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German Pages [248] Year 2008
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Dietrich-Alex Koch, Matthias Köckert, Christopher Tuckett und Steven McKenzie
Band 222
Vandenhoeck & Ruprecht
David C. Bienert / Joachim Jeska Thomas Witulski (Hg.)
Paulus und die antike Welt Beiträge zur zeit- und religionsgeschichtlichen Erforschung des paulinischen Christentums
Vandenhoeck & Ruprecht
Festgabe für Dietrich-Alex Koch zum 65. Geburtstag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-53088-7
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Vorwort
Vorwort
Am 22. Oktober 2007 feierte Prof. Dr. Dietrich-Alex Koch seinen 65. Geburtstag; am 7. Februar 2008 wird er seine Abschiedsvorlesung an der Ev.Theol. Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster halten, an welcher er mehr als zwei Jahrzehnte den neutestamentlichen Lehrstuhl mit Schwerpunkt Exegese und Zeitgeschichte des Neuen Testaments inne hatte. An diesem Tag kann er auf fast vierzig Jahre Forschungstätigkeit am Neuen Testament zurückblicken, angefangen mit der Dissertation über die Christologie der Wundererzählungen im Markusevangelium bei Hans Conzelmann, die er im Jahre 1973 abschloss, und die er nach langjährigem Pfarrdienst in der Hannoverschen Landeskirche und Assistentenzeit in Mainz um seine wichtige Habilitationsschrift „Die Schrift als Zeuge des Evangeliums“ ergänzte. Seine wissenschaftliche Tätigkeit war dabei stets von dem Gedanken geprägt, dass die Theologie eine kirchliche Aufgabe darstellt. Mit der Leidenschaft für sein Fach hat er eine ganze Generation von Studierenden der Theologie geprägt, die heute im Pfarr- oder Schuldienst stehen; darüber hinaus hat er junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit seinem fachlichen und persönlichen Engagement gefördert und zugleich auf vielfältige Weise der Fakultät gedient. Zu diesem Anlass haben sich die drei Assistenten, die seit 1996 am Lehrstuhl von Prof. Koch in Münster beschäftigt waren, entschlossen, ihm eine Festschrift zu widmen – einen Band mit ausgewählten Aufsätzen zu Themen, die ihn in seiner langjährigen Forschungstätigkeit beschäftigt haben. Einige enge Freunde und Weggefährten, Kollegen und Schüler haben sich zu diesem Projekt zusammengefunden und darüber nachgedacht, welche Impulse aus dem Werk des Jubilars für die Erforschung des paulinischen Christentums ausgegangen sind und welche Wege neu beschritten werden können. Allen Autoren, die dazu beigetragen haben, sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Der sehr knapp bemessenen Vorbereitungszeit zum Trotz ist ein beachtenswerter Sammelband entstanden. Jörg Persch vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht hat maßgeblichen Anteil an der Fertigstellung dieses Buches gehabt, auch hinsichtlich der Auswahl der Autoren. Auf seine Anregung hin ist dieses Projekt in kürzester Zeit vorangeschritten – für sein Engagement sind die Herausgeber ausgesprochen dankbar. Dass dieser Sammelband nun in der Reihe „Forschungen zur Religion und Literatur am Alten und Neuen Testament“ (FRLANT) erscheint, die der Jubilar selbst
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Vorwort
herausgibt, und dies noch parallel zu einem Band mit den gesammelten Aufsätzen von Dietrich-Alex Koch in der Reihe NTOA (unter dem Titel „Hellenistisches Christentum. Schriftverständnis – Ekklesiologie – Geschichte“, hg. von F.W. Horn), ist ganz offensichtlich auch ein Zeichen der Dankbarkeit des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht für die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Jubilar. Ein besonderer Dank der Herausgeber gilt den Hilfskräften des Neutestamentlichen Seminars der Ev.-Theol. Fakultät Münster, Frau Dagrun D. Pflüger und Herrn Mag. Nikolai Kiel, die bei der Erstellung der Druckvorlagen wesentliche Mithilfe geleistet haben. Zuletzt gilt aber der Dank dem Jubilar selbst, seinem unermüdlichen Einsatz für die neutestamentliche Exegese, seinem hohen Interesse an fundierter Lehre und seiner nimmermüden Unterstützung für alle, die wie er Feuer gefangen haben am Neuen Testament und seiner Umwelt. Wir hoffen, dass er diese Festgabe mit freudigem Interesse entgegen nimmt.
David C. Bienert Münster/Westfalen,
Joachim Jeska
Thomas Witulski 22. Oktober 2007
Inhalt
Inhalt
David C. Bienert, Paulus und die frühen Christen als Menschen der Antike. Die Geschichte des frühen Christentums im Dickicht von Methodenpluralismus und historischem Skeptizismus ...........................
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I. Paulus im religiösen und kulturellen Umfeld seiner Zeit Andreas Lindemann, Gott und die Götter. Paulus, Lukian von Samosata und der „Brief an Diognet“ ..................................................................................
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David Hellholm, Lucian’s Icaromenippos as a Parody of an Apocalypse and 2 Corinthians 12,2–4 as a Report about a Heavenly Journey .................
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Friedrich Wilhelm Horn, Stephanas und sein Haus – die erste christliche Hausgemeinde in der Achaia ...........................................................................................
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Hans Klein, Die Apologie des apostolischen Amtes innerhalb des zweiten Korintherbriefes .........................................................................
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II. Der geschichtliche Kontext der paulinischen Gemeinden Martin Ebner, Symposion und Wassersucht, Reziprozitätsdenken und Umkehr. Sozialgeschichte und Theologie in Lk 14,1–24 ...................................... 115 Dirk Schinkel, Kanzler oder Schriftführer? Apg 19,23–40 und das Amt des grammateuv~ in griechisch-römischen Vereinigungen ...................... 136
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Inhalt
Thomas Witulski, Die Aufenthalte des Kaisers Hadrian in der römischen Provinz Asia .................................................. 150 Barbara Aland, Gnosis zwischen Philosophie und Christentum ...................................... 168 Folker Siegert, Die pericopa adulterae (Joh 8,1–11): Ende einer Irrfahrt ...................... 175
III. Paulus verstehen und verinnerlichen Martin Meiser, Vom Nutzen der patristischen Exegese für die neuzeitliche Schriftauslegung (am Beispiel des Galaterbriefes)................................. 189 Joachim Jeska, Paulus verorten, verstehen und verinnerlichen. Plädoyer für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Apostel im Religionsunterricht............................................................................. 210
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ............................................... 231 Bibliographie Dietrich-Alex Koch (zusammengestellt von David C. Bienert) .............................................. 232 Stellenregister (in Auswahl).................................................................... 236 Autorenregister........................................................................................ 245
David C. Bienert
Paulus und die frühen Christen als Menschen der Antike Die Geschichte des frühen Christentums im Dickicht von Methodenpluralismus und historischem Skeptizismus
Wer Dietrich-Alex Koch in seiner aktiven Zeit als Professor für Neues Testament an der Ev.-Theol. Fakultät der Universität Münster begegnet ist, der wird sich an zweierlei erinnern: Erstens an einen unglaublich aktiven und mitreißenden Menschen, der mit einer nur selten zu findenden Leidenschaft und Hingabe die ihn interessierenden theologischen und historischen Fragen verfolgt. Zum zweiten aber auch an die seit 1989 (animiert durch und in Zusammenarbeit mit seinem Assistenten P. Pilhofer)1 regelmäßig angebotenen Exkursionen in ferne Länder, in denen Studierende die Möglichkeit erhalten, Geschichte hautnah zu erleben, archäologische Fragen an Ort und Stelle zu überprüfen und ein Bild von den Orten zu erhalten, die christliche Theologen zu allen Zeiten fasziniert haben, heißen sie Rom, Athen, Korinth, Ephesus, Antiochia, Karthago – und nicht zuletzt Jerusalem und das „Heilige Land“. Wer sich hingegen ausführlich mit seinem literarischen Werk2 beschäftigt, stellt fest, dass er in seiner exegetischen Arbeit zunächst philologische, später aber immer mehr historisch-archäologische Schwerpunkte setzte – dies jedoch aus der konsequenten Überzeugung heraus, dass nur in der Verbindung von philologischer, historischer und theologischer Arbeit das Neue Testament und die Geschichte des frühen Christentums angemessen verstanden werden können.3 Damit folgt er einerseits einem gegenwärtigen Trend innerhalb der neutestamentlichen Exegese, in welchem interdisziplinäre und kulturwissenschaftliche Zugänge in den Vordergrund geraten sind, erliegt aber nicht der Versuchung, das Historische und Literarische dem 1
Vgl. PILHOFER, P., Philippi, Bd. 1: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995, bes. 1; später ergänzt durch Bd. 2: Katalog der Inschriften von Philippi, WUNT 119, Tübingen 2000. 2 Vgl. die Bibliographie von Prof. Koch am Ende dieses Sammelbandes, S. 232–235. 3 S. dazu den autobiographischen Rückblick des Jubilars: KOCH, D.-A., Exegese zwischen Historie und Theologie, in: E.-M. Becker (Hg.), Neutestamentliche Wissenschaft. Autobiographische Essays aus der Evangelischen Theologie, Tübingen 2003, 243–254; dort bes. sein Fazit (254): „Die theologische Bedeutung des Neuen Testaments – und zwar für heutige Kirchen und Gemeinden – wird sich […] nur in der wechselseitigen Spannung von historischer Verortung und Verankerung einerseits und eschatologischer Botschaft andererseits entfalten lassen.“
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Theologischen überzuordnen, und auch nicht Bestrebungen, die neutestamentliche Wissenschaft als reine „Kulturwissenschaft“ zu verstehen. Der vorliegende Band will das Spektrum dieser Fragestellungen vorrangig am Beispiel des Paulus und seiner Gemeinden im Kontext ihrer religiösen und kulturellen Umwelt abtasten – eine Auswahl persönlicher Freunde, Schüler und Weggefährten hat sich zusammengefunden, um dem Jubilar zur Verabschiedung aus dem aktiven Hochschuldienst einige Anregungen zu geben, die seine Forschungen ergänzen und weiterführen sollen. Insofern ist dieser Band nicht allein eine „Festschrift“ in dem Sinne, dass er lediglich der Ehrerbietung dient, sondern will als „Festgabe“ verstanden werden – als akademischer Beitrag zur Forschung des durch sie Geehrten. Festschriften genießen landläufig einen zweifelhaften Ruf – der Vorwurf lautet meist auf Selektivität und mangelnden Zusammenhang.4 Das vorliegende Buch hat sich, der Kürze seiner Entstehungszeit zum Trotz, von Beginn an der Aufgabe gewidmet, diesem schlechten Image zu wehren. Diese Einleitung in den vorliegenden Sammelband versucht daher zunächst in einem ersten Abschnitt eine Standortbestimmung: Auf welche Weise und mit welcher Absicht wird gegenwärtig auf die neutestamentliche Religions-, Zeit- und Sozialgeschichte Bezug genommen? Danach soll in einem zweiten Teil, in einem literarischen Dialog mit den Beiträgen dieses Bandes, ein vorläufiger Ertrag der hier vorliegenden Ergebnisse erzielt werden.
I. Gegenwärtige Aufgaben der neutestamentlichen Wissenschaft In den vergangenen zwei Dekaden ist die Erforschung der Umwelt des Neuen Testaments weit fortgeschritten. In einer ganzen Reihe von interdisziplinären Forschungsverbünden haben Altphilologen, Althistoriker, Archäologen, Patristiker, Judaisten, Alt- und Neutestamentler und viele andere stets aufs Neue versucht, die vielen Mosaiksteine ihrer Forschungsergebnisse zu einem großen Apsis- oder Fußbodenmosaik zu verbinden – und immer wieder finden sich bei dieser Arbeit neue Steine, die das Bild verändern, entweder indem sie Details hinzufügen oder dadurch, dass sie manche Farben heller und deutlicher hervortreten lassen. Dabei muss sich die Neutestamentliche Wissenschaft nicht selten die Frage stellen lassen, was denn 4 Dem steht allerdings auch die Feststellung Wehnerts in seiner Sammelrezension aus dem Jahr 1998 entgegen, Festschriften seien gerade im neutestamentlichen Bereich „ihrem Ruf als überflüssige, weil langweilige exegetische Gemischtwarenangebote erfreulich untreu geworden und […] zu respektablen Experimentierfeldern vor allem auch jüngerer Forscher geworden“ (WEHNERT, J., Festschriften und Sammelbände zum Neuen Testament, ThR 63, 1998, 361–402, 362).
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nach über 150 Jahren kritischer Forschung am Neuen Testament – verbunden mit einer immensen Fülle an Publikationen zu exegetischen Einzelfragen – überhaupt noch „Neues“ erforscht werden könne. Tatsächlich hat sich der Gegenstand der Forschung weniger gewandelt, wohl aber hat der wissenschaftliche „Fortschritt“ auch in der neutestamentlichen Wissenschaft zu einer sich immer weiter verästelnden Spezialisierung und Fokussierung auf Einzelfragen geführt. Hinzu gesellen sich intensiv geführte Debatten um die angemessene Methodik, mit der die Arbeit geführt werden soll. Ein Blick in die Forschungsgeschichte macht das Dilemma sichtbar. Noch vor wenigen Jahrzehnten hatte man die Geschichte der (deutschsprachigen)5 neutestamentlichen Exegese in klare Perioden eingegrenzt:6 Nach den Anfängen und den bahnbrechenden historischen Weichenstellungen im 19. Jh., die vor allem mit den Namen F.C. Baur und D.F. Strauß verbunden sind, und der ersten „religionsgeschichtlichen Schule“ zu Beginn des 20. Jh., folgte im Gefolge der „Dialektischen Theologie“ eine Aufspaltung in eine historisch-theologische und eine „neuere religionsgeschichtliche“ Schule; zu letzterer zählte man u.a. auch R. Bultmann7. Im Kampf mit der Systematischen Theologie um die Frage, ob die Hermeneutik ein Feld der historischen oder der philosophischen Disziplinen sei, bezogen viele Neutestamentler Stellung und schärften das hermeneutische Profil ihrer Wissenschaft. Als die „Redaktionsgeschichte“ nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Arbeiten von W. Marxsen (zum Markusevangelium), G. Bornkamm (zu Mt) und H. Conzelmann (zu Lk/Apg) das Bild von den synoptischen Evangelien grundsätzlich wandelte und deren Autoren nun als „Schriftsteller“ und Theologen stärker in das Bewusstsein rückten, schien die neutestamentliche Wissenschaft sich wieder stärker den theologischen Fragen des neutestamentlichen Kanons zuzuwenden. Eine nicht unerhebliche Rolle spielte in dieser Zeit auch die Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“, deren oft überzogene Ablehnung der kritischen Bibelwissenschaft ein ums andere Mal neutestamentliche Theologen nötigte, die
5 Im Folgenden beschränke ich mich auf die deutschsprachige Forschung (mit einem sichtbaren Schwerpunkt auf protestantischen Autoren), in dem Wissen, dass wichtige neue Impulse im Blick auf literaturwissenschaftliche und sozialgeschichtliche Zugänge zum Neuen Testament oft aus anderen Kontexten, vor allem dem angelsächsischen Raum kamen. 6 Vgl. KÜMMEL, W.G., Das Neue Testament. Geschichte der Erforschung seiner Probleme, Freiburg/München 21970; GENTHE, H.-G., Kleine Geschichte der neutestamentlichen Wissenschaft, Göttingen 1977; einen guten Überblick bietet MERK, O., Art. Bibelwissenschaft II. Neues Testament, TRE 6, 1980, 375–409, zum hier behandelten Zeitraum 388–395. 7 Bultmanns Darstellung des „Urchristentums im Rahmen der antiken Religionen“ löste implizit die ältere „entwicklungsgeschichtliche“ Darstellung des Christentums als „Endpunkt“ der Religionen ab, indem er auf eine „apologetische Absicht“ verzichtete (BULTMANN, R., Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, Zürich 1949 [Düsseldorf 61998], 7).
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Ergebnisse und die Relevanz ihrer Arbeit den Kirchengemeinden zu vermitteln.8 Als kurz darauf E. Güttgemanns seine „offenen Fragen zur Formgeschichte des Evangeliums“ als Pamphlet gegen die „formgeschichtliche Methode“, und damit auch gegen die „Redaktionsgeschichte“ generell formulierte und die Diskrepanz von mündlicher und schriftlicher Überlieferung als unüberwindbare Spannung darstellte,9 entstand ein neuer Trend in der neutestamentlichen Wissenschaft, sich stärker den literarischen Zeugnissen mit literaturwissenschaftlichen Ansätzen zu nähern und die „klassischen“ Methoden nach und nach immer mehr in Frage zu stellen oder gar für obsolet zu erklären. Beachtet man den zeitgeschichtlichen Kontext dieser „Trendwende“, so kann man sie vielleicht auch, in Zeiten des „Studentenprotestes“ der „68-er Generation“, als emanzipatorischen Akt einer jüngeren Generation gegen die Methoden ihrer „Väter“ (und leider nur wenigen „Mütter“) verstehen. Die klassische „Einleitungswissenschaft“ zeigte sich davon zunächst nur wenig beeindruckt. Während W.G. Kümmel in der Fortführung der Einleitung von P. Feine und J. Behm weiterhin einem historisch orientierten Ansatz folgt,10 dabei allerdings die Schriften in kanonischer Reihenfolge behandelt, gehen die eher exegetisch-theologisch ausgerichtete „Einleitung“ von W. Marxsen11 und der literaturgeschichtliche Ansatz von P. Vielhauer12 den Weg einer theologiegeschichtlichen Anordnung der Schriften des Urchristentums, welcher prinzipiell auch dem zweibändigen Werk von Schenke/Fischer13 und der seit 1994 in regelmäßigen Neuauflagen erscheinenden
8 Vgl. hierzu stellvertretend für viele MARXSEN, W., Der Streit um die Bibel, Gladbeck 1965 (71971); DERS., Das Neue Testament als Buch der Kirche, Gütersloh 1966; KÄSEMANN, E., Der Ruf der Freiheit, Tübingen 1968 (51972). 9 GÜTTGEMANNS, E., Offene Fragen zur Formgeschichte des Evangeliums. Eine methodologische Skizze der Grundlagenproblematik der Form- und Redaktionsgeschichte, München 1970, bes. 257f: „[D]ie formgeschichtliche Ableitung des Evangeliums vom ‚Kerygma‘ [entfällt] wegen des trümmerhaften Charakters der ‚Urliteratur‘ und wegen des ‚urgeschichtlichen‘ Dunkels als unbeweisbar […], weil sich die Entwicklung vom […] urchristlichen ‚Kerygma‘ als der historisch primären Sprachform […] bis hin zum Endresultat der Evangelien-Form nur hypothetisch postulieren, aber nicht analytisch demonstrieren läßt.“ (Herv. i. Orig,) 10 KÜMMEL, W.G., Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg 171973 (211983), zuvor noch unter dem Namen der früheren Autoren erschienen. 11 MARXSEN, W., Einleitung in das Neue Testament. Eine Einführung in ihre Probleme, Güterloh 1963 (41978). Er will in „das Verstehen des Neuen Testaments einleiten“ und somit als „Einleitung in traditionelle ‚Einleitungen‘ […] dienen.“ (a.a.O. [41978], 9) 12 VIELHAUER, P., Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin/New York 1975. 13 SCHENKE, H.-M./FISCHER, K.M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, Bd. 1: Die Schriften des Paulus in Schriften des Paulinismus, Gütersloh 1978; Bd. 2: Die Evangelien und die anderen neutestamentlichen Schriften, Gütersloh 1979.
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Einleitung von U. Schnelle14 zugrunde liegt. Schnelle präsentiert dabei einleitungswissenschaftlich regelmäßig den gegenwärtigen Stand der Diskussion in den stets überarbeiteten Abschnitten „Tendenzen der neueren Forschung“. Erst im Laufe der 90-er Jahre folgten Einführungen, die stärker das Neue Testament als Sammlung antiker Literatur in den Blick nahmen.15 Eine Kenntnis der Umwelt und Zeitgeschichte des Neuen Testaments gehört inzwischen selbstverständlich auch zur „Grundinformation“ über das Neue Testament.16 Parallel zu dieser Entwicklung bildeten sich aber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem Feld der „Religionsgeschichte“ zahlreiche neue Spezialfelder heraus: Die zu Beginn des Jahrhunderts ins Leben gerufene Manichäerforschung geriet in neutestamentlichen Kreisen bald in Vergessenheit.17 Die seit den Funden von Nag Hammadi (1941) aufblühende Gnosisforschung entfernte sich immer mehr aus dem neutestamentlichen Gebiet und wurde mehr und mehr ein Feld für Patristiker und Koptologen.18 Die in den 60-er Jahren rasch voranschreitende Erforschung der Schriften und der „Gemeinde“ von Qumran (seit 1947) umfasste schon bald ein so großes Gebiet, dass sich Alt- und Neutestamentler jeweils spezialisieren mussten, um die Masse an Handschriften und Texten zunächst zu sondieren und zu analysieren. Die Debatte um die „Klosteranlage“ Khirbet Qumran in den vergangenen Jahren demonstriert nun eindrücklich die Problematik der wechselseitigen Zuordnung literarischer und archäologischer Zeugnisse.19 Daneben entwickelte sich eine neue hochgradig ausdifferenzierte „LebenSCHNELLE, U., Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 62007. STRECKER, G., Literaturgeschichte des Neuen Testaments, Göttingen 1992; DORMEYER, D., Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einführung, Darmstadt 1993. KLAUCK, H.-J., Die antike Briefliteratur und das Neue Testament. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, München/Wien/Zürich 1998 beschränkt sich auf die Briefliteratur, für die es zahlreiche antike Parallelen gibt (im Gegensatz zur Gattung „Evangelium“). Auch der frühere Neuansatz in der Formgeschichte von BERGER, K., Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984; DERS., Einführung in die Formgeschichte, Tübingen 1987, bes. 15–18 ist hier zu erwähnen. 16 Vgl. den Sammelband von K.-W. Niebuhr (Hg.), Grundinformation Neues Testament. Eine bibelkundlich-theologische Einführung, Göttingen 2000 (22003). 17 Vgl. LIDZBARSKI, M., Das Johannesbuch der Mandäer, 2 Bd., Gießen 1905/1915; DERS., Mandäische Liturgien, Berlin 1920; DERS., GinzƗ. Der Schatz oder das grosse Buch der Mandäer, Göttingen/Leipzig 1925; RUDOLPH, K., Die Mandäer, 2 Bd., FRLANT 56/57, Göttingen 1960f. 18 Nicht vergessen werden darf allerdings der interdiszipliär ausgerichtete „Berliner Arbeitskreis für Koptisch-gnostische Schriften“ um C. Colpe. 19 Vgl. hierzu ROHRHIRSCH, F., Wissenschaftstheorie und Qumran. Die Geltungsbegründungen von Aussagen in der biblischen Archäologie am Beispiel von Chirbet Qumran und En Feschcha, NTOA 32, Freiburg/Göttingen 1996 und besonders HIRSCHFELD, Y., Qumran – die ganze Wahrheit. Die Funde der Archäologie – neu bewertet, bearb.v. J. Zangenberg, Gütersloh 2006, der die älteren Ansichten mit durchaus gewichtigen archäologischen Argumenten in Frage stellt; s. auch die Beiträge im Sammelband S. Alkier/J. Zangenberg (Hg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, TANZ 42, Tübingen/Basel 2003. 14 15
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Jesu-Forschung“, spezialisierten sich Neutestamentler entweder im Bereich der Judaistik (speziell der rabbinischen Literatur), der zwischentestamentlichen Literatur oder in dem an die Patristik angrenzenden Gebiet der Geschichte des frühen Christentums und deren Literatur (die „neutestamentlichen Apokryphen“); manche zogen sich gar in den Strukturalismus der Literaturwissenschaftler zurück. Vor dem Hintergrund dieser immens fortschreitenden Spezialisierung ist v.a. das neue fünfbändige Sammelwerk „Neues Testament und Antike Kultur“ als Versuch zu verstehen, die Kräfte zu bündeln, um die gewaltige Masse an Quellenmaterial, archäologischen Erkenntnissen und Ergebnissen der angrenzenden Wissenschaften wie der Alten Geschichte, der Altphilologie, der (römischen) Rechtsgeschichte, der Judaistik und einzelner weiterer Spezialfelder den Studierenden und Lehrenden zugänglich zu machen und verständlich zu präsentieren.20 Dagegen bleibt eine umfassende und theologisch weiterführende „Geschichte des Urchristentums“ weiterhin ein Desiderat. In diesem Bereich ist das Angebot an deutschsprachigen Gesamtdarstellungen weiterhin überschaubar, auch wenn einige konkurrierende Entwürfe nebeneinander stehen.21 Neuere Entwicklungen brachte das Einbeziehen der soziologischen Fragestellung,22 als wesentliche Entwicklung in der Forschung ist hier der Sammelband „Die Anfänge des frühen Christentums“ zu nennen, der die Chance nutzte, durch internationale und überkonfessionelle Zusammenarbeit diese Anfänge historisch und regional sinnvoll zu unterteilen sowie unter Einbeziehung sozialgeschichtlicher Überlegungen neu zu sichten und in einer Gesamtschau darzustellen.23 Das
20 ERLEMANN, K./NOETHLICHS, K.L./SCHERBERICH, K./ZANGENBERG, J. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur (NTAK), 5 Bd., Neukirchen-Vluyn 2004–2007. Daneben ist auch auf die in den Jahren 1998–2007 erschienene 4. Auflage der RGG zu verweisen, die ebenfalls einen guten Überblick zum gegenwärtigen Forschungsstand bietet. 21 Neben dem „Klassiker“ von CONZELMANN, H., Die Geschichte des Urchristentums, GNT 5, Göttingen 61989 (= 21971), der allerdings bewusst die Zeitgeschichte und die Zeit Jesu ausklammerte, sind zu nennen: SCHNEEMELCHER, W., Das Urchristentum, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1981; VOUGA, F., Geschichte des frühen Christentums, Tübingen/Basel 1994 und SCHENKE, L., Die Urgemeinde. Geschichtliche und theologische Entwicklung, Stuttgart/Berlin/Köln 1990. Auch die Monographie von Koester (s. Anm. 26) versteht sich eher als Geschichtsdarstellung denn als „Einleitung“. 22 Einen wichtigen Impuls setzte die Übersetzung eines englischen Werkes: KEE, H.C., Das frühe Christentum in soziologischer Sicht. Methoden und Anstöße, Göttingen 1982. Für die deutsche Forschung wegweisend wurden die Arbeiten von Gerd Theißen, so v.a. THEISSEN, G., Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums, TEH 194, München 1977 (zuletzt überarbeitet erschienen unter dem Titel: Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004); DERS., Studien zur Soziologie des Urchristentums, 1979. 23 BECKER, J. U.A., Die Anfänge des Christentums. Alte Welt und Neue Hoffnung, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1987. Bald darauf erschien in deutscher Übersetzung von G. Lüdemann
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Programm einer urchristlichen Sozialgeschichte präsentierten dann in umfassender Weise die Brüder E. und W. Stegemann,24 während zugleich auch die feministische Exegese sich vorrangig der Sozialgeschichte zuwandte, vorrangig mit dem Fokus auf die Rolle der Frauen in der antiken Gesellschaft.25 Die Schwierigkeit der Erforschung der neutestamentlichen Umwelt und Zeitgeschichte liegt zum einen in der oben skizzierten ausdifferenzierten Forschungslage begründet. Trotzdem fehlt es auch hier nicht an Versuchen zu Gesamtdarstellungen; zu nennen sind die umfangreiche „Einführung“ von H. Koester26 und die eindrucksvollen, aber jeweils auf eigene Art durch eine Reihe speziell eigener Positionen belasteten „Theologiegeschichten des Urchristentums“ von W. Schmithals27 und K. Berger28. Dem von Strecker noch bemerkten „hellenistischen Defizit in der neutestamentlichen Forschung“29, begünstigt durch die nach dem Zweiten Weltkrieg intensivierte Erforschung des frühen Judentums (ein Begriff, der nur langsam den polemischen Terminus „Spätjudentum“ ablösen konnte), hat sich die neutestamentliche Wissenschaft in den vergangenen zwei Jahrzehnten verstärkt zugewandt – die hoffentlich bald abgeschlossene Arbeit am „Neuen Wettstein“ ist ein positives Signal für diese neue Ausgangssituation.30 Einen Einschnitt ganz anderer Art erreichte pünktlich zum Jahr 2000 Gerd Theißen mit seiner „Religion der frühen Christen“, indem er Theologie-, Sozial- und Religionsgeschichte neu zueinander in Beziehung setzte, und zusammen mit Heikki Räisänen31 nun die in der alttestamentlichen Wissenschaft seit einigen Jahren wieder entbrannte Debatte um „Theologie des Alten Testaments“ oder „Religionsgeschichte Israels“, die durch die das Buch der Amerikaner STAMBAUGH, J.E./BALCH, D.L., Das soziale Umfeld des Neuen Testaments, GNT 9, Göttingen 1992. 24 STEGEMANN, E.W./STEGEMANN, W., Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u.a. 1995 (21997). 25 Vgl. SCHOTTROFF, L., Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994. 26 KOESTER, H., Einführung in das Neue Testament. Im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und Römischen Zeit, Berlin/New York 1980. 27 SCHMITHALS, W., Theologiegeschichte des Urchristentums. Eine problemgeschichtliche Darstellung, Stuttgart/Berlin/Köln 1994. 28 BERGER, K., Theologiegeschichte des Urchristentums. Eine Theologie des Neuen Testaments, Tübingen/Basel 1994 (21995). 29 STRECKER, G., Neues Testament, in: DERS./MAIER, J., Neues Testament – Antikes Judentum, Grundkurs Theologie 2, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1989, 9–136, 27f (Zitat: 28). 30 Bisher erschienen (bei unterschiedlichen Hg.:) Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, Bd. 2: Texte zur Briefliteratur und zur Johannesapokalypse, 2 Teilbände, Berlin/New York 1996; Bd. 1,2: Texte zum Johannesevangelium 2001. 31 RÄISÄNEN, H., Neutestamentliche Theologie? Eine religionswissenschaftliche Alternative, SBS 186, Stuttgart 2000 plädierte ebenfalls dafür, die Suche nach der „Theologie des Neuen Testaments“ aufzugeben.
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Veröffentlichung der „Religionsgeschichte“ von R. Albertz neue Impulse erhalten hatte,32 nun auch in die deutschsprachige neutestamentliche Exegese einbrachte.33 Theißen versteht seine Konzeption einer „Theorie der Religion“, die den urchristlichen Glauben anhand religionswissenschaftlicher Kategorien beschreiben und erklären will, explizit als Gegenentwurf zu einer „Theologie des Neuen Testaments“, denn „eine solche deskriptive Theologie des NT ist m.E. nicht in der Lage, den urchristlichen Glauben in seiner ganzen Dynamik zu erfassen.“ Stattdessen müsse man das ganze Leben der frühen Christen untersuchen und „ihre theologischen Aussagen in semiotische, soziale, psychische und historische Zusammenhänge hineinstellen, die nicht unmittelbar ‚theologisch‘ sind.“34
In dieser Radikalität erntete Theißen erwartungsgemäß nicht nur Zu-, sondern auch einiges an Widerspruch. Eine ausgewogene Kritik und Weiterführung des Ansatzes hat bald darauf G. Sellin versucht, dem eine Theologie des Neuen Testaments als „Darstellung der in den neutestamentlichen Schriften erkennbaren Symbolwelt“ anstelle einer „Religionsgeschichte des Neuen Testaments“ vorschwebt.35 Eine solche Theologie solle anhand einer „induktiven Suche“ nach den im Neuen Testament vorhandenen „Grundstrukturen“, „Basismotiven“ und „Kernthemen“ erarbeitet werden.36 Mit anderen Worten: Sellin hält an der geschichtlichen Analyse des Neuen Testaments fest, um sich der Sprach- und Symbolwelt des frühen Christentums angemessen zu nähern. Somit präsentiert Sellin einen Mittelweg, der insgesamt näher an der Konzeption von G. Strecker liegt, dessen neutestamentliche Theologie dezidiert zwischen den „religionsgeschichtlichen Voraussetzungen“ der paulinischen Theologie und deren Inhalten (Christologie, Ekklesiologie, Eschatologie) unterscheidet.37 Die Theologie des Neuen Testaments von F. Hahn versucht hingegen den Spagat zwischen Vielfalt und Einheit der neutestamentlichen Theologiegeschichte durch eine zweibändige Konzeption zu erfassen, wobei er auf die Erörterung religionsge-
32 ALBERTZ, R., Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 2 Bd., GAT 8,1–2, Göttingen 1992 (21996f). Das Jahrbuch für biblische Theologie widmete der Thematik einen ganzen Aufsatzband: Religionsgeschichte Israels oder Theologie des Alten Testaments?, JBTh 10, Neukirchen-Vluyn 1995. 33 Vgl. THEISSEN, G., Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000. Bezeichnenderweise erschien das Werk zuerst in englischer Sprache, unter dem Titel: A Theory of Primitive Christian Religion, London 1999. 34 THEISSEN, Religion (s. Anm. 33), 17. 35 Vgl. SELLIN, G., Zwischen Deskription und Reduktion. Aporien und Möglichkeiten einer Theologie des Neuen Testaments, EvTh 64, 2004, 172–186, 177. 36 SELLIN, Deskription (s. Anm. 35), 186. 37 STRECKER, G., Theologie des Neuen Testaments, bearb., erg. u. hg. v. F.W. Horn, Berlin/New York 1995, bes. 22f.
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schichtlicher Fragen verzichtet.38 Viele „hermeneutisch“ ausgerichtete Schulen in der neutestamentlichen Wissenschaft betonen dagegen inzwischen, meist ausgehend von konstruktivistischen39 und semiotischen40 Theorien, die Übergeschichtlichkeit der Glaubenszeugnisse, und geraten so in die Gefahr, die Texte – in wohlmeinender theologischer Absicht – aus ihrem geschichtlichen Kontext zu lösen.41 Diese Debatten werfen die Frage auf, in welcher „Phase“ sich die neutestamentliche Wissenschaft derzeit befindet. Ein Blick in den Sammelband „Neutestamentliche Wissenschaft“, dessen Herausgeberin einen autobiographischen Zugang zur Beantwortung der Frage nach der gegenwärtigen Lage der neutestamentlichen Wissenschaft wählte, zeigt diese mehr denn je in eine Pluralität der Zugänge und Fragehinsichten gegliedert, die vielleicht wünschenswert, aber nicht unproblematisch ist.42 Das liegt möglicherweise auch daran, dass zwar Einigkeit darin besteht, dass man „historisch-kritisch“ arbeitet, jedoch kein Konsens darüber, wie das im Einzelnen konkret aussieht. Auch die schwierige Lage im Blick auf aktuelle Methodenbücher in der neutestamentlichen Wissenschaft spiegelt diese Situation wider.43
38 HAHN, F., Theologie des Neuen Testaments. Band I: Die Vielfalt des Neuen Testaments. Theologiegeschichte des Urchristentums; Band II: Die Einheit des Neuen Testaments. Thematische Darstellung, Tübingen 2002 (22005). 39 Die Problematik reflektiert anschaulich LAMPE, P., Die Wirklichkeit als Bild. Das Neue Testament als ein Grunddokument abendländischer Kultur im Lichte konstruktivistischer Epistemologie und Wissenssoziologie, Neukirchen-Vluyn 2006, der selbst vor allem nach der Rolle des situationsabhängigen menschlichen Erfahrens „für das Formieren theologischer Wirklichkeitsentwürfe“ fragt (a.a.O., 16). Er entwickelt seinerseits ein „konstruktivistisch-wissenssoziologisches Modell“, mit dem er die christliche Wirklichkeitskonstruktion als „Gegenentwurf zu paganen römisch-hellenistischen Weltbildern“ zu verstehen versucht (a.a.O., 67 bzw. 67–87). 40 Stellvertretend für andere ist hier besonders der Ansatz von ALKIER, S., Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung, WUNT 134, Tübingen, 2001, bes. 55–86 zu nennen; vgl. DERS., Ethik der Interpretation, in: M. Witte (Hg.), Der eine Gott und die Welt der Religionen. Beiträge zu einer Theologie der Religionen und zum interreligiösen Dialog, Würzburg 2003, 21– 41. 41 Ein Extrembeispiel stellt der Johanneskommentar von Thyen dar (THYEN, H., Das Johannesevangelium, HNT 6, Tübingen 2005). Thyen verzichtet darin konsequent auf sämtliche, seiner Meinung nach nur hypothetische Rückfragen nach einer „johanneischen Gemeinde“ (a.a.O., 4) und interpretiert das Evangelium – unter Verweis auf U. Ecos Semiotik – konsequent als literarisches Werk ohne konkrete Lokalisation (a.a.O., 5; vgl. DERS., Das Johannesevangelium als literarisches Werk, in: ders., Studien zum Corpus Iohanneum, WUNT 214, Tübingen 2007, 351–369). 42 BECKER, Wissenschaft (s. Anm. 2). 43 Vgl. REICHERT, A., Offene Fragen zur Auslegung neutestamentlicher Texte im Spiegel neuerer Methodenbücher, ThLZ 126, 2001, 993–1006, 994: „Die Verfahrensweise historisch-kritischer Exegese ist unübersichtlicher geworden.“ Einen Lösungsversuch, der Reicherts Kritikpunkte aufgreift, stellt das Arbeitsbuch von M. Ebner und B. Heininger dar: EBNER, M./HEININGER, B., Exegese des Neuen Testaments. Ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis, Paderborn/München/Wien/Zürich 2005.
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Daneben ist nicht zu übersehen, dass die gegenwärtige Situation der neutestamentlichen Wissenschaft sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Von einer „Krise“ spricht M. Hengel, der auch dafür plädiert, aus der Enge des Faches herauszutreten.44 C. Breytenbach regt an, das Forschungsgebiet in das 2. und 3. Jh. n.Chr. auszudehnen.45 Andere, etwa S. Alkier, propagieren die „semiotische Bibellektüre“, die in ihrer Offenheit den Reichtum der Texte zutage treten lassen.46 W. Stegemann wirbt dafür, neben seiner Vorliebe für kulturanthropologische und sozialwissenschaftliche Zugänge, das „Wirkliche“ nicht in der vermeintlichen Sinnkonstruktion, sondern stärker in den „Abbrüchen“, der „Absurdität“, dem „Nicht-Sinn“ zu suchen.47 U. Luz wiederum wünscht sich einen intensiveren Dialog mit der Religionswissenschaft.48 Die meisten der Zunft sind sich aber darin einig, was J.-W. Taeger im abschließenden Beitrag zum Ausdruck bringt: Die Neutestamentliche Wissenschaft sollte sich ihrer Aufgabe als theologische Disziplin weiterhin bewusst sein.49
Einen möglichen konsensfähigen Ausweg im Blick auf die Neukonzeption einer „Geschichte des frühen Christentums“ hat J. Schröter in seinem Plädoyer für eine „Neutestamentliche Wissenschaft jenseits des Historismus“50 formuliert: Schröter fragt, wie angesichts methodischer Umbrüche in der neueren Geschichtswissenschaft, v.a. durch den sog. linguistic turn „zu einer auf den Zeugnissen des Urchristentums basierenden Geschichte gelangt werden kann, die als Beitrag in das theologische Gespräch einzubringen ist.“51 Im Verlauf seiner Darstellung der Wissenschaftsgeschichte weist er auf die produktive Kraft der kritischen Bibelwissenschaft (u.a. bei F.C. Baur und D.F. Strauß) hin, deren Ansätze die neutestamentliche Wissenschaft „vergleichsweise wenig rezipiert“ habe – auch die Rezeption bei E. Hirsch sei „oft übersehen“ worden.52 Einen aktuell tragfähigen Zugang sieht er darin, die Texte des Neuen Testaments zunächst als „Sinnstiftungen“ zu betrachten, die „gegenwärtige und vergangene Wirklichkeit angesichts des Christusereignisses neu
44 HENGEL, M., Eine junge theologische Disziplin in der Krise, in: Becker, Wissenschaft (s. Anm. 2), 18–29, 27f. 45 BREYTENBACH, C., Auf den Text kommt es an. Zugänge zur urchristlichen Vergangenheit, in: Becker, Wissenschaft (s. Anm. 2), 51–63, 62. 46 ALKIER, S., Am Anfang ein Rückblick mit Ausblick, in: Becker, Wissenschaft (s. Anm. 2), 113–127, 126f. 47 STEGEMANN, W., „Was wird aus der ‚wirklichen‘ Geschichte?“, in: Becker, Wissenschaft (s. Anm. 2), 255–268, 268. 48 LUZ, U., Was hast du, das du nicht empfangen hast?, in: Becker, Wissenschaft (s. Anm. 2), 295–305, 304. 49 TAEGER, J.-W., Die neutestamentliche Wissenschaft als theologische Disziplin, in: Becker, Wissenschaft (s. Anm. 2), 374–382. 50 SCHRÖTER, J., Neutestamentliche Wissenschaft jenseits des Historismus. Neuere Entwicklungen in der Geschichtstheorie und ihre Bedeutung für die Exegese urchristlicher Schriften, ThLZ 128, 2003, 856–866; vgl. dazu auch DERS., Gegenwart und Zukunft der neutestamentlichen Wissenschaft. Ein autobiographischer Essay, in: Becker, Wissenschaft (s. Anm. 2), 146–156. 51 SCHRÖTER, Wissenschaft (s. Anm. 50), 855. 52 SCHRÖTER, Wissenschaft (s. Anm. 50), 861f.
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konstruieren.“ Diese Deutungen seien dann „kritisch auf die Differenz von Wirklichkeit und deren Repräsentation zu befragen.“53
Resümierend hält Schröter als Desiderat fest, es seien Darstellungen zu entwerfen, „die Anspruch auf historische Plausibilität besitzen und zugleich in dem Bewusstsein geschrieben sind, dass es sich um Modelle handelt, durch die vergangene Wirklichkeit in der Gegenwart repräsentiert […] wird“; dieser Ansatz sei „zu Gunsten einer Darbietung des Materials weitgehend abhanden gekommen.“54 Es lässt sich festhalten: Die neutestamentliche Wissenschaft steht – gemeinsam mit anderen theologischen Disziplinen – in der Gefahr eines immer stärkeren Spezialisierungsdrangs. Die Problematik zeigt sich vor allem in der immer schwieriger gewordenen Vermittlung der Ergebnisse nach außen.55 Der oft gepriesene Pluralismus der Zugangsweisen könnte dann zu einer Resignation seitens der Vermittlung von Ergebnissen neutestamentlicher Forschung führen. Dem (zugegeben, schon seit Jahrzehnten und oft zu Unrecht) weit verbreiteten Bild einer in sich zersplitterten und uneinigen Wissenschaft sollten Neutestamentlerinnen und Neutestamentler etwas entgegen setzen. Die Gefahr ist erkannt – mögliche Wege sind aufgezeigt. Inhaltlich lässt sich aber auch eine weitere Frage stellen. Es gibt inzwischen wieder Tendenzen, die neutestamentliche Zeitgeschichte als „Darstellung des Urchristentums auf weltgeschichtlicher Grundlage“ zu verstehen.56 Die Aufgabe der neutestamentlichen Wissenschaft könnte nun darin liegen, das Spezifikum des Christlichen, das selbstredend nur in Bildern der antiken Welt ausgesagt werden kann, auch in Abgrenzung zur antiken Religionsgeschichte, in ihrer spezifischen Differenz zur römischen Kultur zu finden. Dieses alte Paradigma der „Religionsgeschichte“ des Neuen Testaments könnte sich, bei aller Diskrepanz hinsichtlich der konkreten Einzelanalysen, als weiterhin tragfähig und weiterführend erweisen, wie der hier vorliegende Sammelband zeigen wird. 53
SCHRÖTER, Wissenschaft (s. Anm. 50), 863. SCHRÖTER, Wissenschaft (s. Anm. 50), 864 (mit Anm. 52). In seiner jüngst erschienenen Aufsatzsammlung (Von Jesus zum Neuen Testament. Studien zur urchristlichen Theologiegeschichte und zur Entstehung des neutestamentlichen Kanons, WUNT 204, Tübingen 2007) verfolgt er diesen Ansatz konsequent weiter, wobei er auch – unter Einbeziehung der Kanonfrage – Chancen für eine Darstellung einer „Theologie des Neuen Testaments“ sieht, vgl. DERS., Die Bedeutung des Kanons für eine Theologie des neuen Testaments. Konzeptionelle Überlegungen angesichts der gegenwärtigen Diskussion, in: a.a.O., 355–377, bes. 375–377. 55 Auf die Gefahr machte schon 1989 G. Strecker aufmerksam, der im Sammelwerk von LEIPOLDT, J./GRUNDMANN, W. (Hg.), Umwelt des Urchristentums, 3 Bd., Berlin 71985.71986. 6 1987 folgende Situation reflektiert sah: „Wenigen Gesamtdarstellungen steht eine Vielzahl von Einzeluntersuchungen gegenüber, die zugleich eine Pluralität von Forschungspositionen repräsentieren.“ (STRECKER, Neues Testament [s. Anm. 29], 27). 56 SCHMELLER, T., Zeitgeschichte. Neutestamentliche, TRE 36, 2004, 561–583, 561. 54
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II. Die paulinischen Gemeinden und die antike Welt Das Verhältnis der christlichen Gemeinden zu ihrer Umwelt lässt sich hervorragend an der Person und der Wirkung des Apostels Paulus studieren: „In ihm [scil. dem Apostel Paulus] findet das Thema ‚Christentum und Antike‘ seine schärfste Zuspitzung.“57 Der vorliegende Sammelband gliedert sich in drei Teile – einerseits die dezidierte Beschäftigung mit dem paulinischen Schrifttum, vorrangig der korinthischen Korrespondenz. Als zweiter Block folgen einzelne Beiträge, die das zeit- und sozialgeschichtliche Umfeld der paulinischen Gemeinden im 2. Jh. in den Blick nehmen. Dabei treten am Rande auch die „johanneischen“ Gemeinden als Teil der Wirkungsgeschichte paulinischer Missionsarbeit in den Blickpunkt, wenn die Reisen des Kaisers Hadrian im ehemaligen paulinischen Missionsgebiet (Witulski) oder auch das Schicksal der pericopa adulterae, die als johanneische Erzählung bezeichnenderweise eine Nähe zur paulinischen Theologie aufweist (Siegert), thematisiert werden.58 Auch die Frage nach Herkunft und Verortung der Gnosis in der Geschichte des frühen Christentums hängt damit eng zusammen. Der abschließende dritte Teil „Paulus verstehen und verinnerlichen“ stellt die Frage nach der Interpretation des Paulus aus der Retrospektive: Können die Kirchenväter, die kulturell betrachtet noch als „Zeitgenossen“ des Paulus gelten, einen besonderen, bisher unbeachteten Beitrag zur Interpretation des paulinischen Schrifttums leisten? Und zuletzt wird umgekehrt gefragt: Welche bisher nicht genutzten Chancen liegen darin, die Person des Paulus im Schulunterricht stärker als bisher zur Geltung zu bringen? Was bereits auf den ersten Blick die in diesem Band versammelten Beiträge auszeichnet, ist das breite Spektrum an Zugängen, das gewissermaßen ein Panoptikum der gegenwärtigen historisch-kritischen Erforschung bietet: Der philologisch vergleichende Beitrag von Lindemann, der stärker litera57 So SCHMIDT, K.L., Der Apostel Paulus und die antike Welt, in: VBW 3, 1924–1925, Leipzig 1927, 38–64, 39. 58 Hinsichtlich möglicher Beziehungen zwischen Johannes und Paulus vgl. den Forschungsbericht von HOEGEN-ROHLS, C., Johanneische Theologie im Kontext paulinischen Denkens?, in: J. Frey/U. Schnelle (Hg.), Kontexte des Johannesevangeliums, WUNT 175, Tübingen 2004, 593– 612; SCHNELLE, U., Theologie als kreative Sinnbildung: Johannes als Weiterentwicklung von Paulus und Markus, in: T. Söding (Hg.): Das Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen, QD 203, 119–145, 142 konstatiert eine traditionsgeschichtliche Verbindung aufgrund der angenommenen Koexistenz einer paulinischen und einer johanneischen „Schule“ in Ephesus. BECKER, J., Das Verhältnis des johanneischen Kreises zum Paulinismus. Anregungen zur Belebung einer Diskussion, in: D. Sänger/U. Mell (Hg.), Paulus und Johannes. Exegetische Studien zur paulinischen und johanneischen Theologie und Literatur, WUNT 198, Tübingen 2006, 473–495, 495 sieht die vorhandenen Koinzidenzen lediglich darin begründet, dass beide Gemeinden eigenständig aus demselben Traditionsbereich schöpfen, den er im syrischantiochenischen Raum lokalisiert (Stephanuskreis).
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risch-rhetorische Zugang von Hellholm, der redaktionsgeschichtlich orientierte Beitrag von Klein, die historisch und begriffsgeschichtlich ausgerichtete Untersuchung von Horn, der sozialgeschichtliche Zugang von Ebner, die Aufsätze von Schinkel und Witulski, die beide vom inschriftlichen Befund her die antike Vereins- und Religionsgeschichte betrachten, schließlich der rezeptionsgeschichtlich-exegetische Zugang von Meiser, der stärker theologie- bzw. geistesgeschichtlich ausgerichtete Beitrag von Aland und der Versuch von Siegert, sich aufs Neue v.a. text- und literarkritisch der pericopa adulterae zu nähern. Jeska klärt am Ende die Frage, welche Relevanz all diese Untersuchungen für den gegenwärtigen schulischen Religionsunterricht haben können. Die hier vertretene Breite der Fragehinsichten ist symptomatisch für die gegenwärtige neutestamentliche Exegese in ihrer ausdifferenzierten Spezialisierungstendenz; anders formuliert: Es handelt sich um eine Momentaufnahme der Reichhaltigkeit an Zugängen und Referenzbezügen. Sie spiegelt zugleich aber auch die Breite der Interessensgebiete des Jubilars – und freilich die vielschichtige Expertise der an der Festgabe Beteiligten – wider. Im Anschluss an eine kurze Darstellung der einzelnen Beiträge soll zuletzt in dieser Einleitung über neue Perspektiven für die Konzeption einer Geschichte des frühen Christentums nachgedacht werden.
II.1. Die paulinische Korrespondenz im Spiegel der Antike Andreas Lindemann fragt nach der wechselseitigen Wahrnehmung von Christentum und römisch-hellenistischer Kultur. Er zeigt zunächst auf, dass Paulus wenig Interesse an paganer Kultur und Religiosität zeigt, auch dann, wenn er gelegentlich an die heidnische Vergangenheit seiner Adressaten erinnert. Im Unterschied dazu erscheint Lukian als ein Beobachter, der zwar einiges über Christen zu berichten weiß, dessen Glaubwürdigkeit – schon aufgrund des satirischen Charakters seiner Schriften – in der Darstellung jedoch bezweifelbar ist. In seiner Darstellung ist lediglich die Ablehnung anderer Götter ein typisches Merkmal des frühen Christentums. Der Brief an Diognet scheint diese Sichtweise des Lukian einerseits bestätigen, andere dagegen entkräften zu wollen. Alle drei Autoren sind somit Zeugen dafür, dass die christliche Verkündigung von Beginn an auf eine „Entgötterung der Welt“ gezielt habe. Hinsichtlich der Theologie des Paulus ist an diesem Punkt zusätzlich auch auf seine jüdischen Wurzeln zu verweisen. Die Ablehnung und Negierung anderer Götter, in ihrer radikalen „monotheistischen“ Form erst seit exilisch-nachexeilischer Zeit eindeutig belegt
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(vgl. Gen 1,1–2,4a; Jes 40–55 u.a.)59, sind durch das hellenistische Judentum, vor allem durch Philo von Alexandrien, besonders eindrücklich im Kontext der zeitgenössischen Philosophie bedacht worden. David Hellholm fragt ebenfalls indirekt nach der „Außenperspektive“ auf das Christentum, indem er Lukians „Ikaromenippos“ unter die Lupe nimmt und sie als „Parodie auf eine Apokalypse“ entlarvt. Umgekehrt untermauert er dabei die nicht zu leugnende Tatsache, dass Paulus seine „Himmelsreise“ in 2Kor 12,2–4, auch wenn er sie in Form einer Vision real erlebt haben mag, in seiner Umwelt vertrauten Vorstellungen und Kategorien beschreibt. Der Beitrag zeigt eindrucksvoll, wie philologisch-hermeneutische Analysen mit religionsgeschichtlichen Details Hand in Hand gehen und auf diesem Weg die Texte neu zur Sprache kommen lassen. Friedrich Wilhelm Horn widmet sich stärker dem zeitgeschichtlichen Kontext der Korintherkorrespondenz, indem er nach der Funktion des „Stephanas“ fragt, welcher in der Grußliste des 1Kor eine exponierte Stellung einnimmt. Dabei nimmt die Bezeichnung des Stephanas als ajparchv eine Schlüsselrolle ein. Offensichtlich will Paulus die in der Gemeinde akzeptierte Autorität des Stephanas nutzen, um Einfluss auf die in einzelne Fraktionen zu zersplittern drohende Gemeinde zu nehmen. Während Hellholm besonders auf gattungsgeschichtliche Fragen und Horn auf den zeitgeschichtlichen Kontext abhebt, fragt Hans Klein dezidiert redaktionsgeschichtlich nach der Funktion der Apologie des apostolischen Amtes innerhalb des 2. Korintherbriefs (2Kor 2,14–7,4) und sucht dafür in der paganen und der neutestamentlichen Literatur nach analogen Beispielen für eine solche „Verschachtelung“ zweier Abschnitte bzw. exkursartiger Reflexionen. Klein sieht in dieser Technik eine bewusste kompositorische Absicht des Redaktors am Werk, der auf diese Weise auch literarisch einerseits den Zeitsprung 2Kor 2,13; 7,5 überbrückt, der andererseits aber durch diese Kompilation von Polemik (2Kor 10–13), Apologetik (2,14–7,4) und Irenik (1,1–2,13; 7,5–16) eine eigene Form von Vermittlungstheologie kompositorisch zum Ausdruck bringt. Es lässt sich festhalten: Lindemann und Hellholm zeigen deutlich, dass Paulus – in Abgrenzung und Zuwendung – ein Mensch der Antike ist. Wenn offensichtlich ein wirklicher „Dialog“ mit der hellenistischen Umwelt fehlt, Paulus sich aber – wohl eher unbewusst – bei der Schilderung seiner „Himmelsreise“ antiker Topoi bedient, dann wird darin die besondere Stellung der Theologie und Verkündigung des Paulus deutlich. Die Versuche des Redaktors der korinthischen Korrespondenz, den aus der Per59 Zuvor kann allenfalls von einer „Monolatrie“, nicht sicher von einem „Monotheismus“ gesprochen werden; vgl. zur Differenzierung ALBERTZ, Religionsgeschichte (s. Anm. 32), 97–101; vorsichtiger SCHMIDT, W.H., Art. Monotheismus II. Altes Testament, TRE 23, 1994, 237–248.
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spektive der zweiten Generation nach Paulus eher unrühmlichen Briefwechsel zu einem „versöhnlichen“ Gesamtbrief zu gestalten, weist bereits in eine neue Phase in den paulinischen Gemeinden, die im Bewusstsein der Kontinuität zur ursprünglichen Botschaft leben, sich aber unter den Bedingungen ihrer Umwelt entwickeln. Das Bewusstsein, eine besondere Existenz zu führen, das die Christen im römischen Reich einte – und das mit Sicherheit auch ein Resultat übernommener jüdischer Vorstellungen vom „erwählten Volk“ war –, tritt besonders im zweiten Abschnitt dieses Sammelbandes in den Fokus und führt schließlich zur oben angedeuteten Frage hin, wie das Verhältnis zwischen den paulinischen Gemeinden und ihrer Umwelt beschrieben werden kann.
II.2. Das historische Umfeld der paulinischen Gemeinden Mit dem Begriff „paulinische Gemeinden“ zeigt sich ein besonderes Problem: primäre Zeugnisse aus der Missionszeit des Apostels fehlen – abgesehen von den echten Paulusbriefen. Die Deuteropaulinen und die Apostelgeschichte sind als sekundäre Quellen unverzichtbar. Neuerdings wird auch verstärkt auf archäologisches und epigraphisches Material zurückgegriffen. Das lukanische Doppelwerk wird inzwischen gerne wieder in Rom lokalisiert,60 dem möglicherweise letzten Wirkungsort des Paulus (vgl. Apg 28). Von daher ist die Frage nach der Sozialgeschichte dieser Gemeinden von besonderer Relevanz – rückwirkend für das Verständnis der paulinischen Theologie, aber auch vorausschauend hinsichtlich der Frage nach der Stellung der Gemeinden zu ihrem Umfeld. Der Beitrag von Martin Ebner zeigt eindrucksvoll, wie das Befragen der antiken Sozialgeschichte anhand des vorhandenen Quellenmaterials die Mahlerzählungen im Lukasevangelium in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dass es für die soziale Zielrichtung des lukanischen Jesus in Lk 14,16–24 eine Parallele ausgerechnet bei Lukian von Samosata gibt, mag überraschen, verdeutlicht aber, dass auch die Sozialgeschichte des frühen Christentums in ihren Bezügen zur antiken Umwelt gesehen werden muss. Wenn auch nur am Rande sichtbar, liefert diese Auslegung somit möglicherweise auch einen Beitrag zur Frage, worin die „Unwürdigkeit“ der korinthischen Herrenmahlfeiern (1Kor 11,17–34) nach Paulus bestanden haben könnte. Der Beitrag von Dirk Schinkel hebt hingegen einen weiteren – inzwischen wieder neu beachteten – Schwerpunkt der neutestamentlichen For60
Vgl. SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 14), 286f.304f.
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schung hervor, die Frage nach der Stellung der christlichen Gemeinden im Kontext des antiken Vereinswesens.61 Er arbeitet in diesem Zusammenhang die mögliche Funktion des grammateuv~ in Ephesus (Apg 19,35–40) heraus. Weiterführend fragt er dann – wie Lindemann – nach dem Selbstverständnis der christlichen Gemeinden, die er in einem Konkurrenzverhältnis zum römisch-hellenistischen Vereinswesen sieht, und wie für Lindemann ist auch für Schinkel die Erkenntnis leitend, dass es schwierig ist, das frühe Christentum allein als Teil der antiken Welt zu verstehen, sofern sich die Christen selbst als „Bürger zweier Welten“ verstanden haben. Thomas Witulskis Beitrag kann indirekt daran anknüpfen. Gerade das Phänomen der Abgrenzungstendenzen innerhalb der Johannesapokalypse, deren Adressaten ja im ehemaligen paulinischen Missionsgebiet beheimatet sind,62 lässt sich nur verstehen, wenn man die zeitgeschichtliche Entwicklung im zweiten Jahrhundert, besonders die Entwicklung des Kaiserkultes unter Kaiser Hadrian mit berücksichtigt. Dafür ist wiederum der inschriftliche Befund in der Provinz Asia ein nicht mehr zu unterschätzender Faktor, da er die vorhandenen literarischen Quellen um wesentliche Daten bereichert. Witulski kann somit herausarbeiten, dass zum Verständnis der antiken Sozial- und Religionsgeschichte auch die Entwicklung des römischen Kaiserkultes neu bedacht werden muss. Barbara Aland widmet sich hingegen einem viel bearbeiteten und doch immer wieder heiß umstrittenen Forschungsgebiet, der (christlichen) „Gnosis“. Weder ist die Gnosis als eine Bewegung, gewissermaßen als Widerpart zu einem „Frühkatholizismus“ anzusehen, noch sollte die Pluralität christlicher Gruppierungen und Strömungen im 2. Jh. überbewertet werden. Die Gnosis ist auch kein Fremdkörper, welcher aus orientalisch-hellenistischen Denkarten in das Christentum sich eingenistet hat; sie stellt vielmehr einen spezifisch christlichen, aus dem hellenistisch-jüdischen Denken entwickel61 Zum antiken Vereinswesen vgl. neben den Beiträgen in A. Gutsfeld/D.-A. Koch (Hg.), Vereine, Synagogen und Gemeinden im kaiserzeitlichen Kleinasien, STAC 25, Tübingen 2006 und der weiteren bei Schinkel genannten Literatur auch EBEL, E., Die Attraktivität früher christlicher Gemeinden. Die Gemeinde von Korinth im Spiegel griechisch-römischer Vereine, WUNT II 178, Tübingen 2004; ÖHLER, M., Antikes Vereinswesen, in: Neues Testament und Antike Kultur (s. Anm. 20), Bd. 2: Familie, Gesellschaft, Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 79–86; DERS., Die Jerusalemer Urgemeinde im Spiegel des antiken Vereinswesens, NTS 51, 2005, 393–415. 62 Es gibt gute Gründe davon auszugehen, dass der Vf. der Apk zumindest mit paulinischen Vorstellungen vertraut war, sein Werk aber in bewusster Opposition verfasst hat, vgl. TAEGER, J.-W., Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: ders., Johanneische Perspektiven. Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003, hg.v. D.C. Bienert u. D.-A. Koch, FRLANT 215, Göttingen 2006, 121–138, bes. 138: „Wie auch immer es um eine ‚paulinische‘ Prägung der Adressaten oder der Gegnergruppen in den Gemeinden, wie auch immer es um die Kenntnis des paulinischen Erbes durch den Seher bestellt gewesen sein mag: die Distanz der Apk zu Paulus und zum Paulinismus der Zeit ist in diesem Werk selbst begründet.“
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ten Beitrag zur antiken Kultur dar. Die von Lindemann und Schinkel konstatierte Differenz des Christentums zur antiken Kultur geht im Laufe des 2. Jh. über in eine kulturelle Befruchtung dieser durch das Christentum. Ein mögliches Produkt dieser Entwicklung zeigt auch Folker Siegert auf, der neu nach dem johanneischen Ursprung der pericopa adulterae fragt. Sein Beitrag, der vorrangig text- und literarkritische Fragen behandelt, illustriert erste Vorboten der „Kanonfrage“, die vor allem das dritte Jahrhundert weiter beschäftigen wird. Die Irrfahrt dieser Perikope spiegelt möglicherweise Diskussionen des 2. Jh. wider, was in der Jesusüberlieferung für erinnerungswürdig erachtet wurde – und was nicht. Bisweilen mag auch der Zufall darüber befunden haben, was aus heutiger Sicht als „apokryph“ (geworden) gilt. Die Beiträge zeigen, dass im Blick auf den Entwurf einer Geschichte des frühen Christentums das spannungsvolle Verhältnis zwischen kultureller Identität einerseits und andererseits der im Glauben ansichtigen Differenz zur eigenen Umwelt zu bedenken ist. Darüber hinaus kann aber auch weiter gefragt werden, inwieweit die Theologie des Paulus für dieses spannungsvolle Verhältnis verantwortlich ist.
II.3. Paulus verstehen und verinnerlichen Den Abschluss dieses Bandes bilden zwei ganz unterschiedliche Beiträge, die sich stärker mit der Theologie des Apostels und mit dessen Bedeutung für die Gegenwart beschäftigen. Die Prägekraft seiner Theologie hat, wie oben bereits bemerkt, einen wesentlichen Faktor für das Selbstverständnis der Christen in den frühen Gemeinden dargestellt. Martin Meiser stellt in seinem Beitrag Chancen und Grenzen der Auslegungsgeschichte dar. Die Paulusexegese der Kirchenväter weist in ihrer Bandbreite erstaunliche Parallelen zu gegenwärtigen Diskussionen um das richtige Verständnis dieser Theologie, besonders der Rechtfertigungslehre (vgl. die sog. New Perspective) auf. Auch ihre Kenntnis der antiken Rhetorik aus eigener Praxis macht die Kirchenväter zu kompetenten Gesprächspartnern, sofern man ihre Auslegung – mit Schröter gesprochen – gleichfalls als „Sinnstiftungen“ betrachtet, die „gegenwärtige und vergangene Wirklichkeit angesichts des Christusereignisses neu konstruieren.“63 Die kulturelle Nähe der Kirchenväter zur Umwelt des Paulus und seiner Gemeinden kann entscheidende Details zum Verständnis der Geschichte des 63
Vgl. die Ausführungen o. bei Anm. 53.
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Urchristentums beisteuern – zumal auch deren sozialgeschichtliches Umfeld anfangs dem der frühen Christen sehr ähnlich gewesen sein dürfte. Joachim Jeskas Beitrag lässt sich dagegen stärker als methodischer Unterbau zur praktischen Anwendung der hier erarbeiteten Ergebnisse verstehen. Sein Plädoyer für mehr Paulus im Religionsunterricht weist vor allem auf die kulturellen Parallelen zwischen der Zeit der Spätantike und der gegenwärtigen pluralistischen und globalen Gesellschaft hin – die Person des Paulus kann hier als Gesprächspartner und Identifikationsangebot fungieren. Das kann aber redlich nur im Rahmen einer historisch sorgfältig rekonstruierten Geschichte des frühen Christentums geschehen.
III. Ertrag und Ausblick Im Blick auf die gegenwärtigen Aufgaben für die Erforschung des frühen Christentums sind folgende Beobachtungen festzuhalten: 1. Die Notwendigkeit einer erweiterten Quellenbasis: Die hier versammelten Beiträge zeigen, dass es für die Quellenlage im Blick auf Paulus und seine Gemeinden weiterhin sinnvoll ist, auch literarisch spätere Texte (z.B. des Lukian von Samosata)64 für das Verständnis der paulinischen Theologie heranzuziehen. Auf diese Weise können – bei aller gebotenen Vorsicht – aus der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte des Paulus und aus der geistesgeschichtlichen Entwicklungsgeschichte der hellenistisch-römischen Umwelt Rückschlüsse für die Theologie des Paulus gezogen werden. Das gilt dann aber nicht nur für Paulus, sondern kann auf die gesamte Geschichte des frühen Christentums übertragen werden. 2. Vorzüge und Grenzen kultureller Kompetenz: Besonders der Beitrag von Meiser verdeutlicht, dass der Einblick in die antike Kultur noch kein Garant für ein „richtiges Verständnis“ antiker Texte sein muss. Die erweiterte Quellenlage bis hin auch zu patristischen Texten bietet aber dem Neutestamentler ein breiteres Spektrum, die hellenistisch-römische Welt als Gesamtheit und zugleich in ihrer regionalen Ausdifferenzierung zu sehen. Auf diese Weise wird das Bild der „hellenistisch-römischen Kultur“ in ihrer Komplexität besser wahrgenommen. 3. Die Situation der frühen Christen: Vorherrschende Geschichtskonstruktionen, die das frühe Christentum entweder als lediglich einen – zu64
Vgl. hierzu auch die neuen Überlegungen von PILHOFER, P., Das Bild der christlichen Gemeinden in Lukians Peregrinos, in: ders./M. Baumbach/J. Gerlach/D.U. Hansen (Hg.), Lukian. Der Tod des Peregrinos. Ein Scharlatan auf dem Scheiterhaufen, SAPERE 9, Darmstadt 2005, 97–110; er erwägt 103 Anm. 20 sogar, dass Lukian die Apg gekannt haben könnte.
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nächst eher unbedeutenden – religiösen Verein im Kontext einer synkretistischen Umwelt sehen wollen, neigen dazu, das christliche Spezifikum zu nivellieren. Positionen, die das Christentum lediglich als „Fremdkörper“ in der antiken Gesellschaft sehen, die also eine „Ghettoisierung“ der christlichen Gemeinden annehmen, dürfen aber dessen offensichtliche Anziehungs- und Ausstrahlungskraft nicht unterschätzen. Die hier genannten Punkte verdeutlichen, dass ein weiteres, im ersten Teil bereits genanntes Desiderat der neutestamentlichen Forschung einzulösen ist: Ein intensiverer Dialog der neutestamentlichen Wissenschaft mit der Kirchengeschichte, besonders der Patristik, erscheint hinsichtlich der genannten Fragen nicht nur wünschenswert, sondern geradezu notwendig.65 Ein hier zu diskutierender Punkt wäre beispielsweise die umstrittene „Epochenfrage“: Wie lässt sich die „Geschichte des frühen Christentums“ sinnvoll eingrenzen? Diese Frage lässt sich gut an zwei älteren Beispielen illustrieren: F. Overbeck schlug als Endpunkt für die erste Phase seiner „Anfänge der patristischen Literatur“ das Werk Clemens’ von Alexandrien vor.66 Dieselbe Abgrenzung nehmen auch C. Andresen und A.M. Ritter hinsichtlich der Anfänge der christlichen Lehrentwicklung vor.67 H. Lietzmanns zweiter Band seiner „Geschichte der Alten Kirche“ (mit „ecclesia catholica“ betitelt) endet mit der Darstellung des Origenes, der „kirchlichen Gnosis“; der Einschnitt hinsichtlich der Geschichte des römischen Imperiums liegt somit kurz vor der persischen Gefangenschaft des Kaisers Aurelian.68 Aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft wäre zu fragen, warum nicht der Amtsantritt Diokletians 284 n.Chr., mit welchem man gemeinhin die „Spätantike“ beginnen lässt, ein sinnvoller Epochenwechsel auch im Blick auf diese Frage sein könnte.69 Dann verliefe die Zeit des „Prinzipats“ (27 v.Chr. – 284 n.Chr.) analog zur Neutestamentlichen Zeitgeschichte.
Die Phase der neutestamentlichen Zeit könnte also noch weiter ausgedehnt werden. Den nächsten, tatsächlich einschneidenden Punkt in der Geschichte 65 Auch SCHRÖTER, Bedeutung, 357 Anm. 9 plädiert – mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des biblischen Kanons – für eine engere Zusammenarbeit dieser Disziplinen; vgl. darüber hinaus die bei Anm. 45 genannte Anregung Breytenbachs. 66 Vgl. OVERBECK, F., Über die Anfänge der patristischen Literatur (1884), Libelli 15, Darmstadt 1966. 67 Vgl. ANDRESEN, C./RITTER, A.M., Erster Teil: Die Anfänge christlicher Lehrentwicklung, in: HDThG 1, 21998, 1–98. BIENERT, W.A., Dogmengeschichte, Grundkurs Theologie 5.1, Stuttgart/Berlin/Köln 1997, 49–53 sieht den Endpunkt im Werk des Irenäus v. Lyon und betitelt diese Zeit: „Die Entstehung der vordogmatischen Normen“. 68 LIETZMANN, H., Geschichte der Alten Kirche, Bd. 2: Ecclesia catholica, Berlin 41961. Eine ähnliche Abgrenzung nimmt auch BIENERT, Dogmengeschichte (s. Anm. 67), 116–120 vor, der aus kirchengeschichtlicher Perspektive die Konflikte Ende des 3. Jh. (Streit der Dionyse; Paul von Samosata) als wesentliche Einschnitte ansieht. 69 Vgl. DEMANDT, A., Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian. 284– 565 n.Chr., HAW 3.6, München 22007.
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David C. Bienert
des frühen Christentums stellt die „Konstantinische Wende“ bzw. die darauf folgende Phase der „Reichskirche“ dar. Mit anderen Worten: Die Phase der „Entstehung der vordogmatischen Normen“ und die oft als Zwischenzeit empfundene „Entwicklungsphase“70 des dritten Jahrhunderts ließen sich problemlos für die Zeit des „Neuen Testaments“ deklarieren. Dafür spricht einerseits die bis ins 4. Jh. andauernde Debatte um den Kanon, wenngleich dessen Umfang Ende des 2. Jh. für die Mehrheit der christlichen Gemeinden weitgehend festzustehen scheint; andererseits aber auch der Entwurf einer Kirchengeschichte, wie sie Euseb von Cäsarea, immerhin der „Vater der Kirchengeschichtsschreibung“, vorgelegt hat – er nennt sie: th;n tw`n ajpostovlwn diadochvn.71 Eine solche Ausweitung des Rahmens der neutestamentlichen Zeitgeschichte bis ins dritte nachchristliche Jahrhundert böte innerhalb des Faches neue Möglichkeiten geschichtlicher Rekonstruktion, also von späteren Entwicklungen her nach den Anfängen zurückzufragen. Ein klassisches Beispiel aus der Forschungsgeschichte stellt für einen solchen Ansatz H. Lietzmanns Buch „Messe und Herrenmahl“ dar, in welchem er die Anfänge des frühchristlichen Herrenmahls von den Liturgien des 3. Jh. ausgehend rekonstruierte.72 Derartige Vorhaben erscheinen heute, angesichts der genannten Spezialisierungstendenzen zwar als immense Herausforderung, doch sollte die neutestamentliche Wissenschaft diese in ihrem eigenen Interesse annehmen. Es bleibt zu hoffen, dass durch eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Neuem Testament und Alter Kirchengeschichte, unter oft notwendiger Einbeziehung weiterer Disziplinen wie der Judaistik sowie der Alten Geschichte und der Archäologie, in Zukunft die Geschichte des frühen Christentums im Kontext des römischen Prinzipats in neuer Klarheit zur Geltung kommen kann.73
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Vgl. zur hier verwendeten Nomenklatur BIENERT, Dogmengeschichte (s. Anm. 67), 5–7. Euseb, H.e. VIII (Vorwort); vgl. H.e. VII 32,32. Er bezeichnet damit die ersten sieben Bücher seiner „Kirchengeschichte“, die ursprünglich selbständig waren, vgl. KRAFT, H., Eusebius von Cäsarea, in: Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte, hg.v. H. Kraft, Darmstadt 21981, 11– 74, 31 (die von Kraft selbst vorgenommmene Epochengrenze zwischen Buch IV und V ist im Werk des Euseb hingegen nicht erkennbar). Derselbe Zeitraum liegt i.Ü. auch der Darstellung von WINKELMANN, F., Geschichte des frühen Christentums, München 1996 (22001), zugrunde. 72 LIETZMANN, H., Messe und Herrenmahl. Eine Studie zur Geschichte der Liturgie, AKG 8, Bonn 1926 (Berlin 31955). 73 Angesichts der Arbeiten und Interessen des hier zu ehrenden Jubilars hoffe ich, dass er dieses Plädoyer, trotz aller zu erwartenden Skepsis gegenüber der darin implizierten These, mit Wohlwollen zur Kenntnis nimmt. 71
I. Die paulinische Korrespondenz im Spiegel der Antike
Andreas Lindemann
Gott und die Götter. Paulus, Lukian von Samosata und der „Brief an Diognet“
Thema der folgenden Beobachtungen und Überlegungen ist die Frage, wie das früheste Christentum und die römisch-hellenistische Kultur einander wahrgenommen haben. Dazu sollen Aussagen des Apostels Paulus, des Schriftstellers Lukian und des Verfassers des „Briefes an Diognet“ untersucht und miteinander verglichen werden. Nun liegt zwischen Paulus und den beiden anderen Autoren eine Zeitspanne von etwa einhundert Jahren, was einen unmittelbaren Vergleich schwierig macht. Aber Lukian ist der erste pagane Autor, der vergleichsweise ausführlich auf christliche Lebensverhältnisse eingeht,1 und er ist deshalb im Blick auf die hier zur Diskussion stehende Fragestellung besonders bedeutsam;2 der „Brief an Diognet“ stellt einen frühen christlichen Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen „Heidentum“ dar. Deshalb mag es reizvoll sein, diese drei Autoren zueinander in Beziehung zu setzen.3 1
Ältere Autoren, soweit sie überhaupt von Christen sprechen, gehen entweder nur auf Rechtsfragen ein (Plinius) oder erwähnen lediglich historische Fakten (Tacitus, Sueton). Etwa zur selben Zeit wie Lukian verfasste Kelsos seine christentumskritische Schrift ajlhqh;~ lovgo~, in der er gegen die Christen unter anderem den Vorwurf bürgerlicher Verantwortungslosigkeit erhob. Vgl. BALTES, M., Art. Kelsos, DNP 6, 1999, 385–387; eingehend COOK, J.G., The Interpretation of the New Testament in Greco-Roman Paganism, STAC 3, Tübingen 2000, 17–102. Interessant ist die Notiz des Marcus Aurelius, der in seinen „Selbstbetrachtungen“ schrieb, es sei gut, wenn die Seele (yuchv) des Menschen bereit sei, den Körper (sw``ma) zu verlassen, und der hinzufügte, diese Bereitschaft müsse allerdings aus eigenem Urteil heraus erfolgen (ajpo; ijdikh``~ krivsew~) und nicht „aufgrund reiner Widersetzlichkeit“, wie es bei den Christen der Fall sei (mh; kata; yilh;n paravtaxin, wJ~ oiJ Cristianoiv, MAnt XI,3, zitiert nach: Theiler, W. [Hg.], Kaiser Marc Aurel. Wege zu sich selbst. Griechisch und deutsch, Zürich u.a. 31984, 256f). 2 Vgl. dazu vor allem BETZ, H.D., Lukian von Samosata und das Christentum (1959), in: ders., Hellenismus und Urchristentum. Ges. Aufs. I, Tübingen 1990, 10–21 (im Folgenden zitiert: BETZ, GAufs). Ferner BETZ, H.D., Lukian von Samosata und das Neue Testament. Religionsgeschichtliche und paränetische Parallelen. Ein Beitrag zum Corpus Hellenisticum Novi Testamenti, TU 76, Berlin 1961 (im Folgenden zitiert: BETZ, Lukian und NT), hier vor allem 5–13. 3 Meine freundschaftliche Beziehung zu Dietrich-Alex Koch begann vor 40 Jahren mit der gemeinsamen Arbeit für Hans Conzelmann, der die Arbeit an seinem 1969 erschienenen Kommentar zum Ersten Korintherbrief abschloss (CONZELMANN, H., Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 21981) und den ungewöhnlich reizvollen Akademievortrag „Korinth und die Mädchen der Aphrodite. Zur Religionsgeschichte der Stadt Korinth“ (1967) veröffentlichte (wieder abgedruckt in: CONZELMANN, H., Theologie als Schriftauslegung. Aufsätze zum Neuen Testament, BEvTh 65, München 1974, 152–166). Seitdem begleitet uns die Frage nach dem Zusammenhang von Exegese und Religions- bzw. Kulturgeschichte.
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I. Gott und die Götter bei Paulus Die uns erhaltenen Briefe des Paulus bieten keine Schilderung der zeitgenössischen Lebensverhältnisse in der hellenistisch-römischen Gesellschaft; aber Paulus erinnert an mehreren Stellen an die „polytheistische“ Vergangenheit der Adressaten und konfrontiert sie mit ihrer durch seine missionarische Tätigkeit geschaffenen Beziehung zu dem einen, allein wahren Gott. Im Proömium des Ersten Thessalonicherbriefes spricht Paulus4 von den Anfängen der Verkündigung des Evangeliums in Thessalonich; diese Verkündigung, so heißt es eingangs, sei erfolgt oujk […] ejn lovgw/ movnon ajlla; kai; ejn dunavmei kai; ejn pneuvmati aJgivw/ kai; (ejn) plhroforiva/ pollhæ` (1,5). Diese Formulierung wirft Fragen auf: Will Paulus sagen, er habe in Thessalonich nicht nur vollmächtig gepredigt, sondern auch Wunder getan?5 Sollen die Adressaten an Vorgänge erinnert werden, die als „wunderbar“ einzustufen sind? Es lässt sich kaum entscheiden, ob Paulus von „Machterweisen“ im Sinne von Wundertaten spricht6 oder ob er an die Wirksamkeit des Wortes denkt, das eben nicht allein „bloßes Wort“ war.7 Als die Hörerinnen und Hörer das Wort der Verkündigung für sich selber als verbindlich annahmen (V. 6: dexavmenoi to;n lovgon), geschah das ejn qlivyei pollhæ` und zugleich meta; cara``~ pneuvmato~ aJgivou, d.h. Bedrängnis und möglicherweise Verfolgung, gleichermaßen aber auch vom Heiligen Geist ausgehende Freude bestimmen die christliche Existenz. Paulus fährt dann fort, das Wort des Herrn habe sich von Thessalonich aus weiter ausgebreitet, und so sei
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Die Echtheit des 1Thess stelle ich vorläufig nicht in Frage. Die Untersuchung von Marlene Crüsemann, die mit einigen neuen Erwägungen an die alte holländische Kritik anknüpft, liegt noch nicht in der Endfassung vor (vgl. CRÜSEMANN, M., Die Briefe nach Thessaloniki und das gerechte Gericht. Studien zu ihrer Abfassung und zur jüdisch-christlichen Sozialgeschichte, Diss. Kassel 1999). 5 ALKIER, S., Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung, WUNT 134, Tübingen 2001, 104 meint, mit der Wendung plhroforiva/ pollhæ` sage Paulus, dass Gott das Evangelium „in großer Fülle göttlichen Wirkens“ den Thessalonichern zukommen ließ. 6 Vgl. HOLTZ, T., Der erste Brief an die Thessalonicher, EKK 13, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1986, 47: Es ging um „Erscheinungen, die von den Zeitgenossen des Apostels als wunderbar und ungewöhnlich erfahren wurden“, ohne dass Näheres gesagt werden könne. ALKIER, Wunder (s. Anm. 5), 104: Man werde „rezeptionsgeschichtlich angemessen urteilen, wenn man mit der Assoziation realer frühchristlicher Leserinnen und Leser an göttliches wunderbares Wirken rechnet“. 7 Vgl. MARXSEN, W., Der erste Brief an die Thessalonicher, ZBK.NT 11.1, Zürich 1979, 37: „Das Evangelium ist vielmehr wirkendes Wort, das seinen Inhalt bringt und austeilt“ (Hervorhebung im Original). Die Möglichkeit, Paulus könne an Wunder gedacht haben, kommt bei Marxsen nicht in den Blick.
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nicht nur in Makedonien und in Achaja8 sondern „überall“ (ejn panti; tovpw/) „euer Glaube an Gott“ (pivsti~ pro;~ to;n qeovn) bekannt geworden.9 Daher spreche man nun davon, welchen „Eingang“ (ei[sodo~) „wir“ in Thessalonich gehabt hatten (V. 9a).10 Inhaltlich hatte diese ei[sodo~ zur Folge, dass die Adressaten der Botschaft des Paulus sich hinwandten zu Gott (ejpestrevyate pro;~ to;n qeovn), weg von den „Götzen“, den bloßen „Bildern“ (ajpo; tw``n eijdwvlwn), um dem (allein!) lebendigen und wahren Gott zu dienen (douleuvein qew/` zw``nti kai; ajlhqinw``/). Die hier verwendete Terminologie knüpft an jüdische Redeweise an;11 aber dies dürfte in der konkreten missionarischen Situation in Thessalonich kaum eine wesentliche Rolle gespielt haben, wie schon die Tatsache zeigt, dass der vergleichsweise doch recht umfangreiche Brief nach Thessalonich kein einziges biblisches Zitat enthält.12 Die Frage, ob in 1Thess 1,9–10 eine von Paulus zitierte „Formel“ vorliegt, ist in der Exegese vielfach diskutiert und wohl mit Recht verneint worden;13 es handelt sich wohl auch nicht um die unmittelbare Wiedergabe einer Formulierung der Missionsverkündigung.14 Aber es liegt natürlich eine die tat8 „Achaja“ steht hier wahrscheinlich vor allem für Korinth, wo 1Thess geschrieben sein dürfte; vgl. aber die Erwähnung von Kenchreae in Röm 16,1 und von Achaja in 2Kor 1,2; vgl. 9,2. 9 Vgl. HOLTZ, 1Thess (s. Anm. 6), 53. Die sonst im NT nicht begegnende Wendung pivsti~ pro;~ to;n qeovn setzt voraus, dass klar ist, von welchem Gott gesprochen wird. Vgl. BULTMANN, R., Art. pisteuvein ktl., ThWNT 6, 1959, 205: „Daß im Urchristentum pivsti~ zur beherrschenden Bezeichnung des Verhältnisses des Menschen zu Gott geworden ist, beruht zu einem Teile darauf, daß schon im AT und Judentum ‚Glaube‘ ein ausgezeichneter Ausdruck des religiösen Verhaltens geworden war […]: die Hinwendung zu dem in der Verkündigung erschlossenen Gott heißt ‚Glaube‘. So macht sich im gemeinchristlichen Sprachgebrauch weithin das at.-lichjüdische Erbe geltend in dem, was pivsti~ (pisteuvein, pistov~) bedeutet.“ Eingehend dazu LÜHRMANN, D., Glaube im frühen Christentum, Gütersloh 1976, 31–45.46–59; DERS., Art. Glaube, RAC 11, 1981, 48–122, vor allem 44–64.68–72. 10 Zu diesem „wir“ vgl. 1Thess 1,1; nach Apg 16 wird Paulus während der Missionstätigkeit in Makedonien von Silas (1Thess 1,1: Silvanus) begleitet. Möglich ist aber auch, dass Paulus ungeachtet des Plurals nur an sein Wirken denkt. 11 S.o. Anm. 9; vgl. HOLTZ, 1Thess (s. Anm. 6), 55–59. KLUMBIES, P.-G., Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext, FRLANT 155, Göttingen 1992, 143 macht allerdings darauf aufmerksam, dass die Rede vom qeo;~ zw``n bei Paulus durchgängig „auf die christliche Gemeinde“ bezogen ist: „Gott, wie er sich für Paulus im Christusgeschehen erschlossen und wie er ihn seit seiner Bekehrung verkündigt hat, ist also schon in 1Thess 1,9b als durch Christus definierter Gott verstanden“ (144). 12 Vgl. KOCH, D.-A., Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986, 91. 13 Vgl. HOLTZ, 1Thess (s. Anm. 6), 56: Die „Versuche, das Stück aus der urchristlichen Bekenntnistradition herzuleiten, haben zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt“. Es handele sich um den Versuch des Paulus, mit seiner Redeweise „die Kundgabe anderer zu reproduzieren“ (aujtoi; […] ajpaggevllousin). 14 So erscheint es freilich in der lukanischen Darstellung der Predigt des Barnabas und des Paulus in Lystra (Apg 14,15: […] eujaggelizovmenoi uJma``~ ajpo; touvtwn tw``n mataivwn ejpistrevfein ejpi; qeo;n zw``nta). WOYKE, J., Götter, ‚Götzen‘, Götterbilder. Aspekte einer paulinischen ‚Theolo-
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sächlichen Vorgänge stark verkürzt darstellende Redeweise vor, denn der Wechsel von der bisherigen Verehrung der – jetzt so bezeichneten – ei[dwla hin zu dem „lebendigen und wahren Gott“ dürfte mit einem längeren Denkprozess verbunden gewesen sein. Paulus meint offensichtlich, er könne gegenüber den gläubig Gewordenen jetzt alles auf diese knappe Aussage reduzieren und davon ausgehen, dies werde verstanden werden.15 Nach außen wird sich der „Religionswechsel“ darin gezeigt haben, dass sich die Menschen, die nun an die von Paulus verkündigte Botschaft glaubten, der Teilnahme an den etablierten religiösen Kulten entzogen; sie wurden dadurch möglicherweise als a[qeoi wahrgenommen.16 Für die Annahme, dass sie jetzt, etwa aufgrund ihres Monotheismus, als Juden galten, gibt es jedenfalls kein Indiz,17 d.h. schon um das Jahr 50 wurde offensichtlich zwischen Juden und Christen unterschieden. Zu der von Paulus in 1Thess 1,9b gebrauchten Wendung ejpistrevfein pro;~ to;n qeovn kann man als Illustration die in Apg 14,8–18 geschilderte Szene heranziehen: Als die Bewohner von Lystra aufgrund der Heilung des Gelähmten beginnen, Barnabas und Paulus als „zu uns herabgestiegene Götter“ zu verehren (14,11–13), wird ihnen von den ajpovstoloi (14,14!) heftig widersprochen; ihr Wirken als a[nqrwpoi eujaggelizovmenoi habe gerade das Ziel, dass „ihr euch von diesen nichtigen (Göttern) hinwendet zu dem lebendigen Gott“.18 Zu solchen „Nichtsen“ (mavtaioi) hatten die Bewohner Lystras Paulus und Barnabas im Anschluss an ihre Wundertat zählen wollen, während doch der von ihnen verkündigte Gott der Schöpfer ist (ejpoivhsen to;n oujrano;n kai; th;n gh``n kai; th;n qavlassan kai; pavnta ta; ejn aujtoi``~). Dabei waren Barnabas und Paulus in Lystra immerhin mit Zeus gie der Religionen‘, BZNW 132, Berlin 2005, 157 sieht „paulinische Reminiszenzen in der lukanischen Darstellung“. Zu 1Thess 1,9f zeigt Woyke überzeugend, dass die ersten Christen in Thessalonich, anders als in Apg 17,4 dargestellt, keinesfalls „bereits monotheistisch gesinnte ‚Gottesfürchtige‘ waren“ (ebd.). 15 Im „Zweiten Thessalonicherbrief“, der über weite Strecken wie ein korrigierender „Ersatz“ für den paulinischen Brief nach Thessalonich aussieht, wird gerade dieser Aspekt nicht aufgenommen; vgl. LINDEMANN, A., Zum Abfassungszweck des Zweiten Thessalonicherbriefes (1977), in: DERS., Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche, 1999, 228–240. Überhaupt fällt auf, dass im 2Thess von 1,7 an die christologisch bestimmten Aussagen gegenüber den theo-logisch bestimmten ganz in den Vordergrund rücken. 16 Vgl. Justin 1 apol 6,1: Die Christen werden „gottlos“ genannt, weil sie die Verehrung der „Götter“, die in Wahrheit böse Dämonen sind, ablehnen, und Justin bestätigt ausdrücklich, dass dies auch tatsächlich der Fall ist (kai; oJmologou``men tw``n toiouvtwn nomizomevnwn qew``n a[qeoi ei\nai). S. im Übrigen unten (II.) die Ausführungen zum Bild der Christen bei Lukian, insbesondere in seiner Darstellung des von Alexander von Abonuteichos etablierten Kults. 17 Vgl. KLUMBIES, Rede (s. Anm. 11), 142: „Keinesfalls ist an die primäre Bekehrung zum jüdischen Monotheismus gedacht, der dann in einem zweiten Schritt die spezifisch christlichen Elemente hinzugefügt würden.“ 18 Zur Begrifflichkeit vgl. CONZELMANN, H., Die Apostelgeschichte, HNT 7, Tübingen 21972, 89.
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und Hermes identifiziert worden (14,12), und so wird man annehmen dürfen, dass auch die von den Thessalonichern einst verehrten ei[dwla nicht irgendwelche obskuren Gottheiten waren, sondern hervorragende Götter des griechischen Pantheon.19 Nach 1Thess 1,9b–10 schließt der Glaube an den lebendigen und wahren Gott die Beziehung zu dessen Sohn unmittelbar ein. Jesus wird hier als „Sohn Gottes“ (uiJo;~ aujtou`)` bezeichnet und erhält keinen weiteren Hoheitstitel.20 Die Christen erwarten Jesu Kommen vom Himmel her, was daraus folgt, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat (o{n h[geiren ejk tw``n nekrw``n). Inhalt der Erwartung ist das „kommende Gericht“, das aber allein unter der Perspektive der Rettung21 im Blick ist.22 Paulus erwähnt an dieser Stelle außer der Abkehr von den ei[dwla keine weiteren Veränderungen im individuellen und sozialen Lebensvollzug in der gesellschaftlichen Realität der Thessalonicher. Auch in der Paränese des Briefes begegnet nicht die Vorstellung, die Adressaten würden „jetzt“ ein moralisch anderes Leben führen als „einst“ bzw. sie müssten „jetzt“ anders leben als früher. Auf die „Überschrift“ in 4,1 (ejrwtw``men uJma``~ […] i{na kaqw;~ parelavbete parÆ hJmw``n to; pw``~ dei`` uJma``~ peripatei``n kai; ajrevskein qew/`, kaqw;~ kai; peripatei``te23) folgen in 4,3–12 sowie in 5,12–22 Weisun-
gen, die durchaus eine Betonung einzelner Handlungsweisen erkennen lassen, und zwar einerseits das als aJgiasmov~ bezeichnete Vermeiden von porneiva (V. 3–8), andererseits die Praxis der filadelfiva (V. 9).24 In dem zuletzt genannten Punkt zeigt sich ein Aspekt, der auch in der Darstellung 19 Zu den inschriftlich in Thessalonich bezeugten Gottheiten s. BROCKE, C. VOM, Thessaloniki – Stadt des Kassander und Gemeinde des Paulus. Eine frühe christliche Gemeinde in ihrer heidnischen Umwelt, WUNT II 125, Tübingen 2001, 114–142. 20 Möglicherweise soll der „Monotheismus“ nicht gefährdet werden; zur ausführlicheren Explikation der Beziehung zwischen Gott und Christus vgl. vor allem 1Kor 8,6. 21 Jesus ist vorgestellt als oJ rJuovmeno~ hJma``~ ejk th``~ ojrgh``~ th``~ ejrcomevnh~. Es handelt sich also um eine soteriologische Aussage – und zwar um die in diesem Zusammenhang einzige. 22 Auch in der an Heiden gerichteten Pauluspredigt in Athen (Apg 17,16–34) ist die Verkündigung des einen Gottes verbunden mit der Ansage des Endgerichts und mit der Botschaft, dass Gott den als Richter fungierenden Mann hierzu befähigt habe, indem er ihn von den Toten auferweckte. Dies löst bei einem Teil der athenischen Hörerschaft Spott aus (17,32). 23 Die Stelle ist textkritisch interessant, denn der korrigierte Codex D sowie Codex Y und der „Mehrheitstext“ lesen die kommentierende Feststellung kaqw;~ kai; peripatei``te nicht; dazu METZGER, B.M., A Textual Commentary on the Greek New Testament, Stuttgart 21994, 564: „The parenthetical clause […] having been dropped either accidentally (through confusion with the earlier kaqwv~ clause) or deliberately (as seemingly superfluous)“. Möglicherweise wollten die Abschreiber die Vorstellung vermeiden, die Christen in Thessalonich handelten bereits entsprechend den Weisungen des Apostels. Metzger betont, dass der äußere und innere Befund (Kontext) für den Langtext spricht. 24 Vgl. POPKES, W., Paränese und Neues Testament, SBS 168, Stuttgart 1996, 81f; ferner SCHNELLE, U., Die Ethik des 1 Thessalonicherbriefes, in: R.F Collins (Hg.), The Thessalonian Correspondence, BEThL 87, Leuven 1990, 295–205.
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christlicher Lebensweise bei Lukian begegnet. In 4,12 wird ausdrücklich das Gegenüber zu den Nichtchristen (oiJ e[xw) ausgesprochen, freilich nicht im Sinne eines Anspruchs auf moralische Überlegenheit.25 In 5,12–22 stehen sehr praktische Mahnungen im Vordergrund; auffallend ist in 5,12f die Bitte, die proi>stavmenoi besonders zu achten, und auch dieser Akzent wird in dem von Lukian entworfenen Bild der Christen wieder begegnen. Der Galaterbrief setzt ein mit einem ungewöhnlich stark theologisch „gefüllten“ Präskript, in dem zwar nicht an die Ursprungssituation der Verkündigung in Galatien erinnert wird, das aber eine umfassende Zusammenstellung entscheidender Glaubensaussagen enthält. In 3,1–5 erinnert Paulus dann an die Anfänge des Glaubens der Galater (3,2), wobei aber ein Gegenüber zur „heidnischen“ Vergangenheit keine Rolle spielt.26 In 4,8 spricht Paulus von der religiösen Vergangenheit der Adressaten: Sie hätten „damals, als sie Gott noch nicht kannten“, denen gedient, die „von Natur aus“, also ihrem Wesen nach, „keine Götter sind“ (ejdouleuvsate toi``~ fuvsei mh; ou\sin qeoi``~). Ob damit betont auf „Vielgötterei“ hingewiesen wird oder einfach nur darauf, dass die galatischen Christen „früher“ nicht an den Gott Israels glaubten, kann hier offen bleiben.27 Paulus verwendet das Verb douleuvw sowohl hier in 4,8f wie auch in 4,25 mit negativer Konnotation („sklavisch dienen“), während in 1Thess 1,9 dieses Verb gerade die Beziehung zu dem einen Gott kennzeichnete. In 4,9 wird die gegenwärtig in den galatischen Gemeinden virulente Bereitschaft zur Übernahme von Bestimmungen der Tora ausdrücklich als eine „Rückkehr“28 unter die von ihm als stoicei``a bezeichneten Mächte dargestellt, die im Grunde den mh; o[nte~ fuvsei qeoiv entsprechen. Die Formulierung in Gal 4,9 (nu``n de; gnovnte~ qeovn, ma``llon de; gnwsqevnte~ uJpo; qeou``), die sich eng mit dem Argumentationsgang in 1Kor 8,1–3 berührt, zeigt, dass Gotteserkenntnis keine vom Menschen ausgehende Aktivität ist, sondern ausschließlich Folge der Selbstoffenbarung Gottes. Paulus will erreichen, dass die galatischen Christen die gegenwärtige Entwicklung im Lichte 25 Der Terminus oiJ e[xw als Bezeichnung der „Nichtzugehörigen“ begegnet bei Paulus sonst nur noch in 1Kor 5,12f (vgl. Kol 4,5). 26 Das hängt natürlich mit der aktuell in Galatien gegebenen Situation der besonderen antipaulinischen Missionsverkündigung zusammen, weshalb denn auch – ganz anders als im 1Thess – die Schriftbezüge und Verweise auf die Heilsgeschichte im Gal eine entscheidende Rolle spielen. 27 WOYKE, Götter (s. Anm. 14), 361: „Mit dem Urteil , dass sie fuvsei nicht existieren, spricht Paulus den öffentlich verehrten Göttern, den qevsei qeoiv, den Bezug zu der Wirklichkeit ab, die allein dem einen, wahren und allmächtigen Gott zukommt.“ Vgl. zur Stelle im Ganzen a.a.O., 322–369. 28 Die Verwendung des Verbs ejpistrevfw (nur an den beiden genannten Stellen und in 2Kor 3,16) zeigt, dass Paulus die „Rückkehr unter die schwachen und armen stoicei``a“ geradezu als Rückgängigmachung der Bekehrung bzw. Hinwendung zu Gott deutet.
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ihrer „heidnischen“ Vergangenheit interpretieren und so in dieser Entwicklung einen „Rückfall“ sehen. Das von ihm genannte konkrete Beispiel ist die Beachtung „heiliger Zeiten“ (4,10); aber aus dem weiteren Argumentationsgang wird deutlich, dass seitens der in Galatien aktiven Gegner auch die Beschneidung gefordert wird (5,2–12). Die konkrete Paränese in 5,13–6,10 enthält Aufforderungen zum christlichen Verhalten, wobei aber spezifische Differenzen zur Praxis „heidnischer“ Moral nicht benannt werden. Der Laster- und Tugendkatalog in 5,19–23 enthält inhaltlich jedenfalls keine Normen, die im Widerspruch zur „heidnischen“ Moral stünden; wohl aber ist die Begründung eine ganz andere, wie 5,24f zeigt (oiJ de; tou`` Cristou`` ÆIhsou`` th;n savrka ejstauvrwsan su;n toi``~ paqhvmasin […] eij zw``men pneuvmati, pneuvmati kai; stoicw``men). Im Ersten Korintherbrief begegnet der Begriff ei[dwla als Bezeichnung der „heidnischen“ Götter29 im Kontext der in Korinth besonders virulenten Problematik der eijdwlovquta in Kap. 8–10. Die einleitende Aussage in 8,1 (oi[damen o{ti pavnte~ gnw``sin e[comen) nimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine korinthische Sentenz auf, die Paulus zwar kritisch kommentiert (hJ gnw``si~ fusioi``, hJ de; ajgavph oijkodomei``), deren grundsätzliche Richtigkeit er aber nicht bestreitet. In 8,4 wendet sich Paulus dann dem eigentlichen Thema zu, nämlich dem Essen (brw``si~) der eijdwlovquta. Er stellt fest, dass die ei[dwla gar nicht real existieren und dass es gar keinen anderen Gott gibt als den allein wahren Gott (oujdevn ei[dwlon ejn kovsmw/ kai; … oujdei;~ qeo;~ eij mh; ei|~). Bliebe Paulus aber allein bei dieser Aussage stehen, die für sich genommen einem strikten (theoretischen) Monotheismus entspräche, so hätte sich die Frage nach den eijdwlovquta im Grunde schon erledigt; es würde sich nämlich um nichts anderes handeln als um profane Speise, und wenn also – wie in V. 7 erwähnt – „einige“ Glieder der Gemeinde aus Gewohnheit das eijdwlovquton essen, so wäre dies im Grunde völlig unbedenklich. Aber die Feststellung in V. 4, wonach es keine Götzen gibt und gar kein Gott ist außer einem, wird von Paulus in V. 5 korrigiert durch die Aussage, es gebe doch „sogenannte Götter“ (legovmenoi qeoiv); und diese Aussage wird dann abermals modifiziert durch die Bemerkung, es gebe tatsächlich „viele Götter und viele Herren“ (eijsi;n qeoi; polloi; kai; kuvrioi polloiv).30 „Aber für uns“, so schließt Paulus in V. 6 den Gedankengang ab, gilt das Bekenntnis: ei|~ qeo;~ oJ pathvr ejx ou| ta; pavnta kai; hJmei``~ eij~ aujtovn, kai; ei|~ kuvrio~ ÆIhsou``~ Cristo;~ diÆ ou| ta; pavnta kai; hJmei``~ diÆ aujtou``. „Das ajllÆ hJmi``n 29 Zum Befund in der LXX sowie bei Philo und Josephus vgl. BÜCHSEL, F., Art. ei[dwlon ktl., ThWNT 2, 1935, 374f. Vgl. WOYKE, Götter (s. Anm. 14), 72–100. 30 Gegen diese „gängige Zuordnung“ WOYKE, Götter (s. Anm. 14), 211, der auf den kausalen Anschluss von 8,5 an V. 4b (kai; gavr) verweist; vielmehr werde die Aussage von V. 4b durch V. 5.6 „sachgemäß entfaltet“. Das muss freilich kein Widerspruch sein.
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zeigt, dass es sich hier um urteilende Stellungnahme handelt, aber nicht um subjektiv-beliebige“; Paulus macht klar, „daß es nicht um metaphysische bzw. ontologische Urteile geht, sondern um anthropologische, die eo ipso eine Stellungnahme enthalten: Die Götter werden Götter, indem sie geglaubt werden. Und der Glaube an den einen Gott und den einen Herrn schafft die Freiheit, jene Mächte nicht mehr anzuerkennen.“31 Aus 8,7–13 könnte man den Eindruck gewinnen, der dort von Paulus geforderte Verzicht auf den Verzehr von eijdwlovquta im „Götzenhaus“ (ejn eijdwleivw/, V. 10) solle nur um des „Bruders“ und um seiner suneivdhsi~ willen erfolgen; aber aus der weiteren Argumentation in Kap. 10 wird deutlich, dass Paulus die ei[dwla zwar als „nichts“ ansieht, wie seine rhetorische Frage in 10,19 zeigt, dass er aber den in 10,20–22 als daimovnia bezeichneten Wesen sehr wohl Realität – wenn auch natürlich nicht göttliche Qualität – beimisst. Das bestätigt die Vermutung, dass die Wendung in 8,6 (hJmi``n ei|~ qeo;~ ktl.) nicht „subjektiv“ aufzufassen ist, sondern dass hier eine objektiv bestehende Relation ausgesprochen wird.32 Gerade weil es Paulus vermeidet, die Macht der daimovnia auf der Basis eines theoretischen Monotheismus zu bestreiten, kann er in 10,25ff das ejn makevllw/ verkaufte Fleisch als religiös „neutral“ bezeichnen und so ohne weiteres dessen Verzehr erlauben.33 Bloße ei[dwla sind die Götter vor allem auch in 1Kor 12,234, wo die Adressaten von Paulus in ähnlicher Weise wie in 1Thess 1,9b an ihre religiöse Vergangenheit als e[qnh erinnert werden: Sie waren damals „hingerissen“ worden pro;~ ta; ei[dwla ta; a[fwna. Die heidnischen Götter sind also nichts als „stumme Bilder“; es mangelt ihnen nicht an Realität, wohl aber an Spra-
31 CONZELMANN, 1Kor (s. Anm. 3), 180 (Hervorhebungen im Original). WOYKE, Götter (s. Anm. 14), 198: Vor allem durch V. 6 „wird im Kontext von 1 Kor 8,4b–6 via negationis die Loslösung der (Heiden-)Christen von den sog. Göttern und Herren ausgesagt. Diesen kommt weder universal irgendeine Macht oder Bedeutung zu, noch haben sie irgendeinen partikularen Anspruch auf die Christen. Ob und als was sie möglicherweise existieren, ist angesichts ihrer absoluten Ohnmacht irrelevant.“ 32 ïHmi``n bedeutet nicht subjektiv „unserer Meinung nach“, sondern ist im Sinne eines pro nobis zu verstehen (vgl. LINDEMANN, A., Der Erste Korintherbrief, HNT 9/1, Tübingen 2000, 191f). 33 Vgl. KOCH, D.-A., „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32). Christliche Identität im mavkellon in Korinth und bei Privateinladungen, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 35–54, vor allem 52f. 34 2Kor 6,16 kann hier außer Betracht bleiben, da es sich bei 6,14–7,1 um einen nichtpaulinischen Textabschnitt handelt. Anders WOYKE, Götter (s. Anm. 14), 288–321, und zwar „in Aufnahme einer neueren Forschungstendenz, 2Kor 6,14–7,1 als integralen Bestandteil des 2. Korintherbriefs anzusehen und damit in irgendeiner Art und Weise auf paulinische Verfasserschaft zurückzuführen.“ (a.a.O. 320).
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che, und das ist deshalb besonders bedeutsam, weil gerade die Sprachlichkeit des Daseins in 1Kor 12–14 die entscheidende Rolle spielt.35 Die Frage, ob sich die christliche Lebenspraxis grundlegend von der „heidnischen“ Existenzweise unterscheidet, klingt im 1Kor nur an. Während Paulus hinsichtlich der geltenden religiösen und geistigen Normen eine scharfe Diskrepanz zwischen dem christlichen und dem heidnischen Denken sieht, wie vor allem die Ausführungen zu sofiva in 1,18–2,16 zeigen, fällt auf der anderen Seite auf, dass in 5,1 als Kriterium für eine von der Gemeinde tolerierte, tatsächlich aber verwerfliche sittliche Praxis die auch bei den e[qnh geltende Norm genannt wird; Paulus sagt nicht etwa, bei den „Heiden“ kämen solche Dinge36 vielleicht vor, nicht aber innerhalb der christlichen Gemeinde, sondern er verweist im Gegenteil auf die e[qnh geradezu als Vorbild für die Gemeinde. Lediglich in 6,9–11 wird die Aussage, dass „Ungerechte die basileiva Gottes nicht erben werden“ durch einen Lasterkatalog präzisiert, der zwar keine spezifisch christlichen (Verwerfungs-)Urteile erkennen lässt, wohl aber mit der Bemerkung schließt, „einige“ der Adressaten seien „dies gewesen“ (kai; tau``tav tine~ h\te), doch seien sie nun „abgewaschen, geheiligt, gerechtfertigt worden im Namen Christi […]“.37 Wie wirklichkeitsnah das damit gezeichnete Bild ist, lässt sich nicht sagen, doch wird es sich kaum um eine völlige Verzeichnung der Vergangenheit der Adressaten handeln. Im Philipperbrief ist für unsere Fragestellung bemerkenswert die Aussage in 4,8, wo Paulus den Begriff ajrethv verwendet38 und dabei voraussetzt, dass die näheren Explikationen (o{sa ejsti;n ajlhqh``, o{sa semnav, o{sa divkaia, o{sa aJgnav, o{sa prosfilh``, o{sa eu[fhma) den allgemein anerkannten Maßstäben entsprechen. Die in 4,10–20 folgende Schilderung der (auch materiellen) Unterstützung des Paulus durch die Gemeinde von Philippi entspricht dann dem, was auch bei Lukian beschrieben werden wird (s.u.).
35 Das wird schon zu Beginn in 12,3 deutlich (vgl. WOYKE, Götter [s. Anm. 14], 258–287, vor allem 286f). Vgl. dazu 13,1 und insbesondere natürlich Kap. 14. Zum ganzen CHOI, S.B., Geist und christliche Existenz. Das Glossolalieverständnis des Paulus im Ersten Korintherbrief (1Kor 14), WMANT 115, Neukirchen-Vluyn 2007. 36 „Einer hat seines Vaters Frau“ – was immer genau der Fall sein mag. 37 1Kor 6,11: […] ajlla; ajpelouvsaqe, ajlla; hJgiavsqhte, ajlla; ejdikaiwvqhte ejn tw``/ ojnovmati tou`` kurivou jIhsou`` Cristou`` kai; ejn tw``/ pneuvmati tou`` qeou`` hJmw``n. 38 Die Aufforderung to; loipovn, ajdelfoiv, […] tau``ta logivzesqe schließt den Gedankengang ab; sie wird allerdings in V. 9 noch ergänzt durch die Aufforderung, die Adressaten sollten sich am Vorbild des Paulus orientieren. ÆArethv in Phil 4,8 ist hapax legomenon bei Paulus (im NT sonst nur noch in den Petrusbriefen).
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Die Frage nach dem Gottesverständnis begegnet auch im Römerbrief, allerdings nicht im Blick auf die „heidnische“ Vergangenheit der Adressaten.39 Nach 1,18–32 besteht die pagane Religiosität gerade darin, dass Gott im wahrsten Sinne des Wortes „verkannt“ wird: Die e[qnh40 kennen Gott zwar, insofern er sich ihnen in der Schöpfung kundgemacht hat (V. 19: to; gnwsto;n tou`` qeou`` fanerovn ejstin ejn aujtoi``~: oJ qeo;~ ga;r aujtoi``~ ejfanevrwsen); aber auch als gnovnte~ to;n qeovn haben sie Gott nicht die ihm gebührende Ehre erwiesen oder ihm gedankt (oujc wJ~ qeo;n ejdovxasan h[ hujcarivsthsan), da ihr Herz „unverständig“ ist.41 Vielmehr haben sie die dovxa Gottes vertauscht mit dem „Bild“ (eijkwvn) des vergänglichen Menschen und
von allerlei Tieren (1,23),42 und so haben sie – wie in V. 25 resümierend festgestellt wird – die Wahrheit Gottes in Lüge verkehrt (methvllaxan th;n ajlhvqeian tou`` qeou`` ejn tw``/ yeuvdei) und die Schöpfung anstelle des Schöpfers religiös verehrt (kai; ejsebavsqhsan kai; ejlavtreusan th``/ ktivsei para; to;n ktivsanta). Damit erscheint heidnische Religiosität im Grunde als ein Akt unzureichender Erkenntnis des Menschen, dem solche Erkenntnis aber doch grundsätzlich möglich wäre. Im Verhältnis zum Judentum ist für Paulus klar, dass „der Gott der Juden“ kein anderer ist als „der Gott der Heiden“ (Röm 3,29f); die Differenz liegt darin, dass Paulus schon aus der biblischen Tradition folgert, die Gottesbeziehung werde durch den Christusglauben geschaffen und nicht über die „Werke des Gesetzes“.43 Eine grundsätzliche Aussage zur christlichen Lebensführung macht Paulus eingangs des paränetischen Abschnitts des Röm in 12,1f44; aber die dann 39 Das Fehlen entsprechender Aussagen mag darauf zurückzuführen sein, dass Paulus über die gemeindlichen Verhältnisse in Rom ja nicht im Einzelnen informiert ist. 40 Dass es sich um die e[qnh handelt, wird nicht ausdrücklich gesagt, es ergibt sich aber wohl doch aus den Aussagen, die über die Gottesverehrung der in 1,18 erwähnten a[nqrwpoi gemacht werden. 41 BULTMANN, R., Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 41961, 221: kardiva ist „das trachtende, wollende, entschlossene oder bewegte Ich, das sich zum Guten wie zum Bösen wenden kann“. 42 Offensichtlich denkt Paulus an die vielfältigen Götterbilder; vgl. WOYKE, Götter (s. Anm. 14), 381–384. Dass die Götterbilder Kunstwerke und Gegenstand ästhetischer Betrachtung sein könnten, kommt nicht in den Blick; vgl. dagegen Apg 17,16.23, wo dieser Aspekt doch wohl zumindest anklingt. 43 Vgl. dazu HOFIUS, O., Werke des Gesetzes. Untersuchungen zu der paulinischen Rede von den e[rga novmou, in: D. Sänger/U. Mell (Hg.), Paulus und Johannes. Exegetische Studien zur paulinischen und johanneischen Theologie und Literatur, WUNT 198, Tübingen 2006, 271–310 (zu Röm 1,18–3,20 vor allem 286–294). 44 Die grundsätzliche Aufforderung in V. 1 (parakalw`` […] parasth``sai ta; swvmata uJmw``n qusivan zw``san aJgivan eujavreston tw/` qew/`, th;n logikh;n latreivan uJmw``n) wird in V. 2 (mh; suschmativzesqe tw``/ aijw`ni touvtw/, ajlla; metamorfou``sqe th/` ajnakainwvsei tou`` noov~) präzisiert durch die Forderung, sich „der Welt“ nicht anzupassen, aber die Konkretion (eij~ to; dokimavzein uJma``~ ti; to; qevlhma tou`` qeou`)` erfolgt dann in einer allgemein anerkannten und keineswegs spezifischen Begrifflichkeit: to; ajgaqo;n kai; eujavreston kai; tevleion.
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folgenden Weisungen zielen nicht darauf, dass sich die christliche Praxis dezidiert von der nichtchristlichen zu unterscheiden habe. Implizit mag eine solche Differenzierung allerdings den Aussagen in 12,14–21 zugrundeliegen.45 Das in den uns erhaltenen Briefen des Paulus erkennbare Bild paganer Kultur und speziell Religiosität ist ausgesprochen blass: Offenbar hat der Apostel weder Anlass, das Alltagsleben und die Kulturleistungen der nichtchristlichen e[qnh zu würdigen, noch sieht er sich genötigt, sich damit intensiver auseinanderzusetzen. Der gelegentliche Blick auf die Vergangenheit der in den Briefen angesprochenen Adressaten beschränkt sich auf die Erinnerung an die einstige Verehrung fremder Götter. Die einzige Ausnahme liegt offenbar in 1Kor 6,9–11 vor; aber die dort vorgenommene Aufzählung falscher moralischer und sittlicher Praktiken gilt wohl nicht als eine realistische Analyse heidnischer Existenz, sondern als Negativfolie für das, was mittlerweile geschehen war.
II. Das Bild der Christen bei Lukian Der Schriftsteller Lukian wurde um das Jahr 115/125 in Samosata geboren, einer im östlichen Syrien am Euphrat gelegenen Stadt;46 er starb um das Jahr 190. Die Cristianoiv erwähnt er ganz kurz in seiner Schrift „Alexander, der Lügenprophet“ und vergleichsweise ausführlich in der Schrift „Über den Tod des Peregrinus“. In seinem Buch über den Philosophen Alexander von Abonuteichos47 schreibt Lukian, dieser habe in Pontus dazu aufgerufen, Christen und a[qeoi wegen ihrer gegen ihn gerichteten Lästerungen (blasfhmei``n) zu steinigen, wobei mit dem Begriff a[qeoi die Anhänger Epikurs gemeint sind.48 An etwas späterer Stelle erklärt Lukian, ein von Alexander entworfenes Myste-
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Vgl. dazu STARNITZKE, D., Die Struktur paulinischen Denkens im Römerbrief. Eine linguistisch-logische Untersuchung, BWANT 163, Stuttgart 2004, 383–387. 46 Vgl. HAUSLEITER, A., Art. Samosata, DNP 11, 2001, 23f. 47 Vgl. SIGEL, D., Art. Alexandros aus Abonuteichos, DNP 1, 1996, 482f. Alexander lebte von ca. 105 bis 175; er gründete um 150 „Kult und Orakel des Glykon in Abonuteichos“; Lukian charakterisiert ihn „als intelligenten, aber skrupellosen Scharlatan, der die religiösen Bedürfnisse seiner Zeitgenossen […] für eigenen Gewinn ausnutzt.“ 48 Alex. 25 (C. Iacobitz [Hg.], Luciani Samosatensis Opera II,1, Leipzig 1877, 127); BETZ, GAufs (s. Anm. 2), 11f nimmt an, die Zusammenstellung von Epikureern und Christen gehe nicht auf Lukian, sondern auf Alexander selber zurück.
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riendrama für den Gott Glykon49 habe eingangs den Ruf enthalten: „Wenn ein Gottesleugner (a[qeo~) oder ein Christ (Cristianov~) oder ein Epikureer gekommen sein sollte, um die Feiern auszuspäen (katavskopo~ tw``n ojrgivwn), soll er entfliehen (feugevtw)“, während die an Gott Glaubenden an der Weihe glücklichen Anteil haben sollen (oiJ de; pisteuvonte~ tw/` qew``/ teleivsqwsan tuvch/ th/` ajgaqh``/). Dann sei eine liturgische Austreibungsformel (ejxevlasi~) gefolgt: Alexander rief e[xw Cristianouv~, die Volksmenge (plh``qo~) folgte darauf mit dem Ruf e[xw ÆEpikoureivou~.50 Sehr viel ausführlicher spricht Lukian von den Christen in seiner Schrift Peri; th``~ Peregrivnou teleuth``~.51 Er berichtet als Augenzeuge von der Selbstverbrennung des kynischen Wanderphilosophen Peregrinus in Olympia,52 und er ergänzt dies durch etliche biographische Details, die er mit stark ironisch-polemischer Tendenz vorträgt.53 Dem aus Mysien stammenden Peregrinus54, der sich Peregrinus Proteus nannte, wirft Lukian eitle Ruhmsucht vor; sogar seinen Selbstmord habe er als ein großes Spektakel inszeniert (Peregr. 1–2). Peregrinus habe niemals auf die Wahrheit geachtet, sondern alles nur gesagt und getan, um von der Menge Ruhm und Lob zu erlangen (Peregr. 42). Zu diesem negativen Bild gehört auch, dass Peregrinus zeitweilig Christ war – und dies obendrein, so die Darstellung Lukians, in betrügerischer Absicht. Der Schriftsteller Aulus Gellius55 schreibt hingegen in seinem Werk Noctes Atticae, das er nach einer Griechenlandreise verfasste,56 er habe Peregri49 Vgl. NUTTON, V., Art. Glykon (3), DNP 4, 1998, 1105: Glykon (Gluvkwn) war eine Schlange, die in Abonuteichos als Erscheinung des Neos Asklepios verehrt wurde; „der Kultort blühte als Orakel- und Heilstätte“. 50 Alex. 38 (Iacobitz, Luciani [s. Anm. 48], 133). BETZ, GAufs (s. Anm. 2), 12 meint, diese liturgischen Stücke seien wohl zuverlässig zitiert; Lukian komme es darauf an, Alexander als Feind der Epikureer darzustellen. 51 Text und Übersetzung zitiert nach: MRAS, K. (Hg.), Die Hauptwerke des Lukian. Griechisch und deutsch, München 21980, 470–505. 52 Der Selbstmord geschah im Jahre 165. 53 NESSELRATH, H.-G., Art. Lukianos (1) L. von Samosata, DNP 7, 493–501 rechnet diese Schrift neben anderen zur Kategorie „Pamphlete zu zeitgenössischen Phänomenen“ (499f). Forschungsüberblick: MACLEOD, M.D./BALDWIN, B., Lucianic Studies since 1930, ANRW II 34.2, 1994, 1362–1421. 54 Vgl. GOULET-CAZÉ, M.-O., Art. Peregrinus Proteus, DNP 9, 2000, 539f. Peregrinus wurde um das Jahr 100 in Parion in Mysien geboren und beging während der Olympischen Spiele im Jahre 165 Selbstmord. Der Beiname Proteus entsprach nach Lukian der Tatsache, dass Peregrinus „wie der Proteus der Odyssee vielfältige Verwandlungen erlebte“ (a.a.O., 539). 55 KRASSER, H., Art. Gellius (6) A.G., DNP 4, 1998, 896f. Aulus Gellius wurde vermutlich um 125/130 in Rom geboren, sein Todesjahr ist nicht bekannt. Textausgabe: A. Gellii Noctium Atticarum Libri XX, rec. C. HOSIUS, 2 Bd., 1903 (= 1959). Übersetzung: Aulus Gellius, Die Attischen Nächte, übers. und mit Anm. versehen v. F. Weiss, 2 Bd., 1876 (= 1965). Forschungsüberblick: ANDERSON, G., Aulus Gellius: A Miscellanist and his World, ANRW II 34.2, 1994, 1834–1862. 56 Das Werk gilt als charakteristisches Beispiel der „Buntschriftstellerei“. Vgl. KRASSER, H., Art. Buntschriftstellerei. B. Lateinisch, DNP 2, 1997, 852f. Es handelt sich „um die buntgemischte
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nus in Athen als einen „ernsten und gesetzten Philosophen“ kennengelernt (… virum gravem atque constantem); als Beleg zitiert er dessen Aussage, ein weiser Mann dürfe auch dann nicht sündigen (… non peccaturum esse), wenn er sicher wisse, dass dies vor Göttern und Menschen verborgen bliebe; die Sünde sei nicht aus Furcht vor Strafe und Schande zu meiden, „sondern (ganz allein) aus innerm Antrieb und Pflichtgefühl für Recht und Tugend“ (… sed iusti honestique studio et officio). „Wenn die Menschen immer daran dächten, dass nichts in der Welt zu lange verborgen und verheimlicht bleiben kann, dann würde man mit mehr Zurückhaltung und mit grösserer Schüchternheit zu sündigen wagen“, worauf das SophoklesZitat folgt, dass die Zeit (crovno~) alles Verborgene aufdeckt (NoctAtt XII 11,1–7). Der Bericht Lukians über Peregrinus beginnt mit der Wiedergabe von Reden, die vor der angekündigten Selbsttötung des Peregrinus in Elis gehalten worden seien und die er dort gehört habe. Zunächst habe ein Kyniker namens Theagenes eine flammende Lobrede auf Peregrinus gehalten (Pergr. 4–6), doch dann sei ein anderer Redner mit einer überaus scharfen Rede gegen Peregrinus aufgetreten. Dieser Unbekannte57 habe dargelegt, dass Peregrinus in seiner Jugend in Armenien ein Ehebrecher gewesen sei (moiceuvwn); er habe sich auch der Verführung (diafqeivra~) eines minderjährigen Knaben schuldig gemacht, sei aber gegen Zahlung von 3000 Denaren an die Eltern freigekommen. Seinen eigenen Vater habe er erwürgt, weil dieser mit mehr als sechzig Jahren „zu alt“ gewesen sei; auf der Flucht vor Strafverfolgung habe er dann die Welt durchstreift (Peregr. 7–10). Der für unseren Zusammenhang wichtige Textabschnitt umfasst Kap. 11–16: Der dem Lukian (angeblich) unbekannte Redner berichtet, dass Peregrinus auf seiner Wanderschaft die „wunderliche Weisheit der Christen“ gelernt habe, nachdem er in Palästina deren „Priestern und Schriftgelehrten“ begegnet war. In kürzester Zeit sei er ihr Prophet und religiöser Führer geworden; er habe einige ihrer Bücher ausgelegt bzw. erklärt, und viele Schriften habe er auch selber verfasst. Die Christen hätten ihn für Gott Wiedergabe von Wissenswertem und Lesefrüchten aus unterschiedlichsten Bereichen“. Den (wenigen) erhaltenen Werken, zu denen auch die Naturalis Historia des Plinius gehört, „ist die didaktische Zielsetzung und ihr Selbstverständnis als Dienstleistung für den Leser gemeinsam“; dabei bietet Gellius „neben Anekdoten und Mirabilien Wissensstoff aus allen Bildungsbereichen“, oft „in narrativer Einkleidung“. KRASSER, Art. Gellius (s. Anm. 55), 897 schreibt, das Werk richte sich „an den durchschnittlich gebildeten Zeitgenosse“, und das erklärte Ziel sei „die Vermittlung des korrekten Verhaltens innerhalb der zeitgenössischen Konversationskultur“; für Krasser ist Aulus Gellius „Repräsentant der urbanen Kultur des 2. Jh., in der Bildung zu einem wesentlichen Bestandteil des Sozialprestiges wird“. 57 Peregr. 31: ouj ga;r oi\da o{sti~ ejkei``no~ oJ bevltisto~ ejkalei``to. Zur Funktion des Verweises auf „fremde“ Gewährsleute s. ANDERSON, G., Lucian: Tradition versus Reality, ANRW II 34.2, 1994, 1422–1447, vor allem 1427f.
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gehalten, als Gesetzgeber angesehen und als „Beschützer“ bezeichnet. Lukian bzw. sein „ungenannter“ Redner in Elis fügt diesen Angaben hinzu, die Christen verehrten jenen „großen Menschen, der in Palästina an den Pfahl geheftet wurde, weil er diese neue Religion ins Leben gebracht hatte“. Peregrinus wird ins Gefängnis geworfen (Peregr. 12), wodurch aber sein Ruhm nur noch gesteigert worden sei; die Christen hätten darin nämlich ein großes Unglück gesehen und alles für seine Freilassung unternommen. Als dies nicht gelang, hätten sie sich mit größtem Eifer seiner Pflege befleißigt: Scharen von Menschen seien zum Gefängnis geeilt, vor allem alte Frauen, Witwen und auch Waisenkinder, und ihre leitenden Persönlichkeiten hätten nach Bestechung der Gefängniswärter sogar die Nächte bei Peregrinus verbracht. Peregrinus sei von ihnen als „neuer Sokrates“ bezeichnet worden.58 Die Christen, so heißt es erläuternd (Peregr. 13), seien sehr eilfertig, wenn derartiges ihrem Gemeinwesen zustoße, und deshalb sei Peregrinus zu einem beträchtlichen Einkommen und Vermögen gelangt. Lukian bzw. sein Gewährsmann fügt hinzu, die „unglückseligen“ Christen hielten sich für unsterblich und meinten, sie würden für ewige Zeit leben, weshalb sie auch den Tod verachteten und sich freiwillig opferten. Ihr erster Gesetzgeber59 habe sie davon überzeugt, sie seien untereinander Brüder, wenn sie erst einmal die Gesetze übertreten und die griechischen Götter verleugnet hätten. Die Christen verachteten alles gleichermaßen und sähen dies als „Gemeingut“ an, und zwar einfach deshalb, weil sie ihre Vorstellungen ohne genauen Beweis übernommen hätten. Ein geschickter Betrüger könne dies leicht ausnutzen, dadurch schnell reich werden und so „den naiven Leuten (ijdiwvtai~ ajnqrwvpoi~) ins Gesicht lachen“. Von einem die Philosophie liebenden Statthalter Syriens, der die Verrücktheit des Peregrinus erkannte, sei dieser dann freigelassen worden (Peregr. 14). Zwar wurde in seiner Heimatstadt das Verfahren gegen ihn wegen des Vatermords wieder aufgenommen; doch er habe mit einem Trick ein Urteil endgültig abwenden können (Peregr. 15),60 und so sei er dann erneut auf Wanderschaft gegangen (Peregr. 16). Als „Wegzehrung“ habe er sich auf die Christen verlassen können, die ihm ein sorgloses Leben ermöglichten. Sie hätten ihn aber aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, nachdem er, so glaubt der Redner zu wissen, beim Essen verbotener Speisen beobachtet worden war. Das weitere Schicksal des Peregrinus bis hin zur spektakulären Selbstverbrennung in
58 Das alles geschah offenbar in Syrien; nach Peregr. 13 kamen aber auch aus Asien Gemeindegesandte, um Peregrinus zu unterstützen und ihm Trost zu spenden. 59 Offensichtlich ist Jesus gemeint. 60 Er habe dem armen Volk versprochen, ihm seinen gesamten Besitz zu vermachen; dieser Besitz sei allerdings nicht sehr erheblich gewesen.
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Olympia ist für den hier dargestellten Zusammenhang nicht unmittelbar von Bedeutung, weil von den Christen nicht mehr Rede ist. Was bedeuten diese Nachrichten für das in der außerchristlichen Welt des 2. Jahrhunderts vorhandene Bild des Christentums und insbesondere seines Gottesverständnisses? Hans Dieter Betz ist dieser Frage nachgegangen,61 und an seine Ergebnisse kann im Folgenden vielfach angeknüpft werden. Aus Lukians Biographie über Alexander von Abonuteichos geht hervor, dass die Christen als a[qeoi angesehen werden,62 wobei Alexander sie den Epikureern gleichstellt. Betz meint, der in der Liturgie des von Alexander entworfenen Glykon-Kults enthaltene Ruf e[xw Cristianouv~ zeige, dass Christen versucht hätten, an diesem Kult teilzunehmen, um diese Mysterien „auszuspionieren“63; das scheint mir eher fraglich zu sein, und überdies müssen derartige rituelle Ausschlussformeln nicht bedeuten, dass tatsächlich mit der Anwesenheit einer bestimmten Gruppe „Ungläubiger“ gerechnet wird, die daraufhin den Kultort verlassen.64 In der Peregrinus-Darstellung wird zu Beginn des entsprechenden Abschnitts (Peregr. 11) das Christentum von Lukian als qaumasth; sofiva charakterisiert;65 der Begriff qaumasthv impliziert dabei, dass diese sofiva eher eine Kuriosität als wirkliche „Weisheit“ darstellt.66 Die Aussage, Peregrinus habe diese Weisheit „gelernt“ (ejxevmaqe), nachdem er in Palästina67 deren „Priestern und Schriftgelehrten“ begegnet sei (toi``~ iJereu``si kai; grammateuvsin aujtw``n xuggenovmeno~), könnte an ein palästinisches Judenchristentum denken lassen. Betz nimmt an, es habe in nachneutestamentlicher Zeit christliche iJerei``~ gegeben, und christliche grammatei``~ würden ja schon in Mt 13,52 erwähnt; die Nachricht könne daher historisch zuverlässig sein.68 Aber Belege für iJereuv~ als Bezeichnung christlicher Amtsträger 61
S. dazu die in Anm. 2 genannte Literatur. Vgl. dazu NESTLE, W., Art. Atheismus, RAC 1, 1950, 866–870. 63 BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 7. 64 Dies könnte auch für Did 10,6 gelten (ei[ ti~ a{giov~ ejstin, ejrcevsqw, ei[ ti~ oujk e[stin, metanoeivtw); vgl. dazu NIEDERWIMMER, K., Die Didache, KAV 1, Göttingen 1989, 203f. Ferner KRAUTER, S., Bürgerrecht und Kultteilnahme. Politische und kultische Rechte und Pflichten in griechischen Poleis, Rom und antikem Judentum, BZNW 127, Berlin 2004, 127f. 65 Nach BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 7 muss diese Charakterisierung „ja nicht unbedingt unrichtig sein“. Jedenfalls ist zu erkennen, in welchen Rahmen das Christentum – wenn auch ironisch – eingezeichnet wird. Vgl. BETZ, H.D., Art. Lukian von Samosata, RGG 5, 42002, 551: Lukian reiht das Christentum „unter die rel[igiösen] Narreteien ein, aber nicht ganz ohne Respekt“. 66 Vgl. die römische Qualifizierung des Christentums als superstitio (dazu LÜHRMANN, D., Superstitio – die Beurteilung des frühen Christentums durch die Römer, ThZ 42, 1986, 193–213). 67 Man erfährt etwas später, dass es sie auch in der ÆAsiva gibt. 68 BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 8; vgl. DERS., GAufs (s. Anm. 2), 13 Anm. 18 (dort wird als Belegstelle irrtümlich „Mt xiii 34“ genannt). 62
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fehlen in der Literatur des 2. Jahrhunderts, und so wird hier, ebenso wie beim Begriff grammateuv~, eher mit einem unspezifischen Sprachgebrauch zu rechnen sein.69 Es fällt auf, dass bei der Darstellung der „sehr rasch“ (ejn bravcei) verlaufenden „kirchlichen Karriere“ des Peregrinus die üblichen christlichen Begriffe, die auf ein gemeindliches „Amt“ verweisen, nicht vorkommen. Eine Ausnahme ist vielleicht der an erster Stelle genannte Begriff profhvth~70; aber schon das dann folgende Wort qiasavrch~ („Religionsführer“)71 ist in christlicher Literatur nicht belegt, ebensowenig xunagwgeuv~, womit eine Person bezeichnet ist, die Menschen zusammenführt, ohne dass es einen spezifisch religiösen Bezug gibt.72 Die zusammenfassende Feststellung, Peregrinus sei dies alles gleichzeitig gewesen (pavnta movno~ aujto;~ w[n) trägt einen deutlich ironischen Unterton. Die Annahme, Lukian habe „gewußt“, „daß Peregrinus bei den Christen eine führende Rolle spielte“73, hat m.E. wenig Wahrscheinlichkeit; die Tatsache, dass überhaupt keiner der christlichen Titel Verwendung findet, zeigt eher, dass die Darstellung der kirchlichen „Karriere“ des Peregrinus ein Teil der polemischen Absicht Lukians ist: Die Christen sind derart leichtgläubig, dass man überaus rasch bei ihnen aufsteigen kann. Genaueres Wissen vom christlichen Leben zeigt der Hinweis Lukians auf die Schriftauslegung und -produktion, die Peregrinus praktiziert habe (kai; tw``n bivblwn ta;~ me;n ejxhgei``to kai; diesavfeiv polla;~ de; aujto;~ kai; xunevgrafe); dass er tatsächlich in dieser Weise tätig war,74 kann man aber wohl
bezweifeln – die Darstellung ist zwar plausibel, aber deshalb noch nicht unbedingt historisch zuverlässig. Betz hat sicher mit seiner Annahme Recht, dass Lukian keine christlichen Texte kennt;75 aber er weiß offensichtlich, dass im Christentum „Schriften“ bzw. „Bücher“ eine große Rolle spielen. Es heißt dann weiter, die Christen hätten in Peregrinus ihren „Gesetzgeber“ 69 Zur Frage, ob grammateuv~ in Mt 13,52 wirklich im technischen Sinn gebraucht ist und nicht eher im Sinne von „schriftkundig“, vgl. LUZ, U., Das Evangelium nach Matthäus. 2. Teilband Mt 8–17, EKK 1/2, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1990, 363: grammateuv~ hat „von Hause aus auch eine offene, untechnische Bedeutung (= schriftkundig)“. 70 Vgl. Did 10,7, wo hinsichtlich des (liturgischen) Gebets den profh``tai ein Sonderstatus eingeräumt wird; die Anweisungen in Did 11–13 lassen Probleme erkennen, die gerade nicht auf ein Prophetenamt verweisen. 71 Die Lexika nennen nur diese Stelle als Beleg. Es handelt sich um den Führer eines qivaso~, einer (im weitesten Sinne) religiösen Gruppe; vgl. ELM, D., Art. Thiasos, DNP 12/1, 2002, 463. 72 S. LIDDELL, H.G./SCOTT, R., Greek-English Lexicon, Oxford 21968, 1692 s.v. sunagwgeuv~. BETZ, GAufs (s. Anm. 2), 14 betont, die Titel, für die es keine christlichen Belege gibt, seien hellenistische Kulttitel, so dass man „für die gesamte Ämter- und Titelaufzählung eine Übertragung des im Hellenismus Üblichen auf urchristliche Verhältnisse anzunehmen“ habe. 73 BETZ, ebd. 74 So BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 9. 75 BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 12.
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(nomoqevth~) und ihren „Beschützer“ (prostavth~) gesehen. Der Begriff nomoqevth~ wird im Neuen Testament nur in Jak 4,12 gebraucht, und zwar exklusiv von Gott; hingegen werden in Barn 21,4 die Adressaten dazu aufgerufen, sie sollten „ihre eigenen guten Gesetzgeber“ sein (eJautw``n givnesqe nomoqevtai ajgaqoiv), aber dies wird in 21,5 mit dem Hinweis erläutert, Gott als der Regent der Welt gebe dazu Weisheit und Einsicht. Das Wort prostavth~ ist allerdings ein auch religiös konnotierter Begriff.76 Erstaunlich ist die in diesem Zusammenhang am Anfang stehende Aussage, die Christen hätten Peregrinus „wie einen Gott“ oder „als Gott“ behandelt (wJ~ qeovn aujto;n ejkei``noi hJgou``nto); Betz folgert, man habe Peregrinus für einen qei``o~ a[nqrwpo~ gehalten, „was auch in christlichem Verständnis möglich gewesen sein kann, wenngleich der Titel ‚qeov~‘ dort natürlich in Fortfall kommt“.77 Ob ein qei``o~ a[nqrwpo~ wirklich als qeov~ hätte angesehen werden können, mag an dieser Stelle offen bleiben;78 jedenfalls ist das besondere Gewicht der christlichen Gotteslehre und der Christologie dem Lukian bzw. seinem Gewährsmann offensichtlich nicht bekannt. Möglicherweise folgert Lukian aus der religiösen Verehrung des Menschen Jesus, einflussreiche Mitglieder der christlichen Gemeinde hätten eine analoge Stellung erlangen können.79 Erst an dieser Stelle wird zur Erläuterung ganz kurz auf Jesus verwiesen, wenn auch ohne Namensnennung. Erkennbar ironisch wird er als mevga~ a[nqrwpo~ bezeichnet,80 und im Übrigen wird nur gesagt, er sei in Palästina „an den Pfahl geheftet“ worden,81 weil er diesen „neuen religiösen Kult“ (kainh; telethv)82 erfunden habe.83 Etwas später wird Jesus (wiederum ohne Vgl. BAUER, W., Griechisch-deutsches Wörterbuch, hg.v. K. und B. Aland, Berlin 61988, 1439 s.v. prostavth~. In Röm 16,2 bezeichnet Paulus die Phoebe als eine prostavti~ „für viele“, ihn selber eingeschlossen. 77 BETZ, GAufs (s. Anm. 2), 13. 78 Vgl. TOIT, D.S. DU, Anthropos Theios. Zur Verwendung von qei`o~ a[nqrwpo~ und sinnverwandten Ausdrücken in der Literatur der Kaiserzeit, WUNT II 91, Tübingen 1997; zur Auseinandersetzung mit Betz a.a.O., 24f und 35–38. 79 Man könnte fragen, ob Jesus als der „Christengott“ angesehen wird; aber das „Jesusbild“ bei Lukian spricht eher gegen eine solche Annahme, da Jesus als „Gesetzgeber“ erscheint, nicht als (ein) „Gott“. 80 Ein Grund für diese Charakterisierung wird nicht genannt. 81 […] ejn th/` Palaistivnh/ ajnaskolopisqevnta. Die Begrifflichkeit staurou``n bzw. staurov~ begegnet nicht. 82 LAMPE, G.W.H., A Patristic Greek Lexicon, Oxford 71984, 1385: telethv meint „Ritus“, „esp. of initiation in mysteries and of sacramental rites“. Zum Sprachgebrauch vgl. Justin, dial. 35,6: Auf einen entsprechenden Hinweis des Tryphon erklärt Justin, die Häretiker beanspruchten fälschlich den Namen Cristianoiv, denn sie verhielten sich „wie diejenigen Heiden, welche den Namen Gottes auf ihre Arbeiten schreiben und an sündhaften und gottlosen Zeremonien teilnehmen“ (to; o[noma tou`` qeou`` ejpigravfousi toi``~ ceiropoihvtoi~, kai; ajnovmoi~ kai; ajqevoi~ teletai``~ kionwnou``si); Übersetzung n. P. Häuser, Des heiligen Philosophen und Martyrers Justinus Dialog mit dem Juden Tryphon, BKV 33, Kempten 1917. Justin, 1 apol. 66,4 spricht von telethv 76
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Namensnennung) als der „erste Gesetzgeber“ der Christen (oJ nomoqevth~ oJ prw``to~) bezeichnet.84 Nach diesem kurzen „Exkurs“ kehrt Lukian bzw. sein Gewährsmann zur Schilderung des Schicksals des Peregrinus zurück (Peregr. 12). Er kam als Christ (ejpi; touvtw/) in Gefangenschaft; das ist durchaus plausibel und könnte historisch sein. Die zahlreichen Außenkontakte könnten aber vielleicht darauf hindeuten, dass nicht schon das Christsein als solches der Anlass für die Gefangenschaft des Peregrinus war.85 Sehr plastisch wird geschildert, wie intensiv die Bemühungen der Christen waren, ihrem gefangenen Glaubensbruder zu helfen, nachdem der Versuch, ihn freizubekommen, misslungen war. Das erinnert an Phil 4,10–20; und dass es vor allem Witwen und alte Frauen waren, die sich um das Wohl des Peregrinus mühten, mag dem in den Pastoralbriefen gezeichneten Bild entsprechen. Aber es ist zu beachten, dass Lukian dieses Bemühen als im Grunde lächerlich darstellen will.86 Die in diesem Zusammenhang stehende Aussage, die Christen hätten Peregrinus als „neuen Sokrates“ bezeichnet, ist in dieser Form wenig wahrscheinlich; vielleicht steht im Hintergrund nur das Wissen um die positive Sokrates-Rezeption im frühen Christentum.87
im Zusammenhang der Weihe eines neuen Mysten im Mithraskult (wo die Taufe nachgeahmt werde). 83 Nach BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 9 kennzeichnet Lukian mit dem Begriff telethv das Christentum „als eine neue Mysterienreligion“. 84 Dazu s.u. S. 51. 85 Vgl. dazu HARNACK, A., Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. Bd. 1: Die Mission in Wort und Tat, Leipzig 41924, 188f: „Der Verkehr mit dem Konfessor galt als eine Heiligung. Man scheute sogar nicht Bestechungen der Gefängniswärter, um Einlaß zu erhalten […].“ Doch schon in der montanistischen Kontroverse gab es die Diskussion, ob nicht ein Schwindler lediglich behauptete, wegen seines christlichen Glaubens gefangen zu sein. „Allein solche Mißbräuche waren unvermeidlich und im ganzen gewiß selten. Die Aufseher, selbst innerlich bewegt von der Haltung der Christen, gestatteten öfters aus freien Stücken den Verkehr mit den Gefangenen.“ 86 Dazu gehört wohl auch die Notiz, einige der führenden Christen hätten die Nächte bei Peregrinus verbracht (oiJ de; ejn tevlei aujtw``n kai; sunekavqeudon e[ndon met j aujtou``); ob diese Notiz womöglich einen sexuellen Beiklang hat, lässt sich nicht erkennen. Zur Situation in den Gefängnissen vgl. ARBANDT, S./MACHEINER, W./COLPE, C., Art. Gefangenschaft, RAC 9, 1976, 318– 345. 87 HARNACK, A., Sokrates und die alte Kirche, in: DERS., Reden und Aufsätze I, Gießen 1904, 27–48 verweist vor allem auf Justin, der als erster von einer Analogie zwischen dem Schicksal des Sokrates und dem der Christen gesprochen habe. Detaillierter dazu BENZ, E., Christus und Sokrates in der alten Kirche, ZNW 43, 1950/51, 195–224; insbesondere der Vorwurf der ajsevbeia spielte in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle (Apol I 5,1–3 u.ö.). Justin sah in Sokrates einen vorläufigen Zeugen des Logos, aber er „vermeidet es ausdrücklich, die Parallele zwischen dem Tod des Sokrates und dem Tod Christi zu ziehen“ (BENZ, Christus, 208). BENZ, Christus, 220 (zu Pergr. 12): „Die Popularität der Sokratesgestalt, durch die griechische Bühne, die Volksüberlieferung und die Popularphilosophie ebenso gefördert wie durch die bildende Kunst, machte auch die Bezeichnung des christlichen Wahrheitszeugen als eines ‚zweiten Sokrates‘ zu einem populä-
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In Peregr. 13 wird erwähnt, dass der gefangene Peregrinus selbst von Gemeinden in den Städten Asiens Unterstützung erhielt, und dass er so zu einem nicht unerheblichen Einkommen gelangte.88 An dieser Stelle steht ein „dogmatischer“ Exkurs, der sich vor allem auf die christliche Eschatologie bezieht: Die Christen, die in Wahrheit kakodaivmone~ seien,89 meinen, sie seien unsterblich und würden „für ewige Zeit leben“ (ajqavnatoi e[sesqai kai; biwvsesqai to;n ajei; crovnon); darin klingt immerhin das Wissen um die christliche Auferstehungshoffnung an, während der Glaube an die Auferweckung Jesu offenbar unbekannt ist. Aus dieser Hoffnungsgewissheit resultiere, dass die Christen den Tod verachten und dass viele von ihnen (oiJ polloiv) sich freiwillig opfern. Ihr „erster Gesetzgeber“ habe sie davon überzeugt, dass sie einander ajdelfoiv seien, wenn sie nur erst die religiösen Vorschriften übertreten und die griechischen Götter verleugnet haben und stattdessen „jenen gekreuzigten Sophisten“ verehren (to;n de; ajneskolopismevnon ejkei``non sofisth;n aujtw``n proskunw``si) und nach seinen Vorschriften leben (kata; tou;~ ejkeivnou novmou~ biw``si). Hier berührt sich die Darstellung eng mit dem bei Paulus erkennbaren Bild des Gegenübers des christlichen Glaubens zur heidnischen Religiosität und mit dem, was er im Zusammenhang des „Religionswechsels“ ausführt. Abschließend erklärt Lukian, die Christen würden „alles gleichermaßen verachten“ (katafronou``sin ou\n aJpavntwn ejx i[sh~), weil sie ein solches Denken ohne genauen „Beweis“ (a[neu tino;~ ajkribou``~ pivstew~ ta; toiou``ta) akzeptieren.90 Peregrinus kann sich dann auf seiner zweiten Wanderschaft (Peregr. 16) zunächst erneut auf die christliche Solidarität verlassen; dann aber, so heißt es, habe er sich auch gegen sie vergangen, da er – wie der Redner meint – gesehen worden sei, als er „eine der bei ihnen verbotenen Speisen“ aß, woraufhin er aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen worden sei.91 Diese und auch andere Aussagen sprechen für die Möglichkeit, dass eine Verwechslung mit jüdischer Religionspraxis vorliegen könnte; aber es wird nicht klar, woran genau gedacht ist, und vielleicht ist die Darstellung auch nur ein Teil der ironisierenden Darstellung des Christentums im Ganzen: ren Beiwort, dessen Anwendung auf den Schwindler Peregrinus von den heidnischen Lesern Lukians als ein besonders pikanter Witz empfunden werden mußte.“ 88 Diese Betonung der Leichtgläubigkeit der Christen, die auf einen Betrüger hereinfielen, ist der eigentliche Sinn der Darstellung. 89 Dies erinnert an die Aussage des Paulus in 1Thess 4,13, „die übrigen“ (sc. die Heiden) seien „ohne Hoffnung“. 90 Möglicherweise steht im Hintergrund die pauschale Abwertung christlicher Schriften als historisch unzuverlässig; vgl. COOK, Interpretation (s. Anm. 1), 13f. 91 Um welche Speisevorschriften es ging, ist nicht erkennbar. Es gab einzelne (vor allem gnostisch-)christliche Gruppen, in denen Fleischgenuss als verboten galt (vgl. STRATHMANN, H., Art. Askese II, RAC 1, 1950, 761f); denkbar wäre aber auch, dass Peregrinus bei der Teilnahme an einer kultischen Mahlzeit (im Sinne von 1Kor 8,10 bzw. 10,27) gesehen worden war.
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Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Christen allerlei von Peregrinus ohne weiteres gefallen lassen, aber ausgerechnet die Übertretung einer Speisevorschrift führte zum endgültigen Bruch. Dass Lukian „nicht zwischen Juden und Christen scheidet“92, ist wenig wahrscheinlich; die neben den Speisevorschriften für das antike Bild des Judentums besonders charakteristischen Merkmale, Beschneidung und Sabbat, werden nicht erwähnt, und auch die Aussage, Jesus habe einen neuen Kult (kainh; telethv) ins Leben gerufen, spricht eher für die Vermutung, dass Lukian zwischen Christen und Juden keine Verbindung sah.93 Dies wird wohl auch durch die ungewöhnliche Bezeichnung Jesu als „des ersten Gesetzgebers“ bestätigt.94 Verweise auf christliche Jesus-Überlieferung fehlen, und zwar auch dort, wo sie zumindest denkbar gewesen wären. So berichtet Lukian als Augenzeuge des Selbstmordes des Peregrinus,95 dieser habe, als er in den in einer Grube aufgerichteten Scheiterhaufen hineingesprungen sei, gerufen: „Mütterliche und väterliche Götter nehmt mich gnädig auf“ (Daivmone~ metrw/`oi kai; patrw/`oi devxasqev me eujmenei``~, Peregr. 36), was an Jesu Kreuzesworte erinnert. Lukian erzählt dann (Peregr. 39), er habe zur Verhöhnung der kynischen Anhänger des Peregrinus ihnen gegenüber den Bericht von dessen Tod erzählerisch breit ausgemalt: Ein großes Erdbeben sei geschehen, und aus der Feuerflamme sei ein Geier zum Himmel geflogen, „der mit lauter menschlicher Stimme sagte: ‚Ich verließ die Erde, ich gehe zum Olymp‘“ (e[lipon ga``n, baivnw dÆ ej~ ÒOlumpon).96 Christliche Traditionen, in denen es immerhin vergleichbare Aussagen gibt, kennt Lukian offenbar nicht. Betz hat mit Recht festgestellt, dass Lukian kein genaues Bild des zeitgenössischen Christentums vermittelt; er gibt im Wesentlichen das wieder, „was ‚man‘ damals von der neuen Religion wußte“, wozu vor allem die auffälligen christlichen Verhaltensweisen gehörten. „Eine auch noch so oberflächliche Kenntnis der urchristlichen Theologie hat er nicht“, und er hat auch „kein Verständnis für den Glauben der Christen, nicht einmal für ihre Absage an die Götterwelt“.97 Freilich ist zu beachten, dass jedenfalls diese Verwerfung der griechischen Götter von Lukian notiert und als cha92
So BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 8. Dazu PILHOFER, P., PRESBYTERON KREITTON. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte, WUNT II 39, Tübingen 1990, 6, der die oben zitierte Aussage Lukians mit der Feststellung Galens vergleicht, ein Autor, der – wie es bei Mose und bei Christus der Fall sei – ohne Beweis (cwri;~ ajpodeivxew~) Behauptungen aufstellt, sei nicht glaubhaft. 94 Möglich ist, dass der Begriff einfach für „Religionsstifter“ steht. 95 Vgl. dazu BETZ, Lukian und NT (s. Anm. 2), 121–125. 96 Schon am nächsten Tag sei diese ad hoc erfundene Szene als Tatsachenbericht weitergegeben worden. 97 BETZ, GAufs (s. Anm. 2), 18.20. 93
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rakteristisch angesehen wird, und insoweit entspricht das von Lukian gezeichnete Bild durchaus der von Paulus herausgestellten Besonderheit des christlichen Gottesglaubens.
III. Gott und die Götter im „Brief an Diognet“ Die Datierung der anonymen Schrift, die sich an einen uns sonst nicht bekannten Diognet wendet98 und ihm die qeosevbeia tw``n Cristianw``n vorstellen will, ist unsicher; es gibt aber gute Gründe, den „Diognetbrief“ zu Beginn des letzten Drittels des 2. Jahrhunderts, also etwa zeitgleich mit Lukian, anzusetzen.99 Die Schrift beginnt mit der Ankündigung, der Autor wolle zeigen, welchem Gott die Christen vertrauen und in welcher Weise sie ihn verehren (tivni te qew/` pepoiqovte~ kai; pw``~ qrhskeuvonte~ aujtovn). Charakteristisch sei, dass die Christen „über die Welt hinwegsehen und den Tod verachten“100, wobei die Wendung qanavtou katafronou``si deutlich an die entsprechenden Aussagen bei Lukian erinnert; ausdrücklich heißt es auch, dass die Christen die von den Griechen verehrten Götter gar nicht als Götter ansehen. Dies ist nun allerdings verknüpft mit der Bemerkung, sie würden auch die deisidaimoniva der Juden nicht beachten;101 schon aus dieser Notiz selber sowie vor allem dann aus Diogn 3 geht aber hervor, dass nicht die jüdische Gottesvorstellung abgelehnt wird, wohl aber die Art, wie diese im Judentum praktiziert wird. In Diogn 2 polemisiert der Autor dann zunächst, ähnlich wie es auch im Judentum geschieht, gegen die heidnische Verehrung der Bilder und Statuen, die doch in Wahrheit nichts als tote Gegenstände seien. Dem Judentum gegenüber hebt der Autor dann hervor, dort würden Gott Opfer dargebracht (3,3b–5), wobei die Tatsache, dass es zur Zeit der Abfassung dieser Schrift faktisch keinen jüdischen Opferkult mehr gab, keine Rolle spielt. Anschließend kritisiert der Autor in Kap. 4 die jüdischen Speisevorschriften sowie die Beschneidung und die Einhaltung 98 Diogn 1 erinnert eingangs deutlich an die Widmung des lukanischen Doppelwerks; anders als Theophilos ist Diognet aber offensichtlich als religiös interessierter Nicht-Christ gedacht. 99 SCHÖLLGEN, G., Art. Diognetbrief, RGG 2, 41999, 858 nennt als Abfassungszeit „um 200?“; „die liturgisch geprägten Kap. 11f“ seien möglicherweise eine spätere Ergänzung. Nach BARNARD, L.W., Art. Apologetik I, TRE 3, 1978, 371–411, bes. 383f ist Diogn 11f vom selben Autor verfasst wie Kap. 1–10, stellt aber eine andere Gattung dar; er hält eine Datierung „um 140“ für möglich. 100 Text und Übersetzung des Diognetbriefs folgen der Ausgabe: Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von F.X. Funk/K. Bihlmeyer und M. Whittaker, hg.v. A. Lindemann und H. Paulsen, Tübingen 1992. 101 Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass der an sich auch neutral gebrauchte Begriff deisidaimoniva hier abwertend gemeint ist.
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bestimmter Festzeiten. Ungeachtet aller Kritik wird aber deutlich, dass im Diogn sehr bewusst zwischen Juden und Heiden unterschieden wird; vor allem bei den Aussagen, die von Gott als dem Schöpfer sprechen,102 wird deutlich, dass Christen und Juden denselben Gott meinen, auch wenn die Verehrung auf unterschiedliche Weise geschieht. Von Diogn 5 an wird nun positiv beschrieben, wie die christliche Existenz aussieht;103 der Autor betont, dass die Christen wohl in der Welt leben, nicht aber nach den Maßstäben der Welt (6,3: Cristianoi; ejn kovsmw/ oijkou``sin, oujk eijsi; de; ejk tou`` kovsmou).104 Im Mittelpunkt der Argumentation steht der Offenbarungsgedanke: Der christliche Glaube verdankt sich der Sendung des Gottessohnes, nicht einer menschlichen Erfindung (7,1–4). In Kap. 8 entfaltet der Autor dann ausführlich sein Gottesverständnis. Schon in 8,2 widerspricht er jenen (angeblich) „vertrauenswürdigen“ Philosophen, die Gott mit dem Feuer oder mit dem Wasser identifizieren; die ironische Redeweise von den lovgoi tw``n ajxiopivstwn filosovfwn wirkt dabei geradezu wie eine Reaktion auf den Vorwurf des Lukian, die Christen seien leichtgläubig und hätten ihre Lehrmeinungen ohne genauen Beweis übernommen (a[neu tino;~ ajkribou``~ pivstew~ ta; toiou``ta paradexavmenoi).105 In Diogn 8,10f geht der Autor ausdrücklich auf die „Neuheit“ des Christentums ein, freilich viel knapper, als dies nach der Ankündigung in Kap. 1 zu erwarten war.106 In Kap. 10 betont der Autor, die christliche Existenz bestehe darin, Gott nachzuahmen (10,4), und dabei werden nun besondere Aspekte christlicher Ethik hervorgehoben: Das Bemühen, den Nächsten nicht zu unterdrücken, nicht nach Reichtum und Macht zu streben, sondern im Gegenteil die Last des Nächsten auf sich zu nehmen und denen, die Mangel leiden, Wohltaten zu erweisen. Auf diese Weise gebe der Mensch das, was er von Gott empfangen hat, dem Nächsten weiter (10,5f). Hier berührt sich die Selbstdarstellung christlicher Lebenspraxis sehr deutlich mit der von Lukian vorgestellten Handlungsweise der Christen gegenüber Peregrinus, wobei auffällt, dass der Autor des Diogn von der Nachahmung Gottes spricht, während Lukian die Lebensweise der Christen auf deren „Gesetzgeber“, nämlich Jesus, zurückführt.
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Vgl. Diogn 3,4: „Der nämlich den Himmel gemacht hat und die Erde (oJ ga;r poihvsa~ to;n oujrano;n kai; th;n gh``n) […] bedürfte selbst wohl nichts von diesen (Dingen)“. Ferner 4,2: „Denn von dem, was von Gott geschaffen worden ist zum Gebrauch der Menschen […]“. 103 Hier zeigt sich ein deutlicher Einfluss paulinischer Theologie; vgl. LINDEMANN, A., Paulinische Theologie im Brief an Diognet, in: DERS., Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche, Tübingen 1999, 280–293, vor allem 283ff. 104 Als Vergleich verweist der Autor auf das Verhältnis von yuchv und sw``ma. 105 S. oben S. 51. 106 Vgl. zum Altersbeweis bei den Apologeten des 2. Jahrhunderts PILHOFER, Altersbeweis (s. Anm. 93), 221–284, zu Diogn a.a.O., 233f Anm. 26.
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III. Zusammenfassung Sowohl die binnenchristlichen Aussagen des Paulus, die sich an ehemalige „Heiden“ richten, wie auch die bei Lukian und im „Brief an Diognet“ zu findende Darstellung des etwa einhundert Jahre nach Paulus praktizierten Christentums zeigen, dass die christliche Verkündigung auf eine „Entgötterung“ der Welt zielte und dass dies von der außerchristlichen Welt auch wahrgenommen wurde. Das Bild, das Paulus von der heidnischen Religiosität zeichnet, ist dabei sehr unspezifisch, was natürlich auch daran liegt, dass er keinen Anlass hat, die Kultur der nichtchristlichen e[qnh zu würdigen oder sie zu kritisieren. „Heidentum“ bedeutet religiöse Verehrung von „Göttern“, die in Wahrheit keine Götter sind, und so wird eigentlich nur gelegentlich an die einstige Verehrung dieser „Götter“ erinnert.107 Lukian weiß von der Abkehr von den „griechischen Göttern“; andere inhaltliche Aussagen der christlichen Verkündigung, ausgenommen der Glaube an die „Unsterblichkeit“108, finden hingegen keine Resonanz. Lukian weiß offenbar tatsächlich nur wenig, manches stellt er bewusst verfälschend bzw. karikierend dar, wobei die Aussage, die Christen seien naiv und in gewisser Weise „leichtgläubig“, durchaus nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein braucht. Der „Brief an Diognet“ rückt neben den Verweisen auf die christliche Lebenspraxis hinsichtlich der Theologie den Aspekt der christlichen Gottesverkündigung ganz ins Zentrum; diese Schrift scheint dabei aber immerhin zu zeigen, dass es im 2. Jahrhundert eine auf einem vergleichsweise hohen intellektuellen Niveau stattfindende christliche Auseinandersetzung mit dem „Heidentum“ durchaus gegeben hat. Im ganzen wird man sagen müssen, dass es zwischen der christlichen Verkündigung, wie sie sich bei binnenchristlich bei Paulus und apologetisch im „Brief an Diognet“ zeigt, und der „heidnischen“ Literatur, für die Lukian steht, offenbar nicht zu einem sinnvollen, geschweige denn fruchtbaren Dialog gekommen ist.
107 108
WOYKE, Götter (s. Anm. 14), 455–458. Von „Auferstehung der Toten“ ist nicht die Rede.
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Lucian’s Icaromenippos as a Parody of an Apocalypse and 2 Corinthians 12,2–4 as a Report about a Heavenly Journey
When dealing with Lucian’s Icaromenippos as a parody of an apocalypse, it is necessary first to give a definition of the genre apocalypse and then also of the genre parody.1 Likewise it is necessary, when dealing with 2 Corinthians 12, to give a definition of the genre report as distinguished from a narrative.
I. Definition of the Genre Apocalypse I.1. Synthetic Definition First I will give a somewhat modified synthetic definition presented already in my article in the Semeia 36 volume, which in short runs as follows:2 – Apocalypse is a genre of Revelatory literature with a specified narrative framework, in which a revelation is mediated by (a hierarchy of) other-worldly being(s) to a human recipient (text-syntactic aspect). – It discloses a transcendent reality which is both temporal, insofar as it envisages (cosmic and/or personal) eschatological salvation or perdition, and spatial insofar as it involves another, supernatural world (text-semantic aspect). – Apocalypses are sprung from communication situation(s) encompassing a set of people (sender[s] and/or receiver[s]) in a narrated (externally or internally conditioned/real or perceived) crisis with the purpose of consolation, admonition or denunciation by means of other-worldly/divine authority (text-pragmatic aspect).
This definition will inevitably have to be complemented by a list of characteristic attributes not only on the paradigmatic level as in Semeia 14 (1979)3 1 For a full treatment, see my forthcoming monograph: Lucian’s Icaromenippos. A Textlinguistic and Generic Investigation, Berlin 2008. 2 Cf. HELLHOLM, D., The Problem of Apocalyptic Genre and the Apocalypse of John, in: A. Yarbro Collins (ed.), Early Christian Apocalypticism: Genre and Social Setting, Semeia 36, Decatur, GA 1986, 13–64, esp. 26f.
Lucian’s Icaromenippos as a Parody of an Apocalypse
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but also on the syntagmatic level as proposed in my RGG4-article „Apokalypse: Form und Gattung“,4 regrettably published without the necessary textreferences. As far as the syntagmatic aspect is concerned this will be remedied here in part by my analysis of Lucian’s Icaromenippos in comparison with two other apocalypses, namely the Jewish-Christian 3rd or Greek Baruch and the zoroastrian ArdƗi WirƗz NƗmag.
I.2. Comment on the Definition of the Genre Apocalypse On the abstraction-level „Mode of Writing“ we are, according to Elisabeth Gülich and Uta Quasthoff, dealing i.a. with a Narrative. A narrative refers to a series of real or fictional actions or events that took place in the past (res historia) or will take place in the future (res futura) relative to the time of the narration and in itself involves some kind of change. This criterion of reference to events in the past helps distinguishing narratives from, e.g. ‚descriptions‘ and ‚on-the-spot-reporting‘.5 This is the genus proximum for the next abstraction-level. On the lower abstraction-level „Type of Text“ we encounter e.g. Revelatory Writings in which there are references to happenings in World History that have taken place in the past (res historia) and will have consequences for the future (res futura). Revelations about the future on this level are mediated by messengers, like prophets or sibyls, who bring message of happiness or destruction. Again: this is the genus proximum for the following abstraction-level. On a still lower level of abstraction, that is of „Genre/Gattung“, we encounter Apocalypses. An apocalypse refers to a series of events in the universal history of mankind or the universe (res historia). It is a genre belonging to the genus proximum Revelatory Writing. In a specified narrative framing the revelation will be mediated by a hierarchy of other-worldly agents to a this-worldly transmitter. Apocalypses disclose secret knowledge concerning the transcendent reality, which is both temporal in so far as it 3 COLLINS, J.J. (ed.), Apocalypse: The Morphology of a Genre, Semeia 14, Missoula, MT 1979. 4 HELLHOLM, D., Art. Apokalyptik, RGG 1, 41998, 590f; IDEM, Art. Apokalypse. Form und Gattung, RGG 1, 41998, 585–588; IDEM, Apokalyptiken som religionshistoriskt och litterärt fenomen, NTT 89, 1997, 131–142. 5 Cf. GÜLICH, E./QUASTHOFF, U., Narrative Analysis, in: T.A. van Dijk (ed.), Handbook of Discourse Analysis, vol. 2: Dimensions of Discourse, London 1985, 169–197, 170f; EAEDEM, Story-Telling in Conversation. Cognetive and Interactive Aspects, Poetics 15, 1986, 217–241, 219–227; cf. RAIBLE, W., Was sind Gattungen?, Poetica 12, 1980, 320–349, 344.
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promises cosmic and universal eschatological consolation, provides admonitions to repentance or threatens with denunciation (res futura) and local in so far as it involves a supernatural world (res supra-naturalia).
II. Definition of a Parody When designating a text as a Parody we first of all have to distinguish between two obligatory characteristic features: (1) it is intertextually referring to a pre-text,6 and (2) it is comical and satirical. Furthermore the genus proximum is usually claimed to be „Imitation“;7 the differentiae specificae can either (a) in regard to the pre-text be functionally defined as critical, affirmative and neutral; or (b) structurally in regard to the relationship between text and pre-text be defined as emulation, transformation or transposition; or (c) intentionally be defined as cheerful, humorous, mocking, scornful, satiric or comical. All three sets of differentiae can, of course, optionally be at work in one and the same text or genre.8 In addition to these three sets of differentiae specificae we have to distinguish between four different types of parodies that can be subsumed under two major categories: (A) with reference to actants: (A:1) the imitation and criticism of the original author; (A:2) the imitation and criticism of the original addressees (in two forms: including or excluding the original author); (B) with reference to texts: (B:1) the imitation, comical adaptation and satirical criticism of an original textmanifestation as pre-text; (B:2) the imitation, comical adaptation and satirical criticism of a literary genre being the pre-text.9 As the macro-syntagmatic analysis will show, it is more than likely that Lucian’s Icaromenippos as a parody belongs – as most parodies – to more than one category, at first presumably the categories (A:2) and (B:2). As far as my investigation is concerned, Icar6 Cf. MERZ, A., Die fiktive Selbstauslegung des Paulus. Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe, NTOA 52, Göttingen/Fribourg 2004, 5–71; RAIBLE, W., Arten des Kommentierens – Arten der Sinnbildung – Arten des Verstehens. Spielarten der generischen Intertextualität“, in: J. Assmann/B. Gladigow (ed.), Text und Kommentar, Archäologie der literarischen Kommunikation 4, München 1995, 51–73, esp. 53.57 n. 14. 64.66.71; this, e.g., is the case when a text or a genre is transcoded by means of a parallel text or genre. 7 Quintilian, InstOr VI 3, 96f: parw/diva; IX 2, 34f: „quotiens sicut in hac causa ad imitationem alterius scripturae conponitur […] incipit esse quodam modo parw/dhv”. According to Aristotle, Poetics 1448a 12–13 Hegemon of Thasos (prior to 400 BCE) was the first composer of parodies. 8 See STOCKER, P., Art. Parodie, HWR 6, 2003, 637–649, esp. 637.639.642. 9 See KARRER, W., Parodie, Travestie, Pastiche, UTB 581, München 1977, 36f.40ff.186ff; so also STOCKER, Parodie (s. n. 8), 639: „Gattungsparodie“; further MERZ, Selbstauslegung (s. n. 6), 9.11.22.26.70.107.222. RAIBLE, Arten des Kommentierens (s. n. 6), 64 refers to „Don Quijote as a deliberate Parody of the Romance of Chivalry“ (trans. DH).
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omenippos is – in spite of the first part of its title – not a critical imitation of an individual pre-text but rather of a generic textual entity, a type of text or a genre or perhaps a sub-genre as the second satiric part of the title indicates. If this hypothesis stands the test, not only from a paradigmatic but above all from a syntagmatic point of view, it will be quite significant and have great implications for generic investigations of apocalyptic texts, in particular of such texts generated outside the Jewish-Christian framework. This is so, since a genre, which causes the writing of a parody, must be wildly known and recognized within its cultural domain, i.e. it must be conventional in order for the parody to function as a means of communication. In the case of Icaromenippos (1) it is critical and scornful with regard to the actants: the original addresses of the message, i.e. the philosophers, and (2) imitational, satirical and comical with regard to the genre, i.e. the apocalypses. Thus Lucian’s parody works at least on two levels, that is on the level of actants as well as on the generic level.
III. The Classification of Icaromenippos as an Apocalypse in Semeia 14 In accordance with the „Master Paradigm“ for generic analyses of apocalyptic texts established by the SBL-group, Harold Attridge maintains that Lucian in his parodic dialogue Icaromenippos discloses the following eight paradigmatic characteristics of an apocalypse:10 (1) An otherworldly journey [Menippos’ heavenly journey including orientation; DH] (2) An otherworldly mediator (Empedocles, ch. 13) (3) A fictional seer ([Menippos] at least in Lucian’s work) (4) Puzzlement as the motivation for the journey [crisis as complication; DH] (5) Judgment on philosophers [eschatological verdict as resolution; DH] (6) Description of heavenly regions [two days visit in heaven; DH] (7) Description of the Gods [Moon-goddess, Zeus, Assembly of Gods; DH] (8) Return of the seer to tell philosophers [completion of other-worldly journey as coda; DH]. 10
ATTRIDGE, H., Greek and Latin Apocalypses, in: Collins, Apocalypse (s. n. 3), 159–186, 165; cf. also CANCIK, H., The End of the World, of History and of the Individual in Greek and Roman Antiquity, in: J.J. Collins (ed.), The Encyclopedia of Apocalypticism. vol. 1, New York 1998, 84–125, 93.
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IV. The Syntagmatic Structure of Narratives More important than the paradigmatic cluster is in my opinion the syntagmatic compositional structure of the text as a whole. This is so especially in view of the proposed understanding of this apocalypse as a parodic one.
IV.1. The Narrative Structures on Deep-Structure and Surface-Structure Levels The most striking universal trait of specified narrative structures with regard to transformation or change is made up of the five basic functional constituents distinguished by William Labov and Joshua Waletzky in their essay „Narrative Analysis: Oral Versions of Personal Experience“ first published in 1967,11 then modified by William Labov in 197212 and followed up by Elisabeth Gülich (1976)13 and Uta Quasthoff (1980).14 These five constituents are: Orientation, Complication, Evaluation, Resolution and Coda or Moral. These five basic constituents are on the one hand present on the deep structure level of the narrative as has been argued by Tuen A. van Dijk15 but may also be recognized on the surface structure level partly in form of ‚narrative clauses‘, which are „strictly ordered by temporal sequence“, partly in form of ‚shorter free clauses‘, which have „no fixed relation to temporal sequence“, both, however, indicating directly to the reader or listener the occurrence of these constituents and that of the text-sections dominated by them.16 Labov/Waletzky explicitly state that their definition 11 LABOV, W./WALETZKY, J., Narrative Analysis: Oral Versions of Personal Experience, in: J. Helm (ed.), Essays on the Verbal and Visual Arts. Proceedings of the 1966 Annual Spring Meeting of the American Ethnological Society, Seattle/London 1967, 12–44. (German version in: J: Ihwe (ed.), Literaturwissenschaft und Linguistik, vol. 2, Frankfurt am Main 1973, 78–126). 12 LABOV, W., The Transformation of Experience in Narrative Syntax, in: idem (ed.), Language in the Inner City, Philadelphia 1972, 354–405, 369. 13 GÜLICH, E., „Ansätze zu einer kommunikationsorientierten Erzähltextanalyse (am Beispiel mündlicher und schriftlicher Erzähltexte)“, in: W. Haubricks (ed.), Erzählforschung 1, LiLi Beiheft 4, Göttingen 1976, 224–256, 250ff. 14 QUASTHOFF, U., Erzählen in Gesprächen, Tübingen 1980, 31ff; cf. HARDMEIER, C., Textwelten der Bibel entdecken. Grundlagen und Verfahren einer textpragmatischen Literaturwissenschaft der Bibel, vol. 1/1, Gütersloh 2003, 66–68. 15 DIJK, T.A. VAN, Some Aspects of Text Grammars. A Study in Theoretical Linguistics and Poetics, Janua Linguarum 63, The Hague/Paris 1972, 293. Cf. GÜLICH, E./RAIBLE, W., Linguistische Textmodelle, UTB 130, München 1977, 255ff. 16 LABOV/WALETZKY, Narrative Analysis (s. n. 11), 20ff, esp. 22; (German version: 95ff, esp. 97).
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of narrative texts is indeed grounded in the linear surface-structure: „The definitions we have given for narrative units are deliberately applied to the linear sequence presented by the narrator. This linear sequence may be considered the surface structure of the narrative“.17 Uta Quasthoff in dealing with (oral) everyday narrations characterizes these constituents as not being categorial but rather relational.18
IV.2. The Basic Functional Constituents of Narrative (1) Orientation. These sentences usually appear at the beginning of a narrative and „bring about the temporal distance to the actual communication situation“.19 They serve as orientation for the listeners or readers with regard to dramatis personae, place, time and behavioral situation. The part of the narrative dominated by this structural device is called orientation. The function of the ‚orientation section‘ is to give a detailed picture of the situation. Even if ‚orientation sections‘ can be missing in narratives, their frequent appearences and „the overall view of narrative shows that the ‚orientation section‘ is a structural feature of narrative structure“.20 Elisabeth Gülich has rightly pointed out that such orientations constitute one of the basic rules of communication, viz. the principle of co-operation.21 (2) Complication. The main part of narrative clauses usually constitute a sequence of events which may be called complication or complicating action. In many cases a long series of events is in fact composed of a number of simple cycles of narration with numerous parts of complications. As Gülich observed: „The history would not be worth while telling […], if the initial situation would not become complicated in one way or another“.22 (3) Evaluation. A ‚narrative‘ with only orientation, complication and resolution is in fact no complete ‚narrative‘ either. A simple series of complications and resolutions tells the listener or reader nothing about the current importance of these happenings. Therefore it is necessary for the story teller or author to indicate the structure of the ‚narrative‘ by emphasizing the point of maximal complication, i.e. the caesura between complication 17
LABOV/WALETZKY, Narrative Analysis (s. n. 11), 29f (German version: 108). QUASTHOFF, U., Gemeinsames Erzählen als Form und Mittel im sozialen Konflikt oder: Ein Ehepaar erzählt eine Geschichte, in: K. Ehlich (ed.), Erzählen im Alltag, stw 323, Frankfurt am Main 1980, 109–141, 127. 19 GÜLICH, Ansätze (s. n. 13), 251. 20 LABOV/WALETZKY, Narrative Analysis (s. n. 11), 32; (German version: 111f). 21 GÜLICH, Ansätze (s. n. 13), 251. 22 GÜLICH, Ansätze (s. n. 13), ibid.; cf. QUASTHOFF, Gemeinsames Erzählen (s. n. 18), 112. 18
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and resolution. Most ‚narratives‘ contain such an evaluation section, which performs this function. Uta Quasthoff, in agreement with William Labov’s modification of his former position,23 has pointed to the fact that evaluations must not be confined to such an ‚evaluation section‘ but may be distributed all over the ‚narrative‘ and the position between complication and resolution is to be understood rather as a centre of evaluative waves.24 This is certainly true, but must not be interpreted so as to diminishing the importance of the syntagmatic textorganization but rather as a token of the consequence of the dominating rôle of paradigmatic expressions of an evaluating character in a particular section of the text-flow, which then may be labeled ‚evaluation‘. All of the ‚evaluation sections‘ in a ‚narrative‘ „are related to the originating function of the narrative. From a structural point of view the first section is the major break in the complicating action“.25 An important feature of ‚narrative‘ is the degree of embedment of the evaluation within the narrative structure. Thereby it is pertinent to distinguish between evaluations expressed by internal and external dramatis personae: „There is a wide range from the most highly internalized type – a symbolic action or the evaluation of a third person, to the most external – a direct statement of the narrator to the listener about his feelings at the time“.26 Finally, these evaluation sections are in most cases in one way or the other connected with the generative setting of the narrative. (4) Resolution. The result of the narrative is given in the resolution, which is constituted by that portion of the narrative sequence which follows upon the complication and (optionally) the evaluation and in many cases concludes the narrative.27 As noticed by Teun A. van Dijk „the Resolution must at least ‚contain‘ an action description“.28 (5) Coda. The coda is a functional instrument by means of which the speaker’s or author’s perspective anew is being focused on the present situation. This kind of „terminating signal (sc. „Endsignal“) links the ‚nar-
23 LABOV, Transformation (s. n. 12), 369ff: „A complete narrative begins with an orientation, proceeds to the complicating action, is suspended at the focus of evaluation before the resolution, concludes with the resolution, and returns the listener to the present time with the coda. The evaluation of the narrative forms a secondary structure which is concentrated in the evaluation section but may be found in various forms throughout the narrative“ (369). 24 See Fig. 9.1 in LABOV, Transformation (s. n. 12), 369; further QUASTHOFF, Erzählen in Gesprächen (s. n. 14), 33ff. 25 LABOV/WALETZKY, Narrative Analysis (s. n. 11), 36f; (German version, 118). 26 LABOV/WALETZKY, Narrative Analysis (s. n. 11), 39; (German version, 121f). 27 LABOV/WALETZKY, Narrative Analysis (s. n. 11), 39; (German version, 122). 28 DIJK, T.A. VAN, Text and Context. Explorations in the Semantics and Pragmatics of Discourse, London/New York 1977, 154.
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rative time‘ with the ‚narrated time‘“, says Uta Quasthoff29 or in the formulation of William Labov: „These codas have the property of bridging the gap between the moment of time at the end of the narrative proper and the present. They bring the narrator and the listener back to the point at which they entered the narrative“.30 With regard to the pragmatic-functional aspect of narratives the observation of Labov/Waletzky is pertinent that „narratives are usually told in answer to some stimulus from outside, and to establish some point of personal interest […]. Beyond such immediate stimuli, we find that most narratives are so designed as to emphasize the strange and unusual character of the situation – there is an appeal to the element of mystery in most of the narratives“.31 This is true, of course, also for participants from other worlds (e.g. fictive or supernatural worlds: divine and semi-divine characters), as long as there is an accessibility relation between all participants from all the related possible worlds.32
V. The Syntagmatic Structure of Lucian’s Icaromenippos In his Bis. Acc. 33 and Pisc. 26 Lucian of Samosata mentions that he has made use of the dialogues of Menippos of Gadara (1st half of the 3rd century BCE); to what extent is still disputed. He has also made Menippos the main figure in two of his works, Icaromenippos and Necyomantia.33 When carrying out a multi-leveled compositional analysis of Icaromenippos I must – for a full treatment – refer to my forthcoming monograph mentioned above. Icaromenippos is on the first level of delimitation built up of three major text-sequences:
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QUASTHOFF, Erzählen in Gesprächen (s. n. 14), 221. LABOV, Transformation (s. n. 12), 365. 31 LABOV/WALETZKY, Narrative Analysis (s. n. 11), 34 (German version, 114f); cf. GÜLICH/QUASTHOFF, Narrative Analysis (s. n. 5), 188f. 32 VAN DIJK, Text and Context (s. n. 28), 30f.94; HELLHOLM, D., Das Visionenbuch des Hermas als Apokalypse, CB.NT 13, Lund 1980, 91. 33 See NESSELRATH, H.-G., Art. Lukianos, DNP 7, 1999, 493–501, hier 498; IDEM, Lukian: Leben und Werk, in: EBNER, M. U.A., Lukian. Die Lügenfreunde oder: der Unläubige, Sapere 3, Darmstadt 2001, 11–31, 23; further BRAUN, E., Lukian. Unter doppelter Anklage. Ein Kommentar, Frankfurt am Main 1994, 331–339. 30
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(1) The dialogical prologue consisting of an introductory monologue followed by a dialogue with his friend. From a narrative point of view this prologue serves as orientation (1–3). (2) The main body as narration of his other-worldly journey with dialogical subsections, which from a narrative point of view serves as complication, evaluation and resolution (4–34 init.). (3) The epilogue, which in form of a coda serves as pending announcement of the resolution to the text-externally situated philosophers (34 fin.).
When analyzing the text on the second level of delimitation, I will here confine myself to the main body of the text. It is made up of (1) A meta-communicative introduction serving as a transition from the dialogue to the narrative (4 init.). (2) Menippos’ description of the reason for his other-worldly journey serving as complication and evaluation (4–10). (3) Narration of the other-worldly journey serving the double purpose of evaluation and text-internal resolution of the complication (10–34 med.).
On the third level of delimitation we encounter within the second textsequence on level two first the following two text-parts: (1) The introductory level of complication, i.e. Menippos’ recognition of the disdainful conditions on Earth and the cosmic wonders (4). (2) The fundamental level of complication and initial evaluation: Menippos’ dialogue with the friend about his search for instruction by the philosophers concerning cosmic events (5–10). This constitutes a philosophic-cultural crisis!
On the fourth level of delimitation within the second text-sequence on level three we encounter the fundamental complication and two human evaluating accusations. (1) Menippos’ remarks about his consultation with the philosophers as fundamental complication (res historia) (5). (2) First human evaluating accusation against the philosophers (6–8 med.). (3) Second human evaluating accusation against the philosophers (8 fin.–10 init.).
On the third level of delimitation we encounter within the third textsequence on level two secondly the following two text-parts: (1) Preparation for the other-worldly journey: construction and testing of equipment: wings of eagle and vulture tied to Menippos with straps (10–11init.).
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(2) Report of other-worldly journey in two stages (11 med–34 med).
On the fourth level of delimitation we encounter within the second textsequence on level three the following two text-parts: (1) First stage: from Olympos to the Moon (11 med–21). (2) Second stage: from the Moon to Heaven (22–34 med).
Because of the increasing complexity of the narrative structure I have here to pass over quite a few narrative levels and concentrate on the structural elements that have to do with evaluations within the first stage: from Olympos to the Moon and in the Moon region itself: (1) In Menippos’ last dialogue with the friend concerning his „Vision of the world’s secrecies we find a third human evaluation (15 init). (2) In connection with his encounter with the Moon-Goddess, we hear about Menippos being commissioned by her to bring the first divine accusation to the assembly of Gods in Heaven: Against the philosophers speculation about the cosmos (20–21). (Cf. Menippos’ introductory evaluation.)
Likewise because of the still further increasing complexity of the narrative structure, I again have to leave out quite a few narrative levels within the second stage and concentrate on the structural elements that have to do with evaluations and resolution within this second stage: from the Moon to Heaven and in Heaven itself: (1) Menippos’ answer to Zeus in indirect speech giving the reasons for his journey including the delivery of the commissioned message as a repetition of the MoonGoddess’ divine evaluating accusation. In this way the two text-parts: first and second stage of the journey are bound together (22). (2) Within the dialogue between Zeus and the Assembly of Gods concerning the problem with the philosophers we encounter the second and final divine evaluating accusation. This time on the part of the supreme deity, i.e. Zeus himself (res supranaturalia) (29–30). (3) At the end of this dialogue the Assembly of Gods brings the resolution by means of an action, i.e. the pronouncement of judgement (res supra-naturalia): the extermination of the philosophers (res futura) (33). (4) This resolution is then confirmed by Zeus (res supra naturalia) provided though with the provisio of suspension of the verdict (res futura) (33). (5) The end of Menippos’ journey to Heaven is brought about by Zeus, who first gives the commend to take off Menippos’ wings so as to prevent him from returning to Heaven and then the command to Hermes to bring Menippos back to Kerameikos (34).
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Returning to the first level of delimitation, i.e. the epilogue as coda, Menippos anew encounters his friend, assures him – without, however, entering into a new dialogue – of having given him a full report about what took place in Heaven and tells him about his impending proclamation of the ‚good news‘ of the resolutionary verdict to the philosophers, who pace about in the porch (34 fin) ÓApanta ajkhvkoa", a{panta, w\ eJtai're, ta; ejx oujranou': a[peimi toivnun kai; toi'" ejn th/' Poikivlh/ peripatou'si tw'n filosovfwn aujta; tou'ta eujaggeliouvmeno".
VI. Macro-Structural Comparison between Icaromenippos on the One Hand and 3rd Greek Baruch and ArdƗi WirƗz NƗmag on the Other On this occasion my comparison must by necessity be limited to the most important narrative features of the macro-structure in 3rd (Greek) Baruch and ArdƗi WirƗz NƗmag with that of Icaromenippos, i.e. orientation, complication, evaluation, resolution and coda or moral.34
VI.1. The Macro-structure of 3rd or Greek Baruch In this apocalypse composed possibly in Egypt around 210 CE the heavenly journey takes place upon God’s initiative, which is indicated by the active rôle of Phamael, the angelus interpres.35 (1) Orientation: This rather late apocalypse begins with an orientation given in the prologue, which first brings a genre-designation: Dihvghsi" kai; ajpokavluyi" Barouvc, and then tells about how Baruch is sitting by the river Gel weeping over the captivity of Jerusalem (Prologue 1–2). (2) Complication: In chapter one the complication is related in connection with the question, why God has permitted Nebuchadnezzar’s plunder34
VAN DIJK, Text and Context (s. n. 28), 154 uses the term: moral for coda. Greek text and English translation are available in CARLSSON, L., Round Trips to Heaven. Otherworldly Travelers in Early Judaism and Christianity, LSHR 19, Lund 2004, 356–372: Appendix. On introductory questions, see a.a.O., 275–303; see also GAYLORD, H.E., JR., 3 (Greek Apocalypse of) Baruch, in: J.H. Charlesworth (ed.), The Old Testament Pseudepigrapha. Volume 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City, NY 1983, 653–679; HAGE, W., Die griechische Baruch-Apokalypse, JSHRZ 5/1, Gütersloh 1974; COLLINS, J.J., The Apocalyptic Imagination. An Introduction to the Jewish Matrix of Christianity, New York 1984, 198–201; SCHÜRER, E./VERMES, G./MILLAR, F./GOODMAN, M., The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C.–A.D. 135), vol. III/2, Edinburgh 1987, 789–793. 35
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ing of Jerusalem (res historia) (1,1–7). This caused a religious and political crisis! (3) Evaluation: In the description of the journey all the way to the 5th Heaven we encounter a series of evaluating sections in which ethical conduct and deficiencies in form of catalogues of vices and virtues are revealed by the angel Phamael. These series of evaluations reaches its climax in archangel Michael’s collection of the baskets of virtues brought by three groups of angels (2,1–13,5). (4) Resolution: Michael returns to „the highest heaven“ (3[Slav]Baruch 11,3) to obtain instructions from the superior Lord (res supra-naturalia) as to what should happen to the three categories of people at the day of judgement (res futura): consolation or denunciation respectively (14,1– 17,4). (5) Coda: Baruch’s return from Heaven to the place of departure is brought about by the interpreting angel, Phamael. Baruch tells about his coming to himself (kai; eij~ eJauto;n ejlqwvn), which may indicate that his journey to Heaven took place outside his body, and addresses the readers with an admonition to glorify God: „And you brethren, who happened to take part of the revelations, glorify God also so that he will glorify us now forever and in all eternity“ (res presentia) (17,1–4).
VI.2. The Macro-Structre of ArdƗi WirƗz NƗmag The second apocalypse to be compared with Icaromenippos in regard to its structure is the late iranian apocalypse ArdƗi WirƗz NƗmag composed in Pars in the 9th or 10th century CE.36 „In content and technique this apocalypse represents the culmination of all the Middle Iranian apocalyptic traditions. Not only are all the practices known from Zoroaster, WištƗsp and JƗmƗsp repeated, but a pattern emerges which seems applicable for any heavenly journey“, says Fereydun Vahman in the preface to his edition, translation and commentary.37 It was evidently written for a special group of people to tell them about the life of the soul after death on the one hand and to bring answers to the doubts among the Mazdeans about the effectiveness of their prayers and rituals on the other. Macro-structurally it is made up of 36
VAHMAN, F., ArdƗ WirƗz NƗmag. The Iranian ‚Divina Commedia‘, Scandinavian Institute of Asian Studies. Monograph Series 53, London and Malmö 1986; cf. also GIGNOUX, P., Le Livre d’ArdƗ VƯrƗz: Translittération, transcription et traduction du texte pehlevi, Paris 1984. 37 VAHMAN, ArdƗ WirƗz NƗmag (s. n. 36), 7 and 11. Cf. further WIDENGREN, G., Die Religionen Irans, RM 14, Stuttgart 1965, 37f; HULTGÅRD, A., Persian Apocalypticism, in: J.J. Collins (ed.), The Encyclopedia of Apocalypticism, vol. 1, New York 1998, 39–83, 60–62.
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the following text-sequences. These are, however, not exclusively linear, since the return of WirƗz is reported directly after the complication section in order to account for the oral report that had to be put in writing: „WirƗz ordered: ‚Bring a wise and intelligent scribe‘. They brought a ‚trained and intelligent writer‘ and he sat in front and wrote everything that was said by WirƗz, correctly, clearly and explicitly“ (pp. 3–5). Here begins then the written report about WirƗz’s heavenly journey: (1) Orientation: The distress caused by the ravages of Alexander the Great and his burning of the Avesta and Zand (p. 1). (2) Complication: Alexander’s actions against the people of Iran caused them to be doubtful with regard to the matter of Gods. The religion at the time of ƖdurbƗd i MahraspandƗn under ŠƗhpnjhr II (309–379 CE) was in confusion (res historia).38 This is also a religious and political crisis (p. 2)! (3) Evaluation: After having taken the wine mixed with mang/hanbane,39 WirƗz encounters two angeli interpretes, Sroš and Adur, who take him to the ýinwad-Bridge and further to Heaven, where he encounters the assembly of Gods, on which occasion ƿhrmazd gives order to the angeli interpretes to „take pious WirƗz and show him the places and rewards of the righteous and also the punishment of the wicked“ (11,6). WirƗz first comes to the first Heaven, i.e. the „station of the stars“, where those righteous dwell who did not observe the religious practices; then to the second Heaven, „the station of the moon“, which holds the same kind of righteous people, except that there social status is not mentioned; then he is taken to the third heaven, „the station of the sun“, whose righteous ones exercised good sovereignty, rulership and authority; finally WirƗz arrives in Paradise itself, where he is shown the destiny of the righteous dead with their virtues. After having been brought back to the ýinwad-Bridge he is taken to Hell, where he in a long series of visions is shown the destiny of the unrighteous men and women with their vices. The visits to Heaven and Hell constitute the evaluation section with regard to ethical conduct on the one hand and the right celebration of the true religion on the other (pp. 7–54). (4) Resolution: From ƿhrmazd, the supreme deity himself (res supranaturalia), WirƗz obtains the resolution to the complication in form of an 38
See also WIDENGREN, Religionen Irans (s. n. 37), 253f. Cf. Evidently already Zarathustra made use of the drug technic (Bahman Yašt II 5–6: the trance lasted seven days and seven nights) as did his patron Kavi VištƗspa (The Pahavi RivƗyats accompaning the DƗtastƗn i DƝnƯk p. 139,13–18: VištƗspa immediately becomes unconscious and is lead to paradise after he has been given wine mixed with henbane/mang by NƝryǀsang, the messenger of ƿhrmazd); see VAHMAN, ArdƗ WirƗz NƗmag (s. n. 36), 8; WIDENGREN, Religionen Irans (s. n. 37), 69–74; HULTGÅRD, A., Forms and Origins of Iranian Apocalypticism, in: D. Hellholm (ed.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 2 1989, 387–411, 400–405. 39
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instruction to tell the Mazdeans: „There is only one way of righteousness, the way of the primal teachings or orthodoxy, because the other ways are no ways. Take that one way of righteousness and do not waver from it […] and practice ‚good thoughts‘,‚good words‘ and ‚good deeds‘. And be steadfast in that same religion which SpitƗma Zoroaster received from me, and which Wištasp spread in the world. Maintain proper justice and abstain from the improper“ (res futura) (p. 55). (5) Coda/moral: On the command of ƿhrmazd, the pious Sroš transferred WirƗz victoriously and bravely to his bedding place, from which his „soul […] went from his body to the ‚lawful summit‘ the ýinwad bridge, and on the seventh day returned and entered his body“, which is a clear indication that his journey to Heaven took place outside the body. Thereafter WirƗz told the Mazdeans about his heavenly journey and what he had been commended by ƿhrmazd to say, i.e. the resolutionary message (res presentia) (p. 55).
VII. Summary of Comparison The macro-structure of the three texts analyzed above are strikingly similar: (1) A Heavenly journey occurs in all three texts; (2) The five narrative components are present in all three texts; (3) The Heavenly journeys bring solutions to the problems (various types of crises) that initiated the journeys in the first place and do so by means of divine resolutions. (4) In all three cases the return of the messenger is effectuated by an angel or divine being: in 3Bar by Phamael, in ArdƗi WirƗz NƗmag by Sroš and in Icaromenippos by Hermes. In addition, in ArdƗi WirƗz NƗmag, in Icaromenippos and in the Slavonic version of 3Bar40 this is done on explicit commands by the supreme deities. (5) In every text the message from the supra-natural world is brought to specific groups of inhabitants of this world: in 3Bar to the Jewish breathren, in ArdƗi WirƗz NƗmag to the Mazdeans and in Icaromenippos to the philosophers in the Ȇoikivlh stoav.
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Ch. 17: „And a voice from heaven came, saying, ‚Bring Baruch down to the face of all the earth […]‘ “. According to Gaylord, „The slavonic is a translation of a lost Greek original“ (IDEM, 3 (Greek Apocalypse of) Baruch“ [s. n. 35], 653); cf. 2(Slav)En 38,1–2: „And the Lord said to those men [cf. 1,4.6–10: ‚two huge men‘] who had brought me up at the first, ‚let Enoch descend onto the earth with you‘. […] And they placed me at nighttime on my bed“ (Trans. ANDERSEN, F.I., 2 [Slavonic Apocalypse of] Enoch, in: Charlesworth [ed.], Pseudepigrapha [s. n. 35], ad loc).
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(6) In these three texts the destiny after life is thematized by means of the paraenetic injunctions or semi-cognitive informations within the evaluation sections: in 3Bar mainly in form of lists of vices and virtues, in ArdƗi WirƗz NƗmag in form of interpretations of visions in Heaven and Hell by the two angeli interpretes and in Icaromenippos in form of human and dramatic divine accusations and resolution. There are, however, also important differences to be noted. I confine myself here only to a few significant ones: (1) In 3Bar the Heavenly journey is initiated by the supreme deity and carried out by the angel Phamael; in ArdƗi WirƗz NƗmag it is the Mazdeans who decide to send the soul of the pious WirƗz to the Heavenly World; in Icaromenippos the initiative is taken by Menippos himself; in the last two cases the initiative is taken by human beings, not by a supreme deity. (2) [a] In 3Bar the resolution contains a double illocution in form of explicit admonitions to act in an ethically responsible manner (list of virtues) and to abstain from unethical conduct (list of vices). In Leif Carlsson’s words: „Baruch’s heavenly journey is an anticipatory model for the journey every person must take after death. […] His heavenly journey should inspire others to a life of good deeds“.41 [b] In ArdƗi WirƗz NƗmag the resolution is also double as far as the ethical side is concerned although here explicit only in mentioning the ‚good thoughts‘,‚good words‘ and ‚good deeds‘ (already in Avesta, e.g.: Hadoxt Nask 2. 12,14,18)42 otherwise merely implicit in form; in addition to the implicit positive as well as negative ethical admonitions or warnings in the interpretations of the visions in Heaven and in Hell, there is the explicit resolutionary encouragement of ƿhrmazd to the Mazdeans to hold on to „the way of righteousness, the way of the primal teachings or orthodoxy“; both aspects are also present in regard to the destiny of the souls after death, which is affirmed by the greetings addressed to WirƗz by the pious Sroš and the god Adur as angeli interpretes, „Be welcome, you righteous WirƗz, even if it was not yet the time for you to come“ (p. 8). [c] In Icaromenippos there is no admonition contained in the resolution given by the Assembly of Gods and its confirmation by Zeus. In Lucian’s text there is no positive illocution at work, only the extreme negative threat over against the philosophers. Lucian has nothing positive to communicate as a result of Menippos’ Heavenly journey. That is the satirical and scornful part of his parody! (3) The linear narrative structure differs between 3Bar on the one hand and ArdƗi WirƗz NƗmag and Icaromenippos on the other as far as the preparation 41 42
CARLSSON, Round Trips to Heaven (s. n. 35), 350. German translation in WIDENGREN, G., Iranische Geisteswelt, Baden-Baden 1961, 173–175.
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for the heavenly journey is concerned: in 3Bar Baruch is weeping over the captivity of Jerusalem and while doing so the angel Phamael approaches him and takes him on the journey; the dialogue between the two is very short (prologue and ch. 1). In ArdƗi WirƗz NƗmag the consultation among the religious leaders is long and complicated, the agreement to send WirƗz and the preparations as well as his safe return are related before the journey itself can be told (pp. 1–7). Likewise in Lucian’s parody Menippos has already returned from his journey and is involved in a lively dialogue with his friend letting him know about the preparations for the journey before in ch. 11 the „Reisebericht“ begins. As a consequence the distribution of Orientation, Complication, Evaluation within the preparatory sections varies: In 3Bar as well as in ArdƗi WirƗz NƗmag only Orientation- and Complication-sections occur before the journey begins while in Icaromenippos due to the long dialogue also Menippos’ human Evaluations are included. There can, in my view though, be no doubt about Icaromenippos being modeled after the generic literary macro-structure of the genre apocalypse.
VIII. Icaromenippos as a Parody of an Apocalypse In order to show that Lucian is writing a parody of an apocalypse, it is pertinent to start with a syntagmatic analysis of the macro-structure and only then to look at the paradigmatic comic or satiric features in the text. As always the beginning and ending of a text are the most important in this connection.
VIII.1. The Syntagmatic Analysis of the Macro-Structure The first part of the double title: IKAROMENIPPOS could lead the readers to believe that the text is a parody of a well-known story or a single other text. It is, however, certainly a misunderstanding, when Helm remarks that „Nicht dem Ikarus müßte sich, genau genommen, der Emporfliegende vergleichen, sondern dem Dädalus“.43 Here Helm has thoroughly failed to observe Lucian’s careful parodic formulation, when by means of this very choice he already in the title indicates that Menippos’ destiny in fact is going to be the same as Icaros’ insofar as he also will loose his wings although not – as the reader will learn at the end – because of melting wax (3 43
HELM, R., Lucian und Menipp, Leipzig/Berlin 1906, 110.
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init.) but because of a divine decree by Zeus himself so as to prevent Menippos from returning to the realm of the Gods on the one hand (34 init.) and on the other to enable him to deliver the ‚good news‘ to those who in ignorance ‚pace about in the porch‘ (34 fin.). Thus already in the title a reference is made to the „completion of Menippos’ heavenly journey“. As if Menippos would have been unable to find another eagle and vulture and start all over again! The second part of the title: UPERNEFELOS is an indication of a parody or a burlesque, not of a story in general or another text-manifestation but rather of a literary „type of text“, i.e. a „revelatory writing“ or a literary „genre“, i.e. an „apocalypse“ or indeed of a literary „sub-genre“, i.e. an „apocalypse with an other-worldly or heavenly journey“, which probably is the intended meaning of the somewhat parodic UPERNEFELOS instead of APOKALUYIS as in 3Bar. UPERNEFELOS is after all not in the same way polysemic as is APOKALUYIS.44 As is the case with the title of Lucian’s treatise De parasito so also in Icaromenippos it is obvious that the title is deliberately formulated as a double title, since as Nesselrath formulates it: „Die Eingangspartie stellt […] sehr klar die in der Überschrift genannten beiden Themen […] in den Mittelpunkt der Diskussion“:45 1) the otherworldly journey: „my strange story is like a fable […] You have improved on Daedalos“ (to; paravdoxon tou' lovgou muvqw/ […] tou'to me;n h[dh kai; uJpe;r aujto;n Daivdalon [2 fin.]) and 2) the return from heaven: „I who just have returned from a visit to Zeus […] Menippos, just dropped from the sky, has come to us from heaven“ (o}" ajrtivw" ajfi'gmai para; tou' Diov" […] Mevnippo" hJmi'n diapeth'" pavrestin ejx oujranou' [2 init.]). One should furthermore notice the narrative correspondences on the text-level between the prologue and the epilogue (34 fin.): (a) Menippos’ return from Heaven to Earth, the place of return is now specified to be Kerameikos, the Potters’ Quarter; (b) the renewed encounter with the friend as interlocutor albeit the lack of a dialogue and (c) the return to the philosophers, this time, however, not for searching advice but for deliverance of the „good news“ about their perdition as the divine verdict from on high. In this manner the unity not only of this text but also of the ‚narrative‘ or even of the ‚apocalypse‘ as a whole is established in the most elaborate way, a statement which is substantiated by the parallelism between the epilogues in Icaromenippos, in 3 Baruch 17 (the Greek as well as the Slavonic version) as well as in ArdƗi WirƗz NƗmag as was demonstrated above already. While 44
Regarding the polysemy of the lexeme Apocalypses, see the various types of apocalypses described in: COLLINS, Apocalypse (s. n. 3). 45 NESSELRATH, H.-G., Lukians Parasitendialog. Untersuchungen und Kommentar, UALG 22, Berlin/New York 1985, 250.
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the assistance of divine attendants is a serious assignment, in the two other apocalypses: „And taking me, the angel returned me to where I was at the beginning“ in 3 Baruch; „Than Sroš, the pious, transferred me victoriously and bravely to this bedding place“ in ArdƗi WirƗz NƗmag, it is humorous and scornful in Icaromenippos: „whereupon the Cyllenian (i.e. Hermes) picked me by the right ear and while letting me hang down (ejme; de; Kullhvnio~ tou` dexiou` wjto;~ ajpokremavsa~) took me to Kerameikos yesterday evening“. It cannot be by chance that there is a clear correspondence between the first word in the title Icaromenippos, being an ironic indication of how Menippos’ journey will end, and the very last scornful – while ironic – word in this apocalyptic parody: eujaggeliouvmeno", which by means of transformation46 of meaning indicates how the life of the philosophers will end. Another ironic feature, which relates to the communication hierarchy is the upside-down-structure of transposition in comparison with other apocalypses: As we noted already, in Lucian’s satire it is Menippos alone as human agent, who takes the initiative for the other-worldly journey. In this way Menippos in fact becomes an ascending messenger for himself and then for a Goddess of lesser dignity in the lower regions to the supreme deities in Heaven.47 For the purpose of demonstrating the correspondence between the communication embedment and the ranking of agents, I quote a significant passage from the dialogue between Zeus and the Gods in the court-session (29 init.): The reason for calling you together is supplied, of course, by our visitor here yesterday, but I have long wanted to confer with you about the philosophers and so, being stirred to action by the Moon-Goddess in particular and the criticisms that she makes, I have decided not to put off the consultation any longer.
In this quotation Zeus himself confirms the communication hierarchy just mentioned: Menippos as the visitor and messenger, the Moon-Goddess the accuser, Zeus as the judge, and finally the Council as the jury. The only one missing is Empedocles, but since he was not involved in the process of accusation he is missing for that very reason.
46
77.
47
Cf. PLETT, H.F., Ironie als stilrhetorisches Paradigma, Kodikas/Code 4/5, 1982, 75–89, esp.
Cf. STOCKER, Parodie (s. n. 8), 639: „P[arodie] und aptum. Ein typisches Merkmal der parodistischen Intertextualität ist die Verwendung der Unangemessenheit als P.-Signal. Unangemessenheit entsteht, wenn die Transposition von Figuren, Motiven, Stilelementen usw. zu einer kotextuellen oder kontextuellen Inkongruenz führt“.
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VIII.2. Paradigmatic Aspects: Some Similarities Some remarkable similarities besides the syntagmatic ones are worthwhile mentioning in brief: (1) Astronomical distances that are given in Icaromenippos: 3000 stavdioi from the earth to the moon, 500 parasavggai from the moon to the sun, and a day’s flight for an eagle from there to Heaven have their approximate equivalents in 3Bar, where it is said that after entering the first heaven it took about a 30 days’ journey (2,2); after entering the second heaven it took about a 60 days’ journey (3,2); and after entering the third heaven it took about 185 days of travel (4,2); no mention of distance within the fourth (10,1?) and fifth (11,1) is made. In ArdƗi WirƗz NƗmag the astronomical road is laid out as follows: „And I (WirƗz) took the first step to the ‚level of the stars‘“ (p. 12); „And I took the second step to the ‚level of the moon‘“ (p.12); „I took the third step […] to the ‚level of the sun‘“ (p. 13); and finally „I took the fourth step to the radiant, ever blissful Paradise“.48 (2) Wings are also an attribute in 3Bar: „and we entered as on wings“ (2,2); „and we entered flying about the distance of 60 days’ journey“ (3,2).49 (3) At the banquet Menippos is secretly, that is without Zeus’ knowledge, offered Nectar by Ganymedes uJpo; filanqrwpiva", since Nectar is only for the Gods to drink (27 med.). A similar divine meal is also offered to WirƗz by the souls of the deceased, when they invite him to „eat of immortality, because“ – as they say – „for a long time you shall enjoy peace here“, erraneously believing that he is dead (p. 14).
VIII.3. Paradigmatic Aspect: One Dissimilarity In 3Bar as in ArdƗi WirƗz NƗmag the Sitz im Leben is explicitly a religious and political crisis; this is as far as the political agenda is concerned so – although only implicitly – also the case in Icaromenippos; explicitly it is a philosophical-cultural crisis. This combination of cultural and political crisis was pointed out already by Karl Mras.50 In his satirical way Lucian is
48 For the importance of the division of translunar and sublunar regions in Greek philosophy and Religion, see BURKERT, W., Griechische Religion, RM 15, Stuttgart 1977, 485–488. 49 Cf. also ApkAbr XV,2: „And the angel took me with his right hand and set me on the right wing of the pigeon and he himself sat on the left wing of the turtledove […]“. 50 MRAS, K., Die Hauptwerke des Lukian. Griechisch und Deutsch, München 21980, 510f.
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showing his negative sentiment over against Greek philosophy,51 which becomes especially evident in his [3rd Dialogue of the Gods] and his 21st Dialogue of the Dead where he ridicules Socrates in a most devastating way. In his attack on Greek culture Lucian, a Syrian from Samosata is in good company with other Syrians like Menippos (first part of the 3rd century BCE)52 and Oinomaos (contemporary Hadrians),53 both cynics from Gadara as well as Tatian from the Eastsyrian-Northmesopotamian region (* ca. 120 CE), the convert from Sophism to Christianity.54 A Syrian cultural and political patriotism is emerging.
IX. Lucian’s Background from Commagene Since I have drawn parallels between Icaromenippos and the ǿranian apocalypse ArdƗi WirƗz NƗmag, I should, in addition to what has just been said, give further justification for doing so: (1) The syntagmatic similarity between the two texts speaks for itself; (2) When giving the distance between the moon and the sun, Lucian uses precisely the Iranian term parasang. (3) Lucian was born between 115 and 125 CE in Samosata on Euphrat, the capital of the kingdom of Commagene, the eastern border province of the Roman empire Syria. He died in the late 180’s or early 190’s.55 It is likely that the Syrian author MƗrƗ bar Sarapion in his letter to his son from around 100 CE refers to Zurvanism (the Median god „Time“ = Zurvan) as he mentions the distress of having been forced to leave Samosata and awaits his death as has been pointed out by Geo Widengren a long time ago.56 (4) The Iranian influence in the region of Commagene was noticed already by Wilhelm Bousset and Hugo Greßmann, when they stated that „[s]ehr beachtenswert ist […], daß sich zwar nicht die Formel (sc. Licht und Finsternis, Lüge und Wahrheit), wohl aber derselbe Gegensatz zwischen ‚diesem‘ und ‚jenem Aion‘ auch in der sicher iranisch beeinflußten Religion von Kommagene in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. nachweisen läßt.“57 This was also emphasized by 51
See hereto the differentiated presentation in NESSELRATH, Lukian und die antike Philosophie, in: EBNER U.A., Lukian (s. n. 33), 135–152. 52 See BAUMBACH, M., M[enippos] aus Gadara, DNP 7, 1999, 1243–1244. 53 See GOULET-CAZÉ, M.-O., Art. Oinomaos von Gadara, DNP 8, 2000, 1145–1146. 54 RIST, J., Art. Tatianos, DNP 12/1, 2002, 42–43. 55 See NESSELRATH, H.-G., Lukianos, DNP 7, 493–501, 493; IDEM, Lukian: Leben und Werk, in: EBNER ET AL., Lukian (s. n. 33), 11–31. 56 WIDENGREN, Iranische Geisteswelt (s. n. 42), 80. 57 BOUSSET, W./GRESSMANN, H., Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter, HNT 21, Tübingen 41966, 516.
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Widengren, when he pointed to the inscription of Antiochus of Commagene (69–34 BCE),58 to which already Bousset had drawn attention in his article „Die Himmelsreise der Seele“ from 1901.59 Noteworthy in our connection is also Bousset’s reference to Lucian’s Necyomantia ch. 6, where Lucian writes: „I resolved to go to Babylon and address myself to one of the magi, the disciples and successors of Zoroaster (tivno~ tw`n Zwroavstron maqhtw`n kai; diadovcwn), as I had heard that with certain charms and ceremonials they could open the gates of Hades […]“.60 (5) Two recent publications from 2000,61 one by Elmar Schwertheim62 and another more detailed by Jörg Wagner63 have pointed to the syncretistic development in Commagene already during Antiochos I. Theos’ term of office (69–36 BCE).64 Two examples may suffice: (a) Greek gods are identified with Iranian deities, e.g. Zeus is Zeus-Oromasdes, Hera is HeraCommagene, Apollon is not only Apollon but Apollon-Mithras-HeliosHermes and Artagnes-Herakles-Ares as can be seen on the cultic inscriptions from Nemrud Da÷i.65 (b) This is also true with regard to the dresses as can be seen on coins.66 At the cultic ceremonies the priests wore Persian
58
WIDENGREN, Die Religionen Irans (s. n. 37), 194. BOUSSET, W., Die Himmelsreise der Seele, in: ARW 4, 1901, 136–169 and 229–273; reprinted as booklet: Die Himmelsreise der Seele, Libelli 71, Darmstadt 1971, here p. 33; see also MRAS, Hauptwerke des Lukian (s. n. 50), 526f. 60 BOUSSET, ibid. Cf. now also NESSELRATH, Lukian und die Magie, in: EBNER U.A., Lukian (s. n. 33), 155. 61 I am much obliged to Professor Dr. Dietrich-Alex Koch for drawing my attention to these publications. 62 SCHWERTHEIM, E., Die Kommagene: Ein Königreich am Rande des Imperium Romanum. Zur Bedeutung des Nemrud Da÷, in: H.-P. Müller/F. Siegert (ed.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum, MJSt 5, Münster 2000, 75–86. 63 WAGNER, J., Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult, in: idem (ed.), Gottkönige am Euphrat. Neue Ausgrabungen und Forschungen in Kommagene, Sonderbände der antiken Welt. Zaberns Bildbände zur Archäologie, Mainz 2000, 11–25. 64 WAGNER, Könige (s. n. 63), 17: „[…] so daß diese Frühphase des Kultes von der späteren synkretistischen Stufe zu trennen ist“; ibid., 18: „Den Wendepunkt vom hellenistischen Herrscherkult seleukidischer Prägung zu einem griechisch-persischen Religionssynkretismus, in dem astraltheologische Vorstellungen eine wesentliche Rolle spielen, kennzeichnet das auf den 7. Juli 62 v. Chr. datierte Löwenhoroskop auf dem Nemrud Da÷i – neben den großen Kultinschriften das entscheidende Dokument für das religiöse Denken Antiochos’ I. und der Schlüssel zum Verständnis der Anlage auf dem Nemrud Da÷i.“ 65 German translation of lines 35ff of the Dexiosis-relief in SCHWERTHEIM, Kommagene (s. n. 62), 82. WAGNER, Könige (s. n. 63), 14: „Der griechisch-iranische Verschmelzungsprozeß, der in den Kulttexten in der Benennung der ‚väterlichen Götter aus Persien und Makedonien‘ (ZeusOromasdes, Apollon-Mithras-Helios-Hermes und Artagnes-Herekles-Ares) deutlich wird, findet seinen auffälligsten Ausdruck in den Kultreliefs.“ 66 See the pictorial representation in WAGNER, Könige (s. n. 63), 19. 59
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dresses with the typical Tiara as is evident from the Dexiosis-relief also from Nemrud Da÷i.67 This paper is two short to allow any definite conclusions, but my conviction is that Lucian when writing Icaromenippos could rely on apocalypses known to him from the Iranian as well as the Jewish and Jewish-Christian tradition.68 This could also explain why he wrote not only Icaromenippos but also Necyomantia. What was kept together not only in the Iranian but also in the Jewish-Christian tradition, here represented by ArdƗi WirƗz NƗmag and 3Bar, Lucian has divided into two separate parodic writings, for which we should be grateful. Two funny stories instead of one only!
X. Appendix: Paul’s Report about his Other-Worldly Journey (2Kor 12,2–4 with Co-text) Finally we will take a brief look at the Heavenly Journey reported by Paul in 2 Corinthians 12. The background for Paul’s report about his heavenly journey has mainly been seen either in Jewish apocalyptic texts or in the merkabah mysticism.69 2Kor 12,1ff is according to the definition given above certainly not a narrative, since it lacks the essential criteria of a narrative and thus also of an apocalypse proper.70 Rather it has to be defined as a report of a heavenly journey.71
X.1. Definition of a Report The following characteristics of a report are significant in contrast to those of the narrative: (a) It does not elaborate on the events but rather sums them 67 See SCHWERTHEIM, Kommagene (s. n. 62), 81.85. Cf. also WIDENGREN, Religionen Irans (s. n. 37), 184. 68 See also the general influence of Iranian traditions on Jewish apocalyptic texts like, e.g., Daniel: KOCH, K., Weltgeschichte und Gottesreich im Danielbuch und die iranischen Parallelen, in: IDEM, Die Reiche der Welt und der kommende Manschensohn. Studien zum Danielbuch. Gesammelte Aufsätze, Band 2, Neukirchen-Vluyn 1995, 46–65; IDEM, Daniel, BK XXII/1, NeukirchenVluyn 2005, 124–138.187; 195–197 (Commagene!); 203–206 et passim. Further WIDENGREN, G./HULTGÅRD, A./PHILONENKO, M., Apocalyptique iranienne et dualisme Qoumrânien, RI 2, Paris 1995. 69 See the discussion in CARLSSON, Round Trips (s. n. 35), 163–191. 70 See above and furthermore GÜLICH/QUASTHOFF, Story-Telling (s. n. 5), 223f. 71 Cf. PANKAU, J.G., Art. Bericht, HWR 1, 1992, 1485ff.
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up;72 (b) a significant selection is carefully chosen;73 (c) direct speech is replaced by indirect speech;74 (d) it „represents a past event from the perspective of the present“;75 (e) it lacks the evaluating and moral components and its degree of details is low;76 (f) the speaker in a report distances himself from the I of the agent;77 (g) there is no „replaying“ of a past event as in a narrative.78
X.2. The Other-Worldly Journey in 2 Corinthians Before commenting upon Paul’s heavenly journey I give the text of 2Kor 12,1–7 with the report of the journey itself in columns as well as its preceding and subsequent co-text:79 1
Kauca`sqai dei`. ouj sumfevron mevn, ejleuvsomai de; eij~ ojptasiva~ kai; ajpokaluvyei~ kurivou. 2
oi\da a[nqrwpon ejn Cristw/` pro; ejtw`n dekatessavrwn, ei[te ejn swvmati oujk oi\da, ei[te ejkto;~ tou` swvmato~ oujk oi\da, oJ qeo;~ oi\den, aJrpagevnta to;n toiou`ton e{w~ trivtou oujranou`. ----
3
kai; oi\da to;n toiou`ton a[nqrwpon, ---ei[te ejn swvmati ei[te cwri;~ tou` swvmato~ oujk oi\da, oJ qeo;~ oi\den, 4 o{ti hJrpavgh eij~ to;n paravdeison kai; h[kousen a[rrhta rJhvmata a} oujk ejxo;n ajnqrwvpw/ lalh`sai.
5
uJpe;r tou` toiouvtou kauchvsomai, uJpe;r de; ejmautou` ouj kauchvsomai eij mh; ejn tai`~ ajsqeneivai~. 6 ÆEa;n ga;r qelhvsw kauchvsasqai, oujk e[somai a[frwn, ajlhvqeian ga;r ejrw`: feivdomai dev, mhv ti~ eij~ ejme; logivshtai uJpe;r o} blevpei me h] ajkouvei ti ejx ejmou`
72
GÜLICH/QUASTHOFF, Story-Telling (s. n. 5), 225. REHBEIN, J., „Sequenzielles Erzählen“, in: Ehlich (ed.), Erzählen im Alltag (s. n. 18), 64– 108, 83. 74 GÜLICH/QUASTHOFF, Story-Telling (s. n. 5), 225. 75 GÜLICH/QUASTHOFF, Story-Telling, ibid.; REHBEIN, Sequenzielles Erzählen (s. n. 73), 82–85. 76 QUASTHOFF, Erzählen in Gesprächen (s. n. 14), 180. 77 QUASTHOFF, Erzählen in Gesprächen (s. n. 14), 182. 78 See GOFFMAN, E., Frame Analysis. An Essay on the Organization of Experience, Boston 1974, 504–506. 79 Cf. the setup in columns in ZMIJEWSKI, J., Der Stil der paulinischen „Narrenrede“. Analyse der Sprachgestaltung in 2 Kor 11,1–12,10 als Beitrag zur Methodik von Stiluntersuchungen neutestamentlicher Texte, BBB 52, Köln-Bonn 1978, 335; CARLSSON, Round Trips (s. n. 35), 170. The two analogous parts are noticed also by WINDISCH, H., Der zweite Korintherbrief, KEK 6, Göttingen 1970 [= 1924], 371 and BETZ, H.D., Der Apostel Paulus und die sokratische Tradition, BHTh 45, Tübingen 1972, 89f. 73
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kai; thæ` uJperbolhæ` tw`n ajpokaluvyewn. dio; i{na mh; uJperaivrwmai, ejdovqh moi skovloy thæ` sarkiv, a[ggelo~ satana`, i{na me kolafivzhæ, i{na mh; uJperaivrwmai.
When comparing the Pauline text with the characteristics of a report we can ascertain the following: (a) Paul does not elaborate on his journey, he simply gives a minimal summary;80 (b) Paul makes a sparse selection of the events:81 the event happened fourteen years ago, the „man in Christ“ was snatched to the third heaven, to paradise;82 in the body or outside of the body Paul does not know, only God knows; here „the man“ heard unutterable words unlawful to divulge; (c) the events are given in the third person (except for Paul’s statements about what he knows or not), thus direct speech is replaced by indirect speech; (d) it represents a past event from the perspective of the present (aJrpagevnta, hJrpavgh, h[kousen – oi\da, oi\den);83 (e) no evaluating or moral (coda) components and practically no details are given; (f) Paul is distancing himself from the a[nqrwpo~ ejn Cristw/`; (g) oJ toiou`to~ a[nqrwpo~ is not „replaying“ the events during the heavenly journey. While in the report the 3rd person singular is used (except, of course, where Paul is telling about what he knows about „the man’s“ experience), in the preceding and subsequent co-texts the description is formulated in the 1st person singular.84 This is according to many exegetes an indication of how Paul demonstrates his distance to his experience, which has been interpreted in different ways.85 What has not been observed so far, however, is 80
Cf. ROWLAND, C., The Open Heaven. A study of Apocalyptic in Judaism and Early Christianity, New York 1982, 244, 380f; WOLFF, C., Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, ThHK 8, Berlin 1989, 241. 81 FURNISH, V.P., II Corinthians, AncB 32A, Garden City, NY 1984, 545: „In summary, the apostle has provided his readers with very little information about this extraordinary journey, and he has had nothing to say about its possible religious significance. How, precisely, he was taken up to Paradise he does not know, what he saw there he does not say, and what he heard there he must not repeat“. 82 Regarding rapture in ancient religions, see STRECKER, G., Art. Entrückung, RAC 5, 1962, 461–476; ZELLER, D., Art. Entrückung, RGG 2, 41999, 1332f. Regarding aJrpavzein see BETZ, H.D., Lukian von Samosata und das Neue Testament. Religionsgeschichtliche und paränetische Parallelen, TU 76, Berlin 1961, 169 with note 3. 83 Cf. ZMIJEWSKI, Stil (s. n. 79), 335. 84 Cf. THRALL, M.E., The Second Epistle to the Corinthians, vol. II, ICC, Edinburgh 2000, 817. Already WEISS, J. (Beiträge zur Paulinischen Rhetorik, in: C.R. Gregory u.a. (ed.), Theologische Studien (FS B. Weiß), Göttingen 1897, 165–247, 191f) pointed out the parallelismus membrorum between the stanzas 1a. b. c. [v. 2] and 2a. b. c. [vv. 3–4]: „In langsamer spannender Weise werden wir allmählich dem Geheimnis näher geführt, nicht ohne dass der schon einmal gelüftete Schleier wieder gesenkt würde“. Weiß also very aptly noticed: „Und wo wir am Ziel sind, 2c [v. 4] – da kennt der Apostel keine Form mehr, sondern häuft Aussage auf Aussage“. 85 Cf. KÄSEMANN, E., Die Legitimität des Apostels. Eine Untersuchung zu II Korinther 10–13, Libelli, Darmstadt 1956, 55.58–59; BULTMANN, R., Der zweite Brief an die Korinther, KEK, Göttingen 1976, 221.224; ZMIJEWSKI, Stil (s. n. 79), 336; CARLSSON, Round Trips (s. n. 35), 171.
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that from a literary point of view, the function of the usage of the third person in the genre „report“ is for the speaker a means to distance himself from the I of the agent.86 Another interesting observation is the structural parallelism displayed above. Since the time of the journey (pro; ejtw`n dekatessavrwn) is given only in the first column, both columns evidently relate one and the same happening.87 This has consequences for the rhetorical analysis: through this parallelism the report obtains an amplifying structure,88 especially since only at the end of the second column Paul indicates what „the man“ heard but cannot disclose to the readers/hearers of the report.89 This on the other hand can help in deciding whether the second part with the mentioning of the paradise is identical with the first part or a second act of rapture to a heaven above the third one.90 When Paul as so often makes use of the figure amplificatio,91 then the first and second part report the same happening and the paradise is consequently to be located in the third heaven. In addition, as Windisch points out, one would have expected a meta; tau`ta, ejkei`qen or a similar expression in V. 11.92 The question whether the report of the heavenly journey is real or fictive cannot concern us here. The interpretation of the report as an ironic self-parody by Hans Dieter Betz, though, cannot be substantiated.93 There are no indications in 86 The literary style is already observed, although not in connection with the genre „report“, by WINDISCH, Zweiter Korintherbrief (s. n. 79), 370. BETZ, Apostel Paulus (s. n. 79), 95f and LINCOLN, A., ‚Paul the Visionary‘: The Setting and Significance of the Rapture to Paradise in II Corinthians XII.1–10, NTS 25, 1979, 204–220, 208f both refer to style, but to a different style pattern, viz. the Socratic tradition. ZMIJEWSKI, Stil (s. n. 79), oscillates between ‚Bericht‘ (333) and ‚Erzählung‘ (334). 87 ZMIJEWSKI, Stil (s. n. 79), 335; BULTMANN, Zweiter Brief an die Korinther (s. n. 85), 223; WOLFF, Zweiter Brief an die Korinther (s. n. 80), 244; CARLSSON, Round Trips (s. n. 35), 170.176. 88 Cf. HELLHOLM, D., Universalität und Partikularität. Die amplifikatorische Struktur von Römer 5,12–21, in: D. Sänger/U. Mell (ed.), Paulus und Johannes. Exegetische Studien zur paulinischen und johanneischen Theologie und Literatur, WUNT 198, Tübingen 2006, 217–269, 260f; further ZMIJEWSKI, Stil (s. n. 79), 335: synthetischer Parallelismus: „Der zweite Bericht nimmt den Inhalt des ersten variierend auf […] und führt ihn (steigernd) weiter“; THRALL, Second Corinthians II (s. n. 84), 790f; EADEM, Exegetical Issues in 2 Cor 12,2–4, in: Bieringer, R. (ed.), The Corrinthian Correspondence, BETL 125, Leuven 1996, 347–363, 356ff. 89 See BULTMANN, Zweiter Brief an die Korinther (s. n. 85), 223. When BOUSSET, Die Himmelsreise der Seele (s. n. 59), 12f maintains that the „third heaven“ (v. 2) and „the Paradise“ (v. 4) are located in two different stations, since otherwise the repetition would be superfluous, he overlooks the rhetorical amplificatio structure, see hereto also YARBRO COLLINS, A., The Seven Heavens in Jewish and Christian Apocalypses“, in: EADEM, Cosmology and Eschatology in Jewish & Christian Apocalypticism, JSJ.S 50, Leiden 1996, 21–54, 31. 90 Cf. WINDISCH, Zweiter Korintherbrief (s. n. 79), 371. 91 See HELLHOLM, Universalität und Partikularität (s. n. 88), 260–262. 92 WINDISCH, Zweiter Korintherbrief (s. n. 79), 371; thus also THRALL, Second Corinthians (s. n. 84), 792. 93 BETZ, Apostel Paulus (s. n. 79), 72–73.82–85.89–95: „Paulus parodiert Typisches und identifiziert sich damit nur ironisch“ (89); similarly LINCOLN, ‚Paul the Visionary‘ (s. n. 86), 206; FURNISH, II Corinthians (s. n. 81), 543. This does not, however, exclude the parodic use of the
Lucian’s Icaromenippos as a Parody of an Apocalypse
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the report itself that it is ironically meant so as to expose Paul’s opponents in 2 Corinthians.94 How a parody looks like is demonstrated in Lucian’s Icaromenippos! When Paul maintains that he does not know whether his rapture into the third heaven took place in the body or outside the body, both variants have models in apocalyptic literature. In 3Bar 17,3 Baruch’s other-worldly journey evidently took place outside the body when he says: „And when I came to myself, I praised God“,95 which also has parallels in hellenistic conceptions as in the myth of Er in Plato, Politeia X 614–621, 614b–c and 621b: o{phæ mevntoi kai; o{pw~ eij~ to; sw`ma ajfivkoito, oujk eijdevnai, ajllÆ ejxaivfnh~ ajnablevya~ ijdei`n e{wqen auJto;n keivmenon ejpi; thæ` pura/`. This is also the case in ArdƗi WirƗz NƗmag as we saw above:96 The pious Sroš transfered WirƗz victoriously and bravely to his bedding place, which explicitly indicates that his journey to Heaven took place outside his body. Examples of a bodily journey to Heaven are also attested in Jewish apocalyptic texts such as 1En 1,6–10; 3,1 and TestAbr 8,1–3; 12,12–14. This is also the case in Lucian’s Icaromenippos, where Menippos even makes his own wings enabling him to take on the journey to Zeus and the assembly of gods. As far as the trivto~ oujranov~ in Paul’s report is concerned Franz Cumont has drawn attention to the three stages in Menippos’ journey:97 It was three thousand furlongs, then, from the earth to the moon, my first stage; and then from there up to the sun perhaps five hundred leagues; and from the sun to heaven itself and the citadel of Zeus would be also a day’s ascent for an eagle traveling light.
This is the account in the introductory monologue (1). In the narrative itself, however, only two stages are in focus, since after the take off from the moon Menippos did not stop at the sun but „took the sun on [his] right and flew past the stars and on the third day [he] drew near to Heaven“ (22 init.). Does Lucian hereby imply that Menippos after all had Icaros’ destiny in mind? Further one should also compare WirƗz Heavenly journey in ArdƗi WirƗz NƗmag: he first arrives in the first Heaven, the „station of the stars“, (p. 12), then he comes to the second Heaven, „the station of the moon“ (p. following aretalogy (12,7–10), see BETZ, H.D., Eine Christus-Aretalogie bei Paulus (2Kor 12,7– 10), in: idem, Paulinische Studien, Ges. Aufs. 3, Tübingen 1994, 1–19. 94 See, e.g., ZMIJEWSKI, Stil (s. n. 79), 341; THRALL, Exegetical Issues (s. n. 88), 349–351; EADEM, Second Corinthians (s. n. 84), 776f; WOLFF, Zweiter Brief an die Korinther (s. n. 80), 241; CARLSSON, Round Trips (s. n. 35), 171f. 95 See THRALL, Exegetical Issues (s. n. 88), 352f; EADEM, Second Corinthians (s. n. 84), 782; WOLFF, Zweiter Brief an die Korinther (s. n. 80), 243. 96 See above p. 69. 97 CUMONT, F., After Life in Roman Paganism, New Haven 1922, 106; quoted by BETZ, Lukian (s. n. 82), 38 n. 3; trans. A.M. Harmon, in: LCL, vol. 2, Cambridge (MA)/London 1988 [= 1915].
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12), thereafter he is taken to the third heaven, „the station of the sun“ (p 13), and finally WirƗz arrives in Paradise itself (p. 13). As far as Paul’s report about his heavenly journey is concerned we can agree with Wilhelm Bousset, when he concludes: „Was [Paulus] hier angibt, hat er tatsächlich in einem Zustand höchster Verzückung erlebt. Aber er erlebte eben diese Ekstase in der ihm überlieferten Form und nach den ihm vertrauten Vorstellungen z.B. von der Art des Weltgebäudes“.98 The Iranian ArdƗi WirƗz NƗmag, the Jewish-Christian 3Bar and the Greek Icaromenippos are three examples of such apocalyptic notions of the world-view familiar to the Apostle,99 and on which he could fall back in his confrontation with the opponents in Corinth.100
98 BOUSSET, W., Der zweite Brief an die Korinther, in: J. Weiß (ed.), Die Schriften des Neuen Testaments, vol. 2, Göttingen 21908, 161–217, 210f; cf. also THRALL, Exegetical Issues (s. n. 88), 349. See further HELLHOLM, D., Religion und Gewalt in der Apokalyptik, in: F. Schweitzer (ed.), Religion, Politik und Gewalt. Kongressband des XII. Europäischen Kongresses für Theologie 18.– 22. September 2005 in Berlin, Gütersloh 2006, 413–438. 99 On this occasion I must refrain from an exegetical interpretation of 2Kor 12,1–7 in its literary context, i.e. in the so called „Letter of tears“ ch. 10–13. Attempts at a psychological interpretation must also be left out, see hereto, e.g., LINDBLOM, J., Gesichte und Offenbarungen, Lund 1968, 44f; THRALL, Exegetical Issues (s. n. 88), 362f; ROWLAND, The Open Heaven (s. n. 80), 215–234, 244; STONE, M., Fourth Ezra, Hermeneia, Minneapolis, MN 1990, 31–33. 100 See my forthcoming study „Moses as diavkono~ of the palaia; diaqhvkh – Paul as diavkono~ of the palaia; diaqhvkh. Argumenta amplificationis in 2 Corinthians 2:14–4:6“ to be published in ZNW, 2007.
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Stephanas und sein Haus – die erste christliche Hausgemeinde in der Achaia Ihre Stellung in der Kommunikation zwischen Paulus und der korinthischen Gemeinde
Ausschließlich angewiesen auf die authentischen Briefe des Paulus, also ohne die Kenntnis der Apostelgeschichte des Lukas, wäre der Wissensstand über die Person des Paulus und seine Mission in den Städten in der Achaia und in Makedonien deutlich begrenzter. Beide Textgruppen, Apostelgeschichte und Paulusbriefe, verhalten sich an etlichen Stellen ergänzend zueinander und oft werden bestimmte Ereignisse der Missionsgeschichte durch korrespondierende Aussagen bestätigt. Diese Übereinstimmungen ergeben die wesentlichen Grundlinien für jede Paulusdarstellung. Daneben verdienen in gleichem Maße diejenigen Textpassagen Aufmerksamkeit, an denen Paulusbriefe und Apostelgeschichte eklatant voneinander abweichen, so etwa im Blick auf den Apostelkonvent, als dessen Gesprächsergebnis Lukas das Aposteldekret (Apg 15,20.29), Paulus hingegen die Kollektenvereinbarung (Gal 2,10) anführt, ohne dass beide Autoren zu erkennen gäben, dass das andere, nicht bei ihnen genannte Thema Gesprächsgegenstand des Konvents gewesen sei. Solche Abweichungen können der Überlieferungssituation geschuldet sein, sie können aber auch auf ein spezifisches Interesse des einzelnen Autors verweisen. Im Blick auf die Anfänge der christlichen Gemeinde in Korinth ist ein weiteres Beispiel für eine solche Abweichung gegeben. In Apg 18,1–17 werden der Synagogenvorsteher Krispus und sein ganzes Haus als Erstbekehrte (Apg 18,8) in Korinth genannt, die durch die Wirksamkeit des Paulus, aber erst nach Eintreffen von dessen Mitarbeitern Silas und Timotheus aus Mazedonien zum christlichen Glauben finden. Unmittelbar vor diesem Korinthaufenthalt des Apostels sind durch seine Wirksamkeit in Athen die namentlich genannten Dionysius und Damaris sowie einige andere mit ihnen zum christlichen Glauben gekommen (Apg 17,34). Da Athen zu der im Jahr 27 v.Chr. begründeten römischen Provinz Achaia zählt, müsste ihnen das Attribut für die Erstbekehrten, nämlich ‚Erstlinge der Achaia‘ zu sein, zustehen und nicht Stephanas und seinem Haus, der in der Apostelgeschichte gar nicht, sondern ausschließlich im 1Kor erwähnt wird (1Kor 16,15).
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Wird diese Hausgemeinschaft um Stephanas ‚Erstling der Achaia‘ genannt, dann scheint der Übertritt des Synagogenvorstehers Krispus zum christlichen Glauben nachgeordnet zu sein. Aber auch die von Paulus selbst erwähnte Taufe des Krispus und des Gaius, die noch vor derjenigen des Hauses des Stephanas in 1Kor 1,14–16 berichtet wird, wird nicht verknüpft mit dieser Bezeichnung. Insofern mutet das Prädikat ‚Erstling der Achaia‘ nicht nur gegenüber dem in 1Kor 1,14 und Apg 18,8 genannten Krispus1 sowie gegenüber Gaius merkwürdig an, sondern auch gegenüber der Erwähnung der beiden Christen Dionysius und Damaris aus der Stadt Athen, die ja auch zum Gebiet der Achaia zählt. Überdies ist zu bedenken, in welchem Verhältnis Aquila und Priskilla zu den genannten Personen stehen, die nach Apg 18,1–2 bereits vor Paulus in Korinth angekommen sind. Da ihre Annahme des christlichen Glaubens weder von Paulus noch von der Apostelgeschichte jemals erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass sie bereits als Judenchristen aus Rom nach Korinth gekommen sind.2 Der ‚Ehrentitel‘ ajparch; th``~ ÆAcai?a~ wird, so will es scheinen, zugewanderten Christen oder gar Aposteln nicht verliehen, sondern den ersten Konvertiten einer Region. Der eingangs angesprochene Dissens zwischen dem Bericht der Apg und demjenigen des Paulus über die Anfänge in Korinth verdient im Licht einer vom Autor gesetzten Textpragmatik nochmals eine eigene Betrachtung. Der Synagogenvorsteher Krispus hat in den Anfängen der korinthischen Gemeinde sicher eine besondere Bedeutung, da sowohl Lukas als auch Paulus auf ihn zu sprechen kommen. Lukas thematisiert an seiner Person beispielhaft das Eindringen des Evangeliums in den Bereich der Synagoge und die damit einhergehenden Trennungen. Ob Lukas damit aber wirklich die erste Konversion zum Christentum in Korinth aufgreift, entzieht sich unserer Kenntnis. Für Paulus hingegen scheint Stephanas im Blick auf die Anfänge eine besondere Bedeutung zuzukommen, die sich nicht unbedingt aus seiner vergangenen Position, sondern zumindest aus seiner gegenwärtigen Beauftragung der Gemeinde gegenüber ergibt, da Paulus Stephanas als aktuelle Autoritätsperson, der sich die Gemeinde unterordnen soll, einsetzt. Krispus hingegen wird von Paulus eher beiläufig neben Gaius erwähnt. Krispus und Gaius gehören in die Anfänge der Gemeinde, bleiben jedoch für die Folgezeit eher konturenlos, sehen wir einmal von der in Röm 16,23 erwähnten Gastfreundschaft des Gaius für Paulus ab. 1 Die Identität des in beiden Schriften erwähnten Krispus als ein und dieselbe Person ist durchaus nicht gesichert. SCHRAGE, W., Der erste Brief an die Korinther, EKK 7/1, Neukirchen-Vluyn 1991, 155, möchte die Identität nicht ausschließen. Noch skeptischer scheint mir LINDEMANN, A., Der Erste Korintherbrief, HNT 9/1, Tübingen 2000, 42, zu sein, der sogar fragt, ob Lukas den Namen aus 1Kor 1,14 übernommen hat. 2 Ausführliche Nachweise bei LAMPE, P., Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten, WUNT II 18, Tübingen 21989, 4–8.
Stephanas und sein Haus
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Dietrich-Alex Koch hat in den vergangenen Jahren etliche Publikationen zu der christlichen Gemeinde in Korinth3, den Bedingungen ihrer äußeren Organisation4 und den Möglichkeiten einer christlichen Haltung in einem überwiegend römisch-hellenistischen Umfeld5 erarbeitet. Der vorliegende Aufsatz möchte einen kleinen Beitrag zu Stephanas und seinem Haus bieten, die von Paulus als Erstkonvertiten angesprochenen werden, und gleichzeitig nach der Funktion dieser mit dem Prädikat ajparch; th``~ ÆAcai?a~ verbundenen Ausnahmestellung für den Apostel und die Gemeinde fragen.
1. Die Empfehlung des Stephanas und seiner Begleiter im Briefschluss des ersten Korintherbriefs Der Briefschluss des ersten Korintherbriefs, dessen Abgrenzung zum Briefkorpus in der Literatur nicht einheitlich vollzogen wird,6 folgt formal den üblichen brieflichen, auch von Paulus genutzten Konventionen, wenn etwa Grüße (16,19–21), Grußaufträge (16,20b), ein direkter eigener Gruß (16,21), Gnadenwunsch (16,23), Besuchsankündigungen (16,5–7), Mitarbeiterempfehlungen (16,10–11 und 16,15–16) und Paränesen (16,13–16) geboten werden.7 Gleichwohl bietet dieser Abschnitt dem Autor die letzte Möglichkeit in seinem Schreiben, innerhalb der formalen Konvention präzise Sachaussagen zu treffen, die abschließend dem weiteren Kommunikationsgefüge zwischen Autor und Adressaten dienen sollen. 3 Vgl. zuletzt den Überblick durch KOCH, D.-A., Art. Korinth, in: K. Scherberich (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 2005, 159–162; DERS., Paulus in Korinth, WUB 20, 2001, 20–23. 4 KOCH, D.-A., Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jahrhundert n.Chr., in: H.-P. Müller/F. Siegert (Hg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum. Ringvorlesung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, MJSt 5, Münster u.a. 2000, 158–188. 5 KOCH, D.-A., „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32). Christliche Identität im mavkellon in Korinth und bei Privateinladungen, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 35–54; DERS., „Alles, was ejn makevllw/ verkauft wird, eßt …“. Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1Kor 10,25, ZNW 90, 1999, 194–219. 6 SCHRAGE, W., Der erste Brief an die Korinther, EKK 7/4, Neukirchen-Vluyn 2001, 422, zählt 16,1–24 zum Briefschluss. Die Kollektenthematik (16,1–4) muss dann zur Schlussparänese subsumiert werden, was nicht undenkbar ist. Eine Begrenzung des Briefschlusses auf 16,13–24 (so KLAUCK, H.-J., Die antike Briefliteratur und das Neue Testament, Paderborn 1998, 232) missachtet die konventionellen Aussagen in 16,5–12, die unbedingt zur Topik des Briefschlusses gehören. 7 Zu den Elementen des Briefschlusses: KLAUCK, Briefliteratur (s. Anm. 6), 23–54; MÜLLER, M., Vom Schluß zum Ganzen. Zur Bedeutung des paulinischen Briefkorpusabschlusses, FRLANT 172, Göttingen 1997, 78–82.
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Die literarkritische Beurteilung des Briefschlusses stellte Johannes Weiß vor eine „unüberwindliche Schwierigkeit.“8 Ein erster Brief, geschrieben zu einem Zeitpunkt, zu dem die Spaltungen in Korinth noch in einem harmlosen Anfangsstadium gewesen seien, habe auch den Abschnitt 16,15–20 enthalten und sei in Ephesus geschrieben worden. Davon abzuheben sei ein zweiter Brief, kurz vor der verhängnisvollen Zwischenreise geschrieben, aber nicht mehr in Ephesus, sondern bereits in Makedonien. Die unüberwindliche Schwierigkeit besteht für Weiß nun darin, dass die Abfassungsumstände nahelegen, dass der Briefschluss keinesfalls in Ephesus geschrieben worden sein kann. Einerseits blicke der Briefschluss wegen 15,32 bereits auf die Zeit in Ephesus zurück, andererseits sei zu fragen, weshalb Timotheus (16,10) zeitlich erst nach dem Brief eintreffen werde, wenn er doch bereits vor Abfassung des Briefes nach Korinth geschickt wurde. Ich kann demgegenüber jedoch nicht erkennen, dass 15,32 zwingend voraussetzt, dass Paulus zur Zeit der Abfassung des Briefschlusses nicht mehr in Ephesus lebt. Auch meine ich, dass die Entsendung des Timotheus und sein Eintreffen in Korinth zeitlich nach dem Eingang des Briefes erklärlich ist, wenn Timotheus auf dem Landweg (vgl. bereits 4,17) reist, der Brief aber den schnelleren Seeweg nimmt.9
Zunächst geht Paulus in 16,10–12 erstmals im Rahmen des Briefschlusses auf Mitarbeiter ein, wenn auch mit nötiger Differenzierung. Die Empfehlung der gastfreundlichen Aufnahme des sich gegenwärtig auf der Reise nach Korinth befindlichen Timotheus in der Gemeinde und der sich anschließenden Ausstattung zur Rückreise zu Paulus in Begleitung von Brüdern wird flankiert mit der weiteren Empfehlung, Timotheus stehe in absoluter Übereinstimmung zu Paulus (to; ga;r e[rgon kurivou ejrgavzetai wJ~ kajgwv). Apollos hingegen wird wohl als ajdelfov~ angesprochen, aber doch in deutlicher Distanz zu dem paulinischen Missionswerk beschrieben, da sein mehrfacher Besuchsaufschub der korinthischen Gemeinde durchaus nicht in Übereinstimmung mit dem Willen des Apostels steht. In beiden Fällen werden diese Mitarbeiter also ganz wesentlich über die Intensität ihres Verhältnisses zu Paulus und ihre sachliche Übereinstimmung mit dem Apostel und seinen Entscheidungen vor der Gemeinde qualifiziert. Nachdem im Anschluss an die Empfehlung des Timotheus und den Bericht über Apollos in 16,13–14 kurze, eher konventionelle paränetische Mahnungen folgen, greift 16,15–18 erneut den Topos der Mitarbeiterempfehlung auf, allerdings in deutlich verschärfter Form. Bereits die Einführung mit parakalw`` de; uJma``~ ajdelfoiv setzt nach den allgemeinen Ausführungen in 16,13f sehr nachdrücklich ein. Im Blick auf Stephanas begnügt sich Paulus nicht mit wenigen Andeutungen, sondern erinnert (oi[data … 8
WEISS, J., Der erste Korintherbrief, KEK 5, Göttingen 1910, XLII. Vgl. LINDEMANN, Korintherbrief (s. Anm. 1), 3–6. Einen guten Überblick über die Diskussionslage vermitteln BETZ, H.-D./MITCHELL, M.M., Art.: Corinthians. First Letter to the, ABD 1, 1992, 1139–1148, die gleichfalls die literarische Einheitlichkeit des Schreibens favorisieren. 9
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o{ti ejstivn) zunächst in einer Parenthese an die Stellung des Stephanas und seines Hauses in der christliche Gemeinschaft der Achaia (ajparch; th``~ ÆAcai?a~). Er erwähnt sodann und setzt bei den Adressaten als bekannt vor-
aus, dass Stephanas und sein Haus in der zurückliegenden Zeit eine Selbstverpflichtung gegenüber einer Gruppe von Christen (oiJ a{gioi), die scheinbar von der Adressatengruppe zu unterscheiden ist, übernommen haben (eij~ diakonivan toi``~ aJgivoi~ e[taxan eJautouv~). Die korinthische Gemeinde soll, so führt Paulus den mit parakalw`` dev begonnen Satz fort, sich toiouvtoi~, das heißt zunächst Stephanas und seinem Haus sowie jedem, der mitarbeitet, unterordnen.10 Die Verwendung des Verbs uJpotavssesqai im Kontext der Gemeindeparänese ist bemerkenswert. Sinnvoll ist diese Erweiterung über Stephanas und sein Haus auf die Gruppe kai; panti; sunergou``nti kai; kopiw``nti nur, wenn es sich nicht um allgemeine Mitarbeit innerhalb der christlichen Gemeinden handelt, sondern auf eine Mitarbeit zielt, die derjenigen des Stephanas und seines Hauses entspricht. Andernfalls bezöge sich die Unterordnungsforderung auf alle Mitarbeitenden in der Gemeinde, was ihr jegliche Ausrichtung nehmen würde und im Angesicht der Spaltungen in der korinthischen Gemeinde fatal wäre. Der Autor gibt schließlich seiner Freude darüber Ausdruck, dass ihn Stephanas in Begleitung von Fortunatus und Achaikus besucht hat und dass diese drei jetzt wohl noch bei ihm sind. Es ist nicht erkennbar, ob die Begleiter Mitglieder des Hauses des Stephanas sind. Sie repräsentieren eventuell die abwesende korinthische Hausgemeinde des Stephanas vor den Augen des Apostels in der Zeit der Trennung, auf jeden Fall aber haben sie einen spezifischen Beitrag als Ersatzleistung für die restliche Gemeinde bzw. anstelle der Gemeinde (to; uJmevteron uJstevrhma ou|toi ajneplhvrwsan) erbracht, dessen spiritueller Ertrag als ein ajnapauvein des pneu``ma des Apostels und des pneu``ma der Gemeinde beschrieben wird. Abschließend und folgernd (ou\n) fordert der Text nochmals, das uJpotavssesqai aufnehmend, zu einem besonderen ejpiginwvskein tou;~ toiouvtou~, also des Stephanas und seines Hauses, auf. Angesichts dieser abschließenden Mitarbeiterempfehlung11 des Stephanas und seiner Begleiter an dieser exponierten Stelle des Briefes mutet es äußerst merkwürdig an, dass Paulus die von ihm vollzogene Taufe des Stephanas und seines Hauses im Eingangskapitel zunächst vernachlässigt bzw. nebensächlich erwähnt (1Kor 1,12–14). Will er Stephanas, dem sich die korinthische Gemeinde unterordnen soll, der also in naher Zukunft als 10
Ich meine gegen LINDEMANN, Korintherbrief (s. Anm. 1), 384, dass die Fortführung des begonnenen parakalw``-Satzes durch i{na kai; uJmei``~ nicht notwendig impliziert, dass auch die in der Parenthese (16,15) genannten a{gioi sich bereits untergeordnet hätten. 11 Zu dem Motiv der Mitarbeiterempfehlung in der Korintherkorrespondenz: BECKER, E.-M., Schreiben und Verstehen. Paulinische Briefhermeneutik im Zweiten Korintherbrief, NET 4, Tübingen/Basel 2002, 206f.
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der Legat des Apostels nach Korinth zurückkehren wird, einerseits bewusst aus jeglichen mit Taufpraxis verknüpften Parteiungen heraushalten? Andererseits aber ist über das Verhältnis Täufer – Täufling in der Regel eine besondere Zuordnung angezeigt und so wäre Stephanas innerhalb der Fraktionen in Korinth als Pauliner zu erkennen. Da Paulus Stephanas in 1Kor 16,15–18 vor der Gemeinde empfiehlt und sie auffordert, sich Stephanas in bestimmter Hinsicht unterzuordnen, will es scheinen, als wirkten Stephanas und seine Hausgemeinschaft wie ein verlängerter Arm des Apostels in die korinthische Gemeinde hinein.
2. Die oijkiva Stefana`` – ajparch; th``~ ÆAcai?a~ Die oijkiva Stefana`` (1Kor 16,15) bzw. der oi[ko~ Stefana`` (1Kor 1,16) – die sachgemäße Übersetzung ist höchst umstritten12 – scheint nicht nur für Paulus, sondern auch für die korinthische Gemeinde als ajparch; th``~ ÆAcai?a~ bekannt zu sein. Es geht entweder um das Haus des Stephanas, in dem sich eine oder die christliche Gruppe traf, oder um den Haushalt, dem Stephanas vorstand, der die Personen einschließt, die zu dieser Hausgemeinschaft gehören.13 Auf deren Bekanntschaft in dem einen oder anderen Sinn deutet der indikativische Gebrauch von oi[data … o{ti ejstivn hin.14 Was imp12 Die sprachliche Differenz gilt den meisten als bedeutungslos, jedenfalls für den Gebrauch in hellenistischer Zeit (so ausführlich WEIGANDT, P., Art.: oi[ko~, EWNT 2, 21992, 1222–1229, vor allem 1223). Hingegen legt WINTER, B., After Paul left Corinth. The Influence of Secular Ethics and Social Change, Grand Rapids/Cambridge 2001, 196, größten Wert auf die Unterscheidung von oijkiva als ‚house‘ und oi[ko~ als ‚household‘ (196); vgl. auch den Appendix ‚The Meaning of oijkiva and oi[ko~‘ (206–211). Es liegt Winter an dem Nachweis, dass der soziale Rollentausch zum Dienst an den Gemeindegliedern eben vom pater familias ausging, also von Stephanas als dem Patron des Hauses. In 1Kor 1,16 sei hingegen der ‚household‘ im Blick, die Hausgemeinschaft, die getauft wurde. 13 Die vorangegangene Forschung hat beide Texte zunächst auf ihren Beitrag zur Verfassung frühchristlicher Hausgemeinden analysiert; vgl. dazu KLAUCK, H.-J., Hausgemeinde und Hauskirche im frühen Christentum, SBS 103, Stuttgart 1981; STUHLMACHER, P., Der Brief an Philemon, EKK (18), Neukirchen-Vluyn 1975, 70–75; MEEKS, W.A., Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden, Gütersloh 1993, und WOLTER, M., Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, ÖTBK 12, Gütersloh 1993, 245–249 (mit einer umfangreichen Literaturliste). Die jüngere Forschungsgeschichte wird referiert durch LEHMEIER, K., Oikos und Oikonomia. Antike Konzepte der Haushaltsführung und der Bau der Gemeinde bei Paulus, MThSt 92, Marburg 2006, 11–46. Gleichzeitig wird nach dem sozialen Rollentausch in der christlichen Gemeinde gefragt, da Stephanas, also ein Patron eines Hauses, augenscheinlich Dienste versieht, die eigentlich Sklaven und Bedienstete ihm und seiner Familie gegenüber verrichten müssen; dazu WINTER, Paul (s. Anm. 12), 184–205. Mit der Tatsache, dass Stephanas Patron ist, verbindet sich bei Winter wie bereits bei MEEKS, Urchristentum (s.o.), 125, die Annahme, dass Stephanas zu den relativ wohlhabenden Bürgern der Stadt zählte. 14 WEISS, Korintherbrief (s. Anm. 8), 386.
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liziert dieses Syntagma, in dem ein Name bzw. eine Hausgemeinschaft mit ajparchv und einer römischen Provinz verbunden sind? Die nächste, aber auch einzige direkte Parallele bietet Röm 16,5. Hier wird über ÆEpaivneto~ gesagt, er sei ajparch; th``~ ÆAsiva~ eij~ Cristovn. Es mag sein, dass Paulus den Begriff ajparchv primär aus der LXX, konkret aus der Opferterminologie übernommen hat, da er ihn in Röm 11,16 im Blick auf die Erstlingsfrucht verwendet (vgl. außerdem Ex 23,19; 25,2f; Lev 2,12; 23,10; Dtn 18,4 LXX u.ö.). Doch auch in der klassisch-griechischen und der hellenistisch-griechischen Literatur wird der Begriff völlig entsprechend innerhalb der Opferterminologie gebraucht.15 Die weitere Verwendung des Begriffs im Corpus Paulinum neben Röm 16,5 und 1Kor 16,15 markiert stets den Anfang einer spezifischen Folge. Christus ist nach 1Kor 15,20.23 ajparch; tw``n kekoimhmevnwn, dies verbürgt die zukünftige Auferstehung der Toten. Die ajparch; tou`` pneuvmato~ in Röm 8,23 verbürgt die Sohnschaft und die Erlösung. Ebenso blickt Röm 11,16 von der ajparchv auf to; fuvrama. Wird man im Blick auf Röm 16,5 und 1Kor 16,15 Schrage darin folgen können, dass Paulus „die Erstbekehrten und Erstgetauften als ajparch; th``~ ÆAcai?a~ so wie Epainetos in Röm 16,5 als „ajparchv Asiens“ kennzeichnet?16 Ob Epainetos der Erstgetaufte Asiens war, entzieht sich unserer Kenntnis. 1Kor 1,14–16 lässt eine entsprechende Folgerung im Blick auf Stephanas und die Achaia aus den oben bereits genannten Gründen eher unwahrscheinlich sein, allein das Faktum einer Taufe des Krispus, des Gaius und sodann auch des Stephanas und seines Hauses durch Paulus wird erwähnt.17 Da hier die Taufe von zwei Einzelpersonen (vgl. zu Krispus aber die Nennung des Hauses in Apg 18,8) und sodann von einer Hausgemeinschaft berichtet wird, sollte aber zunächst nicht die Schlussfolgerung, dass die Taufe einer Hausgemeinschaft durchaus immer der Regelfall war, gezogen werden.18 Es ist möglicherweise eine Verkürzung, bei der Verwendung des Namens bzw. einer Hausgemeinschaft mit ajparchv und einer römischen Provinz ausschließlich in einem absoluten Sinn auf den Aspekt der oder des 15 Vgl. die Belege bei PASSOW, F., Handwörterbuch der Griechischen Sprache 1/1, Nachdruck Darmstadt 2004 (= Leipzig 51841), 301, sowie PRE 1/2, 2666f. 16 SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 453. 17 SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 453 Anm. 166, lehnt das ‚historische Auspressen der Apostelgeschichte‘, wenn es um einen harmonisierenden Ausgleich mit den Paulusbriefen gehen soll, überzeugend ab. Nach dem gemeinsamen Zeugnis von 1Kor 1,14 und Apg 18,8 gehört Krispus in die Anfangszeit der korinthischen Gemeinde. Ist es denkbar, dass die Bekehrung des Stephanas und seines Hauses zeitlich noch weiter zurückreicht, also in die Zeit, bevor Silas und Timotheus nach Korinth kamen (Apg 18,5), oder in die Zeit, als Aquila und Prisca in Korinth eine erste Anlaufstation für Christen waren? In welchem zeitlichen Verhältnis standen Bekehrung und Taufe? 18 So aber STEGEMANN, E.W./STEGEMANN W., Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 1995, 240.
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Erstbekehrten einer Provinz zu blicken und hierbei zu missachten, dass ajparchv im paulinischen Sprachgebrauch wie auch innerhalb der Opferterminologie der LXX stets einen Anfang für eine spezifische Folge benennen will. Dies würde bedeuten, dass Stephanas und sein Haus als Erstbekehrte eine gegenwärtige Bedeutung für die Achaia haben gleichwie Epainetos für die Asia und beide wiederum letztlich für Christus. Es geht folglich die Blickrichtung der Wendung nicht ausschließlich und vielleicht nicht einmal primär zurück, um nach den Erstbekehrten zu fragen (so wohl 2Thess 2,13 v.l. ajpÆ ajrch``~), und es liegt wohl auch nicht im Interesse des Ausdrucks, die Erstbekehrten an sich zu fixieren. Vielmehr soll von diesen Erstbekehrten, von ihrer im Blick auf die Anfänge in Erinnerung gebliebenen grundlegenden Bedeutung aus in geradezu strategischer Weise nach vorne geblickt werden auf ihre Funktion zunächst für den umgrenzten Raum einer Provinz, letztlich aber für Christus, eij~ Cristovn (Röm 16,5).19 Angesichts der oben angesprochenen Unsicherheit, wer eigentlich gemäß der Aussagen der Apostelgeschichte und der Paulusbriefe als Erstbekehrter der Achaia anzusprechen ist, könnte man etwas überspitzt vielleicht sogar formulieren: Paulus spricht Stephanas als Erstbekehrten an und er verleiht ihm damit eine Würde, deren Wirkung in der Gegenwart zum Ausdruck kommen soll. Er verleiht Stephanas damit diejenige Autorität, der dieser nach seiner Rückkehr nach Korinth bedarf. Bereits Gerhard Delling hat unter Bezugnahme auf das in Paulys Realencyklopädie gesammelte Material auf die religiöse Verwendung von ajparchv in Bezug auf Menschen in der profanen Gräzität aufmerksam gemacht, in der die Darbringung eines Bevölkerungsteils einer Polis in einem religiösen Akt an den delphischen Apoll zum Anlass für Kolonisierungen genommen wurde.20 In der Wendung ÆEpaivneto~ o{~ ejstin ajparch; th``~ ÆAsiva~ eij~ Cristovn (Röm 16,5) ist diese religiöse Zuordnung einer Provinz auf Christus, die von dem Erstbekehrten Epainetos ausgeht, durchaus noch zu greifen. Es ist daher bezeichnend, dass Paulus an nicht wenigen Stellen die Auswirkung seiner Missionsarbeit, vor allem seine Sammlung der Kollekte, auf die gesamte Provinz reflektiert (zu Achaia: Röm 15,26; 2Kor 1,1; 9,2; 11,10; 1Thess 1,7f; Makedonien: Röm 15,26; 2Kor 8,1; Phil 4,15; 1Thess 1,7f; 4,10). Vielleicht macht diese Perspektivverschiebung deutlich, dass Krispus und Gaius, die nach 1Kor 1,14–16 gleichfalls zu den Erstgetauften in Korinth zu zählen sind, nicht als ajparch; th``~ ÆAcai?a~ angesprochen werden müssen, wohl aber Stephanas und sein Haus aufgrund ihrer bleibenden über19
Diese Verwendung bietet eine dichte Parallele zu Plutarch, Thes. 16, wo eine Auswahl von Menschen (ajparch; ajnqrwvpwn) als Geschenk für einen Gott genannt wird. 20 DELLING, G., Art. ajparchv, ThWNT 1, 1933, 483; auch PRE 1, 1894, 2667. Belege: Plutarch, Thes. 16; De Pyth. or. 16 (II 402a); Quaest. Graec. 35 (II 298f).
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gemeindlichen Bedeutung für die Achaia.21 Ob Fortunatus22 und Achaikus, die Reisebegleiter des Stephanas (1Kor 16,17), zu diesem Haus des Stephanas gehört haben oder jetzt noch gehören, kann nicht beantwortet werden. Die Formel hJ katÆ oi\kon ejkklhsiva kann ja nicht einmal mit Sicherheit auf eine Hausgemeinde eines Patrons bezogen werden. Es kann sich wohl auch um eine Gemeinde handeln, die sich in seinem Haus trifft, aber eben nicht zu den Mitgliedern des Hauses zählt.23 Dass die Begleiter des Stephanas seine Einstellung und sein Verhältnis zu Paulus teilen und ihn darin unterstützen, sollte jedoch in der Reisebegleitung zum Ausdruck kommen. Auf jeden Fall ist ausgeschlossen, dass in dieser Dreierdelegation die gesamte Gemeinde repräsentiert wird, denn 1Kor 16,17 stellt diese Delegation der übrigen Gesamtgemeinde gegenüber (s.u.).
3. Der Dienst an den Heiligen Unlöslich verbunden mit dem Prädikat ajparch; th``~ ÆAcai?a~ ist ein noch näher zu klärender Dienst an den Heiligen (constructio ad sensum in der 3. P. Pl.), zu dem Stephanas und sein Haus sich zur Verfügung gestellt, verordnet, eingesetzt haben. Gleichfalls ist zu klären, ob die in 16,17b–18 angesprochenen Sachverhalte mit diesem Dienst an den Heiligen in einem Zusammenhang stehen. „Worin die diakoniva konkret besteht, lässt sich allerdings nicht sagen, auch wenn manche Vermutungen angestellt worden sind.“24 Dieses Urteil Wolfgang Schrages bleibt zu vage und wird den Text21
MEYER, H.A.W., Handbuch über den ersten Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 1888, 510, paraphrasiert ajparch; th``~ ÆAcai?a~ zutreffend: „[…] die erste Familie, welche in Achaia das Christentum angenommen hat, somit der heilige Anbruch des Landes, insofern dasselbe christlich zu werden bestimmt und in der Entwickelung war.“ 22 Vgl. GILLMAN, J., Art. Fortunatus, ABD 2, 1992, 852f. Fortunatus zählt nach SOLIN, H., Die stadtrömischen Sklavennamen. Ein Namenbuch, FASk.Beiheft 2, Stuttgart 1996, 95–97, zu den am häufigsten bezeugten Sklavennamen. Dass es sich um einen lateinischen Namen tragenden Sklaven oder einen mittlerweile Freigelassenen der römisch geprägten Stadt Korinth handelt, sollte wahrscheinlich sein. Hingegen notiert SOLIN, Sklavennamen, 362, nur zwei Einträge für Achaicus in auf die Stadt Rom bezogenen Quellen, beide aus dem 1. und 2. Jh. n.Chr. Die Zuordnung zum Sklaven- oder Freigelassenenstand ist also weit weniger wahrscheinlich, als es in der Literatur zumeist dargestellt wird (so auch GILLMAN, J., Art.: Achaicus, ABD 1, 1992, 53f). Achaikus oder seine Familie werden ursprünglich kaum aus der Achaia stammen. Der Name ist ihnen in der Fremde als geographischer Name zugewiesen worden (dazu MEEKS, Urchristentum [s. Anm. 13], 122f). 23 GIELEN, M., Zur Interpretation der paulinischen Formel hJ katÆ oi\kon ejkklhsiva, ZNW 77, 1986, 109–125; ebenfalls MERKLEIN, H., Der erste Brief an die Korinther, ÖTBK 7/1, Güterloh 1992, 165; so auch WEIGANDT, Art.: oi[ko~ (s. Anm. 12), 1228. 24 SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 455, der in Anm. 175 etliche dieser Vermutungen referiert. 7
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aussagen nicht gerecht. Nicht nachvollziehbar ist vor allem die Sicherheit, mit der Schrage wie bereits etliche Ausleger vor ihm25 jeden Bezug zur Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde ausschließen will.26 Immerhin bestehen zur Kollekte die nächsten sprachlichen Parallelen und die Ausdrucksweise des Paulus entspricht mehrfach der der Kollektenausführungen in 16,1–4.27 Zu eij~ diakonivan toi``~ aJgivoi~ vergleiche man die entsprechenden Aussagen in den Kollektenpassagen in Röm 15,25 (diakonw``n toi``~ aJgivoi~), in 2Kor 8,4 (kai; th;n koinwnivan th``~ diakoniva~ th``~ eij~ tou;~ aJgivou~), in 2Kor 9,1 (th``~ diakoniva~ th``~ eij~ tou;~ aJgivou~). Das Verb e[taxan (16,15) ist bereits im Zusammenhang der Sammlung der Kollekte in Korinth im unmittelbaren Kontext in 16,1 in dem Kompositum dievtaxa vorgegeben. Auch der Begriff a{gioi (16,15) begegnet in 16,1 klar definiert als a{gioi in Jerusalem, da Paulus sich anschickt, diese Sammlung entweder durch Gemeindeabgesandte oder gemeinsam mit ihnen zu überbringen (16,3f; außerdem 2Kor 9,12). Es ist doch abwegig, diesen Kontext zu vernachlässigen und in den a{gioi unter Verweis auf 1Kor 1,1 alle Christen Korinths zu sehen, denen Stephanas und sein Haus diakonische Dienste erbracht hätte.28 Kommt Paulus nun im Zusammenhang mit der Vorstellung, Stephanas und sein Haus sei ajparch; th``~ ÆAcai?a~, in einem Atemzug auf den Sachverhalt zu sprechen, dass diese sich selbst zu einem Dienst an den Heiligen verpflichtet haben, dann wird damit auch Folgendes angedeutet: a) Die Sammlung hat in der Anfangszeit der korinthischen Gemeinde begonnen. Diese diakoniva ist unlöslich mit dem Namen Stephanas verbunden. b) Mit der Vorstellung, Stephanas und sein Haus sei ajparch; th``~ ÆAcai?a~, ist notwendig gegeben, dass die gesamte Achaia seinem Handeln nachfolgen muss und soll. c) Diese einzelne Hausgemeinde hat sich selbst zu einem 25 Vgl. etwa das schroffe Zurückweisen einer Beziehung zur Kollekte bei HEINRICI, G., Handbuch über den ersten Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 71888, 510. 26 SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 455 Anm. 175: „Sicher ist, daß […] nicht an die Kollekte für Jerusalem zu denken ist.“ Als Begründung führt SCHRAGE, Korinther, 454 Anm. 171, an: „denn die Kollektenfrage ist mit V.1–4 erledigt“. Ebenso ablehnend FEE, G.D., The First Epistle to the Corinthians, NICNT, Michigan 1987, 829: „But the aorist of the verb, the content of v.16, and the context of the paragraph as a whole are against it“. Breite Zustimmung zu Fee durch GILLMAN, J., Art. Stephanas, ABD 6, 1992, 206–208. 27 COLLINS, R.F., First Corinthians, Sacra Pagina Series 7, Collegeville 1999, 588 und 605, möchte einen Bezug zur Jerusalemer Kollekte nicht ausschließen. Auch SCHNELLE, U., Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 52005, 75, fragt, ob die erste Kollektenaktion in der korinthischen Gemeinde, auf die sich 1Kor 16,1 beziehen muss, mit Stephanas in Verbindung zu bringen ist. 28 Hierbei wird das kontextuell und sprachlich eindeutig auf die Kollekte bezogene eij~ diakonivan toi``~ aJgivoi~ recht beliebig ausgeweitet und seit Generationen, wie bei MEYER, Korinther (s. Anm. 21), 415, HEINRICI, Korinther (s. Anm. 25), 511, und zuletzt SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 455, nachzulesen, sogar auf die in 17f angesprochene Reise bezogen.
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Dienst an den Heiligen verordnet. Sie hat folglich den vorausliegenden Impuls des Apostels Paulus zu einer Sammlung aufgenommen.29 Es liegt völlig fern, von dieser Selbstverpflichtung der Hausgemeinde her auf Fragen frühchristlicher Amtsstrukturen zu schließen. d) Wenn eine einzelne Hausgemeinde im Briefschluss für ihren Einsatz bezüglich der Heiligen vor der Gesamtgemeinde gelobt wird und die Gesamtgemeinde anschließend aufgefordert wird, sich solchen Menschen unterzuordnen, dann liegt als Konsequenz nahe, dass Stephanas und sein Haus etwas getan haben, was die anderen Christen in Korinth nicht eingelöst haben.
4. Die stellvertretende Leistung der Hausgemeinde des Stephanas Die Ankunft oder auch die Anwesenheit des Stephanas und seiner Begleiter Fortunatus und Achaikus in Ephesus ist für Paulus Anlass zur Freude. Jedoch wird man den sich unmittelbar anschließenden o{ti-Satz in 1Kor 16,17b unbedingt in diesen Gedankengang mit aufnehmen müssen, da er inhaltlich anzeigt, worauf sich die Freude des Apostels bezieht. Denn nicht die Ankunft oder Anwesenheit an sich, sondern der von ihnen im Zusammenhang dieses Besuches berichtete oder vollendete Ertrag ihres zurückliegenden Einsatzes ist Gegenstand der Freude. Gewiss kann man Paulus vorwerfen, dass er mit o{ti to; uJmevteron uJstevrhma ou|toi ajneplhvrwsan (1Kor 16,17b) eine „etwas blumige Ausdrucksweise“30 wählt. Oftmals wird diese Wendung dahingehend paraphrasiert, dass diese Delegation sozusagen die korinthische Gemeinde vor Paulus in Ephesus repräsentiert und für den Apostel das Empfinden ihrer Abwesenheit reduziert.31 Hierbei wird im Blick auf to; uJmevteron uJstevrhma die objektive Fassung favorisiert: der Mangel besteht in der Nichtanwesenheit der Korinther, die durch die Delegation partiell aufgehoben wird. Es wird gelegentlich Phil 2,30 als Parallele zu 1Kor 16,17 und als weiterer Beleg für die objektive Fassung herangezogen.32 Allerdings spricht Phil 2,30 eindeutiger von einem Dienst, den Epaphroditus stellvertretend für die Gemeinde an dem Apostel versehen hat: i{na ajnaplhrwvsh to; uJmw``n uJstevrhma th``~ pro;~ me leitourgiva~. 29 Gal 2,10 gibt zu erkennen, dass Paulus in den von ihm gegründeten Gemeinden stets für die Kollekte eingetreten ist. 1Kor 16,1 setzt das Wissen um die Kollekte in der korinthischen Gemeinde voraus, regelt jedoch die Modalitäten für die wohl aus mehreren Hausgemeinden bestehende Gesamtgemeinde. 30 SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 457. 31 So SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 457. 32 MÜLLER, U.B., Der Brief des Paulus an die Philipper, ThHK 11/1, Leipzig 1993, 132.
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Doch wird man die Untertöne des o{ti-Satzes nicht überhören dürfen. Andreas Lindemann führt zu Recht aus: „Das betonte ou|toi … könnte tatsächlich zumindest einen Gegensatz zwischen der Gemeinde und der Stephanas-Gruppe implizieren: Ihr habt es mangeln lassen, diese haben den Mangel beseitigt.“33 Diese Lesart folgt daher einer subjektiven Fassung34 von to; uJmevteron uJstevrhma: die Korinther haben eine bestimmte Leistung unterlassen, dies stellt sich für den Apostel als Mangel dar. Philologisch sind beide Lesarten möglich, allein der Kontext und wiederum das gewählte Vokabular einer recht festen Wortverbindung spricht meines Erachtens für die subjektive Fassung und macht es wahrscheinlich, dass Paulus auch in diesem Vers das in 16,15 begonnene Thema der Kollekte fortsetzt. ïUstevrhma ist neben 1Kor 16,17 dreimal in Kollektenaussagen in 2Kor 8,14 und 9,12 bezeugt, stets im Blick auf den objektiven Mangel der Urgemeinde oder der Korinther. In 2Kor 9,12 begegnet zudem wie in 1Kor 16,17 ein Kompositum zu plhrou``n: in 1Kor 16,17 ajnaplhrou``n, in 2Kor 9,12 prosanaplhrou``n. Worin besteht nun konkret to; uJmevteron uJstevrhma der korinthischen Gemeinde? Auszuschließen ist der Gedanke einer fehlenden Gabe oder Unterstützung an Paulus, da dieser in 1Kor 9,15 den Unterhaltsverzicht für seine Person begründet hat.35 Die Stephanas-Gruppe hat nach 1Kor 16,15 die Verpflichtung für den Dienst an der Urgemeinde übernommen. Obwohl diese Sammlung allen heidenchristlichen Gemeinden auferlegt war, hat in Korinth nur diese Hausgemeinde die Kollekte durchgeführt. Durch die Ankunft oder die Anwesenheit des Stephanas, des Fortunatus und des Achaikus ist Paulus zumindest über diesen Sachverhalt informiert worden. Er interpretiert diese Sammlung der Hausgemeinde des Stephanas so, dass sowohl sein Geist, dann aber auch das pneu``ma der Gesamtgemeinde beruhigt36 worden ist. Damit wird die Kollektenforderung gegenüber der Gesamtgemeinde nicht hinfällig, wie 1Kor 16,1–4 und die Unterordnungs33 LINDEMANN, Erster Korintherbrief (s. Anm. 1), 385. Allerdings meine ich gegen Lindemann nicht, dass bereits 1Kor 16,18 anzeigt, wie die Stephanas-Gruppe das gemacht hat. Ganz ähnlich wie Lindemann argumentiert auch OLLROG, W.-H., Paulus und seine Mitarbeiter. Untersuchungen zu Theorie und Praxis der paulinischen Mission, WMANT 50, Neukirchen-Vluyn 1979, 97f. 34 Strikt gegen eine subjektive Lesart wendet sich FEE, Corinthians (s. Anm. 26), 832 Anm. 37, mit Verweis auf Phil 2,30. 35 THEISSEN, G., Soziale Schichtung in der korinthischen Gemeinde, in: DERS., Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 31989, 231–271, betont die Nähe zu Phil 2,30 (i{na ajnaplhrwvsh to; uJmw``n uJstevrhma th``~ prov~ me leitourgiva~). Hier wird von einer materiellen Unterstützung des Paulus durch Epaphroditus gesprochen. Theißen erkennt gleichzeitig auch die sprachlichen Parallelen zu den Kollektenaussagen und deutet daher auf eine materielle Unterstützung, die Paulus in Ephesus durch Stephanas erhielt. 2Kor 11,9 schließe nach Theißen nicht aus, dass Paulus sich außerhalb Korinths habe unterstützen lassen (249). 36 CONZELMANN, H., Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 1969, 358 Anm. 14, in Aufnahme einer Auslegung von Paul Schmiedel: „Die Bedeutung ‚erquickt‘ würde nicht zu to; uJmw``n passen, also: ‚beruhigt‘, indem sie den Rückstand auffüllten.“
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forderung unter Stephanas und seine Hausgemeinde sowie unter alle, die so arbeiten wie er (1Kor 16,16), zeigen. Die merkwürdig anmutende Vorstellung eines ajnapauvein to; pneu``ma uJmw``n mag andeuten wollen, dass durch das Verhalten des Stephanas auf den in und über der Gemeinde waltenden Geist Einfluss genommen worden ist. Kann der Rückblick in dem späteren Kollektenbrief in 2Kor 9,2 („Achaia ist schon seit Jahrfrist gerüstet, und euer Eifer hat bereits die Mehrzahl angespornt“) auf diesen Einsatz der Hausgemeinde des Stephanas bezogen werden? Diese Aussage befindet sich in demjenigen Teil des Briefes, der dem Exordium zugerechnet wird und der hier in einer Captatio benevolentiae die Aufmerksamkeit und die Zuneigung der Leserschaft zu erreichen sucht. Dennoch entbehren die Aussagen nicht einer Grundlage. Hans-Dieter Betz hat größten Wert darauf gelegt zu betonen, dass Paulus in 2Kor 9,2 von Achaia spricht und dass daher Korinth nicht eingeschlossen sei. Paulus beziehe sich exklusiv auf eine Kollektenaktion bei den achäischen Christen. Das in 9,2 verwendete Verb paraskeuavzein, welches einen militärischen Ausdruck aufnehme, bedeute, dass man in der Achaia bereit gewesen sei, die Durchführung aber unterlassen habe und daher jetzt der Hilfe der von Paulus entsandten Boten bedürfe.37 Doch ist dieser Ausschluss Korinths aus der Achaia in keiner Weise nachvollziehbar. Betz führt als Begründung an, dass bislang keine Kollekte in Korinth erhoben worden sei. Dies ist aus meiner Sicht zweifelhaft. Vor allem aber ist die Abhebung Korinths von der Achaia willkürlich und dem üblichen Sprachgebrauch nicht entsprechend. Auch werden korinthische Christen bei der Lektüre gewiss nicht empfunden haben, hier als Nichtbeteiligte an der Kollekte im Visier des Apostels zu sein. Wenn man fragt, auf welches Ereignis in der um Jahresfrist zurückliegenden Zeit sich die in 2Kor 9,2 genannte Bereitschaft der Achaia beziehen kann, dann sollte die Sammlung der Hausgemeinde des Stephanas, die ajparch; th``~ ÆAcai?a~ ist, auf jeden Fall berücksichtigt werden. Sie soll als eine Partikularaktion innerhalb der korinthischen Gemeinde signalisieren, dass die Bereitschaft innerhalb der Achaia besteht.
5. Stephanas und Paulus Ob Stephanas und seine Begleiter erst kürzlich angekommen oder bereits seit einiger Zeit bei Paulus sind, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit klären. In 2Kor 7,6f; Phil 1,26 bezieht sich parousiva auf die Ankunft, in 37
BETZ, H.-D., 2. Korinther 8 und 9. Ein Kommentar zu zwei Verwaltungsbriefen des Apostels Paulus, Gütersloh 1993, 169f.
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2Kor 10,10; Phil 2,12 auf die Anwesenheit des Apostels oder eines seiner Mitarbeiter. Wer bei der Übersetzung von to; uJmevteron uJstevrhma die objektive Fassung favorisiert, wird den Aspekt der Anwesenheit der Dreierdelegation betonen: der Mangel besteht in der Nichtanwesenheit der Korinther, die durch die Anwesenheit der Delegation partiell aufgehoben wird. Wer hingegen die subjektive Lesart bevorzugt, denkt an das Unterlassen einer bestimmten Leistung der korinthischen Gemeinde. Mit der Ankunft der Dreierdelegation jedoch ist etwas geschehen, das diesen subjektiven Mangel ausgefüllt und zum Guten gewendet hat. Diese haben etwas getan, was die Gemeinde unterlassen hat. Aus dem gesamten Kontext erscheint diese letzte Version als die Wahrscheinlichere: die Ankunft der Boten hat etwas verändert. Conzelmann erwägt sogar, dass diese Boten erst jetzt, also während des Diktats oder des Schreibens des Briefes, der nicht an einem einzigen Tag verfasst wurde, angekommen sind.38 Dies würde dann freilich die häufig ausgesprochene Vermutung ausschließen, dass Stephanas möglicherweise den Fragenbrief (1Kor 7,1) aus der korinthischen Gemeinde mitgebracht habe.39 Die in ihm gestellten Fragen sind ja, die literarische Einheitlichkeit des Schreibens vorausgesetzt, bereits beantwortet zu dem Zeitpunkt, als die Delegation eintrifft. Wenn Paulus nun den Einsatz des Stephanas für die Kollekte erwähnt und die Gemeinde auffordert, sich ihm und allen, die wie Stephanas für die Kollekte eintreten, unterzuordnen, und wenn er das Verhalten dieser Hausgemeinde dem mangelhaften Verhalten der Gesamtgemeinde gegenüberstellt, dann liegt der Schluss nahe, dass die Freude des Apostels nicht nur der Ankunft des Stephanas und seiner Begleiter an sich geschuldet ist, sondern direkt mit dem zusammenhängt, was Paulus über Stephanas anspricht, also die Kollektensammlung. Weshalb haben Stephanas, Fortunatus und Achaikus Paulus in Ephesus besucht? Es ist nicht zu erkennen, dass sie sozusagen als offizielle Delegierte der korinthischen Gemeinde kommen.40 Die Gegenüberstellung dieser Boten zum Verhalten der Gemeinde in 1Kor 16,17 schließt die Stellung eines ‚offiziellen Vertreters‘ aus und lässt es ebenso unwahrscheinlich sein,
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CONZELMANN, Erste Brief an die Korinther (s. Anm. 36), 358 Anm. 9; so bereits BACHMANN, P., Der erste Brief des Paulus an die Korinther, KNT 7, Leipzig 1910, 472. 39 Diese Vermutung bei WOLFF, C., Der erste Brief des Paulus an die Korinther, ThHK 7, Leipzig 1996, 436; SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 6), 457; vgl. aber ebd. Anm. 188 auch die Erwähnung gegenteiliger Positionen. 40 Deutlich und klar bereits BACHMANN, Korinther (s. Anm. 38), 472, der seinerseits als Besuchsgrund „nicht offizielle Pflichten, sondern persönliche Motive, sei es christlicher oder rein menschlicher Art […]“ annimmt.
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in diesen Boten gar die Gemeindeleiter41 der korinthischen Gemeinde zu sehen. Es liegt nicht einmal nahe, dass diese Delegation einen von der Gesamtgemeinde verantworteten Brief überbringt.42 Deutlich ist wohl nur, dass Stephanas seit seiner Bekehrung, vor allem seit seiner von Paulus empfangenen Taufe zu denjenigen Christen in Korinth gehört, die auf besondere Weise den Kontakt zu Paulus gehalten haben, was durch diesen Besuch in Ephesus zum Ausdruck kommt. Freilich reiht sich sein Besuch in denjenigen anderer korinthischer Christen wie der Leute der Chloe ein (1,11). Ich halte es also für wahrscheinlich, dass die Hausgemeinde des Stephanas eine Sammlung durchgeführt hat, jedoch noch nicht nach den in 1Kor 16,1 angesprochenen Modalitäten. Ob Paulus allerdings erst durch die Ankunft der StephanasGruppe über die von ihnen durchgeführte Sammlung unterrichtet worden ist oder ob die Gruppe sogar zu Paulus gereist ist, um den Betrag zu überbringen, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedoch wird Stephanas den Rückweg mit einer klaren, in 1Kor 16,15–18 enthaltenen Empfehlung antreten, der zufolge sich die Gemeinde in Korinth an seinem Beispiel orientieren soll. Die Vermutung, dass Stephanas also zugleich der Überbringer des ersten Korintherbriefs ist, hat demnach gute Gründe für sich.43 Die von Paulus geforderte Unterordnung der Gemeinde unter Stephanas und alle, die so arbeiten wie er, stellt eine Paränese dar, die unlöslich verbunden ist mit dem Einsatz des Stephanas und seiner Hausgemeinde für die Heiligen in Jerusalem. Es ist deutlich, dass Paulus Stephanas und seine Begleiter mit dieser abschließenden Empfehlung im ersten Korintherbrief zu seinen ausgewiesenen Delegaten neben Timotheus (1Kor 4,17) macht. Über Stephanas versucht Paulus Einfluss auf eine Gemeinde zu nehmen, die gegenwärtig in Fraktionen zu zersplittern droht. Diese vorbehaltlose Empfehlung zeigt auch an, dass Stephanas die Sache des Paulus vertrat und in 41 TREBILCO, P., The Early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius, WUNT 166, Tübingen 2004, 199, verknüpft den Status des Erstbekehrten mit der Möglichkeit, in ihm den Gemeindeleiter zu sehen. 42 FEE, Corinthians (s. Anm. 26), 832, macht Stephanas und die Begleiter zu einer ‚official delegation‘ der korinthischen Gemeinde, was gerade in dem Faktum, dass sie einen Brief überbringen, zum Ausdruck komme. VENETZ, H.-J., Stephanas, Fortunatus, Achaicus, Epaphroditus, Epaphras, Onesimus & Co. Die Frage nach den Gemeindevertretern und Gemeindegesandten in den paulinischen Gemeinden, in: A. Kessler u.a. (Hg.), Peregrina Curiositas. Eine Reise durch den orbis antiquus, NTOA 27, Freiburg/Ch-Göttingen 1994, 13–28, erkennt in den drei Gesandten „Mitglieder der Gemeindeleitung in Korinth“ (27). LANG, F., Die Briefe an die Korinther, NTD 7, Göttingen 1986, 248, spricht von einer Gemeindedelegation, die auch den Fragenbrief überbracht habe. Demgegenüber hat BACHMANN, Korinther (s. Anm. 38), 471f, bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass die Unterordnungsmahnung überflüssig wäre, wenn es sich um Gemeindedelegaten handele. 43 Die Angabe der Subscriptio (vgl. zu 1Kor 16,24), die Stephanas, Fortunatus, Achaikus und Timotheus zu den Überbringern des Briefes macht, ist wohl aus 1Kor 16,10.17 erschlossen worden.
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Korinth als Pauliner wiedererkannt werden sollte. Die betonte Erinnerung der korinthischen Gemeinde, Stephanas und sein Haus sei ajparch; th``~ ÆAcai?a~, bindet die Gemeinde in ihren relativ undurchsichtigen Fraktionierungen an eine Ursprungsgestalt des christlichen Glaubens in Korinth und an den mit dieser Person und seiner Hausgemeinde verbundenen Apostel zurück. Paulus verleiht der Person des Stephanas überdies mit ajparch; th``~ ÆAcai?a~ ein Prädikat, dessen Funktion hier sowohl als Altersbeweis als auch als Verpflichtung für die Zukunft erkannt wurde.
Hans Klein
Die Apologie des apostolischen Amtes innerhalb des zweiten Korintherbriefes
In der gegenwärtigen Forschung ist man sich darüber einig, dass der Abschnitt 2Kor 2,14–7,4 eine Sonderstellung innerhalb des Briefes einnimmt. Dies ist seit langem bekannt. Schon Johann Albrecht Bengel hatte es beobachtet und den Abschnitt als „köstliche Abschweifung“ bezeichnet.1 Johannes Weiß hat dann den Abschnitt als Teil des vor der Versöhnung mit der Gemeinde geschriebenen Briefes näher gekennzeichnet2 und darin wichtige Anhänger gefunden.3 Günther Bornkamm aber war es, der diese Apologie des apostolischen Amtes von dem Abschnitt 10–13 absonderte, mit dem sie bis dahin zusammen gesehen worden war, und sie noch früher, also vor den Zwischenbesuch des Paulus in Korinth ansetzte, eine Reise, die, als Paulus 1Kor 16,5–9 schrieb, nicht vorgesehen war, aber nach
1 BENGEL, J.A., Gnomon. Auslegung des Neuen Testaments in fortlaufenden Anmerkungen (Deutsch von C.F. Werner). Bd II: Briefe und Offenbarung, Stuttgart 81970, 244 (zu 2,13): „Dieser Bericht wird 7,2.5 fortgesetzt. Dazwischen aber liegt eine köstliche Abschweifung, worin erzählt wird, was er inzwischen anderwärts ausgerichtet und erduldet, und wovon auch die Corinther manchen Nutzen haben konnten“. 2 WEISS, J., Urchristentum, Göttingen 1917, 264f: „Es gibt noch andere Partieen im 2. Korintherbrief, die nicht minder den Eindruck machen, auf der Höhe des Kampfes vor dem Friedensschluß geschrieben zu sein, nämlich das Stück 2,14–6,13; 7,2–4. Auch hier haben wir gleich am Anfang einen Seitenhieb gegen die vielen, die das Wort Gottes unlauter verfälschen (2,17) und auf ihre Empfehlungsbriefe (3,1); die Berufung auf seine, des Apostels, Erfolge (3,2f. vgl. 10,14ff.); die große Rechtfertigung des Apostels des ‚Geistes‘ gegenüber dem Amte des alten Bundes, das die Judaisten führen (3,4–4,6); die erschütternden Worte über die Leiden des Apostels (4,7–18). Der Abschnitt 5,11–15 soll den Korinthern einen Anhalt geben, sich des Apostels zu rühmen gegen die, welche sich ihrer Beziehungen zu Jesus rühmen. Vor allem ist 6,1–3 [richtiger wohl 6,1–13! H.K.]; 7,2–4 eine rührende, flehende Beschwörung der Korinther, ihm ihr Herz wieder aufzutun (7,11ff.).“ 3 Vgl. etwa BULTMANN, R., Der zweite Brief an die Korinther, KEK Sb., Göttingen 1976, 23. WINDISCH, H., Der zweite Korintherbrief, KEK 6, Göttingen 91924, 224f, sieht den Abschnitt 2,14–7,4 als eigenständigen Briefteil, der nicht an seiner ursprünglichen Stelle steht, hält aber neben der von J. Weiß vorgeschlagenen Sicht auch andere Varianten der Textumstellung in 2Kor für möglich. Vgl. weiterhin MARXSEN, W., Einleitung in das Neue Testament. Eine Einführung in ihre Probleme, Gütersloh 21964, 74: „Man kann nicht sagen, daß Paulus in 7,5 nur einen liegengelassenen Faden wiederaufnehme, denn das Zwischenstück (2,14–7,4) unterscheidet sich wieder charakteristisch von dem diesen Abschnitt umgebenden Text (1,3–2,13 und 7,5–16).“ Ähnlich KÖSTER, H., Einführung in das Neue Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und römischen Zeit, Berlin/New York 1980, 561.
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2Kor 12,14; 13,1 erfolgt sein muss.4 Damit hat die analytische Arbeit am 2Kor einen vorläufigen Abschluss gefunden. Durchgesetzt hat sie sich nicht. Die Tendenz, den Brief5 oder zumindest Kapitel 1–8(9)6 als Einheit zu verstehen, ist erhalten geblieben und hat in letzter Zeit vermehrt Anhänger gefunden. Das ist insofern gerechtfertigt, als der Frage nachgegangen werden muss, welche Funktion dieser größere Abschnitt im Gesamt des 2. Korintherbriefes hat. Darum lohnt sich eine genaue Betrachtung der Problematik. Sie geht zunächst literarisch vor und analysiert die Struktur von 2Kor 2,14–7,4 (I). Es folgt eine Durchsicht der Argumente, die gegen eine Herauslösung des Abschnittes aus dem 2Kor angeführt werden, und erarbeitet die historische Situation, wobei die Apologie als Teil eines gesonderten Schreibens verstanden wird (II). Anschließend werden Texte herangezogen, welche die Verschachtelung zweier Abschnitte zum Inhalt haben (III). Zum Abschluss wird der Frage nachgegangen, was diese geschlossene Einheit an ihrer gegenwärtigen Stelle im 2. Korintherbrief bewirken will (IV).
I Die sogenannte Apologie des apostolischen Amtes (2Kor 2,14–6,13; 7,2–4) ist in besonderer Weise durchstrukturiert7 und hat einen eigentümlichen, durchsichtigen Aufbau: Nach einem Proömium in 2,14–17 und einer Anknüpfung in 3,1–3 folgt eine klare Gliederung: Fünf Abschnitte beginnen mit dem Verbum „haben“. Vier davon sind chiastisch einander zugeordnet nach dem Schema: e[comen … e[conte~ … e[conte~ … e[comen, es folgt der fünfte Abschnitt, beginnend mit e[conte~, der bereits zu den nächsten Abschnitten überleitet, in denen das Wissen dominiert:
4 BORNKAMM, G., Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes, SHAW.PH 1961,2, Heidelberg 1961, wieder abgedruckt und mit einem Nachtrag versehen in: Ders., Geschichte und Glaube. Zweiter Teil, Gesammelte Aufsätze IV, BEvTh 53, München 1971, 163–194. GEORGI, D., Die Gegner des Paulus im zweiten Korintherbrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike, WMANT 11, Neukirchen-Vluyn 1964, 22–24. 5 LIETZMANN, H., An die Korinther I/II, HNT 9, Tübingen 41949, 131; KÜMMEL, W.G., Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg 201988, 250–253 mit ausführlicher Diskussion. Ihm weitgehend folgend SCHNELLE, U., Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 52005, 101f. 6 THRALL, M.E., The Second Epistle to the Corinthians, ICC, London/New York 2004, 520. 7 Vgl. MARXSEN, Einleitung (s. Anm. 3), 74: „eine klar aufgebaute Apologie“ und VIELHAUER, P., Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin/New York 1972, 151: „vorzüglich disponiert“.
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pepoivqhsin de; toiauvthn e[comen … 3,4 e[conte~ ou\n toiauvthn ejlpivda … 3,12 e[conte~ th;n diakonivan tauvthn … 4,1 e[comen de; to;n qhsauro;n tou``ton … 4,7 e[conte~ de; to; aujto; pneu``ma th``~ pivstew~ … 4,13.
Es folgen vier weitere Abschnitte, in denen es um das „Wissen“ geht. Sie sind ebenfalls chiastisch einander zugeordnet: oi[damen ga;r o{ti … 5,1 qarrou``nte~ ou\n pavntote kai; eijdovte~ o{ti … 5,6 eijdovte~ ou\n to;n fovbon … 5,11 w{ste hJmei``~ ajpo; tou`` nu``n oujdevna oi[damen … 5,16.
Diesen schließt sich ein Abschnitt mit „ermahnen“ an: sunergou``nte~ de; kai; parakalou``men … 6,1
Es folgen die Begründungen der Ermahnung in 6,3–10, und diesen schließt sich eine doppelte Bitte (6,11–13 + 7,2–4) an. Man könnte also die Abschnitte so zusammenfassen: a) Was wir haben (3,4–4,18); b) was wir wissen (5,1–21); c) was wir erwarten (6,1–10); d) worum wir bitten (6,11–13 + 7,2–4). Diese Teile sind untereinander verzahnt. Wie bereits vermerkt, findet sich im letzten mit e[conte~ beginnenden Abschnitt (4,13–18) bereits ein eijdovte~ (4,14). Im Gegenzug dazu gibt es im ersten mit oi[damen eröffneten Passus ein e[comen (5,1). Ebenso ist das parakalou``men in 6,1 durch das vorausgehende qeou`` parakalou``nto~ in 5,20 vorbereitet. Die Durchführung innerhalb des Briefkorpus entspricht allerdings nicht völlig dem aufgezeigten Aufbau, was darauf schließen lässt, dass Paulus sich die Disposition des Briefes vorher gut überlegt hat, in der Durchführung aber zuweilen etwas abgeschweift ist. 4,16–18 lässt sich 4,13–15 nicht direkt zuordnen, ebenso entspricht 5,18–21 nicht genau dem Gedanken von 5,16f. So wird man beide Kurzabschnitte 5,18–21 und 4,14–18 als Überleitungen ansehen.8 Dennoch ist die Gestaltung dieses Briefteiles frappierend 8
GRÄSSER, E., Der zweite Brief an die Korinther. Kapitel 1,1–7,16, ÖTBK 8/1, Gütersloh/Würzburg 2002, 104f, schlägt folgende Disposition vor: 2,14–3,6: Proömium vom Selbstverständnis des Apostels; 3,7–6,10: die eigentliche Argumentatio; 6,11–13 + 7,2–4: Peroratio, ein affektiver Briefschluss. Sein Konzept ist nach sachlichen Gesichtspunkten, nicht nach stilistischen Signalen geordnet. Dadurch verbaut sich Gräßer die Einsicht zur klaren Struktur. Dasselbe macht, von anderen Voraussetzungen her, BECKER, J., Paulus, Tübingen 1989, 239, wenn er urteilt, der Abschnitt 2,14–6,10 habe „in einer im einzelnen oft besonders schwer verständlichen, in den großen Linien jedoch klaren Darlegung des paulinischen apostolischen Dienstes sein Zentrum“.
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und zeigt, dass sie sehr genau überlegt und durchgestaltet ist, in einer Weise, wie wir sie bei Paulus nicht mehr finden. Schon dies spricht dafür, dass es sich um den Hauptteil eines eigenständigen Schreibens handelt.
II Die Argumente, welche gegen die Herauslösung der Apologie aus dem Ganzen des Briefkorpus angeführt werden, sind: 1. 2Kor 7,5 kann nicht als unmittelbare Fortsetzung von 2,13 angesehen werden, denn 7,5 schließt bewusst an 7,4 an, und liefert die Begründung zu 7,4.9 Das zeigt das verbindende gavr in V. 5. 2. Inhaltlich ist „7,4 auf den folgenden unmittelbaren Kontext angewiesen“.10 3. Den inneren Zusammenhang zwischen 7,4 und 7,5–7 zeigen die Worte paravklesi~, carav und qli`yi~ in 7,4, die dann mit parakalw``n, parekavlesen und paravklhse~ in 7,6f, carh``nai in 7,7 und qlibovmena in 7,5 aufgenommen werden.11 4. Der sprachliche Unterschied von oujk e[schka a[nesin tw``/ pneuvmati in 2,13 zu oujdemivan e[schken a[nesin hJ savrx hJmw``n (7,5) lässt darauf schließen, dass zwischen 2,13 und 7,5 Zeit vergangen ist. 5. Das uJperperisseuvomai th``/ cara/` korrespondiert mit dem perissotevrw~ ma``llon ejcavrhsen in V. 13.12 6. Es gibt in hellenistischen Reiseberichten Abschweifungen, die als Parallelen zur Apologie angesehen werden können. K. Berger13 hat besonders auf den 7. Brief Platons hingewiesen, „der nicht nur Reflexion und Reisebericht verbindet, sondern dieses genau so tut wie Paulus 2Kor“. Er zitiert dazu 328c: „In dieser Überzeugung also, dies zu wagen entschlossen, reiste ich von zu Hause ab, nicht aus den Motiven, die mir viele Leute unterschoben [es folgen Reflexionen, und der Reisebericht wird mit der Ankunft in 329b fortgesetzt:] Wie ich nun ankam, da fand ich …“ und K. Berger kommentiert: „Die Reflexionen oder Zwischenberichte überbrücken für den Seine Einteilung (ebd.), wonach es im ersten Teil (2,14–4,6) um den apostolischen Dienst unter dem Aspekt der göttlichen Herrlichkeit und im zweiten (4,7–6,10) unter dem der Niedrigkeit geht, wird der Vielfältigkeit der Aussagen nicht vollständig gerecht. 9 So WOLFF, C., Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, ThHK 8, Berlin 1989, 155. Wolff lässt darum sogar den neuen Abschnitt mit 7,4 beginnen. Nach KÜMMEL, Einleitung (s. Anm. 5), 253, führt Paulus „in 6,11–7,4 langsam zum ursprünglichen Thema zurück.“ 10 SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 5), 101. 11 SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 5), 101. 12 THRALL, 2Cor (s. Anm. 6), 21. 13 BERGER, K., Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984, 277.
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Leser sinnenfällig die lange Reisezeit und werden zum Ort, Grundsätzliches über Beruf und Reiseziel zu sagen.“ Aufgrund solcher Texte, von denen noch Lukian Ver. Hist. I,5f für seine Sicht wichtig erscheint,14 wiewohl Lukian viel später als Paulus schreibt, schließt K. Berger: „Die Reflexionen über den apostolischen Beruf, die den Bericht über die Reise selbst ausfüllen und z.T. ersetzen, sind demnach hervorgegangen aus Reflexion über Zweck und Ziel der Reise nach Abfahrt des Schiffes.“15 Die Apologie ist also als „Reflexion“ über seine Reise zu begreifen, von Paulus selbst in jenen Zusammenhang eingefügt. Zu diesen Argumenten lässt sich sagen: 1. Es ist richtig, dass V. 5 mit seinem gavr an 7,4 anschließen will. Bei der Annahme einer Einfügung der Apologie in den Zusammenhang von 2,13; 7,5–16 muss darum dieses gavr als vom Redaktor eingebrachte Verbindungskopula angesehen werden.16 Das wäre auch das mindeste, was ein Redaktor getan haben müsste, wenn er einen neuen Abschnitt in einen bestehenden Brief einfügt. Er musste doch darauf achten, dass ein möglichst kohärenter Zusammenhang entsteht. 2. Dass 7,4 auf 7,5–16 als Fortsetzung angewiesen ist, ist kaum zutreffend. Paulus bittet 7,2 um Aufnahme durch die Gemeinde und sieht sie gekennzeichnet durch eine „Fülle des Trostes“ und „Überfülle der Freude“ in der gegenwärtigen „Drangsal“, die ihn quält, weil er mit der Gemeinde uneins ist. Der Vers streckt sich also der Aufnahme in die Gemeinde entgegen. 7,5–16 ist dann davon die Rede, dass der Apostel „überglücklich“ ist durch die Nachricht des Titus, dass ihn die Gemeinde erwartet. Das ist die neue Situation, die er 7,4 ersehnt hat.17 3. Die Wiederholung derselben Vokabeln in 7,4 und 7,5–13 ist tatsächlich auffällig. Sie ist durch die Situation begründet. Bloß, in 7,4 ersehnt er sie, in 7,5–16 erlebt er sie. Es ist derselbe Paulus, der schreibt, einmal von seiner Sehnsucht her, das andere Mal von deren Erfüllung her. Daraus wird der Gebrauch desselben Vokabulars verständlich.18 Die Korrespondenz der Begriffe zeigt in diesem Falle bloß an, dass der Redaktor eine sehr treffende Stelle zum Einbau der Apologie gefunden hat. 14
BERGER, K., Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, ANRW II 25,2, Berlin/New York 1984, 1275. 15 BERGER, Gattungen (s. Anm. 14), 1275. 16 So bereits BULTMANN, 2Kor (s. Anm. 3), 56. 17 Vgl. bereits WEISS, Urchristentum (s. Anm. 2), 265: „Die letzten Worte klingen freudig und zuversichtlich, aber man fühlt es ihnen an: er hat sie sich gewaltsam abgerungen, er nimmt in kühnem Vertrauen das vorweg, um was er noch ringen und bitten, ja fast betteln muß.“ 18 Übrigens ist dieselbe Wendung ejn panti; qlibovmeqa in 2Kor 4,8 und 7,5 anzutreffen. Man könnte auch dies zur Begründung der Einheitlichkeit des Briefes anführen, allerdings ist der Kontext dieser Wendung ein vollständig anderer.
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4. Der Unterschied von oujk e[schka a[nesin tw``/ pneuvmati in 2,13 zu oujdemivan e[schken a[nesin hJ savrx hJmw``n 7,5 ist als Steigerung anzusehen.19 Der Apostel hatte 2,13 betont, dass er Troas verlassen habe, wiewohl er eine Chance der Mission erlebte. Aber er war innerlich (tw``/ pneuvmati) unruhig. 7,5 betont er, dass er nicht nur innerlich beunruhigt war und Ängste ausstand (e[swqen fovboi), sondern äußerlich mit Kämpfen rechnete (e[xwqen mavcai), d.h. durchaus in Rechnung stellte, dass es in Korinth noch Streit gab, weil sich die Ankunft des Titus um mindestens eine Woche verzögert hatte,20 und er sich darum auf das Schlimmste einstellte. Darum erfolgt hier der Wechsel von pneu``ma, das den innerlichen Menschen im Blick hat, zu savrx, die den ganzen Menschen, innerlich und äußerlich umfasst.21 Der Wechsel von der ersten Person Singular in 2,13 zur ersten Person Plural in 7,5 ist nicht ungewöhnlich, er begegnet noch 1,23/24; 2,10/11; 7,12/13, in umgekehrter Reihenfolge 7,6/7.22 5. Das uJperperisseuvomai th`æ cara``/ hat tatsächlich in perissotevrw~ ma``llon ejcavrhsen in V. 13 sein Pendant. Aber in einem Falle ist das Subjekt Paulus, im anderen Titus. Es ist der gleiche Paulus, der angesichts der erwarteten bzw. der erfüllten Annahme von „überschwänglicher Freude“ spricht. Carav und perisseuvw23 sind auch sonst bei Paulus öfter belegt.24 6. K. Bergers Argumentation überzeugt aus einem dreifachen Grund nicht: a) weil es sich dort um sehr viel kürzere Einfügungen handelt;25 b) weil die von ihm sogenannten „Reflexionen“ eigentlich Rechenschafts19 Ähnliche Steigerungen finden sich Phil 3,7f; 4,4; Gal 1,8f, allerdings nicht hinsichtlich der persönlichen Situation des Apostels und auch nicht nach einer Änderung der Situation, wie sie zwischen 2,13 und 7,5 vorausgesetzt wird: Der Apostel befindet sich in dem einen Fall in Troas, im anderen in Philippi. 20 Nach Apg 16,11f dauerte die Reise von Troas nach Philippi drei Tage. Wenn Paulus den Titus schon in Troas erwartete, muss er zumindest sechs Tage sehr ungeduldig gewesen sein. Da er aber in Troas Missionsdienste ausübte, ist die Zeit seines Wartens länger zu veranschlagen. Dass Paulus mit den „äußeren Kämpfen“ Probleme „mit der heidnischen Bevölkerung“ in Philippi gemeint habe, so SCHLATTER, A., Paulus, der Bote Jesu. Eine Deutung seiner Briefe an die Korinther, Stuttgart 1934, 584, scheint mir sehr unwahrscheinlich, weil diese Probleme mit der Ankunft des Titus plötzlich weg sind, wie 2Kor 7,6f deutlich wird. 21 SCHWEIZER, E., Art. savrx im NT, ThWNT 7, 1964, 123–151, 125, Z. 5f: „hJ savrx hJmw``n = hJmei``~ […] umfasst ausdrücklich auch die inneren Ängste.“ Richtig stellt bereits BULTMANN, 2Kor (s. Anm. 3), 56 fest, dass savrx „im neutralen Sinn“ wie 2Kor 12,7; 1Kor 7,38; Gal 4,13f das Ich in seinem „körperlichen Dasein“ meint. Daraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass savrx und pneu``ma austauschbare Begriffe seien. Bei Paulus stehen beide Begriffe nie parallel. Vielleicht ist „Fleisch“ an dieser Stelle „wieder entspr. atl. Vorstellung Terminus für den Leib des Menschen“, so SAND, A., Art. savrx, sarkov~, EWNT 3, 1983, 549–557, 550. 22 Ist also „7,5 als Wiederaufnahme des Themas […] angesichts des Wechsels vom Singular zum Plural und von pneu``ma zu savrx“ wirklich „kaum erträglich“, wie KÜMMEL, Einleitung (s. Anm. 5), 253 meint? 23 Perisseuvw außerhalb des 2Kor noch 13-mal; uJperperisseuvw wie 7,4 noch Röm 5,20. 24 Carav bei Paulus außerhalb des 2Kor noch 14-mal; caivrw 15-mal. 25 Auch die relativ lange „Reflexion“ des Plato ist viel kürzer.
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berichte bzw. Darlegungen über Zweck und Ziel der angetretenen Reise sind, was aber für die Apologie so nicht zutrifft, und c) vor allem, weil 2Kor 2,14 recht unvermittelt an 2,13 anschließt und gerade nicht die Überleitung bringt, die man von den als Parallelen angeführten Stellen her erwartet. Die Parallelen können somit die Einheitlichkeit des paulinischen Briefes schwerlich begründen. Viel eher zeigen sie die Gedankenwelt des Redaktors an, der den Einschub vorgenommen hat. Für eine solche Redaktionsarbeit haben sich allerdings außerhalb des Neuen Testaments keine Parallelen finden lassen. Zu wenig bedacht ist dazu bei den verschiedenen Hinweisen, dass sich „Parenthesen von solcher Länge“ bei Paulus sonst nicht mehr finden lassen,26 und dass auch die „Abschweifungen“ in den Reiseberichten viel kürzer und sachbezogener sind. Nimmt man aber den Abschnitt aus dem Zusammenhang heraus und streicht das überleitende gavr, dann passen 2,13 und 7,5 „wie die zwei Ränder einer Bruchstelle“ zu einander, woraus zu schließen ist, dass diese Verse „also ursprünglich unmittelbar zusammengehört haben“ müssen.27 Für diese Sicht könnte auch die Beobachtung sprechen, dass die Apologie mit einer einzigen Ausnahme (5,11) im Wir-Stil abgefasst ist, der „Versöhnungsbrief“ (2Kor 1,1–2,14; 7,5–16) aber nach der im Wir-Stil abgefassten Briefeinleitung (1,1–14) weitgehend im Ich-Stil mit wenigen kurzen Ausnahmen (1,21f.24; 2,1; 7,5–7a.12b–13), wo Paulus in den Wir-Stil wechselt.28 Eine Durchsicht der paulinischen Briefe im Hinblick auf die Verwendung des Wirbzw. des Ich-Stiles ergibt folgendes Bild: Der 1Thess ist im Wir-Stil abgefasst und enthält eine einzige Ich-Aussage in 3,5. Im Gal, Phil und Phlm dominiert hingegen der Ich-Stil. Im Röm gebraucht Paulus Kap. 1 die 1. Person Singular, Kap. 3–8 (außer 7,9–25) die 1. Person Plural, ab Kap. 9,1, mit Ausnahme weniger kurzer Sätze im Plural (9,14.30; 13,11–13; 14,7f.13.19; 15,1), wieder die 1. Person Singular. Der 26
Vgl. VIELHAUER, Geschichte (s. Anm. 7), 152. Das gilt auch für den Vermerk von SCHLATPaulus (s. Anm. 20), 494: „Aber diesen Bericht schiebt er noch auf; er folgt erst in 7,2. Zunächst verbindet er mit der Erinnerung an jene bangen Tage eine Darstellung der Herrlichkeit seines Apostelamtes“. Vom Zusammenhang her ist das richtig gedacht. LIETZMANN, Korr (s. Anm. 5), 108, spricht von einem „undurchsichtigen Motiv“, das Paulus zum Exkurs veranlasse. Dies zeigt die Schwierigkeit an, den Brief als einheitliches Ganzes zu verstehen. KÜMMEL, Einleitung (s. Anm. 5), 129, meint: „Wir haben uns nach V. 13 eine lange Diktierpause zu denken.“ Das ist aber eine Notauskunft. 27 SCHENKE, H.-M./FISCHER, K.M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments I: Die Briefe des Paulus und Schriften des Paulinismus, Gütersloh 1978, 111. 28 Nach BERGER, Gattungen (s. Anm. 14), 1274, ist der Wechsel von der 1. Person Singular zur 1. Person Plural bei Reiseberichten häufig anzutreffen. Aber 2Kor ist kein wirklicher Reisebericht. TER,
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sogenannte „Tränenbrief“ (2Kor 10–13) ist anfänglich (10,1–18) wie der Versöhnungsbrief im Wir-Stil gehalten (Ausnahmen 10,1f.8.10) und wechselt dann in den Ich-Stil, wobei auch sporadisch Sätze im Plural begegnen (11,6b.12b.21b; 12,18b.19; 13,4b.7–9). Ebenso ist der 1Kor grundsätzlich im Ich-Stil abgefasst, aber es begegnen zwei größere Einheiten im Wir-Stil (2,6–16 und 8,1–13) sowie kleinere Vermerke (1,23; 4,1.10–12; 9,10–12; 10,11.22; 11,16; 15,57). Aus diesem oberflächlichen Durchgang lässt sich freilich noch wenig schließen, denn gerade der Röm zeigt, dass der Mittelteil eines Paulusbriefes im Wir-Stil gehalten sein kann, während die Rahmung den Ich-Stil bringt. Das entspräche dem 2Kor, wenn man von der Einleitung 1,1–14 absieht. Sieht man genauer hin, ergibt sich, dass allgemein bei Paulus in Wir-Passagen sehr viel weniger „Ich-Sätze“ auftauchen, als „Wir-Sätze“ in „Ich-Passagen“. Den häufigen Wechsel vom Singular zum Plural und wieder zurück in 2Kor 1,21–2,14; 7,5–16 gibt es so nur noch in 2Kor 10–13, also in zwei Texten, die sehr emotional geschrieben sind. Diese persönliche Emotionalität fehlt aber in der Apologie, was auch der fehlende Wechsel vom Plural in den Singular und umgekehrt anzeigt.29
Der Zusammenhang unseres Textes vor dem Einbau der Apologie dürfte somit so ausgesehen haben: Der Apostel befindet sich nach 2,12f auf einer Schiffsreise von Troas nach Makedonien. Er hat die gelungene Missionsarbeit in Troas abgebrochen, um Titus so rasch wie möglich zu begegnen. In Troas angekommen stellt der Apostel aber fest, dass Titus dort noch immer nicht eingetroffen ist (7,5f). Seine Leiden, geboren aus der Ungewissheit um das Verhältnis zur Gemeinde, verstärken sich, erfahren aber eine Erquickung durch das Eintreffen des Titus. Diesen zusammenhängenden Text zerreißt der Redaktor, um einen Abschnitt einzufügen, in dem es um die Würde des Apostelamtes geht. Warum er diesen Text hier einfügt, ist später zu bedenken. Vorher sind Parallelen genauer zu betrachten, in denen Texte verschachtelt wurden.
III Im Markusevangelium gibt es mehrfach Textverschachtelungen.30 Sie sind allerdings von sehr viel geringerem Umfang als die Apologie innerhalb des
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Es wäre empfehlenswert, eine Dissertation zum Wechsel des Personalpronomens bei Paulus anzugehen, wobei dann nicht nur der Wechsel vom Singular zum Plural, sondern auch jener von der 1. zur 2. Person Plural, von der Zusage zur Aussage (vgl. etwa Röm 8,15) zu bedenken wäre. 30 Diese „Technik der Verschachtelung“ (vgl. PESCH, R., Das Markusevangelium, HThK 2/1, Freiburg/Basel/Wien 21977, 221) ist für das Markusevangelium typisch, vgl. SCHWEIZER, E., Das Evangelium nach Markus, NTD 1, Göttingen 171967, 45.
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2Kor. K. Berger31 hat bereits auf Mk 6,13.14–29.30 hingewiesen. Das Material ist vielfältiger. 1. Am einheitlichsten ist Mk 5,21–43, die Einfügung des Berichtes über die blutflüssige Frau (5,25–34) in jene von der Tochter des Jairus (5,21– 24.35–43). Der Stil beider Erzählungen ist verschieden,32 sie sind also einmal separat umgelaufen. Die Verschachtelung hat die Funktion, den Leser nachvollziehen zu lassen, wieso Jesus zu Jairus erst so spät kommt. Die beiden Erzählungen sind an einzelnen Stellen aufeinander abgestimmt. So ist in beiden der Glaube thematisiert (5,34.36), es begegnet in beiden die Zahl „Zwölf“ (5,25.42), und in beiden handelt es sich um weibliche Gestalten (5,23.25). Entweder haben beide Erzählungen aufeinander eingewirkt, oder der Redaktor33 hat zwei Berichte ineinander verschachtelt, in denen ähnliche Aussagen bereits vorher vorhanden waren. 2. In der Perikope Mk 3,20–35 sind die Dinge bereits etwas komplizierter. Da wird zuerst davon berichtet, dass Jesus in das Haus hineingeht und sich viele Menschen dort versammeln (3,20). Es folgt unvermittelt eine Feststellung, dass „die Seinen“ Nachricht erhalten und sich aufmachen, „ihn zu greifen“, weil sie meinen, „er sei von Sinnen“ (3,21). An die Angabe, dass Schriftgelehrte von Jerusalem nach Kafarnaum kommen, schließt sich das Beelzebulgespräch an (3,22–30), und daran die Szene mit den Verwandten vor der Tür des Hauses (3,31–35). Wahrscheinlich haben 3,21 und 3,31–35 einmal zusammengehört, wenn auch nicht im jetzigen Wortlaut.34 Dann wollte diese Verschachtelung dem Leser suggerieren, dass Zeit vergeht, bis die Seinen ankommen, indem die relativ lange Texteinheit 3,23–30 eingefügt wurde. Aber die Einfügung hat auch zur Folge gehabt, dass V. 21 durch Mk neu formuliert wurde, denn seine Sprache ist redaktionell.35 Dadurch entstand dann eine relativ geschlossene Einheit: Die „Seinen“ halten Jesus für verrückt, die Gelehrten halten ihn für „besessen“, mit Beelzebul verbündet. Der Kontrast zwischen den Anhängern und Verehrern einerseits und dem Unverständnis der Seinen andererseits dominiert jetzt den ganzen 31
BERGER, Gattungen (s. Anm. 14), 1275; DERS., Formgeschichte (s. Anm. 13), 277. In 5,21–34 dominieren die Aorist-Partizipien, in 5,21–24.35–43 dominiert das Praesens historicum. 33 SCHWEIZER, Mk (s. Anm. 30), 64: Der Einschub der Erzählung „geht wahrscheinlich auf das Konto des Mk, der es liebt, Zwischenräume durch solche Einschübe auszufüllen (3,22–30; 6,14– 29; 11,15–19, bei Mt anders eingeordnet; 14,1–11.53–72).“ Nach PESCH, Mk (s. Anm. 30), 295 ist die Schachtelung vormarkinisch. 34 GRUNDMANN, W., Das Evangelium nach Markus, Berlin 51971, 81: „Darum dürfte dieser kleine Text aber die Einleitung zu 3,31–35 sein, wovon sie jetzt abgesprengt ist.“ Anders PESCH, Mk (s. Anm. 30), 212: 3,31–35 könne nicht „als Fortsetzung der konkreten Tradition [3,21] gelten, vielleicht als Ersatz einer früheren Fortsetzung“. Vgl. auch BULTMANN, R., Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 51961, 29. 35 KOCH, D.-A., Die Bedeutung der Wundererzählungen für die Christologie des Markusevangeliums, BZNW 42, Berlin/New York 1975, 145f. 32
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Bericht. Die leichte Variation der Aussage von oiJ parÆ aujtou`` in 3,21 zu der von hJ mhvthr aujtou`` kai; oiJ ajdelfoi; aujtou`` in 3,31 ist vergleichbar jener von oujk e[schka a[nesin tw``/ pneuvmati in 2Kor 2,13 zu oujdemivan e[schken a[nesin hJ savrx hJmw``n in 2Kor 7,5. 3. Der Einbau der Perikope vom Tod Johannes des Täufers (6,17–29) zerreißt den Bericht von der Aussendung der Jünger (6,7–13) und die Feststellung der Rückkehr derselben (6,30). Die Tendenz ist eindeutig: Die Leserinnen und Leser sollen den Eindruck des Ablaufes einer gewissen Zeitspanne erhalten, in dem die Ausgesandten Missionstätigkeit ausgeübt haben.36 Den Übergang bildet der kurze Bericht über die Einschätzung Jesu durch die Menschen, die Herodes zu Gehör bekommt (6,14–16), zu der auch gehört, dass Jesus als der neue Johannes der Täufer eingestuft wird. Die Künstlichkeit des Einbaus des längeren Berichtes ist besonders deutlich. Es gibt nur eine Überleitung dazu, die nicht direkt mit dem Vorhergehenden zusammenhängt. Zur folgenden Feststellung der Rückkehr der Apostel (6,30) gibt es keinen Übergang. Dieser Vers ist aber von Markus geschaffen oder zumindest in die heutige Form gesetzt.37 Um so mehr fällt auf, dass zwischen der Aussendung der „Zwölf“ (6,7) und der Rückkehr der „Apostel“ (6,30) sprachlich unterschieden wird. Es handelt sich um eine ähnliche Variation, wie sie bei 3,21 im Verhältnis zu 3,31 beobachtet wurde. 4. Mk 11,12–20 ist in den Bericht von der Verfluchung des Feigenbaumes (11,12–14.20) jener von der Tempelaustreibung (11,15–19) eingebaut. Die Verschachtelung ist möglicherweise vormarkinisch.38 Die Einfügung berücksichtigt einen zeitlichen Faktor: Es vergeht ein Tag und eine Nacht, veranschaulicht aber auch sinnbildlich, dass Israel als verdorrter Feigenbaum angesehen ist, der kein Lebensrecht mehr hat. 5. In die Verhandlung des Synhedriums (Mk 14,1f) und die Bereitschaft des Judas, Jesus zu verraten (14,10f), ist die Erzählung von der Salbung in Bethanien (Mk 14,3–9) eingefügt. Diese Einfügung erweckt zwar beim Leser den Eindruck, dass zwischen dem Beschluss des Synhedriums und der Meldung des Judas Zeit vergangen ist, aber sie zeichnet auch zwei ganz verschiedene Verhaltensweisen von Menschen gegenüber Jesus: Die einen suchen seinen Tod, die anderen bereiten ihn in Liebe darauf vor. Die Ver36
SCHWEIZER, Mk (s. Anm. 30), 74: Zwischen Aussendung und Rückkehr liegt eine beträchtliche Zeit. Markus muss also den Zwischenraum füllen. 37 V. 30f ist stark redaktionell gestaltet, vgl. GNILKA, J., Das Evangelium nach Markus, EKK 2/1, Zürich/Einsiedeln/Köln/Neukirchen-Vluyn 1978, 254 und THEISSEN, G., Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien, StNT 8, Gütersloh 1974, 184. 38 PESCH, R., Das Markusevangelium, HThK 2/2, Freiburg/Basel/Wien 31984, 190; GNILKA, J., Das Evangelium nach Markus, EKK 2/2, Zürich/Einsiedeln/Köln/Neukirchen-Vluyn 1979, 133.
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schachtelung hat neben dem zeitlichen Effekt zumindest auch ein theologisches Interesse. Sie ist möglicherweise vormarkinisch.39 6. Die Einfügung der Verleugnung des Petrus (Mk 14,55–65) in den Bericht vom Verhör Jesu vor dem Synhedrium (14,53f.66–72) hat einen theologischen Grund: Den Gegensatz von Bekenntnis Jesu und Verleugnung des Petrus. Sie ist dem Autor des Mk wahrscheinlich vorgegeben gewesen.40 Aus den Parallelen im Markusevangelium, die eine Verschachtelung von Texten bieten, konnte gezeigt werden, dass Mk an Nahtstellen selbst formulieren kann, sei es, dass er die Überleitung am Anfang (3,20), sei es, dass er jene am Ende der Einfügung (6,30) selbst gestaltet. Aus dieser Beobachtung könnte man folgern, dass auch der Redaktor, der 2Kor in die jetzige Form brachte, in 2Kor 2,14 oder 7,5 einiges selbst formuliert hat. Er könnte das bei Paulus sonst nicht mehr anzutreffende Verbum qriambeuvein41 anstelle einer anderen Formulierung gesetzt haben und ebenso 7,5 das Substantivum savrx, das als Parallelaussage zu pneu``ma in 2,13 für Paulus etwas eigenartig, aber nicht unmöglich ist. Aber eine solche Vermutung ist nicht nötig. Der Text lässt sich durchaus von Paulus her verstehen. Matthäus und Lukas haben die Schachtelungen des Mk nur an wenigen Stellen übernommen42 und selbst keine vergleichbaren Textkombinationen getätigt, ein Zeichen dafür, dass sie mit der Technik der Verschachtelung nicht vertraut waren. Die Tatsache aber, dass Mk diese Technik öfter verwendete und möglicherweise darin auch einer Tradition folgte, zeigt, dass im jungen Christentum ein solcher Umgang mit Texten möglich war. Dass es ihn auch außerhalb des Christentums gab, ist bisher nicht bekannt. Die Tatsache, dass im 2Kor eine ähnliche Verschachtelung erfolgt, kann auf einen entsprechenden Umgang mit Texten in der Umwelt des Redaktors des 2Kor oder auf Beeinflussung durch die Evangelienredaktion zurückgeführt werden,43 wobei die Tatsache, dass bei Reiseberichten „Darlegungen“ über den Zweck der Reise üblich waren, ebenso eine Rolle gespielt haben dürfte. 39 Das ergibt sich aus Joh 12,1–8, wenn man annimmt, dass das Johannesevangelium nicht von unserem Markusevangelium, sondern von seiner Passionstradition abhängig ist, denn innerhalb der Salbungsgeschichte tritt Judas auf (12,4), der bei Mk erst 14,10f genannt wird. 40 Das ist allerdings umstritten und hängt mit der Frage zusammen, ob die joh Passions- und Ostertradition auf Mk oder eine unabhängige Tradition zurückgeht. Zur Problematik vgl. KLEIN, H., Lukasstudien, FRLANT 209, Göttingen 2005, 65–84. 41 Im NT begegnet es noch Kol 2,15. 42 Übernommen wurden von beiden die Verschachtelungen aus Mk 5,21–43 und Mk 14,53–72; Mt übernimmt noch Mk 14,1–11 und Mk 6,13–30, allerdings um Mk 6,17–27 gekürzt. 43 In diesen Zusammenhang gehört auch der Einbau von 6,14–7,1. Auch hier ist der Textzusammenhang zerrissen, die beiden Teile 6,13 und 7,2a passen zusammen wie zwei Glieder einer Kette. Zu diesem Text und seiner Fremdartigkeit innerhalb des Zusammenhanges vgl. SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 5), 101f. 2Kor 6,14–7,1 ist offensichtlich eingebaut, um den Grund aufzuzeigen, der bei den Korinthern die Bereitschaft zur Aufnahme des Apostels verhindert: Neigung zum
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IV G. Bornkamm hat vermutet, dass der Redaktion ein theologisches Anliegen, nämlich das der Verherrlichung des Paulus zugrunde liegt, ein Anliegen, das er selbst als bedenklich ansieht. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der Hymnus (2Kor 2,14) am Anfang dieser Apologie „Gott sei Dank, der uns in Christus allezeit im Triumph herumführt und den Duft seiner Erkenntnis an jedem Ort offenbart“, wobei der Redaktor, anders als Paulus selbst, den Weg des Apostels nach Mazedonien als Triumph des Evangeliums versteht.44 Die verschiedenen Texte, die zum Verständnis des Einbaus von 2Kor 2,14–7,4 herangezogen wurden, haben gezeigt, dass üblicherweise zwei Gesichtspunkte gleicherweise bei einem solchen Einschub wirksam sind: Der eine a) besteht darin, bei den Lesern den Eindruck zu erwecken, dass Zeit vergeht, der andere b) darin, dass ein bestimmtes theologisches Konzept den Einschub begleitet. Auch beim Einschub 2Kor 2,14–7,4 dürften beide Gesichtspunkte vorliegen. a) Die Schiffsreise dauert einige Zeit. Dies nimmt der Redaktor zum Anlass, den Lesern und Leserinnen zu suggerieren, dass Zeit vergeht, indem er ein anderes Stück einfügt. Der Gedanke ist offensichtlich der, dass Paulus über seinen Konflikt meditiert.45 b) Damit verbindet sich der theologische Gesichtspunkt: Die Leser und Leserinnen sollen erfahren, warum Paulus es in Troas nicht aushielt und dass es Paulus in seinem Konflikt mit der Gemeinde in Korinth um den apostolischen Dienst in seiner vielfältigen Nuancierung gegangen ist, ein Verständnis des Apostolates, das in der Gemeinde zur Diskussion stand. Die so vorbereiteten Leser und Leserinnen können auf diese Weise den Erfolg des Titus in Korinth nachvollziehen, insofern die paulinische Darlegung für den vernünftig Denkenden durchaus einleuchtend ist.46 Götzendienst. Etwas anders sieht das GRÄSSER, 2Kor (s. Anm. 8), 265, der vermutet: „Er [sc. Paulus] wollte nicht, dass die Bitte um Weitherzigkeit (V. 13) überdehnt wird. Den Gottlosen und Götzendienern gegenüber hat sie ihre Grenze.“ Ähnlich argumentiert bereits SCHLATTER, Paulus (s. Anm. 20), 582, allerdings im Sinne des echten Paulus: „Wenn sie [die Korinther] ihre Heiligung widerrufen und in die Gemeinschaft mit der Welt zurücktreten, haben sie keinen Raum für Paulus mehr.“ SCHMELLER, T., Der ursprüngliche Kontext von 2Kor 6,14–7,1. Zur Frage der Einheitlichkeit des 2. Korintherbriefes, NTS 52, 2006, 219–238, 236f, stellt sich dieser Frage gar nicht; er meint, der Redaktor habe diese Stelle zur Einfügung gewählt, weil andere mögliche schlechter gewesen wären. 44 S. BORNKAMM, Vorgeschichte (s. Anm. 4), 184f. Diesen Gedanken hat LOHSE, E., Paulus, München 1996, 129, übernommen. 45 Dies Verständnis kommt der in Anm. 1 festgehaltenen Auslegung von Bengel sehr nahe. 46 Dies kommt der Sicht von LANG, F., Die Briefe an die Korinther, NTD 7, Göttingen 1986, 265, sehr nahe, der allerdings ausgehend von der Einheitlichkeit des Textes den Abschnitt so versteht: „Durch die Erinnerung an das sorgenvolle Bangen in Troas wurde Paulus m.E. dazu
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Möglicherweise aber gab es noch einen dritten Gesichtspunkt, der den Einbau der Apologie an dieser Stelle veranlasste: Die Leserinnen oder Leser sollten den ehemaligen Dissens im Lichte der erfolgten Versöhnung wahrnehmen. Die Spannungen von einst gab es nicht mehr. Umso mehr galt es, das apostolische Wort ernst zu nehmen. Der Redaktor ist dabei vielleicht von einer bis heute wichtigen Erfahrung ausgegangen: Die weisheitlichtheologische Argumentation der Apologie funktioniert nur in Zeiten der Ruhe und nicht in Situationen des Streites. Theologische Argumente helfen bei Parteiungen, wenn überhaupt, nur selten. Die Tiefe der Argumentation überwindet Spannungen nicht,47 wohl aber gibt sie Material an die Hand, die bei der Nacharbeit der Krise wichtig ist. In Zeiten des Streites entscheidet die Macht der Autorität, die dem Geiste Christi allenfalls begrenzt entspricht. Paulus ist nach seinem kurzen Zwischenbesuch in Korinth mit dem „Tränenbrief“, wenn wir ihn in 2Kor 10–13 wiederfinden, autoritär aufgetreten im Wissen, dass er als „Tor“ redet (2Kor 11,1; 12,11), und hat sich damit, freilich mit Hilfe der Vermittlung des Titus, durchgesetzt. Die Apologie aber bleibt das Zeugnis des Ringens des Apostels um seine Gemeinde, das eine solche theologische Tiefe hat, wie man sie auch bei Paulus selten findet. Das haben sogar seine Gegner anerkannt, wenn sie, wahrscheinlich mit Bezug auch auf die Apologie meinten, „seine Briefe sind gewichtig und kräftig“ (2Kor 10,10).48
veranlasst, nachträglich die theologische Grundlage seines apostolischen Wirkens, um die es bei dem schmerzlichen Konflikt in Korinth gegangen war, ausführlicher zu entfalten, um seine Motive nun aus größerer Distanz in sachlicher Darlegung für die Gemeinde verständlich zu machen. (Deshalb wirkt der Abschnitt jetzt wie ein umfangreicher Exkurs).“ 47 Vgl. KÖSTER, Einführung (s. Anm. 3), 563: „Aus den folgenden Ereignissen ergibt sich, daß dieser Brief die Zweifel der Korinther nicht beseitigte und wohl nur das Hohngelächter der Gegner erntete.“ 48 Ich hoffe, mit diesen Ausführungen dem Jubilar, der einen Kommentar zum 2. Korintherbrief vorbereitet, eine kleine Freude zu machen. Über die Sache haben wir auf einer gemeinsamen Reise von Aberdeen nach Loch Ness gesprochen.
II. Das historische Umfeld der paulinischen Gemeinden
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Symposion und Wassersucht, Reziprozitätsdenken und Umkehr Sozialgeschichte und Theologie in Lk 14,1–24 Symposion und Wassersucht, Reziprozitätsdenken und Umkehr Wer in der römischen Kaiserzeit wissen wollte, wie man sich bei einem Symposion verhält, um als gebildeter und mit der Etikette vertrauter Zeitgenosse zu erscheinen, war gut beraten, die „Gastmahlsgespräche“ des Plutarch eingehend zu studieren. Einerseits wird hier Bildungswissen en masse gesammelt, so dass der Gesprächsstoff auch an langen Abenden nicht ausgehen kann, andererseits werden (für die Seite des Gastgebers) Organisationsfragen und (für die Seite der Gäste) Verhaltensregeln bis ins Detail besprochen, kurz: ein „Knigge“ für das Symposion gegeben, so dass man in jeder Situation weiß, wie man sich richtig zu verhalten hat. Als allererstes Problem, das innerhalb des neun Bände umfassenden Werkes behandelt wird, wirft Plutarch die Frage nach der Wahl des Gesprächsgegenstandes auf: „Ob man beim Trinkgelage über die Philosophie diskutieren soll“ (I 1). Gleich die erste Frage des zweiten Buches führt dieses für das Gelingen eines Symposions offensichtlich wichtige Thema spezifiziert fort (II 1). Hier geht es darum, die Feinfühligkeit der Gesprächsteilnehmer zu schulen. Wir erfahren, dass es allemal angenehmer ist, wenn das Gespräch auf Themenfelder gelenkt wird, in denen man sich auskennt und von Erfolgen erzählen kann. Hüten sollte man sich davor, die Gesprächsteilnehmer auf Misserfolge oder gar Unglücksfälle anzusprechen. Eine besondere Gefahr für die Atmosphäre beim Gastmahl scheint die „Stichelrede“ (631C) zu sein, vor allem wenn sie als versteckter Vorwurf eines Fehlverhaltens daherkommt (631E) oder auf „Laster“ der anwesenden Personen anspielt. Wer sich auf dieses Feld wagt, aber nicht die Gabe besitzt, zwischen „Vorlieben“, die als normal eingestuft werden, also die Musik- oder Jagdliebhaberei (filomousikiva/filoqhriva) und anderen „Vorlieben“, die eher als krankhaft (novshma) gelten, etwa Geiz (filarguriva) oder Trunksucht (filoiniva), zu unterscheiden, wird sich schnell den Unwillen der Mahlteilnehmer zuziehen (633A). Schaut man aus dieser Perspektive auf das Tischgespräch,1 das der dritte Evangelist in Lk 14,1–24 komponiert hat,2 kann man nur sagen: Der lukani1
Richtungsweisend für die Einordnung von Lk 14,1–24 in die Symposionsliteratur war MEEÛS, X. DE, Composition de Lc., XIV et genre symposiaque, in: EThL 37, 1961, 847–870;
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sche Jesus verhält sich ganz und gar nicht à la Etikette. Nicht nur dass er die anderen Gäste beobachtet, wie sie sich die vornehmsten Plätze aussuchen (V. 7) und ihnen dann die Anstandsregeln ihrer eigenen Tradition zu Gehör bringt (V. 8–10). Er maßt sich sogar an, völlig neue Einladungsregeln zu formulieren, die alle Konventionen auf den Kopf stellen (V. 12f). Beginnen wir mit Letzterem.
1. Symposion und Reziprozität: die alternative Einladungsregel Lk 14,13 Das Symposion ist eine Alltagsinstitution des aristokratischen Milieus. Zu den logistischen Voraussetzungen gehört ein eigenes Haus mit Dienstpersonal. Am späten Nachmittag (dei`pnon/cena), seltener zur Mittagszeit (a[riston/prandium),3 speist man in vertrauter Runde. Mit inter amicos und coeat par iungaturque pari sind die entscheidenden Kriterien für die Auswahl der Gäste gegeben (Horaz, Ep. I 5,24).4 Zu Mahlgenossen wählt man sich sozial etwa Gleichgestellte, kurz „Freunde“ genannt.5 Genau diese Konvention greift Jesus in Lk 14,12 massiv an: Nicht Freunde, Brüder, Verwandte bzw. die reichen Nachbarn soll man einladen, sondern sozusagen den Abschaum der Gesellschaft: Bettler, Krüppel, Lahme, Blinde (Lk 14,13); alles Leute, die auf der Straße leben, wie es die Parabel vom „armen Lazarus“ (Lk 16,19–31) oder die Heilung des Gelähmten, der vor dem Tor des Tempels sitzt (Apg 3,1–10), plastisch vor Augen führen. Die Zusammenstellung der Termini ist zwar klischeehaft,6 entbehrt jedoch nicht der empirischen Bodenhaftung. Die genannten körperlichen Defekte müssen keineswegs Geburtsfehler sein, sondern können auch mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen im grellen Sonnenlicht und ohne differenzierte Kritik findet sich bei: BRAUN, W., Feasting and Social Rhetoric in Luke 14, Cambridge 1995, 136–144. 2 Zur Redaktionstätigkeit des Lk sowie zur Diskussion der Quellenlage vgl. HOPPE, R., Tischgespräche und Nachfolgebedingungen. Überlegungen zum Gleichnis vom großen Mahl Lk 14,16– 24 im Kontext von Lk 14,1–35, in: C.G. Müller (Hg.), „Licht zur Erleuchtung der Heiden und Herrlichkeit für dein Volk Israel“. Studien zum lukanischen Doppelwerk (FS J. Zmijewski), BBB 151, Hamburg 2005, 115–130. 3 Grundlegende Informationen bei FOTOPOULOS, J., Food Offered to Idols in Roman Corinth. A Social Rhetorical Reconsideration of 1 Corinthians 8:1–11:1, WUNT II 151, Tübingen 2002, 158–178. 4 Ähnliche sentenzenhafte Äußerungen zur Auswahl der Gäste finden sich bei Varro (Aulus Gellius XIII 11,3) und Cato d.Ä. (Cicero, [Cato] Sen. 45). 5 Vgl. STEIN-HÖLKESKAMP, E., Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005, 34–41. 6 Vgl. Plato, Criti. 53A.
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Schutzvorkehrungen im Zusammenhang stehen und als deren gesundheitsschädigende Konsequenzen verstanden werden.7 Insofern fungieren „blind“, „lahm“ und „verkrüppelt“ durchaus als adäquate Beschreibungen gerade der Bettelarmen (ptwcoiv),8 also all derjenigen, die aufgrund ihrer körperlichen Mängel keine Chance mehr haben, sich als Tagelöhner zu verdingen. Während „Arme“ (pevnei9) – im Unterschied zu den „Reichen“ (plouvsioi) – sich ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit der eigenen Hände verdienen müssen und sich gewöhnlich einen Schlaf- und Abstellraum in einer insula, also einem oft vielstöckigen Wohnblock, leisten können, sind die „Bettelarmen“ auf milde Gaben angewiesen und leben regelrecht auf der Straße. Leute dieser Kategorie sollen sich die Vornehmen als Alternativgäste in ihre Häuser einladen.
1.1 Durchbrechung der Einladungskonventionen Zur Klarstellung: Dem lk Jesus geht es mit seiner alternativen Einladungsregel Lk 14,13 keineswegs darum, die Reichen zu noch größerer Wohltätigkeit im Sinn der liberalitas aufzufordern, womit sie am Ende doch nur ihre eigene öffentliche Reputation steigern würden,9 sondern um die unmittelbare soziale Interaktion beim Gastmahl gerade mit denen, die dafür normalerweise niemals in Frage kämen – und zwar unter Einhaltung der formvollendeten Etikette. Dabei ist nicht nur an ein bescheidenes Mittagessen (a[riston) oder die allnachmittägliche cena (dei`pnon) gedacht, zu der die Freunde und reichen Nachbarn, die allesamt offensichtlich im gleichen Viertel wohnen und deshalb spontan „herbeigerufen“ (fwnei`n) werden können (so V. 12), sondern an einen richtig großen „Empfang“ (dochv), zu dem auch die formelle Einladung auf schriftlichem Weg durch ein Billett 7 Vereinzelt gibt es sogar Hinweise darauf, dass Eltern ihre Kinder absichtlich verstümmelt haben, damit sie als bettelnde Krüppel mehr Mitleid erregen. Vgl. RÖSGER, A., Der Umgang mit Behinderten im römischen Reich, in: M. Liedtke (Hg.), Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung. Historische und systematische Aspekte, Schriftenreihe zum Bayrischen Schulmuseum Ichenhausen 14, Bad Heilbrunn 1996, 137–150, 147. Auf diesem Hintergrund müsste auch das Problem der scheinbaren theologischen Verzweckung von körperlich behinderten Menschen neu bedacht werden, von dem aus sich VENETZ, H.-J., „Und du wirst selig sein …“ Kritische Beobachtungen zu Lk 14,14, in: D. Böhler (Hg.), L’Ecrit et l’Esprit. (FS A. Schenker), OBO 214, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 2005, 394–409, dem Text nähert. 8 Vgl. Lukian, Dial. Mort. 22. 9 Vgl. etwa Plinius d.J., der Geld für bedürftige Kinder gestiftet hat: Ep. VII 18; I 8,10. Vgl. SCHOTTROFF, L., Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005, 276; zur römischen liberalitas vgl. KLOFT, H., Liberalitas Principis: Herkunft und Bedeutung. Studien zur Prinzipatsideologie, KHAb 18, Köln 1970.
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(kalei`n)10 oder auf mündlichem Weg durch einen vocator11 gehört (so V. 13). Durch die offensichtlich bewusst unterschiedlich gewählte Terminologie für den Einladungsmodus der konträren Adressatenkreise sowie den Anlass ihrer Bewirtung unterstreicht Lk diesen Akzent mit Vehemenz. Es geht nicht um eine beiläufige Abspeisung der Armen, sondern um ein vornehmes Mahl gemeinsam mit ihnen, bei dem sie behandelt werden, wie es sich für noble Gäste gehört. Mir ist aus der gesamten griechisch-römischen Antike12 nur eine weitere Stimme bekannt, die Ähnliches mit ähnlicher Vehemenz fordert: der Spötter Lukian aus Samosata. In seiner Schrift Saturnalia lässt er die Armen bei Kronos fiktiv die Petition einreichen, doch die Gastmahlsregeln zu ändern. Statt hinter verschlossenen Türen unter sich zu schmausen (Sat. 32), sollten die Reichen darauf verpflichtet werden, immer vier oder fünf Arme zu Tisch zu bitten.13 Diese sollten aber „auf demokratische Weise“, d.h. von gleich zu gleich behandelt werden und zu allen dargebotenen Speisen gleichen Zugang bekommen – und nicht, wie es üblich geworden sei, demonstrativ als sozial niedriger Gestellte auch schlechter bedient werden und nur die Reste gereicht bekommen (Sat. 22).14
1.2 Durchbrechung der Reziprozitätskonventionen Die soziale Zielrichtung des lk Jesus genauso wie des hellenistischen Schriftstellers Lukian ist verblüffend ähnlich. Während aber Lukian den eigentlichen Grund für seinen Vorstoß nicht explizit formuliert und wohl am ehesten von einem Gerechtigkeitsdenken motiviert ist, das dem Unmut der Armen eine Stimme zu verschaffen versucht, gibt der lk Jesus die Motivation für seine alternative Einladungsregel klar an – und rüttelt damit erneut an einer Konvention, die so etwas wie den Kitt der antiken Gesell-
10 Vgl. dazu die geprägte Wendung kalei` se bzw. ejrwta` se auf Einladungsbilletts; NDIEC 1, 1981, 5–9; NDIEC 5, 1989, 135. 11 Vgl. Plutarch, De garr. 18 (511E): ejkavlesa9 aujtovn; vgl. D’ARMS, J.H., Slaves at Roman Convivia, in: W.J. Slater (Hg.), Dining in a Classical Context, Ann Arbor (MI) 1991, 171–183, 172.181. 12 Für den jüdischen Bereich wäre auf die vorbildliche Haltung des Jose ben Jochanan hinzuweisen (mAv 1,5). 13 Dagegen beurteilt Plutarch einen vergleichbaren Vorfall, den man sich für Megara erzählt, ganz negativ: Arme hätten dort versucht, gewaltsam in die Häuser der Reichen einzudringen und sich Zugang zu ihren üppigen Gastmählern zu verschaffen. Das zeuge von Verdorbenheit und fehlendem Anstand (Quaest. Graec. 18 [295D]). 14 Diese demonstrative Geringschätzung wird auch kritisiert von Plinius, Ep. II 6.
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schaft ausmacht: dem Reziprozitätsdenken.15 Denn nach Lk 14,12 ist der Grund dafür, auf die Einladung von Freunden, Brüdern, Verwandten und reichen Nachbarn zu verzichten, schlicht und einfach folgender: Damit soll ausgeschlossen werden, dass es zu einer Gegeneinladung (ajnti-kalevswsin) kommt, was einer „Gegengabe“ (ajnti-apovdoma) gleichgesetzt wird. Mit diesem Terminus wird auf den antiken Reziprozitäts-Mechanismus angespielt: Jede Gabe verpflichtet zu einer angemessenen Gegengabe. Die Einladung zum Symposion, auf die geradezu notwendigerweise eine Gegeneinladung folgen muss, ist nur eine der vielen Möglichkeiten, um diese soziale Interaktionskette zu realisieren, aber wahrscheinlich zugleich der Ort, an dem sie sich besonders gut in Gang halten lässt. Denn bei diesem ständigen Gabenaustausch, durch den sich die Interaktionspartner ihrer gegenseitigen Freundschaft versichern, geht es um alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens: um die Unterstützung vor Gericht, das Verschaffen von Ämtern und Einfluss und das Vermitteln von Wirtschaftsaufträgen genauso wie um finanzielle Vorschüsse und die Anbahnung von Heiratsanträgen. Das Symposion bot eine ausgezeichnete Plattform, um all das zu besprechen und einzufädeln. In Lk 14,14 wird nun gerade derjenige selig gepriesen, der die alternative Einladungsregel Jesu (Lk 14,13) realisiert und sich damit auf Gäste einlässt, die den üblichen Reziprozitätskonventionen keineswegs entsprechen können: Sie haben weder Häuser noch Geld, weder Ansehen noch Einfluss, sie können weder eine Gegen-Einladung aussprechen noch eine Gegen-Gabe geben (oujk e[cousin ajntapodou`naiv soi). Trotzdem bleibt auch in diesem Fall der gesellschaftlich etablierte Mechanismus prinzipiell in Kraft. Allerdings wird er ins Eschaton verschoben: Die offen gebliebene „Gegengabe“, so Lk 14,14, wird bei der Auferstehung der Gerechten erstattet werden (ajnt-apodoqhvsetai). Wie das präzise gedacht ist, lässt sich von Lk 16,9 her explizieren: „Und ich sage euch: Macht euch Freunde aus dem Mammon der Ungerechtigkeit, damit sie, wenn es zu Ende geht, euch aufnehmen in die ewigen Zelte.“ Versteht man diese Aufforderung als konkrete Anwendung des voranstehenden Gleichnisses vom klugen Verwalter (Lk 16,1–8), als „Moral dieser Geschichte“ also, dann sind tatsächlich die Armen die Akteure der eschatologisch versprochenen Gegen-Gabe: Wie der Verwalter hofft, dass diejenigen, denen er Teile ihrer Schuld erlässt, ihn später in ihre Häuser aufnehmen (vgl. V. 4), so dürfen die Reichen, die analog zu ihm den 15
Zum Reziprozitätsdenken in der Antike vgl. vor allem: GILL, C./POSTLETHWAITE, N./SEAR. (Hg.), Reciprocity in Ancient Greece, Oxford 1998; BURKERT, W., Der Kreislauf des Gebens, in: ders., Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion, München 1998, 158–188; für die Anwendung im Neuen Testament ist instruktiv: STANSELL, G., Gabe und Reziprozität. Zur Dynamik von Gaben in den synoptischen Evangelien, in: W. Stegemann/B.J. Malina/G. Theißen (Hg.), Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 185–196. FORD,
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Armen entgegengekommen sind und ihnen Gutes getan haben, indem sie ihnen Einladungen zu ihren Gastmählern ausgesprochen haben, am Ende des Lebens16 darauf hoffen, dass sie – sozusagen als Rekompensation – nun von ihnen in die „ewigen Zelte“ aufgenommen werden. Wohlgemerkt: Im Rahmen dieses Endgerichtsszenarios – in Apg 24,15 lässt Lk Paulus von der Auferstehung der Gerechten und Ungerechten sprechen – geht es für die Reichen um alles oder nichts. Entweder erhalten sie Einlass ins Gottesreich – oder sie müssen für immer draußen bleiben (vgl. Lk 13,22–30; 16,22–26).
1.3 Konkretisierung der „Feindesliebe“ für die Reichen Nicht umsonst ist der eschatologische Ausblick von Lk 14,14 in die Form einer Seligpreisung gegossen. Denn damit wird den scheinbar definitiven Weherufen an die Reichen in Lk 6,24–26 doch noch eine Rettungsmöglichkeit entgegengestellt, sofern sie denn die alternative Einladungsregel Lk 14,13 praktizieren. Die Adressaten der Weherufe in Lk 6,24–26 entsprechen denen, die laut Lk 14,12 gewöhnlich Freunde und reiche Nachbarn zu sich laden: Sie sind gesättigt und haben gut lachen. Aber – und das ist der Grund für das „Wehe“: Sie haben ihren Trost bereits erhalten (Lk 6,24: ajpevcete). Bei ihnen steht keine Rechnung offen.17 Sie sind voll in den gesellschaftlichen Reziprozitätskreislauf eingebunden, die Grundlage und das tragende Netz für ihr sorgloses und üppiges Leben. Deshalb haben sie im künftigen Leben nichts Positives mehr zu erwarten. Eine einzige Schleuse bleibt offen. In dem Textabschnitt, der sich an die Weherufe unmittelbar anschließt, formuliert Lk einen schmalen Pfad der Rettung: die Feindesliebe im lk Sinn (Lk 6,27–36). Die „Feinde“ nach Lk sind die Habenichtse. Alle diejenigen, die ihre Schulden nicht zurückbezahlen können, deswegen zu Feinden der Reichen werden und am Ende aggressiv gegen sie vorgehen. Sowohl die pagan-hellenistische als auch die jüdische Überlieferung weiß davon ein Lied zu singen.18
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Zur Deutung von o{tan ejklivph/ in Lk 16,9 auf das Ende der Welt vgl. KLEIN, H., Das Lukasevangelium, KEK 1/3, Göttingen 2006, 542, bzw. auf den individuellen Tod vgl. BOVON, F., Das Evangelium nach Lukas, Bd. 3: Lk 15,1–19,27, EKK 3/3, Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn 2001, 81. 17 ÆApevcein (V. 24) ist ein Terminus aus der Geschäftssprache im Sinn von „den Erhalt einer Geldsumme quittieren“; vgl. SPICQ, C., Theological Lexicon of the New Testament, Bd. 1, Peabody (MA) 1994, 162–168. 18 Vgl. Sir 29,4–6; Lukian, Sat. 35.
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In Lk 6,35 – formal handelt es sich um eine inclusio zu V. 27 – fasst Lk seine Neuinterpretation der aus Q überkommenen Sprüche zur Feindesliebe19 folgendermaßen zusammen: Also: Liebt eure Feinde und tut Gutes (ajgaqopoiei`te) und leiht, ohne irgendetwas zurückzuerhoffen. Und es wird euer Lohn (misqov9) groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein, denn auch er ist gütig zu den Undankbaren und Bösen.
Das Entscheidende an dieser Aktualisierung ist der Verzicht auf den Reziprozitätsmechanismus, sofern er sich auf das irdisch-gesellschaftliche Terrain bezieht. Die endzeitliche „Gegengabe“, die Lk offensichtlich ganz bewusst im Unterschied zum innerweltlich ausgetauschten Dank (cavri9) als „Lohn“ (misqov9) bezeichnet, wird ausschließlich denjenigen Reichen versprochen, die – in Nachahmung Gottes – auf Erden nicht darauf gewartet haben, dass ihre beneficia (Wohltaten: ajgaqopoiei`n) durch eine entsprechende gratia20 (Dankesgabe: cavri9) beantwortet werden.21 Nur so können sie dem Verhalten entkommen, das Lk in V. 32–34 als typisch für „die Sünder“ qualifiziert, die nur diejenigen lieben, nur denjenigen Gutes tun und denjenigen leihen, von denen sie „das Gleiche“ (ta; i[sa) im üblichen Gabenaustausch zurückerhalten wollen. Nur diejenigen Reichen, die bewusst aus diesem Reziprozitätsmechanismus ausscheren, die also „gütig“ sind „auch zu den Undankbaren und Bösen“, womit konkret die aggressiv gewordenen Armen im Blick sind (vgl. Lk 6,29f), können auf eine positive Begleichung ihrer „offenen Rechnungen“ im Endgericht hoffen. Im Rahmen der Sprüche zur Feindesliebe wird in V. 35 als erster Konkretisierungsmöglichkeit von beneficia (ajgaqopoiei`n) auf das Geldverleihen ohne Rückerstattungserwartung verwiesen. Die alternative Einladungsregel von Lk 14,13 stellt eine zweite Konkretisierungsmöglichkeit dar, die ihrerseits noch deutlicher zeigt, wie wenig „Gutes tun“ mit allgemeiner Hilfeleistung bei vornehmer sozialer Distanz zu tun hat, wenn es denn wirklich für die Reichen zu der Seligpreisung von Lk 14,14 kommen soll, die ihnen endzeitliche Rekompensation verspricht. Der „Dank“ der Armen besteht darin, dass sie sich für die Aufnahme der Reichen ins Gottesreich einsetzen. Auch strukturell wird in der Passage von der alternativen Einladungsregel Lk 14,12–15 die Kombination von Selig- bzw. Weherufen mit den unmittelbar angeschlossenen Sprüchen zur Feindesliebe aufgegriffen: Wer19
Zur lk Tranformation vgl. EBNER, M., Neutestamentliche Ethik zwischen weisheitlichen Alltagsratschlägen und sozialethischen Visionen, in: H. Schmidinger/G.M. Hoff (Hg.), Ethik im Brennpunkt. Salzburger Hochschulwochen 2005, Innsbruck 2005, 57–95, 73–83. 20 So die lateinische Terminologie; vgl. Senecas Traktat De Beneficiis. 21 Zu cavri9 und ajgaqopoiei`n als Termini der Reziprozitätssprache vgl. UNNIK, W.C. VAN, Die Motivierung der Feindesliebe in Lukas VI 32–35, in: NT 8, 1966, 284–300, bes. 289–295.
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den die Regeln der Feindesliebe in 6,27 „den Hörenden“ gesagt, so ist es in Lk 14,15 ein „Hörender“, der positiv auf den Vorschlag Jesu eingeht. Allerdings rekapituliert er nur die positive eschatologische Verheißung.22 Damit er deren irdische Vorbedingungen nicht außer Acht lässt, bekommen er und die anderen Mahlteilnehmer einen speziell zugeschnittenen Musterfall erzählt: Lk 14,16–24.
2. Ein ungewöhnlicher Einzelfall: die Beispielgeschichte Lk 14,16–24 Der Text in Lk 14,16–24 ist kein Gleichnis, sondern eine Beispielgeschichte. Sie illustriert die Entscheidung für die alternative Einladungsregel Lk 14,13 sowie deren tatsächliche Durchführung. Zur Begründung: Anders als Mt 22,1 stellt Lk seine Erzählung gerade nicht als parabolhv vor. Dieses Signum trägt bei Lk vielmehr Textabschnitt 14,7–11, der – wie der matthäische Gleichnistext Mt 22,1–14 – von der Einladung zu einer Hochzeit (Lk 14,8 vgl. Mt 22,1) erzählt. Außerdem wird im lk Text, wiederum anders als in der matthäischen Version, kein expliziter Sachbezug genannt, auf den hin die lk Erzählung als „Gleichnis“ zu lesen wäre. Bei Matthäus ist der Sachbezug das „Königtum der Himmel“ (Mt 22,2). Schließlich ein Gegenbeleg: Wenn der lk Erzähltext als Parabel gedacht wäre,23 dann müsste auch der Ratschlag Jesu von 14,13 metaphorisch gemeint sein!24 Die Alternative: Erzählung wie Einladungsregel Lk 14,13 beziehen sich auf die gleiche soziale Realität.25 22 Das wird besonders betont von BOVON, F., Das Evangelium nach Lukas, Bd. 2: Lk 9,51– 14,35, EKK 3/2, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1996, 507f. 23 So der große Teil der Ausleger, z.B. WEDER, H., Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, FRLANT 120, Göttingen 1978, 178; KLEIN, Lk (s. Anm. 16), 505; allegorische Anteile im Blick auf Lk 14,21.23 stellen etwa FITZMYER, J.A., The Gospel According to Luke (X–XXIV), AncB 28A, Garden City (NY) 1985, 1053; ERNST, J., Das Evangelium nach Lukas, RNT, Regensburg 61993, 329f, heraus; im Hintergrund stünde die mehrstufig verlaufende Heilsgeschichte. Eine insgesamt allegorische Auslegung schreibt BOVON, Lk II (s. Anm. 22), 507–516. 24 PETRACCA, V., Gott oder das Geld. Die Besitzethik des Lukas, TANZ 39, Tübingen 2003, 149f, versucht folgenden Spagat: Nur der Handlungssouverän und seine Verhaltensweise in Lk 14,16–24 sind metaphorisch zu lesen, nicht dagegen die soziale Verortung der Ersatzgäste. Wie Gott Bettler zu seinem eschatologischen Mahl einlädt, so sollen sie auf Erden jetzt schon von den Reichen eingeladen werden. Schwierig erklärbar bleibt dann allerdings, warum Gott sich zuerst und so ambitioniert um die Reichen als seine eigentlich angezielten Gäste für sein eschatologisches Mahl bemüht. 25 Ebenfalls als Beispielerzählung verstehen Lk 14,16–24: JEREMIAS, J., Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 81970, 41; GLOMBITZA, O., Das große Abendmahl (Luk XIV 12–24), in: NT 5, 1962, 10–16, 11; SCHOTTROFF, Gleichnisse (s. Anm. 9), 70–74. Ausführliche Auseinandersetzung bei BRAUN, Feasting (s. Anm. 1), 64–68.
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Die inhaltlichen Akzente der lk Erzählung lassen sich besonders gut im Gegenüber zur mt Version darstellen, womit keineswegs ein Urteil über die Genese des Stoffs gefällt werden soll.26 Bei Lk spielt nicht ein König die Hauptrolle, sondern ein Mensch. Er lädt nicht zu einer Hochzeit ein, sondern zu einem „großen Gastmahl“ (Lk 14,16 vgl. Mt 22,2). Diejenigen, die vom Sklaven des Gastgebers gebeten werden, zum Gastmahl zu kommen, sind bereits im Vorfeld dazu eingeladen worden (V. 17). Dieser ungewöhnliche, doppelstufige Einladungsvorgang spricht für ein upper class-Milieu.27 In der mt Version reagieren die Eingeladenen einfach nicht auf die Einladung. Der eine geht auf seinen (eigenen!) Acker, der andere in sein Geschäft (Mt 22,4f). Im Blick sind offensichtlich Leute aus dem Milieu der Bauern und Kleinhändler. Anders die Gäste bei Lk: Sie lassen sich entschuldigen. Der eine muss seinen Acker begutachten, den er gerade gekauft hat,28 der andere fünf Doppelgespanne Rinder (Lk 14,18f). Die Gäste, die Lk im Blick hat, arbeiten nicht, sondern kaufen. Sie sind daran interessiert, ihren Landbesitz und dessen Bewirtschaftung erfolgreich zu vergrößern. Wer fünf Doppelgespanne Rinder einsetzen will, muss mindestens einhundert Morgen Land zu bearbeiten haben.29 Vielen Familien müssen drei bis sechs Morgen Land pro erwachsene Person für den Lebensunterhalt genügen.30 Bedenkt man, dass normalerweise die Hälfte des Landes brach liegt, dann kommt man für den zweiten Gast allein aufgrund der fünf Doppelgespanne, die er offensichtlich zu seiner bisherigen Ausrüstung noch dazukauft, bereits auf zweihundert Morgen Land.31
26 Lk schöpft vermutlich aus einer Q-Vorlage; vgl. HOPPE, R., Das Gastmahlsgleichnis Jesu (Mt 22,1–10/Lk 14,16–24) und seine vorevangelische Traditionsgeschichte, in: R. Hoppe (Hg.), Von Jesus zum Christus. Christologische Studien (FS P. Hoffmann), BZNW 93, Berlin 1998, 277– 293; skeptisch dagegen LUZ, U., Das Evangelium nach Matthäus, Bd. 3: Mt 18–25, EKK 1/3, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1997, 233. Im Blick auf die Traditionsgeschichte muss EvThom 65 mitberücksichtigt werden. Viele Einzelbeobachtungen sprechen dafür, dass EvThom 65 den ursprünglichen Plot am besten bewahrt hat; vgl. a.a.O., 235f; BOVON, Lk II (s. Anm. 22), 504–507. 27 Auf eine evtl. schriftliche Einladung hin folgt zusätzlich ein Botengang, der die Gäste zum Mitkommen auffordert; vgl. Terenz, Heaut. 169f; Apuleius, Met. III 3,2; Est 5,8 in Verbindung mit 6,14; Philo, op 78. Vgl. ROHRBAUGH, R.L., The Pre-Industrial City in Luke-Acts. Urban Social Relations, in: J.H. Neyrey (Hg.), The Social World of Luke-Acts. Models for Interpretation, Peabody (MA) 1991, 125–149, 171. 28 Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, die Aoristformen aufzulösen: (1) ingressiv im Sinne von „ich stehe gerade in Verhandlungen …“; (2) die eigentliche Handlung im Präteritum wurde von anderen getätigt, also im Sinn von: „ich habe kaufen lassen …“. 29 Vgl. SCHOTTROFF, L./STEGEMANN, W., Jesus and the Hope of the Poor, Maryknoll (NY) 1986, 101. 30 Vgl. OAKMANN, D.E., Jesus and the Economic Questions of His Day, Lewiston (NY) 1986, 61. 31 Vgl. ROHRBAUGH, City (s. Anm. 27), 143.
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Auch die Entschuldigung des dritten Gastes (Lk 14,20) sollte in dieser Linie gelesen werden.32 Die Heiratspolitik gehört zu den entscheidenden Schachzügen der gehobenen Gesellschaft. Bis es zu einem Ehekontrakt kommt, sind umfangreiche Verhandlungen von Nöten. Während die Familie der Braut gewöhnlich daran interessiert ist, vom Einfluss und dem öffentlichen Ansehen des neuen Schwiegersohns zu profitieren, spekuliert der Bräutigam seinerseits auf die Mitgift der Braut als für ihn flexibel einsetzbares Kapital und erwartet selbstverständlich die finanzielle Unterstützung seiner Karriere.33 Keine Frage: mit den bewusst gewählten Entschuldigungsgründen stellt Lk seinen Lesern wohlhabende, geschäftstüchtige und auf ihren eigenen Aufstieg bedachte „Reiche“ vor Augen. Wie der König in der matthäischen Version (Mt 22,7) wird auch der Gastgeber in der lk Version zornig (Lk 14,21), als alle geladenen Gäste „auf einmal“ (Lk 14,18) sich in letzter Minute entschuldigen lassen. Aber anstelle die Stadt in Flammen zu stecken (Mt 22,7), ändert der lk Gastgeber seine Strategie und lädt Alternativgäste ein: Zuerst die Leute auf der Straße innerhalb der Stadt, also die Bettler und Krüppel und Blinden und Lahmen (Lk 14,21; vgl. 14,13), sodann diejenigen, die sich auf den Straßen und an den Hecken außerhalb der Stadt herumtreiben. Damit sind nicht etwa die Bauern gemeint, die zwar außerhalb der Stadt, aber in Häusern und innerhalb von Dörfern wohnen, sondern all diejenigen, denen aufgrund ihrer gesellschaftlich anrüchigen und religiös suspekten Tätigkeiten der Zugang zur Stadt verwehrt wird: Gerber (vgl. Apg 10,5f),34 Viehtreiber, Schlächter, Totengräber, kurz: das para-urbane Gesindel (ejxwpulei`toi),35 die „Unehrenhaften“ (a[semnoi).36 Die Erzählung endet damit, dass der Gastgeber den Hörern seiner Geschichte mitteilt,37 mit den Gästen, die er eingeladen hat, nie mehr etwas zu tun haben zu wollen.38 32 Gerne wird auf Dtn 20,5–7; 24,5; 1Makk 3,56 verwiesen, wonach ein frisch verheirateter Mann vom Kriegsdienst befreit ist; vehement tritt für diese Deutung ein: DERRETT, J.D.M., Choosing the Lowest Seat. Lk 14,7–11, in: EstB 60, 2002, 147–168. Aber in der lk Erzählung ist von Krieg keine Rede; es geht um einen einzigen Abend, an dem der Gatte abwesend wäre. 33 Für den römischen Bereich vgl. KUNST, C., Eheallianzen und Ehealltag in Rom, in: T. Späth/B. Wagner-Hasel (Hg.), Frauenwelten in der Antike. Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis, Stuttgart 2000, 32–52; für den griechischen Bereich vgl. WAGNER-HASEL, B., Art. Ehe II. Griechenland, in: DNP 3, 1997, 894f. Vgl. auch BRAUN, Feasting (s. Anm. 1), 76–80. Ein Beispiel für Heiratsvermittlung aus der Primärliteratur: Plinius, Ep I 14. 34 Dieser Gerber, bei dem Petrus zu Gast ist, hat sein Haus „am Meer“, außerhalb der Stadt Jafo. 35 Vgl. BRAUN, Feasting (s. Anm. 1), 88–97. 36 Vgl. YOUTIE, H.C., Notes on O. Michel, in: TPAPA 71, 1940, 623–659, 656. Zur soziologischen Durchleuchtung der Stadtstrukturen vgl. ROHRBAUGH, City (s. Anm. 27), 129–137. 37 Die Zuweisung von V. 24 ist notorisch schwierig. Zur hier getroffenen Entscheidung vgl. Lk 19,26, wo es ebenfalls die Hauptfigur der Erzählung ist, deren Schlusssentenz mit der gleichen
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Insgesamt ergibt sich: Lk lässt seine Geschichte im Milieu der Reziprozitätsgewinner spielen, erzählt aber die Geschichte eines Verlierers. Sein Gastgeber hat sich in den Kopf gesetzt, ein großartiges Gastmahl nach allen Regeln der Kunst auszurichten. Aber alle seine reichen und vornehmen Gäste sagen ab. Während die Alternativstrategie, die neuen Gäste aus dem soziologischen Kontrastmilieu zu rekrutieren, im Rahmen der Erzählung durch die emotionale Enttäuschung (V. 21: Zorn) explizit motiviert wird, bleibt der eigentliche Grund für die Ausrichtung eines derart aufwendigen Gastmahls, wie es in V. 16f erzählt wird, sowie für die unisono-Absage unausgesprochen und rätselhaft. Hinweise können sich jedoch aus Lk 14,7– 11 ergeben, sofern dieser Text, wie Lk es will, als Parabel gelesen und auf den Gesprächskontext übertragen wird.
3. Ehrgewinn und Ehrverlust durch die Gäste im Haus: das Doppelgleichnis Lk 14,8–11 Der Stoff Lk 14,8–10, der die Anstandsregel von Spr 25,6f in einen parallel gebauten Doppelspruch umformt,39 wird in V. 7 als „Parabel“ (parabolhv) ausgewiesen, deren Einfall sich dem Beobachten der Gäste bei der Platzwahl verdankt.40 Der Skopus, den die lk Version gegenüber Spr 25,6f hinWendung wie in 14,24 eingeführt wird: levgw de; uJmi`n. So auch BRAUN, Feasting (s. Anm. 1), 121–127, der allerdings wechselnde Zuordnungen in den unterschiedlichen Entwicklungsstufen annimmt. Jesus als Sprecher von Lk 14,24: ERNST, J., Gastmahlgespräche: Lk 14,1–24, in: R. Schnackenburg (Hg.), Die Kirche des Anfangs (FS H. Schürmann), Freiburg i. Br. 1978, 57–78, 73; in BOVONs allegorischer Auslegung spiegelt sich Jesus im „Ich“ des Hausherrn (Lk II [s. Anm. 22], 515). Als Schwierigkeit der vorgeschlagenen Lesart bleibt das uJmi`n. Anders als in Lk 19,26 ist innerhalb der Erzählung von Lk 14,16–24 ein einziger Sklave Ansprechpartner des Handlungssouveräns. Dieser würde also die Konsequenz, die er aus dem Vorfall zieht, auch anderen, eben fiktiven Hörern mitteilen. Nimmt man dagegen mit den meisten Auslegern Jesus als Sprecher von V. 24 an, werden die keklhmevnoi zum Problem. Die Wunschgäste der Parabel, die allesamt abgesagt haben (V. 18–20), können nicht gemeint sein. Bei einem Rückbezug auf die Gäste des Pharisäers (V. 7) fragt man sich jedoch, warum sie nicht persönlich angesprochen werden: „Keiner von euch, die eingeladen waren …“ 38 Das ist eine exzessive Auslegung von V. 24. Sie stützt sich darauf, dass die Eingeladenen zum unmittelbar bevorstehenden Gastmahl ohnehin nicht kommen. Also muss mit „mein Mahl“ generell die Gastfreundschaft des Sprechenden gemeint sein. 39 Der Unterschied liegt lediglich in der Situierung: an der königlichen Tafel einerseits, bei einer Hochzeitsfeier andererseits; vgl. auch die Tischregeln in Sir 31,12–32,13; Spr 23,1–8. 40 Insbesondere in der hellenistischen Literatur wird dieser Vorgang häufig thematisiert, teils als Streit um die Plätze beim Gastmahl, teils als tatsächliche „Deplatzierung“ eines Gastes: Seneca, Ira III 37,4; Plutarch, Quaest. conv. 3 (148F–149F); Lukian, Symp. 8f; Merc. Cond. 26; Theophrast, Char. 21,2; LevR 1,5.
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aus zur Geltung bringt, ist der Ehrgewinn (dovxa) bzw. der Ehrverlust (aijscuvnh) vor dem Forum der geladenen Gäste.41 Das wird durch die bewusst gewählten Kontrastbegriffe eindrucksvoll unterstrichen: Wer den ersten Platz (prwtoklisiva) einnimmt, obwohl ein „Ehr-würdigerer“ (ejntimwvtero9) anwesend ist, läuft Gefahr, dass er vom Gastgeber auf den letzten Platz (e[scato9 tovpo9) versetzt wird: Schande vor aller Augen (V. 8f). Umgekehrt kann derjenige, der bewusst den letzten Platz (e[scato9 tovpo9) ansteuert, vom Gastgeber auf einen höheren Platz befördert werden: Ehre vor allen Gästen (V. 10). Begründet wird der Doppelvorgang mit dem sogenannten Positionswechselaxiom in V. 11 („Wer sich selbst erhöht …“),42 das normalerweise die Aktivität Gottes bzw. der Götter zum Ausdruck bringt.43 In diesem Sinn verstanden ergäbe sich allerdings eine inhaltliche Spannung zwischen Lk 14,11 und der dann parallel zu lesenden eschatologischen Aussage von Lk 14,14. Denn während gemäß Lk 14,11 ein relativer Statuswechsel angekündigt wird, der die Zugehörigkeit zur eschatologischen Tischgemeinschaft mit keinem Wort in Frage stellt, ist genau das in Lk 14,14 der Fall: Es geht um die prinzipielle Zugehörigkeit zur Gruppe der Gerechten bei der Auferstehung. Darin besteht die „Gegengabe“, die im Endgericht zu erwarten ist, aber nur für diejenigen, die die alternative Einladungsregel Lk 14,13 praktiziert haben. Alle anderen haben keine eschatologische Zukunft. Für sie kommt es zur Auferstehung der Ungerechten (vgl. Apg 24,15). Um diesen internen Widerspruch zu vermeiden, legt es sich nahe, Lk 14,11 gemäß der lk Leseanweisung von V. 7 ebenfalls im Rahmen der angekündigten „Parabel“ zu lesen und als deren Resümee zu verstehen. Von dieser Basis aus, Lk 14,8–11 als Parabel gelesen, ergeben sich für den Gesprächskontext folgende metaphorische Überblendungen: „Sich erhöhen“, also Ehrgewinn suchen, liegt auf einer Linie mit der Gastmahlskonvention, mit seinesgleichen zu speisen (Lk 14,12) bzw. mit dem ehrgeizigen Unternehmen, ein großes Mahl für besonders ausgesuchte Gäste zu veranstalten (Lk 14,16–20). Von der „Parabel“ Lk 14,8–11 aus wird nun auch die in der Beispielerzählung nicht genannte Motivation für die außergewöhnliche Anstrengung des Gastgebers deutlich: Ihm geht es um Ehrgewinn. Den versucht er über die Gäste zu erreichen, die er sich für sein „gro41
Zur Beleuchtung der Passage auf dem Hintergrund des kulturanthropologischen EhreScham-Modells vgl. VENETZ, Beobachtungen (s. Anm. 7), 396f, sowie MALINA, B.J./NEYREY, J.H., Honor and Shame in Luke-Acts. Pivotal Values of the Mediterranean World, in: J.H. Neyrey (Hg.), The Social World of Luke-Acts. Models for Interpretation, Peabody (MA) 1991, 25–65. 42 Vgl. THEISSEN, G., Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000, 114. 43 Xenophon, An. III 2,10; 1Sam 2,6f; Ez 17,24; 21,31; Ijob 22,29; Sir 3,17f; Arist 263; Lk 18,14.
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ßes Mahl“ ausgesucht hat. Sie stehen offensichtlich in gesellschaftlich höherem Rang als er selbst. Seine zweistufige Einladung (vgl. Lk 14,16f) verrät großen Respekt vor ihnen. Ihr Kommen würde automatisch Auswirkung auf sein eigenes Ranking haben. Umgekehrt ist die „Selbsterniedrigung“ im Gesprächskontext einerseits auf die alternative Einladungsregel (Lk 14,13) zu beziehen, andererseits auf den zweiten und dritten Botengang der Beispielerzählung (Lk 14,21–23). Auch diese „Gesellschaft“ färbt auf das Ranking des Gastgebers ab. In diesen Relationen gelesen bedeutet „sich erniedrigen“ (Lk 14,11) keineswegs eine berechnende Farce, sondern ist an konkretes soziales Verhalten gebunden, eben die Tischgemeinschaft mit den Outcast, was gesellschaftlich mit Sicherheit durch soziale Abstufung quittiert wird, eschatologisch gesehen den Reichen jedoch die einzige Chance bietet, bei der Auferstehung auf Seiten der „Gerechten“ zu stehen. Auffällig ist, dass die Einladungsratschläge Lk 14,12f nur die positiven eschatologischen Konsequenzen der „Selbsterniedrigung“ ausbuchstabieren, also die zu erwartende Gegengabe bei der Auferstehung der Gerechten (Lk 14,14), während die Beispielgeschichte einen exemplarischen Fall wählt, bei dem der negative innerweltliche Ausgang der „Selbsterhöhung“ geschildert wird. Wegen der Absage der offensichtlich besonders distinguierten Gäste kommt es – parallel zum ersten Teil der Parabel in Lk 14,8f – zu einer „Beschämung“ bzw. gesellschaftlichen Degradierung des Gastgebers. In einer face-to-face-society,44 in der jeder von jedem alles weiß, weil das Gerücht (rumor/fhvmh) mindestens genauso gut funktioniert wie die moderne Massenkommunikation,45 kommt die unisono-Absage (ajpo; miva9) aller Eingeladenen einer öffentlichen Brüskierung des Gastgebers gleich. In der normalen Welt wird das der absolute Sonderfall geblieben sein.46 Lk schildert einen solchen im Blick auf die Pragmatik seiner Argumentationsschiene: Er will die Erfahrungsbasis für die Entscheidung liefern, zu der er motivieren will. Darauf ist bereits der Anfang des Gastmahlskapitels angelegt. Und das hat mit der Heilung des Wassersüchtigen zu tun.
44
Vgl. FINLEY, M.I., Democracy Ancient and Modern, Mason Welch Gross Lectureship Series, New Brunswick (NJ) 1985, 17f. 45 Vgl. Juvenal 9,102–119; RECK, R., Kommunikation und Gemeindeaufbau. Eine Studie zu Entstehung, Leben und Wachstum paulinischer Gemeinden in den Kommunikationsstrukturen der Antike, SBB 22, Stuttgart 1991, 149f. 46 In antiken Texten tatsächlich belegbar ist, dass man im Vorfeld die Namen der anderen Gäste auszukundschaften versucht. Mit wem man sich zu Tisch legt, überlässt der Mann, der Verstand hat, nicht dem Zufall; so geradezu definitorisch Plutarch, Quaest. Conv. 2 (148A).
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4. Wassersucht und Symposion: die Wundergeschichte Lk 14,2–6 Wenn im Rahmen eines Symposions von Wassersucht die Rede ist, dann ist für einen hellenistischen Leser die Assoziationsspur klar gelegt: Wassersucht und Symposion gehören zusammen. Wassersucht ist die Folge von Exzessen auf allzu häufigen Symposien. So jedenfalls stellt es sich der kleine Mann vor, wie etwa der Schuster Micyllus in Lukians Dialog Gallus. Der Schuster kennt sein Lebtag lang nichts anderes als Hering und Zwiebel und beneidet deswegen die Reichen, die von Symposion zu Symposion tingeln. Völlig zu Unrecht übrigens, wie ihn der weise Philosoph Pythagoras aufklärt, der in der Gestalt eines Hahnes zu ihm spricht: Während der arme Schuster vor Gesundheit strotzt und niemals einen Arzt zu konsultieren braucht, müssen sich die Symposiasten wegen ihrer Schlemmerei mit Podagra, Lungenentzündung und Wassersucht herumquälen (Gall. 28; vgl. Sat. 28).47 Als besonders auffälliges Symptom der Wassersucht wird wahrgenommen, dass der Kranke, dessen Körper aufgeschwemmt ist, ständig Durst hat, aber diesen Durst nicht stillen kann, soviel er auch trinken mag.48 Dieses paradoxe Phänomen wird zunächst im kynisch-stoischen Schrifttum, dann aber auch allgemein verbreitet als Bildspender für die Kennzeichnung einer bestimmten Lebenseinstellung genutzt: die der Unersättlichkeit (ajplhstiva). Sie konkretisiert sich in Geldsucht (filavrguro9) genauso gut wie in Ehrsucht (doxokovpo9).49 Ein offensichtlich weit verbreitetes, dem Platon in den Mund gelegtes Diktum bringt es auf den Punkt: Platon sagte, dass die Reichen und Unersättlichen den Wassersüchtigen gleichen. Die einen haben, obwohl sie damit angefüllt sind, Durst nach Wasser, die anderen nach Geld (Gnom. Vat. 434 [Sternbach, 162]).
Aufschlussreich ist, wie Ovid das offensichtlich geprägte Bildfeld aufgreift, um Zeitkritik zu üben und die Haltung des Immer-mehr-haben-Wollens bloßzustellen: … seit mit dem Scheitel Roma hoch hinauf, bis zu den Göttern gar, reicht, wuchsen die Schätze, mit ihnen der Wahnsinn der Gier nach den Schätzen; immer erstrebt man noch mehr, wenn man das Meiste schon hat. Raffen, verschwenden will man, Verschwendetes wieder erraffen, grad durch den Wechsel dabei werden die Laster ge47 Die Spur der Verbindungslinien zwischen Wassersucht und Symposion hat BRAUN, Feasting (s. Anm. 1), 30–38 gelegt. 48 Vgl. Ovid, Fast I 215f; Polybius XIII 2,2. 49 Der Vergleich wird ausdrücklich durchgeführt: Stobaeus, Ecl. III 10,45 („Diogenes verglich Geldsüchtige [filarguvrou9] mit Wassersüchtigen [uJdrwpikoi`9]); Teles, Frgm. 34 (Kindstrand) = Stobaeus, Ecl. IV 33,31 (hier wird der Typ des an Gold Unersättlichen [a[plhsto9] bzw. Ehrsüchtigen [doxokovpo9] mit einem Wassersüchtigen verglichen).
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nährt. So geht’s Menschen, bei denen der Bauch von der Wassersucht anschwoll: Trinken sie Wasser, dann wächst ihnen der Durst umso mehr. Geltung hat heut’ nur das Geld, es bringt die Ämter, es bringt auch Freundschaften; überall gilt: Armut streckt nieder den Mann! (Fast I 209–218).
4.1 Der Wassersüchtige und die Gastgeber Jesu Wenn nun Lk zu Beginn eines Gastmahls im Hause eines der Führenden unter den Pharisäern einen Wassersüchtigen auftreten lässt (Lk 14,1f), dann stellt er dem Leser geradezu ein Spiegelbild dieser Gesellschaft vor Augen. Bei der kontinuierlichen Lektüre des Evangeliums hat der Leser nämlich die Pharisäer und Schriftgelehrten inzwischen als Liebhaber von Symposien kennengelernt (Lk 7,36–50; 11,37–54). Und er ist in seinem Pharisäerbild auch durch die negative Portraitierung des Lk beeinflusst: Pharisäer sind geldsüchtig (filavrguroi: Lk 16,14). Ihnen wird sogar unterstellt, dass sie meinen, gleichzeitig dem Mammon und Gott dienen zu können. Denn sie lachen über Jesus, der diesen Spagat für absolut unmöglich hält (Lk 16,13f). Ja, nach Lk 20,47 geht die unersättliche Gier der Schriftgelehrten so weit, dass sie sogar die Häuser der Witwen „auffressen“ (kaqesqivousin). Nicht anders verhält es sich mit der Ehrsucht: Pharisäer wie Schriftgelehrte wollen in den Synagogen die ersten Plätze einnehmen (Lk 11,43; 20,46) und auf den öffentlichen Plätzen gegrüßt werden. Genauso bei den Symposien: Auch dort spekulieren sie auf die ersten Plätze (Lk 14,7; 20,46). Keine Frage: Mit den historischen Pharisäern und Schriftgelehrten hat das alles nichts zu tun. Lk zeichnet Stereotypen der gehobenen Gesellschaft.50 Nach außen halten sie „in Freundschaft“ zusammen, also immer dann, wenn es darum geht, Gesetzesentscheidungen gemäß der eigenen Interessenslage durchzusetzen;51 nach innen wetteifern sie im Blick auf das gruppeninterne Ranking.
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Das wird sehr gut herausgearbeitet von BRAUN, Feasting (s. Anm. 1), 28.39. Vgl. GOTTER, U., Cicero und die Freundschaft. Die Konstruktion sozialer Normen zwischen römischer Politik und griechischer Philosophie, in: H.-J. Gehrke/A. Möller (Hg.), Vergangenheit und Lebenswelt. Soziale Kommunikation, Traditionsbildung und historisches Bewusstsein, Tübingen 1996, 339–360, 344, der im Blick auf die amicitia-Vorstellung der römischen Aristokratie dieses pragmatische Ziel als zentral herausstellt. 51
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4.2 Dritte Auflage der Sabbat-Wundergeschichte und das Verhalten der Pharisäer Den Wassersüchtigen als Spiegelbild der tonangebenden gesellschaftlichen Gruppe vor Augen, ist es nicht unerheblich, dass die Sabbatwundergeschichte in Lk 14,2–6 die dritte Auflage der ursprünglichen Version von Mk 3,1–6 darstellt (Lk 6,6–11; 13,10–17; 14,2–6) und in allen drei lk Versionen Vertreter der tonangebenden Gruppe als Opponenten Jesu auftreten: in Lk 6,7 die Schriftgelehrten und die Pharisäer, in Lk 13,14 der Synagogenvorsteher (ajrcisunavgwgo9) und in 14,1 einer der Führenden unter den Pharisäern (tw`n ajrcovntwn [tw`n] Farisaivwn).52 Inhaltliche Konstante ist jeweils die Streitfrage, ob am Sabbat geheilt werden darf; aufgeworfen wird sie jeweils durch das Auftreten eines bzw. einer Kranken. In allen drei Erzählungen kommt es zu einem Streitgespräch zwischen Jesus und den Schriftgelehrten und Pharisäern bzw. dem Synagogenvorsteher. Die betroffenen Kranken stehen jeweils zwischen den Fronten. Lk hat seine drei Varianten sorgfältig komponiert. Während Mt ein zusätzliches Sabbatlogion, das von der Alltagspraxis ausgeht und als Beispiel auch im Schriftgelehrtenmilieu der frühjüdischen Sabbatdiskussion eine Rolle spielt,53 in seine Neuauflage der markinischen Vorlage integriert (vgl. Mt 12,11), nutzt Lk dieses Element,54 für eine jeweils unterschiedliche Gestaltung der Argumentation. Bringt Jesus in der ersten lk Sabbatgeschichte – in völliger Übereinstimmung mit der mk Ursprungsgeschichte – die anstehende Streitfrage in halachischer Manier aufs Tapet („Ist es erlaubt …“), so verweist er in der zweiten lk Sabbatgeschichte auf die Alltagspraxis (Lk 13,15) und kombiniert in der dritten Sabbatgeschichte beide Argumentationsweisen miteinander (Lk 14,3.5).55 In keiner der drei Versionen der Sabbatwundergeschichte setzen die Opponenten der Argumentation Jesu inhaltlich auch nur ein Wort entgegen. Sie treten überhaupt nicht in die Diskussion ein; ihre Reaktion besteht in 52 Gerade weil die Pharisäer nicht hierarchisch organisiert waren, dient die Kennzeichnung a[rcwn in Lk 14,1 generell dazu, den gastgebenden Pharisäer unter diejenigen einzureihen, die öffentliche Ämter bekleiden (vgl. Lk 8,41; 12,58; 14,1; 18,18; 23,13.35; 24,20), und ihn speziell mit dem ajrcisunavgwgo9 aus der vorangegangenen Sabbatgeschichte in Verbindung zu bringen. Der Leser soll offensichtlich einen Gastgeber vor Augen haben, der Autorität in der Öffentlichkeit besitzt. 53 Vgl. CD XI 13f.16f; mShab 128b. 54 Zum exegetischen Streit um die Quellenlage bzw. die Traditions- und Textgeschichte dieses Logions bei Lk vgl. BOVON, Lk II (s. Anm. 22), 476–478 („Echo einer liberalen pharisäischen Auslegung“); NEIRYNCK, F., Luke 14,1–6. Lukan Composition And Q Saying, in: ders., Evangelica II. 1982–1991, BEThL 99, Leuven 1991, 183–204 (Q-Tradition); FITZMYER, Lk (s. Anm. 23), 1041f („Esel“ [ã K L] bzw. „Schaf“ [D] für „Sohn“ [¸45] sind sekundäre Lesarten). 55 Das wird vorzüglich herausgearbeitet von BOVON, Lk II (s. Anm. 22), 466–468.
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disziplinarischen Maßnahmen. In Lk 6,11 überlegen sie, welche Schritte sie gegen Jesus einleiten können. In Lk 13,14 verwarnt der Synagogenvorsteher das Hilfe suchende Publikum: Sechs Tage der Woche müssen genügen. Am Sabbat wird nicht geheilt! Auf diesem Hintergrund ist auffällig, dass in der dritten Sabbatwundergeschichte der Gedanke an ein disziplinarisches Vorgehen überhaupt nicht aufkommt. Im Gegenteil: Anstelle auch nur vom Gedanken an eine disziplinarische Maßnahme zu erzählen, beschreibt Lk das Verhalten der Pharisäer mit hJsuvcasan. Das Motiv stammt aus Mk 3,4. Dort wurde erzählt, dass Schweigen eintritt, als Jesus die halachische Frage stellt: „Ist es erlaubt …?“ Lk hat in seiner Parallelversion dieses Motiv getilgt (vgl. Lk 6,9 mit Mk 3,4). Er versetzt es in die dritte Auflage seiner Sabbatwundergeschichte, greift aber zu einem anderen Terminus: hJsucav]ein = Ruhe halten. Innerhalb des lk Doppelwerks nimmt diese Vokabel eine spezifische Note an, so dass sie für 14,4 ganz bewusst gewählt zu sein scheint. In Lk 23,56 steht dieses Verb für die Beachtung der Sabbatruhe durch die Anhängerinnen Jesu, die zuerst den Sabbat verstreichen lassen, bevor sie die von ihnen vorbereiteten wohlriechenden Öle und Salben zum Grab bringen. In Apg 21,14 steht das Verbum für die Friedwilligkeit der Begleiter des Paulus: Sie wollen mit ihm keinen Streit anfangen. Und schließlich steht das gleiche Verb in Apg 11,18 für den Sachverhalt, dass ein halachischer Streit, der anlässlich einer offensichtlichen Gesetzesübertretung (in diesem Fall handelt es sich um die Speisegebote) aufgeworfen worden ist, für beigelegt erklärt wird. Zurück zu Lk 14,4: Will Lk mit hJsuvcasan signalisieren, dass die Opponenten Jesu den Streit über (nicht unbedingt notwendige) Sabbattherapien plötzlich für beigelegt erklären und keinerlei disziplinare Maßnahmen mehr ergreifen wollen – ganz im Gegensatz zu den ersten beiden Vorfällen? Es scheint so. Und Lk gibt auch deutliche Signale für den Gesinnungswandel: Im Unterschied zu den ersten beiden Sabbatwunderheilungen, die er im öffentlichen Raum der Synagoge spielen lässt, findet die dritte Sabbatwundererzählung im Haus eines der führenden Pharisäer statt. Und, wie durch die ausgefallene Krankheit der Wassersucht angedeutet wird, gehört auch der Betroffene selbst in das gleiche Milieu derer, die sich beim Pharisäer zum Mahl getroffen haben. Nicht die Pharisäer werden durch das Auftreten des Wassersüchtigen am Sabbat vor eine Entscheidung gestellt, sondern Jesus: Lässt er sich auf das Spiel der Pharisäer ein, die „außen“ von „innen“ sehr wohl zu unterscheiden wissen (vgl. Lk 11,39)? Revidiert er seinen diesbezüglichen Vorwurf der „Heuchelei“ (vgl. Lk 12,1)? Vergisst Jesus, wie er beim zweiten Pharisäermahl (Lk 11,37–54) seine Opponenten mit harschen Weherufen demaskiert und ihnen vorgeworfen hat, dass ihre Darstellung nach außen und ihre innere Einstellung nicht übereinstimmen (V. 39); dass sie zwar die Reinheitsregeln peinlich genau befolgen, wenn es
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um Becher und Teller geht, aber der Säuberung ihrer inneren, ethischen Einstellung keine Beachtung schenken; dass sie mit ihrem Verhalten die Menschen täuschen (V. 44); dass wahre „Reinheit“ in der Reinigung von der inneren Bosheit bestünde, was sich im Ändern des Verhaltens – gerade gegenüber den Armen – zeigen müsste (V. 41)? Nein. Das alles hat Jesus – gemäß Lk – im Haus eines der führenden Pharisäer nicht vergessen. Gerade diese innere Reinigung macht er zum Thema seines anschließenden Lehrgesprächs. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Sabbatthematik völlig aus dem Blickfeld verschwindet und es ab Lk 14,7 nur noch um Ehrsucht und gesellschaftliches Ranking, eben um die Krankheitssymptome geht, die in der Wassersucht metaphorisch gespiegelt werden.
4.3 Die Heilung des Wassersüchtigen und die Beispielgeschichte vom Ehrsüchtigen Die griechisch-römische Antike weiß: Wassersucht wird nicht durch noch mehr Trinken, sondern nur durch die Änderung der Lebensweise geheilt. Genauso gut ist es unmöglich, die Gier nach immer noch mehr zu sättigen, außer dadurch, dass das eigentliche Laster in der Seele bewusst gemacht und korrigiert wird – in etwa diesen Worten bringt der römische Historiker Polybius die Sache auf den Punkt (XIII 2,2). Diese Verschränkung von Krankheitssymptom und Lebensweise einerseits sowie passiv erwarteter Therapie und zu eigener Aktivität aufrüttelnder Bewusstseinsveränderung andererseits kommt hintergründig in einer der Wundergeschichten zum Ausdruck, die über Apollonius von Tyana erzählt wird und die ebenfalls von einem Wassersüchtigen handelt: Ein junger Mann hält sich offensichtlich schon längere Zeit in einem Asklepieion auf, in der Hoffnung, von seiner Wassersucht befreit zu werden.56 Er vertraut so sehr auf die Wunderkraft des Gottes, dass er „trotz seiner Krankheit prasste und auf Trinkgelagen lebte – oder vielmehr starb“. Mit anderen Worten: Er schlägt die Therapieanweisung zur Austrocknung seines Leibes in den Wind. Aus diesem Grund zieht sich auch der Gott vor ihm zurück und erscheint ihm in Heilträumen fortan nicht mehr. Als sich der junge Mann darüber beschwert, gibt ihm der Gott die Auskunft, er möge doch den weisen Apollonius konsultieren. Bei ihm würde er Erleich56
Zur Behandlung von Wassersucht speziell in Asklepieien vgl. die beiden Epidaurosinschriften W 21 und W 49; und dazu KOLLMANN, B., Jesus und die Christen als Wundertäter. Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum, FRLANT 170, Göttingen 1996, 78.
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terung erfahren. Der junge Mann geht, wie befohlen, zu Apollonius und fragt ihn spöttisch, welchen Vorteil wohl seine Weisheit für ihn haben könnte, nicht ohne sich noch einmal ausdrücklich über Asklepios zu beklagen, der ihm Gesundheit versprochen, sie ihm aber nicht gegeben habe. Apollonius antwortet ihm: „Er schenkt sie denen, die sie wünschen. Du aber wirkst deiner Krankheit überhaupt nicht entgegen. Indem du dich dem Wohlleben ergibst, führst du ja deinen durchnässten und zerrütteten Eingeweiden leckere Kost zu und überschüttest dabei den Schlamm noch mit Wasser.“ Das Fazit, das der Autor Philostrat zieht, lautet: „Apollonius führte den jungen Mann zur Gesundheit, indem er weise Gedanken klar aussprach“ (I 9). Was in der Wundergeschichte des Apollonius für den gleichen Patienten von zwei verschiedenen Institutionen (Tempel/Weisheitslehrer) durch unterschiedliche Methoden (Diät/Lehre) versucht wird, das wird in Lk 14,1–24 am gleichen Ort (Haus des Pharisäers) durch den gleichen Therapeuten (Jesus) an unterschiedlichen Patienten (Wassersüchtiger/großer Gastgeber) vor Augen geführt: von Lk literarisch inszeniert in einer Wundergeschichte (Lk 14,2–6) und einer Beispielerzählung (Lk 14,16–24). In beiden Fällen erleben wir die Heilung eines „Wassersüchtigen“, im einen Fall geht es um die Heilung der äußerlichen Symptome, im anderen Fall um die Heilung einer Lebenseinstellung, die in der Antike mit der Wassersucht verglichen wird. Die Heilung kommt in der Verhaltensänderung, konkret in der veränderten Gästeauswahl zum Ausdruck. Dieser erzählerische Rahmen, der spiegelbildlich die gelungene Heilung von „Wassersucht“ vor Augen führt, umschließt den eigentlich therapeutischen Vorgang, die Lehre Jesu, die – strukturell analog zur weisheitlichen Belehrung des Apollonius in der referierten Wundergeschichte – zur Verhaltensänderung provozieren will. Die Situation: Jesus im Haus eines der Führer der Pharisäer (V. 1) Die Heilung eines Wassersüchtigen (V. 2–6) Die Parabel vom Ehrgewinn und Ehrverlust (V. 7–11) Die alternative Einladungsregel und die Konsequenzen (V. 12–15) Das große Mahl des Reichen und seine Umkehr (V. 16–24)
In theologischer Terminologie gesprochen liegt hier vor, was Lk im Mund Jesu folgendermaßen formulieren lässt: „… die Sünder zur Umkehr rufen“ (5,32).
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4.4 Die Heilung des „Kranken“ Levi und die „Umkehr“ des Reichen Mit der Leitzielbeschreibung: „Nicht bin ich gekommen, zu rufen Gerechte, sondern Sünder zur Umkehr“ (5,32) rechtfertigt Jesus seine Tischgemeinschaft im Haus des Zöllners Levi. Durch die unmittelbar vorangehende Sentenz: „Nicht nötig haben die Gesunden den Arzt, sondern die Kranken“ (Lk 5,31), wird das Gastmahl als therapeutisches Geschehen qualifiziert. Was dem Leser am Anfang der lk Jesusgeschichte noch kryptisch erscheinen mag, wird spätestens bei der Lektüre des Pharisäergastmahls Lk 14,1– 24 leicht verständlich und sehr konkret: Gastmahl und Therapie gehören zusammen, weil – nach jesuanischer Manier – das Gastmahl Ort seiner Lehre ist. Die Adressaten werden auf den Punkt hin angesprochen, der ihre innere Krankheit ausmacht. In Lk 14 wird diese therapeutische Qualität der Lehre insofern eindrücklich ins Bild gehoben, als die Krankheit der Mahlteilnehmer, deren Verhalten Jesus beobachtet (V. 7), durch die Anwesenheit des Wassersüchtigen symbolisch verkörpert wird: die Gier nach mehr Ehre und Einfluss. Gemäß der Konzeption des Lk wird durch die jesuanische Belehrung im Rahmen des Gastmahls ein therapeutischer Prozess in Gang gesetzt, dessen Ausgang – im Fall von Lk 14 jedenfalls – offen bleibt. Die geglückten Beispiele, von denen erzählt werden kann, dienen als Motivationsanreiz. Die Figuren innerhalb der Erzählung können dabei von den Beispielerzählungen Jesu profitieren, in unserem Fall die Pharisäer von der Beispielerzählung des ehrgeizigen Gastgebers in Lk 14,16–24. Die Leser haben zusätzlich geglückte Einzelfälle von Figuren innerhalb der Erzählung vor Augen, etwa den Oberzöllner Zachäus (Lk 19,1–10). Ob auch Levi (Lk 5,27–32) dazugehört, ist eine andere Frage. Nachdem er Jesus zusammen mit dessen Schülern, die in Lk als bettelarm vorgestellt werden,57 zu seinem Gastmahl einlädt und Lk dafür den Begriff dochv gebraucht, soll diese Stelle im Kopf des Lesers mit der alternativen Einladungsregel von Lk 14,13 vernetzt werden, wo ebenfalls von einer dochv die Rede ist, zu der Bettelarme, Verkrüppelte, Blinde und Lahme eingeladen werden sollen. Es hat fast den Anschein, als verwirkliche der Zöllner Levi sozusagen intuitiv, was Jesus erst viel später im Evangelium explizit formuliert. Er wäre damit ein Musterfall dafür, wie aus einem dem Reziprozitätsdenken verfallenen Reichen, der nach jesuanischen Kategorien zu den
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Die Gruppe wird von reichen Frauen unterstützt (Lk 8,3); die Ausrüstungsregeln Lk 9,3; 10,4 verbieten den Schülern sogar das absolute Minimum der normalen Reisekleidung. Auch auf Stock, Sandalen und ein Ersatzuntergewand muss verzichtet werden (anders Mk 6,8f), von Geldbeutel oder gar Silbergeld ganz zu schweigen; vgl. dazu die Ausführungen von BÖTTRICH, C., Ideal oder Zeichen? Besitzverzicht bei Lukas am Beispiel der „Ausrüstungsregel“, in: NTS 49, 2003, 372–392, bes. 377–381.
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„Sündern“ zählt (vgl. Lk 6,32–34), ein Gerechter werden kann.58 Aber der Schluss ist vermutlich vorschnell gezogen: Immerhin sind auch die alten Freunde des Levi, eben seine Zöllnerkollegen, zu Gast (Lk 5,29), und Jesus spricht im Blick auf das Gastmahl nur davon, dass er gekommen sei, die Sünder zur Umkehr zu rufen (Lk 5,32). Angemessener ist es deshalb, davon auszugehen, dass mit Jesu Anwesenheit beim festlichen Empfang des Levi ein Umkehrprozess mit offenem Ausgang in Gang gesetzt werden soll. Die „Wassersucht“ der Reichen lässt sich nicht mit einem einzigen Handstreich heilen. Es reicht nicht, Jesus einfach zum Essen einzuladen (neben Lk 14,1.12 vgl. 7,36; 11,37). Das ist nur der erste Schritt. Das Entscheidende ist das Gespräch beim Essen. Hier wird der therapeutische Prozess angestoßen, theologisch gesagt: werden „die Sünder zur Umkehr gerufen“. Die „Heilung“ ist an eine Entscheidung gebunden, konkret an die Bereitschaft zur Bewusstseinsveränderung hinsichtlich der eigenen Leitkategorien, was sich wiederum in einer nach außen deutlich sichtbaren Verhaltensänderung niederschlägt. Ob es wirklich zur „Umkehr“ gekommen ist, lässt sich an den Gästen ablesen, die in die Häuser der Reichen zum Gastmahl eingeladen werden …
58 Mit KLAUCK, H.-J., Die Armut der Jünger in der Sicht des Lukas, in: DERS., Gemeinde – Amt – Sakrament. Neutestamentliche Perspektiven, Würzburg 1989, 160–194, 175, möchte auch PETRACCA, Gott (s. Anm. 24), 99f, das Mahl im eigenen Haus des Zöllners (Lk 5,29), der doch gemäß Lk 5,28 gerade „alles verlassen“ hat, in Analogie zu 1Kön 19,21 als Abschiedsmahl von Besitz, Familie bzw. Freunden verstehen. Allerdings steht dem entgegen, dass einerseits Lk 9,59– 62 – unter Aufnahme der Elija- bzw. Elischatradition – ein Abschiedsmahl gerade verboten wird und andererseits die lk Konzeption auf die Häuser der Reichen als Versorgungsbasis für die Armen elementar angewiesen ist. Gerade weil Lk von der „Nachfolge“ des Levi im durativen Imperfekt erzählt (hjkolouvqei), wird er den Gesprächsprozess vor Augen haben, den er später in seinem Evangelium ausführlich schildert, eben in den vielen Gastmahlsszenen; vgl. dazu LEINHÄUPL-WILKE, A., Zu Gast bei Lukas. Einblicke in die lukanische Mahlkonzeption am Beispiel von Lk 7,36–50, in: M. Ebner (Hg.), Herrenmahl und Gruppenidentität, QD 221, Freiburg i. Br. 2007, 91–120.
Dirk Schinkel
Kanzler oder Schriftführer? Apg 19,23–40 und das Amt des grammateuv~ in griechisch-römischen Vereinigungen
1. Hinführung Die Einbeziehung des antiken Vereinswesens in die neutestamentliche Forschung wird seit einiger Zeit wieder verstärkt unternommen. Unterschiedliche Untersuchungsaspekte werden hierbei in den Blick genommen: Neben dem Vergleich der sozialen Strukturen griechisch-römischer Vereinigungen auf der einen und frühchristlicher Gemeinden auf der anderen Seite, besteht ein größeres Forschungsinteresse in der Untersuchung der Integration der jeweiligen Gruppe (Verein, Gemeinde bzw. Synagoge) in die antike Polis. Aber auch die Fragen nach Mitgliederstruktur, nach Ämtern und überregionalen Zusammenhängen werden in neueren Untersuchungen zum Thema behandelt.1 Insbesondere ein neutestamentlicher Text ist (abgesehen z.B. von den paulinischen Korintherbriefen) im Zusammenhang mit dem griechischrömischen Vereinswesen zu nennen: die sogenannte Demetriosepisode in Apg 19,23–40. Der Text berichtet von einem Konflikt, der zwischen den Interessen der in Ephesos ansässigen Silberschmiede und der paulinischen Predigttätigkeit in der kleinasiatischen Metropole entstanden ist. In Apg 19,23–40 geht es um den Vorwurf des Anführers der Silberschmiede, dass durch die paulinische Predigt von der Nichtigkeit handgefertigter Götterbilder Produktion und Absatz der aus Silber hergestellten 1 Hier sind neben vielen anderen v.a. zu nennen: SCHMELLER, T., Hierarchie und Egalität. Eine soziologische Untersuchung paulinischer Gemeinden und griechisch-römischer Vereine, SBS 162, Stuttgart 1995; ASCOUGH, R.S., Voluntary Association and Community Formation, Toronto 1997 und jüngst DERS., Paul’s Macedonian Associations. The Social Context of Philippians and 1 Thessalonians, WUNT II 161, Tübingen 2003. In den letzten Jahren hat sich auch der Jubilar mit dem griechisch-römischen Vereinswesen und seiner Bedeutung für die Erforschung des frühen Christentums befasst. Zu nennen ist hier neben KOCH, D.-A., Die Christen als Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jahrhundert n.Chr., in: H.P. Müller/F. Siegert (Hg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum, Münster u.a. 2000, 158–188 vor allem der Band GUTSFELD, A./KOCH, D.-A. (Hg.), Vereine, Synagogen und Gemeinden im kaiserzeitlichen Kleinasien, STAC 25, Tübingen 2006 mit einschlägigen Untersuchungen zum Thema „Vereine und Gemeinden“.
Kanzler oder Schriftführer?
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Devotionalien geschädigt würden und außerdem die über Ephesos hinaus hoch geachtete Göttin Artemis in ihrer Hoheit gering geschätzt würde. Nachdem sich die aufgerührte Menge im Theater der Stadt versammelt hat, skandiert sie den Ruf „Groß ist die Artemis der Epheser!“. Man ergreift Gaius und Aristarch, zwei Mitarbeiter des Paulus, welcher hingegen selbst auf Anraten der Asiarchen nicht anwesend ist. Obwohl die meisten gar nicht wissen, warum sie zusammengekommen sind, schreit die Menge weiter. Erst dem grammateuv~, der gemeinhin als Vertreter der lokalen politischen Obrigkeit angesehen wird, gelingt es, die von ihm indirekt als inoffizielle Versammlung bezeichnete Menge zu beschwichtigen und letztlich aufzulösen. Im Folgenden soll die Demetriosepisode auf ihren Bezug zu antiken Vereinigungsunruhen befragt werden, um von hier aus einen neuen Blick auf die im Text genannte Amtsperson des grammateuv~ zu werfen. Insbesondere das Vorkommen dieses Titels in Vereinsinschriften gibt Anlass dazu, gegen den Konsens in der Forschung, den grammateuv~ nicht als Vertreter der städtischen Verwaltung anzusehen, sondern als Beamten einer Vereinigung.
2. Apg 19,23–40 und antike Vereinigungsunruhen In der Forschung besteht weitgehend Konsens darüber, Apg 19,23–40 im Zusammenhang mit dem narrativen Prinzip des Lukas zu verstehen, kleine Episoden und Anekdoten, auch legendarisch-volkstümliches Überlieferungsgut, zu verarbeiten.2 Sachlich wird von Lukas in Apg 19,23ff ein bekanntes Motiv verarbeitet: Die ökonomische Schädigung durch das Aufkommen und Ausüben christlicher Religion.3 Bereits in Apg 16,16–19 war die Verquickung von Religion und Ökonomie Thema. Auch hier fällt ähnlich wie in 19,24 der Ausdruck ejrgasivan pollh;n parei``cen (V. 16) mit Blick auf eine Magd, die durch ihre Wahrsagekunst ihren Herren viel Gewinn brachte. Die Geistaustreibung durch Paulus (V. 18) führt dazu, dass die Herren ihre Hoffnung auf Gewinn schwinden sehen (V. 19: o{ti ejxh``lqen hJ ejlpi;~ th`~ ejrgasiva~ aujtw``n). Die Konsequenz ist hier allerdings eine formelle Anklage bei den Stadtrichtern 2 So v.a. PLÜMACHER, E., Lukas als hellenistischer Schriftsteller. Studien zur Apostelgeschichte, StUNT 9, Göttingen 1972, 98–100. 3 Zur Verbindung des Artemiskults mit ökonomischen Interessen in Ephesos (Markttage, Depositenbank im Artemision u.a.) vgl. LAMPE, P., Acta 19 im Spiegel der ephesischen Inschriften, BZ 36, 1992, 59–76, 67f.
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(strathgoiv4), in der auch – wie in Apg 19,40 mit stavsi~ und sustrofhv – eine Aufstandsvokabel fällt: ou|toi oiJ a[nqrwpoi ejktaravssousin hJmw``n th;n povlin (V. 20). Die Begründung (V. 21) in diesem Fall ist im Vergleich zu Apg 19,23ff stichhaltiger: „Sie sind Juden und verkünden Ordnungen (e[qh), die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind (ïRwmai``oi~ ou\sin).“5 In den überlieferten Konflikten, an denen Vereinigungen beteiligt sind, geht es um die Sorge der politischen Obrigkeit, dass sich ein solcher Streik oder Konflikt zu einem größeren Aufruhr ausweiten könnte. Diese „stavsi~Gefahr“ spielt in allen (zumeist epigraphisch) belegten Vereinigungsunruhen der ersten beiden Jahrhunderte n.Chr. eine große Rolle. Ende des zweiten Jahrhunderts n.Chr. war z.B. die Vereinigung der Bäcker von Ephesos maßgeblich an Unruhen in der Stadt beteiligt (vgl. die Inschrift IvE6 215).7 Das mögliche Konfliktpotential, das durch eine Vereinsgründung auch mit unpolitischer Abzweckung befürchtet wurde, wird bekanntlich in der Korrespondenz zwischen Plinius und Kaiser Trajan (Plinius, epist. X 33 und 34) angesprochen. Als Statthalter von Bithynien wendet sich Plinius an Trajan mit der Anfrage, ob nicht in Nikomedien ein Feuerwehrverein gegründet werden könnte (despice an instituendum putes collegium fabrorum dumtaxat hominum CL). Hintergrund ist die jüngste verheerende Feuersbrunst in Nikomedien verbunden mit der mangelhaften technischen Ausstattung der Bevölkerung. Plinius hat zwar bereits diesbezüglich für Bereitstellung von Material gesorgt, aber seine Anfrage richtet sich nun auf die Einrichtung einer organisierten Wehr. Die sachliche Notwendigkeit grundsätzlich anerkennend lehnt der Kaiser die Anfrage jedoch mit dem Verweis darauf ab, dass sich aus den verschiedensten Collegien bald politische 4 Der Amtstitel strathgov~ ist für die römische Zeit in Philippi epigraphisch nicht bezeugt (PILHOFER, P., Philippi. Bd. 1: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995, 195). Aus einer anderen römischen Kolonie, Korinth, ist aber zu ersehen, dass es sich bei dem strathgov~ um den obersten Beamten der städtischen Selbstverwaltung handelt, der mit dem duumvir iure dicundo zu identifizieren ist (a.a.O., 196f, vgl. auch MASON, H.J., Greek Terms for Roman Institutions. A Lexicon and Analysis, ASP 13, Toronto 1974, 87.161). 5 Vgl. PILHOFER, Philippi (s. Anm. 4), 191–192: Hier geht es um die über e[qh transportierte römische Identität in der Colonia Iulia Augusta Philippensis. Pilhofer verweist hier auf den mos maiorum und zitiert die bekannte Sentenz von Cicero, De imperio Cn. Pompei, § 60: ne quid novi fiat contra exempla atque instituta maiorum. Die Änderung der mores fasse ein Römer immer als revolutionären Akt auf. 6 IvE = Inschriften von Ephesos, Teil Ia–VIII.2 der Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien (IK), hg. v. der Kommission für die Archäologische Erforschung Kleinasiens bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Bonn 1979–1984. 7 Vgl. dazu und zu anderen Vereinigungsunruhen den Beitrag von SOMMER, S., Religion und Vereinigungsunruhen in der Kaiserzeit, in: Gutsfeld/Koch, Vereine (s. Anm. 1), 77–93, 85 (siehe auch die in diesem Aufsatz genannte weiterführende Literatur). Hinzuweisen ist auf STOOPS, R., Riot and Assembly: The Social Context of Acts 19:23-40, JBL 108, 1989, 73–91, der auch den sozialgeschichtlichen Hintergrund in den Blick nimmt.
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Gruppierungen gebildet hätten. Aus diesem Grund sei es besser, technisches Material zur Feuerbekämpfung bereit zu stellen und im konkreten Fall auch Schaulustige hinzuzuziehen.8 Grundsätzlich gilt im römischen Recht der Grundsatz, dass durch Vereine die staatliche Ordnung nicht gefährdet werden darf (vgl. Dig. 47, 22.4: ne quid ex publica lege corrumpant). In der lex Licinia de sodaliciis aus dem Jahr 55 v.Chr. werden politische Vereine verboten, denn die Vereine standen immer wieder unter dem Verdacht, außer ihren sachlichen Zwecken auch politische und gegen die öffentliche Ordnung gerichtete Ziele zu verfolgen.9 Für die Zeit seit Augustus kann festgehalten werden, dass ein sich neu gründender Verein eines Senatsbeschlusses bedurfte (vgl. die Formel quibus ex senatus consulto coire liceat) und nur genehmigt wurde, wenn er gemeinnützig ausgerichtet war und von ihm keine Staatsgefährdung ausging. Die seit altersher bestehenden Vereine hatten gleichsam Bestandsschutz.10 In einer ähnlichen rechtlich-politischen Situation vollzieht sich auch der in der Demetriosepisode geschilderte Konflikt. Die politische Obrigkeit steht unstrittig im Hintergrund (vgl. die Erwähnung der Asiarchen in V. 31 und die angesprochene Gefahr, verklagt zu werden in V. 40). Für alle Ausleger unstrittig ist auch, dass der ab V. 35 auftretende und sprechende grammateuv~ ein Vertreter der Stadt und damit der örtlichen Politik ist. Damit kann ein Konfliktdreieck gezeichnet werden, das aus den Christen und Silberschmieden und der lokalen Obrigkeit besteht.11 8 Möglicherweise muss bei der Anfrage des Plinius berücksichtigt werden, dass er dem Kaiser die Gründung eines Vereins in dem vollen Wissen nahegelegt hat, dass dieser gegen eine Gründung eingestellt sein würde, zugleich aber seine Einzelmaßnahmen befürworten würde. Ein institutionalisierter Feuerwehrverein wäre zudem auf Grund der engen Bebauung wahrscheinlich nicht effektiv einsetzbar gewesen, so dass in der Bereitstellung von Material eine bessere Problemlösung liegt (vgl. SHERWIN-WHITE, A.N., The Letters of Pliny. A historical and Social Commentary, Oxford 1966, 610). Trotzdem ist der Pliniusbrief ein klarer Beleg für die von der Obrigkeit befürchtete Bildung von heteriae auch aus Collegien mit nicht-politischer Abzwekkung. 9 Vgl. ÖHLER, M., Römisches Vereinsrecht und christliche Gemeinden, in: M. Labahn/J. Zangenberg (Hg.), Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft. Vorträge auf der Ersten Konferenz der European Association for Biblical Studies, Tübingen/Basel, 2002, 51–71, 53; SELINGER, R., Die Demetriosunruhen (Apg. 19, 23–40) – Eine Fallstudie aus rechtshistorischer Perspektive, ZNW 88, 1997, 242–259 und grundsätzlich zu juristischen Fragen: SIRKS, A.J.B., Die Vereine in der kaiserzeitlichen Gesetzgebung, in: Gutsfeld/Koch, Vereine (s. Anm. 1), 21–40. 10 Vgl. zu den rechtlichen Grundlegungen und Entwicklungen vor allem ÖHLER, Vereinsrecht (s. Anm. 9), 61 sowie die dort genannten einschlägigen Werke zum römischen Vereinswesen. 11 Die Beteiligung der Gruppe der Juden (namentlich mit der Person des Alexander, die in V. 33 auftritt) kann hier außer acht gelassen werden, stellt aber ein gesondertes exegetisches Problem des Textes dar (vgl. dazu SCHINKEL, D., Gruppen und Gruppeninteressen in der Demetriosepisode [Apg 19, 23–40], in: Gutsfeld/Koch, Vereine [s. Anm. 1], 95–112, 108–110).
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3. Der grammateuv~ in der Stadt und im Verein 3.1. Hinführung In den Kommentaren zur Apostelgeschichte wird der grammateuv~ mit „Stadtsekretär“12, „Stadtschreiber“13 oder „Kanzler“14 übersetzt und als hoher Lokalfunktionär der Stadt identifiziert,15 der zusammen mit den strathgoiv den Vorstand der Bürgerschaft bildet und die Beschlüsse der Volksversammlung auszuführen hat.16 Tatsächlich belegen zahlreiche Inschriften aus Ephesos das Amt des grammateu;~ tou`` dhvmou oder des ÆEfesivwn grammateuv~, der – abgesehen von der Provinzverwaltung – die höchste politische Macht in Ephesos verkörpert.17 Nun findet sich die Bezeichnung grammateuv~ aber auch in den Inschriften für ein Amt in griechischen Vereinigungen, so dass sich die Frage stellt, ob es nicht denkbar wäre, den grammateuv~ in Apg 19,35ff als Amtsperson der Vereinigung der Silberschmiede zu verstehen. Wenn diese Deutung möglich ist, hätte dies auch Folgen für das Verständnis der ganzen sogenannten Demetriosepisode, und das Konfliktdreieck (Christen – Verein – Obrigkeit) würde sich in Richtung einer Polarität zwischen Gemeinde und Verein verschieben.
3.2. Der grammateuv~ im politischen und sakralen Bereich Mehrere Inschriften aus Ephesos bezeugen das Amt des grammateu;~ tou`` dhvmou („Stadtschreiber“, „Kanzler“). Nach C. Schulte ist diese Amtsbezeichnung 111-mal epigraphisch belegt.18 Den Inschriften sind folgende Informationen über die Amtsbereiche und Aufgaben des Grammateus zu entnehmen: 12 ROLOFF, J., Die Apostelgeschichte, NTD 5, Göttingen 1981, 290; ECKEY, W., Die Apostelgeschichte. Der Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom, Teilband 2, Neukirchen-Vluyn 2000, 445: „Sekretär“. 13 MUSSNER, F., Apostelgeschichte, NEB 5, Würzburg 1984, 118; JERVELL, J., Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 1998, 488; PESCH, R., Die Apostelgeschichte, EKK 5/2, NeukirchenVluyn 1986, 178; HAENCHEN, E., Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 16(7)1977, 547. 14 CONZELMANN, H., Die Apostelgeschichte, HNT 7, Tübingen 21972, 122. 15 CONZELMANN, Apostelgeschichte (s. Anm. 14), 123. 16 PESCH, Apostelgeschichte (s. Anm. 13), 182. 17 Vgl. LAMPE, Acta (s. Anm. 3), 61; KNIBBE, D., Art. Ephesos, PRE Suppl. 12, 1970, 271f. 18 Vgl. die detaillierte Liste der Amtsbezeichnungen bei SCHULTE, C., Die Grammateis von Ephesos. Schreiberamt und Sozialstruktur in einer Provinzhauptstadt des römischen Kaiserreiches, Heidelberger Althistorische Beiträge 15, Stuttgart 1994, 18f.
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Er ist zu Beginn des 2. Jh. dafür verantwortlich, daß während jeder ordentlichen Ekklesia zwei Statuen des Kaiserpaares im Theater oberhalb des Blocks, in dem der Rat sitzt, aufgestellt werden. (Ferner) obliegt es dem Grammateus, beschlußfähige Sachen in die Volksversammlung einzubringen und dort vorzutragen; die Strategen wirken dabei mit. Der Grammateus zeichnet die öffentlichen Beschlüsse, veranlaßt ihre Durchführung und läßt sie gegebenenfalls zu Inschriften meißeln.19
Die Amtsperiode betrug ein Jahr, was sich aus gut datierbaren Inschriften ergibt. Synonym mit dem grammateu;~ tou`` dhvmou wird der grammateu;~ th``~ boulh`~ genannt, der „Schreiber des Rates“ (diese Bezeichnung findet sich nur 13-mal).20 Den Namen des grammateuv~ überliefert Lukas in der Apostelgeschichte nicht, so dass eine historische Einordnung und eine klare Identifizierung des Beamten nicht möglich ist. Die führende Persönlichkeit in Ephesos zur mutmaßlichen Abfassungszeit der Apostelgeschichte zwischen 90 und 100 n.Chr.21 war Tiberius Claudius Aristio. Er war nacheinander ajrciereuv~, grammateu;~ tou`` dhvmou (!), ajsiavrch~ und pruvtani~. Er hat als gewiss sehr wohlhabender Mann viel zur baulichen Ausgestaltung der Stadt beigetragen.22 Davon zeugt eine Ehreninschrift aus Ephesos (IvE 63823). Welche Bekanntheit diese Persönlichkeit auch in späterer Zeit noch gehabt hat, zeigt ein weiterer Brief des Plinius (epist. VI 31, 3), der Claudius Aristio als princeps Ephesiorum, homo munificus et innoxie popularis bezeichnet. Unabhängig von der historischen Person des Claudius Aristio ist festzuhalten, dass der grammateuv~ an der Spitze der öffentlich-sakralen Ämter in Ephesos stand, welches nach Knibbe und Alzinger „ein weiteres Betätigungsfeld bürgerlichen Ehrgeizes“ darstellte, zumal eine Karriere im Reichsdienst nur wenigen vorbehalten war.24 Der Gemeindeschreiber in der Kaiserzeit wird stets mit grammateu;~ th``~ povlew~, th``~ boulh``~ oder tou`` dhvmou bzw. th``~ boulh`~ kai; tou`` dhvmou bezeichnet. Zusammen mit den strathgoiv bildet der grammateuv~ den Vorstand der Bürgerschaft im Rahmen der kleinasiatischen Munizipialverfassung in der römischen Kaiserzeit. Auch wenn der Schreiber des kleinasiatischen Landtages (koino;n tw``n ejpi; th``~ ÆAsiva~ ïEllhvnwn) gemeint ist, ist dies ausdrücklich vermerkt (vgl. die Kalenderinschrift von Priene aus dem Jahr 9 v.Chr.). 19
LAMPE, Acta (s. Anm. 3), 61 mit Verweis auf IvE 27. SCHULTE, Grammateis (s. Anm. 18), 18–21. 21 So z.B. nach SCHNELLE, U., Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 62007, 305. 22 KNIBBE, D./ALZINGER, W., Ephesos vom Beginn der römischen Herrschaft in Kleinasien bis zum Ende der Principatszeit, ANRW II 7.2, 1980, 748–830, 774. 23 Ferner auch ein Inschriftenfragment, verbaut an der NW-Ecke des Hafengymnasiums (IvE 638A), vgl. auch eine ähnliche Ehrung des Ti. Claudius Aristo in IvE 425. 24 KNIBBE/ALZINGER, Ephesos (s. Anm. 22), 777. 20
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C. Schulte listet in ihrer Arbeit über die Grammateis die einzelnen Belege der Amtsbezeichnung auf. In 35 Fällen findet sich dabei nur die Bezeichnung grammateuv~ ohne den Zusatz th``~ boulh``~ oder tou`` dhvmou o.ä. Hier nimmt sie an, dass es sich nicht um selbstständige Ämter, sondern „um eine summarische und daher ungenaue Bezeichnung des Amtsträgers“ handelt. Damit ist aber deutlich: Wenn der grammateu;~ tou`` dhvmou in Ephesos gemeint ist, wird dies auch ausdrücklich vermerkt. Insgesamt gibt es drei Amtsbereiche, in denen die Bezeichnung grammateuv~ vorkommt: den „politischen“, sakralen und privaten Bereich. Im politischen Bereich sind – wie gesagt – die grammatei``~ tou`` dhvmou bzw. th``~ boulh``~ zu nennen. Es handelt sich dabei um den Sekretär der Volksversammlung. Auch die Gerusie hatte einen Schreiber, und auch auf der Ebene der Provinz gab es einen grammateuv~, den grammateu;~ th``~ ÆAsiva~. Von diesen abzugrenzen sind grammatei``~ im sakralen Bereich, z.B. der grammateu;~ th``~ aJgiwtavth~ ÆArtevmido~.25 Von Interesse sind nunmehr die grammatei``~ in privaten Organisationen, d.h. in privaten Vereinigungen.
3.3. Der grammateuv~ als Amtsbezeichnung in antiken Vereinen In seinem grundlegenden Werk über das griechische Vereinswesen behandelt Erich Ziebarth insbesondere die Verfassungen und Verwaltungsstruktur der Vereine. Dabei kommt er auch auf die verschiedenen inschriftlich belegten Vereinsämter zu sprechen.26 Wichtig ist dabei zunächst die Feststellung, dass die Vereinsämter graduell abgestuft sind und einen regelrechten cursus honorum bilden, der dem staatlichen Bereich ähnlich ist. Aus den inschriftlich bezeugten Ämter- und Mitgliederlisten lässt sich entnehmen, dass der grammateuv~ an unterschiedlichen Stellen in der Rangfolge der Ämter genannt wird. Er findet sich häufig an zweiter Stelle nach dem prostavth~ oder dem iJereuv~, auf einer Ebene mit dem tamiva~ („Schatzmeister“/„Finanzwart“), bisweilen aber auch sogar am Schluss einer Ämterliste.27 Neben der sich aus der Amtsbezeichnung bereits ergebenden Funktion der Protokollführung beschreibt Ziebarth die Aufgabe des grammateuv~ im Verein wie folgt: Weiter gab es wohl in den meisten Vereinen einen Schriftwart, meist grammateuv~ genannt. Ihm kam es zu, über die Vereinsbeschlüsse Protokoll zu führen. Doch hatte 25 26
Dazu im Detail SCHULTE, Grammateis (s. Anm. 18), 22–24. ZIEBARTH, E., Das griechische Vereinswesen, Leipzig 1896 (= ND Wiesbaden 1969), 144–
156.
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ZIEBARTH, Vereinswesen (s. Anm. 26), 147. Siehe auch die Listen 34ff.
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er auch mitunter gewisse Gelder zu verwalten und Abrechnungen zu leiten, [...] doch auch mit den ejpimelhtaiv zusammen sakrale Pflichten zu erfüllen [...], alles je nach dem Vorhandensein oder Fehlen anderer Beamter.28
Der grammateuv~ beruft eine Versammlung des Vereins ein. Eine solche Versammlung wird in den Inschriften als sunagwgav, ajgorav und ejkklhsiva oder, wenn es um religiöse Zwecke ging, als suvnodo~ bezeichnet. Die Vereinsstatuten heißen novmoi – auch hier also die deutliche Analogie zum staatlich-politischen System.29 Der Ausdruck ejn th``æ ejnnovmw/ ejkklhsiva/ in Apg 19,39 wäre demnach nicht nur auf eine Volksversammlung zu beziehen. Eine ordentliche Vereinsvollversammlung wird in den Inschriften ebenso bezeichnet. Der zweite große Kenner der antiken Vereinigungen, Franz Poland, nennt das Amt des grammateuv~ als das am weitesten verbreitete und typische Amt für das griechische Vereinswesen.30 Der Schriftführer steht nach Poland im Rang hinter dem tamiva~, sofern beide Ämter besetzt sind. Zu den Aufgaben des grammateuv~ schreibt Poland: Als solcher hat er die Beschlüsse zu protokollieren, neueintretende Genossen in der Liste sich verzeichnen zu lassen, vor allem das Ausfertigen der Ehrenurkunden auf der Stele, meist wohl auch deren Aufstellung zu besorgen.31
Grundsätzlich fungiere der grammateuv~ als „Hilfsorgan“ neben dem tamiva~ und dem ejpimelhvth~. Mit dem ersten Jahrhundert n.Chr. aber gewinnt das Amt des grammateuv~ nach Poland kräftig an Bedeutung: Viel bedeutsamer ist natürlich im allgemeinen die Stellung des grammateuv~ in den nachchristlichen, mehr offiziellen Vereinen [...] Mit seinem Namen, wie anderwärts mit dem des Tamias [...], werden die Urkunden nicht selten datiert, oder es wird ausdrücklich auf seine Tätigkeit als Exekutivbeamter hingewiesen. Da die Arbeit eines solchen Sekretärs eine große Geschäftsgewandtheit erforderte, so ist es begreiflich, daß er bisweilen mehreren Körperschaften zu gleicher Zeit diente [...] So erscheint der grammateuv~ in der Kaiserzeit wieder, wie in alten attischen Vereinsurkunden, geradezu als Finanz- und wichtiger Verwaltungsbeamter [...].32
Belegt ist für Ephesos ein grammateu;~ th``~ sunergasiva~ (IK 13, 679). Nach C. Schulte zeichnete dieser Beamte für die offiziellen Aktivitäten der sunergasiva verantwortlich, nach Knibbe33 stand der grammateuv~ der Vereinigung als Spitzenbeamter vor, was sich aber aus der besagten Inschrift wie
28
ZIEBARTH, Vereinswesen (s. Anm. 26), 152. Siehe bei ZIEBARTH, Vereinswesen (s. Anm. 26), 144f. 30 POLAND, F., Geschichte des griechischen Vereinswesens, Leipzig 1909, 383–387, 383. 31 POLAND, Geschichte (s. Anm. 30), 385. 32 POLAND, Geschichte (s. Anm. 30), 386f. 33 KNIBBE, Art. Ephesos (s. Anm. 17), 288f. 29
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auch aus einer weiteren, die einen grammateu;~ th``~ sunovdou erwähnt (IK 14, 1122), nicht sicher sagen lässt. Mit Schulte aber ist festzuhalten: Offensichtlich bestand also auch in privaten Unternehmen und Vereinigungen das Bedürfnis nach einem Schreiber, der ebenso wie in den beiden anderen Bereichen die Vertretung des Gremiums nach außen übernahm.34
Es war für die Vereinigung von Interesse, einen Beamten mit großer Erfahrung und reichen Kenntnissen in bestimmten Verwaltungstätigkeiten zu haben, um den Verein adäquat nach außen, also gegenüber anderen Vereinen, Wirtschaftsbetrieben oder der politischen Verwaltung der Stadt, vertreten zu können.
4. Die Demetriosepisode im Lichte der Neubetrachtung des grammateuv~-Amtes in V. 35ff 4.1. Zur Frage nach der inhaltlichen Plausibilität der Grammateusrede Lukas gestaltet beide Reden, die des Demetrios wie die des Grammateus, in rhetorischer Weise und lässt sie inhaltlich-gedanklich auf einander Bezug nehmen. Die Rede des grammateuv~ nimmt das letzte Argument des Demetrios auf. Demetrios hatte den Untergang der göttlichen Majestät der Göttin Artemis heraufbeschworen. Der grammateuv~ erinnert die Zuhörer an zwei zentrale religiöse Elemente des Artemiskults: Ephesos ist Tempelhüterin (Neokoros) der großen Artemis, und er erinnert an die Legende ihres vom Himmel gefallenen Bildes.35 Die enge Verbindung der Stadt Ephesos mit der Göttin Artemis ist in der Literatur weit verbreitet und zeigt sich in dem Ausruf megavlh hJ ÒArtemi~ ÆEfesivwn (Apg 19,28) oder hJ megivsth Qea; ÆEfesiva ÒArtemi~ (so bei Xenophon v. Eph. 1.11.5).36 Die Epiklesis der Artemis, ÆEfesiva, hat eine breite Traditions- und Wirkungsgeschichte. Mehrere Mythen über die Artemis Ephesia sind bekannt, von denen in Apg 19,35 nur eine genannt wird.37 Vor 34
SCHULTE, Grammateis (s. Anm. 18), 24. Damit greift er eine alte Legende auf, die sich bei Euripides, Iph. 86ff findet. Vgl. auch TREBILCO, P., Asia, in: D.W.J. Gill/C. Gempf (Hg.), The Book of Acts in Its First Century Setting, Bd. II: The Book of Acts in Its Greco-Roman Setting, Grand Rapids 1994, 291–362, 351ff und FIEGER, M., Im Schatten der Artemis. Glaube und Ungehorsam in Ephesus, Bern 1998, 163ff. 36 Dazu OSTER, R.E., Ephesus as a Religious Center under the Prinzipate, I. Paganism before Constantine, ANRW II 18.3, 1990, 1661–1728, 1700ff. 37 Vgl. die Übersicht über die Mythen bei JESSEN, O., Art. Ephesia, PRE 10, 1905, 2753– 2771, v.a. 2755ff. Vgl. auch BIGUZZI, G., Ephesus, its Artemision, its Temple to the Flavian 35
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allem der Rekurs auf die transzendente Herkunft des Heiligtums dient in der Rede des Grammateus dazu, einen Gegenpol zur Furcht des Demetrios vor dem Verlust der göttlichen Majestät zu setzen. Dies ist m.E. sehr wohl auch als Inhalt der Rede eines herausragenden und für Außenangelegenheiten zuständigen Vereinsbeamten denkbar. Die antiken Vereine sind gerade auch über die Pflege lokal gebundener religiöser Traditionen hervorgetreten.38 Somit ist es keineswegs abwegig, anzunehmen, dass die Silberschmiede, die – wenn auch in Apg 19 freilich nicht explizit als Verein bezeichnet – epigraphisch für Ephesos nachweisbar sind, Träger der religiösen Lokaltraditionen um das Artemisheiligtum gewesen sind. Davon zeugen Inschriften, mit denen sich Peter Lampe näher befasst hat. Es handelt sich um insgesamt drei Inschriften (IvE 586; 2212 und 1578A), die in unterschiedlicher Weise die religiöse Verehrung der Göttin Artemis durch Silberschmiede bezeugen. Auch die Verquickung von Wirtschaft und Religion, die in Apg 19 sehr gut greifbar wird, ist durch weitere Indizien belegt. Hier seien nur die Markttage genannt, die zu Ehren der Artemis mit Wettkämpfen und Volksfest abgehalten wurden. Die Details finden sich u.a. bei Peter Lampe zusammengestellt.39
Im weiteren Verlauf seiner Rede ist der Vereinsbeamte bemüht, die Sorge des Demetrios zu entkräften und zieht daraus die Folgerung: „Weil das nun unwidersprechlich ist, sollt ihr euch ruhig verhalten und nichts Unbedachtes tun.“ Dieser ersten Mahnung zur Ruhe und Ordnung lässt er sogleich eine Feststellung folgen: Die beschuldigten Christen sind keine Tempelräuber (iJerosuvloi) und keine Lästerer (blasfhmou``nte~) „unserer Göttin“. Eigentlich wären dies Worte eines Richters, der sich nach einem Gerichtsverfahren in der Urteilsverkündung derart äußert. Es könnte sich also um ein in Ephesos bekanntes, vielleicht noch recht aktuelles Urteil über Christen handeln. Dann könnte dies auch einem Vereinsbeamten geläufig sein. Immerhin nennt der Grammateus die in seinen Augen wahren Schuldigen beim Namen: Demetrios und seine Leute, und eben nicht die Christen. Ob es sich wirklich um Spuren eines formellen Gerichtsverfahrens handelt, wie Reinhard Selinger annimmt, kann nicht letztlich geklärt werden. Er schreibt: „(Der Grammateus) analysiert daher zunächst den Tatbestand und überprüft die Anschuldigungen gegen die beiden Männer. Da diese unbe-
Emperors, and Idolatry in Revelation, NT 40, 1998, 276–289, 280 und OSTER, Ephesus (s. Anm. 36), 1728: „There was no other Graeco-Roman metropolis in the Empire whose body, soul and spirit could so belong to a particular deity as did Ephesus to her patron goddess Artemis.“ 38 Vgl. auch BRABANT, D., Persönliche Gotteserfahrung und religiöse Gruppe, in: Gutsfeld/Koch, Vereine (s. Anm. 1), 61–75, 75. 39 Vgl. LAMPE, Acta (s. Anm. 3), 59–76.
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gründet sind, weist er die Kläger an zuständige Gerichte ab“.40 Sicherlich hängt Ephesos ganz klar vom Wohlwollen des Proconsuls ab, so dass die Vermeidung von Unruhen das vorrangige Ziel eines Politikers ist. Hier könnte aber auch an einen Vereinsbeamten zu denken sein, der für seine Interessengruppe Schwierigkeiten befürchtet. Deutlich wird im Vergleich zu den Worten des Demetrios, wie sehr der grammateuv~ die Identifikation der Anwesenden mit der Göttin herausstellt. In der Demetriosrede wird hJmw``n nur auf die ökonomischen Interessen der Silberschmiede bezogen, nicht aber auf den Artemiskult oder die Göttin Artemis. Für die in Apg 19,23–40 enthaltenen Gruppeninteressen ist dies nicht unerheblich. Demetrios, nur interessiert an den wirtschaftlichen Belangen, mit denen er auch seine Rede beginnt (V. 25b), verleitet die Menge zum aufrührerischen Tumult im Theater und zum Skandieren des Schlachtrufs megavlh hJ ÒArtemi~ ÆEfesivwn. Der grammateuv~ argumentiert mit der überwältigenden Präsenz und Tradition der Artemis und mit bereits festgestellten juristischen Fakten. Die von Demetrios Beschuldigten werden namentlich nicht genannt, wohl aber der Führer der Silberschmiede, der vom grammateuv~ als Unruhestifter verantwortlich gemacht wird (V. 38: Dhmhvtrio~ kai; oiJ su;n aujtw``/ tecni``tai). Lukas lässt den Beamten rhetorisch überaus geschickt auftreten. Sein Interesse könnte neben der Deeskalation auch in der öffentlichen Wahrung der Vereinsinteressen liegen. Denn aus zahlreichen Inschriften wissen wir etwas über die religiös-kulturellen und gesellschaftlichen Aktivitäten der Vereine. Der Ruf des Vereins steht auf dem Spiel in diesem Konflikt, nicht nur die ökonomischen Interessen des Unternehmers Demetrios. Dieser Aspekt wird in den Kommentaren zur Stelle m.E. viel zu oft außen vor gelassen. Der Handwerksverein ist nicht identisch mit dem Gewerbe der Silberschmiede – das wird in Apg 19 durch die Konfrontation des Unternehmers Demetrios und des Vereinsschreibers deutlich. Letzterer vertritt Vereinsinteressen, die neben wirtschaftlicher vor allem sozialer, kulturell-religiöser und auch politischer Natur sind. Es ist also m.E. vom narrativen Ablauf der Demetriosepisode möglich, den Grammateus nicht als städtischen Beamten zu deuten, sondern als Beamten vereinsmäßig organisierter Silberschmiede von Ephesos, die zwar hier nicht so bezeichnet werden, aber für Ephesos als Verein epigraphisch belegt sind.41
40 41
SELINGER, Demetriosunruhen (s. Anm. 9), 257. Siehe im Detail LAMPE, Acta (s. Anm. 3), 59–76.
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4.2. Argumente für die Neubetrachtung des grammateuv~-Amtes in Apg 19 Inhaltlich-gedanklich ist die Rede ab V. 35ff also nicht festgelegt auf das politische Amt des grammateuv~. Die oben skizzierten Erwägungen zum Grammateusamt in griechischen Vereinigungen machen es m.E. möglich, darüber nachzudenken, ob der in Apg 19,35ff auftretende Grammateus nicht – wie es die Forschungsmeinung ist – der Stadtschreiber oder eben der Sekretär der Volksversammlung ist, sondern der grammateuv~ der Vereinigung der Silberschmiede von Ephesos. Dafür sprechen nun aus dem Text Apg 19,23–40 folgende Argumente. 1. Der grammateuv~ wird ohne die für das politische Amt nötige Amtsbezeichnung th``~ boulh``~ oder tou`` dhvmou genannt. Für die Inschriften gilt: Fehlt diese genaue Amtsbezeichnung, ist auch nicht das spezielle Schreiberamt gemeint. Das würde aber bedeuten, dass Lukas an einer zentralen Stelle ungenau formuliert hätte. Nach Meinung aller Kommentatoren hat Lukas aber genaue Kenntnisse über die Verhältnisse in Ephesus. Warum also hätte ihm gerade hier eine Ungenauigkeit unterlaufen sollen? 2. Der Ausdruck „in einer ordentlichen Versammlung“ (ejn th``æ ejnnovmwæ ejkklhsiva/ in V. 39) muss nicht auf die städtische Volksversammlung bezogen werden. Der Ausdruck ejkklhsiva allein ist dafür zu allgemein, zudem begegnet er in vereinsrechtlichen Zusammenhängen ebenso, wie auch der Ausdruck novmo~ das Vereinsstatut bezeichnen kann. In Rechnung gestellt werden muss freilich auch der erkennbar hyperbolische Stil der lukanischen Szenerie. Es dürfte kaum soviel Volk zusammengelaufen sein, dass das Theater von Ephesos gefüllt worden wäre. Es dürften aber sehr wohl viele zufällig dazugekommene Menschen dabei gewesen sein (V. 29), so dass die Versammlung in den Augen des Vereinsschreibers (!) eine nicht satzungsgemäße Versammlung des Berufsvereins ist. 3. Der Grammateus weist in V. 40 darauf hin, dass eine Gruppe, die er in der 1. Person Plural bezeichnet, Gefahr laufe, wegen des Aufruhrs verklagt zu werden. Natürlich kann man annehmen, der grammateuv~ der Stadt habe die Furcht, an höherer Stelle verklagt zu werden, z.B. auf der Ebene des koivnon ÆAsiva~, beim Statthalter oder beim Kaiser. Dies ist die gängige Sichtweise. Doch wenn man Inschriften über Vereinigungsunruhen heranzieht (z.B. IvE 215 über den Bäckeraufstand in Ephesos), so macht auch eine andere Lösung Sinn: Der für äußere Angelegenheiten des Vereins zuständige Vereinsbeamte fürchtet für seine Organisation, dass sie in Verruf gerät, denn – wie oben auch am Beispiel des Pliniusbriefes erläutert – nicht selten gingen von den Vereinigungen Unruhen aus, die auch eskalieren und auf andere Bereiche der Stadt übergreifen konnten. Hinzu kommt der sicher allgemein bekannte Argwohn der Obrigkeit, der Verein könnte Interessen verfolgen, die der Stadt schaden könnten.
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4. Diese Deutung widerspricht auch nicht der Tatsache, dass Demetrios der Wortführer der Silberschmiede ist. Von ihm wird ja gerade nicht gesagt, dass er der Vorsitzende des Vereins wäre. Ja, selbst, ob er zur Führungsgruppe des Vereins gehört, ist offen. Es heißt nur, er sei ajrgurokovpo~ (Silberschmied) und verschaffe den zu seinem Handwerk Gehörenden beträchtlichen Gewinn (V. 24). Entweder ist Demetrios ein Vereinsmitglied, das sich zum Wortführer macht, ohne dazu vereinsrechtlich befugt zu sein, so dass der grammateuv~ des Vereins einschreitet. Oder es handelt sich um einen Unternehmer im Silbergewerbe (so sagt es V. 24 und auch V. 25, wo Lukas ihn selbst zu Wort kommen lässt), der sich gegen die Inhalte der paulinischen Predigt wendet, weil er Einbußen für seinen Großbetrieb fürchtet. Er wendet sich an seine Leute und darüber hinaus auch an weitere Handwerker von Zulieferbetrieben. Diese Rede wird dann also auch von Vereinsmitgliedern gehört, die nicht unbedingt seinem Betrieb angehören, aber natürlich grundsätzlich gleiche Interessen haben dürften.
5. Schlussbemerkung Der erläuterte Deutungsvorschlag erhellt – auch wenn er sicher als gewagt gelten wird – das Umfeld frühchristlicher Gemeinden, zu dem die antiken Vereine gehören. Solche Denkanstöße führen aber in der Untersuchung griechisch-römischer Vereinigungen und frühchristlicher Gemeinden deshalb weiter, weil sie sich kritisch dem häufig anzutreffenden Verfahren entgegen stellen, zu schnell auf die Abhängigkeit der Gemeinde- von der Vereinsstruktur zu schließen oder in einem einzelnen Detail bereits eine Parallele zwischen Verein und christlicher Gemeinde zu erkennen.42 Vielmehr gibt es gerade vor dem Hintergrund von Apg 19,23–40 Anlass, davon auszugehen, dass die frühchristlichen Gemeinden und die antiken Vereine in einem Konkurrenzverhältnis zueinander gestanden haben und für unterschiedliche Interessen (seien sie von religiöser oder von sozio-kultureller Bedeutung) geworben haben. Gerade weil die Vereine Träger der überlieferten religiösen Traditionen waren, durch ihre Struktur sozial stabilisierend gewirkt haben und ihren Mitgliedern zu Identität und Status verhalfen,43 42 Vgl. hierzu die Kriterien für die weitere Forschung auf dem Gebiet KOCH, D.-A./SCHINKEL, D., Die Frage nach den Vereinen in der Geistes- und Theologiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung des zeitgenössischen Vereinswesens und der „Wende“ in der protestantischen Theologie nach 1918, in: Gutsfeld/Koch, Vereine (s. Anm. 1), 129– 148, 147f. 43 Vgl. dazu PLÜMACHER, E., Identitätsverlust und Identitätsgewinn. Studien zum Verhältnis von kaiserzeitlicher Stadt und frühem Christentum, BThSt 11, Neukirchen 1987, bes. 10–30.
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gehören sie nicht zu der Welt, in der die Christen ihre neue Bezugsgröße suchen sollen (vgl. Phil 3,18–21 oder Kol 3,1–4).44
Vereine wurden mit einem regelrechten cursus honorum zunehmend zum Betätigungsfeld für die Bevölkerungsschichten, denen reale politische Mitwirkung versagt war. Plümacher geht auch besonders auf die Vereinigungsunruhen ein. Er beschreibt diese als ein Ausbrechen „aus der bescheidenen, aber ehrenvollen Rolle, die sie (sc. die Vereine) in den Poleis spielten“ (19). 44 Die Haltung frühchristlicher Gemeinden gegenüber den sozio-kulturellen, politischen und religiösen Bezugsgrößen im ersten und zweiten Jahrhundert lässt sich mit den soziologischen Phänomenen „Integration“ und „Abgrenzung“ beschreiben. Die Christen befinden sich in einem Spannungsverhältnis zwischen zwei Welten, den realen Bezugsgrößen und der durch Jesus Christus eröffneten himmlischen Welt. Dies hat sprachlich seinen Niederschlag gefunden z.B. in dem Motiv der „himmlischen Bürgerschaft“ (Phil 3,20; vgl. auch 1,27; Kol 3,1–4; und Diogn 5–6). Vgl. dazu: SCHINKEL, D., Die himmlische Bürgerschaft. Untersuchungen zu einem urchristlichen Sprachmotiv im Spannungsfeld von religiöser Integration und Abgrenzung im 1. und 2. Jahrhundert, FRLANT 220, Göttingen 2007.
Thomas Witulski
Die Aufenthalte des Kaisers Hadrian in der römischen Provinz Asia
Neueste Forschungen führen zu der begründeten Annahme, dass die neutestamentliche Johannesapokalypse, deren Adresse sieben Gemeinden in der römischen Provinz Asia ausweist (Apk 1,4), in hadrianischer Zeit, genauer zwischen 132 und 135 n.Chr. abgefaßt worden ist.1 Auf diesem Hintergrund macht es einen guten Sinn, das Verhältnis des Kaisers Hadrian zur römischen Provinz Asia, insbesondere seine Reisetätigkeit in derselben, einmal detailliert in den Blick zu nehmen und so einen Beitrag zur Aufhellung des historischen Kontextes der Abfassung der Apk und damit zugleich zu ihrer Interpretation auf dem Hintergrund dieses Kontextes zu leisten. Die Interpretation neutestamentlicher Texte auf dem Hintergrund der neutestamentlichen Zeitgeschichte stellt einen entscheidenden und für die neutestamentliche Exegese insgesamt wichtigen Schwerpunkt in der theologischen Arbeit des hier zu ehrenden Jubilars dar. H. Halfmann rekonstruiert zwischen 123/124 und 132 n.Chr. drei Reisen Hadrians durch die Provinz Asia: (a) Eine in das erste Halbjahr 124 n.Chr. zu datierende Reise2 führte den Kaiser von Nikomedeia in der Provinz Bithynia et Pontus über Kyzikos3, Ilion4, Alexandreia Troas, Pergamon5, 1 Vgl. hierzu WITULSKI, T., Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian, Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007, 346ff. 2 Vgl. zum Reiseverlauf insgesamt HALFMANN, H., Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich, HABES 2, Stuttgart 1986, 191.199–202, zu dem in diese Reise gehörenden Reisebericht des Antonius Polemon WITULSKI, T., Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius, NTOA 63, Göttingen 2007, 147f. WEBER, W., Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus, Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1907, Hildesheim/New York 1973, 130– 132 setzt den Aufenthalt in Mysien an den Anfang der ersten Reise Hadrians durch die Provinz Asia. Von Mysien aus reiste Hadrian WEBER zufolge über Miletopolis nach Kyzikos (vgl. 132). 3 Zu Hadrian, seinem Besuch in Kyzikos, der Verleihung der Neokorie an diese Stadt und dem Ausbau des dortigen Neokorietempels vgl. WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 101ff. Denkbar ist, dass Hadrian etwa von Kyzikos aus der Stadt Apollonia brieflich die Errichtung eines Säulengangs zusagte. Vgl. hierzu die bei P. Le Bas/W.H. Waddington (Hg.), Inscriptions Grecques et Latines, recueillies en Asie Mineure II: Textes en Minuscules et Explications, Paris 1870, ND in: H. Engelmann/R. Merkelbach (Hg.): SubEpi, Hildesheim/New York 1972, abgedruckte Inschrift 1068. Sie geben ihren Text wie folgt wieder: [Aujtokravtwr Ka]i`sar Trai>[ano;~ ïAdri]ano;~ Au[[gou]sto~, qeou` [Trai>anou` uiJ]o;~, qe- | ou` Ne[rouva uiJwno;~, th;n stoa;n] th`i | povlei ka[teskeuvasen]. Diese Inschrift ist m.W. der einzige Beleg für die Verwendung des Au[gousto~-Titels im Zusammenhang mit Hadrian.
Die Aufenthalte des Kaisers Hadrian in der römischen Provinz Asia
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Stratonikeia6, die Landschaft Mysien, Smyrna7, Erythrai8, Ephesus und Rhodos9 und von dort aus nach Griechenland.10 In Ilion besuchte Hadrian Philostratos zufolge das sagenhafte Grab des griechischen Helden Aiax und verehrte dessen Reliquien: Kai; e[fasken ïAdriano;n basileva peristei`lai aujta; ejx Troivan ejlqovnta kai; to;n nuni; tavfon periarmovsai tw/' Ai[anti e[stin a} kai; prosptuxavmenon tw`n ojstw`n kai; filhvsanta.11 Hier findet Hadrians Vorliebe für das Griechentum deutlichen Ausdruck. In der Inschrift auf der Basis der von der römischen Kolonie Alexandreia Troas im athenischen Zeu;~ ÆOluvmpio~-Heiligtum errichteten Statue Hadrians wird der Kaiser als restitutor coloniae bezeichnet.12 Dies und ein in der Nähe der Kolonie gefundener, in das Jahr 124 n.Chr. zu datierender Meilenstein13 sprechen zunächst für einen Besuch Hadrians in Alexandreia Troas. Sie belegen darüber hinaus aber auch das kaiserliche Engagement für den Ausbau bzw. Wiederaufbau der Stadt und ihrer Umgebung.14 Über 4
WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 133, Anm. 476, erwägt zwischen den Aufenthalten Hadrians in Kyzikos und Ilion Besuche des Kaisers in Parium, Priapus und Abydos. Für die beiden coloniae Parium und Priapus nimmt er eine Neubesiedlung in hadrianischer Zeit an. Dies begründet er mit dem Hadrian in beiden Kolonien verliehenen Titel conditor coloniae. Der von Weber angenommene Reiseverlauf zwischen Kyzikos und Ilion entspricht dem Verlauf der Küstenstraße (vgl. hierzu CALDER, W.M./BEAN, G.E. [Hg.], A Classical Map of Asia Minor, London 1958). 5 Aufgrund des Straßenverlaufs (vgl. hierzu CALDER/BEAN, A classical map [s. Anm. 4]) ist zu vermuten, dass Hadrian auf dem Weg von Alexandreia Troas nach Pergamon etwa die Städte Assos, Gargara, Antandrus und Adramyttium besucht hat. 6 WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 135f erwägt zwischen den Aufenthalten Hadrians in Pergamon und Stratonikeia einen Besuch der Insel Lesbos. 7 Zum Besuch Hadrians in Smyrna, zur Verleihung der zweiten Neokorie und den von ihm selbst geleisteten Stiftungen, die weitere nach sich zogen, vgl. WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 90ff. 8 Erythrai erreichte Hadrian auf dem Seeweg; dies belegt die dortige Feier der ta; Megavla ïAdriavneia ÆEpibathvria (IEry 60, Z. 6–8). Vgl. HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 200 mit Bezug auf diese Spiele: „Hadrian ist dort an Land gegangen, demnach zumindest teilweise zur See die Küste entlang gereist“. 9 WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 143 vermutet einen Zwischenaufenthalt auf der Insel Kos, der sich aus dem epigraphischen Zeugnis allerdings nicht erweisen läßt. Eine in zwei Briefen an die Stadt Ephesus erhaltene, jeweils gleichlautende Aussage Hadrians spricht vielmehr dafür, dass der Kaiser von Ephesus aus direkt nach Rhodos gereist ist: eij~ ïRovdon ajpo; th`~ ÆEfevsou komizomevnw/ (IEph 1487, Z. 10; 1488, Z. 10f). 10 Vgl. hierzu Hist. Aug., vita Hadriani 13,1: per Asiam et insulas ad Achaiam navigavit. WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 144–148 erwägt nach dem Aufenthalt Hadrians auf Rhodos Besuche des Kaisers auf den Inseln Kreta, Astypalaios (?), Amorgos (?) und Samos. Vgl. dagegen aber m.R. HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 201: „Weitere Stationen der Inselreise [außer Rhodos] lassen sich nicht nachweisen“. 11 Philostrat, Her. 8,1; „[…] und er sagte, daß Kaiser Hadrian, als er nach Troja gekommen sei, sie begraben und das jetzige Grab dem Aias zurechtgemacht habe sowie manche der Knochen umarmt und geküßt habe“; Text und Übersetzung nach BESCHORNER, A., Helden und Heroen, Homer und Caracalla. Übersetzung, Kommentar und Interpretationen zum Heroikos des Flavios Philostratos, Bari 1999, 14.92. 12 CIL III 7282. 13 CIL III 466. 14 Vgl. hierzu auch HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 199.
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das (mittelbare) Engagement Hadrians im Blick auf die Wasserversorgung von Troas informiert Philostratos. Er berichtet, dass der Kaiser eine Anfrage des Herodes Atticus, der 134/135 n.Chr. das Amt eines legatus Augusti pro praetore missus ad ordinandum statum liberarum civitatum provinciae Asiae innehatte,15 dahingehend beschied, dass jener selbst aus eigenem Vermögen drei Millionen Drachmen zur Errichtung bzw. Instandsetzung von Wasserleitungen und Bädern zur Verfügung stellen solle: h\rce me;n ga;r tw`n kata; th;n ÆAsivan ejleuqevrwn povlewn oJ ïHrwvdh~, ijdw;n de; th;n Trw/avda balaneivwn te ponhvrw~ e[cousan kai; gew`de~ u{dwr ejk freavtwn ajnimw`nta~ ojmbrivwn te uJdavtwn qhvka~ ojruvttonta~ ejpevstaeilen ïAdrianw/` aujtokravtori mh; periidei`n povlin ajrcaivan kai; eujqavlatton aujcmw/` fqarei`san, ajllÆ ejpidou`naiv sfisi triakosiva~ muriavda~ ej~ u{dwr, w|n pollaplasivou~ h[dh kai; kwvmai~ ejpidedwvkoi. ÆEphævnesen oJ aujtokravtwr ta; ejpestalmevna wJ~ pro;~ trovpou eJautw/` o[nta kai; to;n ïHrwvdhn aujto;n ejpevtaxe tw/` u{dati.16 M. LeGlay betont die entscheidende Rolle Hadrians bezüglich des Ausbaus des pergamenischen Asklepios-Heiligtums: „Au total, il apparaît que dans la longue histoire de l’Asklépieion de Pergame [...] la période des son apogée [...] commence réellement avec le règne d’Hadrien, qui a porté à Pergame, à ses lieux de culte et notamment à l’Asklépieion, un intérêt personnel qu’atteste par contrecoup le nombre des autels qui lui ont été dédiés, que prouvent aussi plus directement les promotions dont ont bénéficié les Pergaméniens et l’importance des travaux qui ont valu au sanctuaire d’être inscrit parfois au nombre des sept merveilles du Monde“.17 Das Interesse Hadrians an den Angelegenheiten Pergamons dokumentiert darüber hinaus ein (wahrscheinlich) von Hadrian18 verfasster Brief,19 in welchem er sich mit Proble15
Vgl. hierzu GÄRTNER, H., Art. Herodes 16, KP 2, 1967, 1095. Philostrat, VS II 1 (548); „Ein Beispiel: Zu der Zeit, als Herodes legatus Augusti pro praetore missus ad ordinandum statum liberarum civitatum provinciae Asiae gewesen ist, beobachtete er, dass in Troia Bäder fehlten, dass die Einwohner schmutziges Wasser aus ihren Quellen schöpften und dass sie Zisternen graben mußten, um Regenwasser aufzufangen. Dementsprechend schrieb er an den Kaiser Hadrian und bat ihn, nicht zu erlauben, dass eine berühmte Stadt, angenehm nahe am Meer gelegen, in Trockenheit umkomme, sondern ihr drei Millionen Drachmen zur Verfügung zu stellen, um die Wasserversorgung sicherzustellen, zumal er diese Summe unbedeutenden Dörfern bereits mehrfach geschenkt hätte. Der Kaiser erachtete den Hinweis in diesem Brief als seiner eigenen Planung widersprechend und ordnete an, dass Herodes selbst die Verantwortung für die Wasserversorgung übernehmen solle“; Text und Übersetzung nach W.C. Wright (Hg.), Philostratus, Lives of the Sophists; Eunapius, Lives of Philosophers, LCL 134, London/Cambridge (Mass.) 1998, 142f. Zum gesamten Vorgang und den dabei entstandenen Schwierigkeiten vgl. AMELING, W., Herodes Atticus I, Hildesheim 1983, 54–56. 17 LEGLAY, M., Hadrien et l’Asklépieion de Pergame, BCH 100, 1976, 370f. 18 Vgl. hierzu MARCO, A.D., Imperial Provisions for Pergamum: OGIS 484, GRBS 17, 1976, 173: „The author of the epistle is the Roman emperor, as the use of the first person plural in the text would seem to show; probably Hadrian, whose interest in the institutions and ambience of the Greek people is well known“. Marco hält es für wahrscheinlich, „that the document was prepared during one of his [d.h. Hadrians] two tours of inspection in Asia, in A.D. 123–124 or A.D. 129– 131“ (174). Anders BOATWRIGHT, M.T., Hadrian and the Cities of the Roman Empire, Princeton 2000, 90, die dieses Dokument in das Jahr 129 n.Chr. datiert. 19 Dieser inschriftlich erhaltene Brief ist ediert in OGIS 484 und bei E.M. Smallwood (Hg.), Documents Illustrating the Principates of Nerva, Trajan and Hadrian, Cambridge 1966, Nr. 451, 163f. 16
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men in Verbindung mit dem Handel auf dem pergamenischen Markt und mit dem in Pergamon praktizierten Pfändungsrecht befaßt und in der Stadt eine neue jurisdiktionelle Instanz einsetzt.20 Unter der Voraussetzung hadrianischer Verfasserschaft belegt dieser Brief, dass der Kaiser sich persönlich auch um die Kleinigkeiten des alltäglichen Miteinanders einer Stadt oder eines Gemeinwesens gekümmert hat.21 Nach W. Weber reisten Hadrian und sein Gefolge von Stratonikeia-Hadrianopolis bzw. Mysien über Nacrasa, Thyateira, Hermocapella (?) und Sardeis nach Smyrna.22 Der von W.M. Calder und G.E. Bean23 nachgezeichnete Straßenverlauf im Westen der Provinz Asia nötigt allerdings zu der Annahme, dass Hadrian von StratonikeiaHadrianopolis aus zumindest nach Thyateira gekommen ist.24 Zu den Leistungen Hadrians für die Stadt führen S. Follet und D. Peppas Delmousou aus: „Après une introduction qui devait rappeler sous une forme générale les bienfaits d’Hadrien envers Thyatire [...] ceux-ci étaient énumerés en détail: adduction d’eau, sommes d’argent allouées pour l’achat de nourriture et de blé, aide donnée dans une circonstance particulière difficilie [...] garantie et protection des limites du territoire, autorisation accordée aux magistrats, sur leur demande, de construire plusieurs bâtiments publics, répartition équitable des impôts fonciers [...]“.25 In Thyateira zu Ehren Hadrians abgehaltene Spiele belegt die Inschrift CIG 3491. A. Boeckh gibt die entsprechende Passage der Inschrift wie folgt wieder: [aj]g[w]no[q]ev[thn] tou` ejpi; | qeou` aujtou` ejpagomevnou ajgw`no~ (Z. 15f), wobei er die präpositionale Ergänzung ejpi; qeou` aujtou in seinem Kommentar mit dem Zusatz „sc. tou` basilevw~“26 erklärt. Die 20
Zu den Details vgl. MARCO, Imperial Provisions (s. Anm. 18), 173–179. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die der Stadt Aphrodisias von Hadrian gewährte Befreiung von der Nagelsteuer (vgl. hierzu OLIVER, J.H., Greek Constitutions of Early Roman Emperors from Inscriptions and Papyri, Memories of the American Philosophical Society 178, Philadelphia 1989, Nr. 69, 166f und BOATWRIGHT, Hadrian [s. Anm. 18], 90) und die Regelung von Fragen der Landverteilung in Aizanoi (vgl. hierzu MAMA IX, xxxvi–xliii und BOATWRIGHT, Hadrian [s. Anm. 18], 80, die die von Hadrian getroffene Regelung als exemplarisch für die vom Kaiser in solchen Fällen immer praktizierte Wiederherstellung der in der Vergangenheit bestehenden Verhältnisse kommentiert: „Aezani is the exception that proves the rule: Hadrian’s activity affecting the internal relations of communities tended to reinforche the political and social status quo. The municipal interactions of Hadrian […] conferred honor on towns and their citizens; they did not confirm local dependency on the emperor“). 22 WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 138f. HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 200 steht der Rekonstruktion Webers skeptisch gegenüber: „Daß Hadrian auch durch Lydien gereist ist, ist aufgrund der von Weber […] beigebrachten Zeugnisse möglich, aber nicht erwiesen“. Vgl. dagegen WEISS, P., Hadrian in Lydien, Chiron 25, 1995, 222: Es „bleibt als Ergebnis festzuhalten, daß der Kaiser [d.h. Hadrian] Lydien bereiste, höchstwahrscheinlich im Jahr 124“. 23 A classical map (s. Anm. 4). 24 Vgl. auch HERRMANN, P. (Hg.), Tituli Asiae Minoris, Bd. 5: Tituli Lydiae, Wien 1989, 310, der den Besuch Hadrians in Thyateira als „veri simillimum“ bezeichnet. Von Thyateira aus konnte Hadrian entweder in südwestlicher Richtung über Magnesia am Sippylos oder in südöstlicher Richtung über Sardeis nach Smyrna reisen. Zum Aufenthalt Hadrians in Saittai in Lydien vgl. WEISS, Hadrian in Lydien (s. Anm. 22), 213–217, zum Aufenthalt Hadrians in Sardeis vgl. entsprechend 222. 25 FOLLET, S./PEPPAS DELMOUSOU, D., Le décret de Thyatire sur les bienfaits d’Hadrien et le ‚Panthéon‘ d’Hadrien à Athènes, BCH 121, 1997, 303. 26 CIG II, 829. 21
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Formulierung ejpagovmeno~ ajgwvn deutet er offensichtlich im Sinne einer Stiftung dieses Agon durch Hadrian: „videtur esse, qui insuper additus aliis ludis sit prius in eiusdem honerem actis“27. M.T. Boatwright vertritt die Ansicht, dass diese Spiele 123 n.Chr., also zeitgleich mit dem ersten Besuch Hadrians in Thyateira, eingerichtet worden sind.28 W. Weber geht aufgrund eines Briefes Hadrians an die Stadt Stratonikeia vom 1. März 127 n.Chr.29, in welchem der Kaiser sie als a[[r-] | ti geinomevnhæ povlei30 bezeichnet, davon aus, dass die Stadt auf der ersten Reise Hadrians durch die Provinz Asia von ihm als povli~ gegründet worden ist.31 Dabei trat er Stratonikeia u.a. Nutzungsrechte für die Stadt umgebendes Land vom ager publicus Romanus ab, wobei er dem Gemeinwesen die dafür entstehenden Abgaben erließ.32 M.T. Boatwright weist hinsichtlich des Anordnung Hadrians: tav te ou[n tevlh ta; ej[k] | th`~ cwvra~ divdwmi uJmei`n33 zwei Interpretationsmöglichkeiten nach: „Scholars have suggested both that revenues from imperial land in the neighborhood were granted to the city to support its growth, and ‚that Hadrian was granting the city the right to levy new direct (or indirect) taxes on its territory‘, which would remain with the city rather than be fun-
27
CIG II, 829. Vgl. BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 99 Anm. 75. 29 Zu dieser Datierung vgl. auch OLIVER, Greek Constitutions (s. Anm. 21), 204. Bei diesem Brief handelt es sich um den ersten in einer Reihe von drei erhaltenen Briefen Hadrians an die Stadt Stratonikeia, die Oliver zufolge sämtlich in das Jahr 127 n.Chr. zu datieren sind (vgl. 204). 30 Vgl. ROBERT, L./ROBERT, J., Les Lettres d’Hadrien, revues et photographiées, Hell(P) VI, 1948, Nr. I, Z. 8f (81). 31 Vgl. WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 136f. Dieses Datum bestätigt BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 186: „Coins and other inscriptions establish Hadrian as the founder of this ‚new‘ city, an act he probably accomplished in 123“. 32 Vgl. WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 137f. Diese Gründung wird bestätigt durch die Inschrift auf der Basis einer Statue Hadrians, die vom dh`mo~ von Stratonikeia errichtet worden ist (vgl. zu dieser Inschrift ROBERT, L., Documents d’Asie Mineure, BCH 102, 1978, 395–543, darin: DERS., Hadrien Zeus Kynégésios, 437). In ihr wird Hadrian als to;n (i[dion) ktivsthn kai; oijkisth;n Stratonikeias gerühmt. Vgl. hierzu ROBERT, Hadrien Zeus Kynégésios, 437f: „Le nom même de la ville et l’expression a[rti geinomevnh povli~ dans une lettre d’Hadrien attestent assez que la ville avait été refondée par Hadrien; d’où les titres de ktivsth~ kai; oijkisthv~ donnés à l’empereur“. Aus dieser Inschrift, die sie aufgrund der in ihr verwendeten Kaisertitulatur und der in ihr erwähnten zweiten Amtszeit des Candidus als strathgov~ von Stratonikeia in die Zeit nach 130 n.Chr. datieren (308), schließen GAWANTKA, W./ZAHRNT, M., Eine neue Inschrift der Stadt Stratonikeia-Hadrianopolis in Lydien, Chiron 7, 1977, 312 auf eine Anwesenheit Hadrians in Stratonikeia im Jahr 131 (vgl. zum dritten Aufenthalt des Kaisers in der Provinz Asia WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 155). Dabei deuten sie das in Z. 1 der Inschrift erwähnte Epitheton dia; kunhgevsion auf eine von Hadrian in diesem Gebiet veranstaltete Jagd bzw. auf die Ausrichtung einer vom Kaiser zumindest mitfinanzierten venatio in Stratonikeia. Nach GAWANTKA/ZAHRNT ist „im ersten Fall […] mit der Anwesenheit des Kaisers sicher zu rechnen, und auch die zweitgenannte Möglichkeit ist ohne sie nur schwer vorstellbar“ (310f). Demgegenüber deutet ROBERT, Hadrien Zeus Kynégésios (s.o.), dieses Epitheton als den Namen des Gottes Zeu;~ Kunhgevsio~ und bezieht dieses Ephiteton auf Hadrian: „Dans ces deux villes [d.h. Stratonikeia und ïAdrianoqh`rai] l’originale épithète Kynégésios était topique; là l’empereur, chasseur d’ours et de sangliers et fondateur de villes, était Zeus Kynégésios“ (451). 33 Vgl. ROBERT/ROBERT, Lettres d’Hadrien (s. Anm. 30), Nr. I, Z. 9f (81). 28
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neled to the central gouvernment“.34 Auf diese Anordnung läßt der Kaiser eine weitere folgen, die sich auf das offensichtlich in Stratonikeia befindliche Haus des Ti. Claudius Socrates bezieht: kai; th;n oijkivan Ti[b]. | Klaudivou Swkravtou~ th;n ou\san ejn thæ` p[ov]- | lei h} ejpiskeuazevtw Swkravth~ h} ajpodov[s]- | qw tini; tw`n ejpicwrivwn | wJ~ mh; crovnw/ kai; | ajmelivai katarifqeivh.35 Diese Anordnung, die er auf eine Anfrage aus Stratonikeia hin traf,36 belegt, wie intensiv sich Hadrian auch um einzelne und vergleichsweise bedeutungslose kommunale oder private Angelegenheiten kümmerte.37 In der Landschaft Mysien läßt sich nach W. Weber die auf dieser ersten Reise durch die Provinz Asia erfolgte Gründung dreier Städte durch Hadrian nachweisen: ïAdrianoi; pro;~ ÆOluvmpw/, ïAdrianeiva Mysiae und ïAdrianoqh`rai.38 Zur Beschreibung der Zustände in Mysien verweist er39 auf Lukianos, der berichtet: Kai; ÆArriano;~ ga;r oJ ÆEpikthvtou maqhth;~ ajnh;r ïRwmaivwn ejn toi`~ prwvtoi~ kai; paideiva/ parÆ o{lon to;n bivon suggenovmeno~ o{moiovn ti paqw;n ajpologhvsaitÆ a]n kai; uJpe;r hJmw``n. Tillobovrou gou`n tou` lhæstou` kajkei`no~ bivon ajnagravyai hjxivwsen. hJmei`~ de; polu; wjmotevrou lhæstou` mnhvmhn poihsovmeqa.40 Aufgrund dessen erwägt Weber, dass „der Rückgang der alten Volkskraft, der sich in Zuständen, wie sie Lucian berichtet, erkennen läßt, [...] von ihm [d.h. Hadrian] gehemmt worden sein [wird]. Hadrian hat hier durch Stadtgründungen kraftvoll die Teile des Landes zusammenfassen wollen, welche am schnellsten wiederstandsunfähig wurden, die Dörfer und die kleinen Landstädtchen“41. Demgegenüber datiert E. Schwertheim die Gründung der drei Städte aufgrund von Inschriftenfunden aus ïAdrianoi; pro;~ ÆOluvmpw/ und ïAdrianeiva Mysiae in das Jahr 131 n.Chr.42 Schwertheim geht davon aus, dass Hadrian diese Gegend erst in dieser Zeit bereist hat.43 Als Ursachen für die 34 BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 90. Zur Namensänderung Stratonikeias in StratonikeiaHadrianopolis vgl. auch LEGLAY, Hadrien (s. Anm. 17), 358. 35 Vgl. ROBERT/ROBERT, Lettres d’Hadrien (s. Anm. 30), Nr. I, Z. 10–14 (81). 36 So WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 138. 37 WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 138 erklärt das Verhalten Hadrians mit der Vermutung, dass „das Haus in Stratonikeia […] konsekriert und dem Kaiserkult geweiht gewesen sein [wird], weil Hadrian darin gewohnt hat“. Diese Deutung läßt sich aus dem Text der Inschrift allerdings nicht ableiten. Der Verweis Webers auf die consecratio des Geburtshaus des Augustus (vgl. Suetonius, Aug. 5f) trägt nicht, da die consecratio des Geburtshaus eines Princeps sicherlich weit eher denkbar und weitaus wahrscheinlicher ist als die eines Hauses, in welchem ein Kaiser auf Reisen möglicherweise einige Tage wohnte. 38 Vgl. WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 130f. 39 Vgl. WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 130. 40 Alex. 2; „Arrian, der Schüler des Epictetus, ein Römer höchster Abstammung und ein lebenslanger Jünger der Bildung, legte die gleiche Anklage dar, und kann daher in unserem Fall plädieren, als ob es sein eigener wäre. Er nahm sich vor, wie du weißt, das Leben des Räubers Tilloborus darzustellen. In unserem eigenen Fall sollten wir aber eines weitaus gefährlichen Räubers gedenken“; Text und Übersetzung nach A.M. Harmon (Hg.), Lucian IV, LCL 162, London/Cambridge (Mass.) 1961, 176f. 41 WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 131. 42 Vgl. SCHWERTHEIM, E., Zu Hadrians Reisen und Stadtgründungen in Kleinasien. Eine neue Gründungsära, EA 6, 1985, 39. 43 Vgl. SCHWERTHEIM, Reisen und Stadtgründungen (s. Anm. 42), 40. Anders hier aber SCHORNDORFER, S., Öffentliche Bauten hadrianischer Zeit in Kleinasien, Charybdis 14, Münster
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Gründung von ïAdrianoi; pro;~ ÆOluvmpw/ und ïAdrianeiva Mysiae (und damit auch von ïAdrianoqh`rai) nimmt er die allgemeine Politik der römischen Kaiser an. Diese hatte nach Schwertheim folgende Ziele: „Urbanisierung des Binnenlandes, Anbindung des Binnenlandes an die Küste und Schaffung eines Netzes von Städten über das ganze Imperium verteilt. Alles dient der wirtschaftlichen Erschließung und der Vereinheitlichung der Verwaltung“.44 Im Blick auf die Landschaft Mysien galt s.E. insbesondere: „Vor allem das Holz der ausgedehnten Wälder war wohl von ökonomischem Nutzen. Dafür galt es Zentren der Verwaltung und Straßen zu bauen“.45 Über die Ereignisse in ïAdrianoqh`rai berichten Cassius Dio: Peri; mevntoi ta;~ qhvra~ ejspoudakevnai levgetai: kai; ga;r kai; th;n klei`n ejn tauvtai~ katevaxe kai; to; skevlo~ mikrou` ejphrwvqh kai; povlin ejn thæ` Musiva/ oijkivsa~ ïAdrianou` qhvra~ aujth;n wjnovmasen46 und die Historia Augusta: oppidum Hadrianotheras in quodam loco, quod illic et feliciter esset venatus, et ursam occidisset aliquando, constituit.47 In Erythrai wurden, offensichtlich von Hadrian gestiftet,48 die megavla ïAdrianeiva ÆEmbathvria49 veranstaltet. Die Vermutung liegt nahe, dass Hadrian die Veranstaltung solcher Spiele mit der Absicht förderte, die in ihnen sich dokumentierende griechische Kultur und die mit ihnen verbundene Wohlfahrt der entsprechenden Städte und Gemeinwesen zu stärken.50 1997, 27: „Da der Weg von Bithynien nach Ionien zwangsläufig durch einen Teil Mysiens führt, läßt sich ein Besuch dieser Gegend 123/124 n.Chr. kaum wegdiskutieren“. 44 Die Inschriften von Hadrianoi und Hadrianeia, IK 33, Bonn 1987 (=IHadr), 158. 45 IHadr (s. Anm. 44), 158. Im Unterschied zu E. Schwertheim vermutet M.T. Boatwright den Grund für die Gründung von Stratonikeia und der o.g. drei Städte allgemein in der bei Hadrian vorherrschende „‚conviction that civilization could best be promoted by urbanization‘ in this ‚scarcely Hellenized‘ region“, räumt aber zugleich ein, dass diese Vermutung angesichts der bislang defizitären archäologischen Erforschung der Landschaft Mysien kaum zu belegen ist (BOATWRIGHT, Hadrian [s. Anm. 18], 186). Die gerousiva der Stadt ïAdrianeiva Mysiae verehrte Hadrian als ihren eujergevth~ (IK 33,40). 46 LXIX 10,2; „Es wird gesagt, daß er ein begeisterter Jäger gewesen sei. In der Tat brach er sich bei dieser Verfolgung das Schlüsselbein und beinahe wurde sein Fuß verstümmelt. Und einer Stadt, die er in Mysien gegründet hatte, gab er den Namen Hadrianotherai“; Text und Übersetzung nach E. Cary (Hg.), Dio’s Roman History VIII, Books LXI–LXX, LCL 176, London/Cambridge (Mass.) 1968, 442f. 47 Vita Hadriani 20,13; „[…] und in einer Gegend gründete er eine Stadt namens Hadrianotherai, weil er dort einst erfolgreich jagte und einen Bären erlegte“; Text und Übersetzung nach MAGIE, D. (Hg.), The Scriptores Historiae Augustae I, London/Cambridge (Mass.) 2000, 64f. 48 Zu Hadrians Engagement im Bereich der Stiftung von Agones vgl. BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 94: „The evidence for Hadrian’s association with festivals, which I have compiled for twenty-one cities, runs the gamut“. In der Provinz Asia weist sie insgesamt acht Städte nach, die mit Hadrian verbundene Spiele durchführten (vgl. a.a.O., 99). 49 Vgl.o. Anm. 8. 50 So MITCHELL, S., Anatolia. Land, Men, and Gods in Asia Minor, Bd. 1: The Celts and the Impact of Roman Rule, Oxford 1995, 221, der zugleich auch betont, dass Hadrian als einziger der Nachfolger des Augustus die Durchführung solcher Spiele u.a. auch durch die Stiftung neuer Agones förderte: „Among his [d.h. des Augustus] successors Hadrian alone had taken a major initiative, and had founded new festivals as part of a programme to foster Hellenic culture and civic life“. Zur Bedeutung solcher Stiftungen für das Leben und die Wohlfahrt eines Gemeinwesens vgl. BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 94: „Hadrian’s promotion of a city’s agonistic
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Einen direkten Hinweis auf den Aufenthalt Hadrians in Ephesus im Rahmen der ersten Reise des Kaisers durch die Provinz Asia51 bietet u.a. die Inschrift IEph 1145. H. Engelmann, D. Knibbe und R. Merkelbach geben ihren Text wie folgt wieder: [gumnasiarcou`nt]o~ Tivtou Flabivou Potavmwno[~ filo] [pavtrido~ kai;] filosebavstou kai; ejpidhmhvs[anto~] [tou` kurivou Auj]tokravtoro~ Traianou` ïAdrianou` Kaiv[sa] [ro~ Sebastou`] thæ` povlei u{mnhsan oiJ e[fhb[o]i ejn tw/` q[eav] [trw/ eujmenw`~ aj]kouvonta to;n auvtokravtora, iJ[e]rateuvon[to~] [-]livou Sebhvrou s[un]klhtikou` uiJ[o]u`, o}~ kai; [-] kai; ajgneus[avmen]o~ ejcrusofovrhse t[w/`] [Sebastw/?` ejn thæ]` povl[e]i kai; [paidi]a;n ejfhbikh;n poihs[avme] [no~ e[qusen? ejn] tw/` iJerw/` t[h`~ ÆAr]tevmido~ vacat nevar[co~] [Ti(bevrio~) Klauvdio~ Tr]ovfimo~ f[ilos]evbasto~ paravdoxo[~ -] [- uiJo;]~? Ti(berivou) Kl(audivou) ÆAristivwno~ ne(wtevrou), ejfhvbarco~ [- Kous]wvni[o]~? ÆEpivg[o]no~.52 Bemerkenswert ist, dass in dieser Inschrift der Aufenthalt Hadrians in Ephesus mit dem Verbum ejpidhmevw (Z. 2) gekennzeichnet wird. Da der Begriff ejpidhmevw/ejpidhmiva im Griechischen auch als „Terminus technicus für die zu einer bestimten Zeit erfolgende Ankunft und zeitweilige Anwesenheit eines Gottes an einem bestimmten
(competitive) games is one benefaction not entailing imperial expenditure yet promising much for a city’s status and well-being“. Ein wesentlicher Aspekt der Steigerung des Wohlstands eines Gemeinwesens im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Spielen bestand darin, dass damit Geld in ein Gemeinwesen kam: „A different but equally important point is that cities were flooded with visitors during games, especially the sacred crown ones. Contestants and performers, their families and trainers, ritual personnel, spectators, and all who would make money from the crowd flocked to the competitions, thus increasing local revenues“ (98). Darüber hinaus nutzten anscheinend vermögende Privatpersonen in besonderer Weise die Gelegenheit eines solchen, von Hadrian gestifteten Agons, um das Wohl ihrer Stadt zu fördern: „Overall, Hadrian’s involvement with cities’ competitive games is characterized by complementary aspects discerned in other municipal benefactions: attention to infrastructure and promotion of locals individuals“ (103). 51 Vgl. hierzu entsprechend HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 201: „Das Denkmal [, auf welchem die o. besprochene Inschrift eingemeißelt wurde,] ist zwar nicht genau datiert, jedoch deutet das Fehlen des Titels Olympios in der Kaisertitulatur, der bereits im Jahre 129 in der Inschrift IvEph. 274 aufscheint, die während oder unmittelbar nach Hadrians zweitem Aufenthalt in der Stadt gesetzt wurde, darauf hin, daß die Hymnodenehrung auf den ersten Besuch des Kaisers zu datieren ist“. 52 „Als Titus Flavius Potamon, der der Vaterstadt und dem Kaiser zugetan war, gumnasivarco~ gewesen ist und der kuvrio~ Imperator Traianus Hadrianus Caesar Augustus sich in der Stadt aufhielt, besangen die e[fhboi im Theater den Imperator, der wohlwollend zuhörte. Das Amt des iJereuv~ übte […] Severus, Sohn eines römischen Senatoren, aus, der auch […] und sich reinigte, für den Kaiser in der Stadt goldenen Schmuck an sich trug, die Prüfung zum e[fhbo~ durchführte und im Tempel der ÒArtemi~ opferte. […] nevarco~ ist der Tiberius Claudius Trophimus gewesen, der dem Kaiser zugetan war, der wunderbare Sohn des Tiberius Claudius Aristion, des Jüngeren, ejfhvbarco~ war Cusonius Epigonus“.
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Kultort“53 verwendet worden ist, ist anzunehmen, dass in Ephesus das Kommen und der Aufenthalt Hadrians durchaus als Ankunft und Aufenthalt eines Gottes interpretiert worden sind.54 Mit dem Aufenthalt Hadrians auf Rhodos ist möglicherweise die von J. Malalas55 berichtete Wiederaufrichtung des Kolosses von Rhodos zu verbinden:56 ÆEn de; thæ` aujtou` basileiva/ oJ aujto;~ ïAdriano;~ ajnhvgeire kai; to;n kolosso;n ïRovdou pesovnta uJpo; seismou` qeomhniva~ o{te kai; hJ povli~ ïRovdo~ nh`so~ e[paqen ejn toi`~ prw/vhn crovnoi~ keivmenon camai; e[th tibÆ mh; ajpolomevnou ejx aujtou` tino~ ajnalwvsa~ eij~ to; ajnasth`sai kai; sth`sai eij~ to;n i[dion tovpon eij~ mhcana;~ kai; scoi`na kai; tecnivta~ kenthnavria gÆ wJ~ uJpokavtw e[graye to;n crovnon kai; ta; dapanhvmata.57
(b) Auf einer zweiten, in die Zeit zwischen März/April und Juli/August 129 n.Chr. fallenden Reise58 reiste der Kaiser zunächst von Athen aus über Ephesus59, Milet, durch die Landschaft Carien60. Danach zog er über Tral53
Vgl. hierzu LEHNEN, J., Adventus Principis. Untersuchungen zu Sinngehalt und Zeremoniell der Kaiserankunft in den Städten des Imperium Romanum, Prismata 7, Frankfurt a. Main/Berlin/New York/Paris/Wien 1997, 62. 54 Vgl. hierzu auch u. die Diskussion der Implikationen der adventus-Vorstellungen bei WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 162ff. 55 Zu J. Malalas vgl. GÄRTNER, H., Art. Malalas, KP 3, 925f. 56 Vgl. HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 201; anders hingegen WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 143, der die von Malalas erwähnte Begebenheit durchaus mit Gründen (vgl. 143f) „sicher“ auf den Aufenthalt Hadrians auf Rhodos beziehen will; im Unterschied dazu geht BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 24, davon aus, dass „his [d.h. des Malalas] report that Hadrian rebuilt the Colossus of Rhodes is complete balderdash“. 57 XI 18 (279,14–20); Text nach J. Thurn (Hg.), Ioannis Malalae Chronographia, CFHB.B 35, Berlin 2000, 211: „Innerhalb seiner Herrschaft stellte Hadrian auch den Koloß von Rhodos wieder her, der als Resultat eines Erdbebens umgestürzt war, des Zornes Gottes, als Rhodos, die Hauptstadt der Insel, in vergangenen Zeiten litt. Er lag 312 Jahre lang auf der Erde, aber kein Teil von ihm ging verloren. Um ihn wiederzuerrichten und an seinen Platz zu stellen, verwandte er drei centenaria auf Maschinen, Seile und Arbeitskräfte, seiner Inschrift entsprechend, in der die Zeit und die aufgewendeten Kosten aufgeführt werden“; Übersetzung nach E. Jeffreys,/M. Jeffreys/R. Scott u.a. (Hg.), The Chronicle of John Malalas. A Translation, Byzantina Australiensia 4, Melbourne 1986, 148. 58 Vgl. zum gesamten Reiseverlauf HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 192f.204–206. 59 Zur Verleihung der zweiten Neokorie an die Stadt Ephesus, zu der damit zusammenhängenden Errichtung eines neuen, Hadrian geweihten Tempels in der Stadt sowie zu der damit zu verbindenden Stiftung eines neuen Agon vgl. WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 98ff. Die Inschrift IEph 1145 (vgl. hierzu o. S. 157) belegt die Teilnahme Hadrians an einer Veranstaltung im Theater von Ephesus. 60 Nach WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 218 unternahm Hadrian unmittelbar von Ephesus aus einen Abstecher nach Süden. Dabei verweist Weber auf die Inschrift IG XII 3, 177, einen in Laodikaia am Lykos verfaßten Brief Hadrians an das Gemeinwesen von Astypalaia. Hiller von Gaertringen gibt die entsprechende Passage der Inschrift wie folgt wieder: Me ejpipaivnonta [a[rti(?)] | [th`~] Kariva~ (Z. 11f; die Wiedergabe der Inschrift bei OLIVER, Greek Constitutions [s. Anm. 21], Nr. 68, 165f folgt im Wesentlichen der Hillers). Dass Hadrian im Jahr 129 in die Landschaft Carien gereist ist, belegt die von Hadrian in diesem Brief verwendete Titulatur: Aujtokravtwr [K]ai`sar [qeou`] | Trai>anou` Parqikou` uiJov[~], | [qeo]u` Nevroua uiJwnov~, [Trai>a] | [no;~ ïA]d[r]iano;~ Sebast[ov~, ajr] | [ciereu;]~ mevgisto~, d[hmar] | [cikh`~] ejxousiva~ to; igÆ, u{p[ato~ to; gÆ], | [path;r pa]trivdo~ (Z. 1–7). Die dreizehnte tribunizische Amtsgewalt Hadrians
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leis61, Laodikaia am Lykos62, Kolossai63, Apameia und Melissa64 aus der Provinz Asia heraus nach Ikonion. Über die Leistungen, die Hadrian während seines zweiten Aufenthaltes in Ephesus für die Stadt und zu ihrem Nutzen erbrachte, informiert die auf der Basis einer Statue Hadrians eingemeißelte und in das Jahr 129 n.Chr. zu datierende65 Inschrift IEph 274, mit der boulhv und dhvmo~ der Stadt Ephesus den Kaiser als to;n i[dion ktivsthn kai; swth`ra ehren. C. Börker und R. Merkelbach geben ihren Text wie folgt wieder: Aujtokravtora Kaivsara qeou` datiert in die Zeit vom 10. Dezember 128 bis zum 9. Dezember 129 (vgl. ROHDEN, P. VON, Art. Aelius [64], in: PRE 1, 1894, 509f). 61 Nach WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 218 hat Hadrian zuvor noch Magnesia am Maeander besucht, eine aufgrund des von CALDER/BEAN, A classical map (s. Anm. 4) nachgezeichneten Straßenverlaufs immerhin mögliche Annahme. Die boulhv und der dh`mo~ Magnesias errichteten eine Statue des Kaisers; in der dazugehörigen Inschrift verehrten sie ihn immerhin als to;n [eJautw`n swth`ra] kai; kt[ivsthn (O. Kern [Hg.], Die Inschriften von Magnesia am Mäander, Berlin 1900, Nr. 45, XVII). Hadrian hat die in Magnesia durchgeführten Panaqhvnaia offensichtlich erstmalig als eiselatischen Agon qualifiziert: Panaqhvnaia ta; prw`ta doqevnta eijselastika; uJpo; qeou` ïAdrianou` (IMagn 180, Z. 9–11). Von Magnesia aus hält Weber folgende Reiseroute für denkbar: „Magnesia – Tralles, Panamara – H.[alikarnassos] quer durch Karien nach Trapezopolis, Attuda“ (Geschichte [s. Anm. 2], 222 Anm. 788), wobei Hadrian Milet dann von Ephesus aus besucht habe und vor der Weiterreise nach Magnesia wieder dorthin zurückgekehrt sei. In gleicher Weise hält er aber auch die Reise durch Carien unmittelbar im Anschluß an den Aufenthalt in Ephesus und vor dem Aufenthalt in Tralleis für möglich, „die Reise von Karien als Nebenroute von Ephesus aus (Rückkehr nach Tralles, dann Maeandertal nach L.[aodikeia am Lykos])“ (a.a.O., 222 Anm. 788). Diese zweite Variante entspricht in etwa dem von H. Halfmann rekonstruierten Reiseweg. Zwischen den Aufenthalten Hadrians in Ephesus und Laodikaia am Lykos nimmt Weber über die von Halfmann rekonstruierten Aufenthaltsorte hinaus noch Besuche Hadrians in Mylasa, Panamara und Halikarnassos an: „Daß er [d.h. Hadrian] über Mylasa nach Panamara […] und nach Halikarnaß gekommen ist, ist nach den Worten des Briefes [d.h. des Schreibens Hadrians an das Gemeinwesen von Astypalaia (vgl. hierzu o. Anm. 60)] wahrscheinlich“. Der Text des Briefes vermag diese Annahme aber in keiner Weise zu stützen. BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 99 Anm. 75 leitet aus CIG 3952 die Existenz von Hadrian gewidmeten Spielen in Attuda ab. Boeckh/Franz geben die entsprechende Passage in der von ihnen verantworteten Transkription folgendermaßen wieder: k(ai;) ïAdriavn[e]ia paiv- | dw[n] pavlhn (Z. 14f). Anders aber BUCKLER/CALDER, MAMA VI 76, die die entsprechenden Passage mit ta; k. | ÆAdriavneia paivdwn | pavlhn wiedergeben. Darüber hinaus kümmerte sich Hadrian offensichtlich um die Verwaltung der Stadt und bewilligte ihr der MAMA VI 60 vorliegenden Inschrift zufolge einen ejpimelhthv~. BUCKLER/CALDER geben die entsprechende Passage der Inschrift wie folgt wieder: [hJ boulh; k]ai; oJ d[h`]mo~ ejteivm[hsen] | [to;n prw`t]on dedomevnon thæ` p[ov] | [lei] ejpimelhth;n uJpo; tou` megivst[ou`] | [aujto]kravtoro~ Kaivsaro~ Trai`a- | [n]ou` ïAdrianou` Sebastou`. 62 Nach WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 223 ist der Beginn einer neuen Ära Laodikaias in das Jahr 123 bzw. 129 n.Chr. zu datieren. 63 Nach WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 224 reiste Hadrian von Laodikaia aus südwärts nach Cibyra und verließ die Provinz Asia Richtung Patara in der Provinz Lycia et Pamphylia. 64 Mit Verweis auf MIONNET, T.E., Description IV 983, 367 nimmt BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 99 Anm. 75, die von Hadrian während dieser Reise initiierte Gründung nach ihm benannter Spiele in Synnada, einer nicht weit von Melissa entfernt liegenden Stadt, an. 65 Vgl. BÖRKER, C./MERKELBACH, R. U.A. (Hg.), Die Inschriften von Ephesos II, Nr. 101–599, IK 12, Bonn 1979, 72.
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Thomas Witulski Traianou` Parqikou` uiJo;n, qeou` Nevroua uiJwnovn, Trai>ano;n ïAdriano;n Sebasto;n kai; ÆOluvmpion, dhmarcikh`~ ejxousiva~ to; gÆ, u{paton to; gÆ, patevra patrivdo~ hJ boulh; kai; oJ dh`mo~ oJ ÆEfesivwn to;n i[dion ktivsthn kai; swth`ra dia; ta;~ ajnuperblhvtou~ dwrea;~ ÆArtemidi, didovnta thæ` qew/` tw`n klhronomiw`n kai; beblhkovtwn ta; divkaia kai; tou;~ novmou~ aujth`~, seitopomhv[a~ de;] ajpÆ Aijguvptou parevconta kai; tou;~ limevna~ po[ihvsan]ta plwtouv~, ajpostrevyantav te kai; to;n blav[ptonta tou;~] limevna~ potamo;n Kovu>stron dia; to [ - - - (kai; ta; loipav).66
Die Z. 10–12 beschriebenen Regelungen beziehen sich nach C. Börker auf „Rechtsansprüche gegenüber Erbschaften und Leuten, die Geld im Tempel deponiert hatten“.67 Die in dieser Inschrift beschriebenen, von Hadrian während seines Besuches68 zumindest angestoßenen bzw. bewilligten oder aber auch gänzlich selbst finanzierten Maßnahmen, insbesondere auch die von Hadrian gewährte Erlaubnis, offensichtlich angesichts einer Notsituation in Ephesus Getreide aus Ägypten einführen zu dürfen (Z. 12f),69 belegen sein Engagement für die Wohlfahrt der Stadt Ephesus und ihrer 66 „Den Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus und Olympius, Sohn des vergöttlichten Traianus Parthicus, im Besitz der tribunizischen / Z. 5 Gewalt zum [1]3. Mal, Konsul zum 3. Mal, Vater des Vaterlandes, ließ der Rat und das Volk der Ephesier als ihren Stadtgründer und Erretter wegen der unübertrefflichen Geschenke für die Artemis ehren, / Z. 10 und weil er der Göttin Satzungen und das Recht auf Erbteile und herrenlose Güter gab, und weil er Getreidetransporte aus Ägypten gewährte, und weil er die Häfen wieder schiffbar machte, indem er / Z. 15 auch den Kaystros, der [die] Häfen (durch die Ablagerungen) schädigt, umleiten ließ […]“ (Übersetzung nach H. Freis [Hg.], Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis Konstantin, TzF 49, Darmstadt 1984, 156). 67 Vgl. BÖRKER/MERKELBACH, IEph II (s. Anm. 65), 72 mit Verweis auf Mt 25,27. Börker vermutet, dass es sich hier etwa um „nicht gezahlte Depotgebühren handeln“ könnte. Anders WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 212f, der unter Verweis auf Dittenberger, Syll. II 389 annimmt, dass „der Kaiser die dem Ärar zufließenden letztwilligen Gaben (der Provinzialen) der Tempelbank überwiesen“ hat. Die novmoi deutet Weber als „neue Tempelsatzungen“ (213). 68 Vgl. hierzu HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 139: „Die darin [d.h. in der o. wiedergegebenen Inschrift] aufgezählten Maßnahmen sind so konkret auf die örtlichen Verhältnisse zugeschnitten, dass sie nur auf Hadrians Anwesenheit in der Stadt zurückgehen können“. 69 Vgl. hierzu u. S. 163. Offensichtlich reichte im Jahr 129 n.Chr. die eigene asianische Getreideproduktion nicht aus, um die Einwohner der Provinz ausreichend versorgen zu können, so dass Hadrian die Erlaubnis erteilte, Getreide aus Ägypten einzuführen. WÖRRLE, M., Ägyptisches Getreide für Ephesos, Chiron 1, 1971, 340 erwägt, einen von ihm in diesem Aufsatz veröffentlichten Brief Hadrians an Ephesus, in dem es ebenfalls um die Einfuhr ägyptischen Getreides geht, in den gleichen Kontext zu stellen: „Möglicherweise steht das Schreiben mit der seitopompiva apÆ Aijguvptou in Zusammenhang, für die die Stadt Hadrian mit der schon erwähnten [o. wiedergegebenen] Ehreninschrift […] vom Jahre 129 dankte, aber beweisen läßt sich die Herkunft des Briefes aus der Kanzlei Hadrians wohl nicht“.
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Einwohner.70 Bemerkenswert ist, dass diese Inschrift bereits 129 n.Chr., also zwei Jahre vor der allgemeinen Verbreitung dieses Titels im Zusammenhang mit Hadrian,71 den ersten Beleg für die Titulatur des Kaisers als ÆOluvmpio~ bietet.72 W. Weber schlägt in diesem Zusammenhang vor, diese Titulatur als Reflex auf die von Hadrian bereits 129 n.Chr., also zwei Jahre vor der Vollendung und der Weihe des athenischen Zeu;~ ÆOluvmpio~-Heiligtums, vorgenommene Weihe der Cella dieses Heiligtums als eines Platzes der kultischen Verehrung seiner eigenen Person zu verstehen.73 Dies läßt sich allerdings nicht beweisen.74 M.E. ist hier die Annahme am einfachsten, 70
BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 100 Anm. 79, hält es für wahrscheinlich, dass zusätzlich zu den in der o. besprochenen Inschrift beschriebenen, im Auftrag Hadrians ausgeführten Arbeiten zur Verbesserung des ephesischen Hafens und zur Korrektur des Laufes des Flusses Kaistros auch entsprechende Arbeiten am Fluß Marnas vorgenommen worden sind. HEBERDEY, R., IX. Vorläufiger Bericht über die Grabungen in Ephesus, JÖAI 15,2 Beiblatt, 1912, 176, gibt den Text der einer Inschrift, die sich auf solche Arbeiten beziehen könnte, wie folgt wieder: ÆArtevmidi ÆEfesiva [kai; Aujto]kravtori Kaiv[sari ktl. | su;n th` eijsagwg[h` tou` Marn]antianou` u{[dato~ ktl. | unklare Reste in Z. 3. Heberdey datiert diese Inschrift in den Anfang bzw. die Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts: „Leider ist der Name des Kaisers in Z. 1 nicht erhalten; die Schriftformen führen auf Anfang oder Mitte des zweiten Jahrhunderts n.Chr.“ (176). Die von D. Knibbe/H. Engelmann/B. øplikçio÷lu (Hg.), Neue Inschriften aus Ephesos XII. Fundjahre 1987–1990, JÖAI 62, 1993, Nr. 12, 122f wiedergegebene Inschrift, die in die Zeit um 120 n.Chr. zu datieren ist, belegt, dass Hadrian Arbeiten offensichtlich zur Verbreiterung des Flusses Mantheites ausführen ließ: ÆArtevmidi ÆEfesiva/ | kai; Aujtokravtori | ïAdrianw/` Kaivsari Se- | bastw/`, grammateuvonto~ | Po. ïRouteilivou Bavssou, hJ | ÆEfesivwn povli~ to; plavto~ | tw/` Manqeivthæ potamw/` tw`n | eJxhvkonta podw`n kata; th;n | tou` Sebastou` diatagh;n | ajpokaqevsthsen tou` dexiou` | cwvmato~. Darüber hinaus ehren die ephesischen Bürger Loukios Stratonikos und Tiberios Klaudios Demostratos Kailianos Hadrian als to;n i[dion eujergevthn bzw. als to;n i[dion eujergevthn kai; swth`ra (IEph 277.1501). Aufgrund der in den Inschriften belegten Titulatur Hadrians sind beide in jedem Falle nach 129 n.Chr. zu datieren. Möglicherweise aufgrund des umfangreichen Engagements Hadrians für Ephesus wurde ein Stadtteil, die fulh; ïAdrianhv, nach ihm benannt (vgl. IEph 2038g; 4331). 71 Zur flächendeckenden Verbreitung dieser Titulatur zumindest in den römischen Provinzen des heutigen Griechenland und der westlichen Türkei, insbesondere auch der Provinz Asia vgl. WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 130ff und MERKELBACH, H./SCHWERTHEIM, E., Die Inschriften der Sammlung Necmi Tolunay in Bandirma II: Das Orakel des Ammon für Kyzikos, EA 2, 1983, 149: „Allgemeine Verwendung findet der Titel [ÆOluvmpio~] aber wohl erst nach 131/32, nach der Vollendung des Olympieions in Athen“ (vgl. zu weiteren Belegen 149, Anm. 3). Ähnlich 1929 schon PERRET, L., La Titulature Impériale d’Hadrien, Paris 1929, 32f im Blick auf die Belege für diesen Titel: „[…] quatre sont de l’année 128 – 129. Aucun n’est de l’année 129 – 130, tous les autres sont de 131 et 132“, wobei nur einer der von Perret genannten vier Belege, nämlich die o. wiedergegebene Inschrift aus Ephesus mit Notwendigkeit vor 131/132 zu datieren ist. 72 Vgl. PETZL, G. (Hg.), Die Inschriften von Smyrna II,1, IK 24,1, Bonn 1987, 115 mit Verweis auf BALLAND, A. Inscriptions d’époque imperiale du Létôon, Paris 1981, 57f und AMELING, W. (Hg.), Die Inschriften von Prusias ad Hypium, IK 27, Bonn 1985, 2ff. 73 Vgl. WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 210: „Hadrian hat die Cella des Heiligtums, das noch nicht ganz erbaut war, et aram sibi eingeweiht, d.h. für sich selbst zugleich dort den Platz der Verehrung bestimmt.“ 74 Weber verweist zur Begründung dieser Annahme näherhin auf (a) Hist. Aug., vita Hadriani 13,6: Denique cum post Africam Romam redisset, statim ad orientem profectus per athenas iter fecit atque opera, quae apud Athenienses coeperat, dedicavit, ut Iovis Olympii aedem et aram sibi („Schließlich, nach seiner Rückkehr nach Rom aus Afrika, brach er [d.h. Hadrian] sofort in den
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dass boulhv und dh`mo~ der Stadt Ephesus Hadrian im Vorgriff auf die für sie in jedem Falle absehbare Weihung des Tempels des Zeu;~ ÆOluvmpio~ in Athen und möglicherweise auch auf die ihnen bereits bekannte Absicht, den Kaiser dort in enger Verbindung mit diesem Gott zu verehren, bereits zwei Jahre zuvor den ÆOluvmpio~Titel beilegten.75 Einen wichtigen Beleg für den Aufenthalt Hadrians in Milet bietet die Inschrift IDid 254. In ihr wird das Fest der „Heiligen Tage des Aufenthalts des Kaisers Hadrian“ bezeugt, zu welchem der in der Inschrift geehrte Loukios Aphidianos Kallikrates einmalig oder mehrere Male Öl stiftete. R. Harder gibt den entsprechenden Abschnitt der Inschrift folgendermaßen wieder: th`i te [no-] | [mizo]mevnhi iJera`i hJmevrai th`~ ejpidhmiva~ tou` Aujtokravtoro~ | [Trai]anou` [ïA]drianou` Kaivsaro~ qei;~ to; e[laion (Z. 9–11). Angesichts der o. bereits aufgewiesenen religiösen Konnotation des Wortfeldes ejpidhmevw/ejpidhmiva76 lassen sich das in IDid 254 belegte Fest durchaus in die Phalanx der in Milet gefeierten Götter- und Göttinnenfeste und der in diesem Fest in besonderer Weise geehrte Kaiser Hadrian in die Reihe der in Milet verehrten Gottheiten einordnen. In der auf der Basis der von Milet im Temenos des athenischen Zeu;~ ÆOluvmpio~-Heiligtums errichteten Hadriansstatue77 eingemeißelten Inschrift wird Hadrian als ktivsth~ und eujergevth~ der Stadt gerühmt.78 Das Engagement Hadrians für die Wohlfahrt der Einwohner von Tralleis wird beleuchtet in ITrall 80, einer Ehreninschrift für Aulus Fabricius Priscianus CharmosiOsten auf, wobei er über Athen reiste. Hier weihte er die öffentlichen Werke, deren Bau in der Stadt der Athener er begonnen hatte, wie etwa den Tempel des Juppiter Olympius und einen Altar, der ihm selbst geweiht war“; Text und Übersetzung nach MAGIE, Scriptores Historiae Augustae I [s. Anm. 47], 40–43), (b) auf die beiden als ïAdriavneia bzw. als ïAdriavneia tw`n ejfhvbwn bezeichneten Agone, der s.E. aus diesem Anlaß begründet wurde, und (c) auf die Notiz bei Cassius Dio LXIX 16, der im Zusammenhang mit dem Tempel des Zeu;~ ÆOluvmpio~ formuliert: ejn w| kai; aujto;~ [d.h. Hadrian] i{drutai. M.E. läßt sich aber weder aus Hist. Aug., vita Hadriani 13,6 noch aus Cassius Dio LXIX 16 herauslesen, dass Hadrian zwei Jahre vor der Weihe des (Gesamt-) Heiligtums deren Cella vorzeitig geweiht hätte. Im Blick auf die ara sibi, deren Weihe vom Verfasser der vita Hadriani zwar in einem Atemzug, aber anscheinend dennoch im Anschluß an die der aedes Iovis Olympii bezeugt wird, liegt es nahe, an einen innerhalb des Heiligtums des Zeu;~ ÆOluvmpio~ aufgestellten, Hadrian geweihten Altar zu denken. Die von Cassius Dio gewählte Formulierung läßt lediglich den Schluß zu, dass ein Altar oder eine Statue Hadrians innerhalb des Temenos des Zeu;~ ÆOluvmpio~-Heiligtums errichet wurde (H.G. Liddell/R. Scott/H.S. Jones [Hg.], A Greek-English Lexicon [mit einem Supplement ed. by E.A. Barber], Oxford 1968 [ND 1977], s.v. iJdruvw, 820 geben die Bedeutung dieses Verbums im Medium und Passiv mit „establish, set up, found“ wieder). Die präzise Datierung der beiden o.g. Agone in das Jahr 129 n.Chr. bezeichnet Weber selbst ausdrücklich nur als Möglichkeit, so dass zur Erklärung ihrer Entstehung keinesfalls die Weihe der Cella des Zeu;~ ÆOluvmpio~-Heiligtums zu dieser Zeit angenommen werden muß. 75 Gerade die Verantwortlichen in der Stadt Ephesus sind über die Pläne und Absichten Hadrians offensichtlich gut informiert gewesen. Dies wird dadurch belegt, dass innerhalb der Inschriften, die auf die Basen der im Heiligtum des Zeu;~ ÆOluvmpio~ aufgestellten Hadriansstatuen gemeißelt wurden, lediglich die von der Stadt Ephesus zu verantwortende, anscheinend auch im Vorgriff auf zukünftige Entwicklungen, dem Kaiser den Titel Panellhvnio~ beilegt (vgl. hierzu WITULSKI, Kaiserkult [s. Anm. 2], 116ff). 76 Vgl. hierzu o. S. 157f. 77 Vgl. hierzu o. Anm. 75. 78 IG II2 3300. Eine private Ehrung Hadrians als eujergevth~ belegen die in Milet gefundenen Inschriften CIG 2877, IMil I 7, 294.295.
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nus. F.B. Poljakov gibt die für den vorliegenden Zusammenhang wichtige Passage folgendermaßen wieder: [ïH boulh; kai; oJ dh`mo~ kai; oiJ ejn Travllesi] katoiko[u`]nte~ ïRwmai`oi ejteivmhsan Au\lon Fabrivkion Preiskiano;n Carmovsunon strathghvsanta th`~ povlew~ aujqairevtw~, seitwnhvsanta de; kai; to;n ajpo; Aijguvptou sei`ton sugcwrhqevnta thæ` patrivdi aujtou` uJpo; tou` kurivou Kaivsaro~ Trai>anou` ïAdrianou` Sebastou` modivwn muriavda~ e}x kai; procrhvsanta ejk tw`n ijdivwn th;n teimh;n tou` seivtou kai; ta;~ genomevna~ mevcri ejnqavde dapavna~ ktl.79 Nach H. Halfmann gab Hadrian den Tralleanern die Erlaubnis zur Einfuhr von Getreide aus Ägypten,80 als er sich in der Stadt aufhielt,81 um einen offensichtlich akuten Versorgungsengpaß zu beheben. Darüber hinaus indizieren zwei in Tralles gefundene Inschriften die Vermutung, dass Hadrian während seines Besuches 129 n.Chr. einen bereits bestehenden Agon, die dann entsprechend ÆOluvmpia Puvqia ïAdrianav genannten Spiele,82 neu belebt hat.83
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„Die boulhv und der dh`mo~ der in Tralleis lebenden Römer ehrt Aulus Fabricius Priscianus Charmosinus. Er übte freiwillig das Amt des strthgov~ aus und war sitwvnh~, und für seine Vaterstadt ist von dem kuvrio~ Caesar Traianus Hadrianus Augustus die Einfuhr von 60.000 modii Getreide aus Ägypten gestattet worden, und er [d.h. Aulus Fabricius Priscianus Charmosinus] bezahlte den Preis für das Getreide aus eigenen Mitteln und die entstandenen Kosten bis jetzt“. 80 Vgl. hierzu WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 222: „Hadrian bewilligte der Stadt 60000 Scheffel Getreide aus Ägypten, die der reiche Priscianus bezahlen muß. Die Genehmigung der Einfuhr war allein schon ein kaiserliches Gnadengeschenk“. BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 93 hält diese den Einwohnern von Ephesus (vgl.o. S. 160) und Tralleis von Hadrian gewährten Vergünstigungen für zu wenig regelmäßig und institutionalisiert, als dass mit den o. wiedergegebenen Inschriften der Getreideeinfuhr als solcher gedacht werden sollte. Vielmehr ginge es den jeweiligen Verfassern der Inschriften darum, das hinter dieser Vergünstigung stehende Interesse des Kaisers an der Wohlfahrt ihrer Stadt zu rühmen: „Since the temporary grants were merely provisional, the inscriptions seem to commemorate Hadrian’s interest in the welfare of Ephesus and Tralles rather than particular boons“. 81 Vgl. HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 204. 82 Vgl. hierzu BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 99, Anm. 75. 83 Vgl. hierzu die entsprechenden Inschriften bei BEY, E., Fouilles de Tralles (1902–1903), BCH 28, 1904, Nr. 3, 80; Nr. 5, 82f. Edhem Bey gibt die entsprechende Passage von Fouilles de Tralles 3 folgendermaßen wieder: to;n ij- | sagwgo;n genovme- | non tw`n megavlwn | ojlumpivwn [t]h`~ xbÆ | meta; th;n ajnanevw- | sin ojlumpiavdo~ (Z. 6–11). Er verweist auf W.M. Ramsay und kommentiert entsprechend: „D’après l’hypothèse très vraisemblable de M. Ramsay, la 50e olympiade de Tralles coïnciderait avec le voyage d’Hadrien dans cette ville (a.a.O., 129), et c’est à partir de cette date qu’on aurait introduit la mention meta; th;n ajnanevwsin, tout en conservant l’ancienne numération plus flatteuse pour l’amour-propre local. La 62e olympiade commence en 177“ (a.a.O., 80). Die entsprechende Passage aus Fouilles de Tralles 5 gibt er wie folgt wieder: neikhv- | santa ejn Travllesin | ÆOluvmpia, Puvqia, ïAdria- | nav (Z. 12–15).
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(c) Im Frühjahr bzw. Sommer 131 n.Chr. hielt sich Hadrian in Ephesos auf.84 R. Merkelbach und E. Schwertheim plädieren für einen Besuch Hadrians in der Landschaft Mysien und in Kyzikos im Herbst 131 n.Chr., im Verlauf der dritten Reise des Kaisers durch die Provinz Asia. Begründet wird diese Annahme mit dem in einer Inschrift aus Kyzikos begegnenden Hinweis, dass Hadrian in dieser Stadt bereits zum zweiten Mal das Amt eines i{pparco~ ehrenhalber innehatte.85 Da der Kaiser dieses Amt zum ersten Mal wohl während seines ersten Besuches in Kyzikos 123 n.Chr.86 ausübte, die in dieser Inschrift belegte Kaisertitulatur aber darauf schließen läßt, dass er vor 132 n.Chr. zum zweiten Mal i{pparco~ gewesen ist,87 legt sich die Vermutung nahe, dass Hadrian Kyzikos ein zweites Mal, und zwar vor 132 n.Chr., besucht hat.88 Nach E. Schwertheim erfolgte dieser Besuch auf der Rückreise Hadrians von seiner zweiten Inspektionsreise, als jener zum dritten Mal durch die Provinz Asia kam.89 – Im Anschluß an R. Syme90 vermutet S. Schorndorfer eine vierte Reise Hadrians durch die
84
Vgl. hierzu HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 194.208. Vgl. die von MERKELBACH/SCHWERTHEIM edierte Inschrift eines Orakels des Ammon für Kyzikos (s. Anm. 71), Z. 2f: ïIpparcou`nto~ Aujtokravtoro~ Traianou` ïAd[rianou` Kaivsaro~] | Sebastou` to; bÆ. 86 Vgl. MERKELBACH/SCHWERTHEIM, Orakel (s. Anm. 71), 149. Zu diesem Besuch vgl. bereits o. S. 150. 87 Diese Schlußfolgerung ergibt sich daraus, dass in der Kaisertitulatur der ÆOluvmpio~-Titel fehlt, der Hadrian allgemein nach der Weihung des athenischen Zeu;~ ÆOluvmpio~-Tempels (vgl. WITULSKI, Kaiserkult [s. Anm. 2], 109ff) beigelegt worden ist. Gestützt wird diese Datierung durch die Tatsache, „daß in der Namensliste dieser Inschrift nur ein einziges Mal der Name Aelius erscheint“ (MERKELBACH/SCHWERTHEIM, Orakel [s. Anm. 71], 149). 88 Vgl. MERKELBACH/SCHWERTHEIM, Orakel (s. Anm. 71), 149: „Man kann erwägen, daß die neuerliche Übernahme der Hipparchie mit einem zweiten Besuch Hadrians in Kyzikos in Verbindung zu bringen ist“. 89 Vgl. SCHWERTHEIM, Reisen und Stadtgründungen (s. Anm. 42), 40. Im Unterschied zu HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 194 geht Schwertheim offensichtlich mit WEBER, Geschichte (s. Anm. 2), 263–267 davon aus, dass Hadrian von Alexandria aus auf dem Landweg u.a. über die Provinz Bithynia et Pontus nach Ephesus gereist ist. Vgl. zu den von Schwertheim im Rahmen dieser Reise vermuteten Stadtgründungen in Mysien o. S. 155f und auch SCHORNDORFER, Öffentliche Bauten (s. Anm. 43), 29. 90 Vgl. SYME, R., Journeys of Hadrian, ZPE 73, 1988, 166f. Syme geht davon aus, dass „Hadrian did not make for the capital when he left Athens in 132. He spent the winter of 132/3 somewhere within reach of Palestine, making disposition for the next year when (one assumes) he supervised the operations of his generals. That year may be deemed to have broken the back of the rebellion, although it lasted through 134 into 135“. Als entscheidendes Argument für seine Hypothese verweist Syme auf die Inschrift ILS 1065, in welcher der judäische Feldzug als expeditio Iudaica (Z. 4f) beschrieben wird: „That is decisive. The Emperor himself took the field“ (166). Syme zufolge kehrte Hadrian Ende 133 n.Chr. über Illyrien nach Rom zurück (vgl. 167–169). Ob Hadrian von Athen aus allerdings direkt nach Palästina oder zunächst nach Rom und dann zum Schauplatz des zweiten jüdischen Krieges reiste, ist nicht zu entscheiden. Durchaus denkbar ist, dass Hadrian sich der Rebellion in der Provinz Iudaea erst annahm, als klar war, dass die vor Ort befindlichen Vertreter des imperium Romanum des Problems nicht Herr werden konnten (dies räumt R. Syme selbst ein, wenn er konzediert, dass der jüdische Aufstand in Rom zunächst wenig Aufmerksamkeit fand: „At first the Romans paid little attention“ [166]). 85
Die Aufenthalte des Kaisers Hadrian in der römischen Provinz Asia
165
Asia Minor zwischen 132 und 134 n.Chr.,91 die sich ihr zufolge durch die Teilnahme Hadrians am zweiten jüdischen Krieg nahelegt. Allerdings bleiben sowohl das Faktum der Reise als solches als auch ihr Verlauf als auch von Hadrian auf dieser Reise möglicherweise angestoßene oder angeordnete Maßnahmen im Blick auf die Gründung oder Entwicklung von Städten und Landschaften spekulativ92 und nicht nachweisbar.93 Daher ist davon auszugehen, dass Hadrian von Athen aus ohne nennenswerten Umweg94 nach Rom reiste. Ob sich diese angenommene vierte Reise darüber hinaus mit den drei zuvor von Hadrian durchgeführten Reisen vergleichen läßt, muß fraglich bleiben. Denn bei ihr handelte es sich nicht um eine auf die Wohlfahrt der Provinzen und ihrer Einwohner und damit auf die innere Stabilisierung des Reiches abzielende Inspektionsreise, sondern um „den Anmarsch auf einen eng begrenzten Kriegsschauplatz“.95 M.E. sah Hadrian mit seinem Aufenthalt in Athen 131/132 n.Chr. und insbesondere auch mit der während dieses Aufenthalts erfolgten Gründung der Institution des Panellhvnion96 die Ziele seiner Inspektionsreisen erreicht.97
Diese Rekonstruktion belegt zunächst, dass Hadrian das gesamte römische Reich und damit auch die Provinz Asia weit intensiver als jeder seiner Vorgänger bereist hat.98 Hinzu kommt, dass die Intention der drei Aufenthalte Hadrians in der Provinz Asia von derjenigen der Aufenthalte Vespasians und Traians dort grundsätzlich zu unterscheiden ist: Während die beiden Letztgenannten die Provinz Asia lediglich auf der Durchreise besuchten,99 standen für Hadrian die asianischen Städte selbst, ihre Wohlfahrt und die mit dieser Wohlfahrt gegebene innere Stabilisierung des imperium Roma91
Vgl. Öffentliche Bauten (s. Anm. 43), 29f. Vgl. hierzu etwa KREITZER, L., Sibylline Oracles 8, The Roman Imperial Adventus Coinage of Hadrian and the Apocalypse of John, JSPE 4, 1989, 76: „The final suggested journey of Hadrian is rather speculative“. 93 Vgl. hierzu HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 209: „Eine Diskussion über den Zeitpunkt, zu dem Hadrian den jüdischen Kriegsschauplatz besichtigt haben soll, erübrigt sich, da das Faktum als solches nicht nachzuweisen ist“. 94 Zu dem Weg Hadrians von Athen nach Rom vgl. STRACK, P.L., Untersuchungen zur Römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts, Teil II: Die Reichsprägung zur Zeit des Hadrian, Stuttgart 1933, 130f: „Nach alledem ist das Datum für Hadrians Rückkehr nach Rom möglichst früh zu wählen und mit 134 bestimmt zu spät angesetzt. Es ist am wahrscheinlichsten, daß er 132 von Athen aus direkt oder doch nur mit geringen Umwegen nach Rom reiste“. 95 HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 43. Unter Verweis auf die von Hadrian vorgenommenen Münzprägungen nach Beendigung seiner ersten Reise zeigt Halfmann, dass der Kaiser selbst offensichtlich zwischen seiner Reisetätigkeit in den Provinzen, die dezidiert die Förderung der Wohlfahrt ihrer Einwohner und damit die innere Stabilisierung des Reiches zum Ziel hatte, und Anmärschen zu Feldzügen unterschieden hat. 96 Vgl. hierzu WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 116ff. 97 So m.R. das Fazit WEBERS, Geschichte (s. Anm. 2), 275: „Mit diesen Gründungen in Athen glaubte Hadrian am Ende seiner Tätigkeit in den Provinzen angekommen zu sein. M.E. haben hier die sogenannten ‚Reisen‘ ihren Abschluß gefunden“. 98 Zu den Aufenthalten des Augustus, Vespasians und Traians in der Provinz vgl. WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 155, Anm. 658. 99 Vespasian befand sich auf dem Weg von Alexandria nach Rom, um dort seine Inthronisation zu feiern, Traian durchzog die Provinz Asia auf dem Weg zum Feldzug gegen die Parther. 92
166
Thomas Witulski
num im Mittelpunkt des Interesses. Nach H. Halfmann stand die intensive Reisetätigkeit Hadrians im Dienste seines politischen Programms „einer das ganze Reich durchdringenden Friedenspolitik“,100 mit welchem er, militärisch nicht haltbare Gebiete aufgebend und auf Expansion verzichtend, an das politische Konzept des Augustus anzuknüpfen beabsichtigte.101 Dabei ließ sich der Kaiser von zwei konkreten Absichten leiten: (a) Hadrian besuchte insbesondere auch die an den Außengrenzen des Reiches stationierten Truppenteile, um die Schlagkraft seiner Armee als eines Abschreckungspotentials gegenüber äußeren Feinden zu sichern.102 (b) Im Blick auf die Städte des imperium Romanum konkretisierte Hadrian seine Friedenspolitik, indem er die Wohlfahrt der einzelnen Gemeinwesen und ihrer Einwohner zu mehren trachtete,103 wobei er offensichtlich über das von seinen Vorgängern in dieser Hinsicht Geleistete wiederum weit hinausging.104 Dadurch gelang es ihm, insbesondere die einflußreichen und mächtigen Gemeinwesen, Städte und Individuen mit ihm als dem amtierenden Herr100
HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 40. Vgl. hierzu HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 40 mit den Literaturverweisen in Anm. 111. 102 Vgl. hierzu HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 40f. 103 Vgl. hierzu HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 41: „Sein zweites Hauptaugenmerk richtete er [d.h. Hadrian] auf die Städte des Reiches; mehr als jeder andere Kaiser […] hat er von ihnen selbst gesehen und erwies ihnen Wohltaten durch den Bau von Wasserleitungen und Häfen, Zufuhr von Lebensmitteln Theaterbauten und öffentliche Spiele und vieles andere mehr. […] Die Sorge um die äußere Sicherheit ergänzte sich also mit dem zielstrebigen Bemühen, im Inneren alle Bewohner des Reiches an dem Segen des Friedens teilhaftig werden zu lassen […] Hadrian selbst war die Seele des Ganzen, unermüdlich auf die Verwirklichung seines Programms bedacht, die er am besten durch seine persönliche Anwesenheit, die direkte Einwirkungsmöglichkeit auch auf kleinste Details der Organisation, Verwaltung […] und städtischer Probleme garantiert sah“. In Lichte dessen ist auch Hadrians Abkehr von der Expansionspolitik seines Vorgängers Traian zu deuten; vgl. hierzu BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 12: „Hadrian’s avoidance of war and his decisive withdrawal from the untenable borders established by Traian allowed him to direct Rome’s resources toward munificence“. 104 Vgl. hierzu etwa die Bewertung des Engagements Hadrians bei Cassius Dio LXIX 5,2f: Kai; ta;~ povlei~ tav~ te summacivda~ kai; ta;~ uJphkovou~ megaloprepevstata wjfevlhse. Polla;~ me;n ga;r kai; ei\den aujtw`n, o{sa~ oujdeiv~ a[llo~ aujtokravtwr, pavsai~ de; wJ~ eijpei`n ejpekouvrhse, tai`~ me;n u{dwr tai`~ de; limevna~ si`tovn te kai; e[rga kai; crhvmata kai; tima;~ a[llai~ a[lla~ didouv~ („Und den verbündeten und größeren Städten half er außerordentlich freigiebig. Viele nämlich von ihnen hatte er gesehen – mehr tatsächlich als jeder andere Kaiser – und er leistete allen von ihnen praktische Hilfe; einigen schenkte er eine Wasserzufuhr, anderen Häfen, Nahrung, öffentliche Werke, Geld und verschiedene Ehren, den unterschiedlichen Städten jeweils unterschiedliche“; Text und Übersetzung nach CARY, Dio’s Roman History VIII [s. Anm. 46], 434f). Diese Formulierung des Cassius Dio erinnert an die Beurteilung des Augustus und seines heilvollen Tuns durch die Delegierten des Koinon der Provinz Asia in der sog. Kalenderinschrift, IPriene 105, Z. 38f: ouj movnon tou;~ pro; aujtou` genonovt[a~ eujergevta~ uJperba-] | lovmeno~, ajllÆ oujdÆ ejn toi`~ ejsomevnoi~ ejlpivd[a uJpolipw;n uJperbolh`~,] (vgl. hierzu WITULSKI, Kaiserkult [s. Anm. 2], 135.156). Entsprechend auch BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 12: „Indeed, no Roman emperor devoted as much personal attention to cities throughout the empire as did Hadrian, except perhaps Augustus himself“. 101
Die Aufenthalte des Kaisers Hadrian in der römischen Provinz Asia
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scher zu vernetzen und so dem imperium Romanum eine erhebliche innere Stabilität zu verleihen.105 Ergänzend zu diesem politischen Konzept verfolgte Hadrian mit seiner Reisetätigkeit auf ideologischer Ebene die Absicht, seine eigene Person zu den Gottheiten des griechischen Pantheons in Beziehung zu setzen. Daraus ergab sich, dass Hadrian an vielen Kultstätten in Gemeinschaft mit traditionellen Gottheiten oder als ihre Hypostase verehrt worden ist.106 Hinzu kommen bei Hadrian „eine angeborene Reiselust und eine umfassende Bildung, die seine Neugierde weckte und ihn in fremde Länder trieb“.107 Sein intensives Bemühen um Wohlfahrt und Stabilität in der Provinz Asia hat mit dazu beigetragen, dass Hadrian wie kein anderer Kaiser vor ihm in dieser Provinz kultisch-religiös verehrt worden ist.108 Dass sich der Apokalyptiker aufgrund dessen dazu veranlaßt gesehen hat, gerade Hadrian als den endzeitlichen Handlanger des satana`~ zu interpretieren und darzustellen (Apk 13), ist daher gleichsam mit Händen zu greifen.
105 Vgl. hierzu BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 6: „His [d.h. Hadrians] benefactions, and their fame, decidedly helped to persuade Rome’s provincials to cooperate with the ruling power“. 106 LEGLAY, Hadrien (s. Anm. 17), 354–357 unterscheidet insgesamt vier unterschiedliche Formen der göttlichen Verehrung Hadrians: (a) „les cas où il [d.h. Hadrian] est simplement vénéré à côté d’une autre divinité“ (354), (b) „les cas où Hadrien est adoré comme hypostase d’un dieu“ (354), (c) „les cas où il est adoré […] d’une manière officielle et en quelque sorte traditionelle“ (357), und (d) „les cas où Hadrien est vénéré seul ou, si l’on veut, à titre personnel“ (357). Vgl. hierzu auch BOATWRIGHT, Hadrian (s. Anm. 18), 209: „The evidence in this book points to the use of religion and the incorporation of the past as distinguishing Hadrian’s municipal activity and fundamental to his encouragement of civic life and the pax Augusta. […] Hadrian’s emphasis on religion and revival of traditions combined to ensure that the figure of the emperor was integral to the religious life of numerous cities“. 107 Vgl. HALFMANN, Itinera (s. Anm. 2), 42; vgl. hierzu auch die Charakterisierung Hadrians nach Hist. Aug., vita Hadriani 17,8: peregrinationis ita cupidus, ut omnia, quae legerat de locis orbis terrarum, praesens vellet addiscere („So sehr liebte er es zu reisen, dass er sich selbst persönlich über all das, was er über alle Teile der Welt gelesen hatte, zu informieren wünschte“; Text und Übersetzung nach MAGIE, Scriptores Historiae Augustae I [s. Anm. 47], 52–55). Zur Kritik umfangreicher kaiserlicher Reisetätigkeit vgl. Aelius Aristides, eij~ ïRwvmhn 33: ÓWste oujde;n dei` fqeivresqai periiovnta th;n ajrch;n a{pasan, oujde; a[llote ejn a[lloi~ gignovmenon to; kaqÆ e{kaston bebaiou`sqai, oJpovte sfivsi th;n gh`n patoivh ajllÆ eujmavreia pollh; kaqhmevnw/ pa`san a[gein th;n oijkoumevnhn diÆ ejpistolw`n. AiJ de; mikro;n fqavnousi grafei`sai kai; pavreisin w{sper uJpo; pthnw`n ferovmenai („Deshalb hat er [d.h. Antoninus Pius] es nicht nötig, mühsame Reisen durch das ganze Reich zu unternehmen, bald bei diesen, bald bei jenen Völkern zu erscheinen und die einzelnen Fälle zu regeln, wenn er ihr Land betritt. Er kann es sich leisten zu bleiben, wo er ist, und den ganzen Erdkreis mit schriftlichen Befehlen zu regieren. Sie sind kaum abgefaßt, da treffen sie auch schon ein, als seien sie von Flügeln getragen“; Text und Übersetzung nach R. Klein [Hg.], Die Romrede des Aelius Aristides, TzF 45, Darmstadt 1983, 24f). C.A. Behr (Hg.), P. Aelius Aristides, The Complete Works II, Orations XVII–LIII, Leiden 1981, 373 zufolge hielt Aristides diese Rede „in late 155 A.D.“. 108 Vgl. hierzu WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 2), 168ff.
Barbara Aland
Gnosis zwischen Philosophie und Christentum
Die Einordnung der Gnosis zwischen Philosophie und Christentum ist immer umstritten gewesen und jüngst wieder umstritten geworden. Nachdem Adolf von Harnack bekanntlich von der „akuten Hellenisierung des Christentums“ gesprochen hatte und Hans Jonas im Gegensatz dazu den Mythos selbst mit dem, was er über Gott, Mensch und Welt berichtet, als Kern der Gnosis betrachtete – um nur die Größten der älteren Gnosisforschung zu nennen – schlossen sich daran eine Fülle von Deutungsversuchen an, die Gnosis im Zusammenhang mit dem Christentum zu verstehen. Dabei ist es weniger so, dass die Gnosis als Häresie, als Abweichung von einem ursprünglich „reinen“ Christentum, verstanden wird,1 sondern eher so, dass die gnostischen Texte verschiedenen Systemen zuzuordnen sind, von denen mindestens zwei – Valentinianismus und Sethianismus – ihre „gnostische“ Aussage mit Hilfe philosophischer Mittel darzustellen suchen.2 Darum soll es hier gehen, und es ist das Ziel der Untersuchung, ohne dass hier alle Varianten der verzweigten Gnosisforschung behandelt werden, zu verstehen, welchen Einfluss die griechische Philosophie des 2. Jahrhunderts auf gnostische Systeme genommen hat. Das ist umso notwendiger, als jüngst Einar Thomassen eine bedeutende zusammenfassende Deutung aller überlieferten Quellen zum Valentinianismus vorgelegt hat,3 die eben dieses philosophische Verständnis der Quellen deutlich bevorzugt. Thomassen sieht hinter den valentinianischen Quellen vor allem das Bemühen, die valentinianische Protologie auf dem Boden von zeitgenössischen philosophischen Texten zu interpretieren. 1 Das lehnte vor kurzem KING, K.L., What is Gnosticism, Cambridge/London 2003, ab, ohne dass diese aus der Polemik der Kirchenväter erwachsene Ansicht ernsthaft heute noch als ein historisch brauchbares Urteil betrachtet würde, s. dazu auch unten S. 173. 2 Zur neueren Gnosisforschung, die sich mit einzelnen Themen dieser Thematik befasst, vgl. MARKSCHIES, C., Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins, WUNT 65, Tübingen 1992. LÖHR, W.A., Basilides und seine Schule. Eine Studie zur Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts, WUNT 83, Tübingen 1996; FÖRSTER, N., Marcus Magus. Kult, Lehre und Gemeindeleben einer valentinianischen Gnostikergruppe. Sammlung der Quellen und Kommentar, WUNT 114, Tübingen 1999; WUCHERPFENNIG, A., Heracleon Philologus. Gnostische Johannesexegese im zweiten Jahrhundert, WUNT 142, Tübingen 2002; ONUKI, T., Heil und Erlösung. Studien zum Neuen Testament und zur Gnosis, WUNT 165, Tübingen 2004. 3 THOMASSEN, E., The Spiritual Seed. The Church of the „Valentinians“, NHMS 60, Leiden/Boston 2006.
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169
Grundtenor ist: „The major concern of the Valentian protologies is […] to explain how plurality comes into being from oneness“.4 Das ist eine durch und durch philosophische Aussage, die Thomassen, wenn sie denn so zutrifft, mit Recht auf den platonisierenden Neupythagoreismus zurückführt. So weit, so gut. Wenn das aber so ist, warum verstehen sich die Valentinianer dann als Christen, wie aus zahlreichen Hinweisen, insbesondere ihrer Soteriologie hervorgeht? Diese hat nichts damit zu tun, dass aus der Einheit die Vielheit hervorgeht. Zweifellos hat Thomassen aber recht damit, dass im valentinianischen System einige Bezüge zum neupythagoreischen des Moderatos in Struktur und Terminologie bestehen. Im Folgenden soll daher zunächst diese Verwandtschaft herausgearbeitet und dann gefragt werden, ob und wie die Valentinianer diese philosophische Vorgabe verändern. Den Schluss bilden einige Überlegungen zur Ausdrucksweise früher christlicher Verkündigung.
I. Was stimmt also bei den valentinianischen Mythen mit Moderatos’ Prinzipienlehre überein und was nicht? Ich folge hier dem Bericht des Simplikios5, der einem Zitat aus Pophyrios’ verlorenem Werk über die Materie folgt. Danach hat Platon in der Interpretation des Moderatos folgende Stufen der Wirklichkeit unterschieden und geordnet:6 1. „Das Erste Eine, das alles Sein und Seiende transzendiert (Z. 6); 2. das Zweite Eine, das mit dem wahrhaft Seienden und dem Intelligiblen, d.h. den Ideen (HL[GK), identisch ist (Z. 7–9); 3. das Dritte Eine, das den Bereich des Seelischen (to; yucikovn) bezeichnet und das an dem Ersten Einen und den Ideen teilhat (metevcein, Z. 10–12) 4. das Wahrnehmbare, das die letzte Wirklichkeit bildet (teleutaiva fuvsi~); dieses hat nicht einmal mehr an dem Ersten Einen und den Ideen teil, sondern ist nur dadurch geordnet, dass diese in ihm aufscheinen (kat’ e[mfasin ejkeivnwn kekosmh`sqai, Z. 13f);
4
THOMASSEN, Spiritual Seed (s. Anm. 3), 269. Aristoteles, Phys., in: FVS, 230,34–231,24. 6 Ich folge hier wie auch in der Deutung der ausgezeichneten Interpretation von Matthias Baltes. Die angegebenen Zeilenzahlen beziehen sich auf die Edition (und Übersetzung) von DÖRRIES, H./BALTES, M., Der Platonismus in der Antike, Grundlagen – System – Entwicklung, Bd. 4: Die philosophische Lehre des Platonismus. Einige grundlegende Axiome/Platonische Physik (im antiken Verständnis) I. Bausteine, 101–124: Text, Übersetzung, Kommentar. Vgl. den Kommentar von BALTES, Bd. 4, 478–479. 5
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5. das Nicht-Seiende, das sich zuerst im Quantum (ejn tw/` posw/`) zeigt (Z. 15); 6. die Materie in den wahrnehmbaren Dingen, die nur ein Schatten (skivasma) des Nicht-Seienden im Quantum ist und noch unter diesem steht (Z. 15f)“.7 Diese Ordnung der Wirklichkeit orientiert sich an den Hypothesen des platonischen Parmenides, auf denen die Systematik des Moderatos beruht.8 Danach folgt auf das Erste und Zweite e{n die Ableitung der Materie aus dem Dritten Einen, dem eJniai`o~ lovgo~, der als „Demiurg“ (Z. 19–21) alle lovgoi der seienden Dinge in sich umschließend, das Werden der Welt aus sich (ajfÆ eJautou`) ins Werk setzen will. Dafür fasst er die reine Quantität in sich (ejcwvrhse th;n posovthta [Z. 22]). Er tut dies, indem er sie seiner eigenen Inhalte beraubt, so dass die Quantität völlig leer, a]morfo" und ajschmavtisto9 ist, aber fähig, Form und Gestalt aufzunehmen. Damit wird die posovth9 mit Platons cwvra identifiziert. Sie ist ein ei\do9, aber negativ qualifiziert. Sie ist der Raum, den die Weltseele dem Weltkörper bietet und in den dieser hineingesetzt wird.9 Als seelischer ist der Raum immateriell. Die Materie dagegen hat sich dem Seienden entfremdet (Z. 37), sie ist das Quantum (posovn) im Sinne von Beraubung, Auflösung, Ausdehnung, Zerstreuung und damit das Nicht-Seiende. Weil sie sich dem Seienden entfremdet hat, meidet sie das Gute und ist daher etwas Schlechtes (Z. 38). Sie ist ständig in der Gefahr, die ihr gesetzten Grenzen zu überschreiten, wird aber vom Guten ergriffen und begrenzt.10 Posovn (Z. 15) und posovth9 aus der zweiten Hälfte des Textes sind identisch.11 Mit dem ajgaqovn ist offensichtlich der eJniai`o9 lovgo9 gemeint, der Demiurg, der sich auch um die Erhaltung der Dinge kümmert.12
II. Zu dem Mythos der Valentinianer (ich folge Ptolemäus) ergeben sich eine Reihe von Parallelen. 7
BALTES, Die philosophische Lehre (s. Anm. 6), 478–479. BALTES, Bausteine (s. Anm. 6), 122. 9 BALTES, Die philosophische Lehre (s. Anm. 6), 482f. 10 Anders als im Valentinianismus und vor allem im Manichäismus hat die Grenze hier eine Funktion, die die schlechte Materie vor dem ihr ohnehin nicht möglichen Übergriff auf das Reich des Göttlichen bewahrt. 11 BALTES, Die philosophische Lehre (s. Anm. 6), 484. 12 BALTES, Die philosophische Lehre (s. Anm. 6), 480–485. 8
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1. Das Erste Eine entspricht wahrscheinlich der Proarche, dem überseienden Vorvater und Bythos. Mit ihm zusammen ist die Ennoia, die auch Charis und Sige heißt. 2. Das Zweite Eine, das bei Moderatos mit dem wahrhaft Seienden und den Ideen identisch ist, entspricht bei Ptolemäus einem merkwürdigen Vorgang: Als der Bythos, also der Propator, gedachte (ejnnohqh`nai 1,1 vgl. die e[nnoia als Gefährtin des Bythos) einen Anfang von allen aus sich hervorzubringen, senkte er einen Samen in den Mutterschoß der Sige und sie gebar den Nous. Er begreift als einziger der Äonen die Größe des Vaters und emaniert als seine spezifische Aufgabe die weiteren Äonen, die er enthält. Also ist er die Summe der Äonen, d.h. er entspricht den Ideen des Moderatos und damit dem Zweiten Einen. Ptolemäus nennt die Erste Vierheit aus Bythos und Ennoia sowie Nous und Aletheia die „erste pythagoreische Tetraktys“, damit auf den philosophischen Bezug hindeutend. 3. Das Dritte Eine hat nach Moderatos Anteil am Einen und den Ideen, gehört aber dem Psychischen an (Z. 10–12). Dieses Dritte Eine könnte mit dem Demiurgen bei Ptolemäus identifiziert werden. Auch er ist psychisch und gestaltet, unbemerkt angestoßen von der pneumatischen Mutter, die psychischen und die materiellen Dinge (Irenäus, haer. I 1,5,1–3). Es leuchtet sofort ein, dass diese Aufteilung der Wirklichkeit durch einen Gnostiker zu dem System des neuplatonischen Philosophen Moderatos einen Bezug hat. Aber ist es mehr? Offensichtlich nicht. Denn das System des Moderatos weist zwar die Ableitung der Wirklichkeit aus dem monotheistischen Glauben auf, wie es für Moderatos charakteristisch ist, nicht aber den Erlöserglauben, der unbedingt zum Gnostizismus gehört,13 es sei denn, man wollte die Ordnung der Welt (Stufe 3 und 4 bei Moderatos) als Hinweis auf die Erlösung nehmen. Bei der radikalen Abwertung der geordneten Welt durch die Gnostiker kann das aber keinesfalls sein. Wir können also nur feststellen, dass die Gnostiker, in diesem Fall die Valentinianer, sich zwar an das philosophische System anlehnen – sei es, um ihre Bildung zu demonstrieren, sei es, um gerade im Widerspruch zur philosophischen Ableitung der Wirklichkeit – ihre Überzeugung von der Einheit vom Monotheismus und Erlöserglauben zum Ausdruck zu bringen. Diese zweite Lösung scheint mir wahrscheinlicher.
13
Vgl. THEISSEN, G., Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000, 324–325.
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III. Wir kommen damit schließlich zu der Frage, warum die Gnostiker (ich nehme wieder die Valentinianer als Beispiel) ihren Mythos entwickelten, um ihren strikten Monotheismus und Erlöserglauben zu verdeutlichen. Ich mache das an sechs Punkten klar: 1. Der Monotheismus. Er ist die unabdingbare Grundlage jeder gnostischen Ableitung der Wirklichkeit. 2. Die Engelwesen (Äonen) vergrößern den Abstand zwischen Gott und Welt und ermöglichen damit einen extremen Dualismus.14 3. Der Horos als Abgrenzung des göttlichen Reiches und Grenze zwischen Gott und Welt leitet einen scharfen Dualismus ein.15 4. Der Fall begründet den Dualismus und zwar so, dass er von der gefallenen Wesenheit nicht wieder aufhebbar ist.16 5. Die Erlösung, die damit notwendig wird, besteht in geschenkter Erkenntnis über die Zusammenhänge von Gott, Welt und Mensch.17 6. Die daraus folgende Ethik für den einzelnen Gnostiker ist unterschiedlich, je nachdem welcher Gruppe der Gnostiker er angehört. Besonders gut zum Gesamtsystem passt das Ethos der Demut, das aus der Erkenntnis erwächst, dass man sich nicht selbst erlösen kann.18 Der damit entwickelte valentinianische Mythos stellt sich als eine radikale Erlösungsreligion auf Kosten von Schöpfungs- und Inkarnationsglauben dar. Das gnostische System (s. bes. Punkt 2 und 3) verbietet Schöpfungsund Inkarnationsglauben, betont aber damit die Erlösung umso mehr. Was Schuld ist, wird – auch für Christen – hier sehr deutlich gemacht. Man versteht, warum sich Christen von dieser gnostischen Interpretation ihres Glaubens angezogen fühlen konnten. Mit Philosophie hat Gnosis außer der oben dargestellten Anlehnung an die Struktur des pythagoreischen Systems nichts zu tun. Es fehlt der Fall, sofern er den radikalen Erlösungsglauben
14
Vgl. Irenäus, haer. 1,1,1–2 und 1,1,2,1. Vgl. Irenäus, haer. 1,2,2 und 1,2,4. 16 Irenäus, haer. 1,2,2–4. 17 Sie erfolgt bei Ptolemäus nach Art einer allmählichen Formung (movrfwsi9 kata; gnw`sin, Irenäus, haer. 1,4,5). Vgl. den Gesamtzusammenhang bei Irenäus, haer. 1,4,1–1,5,1. Damit wird die gefallene Sophia, die jeder Form und Gestalt ermangelte, instand gesetzt, den Weg, der zur Gnosis führt, zu betreten. 18 Vgl. dazu auch Irenäus, haer. 1,6,2. Der bekannte Satz vom fuvsei pneumatikov9-Sein alles Pneumatischen, der hier begegnet, deutet darauf hin, dass man eben von Natur und nicht durch eigene Anstrengung gerettet wird. Die gleiche Überzeugung treffen wir auch in einigen Traktaten aus Nag Hammadi an. S. dazu ALAND, B., Frühe direkte Auseinandersetzung zwischen Christen, Heiden und Häretikern, Hans-Lietzmann-Vorlesungen Heft 8, Berlin/New York 2005, 26–35. 15
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bedingt (Punkte 4 und 5). Es fehlt entsprechend auch die Erlösung von außerhalb des Zu-Erlösenden.
IV. Was ist also Gnosis? Muss man, wie Karen King jüngst vorschlug,19 auf eine übergreifende Geschichte des frühen Christentums, in der das Phänomen „Gnosis“ eine wichtige Rolle spielt, ganz verzichten und dafür eher die christliche Frühgeschichte als eine Reihe von nebeneinander existierenden christlichen Gruppen verstehen? Ich kann mich dieser amerikanischen Lösung nur insofern anschließen, als „Gnosis“ nicht, wie es früher geschah, als eine Bewegung verstanden und erklärt werden kann. Selbstverständlich ist „Gnosis“ aber auch nicht mit Hilfe der Kategorien Orthodoxie/Häresie zu begreifen, wogegen King sich zur Wehr setzt, so wie „Gnosis“ auch nicht als Entwicklung aus einer anfangs „reinen“ und dann deformierten Lehre zu verstehen ist. Diese Lösungen werden heute kaum je noch vertreten. Um das Phänomen der Gnosis zu verstehen, muss man eher die enorme Durchsetzungskraft des frühen Christentums in Anschlag bringen, deren Schnelligkeit und Breite durch alle Bevölkerungsschichten hindurch Origenes den Charakter des „Übermenschlichen“ zuschrieb.20 Die gesamte frühchristliche Literatur legt Zeugnis von dieser enormen Fruchtbarkeit des frühen Christentums ab, und man kann sich nicht wundern, wenn diese Sprengkraft sich auch im sog. gnostischen Schrifttum äußert. Die erkennbaren „gnostischen“ Untergruppierungen – wie etwa der Valentinianismus und der Sethianismus – sind Varianten dieses breiten Stroms. Auch sog. heidnische Spielarten der „Gnosis“ sind verständlich, wenn man bedenkt, dass sich das Christentum im jüdisch-hellenistischen Raum entwickelte, und die Grenzen zwischen den verschiedenen religiösen und philosophischen Traditionsströmen nicht immer scharf gezogen waren. Warum sollten also nicht bestimmte „gnostische“ Gruppierungen stärkere Kontakte zu sog. heidnischen Ausformungen entwickeln als andere?21
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Vgl. oben Anm. 1. Origenes, princ. IV,1,2. 21 Vgl. ONUKI, (s. Anm. 2), 240–269, bes. 268–269. Ob nun die antistoische Polemik des Apokryphon des Johannes direkt auf die stoische Lehrtradition oder vermittelt über den Mittelplatonismus zu denken ist (so Quispel), spielt für unseren Zusammenhang keine große Rolle. Das Beispiel Onukis zeigt die engen und zahlreichen Verbindungslinien zwischen philosophischen und religiösen Traditionsströmen verschiedener Ausprägung an. 20
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Barbara Aland
Die Erlösung und der Jubel über erfahrene Erlösung wurden besonders im Valentinianismus zum Ausdruck gebracht. Im Sethianismus erhält der Ritus eine dem „gnostischen“ Grundgefühl und ebenfalls dem Erlösungsjubel entsprechende Form. Das Ethos, sei es in der strikt asketischen oder auch demütigen Gestalt, sei es in der jede körperliche Mäßigung ablehnenden Form wie etwa der Karpokratianer, findet man bis in extreme „gnostische“ Gruppierungen, jeweils angepasst an deren lehrmäßigen Schwerpunkt. Damit ist höchstens angedeutet, wie aus den christlichen Anfängen eine Geschichte des Christentums entstand. Denn diese Geschichte war noch viel staunenswert vielfältiger als durch die neuen „gnostischen“ Funde angezeigt werden konnte. Wenn heute christliche Apokryphen neu bekannt werden, so verwundert das auch nicht. Denn man kann sie in den Strom der frühchristlichen Literatur einordnen und sie von daher verstehen, so wie das auch mit den sogenannten gnostischen Schriften möglich ist. Daraus erwächst eine – vielfältige – Geschichte des frühen Christentums, nicht aber die Geschichte einer Vielzahl verschiedener frühchristlicher Gruppen nebeneinander. „Gnosis“, so gesehen, muss nicht auf einen Ursprung oder alternativ auf deren viele zurückgeführt werden. Sie gehört mit allen ihren Ausformungen in den Strom der frühen jüdisch-hellenistischen Ausbildung des Christentums.
Folker Siegert
Die pericopa adulterae (Joh 8,1–11): Ende einer Irrfahrt
Zwischen Lukas- und Johannesevangelium wird in den Handschriften ein Text hin- und hergeschoben, der inhaltlich auch die Theologie der Gnade eines Paulus sein könnte, wäre er nicht narrativer Art; seiner Sprache nach ist er sowohl johanneisch wie synoptisch: die pericopa adulterae, auch fragmentum incertae sedis genannt. Dies ist einer der bildhaftesten und wirkmächtigsten Texte des Johannesevangeliums, in welchem er sich dann meist findet. Die Auslegungen und Darstellungen sind ohne Zahl.1 Textlich jedoch ist es, wie allgemein zugegeben wird und wie ein Blick auf den Apparat bei Nestle/Aland auch sofort lehrt, die variantenreichste und am meisten verunstaltete Perikope des ganzen Neuen Testaments.2 Dies ist erklärlich durch den Umstand, dass es sich im strengen Sinne um einen unkanonischen Text handelt. Als nämlich durch Irenaeus und in dessen Nachwirkung die vier Evangelien kanonisiert wurden, hatte er noch keinen Platz. Das heißt nicht, dass die Perikope neuer wäre als die Bildung des neutestamentlichen Kanons. Papias, ein Hörer des Johannes (es ist möglich, ihm das zu glauben; nicht jeder Schüler wird seinem Meister ebenbürtig), kannte sie – versteht sich, aus mündlicher Lehre; nur von dieser spricht sein Testimonium.3 Eusebius aber, der uns seine Worte berichtet (H.e. 3, 39,17 = 1
Als neuen Sammelband hierzu vgl. KREITZER, L.J./ROOKE, D.W. (Hg.), Ciphers in the Sand. Interpretations of the Woman Taken in Adultery (John 7.53–8.11), BiSe 74, Sheffield 2000, bes. die dortige Einführung von SHAW, J., The cultural reception of John 7,53–8,11, a.a.O., 11–16. 2 So, unter Berufung auf C.R. Gregory, SCOTT, J./MARTIN C., On the Trail of a Good Story, John 7.53–8.11 in the Gospel Tradition, in: KREITZER/ROOKE, Ciphers in the Sand (s. Anm. 1), 53–82 (55). Monografien: BECKER, U., Jesus und die Ehebrecherin. Untersuchungen zur Text- und Überlieferungsgeschichte von Joh. 7,53–8,77, BZNW 28, Berlin 1963 (eine von ALAND, K., Studien zur Überlieferung des Neuen Testaments und seines Textes, ANTT 2, Berlin 1967, 39–46 zu Recht abgelehnte Geschichtskonstruktion, bezogen auf die Zeit des Bußstreits); BORSE, U., Die Entscheidung des Propheten. Kompositorische Erweiterung und redaktionelle Streichung von Joh 7,50.(53)–8,11, SBS 158, Stuttgart 1994 (dazu unten; Wiedergabe des Diskussionsstandes: 9f). – Nicht zugänglich war mir, weder auf Papier noch im Internet, ROBINSON, M.A., Preliminary Observations Regarding the Pericopa Adulterae Based upon Fresh Collation of Nearly All Continuous-text Manuscripts and over One Hundred Lectionaries, Filología Neotestamentaria 13, 2000, 35–59. 3 Dass der Armenier Vardan ihn dann auch für den Autor dieser Perikope hält (Papias-Frg. 25 Kürzinger, eigentlich kein Fragment, sondern nur ein Testimonium), ist dessen eigener, unbestätigter Rückschluss; vgl. KÜRZINGER, J., Papias von Hierapolis und die Evangelien des Neuen Testaments. Gesammelte Aufsätze. Neuausgabe und Übersetzung der Fragmente, kommentierte
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Folker Siegert
Papias-Frg. 4 [Kürzinger]), weist die Perikope dem Hebräerevangelium zu – ein Akt der Hilflosigkeit, da das ihm vorliegende Johannesevangelium den Text offenbar nicht enthielt. Die Apostolischen Konstitutionen 2,24 geben eine Paraphrase der Perikope und zitieren eine sonst nicht nachgewiesene Fassung des Schlusssatzes.4 Noch in Zeiten der Minuskelhandschriften konnte es vorkommen, dass diese Perikope bei Lk 21,23 oder bei Lk 24,53 eingeschoben wurde. Mag sie auch unkanonisch sein im strengen Sinne, so ist sie doch älter als der Kanon, wie im Folgenden gezeigt werden soll, und hat einen wohlüberlegten Platz im ursprünglichen Aufriss des Johannesevangeliums – vorausgesetzt, man findet diesen. Zu behaupten, dass es sich um einen ursprünglichen Bestandteil des Johannesevangeliums handelt, setzt formal-logisch wie auch inhaltlich-historisch zweierlei voraus: 1. eine begründete Meinung über den ursprünglichen Umfang und die ursprüngliche Anordnung des Textes, am besten auch eine These über die Verfasserschaft, Ort und Zeit des Joh; 2. eine Klärung des Wortlauts der fraglichen Perikope. Es geht nicht an, einfach nur „Joh 7,53–8,11“ zu zitieren, als wäre das ein Block aus gleichartigen und gleich alten Bestandteilen. Größer könnte der Abstand von historisch-kritischer Forschung nicht sein als in solcher Naivität.
Mit Antworten auf beide Fragen kann hier gedient werden. Zur Klärung des ersten Punktes wird auf Quellen des 2. Jh. zu verweisen sein, schon um der vornehmen Ignorierung zu widersprechen, welcher die Nachrichten über den vierten Evangelisten unter Neutestamentlern weithin ausgesetzt sind. Und zwar werden nur die vorirenäischen Nachrichten die Frage entscheiden können; danach beginnt die Hagiographie, mit der wir uns hier nicht mehr befassen. Was aber den zweiten Punkt betrifft, auf dem hier das Gewicht liegen soll, so ist ganz unglaublich, welch ein Dilettantismus sich bis zum heutigen Tage an dieser Perikope versündigen durfte. Ehe man die Textkritik auch nur begonnen hat (von der noch schwierigeren Literarkritik zu schweigen), erklärt man ihn schon für unjohanneisch.5 Dabei gibt es, inhaltlich gesehen, Bibliographie, EichM 4, Regensburg 1983 (darin 89–138: „Fragmente zu Papias“, hg.v. R. HÜBNER – einzige vollständige Sammlung). 4 Nach PG 1, 656/7: ÓUpage ou\n, oujde; ejgwv se katakrivnw. Das u{page stimmt (bis auf die Stellung) mit Cod. D überein, das ou\n mit keinem. Die Apostolischen Konstitutionen, Werk eines Arianers, sind ein Verschnitt aus unterschiedlichsten Bestandteilen, auf deren Datierungsprobleme wir uns hier nicht einlassen. 5 Z.B. RUCKSTUHL, E., Die literarische Einheit des Johannesevangeliums, NTOA 5, Fribourg 1987, 216f; RUCKSTUHL, E./DSCHULNIGG, P., Stilkritik und Verfasserfrage im Johannesevangelium. Die johanneischen Sprachmerkmale auf dem Hintergrund des Neuen Testaments und des
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nichts Johanneischeres als diesen heiter-überlegenen Jesus; das hat die Rezeption sehr wohl gemerkt. Darum ist die am wenigsten akzeptable Behandlung unseres Textes das Weglassen. Die Souveränität, mit der Jesus hier reagiert und eine Aussage macht, die das ganze Evangelium in nuce enthält, ist mindestens so authentisch wie die aufsehenerregendste Heilungsgeschichte. Doch soll im Folgenden vordringlich von den textlichen Daten die Rede sein. Interpretationen im vollen Sinne sind reichlich vorhanden, überflüssigerweise vermehrt, nach Klärung der textlichen Fragen, durch den Schreiber dieser Zeilen.6
Der Text: Abgrenzungsfragen; Text- und Literarkritik Die Nestle/Aland-Ausgabe bietet die pericopa adulterae, der Mehrheit der Handschriften folgend, als Joh 7,53–8,11, u.z. in doppelten Klammern, was einem Streichungsvorschlag gleichkommt.7 Andere Platzierungen sind hinter Joh 7,36, hinter Lk 21,38 und hinter Lk 24,53, sofern der Text nicht überhaupt fehlt. Keine der Alternativplatzierungen ist für den Text eine glaubwürdige Einbettung. Die konventionelle Platzierung befriedigt aber auch nicht. Sowohl Joh 7,53 als auch Joh 8,12a sind reine Verlegenheitsformulierungen und keine Übergänge im literarischen Sinn. Es sind die noch sichtbaren Nähte eines sehr dürftigen Flickwerks. Wenn je irgendwo ein Erzähler (hier wäre es der Evangelist) unterscheidbar ist von einem Redaktor, dann hier an der puren Ungeschicklichkeit dieser Einfügung. Gehen wir also an die Arbeit, blicken wir in den Apparat! Man müsste schon auf Text- und Literarkritik verzichten und Ideologe des momentanen textus receptus werden, um nicht zu bemerken, dass der ganze Vers 7,53 zur Disposition steht: Die lateinische Übersetzung ff2 hat ihn nicht. Wir lassen also, um die Perikope möglichst „netto“ zu erhalten, sie erst mit 8,1 beginnen. Das Perikopenende in 8,11 hingegen ist klar; es ist zweifellos die Pointe der Geschichte, auch wenn sie unterschiedlich zitiert wird.8 Dass im zeitgenössischen hellenistischen Schrifttums, NTOA 17, Freiburg (CH)/Göttingen 1991, passim; SCOTT/MARTIN, Trail (s. Anm. 2), 54. 6 SIEGERT, F., Das Evangelium des Johannes in seiner ursprünglichen Gestalt. Wiederherstellung und Kommentar, SIJD 6 , Göttingen 2007 (im Erscheinen). 7 Vorgängerausgaben steckten sie überhaupt in den Apparat, wodurch dieser – einzig im NT – einen Sub-Apparat erhielt. 8 Vgl. Anm. 4.
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„Mehrheitstext“ dann noch der Satz folgt: „Dies aber sagten sie, um ihn zu versuchen, um eine Anklage gegen ihn zu haben“ – ein Satz, der vorher, der Handschriftenmehrheit folgend, als V. 6a bereits zu lesen war –, macht misstrauisch gegen diesen Vers überhaupt. Tatsächlich fehlt er in D und einigen anderen Zeugen gänzlich. Blickt man nunmehr in die Konkordanz s.v. peiravzein, wo aus dem Johannesevangelium sonst nur noch 6,6 verzeichnet steht, ein Satz, der die dortige Erzählung ganz überflüssigerweise unterbricht, so wird man leicht zu dem Schluss gelangen, dass es sich an beiden Stellen um Eintragungen aus den Synoptikern handelt: vgl. Mk 8,11par.; 10,2par.; Lk 11,16 und Mt 22,35. Haben wir auch diesen Satz gestrichen, bleibt eine Erzählung von perfekter Kohärenz. Sie hat zwar, wie Ruckstuhl und Dschulnigg wiederholt bemerken, wenig exklusiv-johanneische Merkmale9 (wobei freilich das erzählende Präsens als Übergang zum „Vordergrund“ der Erzählung in V. 4 noch zu zählen wäre); doch ist die Schlichtheit der Sprache mit geringen Semitismen und sehr sorgfältiger Tempusdifferenzierung für unsere Zwecke schon johanneisch genug.10 Auf Spezifischeres werden wir zurückkommen. Was jedoch als Beweis für den nichtjohanneischen Ursprung der Perikope aufgeführt zu werden pflegt, das synoptische Sprachgut nämlich, befindet sich ausschließlich in den beiden textkritisch verzichtbaren Flickversen 7,53 und 8,6a. Das wird von denen übersehen, die von der Unechtheit der Perikope ohnehin überzeugt sind, mögen sie, oder auch nicht, sich dazu der Statistik bedienen. Da nun leider auch Theologen beim Anblick von Statistiken rasch gläubig werden, hat das Verdikt „unjohanneisch“ für die pericopa adulterae geradezu kanonische Geltung erzielt. Dieses Dogma Ruckstuhls und seiner z.T. namhaften Vorgänger,11 besagt, „dass die Folgerung, 9 Genauer gesagt, entfällt von den beiden Merkmalen, die RUCKSTUHL/DSCHULNIGG, Stilkritik (s. Anm. 5), in Joh 8,1–11 positiv erheben, das eine – rückblickendes tou'to e[legen (90) – als Bestandteil des Flickverses 6a. Dort mischen die Redaktoren johanneische mit synoptischer Sprache, genauso wie der vielzitierte Papyrus Egerton und andere evangelienähnliche Texte des 2.Jh. es tun. Daran ist für seine Zeit (noch bevor Irenaeus sich durchsetzte) nichts Besonderes. Nur sollte man nicht zögern, derlei Gebilde literarkritisch auszuscheiden, zumal wenn sich eine Handschrift findet, die auch die textkritische Handhabe dazu bietet. – Das andere Merkmal bei RUCKSTUHL/DSCHULNIGG, Stilkritik (s. Anm. 5), ist ejrwta'n „fragen“, ein Verbum, das im Johannesevangelium deutlich häufiger vorkommt als in den Synoptikern (141). 10 BORSE, Entscheidung (s. Anm. 2), 11: „Wortschatz und Stil der Vergebungsperikope“ (so nennt er sie, nicht unpassend) „weisen beachtliche Eigenheiten auf. Bevor sie aber zum Beweis der Unechtheit gemacht werden, ist nach Gründen zu fragen, die den Evangelisten selbst im vorliegenden Fall zu einer besonderen Ausdrucksweise veranlasst haben können.“ Sehr zu Recht! So ist der Ausdruck „Reich Gottes“ in der ersten der drei Nikodemus-Perikopen, nämlich in Joh 3,3, auch kein Bestandteil der johanneischen Sprache und könnte die Statistiker zum Ausscheiden der gesamten Perikope veranlassen; dabei ist er, liest man sie mit Verstand, das Eingehen des johanneischen Jesus auf die Sprach- und Denkvoraussetzungen seines Gegenübers. 11 In RUCKSTUHL/DSCHULNIGG, Stilkritik (s. Anm. 5), 236, wiederholt.
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hier liege ein Text vor, der nie zum ursprünglichen Ev. gehörte, jeden vernünftigen Zweifel ausschließt“. Kreitzer/Rooke u.a. wiederholen es, ohne die Beweise auch nur mit dem ersten aller Methodenschritte, der Textkritik, abgeglichen zu haben. So dürfen wir nun also mit Udo Borse, der nunmehr an unsere Seite tritt, an unserem Verstand zweifeln: Dessen Monographie zu Joh 7,50–8,11 (so sein Abgrenzungsvorschlag) unternimmt den Versuch, die Perikope für das Johannesevangelium zu retten.12 Die Beziehung der Perikope zum Nikodemus-Gespräch (3,1ff) ist ihm ein wichtiges Argument.13 Sie sei in dieser Form zunächst Teil des Evangeliums gewesen; dann aber seien 7,53–8,11 ausgeschieden worden, als nämlich die Bearbeiter sich in der von ihnen selbst erzeugten Unordnung verfingen.14 Auch geht aus altkirchlichen Reaktionen hervor, dass mancher etwas gegen die „billige Gnade“ dieser Perikope einzuwenden hatte. Es kann also doch sein, dass diesem Text Unrecht geschah, im 2. Jahrhundert wie im 20. Kein Forschungskonsens ist für die Ewigkeit. Die übrigen Lesarten, von denen diese zwei Textseiten überquellen, mögen auf sich beruhen bleiben: Hier ist die Auswahl in der Nestle/AlandAusgabe durchaus akzeptabel. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Alternativfassungen der Geschichte gibt mit z.T. anderem Ablauf und jedenfalls weniger gut sitzender Pointe.15 Sie dürften als spätere Verschriftlichungen derselben Geschichte, aber durch weniger begabte Erzähler, einzustufen sein.
12
BORSE, Entscheidung (s. Anm. 2). BORSE, Entscheidung (s. Anm. 2), 17f u.ö. 14 BORSE, Entscheidung (s. Anm. 2), 68–70. 15 S. z.B. HERKLOTZ, F., Zur Textgeschichte von Joh 7,53–8,11 bei den Armeniern, Handes Amsorya 41, Wien 1927, 624–642; MOIR, I., Fam. 272. A new family of manuscripts in the Pericopa Adulterae (John 7,53–8,11), in: T. Baarda/A. Hilhorst u.a. (Hg.), Text and Testimony (FS A.F.J. Klijn), Leiden 1988, 170–176; LÜHRMANN, D., Die Geschichte von einer Sünderin und andere apokryphe Jesusüberlieferungen bei Didymos von Alexandrien, NT 32, 1990, 289–316. Bemerkenswert ist an der von Lührmann mitgeteilten Fassung, dass Jesus nicht aufgefordert wird, sich einzubringen, sondern es von sich aus tut (290). Doch erweist diese Fassung sich zumindest darin als sekundär, dass sie Jesu Antwort in Doublette bietet; dahingegen fehlt das Zeichnen auf die Erde. – Die von Herklotz berichtete armenische Fassung hat dieses letztere Detail zwar, lässt aber Jesus in die Erde schreiben „um ihre (sc. der Frager) Sünden offenbar zu machen“. Es folgen dort noch viele Alternativfassungen, syrische, lateinische u.a. 13
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Sprache und Stil Viele der als typisch johanneisch geltenden Stilmerkmale, z.B. das „historische“ ou\n, sind vornehmlich Merkmale der Quelle(n), nämlich des vorjohanneischen nichtsynoptischen Traditionsguts. Dieses bestand aus Erzählungen; was der Evangelist hinzufügt, sind zumeist Dialoge. Damit ist auch ein anderer Partikelgebrauch verbunden. Sowohl die Textgattung als auch der leicht konfrontative Inhalt, zusammen mit der narrativen Situation (die Konfrontation erhält ihr Gegenüber), begründen hinreichend, dass hier, statt des erzählenden ou\n, die sonst seltene Partikel dev auffallend häufig ist, ja fast jeden Satz einleitet (selbst den Flicksatz V. 6). Das sollte man nicht nur zählen, sondern verstehen. Gleiches gilt für die tragenden Begriffe der johanneischen Theologie, deren jeder in unserer Perikope vermisst wird. Hierzu sei bemerkt: Das Thema „Sünde“ ist normalerweise nicht sein Thema; es zählt nicht, wie bei Paulus, zu den Voraussetzungen theologischen Denkens. Nicht dass er es verdrängen würde: siehe 1,29(36); 5,14 und 9,2ff. Er greift es auf à propos und lässt es sich antragen, wo sich die Gelegenheit ergibt – so wie das des „Reiches (oder Königtums) Gottes“ in 3,3 oder das des „Heils“ in 4,22. Das sind Maßnahmen der Anknüpfung. Die Wortstatistik zum Johannesevangelium wäre nur dann nicht irreführend, wenn der Text die Gattung eines Selbstgesprächs hätte. Für den Evangelisten sind da, wo er ganz frei spricht, in der Tat eine Reihe von Vokabeln typisch, z.B. zwhv, pisteuvein als Verbum, marturei'n, mevnein, u.a.m. Sie zu gebrauchen ist er aber nicht verpflichtet. Nicht jeder Kontext eignet sich dafür. Und umgekehrt: Wortstatistisch gesehen, würde die Seltenheit von laov" (V. 2; sonst nur 11,50 und 18,14) eher gegen als für eine Zugehörigkeit der Perikope zum Johannesevangelium sprechen; doch enthüllt sich gerade hier ein johanneischer Zug. Zunächst einmal heißt pa``~ oJ laov~ nicht „alles Volk“, wie man gern übersetzt, sondern „das ganze Volk“, nämlich Israel, welchem dieser Ausdruck im Johannesevangelium reserviert ist. Dass er dreimal im Johannesevangelium gebraucht wird, stets in dieser Bedeutung, ist erkennbare Absicht. Er ist äquivalent zu „Israel“ in 1,31.49; 3,10 und 12,13, auch einer Triade. Solche Triaden sind v.a. im ursprünglichen Johannesevangelium, d.h. dem Text nach Abzug seiner störenden und verzichtbaren Zuwächse, überaus häufig. Über dreißig lassen sich nachweisen.16 Auch dass Personen wie die Mutter Jesu oder Nikodemus dreimal aktiv werden, gehört dazu. 16 Vgl. SIEGERT, Evangelium (s. Anm. 6), dort: Einleitung, Punkt 9.3.3. Selbst im erweiterten Text der kanonischen Fassung wäre die Mehrheit dieser Triaden noch feststellbar. Dies ist sowohl eine Betonung als auch ein Mittel der Mnemotechnik in diesem ursprünglich oralen Text.
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Bleiben noch Bedenken gegen einzelne Ausdrücke, die sich aber klären lassen. „Schreiber und Pharisäer“ (V. 3) sind eine aus den Synoptikern wohlbekannte Verbindung, und es könnte misstrauisch machen, dass im Johannesevangelium die „Schreiber“17 sonst nicht mehr vorkommen. Doch ehe wir den Stift ansetzen, besinnen wir uns auf das judäische Kolorit des Johannesevangeliums, bes. in seinen echten Partien. Sein Verfasser ebenso wie dessen Quellen bzw. Berichterstatter kannten die Verhältnisse; ja, wenn einer der Evangelisten genauer wusste, was sof erim am Jerusalemer Tempel zu tun hatten, dann er. Seine Angaben zum jüdischen Brauchtum, zu Institutionen und Gedankengut sind im Zweifelsfalle den synoptischen überlegen. So auch hier: Ein Fall von Ehebruch konnte die Schreiber durchaus interessieren. Sie sind es schließlich, wenn irgendjemand, die die von Josephus erwähnten18 priesterlichen Geschlechtsregister führen. Dazu passt in unserer Geschichte, dass die Priester abwesend sind – solidarisch vielleicht mit einem der Ihren, für den der Vorfall peinlich gewesen sein dürfte. Mindestens aber geht es um einen Jerusalemer; und wenn man nunmehr einem Galiläer, der sich am Heiligtum zu lehren erfrecht hat (7,14–18), den Fall vorlegt, dann doch wohl in einer Art von Ironie, nämlich in dem Bewusstsein, dass er ihn nicht wird lösen können.
Zum Inhalt Das führt uns auf den Inhalt. Bleiben wir beim „Kohärenzkriterium“ des Jüdischen, das diesen Text so wohltuend abhebt von den Legendenbildungen bzw. den Polemiken des mittleren und späteren 2. Jahrhunderts, diejenigen der Johannesschule inbegriffen.19 Inhaltlich geht es um genau das, was aus dem Halachischen Brief 4QMMT als miqçat maǥaśƝ Tora bekannt ist, „eine Detailfrage zur Torapraxis“. Diese war in unserem Fall durchaus verfänglich, ging es doch um Leben und Tod – für die Frau –, für Jesus aber um sein Ansehen und seine Akzeptanz, ja oder nein, als Tora-Lehrer. Steinigung ist in der Tora vorgeschrieben für fünf Typen schwerer Vergehen: – Gotteslästerung (Lev 24,15–17); 17 Luthers Übersetzung „Schriftgelehrte“ ist unzutreffend. Sie würde eher passen auf nomikov" in Lk 7,30 etc.; Mt 22,35. 18 Apion. 1,31. 19 Sie gipfeln in Joh 8,44, einem sicherlich unauthentischen Vers. Wenig bemerkt wurde bisher, dass der dortige Kontext ab 8,30 sich gegen Judenchristen richtet. Aber das ist eine andere Geschichte. Johannes, der Evangelist, hatte auch mit diesen noch keine Probleme; ja er war selber einer.
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Folker Siegert – Götzendienst (Dtn 13; 17,2–7; Lev 20,2); – Verführung zum Götzendienst (Dtn 13,7–12); – Renitenz gegenüber den Eltern (Dtn 21,18–21) und schließlich – Unzucht und Ehebruch (Dtn 22,20–24).
Als Zweck der Steinigung wird in Dtn 22,21f (auch schon Dtn 13,6 und 17,7) angegeben, es sei „das/der Böse […] aus Israel zu vertilgen“. Die Septuaginta formuliert es jedes Mal maskulinisch (to;n ponhrovn), also personbezogen; so zitiert es auch Paulus in 1Kor 5,13, und so ist jetzt auch die Zuspitzung der Situation. Der damit zu schützende Wert jedoch ist überpersönlich; es ist Israels Reinheit, so wie Pinhas, „der Eiferer“, sie in Num 25,6–9 zu wahren weiß. Die Praxis der Steinigungen war jedoch seit Jahrhunderten schon selten geworden und scheint sich – denkt man an die Vorfälle um Stephanus (Apg 7,59 und Kontext) und Paulus im Tempel (Apg 21,31 mit Kontext) – auf den gewaltsamen und blutigen Abbruch dessen beschränkt zu haben, was man für offene Gotteslästerung hielt. Auch in der jüdischen Diaspora hat Paulus dergleichen erlebt (2Kor 11,25), was laut Apg 14,19 eine Strafe war von Seiten der Juden aus Antiochien in Pisidien und aus Ikonium. Die Tücke der Frage, die Jesus hier gestellt wird, besteht darin, wissen zu wollen, ob er, dem Mosetext gemäß, eine Steinigung fordert – das hätte ihn jenem Rigorismus zugeordnet, der sonst nur von den Zeloten und ähnlichen Radikalen, andrerseits aber auch von den Sadduzäern bekannt ist (die Extreme berühren sich!) – oder ob er sich dagegenstellt, was sofort die zweite Frage nach sich ziehen würde, warum er sich dann nicht der Halacha der Pharisäer anschließt. Längst hatte ja das vorrabbinische mündliche Recht der Pharisäer, insbesondere das der Hilleliten, die Todesstrafen ausgesetzt mit Hilfe unerfüllbarer Zusatzbedingungen (kodifiziert in der Mischna).20 Man kann die Frage nach der Legitimität der Ehescheidung in Mt 5,17– 48 mit unserer Perikope vergleichen. Hier aber, im Johannesevangelium, ist die Frage verfänglicher gestellt. Der Fall ist bereits eingetreten, die quaestio facti ist geklärt (zumal die Frau nicht widerspricht), und Gesetzeshüter erheben die Frage: Wie hat man als Unbeteiligter, jedoch als Mitisraelit, mit diesem Fall zu verfahren – von dem doch Mose sagte, er sei eine Befleckung Israels, die ausgemerzt werden müsste? Was auch immer Jesus jetzt empfehlen wird, ob die Praxis der Steinigung oder die übliche Untätigkeit, es wird ihn kompromittieren, zumal nach dem eben erst erhobenen Anspruch, selbst ein Lehrer in Israel zu sein. Eine 20 Vgl. mSanh 4–11. Eine Gegenprobe hierzu liefert die aramäische Fastenrolle, die für die Zeit des Unabhängigkeitskampfes gegen Rom auch die Rückkehr zum „Töten der Bösewichter“ meldet.
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Aussetzung der Steinigungsstrafe musste, um nicht einfach nur Ignorierung der Mose-Tora zu sein, wenigstens durch die „Überlieferungen der Väter“ oder „der Älteren“ (also die sich bildende Halacha) gerechtfertigt werden. Tut Jesus dies nicht, muss er die Frage gewärtigen, welche Autorität neben (oder gar über?) den genannten er aufzubieten vermag. Tertium non datur? Doch, bei Johannes immer! Angesichts des aufgerichteten Dilemmas weiß der johanneische Jesus die Frage auf die Frager zurückzuspiegeln, in echt sokratischer Weise und zugleich in einer Steigerung des in Mk 10,2–12par. gesagten: „Wer unter euch sündlos ist ...“ (V. 7): Das hebt die Debatte auf ein anderes Niveau. Wer Reinheit in Israel herstellen will, muss selbst rein sein – von jeglicher Sünde (vgl. Mk 7,15par). Es genügt nicht, sich in diesem Fall überlegen zu wissen. Was jedoch die Reinheit Israels betrifft, so wird der johanneische Jesus eine ganz andere Art anbieten, sie herzustellen. Sie beginnt bei den Jüngern durch sein Wort (Joh 13,10; 17,17–19). Doch damit kommen wir tiefer in die johanneische Theologie, als dieser Artikel zu leisten beabsichtigt.
Der ursprüngliche Kontext Diese Skoposbestimmung, wonach Jesus eine Fangfrage nutzt für ein großartiges Angebot, wird unterstützt von dem Kontext, in dem diese Geschichte einst stand, hat man ihn nur erst gefunden. Udo Borses Untersuchung ist ein respektabler Weg dorthin,21 doch umfasst seine Analyse gerade 15 Verse des Johannesevangeliums und nicht das Ganze. Dass die Vergebungsperikope (wie er die unsere zu nennen bevorzugt) und das NikodemusGespräch einen ursprünglichen Kontext bilden, hat er richtig gesehen. Die Platzierung dieses Miteinanders innerhalb der Gesamtheit des Johannesevangeliums bleibt aber, unter vielen anderen Fragen, auch bei ihm offen. Darum nochmals ein Rückgriff ins Literarisch-Technische. Schon lange wurde beobachtet, dass die Orts- und Zeitangaben des Johannesevangeliums, die keine noch so gelehrte Untersuchung zu einem möglichen Ablauf zu vereinigen vermag, Bruchstücke eines einfacheren Entwurfs sind, der nur von zwei Jerusalemreisen Jesu ausging, nicht mehr, aber auch nicht weniger.22 Beide enden an einem Passafest, wobei am Vortag des zweiten, am 14. Nisan, auch Jesu irdisches Leben endet.23 Unsere Passage passt am 21
Vgl. BORSE, Entscheidung (s. Anm. 2), 17–62; Schlussplädoyer: 76f. GÜTING, E., Kritik an den Judäern in Jerusalem, in: F. Siegert (Hg.), Israel als Gegenüber, SIJD 5, Göttingen 2000, 158–201, 181–186. 23 Wie auch Paulus einst zu Ohren kam: „Unser Passa wurde geschlachtet, Christus“ (1Kor 5,7). 22
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besten auf die erste Jerusalem-Präsenz Jesu, jene, die seine Fähigkeiten und Vollmacht nunmehr auch in Judäa zu erweisen hat. Sie ist es, auf der auch der Konflikt am Tempel stattfindet und Jesus, als eine von vielen bildhaften Todesankündigungen, das Tempelwort spricht (Joh 2,14–20).24 Schon Frieder Lötzsch vermutete nun in einem einschlägigen Aufsatz, das fragmentum incertae sedis habe sich ursprünglich am Ende von Kap. 2 (konventioneller Zählung) befunden; erst danach müsste es ausgeschieden oder übersehen worden sein.25 Dies lässt sich anhand einer Rekonstruktion des gesamten Evangeliums (die also über die von Bultmann bis Becker reichenden Versuche hinausgeht) bestätigen, und zwar, wie gesagt, durch Einsetzen der Perikope und ihres Umfeldes in den ersten JerusalemAufenthalt Jesu. Dieser führt zu drei (!) typischen Szenen, die Jesu Besonderheit – bei aller Verwurzelung im Judentum – erweisen. Dies sind: 1. Der Konflikt am Tempel26 (2,14–20), 2. die Zur-Rede-Stellung Jesu in unserer pericopa adulterae (wir dürfen ihr die Lehrtätigkeit Jesu 7,14–18 vorschalten);27 3. das Gespräch mit dem Pharisäer Nikodemus (3,1–10.13–18a.21).28
Danach folgt eine Rückkehr nach Galiläa, wo, nach den früheren zwei (und nicht nur einem)29 dort vollbrachten Zeichen die nächsten beiden stattfinden, ehe auf der abschließenden Jerusalem-Reise auch die drei übrigen sich ereignen, kulminierend in der Auferweckung des Lazarus. Dass, nach einer weiteren Anregung von Frieder Lötzsch,30 in unserer Perikope eine weitere Todesankündigung Jesu enthalten sein dürfte, nämlich das Zeichnen in den Sand, sei nur nebenbei erwähnt: Hier spielt Johannes, 24
pen.
Mit sekundären Kommentar V. 21–25. Solche Anhängsel haben fast alle Johannes-Periko-
25 LÖTZSCH, F., Hellenistische Bezüge im Johannesevangelium, in: J. Kalms/F. Siegert (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Dortmund 2002. Arbeiten aus dem Institutum Judaicum Delitzschianum, MJSt 14, Münster 2003, 205–215; wiederabgedruckt in: DERS., Philosophie der Neuzeit im Spiegel des Judentums, MJSt 19, Münster 2005, 20–29. 26 Fälschlich „Tempelreinigung“ genannt; aber um Reinheit geht es in keiner der erhaltenen Fassungen. 27 Unter Ausschluss der Gesetzespolemik von 7,19–24, die vermutlich zu den schon erwähnten, das Judentum überhaupt ablehnenden Zusätzen gehört. Immerhin würde sie noch besser als oberer Kontext von 8,1–11 passen als das, das jetzt bis 7,52 zu lesen steht. 28 Der Zielsatz dieser Perikope – im kanonischen Text nicht mehr zu erkennen – ist die Aufforderung zum „Tun der Wahrheit“. Sie erweist sich darin als johanneische Parallelbildung zu der Perikope vom Reichen Jüngling (Mk 10,17–22 parr.), was nicht einmal die Aland-Synopse ausweist. Die Übermalungen haben den Sinn dieses Gesprächs unkenntlich gemacht. 29 Der kanonische Text hatte bis dahin nur eines. Doch spricht Nikodemus in 3,2 von „Zeichen“ im Plural. Es handelt sich, außer der Hochzeit zu Kana, auch um die Heilung des Knechts von 4,46b–54. Nach dieser beginnt – 2,13ff – Jesu erster Gang nach Jerusalem. 30 LÖTZSCH, Bezüge (s. Anm. 25), 209f (bzw. 24f).
Die pericopa adulterae (Joh 8,1–11): Ende einer Irrfahrt
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der Ephesier, ein Mann von jüdischer wie griechischer Bildung, an den gewaltsamen Tod des Archimedes durch römische Soldaten an. Das Verbum gravfein heißt ja auch zunächst „zeichnen“ (bei Archimedes waren es Kreise, als man ihn tötete); jedwede Legenden, wonach Jesus hier das Sündenregister der Frau geschrieben habe usw., sind als phantastisch zurückzuweisen.
Ergebnis Bei solcher Einordnung der pericopa adulterae wird deren programmatischer Charakter weit klarer sichtbar als bei ihrer bisherigen Irrfahrt, und wir dürfen nunmehr auf deren Ende hoffen. Sie ist, wie einem die Intuition schon lange hätte sagen können, so johanneisch wie nur irgendeine: Jesus erweist eine unangestrengte, ungekünstelte Überlegenheit, oberhalb jeden Zanks, eine Provokation allein für den Kleingeist. Wenn Johannes Recht hat mit seinem Programm, dass der Logos Mensch wurde und Person, dann kann man es nur als passend und geziemend ansehen, wenn er so redet und handelt wie hier. Keine Gruppenmeinung, kein apokalyptisches Geheimwissen wird vorausgesetzt, um diesen Jesus zu verstehen; und doch ist die Geschichte aus einer genauen Kenntnis der Gruppenmeinungen zu Zeiten des Zweiten Tempels formuliert. Aus Zeitbedingungen lässt der Evangelist zeitlose Wahrheit hervorgehen.
Zugabe Als Zugabe bzw. als Rückgriff auf die noch offene erste Anfangsfrage sei noch gesagt, welcher Ort, welche Zeit und welche Verfasserschaft von dieser Analyse vorausgesetzt und auch wieder bestätigt werden. Alle Nachrichten, die wir aus der Generation des Papias (Mitte 2.Jh.) über den Verfasser des Johannesevangeliums besitzen, weisen ihn als Judäer aus (das ist er schon vom Namen her), der in Ephesus ansässig wurde und dort „noch unter Trajan“ (reg. 98–117) als christlicher Lehrer, ja „Herrenschüler“ (maqhth;" tou' Kurivou) in hohem Ansehen stand.31 Letzterer Titel ist das Synonym zu des Paulus Anspruch, „Apostel Jesu Christi“ zu sein, nämlich aufgrund nachösterlicher Berufung: Im johanneischen Fall ist der nachösterliche Charakter des Verhältnisses sogar noch deutlicher ausgedrückt 31
Für ausführliche Nachweise vgl. Anm. 6.
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durch die Kennzeichnung oJ Kuvrio", die (mit Artikel) stets den auferstandenen Christus meint – wenn wir absehen von Vermischungen der Titulatur und Epochen, die im lukanischen Doppelwerk vorkommen und dort einer Theorie gehorchen, die den Apostolat der ersten Missionare in ihrer Personalidentität mit dem Zwölferkreis begründen möchte. Diese ist, wie der Adressat gegenwärtiger Festschrift klarer als mancher andere gesagt hat, ein Geschichtsmythos.32 Ebenso ist die Eingliederung des Evangelisten Johannes in den Zwölferkreis, die sich erst bei Irenaeus (ca. 180) nachweisen lässt, eine Geschichtsklitterung – was niemanden wundern wird, der weiß, wie in der Antike Genealogien erstellt wurden. Stammtafeln waren Konventionssache. Wenn Irenaeus, selbst Johannesschüler in zweiter Generation, den Judäer bzw. Ephesier Johannes zur Identifikation mit dem Zebedaiden aus Galiläa anbietet, so ist das der Verzicht der Johannesschule auf Eigenständigkeit (etwa in der Passa- bzw. Osterfrage), dies jedoch im Hinblick auf die umso größere Gegenleistung einer Kanonisierung „ihres“ Evangeliums. Von diesem nur im Zustande der Unordnung erhaltenen „Evangelium nach Johannes“, Ergebnis einer offensichtlich von mehreren erstellten Gedächtnisniederschrift von des Johannes sokratisch-mündlicher Lehre, ist das ursprüngliche Evangelium des Johannes wohl zu unterscheiden. Dieser Artikel war eine Kostprobe davon. Ein locus desperatus, den das Unrecht zweier Jahrtausende im Lumpensack des Apokryphen hat landen lassen, erweist sich sogar jenen Geistern überlegen, die einst den Kanon zustande brachten.
32 KOCH, D.-A., The origin, function and disappearance of the ‚Twelve‘: Continuity from Jesus to the post-Easter community?, HTS 61, 2005, 211–229; kürzer in: DERS., Art. Zwölferkreis, RGG 8, 42001, 1956–1958.
III. Paulus verstehen und verinnerlichen
Martin Meiser
Vom Nutzen der patristischen Exegese für die neuzeitliche Schriftauslegung
1. Die Nachfrage nach patristischer Exegese Seit längerem wird der Einbezug der Wirkungsgeschichte auch in die Exegese gefordert und praktiziert. Grundlegend waren Arbeiten von Henri du Lubac1 und Gerhard Ebeling2; als theologische Aufgabe wurde dieser Einbezug vor großem Publikum eingefordert durch Lukas Vischer und David Lerch3, später nochmals durch Josef Ratzinger4 und Georg Picht5. Mittlerweile liegt eine Reihe von Untersuchungen zur patristischen Exegesegeschichte vor, bezogen auf die Hermeneutik der altkirchlichen Theologen oder auf die Auslegung einzelner Verse, Perikopen oder Bücher.6 In die neutestamentliche Wissenschaft eingegangen ist die Forderung zunächst in Form der wirkungsgeschichtlichen Exkurse im „Evangelisch-Katholischen Kommentar“. Mittlerweile widmen sich mehrere wissenschaftliche Großprojekte der Aufarbeitung der Wirkungs- und auch speziell der Auslegungsgeschichte. Am weitesten fortgeschritten ist das für nicht theologisch gebildete Leser gedachte Werk des „Ancient Christian Commentary on Scripture“, das zu jeder Perikope nach einer kurzen Einführung eine Anthologie von Auslegungen bietet, welche die geistliche Schriftlesung des anvisierten Publikums bereichern kann. Auch von der Reihe Blackwell’s Bible sind schon Bände erschienen; dort wird die Wirkungsgeschichte biblischer 1 Vgl. BERTRAND, D., Die Rückkehr zu den Vätern: Ein Weg zur Erneuerung der Theologie. Das Beispiel der „Sources Chrétiennes“, ThQ 172, 1992, 295–306. 2 EBELING, G., Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift, Tübingen 1947 = DERS., Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, Kirche und Konfession 7, Göttingen 1964, 9–27. 3 VISCHER, L./LERCH, D., Die Auslegungsgeschichte als notwendige theologische Aufgabe, StPatr 1, TU 63, Berlin 1957, 414–419. 4 RATZINGER, J., Die Bedeutung der Väter für die gegenwärtige Theologie, ThQ 148, 1968, 267–282. 5 PICHT, G., Theologie in der Krise der Wissenschaft, EvKomm 3, 1970, 199–203. 6 Vgl. hierzu statt einzelner Titel nur die deutschsprachigen Forschungsberichte von HAUSCHILD, W.-D., Der Ertrag der neueren auslegungsgeschichtlichen Forschung für die Patristik, VF 16, 1971, 5–25; MAY, G., Lateinische Patristik. Hilfsmittel, Handbücher, Literatur- und Auslegungsgeschichte, ThR 53, 1988, 250–276; MÜHLENBERG, E., Griechische Patristik II. Bibelauslegung, ThR NF 61, 1996, 275–310; STUDER, B., Neuerscheinungen zur Exegese der Kirchenväter, ThRev 93, 1997, 91–94.
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Partien nicht nur in Theologie und Kirche im engeren Sinne, sondern auch in Literatur und Kunst von der Antike bis zur Gegenwart erfasst. Das „Novum Testamentum Patristicum“ richtet sich an ein wissenschaftlich gebildetes Publikum und will Applikation und Auslegung der einzelnen neutestamentlichen Aussagen in den jeweiligen theologischen, gattungsmäßigen, liturgischen und historischen Kontexten präsentieren. Die Relevanz der Väterexegese auch für gegenwärtige Schriftauslegung erweist sich nach Meinung neuzeitlicher Ausleger weniger auf der Ebene des Einzeltextes als auf der der Hermeneutik, wobei im Einzelnen unterschiedliche Aspekte auf unterschiedliche Intentionen verweisen. Aus griechisch-orthodoxer Tradition stammend erkennt Johannes Panagopulos eine Analogie zwischen der im Sinne des Chalcedonense verstandenen Christologie und der Schriftexegese bei den Vätern: Der in einer Person unvermischt geeinten Gottheit und Menschheit in Christus entspricht das eine Gottes- und Menschenwort der Heiligen Schrift, das sowohl in seinem literarischen als auch in seinem geistigen Sinn erfasst werden will. „Die ‚sach‘-gemäße Bibelexegese soll dann im Sinne der Kirchenväter Jesus als den Christus, den Theanthropos, seine Gottheit und seine Menschheit zugleich, offenbaren und auslegen“.7 Nach Ulrich Körtner liegt die Bedeutung der voraufklärerischen Auslegungspraxis darin, dass sie uns an die Aufgabe der Applikation erinnert.8 Ulrich Luz zufolge nimmt die Schriftauslegung der Kirchenväter „jene Ganzheit von Erklären und Verstehen von der Analogie des Glaubens her vorweg, die uns heute zerbrochen ist. Ihr gelingt es, die Bibel als Einheit und nicht als atomisierte Sammlung einzelner Texte zu verstehen.“9 Wirkungsgeschichtliche Hermeneutik erinnert daran, „dass wir als Bibelausleger nicht einfach autonome Subjekte in ei7 PANAGOPULOS, J., Christologie und Schriftauslegung bei den griechischen Kirchenvätern, ZThK 89, 1992, 41–58, hier 57f. Er betont den engen Zusammenhang zwischen Christologie und Hermeneutik und warnt: „Jede Verkürzung der Christologie hat unbedingt die Verkürzung der biblischen Hermeneutik zur Folge“ (a.a.O., 58). 8 KÖRTNER, U.H.J., Der inspirierte Leser. Zentrale Aspekte biblischer Hermeneutik, Göttingen 1994, 81. – Inwieweit die Applikation in die wissenschaftliche Hermeneutik hineingehört, ist umstritten. Marius Reiser hat gegen Luzens Ausklammerung der Applikation aus einer wissenschaftlichen Hermeneutik an Gadamers Auffassung erinnert, „dass Anwendung ein ebenso integrierender Bestandteil des hermeneutischen Vorgangs ist wie Verstehen und Auslegen“ (REISER, M., Bibel und Kirche. Eine Antwort an Ulrich Luz, TThZ 108, 1999, 62–81, hier 80). – Auf einer anderen Ebene liegt die Frage, inwieweit die Applikation angesichts der Pluralität möglicher Textsinne in einer wissenschaftlichen Hermeneutik untergebracht werden kann. Immerhin kann der Aufweis der begrenzten Pluralität möglicher Textsinne zwar nicht positive Applikationen erzwingen, aber fragwürdige Applikationen aufdecken helfen. 9 LUZ, U., Die Bedeutung der Kirchenväter für die Auslegung der Bibel. Eine westlichprotestantische Sicht, in: J.D.G. Dunn u.a. (Hg.), Auslegung der Bibel in orthodoxer und westlicher Perspektive. Akten des west-östlichen Neutestamentler/innen-Symposiums von Neamt vom 4.-11. September 1998, WUNT 130, Tübingen 2000, 29–52, hier 37.
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nem geschichtslosen Raum sind, sondern uns unserer Geschichte verdanken und durch sie das geworden sind, was wir sind“,10 öffnet uns aber auch die Augen für die Geschichte anderer, nämlich z.B. der römisch-katholischen wie der orthodoxen Christen. Die Auslegung der Kirchenväter erinnert uns daran, „dass hinter der Vielstimmigkeit der Bibel selbst und hinter den vielen Auslegungen der Bibel eine Interpretationsgemeinschaft steht, nämlich die Kirche, und dass auch wir selbst dieser Interpretationsgemeinschaft angehören“.11 In diesen Äußerungen wird zu Recht die Einheit der theologischen Disziplinen eingefordert und an ein Wissenschaftsethos der Bescheidenheit appelliert. Beides soll nicht unterschätzt werden. Doch besteht die Gefahr, dass solche Äußerungen jenseits ihrer Urheber zum schöngeistigen Zitat verkommen, d.h. faktisch der Wirkungslosigkeit verfallen. Zu fragen ist deshalb, ob der Einsichtnahme in die voraufklärerische Schriftauslegung auch in der Arbeit am Einzeltext Nutzen zukommt. Seit der durch Harald Weinrich, Hans Robert Jauss und Wolfgang Iser12 wesentlich beförderten Ergänzung einer rein werk- oder autorenzentrierten Betrachtungsweise durch ein funktionales Verständnis literarischer Werke als Medium der Kommunikation zwischen Autor und Lesern ist auch innerhalb der exegetischen Disziplinen eine rezipientenorientierte Hermeneutik als Ergänzung bzw. teilweise sogar Ersatz für eine autoren- und textzentrierte Hermeneutik wichtig geworden. So ist auch die Frage nach vergangenen Rezeptionsvorgängen gegebener Texte eine Frage, die auf immer noch unabgeschlossene Möglichkeiten auch heutigen Verstehens verweist. Gelegentlich wird die Forderung nach einer Erarbeitung der Wirkungsgeschichte biblischer Texte denn auch explizit mit den Gegebenheiten neuer rezeptionsorientierter Exegese begründet.13 Gleichwohl ist die fundamentale Differenz zwischen voraufklärerischer und rezeptionsorientierter Hermeneutik im Auge zu behalten: Hermeneutik vor der Aufklärung ist insofern autorzentriert, als Gott als der eigentliche Autor der Heiligen Schrift zu stehen kommt, und setzt sich damit nicht bruchlos mit der neuzeitlichen Wendung 10
LUZ, Bedeutung (s. Anm. 9), 43. LUZ, Bedeutung (s. Anm. 9), 44. Zur Kritik an U. Luz vgl. REISER, Bibel (s. Anm. 8). Strittig zwischen Reiser und Luz ist, welche Rolle der altkirchlichen regula fidei für unser Bemühen um das Verstehen der Schrift zukommen kann (REISER, Bibel, 68). 12 WEINRICH, H., Für eine Literaturgeschichte des Lesers, wieder abgedruckt in: DERS., Literatur für die Leser. Essays und Aufsätze zur Literaturwissenschaft, Stuttgart u.a. 1971, 23–34; JAUSS, H.R., Literaturgeschichte als Provokation, Frankfurt (Main) 1970; ISER, W., Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, München 21984, 31990. Die Divergenzen zwischen diesen Programmen (vgl. ISER, Akt, 8) sind hier nicht zu erörtern. 13 THYEN, H., in: Seht euer Gott. Sieben Auslegungen zu Passions- und Ostertexten aus dem Johannesevangelium, zur 51. Bibelwoche 1988/89, hg.v. Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste, Texte zur Bibel 4, Neukirchen-Vluyn 1988, 12; LUZ, Bedeutung (s. Anm. 9), 40. 11
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zur Rezeptionsästhetik fort;14 die Autonomie des Textes gegenüber seinem Autor ist eine theonome Autonomie, der ideale Hörer bzw. Leser der Heiligen Schrift im altkirchlichen Verständnis ist der Gläubige, der nach tieferer, die eigene Lebensgestaltung durchformender Erkenntnis des in ihr offenbarten Heilsmysteriums verlangt.
2. Die Grenzen altkirchlicher Exegese Mit der eben genannten hermeneutischen Differenz ist bereits eine Grenze der Nutzung altkirchlicher Exegese für die neuzeitliche Exegese genannt. Die anderen, allseits bekannten Grenzen der patristischen Exegese sind jedoch ebenfalls im Auge zu behalten: Die Tendenz zur Harmonisierung nicht nur innerhalb der 13 oder 14 Paulusbriefe, sondern der gesamten Heiligen Schrift, ferner die Tendenz zur Allegorisierung, die bei aller Anerkenntnis ihrer damaligen Funktion auf dem intellektuellen Markt15 für die heutige Arbeit am Einzeltext keine Bedeutung mehr haben kann; des weiteren die Tendenz, die Hl. Schrift immer zur Bestätigung der eigenen, als orthodox empfundenen Position zu lesen, in gänzlicher Abgeneigtheit gegenüber jeglicher Form von Selbstkritik. Noch gewichtiger ist jedoch die weitgehende Unkenntnis des Judentums als Wurzelboden einer haltbaren neutestamentlichen Exegese. Von jüdischer Literatur hat man in altkirchlicher Zeit wahrgenommen, was entweder der Erbauung dienen konnte16 oder was der Bestätigung der eigenen christlichen Position diente, also z.B. Josephus als den Geschichtsschreiber der Katastrophe des nicht an Jesus glaubenden Judentums. Das Haupthindernis einer ungebrochenen Rezeption altkirchlicher Exegese ist m.E. der durchgehende Antijudaismus, der sich selbst da bemerkbar macht, wo man wie Origenes und Hieronymus Hebrä14
KÖRTNER, Der inspirierte Leser (s. Anm. 8), 91–93. Für die christliche Antike lässt sich die Funktion allegorischer Schriftauslegung mehrfach bestimmen: 1. Sie soll Aussagen der Heiligen Schrift, deren wörtliches Verständnis zu keinem der Ehre Gottes würdigen Verstehen führt, zu einem solchen Wert verhelfen (der terminus prepev9 [= würdig] ist schon in der paganen Antike leitend, vgl. Xenophanes, frg. 26; Plutarch, De Is. et Os. 78, 383a); 2. sie soll aufgrund dessen Christentumskritiker überzeugen, die an einzelnen Aussagen der Heiligen Schrift Anstoß genommen hatten oder gar das Christentum insgesamt als geistig minderwertig zu beurteilen geneigt waren (vgl. Augustin, conf. 5,14/24; 6,4/6 [CSEL 33, 111; 119f]); 3. sie soll die Christen intellektuell wie emotional der Stimmigkeit eines geschlossenen christlichen Weltbildes vergewissern – u.a. dadurch lässt sich die Tendenz begreifen, jenseits des eben genannten apologetischen Horizontes das Alte Testament in allen seinen Einzelaussagen durchgehend allegorisch auszulegen. 16 Nur deshalb ist einiges von derjenigen Literatur, die z.B. in der Reihe „Jüdische Schriften aus Hellenistisch-Römischer Zeit“ übersetzt und kommentiert ist, auf uns gekommen. 15
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isch-Unterricht bei jüdischen Gelehrten genossen hat. Dort, wo sich solcher Antijudaismus nicht äußert – wie im Ersten Clemensbrief –, darf man wohl kaum eine Haltung annehmen, die von solchem Antijudaismus frei ist: Manchmal bestand vermutlich kein Anlass, sich zum Verhältnis zwischen Christentum und Judentum zu äußern. Nur im steten Bewusstsein aller dieser Grenzen darf man sich legitim an altkirchliche Schriftrezeption und Schriftauslegung heranwagen.
3. Schriftgebrauch und Schrifterklärung Zwischen beiden Begriffen ist mit Basil Studer zu unterscheiden: Schrifterklärung meint den Vorgang der explanatio; das Interesse ist auf die Wahrnehmung und Erklärung des Paulustextes gerichtet. Schriftgebrauch meint den Vorgang der applicatio: Ein Bibeltext wird wegen eines Stichwortes für eine anderweitig motivierte Aussage verwendet, z.B. in Fragen trinitätstheologischer oder christologischer Streitigkeiten oder auch zur ethischen Mahnung.17 Wenn in diesem Beitrag vor allem die explanatio thematisiert wird, dann muss sich gerade der neuzeitliche Neutestamentler vom Fach vor Augen halten, dass die explanatio nur einen Teil antiken Umgangs mit der Schrift ausmacht. Ein damit zusammenhängendes Detail der äußeren Biographie wichtiger Autoren muss man ebenfalls zur Kenntnis nehmen: Damalige Bibelkommentare sind nicht als Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen um das geschichtliche Verstehen eines Textes geschrieben, das sich zuvor mehrfach in Publikationen niedergeschlagen hat, sondern als Vorbereitung für Predigt etc. Dazu sind es manchmal ausgesprochen wissenschaftliche Jugendwerke: Hieronymus schrieb im Sommer 386 seine zumeist aus Origenes geschöpften Kommentare zu Philemon, Galater, Epheser, Philipper ohne Vorarbeiten. Augustinus verfasste im Jahr 394/395 als eine seiner ersten exegetischen Arbeiten einen Kommentar zum Galaterbrief! Damals stand er noch relativ am Anfang seiner christlichen Schriftstellerei. Die Aufgabe eines Kommentators, die Aufgabe der explanatio, formuliert Hieronymus wie folgt: Officii mei est obscura disserere, manifesta perstringere, in dubiis immorari.18 Die Methode der Kommentierung folgt den durch Homerinterpretation und frühjüdische Schriftexegese gegebenen Standards. Neben den durchlaufenden Kommentaren sind formgeschicht17 Vgl. insgesamt STUDER, B., Schola Christiana. Die Theologie zwischen Nizäa (325) und Chalzedon (451), Paderborn/Wien/München/Zürich 1998, 198–229. 18 Hieronymus, in Gal. (CC.SL 77 A, 158).
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lich als Produkte der exegetischen Tätigkeit die Werke der sog. Quästionenliteratur zu berücksichtigen. Wichtige Kommentatoren schreiben auch Werke dieses Zuschnitts, etwa Augustinus und Ambrosiaster sowie Theodoret von Cyrus. In dieser Literatur werden offene Fragen im Geschehensoder Erzählablauf beantwortet, die sich einem aufmerksamen Bibelleser stellen konnten, ferner schwer verständliche Stellen geklärt und Widersprüche bearbeitet. Die Gattung ist ebenfalls schon bei dem Exegeten Demetrios sowie bei Philo von Alexandrien im frühen Judentum vertreten.19 Christen haben diese Methoden übernommen und brauchten sie bald aus ganz eigenen Gründen: Nach einer ersten Phase allgemeiner Christentumskritik eines Tacitus, Plinius, Sueton, Lukian von Samosata und Mark Aurel beginnt eine zweite Phase, in der die Christentumskritiker von sich aus die christliche Schriften lesen, um das Christentum zu verunglimpfen, wie Celsus, Porphyrius und Julian Apostata.
4. Der Nutzen der patristischen Exegese Ein Nutzen der patristischen Exegese in der Arbeit am Einzeltext ist m.E. speziell in der Paulusauslegung gegeben. Zum einen werden die echten Paulusbriefe schon in der Alten Kirche einleitungswissenschaftlich unter Gesichtspunkten gewürdigt, die auch heute noch diskutabel sind (s.u.), so dass man hier nur die Tendenzen altkirchlicher Harmonisierungen berücksichtigen muss. Zum anderen ist zu bemerken, dass in der Auslegung der neutestamentlichen Briefliteratur am allerwenigsten allegorisiert wird.20 Dieser Nutzen21 soll beschrieben werden als Nutzen der Kompetenz der Muttersprachlichkeit wie der philologischen, der kulturellen, der exegetischen und der theologischen Kompetenz.
19
Vgl. Demetrios, fr. 5, 9,29,16 fine; Philo, QG und QE. Zum Galaterbrief sind Ausnahmen nur bei Hieronymus, in Gal. (CC.SL 77 A, 35f) und Marius Victorinus, in Gal. 4,4 (CSEL 81/3, 140) zu erwähnen. 21 Nicht geleugnet werden soll der von dem Jubilar dieser Festschrift dem Autor dieser Zeilen gegenüber mündlich geäußerte Vorbehalt, hier werde eine leicht tendenziöse Auswahl getroffen. Tatsächlich könnte bei anderer Auswahl der vorzuführenden Textwahrnehmungen die Geschichte altkirchlicher Exegese zu einer Satire ihrer selbst mutieren. Doch eine Satire will ich nicht schreiben. 20
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4.1 Die Kompetenz der Muttersprachlichkeit Die nach Nestle/Aland27 wohl ursprüngliche Lesart von Gal 4,25 to; de; ïAga;r Sina` o[ro9 ejstin ejn th/` ÆArabiva/ lässt sich dann leichter verstehen, wenn man mit dem Sprachgebrauch der altkirchlichen Exegeten das Wort tov am Anfang als Verweis auf den Begriff22 versteht, also: der Begriff „Hagar“ verweist auf den Berg Sinai in Arabien. Am Berg Sinai wurde die Tora gegeben; sie ist damit wiederum als das bezeichnet, was in die Knechtschaft führt. Warum wird aber die Arabia genannt? Die Arabia ist das Land, das nach Gen 25,13–15.18; 1Chr 5,10.19 und Ps 83,7 den Söhnen der Hagar gehört, und so liegt der Berg Sinai in der Fremde! Geographie muss hier für theologische Aussagen herhalten.
4.2. Kulturelle Kompetenz Das Sprichwort über die faulen Kreter (Tit 1,12), das Aratoszitat in der Areopagrede (Agp 17,28) und das Menanderzitat im 1. Korintherbrief (1Kor 15,33) belegen Hieronymus zufolge, dass Paulus auch weltlich gebildet war, licet non ad perfectum!23 In diesem Beitrag geht es aber um die kulturelle Kompetenz nicht des Paulus, sondern seiner Ausleger. Die großen Schriftausleger der alten Kirche waren unbeschadet ihres Bekenntnisses zum Christentum natürlich auch in nichtchristlichen antiken Traditionen zu Hause und können aufgrund ihrer Vernachlässigung der zwischentestamentlichen Literatur nicht immer für die Erhebung der Autorenintention, wohl aber für die Ebene der Rezeption der Paulusbriefe ihren Beitrag leisten. Die Nutzung dieser Kompetenz ist grundsätzlich dann, aber auch nur dann möglich, wenn Einzelheiten antiker Kultur zur Sprache kommen, die nicht mit theologischen Interessen befrachtet bzw. nur unter Voraussetzung gediegener Kenntnis des Judentums zu verstehen sind. Einige Beispiele sollen das Gesagte verdeutlichen. Origenes wendet zum Thema „Gesetz“ die Unterscheidung der fuvsei und der qevsei gegebenen Gesetze an und rechnet das mosaische zu Letzterem,24 während Paulus in Röm 2,12–16 und auch in Röm 7,7–13 vom natürlichen Gesetz rede – dem Adam war ja das Verbot des Begehrens Ex 20,17
22
In dieser Funktion steht der Artikel im Neutrum auch vor Begriffen im Maskulinum oder Femininum. 23 Hieronymus, in Gal. (CC.SL 77 A, 139). 24 Origenes, in Rom. (FC 2/6, 82).
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LXX noch nicht bekannt.25 Für Röm 2,12–16 wird man sich daran erinnern lassen, dass in Teilen des hellenistischen Judentums die Tora als Gesetz auch für Nichtjuden angesehen wurde.26 Cyrill von Alexandrien stellt zu 1Kor 1,22 die Unvereinbarkeit der christlichen Verkündigung von Inkarnation und Kreuzestod Christi mit dem griechischen Gottesbild fest: Warum hatte der, „der von Natur aus Gott ist“ (Qeo;n o[nta kata; fuvsin), dies beides nötig?27 In manchen Kommentaren zu 2Kor 8,9; Phil 2,5–11; Röm 15,2f wird die dort genannte Selbsterniedrigung Christi als exemplum bezeichnet.28 Dahinter steht antike Mythentheorie, der gemäß der Mythos nicht nur vom Werden dessen erzählt, was die eigene Weltdeutung begründet und das Verhalten normiert, sondern immer auch nachahmenswerte oder abschreckende Beispiele bereithält. Generell empfiehlt Theodoret von Cyrus das Studium der Heiligen Schrift mit der Begründung, sie enthalte viele nachahmenswerte paradeivgmata.29 Johannes Chrysostomus kommentiert Phil 1,24 unter Einbezug stoischer Begrifflichkeit mit der Erwägung, der Tod sei ein Adiaphoron, weder ein Übel noch ein Gut; ein Übel seien erst die Jenseitsstrafen, ein Gut sei erst das Sein bei Gott.30 Der aus der nichtjüdischen Antike bekannte Gedanke, dass die Welt ohne Herrschaftsstrukturen im Chaos versinkt, ist bei Johannes Chrysostomus in der Auslegung von Röm 13,1 christianisiert; die Existenz von Herrschaftsstrukturen gilt ihm als Werk der Weisheit Gottes,31 und dies gilt ungeachtet dessen, dass einzelne Beamte ihre Gewalt missbrauchen.32
25 Origenes, in Rom. (FC 2/6, 190-198), sowie ders., in Rom. Frg. 37 RAMSBOTHAM (FC 2/6, 198). Johannes Chrysostomus, hom. in Rom. 13 (12),6 (PG 60, 502) hält dagegen, dass der Begriff novmo~ weder bei Paulus noch bei einem anderen biblischen Zeugen auf das Verbot an Adam Gen 2,16f bezogen werde. 26 Johannes Chrysostomus, hom. in Rom. 13 (12),6 (PG 60, 502). 27 Cyrill von Alexandrien, in 1 Cor. (PG 74, 861C). 28 Belege bei MEISER, M., Neuzeitliche Mythosdiskussion und altkirchliche Schriftauslegung, NTS 52, 2006, 145–165, hier 161f. 29 Theodoret von Cyrus, in Paull., prooem. (PG 82, 36A). 30 Johannes Chrysostomus, hom. in Phil. 3,3 (PG 62, 202f). 31 Johannes Chrysostomus, hom. in Rom. 24 (23),1 (PG 60, 615). Theologisch weitsichtig unterscheidet er „Es heißt nicht ‚denn es gibt keine obrigkeitliche Person außer von Gott‘, sondern Paulus spricht von der Einrichtung, wenn er sagt ‚denn ist gibt keine Obrigkeit außer von Gott‘“. Theodoret von Cyrus, in Rom. (PG 82, 193C) begründet diese Abgrenzung: Wie kann von Gott die Wahl eines schlechten Menschen zum Herrscher ausgehen? – Inwieweit hier das Gottesbild griechischer Philosophie im Geheimen einwirkt, dem gemäß Gott als Urheber des Guten und nur des Guten zu denken ist, kann man natürlich fragen; Theodoret bietet eine biblische Begründung für seine Exegese, nämlich Jer 3,15: „Ich will ihnen Hirten nach meinem Herzen geben, die sie mit Verstand weiden sollen“. 32 Johannes Chrysostomus, hom. in Rom. 24 (23),3 (PG 60, 617f).
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4.3. Kommunikative Kompetenz Exegese der Heiligen Schrift hatte sich auch den Anfragen der mittlerweile literarisch an der Bibel selbst geschulten antiken Christentumskritiker zu wehren. Celsus und Porphyrius hatten die Bibel gelesen und manche christentumskritischen Schlüsse aus ihrer Bibellektüre gezogen; Julian Apostata war als Christ aufgewachsen und kannte das Christentum von innen heraus. Dabei betreibt Celsus vornehmlich eine Kritik an Jesus und seinen Jüngern anhand seiner kritischen Lektüre der Evangelien.33 Anders Porphyrius: Er bezieht auch Paulus in die Christentumskritik mit ein. Warum hat Paulus den Timotheus beschnitten, obwohl er im Galaterbrief das Gegenteil predigt und die Beschneidung in Phil 3,2f als Zerschneidung verunglimpft?34 Sind die Urapostel nicht durch das Verhalten des Paulus kompromittiert, mit denen sich der Apostel nicht besprach, wenn es Gal 1,16c heißt: „besprach ich mich nicht mit Fleisch und Blut“?35 Zeigt nicht der antiochenische Zwischenfall (Gal 2,11–14) generell die Unterlegenheit des Christentums36 und speziell, dass Jesus sich in dem Felsenwort Mt 16,19 getäuscht hat?37 Ferner wird Paulus wegen des Widerspruches seiner „gleichsam im Weinrausch“ ausgesprochenen Schelte (Gal 3,1) zu seiner eigenen früheren Erziehung im väterlichen Gesetz (Apg 22,3) von Christentumsgegnern getadelt.38 Porphyrius fragt weiter: Wie kann Paulus zu den bösen Worten Gal 5,12 greifen („Es sollen sich doch gleich verschneiden lassen“), wenn er behauptet, dass Christus in ihm lebt (Gal 2,20), der doch einst angewiesen hatte „Segnet, die euch verfolgen!“ (Mt 5,44).39 Aber auch speziellere Fragen werden angeschnitten, etwa der Widerspruch zwischen Gal 3,10 und Röm 7,12 in der Bewertung des Gesetzes.40 33 Von Paulus ist ihm möglicherweise die christliche Distanzierung von jeglicher Menschenweisheit bekannt (Celsus, nach Origenes, Cels. 3,72 [SC 136, 162]; 6,12 [SC 147, 206], mit möglichen Bezugnahmen auf 1Kor 1,18–25 und 1Kor 3,19), sicherlich die Aussage von der Weltdistanz Gal 6,14b; letztere Stelle zitiert er im Wortlaut (Celsus, nach Origenes, Cels. 5,64 [SC 147, 172]); er nimmt diese Weltdistanz wahr als gemeinsames Kennzeichen der sich – deshalb in seinen Augen unnötig – befehdenden christlichen Gruppen. Ansonsten ist auf Paulus nicht erkennbar Bezug genommen. 34 Porphyrius, fr. 27 (HARNACK, A. VON [Hg.]: Porphyrius „Gegen die Christen“. 15 Bücher. Zeugnisse, Fragmente und Referate, APAW.PH 1916,1, Berlin 1916, 57). 35 HARNACK, Porphryrius (s. Anm. 34), 52, zu Porphyrius. Dieser Dissens zwischen den Evangelisten und Paulus soll das Christentum diskreditieren. 36 Vgl. Hieronymus, in Is. 53,12 (CC.SL 73 A, 597, 27–31). 37 Vgl. Makarios Magnes, apocr. 3,22, mitgeteilt bei HARNACK, Porphyius (s. Anm. 34), 56. 38 Porphyrius, fr. 30 (HARNACK, Porphyrius [s. Anm. 34], 59). 39 Porphyrius, fr. 37 (HARNACK, Porphyrius [s. Anm. 34], 63). Zwar ist das Stück nicht sicher dem Porphyrius zuzuweisen, aber es handelt sich in jedem Fall um den Einwand eines Nichtchristen. 40 Porphyrius, fr. 30 (HARNACK, Porphyrius [s. Anm. 34], 59).
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Solche Notwendigkeit der Rechtfertigung fließt denn auch unabhängig von aktueller Apologetik in die Schriftauslegung ein. Augustinus versteht das Wort des Paulus „Gott weiß, dass ich nicht lüge“ in Gal 1,20 als Schwur;41 dies verlangt den Ausgleich zu Jesu Schwurverbot Mt 5,33–37. Augustinus vollzieht ihn mit dem Gedanken, der Apostel habe deshalb schwören müssen, weil er dem Unglauben der Galater nicht anders beigekommen wäre.42 Die Anrede „O ihr unverständigen Galater“ wirft die Frage auf, ob nicht Paulus dem Verbot Jesu widerspricht, den Bruder einen Toren zu schelten (Mt 5,22). Doch bezieht sich dieses Verbot, so Johannes Chrysostomus, nur auf die unbegründete Schelte – ihm kommt das textkritisch sekundäre eijkh/` in Mt 5,22b zu Hilfe, das er einfach auch für Mt 5,22a gelten lässt.43 Eine positive Würdigung kann diese Anrede von Gal 3,1 da gewinnen, wo sie, verglichen mit anderen, ebenfalls situationsgerechten Anreden (z.B. Phil 4,1; 1Kor 1,10–12) die Weisheit des Seelsorgers Paulus sichtbar macht.44 Der Tadel der Galater ist, so Johannes Chrysostomus, wegen ihrer Gefährdung schärfer als der an die Adresse der Philipper (Phil 3,2).45 Theodoret von Cyrus folgert, dass die Forderung, der Bischof solle „nicht gewalttätig“ sein (1Tim 3,3) nicht ausschließt, dass dann, wenn es nötig ist, auch tadelnde Worte angebracht sind.46 Die oijkonomiva von Kol 1,25 führt für Johannes Chrysostomus aufgrund des Revelationsschemas Kol 1,26 sofort zu der Frage, warum das Christentum erst so spät auf den Plan tritt;47 die Thematik des Presbuvteron krei`tton ist angesprochen,48 die einen Diskussionsgegenstand zwischen Nichtchristen und Christen bildet; das Revelationsschema war wohl nicht von vornherein auf diese Fragestellung hin entworfen, konnte aber m.E.
41 Augustinus, exp. Gal. 9,2–6 (CSEL 84, 63f); Augustinus, serm. 180 5/5 (PL 38, 975), mit der Lesart ecce coram Deo, in der Mitte des Verses. 42 Augustinus, exp. Gal. 9,2–6 (CSEL 84, 63f). 43 Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 647): „Es ist nicht nur einfach gesagt: „Wer seinen Bruder einen Toren nennt“, sondern: „ïO eijkh/` kalw`n …“; ähnlich Augustinus, s. dom. m. 1,9,25 (CC.SL 35,26). 44 Gregor von Nazianz, or. 2,54 (SC 247, 162); Gregor d. Gr., in Ezech. 1,11,20 (SC 327, 472): Die verhärteten Sinne der Galater hätten ohne diese Schelte das von ihnen begangene Übel nicht erkannt. 45 Johannes Chrysostomus, hom. in Phil. 10,1 (PG 62, 257). 46 Theodoret von Cyrus, in 1 Tim. (PG 82, 805D). 47 Johannes Chrysostomus, hom. in Col. 4,2f. (PG 62, 327f). Die Frage wird auch zu Röm 1,2 diskutiert (Johannes Chrysostomus, hom. in Rom. 2,2 (PG 60, 396). 48 Vgl. PILHOFER, P., PRESBYTERON KREITTON. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte, WUNT II 39, Tübingen 1990. Zur antichristlichen Verwendung dieser Maxime vgl. Celsus, nach Origenes, Cels. 2,1; 5,25 (SC 132, 280); 5,47 (SC 147, 74–76) u.a. Auch bei Tacitus, Ann. 15,44 ist das Christentum schon u.a. aufgrund seiner Neuheit diskreditiert.
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nicht zu Unrecht daraufhin appliziert werden.49 Für den Galaterbrief ist hier zu verweisen auf die durchgehend positive Erklärung des paidagwgov9 (Gal 3,24), bei dem David Lull auch in der Neuzeit unsere einseitige Fixierung an einer Stelle bei Plutarch widersprochen hat.50 Nur bedingt sind die Fragen der antiken Christentumskritiker denen ihrer heutigen Nachfahren gleich. Und doch sollten Anstöße älterer und neuerer Christentumskritik nicht vernachlässigt werden – mindestens die uns anvertrauten Studierenden hätten ihren Nutzen davon.
4.4. Exegetische Kompetenz 4.4.1. Der Ausgleich verschiedener Bibelstellen Die genannte Herausforderung des Ausgleichs zwischen verschiedenen Schriftstellen führt zu achtbaren Lösungen bei einigen Fragestellungen, die auch in der Moderne klassisch geblieben sind. Auch jenseits des unmittelbar apologetischen Hintergrundes zeigen sie die exegetische Kompetenz, von der nunmehr zu handeln ist. Zu Jesu Wort in Mt 15,11, dass nichts, was in den Menschen hineingeht, ihn verunreinige, rechnet Hieronymus mit dem Einwand eines klugen Lesers, warum dann Paulus vor dem Genuss des Götzenopferfleisches warnt und den Korinthern einschärft „ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Dämonen“. Heute würde man nicht mehr mit Mt 15,11 als Gegeneinwand gegen Paulus rechnen, trotzdem ist sachlich die Frage berechtigt, wie man etwas als Götzenopferfleisch deklarieren kann, wenn es keine Götzen gibt, also die Opfer, die für sie durchgeführt werden, ohne eigentliche Adressaten sind. Hieronymus antwortet: Jede Speise ist rein, da von Gott geschaffen, doch die Anrufung der Dämonen macht sie unrein51 – die vorgestellte Gemeinschaft mit den Dämonen macht diese nun doch wieder zu wirksamen Mächten. Dass Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus trotz seiner anderslautenden Worte Gal 5,2.4 beschnitten hat, wird mit dem Grundsatz 1Kor 9,20 gerechtfertigt, Paulus wolle den Juden ein Jude werden,52 und mit dem aus 49
Problematisch ist es, wenn dazu auch Gal 3,6–9 herangezogen wird; vgl. Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 651); Theodoret von Cyrus, in Gal. (PG 82, 477C); Johannes von Damaskus, in Gal. (PG 95, 793B). 50 LULL, D.J., „The Law was our Pedagogue“: A Study in Galatians 3:19-25, JBL 105, 1986, 481–498 (486–495). 51 Hieronymus, in Mt. 2,15,11 (CC.SL 77, 129). 52 Origenes, comm. in Rom. 2,13 (FC 2/1, 256–258); Augustinus, c. Faust. 19,17 (CSEL 25/1, 514f). Den Juden sollte demonstriert werden, dass Timotheus in der Schule des Christentums nicht
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1Kor 7,19 entlehnten Gedanken kommentiert, die Beschneidung des Timotheus sei dann legitim gewesen, wenn diese nicht in der Überzeugung der Heilsnotwendigkeit vorgenommen wurde.53 Andere Exegeten beachten die Verschiedenheit der Adressaten im Galaterbrief einerseits, im Römerbrief andererseits: Den Heidenchristen werde verboten, was damals den Judenchristen erlaubt worden sei, und in Röm 3,1–8 wolle Paulus den Judenchristen ihre Privilegien nicht nehmen.54 Die Frage, ob in Gal 2,4f die Verneinung oi|9 oujdev zu lesen sei oder nicht, wird ebenfalls diskutiert. Die Lesart ohne Verneinung (Paulus hat dann tatsächlich nachgegeben) wird historisch damit gerechtfertigt, tatsächlich sei Titus nicht zur Beschneidung gezwungen worden, und der Zusatz wäre sinnlos, wenn Paulus überhaupt nicht nachgegeben hätte;55 zugunsten der Lesart mit Verneinung trägt Hieronymus den bis heute entscheidenden Einwand vor: Hätte Paulus seinen Mitarbeiter Titus beschnitten, hätte das die Argumentation im Galaterbrief unterlaufen, die ja darauf ausgerichtet war, die Galater von der Beschneidung abzuhalten.56 Eine crux interpretum ist zweifellos Gal 4,9 im Zusammenhang mit Gal 5,1: Inwiefern kann die erstmalige Hinwendung der Galater zur Tora als Rückwendung der Galater unter die schwächlichen Elemente benannt werden? Wo dieses pavlin in Gal 4,9 und Gal 5,1 als Problem erkannt wird, stehen realgeschichtliche, soteriologische und heilsgeschichtliche Ausgleichsversuche nebeneinander. Realgeschichtlich deutet man die Wendung stoicei`a tou` kovsmou von der kosmisch begründeten kalendarischen Ordnung jüdischer Festtagsobservanz her auf die Tage selbst57 bzw. auf die Gestirne, von denen die jüdische Observanz bestimmt wird, auf Sonne und Mond.58 Soteriologisch die Verachtung ihrer Gebräuche gelernt hatte (Augustinus, exp. Gal. 41,6f [CSEL 84, 112f]). Ähnlich begründet Johannes Chrysostomus die Beschneidung des Timotheus mit dem Anliegen des Paulus, den Juden ein Jude zu werden und sie allmählich von der Beobachtung der Beschneidung wegzuführen (Johannes Chrysostomus, hom. in Ac. princ. 4 [PG 51, 102]). 53 Hieronymus, in Gal. (CC.SL 77 A, 150); Augustinus, exp. Gal. 41,6f (CSEL 84, 112f). 54 Hieronymus, in Gal. (CC.SL 77 A, 148f). – Probleme ergaben sich von Gal 5,2 her noch in andere Richtung: Origenes sieht sich zum Ausgleich dieser Stelle mit dem anderen Gesichtspunkt bemüßigt, dass bestimmte Gebote des alttestamentlichen Gesetzes, z.B. die Abgaben an die Priester, durchaus wörtlich zu verstehen sind. Er hilft sich mit der Unterscheidung zwischen „Gesetz“ und Geboten etc.; nur vom Gesetz heißt es, es habe den Schatten zukünftiger Güter (Origenes, hom. in Num. 11,1,1–7 [SC 442, 12–18]). 55 Marius Victorinus, in Gal. 2,5 (CSEL 83/2, 113). Anders interpretiert Hieronymus, in Gal. (CCL 77 A, 42.44f), die von ihm abgelehnte Lesart: Nachgegeben hätten Barnabas und Paulus, weil sie überhaupt die Reise nach Jerusalem angetreten hätten. 56 Hieronymus, in Gal. (CCL 77 A, 44). 57 Johannes Chrysostomus, in Gal. (PG 61, 657). 58 Theodoret von Cyrus, in Gal. (PG 82, 485B). – RUSAM, D., Neue Belege zu den stoicei`a tou` kovsmou (Gal 4,3.9; Kol 2,8.20), ZNW 89, 1992, 119–125 hat gezeigt, dass diese Wortverbindung sich stets auf die vier physikalischen Urelemente Feuer, Wasser, Luft und Erde bezieht. In
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gesehen gelten beide Existenzformen, das abgetane Heidentum und die befürchtete Hinwendung zum Judentum, als Stand unter einem novmo9,59 ein douleuvein;60 die wörtliche Observanz der kalendarischen Ordnungen räumt ihnen eine unzulässige Hochschätzung ein, die derjenigen der heidnischen Götzenanschauung gleichkommt,61 bzw. führt zu einem fleischlichen Toraverständnis, das nur auf die Regelung objektbezogener Grundbedürfnisse abhebt.62 Augustinus kennt aber auch den heilsgeschichtlichen Ausgleich: Die wörtliche Observanz der kalendarischen Ordnungen63 gilt ihm als durch Christus überholt und zum Aberglauben mutiert64 und sei deshalb nicht anders zu achten als die heidnische Hinwendung zur Astrologie.65 Warum rechtfertigen die Werke des Gesetzes nicht? Gal 3,10–12 gibt zwei Antworten, die auf den ersten Blick recht disparat wirken: 1. Wer unter dem Gesetz steht, steht unter dem Fluch, weil er das Gesetz nicht wirklich erfüllt – das ist die faktische Antwort; 2. der Gerechte wird durch Glauben leben – das ist die thetische, heilsgeschichtliche Antwort. Johannes Chrysostomus kann die Augen dafür öffnen, dass der Abschnitt Gal 3,10–12 gar nicht so disparat ist. Er expliziert das, was natürlich auch Paulus voraussetzt, nämlich die Herkunft der Tora von dem historischen Mose um 1250 v.Chr., und meint, der Prophet Habakuk habe in Kenntnis von Dtn 27,26 seine Aussage geschrieben66 – die heilsgeschichtliche Neusetzung ist dann in der Tat schon vorangekündigt. Die Vertreter der „New Perspective on Paul“ sind mit dem Vorsatz angetreten, auf dem Hintergrund einer sachlichen Wahrnehmung des antiken Judentums Paulus von den Engführungen reformatorischer Rezeption zu altkirchlicher Exegese wird diese Deutung vertreten bei Clemens von Alexandrien, prot. 65,4 (GCS 12, 50); str. 1,53,1 (GCS 15, 34), während spätere Ausleger andere Deutungen bevorzugen, s.o. 59 Eusebius von Emesa, Galaterkommentar, fr. 14 (BUYTAERT, É.M., L’héritage, 148f*), versteht den wohl von Gal 4,3 her – stoicei`a dev fhsi (scil. Paulus) ta; novmima – eingetragenen Begriff novmo9 als Allgemeinbegriff, der jüdische wie heidnische Lebensweise umfasse. 60 Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 657). Im Geheimen dürfte das Stichwort ejleuqeriva aus Gal 5,1 für diese Bewertung maßgebend sein. 61 Theodoret von Cyrus, in Gal. (PG 82, 488B); Johannes von Damaskus, in Gal. (PG 95, 801BC). 62 Marius Victorinus, in Gal. 4,9 (CSEL 83/2, 145). 63 Gal 4,10 kann jedoch auch innerkirchlich aktualisiert werden: Nach Athanasius ist Gal 4,10f Tadel für denjenigen, der sich von der bevorstehenden Festzeit nicht auch dazu anleiten lässt, die Werke des Fleisches abzulegen, sondern nur die Festzeit als Festzeit hält (Athanasius, ep. fest. 3,1; 6,1 [PG 26, 1372B; 1384A]). 64 Augustinus, c. Faust., 8,2 (CSEL 25/1, 306). Doch behält das Alte Testament, so Augustinus mit Verweis auf 1Kor 10,11, gegen die völlige Abrogation durch die Manichäer seine bleibende Autorität. 65 Augustinus, exp. Gal., 34,3–5 (CSEL 84, 102). 66 Johannes Chrysostomus, in Gal. (PG 61, 652).
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befreien. Einige der wesentlichen Aussagen der „New Perspective“ sind bekanntlich, dass der theologische Ort der sog. paulinischen Rechtfertigungslehre nicht die Frage nach dem geängstigten Gewissen des christlichen Individuums ist, sondern die Frage nach der Möglichkeit des Einbezugs von Nichtjuden in das Gottesvolk,67 und dass sich die Rechtfertigung allein aus Gnaden nur auf das getting in, nicht auf das staying in bezieht.68 Nicht in dem Anliegen der sachgemäßen Würdigung des Judentums, wohl aber in den beiden eben genannten materialen Spitzenthesen hat diese neue Paulusdeutung prominente Vorgänger. Die Notwendigkeit der zuletzt genannten Unterscheidung zwischen getting in und staying in resultiert für altkirchliche Schriftauslegung aus der anderen Notwendigkeit, zwischen Röm 3,28 und Jak 2,20 auszugleichen. Zu Röm 3,28 hält man deshalb einschränkend fest, dass die hier genannten Werke sich nur auf die vorchristliche Zeit beziehen; nur dem werdenden Christen komme die Rechtfertigung ohne des Gesetzes Werke zu, während der Christ seinen Glauben in der Liebe (Gal 5,6) und in guten Werken zu betätigen habe.69 Origenes formuliert zu Röm 3,28 den Satz:70 „Indulgentia namque non futurorum, sed praeteritorum criminum datur.“
Ähnlich haben sich Johannes Chrysostomus, Theodoret von Cyrus und Beda Venerabilis geäußert; sie alle benennen ferner als ursprünglichen Kontext von Röm 3,28 die Apologie für die Errettung auch der Heiden gegenüber jüdischen Vorwürfen.71 Auch Faustus von Riez nimmt teilweise moderne Positionen vorweg, indem er im Zuge des Ausgleichs zwischen Röm 4,4f und Jak 2,17f daran festhält, dass Gal 2,16 nur die Negation der Werke des Gesetzes festhält, soweit diese einen soteriologischen Sonderstatus der Juden begründen
67 STENDAHL, K., Der Jude Paulus und wir Heiden. Anfragen an das abendländische Christentum. Aus dem Amerikanischen von U. Berger, KT 36, München 1978, 11; SANDERS, E.P., Paul, the Law, and the Jewish People, Philadelphia 1983, 18. 68 Zur grundlegenden Unterscheidung zwischen getting in und staying in vgl. SANDERS, E.P., Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich zweier Religionsstrukturen. Aus dem Amerikanischen von J. Wehnert, StUNT 17, Göttingen 1985, 18. 69 Augustinus, div. qu. 76,2 (CC.SL 44 A, 220); c. Faust. 22,27 (CSEL 25/1, 622); spir. et litt. 16,28 (CSEL 60, 182); f. et op. 21 (CSEL 41, 62) u.ö. Gegen ein Scheinchristentum, einen Glauben ohne Werke sind Jak 2,20 und Gal 5,6 gleichermaßen gerichtet; vgl. Augustinus, Io. ev. tr. 10,1 (SC 75, 408); Cäsarius von Arles, serm. 136,1 (CCL 104, 757f); Beda Venerabilis, hom. 1,8 (CCL 122, 57); ep. Iac. 2,15–17 (CCL 121, 197). 70 Origenes, in Rom. 3,9 (FC 2,2, 136). 71 Johannes Chrysostomus, in Rom. (PG 60, 446); Theodoret von Cyrus, in Rom. (PG 82, 85B); Beda Venerabilis, in Iac. 2,20 (CC.SL 121, 199); vgl. ferner Augustinus, div. qu. 76,2 (CCL 44 A, 220).
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könnten;72 dass die Christen gute Werke tun sollen, ist in Gal 6,10 und 1Kor 15,58 sowie Mt 5,16 deutlich genug bezeugt.73 4.4.2. Die Pragmatik der Paulustexte Die rhetorische Schulung wichtiger Autoren macht sich positiv in ihren Ausführungen zur Textpragmatik bemerkbar. Auch hierzu müssen einige Beispiele genügen. Johannes Chrysostomus zufolge will Paulus mit den Ausführungen zu Röm 13,1–7 die ungläubigen Machthaber dem Christentum geneigt machen und die Gläubigen zum Gehorsam erziehen; er will damit den Gerüchten der stavsi9 und der kainotomiva wehren und sich die parrhsiva für die Verkündigung des Glaubens erhalten.74 Der Galaterbrief wird durchgehend ausgelegt als ein zielgerichtetes Schreiben, bei dem Paulus fast mit jedem Wort die Situation der Galater im Auge hat. Nur einige Proben davon seien gegeben, jetzt nicht mehr nur aus Johannes Chrysostomus: Die Wendung „Paulus, berufen nicht von Menschen“ in Gal 1,1 soll gegenüber den Galatern den Status des Paulus als eines gleichberechtigten Apostels bezeugen,75 die Wendung „und alle Brüder mit mir“ in Gal 1,2 soll ihnen klar machen, dass Paulus mit seiner Position nicht allein steht.76 Das Fehlen der Danksagung ist schon Origenes aufgefallen.77 Gal 1,11–2,14 macht die Galater zu Zeugen der Biographie des Apostels.78 Gal 3,1 wird als Übergang zur eigentlichen theologischen Beweisführung, Glaube und Gesetz betreffend, bedacht.79 Gal 3,1ff wird als probatio bei Theodor von Mopsuestia, als demonstratio bei Augustinus bezeichnet.80 Die Argumente mit dem Verweis auf die eigene Erfahrung der Galater in Gal 3,1–581 und Gal 4,682 sind wie die conclusio a minore ad 72
Auf die Rolle der Tora als identity marker und als boundary für Israel gegenüber der nichtjüdischen Umwelt verweist wiederholt James D.G. Dunn, vgl. hier nur DUNN, J.D.G., Die neue Paulus-Perspektive. Paulus und das Gesetz, KuI 11, 1996, 34–45, hier 39. 73 Faustus von Riez, grat. 1,4 (CSEL 21, 17–19). 74 Johannes Chrysostomus, hom. in Rom. 24 (23),1 (PG 60, 616). 75 Marius Victorinus, in Gal. 1,1–2 (CSEL 83/2, 97); Hieronymus, in Gal. (CC.SL 77 A, 12); Augustinus, exp. Gal. 2,3–6 (CSEL 84, 57f). 76 Johannes Chrysostomus, in Gal. 1,13,4; Theodor von Mopsuestia, in Gal. (SWETE, 4). Johannes von Damaskus, in Gal. (PG 95, 777B) bemerkt: Deshalb erwähnt Paulus nicht nur sich selbst oder nur zusätzlich Timotheus und Silvanus (vgl. Hieronymus, in Gal. [CC.SL 77 A, 13]). 77 Origenes, comm. in Rom. 1,9 (FC 2/1, 110–112). – Die lateinischen Kommentatoren des 4. Jh. greifen das nicht auf. 78 Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 616); vgl. Theodoret von Cyrus, in Gal. (PG 82, 465D); Johannes von Damaskus, in Gal. (PG 95, 781B). 79 Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 647); Augustinus, exp. Gal. 19,1 (CSEL 84, 76). 80 Theodor von Mopsuestia (SWETE, 36); Augustin, exp. Gal. 19,1 (CSEL 84, 76). 81 Ambrosiaster, in Gal. 3,3,2 (CSEL 81/3, 31); Theodoret von Cyrus, in Gal. (PG 82, 476C); Hieronymus, in Gal. (CC.SL 77 A, 68).
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maius Gal 3,15–1883 auf Unwiderleglichkeit ausgerichtet. Der Verweis auf Abraham ist bedingt durch dessen Wertschätzung seitens der Galater bzw. der antipaulinischen Agitatoren.84 Die Tatsache der Schriftzitation soll dem Eindruck wehren, das Folgende sei nur gewaltsam eingetragen.85 In Gal 3,19–24 weist Paulus den Einwand zurück, den ihm auch ein anderer hätte machen können, er halte das Gesetz für unnötig.86 Der paränetische Teil, den die altkirchlichen Exegeten durchweg mit Gal 5,13 beginnen lassen, ermahnt die Adressaten, nicht durch ihren Lebenswandel den Kritikern des Paulus Auftrieb zu geben87 oder den Kritikern den Eindruck zu vermitteln, dass erst durch die Auferlegung der Tora die Galater zu einem Leben in Sittlichkeit erzogen würden.88 Selbst der letzte Vers kann wie ein Kurzkompendium des Briefes empfunden werden aufgrund der Wendung „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi“, denn Ambrosiaster kommentiert: Geredet ist nicht von der Gnade des Gesetzes.89 Nahe liegt der Einwand, der Galaterbrief als Dokument der Selbstabgrenzung des Christentums vom Judentum habe den altkirchlichen Christen besonders nahegelegen. Ein Blick in die Kommentierung anderer Paulusbriefe zeigt jedoch, dass solche Textpragmatik auch unabhängig von einem antijüdischen Wahrnehmungshorizont erschwinglich war. Als Beispiel sei die Kommentierung von 1Kor 1,1f durch Theodoret von Cyrus benannt: Die Worte „Paulus berufener Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes“ implizieren: Die Korinther sollen nicht auf sich selbst vertrauen, sondern auf Gott. Das Syntagma „die Gemeinde Gottes zu Korinth“ benennt die Gemeinde als Gemeinde Gottes, nicht dieses oder jenes Menschen. Die Korinther werden als berufen und heilig bezeichnet: Sie sollen nicht nur untereinander harmonisieren, sondern auch mit anderen Christen. Die Bitte „Gnade sei mit euch und Friede“ zeigt, dass diese Gottesgaben bitter nötig sind für die Korinther angesichts ihrer Spaltungen.90 1Kor 8,7 („Aber nicht alle haben die Erkenntnis“) zeigt, dass 1Kor 8,1b („Was das Götzenopferfleisch angeht, so haben wir alle die Erkenntnis“) ironisch gemeint ist.91 82
Theodoret von Cyrus, in Gal. (PG 82, 488A). Theodor von Mopsuestia, in Gal. (SWETE, 44); Johannes von Damaskus, in Gal. (PG 95, 797B). 84 Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 650). 85 Theodor von Mopsuestia, in Gal. (SWETE, 39). 86 Theodor von Mopsuestia, in Gal. (SWETE, 36). 87 Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 669). 88 Ambrosiaster, in Gal. 5,13 (CSEL 81/3, 58), vgl. Augustinus, exp. Gal. 43,7 (CSEL 84, 117); Theodoret von Cyrus, in Gal. (PG 82, 496B). 89 Ambrosiaster, in Gal., 6,18 (CSEL 81/3, 68); vgl. Pelagius, in Gal. (SOUTER, 343); Johannes Chrysostomus, in Gal. (PG 61, 680). 90 Theodoret von Cyrus, in 1 Cor. (PG 82, 228D–229C). 91 Theodoret von Cyrus, in 1 Cor. (PG 82, 285D.289D). 83
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Manchmal hilft aber auch eine Fehlanzeige. Marius Victorinus rückt den Galaterbrief in die Nähe des genus deliberativum, nicht des genus iudiciale, legt sich aber nicht eindeutig auf eine strikte Zuordnung fest. Dass er als geschulter Rhetor das nicht tat, sollte auch heutige Nachfolger warnen.92 4.4.3. Einleitungsfragen Äußerungen zu den Einleitungsfragen finden sich zumeist in den argumenta der Einzelkommentare wie der Reihenkommentare. Methodisch wird die relative Chronologie der Paulusbriefe wie heute anhand der Reisepläne und der persönlichen Grüße des Apostels bestimmt.93 Die Voranstellung des Römerbriefes in den damaligen Bibelhandschriften entspringt nicht der äußeren Chronologie, sondern verdankt sich dem Charakter des Römerbriefes als einer pantodavph didaskaliva.94 Die Datierung des Galaterbriefes schwankt schon damals: Johannes Chrysostomus datiert ihn vor dem Römerbrief, Theodoret von Cyrus danach.95 Für die Lokalisierung bieten die altkirchlichen Kommentare wenig Hilfe, weil der Verweis auf die Galatikhv cwvra in Apg 16,6 im Zweifelsfall harmonisierend wirkt. Auch die Methoden der Bestimmung gegnerischer Positionen sind mit den heute traditionell gewordenen Methoden kommensurabel, dementsprechend ihre Ergebnisse: Dass die Gegner des Paulus in Galatien die Christusverkündigung nicht ersetzen, sondern die Toraobservanz hinzufügen wollen, ist bei Marius Victorinus durchgehender Schlüssel zur historischen Analyse.96 Auch die gelegentliche neuzeitliche Tendenz, die Gegner des Galaterbriefes mit den Gegnern des Zweiten Korintherbriefes in eine Linie zu stellen, hat Vorläufer in altkirchlicher Schriftauslegung.97 Abschließend sei nochmals an den Vorbehalt erinnert, dass sich das Studium altkirchlicher Autoren hinsichtlich der Einleitungsfragen am ehesten bei den echten Paulusbriefen lohnt, weil hier ausschließlich die Tendenzen der Harmonisierung in Abzug zu bringen sind.
92 COOPER, S., „Narratio“ and „Exhortatio“ in Galatians according to Marius Victorinus Rhetor, ZNW 91, 2000, 107–135. 93 Theodoret von Cyrus, in Paull., prooem. (PG 82, 37B–44A). 94 Theodoret von Cyrus, in Paull., prooem. (PG 82, 44B). 95 Johannes Chrysostomus, hom. in Rom. 1 (PG 60, 393); Theodoret von Cyrus, in Paull., prooem. (PG 82, 41C). 96 Marius Victorinus, in Gal. 1 (CSEL 83/2, 95). 97 Vgl. Theodor von Mopsuestia, in Gal. (SWETE, 1); Theodoret von Cyrus, in 2Cor (PG 82, 376B).
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4.5. Theologische Herausforderung Hier muss ein Beispiel genügen. Durch die Geschichte der Paulusforschung seit dem 19. Jh. zieht sich wie ein roter Faden die Diskussion um die Frage nach dem quantitativen und qualitativen Verhältnis zwischen der sog. juridischen und der physisch-mystisch-ethischen Terminologie.98 In bewusster Anknüpfung an Albert Schweitzer betont Ed Parish Sanders, dass nicht die Rechtfertigungsaussagen, sondern die Aussagen vom Sein in Christus und vom Geist die Mitte der paulinischen Theologie bedeuten.99 So zielen Röm 6,3–11; 7,4; Gal 2,19f; 5,24; 6,14 nicht auf eine Sühnetodtheologie, sondern auf die Teilhabe an Christi Tod, durch die man der Macht der Sünde und des alten Äons stirbt und infolgedessen Gott angehört.100 Man sollte m.E. keine falschen Alternativen aufbauen. Juridische Terminologie benennt die Basis des Heilsgeschehens, partizipatorische Terminologie dessen Aneignung, mimetisch-paradigmatische Terminologie101 dessen ethische Umsetzung. Eher wird man, gerade wenn man mit Sanders die Relevanz von Gal 2,19f; 6,14 betont, die Provokation dieser Aussagen noch stärker hervorheben müssen. Die Betonung der Relevanz von Gal 2,19f; 6,14 ist nicht neu. Sanders hat seinen Vorgänger vor allem in Origenes. Gerade Gal 2,20a bezeichnet die erst eigentlich relevante causa finalis102 des Heilswirkens Christi, die sich in der Hingabe an Gott103 in einem neuen ethischen Wandel, vornehmlich in der Weltdistanz104 und in der Absage an die Sünde105 konkretisiert, und kann insofern geradezu als Inbegriff christlicher Vollkommenheit gelten.106
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Für die Paulusforschung im 19. Jh. vgl. SCHWEITZER, A., Geschichte der Paulinischen Forschung von der Reformation bis auf die Gegenwart, Tübingen 1911. 99 SANDERS, E.P., Paulus (s. Anm. 68), 414. 100 SANDERS, E.P., Paulus (s. Anm. 68), 443. 101 Zu diesem Begriff vgl. MEISER, Mythosdiskussion (s. Anm. 28), 160f. 102 Origenes, hom. in Lc. 22,3 (FC 4/1, 242): „Was hätte es dir denn genutzt, dass Christus einst im Fleisch kam, wenn er nicht bis in deine Seele gekommen wäre? Lasst uns darum beten, dass er täglich zu uns komme und dass wir sagen können: ‚Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir‘ “ (Übersetzung SIEBEN, FC 4/1, 243). 103 Origenes, hom. in Num. 24,2,7 (SC 461, 174); Athanasius, ep. fest 5,3; 7,3 (PG 26, 1381C.1391C). 104 Origenes, hom. in Num. 7,3,3 (SC 415, 182), als Auslegung zu Koh 4,2; vgl. dann Eusebius von Cäsarea, Ps. 62,1–3 (PG 23, 604D; PG 23, 637D zu Ps 64,6); Basilius von Cäsarea, hom. in psalm. 7, 3 (PG 29, 236A); Hilarius von Poitiers, in psalm. 118, 8,5 (SC 344, 262); in psalm. 138,37 (CSEL 22, 771). Auf Gal 6,14 verweisen Ambrosius, in Luc. 10,7 (CCL 14, 347); Petrus Chrysologus, serm. 140 ter (CCL 24 B, 857). 105 Origenes, comm. in Rom. 5,8 (FC 2/3, 146). Aus späterer Zeit vgl. Hieronymus, in Amos 2,4,10 (CCL 76, 267); in Is. 12,41 (CCL 73 A, 472), zu Jes 41,8–16 (zu mortuus aus Jes 41,14). 106 Origenes, Jo. 1, 23 (SC 120, 72); ders., hom. in Lev. 7,2 (SC 286, 320).
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Zweifellos hat die allgemeine altkirchliche Weltdistanz das ihre zu dieser Gewichtung von Gal 2,19f beigetragen, doch ist diese Auslegung nach altkirchlicher Hermeneutik nicht unverständlich: Die Themen „Weltdistanz“ und „Absage an die Sünde“ ergeben sich zwanglos daraus, dass Gal 2,19b; 5,24; 6,14 durch das Verbum staurovw miteinander verbunden sind. Ein Blick in eine neuzeitliche Konkordanz verrät nun, dass die Wortgruppe staurov9 bei Paulus, wenn sie sich nicht eindeutig auf das historische Kreuz des irdischen Jesus bezieht, tatsächlich stets die Abtötung des eigenen NurMenschlichen zum Inhalt hat. Historisch-kritisch ist dann zu fragen: Wie kommt der judenchristliche Autor Paulus zu Aussagen, die sich in der Zeit der Alten Kirche bei unverändertem Wortlaut doch so stark mit platonischer Abwertung des Leiblichen und des Nieder-Seelischen verbinden lassen? Letztlich ist diese Sicht herausgewachsen aus der jüdischen Abwertung alles Heidnischen, die in der Anrede an die Neugetauften den Bruch mit der eigenen, pauschal negativ gesehenen Vergangenheit scharf akzentuiert hat. Hierfür wiederum ist m.E. die innere Konvergenz zwischen dem letzten Dekaloggebot und griechischer Philosophie entscheidend: In griechischer Philosophie ist die Begierde als eine der Hauptaffekte verpönt, das zehnte Dekaloggebot beginnt mit den Worten mh; ejpiqumhvsei9; diese einleitenden Worte sind im frühen Judentum isoliert und verabsolutiert wahrgenommen worden; die benannte Konvergenz ist bei Philo von Alexandrien107 ausdrücklich festgestellt. An die sexualfeindlichen Tendenzen der späteren frühjüdischen Literatur sei hier nur erinnert; das Hohelied der Liebe hat literaturgeschichtlich keinen Nachfolger gefunden. Ein Blick auf die Kommentierung von Gal 2,19f ermöglicht aber auch noch eine Hilfe in der exegetischen Alltagsarbeit. Die Kommentierung von Gal 2,19f als Teil eines konkret an die Galater gerichteten Schreibens hat von jeher Schwierigkeiten bereitet, nicht erst heute. In damaliger Zeit wirkt in der Mehrheit der Kommentare auf den ersten Blick die aus anderen Zusammenhängen sattsam bekannte Weltdistanz ein und lässt die Stelle als Aussage zur christlichen Ethik erscheinen. Auch heute stehen sich i.W. zwei Richtungen gegenüber: Albert Schweitzer und Ed Parish Sanders sehen die Christusmystik im Vordergrund,108 andere Ausleger, nämlich Theodor Zahn, Heinrich Schlier und Franz Mußner eine ethische Aussage getroffen.109 Erkennt man nun, dass in der altkirchlichen Auslegung nicht nur die allgemein bekannte Weltdistanz einPhilo, decal. 173. SCHWEITZER, A., Die Mystik des Apostels Paulus, Tübingen 1930 = 1981, 216; SANDERS, Paulus (s. Anm. 68), 443. 109 ZAHN, T., Der Brief des Paulus an die Galater, KNT 9, Leipzig 31922, 133f, SCHLIER, H., Der Brief an die Galater, KEK 7, Göttingen 121962, 63; MUSSNER, F., Der Galaterbrief, HThK 9, Freiburg 1974, 181. 107 108
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wirkt, sondern auch die vorhin zur Wortgruppe staurovw anhand der Konkordanz feststellbare Tatsache im Hintergrund steht, dann fällt die Entscheidung für die ethische Deutung umso leichter: Gal 2,19b–20 bereiten m.E. den paränetischen Abschnitt Gal 5,13–6,10 vor, der zeigen will, dass eine beschneidungsfreie Theologie nicht automatisch zur Sünde führt, und Gal 2,19f sind insofern auch eine implizite Antwort auf die Frage von Gal 2,17, warum denn Christus nicht als Diener der Sünde erfunden wird.
5. Zusammenfassung Je nach Standpunkt sind überzogene Befürchtungen oder auch Erwartungen nicht angebracht. Doch kann die Wahrnehmung altkirchlicher Exegese in mehrfacher Weise innerhalb der Neutestamentlichen Wissenschaft erhellend sein: 1. Altkirchliche Exegese partizipiert an gewissen Eigenheiten antiker Kultur im Vergleich zu anderen Kulturen, etwa im Bereich des Rezeptionsverhaltens. Auch und gerade die Wahrnehmung antiker Christentumskritiker kann für die Erhellung antiker Lesegewohnheiten aufschlussreich sein. 2. Die Anerkennung der Paulusbriefe als Teil der Heiligen Schrift führt für die altkirchliche Exegese zu neuen intertextuellen Bezügen, die nach heutiger Sicht eher unter die traditionsgeschichtlichen Voraussetzungen fallen. Gewiss hat der Prozess des Kanonischwerdens der paulinischen Briefe im speziellen das Rezeptionsverhalten ihrer Leser geändert und im Allgemeinen zu einer Transformation griechisch-römischer Kultur beigetragen. Aber die neu gewonnenen Sinnbezüge setzen teilweise auch gute Möglichkeiten der historischen Rekonstruktion wie der theologischen Deutung frei. 3. Manchmal kann patristische Exegese als Hilfe zur Selbstkontrolle dienen. Einiges, was heute als crux interpretum gilt, war es damals auch schon. Hier gilt in der Tat Koh 1,9: Es geschieht nichts Neues unter der Sonne. Das kann zu Gelassenheit führen – und auch zur Selbstkritik mahnen: Wie zwingend kann unsere Argumentation dann wirklich sein? Wenn patristische Exegese eine bestimmte Interpretation nicht kennt oder aber vehement ablehnt, dann kann man fragen, ob es nur die Traditionsgebundenheit dieser Autoren ist, die eine solche Ablehnung motiviert. Wenn patristische Exegese eine bestimmte Interpretation einhellig favorisiert, sollten wir uns nach unseren Gründen für unsere andere Entscheidung befragen lassen.
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Diese Hilfe zur Selbstkontrolle bietet altkirchliche Exegese natürlich nur dann, wenn nicht eine der anfangs benannten Grenzen altkirchlicher Schriftauslegung im Spiel ist, die Tendenz der Harmonisierung, die Unkenntnis des jüdischen Hintergrundes oder gar die antijüdische Attitude, die diese Exegese durchgehend durchzieht. Altkirchliche Exegese taugt nicht zur romantischen Flucht in eine vermeintlich heile voraufklärerische Welt. Diese Welt war nicht heil, und sie war keineswegs so widerspruchsfrei, wie dies manchmal vermutet wird. Von daher taugt sie erst recht nicht zu jedweder theologiepolitischen Instrumentalisierung. Altkirchliche Kommentatoren können unsere Gesprächspartner sein, sie sind aber nicht unsere Herren.
Joachim Jeska
Paulus verorten, verstehen und verinnerlichen Plädoyer für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Apostel im Religionsunterricht
Ein Plädoyer zugunsten einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Apostel Paulus ist im universitären Kontext zweifellos ungewöhnlich, wird doch kaum ein neutestamentlicher Autor wegen seiner grundlegenden theologischen Erörterungen unter wissenschaftlichen Theologen – und zwar in sämtlichen Disziplinen – so sehr geschätzt wie Paulus. Seine Briefe stehen im Fokus exegetischer Forschung und eröffnen zudem systematisch- und praktisch-theologische Diskussionen zu Gegenwartsproblemen, sind mithin weit davon entfernt, als rein historische Dokumente archiviert zu werden. Insbesondere letzteres gilt es gegenüber all denjenigen zu konstatieren, die eine Text- und Exegeseorientrierung der Universitätstheologie ausmachen, in deren Folge es an religiöser Deutungskompetenz im Hinblick auf aktuelle Phänomene mangele. So bedeutend allerdings die Schriften des Apostels im gesamten universitär-theologischen Kontext oder etwa für Pastorinnen und Pastoren sind,1 so randständig fristen sie ihr Dasein im Religionsunterricht der Sekundarstufe I.2 Einblicke in die Vorgaben für den Religionsunterricht und in ausgewählte Schulbücher sollen diese Einschätzung bestätigen. Die Gründe dafür sind vielschichtig, können hier freilich nur ansatzweise aufgezeigt werden. Die Briefe des Paulus gelten vielen Lehrerinnen und Lehrern etwa im Blick auf die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I als zu schwierig oder unanschaulich, so dass nur sehr knappe Passagen und überhaupt wenige Texte in den Unterricht eingebracht werden. Zudem wird darauf verwiesen, dass die soziokulturellen, historischen und religionswissenschaftlichen Hintergründe, die zum Verständnis der paulinischen Briefe notwendig sind, den Schülerinnen und Schülern so fern lägen, dass ein Zugang dazu äußerst schwierig sei. Konsequent werden jene
1 Die unterschiedliche Einschätzung der Bedeutung paulinischer Schriften zwischen Pastorinnen/Pastoren und ihren Gemeindegliedern lohnt das Forschen, kann aber im Rahmen dieses Beitrages nicht erörtert werden. 2 Diese Untersuchung ist beschränkt auf Evangelischen Religionsunterricht der Sekundarstufe I an niedersächsischen Gymnasien (Klassen 5–10), weil der Autor hier selbst unterrichtet.
Paulus verorten, verstehen und verinnerlichen
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Schriften und theologischen Erörterungen häufig gemieden.3 Schließlich geht es in diesem Zusammenhang auch um das Einbringen neutestamentlicher Texte und Theologumena überhaupt. Einblicke in Vorgaben und Schulbücher erlauben zu konstatieren, dass unter den neutestamentlichen Schriften den Evangelientexten höchste Relevanz zukommt und mit ihnen Jesus Christus im Fokus des Religionsunterrichtes steht. Das soll an dieser Stelle nicht kritisiert werden, mir scheint aber, dass Paulus demgegenüber zu wenig Beachtung erfährt, und ich möchte dafür plädieren, dem Apostel mehr Raum und damit mehr Geltung zu verschaffen. Die Motivation dafür ist nicht, dass Schülerinnen und Schüler paulinisches Leben und Denken nur als ein Beispiel urchristlicher Biografie und Theologie kennen lernen sollen, sondern dass sie dieses auf ihre Wirklichkeitserfahrung beziehen sollen, um sie zu bewältigen oder zu verändern und schließlich die Tradition aus heutiger Perspektive sachkritisch zu befragen. Tatsächlich muss es dabei einerseits um die religiösen und kulturellen Hintergründe der Texte – also der paulinischen Briefe als Primärquelle wie der Apostelgeschichte als einer sekundären Quelle über Paulus – gehen und andererseits um die jeweiligen Kontexte, also die Schriften als ganze. Allein so ist gewährleistet, dass einzelne Textausschnitte nicht nur „gebrochene Steine“ aus einem unübersichtlichen Steinbruch sind, in dem sich Schülerinnen und Schüler in ihrer gesamten Schullaufbahn niemals zurechtfinden. Es wird sich dabei zeigen, dass paulinische Briefe und die Apostelgeschichte auch Jugendlichen eine Deutungskompetenz für zentrale Fragen unserer Zeit vermitteln können. Doch dafür ist es notwendig, den Apostel und seine Schriften allererst zu verorten, dann zu verstehen und schließlich so zu verinnerlichen, dass die Lernenden ein klar definiertes Bild dieses überaus engagierten Theologen vor Augen haben und Theologumena auf ihre Lebenswirklichkeit beziehen können. Wenn ich mit einem solchen Plädoyer den Jubilar ehren möchte, dann geschieht das im Wissen darum, dass Dietrich-Alex Koch im Rahmen seiner Lehrtätigkeit stets an einer sehr fundierten exegetischen Ausbildung künftiger Religionslehrerinnen und Religionslehrer lag. Geringere Ansprüche an die Absolventen von „Lehramtsseminaren“ als an solche von „Pfarramtsseminaren“ zu stellen, kam für ihn nicht in Frage.
3
Vgl. dazu die Äußerungen von B. MELTZOW, der eine Unterrichtseinheit für das Paulus Online Spiel der EKD erarbeitet hat (http://www.lehrer-online.de/url/paulus-online, Stand: 2/2007).
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1. Die Rolle des Paulus in den Vorgaben des Kultusministeriums Die erst jüngst erfolgte Auflösung der Orientierungsstufe und Eingliederung der Schuljahrgänge 5 und 6 in die weiterführenden Schulen in Niedersachsen4 hat dazu geführt, dass die Vorgaben des Kultusministeriums für die Sekundarstufe I überarbeitet werden mussten. Den Rahmenrichtlinien (RRL EvRel) für die Schuljahrgänge 7–10 wurden die Curricularen Vorgaben (CV EvRel) für die Schuljahrgänge 5–6 vorangestellt.5 Zugleich wurde ein Spiralcurriculum für diese sechs Schuljahre entworfen, demzufolge zwölf Leitbegriffen jeweils für einen Doppeljahrgang ein Leitthema zugeordnet wurde.6 Zudem stellen die Verfasser dieser Vorgaben mögliche Unterrichtsinhalte und -methoden dezidiert vor, teilen also den Lehrenden mit, wie diese Vorgaben zu konkretisieren sind. Auch wenn es sich freilich nur um mögliche Inhalte im Sinne einer „Planungshilfe“ handelt,7 so dienen doch jene Konkretionen Fachkonferenzen und Lehrenden als Arbeitsgrundlage.
1.1 Curriculare Vorgaben für die Schuljahrgänge 5/6 am Gymnasium An nur vier Punkten verweisen die Verfasser der Curricularen Vorgaben 5/6 auf Paulus: So wird im Rahmen „Biblischer Geschichte und ihrer Symbole“ Apg 16,25–40 als eine „Symbolgeschichte vom Haus“ vorgeschlagen (CV EvRel 12), seine Biografie gilt als ein mögliches Beispiel für die biografische Erarbeitung des Themas „Meine Träume – meine Wünsche – Wegweiser in die Zukunft“ (CV EvRel 22), Röm 8,38f fungiert innerhalb des Leitthemas „Trauern und Trösten“ als Beispieltext dafür, dass der Tod nicht das Ende ist (CV EvRel 23), und schließlich sollen am Ende der Einheit „Jesus von Nazareth in seiner Zeit und Umwelt“ Blicke auf die Statio4 Die Orientierungsstufe existierte in Niedersachsen von 1972 bis 2004, anfangs allerdings noch nicht flächendeckend. 5 „Die Curricularen Vorgaben ergänzen die ‚Rahmenrichtlinien für das Gymnasium – Schuljahrgänge 7–10, Evangelischer Religionsunterricht‘ und legen den Rahmen für den Unterricht in den Schuljahrgängen 5 und 6 verbindlich fest.“ (Niedersächsisches Kultusministerium [Hg.], Curriculare Vorgaben für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5/6, Evangelischer Religionsunterricht, Hannover 2004, 4). 6 „Die Leitbegriffe sollen einen aufbauenden Lernprozess (5/6, 7/8 und 9/10) ermöglichen und werden in den Curricularen Vorgaben 5/6 sowie in den Rahmenrichtlinien 7–10 für jeden Doppeljahrgang durch didaktisch konzipierte Leitthemen entfaltet“ (a.a.O., 5) – siehe die Übersicht am Ende dieses Aufsatzes. 7 Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.), Rahmenrichtlinien für das Gymnasium, Schuljahrgänge 7–10, Evangelischer Religionsunterricht, Hannover 2003, 13.
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nen der Missionsreisen des Paulus geworfen werden, denn: „Die Sache Jesu geht weiter“ (CV EvRel 16). Auf dieser Basis kann kaum ein Bild von Paulus entstehen, das Grundlage für eine intensivere Beschäftigung mit dem Apostel sein kann. Das ist unter anderem deswegen zu bedauern, weil sich die Schülerinnen und Schüler zeitgleich im Geschichtsunterricht die kulturelle und religiöse Welt der Griechen und Römer erarbeiten. Auf die sich hieraus ergebenden möglichen Synergieeffekte soll noch eingegangen werden.8
1.2 Rahmenrichtlinien für die Schuljahrgänge 7–10 am Gymnasium Für den Doppeljahrgang 7/8 wird Paulus an drei Punkten relevant: Seine Person gilt als ein Beispiel für die Erfahrung, dass die biblische Botschaft zum Leben und Handeln befreit (RRL EvRel 16), die Episode des Demetrius-Aufruhrs (Apg 19,23–40) wird zum Thema „Gott und die Götter“ vorgeschlagen (RRL EvRel 18) und „der Christ“ Paulus wird zum möglichen Inhalt für die Begegnung mit dem Judentum (RRL EvRel 22). Für den Doppeljahrgang 9/10 schließlich verweisen die Verfasser auf folgende Punkte: Neben Luther soll Paulus im Rahmen der Rechtfertigung/Befreiung und der „Suche nach Glück und Heil“ thematisiert werden (RRL EvRel 27; 37), 1Kor 13 dient als Beispieltext für „Liebe und Sexualität als Gottes gute Schöpfungsgabe“ (RRL EvRel 35) sowie 1Kor 15 als Beispieltext für die Frage nach der Todesüberwindung (RRL EvRel 39). Diese sehr vereinzelten Bezugnahmen auf die Person des Paulus und vor allem seine Theologie lassen es als schwierig erscheinen, dass die Schülerinnen und Schüler den Apostel und seine Anliegen in dem Sinne verinnerlichen, dass sie ihn als Gesprächspartner für Gegenwartsfragen nutzen können. Dieses Urteil verstärkt sich, wenn man einzelne Schulbücher darauf hin durchschaut, welche Bedeutung in ihnen Texte aus den paulinischen Briefen bzw. der Apostelgeschichte haben.
8
S.u. zu 4. Konkretionen (S. 224).
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2. Die Bedeutung des Paulus in drei neueren Schulbüchern 2.1 „Kursbuch Religion 2000“ und dessen Neubearbeitung 2005 Im ersten und dritten Band des von Gerhard Kraft, Dieter Petri, Heinz Schmidt und Jörg Thierfelder herausgegebenen „Kursbuch Religion 2000“ fristet der Apostel Paulus ein rechtes Schattendasein. Für die Klassen 5 und 6 wird auf ihn an zwei Stellen Bezug genommen, beide Male im Blick auf den frühchristlichen Gottesdienst: Zunächst wird im Kapitel zur Entstehung des Neuen Testaments auf das Abfassen von Briefen mit einem fiktiven Brief und dem Abdruck von 1Kor 1,1–3 hingewiesen, wobei zudem das Abendmahl thematisiert und 1Kor 11,20–22 abgedruckt wird. Im darauf folgenden Kapitel wird im Rahmen des Abschnittes „Christen im Römischen Reich“ eine ersonnene Geschichte über einen frühchristlichen Gottesdienst dargeboten, wobei auf Röm 12,4–8 angespielt und jene Stelle zum Nachlesen empfohlen wird.9 In der Neubearbeitung von 2005 wird die erste Stelle ersatzlos gestrichen, die zweite unverändert übernommen.10 Noch knapper fassen die Autoren den Apostel im Band für den Doppeljahrgang 9/10 in den Blick. Lediglich innerhalb der Einheit „Sterben – Tod – Auferstehung“ ist 1Kor 15,20f.42–44 zu lesen, das Kreuz wird ohne jegliche Bezugnahme auf Paulus thematisiert.11 In Klasse 7/8 können die Schülerinnen und Schüler allerdings deutlich mehr über den großen Heidenmissionar erfahren, denn dieser Band enthält eine fünfzehnseitige Einführung in das Leben und Denken des Apostels: „Wege von Gott her – Paulus“. Thematisiert werden anhand des Lebenslaufes Bekehrung, Mission, Apostelkonvent, Prozess und Tod. Zudem ermöglichen die Autoren Einblicke in paulinische Erörterungen der Gemeindekonzeption, Sklaverei und Auferstehung, allerdings werden mit Ausnahme der Narrenrede 2Kor 11,17.20.22–30 nur Paraphrasen originaler Textabschnitte dargeboten.12 Zweifellos lässt sich durch diese Einheit ein grundlegendes Bild des Paulus entwerfen, aber die Bezugnahmen darauf an anderen Stellen des gesamten Kursbuches Religion in den verschiedenen Bän-
9
BAUR, K. U.A., Kursbuch Religion 2000, Bd. 1, Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 5./6. Schuljahr, hg. v. Kraft, G. u.a., Stuttgart/Frankfurt am Main 1997, 170f.189. 10 BAUR, K. U.A., Das Kursbuch Religion, Bd. 1, Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 5./6. Schuljahr, hg. v. Kraft, G. u.a., Stuttgart/Braunschweig 2005, 169. 11 DIERK, H. U.A., Kursbuch Religion 2000, Bd. 3, Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 9./10. Schuljahr, hg. v. Kraft, G. u.a., Stuttgart/Frankfurt am Main 1999, 74f. 12 DIERK, H. U.A., Kursbuch Religion 2000, Bd. 2, Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 7./8. Schuljahr, hg. v. Kraft, G. u.a., Stuttgart/Frankfurt am Main 1998, 61–75.
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den sind nur marginal.13 Die einführende Einheit sowie die Bezugnahmen werden in die Neubearbeitung des Doppeljahrgangs 7/8 aus dem Jahr 2005 nahezu unverändert übernommen.14
2.2 „Religionsbuch“ Eine ganz ähnliche Herangehensweise wählen die Autoren des von Ulrike Baumann und Michael Wermke herausgegebenen „Religionsbuches“. Auch hier spielen paulinische Texte oder Theologumena im ersten und dritten Band kaum eine Rolle. Für Schüler/innen der Klassen 5/6 wird innerhalb der Einheit zur frühen Christentumsgeschichte, in der Barnabas als Protagonist fungiert, die Biografie des Apostels in zehn kurzen Zeilen nur äußerst grob skizziert, zusätzlich wird eine freie Erzählung des Schiffbruchs (Apg 27f) beigegeben.15 Den Schüler/innen der Klassen 9/10 wird der Apostel beinahe völlig vorenthalten, allein innerhalb der Einheit „Menschen nach Maß“ ist ein Lesehinweis auf 1Kor 1,25–27 im Hinblick auf die Wesensmerkmale des Menschen zu entdecken.16 Wie im „Kursbuch Religion 2000“ so entfalten die Autoren auch hier im zweiten Band, dem für den Doppeljahrgang 7/8, Grundsätzliches zu Leben und Denken des Heidenmissionars. Das geschieht auch in ähnlichem Umfang: Auf sechzehn Seiten wird die paulinische Biografie nacherzählt: Bekehrung, Taufe Lydias (Paulus in Philippi), Gott und Götter (Paulus in Athen), Gemeindekonzeption (Paulus in Korinth), Glaubensgerechtigkeit und Gebetserhörung (Paulus in römischer Gefangenschaft). Wieder aber sind die Erarbeitenden sehr zurückhaltend, wenn es um Originaltexte geht: Es werden nur 2Kor 5,17 und Röm 8,38f abgedruckt.17
13 Im Band für den Doppeljahrgang 7/8 sind nur noch zu nennen: der Abdruck von 1Kor 15,3– 8 innerhalb der Jesus-Einheit zum Thema Auferstehung (a.a.O., 107) und der Lesehinweis auf 1Kor 12,12–27 in Bezug auf die „Kirche in der Welt“ (a.a.O., 171). 14 DIERK, H. U.A., Das Kursbuch Religion, Bd. 2, Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 7./8. Schuljahr, hg. v. Kraft, G. u.a., Stuttgart/Braunschweig 2005, 138–153; vgl. die Lesehinweise auf 1Kor 13 (a.a.O., 19); Röm 3,22–24 (a.a.O., 104) und 1Kor 12,12–27 (a.a.O., 173) und die Abdrucke von 1Kor 15,3–8 (a.a.O., 69), Röm 2,14f (a.a.O., 105); 13,10 und Gal 5,14 (a.a.O., 113). 15 BAUMANN, U. U.A., Religionsbuch 5/6, hg. v. dies./Wermke, M., Berlin 2001, 130. Außerdem wird Röm 4,16–24 bezüglich des Vertrauens auf Gott paraphrasiert (a.a.O., 30). 16 BAUMANN, U. U.A., Religionsbuch 9/10, hg. v. dies./Wermke, M., Berlin 2002, 88. 17 BAUMANN, U. U.A., Religionsbuch 7/8, hg. v. dies./Wermke, M., Berlin 2001, 16–31.
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2.3 „Religion entdecken – verstehen – gestalten“ In dem von Gerd-Rüdiger Koretzki und Rudolf Tammeus herausgegebenen Werk „Religion entdecken – verstehen – gestalten“ wird Paulus im ersten Band vorgestellt, allerdings nur sehr kurz. Unter „Die Sache Jesu geht weiter“ finden sich auf zwei Seiten eine frei erzählte Darstellung der Bekehrung sowie ein frei formulierter kurzer Brief des Apostels an die Christen im Rom zum Thema Judentum und Gesetz. In der Ideen-Ecke werden Aufgaben zur Erarbeitung eines Steckbriefes und der Missionsreisen gemacht.18 In dem Band für den Doppeljahrgang 7/8 allerdings ist nur ein einziger paulinischer Text zu entdecken, und zwar Gal 3,28f im Themenkomplex „Frauen in der Kirche“. Diesem Text wird eine fiktive Geschichte über das umstrittene Pauluswort zum Schweigen der Frauen in der Gemeinde beigegeben, um insgesamt zu erweisen, dass der Apostel alles andere als frauenfeindlich genannt zu werden verdient.19 Etwas mehr Raum wird Paulus im Folgeband eingeräumt, schließlich wird 1Kor 12,12–21.26f im Themenkomplex „Kirche“ abgedruckt,20 1Kor 13,4–8 zum Thema „Identität – Liebe – Partnerschaft“ und 1Kor 15,3–6.35–44 sowie Apg 9,1–9.18 für die Erarbeitung der Bedeutung von „Kreuz und Auferstehung“.21 Zwar wird im ersten Band durch einen biografischen Zugang eine, wenn auch schmale Grundlage vorgestellt, doch werden die möglichen Anknüpfungspunkte in höheren Schulklassen nicht genutzt – Paulus bleibt für die Schülerinnen und Schüler auf diese Weise eher verborgen, als dass er verstanden wird.
3. Impulse für eine intensivere Auseinandersetzung mit Paulus Die Beispiele zeigen, dass der Apostel Paulus im Religionsunterricht der Sekundarstufe I nur sehr eklektisch wahrgenommen wird.22 Hin und wieder wird auf Textausschnitte verwiesen, allerdings kann ein umfassendes Bild dieses bedeutenden Theologen kaum entstehen. Wohl wird in zwei der drei 18 BADEN-SCHIRMER, S. U.A., Religion entdecken – verstehen – gestalten. 5./6. Schuljahr, hg. v. Koretzki, G.-R./Tammeus, R., Göttingen 2000, 90f.97. 19 Von FRITSCHEN, U. U.A., Religion entdecken – verstehen – gestalten. 7./8. Schuljahr, hg. v. Koretzki, G.-R./Tammeus, R., Göttingen 2001, 74f. 20 Derselbe Text wird in einer freien Nacherzählung bereits im Band für die Schuljahre 5/6 abgedruckt (BADEN-SCHIRMER, Religion [s. Anm. 18], 15). 21 GERHOLD, H.-G. U.A., Religion entdecken – verstehen – gestalten. 9./10. Schuljahr, hg. v. Koretzki, G.-R./Tammeus, R., Göttingen 2002, 42.58.109.112. 22 Über diesen Aufsatz hinaus wäre es interessant, Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen einer empirischen Studie danach zu befragen, wie sie mit den Vorgaben und dem Schulbuchmaterial in der Praxis umgehen und Paulus im Unterricht thematisieren.
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besprochenen Unterrichtswerke ein einführendes Kapitel dargeboten, doch ist dieses inhaltlich in der Regel beschränkt auf die Biografie des Paulus, seine Bekehrung und Missionsreisen. Dabei trauen die Autoren den Lernenden kaum zu, Paulustexte im originalen Wortlaut zu lesen. Schließlich steht sein Denken ebenso wenig im Vordergrund wie die Kontexte der gewählten Beispieltexte. Was etwa im 1. Korintherbrief oder im Römerbrief insgesamt thematisiert wird, bleibt im Dunkeln.23 Die Schülerinnen und Schüler erhalten auf diese Weise kaum Kenntnis von paulinischem Denken und Theologie, worauf dann in der Oberstufe zurückgegriffen werden könnte, um Texte des Apostels eingehend zu analysieren.24 Besonders bemerkenswert sind zudem die Leerstellen: Zu den Themen Kreuz und Rechtfertigung sucht man paulinische Texte zumeist vergeblich, auch werden Gerechtigkeit, Schöpfung, Schuld und Vergebung sowie Juden und Christen in der Regel ohne Hinweis auf die Theologie des Paulus thematisiert. Doch die paulinischen Schriften und die Apostelgeschichte als sekundäre Quelle zum Leben des Paulus eignen sich aus vielerlei Gründen für eine intensivere Auseinandersetzung im Religionsunterricht des beginnenden 21. Jahrhunderts in Deutschland. Dabei soll nicht einem rein historisch oder kulturgeschichtlich motiviertem Umgang mit der Bibel das Wort geredet und eine Musealisierung der christlichen Religion befördert werden,25 wohl aber ist einer zu beobachtenden „Enttraditionalisierung“ des Christentums entgegen zu treten.26 Insbesondere ist freilich darauf zu achten, inwiefern paulinische Themen und Texte Bezüge zur Gegenwart erlauben und in personaler Interaktion erarbeitet werden können. Wir bewegen uns hier also auf dem schmalen Grat der Beschäftigung mit biblischen Texten im Religionsunterricht überhaupt: Auf der einen Seite droht das Verkommen biblischer Texte zu versteinerten Relikten aus längst vergessenen Tagen, auf der anderen Seite droht die allein an den Bedürfnissen heutiger Schülerinnen und Schüler orientierte Auslassung biblischer Texte oder die eklektische „Steinbruch-Exegese“. Diese für alle Arbeit mit biblischen Texten grundsätzliche Gratwanderung ist im Falle der Texte des Apostels Paulus insofern verschärft, als seine Texte in der Regel recht unanschaulich und nicht 23 Eine Lücke versucht FISCHER, H., Stundenblätter Paulus. Sekundarstufe I, Stuttgart/Dresden 1993 zu schließen, indem er eine 15-stündige Unterrichtseinheit zum Apostel vorlegt, doch lässt sich auch dort eine auf die Biografie fokussierte Herangehensweise erkennen, die Paulus vor allem als „Paradigma für die Behandlung kirchengeschichtlicher Themen“ begreift (a.a.O., 7). 24 Z.B. bei der Interpretation von Röm 3 und 7, Gal 3, 1Kor 15 oder 2Kor 5 (vgl. Rahmenrichtlinien für das Gymnasium, Evangelische Religionslehre, Gymnasiale Oberstufe, Hannover 1985). 25 Derartige Zugänge zur Bibel kritisiert GRETHLEIN, C., Fachdidaktik Religion. Evangelischer Religionsunterricht in Studium und Praxis, Göttingen 2005, 253.295 zu Recht. 26 Eine solche konstatiert z.B. KUNSTMANN, J., Religionspädagogik. Eine Einführung, Tübingen/Basel 2004, 255, indem er darauf verweist, dass „der momentane Bedarf“ mehr über Gültigkeiten bestimmt als die Tradition.
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immer leicht zugänglich sind. Ist man also aus theologischen und didaktischen Gründen davon überzeugt, dass die intensive Beschäftigung mit paulinischem Leben und Denken weiterführend ist, so müssen geeignete Methoden angewendet werden, dieses sachangemessen und rezipientenorientiert umzusetzen.27 Im Folgenden sollen einige Impulse – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – verdeutlichen, zu welchen Gegenwartsthemen und Sachfragen die Wurzeln der christlichen Religion betreffend sich die intensivere Auseinandersetzung mit dem Apostel Paulus lohnt.
3.1 Pluralität und Identität Wir leben am Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland in einer religiös pluralen Welt. Neben den sehr unterschiedlichen Situationen christlicher Kirchen in Ost- und Westdeutschland und der größer werdenden Gruppe religiös Distanzierter, ist auf die wachsende Zahl religiös verwurzelter Migranten (etwa Moslems oder orthodoxer Christen) ebenso hinzuweisen wie auf die Attraktivität esoterischer oder para-religiöser Religionsformen.28 Das wirkt sich freilich auch auf Jugendliche aus. Die jüngste Shell Jugendstudie verdeutlicht, dass sich unter Jugendlichen die Zahl außerkirchlicher Religionsformen sichtbar erhöht hat, mithin „eine Pluralisierung religiöser Angebote zu beobachten“ ist.29 Daraus ergibt sich auch eine verstärkte Tendenz zu individueller „Patchwork-Religiosität“.30 Zu Recht fordern Religionspädagogen auf der Grundlage dieser Situationsanalyse, die Pluralität der religiösen Welt in dem Sinne anzunehmen, dass weder die Pluralität „an sich“ das Ziel religionspädagogischen Arbeitens sei noch die Rückführung der Pluralität auf eine Einheit. Vielmehr müsse die Vielfalt allererst bejaht werden, um dann in einem dialogischen Prozess nach Wahrheit suchen zu können. Nur auf diese Weise könne der 27 In zwei Tagungen für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema „Paulus im Religionsunterricht“ am Religionspädagogischen Institut Loccum in den Jahren 2005 und 2006 habe ich gemeinsam mit Dietmar Peter Wege zu zeigen versucht, etwa einen erfahrungsorientierten Zugang zum wachsenden Weizenkorn als einem Bild für die Auferstehung (1Kor 15,35–44). Vgl. auch den bibliodramatischen Zugang zum „Dramatiker“ Paulus von BALDERMANN, I., Einführung in die biblische Didaktik, Darmstadt 1996, 185–194. 28 Zu verweisen ist z.B. auf die differenzierte Beschreibung von ENGLERT, R., Dimensionen religiöser Pluralität, in: ders. u.a., Entwurf einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik, Religionspädagogik in pluraler Gesellschaft, Band 1, Gütersloh/Freiburg i.B. 2002, 17–50. 29 HURRELMANN, K. U.A., Eine pragmatische Generation unter Druck – Einführung in die Shell Jugendstudie 2006, in: Shell Deutschland Holding (Hg.), Jugend 2006. Eine pragmatische Generation unter Druck, Frankfurt am Main 2006, 31–48, 43. 30 Vgl. GRETHLEIN, Fachdidaktik (s. Anm. 25), 161f.
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Wahrheitsanspruch des Christentums wie der anderer Religionen entfaltet werden.31 Um einem religiösen Eklektizismus zu wehren, sollte dabei m.E. der Anspruch auf Positionalität ebenso thematisiert werden wie die Problematik der Patchwork-Religiosität. Dazu wird notwendig sein, identitätsbildende Aspekte substantieller religiöser Traditionen zu erarbeiten und nicht etwa nur ein Panoptikum religiöser Vielfalt darzubieten. Dafür nun scheint mir im evangelischen Religionsunterricht der Sekundarstufe I Paulus ein idealer Kommunikationspartner zu sein. Der als Jude geborene ehemalige Christenverfolger und Heidenmissionar Paulus lebt und wirkt in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft, in der Patchwork-Religionen und polytheistische Entwürfe allgegenwärtig sind. Als bekehrter Christusgläubiger steht er zwischen dem monotheistischen Judentum, dem Polytheismus in hellenistisch-römischer Ausprägung und der Vielfalt von Privat- und Mysterienkulten, die in der Regel nicht exklusiv sind. Zudem hat die jüngere neutestamentliche und judaistische Forschung gezeigt, dass die Grenzen zwischen „jüdisch“ und „griechisch“ keineswegs so scharf zu ziehen sind, wie man in der älteren Forschung annahm: „Das Jüdische und das Griechische sind aber nie statische Entitäten gewesen.“ Vielmehr kam es immer wieder zu Neuorientierungen und Transformationen. Was aus unserer Perspektive heute so fest gefügt aussieht, war sehr viel dynamischer, als oft angenommen wird.32 Inmitten dieser Pluralität bildet Paulus eine religiöse Identität aus, indem er das Evangelium von Jesus als dem Christus sowohl gegen hellenistische Lebensweisheit und Religiosität abgrenzt als auch gegen jüdische Frömmigkeit (Röm 1–3; 1Kor 1,20–25; vgl. Apg 17). Diese Identitätssuche mit ihren Chancen und Gefahren sowie die Frage nach der Rolle des entstehenden Christusglaubens in der multireligiösen Gesellschaft sind es wert, auf die Probleme unserer Zeit bezogen zu werden. Denn seine Abkehr vom Judentum und seine Bekehrung sind nicht nur deshalb bedenkenswert, weil damit eine neue Sicht auf das Verhältnis zwischen Gott und Mensch verbunden ist,33 sondern weil hier ein „Gründervater“ fundamentale Fragen seines Glaubens und seiner Theologie thematisiert und schließlich als Konvertit über seine neue Haltung zur Herkunftsreligion Auskunft gibt. Im Blick auf paulinische Texte wie 1Thess 1–2; 1Kor 8–10; Gal 4 lässt sich das Neben- und Gegeneinander der Religionen sowie die Frage nach den eine Religion konstituierenden Aspekten erarbeiten. Zudem halte ich es für 31
So ZIEBERTZ, H.-G., Grenzen des Säkularisierungstheorems, in: R. Englert, u.a. (Hg.), Entwurf einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik, Religionspädagogik in pluraler Gesellschaft, Band 1, Gütersloh/Freiburg i.B. 2002, 51–85. 32 VEGGE, T., Paulus und das antike Schulwesen. Schule und Bildung des Paulus, BZNW 134, Berlin/New York 2006, 487–490, Zitat: 489. 33 Darin erschöpfen sich nahezu alle angebotenen Unterrichtsmaterialien.
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wichtig, die Abgrenzungsbemühungen des Paulus gegenüber dem Judentum zum Unterrichtsgegenstand der Beschäftigung mit dieser monotheistischen Religion werden zu lassen, weil hier ein Zugang zur schwierigen Geschichte der christlich-jüdischen Konflikte ermöglicht wird.34 Es ist ein lohnendes Unterfangen, im Corpus Paulinum auf Spurensuche der Identitätsbildung innerhalb einer religiös pluralen Welt zu gehen und Paulus als Anstoß für gegenwärtige Fragen nach religiösen Wahrheiten zu verstehen. Dabei kann es auch sinnvoll sein, die paulinische Bewertung heidnischer Religiosität als Idolatrie in den Blick zu nehmen. Zwei Gründe nämlich sind für diese Einschätzung des Apostels maßgeblich: Heiden halten leblose Kultbilder für Orte göttlicher Präsenz und Macht (z.B. 1Kor 12,2; 1Thess 1,8–10), und darüber hinaus lehnen sie die Christusverkündigung ab.35 Es stellt sich also in diesem Zusammenhang die Frage nach dem lebendigen Gott und damit nach der Wirkmächtigkeit des Göttlichen in der Welt. Dieses wiederum ist einer der Aspekte religiösen Nachdenkens, der Jugendliche in hohem Maße interessiert, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass para-religiöse Glaubensformen, etwa der Glaube an Schicksal, Sterne und ihre Konstellationen, an unerklärliche Phänomene oder gute und böse Geister unter Jugendlichen weit verbreitet sind – 58 % schreiben einem dieser Phänomene Einfluss auf ihr Leben zu, worin sich „ein Ausweichen auf einen Ersatz für Elemente der kirchennahen Religiosität“ ausdrückt.36
3.2 Kommunikation und Entwicklung der Theologie Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Apostel ist in religionspädagogischer Hinsicht von großem Interesse, dass der Heidenmissionar seine Theologie im Dialog mit seinen Gemeinden entwirft und variierend fortschreibt. Insbesondere für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, die ihre eigene „Theologie“ erst entwickeln müssen, ist es von exemplarischer Bedeutung, dass einer der bedeutendsten christlichen Theologen kein 34 In dieser Frage ist es zudem lohnend, die jüngere exegetische Diskussion um die „new perspective“ der paulinischen Darstellung des Judentums und deren kritische Weiterführung zu verfolgen und unterrichtlich zu nutzen. Vgl. dazu die Übersicht bei FREY, J., Das Judentum des Paulus, in: O. Wischmeyer (Hg.), Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe, Tübingen 2006, 5–43, 35–42. 35 Vgl. dazu WOYKE, J., Götter, ‚Götzen‘, Götterbilder. Aspekte einer paulinischen ‚Theologie der Religionen‘, BZNW 132, Berlin/New York 2005, 452f. 36 GENSICKE, T., Jugend und Religiosität, in: Shell Deutschland Holding, Jugend 2006 (s. Anm. 29), 203–239, 212f, der allerdings darauf hinweist, dass es auch eine große Gruppe von Menschen gibt, die diese Ausweichbewegung nicht vollziehen, da sie zu allen Formen des Glaubens in deutlicher Distanz stehen (a.a.O., 214).
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geschlossenes theologisches System vorlegt, sondern Einblicke in die Entwicklung seiner Theologie erlaubt. Es ist m.E. für Jugendliche und ihre Lebenspraxis interessant, die kommunikativen Grundlagen des paulinischen Denkens kennen zu lernen und zu verstehen, dass sich Theologumena durch unterschiedliche Lebenssituationen sowie die Kommunikation mit anderen Christen durchaus verändern können. Beispielhaft kann hier die Rücknahme der Naherwartung in 1Kor 15,50–58 gegenüber 1Thess 4,13–18 erarbeitet werden. Grundsätzlich gilt es dabei das Phänomen der brieflichen Kontaktpflege der frühen Christen zu erörtern und in Beziehung zu setzen zum multimedialen Austausch der Jugendlichen heute. Kohärenzen und Differenzen verdeutlichen, dass die Briefe des Paulus als Dokumente des Dialogs mit seinen Gemeinden nicht darauf zielen, dass sich die zwischenmenschliche Beziehung in ihnen erschöpft. Vielmehr zeigt sich an verschiedenen Stellen, dass der Apostel diese Kommunikationsmittel dafür nutzt, Gemeinschaft suggestiv herzustellen: Er erinnert an persönliche Begegnungen und vertrauliche Äußerungen, so dass die Briefe die fortgesetzte persönliche Kommunikation darstellen. Darüber hinaus zeigen die vom Apostel angeführten Besuchswünsche und das Senden von Verbindungsleuten, dass ihm an einer persönlichen Gemeinschaft mit den Christen der von ihm gegründeten Gemeinden sehr gelegen ist.37
3.3 Individualisierung und Gemeinschaftsbildung Bereits seit Mitte der 1980er Jahre wird der Individualisierungsschub der bundesdeutschen Gesellschaft beschrieben: Menschen werden zu Konstrukteuren ihres Lebens und entwickeln damit auch eine individualisierte Form der Religiosität. Was auf der einen Seite positiv konnotiert ist, weil es aus alten, fest gefügten Ordnungen und Bindungen befreit, hat eine Kehrseite. Der sich selbst entwerfende Mensch ist auf sich gestellt, erwartet Hilfe nur von sich selbst und verliert stabile Zugehörigkeiten. Zudem muss er einen hohen Aufwand an Selbstreflexion betreiben, und er erlebt immer wieder Verunsicherungen und Ohnmachtsgefühle.38 In dieser Situation suchen Menschen entweder nach tragenden Beziehungen und wirklicher Beheima-
37 Vgl. GERBER, C., Paulus und seine ‚Kinder‘. Studien zur Beziehungsmetaphorik der paulinischen Briefe, BZNW 136, Berlin/New York 2005, 47–77. 38 Vgl. dazu insgesamt KUNSTMANN, Religionspädagogik (s. Anm. 26), 265–278.
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tung – besonders im religiösen Sinn – oder aber sie distanzieren sich zunehmend von allen möglichen Formen des Glaubens.39 Diese Suche gilt es auch im Religionsunterricht aufzunehmen und ernst zu nehmen, indem Jugendliche bei ihrer je eigenen Suche begleitet werden. Sie brauchen dafür authentische Lehrerinnen und Lehrer, die ihnen Traditionen subjektiv aufzuschließen helfen und damit religiöse Sprachfähigkeit anbahnen. Dabei ist auch die Rolle von Vorbildern für Glauben und Leben zu bedenken, freilich nicht so, dass eine biblische Gestalt wie Paulus als Identifikationsfigur dargestellt wird, der es nachzueifern gilt.40 Vielmehr sollte das Verhältnis von Gemeindegründer und Gemeindegliedern erfahrbar gemacht werden: Paulus nimmt, was sich unter anderem in der ElternKind-Metaphorik (z.B. in 1Thess 2) zeigt, im Gegenüber zu den Adressaten der von ihm gegründeten Gemeinden ganz bewusst die Rolle des Gründers wahr. Er versteht sich als Autorität, die eine einzigartige Bedeutung für die Adressaten seiner Briefe hat – sein Rat ist zu suchen und zu befolgen und seinem Vorbild gilt es nachzuleben. Zwar bezeichnet er die Christinnen und Christen auch als Geschwister, doch impliziert diese Anrede nicht Egalität, sondern Zusammengehörigkeit. Das Evangelium kann in der Sicht des Paulus, das legt diese Metaphorik und damit auch die Argumentationsstruktur der Briefe dar, nur persönlich kommuniziert werden. Oder anders gesagt: Die Bindung an eine ganz bestimmte Person erst führt Menschen an das Evangelium heran.41 Dieses unterrichtlich zu erarbeiten und kritisch zu hinterfragen, halte ich zur Bewusstmachung der Rolle von Vorbildern für die heranwachsende Generation für weiterführend. Zweifellos dienen Vorbilder auch heutigen Jugendlichen nach wie vor der Orientierung und Identitätsfindung, allerdings werden sie in unserer Zeit weniger aus dem politischen oder religiösen Bereich gewählt als vielmehr aus dem familiären Nahbereich und den Medien.42 Doch erschöpft sich die von Paulus entworfene christliche Religiosität nicht in der Bindung des einzelnen an eine bestimmte Person, sondern zählt zu ihren Fundamenten auch die Erfahrung der Gemeinschaft. Der Glaube an Jesus als den Christus konstituiert in paulinischer Definition die Gemeinschaft der vielen in der Einheit des einen Herrn, einen Gottes und einen Geistes (1Kor 12; Röm 12). Innerhalb dieser Gemeinschaft gilt es, sich auf gemeinsame Grundlagen zu verständigen und daran mitzuwirken, dass das 39 Auf letzteres macht GENSICKE, Jugend (s. Anm. 36), 214 insbesondere im Bezug auf Jugendliche aufmerksam. 40 Eine solche Funktionalisierung biblischer Personen ist didaktisch und hermeneutisch fragwürdig (vgl. BERG, H.-K., Grundriss der Bibeldidaktik. Konzepte – Modelle – Methoden, München/Stuttgart 32003, 33). 41 Das hat GERBER, Paulus (s. Anm. 37), 251–349 überzeugend herausgearbeitet. 42 Mit KUNSTMANN, Religionspädagogik (s. Anm. 26), 286f.
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Miteinander bewahrt und entwickelt wird. Dieses im Religionsunterricht erlebbar zu machen, ist ein Beitrag zur Problematisierung des Individualisierungstrends unserer Gesellschaft und damit zugleich ein Einstieg in die Bearbeitung der Patchwork-Religiosität.43
3.4 Kontext und Gegenwartsbedeutung Schließlich soll an dieser Stelle auf neue Möglichkeiten der unterrichtlichen Erarbeitung der soziokulturellen, historischen und religionswissenschaftlichen Hintergründe, die zum Verständnis der paulinischen Briefe notwendig sind, eingegangen werden. Das geschieht im Wissen darum, dass auf der einen Seite dieser Unterrichtsinhalt heutigen Jugendlichen nur schwer vermittelt werden kann, aber auf der anderen Seite für das Verständnis paulinischer Texte schlechterdings unabdingbar ist. Es soll hier freilich nicht einer rein historischen Herangehensweise das Wort geredet werden, wohl aber ist die Verortung des Paulus und seiner Texte notwendig, um die theologischen Äußerungen verstehen und letztlich verinnerlichen zu können. M.E. erlauben insbesondere die neueren Ergebnisse der Verknüpfung archäologischer und neutestamentlicher Fragestellungen ungewohnte Zugänge zu diesen den Jugendlichen so fern liegenden Themen. So zeigt die lokalgeschichtliche Methode neutestamentlicher Forschung, wie differenziert letztlich vom frühen Christentum gesprochen werden muss.44 Das wiederum eröffnet Chancen, an einzelnen Punkten „Tiefenbohrungen“ vorzunehmen und die Schülerinnen und Schüler auf Entdeckungsreise zu schicken, damit sie antike Lebenswirklichkeit im vollen Sinne erfahren können. Dann erst lassen sich von hier aus Rückschlüsse auf eigene Wirklichkeitsdeutung ziehen, und auf dieser Grundlage lässt sich dann auch eigenes Erleben durch die Tradition in Frage stellen wie andererseits frühchristliche Welt- und Lebensdeutung durch moderne Erfahrungen hinterfragt werden kann.
43 Erschöpft sich die unterrichtliche Erarbeitung von 1Kor 12 und Röm 12 in der ekklesiologischen Debatte um die Gleichwertigkeit aller Gemeindeglieder, wird diese Chance ausgelassen. 44 In diesem Bereich ist insbesondere auf Beiträge des Jubilars hinzuweisen, z.B. KOCH, D.-A., Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jahrhundert n. Chr., in: H.-P. Müller/F. Siegert (Hg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum. Ringvorlesung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, MJSt 5, Münster 2000, 158–188.
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4. Paulus@school – Konkretionen Handlungsbedarf besteht m.E. nicht im Hinblick auf eine etwaige Korrektur der Lernfelder, Leitbegriffe oder Leitthemen des Unterrichts in der Sekundarstufe I, wohl aber bezüglich der konkreten Inhalte. Zweifellos sind die Stoffe, welche die Autorinnen und Autoren der Rahmenrichtlinien und Curricularen Vorgaben benennen, richtungweisend für Fachkonferenzen sowie die Unterrichtsvorbereitung einzelner Lehrerinnen und Lehrer. Diese aber räumen der Auseinandersetzung mit dem Apostel Paulus zu wenig Platz ein. Nicht zuletzt die Analyse ausgewählter Schulbücher hat das bestätigt. Paulus, dafür plädiere ich an dieser Stelle, sollte Teil des Spiralcurriculums werden, freilich ohne zu einem Referenten für alle theologischen Erörterungen zu werden. Am Ende der Sekundarstufe I sollten die Schülerinnen und Schüler allerdings ein klar umrissenes Bild des Apostels und seines theologischen Denkens vor Augen haben, das sukzessive entwickelt worden ist und dass für die Deutung der Gegenwart in religiösen Fragen evident ist. Im Sinne eines Dreischritts von „verorten – verstehen – verinnerlichen“ erweist ein Seitenblick auf die Inhalte des Faches Geschichte in Klasse 5/6, dass es sinnvoll ist, bereits in der 6. Klasse und nicht erst in Klasse 7 oder 8 eine einführende Unterrichtseinheit zur Biografie des Paulus und seiner Missionstätigkeit durchzuführen, schließlich werden dort die Grundlagen für das Verstehen der antiken hellenistisch-römischen Welt erarbeitet, und Synergieeffekte zwischen den Fächern können sich einstellen.45 In den folgenden 4 Jahrgangsstufen gilt es dann, sukzessive das paulinische Denken und seine Theologie erfahrbar zu machen, indem – wie oben beschrieben – Themen und Argumentationsmuster des Apostels auf gegenwärtige Fragen bezogen werden. Nur so kann der frühchristliche Theologe tatsächlich verstanden und schließlich so verinnerlicht werden, dass sowohl innerhalb der weiteren Schullaufbahn in der Oberstufe als auch in Lebens- und Glaubensfragen auf diese Grundlagen zurückgegriffen werden kann. Dabei ist es m.E. sinnvoll, paulinische Briefe nicht nur eklektisch heranzuziehen, sondern die Schülerinnen und Schüler einen Gesamteindruck erarbeiten zu lassen. Mindestens die stoffliche Gliederung der wichtigsten Paulusbriefe 45
Im Geschichtsunterricht der Klassen 5/6 thematisieren die Schüler/innen: Hellas – Einheit und Vielfalt in der griechischen Welt: Polytheismus, Opfer und Orakel, Tempel; Athen – Bürger machen Politik: Vollbürger, Frauen, Fremde, Sklaven; „Senat und Volk von Rom“: Römische Herrschaft in der Stadt und im Reich und ihre Grundlagen in der Gesellschaft: Pater familias, Frau, Sklaven, Provinzen: Römische Bürger und Provinziale; Pax Romana: Leben im Reich der römischen Kaiser: Kaiserkult, Opfer, Straßen, das Christentum – eine neue Religion (Niedersächsisches Kultusministerium [Hg.], Curriculare Vorgaben für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5/6, Geschichte, Hannover 2004, 14–17).
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sollte thematisiert werden, darüber hinaus halte ich es für denkbar, eine Schrift in Gänze lesen zu lassen. Durch eine Gegenüberstellung des Corpus Paulinum und der Apostelgeschichte kann zudem auf plausible Weise die Quellenproblematik neutestamentlicher Schriften erörtert werden, und es bietet sich die Möglichkeit der Erschließung der neutestamentlichen Briefliteratur, was für den Religionsunterricht recht ungewöhnlich, aber wegen der vorherrschenden Fixierung auf Evangelientexte sinnvoll ist.46 Wenige Beispiele mögen das Beschriebene erläutern. Die abschließende Beigabe der Leitbegriffe und Leitthemen für den Religionsunterricht der Sekundarstufe I im Anhang mag dazu anregen, weitere Möglichkeiten für die unterrichtliche Erschließung des paulinischen Lebens und Denkens zu diskutieren. a) Karrierebewusstsein Ertragreiche Diskussionen über das unsere moderne Leistungsgesellschaft bestimmende Streben nach möglichst glanzvollen Karrieren, die in hohen Positionen enden, erlaubt die Erarbeitung der Verwendung des episkoposTitels im Präskript des Philipperbriefes. Anhand von antiken lateinischen Inschriften aus Philippi, also einem dezidiert archäologisch-philologischen Zugang, können die Schülerinnen und Schüler selbst herausfinden, dass die Einwohner der Stadt Philippi zur Zeit der frühen Christen ganz besonders darauf bedacht waren, ihre Funktionsträger mit klangvollen Titeln zu bezeichnen. In Anlehnung an munizipale Ämter wurden auch die Funktionäre von Kultvereinen in der Colonia Iulia Augusta Philippensis mit klangvollen Titeln belegt, was selbst in der antiken römischen Welt seines gleichen sucht. Verwiesen sei hier nur auf den „Ädil“ der Silvanusverehrer und die „Prokuratoren“ der Verehrer des Thrakischen Reiters.47 Phil 1,1 mit seiner viel diskutierten Erwähnung von „Bischöfen“ verdeutlicht, dass dieses Streben nach Titeln auch vor den frühen Christen nicht Halt machte. Im Religionsunterricht kann unter dem Leitbegriff 7 „Kirche und Kirchen“ von diesem Phänomen ausgehend die Frage nach dem Aufbau der frühesten christlichen Gemeinden erarbeitet werden – die Ämterproblematik überhaupt sowie die Hierarchisierung. Schülerinnen und Schüler können auf diese Weise ins Gespräch darüber kommen, wie in der Gegenwart Gemeinschaften konstituiert werden und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sie dauerhaft bestehen können. Hier kann auf die Gruppenbildung von Jugendlichen ebenso eingegangen werden wie das Karrierestreben unserer Gesellschaft problematisiert werden kann. Dazu ist es sinnvoll, die 46
Grundlegend sind bisher in Klasse 7/8 Einführungen in die synoptischen Evangelien und die Zweiquellentheorie (Niedersächsisches Kultusministerium, Rahmenrichtlinien [s. Anm. 7], 16). 47 Das hat PILHOFER, P., Philippi, Bd. 1: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995, 140–147 überzeugend dargelegt.
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ekklesiologischen Erörterungen des Paulus in 1Kor 12 und Röm 12 einzubeziehen und zugleich die Pluralität der antiken Religiosität zu thematisieren. Am Beispiel Philippi – dem Nebeneinander von staatlich geförderten und privaten Gottheiten – können Lernende sehr plastisch erfahren, wie die antike religiöse Welt aufgebaut war, in der das Christentum Fuß fasste, um schließlich zur Staatsreligion zu werden. b) Apotheose Im Duktus der paulinischen Ausführungen zur geforderten Abkehr von den stummen Götzen zu dem einzig lebendigen Gott (1Kor 12,2–6; 1Thess 1,9– 10) steht die Episode der Mission des Paulus samt Barnabas in Lystra nach der Apostelgeschichte des Lukas (Apg 14,8–18). Sie veranschaulicht narrativ die Position, die Paulus in seinen Briefen einnimmt und ist damit – insbesondere in unteren Klassenstufen – als biblische Grundlage geeignet. Hier wird paradigmatisch die Auseinandersetzung der frühchristlichen Missionare mit der hellenistisch-römischen Götterwelt beschrieben, im Fokus steht dabei die Apotheose herausragender Menschen. Aufgrund der Wundertat des Paulus hält die lykaonische Bevölkerung Lystras die Missionare für die Mensch gewordenen Götter Zeus und Hermes, was diese unter anderem durch die Bezugnahme auf die Schöpfertätigkeit des lebendigen Gottes scharf zurückweisen. Dass Menschen nach christlichem Verständnis keine Götter sein können, lässt sich anhand dieser Perikope im Religionsunterricht unter dem Leitbegriff 2 „Gott“ erlebnisorientiert herausarbeiten. Die Transfermöglichkeiten in die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler sind zahlreich, es kann zum Beispiel auf die moderne Apotheose von Sportlern oder Musikern eingegangen werden. Dabei bietet der biblische Text Anlass, den „Star-Kult“ unserer Zeit nicht nur aus der Sicht der Jugendlichen und damit der Fan-Perspektive zu betrachten, sondern auch aus dem Blickwinkel der vergötterten Menschen. Im Religionsunterricht ist dann die Gefahr der Selbstüberschätzung ebenso herauszuarbeiten wie die kategoriale Unterscheidung zwischen der Begeisterung für Stars und der Verehrung Gottes, freilich ohne den Jugendlichen die positiven Aspekte des Fan-Daseins zu verübeln. c) Abgrenzungsbestrebungen Wie sich eine religiöse Gruppe in ihrer Lebensführung von anderen abgrenzt, lehrt die Auseinandersetzung um das Götzenopferfleisch in Korinth (1Kor 8,1–11,1). An diesem sehr praktischen Beispiel des religiösen Alltagsgeschehens kann anschaulich herausgearbeitet werden, wie das frühe Christentum zum hellenistisch-römischen Opferwesen steht und wie sich die junge Gemeinde von der religiösen Umwelt abgrenzt. Die Diskussion innerhalb der Gemeinde von Korinth und die paulinische Reaktion darauf
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signalisiert die ganze Problematik. Für Paulus war eine Teilnahme an öffentlichen Kultfesten oder Kultmahlzeiten vollkommen indiskutabel, ebenso das Annehmen einer Einladung in das so genannte „Götzenhaus“ (1Kor 8,10), schwieriger zu beurteilen hingegen war das Einkaufen von Fleisch im macellum, dem antiken Fleischmarkt. Weil Paulus der Gemeinde in Korinth deutlich macht, dass nicht die Substanz des Fleisches das Verhalten eines Christen bestimmt, sondern die Situation, in die sich der Christ begibt um Fleisch zu kaufen oder zu verkosten, empfiehlt der Apostel, sowohl beim Fleischkauf wie auch bei der Einladung in ein Privathaus nicht nach der Herkunft des Fleisches zu fragen.48 Von dieser Auseinandersetzung ausgehend können Schülerinnen und Schüler unter dem Leitbegriff 8 „Weltreligionen“ die Abgrenzungsbestrebungen religiöser Gemeinschaften in der modernen westeuropäischen Gesellschaft thematisieren. Insbesondere die sehr alltagsnahe Frage nach Speisegeboten und deren Relevanz bietet Raum für Entdeckungen der Jugendlichen im eigenen Umfeld. Die Christen dabei – wie im 1. Korintherbrief – als eine Minderheitenreligion zu erfahren, die sich abgrenzen muss, um überleben zu können, weitet den Blick für die Wahrnehmung der Abgrenzungsbestrebungen religiöser Minderheiten unserer Zeit.
Anhang: Leitbegriffe und Leitthemen des Religionsunterrichtes nach den Rahmenrichtlinien49 1. Bibel Klasse 5/6
Biblische Geschichten und ihre Symbole
Klasse 7/8
Mit der Bibel Erfahrungen machen
Klasse 9/10
Die Bibel zwischen Glaube und Wissenschaft
2. Gott Klasse 5/6
Gott in Lebensgeschichten
Klasse 7/8
Nach Gott fragen – Gottesbilder deuten
Klasse 9/10
Glaube an Gott – Zweifel an Gott
48
Vgl. dazu KOCH, D.-A., „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32). Christliche Identität im mavkellon in Korinth und bei Privateinladungen, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS Günter Klein), Tübingen 1998, 35–54. 49 Niedersächsisches Kultusministerium, Rahmenrichtlinien (s. Anm. 7), 15.
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3. Schöpfung Klasse 5/6
Gottes Schöpfung – Geschenk und Aufgabe
Klasse 7/8
Von der Schöpfung erzählen
Klasse 9/10
Verantwortetes Leben in der Schöpfung
4. Judentum Klasse 5/6
David – Eine Brücke zwischen Juden und Christen
Klasse 7/8
Schma Jisrael – dem Judentum begegnen
Klasse 9/10
Blick nach Israel
5. Jesus Christus Klasse 5/6
Jesus von Nazareth in seiner Zeit und Umwelt
Klasse 7/8
Die Botschaft Jesu entdecken
Klasse 9/10
Glaube an den auferstandenen Christus
6. Geschenkte Freiheit – Rechtfertigung Klasse 5/6
Angst und Geborgenheit
Klasse 7/8
Schuldig werden – Vergebung erfahren
Klasse 9/10
Rechtfertigung: Befreiung zum Leben
7. Kirche und Kirchen Klasse 5/6
Gemeinsam glauben in verschiedenen Kirchen
Klasse 7/8
Die Geschichte unserer Kirche erforschen
Klasse 9/10
Kirche – Staat – Gesellschaft
8. Weltreligionen Klasse 5/6
Abraham steht am Anfang
Klasse 7/8
Allah uh Akbar – den Islam kennen lernen
Klasse 9/10
Hinduismus, Buddhismus
9. Gerechtigkeit und Nächstenliebe Klasse 5/6
Konflikte austragen – sich versöhnen
Klasse 7/8
Für die Gerechtigkeit Gottes eintreten – prophetisches Reden und Handeln
Paulus verorten, verstehen und verinnerlichen Klasse 9/10
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Frieden und Gerechtigkeit in der Einen Welt
10. Freundschaft, Liebe, Sexualität Klasse 5/6
Miteinander leben – zu sich selbst finden
Klasse 7/8
Sich den Menschen zuwenden: Freundschaft – Liebe – Sexualität
Klasse 9/10
Verantwortete Partnerschaft
11. Sinn des Lebens Klasse 5/6
Meine Träume, meine Wünsche – Wegweiser in die Zukunft
Klasse 7/8
Sich entscheiden – dem Gewissen folgen
Klasse 9/10
Suche nach Glück und Heil
12. Leben und Tod Klasse 5/6
Trauern und Trösten
Klasse 7/8
Wenn Menschen sterben
Klasse 9/10
Tod – eine Lebensfrage
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Univ.-Prof. Lic. Dr.phil. Barbara Aland, D.D./D.Litt., Professorin (a.D.) für Kirchengeschichte und Neutestamentliche Textforschung an der Ev.-Theol. Fakultät Münster. Dipl. Theol. David C. Bienert, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Neutestamentlichen Seminar der Ev.-Theol. Fakultät Münster. Prof. Dr. Martin Ebner, Professor für Neues Testament an der Kath.-Theol. Fakultät Münster. Prof. Dr. David Hellholm, Professor für Neues Testament an der Universität Oslo. Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Horn, Professor für Neues Testament an der Ev.-Theol. Fakultät Mainz. Dr. theol. Joachim Jeska, Pfarrer der Ev.-Lutherischen Landeskirche Hannovers (Klein Ilsede). Prof. Dr. Hans Klein, Professor für neutestamentliche Theologie am Protestantisch-Theologischen Institut der Universität Sibiu/Rumänien. Prof. Dr. Andreas Lindemann, Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Bethel. Prof. Dr. Martin Meiser, apl. Professor für Neues Testament an der Universität Erlangen-Nürnberg. Dr. theol. Dirk Schinkel, Pfarrer der Ev. Kirche von Westfalen (Hemer). Prof. Dr. Folker Siegert, Professor für Judaistik und Neues Testament am Institutum Judaicum Delitzschianum Münster. PD Dr. theol. Thomas Witulski, Pfarrer der Ev. Kirche von Westfalen (Gronau und Ochtrup).
Bibliographie Dietrich-Alex Koch
Monographien und Aufsätze Die Bedeutung der Wundererzählungen für die Christologie des Markusevangeliums, BZNW 42, Berlin 1975. Zum Verhältnis von Christologie und Eschatologie im Markusevangelium. Beobachtungen aufgrund von Mk 8,27–9,1, in: G. Strecker (Hg.), Jesus Christus in Historie und Theologie (FS H. Conzelmann zum 60. Geburtstag), Tübingen 1975, 395–408. Beobachtungen zum christologischen Schriftgebrauch in den vorpaulinischen Gemeinden, ZNW 71, 1980, 174–191. Inhaltliche Gliederung und geographischer Aufriß im Markusevangelium, NTS 29, 1983, 145–166. Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament, ZNW 76, 1985, 68–85. Geistbesitz, Geistverleihung und Wundermacht. Erwägungen zur Tradition und zur lukanischen Redaktion von Act 8,5–25, ZNW 77, 1986, 64–82. Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986. Jesu Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern. Erwägungen zur Entstehung von Mk 2,13–17, in: D.-A. Koch/A. Lindemann/G. Sellin (Hg.), Jesu Rede von Gott und ihre Nachgeschichte im frühen Christentum. Beiträge zur Verkündigung Jesu und zum Kerygma der Kirche (FS W. Marxsen), Gütersloh 1989, 57–73. „… bezeugt durch das Gesetz und die Propheten“. Zur Funktion der Schrift bei Paulus, in: H.H. Schmid/J. Mehlhausen (Hg.), Sola Scriptura. Das reformatorische Schriftprinzip in der säkularen Welt, Gütersloh 1991, 169–179. Barnabasbrief (Einleitung und Literatur. Übersetzung), in: A. Lindemann/H. Paulsen (Hg.), Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von Franz Xaver Funk, Karl Bihlmeyer und Molly Whittaker, Tübingen 1992, 23–75. Der Täufer als Zeuge des Offenbarers. Das Täuferbild von Joh 1,19–34 auf dem Hintergrund von Mk 1,2–11, in: F. van Segbroeck u.a. (Hg.), The Four Gospels (FS F. Neirynck), Bd. 3, BEThL 100, Leuven 1992, 1963–1984. Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta im ersten nachchristlichen Jahrhundert. Aspekte der neueren Septuagintaforschung und deren Bedeutung für die neutestamentliche Exegese, in: D.-A. Koch/H. Lichtenberger (Hg.), Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter (FS H. Schreckenberg), SIJD 1, Göttingen 1993, 215–244. Auslegung von Psalm 1 bei Justin und im Barnabasbrief, in: K. Seybold/E. Zenger (Hg.), Neue Wege der Psalmenforschung (FS W. Beyerlin), Herders Biblische Studien 1, Freiburg 1994 (und 2. Aufl. 1995), 223–242. Zwölferkreis und Gottesvolk. Überlegungen zur Frühgeschichte neutestamentlicher Ekklesiologie, in: W. Brändle/R. Stolina (Hg.), Geist und Kirche (FS E. Lessing), Frankfurt/M. u.a. 1995, 1–20. Abraham und Mose im Streit der Meinungen. Beobachtungen und Hypothesen zur Debatte zwischen Paulus und seinen Gegnern in 2Kor 11,22–23 und 3,7–18, in: R. Bieringer (Hg.), The Corinthian Correspondence, BEThL 125, Leuven 1996, 305–324. „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32). Christliche Identität im mavkellon in Korinth und bei Privateinladungen, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 35–54. Barnabas, Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs, in: U. Mell/U.B. Müller (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker), BZNW 100, Berlin u.a. 1999, 85–106.
Bibliographie Dietrich-Alex Koch
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„Alles, was ejn makevllw/ verkauft wird, eßt …“. Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1Kor 10,25, ZNW 90, 1999, 194–219. Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jahrhundert n.Chr., in: H.-P. Müller/F. Siegert (Hg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum. Ringvorlesung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, MJSt 5, Münster u.a. 2000, 158–188. Paulus in Korinth, WUB 20, 2001, 20–23. The Early History of the Lord’s Supper: Response to Henk Jan de Jonge, in: J.W. van Henten/ A. Houtepen (Hg.), Religious Identity and the Invention of Tradition, STAR 3, Assen 2001, 238–252. Allianoi (Türkei), AW 43/2, 2003, 206. Exegese zwischen Historie und Theologie, in: E.-M. Becker (Hg.), Neutestamentliche Wissenschaft. Autobiographische Essays aus der Evangelischen Theologie, Tübingen u.a. 2003, 243– 254. Textkritik in frühchristlicher Literatur ausserhalb des Neuen Testaments: Barn 1,6 als Beispiel, in: W. Weren/D.-A. Koch (Hg.), Recent Development in Textual Criticism. New Testament, Other Early Christian and Jewish Literature, Papers read at a Noster Conference in Münster, January 4-6, 2001, STAR 8, Assen 2003, 145–163. Proselyten und Gottesfürchtige als Hörer der Reden von Apostelgeschichte 2,14–39 und 13,16–41, in: C. Breytenbach/J. Schröter/D.S. Du Toit (Hg.), Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung (FS E. Plümacher), Ancient Judaism & Early Christianity 57, Leiden/Boston 2004, 83–107. Korinth, in: K. Erlemann u.a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 2, NeukirchenVluyn 2005, 159–162. Die Einmaligkeit des Anfangs und die Fortdauer der Institution. Neutestamentliche Beobachtungen zum Problem der Gemeindeleitung, in: M. Böttcher/A. Schilberg/A.-C. Tübler (Hg.), Die kleine Prophetin Kirche leiten (FS G. Noltensmeier), Wuppertal 2005, 155–168. The Origin, Function and Disappearance of the „Twelve“. Continuity from Jesus to the Post-Easter Community?, HTS 61, 2005, 211–229. Johannes als wiedergekommener Elia? Die offene Frage nach dem Selbstverständnis des Täufers, in: C. Klein/S. Tobler (Hg.), Spannweite. Theologische Forschung und kirchliches Wirken (FS H. Klein), Bukarest 2005, 94–102. (zusammen mit Dirk Schinkel): Die Frage nach den Vereinen in der Geistes- und Theologiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung des zeitgenössischen Vereinswesens und der ,,Wende“ in der protestantischen Theologie nach 1918, in: A. Gutsfeld/D.-A. Koch, (Hg.), Vereine, Synagogen und Gemeinden im kaiserzeitlichen Kleinasien, STAC 25, Tübingen 2006, 129–148. Crossing the Border. The „Hellenists“ and their Way to the Gentiles, Neotestamentica 39.2, 2005, 289–312 (erschienen 2006). The God-fearers between facts and fiction. Two theosebeis-inscriptions from Aphrodisias and their bearing for the New Testament, Studia Theologica 60.1, 2006, 62–90. Jens-W. Taeger als Neutestamentler und Theologe, in: Jens-W. Taeger, Johanneische Perspektiven. Gesammelte Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003, hg.v. D.C. Bienert/D.-A. Koch, FRLANT 215, Göttingen 2006, 11–15. Johannes der Täufer und Jesus von Nazaret, BiHe 43, 2007, 9–11. Jens-W. Taeger als wissenschaftlicher Theologe. Vorwort, in: Jens-W. Taeger, Crux Christi – Mea Spes. Predigten aus den Jahren 1967–2003, hg.v. D.C. Bienert/D.-A. Koch/K. Rudolph, Dokumente aus Theologie und Kirche 5, Rheinbach 2007, 11–14.
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Bibliographie Dietrich-Alex Koch
Lexikonartikel Art. Source Criticism. New Testament, ABD 6, 1992, 165–171. Art. Schriftauslegung II. Neues Testament, TRE 30, 1999, 457–471. Art. Inspiration/Theopneustie II. NT, RGG 4, 42001, 168f. Art. Zwölferkreis, RGG 8, 42005, 1956–1958.
Rezensionen Böttger, P.C., Der König der Juden – das Heil für die Völker. Die Geschichte Jesu Christi im Zeugnis des Markusevangeliums, NStB 13, Neukirchen-Vluyn 1981, RKZ 123/3, 1982, 80f. Suhl, A. (Hg.), Der Wunderbegriff im Neuen Testament, WdF 295, Darmstadt 1980. Sowie: Mann, U., Das Wunderbare. Wunder – Segen und Engel, HST 17, Gütersloh 1979, LM 21/4, 1982, 192f. Gräßer, E./Kertelge, K. (Hg.), Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament, Gütersloh/Würzburg, 1977ff, MdKI 33/6, 1982, 117–119. Lührmann, D., Das Markusevangelium, HNT 3, Tübingen 1987, ThLZ 113, 1988, 814–816. Mulder, M.J. (Hg.), Mikra. Text, Translation, Reading and Interpretation of the Hebrew Bible in Ancient Judaism and Early Christianity, CRI II/1, Assen/Maastricht/Philadelphia 1988, ThLZ 117, 1992, 181–183. Ellis, E.E., The Old Testament in Early Christianity. Canon and Interpretation in the Light of Modern Research, WUNT 54, Tübingen 1991, ThLZ 120, 1995, 143–145. Evans, C.A./Sanders, J.A. (Hg.), Paul and the Scriptures of Israel, JSNT.S 83, Sheffield 1993, ThLZ 120, 1995, 999–1001. Paget, J.C., The Epistle of Barnabas. Outlook and Background, WUNT 64, Tübingen 1994, ThLZ 121, 1996, 357–358. Lamarche, P., Evangile de Marc, EtB 33, Paris 1996, ThLZ 123, 1998, 598–599. Wilk, F., Die Bedeutung des Jesajabuches für Paulus, FRLANT 179, Göttingen 1998, ThLZ 124, 1999, Sp. 1129–1131. Head, P.M., Christology and the Synoptic Problem. An Argument for Marcan Priority, SNTS.MS 94, Cambridge 1997, ThLZ 125, 2000, 404f. Fotopoulos, J., Food Offered to Idols in Roman Corinth. A Social-Rhetorical Reconsideration of 1 Corinthians 8:1–11:1, WUNT II /151, Tübingen 2003, ThLZ 131, 2006, 168–170.
Herausgebertätigkeit A) Monographien (gemeinsam mit Andreas Lindemann und Gerhard Sellin:) Jesu Rede von Gott und ihre Nachgeschichte im frühen Christentum. Beiträge zur Verkündigung Jesu und zum Kerygma der Kirche (FS W. Marxsen), Gütersloh 1989. (gemeinsam mit Hermann Lichtenberger:) Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter (FS H. Schreckenberg), SIJD 1, Göttingen 1993. (gemeinsam mit Wim Weren:) Recent Development in Textual Criticism. New Testament, Other Early Christian and Jewish Literature, Papers read at a Noster Conference in Münster, January 4-6, 2001, STAR 8, Assen 2003.
Bibliographie Dietrich-Alex Koch
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(gemeinsam mit Andreas Gutsfeld:) Vereine, Synagogen und Gemeinden im kaiserzeitlichen Kleinasien, STAC 25, Tübingen 2006. (gemeinsam mit David C. Bienert:) Jens-W. Taeger, Johanneische Perspektiven. Gesammelte Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003, FRLANT 215, Göttingen 2006. (gemeinsam mit David C. Bienert und Klaus Rudolph:) Jens-W. Taeger, Crux Christi – Mea Spes. Predigten aus den Jahren 1967–2003, Dokumente aus Theologie und Kirche 5, Rheinbach 2007.
B) Reihen (gemeinsam mit Ferdinand Hahn:) Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament (KEK), Göttingen, ab 1998. (gemeinsam mit Matthias Köckert:) Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments (FRLANT), Göttingen, ab 1998.
Stellenregister (in Auswahl)
Altes Testament und LXX
1. Makkabäerbuch 1Makk 3,56 124
Genesis Gen 1,1–2,4a Gen 25,13–18
24 195
Jesus Sirach Sir 31,12–32,13 125
Exodus Ex 20,17 Ex 23,19 Ex 25,2f
195f 89 89
Leviticus Lev 2,12 Lev 20,2 Lev 23,10 Lev 24,15–17
89 181 89 182
Numeri Num 25,6–9
182
Deuteronomium Dtn 13,6 Dtn 13,7–12 Dtn 17,2–7 Dtn 18,4 Dtn 21,18–21 Dtn 22,20–24 Dtn 27,26
182 182 182 89 182 182 201
1. Chronik 1Chr 5,10 1Chr 5,19
195 195
Psalmen Ps 83,7
195
Sprüche (Proverbia) Spr 25,6–7 125f Kohelet Koh 1,9
208
Jesaja Jes 40–55
24
Neues Testament Matthäusevangelium Mt 5,16 203 Mt 5,17–48 182 Mt 5,22 198 Mt 5,33–37 198 Mt 5,44 197 Mt 12,11 130 Mt 13,52 47f Mt 15,11 199 Mt 16,19 197 Mt 22,1–14 122–124 Mt 22,35 178, 181 Mt 25,27 160 Markusevangelium Mk 3,1–6 130f Mk 3,20–35 107–109 Mk 5,21–43 107 Mk 6,13–30 107–109 Mk 7,15 183 Mk 8,11 178 Mk 10,2–12 178, 183 Mk 10,17–22 184 Mk 11,12–20 108 Mk 14,1–11 108 Mk 14,53–72 109 Lukasevangelium Lk 5,27–32 133–135 Lk 6,6–11 130f Lk 6,24–26 120 Lk 6,27–36 120–122, 135 Lk 7,36–50 129, 135 Lk 11,16 178
237
Neues Testament Lk 11,37–54 Lk 12,1 Lk 13,10–17 Lk 13,22–30 Lk 14,1–24 Lk 14,16–24 Lk 16,1–8 Lk 16,9 Lk 16,13–14 Lk 16,19–31 Lk 19,1–10 Lk 20,46–47 Lk 21,23 Lk 23,56 Lk 24,53
129, 131f, 135 131 130f 120 115–135 25, 122 119 119 129 112, 120 134 129 176 131 176f
Johannesevangelium Joh 1,29 180 Joh 1,36 180 Joh 2,14–20 184 Joh 3,1–21 179f, 184 Joh 4,22 180 Joh 5,14 180 Joh 7,14–18 181 Joh 7,36 177 Joh 7,53–8,11 177–179 Joh 8,1–11 175–186 Joh 8,12 177 Joh 9,2ff. 180 Joh 12,1–8 109 Joh 13,10 183 Joh 17,17–19 183 Apostelgeschichte Apg 3,1–10 116 Apg 7,59 182 Apg 9,1–9.18 216 Apg 10,5f 124 Apg 11,18 131 Apg 14,8–18 36f, 226 Apg 14,15 35 Apg 14,19 182 Apg 15,20 83 Apg 15,29 83 Apg 16 35 Apg 16,6 205 Apg 16,11f 104 Apg 16,16–19 137 Apg 16,25–40 212 Apg 17 219 Apg 17,16–34 37 Apg 17,28 195 Apg 17,34 83
Apg 18,1–17 Apg 18,8 Apg 19,23–40 Apg 19,35–40 Apg 21,14 Apg 21,31 Apg 22,3 Apg 24,15 Apg 27f Apg 28
83f 84, 89 136–149, 213 26 131 182 197 120, 126 215 25
Römerbrief Röm 1–3 Röm 1,18–32 Röm 2,12–16 Röm 3,1–8 Röm 3,28 Röm 3,29f Röm 4,4f Röm 6,3–11 Röm 7,4 Röm 7,7–13 Röm 8,23 Röm 8,38f Röm 11,16 Röm 12 Röm 12,1f Röm 12,4–8 Röm 12,14–21 Röm 13,1–7 Röm 13,1 Röm 15,2f Röm 15,25 Röm 15,26 Röm 16,5 Röm 16,23
219 42 195f 200 202 42 202 206 206 195, 197 89 212, 215 89 222, 226 42 214 43 203 196 196 92 90 89f 85
1. Korintherbrief 1Kor 1,1f 92, 204, 214 1Kor 1,10–12 198 1Kor 1,11 97 1Kor 1,22 196 1Kor 1,25–27 215 1Kor 1,8–2,16 41 1Kor 1,12–14 88 1Kor 1,14–16 84, 88f, 91 1Kor 1,20–25 219 1Kor 4,17 86, 98 1Kor 5,1 41 1Kor 5,13 182 1Kor 6,9–11 41, 43 1Kor 7,1 96 1Kor 7,19 200
238 1Kor 8–10 1Kor 8,1 1Kor 8,7 1Kor 8,10 1Kor 9,15 1Kor 9,20 1Kor 11,17–34 1Kor 11,20–22 1Kor 12–14 1Kor 12 1Kor 12,2 1Kor 12,12–27 1Kor 13 1Kor 13,4–8 1Kor 15 1Kor 15,20 1Kor 15,23 1Kor 15,32 1Kor 15,33 1Kor 15,50–58 1Kor 15,58 1Kor 16,1–4 1Kor 16,5–24 1Kor 16,5–9
Stellenregister (in Auswahl) 38–40, 219, 226 204 204 227 94 199 25 214 41 222, 226 40, 220 216 213 216 213f, 216 89 89 86 195 221 203 92, 95 84–98 99
2. Korintherbrief 2Kor 1,1–2,13 24, 102–106, 108f 2Kor 1,1 90 2Kor 2,14–7,4 24, 99–111 2Kor 5,17 215 2Kor 7,5–16 24, 96, 102–106, 108f 2Kor 8,1–13 106 2Kor 8,1 90 2Kor 8,4 92 2Kor 8,9 196 2Kor 8,14 94 2Kor 9,1 92 2Kor 9,2 90, 95 2Kor 9,12 92, 94 2Kor 10–13 24, 99, 105f, 111 2Kor 10,10 96, 111 2Kor 11,1 111 2Kor 11,10 90 2Kor 11,17–30 214 2Kor 11,25 182 2Kor 12,1–7 77–80 2Kor 12,2–4 24 2Kor 12,11 111 2Kor 12,14 100 2Kor 13,1 100 Galaterbrief Gal 1,1f Gal 1,11–2,14
203 203
Gal 1,16 Gal 1,20 Gal 2,4f Gal 2,10 Gal 2,11–14 Gal 2,17 Gal 2,19f Gal 3,1–5 Gal 3,10 Gal 3,10–12 Gal 3,15–18 Gal 3,19–24 Gal 3,24 Gal 3,28–29 Gal 4 Gal 4,6 Gal 4,8–10 Gal 4,25 Gal 5,1 Gal 5,2–12 Gal 5,13–6,10 Gal 5,24 Gal 6,10 Gal 6,14
197 198 200 83, 93 197 208 197, 206–208 38, 197f, 205 197 201 204 204 199 216 219 203 38f, 200 38, 195 200 39, 197, 199, 202 39, 204, 208 206f 203 206f
Philipperbrief Phil 1,1 Phil 1,24 Phil 1,26 Phil 2,5–11 Phil 2,12 Phil 2,30 Phil 3,2–3 Phil 3,18–21 Phil 4,1 Phil 4,8 Phil 4,10–20 Phil 4,15
225 196 96 196 96 93f 197f 149 198 41 41, 50 90
Kolosserbrief Kol 1,25–26 Kol 3,1–4
198 149
1. Thessalonicherbrief 1Thess 1–2 219 1Thess 1,5–6 34 1Thess 1,7–8 90 1Thess 1,9–10 35–38, 40, 220, 226 1Thess 2 222 1Thess 3,5 105 1Thess 4,1–12 37f 1Thess 4,10 90 1Thess 4,13–18 221 1Thess 5,12–22 37f
239
Neues Testament 2. Thessalonicherbrief 2Thess 2,13 90 1. Timotheusbrief 1Tim 3,3 198 Titusbrief Tit 1,12
195
Jakobusbrief Jak 2,16–20 Jak 4,12
202 49
Johannesapokalypse Apk 1,4 150 Apk 13 167
240
Stellenregister (in Auswahl)
Antike Quellen Literarische Quellen griechischer (3.) Baruch Aelius Aristides eij~ ïRwvmhn 33 167
Apostolische Konstitutionen 2,24 176
Apuleius v. Madaura metamorphoses III 3,2 123
Prolog 71 1f 67 1 71 1,1–7 67 2,1–13,5 67 11,3 67 14,1–17,4 67 17 69, 73 17,1–4 67 17,3 81
Cassius Dio ArdƗi WirƗz NƗmag pp. 1–7 71 p. 1–2 68 pp. 3–5 68 p. 7–54 69 p. 8 70 p. 11,6 68 p. 12–13 74, 82 p. 14 74 p. 55 69 p. 139,13–18 68
Apokalypse Abrahams
LXIX 5,2f 166 LXIX 10,2 156 LXIX 16 162
M. Tullius Cicero Cato maior 45 116
Digesten 47,22,4 139
Brief an Diognet
poetica 1448a,12–13 58
1–3 53f 3,3b–5 53 3,4 54 4 53f 5 54 6,3 54 7,1–4 54 8 54 10 54
Aulus Gellius
Didache
XV 2 74
Aristeasbrief 263 126
Aristoteles
noctes Atticae XII 11,1–7 45 XIII 11,3 116
10,6 45 10,7 46 11–13 46
Bahman Yašt
Eusebius
II 5–6 68
Barnabasbrief 21,4–5 49
historia ecclesiastica III 39,17 174 VII 32,32 28 VIII (Vorwort) 28
Antike Quellen
Fragmente der Vorsokratiker 230,34–231,24 169ff
Hadoxt Nask 2,12 70 2,14 70 2,18 70
äthiopischer (1.) Henoch 1,6–10 81
Historia Augusta vita Hadriani 13,6 162 20,13 156 17,8 167
Qu. Horatius Flaccus epistulae I 5,24 116
Irenaeus v. Lyon adversus haereses I 1,1–2 172 I 1,5,1–3 171 I 2,2–4 172 I 4,1–5,1 172 I 6,2 172
Justinus Martyr 1 apol. 5,1–3 50 6,1 36 dialogus cum Tryphone Judaeo 35,6 49
Decimus Iunius Iuvenalis saturnalia 9,102–119 127 22 118
Lukianos von Samosata Alexander 2 155 25 43 38 44 bis accusatus 33 63
gallus 28 128 Icaromenippus 1–3 64 2 72 2,2 74 3 72 3,2 74 4–34 64 4 64 4,2 74 5–10 64 5 64 6–8 64 8–10 64 10–11 64 10,1 74 11,1 74 10–34 64f 11–22 65 11 71 13 59 15 65 20–21 65 22–34 65 22 65, 81 27 74 29–30 65 29 73 33 65 34 65, 72 necyomantia 6 76 de Mercede conductis 26 126 de morte Peregrini 1–2 44 4–6 45 7–10 45 11–16 45 11 47 12 46, 50 13 46, 51 14 46 15 46 16 46, 51 31 45 36 52 39 52 42 44 piscator 26 63 27
241
242
Stellenregister (in Auswahl)
saturnalia 28 128 symposium 8f 126
Plutarchos
fasti I 209–218 129 I 215f 128
septem sapientium convivium I 1 115 II 1 115 de garrulitate 18 118 de Pythiae oraculis 16 90 moralia 631C 115 631E 115 633A 115 quaestiones Graecae 18 118 35 90 quaestiones convivales 2 127 3 126 Theseus 16 90 De Iside et Osiride 78 (383a) 192
Papias v. Hierapolis
Polybios
J. Malalas chronographia XI 18 158
Marcus Aurelius Antoninus XI,3 33
Origenes de principiis IV 1,2 173
P. Ovidius Naso
Fragment 4 176 Fragment 25 175
Philon von Alexandria de opificio mundi 78 123
Philostratos heroicus 8,1 151 vitae sophistarum II 1 (548) 161
Platonos politeia X 614–621 81
C. Plinius Caecilius Secundus epistulae I 8,10 117 I 14 124 II 6 118 VI 31.3 141 VII 18 117 X 33f 138
XIII 2,2 128, 132
Proverbia 23,1–8 125
M. Fabius Quintilianus institutio oratoria VI 3,96f 58
rabbinisches Schrifttum LevR 1,5 126 mAv 1,5 118
L. Annaeus Seneca de ira III 37,4 126
J. Stobaeus eclogae III 10,45 128 IV 33,31 128
Antike Quellen
C. Suetonius Tranquillus Augustus 5f. 155
Teles Fragment 34 127
P. Terentius Afer heautontimorumenon 169f 123
Testament Abrahams 8,1–3 81 12,12–14 81
Theophrastos charakteres 21,2 126
Xenophanes frg. 26 192
Xenophon anabasis I 11,5 144 III 2,10 126
243
277 161 425 141 586 145 638 141 679 143 1122 144 1145 157f 1487 151 1488 151 1501 161 1578A 145 2038g 161 2212 145 4331 161
Die Inschriften von Epidauros W 21 132 W 49 132
Die Inschriften von Erythrai und Klazomenai 60 151
Die Inschriften von Hadrianoi und Hadrianeia 40 156
Die Inschriften von Magnesia am Mäander Epigraphische Quellen CIG 2877 162 3491 153 3952 159
45 159 180 159
Die Inschriften von Priene 105 167
Die Inschriften von Tralleis und Nysa
CIL
80 163
III 466 151 III 7282 151
Dittenberger, Sylloge II 389 160
Didyma II: Die Inschriften 254 162
Fouilles de Tralles
Die Inschriften von Ephesus
3 163 5 163
215 138 274 159ff
244
Stellenregister (in Auswahl)
Heberdey, IX. Vorläufiger Bericht
MAMA
176 161
VI 60 159
IG
Milet I 7
XII 3, 177 158
294 162 295 162
IG II/III2 3300 162
Neue Inschriften von Ephesus XII 12 161
ILS 1065 165
OGIS 484 152f
Le Bas/Waddington Inscriptions II 1068 150
Oliver Greek Constitutions 68 158 69 153
Autorenregister Aland, B. 23, 26, 168ff, 172 Aland, K. 175 Albertz, R. 18, 24 Alkier, S. 15, 19f, 34 Alzinger, W. 141 Ameling, W. 152 Anderson, G. 44f Andresen, C. 29 Arbandt, S. 50 Ascough, R. 136 Attridge, H. 59 Bachmann, P. 96f Baden-Schirmer, S. 216 Balch, D.L. 17 Baldermann, I. 218 Baldwin, B. 44 Baltes, M. 33, 169f Barnard, L.W. 53 Baumann, U. 215 Baumbach, M. 75 Baur, F.C. 13, 20 Baur, K. 214 Bean, G.E. 151, 153, 159 Becker, E.-M. 87 Becker, J. 16, 22, 101, 184 Becker, U. 175 Bengel, J.A. 99, 110 Benz, E. 50 Berg, H.-K. 222 Berger, K. 15, 17, 102f, 105, 107 Berger, U. 202 Beschorner, A. 151 Betz, H.D. 33, 43f, 47–49, 50, 52, 78–80, 81, 86, 95 Bey, E. 163 Bienert, W.A. 29f Biguzzi, G. 145 Boatwright, M.T. 152f, 154, 155–161, 163, 166f Börker, C. 159f Bornkamm, G. 13, 99, 100, 110 Borse, U. 175, 178, 179, 183 Böttrich, C. 134 Bousset, W. 76, 80, 82 Bovon, F. 120, 122f, 125, 130 Brabant, D. 145
Braun, E. 63 Braun, W. 116, 123–125, 128f Breytenbach, C. 20, 29 Brocke, C.v. 37 Büchsel, F. 39 Bultmann, R. 13, 35, 42, 80, 99, 103f, 107, 185 Burkert, W. 74, 119 Calder, W.M. 151, 153, 159 Cancik, H. 59 Carlsson, L. 66, 70, 77f, 80f Choi, S.B. 41 Collins, J.J. 57, 66, 72 Collins, R.F. 92 Colpe, C. 15, 50 Conzelmann, H. 13, 16, 33, 36, 40, 95, 96, 140 Cook, J.G. 33, 51 Cooper, S. 205 Crüsemann, M. 34 Cumont, F. 81 D’Arms, J.H. 118 Delling, G. 90 Demandt, A. 29 Derrett, J.D.M. 124 Dierk, H. 214f Dijk, T.A. van 60, 62f, 66 Dormeyer, D. 15 Dörries, H. 169 Dschulnigg, P.176, 178 Dunn, J.D.G. 203 Ebel, E. 26 Ebeling, G. 189 Ebner, M. 19, 23, 25, 115ff, 121 Eckey, W. 140 Eco, U. 19 Elm, D. 48 Engelmann, H. 157 Englert, R. 218 Ernst, J. 122, 125 Fee, G.D. 92, 94, 97 Fieger, M. 144 Finley, M.I. 127
246
Autorenregister
Fischer, H. 217 Fischer, K.M. 14, 105 Fitzmyer, J.A. 122, 130 Follet, S. 153 Förster, N. 168 Fotopoulos, J. 116 Frey, J. 220 Fritschen, U. 216 Furnish, V.P. 79, 81 Gärtner, H. 152, 158 Gawantka, W. 154 Gaylord, H.E. Jr. 66, 69 Gensicke, T. 220, 222 Genthe, H.-G. 13 Georgi, D. 100 Gerber, C. 221f Gerhold, H.-G. 216 Gielen, M. 91 Gignoux, P. 67 Gill, C. 119 Gillman, J. 91f Glombitza, O. 123 Gnilka, J. 108 Goffman, E. 78 Goodman, M. 66 Gotter, U. 129 Goulet-Cazé, M.-O. 44, 75 Gräßer, E. 101, 110 Gregory, C.R. 175 Greßmann, H. 76 Grethlein, C. 217f Grundmann, W. 107 Gülich, E. 57, 60, 61, 63, 77f Güting, E. 184 Gutsfeld, A. 26, 136 Güttgemanns, E. 14 Haenchen, E. 140 Hage, W. 66 Hahn, F. 19 Halfmann, H. 150f, 153, 157–160, 163, 164f, 166f Hardmeier, C. 60 Harnack, A. 50, 168, 197 Hauschild, W.-D. 189 Hausleiter, A. 43 Heberdey, R. 161 Heininger, B. 19 Heinrici, G. 92 Hellholm, D. 23f, 56ff, 56f, 63, 80, 82 Helm, R. 72 Hengel, M. 20
Herklotz, F. 179 Hermann, P. 153 Hirsch, E. 20 Hirschfeld, Y. 15 Hoegen-Rohls, C. 22 Hofius, O. 42 Holtz, T. 34f Hoppe, R. 116, 123 Horn, F.W. 18, 23f, 83ff Hultgård, A. 68, 77 Hurrelmann, K. 218 Iser, W. 191 Jauss, H.R. 191 Jeremias, J. 123 Jervell, J. 140 Jeska, J. 23, 28, 210ff Jessen, O. 145 Karrer, W. 58 Käsemann, E. 14, 80 Kee, H.C. 16 King, K.L. 169, 173 Klauck, H.-J. 15, 85, 88, 135 Klein, H. 23f, 99ff, 109, 120, 122 Kloft, H. 117 Klumbies, P. 35f Knibbe, D. 140f, 143, 157, 161 Koch, D.-A. 11, 26, 33, 35, 40, 76, 85, 107, 136, 148, 186, 223, 227 Koch, K. 77 Koester, H. 16f Kollmann, B. 132 Koretzki, G.R. 216 Körtner, U.H.J. 190, 192 Kraft, G. 214f Kraft, H. 30 Krasser, H. 44f Krauter, S. 47 Kreitzer, L.J. 165, 175, 179 Kümmel, W.G. 13, 14, 100, 102, 104f Kunst, C. 124 Kunstmann, J. 217, 221f Kürzinger, J. 175 Labov, W. 60–63 Lampe, P. 19, 84, 137, 140f, 145, 146 Lang, F. 97, 110f LeGlay, M. 152, 155, 167 Lehmeier, K. 88 Lehnen, J. 158 Leinhäupl-Wilke, A. 135
Autorenregister Lerch, D. 189 Lidzbarski, M. 15 Lietzmann, H. 29f, 100, 105 Lincoln, A. 80f Lindblom, J. 82 Lindemann, A. 22–27, 33ff, 36, 40, 54, 84, 86f, 94 Löhr, W.A. 169 Lohse, E. 110 Lötzsch, F. 184f Lubac, H. du 189 Lührmann, D. 35, 47, 179 Lull, D.J. 199 Luz, U. 20, 48, 123, 190f Macheiner, W. 50 Macleod, M.D. 44 Magie, D. 156, 162, 167 Maier, J. 17 Malina, B.J. 126 Marco, A.D. 152 Markschies, C. 168 Martin, C. 175, 177 Marxsen, W. 13f Mason, H.J. 138 May, G. 191 Meeks, W.A. 88, 91 Meeûs, X. de 116 Meiser, M. 23, 27f, 189ff, 196, 206 Meltzow, B. 211 Merk, O. 13 Merkelbach, R 150, 157, 159, 160f, 164 Merklein, H. 91 Merz, A. 58 Metzger, B.M. 37 Meyer, H.A.W. 91f Millar, F. 66 Mionnet, T.E. 159 Mitchell, M.M. 86 Mitchell, S. 156 Moir, I. 179 Mras, K. 44, 74f, 76 Mühlenberg, E. 189 Müller, M. 85 Müller, U.B. 93 Mußner, F. 140, 207 Neirynck, F. 130 Nesselrath, H.-G. 44, 63, 72, 75f Nestle, W. 47 Neyrey, J.H. 126 Niebuhr, K.-W. 15 Niederwimmer, K. 47
Nutton, V. 44 Oakmann, D.E. 123 Öhler, M. 26, 139 Oliver, J.H. 153f, 158 Ollrog, W.H. 94 Onuki, T. 169, 173 Oster, R.E. 144f Overbeck, F. 29 Panagopulos, J. 190 Pankau, J.G. 77 Peppas Delmousou, D. 153 Perret, L. 161 Pesch, R. 106–108, 140 Petracca, V. 122, 135 Petri, D. 214 Philonenko, M. 77 Picht, G. 189 Pilhofer, P. 11, 28, 52, 54, 138, 198, 225 Plett, H.F. 73 Plümacher, E. 137, 148f Poland, F. 143 Popkes, W. 37 Postlethwaite, N. 119 Quasthoff, U. 57, 60–63, 77f Raible, W. 57f, 60 Räisänen, H. 17 Ratzinger, J. 189 Reck, R. 127 Rehbein, J. 78 Reichert, A. 19 Reiser, M. 190f Rist, J. 75 Ritter, A.M. 29 Robert, J. 154f Robert, L. 154f Robinson, M.A. 175 Rohden, P. von 159 Rohrbaugh, R.L. 123f Rohrhirsch, F. 15 Roloff, J. 140 Rooke, D.W. 175, 179 Rösger, A. 117 Rowland, C. 79, 82 Ruckstuhl, E. 176, 178 Rudolph, K. 15 Rusam, D. 200 Sand, A. 104 Sanders, E.P. 202, 206f
247
248
Autorenregister
Schenke, H.-M. 14, 105 Schenke, L. 16 Schinkel, D. 23, 25–27, 136ff, 139, 148f Schlatter, A. 104f, 110 Schlier, H. 108 Schmeller, T. 21, 110, 136 Schmidt, H. 214 Schmidt, K.L. 22 Schmidt, W.H. 24 Schmithals, W. 17 Schneemelcher, W. 16 Schnelle, U. 15, 22, 25, 37, 92, 100, 102, 109, 141 Schöllgen, G. 53 Schorndorfer, S. 156, 164 Schottroff, L. 17, 117, 123 Schrage, W. 84f, 89, 92, 92, 96 Schröter, J. 20f, 27, 29 Schulte, C. 140, 141, 142–144 Schürer, E. 66 Schweitzer, A. 206f Schweizer, E. 104, 106f Schwertheim, E. 76f, 155f, 161, 164 Scott, J. 175, 177 Seaford, R. 119 Selinger, R. 139, 145f Sellin, G. 18 Sherwin-White, A.N. 139 Siegert, F. 22f, 27, 175ff, 177, 181 Sigel, D. 43 Sirks, A.J.B. 139 Solin, H. 91 Sommer, S. 138 Stambaugh, J.E. 17 Stansell, G. 119 Starnitzke, D. 43 Stegemann, E.W. 17, 89 Stegemann, W. 17, 20, 89, 123 Stein-Hölkeskamp 116 Stendahl, K. 202 Stocker, P. 58, 73 Stoops, R. 138 Strack, P. 165 Strathmann, H. 51 Strauß, D.F. 13, 20 Strecker, G. 15, 17f, 21, 79 Studer, B. 189, 193 Syme, R. 164 Taeger, J.-W. 20, 26 Tammeus, R. 216 Theißen, G. 16, 17f, 94, 108, 126, 171
Thierfelder, J. 214 Thomassen, E. 168f Thrall, M.E. 79–82, 100, 102 Thyen, H. 19, 191 Toit, D.S. du 49 Trebilco, P. 97, 144 Unnik, W.C. van 121 Vahman, F. 67f Vegge, T. 219 Venetz, H.-J. 97, 117, 126 Vermes, G. 66 Vielhauer, P. 14, 100, 105 Vischer, L. 189 Vouga, F. 16 Wagner, J. 76 Wagner-Hasel, B. 124 Waletzky, J. 60f, 62, 63 Weber, W. 150f, 153–155, 158–160, 161, 162f, 165 Weder, H. 124 Wehnert, J. 14, 204 Weigandt, P. 90, 93 Weinrich, H. 193 Weiß, J. 79, 86, 89, 99, 103 Weiss, P. 153 Wermke, M. 215 Widengren, G. 68, 70, 75–77 Windisch, H. 78, 80, 99 Winkelmann, F. 30 Winter, B. 88f Witulski, T. 22f, 26, 150ff, 150f, 154, 158, 161f, 164–167 Wolff, C. 79–81, 96, 102 Wolter, M. 88 Wörrle, M. 160 Woyke, J. 35f, 38–42, 55, 220 Wucherpfennig, A. 168 Yarbro Collins, A. 80 Youtie, H.C. 124 Zahn, T. 207 Zahrnt, M. 154 Zangenberg, J. 15 Zeller, D. 79 Ziebarth, E. 142f Ziebertz, H.-G. 219 Zmijewski, J. 78–81