sinnlichkeit einen großen Teil der Schuld.

Hber man soll es auch nicht

für alles verantwortlich machen. Es ist doch nicht nur die Doppelehe und nicht nur der Ulunfcb, sich persönlich den Kaiser geneigt zu machen, son­ dern es ist die pessimistische Erkenntnis, daß mit Johann friedrich und seinen Theologen politisch nicht vorwärts zu kommen sei. Y^Ver Groll gegen den Kurfürsten, mit dem

er ganz zerfiel, der Ärger über den Un­

dank Ulrichs, das Gefühl der Nutzlosigkeit seiner Bestrebungen war es, was schon bald nach dem württembergischen Zuge eine große Änderung in

ihm hervorrief. Karl hatte mit diplomatischer Verschlagenheit den Wunsch geäußert, den Ver­ haßten, der seines Bruders Besitz' geschädigt hatte, bei sich zu sehen. Philipp in Men.

Montag vor Ostern 1535 war Me angesehen und gefürchtet

er war, zeigt sich darin, daß man ihm für seinen damals erst zweijährigen Sohn eine habsburgische Prinzessin antrug.

Philipp, der Lockungen zu

widerstehen nicht gelernt hatte, fühlte sich ge­ schmeichelt, auch durch die Aufmerksamkeit, mit

der Reinrieb von Braunschweig und der branden­ burgische Kurprinz ihn behandelten. Von jetzt ab ändert sich seine Haltung. Daß er wenige Jahre später unter dem Verhängnis der Doppel­ ehe in Gefahr kam, sich und seine Sache, an der er doch mit dem Herzen hing, dem Kaiser aus­ zuliefern, wird verständlicher, wenn man dieser

vorbereitenden Zeiten gedenkt. Der Landgraf mußte sich von Vertrauen getragen sehen. Sonst fiel er ab.

festhalten nur verstandesmäßiger

6in siebten war seine Sache nicht. Y7AYnd Vertrauen brachte ihm niemand entgegen.

Alle waren sie um der Doppelehe willen

von ihm abgefallen. 6s war, wie er im No­ vember 1540 an Butzer schrieb: „Hätte ich einen endlichen 'Crost gewiß bei meinen Bundesgenossen oder freunden oder noch bei dem Luther und

Philipp, so wollt ich wahrlich hiermit nicht geeilt haben. Dieweil« aber allenthalben fehlet, so mußte ich tun, das ich nie Millen gehabt.“ Butzer wird

den Kopf geschüttelt haben überden naiven Glauben des Landgrafen, daß der paht mit dem Kaiser ihm helfen werde, wenn doch Philipp selber schreibt:

„Balt er's nicht allweg, sondern etliche Jahr, so ist's doch auch gut: es ist besser eine Galgenfrist denn gar nichts."

Und der Brief enthält kein

Mort, das darauf deutete, der Landgraf fei an feiner innersten Überzeugung irre geworden oder meine, sie durch feinen Schritt gefährden zu können.

Im Jahre vorher hatte e* an Johann friedricb geschrieben, daß er, auch wenn er